Jesse, Eckhard, Systemwechsel in Deutschland. 1918/19 - 1933 - 1945/49 - 1989/90, 2. Aufl. Böhlau, Köln 2011. 280 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der in Wurzen 1948 als Sohn eines Volksschulrektors geborene, 1958 mit seinen Eltern die Deutsche Demokratische Republik verlassende, nach einer Verwaltungslehre und dem Erlangen des Abiturs auf dem zweiten Bildungsweg als Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung von 1971 bis 1976 Politikwissenschaft und Geschichte an der Freien Universität Berlin studierende Verfasser wurde 1982 auf Grund einer Dissertation über die Gestaltung des Wahlrechts in der Bundesrepublik Deutschland promoviert. Dem folgte 1989 die Habilitation über Streitbare Demokratie in der Bundesrepublik. Seit 1993 ist der Verfasser Professor für politische Systeme, politische Institutionen an der Technischen Universität Chemnitz.

 

Selbst der professionelle Politikwissenschaftler stellt fest, dass der führende Vertreter seines Faches 1987 keinerlei Anzeichen für eine Systemkrise in den kommunistischen Staaten ausgemacht habe. Das Ende 1990 kam so überraschend wie umfassend, wobei zwar die fehlende Legitimität des Systems bekannt war, die mangelnde Stabilität dagegen nicht. Ein solcher Vorgang muss das Interesse des Politikwissenschaftlers gewissermaßen von selbst herausfordern.

 

Dementsprechend befasst sich der Autor des in kurzer Zeit zum zweiten Mal aufgelegten Werkes zunächst mit der Systemwechselforschung als solcher und danach mit den bekannten vier deutschen Systemwechseln, wobei er stets Rahmenbedingungen und Ursachen, Verlauf und Phasen sowie Ergebnisse und Folgen sorgfältig ermittelt und eingängig darstellt. Danach wendet er sich dem Vergleich der Systemwechsel zu und fügt drei bekannten Systemvergleichen einen neuen Systemvergleich (Vereinigtes Deutschland als neue oder erweiterte Republik?) hinzu und gelangt schließlich zur Erkenntnis, dass historische Gesetzmäßigkeiten nicht bestehen und Geschichte offen ist.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler