Von der religiösen zur säkularen Begründung staatlicher Normen. Zum Verhältnis von Religion und Politik in der Philosophie der Neuzeit und in rechtssystematischen Fragen der Gegenwart, hg. v. Siep, Ludwig/Gutmann, Thomas/Jakl, Bernhard/Städtler, Michael. Mohr (Siebeck), Tübingen 2012. X, 336 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Verwendung besonderer öffentlicher Mittel bedarf besonderer öffentlicher Rechtfertigung. Dies gilt insbesondere für Exzellenzcluster und damit verknüpfte Forschungsprojekte. Aus diesem Grunde fand in Münster vom 22. bis 24. Oktober 2009 eine Tagung des Exzellenzclusters Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne statt, die einer gemeinsamen Fragestellung der Forschungsprojekte Normenbegründung im pluralistischen Staat (Thomas Gutmann) und der Staat als weltliches Absolutes in der politischen Philosophie der Neuzeit (Ludwig Siep) galt, deren Beiträge der vorliegende Band der Allgemeinheit zugänglich macht.

 

Vereint sind dabei insgesamt dreizehn Studien. Dabei legt nach einer ausführlichen Einleitung der vier Herausgeber Robert Audi (University of Notre Dame) die säkularen und religiösen Grundlagen normativer Standards dar und behandelt in diesem Zusammenhang Liberalismus, Naturalismus und Rationalismus in der politischen Philosophie. Dem schließen sich je drei philosophisch-historische Perspektiven und rechtssystematische Perspektiven an, wobei jeweils zwei Beiträger sich mit einem Gegenstand befassen, so dass sehr konkrete ansprechende Diskussionsmöglichkeiten entfaltet werden.

 

Philosophisch-historisch geht es um Naturrecht, positives Gesetz und Herrscherwille bei Thomas von Aquin und Wilhelm von Ockham, um Staatssouveränität und unveräußerliche Grundrechte bei Thomas Hobbes und John Locke sowie um Vernunftrecht und Geschichte bei Immanuel Kant und Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Rechtssystematisch werden die Fragen gestellt, was der liberale Rechtsstaat schützt, wie absoluter Grundrechtsschutz und interaktive Grundrechte zueinander stehen und ob sich aus der Tradition der Grund- und Menschenrechte Normenbegründung als Lernprozess verstehen lässt. Im Ergebnis besteht Einigkeit darüber, dass der allgemeine Rechtsstaat in einem Spannungsverhältnis zur besonderen Anschauung steht, das der intensiven interdisziplinären Diskussion bedarf, wie sie der gehaltvolle, eines aufschließenden Sachregisters freilich entbehrende Band eindringlich vor Augen führt.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler