Hackenberg, Martin, Die Verpachtung von Zöllen und Steuern. Ein Rechtsgeschäft territorialer Finanzverwaltung im Alten Reich, dargestellt am Beispiel des Kurfürstentums Köln. (= Studien zu Policey und Policeywissenschaft). Klostermann, Frankfurt am Main 2001. X, 244 S.

 

Die von Michael Stolleis betreute Frankfurter Dissertation widmet sich einem Thema, das für die Territorien des Alten Reichs bisher wenig erforscht ist. Die Literatur konzentriert sich auf die Verpachtungspraxis insbesondere in Frankreich, England und den Niederlanden, die in großem Umfang Staatseinkünfte verpachtet haben. Demgegenüber wird die Verbreitung der Zoll- und Steuerpacht in den Territorien des Alten Reichs in der übergreifenden Literatur weitgehend ignoriert oder heruntergespielt, so noch in den Beiträgen zum Handwörterbuch der Rechtsgeschichte von 1990 von Erler. Allerdings legen Einzeluntersuchungen die Vermutung nahe, dass die Zoll- und Steuerpacht auch im Alten Reich viel verbreiteter gewesen sein dürfte, als dies in den Überblicksdarstellungen angenommen wird. Nach den Feststellungen von Hackenberg wird in dem von ihm untersuchten Zeitraum von ca. 1600 bis ca. 1800 die Verpachtung von Steuern und Zöllen auch in der gemeinrechtlichen Literatur deutscher Autoren umfassend erörtert. Nach den von ihm untersuchten Archivbeständen für Kurköln ist in diesem Zeitraum eine durchgehende Verpachtungspraxis nachweisbar, die erst mit der Besetzung durch die französischen Revolutionstruppen endet. Vorbild für die Einführung der Zoll- und Steuerpacht ist vermutlich nach Hackenberg die intensive Verpachtungspraxis des jungen Herzogs Maximilian von Bayern zwischen 1597 und 1610.

 

Der Wert der gut lesbaren und gleichwohl gründlichen Arbeit liegt darin, dass Hackenberg durchgängig die kurkölnische Verpachtungspraxis mit der gemeinrechtlichen Literatur vergleicht, insbesondere auch mit den zahlreichen Dissertationen zu zoll- und steuer- bzw. abgaberechtlichen Fragen, die Hackenberg umfassend auswertet. Dabei ergeben sich teilweise bemerkenswerte Übereinstimmungen zwischen Praxis und Literatur, aber auch zahlreiche Abweichungen. Insgesamt zeigt sich, dass sich sowohl die Verpachtungspraxis als auch die gemeinrechtliche Literatur in relativ weitem Umfang von den für die Frage der Steuerpacht sehr detaillierten Vorgaben des römischen Rechts gelöst haben. Die politische Bedeutung der Zoll- und Steuerpacht bleibt in Kurköln gering, anders als in Frankreich, England oder den Niederlanden. Die dortige Verpachtungspraxis wird von den zeitgenössischen Autoren immer wieder herangezogen, auch wenn sich in der deutschen gemeinrechtlichen Literatur sowie in der Verpachtungspraxis eigenständige Lösungen herausbilden. Der Anteil der verpachteten Zölle und Steuern am kurkölnischen Finanzhaushalt bleibt sowohl prozentual als auch absolut gesehen gering. Während andere Territorien des Alten Reichs seit Ende des Dreißigjährigen Krieges verstärkt indirekte Steuern und Abgaben einführten, blieben in Kurköln die direkten Steuern das Rückgrat der territorialen Finanzen. Verbrauchsabgaben wurden teilweise nur aufgrund ständischer Bewilligung erhoben und dann von den Ständen selbst eingezogen, die als Verpächter kaum auftraten. Auf diese Weise kamen für die Zoll- und Steuerpacht im Wesentlichen Rhein- und Lippezölle, Wegegelder sowie Judenabgaben in Betracht. Verpachtet wurde an ortsansässige, lokal verwurzelte Honoratioren, deren Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse sich die Hofkammer auf diese Weise zunutze machte. Zwangsbefugnisse wurden den Pächtern gleichwohl nicht verliehen, so dass der jeweilige Pächter im Streitfall die Hofkammer anrufen musste und auf ihre Unterstützung angewiesen war. Der jeweilige Pächter ging mit der Pacht ein teilweise nicht unerhebliches wirtschaftliches Risiko ein. Während die Erträge aus der verpachteten Steuer schwanken konnten, waren die Pachtraten im Voraus festgelegt und waren dem Pächter nach den Einwendungen abgeschnitten, die sich auf Schwankungen der Erträge der verpachteten Steuer bezog. Gleichwohl wurde von der Hofkammer immer wieder Pachtnachlässe gewährt. Konnte der Pächter gleichwohl die Pacht nicht bezahlen, was oft der Fall war, wenn einer Vergabe des Pachtgegenstands durch eine Versteigerung von Seiten des erfolgreichen Bieters die Ertragsmöglichkeiten des Pachtgegenstands zu optimistisch eingeschätzt worden waren, dann wurde ihm das Pachtobjekt wieder entzogen. In vereinzelten Fällen wurden Pachtgegenstände auch eingezogen, wenn nach Auffassung der Hofkammer die Einnahmen aus der verpachteten Abgabe die vereinbarte Pacht zu sehr überstiegen oder wenn eine Verpachtung an einen Dritten eine höhere Pacht erwarten ließ. Dabei schreckte die Hofkammer auch vor bewusstem Vertragsbruch nicht zurück. Für die Beendigung konnte sich die Hofkammer nach der gemeinrechtlichen Lehre auf das auch für die Steuerpacht anwendbare Institut der laesio enormis berufen.

 

Während die steuerjuristische Literatur, die Hackenberg auswertet, im Einklang mit der Praxis die Verpachtung von Zöllen und Steuern für zulässig ansah und sich umfangreich mit rechtstechnischen Einzelfragen der Verpachtung auseinandersetzte, ist die kameralistische Steuerliteratur überwiegend von scharfer Kritik an der Zoll- und Steuerpacht geprägt, die sich zum Ende des Alten Reiches noch steigerte. Gängige Kritikpunkte waren die Auspressung der Untertanen durch gierige Pächter, die Unwirtschaftlichkeit der Zoll- und Steuerpacht sowie die Möglichkeit unzulässiger Einflussnahmen der Pächter auf die Finanzverwaltung. Die kurkölnische Praxis jedenfalls zeigt, dass diese Warnungen im Wesentlichen unberechtigt waren. Aufgrund der Ausgestaltung der Steuerpachtverhältnisse blieb die wirtschaftliche und rechtliche Stellung des Steuerpächters in der Regel zu schwach, um nennenswerte Manipulations- oder Einflussmöglichkeiten zu gewähren. Im Gegenteil nutzten die Zoll- und Steuerpflichtigen immer wieder die fehlende Zwangsbefugnis der Pächter aus, um sich durch Beschwerden an die Hofkammer ihren Verpflichtungen zu entziehen. Außerdem drängten wirtschaftlich bedeutsame Abgabepflichtige die Pächter mit der Drohung, ihren Warenverkehr über andere Zollstellen abzuwickeln, immer wieder zu unzulässigen Nachlässen auf die geltenden Tarife.

 

Die Ausgestaltung der Zoll- und Steuerpacht in Kurköln sowie die Schilderung von Rechtstreitigkeiten zwischen Pächtern und Hofkammer, die die zweite Hälfte der Untersuchung bilden, bieten eine Fundgrube für die Vor- und Frühgeschichte des Verwaltungsrechtsverhältnisses in Deutschland. Hackenberg schildert Probleme der Vergabepraxis, die typische Ausgestaltung der Pachtbriefe, Probleme der laufenden Abwicklung von Pachtverhältnissen sowie die bei der ordentlichen oder außerordentlichen Beendigung von Pachtverhältnissen auftretenden Fragen. Zahlreiche der Argumentationsfiguren der seinerzeitigen Literatur finden ihre Entsprechungen in der modernen Verwaltungsrechtslehre. Insofern weist Hackenbergs Untersuchung deutlich über ihren begrenzten Gegenstand hinaus. Ähnliche Untersuchungen für andere Territorien bleiben ein dringendes Desiderat der Geschichte des Zollwesens und des Steuer- und Zollrechts im Alten Reich.

 

Berlin                                                                                                 Andreas Schwennicke