RanieriAmministrazione20001211 Nr. 10174 ZRG 119 (2002) 56

 

 

Amministrazione, formazione e professione: gli ingegneri in Italia tra Sette e Ottocento, a cura di Blanco, Luigi (= Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento Quaderno 52). Società editrice il Mulino, Bologna 2000. 538 S.

 

Im vorliegenden Band werden die Akten eines Kongresses publiziert, der Ende November 1995 am Italienisch-deutschen Historischen Institut in Trient stattfand. Das damalige Thema „Ingegneri, pubblica amministrazione e istruzione tecnico-scientifica in Italia dall’età napoleonica all’unificazione nazionale“ ist im Titel leicht abgeändert worden. Sowohl das Thema der damaligen Tagung als auch die Schwerpunkte der in diesem Band versammelten Beiträge verdeutlichen das zunehmende Interesse, das die italienischen Historiker in den letzten Jahren der Problematik der Professionalisierung der freien Berufe und der damit verbundenen Modernisierung der italienischen Territorialstaaten im 18. und 19. Jahrhundert entgegenbringen. Der Herausgeber, Historiker an der Universität Trient, hat bereits vor einigen Jahren eine umfassende Monographie zum Thema veröffentlicht: Luigi Blanco, Stato e funzionari nella Francia del Settecento: gli „ingénieurs des ponts et chaussées“, Bologna 1991. Zur Modernisierung der juristischen Professionen, insbesondere der Anwaltschaft, sei hier ferner auf Aldo Mazzacane/Christina Vano (eds.), Università e professioni giuridiche in Europa nell’età liberale, Napoli 1994, sowie auf M. L. Betri/A. Pastore (eds.), Avvocati, medici, ingegneri. Alle origini delle professioni moderne (secoli XVI-XIX), Bologna 1997, verwiesen. Schwerpunkt des vorliegenden Bandes ist die Modernisierung und naturwissenschaftliche Technisierung der Profession des Ingenieurs, des Architekten und des Technikers vor allem als Glieder der staatlichen Verwaltung. Nach einer Einführung des Herausgebers (S. 7-29), in der der Forschungsstand dargelegt und die Einordnung der einzelnen Beiträge in die italienische historische Literatur der letzten Jahre mit umfassenden bibliographischen Nachweisen vorgenommen wird, folgen sechs - z .T. sehr umfassende - Beiträge, die ihren Schwerpunkt in einzelnen italienischen Territorialstaaten haben. So schildert Giorgio Bigatti, La matrice di una nuova cultura tecnica. Storie di ingegneri (1750-1848) (S. 31-90) im Rahmen einer prosopographischen Analyse Werdegang und professionellen Erfolg einzelner italienischer Ingenieure zwischen dem 18. und dem 19. Jahrhundert. Alessandra Ferraresi, Per una storia dell’ingegneria sabauda: scienza, tecnica, amministrazione al servizio dello Stato (S. 91-299) untersucht in monographischer Breite die Reformen in der Ausbildung von Ingenieuren, Architekten und Technikern an der Universität Turin zwischen 1760 und 1847. Der maßgebende Einfluß der damaligen französischen Ausbildungsanstalten steht hier im Vordergrund. Entscheidend ist vor allem das wachsende Gewicht der modernen Mathematik, Chemie und Physik in den Lehrprogrammen (lesenswert S. 138ff. und S. 268ff. zur damaligen mathematischen Ausbildung in Italien und zum Einfluß der zeitweiligen Turiner Präsenz von Augustin Cauchy). Luigi Pepe, La formazione degli ingegneri a Roma dalla Scuola politecnica centrale alla Scuola degli ingegneri pontifici (S. 301-320) konzentriert sich auf die Ingenieurausbildung im Kirchenstaat; Diana Toccafondi, Dall’esperienza del catasto alla Direzione dei lavori di acque e strade. Gli ingegneri toscani nel quadro dell’evoluzione istituzionale post-napoleonica (1820-1848) (S. 321-378), analysiert die Professionalisierung des technischen Personals in der öffentlichen Verwaltung des Großherzogtums Toscana in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts; Giuseppe Foscari, Dalla Scuola al Corpo: l’ingegnere meridionale nell’Ottocento preunitario (S. 379-396), führt eine ähnliche Untersuchung in Bezug auf die öffentliche Verwaltung im Königreich beider Sizilien durch. Ein letzter Beitrag von Donata Prianta, Stato moderno, corpi tecnici e accademie minerarie: influenza e scambi nell’Europa dei Lumi e in età napoleonica (S. 397-538), konzentriert ihre Untersuchung auf die europäischen Einflüsse und Kontakte bei der Herausbildung einer modernen staatlichen technischen Verwaltung, insbesondere auf dem Gebiet des Bergwesens. Ihr fast monographischer Beitrag umfaßt neben den italienischen Territorialstaaten vor allem die entsprechenden Entwicklungen in Frankreich, in den deutschen Territorien und besonders in den habsburgischen Erbländern. Für die Leser dieser Zeitschrift sollte die sorgfältige und umfassende Rekonstruktion, die die Verfasserin der Modernisierung der Ausbildung der Bergingenieure in den deutschen und österreichischen Territorien am Ende des 18. Jahrhunderts widmet, von besonderem Interesse sein. Aus den einzelnen Beiträgen ergibt sich ein kohärentes Bild der Modernisierung der staatlichen Verwaltung in den einzelnen italienischen Territorien am Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts. Der Einfluß des Modells der französischen „Ecole des ponts et chaussées“, die bereits in der vorrevolutionären französischen Verwaltung eine wesentliche Rolle spielte, scheint auch in Italien beträchtlich gewesen zu sein. Der napoleonischen Administration kommt allerdings auch hier eine zentrale Bedeutung zu: Der Einrichtung der Grandes Ecoles in Frankreich - hier sei nur die Ecole polytechnique in Erinnerung gerufen - folgen in jenen Jahren auch in den italienischen Territorien entsprechende Gründungen nach. Die Modernisierung des Ingenieurberufs findet ihren spezifischen Ausdruck vor allem in der Befreiung dieser Profession von den ständischen und korporativen Zwängen, die noch im 18. Jahrhundert wirksam sind, und in den neuen mathematisch-naturwissenschaftlichen Schwerpunkten bei der Ausbildung des Nachwuchses. Die Stellung von Technikern und Ingenieuren in der staatlichen Verwaltung der italienischen präunitarischen Staaten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdeutlicht ferner die großen Unterschiede, die die italienischen Territorialstaaten damals auszeichneten: einer personell gut besetzten und verhältnismäßig gut besoldeten technischen Verwaltung in Piemont und in der Toscana steht beispielsweise in jenen Jahren eine personell unzureichende und vor allem sehr schlecht bezahlte Gruppe von staatlichen Technikern im Königreich beider Sizilien gegenüber. Die Beiträge zeichnen sich alle durch umfassende bibliographische Nachweise zum Forschungsstand aus. Für die Geschichte der öffentlichen Verwaltung und der Modernisierung der italienischen Territorialstaaten zwischen 18. und 19. Jahrhundert bietet die vorliegende Publikation deshalb eine Fundgrube von Daten und Informationen.

 

Saarbrücken                                                                                                  Filippo Ranieri