Petersen, Jens, Montaignes Erschließung der Grundlagen des Rechts. De Gruyter, Berlin 2014. XII, 216 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Michel Eyquem de Montaigne wurde auf Schloss Montaigne im Périgord im Südwesten Frankreichs, das sein durch Handel mit Fisch, Wein und Indigo in Bordeaux reich gewordener Urgroßvater Ramon Felipe Eyquem 1477 mit der zugehörigen Grundherrschaft für 900 Goldfranken gekauft hatte, am 28. Februar 1533 geboren. Sein Studium des Rechtes an der Universität in Toulouse schloss er wahrscheinlich als Lizentiat ab und begann 1554 mit 21 Jahren eine Tätigkeit als conseiller  an der Cour des aides in Périgueux. Als er 1568 bei dem Todes seines Vaters den Hauptteil der Güter erbte, nannte er sich de Montaigne und zog sich, vielleicht aus Enttäuschung über den ausbleibenden amtlichen Aufstieg, 1570 bis zu seinem Lebensende am 13. September 1592 auf sein Schloss zu vielfältigen Studien mit weitreichenden Ergebnissen .zurück.

 

Die ihm gewidmete vorliegende Abhandlung ist, wie der in Kalkar 1969 geborene, an der Freien Universität in Berlin, in Genf und in München ausgebildete, nach der ersten juristischen Staatsprüfung als wissenschaftlicher Mitarbeiter Dieter Medicus‘ mit einer Dissertation über Duldungspflicht und Umwelthaftung 1996 promovierte, 2001 bei Claus-Wilhelm Canaris mit einer Schrift über den Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht für bürgerliches Recht, Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Methodenlehre und Umweltrecht habilitierte und danach über Potsdam an die Freie Universität Berlin berufene, in den letzten Jahren auch Wilhelm von Humboldt, Friedrich Nietzsche, Max Weber, Georg Friedrich Hegel und Friedrich August von Hayek monographisch betrachtende Verfasser in seinem kurzen Vorwort darlegt, im Grunde aus einem Irrtum geboren. Auf der Suche nach einem Beitrags Frankreichs zu den europäischen Wurzeln der juristischen Geistesgeschichte zwischen dem Gerechtigkeitssinn Dante Alighieris und der Rechtstheorie Adam Smiths hatte er zunächst an Charles de Montesquieu gedacht, weil sich bei ihm wesentliche Einsichten Smiths bereits andeutungsweise finden und neue Betrachtungen durch Berücksichtigung der Sitten der Völker und der klimatischen Verhältnisse der Länder angestellt zu sein scheinen. Im Laufe der Zeit stellte er allerdings fest, dass sich für fast alles, was Montesquieus universellen Blick auf das Recht ausmacht, bei Montaigne maßgebliche, wenn auch rudimentäre Spuren finden.

 

Dementsprechend schließt er Montaignes Grundlagen des Rechtes nach einer kurzen Einleitung in insgesamt sechs Paragraphen auf.  Sie betreffen nacheinander die Relativität der Gesetzesgeltung, das mystische Fundament der Gesetze, Rechtsfindung und Wahrheitsfindung, die Befangenheit in der conditio humana oder condition humain, die Skepsis gegenüber dem Naturrecht und die Rechtsanthropologie als Naturrechtsersatz. Im Ergebnis stellt der Verfasser ansprechend fest, dass Montaigne, indem er die Jurisprudenz von Grund auf anzweifelte und gleichwohl suchte, die Grundlagen des Rechtes in einem neuen Verständnis von Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte sowie in den Vorformen der Rechtssoziologie, der Rechtsanthropologie und der Rechtsökonomik von Neuem in ihrer Gesamtheit in einer neuzeitlich-neuartigen Weise erschlossen hat.

 

Innsbruck                                                                              Gerhard Köbler