Muhr, Rudolf/Peinhopf, Marlene, Wörterbuch rechtsterminologischer Unterschiede Österreich-Deutschland (= Österreichisches Deutsch Sprache der Gegenwart 16). Lang, Frankfurt am Main 2015. 748 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Wer sich als Deutscher oder als Österreicher mit dem Recht des Nachbarlandes befasst, stellt schnell fest, dass es in der Rechtsterminologie erhebliche Unterschiede gibt. Dies hängt zum Teil damit zusammen, dass die österreichische Rechtsterminologie nicht wie die deutsche Ende des 19. Jahrhunderts einer umfangreichen Sprachreinigung unterzogen worden ist. Das vorliegende Werk Rudolf s (Forschungszentrum Österreichisches Deutsch an der Universität Graz) und Marlene Peinhopfs (Lecturer am Institut für Römisches Recht der Universität Graz) enthält 2000 österreichische Rechtstermini, die sich in Form bzw. Inhalt von Termini des deutschen Rechtssystems unterscheiden. Gleichzeitig bietet es englische und französische Übersetzungsvorschläge, da diese Sprachen neben dem Deutschen die wichtigsten Amtssprachen der Europäischen Union sind. Die Herausgeber sehen im vorliegenden Wörterbuch einen Versuch, „substantielle Unterschiede zwischen zwei verschiedenen Rechtssystemen, die auf derselben Sprache basieren, zuverlässig zu beschreiben, indem die Methoden der Terminologiewissenschaft und die Prinzipien der Technologiearbeit der EU angewendet wurden“ (S. 5). Das Wörterbuch geht aus von den österreichischen Rechtsbegriffen, die zunächst definiert und quellenmäßig nachgewiesen werden (Gesetzestexte, juristische Fachliteratur, Gerichtsurteile). Neben dem Hauptbegriff wird auch ein eventueller „Nebenbegriff“ aufgeführt. Es folgen die englischen und französischen Entsprechungen. Grundsätzlich werden die im Verlauf der Arbeit am Wörterbuch gefundenen deutschen Rechtsbegriffe ohne österreichische Entsprechung (mehr als 2000) nicht berücksichtigt (S. 6). Am Ende des Wörterbuchs findet sich eine „Alphabetische Entsprechungsliste – ausgehend von den deutschen Rechtsbegriffen“ (S. 693ff.). Eine weitere Liste umfasst österreichische Rechtstermini ohne deutsche Entsprechungen (S. 736ff.). Hierzu gehört etwa das Wort Croquis mit der Bedeutung: „Stellungnahme des Generalprokurators an den Obersten Gerichtshof zu einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes“ und „vorbereitetes Manuskript zur korrekten Durchführung parlamentarischer Verhandlungen und Abstimmungen“ (S. 145f.). Die „Konzepte“ von 43 österreichischen und 492 deutschen Rechtsbegriffen „haben“, so die Herausgeber, „keine terminologische Entsprechung im jeweils anderen Rechtssystem“ (S. 5).

 

Aus der Vielzahl österreichischer Begriffe, für die sich eine deutsche Entsprechung finden lässt, sei auf folgende hingewiesen: Namensehe (deutsch: Scheinehe), Leumundsnote (deutsch: Führungszeugnis), Lenkerberechtigung (deutsch: Fahrerlaubnis). „Abolition“ ist eine Niederschlagung eines strafgerichtlichen Verfahrens wegen eines Offizialdelikts durch den Bundespräsidenten (S. 20f.). Mit der „Heimfälligkeitsklage“, für die es im Deutschen kein Äquivalent gibt, macht der  Staat die ihm angefallene Erbschaft (Verlassenschaft) geltend (S. 294). Das „Pickerl“ ist ein an „gut sichtbarer Stelle am Fahrzeug angebrachter Aufkleber, der anzeigt, ob ein Kraftfahrzeug den gesetzlich festgelegten Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit entspricht“ (S. 443); es entspricht der deutschen Prüfplakette (TÜV-Plakette). Im Ganzen vermisst der Leser eine Einleitung, in der u. a. auf die wohl weitgehend auf historischen Gründen beruhenden Unterschiede für die unterschiedliche Entwicklung der Rechtsterminologie hätte vielleicht eingegangen werden können. Wichtig wäre es auch gewesen, wenn die Herausgeber mitgeteilt hätten, in welchem Umfang sie die juristische Fachliteratur und die höchstrichterlichen Entscheidungen berücksichtigt haben. Ein Verzeichnis der wichtigsten berücksichtigten österreichischen Gesetze einschließlich deren Abkürzungen fehlt. Insgesamt haben Muhr und Peinhopf mit ihrem Werk über die rechtsterminologischen Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland ein auch für den Rechtshistoriker wichtiges Arbeitsinstrument vorgelegt, das vor allem für Arbeiten über die grundlegenden österreichischen Gesetze wie das ABGB, die ZPO, die strafrechtlichen Kodifikationen und die Exekutionsordnung von Bedeutung ist.

 

Kiel

Werner Schubert