Das Buch der Welt. Kommentar und Edition zur ,Sächsischen Weltchronik’ Ms. Memb. I 90 Forschungs- und Landesbibliothek Gotha, hg. v. Herkommer, Hubert. Faksimile Verlag, Luzern 2000. Vorwort Einführung und Edition XII, LXXIII*, 320, 8 S.

 

Die moderne Technik ermöglicht die Demokratisierung des Wissens ebenso wie die Popularisierung des Luxus. Konnten sich einst nur Fürsten und Städte eine kostbare Bilderhandschrift leisten, so machen Faksimiles sie heute allgemeiner zugänglich. Mag auch ein Preis von 7900 Franken dem einen oder anderen Interessenten für das Buch der Welt noch nicht erschwinglich scheinen.

 

Hubert Herkommer hat sich bereits in seiner 1970 vorgelegten Dissertation mit der Überlieferungsgeschichte der sächsischen Weltchronik eindringlich befasst. Als Bonner Doktorand hat er sie Eike von Repgow abgesprochen und damit Sachsenspiegel und sächsische Weltchronik voneinander getrennt. Als Ordinarius in Bern hat er sich nunmehr um eine hervorragende Ausgabe sehr verdient gemacht.

 

In seinem Vorwort stellt er sie der ersten Weltgeschichtsdichtung in Form der gereimten Weltchronik des Rudolf von Ems, an deren Faksimileausgabe (1982ff.) er als Mitherausgeber beteiligt war, als volkssprachliche Weltgeschichtsschreibung gegenüber. Von ihren rund 60 Handschriften sind vier bebildert. Ältester Zeuge des vielleicht um 1275 im Umfeld der Franziskaner in Magdeburg entstandenen Werkes ist die nun werbend mit einer Wendung eines späteren Manuskripts der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main betitelte, auch die Geschichte von der Herkunft der Sachsen, Genealogien der Welfen und der Grafen von Flandern sowie eine kurze Papstgeschichte enthaltende Handschrift.

 

Erstmals fassbar ist die Handschrift im Katalog der Bibliothek der Kurfürsten von Sachen in Wittenberg im Jahr 1437. Von dort gelangte sie in der Mitte des 17. Jahrhunderts nach Gotha. Nach einem zwangsweisen Ausflug nach Leningrad fand sie 1957 an ihren Aufbewahrungsort zurück.

 

Der wissenschaftliche Begleitband der Edition beschreibt als erstes das Lagenschema. Danach setzt Karin Schneider die fast ausschließlich tätige Haupthand in die siebziger Jahre des 13. Jahrhunderts. Die sprachwissenschaftliche Analyse Rudolf Großes kommt innerhalb des elbostfälischen Mittelniederdeutschen zu wahrscheinlichen Bezügen zu Magdeburg, die kunstgeschichtliche Untersuchung der Miniaturen durch Renate Kroos zu einer sächsischen Weltchronik der Langfassung C (um 1230) als zwischen 1250 und 1275 verwendeter Vorlage.

 

Der zweite Teil des wissenschaftlichen Begleitbands enthält die Edition durch den Herausgeber mit den Bildbeschreibungen durch Renate Kroos. Damit wird erstmals der Text der 10000 durchlaufend geschriebene Zeilen umfassenden, seit 1723 bereits fünfmal edierten sächsischen Weltchronik in der Langfassung C als geschlossenes Ganzes vorgelegt. In einer ausführlichen Einleitung untersucht dabei Hubert Herkommer das Gothaer Textcorpus aus literaturhistorischer Sicht und erwägt abschließend eine Situierung im Umkreis des sächsisch-askanischen Herzogshauses.

 

Man wird dem Herausgeber ohne Weiteres darin beipflichten können, dass am Ende einer mehrjährigen Zusammenarbeit ein wissenschaftliches Begleitwerk entstanden ist, das zahlreiche neue Einsichten in die erste volkssprachliche Prosaweltchronik liefert, deren Forschungsliteratur durch Wolf, Jürgen, Die sächsische Weltchronik im Spiegel ihrer Handschriften (1997) umfangreich zusammengefasst ist. Auf ihrer Grundlage kann der Leser sich selbst bestens mit dem Text auseinandersetzen. Für eine gewisse Exklusivität des kunstgeschichtlichen Genusses der Illustrationen wird freilich wie zur Entstehungszeit auch heute noch der illustre Preis der beeindruckenden, dem Rezensenten vom Verlag wohl deswegen auch nur zum einfacheren Teil zur Verfügung gestellten Leistung sorgen.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler