Festschrift für Gerd Kleinheyer zum 70. Geburtstag, hg. v. Dorn, Franz/Schröder, Jan. C. F. Müller, Heidelberg 2001. XI, 570 S.

 

24 Kollegen der Rechtsgeschichte ehren in dieser von zwei seiner habilitierten Schüler herausgegebenen und eingeleiteten Festschrift den früheren Ordinarius für bürgerliches Recht und deutsche Rechtsgeschichte in Regensburg und Bonn. Da die Beiträge in alphabetischer Reihe der Verfasser geordnet sind, folgen wir dieser Einteilung, wobei die Anzahl der Beiträge nur kurze Hinweise auf ihren Inhalt erlaubt. Allgemein kommen in den Themen Verfassungsgeschichte, Strafrechtsgeschichte und Prozessrechtsgeschichte, aber auch Privatrechtsgeschichte zum Ausdruck, die auch Schwerpunkte im wissenschaftlichen Werk Kleinheyers sind.

 

Da bei ihm preußische Rechtsgeschichte schon früh im Mittelpunkt stand, ist es sinnreich, dass das Buch mit einem Beitrag von Peter Baumgart zu „Verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Aspekten des Erwerbs der preußischen Königswürde 1701“ eingeleitet wird. Dabei wird gezeigt, welchen mannigfachen äußeren und inneren Widerständen Friedrich III. beim „Krönungsprojekt“ begegnete. Ein sog. Dignitätsconseil, ein Günstlingsregime, sollte die Standeserhebung des Kurfürsten betreiben. Auch die Außenpolitik wurde dem Ziel dienstbar gemacht. Dieses war u. a. motiviert durch das barocke Zeitalter, in dem die Herrschaftsform des monarchischen Absolutismus weite Gebiete Europas erfasste. In diesem Sinne ließ sich Friedrich III. auch von den Bedenken seiner Ratgeber nicht überzeugen, besonders nachdem es gelang, von Kaiser Leopold I. das vorherige Einverständnis zur Königserhebung Friedrichs in Preußen zu erlangen.

 

Hans-Jürgen Becker weist in seinem Beitrag über „Den Burgfrieden der Reichsstadt Regensburg“ darauf hin, dass von den ursprünglich 21 Steinen, die den Verlauf des Burgfriedens markierten, neben einem gut erhaltenen Burgfriedenskreuz noch 11 erhalten sind als „kostbare rechtsarchäologische Zeugnisse für die spannungsreiche Geschichte dieser Reichsstadt“, die gegen das mächtige Bayern und für das ländliche Leben vor ihren Mauem einen Abwehrkampf führte, da der bayerische Herzog bestimmte Gerichts‑, Geleits‑ und Hoheitsrechte der Stadt bestritt und 1486 aus der Reichsstadt Regensburg eine bayerische Landstadt wurde, worauf es aber 1492 auf Intervention König Maximilians I. wieder Reichsstadt und ein Vertrag von 1496 für den Regensburger Burgfrieden entscheidende Grundlage wurde. Spätere Streitigkeiten um die Grenzen und das Geleitrecht blieben nicht aus. Die Stadt setzte sich ein für den Burgfrieden außerhalb der Mauem, der vom Korngeding, einem genossenschaftlich organisierten Bauerngericht, überwacht wurde.

 

Unter dem Titel „1848 nach 1848: Nachlesen“ geht Wilhelm Brauneder davon aus, dass viele Deutsche nach den Vereinigten Staaten ausgewandert sind, die um 1848 sich aktiv an der Politik und an militärischen Aktionen beteiligten, um die konstitutionellen Freiheiten zu erringen oder zu bewahren. Er teilt aufschlussreiche Ereignisse und Zahlen mit. Dann bringt er den interessanten Vergleich mit der alten Heimat in Österreich und Deutschland, welche Probleme und Aufgaben sich hier den 1848ern stellten, wie man bewusst an die Tradition von 1848 anknüpfte, wie z. B. noch das Bonner Grundgesetz diese Tradition für sich in Anspruch nahm.

 

Stephan Buchholz geht in seinen „Bemerkungen zu einem strafrechtlichen consilium aus dem späten 17. Jahrhundert“ von der Tötung eines Juden aus, wobei ein Tübinger consilium die Frage zu beantworten und zu bewerten hatte, ob dem Juden das Mensch-Sein zuerkennen zu sei, etwas, was die Aufklärer befürworteten. Die Tübinger Juristen erörterten beide elementaren Rechtspositionen, die den rechtlosen Sklaven vom rechtsfähigen Bürger unterscheiden, das Recht auf Leben und auf Eigentum. Dafür untersuchten sie das Naturrecht, das kanonische Recht, das ius civile und das Reichs(polizei)recht, was Buchholz im einzelnen darlegt. Das consilium urteilte: „Quamvis Judaei sint, sunt tamen et homines.“

 

Im Beitrag „Inquisition und Prozess“ stellt Arno Buschmann die kirchliche Inquisition von ihren Anfängen in karolingischer Zeit bis zur Ausbildung der spezifischen kirchlichen Inquisitionsgerichtsbarkeit und des kirchlichen Inquisitionsverfahrens im Hoch- und Spätmittelalter als rechtlich geordnete Einrichtung, zwar mit Missbräuchen, dar. Sie sollte die Häresie und Ketzerbewegung bekämpfen und die Ketzer der Kirche zurückgewinnen. Als sich die Ketzerbewegung weiter ausbreitete, wurden peinliche Strafen angedroht und vollstreckt, besonders auch aus Gründen der Abschreckung und weil man Häretiker und Ketzer als existentielle Bedrohung von Papst und Kirche, aber auch für die weltliche Herrschaft ansah. Buschmann wertet Inquisitionsgerichtsbarkeit und Inquisitionsverfahren als „Versuch, mit justizförmigen Mitteln einem Phänomen beizukommen, dessen man auf anderem Wege nicht Herr werden zu können glaubte.“

 

Gerhard Dilcher, „Gewalt, Friede und Recht - in der mittelalterlichen Stadt und außerhalb“, geht aus von den verschiedenen Friedensbegriffen, dass aber die mittelalterliche Stadt einen Friedensbereich hat, der keineswegs dem innerstaatlichen Frieden der modernen Gesellschaft entspricht und den die Bürger selber durch politische und rechtliche Akte einführten, wie an konkreten Beispielen gezeigt wird. Durch Bürgereid errichtete man einer eigenen Friedens‑ und Rechtsbereich in der Stadt und unterwarf sich diesen. Der Friede wurde auch für Fremde verkündet. Die Bürgerschaft und die von ihr bestellten Organe vermieden in der Stadt die Gewalt und nicht ein ferner und institutionalisierter Staat. Die verschiedenen Stände besaßen in der Stadt eine verschiedene Ehre. Gewalt war gegenüber jedermann, auch gegenüber dem Stadtadel, vom Rat oder Stadtgericht zu ahnden. "Insofern hatte die Stadtbürgerschaft schon den Weg zu einer rechtlich geordneten Gesellschaft im Laufe des späten Mittelalters zurückgelegt und war in ihrer Sozialisation und ihrer Herrschaftsform der übrigen Gesellschaft um einiges voraus. "

 

Eine umfangreiche Korrespondenz, die sich mit dem Thema der Todesstrafe befasst, zeigt „Karl Josef Mittermaier und die internationale Bewegung gegen die Todesstrafe“, wie der Aufsatz von Barbara Dölemeyer sich nennt. Der Jurist und Politiker Mittermaier wurde sukzessive von einem gemäßigten Befürworter zu einem entschiedenen Gegner der Todesstrafe, wobei seine Ansichten vor allem auf der Verarbeitung eines umfangreichen empirischen und statistischen Materials beruhten. Mittermaier war Knotenpunkt eines juristisch-politischen Kommunikationsnetzes. Wichtige Teilnehmer der internationalen Diskussion werden genannt sowie einige Zeitschriften und Gesellschaften, die sich mit der Todesstrafe auseinandersetzten und deren Abschaffung befürworteten.

 

Franz Dorn befasst sich mit „Gerechtigkeit, Kommune und Frieden in Ambrogio Lorenzettis Fresken in der Sala della Pace des Palazo Pubblico von Siena“. Der Freskenzyklus ist eine beeindruckende politische und staatstheoretische Stellungnahme in der Kunst aus den Jahren 1337 und 1340 und wird von Texten begleitet. Es erscheinen die Allegorien der „guten“ und „schlechten“ Regierung, deren Aussagewert untersucht und vor dem Hintergrund der hochmittelalterlichen politischen Literatur interpretiert werden. Einzelne Bildmotive werden besonders betrachtet wie die Verkörperung der Stadtgemeinde, der Gerechtigkeit, Concordia, Bürgerprozession und Pax.

 

Friedrich Ebel untersucht „Das Reichskammergericht und Brandenburg-Preußen“. Dabei geht er zuerst auf die Frage des räumlichen Bezugs „Brandenburg-Preußen“ ein, da die Lande der Hohenzollern seit dem Ende des 15. Jahrhunderts kein einheitliches Gebilde waren und die Versuche der Territorien, selbständig zu sein, der allgemeinen Wirksamkeit des Gerichts entgegenstanden. Das Privilegium de non appellando war dazu im Justizbereich ein wirksames Mittel, wie im einzelnen gezeigt wird. Der Kampf zwischen Hohenzollern und dem Gericht des Kaisers wird näher betrachtet, ebenso wird auf einzelne brandenburgische Prozesse eingegangen sowie auf die Frage, ob sich Reichskammergericht und Territorium gegenseitig beeinflusst haben. Ebel kommt zum Schluss, dass der Ausbau einer eigenen brandenburgischen, modernen Gerichtsbarkeit eine Folge der Abwehr der Appellationen an das Reich war und ein Element der Territorialisierung der Staatsgewalt zum Nachteil des Reiches.

 

Die geistlichen Gerichte sprachen auch in sog. weltlichen Sachen vielfach Recht und waren in die Gerichtsverfassung des jeweiligen Territoriums wie auch in die Gerichtsverfassung des Reiches integriert, wie Ulrich Eisenhardt, „Zur Inanspruchnahme der geistlichen Gerichte in Zivilrechtsstreitigkeiten“, anhand verschiedener Beispiele zeigt. Kleriker konnten Kleriker aufgrund des privilegium fori nur vor geistlichen Gerichten verklagen, ebenso kamen Fälle von Laien gegen Kleriker und von Klerikern oder kirchlichen Korporationen gegen Laien vor die geistlichen Gerichte. Aber auch Laien klagten vielfach vor geistlichen Gerichten auf Grund von Gerichtsstandvereinbarungen, weil die Sache mit geistlichen Kompetenzen zusammenhing, z. B. Ehe, oder weil man ein besseres Urteil erwartete.

 

Über „Constantin Frantz (AD 1817‑1891) und Europa“ schreibt Hans Hattenhauer. Frantz war ausgebildeter Mathematiker und Naturwissenschaftler, „nach seinem Bildungstrieb ein mehrsprachiger, beweglicher Geist, dem das Beamtendasein nicht zusagte“. Zahlreiche Reisen ins Ausland und diplomatischer Dienst in Barcelona und Cadiz und gelehrte Studien hoben seinen Horizont. Als politisierender Intellektueller schrieb er Bücher. Zwei von diesen: die „Untersuchungen über das Europäische Gleichgewicht“ (1859) und „Föderalismus“ (1878) werden vorgestellt und die Ratschläge erläutert, die Frantz zu Europa und einer internationalen Organisation gab, aber auch sein metaphysisches, im Christentum begründetes Fundament und sein Fortleben werden erläutert.

 

In seinen „Zugängen zur Geschichte des deutschen Umweltrechts“ weist Hagen Hof darauf hin, dass diese Geschichte in die verschiedensten Bereiche hineinschlägt. Das wird ausführlich erläutert. Der Verfasser skizziert die Geschichte der Gesetzgebung mit den Schwerpunkten Entwicklung des Immissionsschutz, von Wasserrecht und Gewässerschutz, Bodenschutz und Atomgesetz. Behandelt wird aber auch die Geschichte der einschlägigen Rechtsprechung und Verwaltung sowie der Institutionen, Regelungsinstrumente, des Verfahrens bei den äußeren Abläufen von Entscheidungsfindung und Konfliktbewältigung, und der Methode. Ereignisse, Personen und gesellschaftliche Bewegungen, die Zugänge zum Umweltschutzrecht erschließen, werden ebenso erörtert wie Begriffs‑ und Ideengeschichte und die verschiedenen Umweltbelastungen und das Feld, auf dem diesem mit rechtlichen Maßnahmen zu begegnen ist.

 

Einer der umfangreichsten Beiträge der Festschrift ist jener von Horst Heinrich Jakobs über „Odofredus und die Glossa ordinaria“. Der um 1265 verstorbene Odofredus wird dem anderen Bologneser Professor Accursius gegenübergestellt, das Ansehen des Odofredus in der Neuzeit und sein Verhältnis zur Glossa ordinaria geklärt. Beweiswert und Uberlieferung der Lectura super Digesto veteri werden eingehend erläutert. Die Verschiedenheit der Lectura in den Handschriften wird herausgearbeitet und kommentiert und schließlich werden die Resultate der Untersuchung präsentiert.

 

„Zu den Gleichnissen des Art. 146 der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V.“ äußert sich Rolf Knütel. Es handelt sich um die Tatbestände, bei denen ein Barbier wider Willen beim Bartscheren dem Kunden den Gurgel durchschneidet und ein Speerwerfer, den einer stört, einen Unfall verursacht. Die Fälle weisen auf römische und griechische Überlieferung zurück, gehen aber auch in den sog. Klagspiegel von ca. 1400-1425 ein. Dieser wurde Vorbild für die Bambergische Halsgerichtsordnung von 1507 und ging von da in Art. 146 der Carolina von 1532 ein. Spuren davon lassen sich noch im Zivilrecht des 19. Jahrhunderts feststellen.

 

Peter Landau schreibt über „Ludwig der Fromme als Gesetzgeber“ und erläutert am Beispiel von Verwandtenerbrecht und Verfügungsmacht das Gesetzgebungsprogramm des Kaisers, aus dem das Kapitular von 818/19 hervorragt. Dieses ist ein wichtiger Beleg für die Veräußerung von Immobilien und die Festlegung der Rechte der nächsten Erben, weshalb Landau ihm und seinen Auslegungen besondere Aufmerksamkeit schenkt. Er vergleicht das Erbrecht des Kapitulars mit dem der Lex Burgundionum und betrachtet die handschriftlichen Überlieferungen des Kapitulars, um festzustellen, welche Volksrechte durch das Kapitular zu ergänzen sind. Der Blick auf das Gesetzgebungsprogramm von 818/19 zeigt, dass Ludwig „in der europäischen Rechtsgeschichte in die Ahnenreihe der Gesetzgeber“ gehört.

 

„Denunziationen im 20. Jahrhundert als Phänomen der Rechtsgeschichte" behandelt Hinrich Rüping. Er geht aus von den Reichsstrafgesetzbüchern von 1871, 1877 und 1933 und gibt eingehende Ausführungen zu den grundsätzlichen Umwertungen im Nationalsozialismus. Widerspruch zwischen Strafbarkeit falscher Verdächtigung und politisch erwünschten Denunziationen, Lenkung der Sondergerichtssachen, Relativierung des Strafrechtsschutzes und Perfektionierung der Anzeigepflicht sind hier Hauptthemen. Eine besondere Rolle spielten die Denunziationen bei der politischen Verfolgung in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. . Die Gegenwart verfestigte völkerrechtliche Ächtung politischer Denunziation.

 

1802 wurde in den rheinischen Departementen, seit dem Frieden von Lunéville 1801 französisches Staatsgebiet, die bisher im Rheinland unbekannte allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Das führte zu „Remplaçant-Verträgen", wie der Titel des Beitrags Wilhelm Rüttens heißt. Man wählte Stellvertreter, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages für andere Wehrdienst leisteten. Solche Verträge und ihre Folgen werden, besonders anhand von Urteilen des Rheinischen Appellationsgerichtshofes in Köln, untersucht. Verschiedene Probleme treten auf wie z. B., dass die mit der Stellvertretung verbundene Bevorzugung besser gestellter Kreise als ungerecht empfunden wurde oder der Vertreter desertierte oder krank wurde.

 

Wenn Gottfried Schiemann sich „Zum Einfluss Carl Georg von Waechters auf die Entstehung des BGB“ äußert, kommt er zum Schluss, „Waechter als einen besonders wichtigen Vorläufer des BGB zu erkennen“. Schiemann fragt, wie der 1860 verstorbene Jurist zum Vorhaben eines einheitlichen deutschen Zivilgesetzbuches stand und ob er daran beteiligt war, dass dieses zustande kam. Waechter sammelte wichtige Erfahrungen bei seiner Darstellung des geltenden württembergischen Privatrechts. Er bejahte nicht nur eine gesamtdeutsche Kodifikation, sondern erteilte auch praktische Ratschläge für das Verfahren zur Gesetzgebung und hatte dabei ein sicheres Gespür für den Zeitgeist.

 

Mathias Schmoeckel behandelt „Die Tradition der Folter vom Ausgang der Antike bis zum Beginn des Ius commune“. Er belegt die Kontinuität des römischen Rechts zur Folter, die zunächst nach griechischem Vorbild nur für Sklaven angewandt wurde, bis zur karolingischen Zeit und geht ihrer Rezeption in den verschiedenen germanischen Rechten nach. Mit einer „Germanisierung“ des Strafprozesses ging die Folter nicht unter. Insbesondere wird auch die Stellung zur Folter in der Kirche und deren Recht und bei den führenden Persönlichkeiten und Juristen betrachtet. Man bemühte sich um die Exemption des Klerus von der Folter und versuchte, das römische Misstrauen gegen die Glaubwürdigkeit der durch die Folter erzwungenen Aussagen wach zu halten.

 

Die Frage „Warum heißt sie Carolina?“, die Friedrich-Christian Schroeder für die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 stellt, ist interessant, nachdem die Aufnahme des Namens des Herrschers in den Titel des Gesetzes, außer in einleitenden Verkündungsformen, bis dahin ungewöhnlich war und nicht nachgewiesen ist, dass Karl V. das Zustandekommen des Gesetzbuches beeinflusste. Schroeder nimmt an, dass die Aufnahme des Herrschernamens in den Gesetzestitel „mit den allgemeinen Erwartungen in die Herrschaft Karls V. und seiner zunehmenden Glorifizierung zusammenhängen“. Er weist auch auf die Latinisierung in den Kommentaren zum Gesetzbuch hin und wie mit dem Absolutismus häufig Herrschernamen in Gesetzestitel aufgenommen wurden, worauf im aufgeklärten Absolutismus wieder eine Gegenreaktion erfolgte (Joseph II. von Österreich). Gezeigt wird auch die neuere Entwicklung des Sprachgebrauchs.

 

Die Frage nach der Konkurrenz von Rechtsquellen verschiedener „Rechtskreise“ gehört zu den ungeklärten Problemen der Rechtsgeschichte der frühen Neuzeit. Jan Schröder befasst sich mit dem Sprichwort „Stadtrecht bricht Landrecht“ und weist dessen Entstehung mit guten Gründen ins 18. Jahrhundert und bezeichnet es daher als „in der Sache eine moderne Regel“, die nicht den Geltungs-, sondern den Abwendungsvorrang des niederrangigen Rechts betrifft. Erst allmählich schieben sich die überschneidenden „Rechtskreise“ von einem Nebeneinander zu einem Übereinander.

 

Dieter Schwab befasst sich mit „Sittlichkeit“. Er gibt den historischen Hintergrund für den Aufstieg der Sittlichkeit als Grundbegriff des Rechtssystems seit dem beginnenden 19. Jahrhundert, worauf sich gegen Ende des Jahrhunderts eine gegenteilige Entwicklung anbahnte. Schwab vertritt die These, dass Recht und Sittlichkeit ein neues Verhältnis zueinander fanden, was sich für die Rechtsordnung fundamental auswirkte. Anhand einiger wichtiger Quellen wird die Entwicklung dargelegt. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch wird untersucht und gezeigt, dass die Auseinandersetzungen um die Interpretation des § 138 BGB im Zusammenhang stehen mit dem Niedergang des seit Fichte und Hegel in den rechtlichen Bereich einwirkenden Verständnisses der Sittlichkeit und des Wertesystems.

 

Unter dem Titel „Württembergische Nachdruckprivilegien für einen Berliner Verlag“ gibt Elmar Wadle eine Fallstudie zur Privilegienpraxis im 19. Jahrhundert. Er geht davon aus, dass Privilegien ein gängiges Auskunftsmittel blieben, wo allgemeine Gesetze zum Schutz gegen Nachdruck oder vorhandene Regeln nur unzureichend schützten. So verzichteten einige deutsche Staaten bis weit ins 19. Jahrhundert hinein auf ein allgemeines Nachdruck-Verbot und schützten im Einzelfall durch Privilegien. Das wird für einen der ältesten Berliner Verlage, Duncker und Humblot, für die Zwanziger- und Dreißigerjahre des 19. Jahrhunderts beispielhaft gezeigt, wobei auch die Rechtsgrundlage in Württemberg erläutert wird, die 1828 und 1836 für die preußischen Verleger Verbesserungen brachte.

 

Beim Aufsatz Jürgen Weitzels, „Vorverständnis und Eckpunkte in der Diskussion um ein frühmittelalterlich-fränkisches Strafrecht“ geht es um die Deutung des Phänomens „Unrechtsbewältigung in fränkischer Zeit“. Gab es im fränkischen Frühmittelalter ein „öffentliches Strafrecht“? Das Verhältnis Buße und Strafe und ihre „Öffentlichkeit“ wird besprochen und vom Gericht in Drittfunktion wegen eines begangenen Unrechts verhängte Sanktionen werden als „öffentliche Strafen“ angesehen. Die Frage nach der Schuld wird beantwortet, aber auch jene der Durchsetzbarkeit. Weitzel bezeichnet die im frühen Mittelalter peinlich sanktionierten Normen als Rechtsnormen und als „Bindeglied zwischen Antike und Neuzeit erkennbare Vorläufer des modernen Strafrechts".

 

Brig                                                                                            Louis Carlen