Libri vitae. Gebetsgedenken in der Gesellschaft des frühen Mittelalters, hg. v. Geuenich, Dieter/Ludwig, Uwe. Böhlau, Wien 2015. 464 D., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Zeit macht das Leben endlich, obwohl viele oder alle Menschen gerne unendlich wären. In Erkenntnis dieser Unausweichlichkeit hat der Mensch wohl schon früh versucht, länger währende Erinnerungen zu schaffen. Dabei hat ihn die Erfindung der Schrift wesentlich gestützt, ohne dass die Schrift en unaufhaltsamen Ablauf der vorgegebenen Dimension Zeit wirklich verändern kann.

 

Mit dieser Problematik hat sich für das Frühmittelalter eine internationale Tagung beschäftigt, die unter dem Titel Gesellschaft im Gebetsgedenken – Ergebnisse und Perspektiven der Erforschung frühmittelalterlicher Libri vitae (Gedenkbücher, Verbrüderungsbücher) in der katholischen Akademie die Wolfsburg in Mülheim an der Ruhr von dem 8. Dezember 2011 bis zu dem 10. Dezember  2011 stattfand. Die dortigen Vorträge stellt der vorliegende Sammelband mit zwei Ausnahmen und einer Erweiterung der interessierten Öffentlichkeit nunmehr zur Verfügung. Insgesamt handelt es sich dabei nach einem Vorwort und einer Einleitung um 16 Studien, die in vier Abteilungen Memoria, Memorialquellen und ihre Erforschung, die Ordnung des Gedenkens in frühmittelalterlichen Libri vitae, Personen und Personengruppen in der frühmittelalterlichen Gedenküberlieferung sowie sprachwissenschaftliche Forschungen zu frühmittelalterlichen Libri vitae zusammengefasst und durch zahlreiche Abbildungen (darunter 32 Farbtafeln auf den Seiten 273-304) veranschaulicht sind.

 

Dabei beginnt Rudolf Schieffer mit einem detaillierten Bericht über Memorialquellen in den Monumenta Germaniae Historica, während Joachim Wollasch Formen und Inhalte mittelalterlicher memoria darlegt. Weitere Untersuchungen betreffen das Verhältnis von Schrift und Himmel, Remiremont, Reichenau, Sankt Gallen, Essen, Italien, die Bischöfe der späten Karolingerzeit, Herrschereinträge, Könige und Herzöge in dem Salzburger Verbrüderungsbuch von etwa 800, die Libri vitae von Salzburg und Cividale unter Berücksichtigung des bayerischen Ostlands, angelsächsische Könige, romanische und bairische Personennamen in dem Salzburger Verbrüderungsbuch sowie zusätzlich the Old English and Scandinavian Personal Names of the Durham Liber Vitae to 1200. Insgesamt schafft das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Gerda Henkel Stiftung und der Duisburger Universitätsgesellschaft finanziell unterstützte, durch Register der Personen, der Ortsnamen und der etwa 60 einschlägigen Handschriften leserfreundlich aufgeschlossene Werk eine aktuelle und optimale Zwischenbilanz für  jeden an dem menschlich-christlichen Gebetsgedenken in der Gesellschaft des frühen Mittelalters interessierten Leser.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler