RichterInnen in Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Auswahl, Ausbildung, Fortbildung und Berufslaufbahn, hg. v. Kohl, Gerhard/Reiter-Zatloukal, Ilse. Verlag Österreich, Wien 2014. XII, 279 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der vielleicht in karolingischer Zeit entstandene, auf das Gerademachen von Unrecht im Unterschied zum Sprechen von Recht bezogene Richter ist der seit Langem im Mittelpunt der juristischen Ausbildung stehende Jurist, obgleich sich die Bezeichnung bereits für den vorwissenschaftlichen Laien ausgebildet hat. In der Gegenwart gewinnt er einerseits dadurch an Bedeutung, dass die staatlichen Mittel nicht mehr ausreichen, alle überdurchschnittlich ausgebildeten Juristen der aus der Agrargesellschaft entwickelten Dienstleistungsgesellschaft zu besolden, verliert andererseits an Gewicht, weil eine allgemeine Akademisierung der Gesellschaft stattfindet, in welcher der wissenschaftlich ausgebildete Richter bald keine Besonderheit mehr sein könnte. Dazu kommt möglicherweis in Zukunft auch die Verlagerung von der staatlichen Streitentscheidung auf die außerstaatliche Aushandlung von Ausgleichen.

 

Immerhin sind jedenfalls derzeit Richterinnen und Richter, wie die Vizedekanin der rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Wien in ihrem kurzen Geleitwort ausführt, als Angehörige der unabhängigen Gerichtsbarkeit wesentliche Garantien für das Funktionieren  eines modernen demokratischen Rechtsstaats. Deshalb haben sich nach dem Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers auf Grund sowohl privater Gespräche wie auch institutioneller Zusammenarbeit insbesondere mit dem Präsidenten des Landesgerichts für Strafsachen in Wien Angehörige des Instituts für Rechts- und Verfassungsgeschichte der Universität Wien gemeinsam mit der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter zu einer am 5. und 6. >Dezember 2013 abgehaltenen Tagung zusammengefunden. Die im vorliegenden Band enthaltenen 14 Beiträge wissenschaftlicher wie praktischer Art gehen im Wesentlichen auf die dort gehaltenen Vorträge zurück und bringen vielfältige neue Einsichten, die leider nicht durch ein Register aufgeschlossen sind.

 

Dabei befassen sich mit der Vergangenheit Untersuchungen über österreichische Stadtrichter in der Vormoderne, Richter in den Höchstgerichten des Heiligen römischen Reiches, viele Patrimonialgerichte des 19. Jahrhunderts, Richter in der Habsburgermonarchie, Richterbild, Richterausbildung im Deutschen Reich unter der nationalsozialistischen Führung Adolf Hitlers unter vertiefender Berücksichtigung Österreichs unter der nationalsozialistischen Herrschaft und der nationalsozialistischen Richter in Österreich, die gerichtliche Verfolgung und Entnazifizierung von Richtern nach 1945 und den Wandel über die Entnazifizierung zur Renazifizierung in der Bundesrepublik Deutschland. Vornehmlich die jüngste Vergangenheit bis zur Gegenwart behandeln Studien über Richterinnen in Österreich, Deutschland und der Schweiz, die Richterausbildung in der zweiten Republik, das Familienrichterbild , die ganzheitliche Richterfortbildung sowie die soziale Herkunft, die Ausbildung und das berufliche Selbstverständnis. Wegen der Vielzahl der dabei ermittelten neuen Einsichten verdient der gelungene Sammelband in jedem Fall die ungeteilte Aufmerksamkeit aller am Richter und der seit dem späteren 20. Jahrhundert immer weiblicher werdenden Gerechtigkeit Interesssierten.

 

Innsbruck                                                                                          Gerhard Köbler