Gewalt der Archive. Studien zur Kulturgeschichte der Wissensspeicherung, hg. v. Weitin, Thomas/Wolf, Burkhardt. konstanz university press, Konstanz 2012. 410 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das Gedächtnis begründet die Überlegenheit des Menschen über andere Lebewesen. Seine ausgedehnten Möglichkeiten haben ihn Sprache, Schrift, Druck, Elektrizität und Elektronik erahnen, erfinden und beherrschen lassen. Vor allem mit der Schrift ergab sich auch die Frage der Speicherung des auf leicht verderblichem Stoff festgehaltenen Wissens, die im Zeitalter der Elektronik völlig neue, bisher kaum vorstellbare Möglichkeiten und Schwierigkeiten birgt.

 

Das vorliegende Buch ist nach dem Vorwort seiner Herausgeber aus mehreren Arbeitstreffen des Netzwerks Gewalt der Archive zwischen Ende 2007 in Berlin und Herbst 2009 in Neapel hervorgegangen. Es ist durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft großzügig finanziert worden. Es geht von der Vorstellung aus, dass Archive auf der Ebene der Selektion, der Klassifikation und der Disposition eine ebenso konservatorische wie generative Funktion haben, denen je eine spezifische Gewaltsamkeit (und damit Gewalt?) eigen ist.

 

Gegliedert ist das vielfältige Fragen anschneidende, 16 Beiträge umfassende Sammelwerk in die vier Abschnitte Archive des Raumes (Neapel, Archiv als Rüstkammer, Schiffbruch mit Bergung, Archive und Geschichten des Deutschen Ostens), Politiken des Archivs, Archive des Menschen und Operationen des Archivs. Behandelt werden ältere Zeitabschnitte ebenso wie der Linkspeicher Google. Neben einem Namenregister schließt ein zweiseitiges Sachregister von Ancien Régime bis You Tube die vielfältigen Einzelerkenntnisse des interessanten, das kulturelle Gedächtnis mit der spezifischen Gewaltsamkeit der Archive ansprechend verknüpfenden Sammelbandes hilfreich auf.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler