Justiz und Gerechtigkeit. Historische Beiträge (16.-19. Jahrhundert) , hg. v. Griesebner, Andrea/Scheutz, Martin/Weigl, Herwig (= Wiener Schriften zur Geschichte der Neuzeit 1). Studien Verlag, Innsbruck 2002. 490 S.

 

Der vorliegende Sammelband stellt den ersten Band einer neuen Buchreihe dar, welche die „Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit“ um Sammelbände und Monographien ergänzen soll. Er ist aus einer Tagung im November 2002 hervorgegangen, welche mit einem Podiumsgespräch zu „Justiz und Gerechtigkeit. Aktuelle Debatten in historischer Perspektive“ im Rahmen der dem so genannten „breiteren“ Publikum gewidmeten „Wiener Vorlesungen“ eröffnet wurde.

 

Wie die Herausgeber in ihrer Einleitung, die sich im Wesentlichen mit den im Titel verwendeten Begriffen „Justiz“ und „Gerechtigkeit“ begrifflich auseinandersetzt, betonen, war Absicht der Tagung nicht nur, „Fragen nach dem Verhältnis an[zu]stoßen, in welchem Justiz und Gerechtigkeit sowohl in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart stehen“, sondern es sollte auch „über die historische Forschung hinaus die Brücke zu anderen Disziplinen, wie etwa den Rechtswissenschaften, der Ethnologie oder auch der Soziologie geschlagen werden“, was nach den Angaben der Herausgeber selbst „leider nur in der Podiumsdiskussion geglückt“ sei. Dies erklärt sich wohl auch daraus, dass – jedenfalls nach den Angaben im Verzeichnis der Beitragenden (S. 485–490) – keine Fachvertreterinnen oder Fachvertreter der genannten Disziplinen an der Tagung teilnahmen bzw. Beiträge zu dieser Publikation beisteuerten. Umso mehr erscheint dies auch deshalb als bedauerlich, weil es eine weitere Zielsetzung der Tagung war, „ein Forum und eine Kommunikationsmöglichkeit für Forscherinnen und Forscher [zu] schaffen, die sich mit Quellen beschäftigen, die im Zusammenhang mit gerichtlicher Tätigkeit im Gebiet des Heiligen Römischen Reiches bzw. dem heutigen Österreich und Deutschland entstanden sind“.

 

Am Podiumsgespräch hingegen, dessen – (dem Anlaß angemessen) z. T. eher populärwissenschaftlich gehaltene, teilweise für den Druck erweiterte – Beiträge nach einer Einleitung der Herausgeber zum Spannungsverhältnis zwischen Justiz und Gerechtigkeit (S. 11–16) im vorliegenden Band abgedruckt sind, nahmen neben Hubert Christian Ehalt („»Richtiges Handeln«, »Gerechtigkeitsvorstellungen« und »Jurisprudenz« – Entwicklungen, Antinomien, Perspektiven“, S. 19–21), Andrea Griesebner („Justiz und Gerechtigkeit. Anmerkungen zu religiösen und säkularen Gerechtigkeitsmaximen“, S. 23–31) und Gerd Schwerhoff („Strafjustiz und Gerechtigkeit in historischer Perspektive – am Beispiel der Hexenprozesse“, S. 33–40) auch (österreichische) Juristinnen und Juristen teil, nämlich die Richterin Constanze Kren („Justiz und Gerechtigkeit – Betrachtungen aus der Praxis“, S. 41–44) und der Strafrechtswissenschafter Frank Höpfel („Gerechtigkeit – Billigkeit – Fairness“, S. 45–47). Diesen Beiträgen folgen 22 mehrheitlich mikrohistorische, anhand von Prozeßakten erarbeitete Studien mit Schwerpunkt vor allem im Bereich der Strafjustiz.

 

Klaus Graf („Justiz und Erinnerung in der frühen Neuzeit“, S. 51–60) widmet sich in seiner Studie der Erinnerung an Justizpraktiken und deren Wiedergabe in narrativen Texten, wobei er insbesondere das Verhältnis von Fakten und Fiktion untersucht und die ständige Wechselwirkung von obrigkeitlicher Verewigungspraxis und „Volksgedächtnis“ betont. Für die Erforschung der vormodernen Erinnerungskultur der Strafjustiz fordert er grundsätzlich einen stärker interdisziplinären Zugang ein, der vor allem die Resultate der Erzählforschung, volkskundlicher wie literaturwissenschaftlicher Art, einbeziehen sollte, da Justiz-Erinnerungen vor allem als Justiz-Erzählungen zu lesen seien.

 

Gerhard Sälter („Gerechtigkeit und soziale Ordnung. Konflikte um individuelle Interessen und die rechtliche Ordnung der Dinge in Paris im 18. Jahrhundert“, S. 61–74) untersucht zunächst die Verwendung des Begriffes „justice“ in polizeilichen Quellen der Jahre 1697–1705 und schildert sodann anhand von mehreren Fallbeispielen Konflikte um soziale Normen, um diese schließlich vor dem Hintergrund der Kategorie Gerechtigkeit „als Elemente eines Diskurses um die Ausgestaltung sozialer Ordnung“ zu interpretieren.

 

Nach Monika Mommertz („Relationalität oder Normativität? »Modi der Rechtlichkeit« am Beispiel der ländlichen Mark Brandenburg in der Frühen Neuzeit“, S. 75–93) existierte in der Vormoderne mehr als ein „Modus der Rechtlichkeit“, worunter sie „strukturierende Arten und Weisen“ versteht, „in einem spezifisch historischen Kontext wahrgenommene Verletzungen von Recht (wieder) in einen Zustand der Rechtmäßigkeit zu überführen“. Sie untersucht daher die „Praxis der Rechtsfindung selbst als Ausdruck eines bestimmten Verständnisses von Recht“, bzw. „jene Praktiken, in denen sich die Rechtsfindung vollzog“ anhand der bäuerlichen Gesellschaft Brandenburgs im 16. und 17. Jahrhundert. Sie verortet in der unterhalb der Gemeindestruktur angesiedelten dörflichen „Praxis des Richtens“ ein hohes Ausmaß von „Relationalität“, also einer Rechtlichkeit, „die von modernem Normen-Denken weit entfernt“ war, da in diesen „face-to-face-Gesellschaften“ die Bewertung des Verhaltens einer Person nicht von vornherein festgelegt war, sondern erst „aus der Summe der positiven und negativen Einwirkungen von Beziehungsnetzen“ innerhalb des Dorfes ermittelt wurde. Aber auch in den gutsherrlichen Gerichten als Orten „einer monopolisierten und zentralisierten Rechtlichkeit“ bildete diese Relationalität „einen tragenden Aspekt“. Nach Mommertz stellt ein „Denken in »Normen und Werten« jedenfalls keine anthropologische Konstante dar“.

 

Alexander Schunka („Die Visualisierung von Gerechtigkeiten in Zeugenaussagen des 16. und 17. Jahrhunderts“, S. 95–114) untersucht das Phänomen der sinnlichen Vermittlung von konkreten Rechten bzw. Rechtsansprüchen anhand einzelner Reichskammergerichtsverfahren betreffend Jagdgerechtigkeiten, Kirchweihschutz oder Hochgerichtsbarkeit, wobei er die Bedeutung der Visualisierung als Kommunikationsmittel zwischen Herrschern und Untertanen betont, das zur Schaffung bzw. Festigung von Loyalitätsbanden zwischen Herrschern und Untertanen führen konnte.

 

Martin Scheutz und Harald Tersch („Der Salzburger Pfleger Kaspar Vogl und die Suche nach Gerechtigkeit. Ein Gefängnistagebuch aus dem beginnenden 17. Jahrhundert als Streit um Interpretationen: Supplikation oder Rebellion“, S. 115–140) untersuchen anhand des im Anschluß an diesen Beitrag edierten Tagebuches nicht nur die Rolle des schließlich exemplarisch zum Tode verurteilten Pflegers im Zusammenhang mit den Bauernunruhen in Zell am See und Umgebung 1606, sondern insbesondere auch die Frage, ob die Untertanen, die eine Abgabenerhöhung mittels Supplikation an den Erzbischof verhindern wollten, dazu – je nach konkret eingenommener Gerechtigkeitsperspektive – befugt waren.

 

Auch am Beginn des von Britta Pohl („»Wilde, unbändige Leute« Zur Konstruktion von Rädelsführerschaft im 17. Jahrhundert“, S. 141–148) untersuchten Passauer Untertanenprozesses 1680–1684, stand eine als Rebellion gewertete Supplikation der Untertanen an den Bischof von Passau betreffend verschiedene Mißstände. Da nach Pohl nicht die ganze Landschaft wegen Widersetzlichkeit verurteilt werden konnte, wurde der Wortführer der Bauern aufgrund einer herrschaftlichen Konstruktion als Rädelsführer verurteilt.

 

Ralf-Peter Fuchs („Recht und Unrecht im Verfahren Lackum – Ein Kriminalfall mit Widerhall“, S. 149–168) analysiert anhand eines am Reichskammergericht geführten Injurienprozesses aus dem Jahre 1593, „in welchen Formen sich Recht anhand der Prozeßakten darstellt, wobei sich nach Fuchs Diskurse um bzw. kontroversielle Vorstellungen von „Recht“ auf vier verschiedenen Ebenen vorfinden, nämlich „in den Verfahrensregeln und den Diskursen um das »richtige« Recht“, „im Ausloten der Spielräume innerhalb des Rahmens der zur Führung des »rechtlichen Kriegs« gebrauchten rhetorischen Mittel“, „im Versuch von außen, durch regionale Kräfte, auf das Verfahren einzuwirken“ und schließlich „in den zur Wahrheitsfindung abgehaltenen Verhören »Unbeteiligter«“. Im Ergebnis sieht Fuchs Recht in der frühen Neuzeit „als eine Art Diskursteppich ..., auf dem Prozedere und Beurteilung von Menschen und Taten alles andere als starr vorgezeichnet waren“.

 

Arthur Stögmann („»Hoffet ihr noch auf Gott, ihr narrischen Leutt?« Blasphemie und klerikale Autorität in Niederösterreich (1647/48)“, S. 169–198) untersucht die Phänomene von Blasphemie und Antiklerikalismus anhand eines konkreten Fallbeispieles in der Marktgemeinde Großkrut am Ende des Dreißigjährigen Krieges. Stögmann zeigt insbesondere auf, wie stark ökonomische Probleme in Interdependenz mit konkretem religiösem Verhalten stehen und wie erfolglos kirchliche Rekatholisierungsbestrebungen selbst mit landesfürstlicher Unterstüzung sein konnten, wenn sie nicht von pastoraler Glaubwürdigkeit und übereinstimmenden Gerechtigkeitsvorstellungen getragen waren.

 

Martin Paul Schennach („Lokale Obrigkeiten und Soldaten. Militärgerichtsbarkeit in Tirol in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts“, S. 199–217) führte in seiner Studie diverse Eingriffe der Innsbrucker Behörden in die formal autonome Militärgerichtsbarkeit vor Augen, worin er einen „nicht unwesentlichen Schritt auf dem Weg der Integration der bewaffneten Macht in das frühneuzeitliche Staatswesen“ erblickt, wenngleich es sich nicht um eine planmäßige Beschneidung der militärischen Selbstverwaltung handelte, sondern um eine „eher improvisierte, auf die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort und das Verhältnis der Truppenkommandanten zur Innsbrucker Zentrale Rücksicht nehmende“, im einzelnen stark variierende Art der Einflußnahme.

 

Peter Klammer (»In Unehren beschlaffen«. Unzucht im Rahmen der archidiakonalen Gerichtsbarkeit im frühneuzeitlichen Salzburger Lungau“, S. 219–239) kommt in seiner Auswertung der Protokolle des Archidiakonalgerichtes Lungau zwischen 1628 und 1788 zum Ergebnis, daß viele der vor dieses Gericht gebrachten Konflikte aus den Normveränderungen im Bereich des Eheschließungsrechtes resultierten. Die hohe Akzeptanz dieses Gerichts in der Bevölkerung erklärt Klammer damit, dass dieses sich „weniger als Sittengericht gebärdete, sondern auf Traditionen stützte, die praktische Belange in den Vordergrund stellte“, also „nicht die begangenen Delikte per se im Zentrum des Verfahrens standen, sondern vielmehr deren pekuniäre Folgen“, während die Verhängung von Strafen eindeutig auf staatlicher Seite dominierte.

 

Susanne Hehenberger (»Habe in der Teuffl verführt, und gemeint lindrung zu haben«. Anmerkungen zu einem Sodomieprozeß“ [Pöggstall 1698/99], S. 241–254) beschäftigt sich mit der Konzeption des Sodomiedeliktes in Österreich unter und ob der Enns im 17. und 18. Jahrhundert, führt ein niederösterreichischesVerfahren betreffend Bestialität vor und setzt sodann diesen Fall in Relation zu ihren „bisherigen Rechercheeindrücken“.

 

Cornelia Schörkhuber-Drysdale, „»Ich bitt dich umb Gottes willen, mein herr und frau bringen schirr umb einander« untersucht anhand von zwei, vom Konsistorialgericht Passau unterschiedlich entschiedener Fälle „Ehestreitigkeiten und Ehetrennung in der bäuerlichen Gesellschaft Oberösterreichs zu Beginn des 18. Jahrhunderts“ (S. 255–268).

 

Thomas Just macht das „Das patrimoniale Gericht des Wiener Bürgerspitals in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts“ (S. 269–284) zum Gegenstand seiner Studie, für dessen Jurisdiktionsbereich er eine frühere Zurückdrängung außergerichtlicher Einigungen als in anderen nieder- und oberösterreichischen Herrschaften feststellt.

 

Manfred Zollinger, „»Konkurrierende« Gerechtigkeitsvorstellungen. Der portugiesische Botschafter und das Spiel um die Öffentlichkeit. Ein Mordfall in Wien (1696)“ (S. 285–310) analysiert den Anlaßfall für eine fortgesetzte Reihe von Glückspielgesetzen und insbesondere den Niederschlag der öffentlichen Meinung hinsichtlich des Täters in zahlreichen Publikationen.

 

Pavel Him („Erfundene Hölle? Machtrepression und Konstruktion von »Übernatürlichem« in der frühen Neuzeit. Überlegungen anhand böhmischer Fallbeispiele“, S. 311–329) untersucht am Beispiel zweier Fälle eines vermeintlichen Teufelspaktes bzw. eines Abfalles vom Christentum die „Justizmechanismen, die bei der gedanklichen Einordnung einer Begebenheit in das Register des von Gott oder dem Teufel unmittelbar Verursachten (des »Übernatürlichen« eben) mitwirkten“.

 

Jürgen Martschukat („»Düsterheit und Barbarey?« Erörterungen zum Verhältnis von Justiz und Gewalt im ausgehenden 18. Jahrhundert anhand des Falles der Hamburger Gattenmörderin Maria Catharina Wächter“, S. 331–348) demonstriert an einem medial stark aufbereiteten Mordfall „das Ringen der aufgeklärten Justiz mit ihrem Selbstverständnis“, denn in diesem Selbstverständnis stellte zwar die „Verachtung von offenkundiger Gewalt und Grausamkeit“, etwa in Gestalt der Folter und der Todesstrafe des Räderns, ein wesentliches Moment dar, nichtsdestotrotz wurde in diesem Kriminalfall aus Abschreckungsgründen doch weitgehend auf das traditionelle Instrumentarium einer als barbarisch eingestuften voraufklärerischen Justiz zurückgegriffen.

 

Gerhard Ammerer und Alfred Stefan Weiß („»Damit sie im Arrest nicht schimmlicht werden« Zucht- und Arbeitshäuser, Freiheitsstrafe und Gefängnisdiskurs in Österreich um 1800“, S. 349–371) beleuchten als Teil ein größer angelegten Studie zu den österreichischen Zucht- und Arbeitshäusern in ihrem Beitrag den Anstaltsalltag und Überlegungen zur Gefängnisreform, insbesondere hinsichtlich von Fragen wie Raumaufteilung, Kost, Hygiene, medizinische Betreuung, Besserungs- und Reintegrationsmöglichkeiten der Insassen, sowie diesbezügliche Realisierungsbemühungen.

 

Margareth Lanzinger („»So fordert es auch die billigkeit«. Gerechtigkeitsvorstellungen in der Gemeindepolitik des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts“, S. 373–388) geht am Beispiel des Südtiroler Marktes Innichen insbesondere der Frage nach, wie sich Gerechtigkeit in einer sozial „ungerechten“ Gesellschaft manifestierte – z. B. durch gestaffelte Abgaben oder Lasten-Nutzen-Ausgleiche – und definiert soziale Gerechtigkeit auch für den von ihr untersuchten Bereich als „gerechtfertigte Ungleichheiten“.

 

Edith Kohl („Zwischen Recht und Gerechtigkeit. Gerichtspraxis in einer oststeirischen Bezirksobrigkeit 1822–1848: Das Beispiel Stadl bei St. Ruprecht/Raab“, S. 389–406) arbeitet anhand der von ihr ausgewerteten herrschaftlichen Polizeiakten die Tendenz des Gerichtes zu einer „humanisierten Strafgerichtspraxis, die das ideelle Aufklärungsgut internalisiert hatte“, heraus, was sich u.a. in für die DelinquentInnen günstigen rechtlichen Qualifikationen von Straftaten und niedrigen Strafen niederschlug, wobei Prämissen für die Rechtsprechung die Erhaltung „politischer Sicherheit und wirtschaftlicher Stabilität für den Bezirk“ waren.

 

Monika Wienfort („Mütter und unversorgte Kinder. Zur Entstehung bürgerlichen Rechtsbewußtseins im 19. Jahrhundert“, S. 407–429) untersucht die Auseinandersetzung um eine Reform des Nichtehelichenrechtes in Preußen, an deren Ende schließlich das Reformgesetz von 1854 stand, wobei in dieser Debatte die weibliche Bescholtenheit ein zentrales Thema darstellte. Nach Wienfort mache diese Diskussion deutlich, „in welcher Weise verschiedene Dimensionen sozialer Gleichheit – zwischen den Geschlechtern, aber auch zwischen den Angehörigen des höheren Bürgerstandes und den niederen Schichten – mit unterschiedlichen kulturellen Deutungsmustern von Recht und Unrecht verbunden waren“.

 

Peter Wettmann-Jungblut „Unkorrigierbare Kinder und die »Pflicht der Gerechtigkeit«: Jugenddelinquenz und strafrechtliche Intervention im preußischen Saargebiet, 1825–1850“, S. 431–447) geht den ersten preussischen Reformversuchen im Bereich der Jugendkriminalität nach und analysiert die einschlägigen Verhältnisse am Beispiel einer kleineren saarländischen Gemeinde.

 

Schließlich zeigt Maria Heidegger (»Wir müssen es sagen, mit Freude vernahmen wir dieses gelinde Urteil« Inszenierung und Wahrnehmung von Justiz und »Gerechtigkeit« in Presseberichten über das Schwurgericht in Tirol 1850/51“, S. 449–467) anhand der Gerichtssaalberichterstattung zweier als liberal einzustufender deutschsprachiger Tiroler Zeitungen die mediale Bewertung insbesondere von Verhalten und Kompetenz der Laienrichter, des Anklägers, Verteidigers, Vorsitzenden, Angeklagten sowie Sachverständigen und Zeugen, wobei hervorzuheben ist, daß jedenfalls die von der Verfasserin ausgewählten Zeitungen ganz eindeutig beweisen wollten, „wie gut sich das Schwurgericht in der Praxis bewährte“. Die Gerichtsssaalberichterstattung begleitete daher die Schwurgerichtsbarkeit „kontrollierend, erklärend und legitimierend“ und hatte zweifelsfrei „entscheidend Anteil am öffentlichen Diskurs über Justiz und Gerechtigkeit“. Im Anschluß an diese einzelnen Beiträge finden sich noch Abstracts in englischer Sprache und das bereits erwähnte Verzeichnis der Beitragenden.

 

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Beiträge sich durch eine intensive Quellenkenntnis auszeichnen und durchwegs eine hohe Qualität und gute Lesbarkeit aufweisen, wenngleich einzelne Beiträge durchaus punktuell zu Kritik herausfordern oder kleinere Fehler enthalten. Eine detaillierte Besprechung der einzelnen Kritikpunkte würde freilich den Rahmen der Rezension sprengen. Ungeachtet derartiger kleinerer Schwächen darf diese Publikation abschließend trotz der mangelnden Interdisziplinarität und der inhaltlichen, sich aus der Zielsetzung der zugrundeliegenden Tagung ergebenden Heterogenität der Einzelstudien durchaus als erfreuliche Neuerscheinung und Bereicherung auch im Bereich der Rechtsgeschichte, vor allem freilich der frühneuzeitlichen Kriminalitätsgeschichte, bezeichnet werden.

 

Wien                                                                                                                         Ilse Reiter