Die „andere“ Provinz. Kulturelle Auf- und Ausbrüche im Bodenseeraum seit den 1960er Jahren, hg. v. Kempe, Heike (= Kleine Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz 13). UVK, Konstanz 2014. 349 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der den kleinen Bodenseeraum einer Globalentwicklung gegenüberstellende Sammelband geht nach dem Vorwort der in Konstanz als Mitarbeiterin am Arbeitsbereich für Zeitgeschichte über das Thema „Vom metropolen Sein zum provinziellen Sein“ promovierenden Herausgeberin von der gesellschaftlichen Zäsur der späten 1960er Jahre aus, die von Protest, Demonstration und Ruf nach Veränderung geprägt wurden. Den diesbezüglichen Forschungsstand sieht sie ansprechend von Relativierung einerseits und Regionalisierung gekennzeichnet. Auf diesem Weg blieb die von den urbanen Metropolen getrennte ländliche Provinz lange unbeachtet.

 

Dem wollen insgesamt 17 einzelne Studien abhelfen. Sie gliedern sich nach zwei allgemeineren Beiträgen über Authentizität als Selbstbeschreibungskategorie im linksalternativen Milieu und über Provinz als historisches und politisches Problem in drei größere Abschnitte. Sie betreffen politische, soziale und kulturelle Aufbrüche am Ende der 1960er Jahre, (die) Provinz im Wandel und den überregionalen Vergleich, nach dem Gerhard Fürmetz Überlieferung und Erinnerung am Verhältnis zwischen Bewegung und Archiv gegenüberstellt.

 

In diesem Rahmen werden etwa zuerst die Region Boden-Oberschwaben-Westallgäu rund um Konstanz und den Bodensee, die von Ruhe und Ordnung beherrschte Studentenstadt Konstanz, Sankt Gallen. Liechtenstein, Dornbirn und Bregenz betrachtet. Danach werden Bregenzerwald, Allgäu, Radolfzell und die Vernetzung des alternativen Milieus in und um Konstanz in den Blick genommen. Mittels dreier Vergleiche mit Trient und Bozen in Norditalien, mit der neuen Frauenbewegung in Granz und mit dem Starnberger Schülerstreik vom 5. März 1970 wird die überregionale Einbettung versucht, so dass insgesamt ein vielfältiges Bild der verändernden Auswirkungen einer großen globalen Erscheinung auf einen kleinen mitteleuropäischen Raum geschaffen wird, den ein Personenregister und ein Ortsregister benutzerfreundlich aufschließen.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler