Reiter-ZatloukalGriesebner20010906 Nr. 10431 ZRG 119 (2002) 48

 

 

Griesebner, Andrea, Konkurrierende Wahrheiten. Malefizprozesse vor dem Landgericht Perchtoldsdorf im 18. Jahrhundert (= Frühneuzeitstudien N. F. 3). Böhlau, Wien 2000. 350 S., 3 Karten.

 

Die vorliegende Studie ist eine überarbeitete Fassung der im Frühjahr 1998 approbierten Dissertation der mittlerweile am Wiener Institut für Geschichte habilitierten Verfasserin, wobei neben der Überarbeitung einzelner Kapitel auch eine Ausweitung der „empirischen Teile“ stattfand (S. 9). In der Einleitung legt die Verfasserin ihr primäres Interesse an den „Lebenswirklichkeiten“ der „am Land, in kleinen Dörfern oder Märkten lebenden Frauen und Männern“ offen und stellt in Verbindung damit ihren Quellenkorpus vor, da eben „Gerichtsakten ... eine der wenigen Möglichkeiten (bieten), ... einen Einblick in das Leben der sogenannten gewöhnlichen Menschen zu bekommen“ (S. 12f.).

Ihre Entscheidung, das Perchtoldsdorfer Landgericht in das Zentrum ihrer Forschung zu rücken, begründet die Verfasserin mit „dem Umstand, daß das Perchtoldsdorfer Marktarchiv eines der wenigen österreichischen Archive ist, in welchen diese Quellengruppe für das 18. Jahrhundert nahezu lückenlos erhalten ist“, wobei nach Auskunft der Verfasserin für das 18. Jahrhundert 55 Landgerichtsprozesse nachweisbar waren (S. 14). In ihre Analyse hat die Verfasserin allerdings nur jene 39 Prozesse einbezogen, die in den Geltungszeitraum entweder der Landgerichtsordnung für Österreich unter der Enns von 1656, der sogenannten Ferdinandea (28 Prozesse), oder der Constitutio Criminalis Theresiana von 1768 (11 Prozesse) fallen (S. 18).

Diese Studie verfolgt, so die Verfasserin, „einen transdisziplinären Zugang“ bzw. „ist an der Schnittstelle der beiden universitären Disziplinen Geschichte und Rechtsgeschichte und an der Schnittstelle verschiedener historischer Forschungsfelder wie Geschlechtergeschichte, Mikrogeschichte, Historische Ethnographie, Kulturgeschichte, Historische Kriminalitätsforschung etc. angesiedelt“ (S. 18). Die Verfasserin erörtert in der Einleitung sodann methodische Fragen[1], wobei sie von der „Interdependenz der verschiedenen Markierungen“, insbesondere Klasse und Geschlecht (S. 31), ausgeht, „die einzelnen Markierungen nicht als additiv oder multipikativ, sondern als interagierend“ betrachtet und das Konzept des „doing gender“ bei ihrer  Untersuchung verfolgt (S. 32).

An diese Einleitung schließen die Kapitel „II. Herrschaftsgebiet und Gerichtsorganisation“ (S. 37-46), „III. Das Strafrecht“, dieses untergliedert nach dem Inhaltsverzeichnis in „Die Strafprozeßordnung“ und „Das materielle Strafrecht“, wobei die Verfasserin zahlreiche weitere nicht im Inhaltsverzeichnis ausgewiesene Textgliederungen im dritten Kapitel bzw. innerhalb der Unterabschnitte vornimmt[2]. Es folgt das vierte, von den bisherigen Kapiteln durch eine nicht numerierte Zwischenüberschrift: „Vor Gericht“ getrennte Kapitel „Das Quellenkorpus“ (S. 107-143), das wiederum mit nicht im Inhaltsverzeichnis aufscheinenden (gleichrangigen) Zwischenüberschriften versehen ist[3].

Im fünften Kapitel „Die Wahrheit als Verhandlungsgegenstand“ (S. 144-176), will die Verfasserin am „Beispiel dreier summarischer Verhörprotokolle ... der Einblick in Struktur und Aufbau von Verhörprotokollen“ vertiefen“, und „die für Historikerinnen sich ergebenden methodologischen Schwierigkeiten“ sollen aufgezeigt werden (S. 144).  Um den „Vereindeutigungsprozeß“ der „konkurrierenden Wahrheiten“ über den konkreten Tathergang im Laufe des gerichtlichen Ermittlungsverfahrens möglichst plastisch darzustellen, bedient sich die Verfasserin in diesem Kapitel der „szenischen Anordnung und Dramatisierung“ (S. 144) der zuvor wörtlich wiedergegebenen Verhörprotokolle“ (S. 144) eines konkreten Malefizprozesses. Daran schließt die Verfasserin eine Betrachtung der Widersprüche in den jeweiligen Aussagen („Widerstreitende Wirklichkeiten“, S. 159-162), beschäftigt sich mit dem „Einfluß der Gerichtsmitglieder“ (S. 162-164) auf die Entstehung der Verhörprotokolle, erörtert die Relevanz von „Lebenswandel und Leumund“ (S. 164-167) der aussagenden Personen, behandelt die Vernehmung weiterer Zeugen („Die ZeugInnen“, S. 167-169), untersucht die „Divergierende(n) Bewertungen“ (S. 169-171) des Rechtsgutachters bzw. der niederösterreichischen Regierung und thematisiert im Unterabschnitt „Die Konsequenzen“ (S. 172-176) diese zum einen für die Täterin, zum anderen analysiert sie die verschiedenen „Erzählstrategien“ und deren Hintergründe.

Im sechsten Kapitel („Fallstudien“, S. 177-286) geht die Verfasserin zum einen der Frage nach, „welchen Praktiken die Gerichtsmitglieder ... den Stempel ,Malefizverbrechen‘ aufdrückten“ und „welchen Kriterien sie dabei folgten“, zum anderen interessierte es sie, „wie die Gerichtsmitglieder bzw. die Rechtsgutachter auf der einen, die Beamten der niederösterreichischen Regierung auf der anderen Seite, die Strafandrohungen der Ferdinandea und der Theresiana in der Gerichtspraxis umsetzten“ (S. 177). Die Verfasserin legt der „Erzählung der einzelnen Malefizprozesse ... keine chronologische, sondern die anhand der Analyse der Ferdinandea explizierte thematische Ordnung“ (S. 178) zugrunde. Allerdings nimmt die Verfasserin in ihre „Fallstudien“ nicht die „mehr als die Hälfte der insgesamt 39 Malefizprozesse“ (S. 178) ausmachenden Prozesse betreffend das „Eigentum an Dingen bzw. Tieren“ auf, da sie den 21 Diebstahlsprozessen eine eigene Publikation zu widmen gedenkt (S. 179).

Die verbleibenden 18 Malefizprozesse werden im folgenden also von der Verfasserin nach der bereits im zweiten Kapitel entwickelten Gliederung[4] erzählt: „Religion“ (S. 180-183): „«... in puncto Blasphemia verbalis et realis», 1763“; „Physische Gewalt“ (S. 184-252): „«...in puncto Homicidy», 1704“, „«... in puncto Entleibung», 1706“, „«... in puncto violentio resistentio adversus judicem» 1779“ (sic!), „«... in puncto uxoricidii», 1744“, „«... in puncto attentati uxoricidii», 1756“, „«... in puncto einer verübten Kindts Mordthatt», 1719“, „«... in puncto einer Kinds Verthuung», 1730“, „«... in puncto einer Kinds Verthuung», 1732“, „«in puncto prolicidii», 1760“, „«... in puncto Vertrag und  Niederlegung des Kinds», 1749“, „«...in puncto attentati stupri violentis», 1752“, „«... in puncto attentati incestus et adulterii simplicis», 1770“, „Sexualität“ (S. 253-273): „«... in puncto indicirten sodomiae», 1756“, „«... in puncto simplicis adulterii», 1749“, „«in puncto duplicis adulterii», 1756“; „Eigentum an Personen“ (S. 274-286): „«... in puncto attentati abortus», 1766“, «...in puncto attentati propricidii», 1770“.

Daran schließt sich das siebente Kapitel „Schlußbetrachtung und Ausblick“, in welchem die Verfasserin nach eigener Aussage keine „gebündelte Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse dieser Studie“ vornimmt. Diese Schlußbetrachtung „soll nicht die Lektüre der Studie ersetzen“ (das soll doch wohl keine Schlußbetrachtung), „sondern dazu genützt werden, einzelne Quellenbefunde zu reflektieren und weiterreichende Forschungsperspektiven zu skizzieren“ (S. 287). In einem der - ebenfalls nicht im Inhaltsverzeichnis ausgewiesenen - Unterabschnitte dieser Schlußbetrachtung beschäftigt sich die Verfasserin sodann mit dem Problemfeld „Historische Wahrheit oder Re-Konstruktion“, im Zuge dessen sie sich nicht nur erneut mit dem „Vereindeutigungsprozeß“ auseinandersetzt, sondern etwa auch Ausführungen zum Entstehungskontext der behandelten Malefizprozesse, zur aktuellen Devianzdiskussion und zur Aussagekraft von Kriminalitätsstatistiken vornimmt. Im Unterabschnitt „Strafnormen - Strafpraxis“ geht die Verfasserin zum einen den Hintergründen für die vom Landgericht, den Rechtsgutachtern und der niederösterreichischen Regierung eingenommenen, vielfach voneinander divergierenden Rechtsmeinungen nach, zum andern erklärt sie die „enorme Diskrepanz zwischen Strafnormen und Strafpraxis“ damit, daß die Landgerichtsordnungen „nicht eine Norm, ... sondern ... einen relationalen Rahmen zur Bewertung sprachlicher wie nichtsprachlicher Praktiken zur Verfügung (stellten)“ und betont die Bedeutung der landesfürstlichen Gnadenakte „als konstitutiver Bestandteil der Strafpraxis“ (S. 296f). Sie zeigt weiters den bemerkenswerten Umstand auf, daß die Folter bei den von ihr behandelten Prozessen nicht üblich war. Im Unterabschnitt „Gerichtliches Feld“ geht die Verfasserin erneut den spezifischen Entstehungskontexten der von ihr ausgewerteten Quellen nach, betont  im Unterabschnitt „Interagierende Differenzen“ die „gleichzeitige Wirksamkeit der verschiedenen sozialen und kulturellen Markierungssysteme - Geschlecht, sozialer Stand, Ethnizität, Religion, Alter, Familienstand, Leumund, «einheimisch und angesessen» versus «fremd und streichend» (S. 300) und zeigt weitere mögliche Forschungsperspektiven. Sie schließt mit einem Vorschlag, „wie Geschlecht als eine mehrfach relationale Kategorie gedacht werden könnte“ (so der Klappentext). In einem Anhang (S. 307-323) werden sodann die bearbeiteten 39 Gerichtsprozesse anhand der wichtigsten Eckdaten jeweils kurz skizziert. Es folgt ein Quellenverzeichnis (S. 324 f.), eine Bibliographie (S. 326-346) sowie ein dürftiges Sach- und Ortsregister (S. 347-350).

So interessant vor allem die vorgestellten Prozesse vom Blickwinkel der Mikrogeschichte auch für den (Rechts)Historiker sind, so erweist sich diese Studie doch insgesamt, vielleicht im besonderen für den Rechtshistoriker, als wenig gewinnbringend. Zahlreiche mehr oder weniger gravierende Mängel und Fehler lassen richtiges Lesevergnügen nur selten aufkommen. Um nicht zu sehr ins Detail zu geraten, seien hier jedoch nur einige Schwächen ausführlich erörtert.

So ist insbesondere die Anzahl der von der Verfasserin ausgewerteten Prozesse (insgesamt 39, 18 in den „Fallstudien“) wenig befriedigend, erlaubt sie doch kaum aussagekräftige Analysen, weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht. Die von der Verfasserin zu Recht verfolgte Arbeitsthese, daß der „soziale Stand, der Familienstand, das Alter, die ethnische und/oder religiöse Zugehörigkeit, die geschlechtliche Markierung oder auch der Leumund (mit) entschieden, ob eine Praktik als legal oder illegal, ob sie als bloßes Vergehen oder aber als Malefizverbrechen bewertbar war“ (S. 293), findet in Ermangelung von Vergleichsfällen keine wirklich tragfähige Untermauerung. Wie die Verfasserin selbst angibt, hätten sich die für das gesamte 18. Jahrhundert „fast vollständig überlieferten“ Perchtoldsdorfer Ratsprotokolle als „besonders informative Quellengruppe“ erweisen können, welche sie allerdings aus „dem simplen Grund“, daß deren „zusätzliche Einbeziehung die Arbeitskapazität einer Wissenschaftlerin bei weitem übersteigt“ (S. 16), mit Ausnahme der Protokolle aus drei Jahren, nicht berücksichtigte. Nicht bearbeitet hat die Verfasserin auch - wohl aus demselben Grund - diejenigen „Schriftstücke ..., die das Perchtoldsdorfer Landgericht in seiner Funktion als Marktgericht produzierte“ (S. 16). In der Tat hätte eine - zumindest stärkere - Einbeziehung dieser Quellengruppen den Erkenntniswert der Studie erheblich erhöhen können. Der Hinweis auf die Arbeitskapazität der Verfasserin ist zur Kenntnis zu nehmen, aber insofern nicht ganz verständlich, als einer Wissenschaftlerin schon vor der Wahl eines frühneuzeitlichen Themas die mühevolle Archiv- und Transkriptionsarbeit bewußt sein müßte[5].

Die spärliche Heranziehung von vorhandenen gerichtlichen Quellen wird auch im Kapitel „Herrschaftsgebiet und Gerichtsorganisation“ deutlich, denn die Ausführungen über die Gerichtsorganisation, insbesondere über die Abgrenzung von Nieder- und Hochgerichtsbarkeit bzw. Markt- und Landgerichtsbarkeit, sind so knapp gehalten, daß viele Fragen unbeantwortet bleiben. So berichtet die Verfasserin nicht nur nichts über die Entstehung und historische Entwicklung des Landgerichtes Perchtoldsdorf, sondern sie gibt auch nur lapidar darüber Auskunft, daß Perchtoldsdorf „das Privileg der niederen wie der höheren Gerichtsherrschaft“ hatte, und daß der „Marktrichter ... in Personalunion immer auch die Funktion des Landgerichtsverwalters innehatte“, ohne zu erläutern, was darunter allgemein sowie konkret für Perchtoldsdorf mit welchen Folgen zu verstehen ist. In einer Anmerkung auf S. 39 (Anm. 14) informiert die Verfasserin dann weiter, daß Perchtoldsdorf ein „mitleidender“ Markt mit „beschränktem Blutbann“ war (ebenso wie 35 Städte und sechs weitere der 216 Märkte in Österreich unter der Enns), und auf S. 41 erfahren wir sodann, daß die „Ferdinandea“ und die „Theresiana“ den „Landgerichtsverwaltern der landesfürstlichen Städte und Märkte zwar die Durchführung der Malefizprozesse zu(gestand)“, sie aber gleichzeitig „verpflichtete, alle Prozeßakten einem am Hof approbierten Rechtsgelehrten zur Überprüfung des Gerichtsverfahrens und zur Ausarbeitung eines Urteils vorzulegen, und sie danach zur «ferneren Erkanntnuß» an die N.Ö. Regierung bzw. das Obergericht einzusenden“. Ein Vergleich zu den Landgerichten mit „vollkommenen“ Blutbann bzw. den „befreyten Landgerichten“, von denen sie an derer Stelle spricht (S. 62, 69f.), oder anderen Landgerichten mit „beschränktem“ Blutbann, welcher die Rechtstellung des Perchtoldsdorfer Landgerichtes verständlicher und plastischer gezeigt hätte, findet leider nicht statt. Auch fehlen jegliche Ausführungen über die konkreten Inhaber des Landgerichts bzw. Marktrichter/Landgerichtsverwalter, ihre Herkunft, Stellung in der Gemeinde, ihre Besoldung bzw. Einkünfte etc., die Auskünfte über das sonstige Gerichtspersonal sind nur sehr spärlich und den konkreten Rechtsgutachtern wird überhaupt kein Augenmerk (weder biographisch noch hinsichtlich eines Vergleiches ihrer in den Gutachten eingenommenen rechtswissenschaftlichen Standpunkte) gewidmet, wiewohl deren „Parere“ in den „Fallstudien“ regelmäßig ausführlich zitiert werden. Ebenso verzichtet die Verfasserin weitgehend auf eine wirtschafts- und gesellschaftsgeschichtliche Analyse des behandelten Herrschaftsgebietes, was die Vergleichbarkeit dieses Landgerichts mit anderen zusätzlich erschwert. Auch eine - zumindest skizzenhafte - Darstellung der Entstehungsgeschichte der Ferdinandea, die immerhin den Schwerpunkt ihrer strafrechtlichen Ausführungen bildet, fehlt zur Gänze, weil sich die Verfasserin bedauerlicherweise weder für deren „Verfasser noch für die politischen Kompromisse, die die Ferdinandea letztlich möglich machten“, und auch nicht für die „Verortung der Ferdiandea im juristischen Diskurs ihrer Zeit“ interessiert, sie vielmehr nur einen „Einblick in die Rechtsgrundlage“ geben will, „die die Matrix für die weitere Analyse der vom Perchtoldsdorfer Landgericht überlieferten Texte bildet“ (S. 52). Dass dieser Einblick freilich ohne jedwede Kontextualisierung der Rechtsquelle gelingt, muß schon aus diesem Grunde bezweifelt werden. Zur Entstehungsgeschichte der Theresiana finden sich zwar kurze Ausführungen (S. 52) mit zwei Literaturhinweisen, allerdings ist einer davon ein Fehlzitat, da die Verfasserin ganz offensichtlich die Constitutio Criminalis Theresiana mit dem privatrechtlichen Codex Theresianus[6] verwechselt.

Wenig geglückt erscheint weiters die Gliederung der gesamten Studie. So erweckt nicht nur die Durchnumerierung der sieben Kapitel trotz Zweiteilung derselben durch eine Zwischenüberschrift „Vor Gericht“ den Eindruck einer Notlösung, sondern es zeigen auch die zahlreichen, nicht ins Inhaltsverzeichnis übernommenen Zwischenüberschriften, daß die Verfasserin wohl selbst mit der Systematisierung und Hierarchisierung des Textes Schwierigkeiten hatte und die jeweiligen Textteile bloß perlenkettenartig aneinander gereiht hat. Schlichtweg systematisch verfehlt ist etwa die Aufnahme von Ausführungen über „Strafmildernde und strafverschärfende Umstände“ sowie „Leib- und Lebensstrafen“ nicht in den Unterabschnitt „Das materielle Strafrecht“, sondern in den Unterabschnitt „Der Strafprozeß“. Ein kurzer Blick in ein beliebiges Strafrechtslehrbuch hätte diesen Fehler verhindern können.

Das Kapitel „Strafrecht“ zeigt freilich dann - jedenfalls aus der Sicht des Juristen - inhaltlich bei weitem gravierendere Systematisierungsprobleme, zeugt doch die Aufnahme von „Praktiken“ bzw. Delikten wie „Entführung/Menschenraub“, „Freitod“, „Abtreibung“ und „Urfehde“ unter die Überschrift „Eigentum“ (sic!) bei einer frühneuzeitlichen Arbeit von wenig juristischem Basiswissen bzw. völliger Unkenntnis des frühneuzeitlichen aber auch modernen Eigentumsbegriffes. Der Behauptung der Verfasserin, daß die Ferdinandea „auch Personen, speziell wenn sie der Geschlechtergruppe der Frauen zugeordnet waren, als das Eigentum Anderer (konzeptualisierte)“ (S. 100), ist hier insoferne zu widersprechen, als die Ferdinandea mit keinem einzigen Wort eine derartige „Konzeptualisierung“ als „Eigentum“ nahelegt[7]. Nicht zu überzeugen vermag auch beim Unterkapitel „Sexualität“ die Differenzierung in „Heterosexuelle Praktiken“ einerseits - worunter die Verfasserin die Fornikations- und Ehebruchsdelikte subsumiert - und „Inzest“ sowie „Bigamie“ andererseits, die ja doch ebenfalls wohl in der Regel (Inzest) bzw. stets (Bigamie) heterosexuelle Praktiken darstellten.

Nicht nachvollziehbar sind die Kriterien, nach welchen die Verfasserin die Delikte auswählte, die sie im strafrechtlichen Kapitel beschreibt. Wäre der Umstand relevant, daß die Kenntnis der geschilderten Delikte die inhaltliche Voraussetzung für das Verständnis der „Fallstudien“ darstellt, so hätte die Verfasserin jedenfalls auf die Darstellung von „Diebstahl/Betrug“, „Sachbeschädigung/Brandstiftung“ sowie „Fälschung“ verzichten können, da sie ja die darauf bezogenen Fälle nicht in ihre Fallstudien aufgenommen hat, sondern einer eigenen Publikation vorbehält. Fraglich ist in gleicher Weise, warum sie von den diversen Strafarten nur den „Leib- und Lebensstrafen“ einen Unterabschnitt widmet und Geldstrafen, Zwangsarbeit, Ehrenstrafen, Gefängnis sowie Verweisungsstrafen[8] bloß in diesem Kontext erwähnt.

Generell ist überdies zu den Unterabschnitten  „Die Strafprozeßordnung“ und „Das materielle Strafrecht“ kritisch zu vermerken, daß diese Ausführungen rein deskriptiv und - von marginalen Ausnahmen abgesehen - frei von einer Heranziehung jeglicher strafprozeß- und strafrechtsgeschichtlichen (Sekundär)Literatur sind[9]. Im wesentlich werden in diesen Abschnitten die jeweiligen Regelungen insbesondere der Ferdinandea und teilweise der Theresiana einfach in den eigenen laienhaften Worten der Verfasserin nacherzählt (so sind etwa die Begriffe delicta atrocissima, Fornikationsdelikte, Akkusationsprinzip, Mentalreservation u. v.a. m. der Verfasserin durchaus nicht geläufig[10]). Um die Spezifika des heimischen Strafrechtes, aber inbesondere des autochthonen österreichischen Verfahrensrechts zu zeigen, wäre es freilich sinnvoll gewesen, einen Vergleich mit den gegenständlichen Regelungen der anderen erbländischen Landgerichtsordnungen, zumindest aber - wozu reichlich Sekundärliteratur vorhanden ist - mit dem gemeinen deutschen Strafrecht bzw. Strafprozeßrecht vorzunehmen. Jedenfalls hätte die Verfasserin aber den ihr offenbar unbekannten Kommentar zur Ferdinandea von Franz Joseph Bratsch[11] benützen sollen, um ihre strafrechtliche Darstellung über eine bloße, fallweise auch unrichtige Nacherzählung hinaus etwas plastischer und aussagekräftiger zu gestalten. Hier hätte sie - um nur wenige Beispiele zu nennen - etwa nachlesen können, daß in Österreich unter der Enns in der Praxis das Akkusationsprinzip bei der Verfahrenseinleitung nicht mehr vorrangig war („Es ist hier Lands in Oesterreich der Processus Accusatorius fast gänzlich abgekommen“, S. 29) - was sich ja inhaltlich auch mit ihrem Quellenbefund deckt -, hätte Auskunft darüber erhalten, daß das von ihr ausgeführte „unpartheyische Geding“ (S. 62, 69) in „Unter-Oesterreich ... nicht mehr im Brauch ist“ (S. 41, auch 91), ausführliche Erläuterungen vorgefunden zu der vor ihr kurz und unzutreffend erklärten (S. 56 ff.) Generalinquisition (S. 58), zu dem von ihr (S. 60 f.) ohne jegliche Spezifizierung in summarisches und artikuliertes Examen geschilderten Verhör des Inquisiten (S. 70ff.), zu der von ihr behandelten (S. 62ff.) Folter[12] (S. 72 ff.) u. v. a. m.

Wo die Verfasserin doch rechtsgeschichtliche Literatur verwendet, scheint ihr mangelndes rechtswissenschaftliches und rechtsgeschichtliches Vorverständnis sie manchmal auf falsche Fährten zu führen. In den Einleitungsabsätzen zum dritten Kapitel („Das Strafrecht“) spricht sie etwa davon, daß „in neueren Studien“, nämlich der von Schnabel-Schüle[13], zwar „darauf verwiesen wird, daß die Carolina in konkreten Rechtsfällen vom Stand der «ergänzenden territorialen Strafgesetzgebung» abhängig war“, jedoch „die in den Territorien des heutigen Österreich im 16. und 17. Jahrhundert verabschiedeten Malefizordnungen meist unerwähnt“ blieben. Sie führt weiter aus, daß „nicht nur die aus einer deutschen Perspektive geschriebenen Studien“ „übersehen“ würden, „daß die Carolina in den meisten habsburgischen Territorien schon im 16. und 17. Jahrhundert keine unmittelbare Geltung hatte“, welche Behauptung der Rezensentin aus mehr als einem Grund unverständlich ist. Zum einen ergibt sich die fast ausnahmslos nur subsidiäre Geltung der CCC ohnedies schon aus der - jedenfalls Rechtshistorikern geläufigen - Salvatorischen Klausel der CCC und dem Vorhandensein von erbländischen Hals- bzw. Landgerichtsordnungen, zum anderen ist die Subsidiarität der Carolina sogar in der Ferdinandea (Art. 99) selbst festgeschrieben[14]. Gegenteiliges hat mE jedenfalls kein Rechtshistoriker behauptet, vielmehr beschäftigt sich in diesem Sinne sogar eine - der Verfasserin wohl unbekannte - rechtshistorische Studie von Michael Neumair aus dem Jahr 1996[15] eingehend mit der Frage der Geltung der CCC in den einzelnen habsburgischen Erbländern bis zur Theresiana, die ja erst die subsidiäre Geltung anderer Rechtsquellen explizit ausschloß (Art. 104 CCT). Bezeichnenderweise findet sich für diese Behauptung der Verfasserin auch kein Literaturzitat einer derartigen neueren Studie. Sollte dieser Vorwurf freilich auf die von ihr gleich im Anschluß kritisierten „neueren Standardwerke österreichischer Juristen“, also das Lehrbuch Rudolf Hokes zur Österreichischen und Deutschen Rechtsgeschichte und die für den Studiengebrauch von demselben mit der Rezensentin begleitend zum Lehrbuch herausgegebenen Quellensammlung, gemünzt sein, so geht auch dieser ins Leere. Hoke spricht u. a. explizit davon (S. 425f.), daß das „Reichsstrafgesetz ...kaum in Landesrecht transformiert“ wurde und „daher in den Ländern des Reiches nicht unmittelbar (galt)“. Daß in diesem „Standardwerk“ die „österreichisch-habsburgischen Malefizordnungen“ des 16. und 17. Jahrhunderts, wie von der Verfasserin gerügt, nicht ausführlich behandelt werden, ist richtig, liegt aber in der Natur eines derartigen Lehrbuches[16]. Die Verfasserin kritisiert weiters, daß Hoke seine Darstellung des frühneuzeitlichen Strafrechts „mit dem nicht weiter belegbaren Argument“ untermauere, daß die Carolina CCC trotz „ihrer bloß subsidiären Geltung ... in der strafrechtlichen Theorie und Praxis beachtet“ wurde. Die Verfasserin übersieht hier, daß Hoke dies - wie aus dem Kontext ersichtlich - nicht nur auf die habsburgischen Erbländer sondern auf das gesamte Reich bezog, wo die Beachtung der CCC wohl auch von der Verfasserin nicht bestritten werden kann - aber auch für die habsburgischen Länder ist diese, wie jüngst Neumair nachgewiesen hat, wohl außer Zweifel[17]. Der Erkenntnis der Verfasserin, daß die Ferdinandea - und nicht die Carolina - vor dem Inkrafttreten der Theresiana das „relevante Strafgesetzbuch“ war, kann die Rezensentin freilich nur zustimmen.[18].

Völlig zustimmen kann die Rezensentin auch der Verfasserin hinsichtlich ihrer Feststellung betreffend den geringen Stellenwert der Strafrechtsgeschichte an den österreichischen juristischen Fakultäten, wenngleich es auch aus diesen Fakultäten mehr Schrifttum dazu gibt, als der Verfasserin - nach ihrem Literaturverzeichnis zu schließen - bekannt ist. Auch der Rezensentin ist es ein Anliegen, diesen Stellenwert und prinzipiell das Interesse an Strafrechtsgeschichte zu erhöhen, weshalb sie - leider schon viel zu lange - an der von der Verfasserin eingeforderten Edition der frühneuzeitlichen Landgerichtsordnungen arbeitet[19].

Es gibt noch so manche Äußerung der Verfasserin, die für den Rechtshistoriker nicht ganz nachvollziehbar ist, wie beispielsweise, daß die Ferdinandea und die Theresiana für die Gerichtsmitglieder und die Rechtsgutachter „quasi die Funktion eines Handbuches“ erfüllten (S. 51), weiters, daß im Falle, es lag „sowohl ein Geständnis als auch ein Corpus delicti vor, ohne, daß die Tat völlig nachgewiesen werden konnte, ... dies als strafmildernd in Rechnung zu stellen“ war (S. 65)[20] u. a. m. Alle problematischen Aussagen jedoch hier zu besprechen, würde den Rahmen dieser ohnehin bereits ungewöhnlich ausführlichen Rezension sprengen. Schlußendlich ist noch anzumerken, daß die Studie leider nicht sehr sorgfältig lektoriert wurde, so daß sich neben zahlreichen grammatikalischen[21] und wohl durch die PC-unterstützte Erstellung des Manuskriptes entstandenen Schwächen[22] auch regelmäßig Transkriptionsfehler vorfinden.[23]

Insgesamt erfüllt die Studie - jedenfalls aus rechtshistorischer Sicht - nicht die von der Verfasserin geäußerte Hoffnung, daß ihre „fehlende juristische Ausbildung“ durch ihr „Wissen um die praktische Umsetzung der normativen Vorgaben aufgewogen“ (S. 53) wird.

 

Wien                                                                                                  Ilse Reiter-Zatloukal



[1] Im Inhaltsverzeichnis nicht ausgewiesene Unterabschnitte innerhalb der Einleitung: „Die Macht der Kategorien“, S. 18f., „Die Kategorie Geschlecht“, S. 19-28, „Die Kategorie Klasse“, S. 28-30, „Methodologische Ausgangspunkte“, S. 31f.

[2] So etwa weist der Text vor der Überschrift „Strafprozeßordnung“ die Zwischenüberschrift „Die Ferdinandea“ (S. 53, nicht aber etwa auch „Die Theresiana“) auf, wobei dieser Text wieder in „Adressaten und Artikel der Ferdinandea“ (S. 53) und „Die imaginierten DelinquentInnen“ (S. 55) unterteilt ist, u. v. a. m.

[3] Nämlich „Entstehungskontext und Aussageniveau der Texte“ (S. 109), „Die antizipierten Leser der Texte“ (S. 112), „Die ratio capturae“ (S. 112), „Die Verhörprotokolle“ (S. 113), „Die Notanda“ (S. 119), „Die Personenbeschreibungen“ (S. 123), „Die rechtlichen Parere“ (S. 124), „Die Langerichtsrechnungen“ (S. 126), „Die Urteile“ (S. 129), „Die Gnadengesuche“ (S. 131), „Die Urfehden“ (S. 137).

[4] Siehe Anm. 2.

[5] Denkt man beispielsweise daran, daß Martin Scheutz in seiner fast gleichzeitig erschienenen Arbeit über „Alltag und Kriminalität“ 185 Kriminalprozesse und 61 Jahre des Scheibbser Marktgerichtsprotokllbuches transkribiert und ausgewertet hat, so springt die Schwäche der vorliegenden Studie umso mehr ins Auge, vgl. Martin Scheutz, Alltag und Kriminalität. Disziplinierungsversuche im steirisch-österreichischen Grenzgebiet im 18. Jahrhundert (=  Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 38), München 2001, S. 94, 97.

[6]  Die Verfasserin zitiert in Anm. 25 zu den „Gesetzesarbeiten an der Theresiana“ Philipp Harras Ritter von Harrasowsky, Der Codex Theresianus und seine Umarbeitungen, 5 Bde, Wien 1883-1886.

[7] Der von der Verfasserin als Beleg dafür zitierte Art. 78, daß die Ferdinandea die Entführung von Frauen als „ein Verbrechen (bewertete), welches sich nicht gegen sie selbst, sondern gegen ihre Eigentümer in Gestalt des Vaters, des Vormundes oder auch des Landesfürsten/der Landesfürstin richtete“, spricht selbstverständlich nicht vom Eigentum, sondern bloß implizit von der Muntgewalt, in welche der Entführer eingegriffen hatte: „der Ehemann, Vatter, Gerhab, oder andere, so die Entfuehrte in der Gewalt gehabt“. Eine Gleichsetzung dieser beiden Rechtsinstitute ist schlichtweg unzulässig und könnte selbst in feministischer Sicht bloß aus rein polemischen, nicht aber wissenschaftlichen Beweggründen vorgenommen werden.

[8] Im Unterschied zur Verfasserin (S. 67 Anm. 87) ist die Rezensentin im übrigen mit Schnabel-Schüle (siehe Anm. 13) der Ansicht, daß die Theresiana die Landesverweisung für Einheimische sehr wohl grundsätzlich aufgegeben hatte, insoferne nämlich, als sie die Ausweisung von Einheimischen aus allen Erblanden ausnahmslos der ausdrücklichen Anordnung durch den Monarchen vorbehielt (Art. 6 § 14 Z. 5). Im übrigen hatte nicht erst die Theresiana die Landesverweisung dadurch verschärft, „daß der Verweis zum einen nicht mehr auf ein Erbland begrenzt werden konnte (Artikel 6 §§ 11-14) und zum anderen allen DelinquentInnen verpflichtend das Relegationszeichen des Erblandes einzubrennen war, aus dem die Verweisung erfolgte“ (Anm 8.7). Bereits seit 1720 zog die Ausweisung aus einem der Erbländer „hoc ipso“ die Verweisung aus allen anderen Erbländern nach sich, wie die Verfasserin aus den „Novellae Carolinae ad Leopoldinam Poenalem“, abgedruckt in der Landgerichtsordnung für Österreich ob der Enns, Ausgabe Linz 1726, gedruckt bei Johann Michael Feichtinger, erfahren hätte können, oder - erheblich einfacher - aus der ihr nicht bekannten, seit 1997 öffentlich zugänglichen und 2000 in Druck erschienen Habilitationsschrift der Rezensentin. Gleiches gilt für verpflichtende Einbrennung von Relegationszeichen, die ebenfalls bereits unter Karl VI. angeordnet war.

[9] Seltsam mutet dann freilich an, wenn die Verfasserin für ihre Aussage, daß als ,,«völlig unsinnig» qualifizierte Menschen ... im Gedankengebäude der Ferdinandea nicht schuldig sein“ konnten, bloß auf Michel Foucaults „Überwachen und Strafen“ verweist, wo er ausführe, daß, so die Verfasserin, der „Grundsatz, daß jemand nicht gleichzeitig wahnsinnig und schuldig sein konnte, auch im französischen Strafgesetzbuch von 1810 verankert“ sei. Zur Entwicklungsgeschichte der Zurechnungsfähigkeit in der österreichischen bzw. gemeindeutschen Strafrechtsgeschichte hätte man nun wirklich ausreichend Literatur vorgefunden.

[10] Aber auch in anderen Abschnitten zeigt sie wenig Kenntnis juristischer Begriffe, so verwechselt sie etwa „höchstgerichtlich“ mit „hochgerichtlich“ bzw. der Hochgerichtsbarkeit (S. 17), umschreibt die Verschärfungen der Todesstrafe mit einer Kombination von Todesstrafe mit „Folterung“ (S. 68) bzw. sieht in der Folter „sowohl eine Technik zur «Wahrheitsfindung» als auch zur Strafverschärfung“ (Anm. 184) u.s.w.

[11] Franz Joseph Bratsch, Über Weiland der Römisch-Kayserlichen ... Majestät Ferdinandi des Dritten ... Peinliche Land-Gerichts-Ordnung in Oesterreich unter der Enns ... dienlich Anweisungen, und nutzliche Anmerkungen, wie auch alle hierüber weiters ergangene Hof-Resolutionen, Patenten, Generalien, und Novellen ..., Wien 1751.

[12] Im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zur Folter sei übrigens am Rande angemerkt, daß die Verfasserin, wiewohl sie darauf hinweist, daß sie infolge ihrer Schwerpunktsetzung auf der Ferdinandea „auf die Theresiana ... nur dann verweisen“ wird, wenn sie entweder bestimmten Praktiken einen zur Ferdinandea erheblich divergierenden Status zuwies oder aber Details der Strafprozeßordnung wesentlich veränderte“ (S. 52), entgegen dieser Ankündigung beispielsweise bei ihren Ausführungen eben zur Folter (auch S. 74) den nicht unerheblichen Umstand, daß die Theresiana den Anwendungsbereich der  Folter im Vergleich zur Ferdinandea noch weiter einschränkte, unbeachtet läßt, vgl. Art. 38 § 8 CCT.

[13] Helga Schnabel-Schüle, Überwachen und Strafen im Territorialstaat. Bedingungen und Auswirkungen des Systems strafrechtlicher Sanktionen im frühneuzeitlichen Württemberg, Weimar-Wien 1997.

[14] „Derjenigen Laster halber, so Wir in dieser unserer Landgerichts-Ordnung, nicht absonderlich benennet, oder außgeworffen, solle es bey der Anordnung der gemeinen Rechten verbleiben.“ Siehe dazu, daß darunter die CCC zu verstehen sei, Bratsch (wie Anm. 11), S. 269.

[15] Michael Neumair, Von der Subsidiaritätsklausel zum Analogieverbot. Über das wechselseitige Verhältnis der Strafrechtsquellen im Heiligen Römischen Reich am Beispiel der österreichischen Länder, in: Werner Ogris/Walter H. Rechberger (Hrsg.), Gedächtnisschrift Herbert Hofmeister, Wien 1996, S. 491-510.

[16] Unrichtig ist freilich die Behauptung der Verfasserin, daß „das österreichische Strafrecht bis zur Verabschiedung der Theresiana auf der Basis der Carolina skizziert“ würde.

[17] Neumair (wie Anm. 15). Auch die Kritik der Verfasserin, daß Hoke „die Theresiana nicht in Beziehung zu ihren «Vorgängerinnen», der Ferdinandea und der Josephina  setzt“, ist schlichtweg unrichtig, spricht er doch explizit davon, daß diese „schließlich die Grundlage für die Constitutio Criminalis Theresiana von 1768“ (S. 424 f.) waren, und davon, daß die CCT den „Strafprozeß und das Strafrecht der frühen Neuzeit spiegelt, weil sie sich an alte einschlägige Ordnungen anschließt“ (S. 430). Er nimmt auch nicht, so die Verfasserin,  „fälschlich die Carolina als Matrix ...., um Veränderungen und Kontinuitäten im österreichischen Strafrecht zu analysieren“, denn die Darstellungen des Strafrechtes der Carolina bzw. des gemeinen deutschen Strafrechtes sind klar erkennbar von einander abgegrenzt.

[18] In diesem Sinne mußte wohl auch nicht erst jüngst eine historische Diplomarbeit zeigen - wie die Verfasserin meint (S. 48) -, daß für das Herzogtum ob der Enns nicht die Carolina, sondern die Leopoldina „die juristische Grundlage für die Durchführung von Malefizprozessen“ war. Dies ist vielmehr als rechtshistorisches Standardwissen zu betrachten.

[19] Was der Verfasserin auch bekannt sein müßte, da ich es im Vorwort einer von ihr zitierten Publikation klargelegt habe. Einer Vollendung standen bisher „Kapazitätsprobleme“ meinerseits im Wege.

[20] Da das verfahrenrechtlich einwandfreie Geständnis ja ohnedies zur Verurteilung ausreichte. Sagt doch die Ferdinandea - wie auch die Carolina und die Theresiana - explizit, wie es die Verfasserin im selben Absatz auch richtig zitiert: „Bey der erkantnuß ist das vornembste, daß der Thäter entweder durch sein eigene bekantnuß, oder sonsten wenigist durch Zween gantz untadelhaffte Zeugen der Ubelthat überwisen seyn mueß“ (Art. 42 § 5). Bei den strafmildernden Umständen ist nur den Fall geregelt, daß ein Geständnis ohne corpus delicti vorliegt (Art. 44 § 14).

[21] Z.B. „interessiere ich mir“ (S. 52), „des Delinquentens“ (S. 182), „niemand ... hätte wollte“ (S.186), „die Rechtsgutachter von Freyenberg ... dargestellte“ (S. 209), „gemäß des Protokolls“ (S. 211), „beim ... diesem“ (S. 259);  weiters ist der eigene Text grammatikalisch öfters nicht auf den zitierten Quellentext abgestimmt, so etwa S. 40, S. 187 („eine ,ordentlichen‘ Beschau“), S. 194 („daß Hans Kopf «meine ... Unschuld»“, S. 195 („er müsse ... «meinen Rock anlegen und meinen Hut aufsetzen»“), S. 224 („von ihre Mutter“), S. 225 („daß sie beiden ... hatte informieren wollen“

[22] So findet sich auf  S. 153, wo sie die Mitwirkenden ihrer szenischen Darstellung vorstellt, anstelle von „Jacob Höllinger“ völlig zusammenhanglos „Parere und Urteil“; auf S. 287 ist einmal „[wird]“ zuviel, auf S. 289 fehlt bei „milderten oder sie kommentarlos“ wohl das Wort „verschärften“, auf S. 292 („daß die Bewertung von Praktiken war historischen Wandlungen unterliegt“) ist „war“ überflüssig, auf S. 293 findet sich - ohne erkennbaren Grund - in zwei aufeinanderfolgenden Absätzen derselbe Satz („Neben der im sozialen Raum eingenommenen Posititon der DelinquentInnen verliehen die Landgerichtsordnungen auch dem Beziehungsgefüge der unmittelbar beteiligten Personen und dem engeren Kontext ... erhebliches Gewicht.“

[23] In der Überschrift auf S. 184 „in puncto Homicidy“, anstelle von „Homicidii, was die Quelle vermutlich „Homicidij“ schrieb und von der Verfasserin falsch als „y“ gelesen wurde, ähnlich auf S. 189 („voluntaty“; „poena ordinaria glady“), S. 210 („poenam ordinaria paricidy“), S. 217 („poenam ordinariam parricidy“), S. 263 („Crimen ... prolicidy“), S. 235 („...poena glady“), S. 240 („extra statum matrimony“), S. 263 („... adultery Simplicis“), S. 270 („delictum adultery“), u.a.m.; aber auch (weitere) Lateinfehler, die vermutlich durch falsche Transkription zustande kamen, da sie die Verfasserin nicht durch „sic“ als Besonderheiten des Quellentextes ausgewiesen hat, etwa: „expiatio Publico“ (S. 183), „in puncto violentio resistentio adversus judicem“ (S. 195), u.a.m.