Müller-DietzHattenhauer20010209 Nr. 715 ZRG 119 (2002) 87

 

 

Hattenhauer, Hans, Über Volksrichterkarrieren (= Berichte aus den Sitzungen der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e. V. 13, 1995, 1). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1995. 32 S.

 

Die Justiz in der Deutschen Demokratischen Republik und ihre Vorgeschichte unter der sowjetischen Militäradministration sind seit Öffnung der Archive Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Hans Hattenhauer, dem wir etliche zeitgeschichtliche Darstellungen verdanken, beschreibt und analysiert in seiner Quellenstudie auf der Grundlage von Materialien, die sich in der Außenstelle Potsdam des Bundesarchivs befinden, das in der sowjetischen Besatzungszone und frühen Deutschen Demokratischen Republik 1946 bis 1951 unternommene Experiment, juristisch vorgebildete Richter durch sog. Volksrichter zu ersetzen. Demnach sollten an die Stelle fachlicher Qualifikation politische Gesinnung und Lebenserfahrung treten. Mit den in Schnellkursen ausgebildeten Volksrichtern wollten die kommunistischen Machthaber die alten Funktionseliten zwecks Durchsetzung und Erhaltung der neuen Ideologie und Herrschaft ablösen. Indessen erwiesen sich die einschlägigen Bemühungen von Partei- und Staatsführung recht bald als Fehlschlag. Nicht nur das Interesse an einer solchen richterlichen Tätigkeit und an den Schnellkursen ließ merklich nach, sondern auch die Qualität richterlicher Entscheidungen ließ mehr oder minder zu wünschen übrig. Auch die politische Einstellung dieser Richter entsprach keineswegs immer den offiziellen Erwartungen. Die Machthaber sahen sich deshalb schließlich genötigt, die Juristenausbildung wieder den Rechtsfakultäten zurückzuübertragen, weil mit der Rechtsprechung der Volksrichter in jedem Sinne des Wortes „kein Staat zu machen“ war. Soweit solche Richter in ihrem Amt verblieben, mußten sie sich bis 1960 einem Nachstudium unterziehen. Hattenhauers Studie kann als ein weiterer beweiskräftiger Beleg für die Unverzichtbarkeit fachlicher Ausbildung und Qualifikation sowie der Unabhängigkeit von Richtern gewertet werden.

 

Saarbrücken                                                                                                Heinz Müller-Dietz