Wagner-Kern, Michael, Staat und Namensänderung (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts). Mohr (Siebeck), Tübingen 2002. XVII, 459 S.

 

Die Arbeit ist eine im Wintersemester 2000/2001 von der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth angenommene Dissertation. Sie wurde von Diethelm Klippel betreut, dem der Verfasser viele methodische und argumentative Zuschärfungen verdankt. Sie gliedert sich in vier grundsätzlich chronologisch geordnete Kapitel.

 

Sie geht davon aus, dass dem als notwendiger Teil der deutschen Rechtsordnung angesehenen Namensänderungsgesetz allgemein eine für den gegenwärtigen Rechtsstaat unbedenkliche Struktur und Entstehungsgeschichte bescheinigt wird. Als Motiv für den Erlass wird das Streben nach Beseitigung der landesrechtlichen Rechtszersplitterung angenommen. Weil sich diese Haltung nicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen kann, versucht der Verfasser die damit erwiesene Lücke selbst zu schließen.

 

Innerhalb seiner einbezogenen Aktenbestände kommt den mit Hans Globke verbundenen Akten besondere Bedeutung zu. Hans Globke war seit 1929 in Preußen mit dem Namensänderungsrecht befasst. Zwischen 1935 und 1938 war er die Schlüsselfigur bei der Erarbeitung des Namensänderungsgesetzes im Reichsinnenministerium Deutschlands. 1953 wurde er Staatssekretär des Bundeskanzleramts der Bundesrepublik Deutschland. Am 23. Juli 1963 wurde er auf der Grundlage eines in der Deutschen Demokratischen Republik (nach Einstufung des Verfassers willkürlich, lückenhaft und unprofessionell) gesammelten Materials in Abwesenheit wegen fortgesetzter Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt. Sein Nachlass enthält nach Ansicht des Verfassers fast ausschließlich Materialien, die fast ausnahmslos das Bild eines Gegners des NS-Staates zeichnen.

 

Bei der Beschreibung des Forschungsstands weist der Verfasser darauf hin, dass die Verquickung von Antisemitismus und Namensrecht im 19. und frühen 20. Jahrhundert erstmals von Dietz Bering thematisiert worden war. Dieser Untersuchung folgten bereits mehrere regionale Studien. Der Verfasser greift den Gegenstand in moderner zeitgeschichtlicher Methodik auf.

 

In seinem ersten Kapitel geht er davon aus, dass jedes Namensänderungsrecht die grundsätzliche Unabänderlichkeit der Personennamen voraussetzt. Er hebt hervor, dass die Abkehr vom Grundsatz der Namensfreiheit in Frankreich im 16. Jahrhundert auf Veranlassung des Adels beginnt (Änderung des Namens unter Vorbehalt königlicher Erlaubnis 1555), dass in Sachsen 1666 gesetzlich unveränderliche Familiennamen angestrebt werden und dass in Bayern 1677 eine Namensänderung vom Konsens des Landesfürsten abhängig gemacht wird, dass aber zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Änderung des Personennamens bis auf wenige Ausnahmen nicht geregelt war. In Frankreich hatte die revolutionäre Liberalisierung sogar dazu geführt, dass seit 1793 jedermann seinen früheren bürgerlichen Namen aufgeben und durch bloße Erklärung gegenüber der Gemeindebehörde einen beliebigen neuen Namen annehmen konnte.

 

Zum 1. April 1803 änderte Frankreich freilich diesen Zustand. Es schrieb durch Gesetz ein Verfahren zur Namensänderung vor, das einen Antrag mit Begründung erforderte. Über die Rheinbundstaaten wirkten sich dies Vorstellungen auch auf die Staaten des Deutschen Bundes aus, in denen teils ordnungspolitisch alle Bürger in Bezug genommen wurden, teils aber administrative Maßnahmen und Gebote auch besonders (die Einbindung der namensmäßig abweichenden Friesen und) die Integration bzw. Emanzipation der jüdischen, grundsätzlich keinen Familiennamen, sondern nur eine patronymische Nachbenennung führenden Staatsbürger beabsichtigten und deren Mitglieder als Gegenleistung für die vordergründige Gleichstellung zu bestimmten festen Familiennamen verpflichteten.

 

Chronologisch rückschreitend stellt der Verfasser dann fest, dass die Verbindung zwischen Emanzipation der Juden und Namensannahme der französischen Revolution sogar noch vorausgeht. In Österreich verpflichtete Joseph II. zur Vermeidung aller Unordnungen im politischen und gerichtlichen Verfahren, die entstehen müssen, wenn Familien keinen bestimmten Geschlechtsnamen und keinen sonst bekannten Vornamen haben, am 23. Juli 1787 alle in den österreichischen Erblanden lebenden Juden zur Annahme unabänderlicher Familiennamen und Vornamen. Ein am 12. November 1787 ergehendes Hofdekret verordnete, dass keine andern als die in einer Liste enthaltenen 109 männlichen und 35 weiblichen Vornamen geführt werden sollten.

 

In Frankreich befahl Napoleon mit dem Decret concernant les juifs qui n’ont pas de noms de famille et de prénoms fixes vom 20. Juli 1808 die Annahme fester Familiennamen. Dabei wurde es den Juden verwehrt, diese Namen dem alten Testament zu entnehmen oder an Städten auszurichten. Dem folgten Hessen-Darmstadt und Westphalen.

 

Als Grund für die Gleichstellung der Juden nennt der Verfasser die Wendung des Gesellschaftsmodells von der wirtschaftlich gescheiterten geteilten Ständegesellschaft zur wirtschaftlichen Erfolg versprechenden freiheitlichen einheitlichen Leistungsgesellschaft. Wer Gleichheit durch Abbau von Nachteilen wollte, musste auch für Gleichheit durch Abbau von vorteilhaften Unterscheidungsmerkmalen eintreten. Insofern war die Anordnung fester Familiennamen auch für Juden und Friesen durchaus folgerichtig.

 

Einsichtig war dabei die Einschränkung der freien Namenwahl in der Hinsicht, dass kein Name gewählt werden durfte, womit ein Eingriff in die Familienrechte anderer geschehe. Bedenklich war demgegenüber die Ablehnung hebräischer oder alttestamentarischer Namen als nicht geeignet. Noch gefährdender wirkte die obrigkeitliche Veranstaltung der Abänderung der beibehaltenen oder neu angenommenen Zunamen (Zuweisung eines beschränkten Katalogs neuer Namen wie z. B. Ehrmann, Löbmann, Neumann zu einem alten hebräischen Namen wie z. B. Löw), in der der Verfasser erste Merkmale einer stigmatisierenden Funktionalisierung erkennt.

 

Auf der Grundlage der Durchsetzung des Grundsatzes fester Namensführung erwuchs dann das Verbot der willkürlichen Änderung von Namen. In Preußen, wo der jüdische Kaufmann Markus Lille den König gebeten hatte, seinem Sohn den Namen Friedrich Wilhelm geben zu dürfen, erfolgte dies durch die Verordnung vom 30. Oktober 1816 wider das Führen fremder oder erdichteter Namen und durch die den Namenswechsel von landesherrlicher Erlaubnis abhängig machende Kabinettsorder vom 22. April 1822. Wenig später verpflichtete Preußen die Juden im Großherzogtum Posen zur Annahme bestimmter Familiennamen und wies die Regierungen der östlichen Landesteile an, sicherzustellen, dass die Familiennamen von den bisherigen Namen nicht abweichen. Durch einen ministeriellen Runderlass vom 6. Juli 1836 wurde allen königlichen Regierungen aufgetragen, den Synagogen und Kultusbeamten der Juden bekannt zu machen, dass künftig keinem Juden ein christlicher Vorname beigelegt werden dürfe. In der Praxis beschränkte sich dieses Verbot freilich auf die Namen Christoph, Christian und Peter.

 

In der Folge trat bald die eine, bald die andere Tendenz stärker hervor. Art. 14 der Verfassung Preußens vom 31. 1. 1850 verwehrte den Juden den Zugang zu Staatsämtern, Justizdienst und Schuldienst. 1869 wurde diese Schranke im Norddeutschen Bund und 1871 im zweiten Deutschen Reich beseitigt. Die wenig später eintretende Wirtschaftskrise begünstigte dann wieder unterschwelligen Antisemitismus, weil die jüdische Bevölkerungsgruppe wirtschaftlich besonders erfolgreich schien.

 

Unabhängig davon musste die Reichsgründung vereinheitlichende Strömungen begünstigen. Die Gesetzgebung des neuentstandenen Reichs erfasste weite Rechtsbereiche und führte außer im Personenstandsrecht fast im gesamten Privatrecht zur Rechtseinheit. Folgerichtig begann wenig später eine Diskussion über das landesrechtlich zwar von allgemeinen Grundsätzen bestimmte, aber im Einzelnen doch unterschiedliche öffentlichrechtliche Namensänderungsrecht, wobei die Behauptung verbreitet wurde, der reichseinheitliche Schutzgedanke des Namensrechts werde durch die Namensänderungsanträge jüdischer Bürger und eine uneinheitliche Genehmigungspraxis der Einzelstaaten unterlaufen, weil die deutschen Juden zwecks versteckter Assimilierung in großer Zahl die Ablegung ihrer jüdisch klingenden Namen betrieben.

 

Das zweite Kapitel des Verfassers ist der öffentlichrechtlichen Namensänderung im Spannungsfeld reichsrechtlicher und antisemitischer Einflüsse zwischen 1919 und 1933 gewidmet. Es zeigt, dass die Weimarer Reichsverfassung zwar den Ländern die Zuständigkeit für die Namensänderung beließ, dass sich aber doch insgesamt die vereinheitlichende Grundtendenz verstärkte, obgleich von der Möglichkeit der Bedarfsgesetzgebung im Namensrecht noch nicht Gebrauch gemacht wurde. Während dabei in der Praxis die zahlreichen Fälle der Namensänderungsanträge aus familiären Gründen sehr liberal gehandhabt wurden, wurden Bestrebungen jüdischer Personen, „ihre jüdische Abkunft durch Ablegung oder Änderung ihrer jüdischen Namen zu verschleiern“, aus politischen Gründen abgelehnt.

 

Im dritten Kapitel wendet sich der Verfasser der Namensänderung und dem Namensänderungsrecht im nationalsozialistischen Staat (1933-1945) zu. Ausführlich schildert er die Entwicklung von den ersten Entwürfen bis zur Entscheidung für eine völkische Reichsgesetzgebung zum Namensänderungsrecht in den Anfangsjahren des nationalsozialistischen Regimes. Dem schließt er die umsichtige Betrachtung des im Gesetz vom 5. 1. 1938 mündenden Gesetzgebungsverfahren an. Im Ergebnis gelangt er zu der einleuchtenden Erkenntnis, dass nicht die unbedingte Notwendigkeit einer reichseinheitlichen Regelung des Namensänderungsrechts, sondern der eindeutige Wille zur Durchsetzung nationalsozialistischer Politik das ausschlaggebende Moment gewesen war.

 

Im vierten Kapitel erörtert der Verfasser schließlich die Entwicklung der öffentlichrechtlichen Namensänderung in Deutschland seit 1945. Er zeigt, dass dort zwar die zweite, für Juden die Zwangsvornamen Sara und Israel vorsehende Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 17. August 1938 außer Kraft gesetzt wurde, dass das Namensänderungsrecht selbst jedoch in Geltung blieb. Nach überwiegender Bewertung von Rechtsprechung und Rechtswissenschaft war es Bundesrecht geworden, das der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers unterfiel, der bisher von ihr aber nur in unbedeutenden Einzelheiten Gebrauch gemacht hat.

 

Gegenüber dieser vom Verfasser als äußerst bedenklich angesehenen Fortführung überholten Gedankenguts ist als bedeutsame Veränderung nur die vollständige Überprüfbarkeit jeder Entscheidung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit eingetreten. Weitergehend spricht sich der Verfasser selbst für eine grundsätzliche Abkehr von der einschränkenden Grundausrichtung aus. Als Vorbild hierfür weist er auf das Namensrechtsänderungsgesetz Österreichs von 1995 hin, das einen Rechtsanspruch auf die Bewilligung einer Namensänderung auch dann enthält, wenn der Antragsteller aus einem sonstigen Grund einen andern Familiennamen wünscht.

 

Zu Recht verknüpft der Verfasser seine Vorstellung auch mit den gewandelten technischen Möglichkeiten. Weil die Identifikationsfunktion des Namens angesichts der computergestützten Daten an Bedeutung verloren hat, erhält das Individualinteresse auf Namensänderung von selbst einen höheren Stellenwert. Nichts anderes kann für die unübersehbaren Fortschritte der Gentechnik gelten.

 

Insgesamt kann dem Verfasser eine gelungene zeitrechtsgeschichtliche Leistung bescheinigt werden. Unter Erfassung umfangreichen Materials erörtert er eine bedeutsame Rechtsfrage und führt sie einer einleuchtenden Antwort zu. Zahlreiche Zusammenfassungen erleichtern dabei das Verständnis der ausführlichen Arbeit ebenso wie das beigefügte Personen- und Sachverzeichnis.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler