Görtz, Hans-Helmut, Reichskammergerichtspersonal und andere Personen in den Taufbüchern von Predigerkirche und St. Georgen zu Speyer 1593-1689 (= Beiträge zur Speyerer Stadtgeschichte 12). Selbstverlag des Autors in Verbindung mit dem Historischen Verein der Pfalz Bezirksgruppe Speyer, Speyer 2015. XXI, 556 S., Ill. Besprochen von Bernd Schildt.

 

Für die erste und wohl insgesamt auch bedeutsamere Ära des Reichskammergerichts – die sogenannte „Speyerer Zeit“ – sind die Personalakten dieses höchsten Reichsgerichts nicht überliefert. Deshalb lässt sich anders als für die spätere, die „Wetzlarerer Zeit“, nur schwer ein Überblick über das Reichskammergerichtspersonal gewinnen. Ein solcher muss einigermaßen mühsam über zeitgenössisches Schrifttum (Denaisius, Ius Camerale; Wormbser, Iudicii Camerae Imperialis Personae; Leichenpredigten) ermittelt werden, was allerdings heute dank der Digitalisierung der einschlägigen Literatur im Prinzip von jedem beliebigen Ort (mit Internetzugang) aus immerhin möglich ist. Auch die beiden von Görtz vorliegend erschlossenen Taufbücher von Predigerkirche und St. Georgen zu Speyer sind via Internet einsehbar. Sie enthalten neben den Angaben zu den in Speyer getauften Kindern auch die Namen und Funktionen von deren Eltern und ihren Taufpaten (Gevattern). Die inhaltliche Erschließung dieser Quellen ist schon allein deshalb zu begrüßen, weil ihre Nutzung trotz freier öffentlicher Zugänglichkeit gleichwohl beschwerlich bleibt.

 

Görtz erfasst alle in den Taufbüchern aufgeführten Personen in einem auf der jeweiligen Funktion am Reichskammergericht basierenden Ordnungsschema. Daraus ergibt sich die inhaltliche Strukturierung der Darstellung nach Kammerrichter (1), Kammerpräsidenten (3), Assessoren/Beisitzer (55), Advokaten und Prokuratoren (155) sowie Praktikanten (12), Ärzten (4), Kanzleibediensteten (4), Pedelle (3), Boten (24), reitende Boten (2) und sonstiges Personal (1). Daneben werden auch Personen ohne Bezug zum Reichskammergericht - Juristen (147), Ärzte (22), Speyerer Pfarrer (22), auswärtiger Pfarrer (19) und eher unscharf "weitere bemerkenswerte Personen" (154) - erfasst. Ein umfangreiches Personenregister und Ortsregister sowie ein Register der Universitäten und ihrer Absolventen ermöglichen einen zielsicheren Zugriff auf Informationen zu einzelnen in den Taufbüchern verzeichneten Personen.

Diese Form der Darstellung macht die verwandtschaftlichen und gesellschaftlichen Verflechtungen der Angehörigen des Reichskammergerichts – insbesondere des juristischen Personals und deren Familien – transparent. Sowohl familiäre Verbindungen innerhalb von Assessorenfamilien bzw. Advokaten/Prokuratorenfamilien als auch die zwischen Assessorenfamilien und Advokaten/Prokuratorenfamilien werden ebenso sichtbar wie „Familiendynastien“ von Advokaten und Prokuratoren (z. B. Kuehorn 143-153 oder Stieber 179-185). Auffällig ist, dass nur zwei von 55 Assessoren gegenüber fast einem Drittel (41 von 155) Advokaten bzw. Prokuratoren in Speyer geboren wurden, ein Umstand der zweifellos darauf zurückzuführen ist, dass eine derartige personelle Kontinuität für die Assessoren wegen des Präsentationssytems nicht entstehen konnte.

 

Die Personeneinträge folgen einem einheitlichen Muster: Familienname, Vorname, Geburts- bzw. Sterbeort und Geburtsdatum bzw. Sterbedatum der betreffenden Person, Angaben zu deren Eltern, den Funktionen, Patenschaften und der (bzw. den) Ehefrau(en) einschließlich Hochzeitsdatum sowie deren Patenschaften, ferner Geburt/Taufe der Kinder und schließlich deren Patenschaften. Dieses Schema muss der Leser allerdings immer „im Hinterkopf haben“, da Görtz auf Positionen seines Aufbauschemas, für die keine Informationen zu ermitteln waren, kommentarlos verzichtet und in der Darstellung ohne weiteres zum nächsten Punkt, für den Informationen vorliegen, übergeht. So folgen beispielsweise beim Eintrag zu Johannes Deckherr jun. auf die Benennung seines Geburtsortes (Straßburg) unmittelbar Angaben zu seinen Patenschaften (96).

 

Görtz belässt es indes nicht bei einer inhaltlichen Erschließung und systematischen Präsentation beider Quellenwerke. Vielmehr stellt er sie mittels eines umfangreichen Anmerkungsapparates im Kontext der in breitem Umfang herangezogenen, überwiegend zeitgenössischen literarischen Überlieferung zum Reichskammergerichtspersonal dar. Neben verschiedenen Leichenpredigten wird dazu insbesondere die auf Denaisius basierende Arbeit von Georg Wilbrand Wormbser, Juris tam prioris quam posterioris Compendium sive Petri Denaisii jurisc. Jus Camerale, sechste Ausgabe von 1624 herangezogen; zeitlich weiter reichende Informationen wären indes der siebenten Ausgabe von 1652 zu entnehmen gewesen. Damit gewinnt die Darstellung einen Informationswert, der weit über den Inhalt der beiden Taufbücher hinausgeht. Allerdings hätte man sich eine übersichtlichere Präsentation insoweit gewünscht, als die Hinweise auf die Zugehörigkeit des juristischen Personals zum Reichskammergericht nicht „versteckt“ in den Fußnoten sondern im Text im Kontext mit den übrigen Funktionen verortet worden wären. Wünschenswert wäre auch eine differenzierte Erfassung des Zeitpunktes der Aufschwörung zum Advokaten bzw. Prokurator gewesen; zwischen diesen beiden Ereignissen konnten mitunter viele Jahre liegen. Überhaupt erschließen sich dem Leser manche Zusammenhänge erst allmählich bei der Benutzung der Publikation.

 

Trotz einiger kritischer Hinweise bleibt abschließend festzuhalten, dass Görtz eine bewundernswerte Quellenerschließungsarbeit vorgelegt hat. Wer einmal versucht hat in dem wenig komfortablen Internetauftritt des Speyerer Stadtarchivs in den Taufbüchern selbst zu recherchieren wird deren Wert zu schätzen wissen.

 

Jatznick                                                                                                        Bernd Schildt