Healey, Jonathan, The First Century of Welfare. Poverty and Poor Relief in Lancashire, 1620-1730 (= People, Markets, Goods – Economies and Societies in History 4). Boydell & Brewer, Woodbridge/Suffolk 2014. XVI, 319 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

In der Natur vergeht Bisheriges und entsteht Neues in anscheinend unaufhörlichem Wandel. Dementsprechend ist der Mensch entstanden, ohne dass in jeder Hinsicht für ihn in jeder Hinsicht ausreichend vorgesorgt ist, so dass er selbst in der Gegenwart noch verhungern, verdursten, erfrieren oder von anderen Widerwärtigkeiten überwältigt werden kann. Dennoch geht es ihm trotz seiner großen wachsenden Zahl in der Gegenwart besser als jemals zuvor, weil es ihm mit Hilfe seines Verstands gelungen ist, Wohlstand zu erreichen, selbst wenn Armut und Wohlstand grundsätzlich stets relativ sind.

 

Mit diesem Verhältnis von Wohlergehen und Armut beschäftigt sich die vorliegende Studie des University Lecturers in English, Local and Social History am Kellogg College der Universität Oxford. Sie verwendet die Sammlung von tausenden, meist von reicheren Nachbarn geschriebenen Bittgesuchen von Armen in der Verwaltung Lancashires, die der Verfasser in weitem Umfang für sich selbst sprechen lässt. Dabei ergeben sich für ihn Wahrscheinlichkeiten der Verarmung vor allem bei fehlendem Landbesitz oder mangelndem verwandtschaftlichem Umfeld oder auch einfach der Zugehörigkeit zu dem weiblichen Geschlecht.

 

Gegliedert ist die interessante. während neuner Jahre entstandene Untersuchung nach einem Prolog und einer Einführung mit dem Schluss „deserving“ poverty in insgesamt drei Teile. Sie betreffen als Kontexte Lancashire zwischen 1600 und 1730 (Landschaft, Bevölkerung, Landwirtschaft, Handel und Industrie sowie Sozialstruktur mit dem Ergebnis einer aufsteigenden Gesellschaft), den Beginn und die Zunahme der Armenunterstützung sowie das Verständnis für das Verhältnis von Armut und Armenhilfe, die Marginalität in Bittgesuchen von Armen und die hilfreichen Überlebensstrategien mittels Landes, Arbeit und Familie sowie schließlich die Fälle des Unglücks vor allem durch Alter und Krankheit und die vielfachen wirtschaftlichen Krisen im Land zwischen 1630 und 1730. Insgesamt zeichnet der Verfasser ein eindrucksvolles Bild von den Gefährdungen durch und dem verzweifelten, aber auch einfallsreichen Kampf gegen Hunger und Armut in England vor allem im 17. und 18. Jahrhundert und dem Poor Relief Act von 1601 als dem ersten landesweiten System steuergestützter Wohlfahrtspflege in der Welt, das für hunderttausende Arme dieser Zeit die Überlebenschancen deutlich erhöhte.

 

Innsbruck                                                                              Gerhard Köbler