Schmidt, Sarah-Lena, Der Frankfurter Wachensturm von 1833 und der Deutsche Bund. Deutungen in verfassungsrechtlichem Kontext. Kovač, Hamburg 2011. 310 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

„Um halb zehn Uhr abends zeigten sich Haufen Bewaffneter an der Haupt- und Constablerwache und drangen plötzlich, indem sie zugleich die ausstehenden Posten niederschossen, gleichzeitig ein, so dass es dem Militär unmöglich war, sich zu entwickeln und aufzustellen“, mit diesen Worten beginnt der Bericht des Gesandten der freien Stadt Frankfurt am Main über den 3. April 1833, der in der Deutschen Bundesversammlung einen Tag später vorgelesen wurde. Damit wird eines der Aufsehen erregenden Ereignisse im Deutschen Bund beschrieben, in dem wie im Wartburgfest, im Hambacher Fest, dem Protest der Göttinger Sieben und den revolutionären Geschehnissen des Jahres 1848 liberale Ideen zum Ausdruck gebracht wurden, welche die herrschenden Kräfte während der übrigen Zeit unter Kontrolle hielten. Mit diesem Frankfurter Wachensturm befasst sich die von Bernd Kannowski betreute, im Sommersemester 2011 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Freiburg im Breisgau angenommene Dissertation, deren Umschlag die Vorgänge durch einen Farbholzschnitt François Georgins (1833) aus dem Historischen Museum Frankfurt veranschaulicht.

 

Gegliedert ist die zahlreiche Zeitungsberichte und andere Quellen auswertende Arbeit nach einer Einleitung über Verfassung, Verfassungsgeschichte und Verfassungsgeschichtsschreibung in acht Abschnitte. Sie folgen ansprechend im Wesentlichen chronologisch aufeinander. Dementsprechend werden nach der Schilderung des Wachensturms und seiner Wirkungen die Zeitgenossen, die Wissenschaft im Deutschen Bund, die Geschichtsschreibung von 1871 bis 1914, der Weimarer Republik (samt Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft), der frühen Bundesrepublik, der mittleren Bundesrepublik und der marxistisch-leninistischen Perspektive der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik befragt.

 

Überzeugend kann die Verfasserin zeigen, dass die verfassungspolitische Ausrichtung der betreffenden Autoren Deutung und Einschätzung beeinflusst. Insbesondere im 19. Jahrhundert und in der Deutschen Demokratischen Republik wird dem Vorgang größere Bedeutung zugemessen. Dagegen stehen die fehlende Beteiligung bedeutender Männer, die  geringen Mittel, der gewalttätige Charakter und das rasche Scheitern dem liberalen, demokratischen Verständnis in der Bundesrepublik Deutschland eher entgegen, bis mit Hilfe der Medien der Wachensturm in der populären Erinnerung zu einem würdigen Ereignis und Teil einer Tradition wird.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler