Gerlich20010306Boshof Nr. 10178 ZRG 119 (2002) 30

 

 

Boshof, Egon, Die Salier. 4. Aufl. (= Urban Taschenbuch 387). Kohlhammer, Stuttgart 2000. 343 S.

 

Wenn ein Werk innerhalb von dreizehn Jahren vier Auflagen erlebt, belegt dies Anerkennung für ein wissenschaftliches Unternehmen in einer repräsentativen Reihe. Die Salier sind in den Vordergrund getreten seit der Speyerer Ausstellung und dem von Stefan Weinfurter 1991 betreuten dreibändigen Werk, in dem die Salier und das Reich Gegenstand von drei Dutzend Studien sind, unter denen sich eine auch von Boshof befindet. Weinfurter ließ dem noch zwei Bücher folgen über die Reichsgeschichte des 11. Jahrhunderts und den Kaiser Heinrich II. Jüngst reihte dieser Abfolge Herwig Wolfram sein Buch über Konrad II., den ersten Salier auf dem deutschen Thron, an. Man erfährt selten eine derartige Publikationsballung, zu der nicht zuletzt auch eine Fülle von Aufsätzen in mediävistischen Fachzeitschriften zu zählen ist.

Ein Werk wie das hier anzuzeigende setzt beim Leser zwar einige Kenntnisse voraus, will ihm aber als Komprimierung des Forschungsstandes den Überblick über eines der wichtigsten Jahrhunderte der europäischen Geschichte und in vielerlei Weise dazu Wissensvermittlung in Spezielfragen bieten. Boshof geht entsprechend der Genealogie in der Hauptsache chronologisch dem Gang der Ereignisse zwischen 1024 und 1125 nach. Thronanspruch und Erfolg Konrads II., Einordnung der Wahl in die dynastischen und reichskirchlichen Konstellationen, Gefahren in Sachsen und mehr noch in Lothringen, die Auseinandersetzung mit dem Stiefsohn und das Durchgreifen bei der Sicherung der Herrschaft in Italien sind die Hauptpunkte des ersten Großkapitels. Hervorzuheben sind die sorgsam anerkennende Bewertung der Herrschergemahlin Gisela, einer im Unterschied zu anderen Damen der Zeit großen Frau der deutschen Geschichte, dann die überzeugende Zurückweisung der Fehlinterpretation der Kirchenpolitik Konrads II., der den Grundlinien aus der ottonischen Zeit folgte. Maßgebend für die Neubewertung war seinerzeit Theodor Schieffer, der die Kontinuität im Herrscherverhalten über die Schwelle von 1024 hinaus nachgewiesen hat. Straffheit in der Ausübung der Kirchenhoheit in Deutschland und in Italien gehört zur Herrschaftsweise des Saliers. Mit Engagement wird der Erwerb Burgunds aufgrund der mit dessen letztem König getroffenen Vereinbarung dargestellt. Rechtsfragen und Prozeßabläufe als Grundlagen genießen hier wie in den späteren Abschnitten des Buches die Sympathien der Verfassers. Nicht zuletzt gehört zur Darstellung die klare Definition von Ursachen und Verlauf sozialer Konflikte etwa im Lehenswesen Italiens und in den Städten auf der Halbinsel während der beiden Romzüge.

Heinrich III. charakterisiert Boshof als an theologischen Fragen ob seiner tiefen Frömmigkeit Interessierten. Dies führte zu verstärkter Rezeption der Reformbewegung Clunys. Herausgestellt werden der Fortbestand guter Beziehungen zu den süddeutschen Herzogtümern, während in Sachsen und Lothringen Probleme infolge des Wirkens der Ministerialität in der Reichsgutexpansion und im Westen der Machtzergliederung durch die rivalisierenden Kräfte die Politik des Kronträgers belasteten. In der durch die Gewährung umfangreicher Privilegien gestärkten Reichskirche wirkten die sichersten Stützen der Zentralgewalt. Den Reformabläufen widmet Boshof höchste Aufmerksamkeit. Die Synode von Sutry wertet er als die größte Reformtat des Herrschers. Die Erhebung deutscher Bischöfe auf den Papstthron sieht er zutreffender als seinerzeit Paul Kehr als Mittel zur Sicherung der Reichsstellung in Rom bei Gewährung weitgehender Handlungsfreiheit der Päpste, die von nun an ihre Funktion als stadtrömischer Bischof hinter den Anspruch auf die universale Kirchenleitung zurücktreten ließen. Leitlinie ihrer Maßnahmen war der Kampf gegen Simonie und Priesterehe.

Nach diesen Bildern weltlich-geistlicher Einheit wird die lange Epoche Heinrichs IV. in ihrer inneren Zerrissenheit trefflich gewürdigt. Die voranschreitende Entfremdung Sachsens, Unruhen in Bayern, Umtriebe der Ezzonen und Welfen, aufkommende Tendenzen zur Abwertung des Königsansehens und die Verschärfung der Reformforderungen zeichnet der Verfasser auf als Symptome der Zersetzung des Reichsbaues. Der Gehorsamsvorbehalt der Reichsfürsten anläßlich der Nachfolgeregelung 1053 ist erwachsen aus starken Regungen der Opposition bereits unter Heinrich III. Dessen früher Tod und die Regentschaft der Kaiserin Agnes leiteten die Krisenzeit ein. Landschaftliche Elemente wurden stärker, Zähringer, Rheinfeldener und Welfen traten auf als Träger von Sonderungen im Südwesten. Die Entführung des jungen Thronfolgers durch den Kölner Erzbischof in Kaiserswerth 1062 wurde von der schwachen Kaiserin, sie nicht vergleichbar mit Gisela, hingenommen, hinterließ im Reich nachhaltigen Ansehensschwund des Herrscheramtes und legte wohl mit den Grund für den Eigensinn Heinrichs IV. Die Kunst der Quelleninterpretation und gerafften Darstellung schwieriger Sachverhalte leitet den Leser weiter in sicherer Führung zur Darstellung der Lateransynode von 1059 mit dem Papstwahldekret als Zentrum der Beratungen, der Erneuerung des Simonieverbotes, den Mailänder Unruhen und den Anfängen Gregors VII. Neue Kämpfe mit den Sachsen, der mühsam beigelegte Ehestreit des Königs, Abkehr von Rechtsformen des Reichsmönchtums werden dargestellt als zeitlich parallele Ereignisse und Entwicklungen.

Sorgsam disponiert ist das Kapitel über den für die deutsche Geschichte verhängnisvollen Investiturstreit. Der Verfasser rückt in den Mittelpunkt seiner Betrachtung die Gehorsamsfrage in der Auseinandersetzung zwischen dem willensstarken Papst und einem von seinen Fürsten im Stich gelassenen König. Von Worms 1076 führt eine durch Abfall und Rebellion gezeichnete Linie hin nach Tribur und der Demütigung in Canossa. Die geistige Auseinandersetzung wurde geprägt durch Manifeste, Denkschriften und Briefe in bislang nicht gekannter Dichte der Aufeinanderfolge und Argumentationen. Gregor VII. wandte sich ab von der herkömmlichen Auffassung des Imperiums, wie sie sich entfaltet hatte in der ottonisch-frühsalischen Zeit. Er negierte die universale Würde des Kaisers. Wahlen von Gegenkönigen sind Folgen der Rückbesinnung auf ein freies Wahlrecht, dessen Erstarken gezeichnet wird in der Parallelität mit der Reformbewegung. Andererseits beobachtet Boshof eine gewisse immanente Dialektik der Entwicklung in Deutschland und hebt hervor die Unterstützung des Königs durch Ministerialität, Stadteinwohner, Bauern und den niederen Klerus, den das Eheverbot besonders traf. Der Salier trat etwa von 1080 an wieder in die Offensive, fand ideelle Würdigung seiner Position in Streitschriften, wurde effektiv begünstigt durch die den Papst bedrohenden Entwicklungen in Italien. Die Rezeption der Gottesfriedensbewegung durch die in Mainz versammelten Bischöfe setzte ein neues Zeichen in Richtung auf Ausgleich der inneren Spannungen. Doch bis zum dann vom Herrscher gesetzten Mainzer Reichslandfrieden 1103 war noch ein weiter Weg. Nach den Jahren hoher Machtstellung bis 1089 folgten erneut Niederbrüche. Boshof weist auf den Selbstzweifel des Herrschers hin als den vielleicht entscheidenden Punkt für den Niedergang. Machtansprüche der Großen und Verluste an Reichsgut, zu erinnern ist hier an die zu neutral beurteilte Frömmlerin Mathilde von Tuszien, waren Begleiterscheinungen im vielfältig regionalen Geschehen. Dessen Art und Abläufe sind ein Gegenstand der Landesgeschichtsforschung, in ihrer Vielfalt hätten sie den diesem Buch gesetzten Umfang gesprengt. Das vorzügliche Literaturverzeichnis weist hier dem Leser den Weg.

Die große politische Aufgabe, die dem Nachfolger überlassen blieb, war der Ausgleich mit dem Papsttum. Heinrich V. hatte im Verbund mit Fürsten seinen Vater gestürzt. Änderungen in deren Kreis belasteten zunächst die Königspolitik relativ wenig. Dagegen, das wird eindrucksvoll herausgestellt, boten die Beziehungen mit den geistlichen Großen erhebliche Komplikationen aufgrund ihrer immer bewußter betonten Position zwischen den beiden obersten Gewalten. Mit Recht wird hier ein Problem nicht nur Deutschlands, sondern auch Frankreichs angesprochen. Eine Lösung sollte der Romzug bringen. Dessen Vor- und Begleitverhandlungen konzentrierten sich auf den Regalienbegriff.

Boshof widmet diesen verfassungsgeschichtlich entscheidenden Verhandlungsteilen Aufmerksamkeit. Die zeitweilig erwogene Rückgabe von Grundbesitz und nutzbaren Rechten an den Herrscher hätte die geistlichen Reichsfürsten faktisch ihrer Existenz beraubt. Die Kaiserkrönung wurde 1111 erreicht, der Vertrag von Ponte Mammolo aber erwies sich sehr rasch als Fehlleistung, führte zu neuem diesmal noch schärferem publizistischem Streit, dessen entscheidende Punkte prägnant skizziert werden. Mehr noch belasteten die Verhältnisse im Reich die Position des Kronträgers. Vor allem der Richtungswandel im Verhalten der Reichsbischöfe wird zutreffend geschildert. Der Streit konzentrierte sich auf die Rheinlande, die bislang dem Herrscher Rückhalt geboten hatten, in denen von nun an jedoch die territorialen Interessen auch der geistlichen Großen mehr Gewicht erhielten als die Sorge um das Reich. Die Ereignisse in den Machtbereichen der Erzbischöfe von Mainz und Köln sind die hervorstechendsten Zeugnisse für den Wandel in Interferenz mit der Auseinandersetzung mit dem Papst. Heinrich V. Niederlage am Welfesholz ist ein Wendepunkt, von dem an die Suche nach dem Ausgleich mit dem Papst und indirekt damit mit den Fürsten höchste Dringlichkeit erhielt. Sorgfältig geschildert wird der mehr als mühsame Weg über die vielstufigen Verhandlungsabschnitte bis zum Wormser Konkordat 1122. Boshof weist auf zwei Folgewirkungen hin, die ,man in anderen Darstellungen vermißt: Die Unterscheidung zwischen Deutschland und Italien erhält abermals ihre weit tragende Bestätigung durch die Verfahrensregelung der Bistumsbesetzungen, von entscheidendem Einfluß des Herrschers auf die Papstwahlen konnte hinfort keine Rede mehr sein. Verlierer waren in unterschiedlichster Art Papst und Kaiser, jener weil von der hierokratischen Grundposition Gregors VII. und dem Libertas-ecclesiae-Gedanken nur wenig übrig blieb, dieser weil ihm nicht mehr nur dem Herrscher zugewandte Bischöfe, sondern ins Lehensrecht eingebundene und auf dieses pochende Reichsfürsten entgegentraten. Der letzte Salier und seine Vorfahren auf dem Thron des Reiches, das sie trotz aller Krisen und inneren Wandels bewahrt haben, erfahren die überzeugende Würdigung.

 

Wiesbaden                                                                         Alois Gerlich