Ferrari Zumbini, Romano, La lotta contro il tempo nel processo altomedievale. Biblioteca della rivista di storia del diritto italiano, Rom 1997. 514 S.

 

Der Verfasser ist mutig. Und er ist fleißig. Ältere Schmalsichtigkeiten überwindend sieht er Spätantike und Frühmittelalter in Kontinuität und kann so historisch vergleichen. Thema ist die Prozessverschleppung, ein ewiges Thema des Prozessrechts, das auch zur materiellen Rechtsverweigerung führt, zu „ingiustize irreparabile“ wie einleitend vermerkt wird. So kann eine Bemerkung von Thomas Mann aus dem Jahr 1926 über die Gerechtigkeit das Buch eröffnen und beschließen (S. 9 und 514). Doch es geht nicht um elegante Lesefrüchte, sondern um harte Quellenarbeit. Von den Sammlungen der Byzantiner führt der Weg zu den Kapitularien Karls des Großen. Einleitend werden Begriffe geklärt, insbesondere der der formalen Justizverweigerung und der subjektiven von Richtern und Parteien.

 

Es können hier nur die Gegenstände der quellen- und gedankenreichen Arbeit angedeutet werden. Ausgang ist der spätrömische Prozeß, Basisquelle der Codex Theodosianus. Dann behandelt der Verfasser die Quellen des ostgotischen Reichs, vor allem das Edictum Theoderici. Der Aufbau des Kapitels (und der folgenden) erfolgt analog dem des ersten Abschnitts und erweist in der Ausführung die systematische Kraft des Autors.

 

Der Codex Euricianus bietet natürlich den Ausgangspunkt der Untersuchungen zum westgotischen Recht. Die Bedeutung der römischen Gesetze für die leges Visigothorum werden einmal mehr herausgearbeitet.

 

Nach einem Zwischenhalt bei den vom Verfasser sog. kleineren Volksrechten (lex Saxonum, lex Baiwariorum, lex Alamannorum usw.), unter denen eigentümlicherweise auch die lex Salica erscheint – begründet werden kann das nur durch die in der Tat größere sachliche Entfernung zu den spätmittelalterlichen Texten des Mittelmeerraums –, bleibt der Zug der Untersuchung beim langobardischen Recht stehen. Auch hier eröffnen Darstellungen der Position des Richters die Überlegungen, dazu die vom König und anderen Amtswaltern. Eingehende Einzelexegesen, so zu Edictus Rothari 150 und 251, geben der Arbeit einen besondern Reiz. In diesem Kapitel liegt ein Schwerpunkt der Arbeit.

Dies gilt auch für den Abschluß des eigentlich exegetischen Teils der Arbeit, das die Fragen der Justizverweigerung in den Quellen des fränkischen Rechts beleuchtet.

 

In einem Schlusskapitel zieht der Verfasser die Summe seiner Bemühungen. Diese 40 Seiten lassen sich nicht adäquat in wenigen Zeilen zusammenfassen. Das Kapitel beginnt – wie kann es eigentlich anders ein – mit Kleists Michael Kohlhaas: „Ich will in einem Lande, liebste Lisbeth, in welchem man mich in meinen Rechten nicht schützen will, nicht bleiben“ (S. 476). Und es endet wie gesagt mit Thomas Mann: Die Gerechtigkeit sei „nicht Jugendhitze und frisch-fromm-fröhliche Entschlossenheit, sie ist Melancholie“ (S. 514). Über dieses Thema bietet Ferrari Zumbini in seinem mächtigen Werk viel Belehrendes und Nachdenkliches.

 

Berlin-Dahlem                                                                                    Friedrich Ebel