SchmoeckelJuristische20000908 Nr. 10050 ZRG 118 (2001)

 

 

Juristische Zeitschriften. Die neuen Medien des 18.–20. Jahrhunderts, hg. v. Stolleis, Michael (= Ius Commune Sonderheft 128). Klostermann, Frankfurt am Main 1999. XIV, 709 S.

Kommunikation ist die Grundlage jedes wissenschaftlichen Fortschritts. Mit dem Aufkommen der Zeitschriften als Form wissenschaftlichen Austauschs wird eine eminente Acceleration wissenschaftlichen Fortschritts bewirkt. Auf der Suche nach der Entwicklung des Beweisrechts stellte ich trotz mancher Ideen und sogar einiger Systematisierungsansätze bis zum 18. Jahrhundert das Überwiegen der dogmatischen Strukturen fest. Viele Juristen waren um 1800 von der Notwendigkeit einer Änderung des etwa 600jährigen gelehrten Rechts überzeugt, ohne allerdings eine Alternative zu kennen. Gegenüber diesen traditionellen Beharrungskräften ist es fast schon ein Wunder, daß das neue Recht mit den Reichsjustizgesetzen bereits nach wenigen Jahrzehnten kodifiziert werden konnte. Auf der Suche nach den Ursprüngen unseres Rechts verliert man sich dabei allzu leicht in einem schier undurchdringlichen Blätterwald des 19. Jahrhunderts. Für das Handelsrecht hat Joachim Rückert beschrieben, wie es im 19. Jahrhundert durch die rasanten dogmatischen Veränderungen eine uns bekannte Gestalt annimmt[1]; im Wechselrecht war die Entwicklung bereits mit der Kodifikation von 1848 abgeschlossen[2]. Rechtsentwicklung erlebte durch die Zeitschriften also einen Quantensprung und es ist erstaunlich, daß erst jetzt dieses für die Rechtsgeschichte äußerst wichtige Thema aufgenommen wurde.

Der Sammelband vereint fünfzehn Beiträge, welche Zeitschriften verschiedener Fachgebiete untersuchen. Den Schwerpunkt bildet hierbei das 19. Jahrhundert, der Beitrag von Otto Dann greift allerdings in das 18. Jahrhundert zurück; Lothar Becker beschreibt die Anpassung des „Archiv für öffentliches Recht“ im Jahr 1933 sowie die zwiespältige Rolle Triepels zwischen privater konservativer Skepsis und offizieller Ergebenheitsadresse. Teilweise sind die Beiträge eher deskriptiv, teilweise wird die Entwicklung der Journale durch Einbeziehung des politischen und kulturellen Hintergrundes geradezu spannend wie etwa im Beitrag von Peter Landau zu den kirchenrechtlichen Zeitschriften. Immer sind die Beiträge jedoch ausgesprochen informativ und bilden wichtige Arbeitshilfen im Umgang mit dieser Literatur. Leider fehlt ein Personenverzeichnis, das den Überblick über die personellen Verflechtungen auch über die hier gesammelten Aufsätze hinaus ermöglicht hätte.

Diethelm Klippel veranschaulicht in zwei Beiträgen den allmählichen quantitativen Aufstieg der Zeitschriften, wobei nach dem Wiener Kongreß und der Reichsgründung der Zuwachs besonders auffällig ist. Der Beitrag von Joachim Rückert hat einen fast monographischen Umfang und erhält durch die grundsätzlichen Äußerungen unter anderem zur „Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft“ und das „Archiv für die civilistische Praxis“ besonderes Gewicht. Es ist beeindruckend, wie Rückert bereits die Namen der Periodika interpretativ zum Klingen bringt. Hier wie im Beitrag Heinz Mohnhaupts wird die titanische Leistung Mittermaiers für die Rechtswissenschaft seiner Zeit deutlich.

Der Beitrag von Stefan Ruppert zur Entstehung von Gesetzesblättern und Verordnungsblättern ist nicht nur quellengeschichtlich wichtig, sondern auch verfassungshistorisch, insbesondere da die Auswirkungen auf die Verfassungs- und Rechtsordnung einbezogen wurden. Die Beiträge zu den Zeitschriften im größeren Bereich des öffentlichen Rechts geben Aufschluß über ein wissenschaftshistorisch wichtiges Kapitel. Aus den Zeitschriftenwesen im publizistisch-statistisch-staatswissenschaftlichen Bereich um 1800, die Gerhard Schuck vorstellt, entwickeln sich die heute bekannten Disziplinen, wie sich etwa an der Entstehung speziell verwaltungsrechtlicher Periodika im Bericht von Carsten Doerfert ablesen läßt. Übrig bleiben Grundlagenfragen, die neuen Fächern zugeordnet werden. Den Einfluß von Grundlagendiskussionen auf die Entstehung von Journalen und damit wissenschaftlichen Fächern zeigt Thomas Duve auf.

Der gelehrte Beitrag von Ingo Hueck zum Völkerrecht führt endlich in den internationalen Bereich. Hueck mißt der deutschen Völkerrechtswissenschaft vor dem Ersten Weltkrieg und ihren Organen nur eine geringe Bedeutung bei. Aufgrund meiner eigenen bisher unpublizierten Forschung neige ich allerdings zu einer anderen Interpretation. Die fachliche und personelle Vermengung des Völkerrechts mit dem Staatsrecht verleitet dazu, den Anteil des Völkerrechts gering zu achten. Vom Methodenstreit im deutschen Staatsrecht im 19. Jahrhundert geht jedoch ein beachtlicher Einfluß auf das internationale Völkerrecht aus. Die Gründung der „Zeitschrift für Völkerrecht“ (1906) sammelte die völkerrechtlichen Ressourcen und entwickelte eine nationale Diskussion zu aktuellen Themen. Aus fachlichen wie aus politischen Gründen wurde daher alsbald in anderen Ländern wie den Vereinigten Staaten von Amerika (American Journal of International Law, 1907) und Großbritannien (British Yearbook of International Law, 1920) diese Zeitschrift kopiert. Im Ausland genießt die „Zeitschrift für Völkerrecht“ als führende Zeitschrift ihrer Zeit noch heute einen besonderen Ruf, der ihr auch im deutschen Sprachgebiet zuteil kommen darf. Zu konstatieren, aber auch weiter zu untersuchen ist damit ein Einfluß deutscher Zeitschriften auf das Ausland.

Bonn                                                                                                  Mathias Schmoeckel



[1] Joachim Rückert, Modernisierung des Handelsrechts im 19. Jahrhundert, ZHR 66 (1939), 19-66.

[2] Vgl. Kurt von Pannwitz, Die Entstehung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, (Rechtshistorische Reihe 193); Diss. jur. München, Frankfurt am Main u. a. 1999.