Kegler, Karl R., Deutsche Raumplanung. Das Modell der „Zentralen Orte“ zwischen NS-Staat und Bundesrepublik. Schöningh, Paderborn 2015. 645 S,, Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Während der jüngeren Vergangenheit entwickelte der Mensch zahlreiche Möglichkeiten der Weltbeherrschung, wie allein Beton, Hochhaus und Autobahn im Bereich der Bautechnik anschaulich zeigen. Sie begründeten die Gefahr umfangreicher Beeinträchtigungen seiner Umwelt. Von daher lagen Möglichkeit und Notwendigkeit rationaler Planung nahe.

 

Mit ihr befasste sich der in (Bad) Berneck 1893 als Sohn eines evangelischen Pfarrers und einer Schriftstellerin geborene, an der Universität Erlangen in Geographie und Volkswirtschaft ausgebildete Walter Christaller in seiner von Robert Gradmann betreuten und 1933 von der Universität angenommenen Dissertation. Obwohl sie zunächst nur geringe Beachtung fand, ebnete sie ihm nach der Anerkennung durch die Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung doch den Weg zur Rückkehr aus Frankreich, wohin er wegen früherer Nähe zur Kommunistischen Partei Deutschlands untergetaucht war, an die Universität Freiburg im Breisgau, wo er in dem kommunalwissenschaftlichen Institut unter der Leitung Theodor Maunzs arbeitete und 1938 mit 45 Jahren habilitiert wurde. Von 1940 bis 1945 konnte er in dem Staatshauptamt für Planung und Boden seine gedanklichen Einsichten der osteuropäischen Wirklichkeit gegenüberstellen, wirkte dann aber nach dem Ende des zweiten Weltkriegs und Beitritt zur Sozialdemokratischen Partei vor allem als freischaffender Geograph über den Verband für angewandte Geographie.

 

Der 1968 geborene, nach dem Studium der Architektur (Städtebau), der Philosophie und der Geschichte in Köln und Aachen an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich lehrende, ab September 2015 als Professor für Geschichte und Theorie der Stadt und der Architektur an der „Hochschule München“ wirkende Verfasser behandelt das Werk Christallers in der vorliegenden, von Gerhard Fehl betreuten, 2011 an der Technischen Hochschule Aachen angenommenen („Promotion“ oder vielleicht besser) Dissertation ausführlich und detailliert in drei Sachteilen mit 15 Kapiteln. Dabei folgen der Einleitung mit der Frage nach der Abgeschlossenheit der Debatte über zentrale Orte die geplante Ordnung, die Geometrie für den totalen Staat (1933-1945) und auf dem Weg von der Ordnung zum Ausgleich die Rezeption in der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1969. Im Ergebnis zeigt der Verfasser umfänglich und ausführlich, dass Christallers auf dem Außenumschlag durch eine Fassung des Jahres 1942 veranschaulichte Theorie über die optimale Verteilung von Städten und Menschen im Raum trotz angreifbarer Schwächen während der nationalsozialistischen Herrschaft und in der Bundesrepublik Deutschland aufgegriffen wurde und ungeachtet fehlender ausreichender wissenschaftlicher Begründung bis in die Gegenwart für die politische Planung verwendet wird.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler