SchumannSchmitz20010915 Nr. 10218 ZRG 119 (2002) 49

 

 

Schmitz, Ulrich, Der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger. Die rechtsgeschichtliche und dogmatische Entwicklung im deutschen Recht (= Rechtshistorische Reihe 226). Lang, Frankfurt am Main 2000. 204 S.

 

Die von Andreas Roth betreute Dissertation will einen Überblick über den Unter­haltsanspruch des nicht­ehelichen Kindes gegen seinen Vater in der Entwicklung von den germanischen Leges bis 1949 geben. Im ersten Kapi­tel „Unter­halts­gewährung in den germa­nis­chen Stam­mes­rechten“ kommt Schmitz zu dem Ergeb­nis, daß Söh­nen bis zur wirtschaftli­chen Selbstän­dig­keit, Töch­tern bis zu ihrer Verhei­ratung Un­terhalt gewährt wurde. Dies ergibt sich freilich nicht unmittel­bar aus den Leges, son­dern aus der „germani­schen Gesell­schaftsstruk­tur“ (S. 8) - wie sie von Wilda, Brunner und Con­rad über uns gekommen ist (sic!). Als einzigen Beleg führt Schmitz Tit. XV, 9 der Lex Baiuvariorum an, der sei­ner Auffassung nach auf eine „Alimenta­tionsgewährung des Vaters gegenüber sei­nen unehe­lichen Nachkom­men“ schließen lasse (S. 5). Damit wird der Inhalt der Stelle völlig verkannt. Ausdrücklich knüpft die bairi­sche Lex an die Bi­belstelle „Der Sohn der Magd soll nicht erben mit dem Sohn der Freien“ (Non enim erit heres filius ancille cum filio libe­re) an. Sie handelt daher von der Erbberechtigung und nicht vom Unter­halt, und macht erstere nicht vom Status der Ehelich­keit, sondern von der Abstammung von einer freien Mutter abhän­gig. Dazu gibt es neuere Literatur,[1] mit der sich Schmitz an dieser Stelle nicht auseinandersetzt.

Im zweiten Kapitel „Stellung der Unehelichen im römischen und frühen kanonischen Recht“ beschreibt Schmitz zunächst, daß es im klassi­schen römischen Recht keinen Unterhaltsanspruch des nicht­eheli­chen Kindes gegen den Erzeuger gab, und daß erst in nach­klassi­scher Zeit unter Justinian festgelegt wurde, daß Kinder aus einem Kon­kubi­nat (liberi naturales), sofern sie nicht durch Testament bedacht worden waren, von den ehelichen Erben aus dem väterlichen Nachlaß ernährt werden sollten. Schmitz räumt ein, daß es sich hierbei um keinen Unterhaltsan­spruch gegen den Er­zeuger handelt, meint aber, bei einer „Gesamtbetrachtung der Novelle 89“ ließe sich „auf einen solchen Un­terhaltsanspruch schließen (S. 14). Aus cap. 15 der Novelle, die „ein Recht der im Inzest, in Ehe­bruch oder Bigamie gezeugten Kinder auf Unter­halt gegen den Erzeuger ausdrücklich“ ablehne, ergebe sich, „daß umgekehrt die Konkubi­nenkinder sehr wohl einen Alimentation­sanspruch gegen den Vater hatten“. Nun heißt es aber in Nov. 89 cap. 15 über ein Kind, das aus einer ehebreche­rischen, inzes­tuösen oder verdam­mten Verbin­dung entstammt: es werde weder natür­lich ge­nannt noch dürfe es von den Eltern ernährt werden („... iste ­neque natu­ralis nominatur neque alendus est a paren­ti­bus ...“). Bei Schmitz hingegen lautet die Übersetzung, daß sie ­„nicht natür­liche Kinder genannt und auch nicht von ihrem Vater er­nährt wer­den“ (S. 14, Fn. 63). Darüber hinaus läßt diese Stelle auch keinen Umkehrschluß auf einen Unter­halts­anspruch der K­inder aus einem Konkubinat gegen den Vater zu. Das Konkubinat ist eine auf Dauer angelegte, monogame außereheliche Lebensge­meinschaft, deren erhebliche Verbreitung die Folge etli­cher Eheverbote und Ehehin­dernisse im römischen Recht war. Die Kin­der, die in der Gemeinschaft ihrer Eltern aufwuchsen, wurden so selbst­ver­ständlich ernährt und unterhalten, wie sie ebenso selbstverständ­lich keinen klagbaren Anspruch auf Unterhalt hat­ten.  

Im dritten Kapitel „Einfluß der Christianisierung auf die Germa­nenrechte“ geht Schmitz nochmals auf Tit. XV, 9 der Lex Baiuvariorum und im übrigen überblicksartig auf das lango­bar­dische Recht ein­, das zwar etliche Bestimmungen zu den filii natura­les enthält, jedoch nichts „über eine unter­haltsrechtliche Be­ziehung zwischen Vater und nichtehelichem Kind“ (S. 19). Schmitz kommt daher zu dem Ergebnis, daß die Langobarden „ähnlich wie schon zuvor Justinian dem Vater von Konkubinenkin­dern erlaubten, Un­terhalt zu gewähren, ohne aber den Kindern ein eigenes Forde­rungsrecht zuzugestehen“ (S. 19). Überrascht lesen wir dann etwas später wieder: „Somit bestätigte das kanonische Recht ... bloß die von Justinian in Nov. 89 festgelegte Alimen­tationspflicht gegenüber den Konkubinenkindern“ (S. 28).

Das vierte Kapitel „Stellung der Unehelichen im Mittelalter“ befaßt sich zunächst mit dem Corpus Iuris Canonici, das eine päpstliche Entscheidung vom Ende des 12. Jahrhundert enthält, die den im Konkubinat lebenden Eltern auferlegte, für ihre Kin­der zu sorgen. Es folgt die Stellung der Nichtehelichen in den Rechtsbüchern, die dort weithin als familien- und rechtlos be­han­delt werden. Schmitz kritisiert in diesem Zusammenhang, daß aus dem Umstand, daß etwa der Sach­senspiegel keine Regelung über den Unterhalt ent­halte, in der Literatur auf einen generellen Ausschluß der Unterhaltsleistung geschlossen werde. Dem hält er entgegen, daß „die mittelalterli­che Gesell­schaft trotz einer Diskriminierung Unehelicher kein Interesse an der Versa­gung von Zuwendungen an Uneheliche seitens der Eltern gehabt haben kann“ (S. 33). Hier muß sich Schmitz fra­gen lassen, wie diese Aus­sage das Thema seiner Arbeit stützen soll. Daß Eltern ihren Kindern in der Regel zu essen geben und sie versorgen, und daß die Gemein­schaft sie daran ebenso in der Regel nicht hindern wird, ist eine so schlichte Weisheit, daß darüber kein Buch geschrieben werden muß. Eine ganz andere Frage ist aber, ob sich daraus ein Unter­haltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern bzw. gegen den Vater ableiten läßt.[2] Allerdings gibt Schmitz schon in der Einleitung Auskunft darüber, daß er aus dem Schweigen der Quel­len nicht etwa das Fehlen eines Unterhaltsanspruchs entnimmt, sondern daß der von ihm vorausgesetzte Unterhaltsanspruch nicht versagt wurde: „Über die bisherige Forschung hinaus zeigt die Arbeit auf, daß sich selbst im Spätmittelalter, als die außerehelichen Abkömmlinge nur eine sehr schwache Rechtsstellung hat­ten und als ,familienlos’ galten, keinerlei Rechtsquellen fin­den, die ihnen jede Unterhaltsleistung seitens des Vaters ver­sagten“ (S. 2 f.). 

Die erste von Schmitz genan­nte Quelle, die einen Unter­haltsanspruch des Kindes ent­halten könnte, ist das Augsburger Stadtrecht (1276). Dort wird gegenüber einem Mann, der der Mut­ter seines nichteheli­chen Kin­des nicht helfen will, angeordnet: „den sol der vogt noeten daz er dem chinde helfe“. Aus dem 14. und 15. Jahrhun­dert nennt Schmitz noch eini­ge weitere Bestimmun­gen, die auf eine Un­ter­haltspflicht hindeu­ten, eine dogmati­sche Einordnung vermißt man indes auch hier. Das Kapitel schließt mit einem kurzen Abschnitt über die Glos­satoren, den man sich am Anfang des Kapitels und aus­führlicher gewünscht hätte.[3]

Zu Beginn des fünften Kapitels „Unterhaltsrechtliche Stel­lung der Uneheli­chen zu Beginn der Neuzeit“ weist Schmitz dann auf die allgemein bekannten Auffassungen hin, daß der Unterhaltsanspruch entwe­der kanonischen oder naturrechtlichen Ursprungs sei, oder - zurückgehend auf Otto Stob­be - eine Fortentwicklung alten germani­schen Gewohnheitsrechts dar­stelle, wobei Schmitz letzteres für zweifelhaft hält (S. 45). Bezeichnenderweise setzt dieser erste Versuch einer dogmatischen Einordnung des Ver­fassers zu dem Zeit­punkt ein, zu dem von Unterhaltsansprüchen überhaupt erst gesprochen werden kann. Der Unterhaltsanspruch gegen die Eltern bzw. den Vater ist im deutschen Recht ein neuzeitliches Phänomen mit vereinzelten Vorläufern aus dem Spät­mittelalter.[4] Dem ger­manis­chen Recht ist die Vorstellung, daß Kinder gegen ihre El­tern einen klag­baren An­spruch auf Unterhalt haben, ohnehin fremd und auch das römische Recht kennt keinen Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen Vater[5] (mit diesen Hinweisen hätte man die ersten drei Kapitel zusam­men­fassen können).

Das plötzliche Auf­tauchen des Unterhaltsanspruchs in den Rechtsquellen und seine rasante Verbreitung lassen sich daher weder mit altem germanis­chen Gewohnheitsrecht noch allein mit dem Humani­täts­gedanken oder dem Naturrecht erklären. Die Quellen selbst liefern viel­mehr Hin­weise darauf, daß seit dem Spätmit­telalter nicht­eheliche Kinder häufiger außerhalb ihrer Familie aufwuchsen, von Pflege­personen gegen Entgelt aufgezogen wurden oder der Armen­fürsorge anheim fielen. So nennt Schmitz etwa aus dem Frei­singer Rechtsbuch von 1328 als Beleg für den Unterhalts­anspruch des Kindes eine Stelle, nach der für das einer Amme übergebene Kind bis zum sieb­ten Lebensjahr von beiden Eltern­teilen Unterhalt zu zahlen ist (S. 37). Schon die Volks­rechte kannten ähnliche Bestimmungen, so etwa die Lex Visi­gotho­rum (IV, 4, 3), wo Eltern für ihr in Pflege gegebenes Kind bis zum 10. Lebensjahr jährlich einen Schilling für die Pflege bezahlen sollen („Si quis a parentibus acceperit infantulum nutriendum, usque ad decem annos per singulos annos singulos solidos pretii pro nu­trito infante percipiat.“) Eine Differen­zierung zwischen Pflegelohn einerseits und Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern andererseits nimmt Schmitz nicht vor, sondern setzt ohne Begründung beides gleich, wenn er zum Freisinger Rechtsbuch festhält: „Danach waren die Eltern bis zum siebten Lebensjahr des nichtehelichen Kindes zum Unterhalt ver­pflichtet“ (S. 37). Demzufolge fehlt auch die Fragestellung, ob sich vielleicht aus dem Anspruch der Pflegeel­tern auf Vergütung ihrer Dienste gegen die leiblichen Eltern der selbständige Un­terhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern entwickelt haben könnte.  

Der zweite Aspekt, die Verhinderung der Inanspruchnahme der Armenfürsorge, die neben der Barmherzigkeit als Begrün­dung für die Pflicht zur Ernährung oder Unterhaltung der Kinder in den Quellen ge­nannt wird, findet sich bei Schmitz nur in Ansätzen.[6] So ordnet das Freiburger Stadtrecht von 1520 (Trac­tat III, Tit. 8, 2) für natürliche Kinder an, daß sie aus dem väter­lichen Nachlaß „bis zu irn iaren erzogen und ernert werden, damit sy zu hant­werken oder anderer fürsehung gefürdert und nit in schent­lich unerber wesen kommen müssen“. Und im Württembergi­schen Landrecht von 1610 heißt es (4. Teil, Tit. 18, 3): „Je­doch weil solchen Kindern von ihren El­tern die Alimenten und Nahrung nicht aller­dings zuverwaigern und vilmehr von ihren Eltern dann auß denn armen Kästen ­oder von andern noth­wendige Un­derhal­tung zuverschaf­fen: So wollen Wir daß unsere Amptleut und Ge­richt ... auch solcher Kinder Eltern dahin er­innern und an­hal­ten dieselbi­gen mit nothwendigen Alimenten und gebührender Underhaltung ­ihrem Vermögen gemäß zuversorgen und zuerziehen.“[7]

Am naheliegendsten dürfte aber eine Entwicklung des Un­ter­haltsanspruchs aus dem Erbrecht sein, wobei dies sowohl für nich­teheliche wie eheliche Kinder als auch für die Ehefrau in Betracht zu ziehen ist. Mit der steten Tendenz von der Familie zum Individuum (die bis heute andauert) korrespondiert die Entwicklung vom Familiengut hin zum Individualanspruch auf Beteiligung am Familienvermögen vor dem Erb­fall[8] (das jüngste Phä­nomen in diesem Zusammen­hang dürfte die wirtschaftli­che Be­deu­tung der Unter­haltsansprü­che geschiede­ner Ehefrauen als Fol­gen der Veränderun­gen des Scheidungsrechts und steigender Le­bens­erwar­tung darstel­len). Solange Familien­mitglieder innerhalb der Ge­meinschaft leben, partizipieren sie am Familienvermögen und es besteht kein Bedürfnis nach einem selbständigen Unter­haltsanspruch oder einer sonstigen Form der Beteiligung am Familien­vermögen, wie sie etwa auch der Tochter bei Heirat oder dem Sohn zum Zwecke einer selbständigen Lebensstellung zu teil wird.[9] Der seit dem Spätmit­telalter in den Quellen nach­weisbare, vermutlich auf den Einfluß der Kirche zurückzuführende Ausschluß nich­tehelicher Kinder von der väter­lichen Familie mag diese Entwicklung begünstigt haben. Dabei ist auf­fal­lend, daß sich die Unter­haltsansprüche zunächst häufig gegen den väter­lichen Nachlaß rich­ten[10] und sich erst all­mäh­lich zur Unter­haltsverpflichtung des Vaters noch zu seinen Lebzei­ten ent­wi­ckel­n.[11]

Dies alles sind freilich nur Erklärungsversuche, wobei man sich allerdings von einer Schrift wie der vorliegenden gewünscht hätte, daß sie diesen nachgeht oder sich in anderer Weise um eine Herlei­tung des Un­terhaltsanspruchs bemüht und Begründungen für seine Ent­stehung sucht. Stattdes­sen reiht Schmitz ohne er­kennbare Ordnung zahlrei­che Quellen aus dem 15. bis 17. Jahr­hundert aneinander, die eine Unterhalts­pflicht des Va­ters oder der El­tern vor­sehen, oder aber auch nur die Auffor­de­rung an die El­tern enthalten, ihr Kind zu erziehen und zu ernähren.[12] Dabei hat schon Krause für die frühe Neuzeit nachgewiesen, daß „die Ausdrücke ,Unte­rhaltung’ und ,unterhalten’ ebenso wie die lateinischen Worte ,alimenta(tion)’ und ,alimentiren’ ... den Charakter eines Ober­begriffes ... noch nicht“ haben, und daß „eine Abgren­zung zwischen vermögensrechtlicher Aufziehungs- und personen­rechtlicher Erziehungspflicht ... noch nicht“ bestehe.[13] Auch diese Überlegungen greift Schmitz nicht auf.

 Leider fehlt auch ein Kapitel über die Rezep­tion des römi­schen Rechts, die die Diffe­renzierung zwischen na­türlichen Kindern (liberi natura­les) und Kin­dern „aus verdammter Geburt“ (Ehe-bruchskinder, In­szest­kinder, Hurenkinder) - nun auch beim Unterhalt nach Höhe, Dauer und Um­fang - in etli­chen Stadt- und Land­rech­ten ver­ständ­lich machen könnte. Wiederum wird neue­re Literatur nicht ausge­wer­tet.[14]

Nach diesem unbefriedigenden ersten Drittel der Arbeit werden in einem umfangreichen sechsten Kapitel die „Kodifikationen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts“ vorgestellt. Kaum ist der Unter­haltsanspruch des Kindes gegen den Vater all­gemein anerkannt, so wird er von der Einrede des Mehrverkehrs von Seiten des In­anspruchgenommenen beherrscht. Im Gegensatz zu den vorangegan­genen Jahrhunderten werden nicht mehr die Eltern verpflichtet, ihr Kind zu ernähren und es vor Hungertod oder Verwahrlosung zu bewahren. Vielmehr be­steht nun primär gegen den Vater ein Anspruch des Kindes in Geld, dem die Väter mit Unter­stützung der Gesetzgeber auf ihre Weise zu begegnen suchen.

Nach bairischem Recht (Codex Maximi­lianeus, 1. Teil, Cap. 4, § 9) hat die Mehr­verkehrseinrede zwar zur Folge, daß die Vater­schaft nicht fest­gestellt werden kann („dersel­be zwar von der Paterni­tät losgesprochen“), jedoch ist jeder mögliche Vater verpflich­tet, anteilig Unter­halt aufgrund des Delikts des außereheli­chen Beischlafs zu zahlen („hingegen aber des ein­bekannt oder erprob­ten Bey­schlafs halber nicht nur ge­straft, sondern auch in die Alimen­tation des Kinds zum Theil oder ganz condemnirt wird“). Auch Schmitz weist darauf hin, daß etwa das Bayerische Oberste Appel­lationsgericht zu München 1829 die rechtlichen Folgen des außer­ehelichen Bei­schlafs dem De­liktsrecht unter­worfen hatte (S. 57). Schon vor ihm hat Leinewe­ber die Ansicht vertreten, daß der Codex mit der zitierten Stel­le einer „im Usus Modernus ent­wickelten Mindermei­nung ... zur gesetzlichen Aner­kennung“ ver­helfe, wonach die Alimentations­pflicht ihrer Natur nach „eine Delikts­obligation (sei), die nicht auf der Verwandt­schaft zwi­schen Vater und Kind, sondern auf dem Delikt des stuprum be­ruh(e)“.[15] Die noch im 18. Jahrhundert beste­henden Schwierigkei­ten bei der dogmati­schen Einordnung des rela­tiv jungen Rechts­instituts bele­gen auch deut­lich die Anmerkungen von Kreittmayr zum Codex, wo wir nach­lesen kön­nen: „Der Grund, wor­auf sowohl die elter- als kind­li­chen Pflich­ten und Rechte in ihrem ersten Ur­sprung beruhen, ist unter den Ge­lehrten noch nicht ausgemacht ... So weit kommen alle über­eins, daß diese Jura und obligationes aus dem Recht der Natur fließen.“ Und weiter: „Denn so wenig sie ihre Kinder töd­ten können, so wenig können sie ihnen den Unterhalt versagen.“[16]

Das Allgemeine Landrecht Preußens hingegen ließ die Einrede des Mehrverkehrs nicht zu, viel­mehr erlaubte es dem Vormund des Kindes, sich unter mehreren mögli­chen Vätern den Unterhaltsschuldner auszusu­chen. Bei Aus­fall des zuerst Belangten, konnten die übrigen potentiellen Väter nacheinander in Anspruch genommen werden (ALR II 2 §§ 619f.). Zur Vermeidung des Kindsmords gestaltete das ALR die Ansprü­che von Mutter und Kind gegen den Erzeuger so üppig wie keine ande­re Kodifikation der Zeit (im Hinblick auf die Ansprüche der unbescholtenen ledigen Mutter, die nach ALR II 1 §§ 1047ff. die Stellung einer schuldlos geschiedenen Ehefrau - ein­schließ­lich „Name, Stand und Rang des Schwängerers“ - er­hielt, muß man wohl sagen: bis heute). Besonders hervorheben läßt sich ein im ALR geregeltes, bis heute nicht befriedigend gelöstes Pro­blem,[17] das Auswirkungen auf die Unter­haltspflicht des Vaters hatte. Bis zum 4. Lebensjahr des Kindes steht nach ALR II 2 §§ 621ff. der Mutter das Recht auf Verpfle­gung und Erziehung des Kindes zu, danach ist der Vater befugt, seine Unterhaltsver­pflichtung in natura zu erbringen und das Kind in seinen eigenen Haushalt aufzunehmen. Verweigerte die Mutter die Herausgabe des Kindes, so konnte die Entscheidung des Vormund­schaftsgerichts eingeholt werden, das das Kind nur dann unter Fortbestand der Unterhalts­verpflichtung des Vaters bei der Mut­ter ließ, wenn der Vater die Erziehung des Kindes nicht in sei­nem Haushalt über­nehmen, son­dern es - für ihn finanziell gün­stiger und ohne Rücksicht auf das Wohl des Kindes - in eine Pfle­gestelle geben wollte (S. 59, 68 f.).

Mit der - maßgeblich auf Savigny zurückgehenden - Reform des Unehelichenrechts in Preußen von 1854 verschlechterte sich die Rechtsstel­lung von Mutter und Kind ganz erheblich (wobei der Status nun so schlecht war, daß Preußen wiederum im Verhältnis zu allen ande­ren Kodifikation der Zeit eine Sonderstellung ein­nahm). Neben der Einrede des Mehrver­kehrs wurde die sog. Bescholten­heitseinrede eingeführt. Bei Beschol­tenheit der Mutter galt ebenso wie beim Mehrverkehr die Vater­schaft als ungewiß, weshalb Ansprüche von Mutter und Kind ganz ausgeschlos­sen wur­den. Im Gegensatz zur Einrede des Mehr­verkehrs gründete sich dieser Ausschluß bei der Bescholten­heits­einrede nicht auf nach­gewiese­nen Mehrverkehr, sondern auf den Nachweis eines be­stimm­ten Ver­haltens der Mutter, das nach An­sicht des Gesetzge­bers darauf schließen lie­ße, daß die Mutter Mehrverkehr gehabt haben könnte. Die Bescholten­heit war etwa dann begründet, wenn die Mutter den Bei­schlaf gegen Bezah­lung von Geld oder Geschen­ken gestattet hatte, wenn sie eines unzüchtigen Lebens­wandels be­rüchtigt war (was bei einem dauer­haften Konkubi­natsverhältnis angenommen wurde), wenn sie bereits früher einmal außerehelich geschwängert worden war, wenn sie sich früher eines Ehebruchs schuldig gemacht hatte oder wenn sie einen noch nicht zwanzig­jährigen, jüngeren Mann verführt hatte.[18]  

Nach § 166 ABGB hatte das Kind einen Anspruch gegen seine Eltern auf eine ihrem Vermögen angemessene Verpflegung, Erzie­hung und Versorgung. Die Aufteilung zwischen den Eltern erfolgte derges­talt, daß das Erziehungsrecht primär der Mutter und sub­sidiär (bei einer Kindeswohlgefährdung durch die Er­zie­hung der Mutter) dem Vater zugewiesen war, während die Unter­halts­ver­pflichtung primär dem Vater und subsidiär (bei Unver­mögen des Vaters) der Mutter oblag, §§ 167ff. Die Einrede des Mehrver­kehrs sah das ABGB nicht vor, wobei bei meh­reren mög­lichen Vätern nur einer rechtskräfti­g als Vater­ festgestellt werden konnte und sich die anderen dann auf dieses Urteil berufen konnten. In Anlehnung an das ABGB regelte das sächsische BGB von 1865 die Unter­haltsverpflichtung des Vaters und ließ ebenfalls die Ein­rede des Mehrverkehrs nicht zu, wobei allerdings mehrere mögli­che Väter als Gesamtschuldner hafteten.

Das württembergische „Gesetz, betreffend die privatrechtlichen Folgen der Verbrechen und Strafen“ von 1839 enthielt in Art. 28 Nr. 1 die Verpflichtung des Vaters zum Unterhalt und in Nr. 4 die Zulässigkeit der Einrede des Mehrverkehrs, mit der die Un­terhaltsklage abgewendet werden konnte. Das ­Badische Landrecht von 1810 und der Personenrechtsentwurf Hessens von 1846 folgten hingegen mit Modifikationen dem Grundsatz des Code Civil „La recherche de la paternité est inter­dite“ (was im badischen Recht etwas holprig übersetzt wurde mit: "Alle Nachfrage, wer Vater eines Kindes sei, ist verboten") und beruhten damit auf dem Anerken­nungsprin­zip.

Insgesamt gibt Schmitz in seinem sechsten Kapitel einen nahezu vollstän­digen Überblick über die Ausgestaltung der Unterhalts­ansprüche nichteheli­cher Kinder in den Kodifi­kationen des 18. und 19. Jahrhun­derts, wenngleich er auch hier weithin Bekanntes referiert. Die folgenden und letzten drei Kapitel beschäftigen sich mit der dogmati­schen Einordung des Unterhalts­anspruchs im 19. Jahrhundert durch die Wissenschaft, seiner Ausgestaltung im Bürgerlichen Gesetzbuch und in Reforment­würfen bis 1949.[19]

Im siebten Kapitel „Diskussion in Rechtslehre und Praxis des 19. Jahrhunderts“ schiebt Schmitz nun die Theorien über den Rechts­grund des Unterhaltsanspruchs nach. Die zwei wichtigsten Ansätze waren dabei, den Unterhaltsanspruch entweder mit der rechtlichen oder natürlichen Verwandt­schaft zum Vater zu begründen oder ihn als deliktische Verpflichtung (Unterhalt als Ersatz des aus dem Delikt des außerehelichen Beischlafs entstandenen „Scha­dens“) zu qualifizieren, wobei sich gegen Ende des 19. Jahrhun­derts ersteres durchsetzte. (Letzteres ist dennoch keineswegs abwegig; man denke nur an die aktuelle Diskussion um das „Kind als Schaden“.)

Das achte Kapitel „Die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches“ behandelt die Regelungen zur Unter­haltspflicht des Vaters im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1896. Der bis zum 16. Lebensjahr bestehen­de Unter­haltsanspruch des Kindes gegen seinen Vater gründete sich auf die Feststellung der Vaterschaft, wodurch nur eine na­tür­liche Ver­wandtschaft (Blutsverwandtschaft) anerkannt wurde, während ein recht­liches Verwandt­schaftsverhältnis ausdrücklich abgelehnt wurde (nach § 1589 II BGB a. F. galten das nichteheliche Kind und sein Vater als nicht miteinander ver­wandt). Den Nach­weis des Beischlafs in der Emp­fängniszeit hatte das Kind zu er­bringen, wäh­rend der Vater im Prozeß die Ein­rede des Mehrverkehrs erheben konnte und ihre Voraussetzungen beweisen mußte. Ein Anerkennt­nis des Kindes durch den Vater hatte keine status­begründen­de Wirkung, sondern führte lediglich zur Unzulässigkeit der Er­hebung der Mehrver­kehrsein­rede.

