Gräßler, Florian, War die DDR totalitär? Eine vergleichende Untersuchung des Herrschaftssystems der DDR anhand der Totalitarismuskonzepte von Friedrich, Linz, Bracher und Kielmansegg (= Extremismus und Demokratie 30). Nomos, Baden-Baden 2015. 361 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Nach dem einfühlenden Vorwort der Herausgeber hat die vom Verfasser gestellte Frage die Politikwissenschaft bereits vor dem Zusammenbruch der 1949 entstandenen Deutschen Demokratischen Republik bewegt. Herrschte anfangs die Bejahung vor, so überwog später die Verneinung, sei es wegen des Wandels des Objekts, sei es wegen der Änderung des Zeitgeistes. Nach dem Ende der Diktatur der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands verlor der Gegenstand insgesamt an Bedeutung, so dass dem in Dresden in Politikwissenschaft und Geschichte ausgebildeten Verfasser sehr dafür zu danken ist, dass er sich seiner in der von Eckhard Jesse betreuten, im Juni 2014 von der philosophischen Fakultät der Technischen Universität Chemnitz approbierten, von der Hanns-Seidel-Stiftung geförderten Dissertation erneut und grundsätzlich angenommen hat.

 

Dabei will er auf inzwischen sehr guter Quellenlage vier verschiedene Totalitarismuskonzeptionen auf ein politisches System anwenden und damit Theorie und Regierungslehre verbinden. Seine Vergleichskategorien für die Ermittlung von Stärken und Schwächen betreffen Extension, Intension, Operationalisierung und Erklärungskraft. Nach der Einleitung über Problemstellung, Forschungsstand, Methode und theoretischen Ansatz sowie Aufbau beschreibt er zunächst die vier ausgewählten Totalitarismuskonzepte und das Herrschaftssystem der Deutschen Demokratischen Republik zwischen 1949 und 1989 (SED, Staatsaufbau, Justizsystem, Blockparteien, Ministerium für Staatssicherheit, Sicherheitsorgane, Bildungssystem, Mediensystem, Wirtschaftssystem und Kirchen), ehe er das Herrschaftssystem im Lichte der vier Totalitarismuskonzepte sowie dreier anderer konkurrierender Konzepte sorgfältig und eigenständig analysiert.

 

Im Ergebnis ermittelt er in überzeugender Auseinandersetzung die Einsicht, dass die Deutsche Demokratische Republik nach allen vier Totilitarismuskonzeptionen während der gesamten Zeit der Herrschaft der Sozialistischen Einheitspartei als totalitär anzusehen ist. Eine beachtliche Enttotalisierung kann er demgegenüber zu keiner Zeit feststellen. Sie war erst mit dem Zusammenruch der Diktatur im Jahre 1989 möglich.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler