Bigott, Boris, Ludwig der Deutsche und die Reichskirche im ostfränkischen Reich (826-876) (= Historische Studien 470). Matthiessen, Husum 2002. 350 S.

 

Das hier anzuzeigende Werk ist eine verdienstliche, mit Fleiß bei Thomas Zotz in Freiburg angefertigte Dissertation. Der Verfasser untersucht darin ein komplexes Thema, das hier nicht in toto angezeigt werden kann. Der prosopographische Impetus muß lobend erwähnt werden, ebenso der konzise Überblick über das halbe Jahrhundert des Untersuchungszeitraumes. Wichtige Erkenntnisse sind daher nicht verwunderlich.

 

Für das gute Funktionieren von Herrschaft war das Zusammenspiel von weltlicher und geistlicher Macht unerläßlich. Dies hat der Verfasser eindrucksvoll deutlich gemacht. Mainz als Sitz des bedeutendsten und ranghöchsten Geistlichen wird hier immer wieder gezeigt und vorgeführt[1]. Der Zusammenhang von „großer Politik“ und Kirchenpolitik wird in dieser Arbeit noch einmal in aller Deutlichkeit dargestellt, ebenso die Verquickung, die Chancen und die Probleme,[2] die aus dem Zusammenspiel von weltlicher und geistlicher Macht herrühren.

 

Bedauerlich ist, daß bei De institutione clericorum libri tres von Hrabanus Maurus nicht auf die grundlegende Edition Detlev Zimpels[3] zurückgegriffen wurde, sondern die 1900 erschienene Alois Knöpflers[4] verwendet wurde.

 

Ortsangaben wie „Klingenmünster bei Speyer“[5] - das erheblich näher bei der immens wichtigen Abtei Weißenburg liegt -, oder St. Maximin als innerhalb Triers gelegen[6], sind verbesserungsfähig.

 

Trotz der verdienstvollen Arbeit muß die Ablehnung des eingebürgerten und sinnvollen Begriffs „Reichskirchensystem“[7] Widerspruch erhalten, denn das Vorgehen des Königs war, wie Bigott implizit feststellt, doch planvoll, doch systematisch.[8]

 

In toto eine künftig unentbehrliche Arbeit für die Beschäftigung mit diesem reichen und reichhaltigen Komplex, die einen auch für andere Zeiten wichtigen Hinweis gibt: „Reichskirchengeschichte ist daher ab dem frühen Mittelalter für Erforschung und Verständnis der Reichsgeschichte von grundlegender Bedeutung.“[9]

 

Heidelberg                                                                                         Klaus-Frédéric Johannes



[1] So S. 201, wo Bigott zutreffend feststellt: „Die vier Amtszeiten der Mainzer Erzbischöfe unter Ludwig dem Deutschen markieren vier Phasen in dessen Politik, die maßgeblich durch die Bischöfe geprägt wurden. Wie wichtig für Ludwig den Deutschen der Erzbischof von Mainz war, wird deutlich, wenn man bedenkt, daß Ludwig mit jeder Neubesetzung des Mainzer Erzstuhls einen Politikwechsel einläutete...“

[2] Hier sei nur auf den unitas-imperii-Gedanken der Reichskirche, die eben weitestgehend Ludwig den Frommen, den kaiserlichen Vater Ludwigs des Deutschen, unterstützte (cf. Kap. 3.1), für den auch eine regere Urkundentätigkeit zugunsten des Klerus (einschließlich des Reichsteiles seines Sohnes) nachweisbar ist als bei Ludwig dem Deutschen, verwiesen.

[3] Zimpel, Detlev (Hg.), Hrabanus Maurus, De institutione clericorum libri tres. Studien und Edition, (= FBMG 7), 1996.

[4] Rabani Mauri De institutione clericorum libri tres, rec. Alois Knöpfler, 1900.

[5] S. 43

[6] S. 235

[7] Vgl. zusammenfassend Rudolf Schieffer, Der geschichtliche Ort der ottonisch-salischen Reichskirchenpolitik, 1998; Bigott rekurriert hier auf Hartmut Hoffmanns Studie Der König und seine Bischöfe in Frankreich und im Deutschen Reich 963-1060, in: Bischof Burchard von Worms 1000-1025, hg. von Wilfried Hartmann, (= QAmrhKG 100), 2000, 79-127.

[8] Bigott, passim (z.B. pp. 95, 122); vor allem aber muß mitbedacht werden, daß bei Leugnung des Reichskirchensystems auch die Reichskirche mitgeleugnet wird - und für die findet Bigott Belege, datiert mit guten Gründen ihre „Geburtsstunde“ auf die Berufung eines der größten Gelehrten seiner Zeit, Hrabanus Maurus, auf die Mainzer cathedra: „Mit der Berufung Hrabans gelang Ludwig in einem Schritt die Aussöhnung mit den Teilen der Kirche, die ihm bis dahin fern standen. Seit diesem Zeitpunkt funktionierte wieder, was davor nicht praktiziert werden konnte: die Zusammenarbeit des Königs mit der Kirche seines Reichs. Während davor nur einzelne der Kirchenoberen mit Ludwig kooperierten und ihn tatkräftig unterstützten, andere jedoch völlig abseits standen, gab es nun insgesamt wieder Kooperation zwischen König und Kirche, die gerade durch diese Zusammenarbeit erst wieder zu einer Reichskirche wurde.“ (S. 204), bzw. auf die Mainzer Synode von 847: „Die Aussöhnung mit der Kirche war vollzogen, obwohl noch nicht sämtliche ostfränkische Bischöfe eingebunden waren, so ist festzustellen, daß die weitaus meisten und wichtigsten Bischöfe nun ihr Bekenntnis zu Ludwig dem Deutschen abgelegt hatten. Darin ist nicht weniger zu sehen, als die Schaffung der ostfränkischen Reichskirche überhaupt.“ (S. 109); aber S. 274: „Insgesamt ergibt sich ein Bild, nach dem Ludwig im Wesentlichen mit der überkommenen (sic!) Reichskirche seines Vaters auskam.“

[9] S. 281.