Im neunten Kapitel stellt Schmitz „Die Reformbestrebungen bis 1949“ dar. Auf der Grundlage von Art. 121 Weimarer Reichsver­fassung wurden in den Jahren 1922, 1925 und 1929 insgesamt drei Entwürfe zur Verbesserung der Stellung nichtehelicher Kinder erarbeitet, die danach differenzierten, ob der Vater durch Aner­kenntnis bzw. durch gerichtliche Feststellung feststand, oder ob  die Vaterschaft aufgrund von Mehrverkehr ungewiß war. Im ersten Fall entstand zwischen Vater und Kind ein familienrechtliches Verhältnis, während es im zweiten Fall bei der Unterhaltsvater­schaft blieb, wobei allerdings die Einrede des Mehrverkehrs nicht mehr geltend gemacht werden konnte und mehrere mögliche Väter als Gesamtschuldner hafteten. Die Problematik des Mehr­verkehrs wurde im übrigen zunehmend durch die Fortschritte der Medizin im Bereich der Blutgruppenuntersuchung entschärft. Auch im ­Dritten Reich rissen die Reformbestrebungen nicht ab und lehn­ten sich gerade im Bereich des Unterhalts an die Weimarer Ent­würfe an, wenn­gleich nun rassi­sche Gesichtspunkte bei der Abstam­mung noch eine Rolle spielten. Der Geset­zesentwurf von 1940 scheiterte jedoch am Wi­derstand Hit­lers. Mit einem kurzen Ausblick auf das Nichteheli­chengesetz von 1970 und das Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1998 endet das Kapitel. Die Arbeit schließt mit einer Schlußbe­trachtung.  

Vielleicht kann man Schmitz nicht vorwerfen, daß weite Teile seiner Arbeit schon durch andere Dissertationen in den letzten Jahren erschlossen wurden (er selbst nennt dies in der Ein­leitung „auf bisherige Forschungsergebnisse aufbauend“).[20] Daß er sich mit diesen Ar­bei­ten aber selbst bei deut­lich ab­weichender Position nicht ausein­andersetzt, wird man ihm vor­halten müssen. Auch seine dogmati­schen Ausfüh­rungen bleiben im wesentlichen auf die im 18. und 19. Jahrhun­dert disku­tierten Theorien beschränkt. Die span­nende und bislang nicht beantwor­tete Frage nach der Entstehung des Anspruchs auf Unterhalt im Spät­mittelalter und seiner Verbreitung zu Beginn der Neuzeit wird nur im Ansatz und mit Hinweis auf den Humanitäts­gedanken thema­ti­siert. Die - wieder einmal erfolglose - Suche nach Kon­tinuität und Ganzheit im deutschen Recht versperrt auch hier den Blick auf zeitliche und regionale Besonderheiten.

 

Leipzig                                                                                                             Eva Schumann



[1] Eva Schumann, Die nichteheliche Familie, Reformvor­schläge für das Familienrecht mit einer Darstellung der geschichtlichen Entwicklung und unter Berücksichtigung des Völ­ker- und Verfas­sungsrechts, München 1998, 8f.

[2] Hierzu schreibt Engelbert Krause, Die gegenseitigen Unter­haltsansprüche zwischen Eltern und Kindern in der deutschen Privatrechtsgeschichte, Frankfurt am Main 1982, 62: „Sichtet man die mittelalterlichen Rechte, so stellt man fest, daß Bestimmun­gen, die eine Unterhaltsverpflichtung der Eltern ausdrücklich festschreiben, so gut wie völlig fehlen.“ Entsprechendes findet sich für die Ausstattung bei Silvia Schumacher, Das Rechtsver­hältnis zwischen Eltern und Kindern in der Privatrechtsges­chichte, Frankfurt am Main 1999, 62: „Was die Pflicht zur Ausstat­tung der Kinder betrifft, worunter hier Zuwendungen verstanden wer­den, die ein Kind zum Zwecke der Begründung einer selbständigen wirtschaftlichen Lebensstellung von seinen Eltern erhielt, fin­den sich für das Mittelalter keine Hinweise dafür, daß die Kinder einen Rechtsanspruch auf Ausstat­tung hatten. Dies gilt sowohl für die Töchtern gewährte Aussteuer als auch ... für die Abschichtung der Haussöhne.“

[3] Auch hier bleibt Schmitz hinter Krause (Anm. 2), 33-43 deutlich zurück.

[4] Wie Krause (Anm. 2), 54-61 nachweist, lassen sich die spät­mittelalterlichen Quellenbelege zu einem großen Teil auf kanonisches Recht und die kirchliche Rechtspraxis zurückführen. Insgesamt stellt Krause fest, daß „von einem eigenwertigen Unterhaltsrecht ... gegen Ende des Mittelalters noch nicht entfernt die Rede sein“ kann (74). „Auch zu Beginn der Neuzeit sind ausdrückliche Bestimmungen, nach denen die Eltern zur Ver­sorgung ihrer Kinder verpflichtet sind, noch ebenso selten an­zutreffen wie im Mittelalter“ (93). Und weiter: „Die unter­haltsrechtlichen Aussagen betreffen überwiegend bestimmte Ein­zelfälle und sind verstreut sowohl in den familien- und erbrechtlichen Teilen der Stadt- und Landrechte als auch in den Lan­des(polizei)ordnungen zu finden“ (100).

[5] Vgl. allgemein zum Eltern-Kind-Verhältnis im römischen und germanischen Recht Schumacher (Anm. 2), 5-57; sowie im besonderen zur Unter­haltsverpflichtung Krause (Anm. 2), 12-32.

[6] So führt Schmitz in zwei Fußnoten Belege dafür an, daß seit dem 13. Jahrhundert in deutschen Städten Findel- und Waisenhäuser eingerichtet wurden, und daß in den Städten Nichteheliche zu den Almosenempfängern, Tagelöhnern, unehrlichen Berufen oder Freudenhausmädchen zählten (S. 33, Fn. 149, 150).

[7] Dazu Schumann (Anm. 1), 48ff.

[8] Dieser Gedanke findet sich auch schon bei Krause (Anm. 2), 72f., 75ff.

[9] So auch Schumacher (Anm. 2), 62f.

[10] Vgl. auch die Nachweise bei Krause (Anm. 2), 64ff., 74f., 93f., 100.

[11] Schmitz (S. 51) fällt dazu nur ein, daß der „Grund für die Darstellung von Unterhalts- und Erbrecht im gleichen Abschnitt eines Gesetzes ... in der systematischen Gliederung der frühneuzeitlichen Rechtsquellen“ liege.

[12] Wobei die Pflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern zur Ernährung und Erziehung von der Naturrechtslehre als nicht erzwingbar eingeordnet wurde; dazu Schumacher (Anm. 2), 263.

[13] Krause (Anm. 2), 104.

[14] Schumann (Anm. 1), 22-54, insb. 47ff.

[15] Anke Leineweber, Die rechtliche Beziehung des nichteheli­chen Kindes zu seinem Erzeuger in der Geschichte des Privatrechts, Königstein/Taunus 1978, 229.

[16] Wiguläus Xaverius Aloysius v. Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum Civilem, 1844, Teil 1, 120 und 108. Dazu Schumann (Anm. 1), 75.

[17] Zu den Problemen des geltenden Rechts (primäres Sorgerecht der Mutter mit der Folge einer primären Unter­haltsverpflichtung des Vaters gegenüber Mutter und Kind) vgl. Schumann, Erfüllt das neue Kindschaftsrecht die verfas­sungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des nich­tehelichen Vater-Kind-Verhältnis­ses?, FamRZ 2000, 389, 393ff.

[18] Dazu Schumann (Anm. 1), 83f.; sowie Marc Bors, Beschol­te­ne Frauen vor Gericht, Zur Recht­sprechung des Preußischen Ober­tribunals und des Zürcher Ober­gerichts auf dem Gebiet des Nicht­ehelichen­rechts, Frankfurt am Main 1998, 127-169.

[19] Insgesamt zur Rechtsstellung Nichtehelicher im 20. Jahrhundert Schumann (Anm. 1), 92-136.

[20] Allerdings vermißt man einige neuere Arbeiten im Litera­turverzeichnis, so neben den Dissertationen von Marc Bors (Anm. 18) und Silvia Schumacher (Anm. 2) etwa noch die Arbeit von Har­riet Christiane Zitscher, Elterlicher Status in Richter­recht und Gesetzesrecht, Über Rechtsfindung in Deutschland und England - Rechtsetzung und richterliche Methode seit 1800, Baden-Baden 1996.