Der Münchener Psalter aus dem 14. Jahrhundert. Eine Bearbeitung von Notkers Psalter, hg. v. Tax, Petrus W. (= Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit 52). Erich Schmidt, Berlin 2016. XXXVII, 330 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Notker (der Deutsche) von Sankt Gallen, der um 950 geboren wurde und am 29. Juni 1022 starb, ist der bedeutendste Schriftsteller des Althochdeutschen. In deutsch-lateinischer Mischprosa übersetzte er verschiedene geistliche Schriften aus dem Lateinischen, darunter auch Psalmen, in die spätaltalemannische Sprache. In diesen Werken bietet er den breitesten Einblick in den althochdeutschen Wortschatz und zugleich in das kulturelle Wissen in seinem Kloster an dem Ende des Frühmittelalters.

 

Der Münchener Psalter ist nach dem kurzen Vorwort des Herausgebers aus Durham in North Carolina vom Juli 2015 eine bairische Bearbeitung von Notkers alemannischem Psalter aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Sie ist (als wohl eilige rasurfreudige Abschrift mit vielen Ungenauigkeiten und Fehlern  im Deutschen) nur in der Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek Cgm 12 überliefert und nur unvollständig (bis Psalm 134, 4). Sein Bearbeiter hat Vieles von Notker übernommen, dabei den lateinischen Psalmentext an zahlreichen Stellen verändert und mehr an das Psalterium Gallicanum angepasst, die deutschen Erklärungen des Verfassers oft verkürzt und manchmal ergänzt oder anders verändert und eine teilweise Umsetzung aus dem Alemannischen in  das Spätmittelbayerische  des 14. Jahrhunderts vorgenommen. Der Herausgeber vervollständigt die 1969 von Albert L. Lloyd (University of Pennsylvania in Philadelphia) durch Veröffentlichung der Psalmen 1, 2, 9, 21, 22, 103 und 104 begonnene Edition in gegenseitigem Einverständnis, so dass mehr als 200 Jahre nach der ersten Bekanntgabe des Münchener Psalters durch Bernhard Docen in Aretins Beiträgen zur Geschichte und Literatur, Band 6 (1806) 144-149, 154-159 nun eine moderne Gesamtausgabe vorliegt.

 

Auf Grund seiner sorgfältigen Betrachtung gelangt der Herausgeber zu der Ansicht, dass die Handschrift vielleicht für eine Domschule (Passau?) bearbeitet wurde. Das Deutsche ist aber stark mit Merkmalen aus nichtbayerischen Dialektgebieten untersetzt. Die vorliegende Ausgabe verzichtet aus Gründen des Umfangs wie der Erschwinglichkeit auf eine zweiseitige zweisprachige Ausgabe (links die nötigen Entsprechungen aus Notkers Psalter, rechts Text der Handschrift) und bietet einen angepassten Apparat, auf den Seiten 303ff. ein - lateinisch-deutsche Übersetzungsgleichungen einbeziehendes - Glossar von aber bis zwivaltigen sowie auf den Seiten 326ff. ein Register der einschlägigen Bibelstellen von Genesis bis Offenbarung, so dass sie insgesamt eine bisher bestehende wissenschaftliche Lücke verdienstvoll benutzerfreundlich schließt.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler