Die Vorlesungen der Berliner Universität 1810-1834 nach dem deutschen und lateinischen Lektionskatalog sowie den Ministerialakten, hg. v. Virmond, Wolfgang. Akademie, Berlin 2010. 780 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die in Berlin 1810 eröffnete Universität hat ihre Vorlesungen, Repetitorien, Examinatorien, praktischen Übungen, Exkursionen, Seminare, Sprachkurse u. s. w. regelmäßig in gedruckten deutsch-lateinischen Lehrveranstaltungsverzeichnissen (Lektionskatalogen) öffentlich bekannt gemacht. Von insgesamt 10389 bis einschließlich 1834 in dieser Weise angekündigten Lehrveranstaltungen wurden vermutlich 2789 (also mehr als 25 Prozent) nicht durchgeführt, während umgekehrt wohl 273 durchgeführte Lehrveranstaltungen nicht vorher angekündigt wurden. Wolfgang Virmond, in Berlin 1978 mit der germanistischen Dissertation über Hermann Botes Eulenspiegelbuch und seine Interpretation (1981) promoviert, hat sich als Folge seiner Befassung mit dem Nachlass Friedrich Schleiermachers mit den Akten über die Vorlesungen befasst und als privates Unternehmen mit verschiedentlicher öffentlicher Unterstützung ein umfangreiches, sehr interessanten Nachschlagewerk geschaffen.

 

Es zeigt etwa für das Wintersemester 1810/1811, wie in der den theologischen Wissenschaften folgenden und der Heilkunde, den philosophischen Wissenschaften, den mathematischen Wissenschaften, den Naturwissenschaften, den kameralistischen Wissenschaften, den schönen Künsten, den historischen Wissenschaften, der Altertumskunde, den philologischen Wissenschaften, den neueren Sprachen und Literatur sowie den öffentlichen gelehrten Anstalten vorausgehenden Rechtswissenschaft Professor Schmalz vor Anfang der Vorlesungen öffentlich vor 50 Hörern über die gegenwärtige Lage der Jurisprudenz in Deutschland und die Methode ihres Studiums las, das europäische Völkerrecht, allgemeines und positives Staatsrecht der europäischen Reiche sowie Deutsches Recht, besonders Handels- See- und Wechselrecht vortrug, Professor von Savigny vor 46 Hörern Institutionen - Geschichte und Altertümer des römischen Rechts sowie öffentlich das Pfandrecht, Prof. Biener das Kriminalrecht mit Kriminal-Prozess lehrten und Schmedding Grundsätze des Kirchenrechts nach Wiesius ankündigte. In dieser Art lässt sich der Lehrbetrieb an Hand dieses Verzeichnisses sehr anschaulich bis 1834 verfolgen. Damit wird eine Fülle von bisher weitgehend verschlossenen Einzelheiten leicht greifbar.

 

In der Einleitung führt der Bearbeiter vorzüglich in sein Werk ein und bietet hilfreiche praktische Benutzungshinweise. Im Anhang verzeichnet er die für die Edition ausgewerteten Dokumente, die Quellen zur Gestaltung der Vorlesungsankündigungen und der Lehre durch das Ministerium, die Seminarreglements, das Verzeichnis der in den Katalogen genannten Literatur, in dem zwar Schmalz gut vertreten ist, aber Savigny anscheinend fehlt und ein Verzeichnis der Dozenten und ihrer Lehrveranstaltungen. Jeder Nutzer kann sich nur wünschen, dass die Arbeit fortgeführt und außerdem in gleicher Weise auf alle Universitäten bis zum Übergang in das digitale Zeitalter erstreckt wird, wofür freilich sehr viele Kräfte und Mittel zur Verfügung stehen und mit gleichem Fleiß und gleicher Sorgfalt verwendet werden müssten.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler