BlaschkeWeiß20010131 Nr. 978 ZRG 119 (2002) 33

 

 

Weiß, Peter, Frühe Siegelurkunden in Schwaben (10.-12. Jahrhundert) (= elementa diplomatica 6). Institut für Historische Hilfswissenschaften, Marburg an der Lahn 1997. 169 S.

 

Diese im Jahre 1995 in Konstanz angenommene Dissertation stellt die nicht gerade häufig anzutreffende Verbindung zwischen Verfassungsgeschichte und Urkundenlehre her, indem sie sich dem Aufkommen von besiegelten Urkunden in den alemannischen Bistümern Augsburg, Basel, Chur, Konstanz und Straßburg zuwendet. Dabei geht es um die Frage, aufgrund welcher rechtlichen Voraussetzungen das Siegel in Verbindung zu Privaturkunden gebracht wurde. Dazu wird der formal-rechtliche Akt der Besiegelung von Urkunden in eine Beziehung zur Entwicklung der öffentlich-rechtlichen Verhältnisse und der Neugestaltung der Reichsverfassung im 12. Jahrhundert gesetzt. Reichlich zwei Dutzend Urkunden bischöflicher, klösterlicher und herzoglicher Herkunft werden nach allen Regeln urkundenkritischer, paläographischer und historisch-diplomatischer Kunst einer Untersuchung unterzogen, die neue Erkenntnisse zur Frage nach Echtheit oder Fälschung bringt und den Zeitraum des Aufkommens der „privaten“ Siegelurkunde im schwäbischen Raum auf das zweite Viertel des 12. Jahrhunderts festlegt. Für das Bistum Chur kann nachgewiesen werden, daß die besiegelte Bischofsurkunde vor 1157 noch nicht verwendet wurde; ältere Nachweise müssen durchweg als Fälschungen gelten. Aus diesen Ergebnissen wird der Schluß gezogen, daß nach dem Wormser Konkordat von 1122 mit dem Abschluß des Investiturstreits ein Umbruch in der Reichsverfassung eintrat, der die Fürsten zu Teilhabern an der Reichsherrschaft und zu Territorialherren machte. Damit trat eine verfassungsrechtliche Situation ein, in der neue Formen im Urkundenwesen aufkamen. In logischer Konsequenz dieses Wandels orientierten sich die Fürsten jetzt an den Königs- und Papsturkunden, das Geschäft der Beurkundung gewann eine neue öffentlich-rechtliche Qualität, die Urkunde beanspruchte einen Ewigkeitswert, wobei das Siegel in den Formen der schriftlichen Rechtssicherung eine erhöhte Authentizität zur Folge hatte. Auf 39 Tafeln werden in vorzüglicher Reproduktion die betreffenden Urkunden wiedergegeben, um die im Text behandelten minutiösen paläographischen und diplomatischen Untersuchungen augenfällig zu machen.

Die Arbeit ist ein Beweis dafür, daß die besten Traditionen mediävistischer Forschung mit ihrer hohen Qualität weiterleben und in den Leistungen von Nachwuchskräften offenkundig werden. - Auf den zusätzlichen Gewinn an allgemein landesgeschichtlichen Erkenntnissen ist in diesem Zusammenhang nicht einzugehen.

 

Friedewald bei Dresden                                                                                    Karlheinz Blaschke