Rasche, Georg, Richter, Sachverständige, Handelskammern. Preußische Justizverwaltung und kaufmännische Interessen zwischen 1879 und 1907 (= Rechtshistorische Reihe 459). Lang, Frankfurt am Main 2015. 273 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das Leben des Menschen ist seit seiner Entstehung im Laufe der Entwicklung immer komplexer geworden, so dass seit langem nicht mehr jeder alles verstehen und bestmöglich beantworten kann. Dies gilt seit längerer Zeit auch für den Richter, der zwar das Recht möglichst gut kennen soll, aber nicht mehr alle außerrechtlichen Lebensbereiche sicher überschauen kann. Deswegen sind ihm zur Entscheidungshilfe Sachverständige zur Verfügung gestellt, die kraft ihrer Sachkunde letztlich vielfach den Inhalt der Entscheidung bestimmen können, so dass ihre Bestellung auch eine Kompetenzfrage ist.

 

Mit dieser Thematik beschäftigt sich die von Rainer Schröder vorgeschlagene Berliner Dissertation des in Münster und Nimwegen ausgebildeten, am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main und am rechtshistorischen Institut sowie an einem öffentlich-rechtlichen Lehrstuhl der Universität Münster tätigen, zuletzt als Syndikus in München wirkenden Verfassers. Sie gliedert sich nach einer kurzen Einleitung über Gegenstand, Gang der Darstellung, zeitliche Eingrenzung, räumliche Eingrenzung auf Preußen und Berlin, sachliche Eingrenzung (auf Zivilsachen) und Quellen in sieben Kapitel. Sie betreffen Vorüberlegungen, Rechtsdogmatik, Interessen des handles, die Kompetenzfrage in Stettin 1866/1867 und in Berlin 1879-1882, die Entwicklungen zwischen 1882 und 1897 und die Kompetenzfrage in Preußen 1898-1907.

 

Im Ergebnis kann der Verfasser auf Grund von schätzungsweise 100 Literaturtiteln und weiteren Akten ansprechend zeigen, dass sich Justizminister und Handelsminister auf Grund sorgfältig vorbereiteter Abstimmung abschließend über die Kompetenzverteilung eingten und sie in Allgemeinverfügungen vom 18. Juli 1907 zum Ausdruck brachten. Inhaltlich bedeutete dies die Festlegung auf die von Anfang des Untersuchungszeitraums an von Seiten des Handels bevorzugte Betonung der vorrangigen Bedeutung derjenigen Sachverständigen, die vom Vertrauen der körperschaftlich verfassten Handelsvertretungen getragen sind. Damit sorgten die Handelskammern, die in der Praxis die Aufgabe bereits an sich gezogen hatten, als der Gesetzgeber noch von der grundsätzlichen Zuständigkeit der Justiz ausgingen, nach den überzeugenden Worten des Verfassers nicht nur für eine Professionalisierung des Sachverständigen Wesens, sondern bauten auch, woran ihnen vermutlich mehr gelegen war,  ihre Macht aus.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler