Dorfner, Thomas, Mittler zwischen Haupt und Gliedern. Die Reichshofratsagenten und ihre Rolle im Verfahren (1658-1740) (= Verhandeln, Verfahren, Entscheiden – Historische Perspektiven 2). Aschendorff, Münster 2015. 304 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Der Reichshofrat bzw. der anfangs königliche oder kaiserliche Hofrat ist der nach mittelalterlichen Vorläufern (an dem 13. 12.) 1497 begründete Hofrat (für Rechtssachen aus Reich und Erbländern und Gnadensachen) des Königs bzw. des Kaisers des Heiligen römischen Reiches in Wien (1559 Reichshofrat, Ordnung von dem 3. 4. 1559). Er wird zunächst zur obersten Regierung und Justizbehörde bestimmt und übt die nie endgültig und umfassend festgelegten Reservatrechte des Kaisers aus. Er entwickelt sich aber allmählich zu einem mit dem Reichskammergericht der Reichsstände konkurrierenden Gericht des ihn allein besetzenden und schwach finanzierenden Kaisers  und ist mit dem Hofratspräsidenten als Vertreter des Kaisers und mit 12 bis 34 Räten besetzt, die den mehr als 10 Millionen Reichsangehörigen gegenüberstehen, so dass Mittler naheliegend sind.

 

Mit ihnen beschäftigt sich die von  Sabine Ullmann in dem Sommer 2008 angestoßene, in dem Rahmen des Leibniz-Projekts Barbara Stollberg-Rilingers in die Tat umgesetzte, in dem März 2014 von der philosophischen Fakultät der Universität Münster angenommene Dissertation des nach Abitur und Zivildienst ab 2002 in Geschichte der frühen Neuzeit, Politikwissenschaft, bayerischer und schwäbischer Landesgeschichte in Augsburg ausgebildeten, dort als studentische und wissenschaftliche Hilfskraft Johannes Burkhardts und seit 2009 als wissenschaftlicher Mitarbeiter seiner Betreuerin tätigen und nach der Promotion  an das Historische Institut der Technischen Hochschule Aachen gewechselten Verfassers. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über den Gegenstand, die Forschung, die Quellen, die zentralen Analysekategorien der Formalität und Informalität, die Methode sowie die Vorgehensweise in fünf Sachkapitel. Sie betreffen die Rahmenbedingungen, die Agenten als Angehörige des Reichshofrats, die Reichshofratsagenten und ihre Prozessparteien, die Reichshofratsagenten als Akteure des Verfahrens und schließlich die Frage der sukzessiven Verdrängung der Reichshofratsagenten nach der Abkehr protestantischer Reichsstände.

 

Nach den überzeugenden interessanten Ergebnissen des Verfassers verlaufen die Verfahren des Reichshofrats zwar nach den rechtlichen Regeln der einschlägigen Gerichtsordnung, wobei die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen und ohne die Prozessparteien stattfinden, doch vermitteln die überwiegend lebenslang tätigen Agenten verbotswidrig vielfältige Gaben und Geheimnisse. Ohne sie wäre aber nach dem Verfasser die Tätigkeit des Reichshofrats in Justizangelegenheiten vermutlich mehr oder weniger zum Erliegen gekommen. Dementsprechend trugen die 18 bis 24 katholischen und die stets höchstens sechs protestantischen Reichshofratsagenten, von denen der Anhang zwischen 1658 und 1740 124 namentlich (von Johann Jacob Keller bis Joseph Edmund Ignaz Souffrain) aufführt, durch ihre Tätigkeit entscheidend zu der Verrechtlichung von Konflikten in dem Heiligen römischen Reich der frühen Neuzeit bei.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler