GerlichJackman20000509 Nr. 1038 ZRG 118 (2001)

 

 

Jackman, Donald C., Criticism and Critique. Sidelights on the Konradiner (= Occasional Publications of the Oxford Unit for Prosopographical Research 1). Oxford Print Centre, Oxford 1997. X, 245 S., 5 Tafeln im Anhang.

Die Königswahl des Jahres 1002 war das Ergebnis langwieriger Auseinandersetzungen um die Nachfolge Ottos III., am Ende zwischen den Herzögen Hermann II. von Schwaben, einem Konradiner, und Heinrich IV. von Bayern, einem Liudolfinger, als Urenkeln König Heinrichs I. Dem Streit um den Thron folgt jetzt seit 20 Jahren eine Fehde im Stande der Gelehrten. Einen Akzent setzte Armin Wolf mit Studien über Kuno von Öhningen (Deutsches Archiv 36 [1980], 25 - 83) und Königskandidatur und Königsverwandtschaft (Deutsches Archiv 47 [1991], 45 - 117). Im Kern ging es um das Problem Erbanspruch eines Nachfahren oder Wahlrecht der Großen des Reiches. Die Diskussion entfaltete sich in den Forschungen von Eduard Hlawitschka, insbesondere in dessen Beiträgen in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 110 (1993), 149 - 248, zuvor im Bereich der Adelsforschung in der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 128 (1980), 1 - 49. Wegweisend wurden weiterhin Thomas Zotz und Michael Borgolte, Karl Schmid, Helmut Maurer im Blick auf Schwaben und den Oberrhein. Enorm viel Material enthalten andererseits auch die als Atlasarbeiten angelegten Marburger Reihentitel aus der Schule von Edmund E. Stengel und Heinrich Büttner, aus denen stellvertretend genannt seien die Geschichte des Westerwaldes von Hellmuth Gensicke, dann der Wetterau seit der Karolingerzeit von Wolf - Arno Kropat (1958 bzw. 1965). Einschlägig sind die Stiftsuntersuchungen von Wolf - Heino Struck in den Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau.

In diese Diskussionsrunde trat 1990 Donald C. Jackman zunächst mit seinem Buch The Konradiner. A Study in Genealogical Methology (Frankfurt 1990) ein. Sinn und Ziel seiner Ausführungen waren es, die Aufmerksamkeit auf die Rolle des Herzogs Hermann II. von Schwaben in der Abfolge der Ereignisse von 1002 zu lenken. Nach seiner Ansicht soll der damalige Thronbewerber nicht aus der Rheingau - Wetterau - Linie der Konradiner stammen, sondern von dem 982 verstorbenen Herzog Konrad vom Elsaß. Diesem möchte er einen genealogisch höheren Rang zuerkennen. Mit seinen Schlußfolgerungen setzte sich Hlawitschka im genannten Aufsatz auseinander (S. 203 - 221 ). In einer Studie über das Eherecht, erschienen in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte 112 (1995), 158 - 201, griff Jackman dann Hlawitschka in bemerkenswert scharfer Art an. Doch damit nicht genug: Das hier anzuzeigende Werk, in Oxford 1997 publiziert als erster Band einer Reihe, die sich prosopographischen Forschungen widmen soll, bringt weiterhin Angriffe gegen Hlawitschka, gelegentlich auch Helmut Maurer, Karl Schmid und Thomas Zotz.

Das zweite Buch Jackmans ist gegliedert in zwölf recht unterschiedliche Kapitel, die alle gleichgewichtig anzuzeigen über den einer Rezension gesetzten Umfang hinausginge. Es soll beitragen zu den Anliegen des Forschungsprogrammes Erbfolge und Wahlrecht, Entstehung des Kurfürstenkollegs, hält sich aber zeitlich weit im früh- und hochmittelalterlichen Vorfeld und bringt Exkursionen in die deutsche, burgundische und französische Adelswelt, die wahrlich mit dem Kurfürstentum und seiner sich mühevoll bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts ergebenden Kollegialität als besonderem Phänomen der Reichsverfasung nichts zu tun haben. Herausgegriffen seien die Erörterungen, die angestellt werden über Adelsbeziehungen um 945, Grafen im Elsaß, das Haus Rheinfelden und Erbfälle im mittelrheinischen Hauptgebiet der Konradiner. Den Ezzonen widmet Jackman jetzt zwei Seiten (S. 67f.) additiv zum ersten Buch. Viel war hier nicht zu holen, war doch seit Ursula Lewalds großem Aufsatz über die Ezzonen als Nachfolgern der Konradiner dieser Forschungsbereich abgedeckt (Rheinische Vierteljahresblätter 43 [1979], 120 - 168). - Im Elsaßkapitel (S. 77 - 104) spielt die wechselvolle Beständigkeit des ursprünglich etichonischen Herzogtums eine Rolle. Sein Erlöschen bringt der Autor in Verbindung mit dem Scheitern der konradinischen Kandidatur bei der Wahl von 1002. Besondere Aufmerksamkeit widmet er den Etichonen im Sundgau, der Bedeutung des Reichsgutes um Schlettstadt und im Heiligen Forst (S. 89ff. und 95ff.), kommt aber im Blick auf die unbestreitbaren genealogischen Unsicherheiten über einige Mutmaßungen nicht hinaus. - Im Abschnitt, der dem Haus Rheinfelden gewidmet ist (S. 105 - 113), greift Jackman auf seine breit ausgestalteten quellenkritischen Ansätze im älteren Buch zurück und berücksichtigt die Beobachtungen von Karl Schmid, geht indessen nicht näher auf Hlawitschkas breiter ausgestaltete Erörterungen über den nachmaligen Gegenkönig ein, die bereits 1991 vorgelegt worden waren (in: Die Salier und das Reich, hg. v. Weinfurter, Stefan, Band 1, Sigmaringen 1991, S. 175 - 220).

Einen verhältnismäßig breiten Abschnitt widmet Jackman den Erben der Konradiner im von ihm sogenannten Hessen (S. 160 - 197). Seine Raumbezeichnung klammert sich an die Grenzen des heutigen Bundeslandes. Das kann zu irrigen Auffassungen führen. Denn Hessen als historische Raumgrößenbezeichnung kann nicht aufgefaßt werden als the Frankish region north of the River Main (so S. 160). Überhaupt sind die Ausführungen im älteren Werk klarer gegliedert und lesbarer. Die Zusammenraffung von Engersgau, Einrich, Königssondergau, Niddagau, Wetterau und Lahngau mit dem eigentlichen Hessengau (S. 163) verkennt die geographische Differenz der früh- und hochmittelalterlichen Raumindividualitäten. Hier zeigt sich ein Mangel der Darstellung, der auch andere Teile des Buches betrifft: Der vollständige Verzicht auf Karten! Stammbäume allein wirken blutleer, gibt man ihnen nicht die Kartographie in der Bezogenheit auf die Epoche bei. So kann es dazu kommen, etwa Otto von Hammerstein als last of the Hessian Konradiner zu bezeichnen, die Grafschaft Nürings und den Königssondergau als hessisch zu vereinnahmen. Dem Ursprung der Grafenhäuser Diez und Nassau geht Jackman nach. Seine Umschau nach mutmaßlichen Vorfahren beider Häuser im Bereich der Konradinerdynastie ist im Vergleich mit Gensickes Erörterungen genealogisch weiter gespannt, enthält aber in der Diktion derart viele eigene Wahrscheinlichkeitsfloskeln, dass größere Sicherheit einer Beweisführung nicht erkennbar ist. Am Ende dieser Erörterungen sagt Jackman selbst, dass das Auftreten des Hauses Nassau im Königssondergau, also in der Umgebung von Wiesbaden, nicht zu verstehen ist ohne klare Vorstellung vom Erbgang als Auswirkung der Konradinerabkunft. Doch auch hier bleiben Einzelheiten im Dunkeln. Als Endbild zeigt sich im frühen 13. Jahrhundert die Emanzipation eines sich territorialisierenden Gebildes als Teil des Zerfalls einer Großraumstellung der Konradiner. Die Erörterungen, angelegt auf Hochadelsstrukturen im 9. und 10. Jahrhundert, hier insbesondere auf Fragen der Erbfolge und des mit ihr verbundenen Machtanspruchs, finden natürliche Grenzen im Erlöschen von Sippen und ihrer Linien und in der Zerfaserung von Entwicklungen, die hinführen zur Schwelle des Hochmittelalters.

Wiesbaden                                                                                                     Alois Gerlich