Patt, Gregor, Studien zu den Salzehnten im Mittelalter, zwei Teilbände (= Monumenta Germaniae Historica Schriften Band 67). Harrassowitz, Wiesbaden 2014. CVI, 334, 335-1000 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Nach den Gedanken der Mitmenschen interessiert den Menschen wohl seit frühen Zeiten nichts mehr als die von jenen innegehabten Vermögenswerte. Insbesondere Mächtige dürften schon bald bestrebt gewesen sein, ohne eigene Leistung Arbeitsergebnisse anderer zu ihrer eigenen Entlastung an sich zu bringen oder für sich zu behalten. Dementsprechend entwickelte die christliche Kirche nach der knappen und klaren Einleitung des Verfassers unter Rückgriff auf Stellen des Alten Testaments seit dem 6. Jahrhundert wohl neu die Vorstellung, jeder Christ habe den zehnten Teil seiner Einkünfte an (die zu einem wesentlichen Teil davon lebende) Kirche zu entrichten, woraus die karolingischen Herrscher in der Mitte des 8. Jahrhunderts eine verpflichtende Leistung für den Unterhalt der Gebäude und die Versorgung von Geistlichen und Armen formten.

 

Mit einem Teilbereich dieser Thematik beschäftigt sich die vorliegende, von Theo Kölzer 2007 angeregte und betreute, von der Konrad-Adenauer-Stiftung geförderte, in einem dreifachen Anlauf zur im Sommersemester 2012 von der philosophischen Fakultät der Universität Bonn angenommenen Dissertation gereifte Untersuchung des schon als studentische Hilfskraft bei seinem Lehrer tätigen Verfassers. Ihr beeindruckender Umfang mit einem Quellen- und Literaturverzeichnis auf den Seiten XVI-CVI legte den Druck in zwei Teilbänden nahe. Gegliedert ist die Arbeit nach einer Einleitung in drei Teile über Probleme und Fragen der Einordnung der Salzehnten d. h. der Zehnten aus Salgut bzw. grundherrschaftlichen Eigenkulturen bzw. freiem, in Eigenwirtschaft bearbeitetem Herrenland (im Umfang von durchschnittlich etwa drei Zehntel der Gesamtfläche einer Grundherrschaft), die Bedeutung und Entwicklung im 9. Jahrhundert, im 10. und 11. Jahrhundert und im 12. Jahrhundert (sowie im 13. Jahrhundert) und ein abschließendes Fazit.

 

Dabei kann der Verfasser in gründlicher Durchsicht der verfügbaren Quellen zeigen, dass sich in der Überlieferung aus der Zeit vor 800 so gut wie keine Belege für den Salzehnten finden und der erste (unzweifelhafte) Beleg (für diese decimae) vielleicht in c. 19 der Konzilsbeschlüsse von Chalon-sur-Saône von 813 begegnet, woraus in jedem Fall zu entnehmen ist, dass geistliche Grundherren am Anfang des 9. Jahrhunderts den Pfarrkirchen häufig die Zehnten von ihren Salgütern vorenthielten. In der Folge kann der einfallsreich und zugleich vorsichtig und differenziert argumentierende Autor die von ihm eingangs gestellte Frage(n), was die (einen Teil der gewöhnlichen Kirchenzehnten bildenden) Salzehnten waren, was sie von anderen Zehnten unterschied und wie sie sich entwickelten, unter Berücksichtigung vielfältiger Einzelumstände und unterschiedlicher Gegebenheiten überzeugend beantworten, wobei er einerseits darlegen kann, dass allen Wandlungen der grundherrschaftlichen Strukturen zum Trotz sich die Zehntfreiheit der von Mönchen und Kanonikern mit eigenen Händen und zum eigenen Nutzen verrichteten Tätigkeiten aus der schon in karolingischer Zeit bekannten und bewussten möglichen zehntrechtlichen Sonderstellung von (grundsätzlich zehntpflichtigen) Salgütern entwickelte, und andererseits jenseits der vielleicht gerade noch überschaubaren Quellen seiner eigentlichen Untersuchungszeit auch ansprechend vermuten kann, dass die Form der Bewirtschaftung nach dem Jahre 1215 an Bedeutung für die Aufteilung der Zehnten verlor. Seine insgesamt angewandte Methode, über die ausführliche Untersuchung von Einzelfällen allgemeinere Erkenntnisse zu anzustreben, ist durch seine vielfältigen neuen Einsichten bestens gerechtfertigt.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler