Weber, Thomas, Wie Adolf Hitler zum Nazi wurde. Vom unpolitischen Soldaten zum Autor von „Mein Kampf“. Propyläen Verlag, Berlin 2016. 528 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Bei seiner Geburt ist der Mensch zwar mit seinen von den Eltern gespendeten Genen in einer wohl im Einzelnen grundsätzlich unvorhersehbaren Mischung geprägt, entwickelt sich aber auf dieser natürlichen Grundlage individuell in vermutlich an sich offener Weise weiter. Was hierfür ursächlich wird, vermag er selbst zwar zu beeinflussen, aber wohl kaum sicher zu bestimmen. Immerhin kann nachträglich die Ermittlung einzelner wichtiger Umstände versucht werden, was grundsätzlich jedermann interessieren wird, wenn auch nicht für jeden Menschen in gleich starker Weise.

 

Wie Adolf Hitler zum Nazi wurde, erscheint von hier aus als besonders interessant. Ihr stellt sich der in Hagen 1974 geborene, in dem Anne-Frank-Gymnasium in Halver sowie in Geschichte, Anglistik und Rechtswissenschaft in Münster und ab 1996 in Oxford ausgebildete, 2003 mit einer von Niall Ferguson betreuten Dissertation promovierte, nach Tätigkeiten in Harvard, Princeton und den Universitäten von Pennsylvania, Chicago und Glasgow 2008 an die Universität Aberdeen berufene Verfasser. Er hatte nach Studien über das Getto von Lodz, die Erziehung in Großbritannien und im Deutschen Reich vor dem ersten Weltkrieg 2010 Hitlers Leben während des ersten Weltkrieg bereits detailliert und weiterführend betrachtet. Für die Folgezeit kann er wichtige Quellen neu nutzen.

 

Danach stützte Hitler von November 1918 bis Ende April 1919 in den linken Revolutionären um Kurt Eisner ein Regime, von dem er später behauptete, es immer bekämpft zu haben, ging aber im Mai 1919 auf die Gegenseite (Untersuchungskommission des zweiten Infanterieregiments, Mitte Juli Propagandakurs des Hauptmanns Karl Mayr mit Referaten Karl Graf von Bothmers, Gottfried Feders und Karl Alexander von Müllers). Erheblich beeinflusst wurde er durch die Ratifizierung des Vertrags von Versailles am 9. Juli 1919, obwohl der Verfasser die Selbverständlichkeit betont, dass niemand in Hitlers Kopf schauen konnte oder kann. Erstmals am 17. April 1920 forderte Hitler vielleicht nach einer Ermutigung durch Dietrich Eckart (1868-1923) als Redner  einen Diktator, der ein Genie ist, und am 29. Juli 1921 setzte er sich (vielleicht gestärkt durch rohes Ei mit Zucker) gegenüber dem Parteigründer Anton Drechsler als erster Vorsitzender der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei mit diktatorischer Machtbefugnis und dem Vorbild Peer Gynt durch und wurde mit dem Prozess wegen seiner Putschbeteiligung in München 1924 eine Persönlichkeit mit einem nationalen Profil, die ihre Entwicklung und Ziele unter dem publikumswirksamen, von der Wahrheit nur unvollkommen geleiteten Titel Mein Kampf der Allgemeinheit darbot.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler