Inventar der Akten des Reichskammergerichts 1495-1806, Frankfurter Bestand, bearb. v. Kaltwasser, Inge (= Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission 21 = Inventar der Akten des Reichskammergerichts 27). Kramer (für Frankfurter Historische Kommission), Frankfurt am Main 2000. 1280 S.

 

Im Rahmen des großangelegten Verzeichnungsprojekts der Reichskammergerichtsakten liegt nunmehr der 27. Inventarband vor. Er ermöglicht den gezielten Zugriff auf die 1634 Akten im Frankfurter Stadtarchiv (Institut für Stadtgeschichte) und folgt hierbei im wesentlichen den bewährten Vorbildern der bisher erschienenen Repertorienbände. Der Benutzer wird über die Parteien und ihre Prokuratoren informiert, erfährt die Vorinstanzen, die Prozeßart am Reichskammergericht, den Streitgegenstand und die Laufzeit der Verfahren. Außerdem lenken gezielte „darin“-Vermerke den Blick auf besonders interessante Aktenstücke und Beilagen. In praktischer Hinsicht wertvoll sind Angaben zum Umfang (bis zu 110 cm bei Nr. 444) und Erhaltungszustand der Akten sowie eine Übersicht über sämtliche bisherigen Signaturnummern. Über diese reine Dienstleistung für Benutzer hinaus enthält der im Gegensatz zu den Repertorien anderer Archive sehr ansprechend aufgemachte Band eine umfangreiche Einführung zur Geschichte des Reichskammergerichts in Frankfurt, das bekanntlich 1495 erster Sitz des Reichsgerichts wurde, sowie zur Bestandsgeschichte. Außerdem hat die Bearbeiterin parallel zur Verzeichnung damit begonnen, den Bestand quantitativ auszuwerten. So sind die Tabellen über die Laufzeit der Prozesse und über den Anteil jüdischer Parteien (in Frankfurt mit 15 % deutlich überrepräsentiert) eine hilfreiche Grundlage für weiterführende Forschungen. Die sich in den Akten spiegelnde pralle Lebenswirklichkeit der frühen Neuzeit deutet die Bearbeiterin in einigen Fallerzählungen zu spektakulären Frankfurter Prozessen an, darunter zwei von Goethes Vorfahren betriebene Verfahren (Nr. 1013, 1483). Auch eine zweieinhalbseitige Auflistung der bei einem Frankfurter Handelsmann erhältlichen Gewürze, Lebensmittel und Genußwaren (z. B. mit eßbaren chinesischen Schwalbennestern) ist ein wahrer Glücksfund (Nr. 295). Die Farbabbildungen von Landkarten, Stadtplänen und anderen Augenscheinsobjekten vermögen zumindest anzudeuten, welcher Reichtum sich zwischen den unscheinbaren Aktendeckeln verbirgt.

 

Trotz dieser vielen Vorzüge und der liebevollen Aufmachung hat das Repertorium gerade dort seine Schwächen, wo akribische Genauigkeit unerläßlich wäre. Zahlreiche der angegebenen Jahreszahlen treffen nämlich nicht zu. So begann der Prozeß Nr. 392 nicht 1755, sondern bereits 1754. Die Rationes Decidendi in Nr. 438 stammen von 1756 und nicht von 1763. Das erstinstanzliche Verfahren in Nr. 457 fand von 1574-1576 statt und nicht wie angegeben 1572. Teilweise fehlen trotz erhaltener Priora die Laufzeiten der erstinstanzlichen Prozesse vollständig (Nr. 15). Besonders ungünstig ist es auch, daß die Frankfurter Akten neben der Wetzlarer Signatur sowohl eine Inventarnummer als auch eine davon verschiedene Aktenummer tragen. Das führt aus eigener Erfahrung bei Archivbesuchen regelmäßig zu Verwechselungen und unnötigen Wartezeiten. Solche Kritikpunkte klingen nach pingeliger Beckmesserei. Aber gerade derartige Kleinigkeiten sind es, an denen sich ein gedrucktes Repertorium bewähren muß. Bei der Arbeit mit dem Frankfurter Reichskammergerichtsbestand kann man sich auf das Inventar also nur bedingt verlassen und sollte sicherheitshalber sämtliche Angaben in den Akten überprüfen.

 

Frankfurt am Main                                                                                         Peter Oestmann