Reichel, Thomas, „Sozialistisch arbeiten, lernen und leben“. Die Brigadebewegung in der DDR (1959-1989). Böhlau, Köln 2011. 394 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Christoph Kleßmann betreute, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft von 1998 bis 2001 im Zusammenhang der Arbeitsgruppe Herrschaft und Eigen-Sinn in der Diktatur - Studien zur Gesellschaftsgeschichte der DDR am Zentrum für zeithistorische Forschung in Potsdam geförderte, 2008/2009 von der philosophischen Fakultät der Universität Potsdam angenommene Dissertation des früher an diesem Zentrum als wissenschaftlicher Mitarbeiter und danach in der historisch-politischen Bildungsarbeit tätigen Verfassers. Nach einer Einleitung zu Thema und Fragestellung, Forschungsstand und Quellen (vor allem Zentralakten) sowie Begriffserklärung und Kapitelgliederung folgen sieben Kapitel. Sie beginnen mit der Vorgeschichte und der Entwicklung bis 1958.

 

Dem folgt zunächst die anschließende Inszenierung der Kampagne samt den Reaktionen der Arbeiterschaft. Vertieft behandelt wird die „Syndikalismus“-Affäre der Jahre 1960 und 1961 einschließlich des Einflusses bundesrepublikanischer Medien. Nach einer Stagnation bis zur Mitte der sechziger Jahre gelingt ein neuer Aufschwung, nach dem unter Erich Honecker alles seinen sozialistischen Gang geht, in dessen Rahmen blendende Statistiken vorgelegt werden können. Im Anschluss hieran geht der Verfasser näher auf die Frage ein, ob die Arbeiterjugend als Avantgarde der Brigadebewegung angesehen werden kann.

 

Im Ergebnis bietet der Verfasser eine verlässliche Gesamtdarstellung der Brigadebewegung, die stets dem Vorrang der Machtsicherung der Partei gegenüber den Arbeitnehmerinteressen verhaftet war. Dadurch kann er anschaulich zeigen, dass am Ende mit 5,5 Millionen Werktätigen in rund 300000 Brigaden etwa drei Viertel der Arbeiter und Angestellten am Wettbewerb um den Titel „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ teilnahmen und dadurch (bis zum Oktober 1989) in gewisse Loyalität zum System traten. Auf dieser gefestigten Grundlage zur Sozialgeschichtsschreibung der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik sind Vertiefungen in Einzelfragen weiterhin möglich.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler