StolleisBenz20001026 Nr. 10231 ZRG 119 (2002) 71

 

 

Benz, Wolfgang, Geschichte des Dritten Reiches. Beck, München 2000. 340 S., 180 Abb.

 

Der Zeithistoriker Wolfgang Benz, früher am Münchner Institut für Zeitgeschichte, seit einigen Jahren an der Technischen Universität Berlin lehrend und Direktor des dortigen Zentrums für Antisemitismusforschung, hat schon oft gezeigt, wie es ihm gelingt, große Stoffmassen zu komprimieren, über den Forschungsstand zu informieren und über ihn hinauszuführen. Seine lange Reihe der Taschenbücher (etwa zusammen mit Hermann Graml, „Sommer 1939“, 1979; Bewegt von der Hoffnung aller Deutschen, 1979; Benz/Pehle, Lexikon des deutschen Widerstandes, 1994; Dimension des Völkermords, hg. v. Benz, 1991; Benz, Potsdam 1945, 1986; Von der Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik, 1984; Die Bundesrepublik Deutschland. Geschichte in drei Bänden, hg. v. Benz, 1983) gehören zum unentbehrlichen Handwerkszeug. Das gilt auch für „Die Juden in Deutschland“ (4. Auflage 1996), für „Der Holocaust“ (3. Auflage 1997) sowie für das Gemeinschaftswerk „Enzyklopädie des Nationalsozialismus“ (1997) und das mit Graml herausgegebene biographische Lexikon zur Weimarer Republik (1988).

Nun versammeln sich herausragende Quellenkenntnis und Fähigkeit zur gemeinverständlichen Synthese an einem relativ knappen, reich bebilderten Werk, das so kühn ist, eine „Geschichte des Dritten Reiches“ zu bieten. Abgesehen von Prolog und Epilog sind es 15 Stationen, an denen sich „Aufstieg und Fall“ des Regimes entwickeln. Kurzporträts der wichtigsten Akteure sind eingestreut (Hitler, Göring, Goebbels, Himmler, Speer). Die geschickt ausgewählten Fotos bilden hier einen eigenen fortlaufenden Text, der die kritische Reflexion unterstützt, gerade auch wenn die Suggestivkraft des Propagandamaterials den Leser bei der „verstehenden Aneignung“ fast zu weit zu führen scheint.

Recht und Justiz des NS‑Staates sowie die jeweils im Sachzusammenhang erwähnte Gesetzgebung werden in diesem Panorama angemessen berücksichtigt und zutreffend charakterisiert. Für die spezialisierte Rechtsgeschichte des NS‑Staates enthält der Band freilich keine Überraschungen. Die relativ dicht gewordene Forschung zur Rechtsprechung einzelner Oberlandesgerichte und Oberverwaltungsgerichte, zur Wissenschaftsgeschichte, zum Rechtswahrerbund und zur Akademie für Deutsches Recht, zum Reichsjustizministerium (Gruchmann) sowie die gesamte Literatur zu Carl Schmitt kommen nicht vor. Aber es ist eben kein Forschungsbericht, sondern ein kompaktes, zuverlässig informierendes Buch für den Einstieg. Und selbst der Kenner wird zugeben müssen, daß ihm viele der hier publizierten Bilder bisher unbekannt waren.

 

Frankfurt am Main       Michael Stolleis