Heinzel, Reto, Theodor Mayer. Ein Mittelalterhistoriker im Banne des „Volkstums“ 1920-1960. Schöningh, Paderborn 2016. 311 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der in Neukirchen an der Enknach in Oberösterreich am 24. August 1883 als Sohn eines Landarztes rund sechs Jahre vor Adolf Hitler geborene, früh im Schoße der Familie in die Heimatstadt seiner Mutter gezogene Theodor Mayer wurde nach der Matura in Innsbruck und dem Studium der Geschichte in Florenz und Wien ab 1903 an dem Institut für österreichische Geschichtsforschung vor allem bei Engelbert Mühlbacher, Emil von Ottenthal und Oswald Redlich ausgebildet und lernte über seinen Klassenkameraden Heinrich Ficker schon im Sommer 1899 Alfons Dopsch näher kennen, der ihn später zur Verfassungsgeschichte und Wirtschaftsgeschichte auf der Grundlage der Landesgeschichte führte. Nach der Promotion über die Handelsbeziehungen  der oberdeutschen Städte zu Österreich im 15. Jahrhundert wurde er im anschließenden Archivdienst als Leiter des Landesarchivs Niederösterreich an der Universität Wien mit einer Schrift über die Verwaltungsreform in Ungarn nach der Türkenzeit habilitiert und nach dem Kriegsdienst 1923 als außerordentlicher Professor für Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften  an die deutsche Universität in Prag berufen. 1930 folgte er Hermann Aubin in Gießen, 1934 Hermann Heimpel in Freiburg im Breisgau und 1938 Edmund E. Stengel in Marburg.

 

Mit seinem Leben und Wirken beschäftigt sich der der 1972 geborene, in Zürich in allgemeiner Geschichte, Politikwissenschaft und allgemeinem Staatsrecht ausgebildete, hauptberuflich als Journalist tätige Verfasser der vorliegenden, von Aram Mattioli betreuten und im Herbstsemester 2014 an der Universität Luzern angenommenen Dissertation seit vielen Jahren. Ausgehend von der ebenfalls Theodor Mayer gewidmeten Lizentiatsarbeit an der Universität Zürich begann er mit den ersten Schritten bereits am Ende des Jahres 2000. Gegliedert ist sein überzeugendes Ergebnis nach einer Einleitung mit theoretischen Überlegungen und der Beschreibung des Forschungsstands und der Quellen in sieben Kapitel über Prägungen, die Tätigkeiten in Prag, Gießen, Freiburg und Marburg sowie die Neuorientierung nach dem Ausschluss  aus der staatlichen Wissenschaft.

 

Nach den Erkenntnissen des Verfassers wirkte sich besonders Theodor Mayers grenznahe Herkunft nachhaltig aus, die ihn die Zusammengehörigkeit des deutschen „Volkstums“ lebenslang bejahen ließ. In Deutschland führte ihn dies zu antidemokratischen autoritären Überlegungen, durch die er sich nach der Machtübernahme der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei Adolf Hitlers allmählich mit der neuen Zeit verband. Im Ergebnis billigte er dementsprechend die repressiven, staatlichen Maßnahmen gegen politisch Andersdenkende.

 

In der Folge führte diese überzeugte Haltung Mayer zwar an die Spitze der Monumenta Germaniae Historica. Mit dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft wurde er aber als Präsident abgesetzt und als Mitläufer, der sich selbst als Opfer von Intrigen und höherer Gewalt verstand, aus der universitären Wissenschaft ausgeschlossen, so dass er an den Rand wirtschaftlicher Not geriet. 1951/1952 gelang es ihm zwar noch mit Hilfe Otto Fegers in Konstanz ein bald allgemein anerkanntes Institut für geschichtliche Landesforschung einzurichten (1958 Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte) und auch das Collegium Carolinum wurde durch ihn wesentlich bereichert, von seiner eigenen gedanklichen Vergangenheit konnte er sich aber letztlich bis zum Tode in Salzburg am 26. November 1972 nicht mehr gänzlich lösen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler