Rechtsgeschichte

Österreich in Bayern, Deutschland und Europa – (122 S. 20151001)

 

Europäische Union 2015 (28 Mitglieder)

(Norwegen, Island, Schweiz, Liechtenstein, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Serbien,

Albanien,Kosovo, Makedonien, Russland, Weißrussland, Ukraine, Moldawien sowie Türkei,

Afrika und Vorderasien weiß bzw. teilweise grau)

2. A. 2015

 

in den Epochen

Frühe Neuzeit (1501-1800)

Altertum (bis 500 n. Chr.)

Neunzehntes Jahrhundert (1801-1900)

Frühmittelalter (500-1000)

Frühes zwanzigstes Jahrhundert (1901-1945)

Hoch- u. Spätmittelalter (1000-1500)

Auf dem Weg nach Europa (1945-Gegenwart)

 

In den Sachgebieten

Politik (1), Wirtschaft (2), Gesellschaft (3), Geistesgeschichte (4)

Recht (5 ff.), Rechtsquellen (5), Rechtsidee (6)

öffentliches Recht (7 ff.)

privates Recht (13 ff.)

     Verfassungsrecht (7)

     Allgemeines (13)

     Verwaltungsrecht (8)

     Schuldrecht (14)

     Verfahrensrecht (9)

     Sachenrecht (15)

     Strafrecht (10)

     Familienrecht (16)

     Europarecht (11)

     Erbrecht (17)

     Völkerrecht (12)

     Sonderprivatrecht (18)


Inhaltsverzeichnis

Einführung

Altertum (vor etwa 500 n. Chr.

Frühmittelalter (500-1000)

Hochmittelalter und Spätmittelalter (1001-1500)

Frühe Neuzeit (1501-1789/1806)

Neunzehntes Jahrhundert

Zwanzigstes Jahrhundert (erste Hälfte)

Die Staaten auf dem Wege nach Europa seit 1945

Anhang Austriaca (Zusammenfassung wichtiger Einzeldaten)

 


Einführung

Das Recht ist ein Mittel des grundsätzlich egoistischen Menschen zur möglichst gewaltfreien Bewältigung seines Zusammenlebens mit seinen Mitmenschen. Es besteht aus einer bisher ständig wachsenden Zahl von einzelnen Sätzen (Geboten und Verboten). Es hat wie jede andere in der Zeit vorhandene Gegebenheit eine Geschichte von den unbekannten Anfängen vor Tausenden von Jahren bis zur jeweiligen Gegenwart (Geschichte des Rechtes bzw. Rechtsgeschichte) und darüber hinaus auch eine in der jeweiligen Gegenwart noch nicht genau bekannte Zukunft.

Weil sich mit Hilfe des Wissens über die Herkunft die Gegenwart besser verstehen und einordnen und auch die Zukunft leichter abschätzen lässt, gibt es für die Studierenden der Rechtswissenschaft eine besondere Lehrveranstaltung Rechtsgeschichte. Sie ist in der Gegenwart eine Pflichtlehrveranstaltung. Sie kann bzw. muss mit einer eigenen Fachprüfung erfolgreich abgeschlossen werden.

Da nicht nur jeder Studierende, sondern auch jeder Prüfer ein Individuum ist, möchten die meisten Studierenden nur den Stoff lernen, der zum Bestehen der Prüfung erforderlich ist. Demgegenüber erwarten die meisten Prüfer von den Prüflingen möglichst viel Wissen, das gerade sie für wichtig halten. Obwohl in der Theorie jedes Fach eigentlich einen zu ihm gehörigen unstreitigen Stoff hat, lässt sich dementsprechend in der Praxis von dem einzelnen Studierenden nicht genau abschätzen, welche Frage er in seiner individuellen Prüfung erhalten wird und welche Antwort dem Prüfer in der konkreten Situation genügen oder sogar gefallen wird.

Diese Problematik ist so alt wie das Studium und die seinem Erfolgsnachweis dienende Prüfung. Sie lässt sich grundsätzlich nicht lösen, weil die Öffentlichkeit von den Prüfern eine möglichst gute Ausbildung der Prüflinge erwartet und dementsprechend die Prüfer hohe Anforderungen an Wissen und Fähigkeiten ihrer Prüflinge stellen (müssen, sollen, können, dürfen oder wollen). Ihnen können nicht alle Studierenden, die im Übrigen ja nicht rechtsgeschichtliche Professoren, sondern praktische Juristen werden wollen, in gleich guter Weise gerecht werden und die jeweils relativ schlechtesten werden auch bei einem idealen Prüfer scheitern (müssen).

Um den Studierenden gleichwohl eine Hilfe auf ihrem schwierigen Weg zu bieten, kann jeder Lehrer im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit im offenen Wettbewerb mit anderen Lehrern Studierenden einen ihm geeignet erscheinenden Wegweiser zur Verfügung stellen. Sein wesentlicher Kern muss die geschichtliche Grundlage des geltenden Rechtes sein. In diesem Zusammenhang kann eine möglichst systematische Gestaltung über die Vermittlung notwendigen Wissens hinaus auch die Gewinnung grundsätzlichen Wissenschaftlichkeitsverständnisses erleichtern.

Die über die jeweils eigene Erfahrung hinausgehende bewusste Beschäftigung mit der Geschichte des Rechtes begann dabei in Anfängen im 17. und 18. Jahrhundert (Urkundenlehre, Reichshistorie, gemeines deutsches Privatrecht). Unter Maria Theresia (1740-1780) wurde dementsprechend in Österreich 1752 die Reichs- und Staatengeschichte als ein besonderes Studienfach anerkannt. Dieses wurde aber 1810 in einer Studienreform in Zusammenhang mit dem geplanten, auf der Idee des zeitlosen  und damit geschichtsfreien Naturrechts beruhenden Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) der Jahre 1811/1812 wieder beseitigt.

Im Gegensatz zu dieser österreichischen Einschränkung vertrat Friedrich Carl von Savigny (1779-1861) 1814 die Ansicht, dass es kein dem Menschen vorgegebenes, zeitloses, natürliches Recht (Naturrecht) gebe, sondern jedes Volk allmählich sein eigenes nationales geschichtliches Recht entwickele (historische Rechtschule). Österreich folgte dem nach dem gescheiterten Versuch einer Revolution (1848) in der Studienreform des Ministers Leo Graf Thun-Hohenstein im Jahre 1855. Sie sah zwecks Verringerung der Gefahr weiterer künftiger Revolutionen als Lehrveranstaltungen der Rechtswissenschaften im ersten (rechtshistorischen) Studienabschnitt römisches Recht, Kirchenrecht, deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte und deutsche Privatrecht vor.

Auf dieser Grundlage wurde 1893 das Fach österreichische Reichsgeschichte geschaffen. Dem folgte 1935 das Fach Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte und 1978 das Fach Rechtsgeschichte Österreichs (und Grundzüge der europäischen Rechtsentwicklung). Unter dem Namen Rechtsgeschichte hat es in stundenmäßig verringertem Umfang (außer im Innsbrucker Studium des Rechts der Wirtschaft und an der Wirtschaftsuniversität Wien) noch in der Gegenwart Bestand.

Leichter verstehen lässt sich der umfangreiche Stoff der Geschichte des Rechtes wie alles Geschehene am einfachsten in einer zeitlichen Gliederung. Dabei kann man mit der allgemeinen Geschichte Altertum, Mittelalter (Frühmittelalter einerseits sowie Hochmittelalter und Spätmittelalter andererseits) sowie Neuzeit (16.-18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert und das nochmals in zwei Hälften untergliederbare 20. Jahrhundert) unterscheiden. Jede der drei Epochen oder sieben zeitlichen Abschnitte lässt sich (jeweils horizontal) in knapp 20 einzelne Sachgebiete gliedern.

Dafür bieten sich etwa als vier allgemeine außerrechtliche Grundlagen des Rechtes Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Geistesgeschichte sowie als zwei rechtliche Grundlagen Rechtsquellen und Rechtsidee an. Das Recht lässt sich dann in öffentliches Recht oder Publikrecht (vor allem Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Strafrecht, Europarecht, Völkerrecht) und privates Recht bzw. Privatrecht (hauptsächlich Personenrecht, Schuldrecht, Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht und Sonderprivatrecht wie Handelsrecht, Arbeitsrecht, Urheberrecht) entsprechend den in der Gegenwart anerkannten Einzelsachgebieten wie Einzelrechtsgebieten einteilen. Dabei ist aber zu beachten, dass diese Rechtsgebiete als solche nicht von Anfang an bestehen bzw. bewusst sind, sondern allmählich geschichtlich gewachsen bzw. verselbständigt worden sind.

Wichtigster örtlicher Bezugspunkt ist in diesem Rahmen in (dem in der Gegenwart bestehenden Einzelstaat) Österreich trotz aller geschichtlichen Einbindungen in Bayern, Deutschland, Europa und die gesamte Welt Österreich selbst. Sein Ausgangspunkt ist das nach Kelten und Römern von dem Volk der Bayern in dem 6./7. Jahrhundert eingenommene Gebiet an der mittleren Donau. Seit 976 finden sich dort Grafen (Markgrafen) einer Mark an der Donau aus dem wohl aus Bamberg am Main kommenden Geschlecht der Babenberger.

In dieser Mark wird ziemlich beiläufig in dem Jahre 996 ein Ostarrîhhi (Ostreich, Ostgebiet) in einer Urkunde Kaiser Ottos III. für den Bischof von Freising als ein kleines, nicht sicher eingrenzbares Gebiet um Neuhofen an der Ybbs in dem heutigen Bundesland Niederösterreich erstmals genannt. 1156 wird nach einem politischen Streit zwischen dem Königsgeschlecht der Staufer und dem rivalisierenden, 1138 bei der Königswahl nicht zum Zuge gekommenen und danach vom neuen staufischen König geschädigten Herzogsgeschlecht der Welfen zwecks politischer Lösung des Streitfalls ein eigenes Herzogtum Österreich (Austria) für das von den Staufern zunächst begünstigte verwandte Geschlecht der Babenberger geschaffen. Dadurch entsteht ein von dem übrigen Gebiet der Bayern abgetrenntes neues Land.

Zu diesem Herzogtum Österreich kommt noch unter den Babenbergern 1186/1192 das 1180 gebildete Herzogtum Steiermark. Nach dem Aussterben der Babenberger im Mannesstamm (1246) gelangt dieses neue Land über die Erbtochter an König Ottokar von Böhmen. 1278 besiegt und tötet der deutsche König Rudolf I. von Habsburg Ottokar von Böhmen in der Schlacht auf dem Marchfeld und gibt das damit frei gewordene Österreich 1282 seinen Söhnen zu Lehen.

Die (damit 1282 den Babenbergern folgenden) Habsburger erlangen dann zu Österreich und der Steiermark 1335 Kärnten und (die) Krain sowie 1363 Tirol (Herrschaft zu Österreich) und dehnen durch erfolgreiche Heiratspolitik ihre Herrschaft 1477 auf Burgund, 1516 auf Spanien (mit Kolonien in aller Welt) sowie 1526 auf Ungarn und Böhmen aus (Haus Österreich bzw. casa d‘Austria bzw. maison d‘Autriche). Sie teilen aber spätestens mit dem Tode Kaiser Karls V. (1558) in eine österreichische Linie und eine 1700 ausgestorbene spanische Linie, deren beschränkte oberitalienische Güter nach einem Erbfolgekrieg 1713 an die österreichische Linie fallen.

Die zum Heiligen römischen Reich gehörigen Länder der Habsburger heißen österreichische Länder oder österreichische Erbländer. Sie werden auch zeitweise unterteilt in die niederösterreichischen Länder (Österreich unter der Enns mit Wien und Österreich ob der Enns), die innerösterreichischen Länder (Steiermark mit Graz, Kärnten und Krain) und die oberösterreichischen Länder (Tirol mit Innsbruck, Vorlande mit nicht geschlossenen Gebieten in Vorarlberg und Südwestdeutschland). Die eine monarchische Union von Ständestaaten bildenden österreichischen Erblande werden im 18. Jahrhundert als österreichische Monarchie (Monarchia Austriaca) bezeichnet.

Am 11. August 1804 nimmt der habsburgische Kaiser (des Heiligen römischen Reiches) Franz II. innerhalb des Heiligen römischen Reiches ohne unmittelbare Auswirkung auf seine Stellung als gemeinsamer Landesfürst seiner Länder zusätzlich zu seinen vielen Herrschaftstiteln über die einzelnen Länder (wie König von Böhmen, Erzherzog von Österreich, Graf von Tirol u. s. w.) aus Sorge um den künftigen Verlust der Stellung als Kaiser des Heiligen römischen Reiches für sein trotz der frühneuzeitlichen Reformation katholisch gebliebenes Geschlecht den Titel Kaiser von Österreich an. Im April 1848 entsteht daraus das Kaisertum Österreich und 1867 die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn mit dem amtlichen Namen „die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder“ für die österreichische Reichshälfte im Gegensatz zur ungarischen Reichshälfte (bis 1915). Die am Ende des ersten Weltkriegs am 30. Oktober 1918 aus den verbleibenden deutschsprachigen Teilen geschaffene Republik nennt sich in der Hoffnung auf Anschluss an das Deutsche Reich zunächst freiwillig Deutschösterreich, nach dem den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich aber im Interesse der alliierten Siegermächte ausschließenden Staatsvertrag („Friedensvertrag“) von Saint Germain notgedrungen Republik Österreich.

Rechtserkenntnisquellen sind während dieses langen und wechselvollen geschichtlichen Weges Österreichs zwischen 996 und der Gegenwart alle eine Erkenntnis über das (in der Geschichte) jeweils geltende Recht ermöglichenden Quellen (z. B. auch Zeitung, mündliche Mitteilung). Rechtsgeltungsquellen sind demgegenüber (nur) alle Quellen, die geltendes Recht hervorbringen können wie Gesetz (von dem zuständigen Organ gesetztes Recht), Gewohnheitsrecht (von der Allgemeinheit durch langjährige Übung mit Rechtsgeltungsüberzeugung gebildetes Recht) und zumindest im angloamerikanischen Gebiet auch Fallentscheidungen der Gerichte (Fallrecht) bzw. Richterrecht. Im Laufe der Zeit tritt das anfangs vorherrschende, von der Allgemeinheit geschaffene  Gewohnheitsrecht hinter dem gesetzten, d. h. durch einen bewussten Setzungsakt eines von der Allgemeinheit grundsätzlich verschiedenen einzelnen Gesetzgebers (z. B. Reichstags, Parlaments, Nationalrats und Bundesrats) geschaffenen Recht fast vollständig zurück.

 

Ältere Rechtsgeschichte (Von den Anfängen bis etwa 1500)

Altertum (vor etwa 500 n. Chr.)

Das erste namentlich bekannte Volk mit einer Hochkultur sind wohl die nach dem Gebiet von Sumer im südlichen Mesopotamien (Irak zwischen Bagdad und persischem Golf) benannten Sumerer des dritten vorchristlichen Jahrtausends, die bereits Städte, Gesetze und Schrift (aber noch kein Geld) kennen. Vielleicht noch zeitgleich mit ihnen dürfte nördlich von ihnen zwischen Indien und Europa bzw. Germanien ein namentlich unbekanntes, von Ackerbau und Viehzucht lebendes, von der Wissenschaft seit dem 18. Jahrhundert aus vielen späteren Sprachen erschlossenes Volk bestehen. Es wird von der Wissenschaft (nachträglich) als Indogermanen (oder auch Indoeuropäer) bezeichnet, hatte keine Städte, keine Schrift und kein Geld, aber wohl Gewohnheiten und vielleicht auch (ein) Gewohnheitsrecht.

Diese Indogermanen lösen sich seit dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend in Einzelvölker auf. Dadurch entstehen die Inder, Iraner, Griechen, Römer, Kelten, Germanen und Slawen sowie zahlreiche andere europäische und außereuropäische Völker mit jeweils eigenen Sprachen. Diese sind untereinander verwandt, doch ist diese Verwandtschaft dem Laien meist nicht mehr erkennbar.

 

Bedeutsam für das Recht sind von ihnen vor allem die in der Landschaft Latium am Tiber um die angeblich 753 v. Chr. durch Romulus gegründete Stadt Rom siedelnden Römer. Sie gehen 510 v. Chr. unter Vertreibung ihrer (etruskischen) Könige zur Republik (res publica öffentliche Sache) über und zeichnen nach Erkundungen bei den Griechen bereits in den Jahren 451/450 v. Chr. ihr Recht in ihrer lateinischen Sprache auf zunächst zehn, dann auf 12 Tafeln auf (Zwölftafelgesetz). Sie haben Städte mit einer blühenden Schriftkultur und Geldwirtschaft sowie vielen anderen Errungenschaften (einschließlich vielen in Kriegen gewonnenen Sklaven) und erobern mit ihren Heeren allmählich den gesamten Raum um das Mittelmeer zwischen Spanien und Persien, Nordafrika, Donau und den britischen Inseln samt den an sich eher unwirtlichen, weil steinigen und im Winter mit Schnee bedeckten Alpen (15 v. Chr., z. B. Veldidena Wilten bei Innsbruck, Vindobona Wien).

Sie bilden auf der Grundlage des Zwölftafelgesetzes der Jahre 451/450 v. Chr. mittels Auslegung wohl anfangs durch Priester eine Jurisprudenz (Rechtsklugheit) aus. Rechtskundige (iurisperiti oder iurisprudentes) beraten auf dem Forum (Marktplatz) grundsätzlich jeden Rechtsuchenden in den verschiedensten streitigen Einzelfragen. Aus dieser Jurisprudenz entsteht eine zwischen dem dritten vorchristlichen Jahrhundert und dem dritten nachchristlichen Jahrhundert blühende umfangreiche Rechtsliteratur (z. B. Institutionen des Gaius um 160 n. Chr.) zu verallgemeinerten Einzelfällen (Fallrecht), die auch bereits eine grundsätzlich mögliche Unterscheidung von öffentlichem oder publikem Bereich (ius publicum) und privatem Bereich (ius privatum) andeutet.

Seit Gaius Julius Caesar (100-44 v. Chr.) und seinem Großneffen Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) wird die römische Republik zum monokratisch geführten Prinzipat und später zum Dominat des Kaisers als Herr und Gott. Die Kaiser (Name Caesar als Titel) erlassen in der Folge viele Anweisungen und Festsetzungen (constitutiones, Konstitutionen, Singular constitutio). Sie werden nach dem Untergang der Jurisprudenz seit dem 3. nachchristlichen Jahrhundert die wichtigste Quelle des römischen Rechtes.

Seit 84 n. Chr. schützen sich die Römer gegen die von Norden nach Süden drängenden Germanen durch einen Grenzwall (Limes). Er verläuft längs der Donau und östlich des Schwarzwalds parallel zum Rhein auf rund 550 Kilometern etwa von Regensburg bis nach Koblenz. Ohne vollständige Undurchlässigkeit hält er die Völker der Germanen bis 375 n. Chr. außerhalb des römischen Reiches, wobei aber einzelne Germanen als Söldner im römischen Heer oder als Sklaven in der römischen Gesellschaft dienen.

Von ihrer älteren, viele Götter und Göttinnen aufweisenden Religion wechseln die Römer allmählich zu dem von Jesus Christus in Palästina um 30 n. Chr. begründeten monotheistischen, bald von einem Papst in Rom geführten Christentum über. Dieses wird 380 n. Chr. Staatsreligion. Wegen seiner zahlreichen Anhänger entwickelt es in deutlicher Abhängigkeit vom weltlichen römischen Recht viele Rechtsregeln durch Beschlüsse von Zusammenkünften (Konzilien) und Entscheidungen der Päpste in Rom in lateinischer Sprache (kirchliches Recht, kanonisches Recht, Kirchenrecht).

Seit dem 4. Jh. n. Chr. verliert das römische Weltreich aus nicht wirklich klaren Gründen (zu viel Zivilisation und Zwang?) an innerer Lebenskraft. Wegen seiner Größe wird es während dieser Entwicklung in einen westlichen Teil um Rom (Westrom) und einen östlichen Teil um Konstantinopel (Ostrom, später Byzanz bzw. Istanbul an der Grenze zwischen Europa und Asien) gegliedert. Nach Überwindung des Limes durch Germanen (seit 260 n. Chr. bzw.) in der 375 beginnenden Völkerwanderung endet 476 n. Chr. die Herrschaft des römischen Kaisers im Westen (Westrom).

In dem weiter bestehenden Ostrom (Konstantinopel) lässt zwischen 527/528 und 534 der vom Bauernsohn aufgestiegene Kaiser Justinian (527-565) das römische Recht der vorangegangenen Jahrhunderte in einer Kompilation restaurieren. Er sammelt die Jurisprudenz (Literatur der römischen Rechtskundigen) in 50 Büchern Digesten (lateinisch, Durchgearbeitetes, 533) oder Pandekten (griechisch, Allesumfassendes) sowie die kaiserlichen Konstitutionen (Festsetzungen bzw. Gesetze der Kaiser) in 12 Büchern Konstitutionen (Codex, erste Fassung 529, zweite Fassung 534) und lässt (533) ein Einführungslehrbuch (Institutionen) nach dem Vorbild des Rechtskundigen Gaius (um 160 n. Chr.) erarbeiten. Hauptsächlich durch ziemlich wenige Handschriften dieser drei Werke und der zusätzlichen, seit 534 zumindest auch in griechischer Sprache erlassenen Novellen (neuen d. h. späteren Konstitutionen) Justinians bleibt römisches Recht trotz langer Zeit in geschichtlichem Dunkel in großem Umfang den anschließenden Zeiten bis zur Gegenwart erhalten.

Seine inhaltliche Aufschließung ist Gegenstand eines eigenen, aus der gesamten Rechtsgeschichte im praktischen Studienbetrieb ausgesonderten Studienfachs (Römisches Recht). Über dieses ist eine eigene Fachprüfung abzulegen. Durch sie soll der Nachweis erbracht werden, dass der Studierende auch die Teile des geltenden Rechtes kennt und versteht, die inhaltlich aus dem römischen Recht stammen (z. B. Kauf, Eigentumsherausgabeanspruch, Testament und vieles andere).

 

Die Germanen sind die nördlich der Römer und ihres Limes sitzenden etwa 50 Völker germanischer Sprache. Sie leben von Ackerbau und Viehzucht. Sie kennen keine Städte, kein Geld und kaum eine Schrift.

Über sie berichten deshalb nur die römischen Schriftsteller Caesar (um 50 v. Chr.) und Tacitus (um 100 n. Chr.), deren Zeugnisse aber tendenziös sein dürften, etwas ausführlicher. Daneben gibt es archäologische Funde (z. B. Moorleichen, Hausgrundrisse, Einritzungen), die auch Schriftzeichen nach einem römischen Vorbild (Runen) in geringem Umfang umfassen. Im Übrigen besteht nur die Möglichkeit der Rückschlüsse aus der jüngeren Überlieferung des Mittelalters, die eine wissenschaftliche Rekonstruktion der Sprache der Germanen mit einiger Wahrscheinlichkeit erlaubt.

Diese Quellen bezeugen in ihrer Gesamtheit allgemeine Angelegenheiten aller, die in Versammlungen der erwachsenen Männer des jeweiligen Stammes oder Siedlungsgebiets (Volksversammlungen) besprochen werden. Unrecht zieht am ehesten einen Wertausgleich unter den Betroffenen (von dem Täter an das Opfer oder seine Verwandten) nach sich, während mangels eines Staates ein (öffentliches) Strafrecht wohl noch fehlt. Die Familien in den einzelnen Häusern unterstehen patriarchalisch dem jeweiligen Hausvater und seinen tatsächlichen Entscheidungen.

375 n. Chr. beginnt unter dem Druck der von Osten (Asien) kommenden Hunnen die Völkerwanderung der seit dieser Zeit allmählich christianisierten Germanen in das (west)römische Reich. Dabei wird beispielsweise Italien vorübergehend von den später nach Spanien weichenden Goten eingenommen, Britannien von den Angelsachsen, Gallien (zwischen Pyrenäen, Alpen, Rhein, Nordsee und Atlantik) von den Franken und schließlich bis 568 n. Chr. Oberitalien von den Langobarden (Lombardei). Mit der Eroberung Westroms durch Germanen endet etwa in der Mitte der Völkerwanderung im Jahre 476 n. Chr. das Altertum und beginnt allmählich das Mittelalter.

 

Mittelalter (rund 500- rund 1500)

Das Mittelalter ist seit einer im 17. Jahrhundert geschaffenen wissenschaftlichen Einteilung die Zeit zwischen dem Altertum und der als neuer Zeitabschnitt anerkannten Neuzeit. In ihm verlagert sich die politische Macht in Europa von den Römern (Mittelmeerraum bzw. Südeuropa und Westeuropa) vor allem auf die vom Niederrhein (nördlichen Rhein) ausgehenden Franken in Mitteleuropa. Es lässt sich zeitlich in Frühmittelalter, Hochmittelalter und Spätmittelalter gliedern, unter denen sich das Frühmittelalter stärker von dem Hochmittelalter unterscheidet als das Spätmittelalter von dem Hochmittelalter, so dass es sich am verständlichsten in Frühmittelalter einerseits sowie Hochmittelalter und Spätmittelalter anderseits teilen lässt.

Frühmittelalter (rund 500- rund 1000)

Im Jahre 476 beenden Germanen die Herrschaft des weströmischen Kaisers in Rom und im Jahre 486 schlägt der von einem sagenumwobenen Vorfahren Merowech abstammende Frankenkönig Chlodwig (Ludwig, 466-511)) den auch nach dem Fall Westroms noch vorhandenen römischen Statthalter in dem römisch-keltischen Gallien (zwischen Pyrenäen, Alpen, Rhein, Nordsee und Atlantik). Er und seine nach Merowech benannte Familie der Merowinger begründen nach weiteren Siegen über Westgoten, Alemannen, Bayern, Thüringer, Sachsen, Friesen und Langobarden ein Großreich, das sich um 800 zwischen Mittelitalien und Nordsee sowie Atlantik und Elbe erstreckt. 751 n. Chr. entzieht der für die tatsächliche Verwaltung dieses großen Reiches der Franken von dem merowingischen König eingesetzte Hausmeier Pippin (der Jüngere, um 715-768) aus der Familie (der Arnulfinger bzw. der Pippiniden bzw. ab 768) der Karolinger mit Hilfe des Papstes, der dafür die pippinische Schenkung in Mittelitalien erhält, dem bisherigen Herrschergeschlecht die Macht, wodurch die Karolinger als Könige bzw. Königsgeschlecht an die Stelle der Merowinger treten.

Bedeutendster Karolinger ist Karl der Große (748-814). Er wird vom Papst aus Dankbarkeit für eine politische Hilfe an Weihnachten 800 in bewusster Anknüpfung an die 476 n. Chr. endenden weströmischen Cäsaren zum Kaiser (Caesar) gekrönt. Unter seinen Nachkommen wird das mehrsprachige Reich der Franken (843) in drei Teile (Westen, Lotharingien Lothars I. in der Mitte, Osten) geteilt, aus denen unter Aufteilung Lotharingiens bald Deutschland (im Osten) und Frankreich (im Westen) entstehen, wobei in der Folge der Papst politisch von Fall zu Fall entscheidet, welchen deutschen König er mit der vor allem symbolischen Würde des Kaisers auszeichnet.

Im Osten sterben die ostfränkischen Karolinger 911 aus, im Westen die westfränkischen Karolinger 987. Danach werden neue Geschlechter zu Königsfamilien bestimmt (Ottonen im Osten, Kapetinger im Westen). Damit entwickeln sich Deutschland und Frankreich auf der Grundlage verschiedener Sprachen (Deutsch im Osten, vom Lateinischen abgeleitetes Französisch im Westen) auf Dauer auseinander.

Wirtschaftlich leben die frühmittelalterlichen Menschen wie ihre Vorfahren grundsätzlich von Ackerbau (allmählich in Form der Dreifelderwirtschaft) und Viehzucht. Sie werden nun gesellschaftlich in Stände (Adel, Freie und Unfreie) gegliedert, wobei der Stand grundsätzlich über die Geburt weitergegeben wird (Geburtsstand). Die Zahl der Adeligen ist vermutlich gering, die allmählich abnehmende Zahl der Freien etwas größer und die zunehmende Zahl der über die vielleicht aus dem Altertum übernommene Wirtschaftsform Grundherrschaft in Abhängigkeit Geratenen (Unfreien) wohl groß.

Grundherrschaft ist die Herrschaft eines Grundherrn über seinen Grund und die darauf für ihn wirtschaftenden Leute, so dass der Grundherr über seine Leute ein besonderes eigenes Recht hat. Große Grundherren sind König, Kirche und Adlige. Um den Herrenhof (Fronhof mit Dominikalland oder Herrenland) liegen dabei jeweils mehrere oder manchmal auch viele abhängige Höfe (mit Rustikalland oder Hörigenland) in unterschiedlicher Vielzahl, von denen aus Hörige, Hintersassen oder Unfreie Naturalabgaben (z. B. Getreide, Gemüse, Schweine, Eier) und Frondienste (z. B. Pflügen, Säen, Mähen, Dreschen) leisten müssen, dafür aber auf dem ihnen nicht gehörigen Land des Herrn leben und wirtschaften dürfen.

Geld ist trotz der vorangehenden Geldwirtschaft der Römer ohne wirkliche Bedeutung. Es wird zwar nach Ausweis der Quellen vielfach in Münzeinheiten gerechnet. Da aber noch Hauswirtschaft und Naturalwirtschaft bestehen, erfolgen die in Münzeinheiten berechneten Leistungen grundsätzlich in Sachwerten und nicht in Münzen.

Schreiben können nur die wenigen christlichen Geistlichen in Klöstern. Sie zeichnen ihre Gedanken weitgehend in der ihnen aus der Kenntnis der Bibel geläufigen Schreibsprache Latein auf. Das sich aus dem nicht überlieferten, sondern nur wissenschaftlich rekonstruierbaren Germanischen entwickelnde Deutsch (Althochdeutsch, Altsächsisch und wohl Altniederfränkisch) ist auf wenige Texte und einen großteils nur in Einzelwörtern überlieferten Wortschatz von etwa 30000 Wörtern beschränkt (Altfränkisch, Altalemannisch, Altbayerisch, Altsächsisch).

Rechtsquellen des Frühmittelalters sind vor allem nach römischem Vorbild wohl ab 475 n. Chr. und bis um 800 n. Chr. in lateinischer Sprache assoziativ aufgezeichnete, wenig systematische Volksrechte (von etwa 15 verschiedenen Völkern wie Westgoten, Burgundern, Salfranken, Uferfranken oder Ripuariern, Langobarden, Angelsachsen, Alemannen, Bayern, Sachsen, Thüringern und Friesen) (z. B. Codex Euricianus, Pactus legis Salicae, Edictus Rothari, Lex Alamannorum, Lex Baiwariorum, Lex Saxonum), die sowohl Gewohnheitsrecht wie auch gesetztes Recht enthalten und vor allem Verletzungen wie Tötung, Körperverletzung, Raub oder Diebstahl betreffen. Daneben gibt es vom fränkischen König ausgehende, wegen ihrer Einteilung in Kapitel (capitula) so genannte Kapitularien („Verordnungen“). Außerdem sind rund 14000 frühmittelalterliche königliche und nichtkönigliche Urkunden über Einzelgeschäfte erhalten (z. B. Gabe von Gut durch Kaiser Otto III. an den Bischof von Freising in Neuhofen an der Ybbs „ in Ostarrihhi“ im Jahre 996, insgesamt weniger als 30 pro Jahr im gesamten ostfränkischen oder später deutschen Reich).

Das Recht wird dabei nach Ausweis der Quellen weder auf einen mythischen Gesetzgeber noch auf die heidnischen Götter oder den christlichen Gott zurückgeführt. Es ist in wachsendem Umfang seit unbekannter Zeit vorhanden und damit eher statisch. Es kann aber auch bei besonderem Bedarf durchaus gesetzt und damit bewusst geändert werden.

An der Spitze des anfangs gesamtfränkischen, seit dem neunten und zehnten Jahrhundert zunehmend eingeschränkt deutschen Reiches steht der (einzelne) König (zunächst der Franken, seit dem 10. Jahrhundert der Deutschen). Er hat (familiäres) Königsheil und Banngewalt sowie die Stellung als Leiter von Volk und Heer. Er wird (aus der Königsfamilie in einer Versammlung vom Volk) „gewählt“ (Gemengelage von Erbrecht und Wahlrecht ohne Durchsetzung einer Erbmonarchie in Deutschland im Gegensatz zu Frankreich und England) und beherrscht das Reich nicht von einem Zentralort aus (Hauptstadt), sondern im losen Umherziehen von einem Königsgut (Pfalz) zum anderen Königsgut (Pfalz).

An seinem Hof entwickeln sich nach römischem Vorbild feste Ämter. Deswegen gibt es Seneschall (Altknecht), Marschall (Pferdeknecht), Truchsess (Leutesetzer) und Schenk sowie einen für das Schreiben zuständigen Kanzler. Diese Stellungen werden allmählich zumindest formal von den wichtigsten Großen eingenommen.

Da der sich zu Pferd auf schlechten Wegen nur ziemlich langsam fortbewegende König nicht überall gleichzeitig sein kann, gibt er ab einem nicht wirklich bekannten Zeitpunkt vielleicht nach römischem Vorbild Teile des Reiches (z. B. Bayern) an Große als (Herzöge der wenigen Stämme oder als) Grafen aus. Sie verwalten diese Teile (Herzogtümer, Grafschaften, nicht einzelne Bauernhöfe wie in der Grundherrschaft) für den König in dessen Abwesenheit. Rechtstatsächlich folgt dabei beim Ableben vielfach der Sohn dem Vater.

Hieraus entwickelt sich zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt in nicht genau bekannter Weise das grundsätzlich auf den Adel beschränkte, schriftlich erst im Hochmittelalter festgehaltene Lehnswesen. Dabei ist das einzelne Lehnsverhältnis (wie auch das einzelne grundherrschaftliche Verhältnis) ein Zweipersonenverhältnis mit gegenseitigen Rechten und Pflichten der beiden Beteiligten. Im klaren Unterschied zum grundherrschaftlichen Verhältnis betrifft das Lehen aber nicht nur einen Hof, sondern ein ganzes Gebiet (z. B. Herzogtum, Grafschaft) und umfasst nicht bäuerliche Dienste und Abgaben, sondern herrschaftliche Aufgaben (z. B. Kriegsdienste) und Treue, so dass der Lehensmann zwar auch verpflichtet, aber nicht unfrei wird.

Das Lehnsverhältnis ist an sich höchstpersönlich, so dass es mit dem Tod des Lehnsherrn wie des Lehnsmanns endet. Rechtstatsächlich besteht aber vielfach ein Interesse (vor allem des Lehnsmanns) an der Erblichkeit. Um dem entgegenzuwirken, gibt der König bereits im Frühmittelalter Lehen auch an Geistliche aus, weil diese keine rechtmäßigen Nachkommen haben können (z. B. Vergabe von Grafschaften an den wichtigen Alpenpässen an die Bischöfe von Brixen und Trient).

In diesem Fall kann der König spätestens beim Tod des geistlichen Lehnsmanns einen ihm genehmen Anhänger an seiner Stelle einsetzen. Diese Gestaltung heißt in der Wissenschaft ottonisch-salisches Reichskirchensystem. In ihm werden die weltlichen Rechte der geistlichen Lehensmänner meist durch besondere Vögte der geistlichen Großen wahrgenommen (wie z. B. die Grafen von Tirol als Vögte für die Bischöfe von Trient).

Der Lehnsmann darf sein Lehen meist weiterverleihen an ihm gegenüber ein Unterlehensverhältnis eingehende Unterlehnsmänner (oder Aftervasallen). Dadurch wird eine vom König ausgehende so genannte Lehnspyramide mit einer schmalen Spitze auf einer breiten Grundlage gebildet. Sie hat grundsätzlich bis zum Ende des Lehnswesen (z. B. am Ende des Heiligen römischen Reiches 1806) Bestand.

Früh entsteht auch unter anpassender Übernahme eines römischen Vorbilds (des Volkstribunen) die Immunität. Bei ihr gewährt der König gegen seine eigentlichen Interessen auf besondere Bitte dem (wohl meist geistlichen) Grundherrn die Freiheit seiner Grundherrschaft von dem die königlichen Rechte wahrenden Grafen, so dass der Graf beispielsweise die Grundherrschaft eines durch Immunität Privilegierten nicht mehr betreten darf. Dem dadurch drohenden Herrschaftsverlust versucht der König durch (Mitwirkung bei der) Bestimmung der geistlichen Würdenträger entgegenzuwirken (ottonisch-salisches Reichskirchensystem).

Über das Streitentscheidungsverfahren berichtet bereits das vielleicht schon zwischen 507 und 511 aufgezeichnete Volksrecht Pactus legis Salicae (Einung des salfränkischen Rechtes). Danach muss, wer gemäß den königlichen Festsetzungen auf den Malberg als den Ort der Verhandlung vor den Dingmann (lat.-altfrk. thunginus) und die vielleicht 7 bis 14 Rachinburgen (Rechenbürgen oder Ratbürgen) zur Behandlung eines Streites geladen wird, dorthin kommen. Als Rechtsfolge des Nichtbefolgens der Ladung muss er den Königsbann von 15 Schillingen (in Sachwerten) leisten.

Auf dem Malberg leitet einerseits der Dingmann die Verhandlung zwischen dem Anschuldigenden und seinem Gegner nur („Verhandlungsleiter“) und finden andererseits nur die Rachinburgen bzw. seit einer Veränderung unter Karl dem Großen nur die Schöffen als Urteiler das (oft zweizüngige d. h. zwei Möglichkeiten aufweisende) Urteil (so genannte deutsche Gerichtsverfassung). Dieses Urteil wird meist außerhalb des Malbergs dadurch verwirklicht, dass der Angeschuldigte den ihm auferlegten Reinigungseid (eventuell mit Eidhelfern) am festgelegten Tag am festgesetzten Ort leistet und dann von der Anschuldigung frei oder bei Nichtleistung des Reinigungseids nicht frei wird oder dass in ungewöhnlich schwierigen Fällen ein Urteil Gottes (Gottesurteil) gesucht wird. Nach dem Urteil gibt es keine eigene Vollstreckung durch die Allgemeinheit und auch keine Überprüfung durch eine andere Versammlung.

Strafen im modernen Sinn des vom Staat ohne Vorteil für das Opfer verhängten Übels lassen sich trotz des römischen Vorbilds in den frühmittelalterlichen Quellen nur an sehr wenigen Stellen finden. Nahezu alle Volksrechte sehen für Tötung, Körperverletzung, Raub und Diebstahl und Ähnliches als Rechtsfolge die Leistung von Wergeld (bei Tötung) und Buße (bei sonstigen Rechtsverletzungen) vor. Die dabei katalogartig (in einem Kompositionensystem) festgeschriebenen, in Sachwerten zu erbringenden Ausgleichsleistungen sind ziemlich hoch und nach dem Stand (Adel, Freier, Freigelassener, Unfreier) abgestuft.

Rechtsfähig wird der Mensch mit der Geburt, wenn er lebensfähig ist. Bis zu seiner mit der Geschlechtsreife (10 bis 14 Jahre) eintretenden Mündigkeit steht er unter der Gewalt (munt) seines Vaters. Danach wird er mit dem Ausscheiden aus dem Haus selbständig.

Frauen werden zunächst durch Vertrag zwischen Brautvater und Bräutigam verheiratet. Schon im Frühmittelalter setzt aber die christliche Kirche ihre Vorstellung durch, dass die Ehe durch Übereinstimmung (Konsens) zwischen Mann und Frau zu Stande kommt. Diese Verbindung wird grundsätzlich nur durch den Tod des Mannes oder der Frau aufgelöst, weil die Kirche auf Grund einer in einer Bibelstelle sichtbaren Entscheidung eine Ehescheidung ausschließt.

Körperliche Sachen oder Gegenstände wie Höfe, Kleidungsstücke oder Waffen sind persönlich zugeordnet. Geschäfte über sie erscheinen in den Quellen selten, weil die einzelne Familie nur einen einzigen Hof als umfassende Lebensgrundlage und meist auch nur wenige Tiere, Kleidungsstücke und Geräte hat, die sie selbst für das eigene Leben benötigt. Allerdings darf beispielsweise nach dem Volksrecht der Bayern doch den (einzigen) Hof der Kirche geben, wessen voraussichtliche Erben diesem Verhalten zustimmen, woraus sich allmählich einige, im Einzelnen unterschiedliche Gestaltungen der Beteiligung zweier an einem Gegenstand entwickeln.

Mit dem Tod eines Menschen fällt sein Gut an seine (nächsten) Erben. Das sind grundsätzlich seine Kinder, bei deren Fehlen die Eltern und bei deren Fehlen die anderen Kinder der Eltern (Geschwister des so genannten Erblassers). Von dieser Verwandtenerbfolge abweichende Gestaltungen fehlen in den Quellen (grundsätzlich).

Mangels Geld ist der Kauf ohne Bedeutung. Demgegenüber ist die Gabe von Höfen an die Kirche oder auch der Tausch von Gütern mit der Kirche in Urkunden doch bereits verhältnismäßig gut bezeugt. Dennoch dürften Schulden noch ziemlich selten sein.


Neuhofen an der Ybbs (996) (in dem vermutungsweise durch eine gepunktete rote Linie umrissenen Ostarrihhi) an der (mittleren) Donau als Ausgangspunkt Oberösterreichs und Niederösterreichs


Hochmittelalter und Spätmittelalter (1000-1500)

Nach dem Aussterben der Karolinger im Ostteil des Reiches der Franken (911) wird nach einer kurzen Zwischenzeit von (dem Volk bzw.) den bedeutenden Adligen 919 der Herzog der Sachsen aus dem nach ihrem späteren Leitnamen Otto bezeichneten Geschlecht der Ottonen (919-1024, z. B. Otto der Große 912-973, König 936) zum König gewählt. Ihnen folgt das Geschlecht der fränkischen Salier (1024-1125), unter dem es ab 1073 zwischen König Heinrich IV. und Papst Gregor VII. zum Streit über die Frage kommt, ob der König zwecks Sicherung seiner Macht einen ihm genehmen Kandidaten in ein geistliches Amt einsetzen („investieren“) kann (Investiturstreit, Streit um das Recht zur Bekleidung mit einem Amt). Dieser vor allem durch rechtliche Argumente und Maßnahmen wie Absetzung und Bannung gekennzeichnete Streit wird trotz des so genannten Ganges nach Canossa Heinrichs IV. zu Gregor VII. (1077) erst 1122 durch das Konkordat von Worms im Wesentlichen zu Lasten des Königs beendet.

Den Saliern folgen nach einer kurzen Zwischenzeit (des ohne Söhne verstorbenen Lothar von Süpplingenburg 1125-1137) die schwäbischen Staufer (1138-1254, u. a. Konrad III., Friedrich I. Barbarossa, Friedrich II.). Von ihnen entzieht König Konrad III. kurz nach seiner Wahl 1138 dem mächtigen, bei der Wahl unterlegenen Herzog Heinrich dem Stolzen aus dem rivalisierenden Geschlecht der Welfen das Herzogtum Bayern mit der Begründung, dass ein Herzog nicht (Herzog von Bayern und Sachsen sein und damit) zwei Herzogtümer zu Lehen haben kann. Er verlehnt es 1139 in einem nicht völlig bedenkenfreien Vorgang an seinen Stiefbruder aus dem Geschlecht der Babenberger, die damit von Markgrafen Österreichs zu Herzögen von Bayern aufsteigen.

Friedrich I. Barbarossa beendet den daraus entstehenden Streit 1156 dadurch, dass er sich von dem verwandten Geschlecht der Babenberger das von seinem Vorgänger Konrad III. 1138 den Welfen entzogene und den Babenbergern gegebene Herzogtum Bayern wieder von den Babenbergern zurückgeben lässt. Danach trennt er Österreich (im Bereich des heutigen Niederösterreich und Oberösterreich) als besonderes Gebiet von dem Herzogtum der Bayern ab und erhebt es zum Ausgleich des den Babenbergern entstandenen Verlusts Bayerns zu einem eigenen Herzogtum Österreich (Territorialherzogtum). Dieses neue Herzogtum gibt er anschließend an die Babenberger (Heinrich Jasomirgott) als Lehen mit einigen Vorrechten (weibliche Erbfolge bzw. Weiberlehen, eingeschränkte Heerfahrtpflicht, eingeschränkte Hoffahrtpflicht, höchste Gerichtsbarkeit) (so genanntes „Privilegium minus“, kleineres Privileg, Original wohl um 1358 in Fälschungsabsicht vernichtet).

Mit diesem Vorgang wird das einheitliche Volk der Bayern in zwei Gebiete geteilt. Jeder dieser beiden Bereiche wird in der Folge als Land (kleineres Bayern bzw. neues Österreich) bezeichnet. Damit entstehen im deutschen Reich die Länder (nach 1156 z. B. 1180 auch die nach Steyr im heutigen Oberösterreich benannte Steiermark oder 1180 Sachsen und Westfalen oder in der Mitte des 13. Jh. die Grafschaft Tirol) als neue politische Einheiten (Territorialitätsprinzip statt des älteren Personalitätsprinzips).

Nach dem Aussterben der Staufer (1254) können sich die deutschen Königswähler nicht einigen. Gewählt werden 1257 mit gleicher Stimmenzahl Alfons von Kastilien und Richard von Cornwall, von denen aber keiner die Herrschaft an sich ziehen kann. Deswegen besteht tatsächlich eine königlose Zeit (Interregnum 1254-1273), die das Hochmittelalter vom Spätmittelalter abteilt.

Wegen der damit verbundenen schädlichen Folgen einigen sich die seit dem 13. Jh. nur noch wenigen fürstlichen Königswähler (Kurfürsten, Wahlfürsten) 1273 auf die Wahl des begüterten Grafen Rudolf aus dem nach der Burg Habsburg im Aargau in der späteren Schweiz benannten schwäbischen Geschlecht der Habsburger. In der Schlacht auf dem Marchfeld im Jahre 1278 tötet (König) Rudolf (I.) König Ottokar von Böhmen, an den Österreich durch weibliche Erbfolge nach dem Aussterben der Babenberger 1246 gelangt war. Das dadurch frei werdende, zu dieser Zeit in ein Land ob der Enns (Oberösterreich mit dem aus der Steiermark angefallenen Traungau) und ein Land unter der Enns (Niederösterreich) geteilte Österreich verlehnt Rudolf von Habsburg, der es als König nicht selbst behalten darf, in einem nicht bedenkenfreien Vorgang 1282 an seine Söhne.

Wenig später schließen sich allerdings reichsfreie Gebiete im Südwesten gegen die Herrschaft der Habsburger zusammen (Uri, Schwyz und Unterwalden). Ihnen gelingt in der Folge die Vertreibung der Habsburger aus der Herrschaft im Südwesten. Hieraus entwickelt sich allmählich die Schweiz.

Nach dem Tode von Rudolfs Sohn Albrecht wählen die Kurfürsten zwar Angehörige anderer Geschlechter zu Königen (z. B. beispielsweise den Wittelsbacher Ludwig den Bayern oder den Luxemburger Karl IV.). Ab 1438 kommt aber der deutsche König oder Kaiser (ausgenommen 1740) nur noch aus dem Geschlecht der Habsburger. Sie betreiben bis zum Ende des nun mehr und mehr als Heiliges römisches Reich bezeichneten deutschen Reiches im Jahre 1806 eine vor allem ihrer eigenen Hausmacht mit dem Schwerpunkt in Österreich dienende Politik an Stelle einer auf das allgemeine Wohl des Reiches ausgerichteten Politik.

Wirtschaftlich entsteht im Hochmittelalter und Spätmittelalter nach antikem Vorbild wieder die Stadt in früheren Römerstädten (z. B. Köln, Augsburg, Wien) oder auch durch bewusste Gründung an anderen Stellen (z. B. Freiburg im Breisgau). In der Stadt werden Handel und Gewerbe betrieben (z. B. Kaufmann, Bäcker, Metzger, Schmied, Weber, Schneider, Tischler, Zimmermann). Der Erwerb ihrer Güter und Leistungen kann am einfachsten mittels Geld erfolgen, so dass in der Stadt die Naturalwirtschaft durch die Geldwirtschaft und die Hauswirtschaft durch die Marktwirtschaft abgelöst werden, was auch allmählich Auswirkungen auf die Grundherrschaft auf dem Lande hat (Rentengrundherrschaft).

Die in der Stadt lebenden Händler und Gewerbetreibenden erreichen vor allem durch Privilegien des Königs oder eines anderen Herrn die Ausbildung eines besonderen Rechtes für ihren Ort (mhd. burg, Stadt). Dieses wird als Burgrecht oder Stadtrecht bezeichnet. Als Name für die vollberechtigten Stadtbewohner setzt sich aber infolge der Herkunft der Stadt vor allem aus der Burg (z. B. Augsburg, Freiburg, Hamburg, Magdeburg, Regensburg, Würzburg) der Name Bürger (nicht Städter) durch.

Mit dem Bürger ist Freiheit verbunden. Stadtluft macht (auch den aus einer Grundherrschaft entweichenden Unfreien nach Ablauf eines Jahres, sechser Wochen und dreier Tage) frei. Damit entsteht gegenüber den älteren Geburtsständen der Adligen, Freien und Unfreien ein eigener Berufsstand der Handel und Gewerbe treibenden Bürger.

Etwa zur gleichen Zeit bildet sich in ähnlicher Weise auch ein eigener Stand der zu Pferd für einen adeligen Herrn Kämpfenden. Da seine Angehörigen reiten, werden sie Ritter genannt. Im Herrendienst schließen sie sich dem Adel an.

Der Rest der Gesellschaft (80-90 Prozent) wird jetzt als Bauern (Nachbauern, Nachbarn, engl. neighbours, Nebeneinanderwohnende) bezeichnet. Diese Bauern treiben grundsätzlich wie bisher außerhalb von Burg und Stadt Ackerbau und Viehzucht. Infolge der weitgehenden Einbindung in Grundherrschaften ist dieser dritte Berufsstand überwiegend abhängig und unfrei.

Mit dem Hochmittelalter wird vielleicht als Folge der arbeitsteiligen Differenzierung die geistige Bildung höher bewertet. Deshalb entstehen außerhalb der Kirche hauptsächlich in Städten Schulen für das Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen, so dass die Schriftlichkeit insgesamt deutlich zunimmt. Oberhalb der Schulen entwickeln sich in Italien seit dem 11./12. Jahrhundert Universitäten für die wissenschaftliche Ausbildung von Lehrern (in Bologna für Rechtswissenschaft, in Salerno für Medizin).

Gegenstand des rechtswissenschaftlichen Studiums sind nach der anscheinend zur Zeit des Investiturstreits erfolgenden Wiederentdeckung der von Kaiser Justinian in Ostrom (Konstanti­nopel, später Istanbul) zwischen 527/528 und 534 zwecks Restauration des römischen Rechtes geschaffenen, lateinischen Werke Digesten (bzw. griechisch Pandekten), Codex und Institutionen (sowie Novellen) in einer etwas abweichenden mittelalterlichen Einteilung. Diese leges (Gesetze) werden von dem Lehrer vorgelesen (Vorlesung) und von den Hörern durch Mitschreiben vervielfältigt undaufgenommen. Der Student tritt in das Studium der leges und damit in die Legistik ein, wann er möchte und verlässt die Universität ebenfalls zu einem beliebigen Zeitpunkt, obgleich eigentliches Ziel des Studiums der Erwerb des Grades des Lehrers (doctor iuris) (nach sechs bis acht Jahren) ist.

Erster bedeutender Lehrer des römischen Rechtes im Hochmittelalter ist der zwischen 1112 und 1125 in Tuszien in einigen Urkunden bezeugte, vielleicht an der Sigle y erkennbare Lehrer der Rhetorik Irnerius (Werner?, 1060?-1125? oder 1050-1130?). Nach der Überlieferung soll er die römischen Rechtsbücher schriftlich durch Bemerkungen (Glossen) erklärt und ausgelegt haben. Mit seinen (vier) Nachfolgern (quattuor doctores) beginnt (um 1140?) ein dauerhafter Rechtsunterricht dieser wegen ihres Glossierens als Glossatoren bezeichneten Lehrer des weltlichen römischen Rechtes in Bologna.

Etwa gleichzeitig ordnet der Magister der Theologie Gratian (um 1140) in Bologna das von der und für die Kirche seit mehr als 1000 Jahren geschaffene umfangreiche Recht (von Konzilen geschaffene Regeln, Dekretalen von Päpsten, Literatur von Kirchenvätern) nach widerspruchslösenden, scholastischen Grundsätzen neu in seinem Werk Concordantia discordantium canonum (Einheit der widersprüchlichen Bestimmungen, so genanntes Decretum Gratiani). Daraufhin wird auch das Studium des kirchlichen Rechtes (Kanonistik) an den Universitäten möglich. Wie zu dem weltlichen römischen Recht (ius civile, Legistik, Zivilistik) entwickelt sich auch zu diesem kirchlichen oder geistlichen Recht (ius canonicum), bei welchem dem Dekret bald noch weitere Bücher (5 Bücher Liber extra – decretum - 1234, Liber sextus 1298, Clementinen Papst Clemens‘ V.1317) folgen, eine breite wissenschaftliche Literatur (Dekretistik).

Dabei erreicht das Glossieren insgesamt bereits um etwa 1230 mit rund 100000 Glossen (Erklärungen) des römischen Rechtes (lat. glossa ordinaria, ordentliche Glosse) ein Ende. Statt Glossen werden seitdem von den Rechtslehrern Kommentare (Erklärungsbücher) und Gutachten (Konsilien in tatsächlichen Streitfragen) verfasst. Deswegen heißen die Rechtslehrer der folgenden Zeit zwischen etwa 1230 und 1500 (wie zum Beispiel Bartolus oder Baldus) Kommentatoren oder Konsiliatoren (früher wegen ihres Auftretens nach - = lat. post - den Glossatoren als Postglossatoren bezeichnet).

Von Italien (Bologna) aus verbreiten sich diese neuen Universitäten seit dem 13. Jh. zunächst über Westeuropa (Frankreich Paris, Spanien Salamanca, England Oxford, Cambridge 1209). 1348 gründet Kaiser Karl IV. aus dem Geschlecht der Luxemburger in Prag die erste Universität im deutschsprachigen Raum. Dem folgen Wien (Rudolf IV. 1365, erfolgreich ab etwa 1385, Rechtslehrer zunächst meist aus Prag, römisches Recht ab etwa 1500), Heidelberg (1386) und zahlreiche weitere, zunächst aber noch ziemlich kleine Universitäten.

Mit dem Beginn des Hochmittelalters werden (bereits vor der Wiederbefassung mit dem römischen Recht und dem kirchlichen Recht) im Reich (um 1000) die frühmittelalterlichen Volksrechte als veraltet angesehen. Insbesondere werden Wergeld und Buße als wirksame Rechtsfolgen für Tötung, Körperverletzung, Raub und Diebstahl in den einzelnen frühmittelalterlichen Volksrechten infolge des Geldwertverfalls zweifelhaft. Das deswegen neu gebildete Recht richtet sich nicht mehr an den einzelnen Völkern, sondern an einzelnen Städten (Stadtrecht) und Ländern (Landrecht) oder auch Dörfern (Dorfrecht) und Grundherrschaften bzw. Höfen (Hofrecht) aus, so dass es meist nicht mehr das Recht eines Personenverbands (Personalitätsprinzip), sondern eines Gebiets (Territorialitätsprinzip) ist.

Es entwickelt sich weiter vielfach als Gewohnheitsrecht. Es kann aber auch durch ein Privileg eines Herrn geschaffen werden (z. B. Immunitätsprivileg, Stadtrechtsprivileg, privilegium minus). Außerdem kann es auch ohne besonderes Vorrecht für einen Begünstigten von einem oder einigen zuständigen Mensch gesetzt werden (Satzung, Gesetz) oder von allen Betroffenen (Einung wie z. B. Gottesfriede).

Dementsprechend können verschiedene Rechtskreise bestehen. Dabei geht der engere Rechtskreis dem weiteren Rechtskreis grundsätzlich vor (Landrecht vor Reichsrecht, Stadtrecht und Dorfrecht vor Landrecht). Für einzelne Rechtsfragen beansprucht das kirchliche Recht erfolgreich einen Vorrang vor dem weltlichen Recht (z. B. Eherecht).

Möglich sind dabei die Weitergabe des eigenen Rechtes an einen Interessierten und auch die Übernahme durch einen Interessierten. Dadurch können Rechtsfamilien entstehen. Dies gilt insbesondere für die Städte (z. B. Freiburg im Breisgau, Soest in Westfalen, Lübeck, Magdeburg, ähnlich Wien).

Von der Kirche wird dabei das Recht grundsätzlich auf den christlichen Gott zurückgeführt. Dementsprechend kann es der Mensch nicht schaffen, sondern nur das gute, alte Recht (Gottes) durch Erkenntnis gewinnen oder wiedergewinnen. Diese Vorstellung steht aber in Widerspruch zur tatsächlichen Rechtsentwicklung in der Wirklichkeit, in der Recht bewusst durch Satzung, Einung oder Privileg gesetzt oder auch durch Gewohnheit geschaffen werden kann (z. B. Strafrecht).

Bei den Rechtsgeltungsquellen kommt zwar Rechtsetzung in dieser Zeit durchaus bereits wieder vor (vorbildlich z. B. Friedrich II. in den so genannten Konstitutionen von Melfi 1231 in seinem Königreich Sizilien mit 200-300 Bestimmungen). Die wichtigste Rechtserkenntnisquelle ist aber das Rechtsbuch (Buch vom Recht), in dem ein Verfasser das geltende Recht aus eigenem Wissen ohne amtlichen Auftrag zwecks Ermöglichung von Erkenntnis aufzeichnet. Es wird vermutlich durch die Wiederentdeckung des römischen Rechtes in Italien (durch Irnerius bzw. die anderen Glossatoren) und die widerspruchsfreie Zusammenstellung des kirchlichen Rechtes im 12. Jahrhundert durch Gratian veranlasst.

Wichtigstes deutsches Rechtsbuch ist der Sachsenspiegel (Spiegel der Sachsen) des ungelehrten, aber lateinkundigen Eike von Repgow (Reppichau bei Dessau in dem heutigen Sachsen-Anhalt) von 1221-1224 (bzw. 1215-1235). Er wird in einer assoziativen Gedankenfolge (vielleicht bereits in Landrecht und Lehnrecht geteilt) zuerst in Latein aufgezeichnet und danach in das Mittelniederdeutsche übersetzt und im gesamten nördlichen deutschen Sprachraum verbreitet. Seine anschließenden mittelhochdeutschen Bearbeitungen sind ein nur in einer einzigen Handschrift in Innsbruck erhaltener Deutschenspiegel (Spiegel aller deutschen Leute, um 1275) und ein über ganz Süddeutschland verbreitetes kaiserliches Land- und Lehnrechtsbuch (1609 erstmals als Schwabenspiegel benannt).

Daneben wird das geltende Recht seit dem 13. Jahrhundert auch durch zahlreiche andere Rechtsbücher festgehalten (z. B. um 1300 Landrecht Österreichs, um 1350 Landrechtsbuch der Steiermark, oberbayerisches Landrecht 1336?/1346, Stadtrechtsbuch von Wien 1. Hälfte 14. Jh.) oder auch durch Weistümer erfahrener Männer zu ausgewählten Einzelfragen kund gegeben und danach aufgezeichnet (z. B. Tiroler Weistümer). Dies gilt über den deutschen Sprachraum hinaus für die meisten europäischen Länder. Deswegen ist das Recht grundsätzlich überall partikular (z. B. droit coutumier oder Gewohnheitsrecht in Nordfrankreich).

An allen Universitäten werden demgegenüber in den verschiedensten Gebieten nur das römische Recht und das kirchliche Recht gelehrt. Dies geschieht einheitlich in ganz Europa. Deswegen tritt dem partikularen einheimischen Recht ein universales gelehrtes Recht gegenüber, das allgemein gelten will und einheitlich gelehrt wird.

Mit der wachsenden Verschriftlichung werden auch Urteile (einzelne Fallentscheidungen z. B. Schöffensprüche) von Gerichten in größerer Zahl aufgezeichnet. Dabei wird nach dem Vorbild des Sachsenspiegels seit dem 13. Jahrhundert zunehmend die deutsche Sprache (Mittelniederdeutsch im norddeutschen Flachland, Mittelhochdeutsch im höher gelegenen Süddeutschland) verwendet. Hinzu kommen zahlreiche Urkunden über wichtigere Geschäfte Einzelner.

Sie können auch in besonderen Stadtbüchern (z. B. Kaufbuch, Gewerebuch, Satzbuch, Testamentenbuch, Verfachbuch in Tirol und Vorarlberg) eingetragen werden. Außerdem werden Formularbücher als Vorlagen hierfür und Akten für Handlungen von Behörden angelegt. Schließlich verfassen die Rechtslehrer an den Universitäten auch mehr und mehr juristische Literatur (Glossen, Summen z. B. Summa legum, brevis, levis et utilis, Summe der Gesetze kurz leicht und nützlich, Klagspiegel wohl Conrad Heydens in Schwäbisch Hall um 1436, Kommentare, Konsilien darunter auch Fakultätsgutachten für Einzelfälle).

Aus dieser Vielzahl unterschiedlicher Rechtsquellen lässt sich inhaltlich das Recht des Hochmittelalters und Spätmittelalters ermitteln. Dabei ist von einer großen partikularen Vielfalt auszugehen. Daraus lassen sich allgemeinere Rechtssätze nur vorsichtig gewinnen, wobei zwar in dieser Zeit eine systematische Gliederung z. B. nach Ausweis des Sachsenspiegels noch immer fehlt, aber für das leichtere heutige Verständnis trotzdem sinnvoll erscheint.

Wichtigster inhaltlicher Grundzug ist es dabei, dass in weiten Teilen Europas eine Veränderung dadurch eintritt, dass seit dem 12. Jahrhundert über die Universitäten und die Kirche das römische Recht Justinians in der durch die überwiegend italienischen hochmittelalterlichen Glossatoren geschaffenen Form aufgenommen wird. Diese Rezeption (Aufnahme) geschieht allmählich durch Gewohnheitsrecht und nicht (wie im Spätmittelalter vielfach angenommen) durch einen Setzungsakt (z. B. Kaiser Lothars III. von 1135, so genannte, von Hermann Conring 1643 widerlegte lotharische Legende). Sie betrifft vor allem das Privatrecht und weniger das öffentliche Recht (publike, Recht, Staatsrecht).

Insgesamt ist das Heilige römische Reich (ab 962 imperium Romanum römisches Reich, ab 1157 sacrum imperium, heiliges Reich, seit 1230 häufiger sacrum Romanum imperium, Heiliges römisches Reich) eine Wahlmonarchie (mit verhältnismäßiger Erblichkeit). Gewählt wird der deutsche König (bald nur noch aus dem Geschlecht der Habsburger von den bedeutenden Adeligen, deren Zahl bereits der Sachsenspiegel (1221-1224) (aus tatsächlich bisher unbekanntem Grund) auf sieben beschränkt. Diese besonderen Kurfürsten (Wahlfürsten) sind die drei Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, der Pfalzgraf bei Rhein (im Gebiet des heutigen deutschen Bundeslands Rheinland-Pfalz), der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg im Nordosten sowie der König von Böhmen, der aber nach dem Sachsenspiegel nicht wählen darf, weil er kein Deutscher ist (1356 in der Goldenen Bulle Karls IV. unter Festlegung auf das Mehrheitswahlrecht und der Unteilbarkeit mit Primogeniturerbfolge genauer geregelt).

Nicht zu den Königswählern zählt der habsburgische Herzog von Österreich. Vielleicht zum Ausgleich der damit verbundenen Nachteile und des Fehlens der Primogeniturerbfolge im Verhältnis zu seinen Brüdern lässt um 1358 Herzog Rudolf IV. von Österreich (wohl das in der Wissenschaft des 19. Jh.s so genannte privilegium minus bzw. kleinere Privilegvon 1156 vernichten und) ein erweitertes, (in der Wissenschaft des 19. Jh.s so genanntes privilegium maius, größeres) Privileg mit der Einstufung Österreichs als Pfalzerzherzogtum bzw. Erzherzogtum und erweiterten Rechten bzw. eingeschränkten Pflichten fälschen. Diese von Kaiser Karl IV. aus dem Geschlecht der Luxemburger 1359 noch zurückgewiesene Fälschung wird unter dem Habsburger Friedrich III. in einem nicht bedenkenfreien Vorgang 1453 reichsrechtlich anerkannt und dadurch bis 1806 geltendes Recht (aber im 19. Jahrhundert als ursprünglich rechtswidrige und nur nachträglich anerkannte Fälschung erwiesen).

Gewählt wird in Aachen, gekrönt in Frankfurt in Erinnerung an die fränkische Vorstufe des deutschen Reiches. Die durch den Papst mögliche Krönung zum Kaiser verleiht nur wenige besondere Rechte (z. B. Legitimation unehelicher Kinder). Der König beherrscht sein Reich noch im Umherziehen und trifft sich mit den Großen bei Bedarf auf unregelmäßig abgehaltenen Reichstagen (Reichsversammlungen).

Seine Gewalt hat der König nach dem insofern christliche Vorstellungen wiedergebenden Sachsenspiegel (1221-1224) von Gott. Dabei geht eine Lehre davon aus, dass die durch das Schwert veranschaulichte Gewalt von Gott in Form zweier Schwerter an den Papst gegeben wurde, der daraufhin ein Schwert an den deswegen von ihm abhängigen Kaiser gab (kurialistische Ausprägung der Zweischwerterlehre oder Zweigewaltenlehre). Eine andere Lehre nimmt an, dass Gott von Anfang an ein Schwert dem Papst und ein Schwert dem Kaiser gab, so dass beide Gewalten gleichrangig sind (imperialistische Ausprägung der Zweischwerterlehre oder Zweigewaltenlehre).

Die Herrschaft im Reich hat der König nur gemeinsam (dualistisch) mit den Reichsfürsten (7 geistlichen und weltlichen Kurfürsten und rund 100 sonstigen geistlichen und weltlichen Reichsfürsten wie dem Erzbischof von Salzburg oder dem Herzog von Bayern oder Österreich sowie rund 125 Reichsstädten wie Hamburg, Bremen, Frankfurt am Main, Wetzlar, Speyer, Nürnberg oder Regensburg). Mit ihnen als den Reichsständen trifft er vor allem auf den Reichstagen zusammen. Seine königlichen Rechte (1158 auf dem Reichstag von Roncaglia als ([iura] regalia bzw. Regalien bzw. königliche Rechte festgelegt) verliert er nicht zuletzt aus ständiger Geldnot auch im Wege von Verpfändungen an die Landesherren.

Diese Landesherren stehen den einzelnen Ländern vor, wobei sich in den von weltlichen Großen beherrschten Ländern die Erbmonarchie durchsetzt. Landesherr kann man auf Grund von Vermögen (Geld), Gewalt, Geschick und Glück in individuellen Vorgängen werden. Wichtige Landesherren sind (der König z. B. Habsburger in Österreich,) die Kurfürsten, (sonstige) Erzbischöfe wie z. B. der Erzbischof von Salzburg, Bischöfe, (sonstige) Herzöge wie z. B. der Herzog von Bayern sowie einige Grafen wie z. B. die Grafen von Tirol und einige Äbte.

Auch der Landesherr beherrscht sein Land oder seine durch ihn (z. B. Habsburg) als einzelnen Herrn zu einer monarchischen Union von Ständestaaten zusammengefassten Länder nur dualistisch zusammen mit den zu jedem einzelnen Land gehörigen Ständen. Sie bilden (außer in den Niederlanden) über das einzelne Land hinaus keine Einheit (Landstände, dualistischer Ständestaat) Sie treffen mit ihm auf Versammlungen (seit 14./15. Jh. Landtagen) zusammen.

Landstände als Vertreter der besonderen ständischen Belange (und nicht des Volkes insgesamt) sind die weltlichen Herren im Lande (Ritter, in Österreich ob der Enns und Österreich unter der Enns noch in hohen weltlichen Adel und niederen weltlichen Adel geteilt), die geistlichen Herren im Lande (Prälaten) und die Städte (landesfürstlichen Städte und Märkte, Landstädte) (sowie in Ermangelung vieler Herren und Städte in Salzburg und Tirol Prälaten, Ritter, Städte, Täler und Gerichte sowie in Vorarlberg nur Städte sowie Täler und Gerichte). Wichtigstes Recht der Landstände ist das Steuerbewilligungsrecht (Notwendigkeit ihrer Zustimmung zu neuen Steuern). Darüber hinaus wirken die Landstände im Rahmen von als Herrschaftsverträge angesehenen Landesfreiheiten (z. B. Georgenberger Handfeste der Steiermark 1186, am Beginn der Neuzeit Landlibell Tirols 1511) auch sonst in Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit mit.

Dem Landesherrn gelingt aber wegen der Erblichkeit seiner Herrschaft (in weltlichen Ländern) allmählich die Einschränkung der Mitwirkungsrechte der Landstände. Er herrscht von einem Vorort aus. Er entwickelt den modernen Staat mit einer beamteten und damit ausgebildeten, besoldeten und absetzbaren Verwaltung und festen Einkünften.

Die ursprünglich ausschließlich dem König zustehenden Gerichte gehen mit wenigen Ausnahmen von dem König auf den Landesherrn über. In ihnen wird weiter zwischen dem nur die Verhandlung leitenden Richter und den die Entscheidung treffenden ungelehrten Urteilern entschieden. Neue Gerichte des jeweiligen Rates bilden die Städte aus, während es in der Kirche seit dem 12. Jahrhundert zur Schaffung berufsmäßig entscheidender, wissenschaftlich gebildeter Einzelrichter kommt (so genannte iudices delegati des Papstes, dann Offiziale der Bischöfe).

In dem Verfahren wird nach römischem Vorbild seit dem 12. Jahrhundert zwischen bürgerlichen Sachen (causae civiles) und peinlichen Sachen (causae criminales) unterschieden. In bürgerlichen Sachen stehen sich Kläger und Beklagter gegenüber, wobei beide Beteiligte frei darüber entscheiden (dürfen), welche Behauptungen sie vortragen. In peinlichen Sachen tritt allmählich der Richter neben das Opfer oder an die Stelle des (ja oft toten und deswegen seine Rechte nicht mehr selbst wahrnehmen könnenden) Opfers.

Er verfolgt dann eine Tat aus eigenem amtlichem Antrieb (ex officio, Offizialmaxime) im Wege einer Untersuchung (Inquisition). In dieser verwendet er die Folter (Wiener Neustadt 1230/1231) in Richtung auf die Wahrheit (Instruktionsmaxime). Bei der anschließenden Anklage werden die belastenden (und entlastenden) Umstände berücksichtigt, ohne dass die Entscheidung durch ein anderes Gericht überprüft wird oder werden kann.

Hintergrund der Trennung der Klagen oder Verfahren ist außer dem römischen Recht die so genannte Wiedergeburt des Strafrechts als Folge der verbreiteten Unzufriedenheit mit dem Kompositionensystem von Wergeldern und Bußen in den veralteten Volksrechten. Zur Lösung dieses Problems finden sich bereits im Ausgang des Frühmittelalters in Südfrankreich (z. B. Le Puy in der Auvergne um 975) geistliche Versammlungen zur Sicherung des Friedens (um Gottes Willen) zusammen. Auf ihnen vereinbaren die Teilnehmer die Vermeidung von Verletzungen zumindest an Feiertagen und einigen sich unter Eidesleistung (durch Einung) auf den Ausschluss des die Festlegungen dieser Gottesfrieden Verletzenden aus der Kirche (Exkommunikation).

In dem elften Jahrhundert werden solche Regelungen auch im weltlichen Bereich als Landfrieden vereinbart (Einung) oder auch durch König, Landesherrn oder Stadtrat festgesetzt (Setzung). Wer den festgelegten Frieden im Lande bricht und tötet, verletzt, raubt, stiehlt oder ähnliche Handlungen begeht, wird jetzt (für diesen Landfriedensbruch) mit peinlichen Strafen (lat. poenalis zu lat. poena, F. Strafe) bedroht. Die wichtigsten Strafen sind Tötung (Hängen, Köpfen, Rädern, Vierteilen, Verbrennen), Verstümmelung (Handabschlagen, Zungenausreißen, Brandmarken, selten Blenden), Schlagen(, Galeerenstrafe Rom 1471) und an den Prangerstellen (Ehrenstrafe), während die Freiheitsstrafe wegen der damit verbundenen Kosten gegenüber der Haft zwecks Untersuchung im Hintergrund bleibt und frühestens in den reicheren Städten des Spätmittelalters erscheint.

Dieses neue Strafrecht ist bereits Eike von Repgow (1221-1224) so selbverständlich, dass er einfach schreiben kann: den Dieb soll man hängen. Es verdrängt das Kompositionensystem der frühmittelalterlichen Volksrechte bis auf Reste (z. B. für Unmündige oder in Notwehr). Anscheinend können verhängte Strafen aber in manchen Fällen durch Zahlungen abgelöst werden, sind Begnadigungen möglich und werden in der Rechtswirklichkeit die oberen Bevölkerungsschichten vielfach besser behandelt als die unteren Bevölkerungsschichten.

Privatrechtlich mündig wird der Mensch auch im Hochmittelalter und Spätmittelalter grundsätzlich mit der Geschlechtsreife, doch wird die ihr gleich gesetzte, zahlenmäßig festgelegte Altersgrenze allmählich etwas erhöht. Neben diese hergebrachte einheimische Mündigkeit dringt wohl aus dem römischen Recht die Volljährigkeit (z. B. mit 24 Jahren) ein. Vor der Mündigkeit bzw. der Volljährigkeit allein von dem Unmündigen oder Minderjährigen geschlossene Geschäfte sind unwirksam, können nach Erreichen der Mündigkeit von dem Betreffenden aber genehmigt werden.

Frauen stehen unter der Vormundschaft (Wort in anderem Zusammenhang im 10. Jahrhundert erstmals belegt) des Vaters oder (bei Verheiratung) des Ehemanns, selbst wenn dieser einem niedereren Stand angehört. Eine Witwe eines Kaufmanns (Handelsfrau) kann das Geschäft jedoch fortführen. Außerdem schwindet diese Geschlechtsvormundschaft an einzelnen Stellen allmählich.

Uneheliche Kinder werden in Auswirkung kirchlicher Vorstellungen schlechter eingestuft als eheliche Kinder. Ihnen wird ein Erbrecht gegen den Vater abgesprochen und sozial nur eine geringere Wertschätzung zuerkannt. Möglich ist aber die nachträgliche Legitimation (Ehelicherklärung) durch den Kaiser bzw. Landesherrn oder Papst oder durch spätere Eheschließung der Eltern.

Neben den Menschen tritt zusätzlich der ihn umschließende Verband als möglicher Rechtsträger. Sichtbar wird dies an der Stadt, dem Städtebund, der Ständekurie, dem Orden, der Universität, der Markgenossenschaft auf dem Lande und manchen anderen Zusammenschlüssen. 1245 bezeichnet sie der Papst (Innozenz IV.) als persona ficta (erfundene Person), doch wird sie von ihren Angehörigen bzw. Mitgliedern noch nicht grundsätzlich verselbständigt.

Die Eheschließung erfolgt nach kirchlichem Recht, wobei meist eine Verlobung als Verpflichtung zur Eheschließung vorausgeht und durch die Eheschließung (Trauung) diese Verpflichtung erfüllt wird. Für die Eheschließung genügt jetzt grundsätzlich die Willensübereinstimmung (Konsens) der beiden Beteiligten. Zwecks Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten um geheim abgeschlossene Ehen stellt sich aber die Frage nach Beweismitteln wie etwa Zeugen oder Urkunden.

Das Ehegüterrecht bleibt dabei außerhalb des kirchlichen Rechtes. Hier sind Gütertrennung, bei der die Güter des Ehemanns und der Ehefrau rechtlich getrennt bleiben, aber vielfach vom Mann allein verwaltet werden, und Gütergemeinschaft, bei der die in die Ehe eingebrachten und (oder auch nur die) in ihr erworbenen Güter (Errungenschaftsgemeinschaft) beiden Eheleuten gemeinsam gehören, sowie unterschiedliche Einzelgestaltungen (z. B. Morgengabe als Gabe des Mannes an die Frau nach der Hochzeitsnacht) möglich. Deswegen ist das Ehegüterrecht örtlich besonders vielgestaltig.

Einen Vormund erhalten (neben Frauen auch) Kinder zu ihrem Schutz, wenn der Vater vor ihrer Mündigkeit stirbt. Vormund ist grundsätzlich ihr nächster männlicher Verwandter. Er muss die Kinder bis zur Mündigkeit unterhalten, darf dafür aber deren Gut (Mündelgut) verwalten, das aber grundsätzlich nicht schwinden darf, weshalb allmählich eine Oberaufsicht (z. B. des Königs) über Vormundschaften entwickelt wird.

Bei dem Tode eines Menschen fällt sein Gut an seine Verwandten in einer festen Reihenfolge von Kindern bzw. Abkömmlingen, Eltern und deren Abkömmlingen (Geschwister des Verstorbenen). Dabei schließt ein naher Verwandter den weiter entfernten Verwandten aus. Gleich nahe Verwandte erben zu gleichen Teilen, wobei nach dem Kirchenvater Augustinus wie dem Sachsenspiegel der Ältere (möglichst gleich und damit gerecht) teilen soll und der Jüngere aus den (eventuell ungleichen) Teilen (z. B. den größeren) wählen darf.

Sonderregeln gelten im Sinne einer Sondererbfolge dabei vielfach für besondere Gegenstände (z. B. auch Lehen und Bauernhöfe). Die Heeresausrüstung (Heergewäte) fällt zur Vermeidung von Wertverlusten bei einer tatsächlichen Teilung ungeteilt an den nächsten männlichen Verwandten. Den Hausrat (Gerade) erhält ungeteilt die nächste weibliche Verwandte.

Gegenüber dieser zunächst ausschließlichen Verwandtenerbfolge fehlt ein vom Willen des Erblassers gesteuertes gewillkürtes Erbrecht zunächst wohl weitgehend. Im späteren 13. Jahrhundert wird aber zunächst bei Geistlichen das aus dem römischen Recht stammende Testament sichtbar. In kurzer Zeit tritt es neben die weiter vorherrschende Verwandtenerbfolge als zusätzliche Möglichkeit, ist aber grundsätzlich (in der Art von Vermächtnissen) auf einen Teil des Vermögens beschränkt, muss vor Gericht oder Behörde errichtet werden und stellt die nächsten Verwandten schlechter, weil sie nicht erhalten, worauf sie hofften.

Die Rechte an Sachen werden weiter entwickelt. Neben der alleinigen Herrschaft eines Berechtigten an einem Gegenstand (Eigen, Allod) finden sich vielfach mehrere Berechtigte (z. Lehnsherr und Lehnsmann, Grundherr und Höriger, bei den Kommentatoren so genanntes „geteiltes Eigentum“). Das Eigentum wird seit dem späten 13. Jahrhundert als solches bezeichnet. Besonders bedeutsam wird die vermutlich von der Kirche entwickelte Investitur (Einkleidung eines Erwerbers in ein Recht), die in deutscher Sprache als Gewere bezeichnet wird.

Nach herkömmlicher Lehre wird diese Gewere als das Kleid des deutschen Sachenrechts erklärt. Als Kleid wird sie vorgestellt, weil ein Recht (wie z. B. das Eigentum oder das Pfandrecht) grundsätzlich unsichtbar ist. Die Investitur oder Gewere soll wie ein Kleid als äußere Erscheinungsform eines Menschen den Erwerb des Rechts bzw. das Recht selbst sichtbar machen(, obwohl ein Mensch in Gegensatz zu einem Recht ja auch ohne Kleid sichtbar ist).

Übertragen werden Sachen vor Gericht oder in sonstiger Öffentlichkeit. Dabei werden bewegliche Sachen wie Tiere, Waffen oder Geräte von dem bisher Berechtigten dem neuen Berechtigten übergeben. Da unbewegliche Sachen (Grundstücke) außer durch ein Bekleidungssymbol nicht von einer Hand in eine andere Hand gegeben werden können, wird in der Stadt Köln um 1135 (Sankt Laurenz 1130?) die in den Schrein (Sarg) des Heiligen oder seiner Reliquie gelegte schriftliche Aufzeichnung entwickelt (Schreinskarte), die ein Vorläufer des Grundbuchs ist.

Neben dem Eigentum als dem Vollrecht an Sachen bestehen auch einige beschränkte Sachenrechte wie etwa das Pfand (oder eine Dienstbarkeit wie etwa ein Wegerecht). Bei dem Pfand gibt der Berechtigte die Sache einem Gläubiger zur Sicherung von dessen Recht (z. B. auf Zahlung einer Schuld). Der Gläubiger muss dieses Pfand zurückgeben, sobald die gesicherte Schuld (z. B. durch Zahlung) getilgt ist, kann aber das Pfand bei Nichtzahlung der Schuld im Zeitpunkt der Fälligkeit z. B. mittels einer Versteigerung verwerten.

Dabei tritt im Laufe der Zeit neben die so genannte ältere Satzung, bei welcher der Schuldner die Pfandsache dem Gläubiger (als Sicherheit setzt und in die Hand) gibt und ein den Besitz verschaffendes Besitzpfand oder auch die Nutzung ermöglichendes Nutzungspfand des Gläubigers entsteht, die so genannte jüngere Satzung, bei der ohne Übergabe ein reines Sicherungspfand geschaffen wird. Der Schuldner kann deshalb die Sache weiter nutzen und mit ihrer Hilfe die Schuld vielleicht früher zurückzahlen. Gesichert wird der Gläubiger hierbei durch einen Eintrag in ein Buch.

Bei dem Rentenkauf gibt der eine dem anderen ein Kapital. Er erhält als Rentengläubiger von dem anderen eine zu bestimmten Zeiten fällige Rente als Leistung aus einem damit belasteten Grundstück. Dadurch ist die Herrschaft des Rentenschuldners über das Grundstück durch das Recht des Rentengläubigers eingeschränkt.

Vor allem in den Städten ist die Hauswirtschaft nicht mehr jedermann möglich, weil der verfügbare Raum zu knapp ist und sich die Arbeitsteilung durchsetzt. Deswegen wird dort die Hauswirtschaft früh durch die Marktwirtschaft ersetzt. Für den Erwerb schon der Lebensmittel, aber auch aller anderen benötigten Gegenstände (z. B. Tisch, Stuhl, Bett, Schrank, Werkzeug) ist Geld erforderlich, das seinerseits erwirtschaftet werden muss. Aus diesem Grund wird das bereits bei den Römern sehr bedeutsame Schuldrecht wieder wichtig.

Häufigstes Geschäft auf dem Markt ist der Kauf, für den in Abweichung vom römischen Recht bei Sachmängeln der Satz Augen auf, Kauf ist Kauf gilt, so dass der Käufer grundsätzlich eine erst nach Erfüllung des Kaufes durch Übergabe als mangelhaft erkannte Sache behalten muss und dem Verkäufer der an ihn gezahlte Kaufpreis verbleibt. Bei dem Kauf will der Käufer eine Sache erwerben, die der Verkäufer Zug um Zug gegen Zahlung des Preises überträgt (Barkauf). Damit ein Vertrag zu Stande kommt, müssen sich die beiden Beteiligten einig sein bzw. einigen.

Wer kein Grundeigentum hat, aber in der Stadt bleiben will, muss eine Unterkunft mieten. Bei der Miete erhält er den Gebrauch der Mietsache (z. B. Haus, Wohnung) gegen Zahlung eines Entgelts. In Abweichung von dem römischen Recht gilt dabei vielfach der Satz: Veräußerung (der Mietsache) vertreibt den Mieter nicht oder Kauf bricht nicht Miete.

Damit man kaufen oder mieten kann, muss man also Geld haben. Deswegen nehmen viele in die Stadt Ziehende einen Dienst auf. Sie erhalten dann einen Lohn, für den sie einen Dienst leisten müssen.

Man kann als Handwerker aber auch anderen ein Werk erstellen wie z. B. ein Bauwerk. Dann muss man einen Erfolg vollbringen. Erst wenn er gelungen ist, erhält man einen Werklohn als Entgelt.

Geld kann man außer durch einen Verkauf oder eine Dienstleistung oder Werkleistung auch als Darlehen erlangen, wobei an sich für die Nutzung bis zur Rückzahlung auch eine Gegenleistung naheliegt. Nach der christlichen Religion sollen oder dürfen aber Christen für die Überlassung von Geld keinen Vorteil verlangen (so genanntes kanonisches Zinsverbot). Deswegen sind Christen an der Vergabe von Darlehen nicht interessiert, weshalb dieses Geschäft in die Hände von Juden übergeht, für die das kanonische Zinsverbot nicht gilt.

Zu einer Gesellschaft können sich vor allem Kaufleute zusammenschließen. Dann erwerben und schulden sie grundsätzlich gemeinschaftlich. Als solche Gesellschaften entstehen die Vorformen der offenen Handelsgesellschaft, bei der alle Gesellschafter für alle Schulden einstehen müssen, und der Kommanditgesellschaft, bei der nur die Komplementäre für alle Schulden einstehen müssen, während die Kommanditisten nur mit ihrer Einlage einzustehen haben.

Der Wechsel als Wertpapier wird in Italien entwickelt, um die Verlustgefahr von Geld bei Reisen zu verringern. Dabei gibt jemand einem Bankier an einem Ort Geld und erhält dafür ein Papier als Wechsel (bzw. Beweis des Wechslungsvorgangs). Mit diesem leicht zu tragenden und zu verbergenden Papier reist er selbst oder ein anderer in einen anderen Ort und legt es dort einem anderen Bankier vor, der ihm für das Papier wieder Geld auszahlt, wobei der Ausgleich unter den beiden Bankiers von Zeit zu Zeit durch Verrechnung aller gegenseitigen Geschäfte erfolgt.

Der Tausch wird nach Einführung des Geldes seltener, weil er voraussetzt, dass jemand gerade das will, was der andere zu viel hat und umgekehrt selbst gerade etwas zu viel hat, woran der andere interessiert ist. Tatsächlich wohl verhältnismäßig rar ist auch die Schenkung, bei der der Schenker dem Beschenkten etwas zu Eigentum gibt, ohne dafür etwas zu erhalten, so dass dort graundsätzlich nur eine einzige Verpflichtung begründet wird. Nur ausnahmsweise kann der Schenker bei Vorliegen eines besonderen Grundes das Geschenk wieder zurückverlangen.

Häufig ist die ohne gewollte Verpflichtung erwachsende Schuld. Sie entsteht vor allem durch eine unerlaubte Handlung, bei der einer einen anderen rechtswidrig schädigt. Dann muss der Schädiger den Schaden des Geschädigten in vielen Fällen ersetzen.

 

Neuere Rechtsgeschichte (1500-Gegenwart)

Frühe Neuzeit (1500-1789 bzw. 1806)

Im deutschsprachigen Raum steigt infolge des wissenschaftlichen medizinischen Fortschritts die Zahl der Menschen trotz vieler heftiger Kriege von 10 auf 23 Millionen.

Bereits im Spätmittelalter beginnt dabei von den Fürstenhöfen Italiens aus unter Betonung eines klassisch-idealen Menschenbilds mit dem Menschen im Mittelpunkt (Humanismus) eine bewusste Rückbesinnung auf das Altertum und damit zugleich eine Ablehnung der unmittelbaren Vergangenheit (des „Mittelalters“). Diese Wiedergeburt (Renaissance, italienisch rinascimento) der Antike führt zu zahlreichen Entdeckungen und Erfindungen. Rasch, einfach und preiswert werden sie verbreitet, nachdem um 1450 der Drucker Johann (Gensfleisch zu) Gutenberg in Mainz den billigeren Buchdruck mit beweglichen und deswegen beliebig wieder verwendbaren Bleilettern erfindet.

Auf dieser Grundlage wird sehr rasch bekannt, dass der Genueser Seefahrer Christoph Kolumbus (, an dessen Leistungen noch der Name Kolumbien in Südamerika erinnern soll,) in Anknüpfung an griechisches Wissen der Antike auf der Suche nach einem kürzeren und billigeren Seeweg für den Gewürzhandel nach Indien (als neue Welt) 1492 „Westindien“ bzw. Amerika entdeckt, dessen verschiedene Teile von den Seemächten Europas (Spanien, Portugal, Frankreich, England, Niederlande) wie dann bald auch andere Gebiete rasch als Kolonien in Besitz genommen werden. Nikolaus Kopernikus erkennt ebenfalls unter Nutzung antiken Vorwissens (durch sorgfältige Himmelsbeobachtungen) um 1507(, allgemein veröffentlicht 1543), dass entgegen dem für den einzelnen Menschen bestehenden Anschein nicht die Erde den Mittelpunkt der Welt bildet, sondern die Erde um die Sonne als Mittelpunkt kreist (neues heliozentrisches Weltbild). Martin Luther erklärt in Wittenberg 1517 in Rückkehr zum biblischen Ausgangstext den Handel der Kirche mit dem Erlass von Sünden gegen Geldleistungen (Ablasskauf) als Abirrung des christlichen Glaubens und ruft zur Reformation (Rückführung der neuen verdorbenen Form zur alten guten Form) der Religion auf.

Martin Luthers Thesen führen im Heiligen römischen Reich zu einer Glaubensspaltung. Vor allem die durch den Ablasshandel benachteiligten ärmeren Bevölkerungsschichten, aber auch verschiedene Fürsten des Heiligen römischen Reiches im Norden schließen sich der reformatorischen Lehre Martin Luthers an. Der Süden unter der Führung Habsburgs bleibt dagegen bei dem hergebrachten katholischen Glauben.

Aus diesem Gegensatz erwachsen über lange Zeit Religionsstreitigkeiten, in deren Rahmen auch die Bauern 1525 einen Krieg gegen ihre Grundherren (Bauernkrieg) versuchen, der aber infolge ihrer schwachen Bewaffnung und geringen kriegerischen Erfahrung bald verloren wird. Dem meist in Spanien weilenden Kaiser Karl V. gelingt allerdings eine völlige Befriedung des Reiches ebenso wenig wie seinem ihn von 1521/1522 bis 1555/1556 vertretenden Bruder Ferdinand. Ein einige Jahre nach dem so genannten Schmalkaldischen Krieg (1546-1547) Kaiser Karls V. gegen ein Bündnis protestantischer Landesherren und Städte zwischen Ferdinand I. und den Reichsständen geschlossener (Augsburger) Religionsfriede (1555) geht von dem Grundsatz aus, dass der Landesherr (ohne Rücksicht auf den Glauben und den Willen der übrigen Landesbewohner) die Religion des Landes bestimmt (cuius regio, eius religio, wessen Land, dessen Religion).

Allerdings bewirken die religiösen Gegensätze im Zuge der habsburgischen Gegenreformation unter Kaiser Ferdinand II. 1618 aus dem Anlass des Sturzes zweier Statthalter Ferdinands II. aus der Burg in Prag durch protestantisch gewordene Stände Böhmens einen nochmaligen Religionskrieg (Dreißigjähriger Krieg von 1618 bis 1648). An ihm beteiligen sich auch Frankreich, Schweden und Dänemark einerseits und Spanien andererseits. Erneut kann sich keine Kriegspartei entscheidend durchsetzen.

Deswegen wird nach Verwüstung weiter Teile des Reiches und Erschöpfung der kriegführenden Mächte 1648 in Münster und Osnabrück erneut ein Friede (Westfälischer Friede) geschlossen. Er bestätigt den Grundsatz cuius regio, eius religio, stärkt aber die konfessionell widerstreitenden Teile des Heiligen römischen Reiches zu Lasten der Einheit. Die Schweiz und die Niederlande scheiden aus dem Heiligen römischen Reich (auch rechtlich) aus, das Elsass fällt an Frankreich und alle Reichsstände erlangen das ius territorii et superioritatis (Landeshoheit), ohne freilich (vollständig) souverän zu werden.

Eine wichtige Rolle nehmen dabei die unter habsburgischer Herrschaft stehenden Länder ein. In ihnen geht infolge des Erwerbs von Kolonien Spaniens (in weiten Teilen der Erde) zeitweise die Sonne niemals unter. Allerdings wird bereits 1521/1522 erstmals zwischen einer spanischen Linie und einer österreichischen Linie geteilt.

Die österreichische Linie erwirbt infolge Heirat und Erbfolge 1526 Böhmen (im Heiligen Römischen Reich) und Ungarn (teilweise, Rückeroberung bis 1699) mit Kroatien (außerhalb des Heiligen römischen Reiches). Durch vielfältige Teilungen zerfallen die habsburgischen Güter danach auf zeitweise sechs Linien. Diese herrschen in Madrid, Wien, Graz, Prag, Innsbruck und Brüssel.


Erzherzogtum Österreich mit Königreich Böhmen, Markgrafschaft Mähren, Herzogtum Schlesien, Österreichisch-Ungarn, Herzogtum Steiermark, Herzogtum Kärnten, Herzogtum Krain und Grafschaft Tirol um 1547(, weitere Güter in dem früheren Burgund in dem Nordwesten, in Südwestdeutschland in Vorarlberg und in Italien)


 

 

Bei dem Tode des letzten männlichen Habsburgers der spanischen Linie (1700) kommt es zum spanischen Erbfolgekrieg zwischen den gleich nahe verwandten Habsburgern im Heiligen römischen Reich bzw. Österreich und den im 16. Jahrhundert als Nebenlinie der Kapetinger auf den Thron in Frankreich gelangten Bourbonen. In diesem Zusammenhang schließt der Habsburger (Kaiser) Leopold I. 1703 mit seinen beiden Söhnen Joseph und Karl einen Hausvertrag über die Monarchie in Spanien (cessio monarchiae Hispanicae). Zu ihm kommt als geheimer Zusatzvertrag das pactum mutuae successionis (Vertrag über die gegenseitige Nachfolge).

Dieses pactum bestimmt ein wechselseitiges Erbrecht für Joseph und Karl sowie die Primogeniturerbfolge in grundsätzlich männlicher Linie. Es wirkt sich bereits 1711 bei dem Tode Josephs (I.) zu Gunsten Karls (VI.) aus. Da sich wegen der von dieser Güterhäufung ausgehenden Gefahr einer habsburgischen Vorherrschaft andere europäische Mächte von Karl VI. abwenden, werden die Bourbonen als Erben Spaniens anerkannt, so dass die Habsburger aus dem spanischen Erbfolgekrieg nur die südlichen Niederlande im gegenwärtigen Belgien und in Luxemburg sowie einige Gebiete in Oberitalien (Lombardei) erwerben können.

1713 veröffentlicht Karl VI. den Hausvertrag mit dem geheimen Zusatzvertrag und erklärt sie zu einem beständigen und unwiderruflichen Gesetz (sanctio pragmatica, pragmatische Sanktion). Danach sollen alle Erbländer Habsburgs unteilbar und untrennbar sein. Damit wird die geschichtliche Zufälligkeit des gemeinsamen Landesherrn in eine verfassungsmäßige Notwendigkeit umgewandelt.

Bei dem söhnelosen Tode Karls VI. muss allerdings seine Tochter Maria Theresia in diesem Zusammenhang von 1740 bis 1748 den österreichischen Erbfolgekrieg ausfechten. Sie verliert dabei Schlesien größtenteils an Brandenburg-Preußen Friedrich des Großen. Dieses benennt sich mehr und mehr nach dem außerhalb des Heiligen römischen Reiches liegenden, durch Erbfolge erlangten Preußen und wandelt die frühere einfache Länderverbindung in einen einheitlichen Staat um.

Zu einem weiteren wichtigen Einschnitt führen dann in Frankreich mehrere schlechte Ernten infolge ungünstiger Witterungsverhältnisse. Unterstützt von aufgeklärten Denkern verlangen die Bürger eine Einberufung der 1302 geschaffenen, vom mehr und mehr absolut herrschenden König (z. B. Ludwig XIV.) von 1614 bis zum 5. Mai 1789 nicht mehr zusammengerufenen Generalstände. Am 14. Juli 1789 kommt es in Paris zum „Sturm“ auf das politische Gefängnis (Bastille) bzw. zur Übergabe durch den Kommandanten an die Bürger.

Unter den Schlagworten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit setzt sich die Revolution durch. Der König wird 1792 abgesetzt und nach einer gescheiterten Flucht 1793 hingerichtet. An die Stelle der Monarchie tritt 1792 die Republik, in der am 9. November 1799 der ungewöhnlich erfolgreiche Oberbefehlshaber der Armee Napoleon Bonaparte aus Korsika (1769-1821) in einem Staatsstreich als erster Konsul die Macht übernimmt.

Unter Napoleon werden die französischen Vorstellungen auf weite Teile Europas angewendet. Die Schweiz, die Niederlande, Spanien, Italien und Teile des Heiligen römischen Reiches werden von Frankreich besetzt. Am 18. Mai 1804 ergreift Napoleon aus eigener Machtvollkommenheit die Kaiserkrone Frankreichs.

Dem folgt aus Überlegungen für die Zukunft unmittelbar ein entsprechender Schritt des Erzherzogs von Österreich für dieses Land. Er ist damit nicht nur Kaiser des Heiligen römischen Reiches, sondern zusätzlich Kaiser Österreichs. 1805 veranlasst Napoleon eine Souveränitätserklärung Bayerns, Badens sowie Württembergs und am 12. Juli 1806 einen (völkerrechtlichen militärischen) Bund sechzehner rechts des Rheines gelegener (souveräner) deutscher Länder des Heiligen römischen Reiches (Rheinbund mit Bayern, Württemberg, Baden, Berg, Arenberg, Nassau-Usingen, Nassau-Weilburg, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Salm-Salm, Salm-Kyrburg, Isenburg-Birstein, Liechtenstein, Hessen-Darmstadt, von der Leyen und dem Staat des Erzkanzlers) unter seinem Patronat bzw. Protektorat mit Heerfolgepflicht gegenüber Frankreich.

Im Anschluss hieran fordert er die Rheinbundfürsten zum Austritt aus dem Heiligen römischen Reich auf. Nach der entsprechenden rechtswidrigen Erklärung vom 1. August 1806 legt Kaiser Franz II. am 6. August 1806 rechtswidrig die Krone des Heiligen römischen Reiches nieder und erklärt zwecks Verhinderung napoleonischer Einflussnahme das Reich für erloschen, bleibt aber Kaiser Österreichs. Damit endet, ohne dass den Zeitgenossen die politische Tragweite sofort vollständig bewusst ist, nach rund 1500 Jahren das von den Franken errichtete Reich bzw. nach rund 900 Jahren das aus ihm erwachsene (erste) deutsche Reich.

Wirtschaftlich leben die meisten Menschen von Ackerbau und Viehzucht auf dem Lande in Hauswirtschaft und Naturalwirtschaft. Vielfach sind sie in Grundherrschaften eingebunden, wobei die Grundherren im Osten des Reiches viele Grundherrschaften durch Bauernlegen in Gutsherrschaften mit Tagelöhnern umwandeln können. Während des 18. Jahrhunderts werden im Übrigen im Zuge der Aufklärung viele Maschinen erfunden, so dass ein Wechsel von der Landwirtschaft zur Tätigkeit in Industrie und Fabriken einsetzen kann (industrielle Revolution, zuerst in England ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts).

Wirtschaftspolitisch versuchen bereits im 16. Jahrhundert einzelne Unternehmer, durch Kapitalanhäufung reich zu werden (Fugger und Welser in Augsburg und in Tirol, Frühkapitalismus), doch ist diesem Verhalten kein nachhaltiger Erfolg beschieden. Im 17. und 18. Jh. bemüht sich der absolute Staat nach dem Vorbild Frankreichs mit ebenfalls nur zeitweiligem Erfolg um die Vermehrung der Einkünfte durch Subvention inländischer Produktion und Export einerseits und Behinderung des Imports ausländischer Güter durch Zölle andererseits (Merkantilismus unter dem Finanzminister Jean-Baptiste Colbert 1619-1683 König Ludwigs XIV. von Frankreich 1638-1715). Nicht wirklich dauerhaft durchsetzen kann sich schließlich auch die Wirtschaftstheorie der Physiokraten, die in Grund und Boden den Reichtum eines Volkes sieht.

Aus diesem Grund bleibt die Gütererzeugung mangels tatsächlicher wirtschaftlicher Fortschritte hinter dem erheblichen Bevölkerungswachstum zurück. Gleiche Erzeugung bei wachsender Menschenzahl verursacht kleinere Anteile jedes Einzelnen an dem Wirtschaftsergebnis und damit eine relative Verarmung. Deswegen besteht am Ende des 18. Jahrhunderts die Gefahr des Pauperismus.

Gesellschaftlich lenkt vielleicht die Versklavung der einheimischen Bevölkerung in den neu gewonnenen amerikanischen Kolonien der europäischen Kolonialmächte das Augenmerk auch erneut auf die Frage der Freiheit. Aufgeklärte Philosophen sehen die Freiheit aller Menschen als selbverständlich an. Dadurch gerät die Unfreiheit als ein gesellschaftlicher Stand in Kritik, weshalb als ein Ziel der französischen Revolution auch die Freiheit aller Menschen angesehen wird.

Insgesamt steigt in der frühen Neuzeit das allgemeine Interesse an Bildung weiter. Deswegen wird die Zahl der Schulen und Universitäten vermehrt (z. B. Graz, Innsbruck, Halle, Göttingen). In der Rechtswissenschaft verlieren die italienischen Universitäten mit ihrer an den als autoritativ betrachteten tradierten, scholastisch bearbeiteten Rechtstexten Justinians ausgerichteten Lehrart (mos Italicus, italienische Art) ihre führende Rolle.

Ihre Stelle nehmen zumindest in der Theorie die französischen Universitäten (vor allem Bourges) ein. Sie vertreten statt des mos Italicus eine modernere, in der Quellenforschung historisch-philologische Textkritik aufnehmende, für das römische Recht die vorjustinianischen klassischen Ausgangspunkte suchende, Systematik anstrebende, eine elegante Jurisprudenz fördernde Lehrmethode (mos Gallicus, gallische Art) der nun als Corpus juris canonici (Gesamtkörper des kanonischen Rechtes, um 1500) bzw. als Corpus juris civilis (Gesamtkörper des zivilen Rechtes, vor allem ab 1583) zusammengefassten gelehrten Rechtsquellen. In Österreich wird der aus Leipzig kommende Bernhard Walther mit dem Werk Aurei Tractatus iuris Austriaci 1552-1558) hierher gezählt.

Geistesgeschichtlich entwickelt sich im Anschluss an Renaissance, Humanismus und Reformation die von neuen Denkmethoden getragene Aufklärung, die im Ergebnis den Ausgang des Menschen aus seinem selbstverschuldeten Unvermögen will, sich seines Verstands ohne Leitung eines anderen zu bedienen (Immanuel Kant 1784). In ihr ermittelt der Rationalismus durch Überlegung einen allgemeinsten Grundsatz (Ich denke, also bin ich), aus dem er die Einzelerscheinungen deduktiv ableitet (René Descartes Frankreich 1596-1650). Umgekehrt geht der Empirismus von der Beobachtung der Einzelerscheinungen aus und gewinnt aus ihr induktiv allgemeinere Regeln (John Locke England 1632-1704).

Beide Denkmethoden verwenden die Vernunft. Sie bildet dementsprechend bald die Grundlage für die breitere, durch die Einführung einer allgemeinen Schulpflicht unterstützten Bewegung der auch Toleranz (z. B. Toleranzpatent Josephs II. von 1781) anstrebenden Aufklärung möglichst aller, in deren Rahmen der durch einen Gesellschaftsvertrag zur Herrschaft berufene König bei schlechtem Gebrauch seiner Macht auch gestürzt werden darf. Auf ihrem Hintergrund setzen sich 1789 Bürger Frankreichs für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und gegen Luxus und Vorrechte des Königs und Adels ein.

Die wichtigsten Rechtsquellen der frühen Neuzeit sind zahlreiche Ordnungen, Reformationen und Kodifikationen. Sie können zwar an sich immer noch von Einzelnen ohne amtlichen Auftrag verfasst werden wie etwa einzelne frühe Reformationen. Im Grunde entstehen sie aber ganz überwiegend als bewusste Rechtsetzung des Staates durch Gesetzgebung.

Dabei geht die Vorstellung der Ordnung davon aus, dass das Zusammenleben der Menschen einen einfacheren Verlauf nimmt, wenn jede Gegebenheit den ihr gebührenden Platz einnimmt. Deswegen werden umfassende Ordnungen für ganze Länder (z. B. Landesordnung von Tirol 1526 - 1532 durch Ferdinand I. bestätigt -, Polizeiordnung Österreich ob und unter der Enns 1566, vier Entwürfe für Landesordnungen für Österreich unter und ob der Enns zwischen 1526 und 1654, Tirol 1573, Steiermark und Kärnten 1577) oder für den guten Zustand der Allgemeinheit (Polizeiordnung) von dem jeweils zuständigen Gesetzgeber geschaffen (häufig in den Ländern, seltener im Reich). Daneben werden besondere Ordnungen für einzelne Angelegenheiten erlassen (z. B. Kleiderordnung, Hochzeitsordnung, Bauordnung, Gerichtsordnung, Prozessordnung).

Als besonders wichtigen Bereich erfassen die Ordnungen auch Straftaten und das zugehörige Verfahren. Dabei folgt einer noch mittelalterlichen Regelung wider die landschädlichen Leute in Tirol (von 1312) 1499 Maximilians I. Tiroler Malefizordnung (maleficium Übeltat, maleficus Übeltäter) bzw. Halsgerichtsordnung (Maximiliana). Sie hält inhaltlich noch am mittelalterlichen Recht fest.

Demgegenüber greift die für das Hochstift Bamberg 1507 geschaffene Constitutio Criminalis Bambergensis (CCB, Bamberger Peinliche Gerichtsordnung) bereits Gedanken der oberitalienischen römisch-kanonischen, etwa im Tractatus de maleficiis (Traktat von den Übeltaten) des zeitweise in Perugia tätigen Albertus Gandinus von 1286 sichtbaren Strafrechtswissenschaft auf, die dann 1532 in die unter Karl V. geschaffene Constitutio Criminalis Carolina (CCC, Peinliche Gerichtsordnung Karls V.) aufgenommen werden. Sie kennt zu Gunsten der Rechtssicherheit ausführlichere Beschreibungen einzelner Straftatbestände und verlangt als Voraussetzung für die Anwendung der Folter das Vorliegen von Indizien bzw. Hinweisen oder Anzeichen (Indizienlehre). Sie will an sich nur bei Fehlen vorrangiger Regeln (subsidiär) gelten.

Sie beeinflusst aber die 1675 für Österreich ob der Enns erlassene Leopoldina (Des Ihro Römisch-Kayserlich- und Königlich-Catholischen Majestät Leopoldi Ertzherzogens zu Österreich Neue Landgerichtsordnung) und die 1707 für Böhmen und seine Nebenländer gegebene Constitutio Criminalis Josephina. Die 1768 als erstes einheitliches Strafgesetz geschaffene, bereits 1787 wieder abgelöste Constitutio Criminalis Theresiana bringt keine wesentlichen Veränderungen mit sich. Das Strafgesetzbuch Josephs II. von 1787 (mit allgemeiner Kriminalgerichtsordnung) ist kurz, klar, standesneutral und abschreckend, schafft die Todesstrafe nur aus Nützlichkeitserwägungen ab und ersetzt sie durch die Strafe des Schiffsziehens mit vergleichbaren tödlichen Wirkungen.

Bereits in der Form der Ordnung wird die Gesetzgebung insgesamt zu einem bedeutenden hoheitlichen Gestaltungsmittel oder Steuerungsinstrument. Der Staat wird Gesetzesstaat. Die Gesetze werden z. B. in Österreich in einer Justizgesetzsammlung (1780 für Privatrecht, Strafrecht und Prozessrecht) und einer politischen Gesetzessammlung (1792 für Verwaltungsgesetze) veröffentlicht.

Die Reformation will demgegenüber im Recht (wie in der Religion) eine angeblich früher vorhandene Form (des Rechtes) wiederherstellen. Sie will also (angeblich) nichts Neues schaffen, sondern nur etwas Verlorenes (alte Form) wiedergewinnen. Tatsächlich wird in Fortsetzung der bereits im Hochmittelalter nach der Wiederentdeckung der justinianischen Rechtstexte beginnenden Rezeption des römischen Rechtes veraltet erscheinendes einheimisches (deutsches) Recht durch überlegen erscheinendes römisches Recht ergänzt und ersetzt (z. B. in Nürnberg 1479, in Worms 1498, in Frankfurt am Main 1509 oder in Freiburg im Breisgau 1520 sowie in der Folge in vielen weiteren Ländern und Städten).

Die Kodifikation (Wort erst 1806 bzw. 1815 bei Jeremy Bentham bezeugt) schließlich ist die umfassende Gesetzbuchmachung (mit grundsätzlicher Ausschlusswirkung gegenüber anderen Bestimmungen). Sie nimmt ihren Ausgang davon, dass der Landesherr nach bereits bei Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) 1671 vorhandenen Plänen seit dem 18. Jahrhundert das unterschiedliche Recht seiner verschiedenen Gebiete rational vereinheitlichen will. In Frankreich verfasst dafür der adlige Jurist Charles de Montesquieu (1689-1755) 1748 in seinem zunächst anonym veröffentlichten Werk De l’esprit des lois (Vom Geist der Gesetze) ein theoretisches Programm.

Danach soll zu Gunsten der Betroffenen die (starke) Gewalt des (absoluten) Staates in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geteilt sein (Gewaltenteilung, Gewaltentrennung). Die an die Zustimmung des Volkes gebundenen Gesetze sollen allumfassend, einheitlich, verständlich und gerecht sein. Diese Überlegungen wirken rasch überzeugend und werden von Gesetzgebern aufgegriffen.

Deswegen schafft in noch unvollkommener Umsetzung als erstes Bayern durch Wiguläus von Kreittmayr (1705-1790) drei deutschsprachige Gesetzbücher (Codex iuris Bavarici criminalis Kriminalgesetzbuch 1751, Codex iuris Bavarici iudiciarii Gerichtsgesetzbuch 1753 und Codex Maximilianeus Bavaricus civilis Maximilianisches bayerisches Zivilgesetzbuch 1756). Sie stellen aber das bestehende Recht nur zusammen bzw. kompilieren. Sie werden deshalb überwiegend noch nicht als Kodifikation angesehen.

In Brandenburg-Preußen wird bereits 1746 ein Project eines Corpus juris Fridericiani Friedrichs II. (des Großen) begonnen (Teilentwürfe 1749 Personenrecht, 1751 Sachenrecht), das nach dem Verlust des dritten Teilentwurfs bei der Postbeförderung (1753) aber insgesamt scheitert. Es wird erst 1780 wieder aufgenommen. Danach wird über Entwürfe von 1784 und 1791 trotz zeitweiser Zurückhaltung wegen der Revolution in Frankreich nach dem Erwerb umfangreicher Gebiete aus der zweiten Teilung Polens (von 1793) 1794 eine die meisten Rechtsgebiete umfassende Kodifikation mit dem herkömmlicheren Namen Allgemeines Landrecht mit 19194 Paragraphen in Kraft gesetzt.

In Österreich setzt (nach älteren Plänen eines Corpus Iuris Leopoldinum Nikolaus Beckmanns und eines Codex Leopoldinus Gottfried Wilhelm Leibnizs) Erzherzogin Maria Theresia 1753 eine Kompilationskommission zur Abfassung eines gleichen Landrechts in allen benachbarten deutschen Erblanden bzw. eines Codex Theresianus ein. Der 1766 in drei Teilen fertiggestellte, weitgehend auf dem römischen Recht beruhende, auf das inhaltliche bzw. materielle Recht beschränkte Entwurf wird aber wegen seines großen Umfangs nur als brauchbare Materialsammlung angesehen. Er wird deswegen von Maria Theresia nicht sanktioniert und es wird die Verbindung zu dem Verfahrensrecht gelöst.

Der danach bis 1774 auf etwa die Hälfte gekürzte Entwurf Horten (Johann Bernhard Hortens) wird 1776 nicht weiter beraten. Nach dem Tode Maria Theresias (1780) und Ehepatenten ihres Sohnes Joseph II. (1765-1790) von dem 16. 1. 1783 (Ehe als bürgerlicher und damit weltlicher Vertrag, staatliches Eheschließungsrecht mit Geistlichen nicht in erster Linie als Religionsdiener sondern als Staatsbeamte als staatlichen Trauungsorganen, noch keine obligatorische Zivilehe) und 1786 sowie einem Erbfolgepatent von 1786 in seinem personenrechtlichen Teil am 1. 11. 1786 zum 1. 1. 1787 als Allgemeines (d. h. im gesamten Staatsgebiet eine gleiche Wirksamkeit entfaltendes) Bürgerliches Gesetzbuch Erster Teil (Personenrecht mit Familienrecht und Ehegüterrecht) in den deutschen Erblanden in Kraft gesetzt. Er erhält nach Erlass des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs der Jahre 1811/1812 den einfacheren Namen Josephinisches Gesetzbuch.

Ein von Karl Anton Freiherr von Martini ab 1793 weiter bearbeiteter, naturrechtliche Vorstellungen aufnehmender Entwurf (Entwurf Martini 1796) wird nach dem Erwerb von Gütern aus der dritten Teilung Polens (1795) geringfügig überarbeitet. Durch Patent vom 13. 2. 1797 wird er als Bürgerliches Gesetzbuch für (das 1809 wieder verlorene) Westgalizien (Westgalizisches Gesetzbuch) in Kraft gesetzt. Wenig später wird er auch für (das bereits 1772 gewonnene) Ostgalizien Gesetz (Geltung ab 1. 1. 1798 in ganz Galizien).

Dieses Bürgerliche Gesetzbuch für Galizien wird als so genannter Urentwurf unter der Leitung Franz von Zeillers zwischen 1801 und 1810 in drei Lesungen unter Abbau der naturrechtlichen Prägung beraten. Als Anlage zum kaiserlichen Patent vom 1. 6. 1811 wird es als Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für die deutschen Erblande (also auch für Galizien, die Bukowina, Istrien, Dalmatien, aber nicht für Ungarn, Kroatien und Siebenbürgen, anders von 1852 bis 1861) kund gemacht. Zum 1. 1. 1812 tritt es mit 1502 Paragraphen unter Aufhebung des gemeinen Rechtes und grundsätzlich der Privatrechtsgesetze (als allgemeines, d. h. einheitlich überall für alle Einwohner ohne örtliche und ständische Unterschiede bzw. für den gesamten Bereich der Rechtsvereinheitlichung geltendes, als neuständisches Gesetzbuch ständische Unterschiede nur formal nicht berücksichtigendes und damit verdeckendes), keine bedeutenden dogmatischen Neuerungen bewirkendes und zunächst im Wesentlichen nur authentisch interpretiertes Gesetzbuch (für das bürgerliche Recht) in Kraft.

Neben den übergeordneten Rechtsquellen Ordnungen, Reformationen und Kodifikationen findet sich umfangreiches juristisches Schrifttum. Dieses wird nach einem Buchtitel Samuel Stryks in Wittenberg von 1690(-1712) insgesamt als usus modernus pandectarum (moderner Gebrauch der Pandekten) bezeichnet. Es geht von den Digesten oder Pandekten Justinians aus, scheidet aber die veralteten Teile des römischen Rechtes (z. B. über Sklaverei oder Zustandekommen von Verträgen) aus und arbeitet vorsichtig Züge des einheimischen (, nicht zuletzt auch sächsischen) Rechtes ein, wodurch ein neuer, moderner Gebrauch der Pandekten entsteht.

Eine gewisse Verselbständigung des einheimischen Rechtes gegenüber dem römischen Recht erfolgt dabei seit dem 17. Jahrhundert (Conring, Hermann, De origine iuris Germanici Vom Ursprung des deutschen Rechtes 1643, Schilter, Johannes, Thomasius, Christian). Ein erste Zusammenstellung wird in diesem Rahmen 1718 von Georg Beyer geboten (Delineatio juris Germanici, Leitfaden deutschen Rechtes). Hieraus entwickelt sich in Gegenüberstellung zum römischen Recht (römischen Privatrecht) und unter selbverständlichem Einschluss Österreichs eine ganze Reihe von Werken zum (gemeinen) deutschen Privatrecht.

Für das Strafrecht entsteht eine eigene Strafrechtswissenschaft im Anschluss an die (oberitalienische Strafrechtswissenschaft und die) Constitutio Criminalis Carolina von 1532. Besonders bedeutsam wird dabei Benedikt Carpzows Werk Practica nova imperialis saxonica rerum criminalium (neue kaiserlich-sächsische Praxis der Strafsachen) von 1635. In diesem Zusammenhang werden eigene Professuren für Strafrecht geschaffen und allgemeine Figuren für bei allen Straftaten mögliche Gegebenheiten angedacht (Vorsatz, Versuch u. s. w.)

Als neue Rechtsidee tritt im 17. Jahrhundert das Naturrecht hervor. Es beruht auf der schon den Griechen und Römern (wie z. B. Gaius) im Altertum bekannten Unterscheidung eines von den Menschen gesetzten Rechtes von einem ungesetzten, dem Menschen vorgegebenen Recht. Diese in verchristlichter, die Natur durch Gott ersetzender Form auch von der christlichen Kirche bereits im Altertum (z. B. Aurelius Augustinus) bejahte Vorstellung (einer lex naturalis oder lex aeterna) greift in der Nachfolge spanischer Spätscholastiker der Niederländer Hugo Grotius (Delft 1583-Rostock 1645, De iure belli ac pacis, Vom Recht des Krieges und Friedens 1623) ab 1606 im Rahmen der Verteidigung von Rechten der Vereinigten Ostindischen Kompagnie auf dem an sich staatsfreien und damit auch von gesetztem Recht freien Meer auf. Ihr (besonders für die Verhältnisse auf dem staatsfreien Meer überzeugender) Grund wird dann in der vernünftigen Natur des Menschen gesehen, weshalb dieses neuere säkulare Naturrecht auch Vernunftrecht genannt wird, dessen Regeln wegen der allgemeinen Vernünftigkeit des Menschen (ohne jede staatliche Festlegung) gelten (sollen).

Grotius folgen zahlreiche Rechtslehrer, von denen Samuel Pufendorf in Heidelberg 1661 als Vertreter eines älteren absoluten Naturrechts einen ersten Lehrstuhl für Naturrecht erhält (z. B. Christian Thomasius an der neuen aufgeklärten Universität in Halle, Christian Wolff 1679-1754 in Halle als Vertreter eines jüngeren, die Bedingtheiten der örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten berücksichtigenden relativen Naturrechts). Sie erarbeiten auf der Grundlage von Rechtssubjektivität, Freiheit und Eigentum vollständige, aber inhaltlich nicht völlig gleiche Naturrechtssysteme nach geometrischen Grundsätzen (more geometrico, z. B. klare Unterscheidung von vernünftigen Personen und vernunftlosen Sachen). Diese werden, obwohl sie weitgehend nur das römische Recht abstrahierend verwerten, für das Allgemeine Landrecht Preußens von 1794, den Code civil Frankreichs von 1804 und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch der deutschen Erblande Österreichs von 1811/1812 bedeutsam, aber fast zur selben Zeit durch den Philosophen Immanuel Kant und den Juristen Karl Friedrich von Savigny an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert grundsätzlich abgelehnt.

In der materiellen Verfassung steht an der Spitze des Heiligen römischen Reiches während der frühen Neuzeit der Kaiser. Er wird (wie im Mittelalter der König) seit Karl V. von den (nach der Reformation katholisch bleibenden geistlichen und den zumindest teilweise evangelisch werdenden weltlichen) Kurfürsten bestimmt und bedarf nicht mehr der Krönung durch den Papst. Vor seiner Wahl muss über die Bedingungen seiner Wahl mit den Kurfürsten verhandelt werden, was in immer umfangreicheren Wahlkapitulationen (bzw. in Kapitel eingeteilte Wahlversprechungen, nach älteren Vorläufern vor allem seit 1519) festgehalten wird.

Gewählt werden mit einer einzigen Ausnahme Habsburger. Die Ausnahme tritt ein, als 1740 bei dem Tode Karls VI. neben der Tochter Maria Theresia kein männlicher Habsburger verfügbar ist. Nach einer kurzen Zwischenherrschaft eines Wittelsbachers (Karl VII. 1697-1745, Kaiser 1742-1745) wird 1745 der Ehemann Maria Theresias aus dem Hause Lothringen Kaiser, womit das Wahlkaisertum wieder auf Dauer an die Habsburger (Habsburg-Lothringen) zurückfällt.

Der zunehmend von Wien aus tätige Kaiser beherrscht sein Reich gemeinsam (dualistisch) mit den Reichsständen. Er verliert seine Rechte mehr und mehr an die Landesherren. Deswegen konzentriert er sich auf seine Güter als Landesherr (Hausmacht, z. B. in Österreich).

Nach dem Vorbild Burgunds schafft er einen Hofrat (Reichshofrat) zu seiner Beratung. Dieser Hofrat ist zunächst für alle Herrschaftsaufgaben zuständig. Allmählich entwickelt er sich aber zu einem Gericht.

Umgekehrt wächst mit der Schwächung des Reiches dem Landesherrn Macht zu. Er kann die Verwaltung des Landes ausbauen (z. B. Verwaltungsreform Kaiser Maximilians als Landesherr von Tirol durch Schaffung zwölfer Statthalter im Falle seiner Abwesenheit und Bildung einer Raitkammer d. h. Rechenkammer) und tendiert zur Zurückdrängung der Landstände (z. B. Verneuerte Landesordnung für Böhmen und Mähren Habsburgs von 1627/1628). Auf diesem Wege erreicht seine erbliche Herrschaft streckenweise absolutistische Züge (politischer Absolutismus als Konzept oder Ideal bei andauerndem institutionellem Dualismus).

Die Verwaltung des Reiches ist bescheiden. Das Heer besteht aus Kontingenten der Reichsstände. Als neue Einnahme erlangt das Reich lediglich durch die Einführung der Post (zuerst von Innsbruck nach Brüssel) ein Postregal.

Demgegenüber wird zum Mittelpunkt der Herrschaft des Landesherrn die gute Polizei (Policey) als der gute Zustand des Landes (abgeleitet von griechisch polis, Stadt, Staat, politikos, die Stadt betreffend, den Staat betreffend, und politeia, der gute Zustand des Staates). Hierfür werden auf Dauer an einem festen Sitz eingerichtete Behörden mit frei einsetzbaren und absetzbaren, meist kollegial organisierten und zunehmend juristisch gebildeten Amtsträgern (Beamten) geschaffen (in Österreich Regierungen oder Regimenter, 1527 Böhmische Hofkanzlei, 1620 Österreichische Hofkanzlei neben der nach Wien verlegten Böhmischen Hofkanzlei, außerdem Hofkanzleien für Ungarn und Siebenbürgen).

Unter Maria Theresia (1740-1780) und Joseph II. (1780-1790) kommt es in Österreich im Absolutismus bzw. aufgeklärten Absolutismus zum Aufbau und Ausbau eines das Gewaltmonopol anstrebenden Machtstaats. Mittelpunkt und Staatsorgan ist der Monarch. Das staatliche Handeln wird unter Zurückdrängung der Landstände in den Erbländern zentralisiert (tatsächlicher monarchischer Einheitsstaat mit unterschiedlichem Föderalismus außerhalb der Erbländer).

Alle als so genannte historisch-politische Individualitäten bzw. historisch-politische Einrichtungen fortbestehenden Länder (Oberösterreich, Niederösterreich, Tirol, Steiermark, Kärnten u. s. w.) haben einen gemeinsamen Monarchen (Staatsoberhaupt), den ein Staatsrat zur Leitung der bestehenden Zentralbehörden berät. Für die Verwaltung der Erbländer werden eine Hofkammer, eine Hofkanzlei, eine oberste Justizstelle als oberstes Gericht und eine Reihe von Hofkommissionen errichtet. Zu ihnen treten neue Mittelbehörden (Verwaltung und Justiz trennende Gouvernementsbezirke bzw. Provinzen mit Gubernien und Sonderbehörden sowie Appellationsgerichten und Unterbehörden) hinzu, während die Grundherrschaften nicht ersetzt, sondern nur an den Staat gebunden werden können.

Ausgeführt wird die Verwaltung von Beamten. Sie kommen vermehrt aus dem Bürgertum und werden für ihre Tätigkeit besonders ausgebildet. Sie erhalten ein festes Gehalt.

Hinsichtlich der Gerichtsbarkeit dringen die Reichsstände 1495 König Maximilian gegen die Zusage einer Türkensteuer ein von ihm unabhängiges Gericht ab. Es ist zunächst in Frankfurt am Main, ab 1527 in Speyer und ab 1693 in Wetzlar untergebracht. Dabei wird schon 1495 eine eigene Reichskammergerichtsordnung geschaffen.

Sie sieht einen Kammerrichter und anfangs 16 teils adlige, teils juristisch ausgebildete Assessoren vor. Gerichtet werden soll nach den (hergebrachten, grundsätzlich vorrangigen, aber beweisbedürftigen, unterschiedlichen) redlichen, ehrbaren und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der (zahlreichen) Fürstentümer, Herrschaften und Gerichte. Bestehen sie nicht oder können sie nicht bewiesen werden, sind des Reiches gemeine Rechte (römisches Recht und kanonisches Recht) anzuwenden.

Zum Ausgleich dieses abgedrungenen Verlusts in der Gerichtsbarkeit verwendet der Kaiser den Reichshofrat in Wien mehr und mehr als Gericht. Reichskammergericht und Reichshofrat konkurrieren in der Folge miteinander. Zwischen 1495 und 1806 werden bei dem Reichskammergericht jährlich etwa 250 Streitsachen und insgesamt rund 75000 Streitsachen anhängig.

In den Ländern errichten die Landesherren allmählich eine hierarchisch gestufte Gerichtsbarkeit (z. B. Allgemeine Gerichtsordnung in Österreich 1781, Westgalizische Gerichtsordnung 1796). An der Spitze steht vielfach ein Oberappellationsgericht. In die Gerichtsbarkeit dringen zunehmend rechtswissenschaftlich geschulte Juristen ein.

Im Verfahren wird unterschieden zwischen Zivilprozess und Strafprozess. Beide werden beeinflusst durch auf der Grundlage des römischen Rechtes und des kanonischen Rechtes in Oberitalien entwickelte gelehrte Vorstellungen. Für beide werden Ordnungen als eigene Gesetze erlassen, die allerdings formelles Verfahrensrecht (z. B. Strafverfahrensrecht) noch nicht von materiellem Sachrecht (z. B. Strafrecht) vollständig trennen.

Im Zivilprozess wird die Schriftlichkeit bedeutsam. Deswegen reicht der Kläger seine Klage nun oft schriftlich ein und der Beklagte antwortet schriftlich. Dafür ist beiden ein juristisch gebildeter Vertreter (Advokat) hilfreich.

Das Verfahren schreitet meist nur langsam in verschiedenen Terminen voran. Bei gegensätzlichen Behauptungen muss von der mit dem Beweis belasteten Partei Beweis erbracht werden, wenn sie nicht den Prozess verlieren will (Beweislast jeder Partei für die ihr günstigen Umstände). Gegen das auf Grund fester Beweisregeln gefällte Urteil gibt es seit dem Spätmittelalter mehr und mehr die Möglichkeit der aus dem gelehrten Recht eindringenden Appellation an ein Obergericht und vielleicht noch an ein Oberappellationsgericht und nach Rechtskraft der endgültigen Entscheidung die Vollstreckung durch einen Bediensteten des Gerichts.

Im Strafprozess übernimmt der Richter an der Stelle des toten, verletzten oder unfähigen Opfers die Verfolgung des möglichen Täters. Da viele mögliche Täter aus Angst vor der peinlichen Strafe die Wahrheit durch die Unwahrheit ersetzen (d. h. lügen), das Geständnis aber als Königin der Beweismittel gilt, darf der Richter (bis zur Aufklärung um etwa 1750) in der nichtöffentlichen Folterkammer die Aussage des Betroffenen durch Anwendung von Gewalt (mit der peinlichen Frage) zu erzwingen versuchen. Hat ein Verfolgter unter der Folter gestanden, darf sein Geständnis bei späterer Leugnung im öffentlichen, endlichen Gerichtstag als Beweis verlesen werden, woraufhin der dadurch überführte Täter vom Scharfrichter hingerichtet werden darf.

Seit der Constitutio Criminalis Carolina des Jahres 1532 darf allerdings allgemein nicht mehr in jedem Fall gefoltert werden, weil unter der Gewalt der Folter Gefolterte auch vorgehaltene, aber tatsächlich gar nicht begangene Taten gestehen. Gefoltert (in verschiedenen, an Härte zunehmenden Stufen) darf nur noch bei Vorliegen von Indizien. Solche Anzeichen oder Hinweise sind etwa Diebsgut im Haus oder Blutspuren an der Kleidung eines möglichen Täters (Indizienlehre).

In zahlreichen Fällen wird dabei ein Prozess wegen der Anschuldigung der Hexerei geführt (Hexenprozess). Als Indizien für Hexen gelten beispielsweise rote Haare und andere auffällige Körpermerkmale oder Vermeidung von Kirchenbesuchen. Die Zahl der bis in das 18. Jahrhundert hinein hingerichteten Hexen wurde früher mit bis zu einer Million beziffert, in der Gegenwart dagegen mit etwa 30000.

Die einzelnen Straftatbestände werden (z. B. gegenüber dem mittelalterlichen Sachsenspiegel) vermehrt (z. B. durch Täuschung herbeigeführte Vermögensschädigung, Erpressung). Als Rechtsfolgen sind vor allem Todesstrafe (Lebensstrafe) und Leibesstrafe angedroht. Bei der auch möglichen Freiheitsstrafe entwickelt sich infolge der Aufklärung die Vorstellung, dass in der Haft die Erziehung (auch) von Straftätern versucht werden soll (Zuchthaus, erstes Beispiel house of correction in Schloss Bridewell bei London 1555, Amsterdam 1595, Bremen 1609, Wien 1671, Innsbruck 1725).

In dem allmählich nach Aussonderung von Prozessrecht und Strafrecht aus der Gesamtheit des Rechtes in besonderen Gesetzen verbleibenden Privatrecht oder bürgerlichen Recht werden inhaltlich die Menschen mit der Geburt rechtsfähig. Sie sind aber nach römischem Vorbild bis zur Vollendung des siebten Lebensjahrs zu rechtlichen Geschäften nicht fähig (geschäftsunfähig). Deshalb muss grundsätzlich der Vater als gesetzlicher Vertreter für sie handeln.

Mit sieben Jahren erlangen sie beschränkte Geschäftsfähigkeit. Deshalb können sie vorteilhafte Geschäfte tätigen, nachteilige Geschäfte aber nur bei Zustimmung des Vaters als gesetzlichen Vertreters . Mit Erreichung der Volljährigkeit (teils mit 20, 22 oder 24 Jahren) tritt volle Geschäftsfähigkeit ein.

Auf Grund eines praktischen Bedürfnisses wird (neben dem einzelnen Menschen vor allem in der Seeschifffahrt) auch die Aktiengesellschaft als Verbandsperson anerkannt. Mit ihrer Hilfe soll Kapital für den Bau eines teueren Schiffes von Seiten mehrerer Gesellschafter zusammengebracht werden und bei Verlust des Schiffes durch Schiffbruch oder Seeräuberei das sonstige Vermögen der Gesellschafter unberührt erhalten bleiben. Erstes Beispiel hierfür ist die Vereinigte ostindische Handelscompagnie von 1602 (VOC) in den Niederlanden.

Die Ehe bleibt kirchenrechtlich bestimmt, wobei zwecks Beweissicherung durch das Konzil von Trient 1563 die Anwesenheit eines Priesters und zweier Zeugen (Trauzeugen) vorgeschrieben wird. Das römische Ehegüterrecht wird nur an wenigen Stellen übernommen. Insgesamt bleibt das Ehegüterrecht örtlich sehr unterschiedlich.

Bei dem Kind wird zwischen ehelichem Kind und unehelichem Kind unterschieden. Ehelich sind Kinder, die frühestens 180 Tage nach der Eheschließung oder spätestens am 300. Tag nach Beendigung der Ehe geboren werden. Als Vater wird grundsätzlich der Ehemann vermutet.

Stirbt der Vater vor der Mündigkeit des Kindes, erhält das Kind einen Vormund. Dies ist grundsätzlich der nächste älteste männliche Verwandte des Kindes (geborener Vormund), der das Kind unterhalten muss und dafür das Gut des Kindes zur Verwaltung erhält. Allmählich kann vom Vater vor seinem Tod auch eine davon abweichende Bestimmung getroffen werden (gekorener Vormund).

Wegen der Gefahr des Missbrauchs entwickelt sich eine Aufsicht des Staates bzw. Richters über den Vormund. Er muss bei Erreichen der Mündigkeit des Mündels Rechnung legen. Das verwaltete Vermögen (Mündelgut) muss er grundsätzlich ungemindert zurückgeben.

Im Erbrecht bleibt es bei dem Grundsatz der Verwandtenerbfolge mit der Möglichkeit der Abwandlung durch ein Testament. Dem Erben fällt mit dem Tode des Erblassers (meist) in einem einzigen Geschehen das gesamte Vermögen des Erblassers an (Universalsukzession). Es kann aber auch ein obrigkeitliches Nachlassverfahren (z. B. Einantwortung in Österreich) eingeschaltet sein.

Die justinianische Einteilung der Verwandten in vier Klassen (Abkömmlinge, Eltern und deren Abkömmlinge, Stiefgeschwister, übrige Seitenverwandte) wird nur an einzelnen Stellen übernommen. Unter dem Einfluss der Aufklärung wird von Joachim Georg Darjes 1740 ein an der Geometrie orientiertes, von Joseph II. für Österreich übernommenes Parentelensystem (Familienschaftssystem) vorgeschlagen (Abkömmlinge, Eltern und deren Abkömmlinge, Großeltern und deren Abkömmlinge, Urgroßeltern und deren Abkömmlinge). Auch hier schließt der nähere Verwandte die weiteren Verwandten aus.

Nach allen Verwandten erhält der Ehegatte auch ein gesetzliches Erbrecht (Ehegattenerbrecht). Allerdings bestehen dabei örtliche Unterschiede. So setzt sich in Tirol das Ehegatten­erb­recht nicht durch.

Das römische Testamentsrecht wird weitgehend übernommen. Der Erblasser kann demnach durch Testament einen Erben bestimmen. Die dadurch benachteiligten nächsten Verwandten haben aber zum Ausgleich des dadurch entstehenden Verlusts einen Anspruch auf einen Pflichtteil (grundsätzlich auf die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbrechts) gegen den Erben.

Bei den Sachen dringen die römische Eigentumsvorstellung, der Erwerb von Eigentum durch Ersitzung und die Hypothek als das meist besitzlose Pfandrecht an Grundstücken vor. Das dem römischen Recht unbekannte Grundbuch wird zurückgedrängt. Die Gewere wird zumindest als Wort zu Gunsten des Besitzes aufgegeben.

Bei den Schulden wird römisches Recht in weitem Umfang aufgenommen. Dies betrifft aber nicht die Gebundenheit des römischen Rechtes an feste Vertragstypen. Vielmehr setzt sich als kirchenrechtlicher Gedanke die Formfreiheit des nur einer Willensübereinstimmung der Parteien bedürfenden Konsensualvertrags durch.

Bei den einzelnen Geschäften wird das kanonische vollständige Zinsverbot durch Höchstzinsregeln (z. B. 5 Prozent) und durch ein Wucherverbot ersetzt. Bei dem Kauf werden das römische Recht bei einem Mangel der Kaufsache (Sachmangelrecht) (nach Wahl des Käufers Rückgängigmachung bzw. Wandelung des gesamten Vertrags oder Festhalten am Vertrag mit Minderung bzw. Herabsetzung des Preises) und die laesio enormis (große Verletzung, Auflösung des Kaufvertrags, wenn der Preis geringer ist als die Hälfte des Wertes und der Käufer nicht den auf den gerechten Preis fehlenden Betrag nachzahlt). Bei der Miete dringt vielfach der römische Grundsatz Kauf bricht Miete vor.

 

Neunzehntes Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert steigt die Bevölkerung des deutschsprachigen Raumes infolge des medizinischen Fortschritts weiter von 23 Millionen auf 60 Millionen.

Politisch werden die nach der Revolution in Frankreich vom 14. Juli 1789 und der Besetzung der linksrheinischen Länder des Heiligen römischen Reiches durch Frankreich eingetretenen linksrheinischen Verluste betroffener Reichsfürsten an Frankreich durch den (die Enteigneten entschädigenden) Reichsdeputationshauptschluss achter Deputationsmitglieder vom 25. 2. 1803 ausgeglichen. Dabei wird eine Mediatisierung (Mittelbarmachung bzw. Beseitigung der Reichsunmittelbarkeit oder Selbständigkeit) vieler kleiner zuvor reichsunmittelbarer Reichsterritorien (z. B. von Reichsstädten und Reichsrittern) zu Gunsten anderer Reichsfürsten beschlossen (z. B. Baden, Bayern, Preußen, Württemberg,). Die bisherigen geistlichen Reichsfürstentümer werden verweltlicht (Säkularisierung z. B. Erzstift Salzburg, Hochstifte Brixen und Trient im Ergebnis an Österreich).

Durch diese Säkularisierung von Köln, Trier und Mainz entfallen katholische Wahlfürsten und entsteht eine protestantische Mehrheit des Kurfürstenkollegiums. Damit wird eine weitere Wahl eines katholischen Habsburgers zum Kaiser ab 1803 unwahrscheinlich. Deshalb nimmt Kaiser Franz II. 1804 vorsorglich zusätzlich die erbliche Würde eines Kaisers Österreichs an.

Mit dem von Napoleon verlangten rechtswidrigen Austritt der Rheinbundfürsten aus dem Heiligen römischen Reich und der rechtswidrigen Niederlegung der Kaiserwürde durch Kaiser Franz II. endet das Heilige römische Reich am 6. August 1806, womit seine Glieder souverän werden. (Kaiser) Napoleon beherrscht in der Folge Europa politisch weitgehend. Österreich verliert viele Gebiete (1805/1806 Tirol und Vorarlberg an Bayern bzw. das von Frankreich errichtete Königreich Italien, 1809 Salzburg mit einem Teil Oberösterreichs an Bayern, Westgalizien mit Krakau an Warschau, Venetien und Dalmatien an das napoleonische Königreich Italien, Oberkärnten, Krain und das Küstenland mit Görz und Gradiska sowie Trient mit Kroatien und Dalmatien an die illyrischen Provinzen), ebenso etwa Preußen.

Nach einem die eigenen Kräfte überschätzenden und deswegen missglückten Feldzug nach Russland wird Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis zum 29. Oktober 1813 durch alliierte europäische Staaten geschlagen und anschließend auf die Insel Elba verbannt. Im Frieden von Paris vom 30. Mai 1814 werden Österreich die meisten Gebiete (ohne seine früheren Niederlande bzw. das spätere Belgien und Luxemburg, Vorderösterreich bzw. Südwestdeutschland und Westgalizien) zurückgegeben. Unter dem Druck der am 1. März 1815 beginnenden Rückkehr Napoleons aus der Verbannung in Elbawird am 8. Juni 1815 auf dem Wiener Kongress die politische Neuordnung in der Form des Deutschen Bundes souveräner Einzelstaaten als eines völkerrechtlichen Vereins (mit einigen Einschränkungen der einzelstaatlichen Souveränität) beschlossen.

Napoleon wird jedoch in Waterloo am 18. Juni 1815 zum zweiten Male geschlagen und anschließend in den weit entfernten Südatlantik verbannt. Im europäischen Rahmen wird am 26. September 1815 zwischen Russland, Österreich und Preußen die sogenannte Heilige Allianz errichtet. Ihr schließen sich später fast alle kontinentaleuropäischen Monarchen an.

In dem 1815 begründeten Deutschen Bund werden die in und von dem Bürgertum verbreiteten Gedanken des Liberalismus und Nationalismus von den Monarchen mit der Gewalt der Polizei unterdrückt (z. B. durch die Zensur der Druckschriften noch vor der Veröffentlichung). Dementsprechend werden unter Federführung des österreichischen Außenministers und späteren Staatskanzlers Clemens von Metternich (Koblenz 1773-Wien 1859) 1819 in Karlsbad repressive Beschlüsse (Karlsbader Beschlüsse) getroffen. Erfasst werden die Überwachung der Universitäten durch landesherrliche Bevollmächtigte, die Zensur, die Errichtung einer Zentraluntersuchungskommission (gegen sogenannte Demagogen) und die Möglichkeit einer Bundesexekution gegen Einzelstaaten.

Am 24. Februar 1848 wird in Frankreich in einer (nach 1789 und 1830 dritten) Revolution erneut die Republik verkündet. Wenig später wird auch in den Staaten des Deutschen Bundes von Bürgern zu Reformen (mit den Zielen Pressefreiheit, Schwurgericht, Republik) aufgerufen. Im März kommt es in Wien, wo am 13. 3. 1848 Studenten mit der Forderung nach Pressefreiheit den Landtag in der Herrengasse stürmen, und in Berlin zu Unruhen.

Als deren Folge wird die bisherige politische Lage (Vormärz als Bezeichnung der politischen Zustände zwischen 1815 und vor dem März 1848) gefährdet bzw. verändert. Mitglieder süddeutscher Landtage bereiten eine Nationalversammlung vor (Heidelberger Versammlung 51er Liberaler und Demokraten, Heidelberger Siebenerausschuss vom 5. 3./12. 3. 1848, Frank­furter Vorparlament vom 31. 3. 1848). Für sie wird von der Bundesversammlung ein Bundeswahlgesetz beschlossen.

Auf seiner Grundlage werden zwischen April und Anfang Mai im Einzelnen unterschiedlich gestaltete Wahlen in den Einzelstaaten durchgeführt. Am 18. 5. 1848 wird in Frankfurt am Main in der Paulskirche die entsprechende Deutsche Nationalversammlung eröffnet. Nach dem Tagungsort heißt sie auch Frankfurter Paulskirchenversammlung.

Gleichzeitig gewähren die von den Unruhen überraschten Fürsten in der Zeit zwischen März und Juni 1848 aus Sorge um ihre Sicherheit liberale Zugeständnisse. Hierzu gehören beispielsweise die (Pillersdorfsche) Verfassungsurkunde des Kaiserreichs Österreich vom 25. April 1848, die Einberufung des vereinigten Landtags in Preußen oder die Ersetzung bisheriger Minister durch gemäßigte Liberale. Durch diese Entgegenkommen soll bewusst der Schwung der liberalen Revolution gemindert werden.

Die gleichwohl eröffnete Tätigkeit der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt am Main in der Paulskirche beginnt - gegliedert in Konservative, Liberale und Demokratische Linke, ca. 50 % Staatsbedienstete, ca. 60 % Juristen, ca. 75 % Akademiker, drei Bauern, kein Arbeiter - im Juni mit der Wahl des österreichischen Erzherzogs Johann zum Reichsverweser (29. 6. 1848, Übertragung der Befugnisse der Bundesversammlung am 12. 7. 1848), der Ernennung einer vorläufigen Reichsregierung (provisorische Zentralgewalt) sowie der Beratung über Grundrechte und eine formelle Verfassung. Gleichzeitig gehen aber die Monarchen nun gewaltsam gegen die demokratische Bewegung vor und schlagen die revolutionären Städte bis November 1848. Wegen der nationalen Frage kommt es anlässlich der umstrittenen Sitzverteilung in dem geplanten Staatenhaus zur Konfrontation zwischen den Anhängern der kleindeutschen Lösung (ohne Österreich) und der großdeutschen Lösung (mit Österreich und möglicherweise seinen großen nichtdeutschen Gebieten).

Die kleindeutsche Richtung (Nationalstaat unter preußischer Führung) setzt sich schließlich mehrheitlich durch und wählt nach einer Entscheidung für die Schaffung eines Erbkaisertums am 28. 3. 1849 mit 290 Stimmen bei 248 Enthaltungen den preußischen König zum Erbkaiser. Als dieser am 28. 4. 1849 die „mit dem Ludergeruch der Revolution behaftete“ Krone ablehnt und die Reichsverfassung verwirft, löst sich die Versammlung weitgehend auf (Rumpfparlament in Stuttgart mit 130 Abgeordneten im Juni 1849 mit Gewalt zerstreut). Nach gewaltsamer militärischer Vernichtung der Reste der revolutionären Bewegung tritt der Reichsverweser am 20. 12. 1849 von seinem Amt zurück, so dass der auf ein (zweites) deutsches Reich gerichtete Revolutionsversuch letztlich scheitert.

In Österreich, in dem der Sturz des Königs Frankreichs und eine Rede des ungarischen Abgeordneten Lajos Kossuth in Pressburg am 3. März 1848 Unruhen auslösen, muss Staatskanzler Metternich nach einem blutigen Unterdrückungsversuch (Märzgefallene) am 13. März 1848 zurücktreten. Kaiser Ferdinand I. sieht sich am 15. März 1848 zu einem Verfassungsversprechen veranlasst. An die Stelle von Staatskonferenz und Staatsrat tritt am 17. März 1848 ein Ministerrat unter dem Vorsitz eines Ministerpräsidenten und zusätzlich wird (statt eines versprochenen Ausschusslandtags) ein ständischer Zentralausschuss zur Mitwirkung an der versprochenen Verfassung einberufen.

Für die Länder der böhmischen Wenzelskrone (Böhmen, Mähren, Schlesien) regt der Kaiser am 8. April 1848 eine Beratung über die Vereinigung unter einem gemeinsamen Landtag und einer gemeinsamen Zentralverwaltung (Böhmische Charta) an, hält sich später aber nicht an seine Anregung. Für Ungarn billigt der Kaiser am 11. April 31 Gesetzesartikel des Landtags, durch welche die Länder der Stephanskrone (Ungarn mit Kroatien und Siebenbürgen) zu einem mit dem übrigen habsburgischen Ländern im Wesentlichen nur in Personalunion verbundenen selbständigen konstitutionellen Königreich umgewandelt werden. Lombardo-Venetien versucht, sich von Habsburg zu lösen.

In der Folge werden zwar zwischen 1848 und 1851 zahlreiche revolutionäre Forderungen verwirklicht (Pillersdorfsche formelle frühkonstitutionelle Verfassung, Ende der Zensur, Geschworenengerichte, Staatsanwaltschaft, freie Beweiswürdigung, Beseitigung der Grundherrschaft und der letzten Reste der persönlichen Unfreiheit). Auf der Grundlage der anschließenden Märzverfassung 1849 werden Pressegesetz, Vereinsgesetz und Gemeindeordnung geschaffen. Gerichtsbarkeit und Verwaltung werden geordnet und voneinander getrennt.

Nach der Niederschlagung der Unruhen beginnt aber mit dem Silvesterpatent 1851 der Neoabsolutismus. Es erfolgt in vielfacher Hinsicht die Rückkehr zu den älteren Verhältnissen. So wird 1853 der 1850 neu eingeführten Strafprozess mit Mündlichkeit, Öffentlichkeit, Unmittelbarkeit, freier Beweiswürdigung und 12 Geschworenen bei bestimmten schweren Straftaten beseitigt, wobei erst die Strafprozessordnung des Jahres 1873 (Julius Glaser) wieder den Zustand des Jahres 1850 herstellt, und werden das neue Pressrecht, Vereinsrecht und Gemeinderecht aufgegeben.

Danach wird Österreich durch die Niederlage gegen die von Frankreich unterstützte nationalistische Einigungsbewegung Italiens in der Schlacht bei Solferino (südlich des Gardasees) am 24. Juni 1859, als deren Folge Henri Dunant das Rote Kreuz gründet, politisch (und finanziell) stark geschwächt. Deshalb muss der Kaiser seit 1860 dem Bürgertum Zugeständnisse machen. Dies geschieht am 20. 10. 1860 durch das Oktoberdiplom zur Regelung der inneren staatsrechtlichen Verhältnisse der Monarchie und am 26. 2. 1861 durch das Februarpatent.

1866 erklärt Preußen im Streit um die gemeinsame Verwaltung der 1864 vom Deutschen Bund Dänemark kriegerisch abgewonnenen Herzogtümer Schleswig und Holstein wegen der Mobilisierung von Bundestruppen seitens Österreichs den Bundesvertrag für gebrochen und deshalb nicht mehr verbindlich. Nach der Schlacht von Königgrätz (bei Sadowa in Böhmen am 3. 7. 1866) wird im Frieden von Prag am 23. 8. 1866 der Deutsche Bund aufgelöst. Ungarn erreicht in dem österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867 eine Verbesserung seiner Rechtsstellung und Österreich erhält im Dezember 1867 eine neue Verfassung (Dezemberverfassung).

Preußen bildet in Verfolgung der nationalstaatlichen Idee nach Annexion Schleswig-Holsteins, Hannovers, Kurhessens, Nassaus und Frankfurts am Main mit den verbliebenen 21 norddeutschen Staaten bereits am 18. August 1866 den Norddeutschen Bund (Bundesstaat) (und schließt mit den süddeutschen Staaten Baden, Bayern, Hessen und Württemberg geheime Bündnisverträge). Nach einem Sieg gegen Frankreich 1870 im erneuten Streit um die Thronfolge in Spanien (mit Rückgewinn des Elsass) wird unter Beitritt der süddeutschen Staaten (Hessen, Baden, Bayern und Württemberg) der Norddeutsche Bund zum 1. 1. 1871 in das (zweite) Deutsche Reich unter der politischen Führung Otto von Bismarcks umgewandelt (Kaiserproklamation in Versailles am 18. Januar 1871). Dieser deutsche Nationalstaat ohne Österreich, Liechtenstein und Luxemburg, der noch einige Kolonien erwerben kann, ersetzt nach der Entlassung Bismarcks (1890) durch Kaiser Wilhelm II. die Politik der saturierten friedenstauglichen Bewegungslosigkeit durch die Politik des prestigeträchtigen kriegstauglichen Ausgreifens und tritt mit anderen europäischen Großmächten (England, Frankreich) in einen Rüstungswettlauf zwecks Erringung der Vorherrschaft in Europa bzw. auf der Welt ein.

Österreich, das 1878 die türkischen Provinzen Bosnien und Herzegowina besetzt und 1908 annektiert, wird am 28. Juni 1914 dadurch erschüttert, dass der serbische Bosnier Gavrilo Princip den auch in Österreich nicht besonders geschätzten Thronfolger Österreichs (Franz Ferdinand) und seine Frau in Sarajewo ermordet. Der Kaiser verlangt von dem 1816 teilweise und 1878 vollständig aus der Herrschaft der Türkei gelösten Königreich Serbien in einem Ultimatum vom 23. Juli 1914 die Verfolgung und Bestrafung der Attentäter. Da das sich mit Frankreich und Russland abstimmende Serbien diesem Ultimatum am 25. Juli 1914 nicht in der von Österreich gewünschten Weise nachkommt, erklärt die europäische Großmacht Österreich trotz ziemlich mangelhafter Vorbereitung nach Rücksprache mit dem Deutschen Reich dem kleinen, von Russland und Frankreich beratenen Königreich Serbien am 28. Juli 1914 den zu dieser Zeit international noch nicht geächteten Krieg, womit der erste Weltkrieg beginnt.


Die europäische Großmacht Österreich-Ungarn vor dem ersten Weltkrieg (1914)


Serbien wird von Russland, England und Frankreich als Gegnern des Deutschen Reiches und Österreichs unterstützt. Nach vier Jahren Krieg mit 8 Millionen getöteten Soldaten gewinnen Großbritannien, Frankreich, Russland, Italien (23. Mai 1915) und die im April 1917 in den Krieg eingetretenen Vereinigten Staaten von Amerika als Alliierte die Oberhand. Die Lage wird für das Deutsche Reich und Österreich aussichtslos.

Nach der Abdankung des Königs Bayerns (8. 11. 1918) gibt der Kaiser des Deutschen Reiches am 9. 11. 1918 den Thron auf. Am 11. 11. 1918 verzichtet der Kaiser Österreichs auf einen Anteil an den Staatsgeschäften. Österreich verliert vor allem als Folge des im 19. Jahrhundert entstehenden Nationalismus Böhmen, Ungarn, Slowenien, Kroatien, Bosnien, Herzegowina und Südtirol und wird dadurch von einer europäischen Großmacht (Vielvölkerstaat) mit deutschsprachiger Minderheit zu einem aus ziemlich vordergründigen wirtschaftlichen Überlegungen den Untergang der Monarchie ohne Rechtsnachfolge und damit Diskontinuität bejahenden deutschsprachigen kleinen Staat, das Deutsche Reich muss das Elsass, Westpreußen und die Kolonien aufgeben.


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Mitteleuropa mit dem Kleinstaat Österreich nach dem ersten Weltkrieg (1918)


Wirtschaftlich ist das 19. Jahrhundert durch die von Großbritannien (neue Arbeitsauffassung der aus der Politik ausgeschlossenen kalvinistischen Puritaner mit dem Ziel der Kapitalansammlung, Änderung der Agrarverfassung mit Freisetzung von Arbeitskräften, Erfindungen wie die Dampfmaschine) ausgehende Industrialisierung gekennzeichnet. Die Landwirtschaft verliert an Bedeutung. Mehr und mehr Menschen werden als Arbeiter in Fabriken in Städten und Industriegebieten tätig.

Der Gefahr des drohenden Pauperismus begegnet als wirtschaftliche Idee der von dem schottischen Nationalökonomen Adam Smith 1776 (On the Nature and Causes of the Wealth of Nations) begründete Liberalismus. Er geht von der Vorstellung aus, dass der freie Mensch unter den verschiedenen ihm offenen Möglichkeiten stets die anstreben wird, mit der er seine wirtschaftliche Lage am einfachsten verbessern kann. Wenn jeder das tut, was er am besten kann, wird sich auf dem freien Markt das volkswirtschaftliche Optimum einstellen.

Voraussetzung hierfür ist allerdings die persönliche Freiheit aller Marktteilnehmer. Deswegen werden (nach einzelnen früheren Ansätzen in Schleswig-Holstein 1688, Ostpreußen 1718, Savoyen, Österreich 1781 aber bald wieder zurückgenommen, Baden 1783, allgemein Frankreich 1789, linksrheinisch 1798) die Bauern aus der bestehenden grundherrschaftlichen Abhängigkeit durch gesetzliche Maßnahmen befreit (Bauernbefreiung) (Preußen Edikt betreffend den erleichterten Besitz des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner vom 9. 10. 1807, Edikt die Rechte der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse betreffend vom 14. 9. 1811, Österreich kaiserliches Patent vom 7. 9. 1848 über die Aufhebung des Untertänigkeitsverbands und Entlastung des bäuerlichen Besitzes, Durchführung im Patent vom 4. 3. 1849, Abwicklung bis etwa 1857). Zusätzlich werden Gewerbefreiheit (Frankreich 1791, Preußen 1807/1810/1811/1845, England 1814, Österreich 1859 in beschränkter Weise und 1883 wieder beseitigt) und nach Verbesserung der Verkehrswege (Chausseen, Kanäle) und Verkehrsmittel (Dampfschiff 1807, Eisenbahn in England 1825) Handelsfreiheit angestrebt (Schaffung des Deutschen Zollvereins ohne Österreich zum 1. 1. 1834).

Gesellschaftlich entstehen allerdings aus dem freien Wettbewerb aller, zudem durch den medizinischen Fortschritt zahlenmäßig zunehmender Marktteilnehmer neue Schwierigkeiten. Wenn jedermann auf dem Arbeitsmarkt seine Arbeit anbietet, wird der Arbeitgeber nach den wirtschaftlichen Regeln des Liberalismus den Anbieter als Arbeitnehmer auswählen, der ihm zu den geringsten Kosten den größten Nutzen bringt. Sinkt unter dem Druck des Arbeitsangebots der Preis der Arbeit, muss der Arbeitnehmer zur Sicherung seines Lebens zusätzliche Arbeit anbieten, wodurch zu seinem Nachteil ein erneuter Druck auf den Preis der Arbeit ausgelöst wird.

Im Ergebnis treten als Folge des Liberalismus zwei gesellschaftliche Klassen einander gegenüber. Die Unternehmer gewinnen Kapital und entwickeln sich zu Kapitalisten. Die Arbeitnehmer müssen zu immer schlechteren Bedingungen ihre Arbeit anbieten und werden zu vermögenslosen Proletariern, woraus als gesellschaftliches Problem die so genannte soziale Frage entsteht.

Da der Staat im Liberalismus nur (bzw. vor allem) die Aufgabe der Sicherung der Freiheit der Menschen hat, darf er in diese gesellschaftliche Entwicklung nicht eingreifen (Nachtwächterstaat, der nur zum Kinderarbeitsschutz zwecks Sicherung leistungsfähiger Soldaten in England 1802, Frankreich 1813 und Preußen 1839 bereit ist). Deswegen versuchen die Proletarier Selbsthilfemaßnahmen durch die Gründung von Gewerkschaften, sozialistischen Parteien (1863 Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein, 1869 Sozialdemokratische Arbeiterpartei, 1875 Vereinigung zur Sozialistischen Arbeiterpartei) und Konsumgenossenschaften (1844). Im Deutschen Reich reagiert der Reichskanzler Otto von Bismarck darauf 1878 mit dem Verbot der Sozialistischen Arbeiterpartei (Sozialistengesetz, 1890 aufgehoben, Österreich 1869 Arbeiterbewegung als staatsgefährlich verboten, 1888/1889 Sozialdemokratische Arbeiterpartei SdAP Österreichs).

Da gleichwohl die sozialdemokratischen Parteien an Zulauf gewinnen, ändert nach dem Vorbild verschiedener seit 1850 sichtbarer Werkskassen für Krankheit, Alter und Invalidität Otto von Bismarck 1881 seine negative Verbotspolitik in Richtung auf positive Sozialpolitik. In kurzer Zeit werden im Reichstag ab 1883 Sozialversicherungsgesetze geschaffen. Mit Hilfe von weitgehend neuartigen, gesetzlich verpflichtenden Sozialversicherungen werden die Arbeitnehmer gegen die Lebensrisiken Krankheit, Unfall, Invalidität und Alter abgesichert, wobei die an bereits Alte, Kranke, Invalide und Unfallopfer zu zahlenden Sozialversicherungsleistungen (nur) durch die laufenden Beiträge der gesunden jungen Arbeitnehmer finanziert werden.

Bedeutsam wird daneben gesellschaftlich seit etwa 1850 auch die Emanzipation der Frauen von der Vorherrschaft der Männer. In Leipzig entsteht 1865 der Allgemeine Deutsche Frauenverein. Noch 1895 sind aber nur 7 Prozent aller verheirateten Frauen außer Haus berufstätig.

Geistesgeschichtlich betont die Romantik das Gefühl gegenüber der Vernunft, bildet nach Immanuel Kant (1724-1804) die sittliche Autonomie des Individuums das Grundgesetz der moralischen Welt (Idealismus) und führen die liberalen und sozialen Ideen zur Abkehr von den christlichen Kirchen. In diesem Zusammenhang kommt es von 1871 bis 1886 zwischen dem liberal bestimmten Staat und der als staatsfeindlich eingeordneten christlichen Kirche zu einer Auseinandersetzung um die Eheschließung. Im so genannten Kulturkampf (Baden, Bayern, Preußen, Schweiz 1874) setzt der Staat eine vorrangige staatliche oder zivile Eheschließung gegenüber der bisherigen alleinigen Eheschließung in der Kirche durch.

Von den politischen Grundideen will der Konservativismus die überkommene Lebensform bewahren und bejaht deshalb nur die organische Weiterentwicklung (Karl Ludwig von Haller 1768-1854). Der Liberalismus will den Einzelnen zwecks Gewinnung und Sicherung von Freiheit am Staat durch Wahlen und Parlamentsabgeordnete Teil haben lassen (Jeremy Bentham 1748-1832, John Stuart Mill, Herbert Spencer, Karl von Rotteck 1775-1840). Der Sozialismus will auch dem sozial Schwachen Wohlstand und Gleichheit gewähren (Claude Henri de Saint-Simon 1760-1825, Karl Marx, Friedrich Engels).

Für die Rechtsquellen stellt sich im Anschluss an die Freiheitskriege gegen Napoleon die allgemeine Frage, ob der in vielen Gebieten eingeführte Code civil Frankreichs (1804) weitergelten könne, was für das linksrheinische Gebiet bejaht wird (rheinisches Recht, Rheinprovinzen Preußens, Rheinbayern, Rheinhessen, Baden, nach 1871 Elsass-Lothringen). Demgegenüber spricht sich Anton Friedrich Justus Thibaut (1772-1840) 1814 nach dem Vorbild Frankreichs aus Vaterlandsliebe und praktischen Überlegungen in der Schrift Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland für ein künftiges einheitliches Bürgerliches Gesetzbuch aller Deutschen (Privatrecht, Strafrecht, Verfahrensrecht) aus. Dem tritt Friedrich Karl von Savigny (1769-1861) noch im gleichen Jahr in der Schrift Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft entgegen, weil Recht aus dem Bewusstsein des Volkes bzw. der das Volk kulturell vertretenden Schicht der Gelehrten und Richter (Volksgeist) entstehe(n müsse) und jedes von oben kommende Gesetz unorganisch und damit überflüssig oder schädlich sei.

In der Rechtswirklichkeit werden (entgegen Savignys Forderungen) unter dem Vorbild Frankreichs vielfältige umfangreiche Gesetze geschaffen und in amtlichen Sammlungen gesichert (in Österreich seit 1849 Reichsgesetzblatt, in Preußen 1806 Gesetzsammlung, im Norddeutschen Bund 1867 Gesetzblatt, im Deutschen Reich 1871 Reichsgesetzblatt). Sie betreffen aber zunächst nur die souveränen Einzelstaaten (Einzelstaatsgesetze). Zu allgemeinen deutschen Gesetzen kommt es erst in der Jahrhundertmitte, zur deutschen Rechtseinheit (ohne Österreich, Liechtenstein und Luxemburg) erst mit der Schaffung des (zweiten) Deutschen Reiches (1871).

Im Bereich des sehr zersplitterten partikularen Privatrechts folgen dabei dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811/1812 und erfolglosen Bestrebungen in Bayern 1832/1834, Preußen 1842, Hessen 1842/1847 und Sachsen 1852 vor allem ein Privatgesetzbuch Zürichs (Johann Kaspar Bluntschli, 1856) und das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens (1863), die den privatrechtlichen Rechtsstoff in fünf Bücher (Allgemeiner Teil, Sachenrecht, Schuldrecht, Familienrecht, Erbrecht, so genanntes Pandektensystem) einteilen (in Sachsen 1865 in Kraft getreten). Im Strafrecht wird das von Anselm von Feuerbach (1775-1833) auf der Grundlage des Gedankens der Generalprävention entworfene Strafgesetzbuch Bayerns von 1813 wegweisend (Preußen 1851, Deutsches Reich 1871), während Österreich 1852 nur das Strafgesetzbuch von 1803 in einer wenig veränderten Fassung (Strafverschärfungen bei Sittlichkeitsstraftaten, Prügelstrafe wiedereingeführt bis 1867, Berücksichtigung von Telegraphie und Eisenbahn) ohne prozessualen Teil neu herausgibt bzw. wiederverlautbart (1855 Militärstrafgesetzbuch, Nebengesetze). Der Zivilprozess wird 1831 in Baden, 1850 in Hannover und 1864 in Preußen (Entwurf nach dem Vorbild Frankreichs) neu gestaltet (Österreich 1895 bedeutende Zivilprozessordnung Franz Kleins), der Strafprozess 1844 in Baden (1849 Preußen, 1850 Österreich, aber 1853 aufgehoben und erst 1873 endgültig in Kraft gesetzt).

In Österreich kommt es weiter 1812 zu einem Lotto-Patent, 1819 zu einem Patent über das Verfahren in Ehesachen, 1832 zu einem Auswanderungspatent, 1844 zu einem Sparkassenregulativ, 1846 zu einem Urheberrechtspatent (Patent über das artistische Eigentum), 1852 zu einem Forstgesetz, 1854 zu einem Gesetz über das Verfahren in bürgerlichen Sachen außer Streit und einem Berggesetz sowie 1859 zu einer Gewerbeordnung.

Allgemeines deutsches Recht entsteht im Deutschen Bund auf dem Gebiet des Handelsrechts um die Mitte des 19. Jahrhunderts in der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und in dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch. Den Anstoß hierzu geben kaufmännische Kreise, die ihre wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten durch das verschiedene Recht der einzelnen Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes behindert sehen. Sie erreichen schon 1837 einen allgemeinen Bundesbeschluss des Bundestages gegen den Nachdruck von Büchern.

Nach dem Vorbild des französischen Code de commerce (Handelsgesetzbuch) von 1808, dem 1829 in Spanien, 1833 in Portugal und 1838 in den Niederlanden je ein besonderes Handelsgesetzbuch folgt, will die Frankfurter Paulskirchenversammlung das Handelsrecht kodifizieren, scheitert daran aber infolge ihrer begrenzten Handlungsfähigkeit. Deshalb wird zunächst nur ein bereits 1847 von allen Bundesstaaten gemeinsam ausgearbeiteter Entwurf einer Allgemeinen Wechselordnung (ADWO) als Reichsgesetz (am 27. 11. 1848 verkündet) angenommen. Er wird nach dem Scheitern des Revolutionsversuchs zur Sicherheit auch noch von den (meisten) Einzelstaaten durch Landesgesetz (z. B. 25. 1. 1850 in Österreich) als sog. allgemeines deutsches Recht in Kraft gesetzt.

In gleicher Weise wird der auf bayerischen Antrag und unter Verwendung preußischer und österreichischer Vorlagen 1861 entstandene (Nürnberger) Entwurf eines Handelsgesetzbuchs (Beschluss der Bundesversammlung vom 31. Mai 1861) durch ihn übernehmende Einzelgesetze der Bundesstaaten (einschließlich Österreichs, 1. 7. 1863 Allgemeines Handelsgesetzbuch) zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB mit auf das Handelsgeschäft abstellendem objektivem System). Dagegen bleibt die 1862 als weiterer Schritt beschlossene Schaffung eines einheitlichen Obligationenrechts infolge der Auflösung des Deutschen Bundes ebenso im Stadium des Entwurfs (1866 Dresdener Entwurf) stecken wie der Hannoversche Entwurf einer Allgemeinen Deutschen Civilproceßordnung. Damit enden die allgemeinen deutschen Gesetze.

Mit der Entstehung des Norddeutschen Bundes (1867) und vor allem des Deutschen Reiches 1871 beginnt eine tiefgreifende Vereinheitlichung des deutschen Rechtes durch zahlreiche Gesetze. Am Beginn der Reichsgesetzgebung steht die Verfassung vom 16. 4. 1871, die auf der Verfassung des Norddeutschen Bundes (1867) beruht. Das Strafgesetzbuch von 1871 geht auf das Strafgesetzbuch Preußens (von 1851) und den Norddeutschen Bund zurück, während im Handelsrecht das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch 1870 nur in gemeines Recht und 1872 in ein Reichsgesetz umgeändert werden muss.

Die Neuordnung des Verfahrensrechts soll die Ziele des liberalen Rechtsstaats verwirklichen. Sie geschieht in den vier Reichsjustizgesetzen (Reichszivilprozessordnung, Reichsstrafprozessordnung, Gerichtsverfassungsgesetz, Reichs­konkursordnung). Sie treten gemeinsam zum 1. 10. 1879 in Kraft.

Die Sozialversicherungsgesetze, mit denen Bismarck die Arbeiter politisch von den sozialistischen Parteien fernhalten will, werden eingeleitet durch die Kaiserliche Botschaft zum 17. 11. 1881. Innerhalb weniger Jahre werden Krankenversicherung (15. 6. 1883), Unfallversicherung (6. 7. 1884) sowie Altersversicherung und Invalidenversicherung (22. 6. 1889) gesetzlich geregelt und in der noch durch ein Angestelltenversicherungsgesetz (28. 12. 1911) ergänzten Reichsversicherungsordnung (19. 7. 1911) abschließend zusammengefasst. In Parallele hierzu werden in Österreich unter Ministerpräsident Taafe und dem Justizministerialbeamten Steinbach die Unfallversicherung der Arbeiter 1887 und die Krankenversicherung der Arbeiter 1888 geordnet und wird nach Erweiterung dieser Gesetze (1894, 1899) 1906 die Angestelltenpensionsversicherung eingeführt, während in der Schweiz Krankenversicherung und Unfallversicherung 1911 geschaffen werden.

Das (deutsche) Bürgerliche Gesetzbuch schließlich wird durch einen 1867, 1869, 1871und 1872 vergeblich eingebrachten, 1873 schließlich aber doch erfolgreichen Antrag der nationalliberalen Abgeordneten Johannes Miquel und Eduard Lasker ermöglicht. Auf Grund dessen wird die Zuständigkeit des Reiches vom Verkehrsrecht (Schuldrecht) auf das gesamte bürgerliche Recht ausgedehnt (20. 12. 1873). Auf ein Gutachten des Berliner Handelsrechtlers Levin Goldschmidt und den Vorschlag einer später so genannten Vorkommission hin (1874) wird eine (erste) Kommission mit 11 Mitgliedern eingesetzt.

1875 werden im Kulturkampf bereits das Personenstandsrecht und das Eherecht vereinheitlicht. Die für das Bürgerliche Gesetzbuch eingesetzte Kommission entscheidet sich nach dem Vorbild des Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1863) für ein Fünfbüchersystem (Pandektensystem). Ihr Entwurf wird aber von der Kritik teils als sozial rückständig („Kathedersozialist“ Anton Menger, Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1889), teils als undeutsch (Otto von Gierke, Der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, 1888/1889), im Übrigen als lebensfremd, hölzern und doktrinär kritisiert.

Daraufhin wird 1890 eine zweite Kommission mit der Umarbeitung betraut. Sie nimmt einige kritische Anregungen auf, verbessert die Sprache und arbeitet die Grundgedanken deutlicher heraus, überlässt aber einzelne Fragen bewusst der Entscheidung durch die Rechtswissenschaft oder verzichtet wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten auf eine Regelung (z. B. culpa in contrahendo [Ihering], Drittschadensliquidation [1855]). 1895 wird der zweite Entwurf dem Bundesrat vorgelegt.

Er wird nach einigen Änderungen als dritter Entwurf samt einer Denkschrift des Reichsjustizamts im Reichstag eingebracht (17. 1. 1896) und schließlich gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, die das Dienstvertragsrecht zugunsten eines von ihnen angestrebten Arbeitsvertragsgesetzes ablehnen, mit 222 von 393 Stimmen angenommen. Am 18. 8. 1896 wird er verkündet und zum 1. 1. 1900 in Kraft gesetzt. Damit endet im Bereich des Privatrechts im Wesentlichen die Geltung des um 1900 für 16,5 Millionen Menschen anzuwendenden gemeinen Rechts, des preußischen Allgemeinen Landrechts (21 Millionen Menschen), des linksrheinischen Code civil, des Bürgerlichen Gesetzbuchs Sachsens (3, 5 Millionen) und zahlreicher Einzelgesetze.

Gleichzeitig werden Handelsgesetzbuch (HGB von 1897 mit auf den Kaufmann abstellendem subjektivem System), Konkursordnung (KO) und Zwangsvollstreckung (ZPO) angepasst und eine Grundbuchordnung (GBO 1897), ein Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG 1898) sowie über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (ZVG 1897) geschaffen. Dem folgen weitere Nebengesetze nach (z. B. 1901 Verlagsgesetz, Literatururhebergesetz, 1908 Versicherungsvertragsgesetz, Scheckgesetz). Andere einzelne Teile des privaten Rechtes bleiben dem Landesrecht vorbehalten (sog. Verlustliste der deutschen Rechtseinheit).

Insgesamt erweist sich das infolge fast hundertjährigen Wirkens der Rechtswissenschaft das dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811/1812 einigermaßen überlegene Bürgerliche Gesetzbuch als ein pandektistisch geprägtes, klar aufgebautes, durch seine weitgefassten Grundregeln für neue Anforderungen (z. B. Versandhandel, Selbstbedienungskauf, unbare Zahlung) durchaus offenes, recht begriffliches, ziemlich abstraktes und dadurch wenig volkstümliches, nach den Erscheinungsformen des subjektiven Rechtes und vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreitend gegliedertes Erzeugnis technisch geschulter Juristen, unter denen eine überragende schöpferische Persönlichkeit fehlt. Inhaltlich überwiegen die den bürgerlichen Wirtschaftskreisen angemessenen und günstigen liberalen Ziele, zu denen sich patriarchalisch-konservative Elemente (Familienrecht und Erbrecht) und vereinzelte soziale Regelungen (§§ 138, 343, 617, 618, 829, 1149, 1229) gesellen. Wegen seiner klaren Systematik und seiner dogmatischen Gründlichkeit beeinflusst es in verschieden starkem Maß das Privatrecht Japans (1898), der 1848 als Bundesstaat organisierten, 1874 und 1898 ihre Verfassung ändernden Schweiz (dem Handelsrecht und Schuldrecht verbindenden Obligationenrecht von 1883 [revidiert 1911] folgendes, von Eugen Huber ausgearbeitetes und 1907 beschlossenes Zivilgesetzbuch [Inkrafttreten 1. 1. 1912, Personenrecht, Familienrecht, Erbrecht, Sachenrecht, kein allgemeiner Teil, abgesondertes Obligationenrecht, mit Auswirkungen auf die Türkei 1923, Liechtenstein ab 1918, Ungarn und die Tschechoslowakei]), Österreichs, Chinas (1930), Brasiliens (1916), Thailands (1925), Perus (1936), Griechenlands (1930/1946) Italiens (1942 Codice civile) und Frankreichs.

In Österreich, das mit dem Ende des Deutschen Bundes (1866) deutlicher von den übrigen deutschen Ländern getrennt wird, werden 1852 eine Neufassung des Strafgesetzes von 1803, 1868 eine Konkursordnung, 1869 ein Eisenbahnhaftpflichtgesetz (mit dem Prinzip der Gefährdungshaftung), 1871 ein Notariatsgesetz und ein Grundbuchsgesetz, 1873 eine rechtsstaatliche Strafprozessordnung und ein Genossenschaftsgesetz, 1883 ein Kommassierungsgesetz (Zusammenlegung bäuerlicher Fluren), 1895 eine Zivilprozessordnung (mit Mündlichkeit, Öffentlichkeit und Unmittelbarkeit) und ein Gesetz über die Ausübung der Gerichtsbarkeit sowie ein Urheberrechtsgesetz, 1896 ein Aktienregulativ, 1900/1903 Anerbengesetze (Tirol, Kärnten), 1902 ein Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz sowie 1906 ein Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung erlassen. Nach einem als rechtspolitisch dringlich angesehenen Baurechtsgesetz von 1912 (Eigentum an Bauwerken unabhängig vom Grundstückseigentum, 1990 ausgeweitet) wird unter dem Einfluss des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (statt der früher von Josef Unger verlangten Totalrevision) 1914 (Personenrecht, Familienrecht, Erbrecht), 1915 (Nachbarrecht), 1916 (Eigentumsvorbehalt, Belastungsverbot, Vertrag, Schuldübernahme, Auslobung, Schadensersatz, Verjährung) das (vor allem wegen eines befürchteten Vetos des Kaisers im Eherecht unangetastete) Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch durch mittels dreier zunächst nur vorläufig geltender Notverordnungen des Kaisers teilnovelliert und dabei inhaltlich geändert (sowie 1918 über Teilnovellen zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch auch durch Gesetz geändert) und 1916 durch eine Entmündigungsordnung ergänzt. Der durch das Kriegsleistungsgesetz von 1913 begünstigte erste Weltkrieg führt 1914 zur Suspendierung staatsbürgerlicher Rechte und 1917 zu einem kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz (aus kriegswirtschaftlichen Gründen geschaffene Ermächtigung zur Schaffung von Recht ohne Parlament) sowie zur Wohnungszwangswirtschaft.

Neben dem damit eindeutig im Vordergrund stehenden Gesetz ist auch das Gewohnheitsrecht Rechtsquelle. Es wird jetzt dogmatisch untersucht (Georg Friedrich Puchta, Das Gewohnheitsrecht 1828/1837). Tatsächlich verliert es neben der Vielzahl neuer Gesetze sehr an Bedeutung.

Erhebliches Gewicht kommt der juristischen Literatur zu, die mit dem weiteren Ausbau des juristischen Studiums zunimmt (1890 insgesamt 200 Professoren und 6700 Studenten). Die Vorlesungen sind in teilweise neugebildete Fachgebiete gegliedert und werden durch allmählich obligatorische praktische Übungen und durch Seminare ergänzt. Bereits das Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 schreibt eine Mindeststudienzeit für die Aufnahme in den anschließenden einheitlichen freiwilligen praktischen Ausbildungsdienst für alle Juristen vor.

In Österreich wird nach 1848 das Fehlen einer geschichtlichen Grundlage im rechtswissenschaftlichen Studium als eine Ursache für die revolutionäre Bewegung dieses Jahres angesehen und dementsprechend durch Unterrichtsminister Leo Graf Thun-Hohenstein 1855 eine Studienreform durchgeführt. Sie ist durch die Übernahme der Erkenntnisse der historischen Schule gekennzeichnet. Im Mittelpunkt des Studienbeginns steht die deutsche Rechtsgeschichte.

Die wissenschaftliche Literatur befasst sich hauptsächlich mit dem gemeinen (römischen) Recht sowie dem gemeinen deutschen Privatrecht. Nur vereinzelt werden die Partikularrechte der Einzelstaaten bzw. Bundesstaaten erörtert. Dann erhalten sie aber auch zusammenfassende Darstellungen.

Die Zahl der einzelnen dogmatischen Abhandlungen der gemeinrechtlichen Jurisprudenz, die für das 19. Jahrhundert den von den Pandekten abgeleiteten besonderen Namen Pandektistik erhält, ist unübersehbar. Methodisch vorbildlich erscheint der Zeit wegen der systematisch-theoretischen Durchdringung des historisch vorgegebenen Stoffes Savignys nicht wissenschaftlich wirklich unvoreingenommene, sondern auf ein bestimmtes angestrebtes Ergebnis angelegte Arbeit „Das Recht des Besitzes“ (1803). Die wichtigsten Gesamtdarstellungen sind vielleicht Savignys „System des heutigen römischen Rechts“, 1839ff. (unvollendet), Puchtas „Cursus der Institutionen“, 2. A. 1845f., 10. A. 1893ff. und abschließend Bernhard Windscheids (1817-1892) Pandekten (1862ff., 7. A. 1891), die das römische Recht grundsätzlich eher bewahren als fortentwickeln, aber gleichwohl teilweise als dem Gesetz gleichwertig angesehen werden.

Für das Recht im Allgemeinen (Rechtstheorie) gehen neue Impulse vor allem von dem Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) und dem Juristen Gustav Hugo (1764-1844) aus. Nach Kant besteht als einziges angeborenes Recht des Menschen seine Freiheit und ist das Recht objektiv der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit vereinigt werden kann. Hugo strebt ausgerichtet an der gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit eine allgemeine Theorie des geltenden Rechts an, nach welcher der positive Rechtsstoff philosophisch, d. h. begrifflich-systematisch, durchdrungen wird.

Auf die Ideen beider gründet sich in einem objektiven, scheinbar gegen das ungeschichtliche Naturrecht (Vernunftrecht) gerichteten Idealismus Savigny. Er übernimmt in rechtspolitischer Entscheidung Kants Freiheitsethik und verwirklicht Hugos methodische Forderungen schon im „Recht des Besitzes“ (1803) in der Form der philosophischen (begrifflichen, allgemeinen, absoluten, systematisch-theoretischen) Durchdringung des historischen (tatsächlichen, positiven, konkreten, exegetisch-praktisch behandelten) Stoffes, um in manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den Quellen den Besitzwillen als allgemeines logisches konstituierendes Element des Besitzrechts konstruktiv-systematisch zu erarbeiten. Damit wird er zugleich zum Begründer der sog. historischen Rechtsschule, die sich bald in römischrechtliche Romanisten (Savigny, Puchta, Windscheid, Romanistik) und deutschrechtliche Germanisten (Eichhorn, Grimm, Gierke, Germanistik) aufspaltet.

Sie sieht grundsätzlich das Recht an seine geschichtlichen Voraussetzungen gebunden und wendet sich sowohl gegen ein zeitloses und damit ungeschichtliches Naturrecht wie auch gegen die Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt willkürlich selbst hervorbringe. Das Recht, das Vernunft und Ordnung in sich selbst birgt und damit auch aus sich selbst heraus ergänzungsfähig ist, ist ihr vielmehr ein aus dem innersten Wesen der Nation selbst und ihrer Geschichte geborener Teilbereich der Gesamtkultur und muss mit dieser, gespeist von irrationalen Kräften, organisch wachsen. Weil sie das Historische in der Jurisprudenz nicht mehr als zufällig, sondern als geschichtlich notwendig versteht, hält sie eine Kodifikation wie das Allgemeine Landrecht (1794), den Code civil (1804) oder das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/1812) (zumindest in ihrer eigenen Gegenwart) für entbehrlich, wenn nicht gar schädlich.

Allerdings dient die als geschichtlich behauptete Betrachtungsweise bei Savigny im Ergebnis nur dazu, den insgesamt vorhandenen Rechtsstoff von demjenigen zu reinigen, was nur noch historische Bedeutung hat. Schon seit 1808/1809 vertritt Savigny ohne Begründung (und damit eher romantisch-emotional als historisch-rational) dabei die Ansicht, dass die Wanderungen und Revolutionen der germanischen Stämme verhindert hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt gefunden habe, weshalb die Deutschen gar kein eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das aufgenommene (rezipierte) römische Recht das eigentümliche Recht sei. Der nach dieser Zurückweisung des älteren deutschen Rechtes germanistischer Herkunft und nach Ausscheiden der mittelalterlichen und neuzeitlichen Entstellungen des römischen Rechtes verbleibende Stoff, nämlich das klassisch-römische Recht, ist im eigentlich unerwarteten Wiederaufgreifen naturrechtlicher Begriffsbildung und naturrechtlicher Systematik der Gegenstand konstruktiv-systematischer, die tatsächliche geschichtliche Entwicklung bewusst als überflüssig abstreifender technischer Durchdringung (Savignys „System des heutigen römischen Rechts“ 1840-1849 als Beispiel wissenschaftlicher Grundlegung eines modernen Privatrechts überhaupt).

Savignys Schüler Georg Friedrich Puchta (1798-1846) verlegt - seiner zeitgenössischen Wirklichkeit näherkommend - den Schwerpunkt der Rechtsentstehung vom Volk (Volksgeist) auf die Juristen als die legitimen Vertreter des Volkes bzw. des Volksgeists (d. h. des gemeinsamen Bewusstseins bzw. der kollektiven Überzeugung der durch natürliche Momente zur Einheit verbundenen Nation). Statt des Volkes sind nach Puchta die Juristen befugt zur selbständigen Schaffung neuer Rechtssätze. Methodisch greift Puchta dann offener als Savigny auf naturrechtliche Ansätze zurück und verpflichtet den Juristen bei der Suche nach gerechten und brauchbaren Lösungen auf ein hierarchisches System rein juristischer, positiver und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie der Geschichte) gelöster abstrakter und zeitloser von der Wissenschaft festgestellter Begriffe (Begriffspyramide), aus denen (nach vorgegebener, und damit im Gegensatz zum Positivismus im eigentlichen Sinne stehender und den Naturwissenschaften verwandter geometrischer Art) für jedes Problem konstruktiv eine Lösung gewonnen werden kann (Begriffsjurisprudenz, Positivismus).

Damit ist im Ergebnis die organische Volksgeistlehre aufgegeben. Sie ist durch die Begriffsjurisprudenz ersetzt, in der ein Begriff einfach deshalb existiert, weil er als einmal gedachter nun nicht mehr nicht existieren kann, und die in der Ableitung eines Rechtssatzes und in seiner Anwendung rein verstandesmäßige, streng logische Akte sieht. Sie beherrscht im Wesentlichen die spätere Pandektistik und damit das ausgehende 19. Jahrhundert.

In dieser Zeit wird dann noch der mit der Begriffsjurisprudenz verbundene wissenschaftliche Positivismus (Wissenschaftspositivismus, vor allem in Gebieten des gemeinen Rechtes), für den das geltende Recht nur aus (geschichtlichen bzw. von der Rechtswissenschaft festgestellten und daher positivierten bzw.) positiven Quellen fließt, durch den Gesetzespositivismus (vor allem in Gebieten mit vielen frühen Gesetzen) abgelöst. Mit ihm geht die liberal-rechtsstaatliche Überzeugung einher, dass Rechtsetzung und wissenschaftliche Rechtsanwendung entsprechend der Gewaltenteilung notwendig voneinander getrennt sein müssen. Während die Legislative (Gesetzgebung) die Gesetze schafft, wendet die Exekutive (Ausführung, ausführende Verwaltung) sie nur an.

Der Gesetzespositivismus gründet das Recht statt auf die wissenschaftliche Autorität des Juristen auf das den Volkswillen verkörpernde Gesetz. Dessen formell ordnungsmäßiges Zustandekommen scheint Willkür auszuschließen und Gerechtigkeit zu garantieren. Deshalb wird der Richter bzw. die Judikative als dritte Gewalt auch an dieses mit dem Recht identische und damit notwendig richtige Gesetz fest gebunden.

Die positivistische Begriffsjurisprudenz wird freilich bald vor allem von Karl Marx und Rudolf von Ihering (Jhering, Schüler Georg Friedrich Puchtas) angegriffen. Nach Marx ist das Recht nichts absolut Vorgegebenes, sondern nur ein Teil des von der ökonomischen Basis der wirtschaftlichen Produktionsverhältnisse abhängigen theoretischen Überbaus zur Sicherung der ökonomischen Herrschaftsverhältnisse, der in der klassenlosen Gesellschaft ebenso überflüssig wird wie der Staat (Eigentum ist Diebstahl). Nach Ihering kann die einzelne Rechtsvorschrift nicht aus sich heraus, sondern nur aus dem gesetzgeberischen Motiv bzw. Zweck und ihrem Verhältnis zu den hinter dem Gesetz stehenden Interessen verstanden werden, was später von der freien Rechtsschule (Ernst Fuchs, Hermann U. Kantorowicz, Eugen Ehrlich, Grundlegung der Soziologie des Rechts 1913) und von der Interessenjurisprudenz fortgeführt wird.

In Österreich herrscht demgegenüber nach der erfolgreichen Inkraftsetzung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (von 1786 bzw.) 1811/1812 anfangs die bereits mit dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Josephs II. 1786 einsetzende exegetische Schule. Zu ihr ist ein von Franz von Zeiller zwischen 1811 und 1813 verfasster vierbändiger Kommentar zu zählen. Charakteristisch für die Exegetik ist eine verdeckte Rechtsfortbildung (z. B. Schlüsselgewalt der Ehefrau, eine Person, vermutete Verwaltungsgemeinschaft, Verminderung der Miteigentumsformen durch gesetzliches Verbot der Neubegründung des Stockwerkseigentums).

Demgegenüber wirkt sich die historische Rechtsschule erst seit etwa 1840 in Österreich aus (Emil Franz Rössler 1846 erster Dozent für Geschichte des Rechtes in Wien bzw. Österreich). In der Folge sieht der Unterrichtsminister Leo Graf Thun-Hohenstein 1852 (das Naturrecht, das dadurch geprägte Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und) die Exegetik als unwissenschaftlich an und fordert der von ihm geförderte Joseph Unger (Wien 1828-Wien 1913, 1856 von Prag nach Wien berufen) 1853 eine „systemische Behandlung“ des Rechtes und eine Revision des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (um 1850 bzw. 1855 Totalrevision).

Deutlich wird seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts auch die grundsätzliche dogmatische Trennung von öffentlichem Recht und privatem Recht. Während mit der Absonderung des öffentlichen Rechtes die Macht des souveränen Fürstenstaats gegen Adel und Bürgertum abgeschirmt werden soll, steht hinter der Errichtung eines autonomen Privatrechts die vom Liberalismus getragene Absicht, aus dem Machtbereich des Staates einen Raum der Freiheit für die bürgerliche Gesellschaft auszugrenzen. Dementsprechend wird Privatrecht mit Freiheit und öffentliches Recht mit Zwang gleichgesetzt, wobei im Verhältnis zueinander dem Recht der Freiheit der Vorrang vor dem Recht des Zwanges eingeräumt wird.

Die weitere Entwicklung der Grundordnung von Staat und Gesellschaft (Verfassung im materiellen Sinn) beruht zu einem großen Teil auf der außerhalb des deutschen Sprachraums erfolgten Ausbildung der Ideen der Gewaltenteilung, der Volkssouveränität und der Grundrechte, die (seit der Virginia Bill of Rights vom 12. 6. 1776) in einer besonderen Urkunde (Verfassung in formellem Sinn) niederzulegen sind. Ihre Wurzeln reichen überwiegend in die Aufklärung und noch weiter zurück. Ihre Umsetzung erfolgt aber im Wesentlichen im 19. Jahrhundert.

Die Beschränkung der Macht des (absoluten) Monarchen und die daraus folgende Teilung der Gewalt im Staat zur Sicherung der persönlichen Freiheit und des Eigentums des Bürgers in (die zwei Gewalten der) Legislative (Schaffung der Gesetze) und Exekutive (Ausführung der Gesetze) (Gewaltenteilung) wird in England schon von John Locke in seinem Werk „Two treatises on government“ (Zwei Abhandlungen über Regierungswesen, 1690) gefordert. Diesen Ansatz führt in Frankreich Charles de Montesquieu in seiner Untersuchung De l’esprit des lois (Vom Geist der Gesetze, 1748) fort, nach der persönliche Freiheit nur ein solcher Staat gewährleistet, in dem die Gewalt sich durch Aufteilung selbst beschränkt. Der König muss sich mit der Exekutive (Ausführung, Verwaltung) begnügen und die Legislative (Gesetzgebung) an vom Volk (indirekt) gewählte Vertreter übertragen, wobei der König die Legislative durch ein Vetorecht, die Volksvertreter den König durch Kontrollrechte und das Steuerbewilligungsrecht einengen können und als dritte Gewalt die unabhängige Judikative (Rechtsprechung) gesichert wird.

Die bereits im Mittelalter gelegentlich aufscheinende Idee der Volkssouveränität wird von Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) in seinem schon 1651 von Thomas Hobbes‘ Leviathan und 1690 John Lockes Two Treatises of Government vorbereiteten Werk über den Contrat social (Gesellschaftsvertrag, 1762) neu gefasst. Danach ruht, da die Menschen sich erst zur Wahrung von Freiheit und Gleichheit durch Vertrag zum Staat zusammenschließen (contrat social, Gesellschaftsvertrag), die Staatsgewalt als absolut, unteilbar und unveräußerlich bei dem Volk (Volkssouveränität). Die Regierenden sind nur Funktionäre des Volkes und die Gesetze bedürfen der Zustimmung aller, die in der Wirklichkeit der bestehenden großen Völker aber rechtstatsächlich nur durch die Vertreter aller in einem Parlament erfolgen kann.

Als Vorläufer von allgemeinen, dem Zugriff des Staates entzogenen Grundrechten hatten schon im Mittelalter einzelne naturrechtliche Theoretiker (z. B. Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und Eigentum gesehen. In der Rechtswirklichkeit finden sich zunächst in England nach der hochmittelalterlichen Magna charta libertatum (1215, große Urkunde der Freiheiten für Barone), in der frühen Neuzeit gewisse die Rechte des Einzelnen sichernde Urkunden (1628 Petition of Rights zur Sicherung vor willkürlicher Verhaftung und Besteuerung, 1679 Habeas-Corpus-Act zur Sicherung der persönlichen Freiheit und mit der Glorious Revolution von 1688/1689 1689 Declaration of Rights (über Heer, Steuern und Redefreiheit). In den aus Kolonien Englands hervorgehenden Einzelstaaten Nordamerikas schließlich werden zu Beginn des Unabhängigkeitskriegs gegen England - neben den Grundsätzen der Gewaltenteilung und der Volkssouveränität - auch fundamentale Rechte (inherent rights, unalienable rights, 1770 droits fundamentaux) des Einzelnen gegenüber dem Staat (mit grundsätzlicher Zielsetzung teils für alle Menschen, teils nur für die Bürger) in eine eigene Urkunde (formelle Verfassung) aufgenommen (12. 6. 1776 Virginia Bill of Rights)

Dem folgt nach der französische Revolution des Jahres 1789 zunächst Polen (Konstitution 3. 5. 1791). Nur wenige Monate später erhält auch Frankreich am 2. 9. 1791 eine erste Verfassung(, danach 1814 eine weitere Verfassung). Die Rheinbundstaaten Westphalen (1807), Berg (1808) und Bayern (1. Mai 1808) folgen.

Die für den Deutschen Bund (1815) getroffene Regelung ist demgegenüber trotz der Tatsache, dass auch im Heiligen römischen Reich die Diskussion um Menschenrechte bereits vor der französischen Revolution begonnen hatte (Jacobi 1783, Hommel 1784, Physiokraten, Kant 1785, 1788) ganz konservativ. Nachdem sich zwischen 1806 und 1815 die Auffassung durchgesetzt hatte, dass das Reich auch rechtlich untergegangen sei und sich eine Restauration wegen der egoistischen Interessen der deutschen Fürsten und auch der außerdeutschen Staaten als aussichtslos erweist, schließen sich 39 (41) (1864 nur noch 34) weltliche Mitgliedstaaten (Österreich und Preußen mit ihren 1803 zum Reich gehörigen Gebieten also z. B. Österreich ohne ungarische Länder und Galizien sowie Lombardo-Venetien, Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg, Baden, Kurhessen, Großherzogtum Hessen, Dänemark wegen Holstein, Niederlande wegen Luxemburg, Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen, Braunschweig, Nassau, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Holstein-Oldenburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Bernburg, Anhalt-Köthen, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Liechtenstein, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck, und die 4 selbständig gebliebenen Städte Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg) mit 30 Millionen Einwohnern (Österreich 31%, Preußen 26%) zu einem Staatenbund zusammen. Sein Organ ist die Bundesversammlung bzw. der ständige Bundestag (Gesandtenkongress) in Frankfurt.

In dessen selten zusammengetretenem Plenum hat jeder Staat mindestens eine, höchstens aber vier (Österreich, Preußen) der insgesamt 69 Stimmen, im engeren Rat die elf größten Staaten je eine, die übrigen 28 zusammen sechs. Den Vorsitz führt Österreich. Der Deutsche Bund selbst hat als bloßer Staatenbund grundsätzlich weder gesetzgebende noch vollziehende noch richterliche Gewalt.

Nach Art. 13 der Bundesakte wird in allen Bundesstaaten eine (von den verschiedenen Staaten unterschiedlich verstandene) landständische Verfassung stattfinden (z. B. Tirol 1816, Galizien 1817, Krain 1818, zugesagt für Salzburg 1816, Vorarlberg 1816). Sie ist Verfassung, doch können in ihr die bisherigen Landstände politisches Gewicht behalten. Die dem Attentat eines Studenten auf den Politiker und Dichter Kotzebue (1819) nachfolgende Wiener Schlussakte von 1820 erhebt das monarchische Prinzip, bei dem die gesamte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staates vereinigt bleiben musste und der Souverän durch eine landständische Verfassung nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden werden konnte, zum Verfassungsgrundsatz, sichert aber auch den Bestand der vorhandenen landständischen Verfassung.

In den einzelnen Bundesstaaten verläuft die Entwicklung in Richtung auf eine formelle Verfassung verschieden. In einem Teil der süddeutschen Mittelstaaten werden trotz Ablehnung der Grundsätze der Volkssouveränität und Gewaltenteilung Veränderungen insofern getroffen, als nach französischem Vorbild von 1814 zwecks Stärkung der eigenen Souveränität und Schwächung des altständischen Adels alle Gebiete zu einem einheitlichen Staat zusammengefasst und, Staat und privater Hof des Fürsten voneinander getrennt werden sowie ein für Gesetzgebung, allgemeine Verwaltungsgrundsätze und Verwaltungsstreitsachen geschaffener Staatsrat von Ministern gebildet wird. Daneben beendet ein Teil der Fürsten freiwillig die absolutistische Periode und gewährt aus souveräner Machtvollkommenheit und ohne Rücksicht auf die früheren landständischen Zustände Verfassungen, welche die Gesellschaft vor staatlicher Willkür schützen und zugleich durch Repräsentationsorgane am Staatsleben teilhaben lassen (Nassau am 3. 9. 1814 verkündet unter Rückdatierung auf den 2. 9. 1814, mit Herrenbank und Versammlung der Landesdeputierten, ohne Volkssouveränität, oktroyiert, Bayern 26. 5. 1818, Baden 22. 8. 1818, Württemberg 25. 9. 1819, Hessen-Darmstadt 17. 12. 1820) (konstitutionelle Monarchie, in welcher der Monarch allein die Regierung ernennt, Frühkonstitutionalismus mit überwiegenden Rechten des Monarchen wie etwa Vetorecht, Recht der Einberufung des Parlaments, Einsetzung der Minister) und rasch als dem einfachen Gesetz übergeordnet gelten.

In den norddeutschen Mittelstaaten und Kleinstaaten wird zunächst die alte ständische Verfassung fortgeführt und gefestigt. Nach der (dritten) französischen Revolution von 1830, in deren Gefolge in dem aus den Niederlanden durch Abspaltung der südlichen (vielfach französisch sprechenden) Landesteile neu entstandenen Belgien (1831) eine besonders liberale, politisch dem deutschen Bürgertum fortan als vorbildlich geltende Verfassung (Volkssouveränität, parlamentarisches System, Grundrechte) eingeführt wird, werden auch in Norddeutschland die Neuerungen der süddeutschen Staaten verwirklicht (Hessen-Kassel [Kurhessen] 1831, Sachsen 1831, Braunschweig 1832, Hannover 1833, wo der Widerruf der Verfassung durch den Thronfolger Ernst August 1837 zu einem Verfassungskonflikt führt), ohne dass der Grundsatz der Volkssouveränität bereits übernommen wird. 1846 verlangt der Tübinger Staatsrechtler Robert von Mohl die Regierungsbildung durch die Mehrheit der Volksvertretung.

In Preußen wird die schon 1810 und 1815 zugesagte Repräsentation bzw. Verfassung - nach zwischenzeitlicher Erneuerung der alten Landstände (1823-1824) - erst im Gefolge der Unruhen von 1848 gewährt (5. 12. 1848/31. 1. 1850). Sie enthält ein nach der Steuerleistung gestaffeltes, bis 1918 geltendes Dreiklassenwahlrecht (30. 5. 1849). Ihre nach belgischem Vorbild verhältnismäßig liberalen Errungenschaften werden zum Teil bald eingeschränkt.

In Österreich wird am 14. 3. 1848 die Zensur aufgehoben und die Errichtung einer Nationalgarde zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung gestattet. Am 25. 4. 1848 wird vom Kaiser eine Ungarn und Lombardo-Venetien ausnehmende (frühkonstitutionelle) Verfassung gegeben (oktroyiert), die im Wesentlichen unter dem Innenminister Franz Xaver von Pillersdorf geformt worden war (Aprilverfassung, Pillersdorfsche Verfassung mit Gewaltenteilung, Gesetzgebung durch Kaiser und Reichstag, Gesetzesvollzug durch den Kaiser, Gegenzeichnung der Vollzugshandlungen des Kaisers durch den verantwortlichen Minister, Reichstag bestehend aus Senat und Abgeordnetenkammer, nicht durchsetzbarer Grundrechtekatalog mit Gleichheit vor dem Gesetz, Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit, Schutz vor ungesetzlicher Verhaftung, Briefgeheimnis). Sie wird auf Forderungen von Demonstranten (Sturmpetition) hin am 16. Mai 1848 abgeändert (Einkammersystem ohne Steuerzensus, Reichstag zu einem nur constituierenden d. h. provisorischen Reichstag erklärt).

Nach Wahlen im Juni 1848 und feierlicher Eröffnung am 20. Juli 1848 muss wegen neuer Unruhen der gerade geschaffene Reichstag vom Kaiser aber nach Kremsier in Mähren (Kromeriz) verlegt werden, wo er den (hochkonstitutionellen zweigeteilten föderalistischen) Kremsierer Entwurf erarbeitet, der trotz der Grundlage der neuen Vorstellung der Volkssouveränität inhaltlich im Wesentlichen der Pillersdorfschen Verfassung (Aprilverfassung) entspricht. Dieser Entwurf tritt aber nie in Kraft. Vielmehr löst der Kaiser nach dem militärischen Sieg über die Revolution, der Rückeroberung Lombardo-Venetiens und dem Vordringen in Ungarn den Reichstag am 4. März 1849 auf und oktroyiert gleichzeitig die Märzverfassung (vom 4. 3. 1849), die erstmals die nichtdeutschen Gebiete Ungarn und Lombardo-Venetien einschließt und dem Kaiser den aus Oberhaus und Unterhaus (bzw. Länderkammer und Volkskammer) bestehenden Reichstag gegenüberstellt.

Hinzu kommt in einem eigenen Patent ein Grundrechtekatalog. Die ganze (März-)Verfassung tritt trotz Verkündung wegen vielfältiger Unruhen allerdings nicht in Kraft (keine Wahlordnung, keine Wahlen, kein Zusammentreten des Reichstags, Grundrechte in Unruhegebieten nicht angewendet, Verordnungen statt Gesetzen erlassen) und wird nach längerem Scheinkonstitutionalismus und drei vorbereitenden Augusterlässen samt dem Grundrechtepatent durch zwei Patente am 31. 12. 1851 (Silvesterpatente) als unangemessen und unausführbar aufgehoben. Damit beginnt wieder der Absolutismus (Neoabsolutismus), doch bleiben die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsausübung, die Aufhebung jeder bäuerlichen Untertänigkeit und die Grundentlastung sowie Ministerien, oberster Gerichtshof und Reichsgesetzblatt erhalten.

In der Folge gelten als Beilage eines formlosen Kabinettsschreibens 36 Grundsätze für organische Einrichtungen in den Kronländern des österreichischen Kaiserstaats (Verfassungsgrundsätze 1852). Stützen des Kaisers sind Armee, Beamtenschaft und Kirche. Es kommt zu einem weitgehenden Zentralismus.

Da jedoch insgesamt bei der Bevölkerung tiefe Unzufriedenheit entsteht, erlässt der die Verfassungsbewegung ablehnende Kaiser (nach der Niederlage gegen die italienische Einigungsbewegung bei Solferino) am 20. 10. 1860 ein Diplom zur Regelung der inneren staatsrechtlichen Verhältnisse der Monarchie (Oktoberdiplom, zusätzlich vier Landestatute für die Steiermark, Kärnten, Salzburg und Tirol), demzufolge die Gesetzgebung unter Mitwirkung der neuständischen, als Folge der Bauernbefreiung allgemein auch Bauern aufnehmenden, als ständische Interessenvertretungen einzustufenden Landtage bzw. für die gesamte Monarchie des durch Entsendung seitens der Landtage gebildeten Reichsrats ausgeübt werden soll. Weil das Oktoberdiplom aber weder in Ungarn noch in Böhmen Billigung findet und die Vorstellung nur beratender ständischer Vertretungen auch sonst auf Ablösung stößt, wird am 26. 2. 1861 das Februarpatent (als Mantelgesetz für 46 Einzelstücke) verkündet. Es versteht als Verfassung des Reiches einen Inbegriff von Grundgesetzen (Pragmatische Sanktion von 1713, Oktoberdiplom von 1860, Grundgesetz über die Reichsvertretung, Landesordnungen) und sieht für den dem Reichstag der Jahre 1848/1849 sachlich entsprechenden, als Parlament anzusehenden Reichsrat zwei Kammern (Herrenhaus mit anfangs 39 und schließlich 160, vielfach adligen Mitgliedern, Abgeordnetenhaus mit 343 von den Landtagen entsandten Mitgliedern im Sinne eines Ausschusslandtags, davon 223 nichtungarische Abgeordnete) vor, ist aber keine sachliche Verfassung, weil nur die Gesetzgebung und auch diese nur vorkonstitutionell geregelt ist und Grundrechte und Ministerverantwortlichkeit fehlen.

1862 werden durch den neuen Reichsrat die Gesetze zum Schutz der persönlichen Freiheit und zum Schutz des Hausrechts (Anspruch auf den gesetzlichen Richter, Verhaftung und Hausdurchsuchung nur auf Grund eines richterlichen Befehls) sowie ein Pressegesetz 1862 und ein Reichsgemeindegesetz 1862 erlassen. Sachlich scheitert allerdings das Februarpatent am Widerstand der Liberalen, der Tiroler, Polen, Tschechen, Kroaten und Ungarn. In der Folge wird zwecks neuer freier Verhandlungen mit Ungarn das den Kern des Februarpatents bildende Grundgesetz über die Reichsvertretung am 20. 9. 1865 vom Kaiser durch das Sistierungspatent sistiert.

Nach dem am 26. 7. 1866 von Österreich anerkannten Ende des Deutschen Bundes kommt es nach Wiederherstellung der Verfassung Ungarns von 1848 durch ein Reskript des Kaisers vom 17. 2. 1867 am 12. 6. 1867 auf ungarische, schon am 11. 4. 1848 durch 31 Gesetzartikel vorläufig beruhigte Forderungen hin zu einem „Ausgleich“, in dem der Kaiser von Österreich unter Umwandlung des Kaisertums Österreich in eine österreichisch-ungarische Monarchie (Doppelmonarchie) die Selbständigkeit und Unabhängigkeit Ungarns anerkennt und nur Herrscher, auswärtige Angelegenheiten, Armee und Finanzwesen als pragmatische Angelegenheiten (über ein gemeinsames k. u. k. bzw. kaiserlich und königliches Ministerium) gemeinsam sein sollen im Gegensatz zu den dualistischen (bzw. gemeinsamen wirtschaftlichen) Angelegenheiten (z. B. Zölle) und den überwiegenden sonstigen Angelegenheiten (z. B. Inneres, Justiz, Kultus) mit jeweils eigenständiger Gesetzgebung und Verwaltung (Realunion, streitig). Am 21. 12. 1867 werden im Zusammenwirken des Parlaments mit dem Monarchen sechs (nichtoktroyierte) Gesetze (a so genanntes Delegationsgesetz bzw. Gesetz über die allen Ländern der österreichischen Monarchie gemeinsamen Angelegenheiten und die Art ihrer Behandlung, b Staatsgrundgesetz betreffend die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, c Gesetz über die Änderung des Grundgesetzes über die Reichsvertretung mit Notverordnungsrecht des Kaisers nach § 14, d Staatsgrundgesetz über die Einsetzung eines Reichsgerichts, e Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt, f Staatsgrundgesetz über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt) erlassen, die zusammengenommen die noch frühkonstitutionelle Merkmale wie etwa das kaiserliche Vetorecht aufweisende Dezemberverfassung bilden (Reichsrat mit Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, Grundrechte in 19 Artikeln, Reichsgericht als Verfassungsgerichtshof, Trennung von Verwaltung und Justiz, oberster Gerichts- und Kassationshof in Wien für Zivilsachen und Strafsachen, Inkrafttreten am 22. 12. 1867). Damit hat nach fast zwanzigjährigem Ringen des Kaisers gegen das Volk auch Österreich eine formelle Verfassung (mit Gesetzgebung durch Reichsrat und Kaiser bzw. Landtagen und Kaiser, Gewaltenteilung mit Regierung und Verwaltung durch den Kaiser bzw. verantwortliche Minister bzw. in den Ländern durch vom Kaiser zu ernennende Statt­halter oder Landespräsidenten, politischen Bezirksbehörden und autonomer Landesverwaltung des Landesvermögens, der Wohlfahrtspflege und der Gemeindeaufsicht sowie einer im Namen des Kaisers durch unabhängige Richter in Bezirksgerichten, Landesgerichten oder Kreisgerichten, Oberlandesgerichten und dem obersten Gerichtshof ausgeübter Gerichtsbarkeit und dem 1869 eingerichteten Reichsgericht als Verfassungsgerichtshof sowie dem 1876 eingerichteten Verwaltungsgerichtshof und dem für Ministeranklagen gedachten, aber nie tatsächlich tätigen Staatsgerichtshof), wobei dem Wahlrecht zum Reichsrat (1868 Notwahlgesetz für den Fall der Verweigerung der Entsendung von Reichsratsabgeordneten durch Landtage, 1873 Lassersche Wahlrechtsreform mit Übergang zur direkten Volkswahl von Reichsratsabgeordneten durch die Wähler der Landtage nach Vierklassen-Zensuswahlrecht, 1882 Taaffesche Wahlrechtsreform mit Erweiterung der Wahlberechtigten durch Senkung des Steuerzensus auf fünf Gulden, 1896 Badenische Wahlrechtsreform mit noch immer etwas eingeschränktem allgemeinem Männerwahlrecht) allerdings bis 1907 (Becksche Wahlreform mit fast allgemeinem, fast gleichem, direktem, geheimem Männerwahlrecht und Umwandlung der Interessenvertretung in eine Volksvertretung, wobei die 35 Prozent der Bevölkerung stellenden Deutschen 43 Prozent der Abgeordnetenhaussitze erlangen) bzw. bis 1918 (Einführung des Frauenwahlrechts) und auch zu den Landtagen Zisleithaniens der Gedanke der Gleichheit fremd bleibt.

Die deutsche verfassunggebende Nationalversammlung des Jahres 1848 in der Paulskirche in Frankfurt am Main erarbeitet vom 3. 7. 1848 an zunächst einen Katalog der Grundrechte des deutschen Volkes (27. 12. 1848). Gewährleistet werden mit der Zielrichtung des Schutzes gegen hoheitliche Eingriffe vor allem Reichsbürgerrecht, Unverletzlichkeit der Person, Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit, Gewerbefreiheit, Berufsfreiheit, Lehrfreiheit, Wissenschaftsfreiheit und Vereinsfreiheit, Petitionsrecht, Schutz des Eigentums und der Wohnung sowie das Schwurgericht. Nach dem am 27. 3. 1849 abgeschlossenen organisatorischen Teil soll das Reich ein Bundesstaat mit einem erblichen Kaiser der Deutschen an seiner Spitze sein (Reichstag aus einem Staatenhaus mit 192 von den Regierungen und den Parlamenten der Einzelstaaten ausgewählten Mitgliedern und einem Volkshaus mit Abgeordneten aus geheimen, direkten, allgemeinen und gleichen Wahlen), doch kann diese Verfassung nicht in die Wirklichkeit umgesetzt werden.

Für den Norddeutschen Bund wird eine besondere Verfassung von Bismarck vorgelegt und von einem beratenden norddeutschen Reichstag und den Landtagen der Einzelstaaten im Frühjahr 1867 angenommen. Danach hat der neue Bundesstaat ein Präsidium, einen Reichstag und einen Bundesrat. Das Präsidium (König von Preußen) vertritt den Bund nach außen, entscheidet über Krieg und Frieden, hat den Oberbefehl über das Heer, die Aufsicht über die Ausführung der Bundesbeschlüsse und die Bundesexekution.

Die Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidiums bedürfen zur Gültigkeit der Gegenzeichnung des Bundeskanzlers. Der Bundeskanzler (Bismarck) ist verantwortlicher Minister (Gegenzeichnungsrecht), wodurch der Bund konstitutioneller Staat wird, in dem das Präsidium eigentlicher Träger der Exekutivgewalt ist. Die Souveränität steht der Gesamtheit der verbündeten Regierungen zu, die für die Gesetzgebung und die Ausführung der Bundesbeschlüsse im Bundesrat, in dem Preußen 17 von insgesamt 43 Stimmen hat, zusammengeschlossen sind. Der in allgemeiner, direkter und geheimer Wahl bestimmte Reichstag (297 Abgeordnete) wirkt als Volksvertretung ebenfalls bei der Gesetzgebung (in der Form der Zustimmung zu Gesetzesbeschlüssen des Bundesrats) mit.

Diese Verfassung bildet die Grundlage der weder noch dem monarchischen Prinzip noch schon der Volkssouveränität gänzlich verpflichteten Reichsverfassung des neuen Bundesstaats (zweites) Deutsches Reich vom 16. 4. 1871, die den freiwillig beitretenden süddeutschen Staaten gewisse Reservatrechte (Post, Eisenbahn, Heer, Steuern) belassen muss. Im Übrigen ändert sich nur wenig. Das Reich wird nach außen durch den deutschen Kaiser (König von Preußen) und den von ihm (als einzigen Minister) ernannten Reichskanzler (preußischer Ministerpräsident) vertreten, ohne dass der Kaiser mehr als der (erbliche) Inhaber der Präsidialrechte im Reich ist.

Träger der Souveränität ist die Gesamtheit der Fürsten und freien Städte. Der mit stellvertretenden Bevollmächtigten besetzte Bundesrat, dessen Mitgliederzahl auf 58 erhöht wird, wirkt vor allem bei der Gesetzgebung mit, wobei sowohl Preußen allein (17 Stimmen) wie auch Bayern, Sachsen und Württemberg zusammen (14 Stimmen) in vielen Fragen zur Einlegung eines Vetos in der Lage sind. Der seit 1890 an Bedeutung gewinnende, 1908 erstmals zur selbständigen Mehrheitsbildung findende Reichstag mit nunmehr 382 aus allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen nach dem Mehrheitswahlsystem hervorgegangenen Abgeordneten stimmt grundsätzlich über Gesetzesvorlagen ab und hat den jährlichen Reichshaushalt zu bewilligen.

In der Gesetzgebung hat das Reich die Kompetenzkompetenz (Zuständigkeit für die Bestimmung der Zuständigkeit), welche die Erweiterung der Zuständigkeit gestattet (z. B. 1873 für das Gebiet des bürgerlichen Rechtes). Das 1871 zum Reichsoberhandelsgericht umgewandelte Bundesoberhandelsgericht des Norddeutschen Bundes wird am 1. 10. 1879 in das Reichsgericht (in Leipzig) überführt. Grundrechte als Schranken der Staatsgewalt werden in der Verfassung in Übereinstimmung mit der führenden staatsrechtlichen Lehre nicht aufgenommen, doch ist ihr bereits allgemein anerkannter Grundbestand größtenteils durch Einzelgesetze (nach Gewerbefreiheit, Koalitionsfreiheit, Freizügigkeit und Bekenntnisfreiheit 1867 bzw. 1869 zusätzlich Pressefreiheit 1874, Rückwirkungsverbot StGB 1870, gesetzlicher Richter GVG 1877, persönliche Freiheit StGB 1877, Briefgeheimnis Postgesetz 1871) verwirklicht.

Verwaltung hat der Deutsche Bund als Folge seines Wesens als Staatenbund nur sehr eingeschränkt. Im Deutschen Reich sind dem Reichskanzler als dem Leiter der Reichspolitik Staatssekretäre (Äußeres, Inneres, Justiz, Post, Schatzamt) unterstellt. Daneben entstehen zur Abwehr der liberalen Wunschvorstellungen eines verantwortlichen Reichsministeriums (Reichskanzleramts) selbständige Reichsbehörden (1870 Auswärtiges Amt, 1872 Admiralität, 1873 Reichseisenbahnamt sowie durch Auflösung bzw. Aufteilung des Reichskanzleramts das Reichspostamt 1876 bzw. 1880, Reichsjustizamt 1877,, Amt für Inneres 1879 und Reichsschatzamt 1879), deren Leiter bald dem Kaiser unmittelbar verantwortlich werden und deren Zahl sich während des Weltkriegs erhöht (Reichsarbeitsamt, Reichswirtschaftsamt).

Während des Deutschen Bundes liegt die Verwaltung gänzlich, während des Deutschen Reiches überwiegend bei den Ländern. Ihr Grundprinzip wird es im Gegensatz zum absolutistischen Polizeistaat, dass der Einzelne grundsätzlich auf sich allein gestellt ist und es ihm überlassen bleibt, sich durchzusetzen. Dementsprechend werden die zulässigen Eingriffe der Verwaltung in die Freiheit der Bürger (Eingriffsverwaltung) durch den Liberalismus auf bloße Ordnungsfunktionen beschränkt (Nachtwächterstaat).

Erst später entsteht infolge des Bevölkerungswachstums, der zunehmenden Vermögenslosigkeit und einer sich verändernden Lebenseinstellung ein Bedürfnis nach öffentlicher Daseinsvorsorge. Es veranlasst die Verwaltung dazu, eigene Leistungen zu erbringen (öffentlicher Verkehr, öffentliche Stromversorgung, Wasserversorgung und Gasversorgung, Abfallentsorgung). Damit entsteht neben der Eingriffsverwaltung zusätzlich die Leistungsverwaltung.

Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird dabei unter französischem Einfluss die Organisation der Staatsbehörden verbessert. In Preußen werden zu diesem Zweck durch die Stein-Hardenbergschen Reformen 1808 die mehreren bisher nebeneinanderbestehenden Kollegialbehörden durch ein einheitliches zentrales Ministerium (Staatsministerium) mit sachlich qualifizierten Fachministern (zunächst Auswärtiges, Krieg, Inneres, Finanzen, Justiz) mit Verantwortlichkeit gegenüber dem König und Gegenzeichnungsrecht ersetzt, wodurch rein tatsächlich die monarchische Macht eingeschränkt wird. Die Provinzialbehörden erhalten den Namen Regierungen und geben verwaltungsgerichtliche Funktionen an Justizkollegien ab.

Eine Trennung von Justiz und Verwaltung auch auf unterster Ebene setzt sich nur langsam durch (Württemberg 1818, Kurhessen 1820, Preußen 1849, Hannover 1850, Baden 1857, Österreich 1867). Daneben versuchen die preußischen Reformer im anfänglichen Unterschied zu anderen Einzelstaaten auch, den Einzelnen zur Mitarbeit am Staat heranzuziehen. Dazu wird in der preußischen Städteordnung vom 19. 11. 1808 die ältere Stadtverfassung aufgehoben und wird unter der Vorstellung von der Beschränkung der staatlichen Verwaltung auf die oberen Ebenen die gesamte kommunale Verwaltung (insbesondere die Wohlfahrtspflege) der Stadtgemeinde überlassen (kommunale Selbstverwaltung, im Gegensatz etwa zu Frankreich, das nach der Revolution von 1789 alle Munizipalitäten in Stadt und Land zu untersten staatlichen Verwaltungseinheiten macht).

In Österreich wird am 17. 3. 1849 das provisorische Gemeindegesetz erlassen. Es teilt den Gemeinden Aufgaben der aufgehobenen Patrimonialherrschaft zu und überträgt Selbstverwaltung auf Gemeindeausschuss und Gemeindevorstand. Es wird im Neoabsolutismus aber wieder aufgehoben.

Der aufgeklärte Polizeibegriff des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 wird durch die Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial- und Finanzbehörden (1808) aufgegeben und auch durch das preußische Polizeiverwaltungsgesetz von 1850 noch nicht wiedereingeführt. In Österreich wird die Verwaltung unter Metternich zum Instrument der Bespitzelung und Unterdrückung des Einzelnen. Dagegen erlassen bald danach Bayern (1861), Baden (1863) und Württemberg (1871) Polizeistrafgesetzbücher, die dem rechtsstaatlichen Begriff der Polizei, wie er dem preußischen Allgemeinen Landrecht zugrundeliegt, folgen und teils selbst Verbotsvorschriften, teils Ermächtigungen hierzu enthalten, allerdings auch eine subsidiäre stillschweigende Generalermächtigung zur Gefahrenabwehr nicht ausschließen, und spricht in Preußen das Oberverwaltungsgericht (1882) der Polizei die Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege, sofern eine spezielle gesetzliche Grundlage hierfür fehlt, ab (Kreuzbergurteil) und beschränkt die Polizei auf den Schutz von Sicherheit und Ordnung.

Für das Bauwesen enthält das preußische Allgemeine Landrecht eine liberale Garantie der Baufreiheit. Im Bereich der Wirtschaft wird in Preußen die volle staatliche Einheit durch das Zollgesetz (26. 5. 1818) hergestellt, das alle Binnenzölle durch einen Grenzzoll ersetzt. Bald danach werden auch die Steuern im Wesentlichen einheitlich festgesetzt, wobei es in Preußen seit 1851 zu einer Besteuerung des Einkommens (Sachsen 1878 bis 5 %) und seit 1893 des Vermögens kommt.

Etwa gleichzeitig wird allgemein der Kirchenzehnt beseitigt und durch die Kirchensteuer ersetzt (Preußen 20. 6. 1875, vgl. auch ALR). Schließlich wird auch das Schulwesen vom Staat übernommen und die allgemeine Schulpflicht vollständig durchgesetzt. Im Heereswesen wird als Gegenstück zur allgemeinen Gleichheit die allgemeine Wehrpflicht mit der Möglichkeit des Aufstiegs im Heer nach Tüchtigkeit und Bildung eingeführt.

Unter dem Einfluss liberaler Gedanken bildet sich allgemein das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus. Es wird zur Verhinderung übermäßiger Einschränkung der menschlichen Handlungsfreiheit erstmals von W. J. Behr in seinem System der allgemeinen angewandten Staatslehre (1810) eingefordert. Eingriffe in Rechtsgüter des Einzelnen wie Freiheit und Eigentum werden von gesetzlicher Gestattung abhängig (Vorbehalt des Gesetzes, vgl. § 5 VI des Grundgesetzes von Sachsen-Weimar von 1816).

Dabei wird seit etwa 1870 das Gesetz im formellen Sinn (als in bestimmter förmlicher Weise zustande gekommener Willensakt des Staates) vom Gesetz im materiellen Sinn (alsjede rechtsverbindliche Anordnung eines Rechtssatzes) unterschieden (Paul Laband). Das an die Zustimmung der Bürger gebundene, seit Montesquieu nach allgemeiner Ansicht Willkür damit ausschließende Gesetz ersetzt für die Verwaltung den Willen des Staatsoberhaupts und geht jeder anderen staatlichen Willensäußerung vor (Vorrang des Gesetzes). Das Handeln der Verwaltung wird allgemein nachprüfbar, wobei Ermessensbegriffe weniger und unbestimmte Rechtsbegriffe stärker erfasst werden (Rechtsstaat).

Eine eigene Verwaltungsrechtswissenschaft entsteht seit der Mitte des 19. Jahrhunderts (Mohl, Robert von, Staatsrecht des Königsreichs Württemberg, 1831, Stein, Lorenz von, Arbeiten zur Verwaltungslehre, 1865ff., Gerber, Carl Friedrich, Über öffentliche Rechte, 1852, Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts mit besonderer Berücksichtigung auf gemeinsames deutsches Recht, 1862). Sie wendet sich später der „juristischen Methode“ zu und erstellt allmählich ein eigenes wissenschaftliches System mit besonderen Begriffen. 1884 verfasst Edgar Loening (1843-1919) das erste Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts mit einem allgemeinen Teil.

Die erste grundlegende Darstellung des allgemeinen Verwaltungsrechts stammt von Otto Mayer (1846-1924, Deutsches Verwaltungsrecht, 1895/1896). Er erarbeitet unter anderem den für die Verwaltungstätigkeit maßgeblichen Begriff des Verwaltungsakts. Danach ist der Verwaltungsakt ein der Verwaltung zugehöriger obrigkeitlicher Ausspruch, der dem Untertanen im Einzelfall bestimmt, was für ihn rechtens sein soll (hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls).

Bei den Gerichten verschwinden mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (1806) auch dessen Gerichte (Reichskammergericht, Reichshofrat). Im Deutschen Bund gibt es im Wesentlichen nur eine Schiedsgerichtsbarkeit für Streitigkeiten zwischen Mitgliedern (Austrägalinstanz). Daneben kann der Bund darüber entscheiden, ob Verfassung, Gesetze und Einrichtungen der Einzelstaaten mit Bundesrecht in Widerspruch stehen und kann bei Rechtsverweigerung (Verweigerung einer gerichtlichen Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit) die Bundesversammlung angerufen werden.

In den Einzelstaaten erfassen liberale Grundsätze die Gerichtsverfassung. Danach wird alle Gerichtsbarkeit im Grundsatz auf den Herrscher bzw. den Staat zurückgeführt und das nichtstaatliche Gericht (Patrimonialgericht, Gemeindegericht, geistliches Gericht) als Ausnahme angesehen. Weiter verliert der Herrscher das Recht, in Verfahren einzugreifen (Kabinettsjustiz).

Der Richter wird unabhängig (so England schon 1701). Niemand darf seinem gesetzlichen Richter (so Frankreich schon 1701) entzogen werden. Dadurch wird gesichert, dass objektive Gesichtspunkte darüber entscheiden, welcher Richter in welchem Rechtsstreit ohne staatliche Beeinflussung entscheidet.

Die Gerichte sind aber selbst innerhalb eines Landes noch nicht einheitlich. Immerhin wird im Grundsatz zwischen Untergericht, Obergericht und oberstem Gerichtshof unterschieden. Justiz und Verwaltung werden allmählich auch auf unterer Stufe getrennt.

Im Streit darüber, ob die Verwaltung durch die allgemeinen Gerichte (Otto Bähr 1864) oder durch besondere Gerichte (Rudolf von Gneist 1857ff., 1872) überprüft werden soll, setzt sich die zweite Ansicht durch. Dementsprechend entstehen bald besondere Verwaltungsgerichte (als Obergerichte) (Baden 1863, Preußen 1875/1880/1883, Hessen 1875, Österreich 1875 Verwaltungsgerichtshof, Oberverwaltungsgericht, Württemberg 1876, Bayern 1879). Sie führen allerdings in den unteren Instanzen meist zugleich Verwaltungsaufgaben aus und unterfallen hinsichtlich der Zuständigkeit dem Enumerationsprinzip.

Eine einheitliche Gestaltung der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Deutschen Reiches bringt dann das am 27. 1. 1877 verkündete Gerichtsverfassungsgesetz. Danach gliedert sie sich in ein Reichsgericht und einige unter Länderhoheit stehende Oberlandesgerichte, viele Landgerichte und noch mehr Amtsgerichte. Patrimonialgerichte (in Preußen seit 1875, vgl. Verordnung über die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit vom 2. 1. 1849), geistliche Gerichte (in weltlichen Angelegenheiten, seit 1875) und Aktenversendung werden allgemein und endgültig beseitigt.

Die Richter sind sachlich (Weisungsfreiheit) und persönlich (Unabsetzbarkeit) unabhängig und entscheiden teils in Kollegien (Senaten, Kammern), teils einzeln (Einzelrichter). Neben (durch Richteramtsbefähigung, d. h. zweite juristische Staatsprüfung, ausgewiesenen) Berufsrichtern stehen teilweise Laienrichter (in Strafsachen, später auch in Handelssachen und Arbeitssachen). Die Urteile sind mit Gründen zu versehen, die bekanntzugeben sind.

Auf Grund des Gewerbegerichtsgesetzes von 1890 werden schließlich besondere erstinstanzliche Gewerbegerichte eingeführt. Sie sind mit Arbeitgeberbeisitzern und Arbeitnehmerbeisitzern besetzt. Für Österreich gilt das entsprechende Gesetz vom 1. 7. 1898.

In Österreich, wo 1848 die Aufhebung der Patrimonialgerichte beschlossen wird und am 18. 5. 1848 erstmalig Geschworenengerichte eingeführt werden, unterscheidet das Gerichtsorganisationsgesetz von 1896 zwischen Bezirksgerichten, Gerichtshöfen erster Instanz (je nach Land Landesgericht oder Kreisgericht) mit Senaten, Oberlandesgerichten und dem Obersten Gerichtshof. In der Schweiz erfolgt die Bundesrechtspflege durch das Bundesgericht in Lausanne und das Versicherungsgericht in Luzern. Im Übrigen ist die Rechtsprechung kantonal unterschiedlich.

Hinsichtlich des Ablaufs des Zivilverfahrens stehen sich im Deutschen Bund zunächst drei verschiedene Rechtsgebiete gegenüber. In den Ländern des gemeinen Prozessrechts (Bayern, Baden, Württemberg, Kurhessen, Sachsen, Hannover, Schleswig-Holstein u. a.) herrscht das schriftliche, gegliederte Verfahren mit formalem Beweisrecht, während in Preußen die Allgemeine Gerichtsordnung von 1793 in Kraft ist (Schriftlichkeit, formale Beweistheorie, Untersuchungsgrundsatz, Justizkommissare) und spätere Gesetze (1833/1846) die Verhandlungsmaxime, die begrenzte Mündlichkeit und den Anwaltsprozess (wieder) einführen. In den westlichen Gebieten schließlich gilt der liberale französische Prozess des Code de procédure civile von 1806 (Mündlichkeit, Öffentlichkeit, Parteibetrieb, freie Beweiswürdigung, Ablehnung der Eventualmaxime, besondere Gerichtsvollzieher, Rechtsanwälte).

Unter Verwendung der französischen Vorlage schaffen Hannover (1850), Baden (1864), Württemberg (1868) sowie sehr selbständig und neuartig mit der Zielsetzung des Richters als Repräsentanten des Gemeinwesens (u. a. Einzelrichter im Kollegialgericht) auch Österreich (1895, Franz Klein als Schüler Anton Mengers, in Kraft 1898) u. a. neue Verfahrensordnungen. Die Zivilprozessordnung des Deutschen Reiches von 1877/1879 übernimmt die in verschiedene weitere Entwürfe eingegangenen Prinzipien Parteibetrieb, Verhandlungsgrundsatz, Öffentlichkeit, Mündlichkeit, Unmittelbarkeit, freie Beweiswürdigung und teilweiser Anwaltszwang. Unter dem Einfluss der österreichischen Zivilprozessordnung erlassene Novellen (1898, 1909) drängen die Freiheit der Parteien allerdings zugunsten eines weitgehenden Leitungsrechts des Richters wieder etwas zurück.

Das Erkenntnisverfahren beginnt danach mit der schriftlichen oder mündlichen Erhebung der Klage durch den Kläger oder seinen Vertreter (z. B. Rechtsanwalt). Nach der amtlichen Zustellung der Klage, wird unter gerichtlicher Ladung in einem Termin verhandelt. Streitige entscheidungserhebliche Tatsachen können in einem Beweistermin mit einem der Beweismittel (Zeuge, Urkunde, Sachverständiger, Augenschein, Parteieid bzw. seit 1933 nach österreichischem Vorbild Parteivernehmung) bewiesen werden.

Dann ergeht im Namen des Reiches oder des Königs das Urteil, das mit Rechtsmitteln (Berufung, Revision) angegriffen werden kann. Für einige Sonderverfahren gelten besondere Regeln. Im anschließenden Vollstreckungsverfahren wird durch ein Vollstreckungsorgan (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht, Prozessgericht, Grundbuchamt) die Durchsetzung des erkannten Rechts betrieben (Beseitigung der Schuldhaft 1868, auch in Österreich).

Rechtstatsächlich steigt in dieser Zeit die Zahl der Zivilprozesse verhältnismäßig stark an. Auch die Zahl der Juristen erhöht sich demgemäß (1880 4112 Rechtsanwälte, 1901 6831, 1919 12030). Für Gegenstände der freiwilligen oder außerstreitigen Gerichtsbarkeit (von lat. iurisdictio voluntaria) (Vormundschaftssachen, Nachlasssachen, Handelssachen, Vereinssachen, Güterrechtssachen u. a.) sind die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (1898, Österreich 1854) anzuwenden.

Für den Strafprozess entwickelt der Liberalismus neue Vorstellungen. Danach soll das Verfahren mündlich und öffentlich sein. Zur Vermeidung von Missbrauch und aus rechtsstaatlichen Erwägungen sollen die Funktionen des Untersuchens und Entscheidens getrennt werden und die Untersuchung vom Richter als eine der Verhandlung vorausgehende Voruntersuchung auf einen besonderen öffentlichen Ankläger (Staatsanwalt, frz. ministère public) übertragen werden.

Der damit von der parteiischen Anklägerrolle befreite, die Hauptverhandlung unparteiisch leitende Richter soll das nach dem Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens in der Hauptverhandlung erzielte Beweisergebnis frei würdigen. Bei der Entscheidung über die Tatfragen soll das Volk mitwirken (Laienrichter, Geschworenengerichte, auf die auf die Schuld zu beziehende Tatfrage im Gegensatz zur die Strafe betreffenden Rechtsfrage beschränkte Jury). Verdachtsstrafe und Instanzentbindung sollen entfallen.

Diese im französischen Code d’instruction criminelle (1808) und seinen Einflussgebieten verwirklichten Vorstellungen werden auch in den rechtsrheinischen Staaten des Deutschen Bundes ab etwa 1840 zu politischen Forderungen. Nach 1848 werden sie in weitem Umfang in neue Prozessordnungen aufgenommen (Staatsanwalt, öffentliche Anklage, Mündlichkeit, Öffentlichkeit, freie Beweiswürdigung, Schwurgericht, Schöffengericht). Nur vereinzelt wird noch am Inquisitionsprozess festgehalten (Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Hansestädte).

Die Reichsstrafprozessordnung (1877/1879) folgt den liberalen Grundsätzen. Danach wird die Strafgerichtsbarkeit ausschließlich von staatlichen Gerichten in verschiedenen Instanzen - darunter dem mit drei Berufsrichtern und 12 Laien besetzten Schwurgericht, in dem die Laien nach englischem Vorbild über die Tat einschließlich der Schuld, die Berufsrichter über die Strafe befinden - ausgeübt. Das Ermittlungsverfahren gegen einen Verdächtigen, der nur unter bestimmten rechtsstaatlichen Voraussetzungen in Haft genommen werden kann und sich in jeder Lage des Verfahrens eines Vertreters (Verteidigers) bedienen darf, betreibt unter Mithilfe der Polizei die Staatsanwaltschaft, die verpflichtet ist, grundsätzlich bei allen strafbaren Handlungen einzuschreiten (Legalitätsprinzip, Offizialmaxime) und objektiv nachzuforschen.

Das Hauptverfahren kann erst auf eine Anklage, für welche die Staatsanwaltschaft ein beschränktes Monopol - das nur in wenigen Fällen durch die Privatklage durchbrochen ist - hat, hin eröffnet werden (Anklageprinzip). Das Gericht hat unter Bindung an gesetzliche Schranken in einem mündlichen, öffentlichen und unmittelbaren Verfahren die Wahrheit zu erforschen (Untersuchungsgrundsatz). Es muss das Beweisergebnis frei würdigen und im Zweifel zugunsten des bis zum Nachweis der Schuld als unschuldig geltenden Angeklagten entscheiden (in dubio pro reo, für die Neuzeit formuliert von Stübel 1811).

Gegen das Urteil sind Rechtsmittel (Berufung, Revision) möglich. Spätestens mit der Entscheidung der letzten Instanz erwächst das Urteil in Rechtskraft. Sein Vollzug (Strafvollzug) erfolgt unverändert nach den hergebrachten Regeln.

Bei der Strafe wird der Strafzweck rechtsphilosophisch erörtert. Dabei sehen die absoluten Straftheorien den Grund der Strafe nicht mehr in der Nützlichkeit für die Gesellschaft sondern allein in der Straftat, deren Unrecht durch Vergeltung ausgeglichen werden muss, (Kant, so noch Binding). Die relativen Straftheorien stellen demgegenüber das Interesse der Allgemeinheit in den Vordergrund, wobei nach einer Ansicht die Strafe nur den Straftäter (Spezialprävention, von Grolman 1775-1829), nach anderer Ansicht auch unbekannte Dritte (Generalprävention, Feuerbach) durch psychologischen Zwang abschrecken soll. Allgemein durchsetzen kann sich keine dieser Vorstellungen, so dass auch das älteren Strafgesetzen (Code pénal 1810, Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern 1813, Strafgesetzbuch Preußens 1851) folgende Reichsstrafgesetzbuch von 1871 sich nicht festlegt.

Nach Franz von Liszt (1851-1919, 1882 Marburger Programm, Der Zweckgedanke im Strafrecht), der den Menschen als durch äußere Umstände beeinflusst sieht, ist nicht die Tat durch Vergeltung, sondern der Täter für sein sozialschädliches Verhalten zu bestrafen. Deshalb ist nach Tätertypen zu differenzieren. Augenblickstäter erhalten Denkzettel für die Zukunft, verbesserliche Zustandstäter werden durch Resozialisierung wieder in die Gesellschaft eingegliedert, unverbesserliche Zustandstäter werden verwahrt.

Die einzelnen Straftaten werden nach französischem Vorbild allgemein nach der Schwere in Verbrechen, Vergehen und Übertretungen gegliedert. Die strafbare Handlung muss genau beschrieben sein und Analogie zu Lasten Handelnder ist ausgeschlossen (Analogieverbot, lat. nullum crimen, nulla poena sine lege, kein Verbrechen, keine Strafe ohne Gesetz). Die allgemeinen Figuren des Versuchs, des Irrtums und der Teilnahme (Anstiftung, Beihilfe) werden ausgebildet, Vorsatz und Fahrlässigkeit streng geschieden und die Konkurrenzlehre (Lehre vom Verhältnis mehrerer bei einem Strafverfahren miteinander konkurrierender Straftatbestände wie z. B. Einbruchsdiebstahl und dabei begangene Sachbeschädigung) verbessert (klassischer Tatbestandsaufbau Handlung, Rechtswidrigkeit, Schuld), doch beginnt zugleich auch die Entstehung eines immer unübersichtlicheren Nebenstrafrechts in Nebengesetzen.

Bei den einzelnen Tatbeständen werden die Verbrechen gegen den Staat und gegen den Einzelnen voneinander getrennt (Feuerbach) und Religionsdelikte und Sittlichkeitsdelikte allmählich zurückgedrängt. Die Körperverletzungen werden systematisiert und die Vermögensdelikte weiter durchgebildet (Diebstahl, Raub, Betrug, Erpressung, Unterschlagung). Der Rechtssicherheit soll eine ausgefeilte Kasuistik dienen.

Die Strafrahmen sind bei Feuerbach (1813) aus rechtsstaatlichen Gründen eng (geringer richterlicher Strafzumessungsspielraum), im Reichsstrafgesetzbuch (1871) dagegen verhältnismäßig weit. Bei den Strafen verschwinden die verstümmelnden Leibesstrafen und die qualifizierten Todesstrafen, während die Freiheitsstrafe (Zuchthaus, Gefängnis, Haft) und (1851/1871) die Geldstrafe an Bedeutung gewinnen. Das Strafmaß soll der Schwere der Schuld entsprechen.

Das Recht der katholischen Kirche wird erstmals seit dem Mittelalter (Decretum Gratiani von etwa 1140 u. s. w.) neu festgelegt (Codex iuris canonici, 27. 5. 1917 verkündet, 19. 5. 1918 in Kraft gesetzt), wobei eine Gliederung in Allgemeinen Teil, Personenrecht, Sachenrecht, Verfahrensrecht und Strafrecht stattfindet. Mit dem Staat werden seit Anfang des 19. Jahrhunderts Konkordate (Kirchenverträge) geschlossen. Die evangelischen Kirchen geben sich Kirchenverfassungen (Kirchenordnungen).

Im Privatrecht gelten im deutschen Sprachraum nach Auflösung des Heiligen römischen Reiches (1806) vor allem das preußische Allgemeine Landrecht (1794), der französische Code civil (1804), das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/1812) sowie das gemeine Recht der restlichen Staaten (um 1900 für rund 16 von insgesamt 67 Millionen Menschen in 93 verschiedenen Gebieten) und zahlreiche besondere Gesetze, Verordnungen und Gewohnheiten der einzelnen Staaten als partikulare Rechte nebeneinander. Die Fortbildung des darin enthaltenen Rechtes wird durch die politischen Forderungen des Liberalismus, die dogmatischen Arbeiten der Wissenschaft, die aus realen Notwendigkeiten erwachsenden aktuellen gesetzlichen Regelungen und die richterlichen Klärungen geprägt. Im Gegensatz zu Frankreich besteht dementsprechend eine sehr bunte Gemengelage.

Dabei wird die wissenschaftliche Dogmatik vor allem durch die Neubelebung der römischen Rechtsquellen beherrscht (pandektistische Nachrezeption), die allerdings unhistorisch der Systemgerechtheit und tatsächlichen Brauchbarkeit vielfach den Vorrang vor der geschichtlichen Quellentreue einräumt. Dem geschlossenen romanistischen System haben die Vertreter des parallel hierzu gesammelten gemeinen deutschen Privatrechts nichts völlig Gleichwertiges entgegenzusetzen, so dass sie sich (in einer gewissen Art von Arbeitsteilung mit den Vertretern des römischen Rechtes) bald vor allem den Randgebieten des Privatrechts (Handelsrecht, Landwirtschaftsrecht, Urheberrecht, Bergrecht und Wasserrecht) widmen. Insgesamt aber nimmt die Wissenschaft von den nationalen Grundfragen der Bodenbefreiung, Personenfreiheit, Industrialisierung und Bildung des Nationalstaats nur bedingt Kenntnis.

Das im 19. Jahrhundert ausgebildete privatrechtliche System, das vom römischen personae-res-actiones-Schema (Personen-Sachen-Klagansprüche, Institutionensystem) ausgeht, auf Grund der Beschäftigung mit den Pandekten bestimmte allgemeine Begriffe mit dem Personenrecht zu einem allgemeinen Teil zusammenfasst und andererseits die schlecht einzugliedernden Materien des Familienrechts und Erbrechts in eigenen Rechtsgebieten verselbständigt, geht in seiner daraus erwachsenden fünfteiligen Gliederung außer auf das naturrechtliche Systemdenken (Pufendorf) vor allem auf Gustav Hugo (Institutionen des römischen Rechts, 1799) zurück. Von ihm übernimmt es Georg Arnold Heise in seinem Grundriss eines Systems des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von Pandektenvorlesungen (1807, Pandektensystem). Durch Savigny, der ihm in seiner Pandektenvorlesung folgt, erlangt es allgemeine Verbreitung.

Der Allgemeine Teil betrifft dabei im Wesentlichen drei Bereiche. Dies sind die Personen, Sachen und Rechte. Dazu kommen noch einzelne allgemeine Gegebenheiten (z. B. Fristen).

Als abstrakter Begriff für Träger von Rechten und Pflichten bildet sich nach naturrechtlichen Vorarbeiten nun der des Rechtssubjekts aus. Entsprechend den Forderungen von Aufklärung, Liberalismus und französischer Revolution wird für alle Personen Freiheit und Gleichheit angestrebt und erreicht. Personen sind dabei vorwiegend Menschen, aber nicht nur Menschen.

In Preußen kommt die Veränderung zur Freiheit und Gleichheit deutlich im Steinschen Edikt vom 9. 10. 1807 zum Ausdruck („Mit dem Martinitage 1810 gibt es nur freie Leute“). Dadurch werden die bisherige ständische Dreigliederung (Adelige, freie Bürger und vielfach unfreie Bauern) und die Erbuntertänigkeit der Bauern völlig beseitigt. Allerdings wird damit zugleich der bescheidene soziale Schutz, wie ihn die patriarchalische Grundherrschaft bietet, ersatzlos aufgehoben.

Die Juden werden um die Mitte des Jahrhunderts nach amerikanisch-französischem Vorbild den Christen gleichgestellt (Judenemanzipation). Nach einem Gesetz von 1857 werden ausländische Sklaven mit dem Betreten preußischen Bodens frei. Die Stellung der Frau verbessert sich allmählich (Frauenarbeitsschutz, 1869 in Preußen Beseitigung von Schranken der Handlungsfähigkeit, 1877 im Reich Prozessfähigkeit, elterliche Gewalt der Mutter im Bürgerlichen Gesetzbuch, Zulassung zum Studium).

Die Rechtsfähigkeit beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod. Ein allgemeines Recht an der eigenen Person (Persönlichkeitsrecht) wird von Savigny als unmöglich und sinnlos abgelehnt und trotz beachtlicher Gegenstimmen (Neuner, Gareis, Kohler) nicht in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen (anders Einzelrechte wie Name, vgl. auch Urheberrecht u. s. w.). Die beschränkte Geschäftsfähigkeit wird nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch mit der Vollendung des 7., die volle Geschäftsfähigkeit (Volljährigkeit) mit der Vollendung des 21. Lebensjahres erlangt.

Für die juristische Person begründet an Hand älterer, vor allem vernunftrechtlicher Ansätze Savigny, der an sich nur Menschen als Rechtssubjekte anerkennt, die Theorie, dass für die Zuordnung herrenloser Rechte die juristische Person durch Fiktion geschaffen werden müsse (Fiktionstheorie), die durch Vertreter handeln müsse. Dagegen ist nach Gierke eine Genossenschaft ein sozialer Organismus und damit eine reale Gesamtpersönlichkeit, die durch Assoziation entsteht und durch Organe handelt. Unabhängig von diesem Streit um das Wesen der juristischen Person wird das zu Beginn des 19. Jh. herrschende Konzessionssystem teilweise durch das System der Normativbestimmungen abgelöst, bei dem der Staat dem seit der Mitte des 19. Jh. so genannten Verein die Rechtsfähigkeit bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen zu gewähren hat.

In Österreich, in dessen Allgemeinem Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811/1812 die juristische Person noch ziemlich bedeutungslos ist, wird 1849 ein Vereinspatent gewährt (mit Anmeldepflicht für politische Vereine und Konzessionssystem für auf Gewinn berechnete Vereine). Diese Lösung wird 1852 zugunsten des Konzessionssystems für fast alle Vereinigungen beseitigt. Das Vereinsgesetz vom 15. 11. 1867 sieht vor, dass ein Verein sich erst dann bilden darf, wenn die Behörde binnen 4 Wochen nach Anzeige der beabsichtigten Vereinsbildung keinen Widerspruch erhebt.

Daneben erarbeiten Germanisten aus historischem deutschrechtlichem Material die Figur der zwischen der einzelnen natürlichen Person und der juristischen Person stehenden Gesamthand. Beseler (1809-1888) versteht darunter Gemeinschaften, die für bestimmte Beziehungen die Grenzen der Persönlichkeit ihrer Glieder aufheben und dieselbe gleichmäßig über die den Gliedern gemeinsam gewordene Rechtssphäre erweitern, ohne dass jedoch ein neues selbständiges Rechtssubjekt in der Vereinigung begründet wird. Diese Rechtsfigur wird (1896/1900) als Prinzip mit den Kennzeichen der gemeinsamen Verfügung der Beteiligten über den Gegenstand und der Anwachsung der Berechtigung beim Wegfall eines Beteiligten (an die Berechtigungen der Verbleibenden) an einzelnen Stellen in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen (Gesellschaft, Gütergemeinschaft, Erbengemeinschaft).

Bei den Gegenständen unterscheidet das Bürgerliche Gesetzbuch zwischen unkörperlichen Gegenständen und körperlichen Gegenständen. Körperlicher (einen Körper in den Dimensionen Höhe, Breite, Tiefe aufweisender) Gegenstand ist die Sache, die beweglich oder unbeweglich sein kann. Die allgemeinen Grundsätze über Sachen folgen dem gemeinen Recht.

Der einheitliche romanistische actio-Begriff (Klaganspruch) wird aufgeteilt. Materiell wird das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, als Anspruch verstanden. Daneben steht der für den Anspruch im Verfahren gewährte Rechtsschutz (Klage).

Auf Grund naturrechtlicher Ansätze (z. B. Christian Wolff) wird das vom objektiven Recht (Rechtsordnung, Gesamtheit aller Rechtssätze) verschiedene subjektive Recht (Einzelrecht wie z. B. Kaufpreisanspruch des einzelnen Verkäufers) abstrakt erfasst. Nach Savigny ist das subjektive Recht die der einzelnen Person zustehende Macht (z. B. Eigentum). Sie wurzelt in der allgemeinen Anerkennung der Willensfreiheit der Person und ist daher der Raum der Freiheit einer Person, die mit der Freiheit einer anderen Person zusammen noch bestehen kann.

Wesentlicher Entstehungsgrund eines subjektiven Rechtes ist die menschliche Handlung. Sofern sie in einer auf den rechtlichen Erfolg gerichteten Willensäußerung besteht, wird sie nun als Willenserklärung (Erklärung bzw. Mitteilung des im Inneren vom Einzelnen gebildeten Willens an die Außenwelt) erfasst und zur Grundlage der Rechtsgeschäfte (Geschäfte des Rechtes) gemacht. Den bei diesen Willenserklärungen möglichen Irrtum unterscheidet Savigny in beachtlichen Inhaltsirrtum und unbeachtlichen Motivirrtum und hält jede Erklärung ohne entsprechenden Willensinhalt für nichtig (Willenstheorie), während eine reine Erklärungstheorie einen von der Erklärung abweichenden Willen nicht beachtet.

Die Willenserklärung einer Person kann für eine andere wirken (Stellvertretung, anders das römische Recht). Dies begründet Savigny damit, dass mit dem Wegfall der Stipulation auch der römische Rechtssatz, dass niemand einem anderen stipulieren könne, nicht mehr gelte, und dass jedes Rechtssubjekt seinen Willen auch durch einen anderen als bloßen Träger dieses Willens verwirklichen könne. Daneben weist Laband (1838-1919) die Notwendigkeit der Trennung von Innenverhältnis zwischen handelnder und betroffener Person (Mandat, Auftrag) und Außenverhältnis zwischen handelnder und dritter Person (Vollmacht) nach (1866). Das Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1900) anerkennt dementsprechend Stellvertretung und Vertrag zugunsten Dritter und trennt zwischen Vertretungsmacht (Außenverhältnis) und Auftrag (Innenverhältnis).

Der Vertrag selbst entsteht durch zwei sich entsprechende Willenserklärungen (Konsensualvertrag). Der Anbietende ist in gewisser Weise (während einer überschaubaren Zeit) an sein Angebot gebunden, doch entsteht ohne Annahme des Angebots grundsätzlich kein Vertrag. Reste des (römischen) Realvertrags werden nicht eindeutig beseitigt.

In den Allgemeinen Teil aufgenommen hat das Bürgerliche Gesetzbuch noch die für einzelne Sonderfälle verbleibenden Überreste der ursprünglich umfassenden Selbsthilfe. Gestattet sind Abwehrmaßnahmen im Fall der Notwehr und des Verteidigungsnotstands. Ein Angriff ist grundsätzlich nur bei Gefahr und nur zur vorläufigen Sicherung zulässig.

Das Eherecht wird aus der Kirche in den Staat überführt. Dabei wird die in der französischen Revolution verwirklichte und in der Frankfurter Paulskirchenversammlung von Seiten der Liberalen geforderte obligatorische Zivilehe in der Form gegenseitiger Willenserklärungen der Eheleute vor einem staatlichen Beamten (Standesbeamten) im Laufe des sog. Kulturkampfs 1874 in Preußen und 1875 im Deutschen Reich eingeführt (6. 2. 1875 Personenstandsgesetz mit einheitlichem weltlichem Personenstandsrecht und Eherecht). Neben der zivilen bzw. staatlichen Eheschließung ist eine für die Kirche bedeutsame (zweite) kirchliche Eheschließung möglich (und üblich), aber für das staatliche Recht nicht erforderlich.

In Österreich folgt das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/1812) dem aufgeklärten Ehepatent Josephs II. von dem 16. 1. 1783. Die für Ehestreitigkeiten zuständigen staatlichen Gerichte können aber in den meisten Fällen nur die Trennung von Tisch und Bett aussprechen. Das Konkordat von 1855 macht im Neoabsolutismus die Ehe unter Katholiken wieder von der Einhaltung der kirchenrechtlichen Vorschriften abhängig und nimmt auch die Beseitigung kirchlicher Ehehindernisse zurück, so dass die Ehe eines Katholiken nur gültig ist, wenn sie den Vorschriften des kanonischen Rechtes entspricht und über die Gültigkeit der Ehe eines Katholiken nur die Kirche nach ihren Gesetzen entscheidet.

1868 wird nach dem Ende des Neoabsolutismus das folgerichtig 1856 für Katholiken außer Kraft gesetzte Eherecht des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs, das auf Grund des Konkordats von 1855 dem kanonischen Eherecht samt der kirchlichen Ehegerichtsbarkeit weichen muss, durch das Eherechtsgesetz vom 25. 5. 1868 auch für Katholiken wieder in Kraft gesetzt (mit Wiederherstellung der weltlichen Ehegerichtsbarkeit für Katholiken). 1870/1874 wird das Konkordat gekündigt. Dementsprechend werden eine Notzivilehe (vor dem Staat gültige Ehe trotz Nichteinhaltung der kirchenrechtlichen Vorschriften wegen Verweigerung der Eheschließung wegen eines nach staatlichem Recht nicht bestehenden kirchenrechtlichen Ehehindernisses) und eine Dispensehe (seit 1919 in Niederösterreich von dem Landeshauptmann Albert Sever erteilter Dispens vom Ehehindernis des bestehenden Ehebands, etwa 50000 Fälle bis 1930) zulässig.

Die Ehescheidung im Deutschen Reich wird nach längeren Auseinandersetzungen durch das Personenstandsgesetz (1875) für bestimmte Fälle und durch das Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1900) allgemein zugelassen. Voraussetzung ist allerdings ein bestimmter Ehescheidungsgrund. Bedeutsam ist dabei vor allem ein Verschulden eines Ehegatten, das vor Gericht im Ehescheidungsstreit nachgewiesen werden muss.

In der Ehe steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch dem Mann die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu. Die Frau ist im Rahmen des Üblichen zu Arbeiten im Hauswesen und im Geschäft des Mannes verpflichtet. Sie kann den Mann im Rahmen der Schlüsselgewalt in üblichen Rechtsgeschäften verpflichten.

Im Ehegüterrecht bestehen bis zum Bürgerlichen Gesetzbuch die verschiedenartigen Gestaltungsformen fort. Durch das Bürgerliche Gesetzbuch wird die für etwa 14 Millionen Personen gültige Verwaltungsgemeinschaft mit Verwaltungsrecht des Mannes der vom Gesetz bei Fehlen einer abweichenden Vereinbarung vorgesehene Regelgüterstand. Durch in ein Güterrechtsregister einzutragende Vereinbarung kann aber auch Gütergemeinschaft (ca. 11 Millionen), Errungenschaftsgemeinschaft und Fahrnisgemeinschaft (7 Millionen) oder Gütertrennung festgelegt werden (Wahlgüterstand). Dementsprechend bleibt das Ehegüterrecht in etwas engerem Rahmen mehrgestaltig.

Die ehelichen Kinder stehen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch bis zur Volljährigkeit unter elterlicher Gewalt. Sie obliegt in erster Linie dem Vater und nur daneben der Mutter. Kinder im elterlichen Haushalt sind zu Dienstleistungen verpflichtet.

Das uneheliche (nichteheliche) Kind gilt als mit seinem Vater nicht verwandt. Ihm steht aber gegen diesen ein der Lebensstellung der Mutter entsprechender Unterhalt bis zur Vollendung des 16. Lebensjahrs zu. Die Mutter hat nur die persönliche Fürsorge, nicht die elterliche Gewalt, kann aber Vormund sein.

Der Vormund wird auf Grund liberaler Vorstellungen gegenüber dem Vormundschaftsgericht freier gestellt. Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt die Vormundschaft über Minderjährige und entmündigte Volljährige. Für einzelne Angelegenheiten kann eine Pflegschaft eingerichtet werden.

Das Erbrecht wird nicht tiefgreifend verändert. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch fällt der Nachlass beim Erbfall unmittelbar an den Erben oder die gesamthänderisch gebundene Erbengemeinschaft (Universalsukzession). Der (grundsätzlich) unbeschränkt haftende Erbe kann die Haftung beschränken und kann mit Erbschaftsteuern (1906, 1911) belastet werden.

Das Sondererbrecht verschwindet bis auf Familienfideikommisse, die sich trotz der Ablehnung von Vorrechten (Code civil 1804, Preußen 1850) erhalten. Zum Schutz der Bauern vor Güterzersplitterung wird gesetzlich ein bäuerliches Anerbenrecht geschaffen (1874 Preußisches Höfegesetz für die Provinz Hannover, 1900 Tirol Anerbenrecht, Höferecht, 1903 Kärnten Anerbenrecht, 1908 Böhmen). Dies widerspricht zwar dem Gleichheitsgrundsatz. erleichtert aber das bäuerliche Wirtschaften durch Ausschluss von Hofteilungen.

Die Erbfolge ist grundsätzlich Verwandtenerbfolge. Sie bestimmt sich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nach Ordnungen (Parentelen, 1. Ordnung Abkömmlinge des Erblassers, 2. Ordnung Eltern und deren Abkömmlinge, 3. Ordnung Großeltern und deren Abkömmlinge u. s. w.). Der Ehegatte erhält nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, obwohl er mit dem Erblasser nicht verwandt ist, mindestens ein Viertel des Nachlasses.

Das Testament ist unbeschränkt zulässig (Testierfreiheit). Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch kann es in holographer Form (eigenhändig geschrieben und unterschrieben) errichtet werden. Es kann Vermächtnisse (Zuwendungen einzelner Gegenstände wie z. B. eines Grundstücks oder Klaviers an einen Vermächtnisnehmer, der grundsätzlich nicht Erbe ist) enthalten.

Übergangene nahe Erben haben Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (Pflichtteil). Erbvertrag, Erbverzicht und Testamentsvollstreckung werden als deutschrechtliche Elemente in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen. Zum Nachweis des Erbrechts wird dem Erben vom Nachlassgericht ein Erbschein ausgestellt.

Für den Besitz werden im Wesentlichen deutschrechtliche Vorstellungen in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen. Demnach beruht er auf der tatsächlichen Sachherrschaft, nicht auf dem Besitzwillen und ist neben dem unmittelbaren Besitz auch mittelbarer Besitz möglich. Ein Rechtsbesitz als die den Rechten an fremder Sache entsprechende tatsächliche Willensherrschaft über eine Sache in einzelnen ihrer Beziehungen wird im Bürgerlichen Gesetzbuch abgelehnt.

Das Eigentum wird, weil es nach liberaler Ansicht die Freiheit der Person garantiert, von den Verfassungen geschützt und soweit wie möglich von Schranken befreit. Dies beginnt in Preußen, wo sich die liberalistische Ansicht, dass das auf eigene Rechnung und Gefahr wirtschaftende Individuum produktiver wirke, durchsetzt, mit dem Edikt vom 14. 9. 1811 die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse betreffend. Dieses ordnet nämlich an, dass die bisher nicht zu Eigentum gegebenen bäuerlichen Besitzungen in Eigentum verwandelt werden (Allodifizierung), was allerdings erst bis Ende 1858 endgültig verwirklicht wird und zudem das Bauerntum wegen der damit verbundenen Entschädigungslasten erheblich schwächt.

Daneben wird individuelles, der liberalistischen Doktrin entsprechendes Eigentum durch die Aufteilung der Allmenden (preußische Gemeinheitsteilungsordnung vom 7. 6. 1821) und durch die Beseitigung des Obereigentums der Lehnsherren, Erbzinsherren und Erbverpächter (1850) - dessen falsche dogmatische Herleitung schon Thibaut 1801 nachweist - geschaffen (Allodifizierung der Lehen u. s. w.). Damit endet im Übrigen zugleich die Bedeutung des Lehnrechts. Seine Funktionen werden nun teilweise mit Hilfe des Steuerrechts erfüllt.

In Österreich, wo vor allem in Oberösterreich und Niederösterreich um 1850 noch etwa 9500 Lehen bestehen, wird ihre Aufhebung am 7. 9. 1848 im Grundsatz ausgesprochen. Durch Gesetz vom 17. 12. 1862 erfolgt die Aufhebung gegen Entschädigung. Endgültig umgesetzt wird dies 1867/1869.

Daneben ändert sich allgemein auch der Inhalt des Eigentums am Boden. Das Steinsche Edikt vom 9. 10. 1807 eröffnet es durch die Aufhebung aller ständischen Schranken für jedermann. Weiter beseitigt es durch die Abschaffung der Gutsuntertänigkeit für Volleigentümer das Erfordernis der herrschaftlichen Genehmigung der Veräußerung, wodurch der Boden zur Ware (Bodenmobilisierung) wird, und gestattet die Teilung der Grundstücke, was rasch zu einer berüchtigten „Güterschlächterei“ führt.

Die Übertragung des Eigentums wird durch Savigny neu gefasst. Er sieht zunächst als den Grund der Übergabe (lat. iusta causa traditionis) nicht mehr den titulus acquirendi, d. h. den rechtmäßigen obligatorischen Vertrag (wie etwa den Kaufvertrag) an, sondern die davon zu trennende Absicht bzw. den Willen (Willenserklärung) des Eigentümers, mit der Übergabe (lat. traditio) das Eigentum zu verschaffen. Später erklärt er die Tradition überhaupt als einen selbständigen dinglichen Vertrag, der aus den beiden Willenserklärungen des Veräußerers, Eigentum geben zu wollen, und des Erwerbers, Eigentum nehmen zu wollen, bestehe.

Dieser Vertrag ist dem schuldrechtlichen Grundgeschäft (z. B. Kauf) gegenüber unabhängig bzw. abstrakt (Abstraktionsprinzip). Neben diesem zusätzlich zu dem schuldrechtlichen Grundgeschäft (z. B. Kaufvertrag) abzuschließenden neuen dinglichen Vertrag (Einigung) ist dann bei beweglichen Sachen noch (wie bisher) die tatsächliche körperliche Übergabe bzw. statt ihrer ein Übergabe­surrogat erforderlich. Insgesamt sind also bei Übereignung grundsätzlich zwei Verträge (z. B. Kaufvertrag und Einigung) und eine tatsächliche Handlung (Übergabe oder Übergabesurrogat) nötig.

Eine zweite Veränderung ergibt sich für Grundstücke aus dem preußischen Eigentumserwerbsgesetz vom 5. 5. 1872, das nicht nur Savignys dinglichen Vertrag (Einigung, Auflassung) übernimmt, sondern die Übergabe (lat. traditio) für Grundstücke durch die konstitutive Eintragung des Eigentumsübergangs in ein nach Personen (Personalfolium) gegliedertes Grundbuch (Publizitätsprinzip), das zuletzt nur noch in wenigen Gebieten bestanden hatte, ersetzt (vgl. Sachsen 1843, Österreich Grundbuchsgesetz 1871, 1897 auf Tirol und 1900 auf Vorarlberg ausgedehnt). Damit wird zugleich das aus dem kausalen Vertrag (z. B. Kaufvertrag) folgende ius ad rem (Recht auf die Sache) des Käufers (Recht auf die dem Verkäufer trotz des abgeschlossenen Kaufvertrags sachenrechtlich noch gehörende Sache) beseitigt, dessen Funktion die Vormerkung zur Sicherung eines schuldrechtlichen Anspruchs übernimmt.

Der Entzug des Eigentums ist (z. B. für den Bau von Eisenbahnstrecken) möglich. Grundlegende Voraussetzungen hierfür sind seit der französischen Revolution ein öffentliches Bedürfnis, ein rechtmäßiges Verfahren sowie eine ausgleichende Entschädigung (klassische Enteignung). Für Österreich wird in diesem Zusammenhang das Eisenbahnenteignungsgesetz von 1878 geschaffen.

Der Eigentümer hat gegen jeden nichtberechtigten Besitzer einen Anspruch auf Herausgabe der Sache (Herausgabeanspruch, Vindikationsanspruch, Vindikation). Daneben können weitere Ansprüche des Eigentümers gegen den nichtberechtigten Besitzer bestehen (evtl. Schadensersatz, Nutzungsherausgabe, Verwendungserstattung). Im Übrigen wird der Besitz gegen Eigenmacht und im Verhältnis mehrerer Besitze zueinander der bessere Besitz gegenüber dem schlechteren Besitz geschützt.

Bei den (im Verhältnis zum Eigentum nur) beschränkten dinglichen Rechten, deren Kreis im Bürgerlichen Gesetzbuch festgelegt wird (lat. numerus clausus, geschlossene Zahl), gewinnen die Grundpfandrechte wegen des bäuerlichen wie allgemeinen Kreditbedarfs an Bedeutung, wobei sich allmählich der besondere Anstaltskredit (Beleihungsgrenze, Unkündbarkeit) ausbildet. In das Bürgerliche Gesetzbuch gehen außer der (von Bayern unterstützten) Hypothek die in einigen Gebieten (Mecklenburg) besonders ausgebildeten Einrichtungen der Grundschuld und Rentenschuld ein. Wie die anderen beschränkten dinglichen Rechte an Liegenschaften entstehen sie jetzt durch Einigung und (den Berechtigten durch die Publizität sichernde) Eintragung.

Die Reallasten werden faktisch durch das grundpfandrechtlich abgesicherte Darlehen ersetzt und im Bürgerlichen Gesetzbuch knapp geregelt. Das Pfand an beweglichen Sachen wird als Faustpfand geordnet, wenn auch schon seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. wieder besitzlose Pfandrechte auftreten. Die von der Rechtslehre des 19. Jh. ausgebildete Figur der Treuhand wird in ihrem wichtigsten Anwendungsfall (Sicherungsübereignung) nicht in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen, aber umgekehrt auch nicht verboten.

Das Schuldrecht wird nach liberalen Grundsätzen ausgestaltet. Dabei erarbeitet die Pandektistik für das immer wichtiger werdende und deshalb nun dem Sachenrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch vorangestellte Schuldrecht allgemeine Regeln, die als allgemeiner Teil des Schuldrechts zusammengefasst werden. Hierzu gehört als erstes das streng von der Haftung zu trennende Schuldverhältnis selbst, das als Rechtsverhältnis zwischen mindestens zwei Personen, von denen mindestens eine (Schuldner) der anderen (Gläubiger) etwas (eine Leistung) schuldet (leisten muss), zu verstehen ist. Seine Entstehungsgründe sind Rechtsgeschäft, rechtsgeschäftsähnliches Verhältnis, unerlaubte Handlung und das dieser ähnliche (gesetzlich begründete) Verhältnis.

Dabei gilt für den Vertrag als den wichtigsten Fall des Rechtsgeschäfts der Grundsatz der Vertragsfreiheit (Privatautonomie), dem sowohl die Zinsschranken (1867) wie auch die laesio enormis (enorme oder übergroße Verletzung) zum Opfer fallen und die nur durch das Wucherverbot begrenzt wird. Die Freiheit von Abschluss, Form und Inhalt von Rechtsgeschäften wird im Bürgerlichen Gesetzbuch nur in seltenen Ausnahmen (z. B. für Grundstücksgeschäfte auf Betreiben Bayerns) eingeschränkt. Nebengesetze engen verschiedentlich stärker ein (nach französischem Vorbild Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1896 bzw. 1909, Staatsmonopol und Abschlusszwang bei Post, Bahn und Versorgungsleistungen).

In Österreich wird der vom Wucherpatent des Jahres 1803 festgelegte Höchstzinssatz am 14. 12. 1866 außer Kraft gesetzt. Das Zinsgesetz vom 14. 6. 1868 bringt die völlige Vertragsfreiheit, die aber schon 1877 für Galizien und die Bukowina und 1881 für Zisleithanien eingeschränkt wird. 1915 wird aber wieder eine Wucherbestimmung in § 879 ABGB aufgenommen.

Nach vernunftrechtlichen Vorläufern erarbeitet Ihering ein besonderes Institut der culpa in contrahendo (Schuld bei dem Kontrahieren, Pflichtverletzung bei dem Abschließen eines Schuldverhältnisses). Danach hat ein Partner von Vertragsverhandlungen schon bei Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht Schadensersatz zu leisten. Dieses Institut wird zwar vom Bürgerlichen Gesetzbuch nicht aufgenommen, wenig später aber von der Rechtsprechung anerkannt (1912).

Bei den Störungen des Schuldverhältnisses (Leistungsstörungen) baut Friedrich Mommsen (1853) unter unzutreffender Auslegung der römischen Quellen ein System der Unmöglichkeit auf, das über Bernhard Windscheid in das Bürgerliche Gesetzbuch eingeht. Daneben werden nur Verzug und Mangelgewährleistung ausdrücklich geregelt, was bald als ungenügend angesehen wird. Deshalb verschafft sich die von (Samuel Staub bzw.) Hermann Staub vorgetragene Ansicht, dass jede Pflichtverletzung des Schuldners Leistungsstörung ist (positive Vertragsverletzung, 1902, sonstige Pflichtverletzung), rasch allgemeine Anerkennung.

Einzustehen hat der Schuldner bei Pflichtverletzungen nur bei schuldhaftem Verhalten (Verschuldensprinzip). Bei der Verwendung von Erfüllungsgehilfen (z. B. Gesellen oder Lehrlinge eines Handwerkers) haftet der Schuldner nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch dagegen auch ohne eigenes Verschulden. Bei konkurrierendem Verschulden entfällt im gemeinen Recht die Ersatzpflicht völlig (Kulpakompensation), während es nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch auf das Maß der jeweiligen Verursachung („Mitverschulden“) ankommt.

Dritten können Rechte begründet (Vertretung, Vertrag zugunsten Dritter) oder nachträglich abgetreten werden (Windscheid 1856 gegen Mühlenbruch 1813), wobei entsprechend Savignys Übereignungslehre auch die Abtretung der Forderung bald als ein gegenüber dem schuld­rechtlichen Grundgeschäft (z. B. Kauf) abstraktes Erfüllungsgeschäft angesehen wird (Strempel 1856). Die Schuldübernahme (der Schuld einer Person durch eine andere Person) ist ebenfalls möglich, wobei im Falle der Übernahme des Vermögens der Übernehmer des Vermögens für die Schulden des sein Vermögen an ihn Übertragenden haftet.

Das Erlöschen der Schuld wird im Bürgerlichen Gesetzbuch ausführlich geregelt. Wichtigste Fälle sind Erfüllung, Aufrechnung und Erlass (sowie zum Teil Hinterlegung). Dabei wird die römische Novation (Schuldumschaffung) nicht mehr erwähnt.

Die einzelnen rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse sind im Wesentlichen romanistisch geprägt. Bei dem Kauf ist der Verkäufer zur Verschaffung des Eigentums frei von Rechten Dritter verpflichtet. Für Sachmängel gilt, abgesehen vom Viehkauf, das römische (ädilizische, d. h. von den Ädilen geschaffene) Recht der Wandlung (Rückgängigmachung) und Minderung (Preisverringerung).

Außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuches wird der vor allem von den finanziell schwächeren Schichten seit etwa 1870 getätigte Ratenkauf geregelt. Er geht auf ein amerikanisches Vorbild zurück. Zur Beseitigung der dadurch eintretenden Missstände wird durch das besondere Abzahlungsgesetz (1894, Österreich 27. 4. 1896 Ratengesetz) vorgeschrieben, dass der Verkäufer bei Stocken der Ratenzahlung nicht sowohl die Ware zurückverlangen wie auch die gesamten gezahlten Raten behalten darf.

Das Dienstvertragsrecht wird im Bürgerlichen Gesetzbuch nach der römischen locatio conductio operarum geregelt. Dabei geht man selbverständlich von einem gerechten Ausgleich als Folge des freien Spieles der Kräfte aus. Das tatsächlich vorhandene Ungleichgewicht zwischen dem Arbeitgeber, der das Produktionskapital zur Verfügung hat und den teilweisen Naturallohn durchsetzen kann (Trucksystem), und dem überwiegend vermögenslosen Arbeitnehmer wird ebensowenig zur Kenntnis genommen wie der in der sozialen Wirklichkeit schon früh zwischen Arbeitnehmerverbänden und Arbeitgebern abgeschlossene Tarifvertrag (1873 Buchdruckertarif, häufiger seit 1890, in Österreich 1896, erst 1899 von den freien Gewerkschaften bejaht).

Allerdings beginnt schon vor der Mitte des 19. Jahrhundert eine Arbeiterschutzgesetzgebung. Es werden 1891 Arbeiterausschüsse in den Betrieben zugelassen (Gewerbeordnung) und 1905 in Preußen sowie 1909 im Reich für den Bergbau zwingend vorgeschrieben und 1890 Gewerbegerichte vorgesehen (in Österreich 1869 Gesetz über besondere Gewerbegerichte nach französischem Vorbild, 1883/1885 Arbeiterschutz durch das Gesetz über die Gewerbeinspektoren und die zweite Novelle zur Gewerbeordnung, 1870 Beseitigung der Strafbarkeit von Koalition und Streik, in der Schweiz Fabrikgesetze von 1877 und 1914). Erste Darstellungen des Arbeitsrechts erscheinen zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Philipp Lotmar 1902/1908, Hugo Sinzheimer 1907/1916).

Bei den Kondiktionen spricht man seit Savigny von Bereicherungsklagen. Vermutlich auf Grund von Arbeiten Christian Friedrich Glücks (1755-1831) setzt sich die Ansicht durch, dass grundsätzlich bei Kondiktionen (statt des Erlangten) nur die noch vorhandene Bereicherung herauszugeben ist, und Otto Gierke bewirkt, dass im Bürgerlichen Gesetzbuch die Grundlosigkeit des Habens als Leitgedanke der Bereicherungsansprüche vorangestellt wird. Das Reichsgericht bekennt sich bei zwei einander gegenüberstehenden Bereicherungsansprüchen bald zur Berechnung des Herausgabeanspruchs als Saldo zweier herauszugebender Leistungen (Saldotheorie).

Für die unerlaubten Handlungen fordert Glück eine Rückkehr zu den römischen Grundlagen (lex Aquilia, aquilisches Gesetz). Deshalb wird der Grundsatz des ersten Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuches, dass jeder Schaden, dessen Entstehung der Schuldner mindestens voraussehen musste, zu Ersatz verpflichte, als zu weit angesehen. Das vom Grundsatz der Handlungsfreiheit des Einzelnen bestimmte Bürgerliche Gesetzbuch geht daher wie die römische lex Aquilia von der schuldhaften Verletzung (nur) ganz bestimmter Rechtsgüter und Rechte aus, fügt aber immerhin drei generalklauselartige Tatbestände (§ 823 I „sonstiges Recht“, § 823 II „Schutzgesetzverletzung“ einschließlich des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, § 826 „vorsätzlich sittenwidrige Schädigung“) an, von denen § 826 der römischrechtlichen actio de dolo (Klaganspruch aus Arglist) entspricht, während der Schutz der Ehre dem Strafrecht überlassen wird.

Dass die culpa („Schuld“) allgemeine Voraussetzungen des Schadensersatzes sei, hat zuerst Egid von Löhr (1806/1808) ohne Angabe einer Begründung behauptet. Hasse (1815) teilt unter Missachtung der Quellen diese culpa in die Widerrechtlichkeit und ein subjektives Element (culpa i. e. S., Schuld). Ihering (1867) formt daraus die ethisch qualifizierte Forderung, dass kein Übel ohne Schuld verhängt werden dürfe.

Dies kommt dem Liberalismus entgegen, der dem wirtschaftenden Subjekt einen Raum ungehemmter Entfaltung seiner Freiheit sichern möchte, in dem er nicht für die schädlichen Folgen einzustehen hat. Im Ergebnis wird daher die Pflicht, den Schaden eines anderen zu ersetzen, grundsätzlich davon abhängig gemacht, dass das ursächliche Verhalten des Inanspruchgenommenen ein Verschulden darstellt. Selbst für Verrichtungsgehilfen (z. B. Gesellen oder Lehrlinge eines Handwerkers) haftet der Geschäftsherr nur bei eigener Schuld hinsichtlich der Auswahl und Überwachung (Verschuldensprinzip).

Dass auf Sondergebieten (z. B. Betreiben eines allgemein gefährlichen Unternehmens) sowohl der Gesetzgeber (§ 25 des preußischen Eisenbahngesetzes von 1838) wie auch die Rechtsprechung eine Haftung ohne Verschulden bejahen (Gefährdungshaftung), wird dabei kaum berücksichtigt. Mit der sozialversicherungsrechtlichen Lösung des hierbei brennendsten Problems (Arbeitsunfall, Haftung des Arbeitgebers ohne Verschulden in Form pauschaler Versicherungsbeiträge) in den Reichsversicherungsgesetzen schwindet auch das Bedürfnis nach der Haftung ohne Verschulden allgemein. Diese bleibt mit ethischer wie wirtschaftlicher Begründung auf Einzelgesetze beschränkt (1871 Reichshaftpflichtgesetz, 1909 Automobilgesetz) und wird nur für Ausnahmefälle in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen (Wildschadenshaftung, Tierhalterhaftung auf Intervention der Landwirtschaft teilweise auch dort beseitigt am 30. 5. 1908).

In Österreich führt 1869 das Gesetz über die Haftpflicht der Eisenbahnunternehmungen eine Verschuldensvermutung zu Lasten der Unternehmungen ein, die 1902 ausgedehnt wird. 1908 wird ein Automobilhaftpflichtgesetz erlassen. In der Schweiz wird 1872 ein Eisenbahngesetz verabschiedet.

Die Haftung von (beamtenrechtlichen) Beamten regelt das Bürgerliche Gesetzbuch für alle Schadensfälle zunächst in einem Sondertatbestand der unerlaubten Handlung (§ 839). Weil durch die dort bestimmte Ersatzpflicht die Einsatzbereitschaft der Beamten gehemmt werde bzw. weil die Standesvertretungen der Beamten diese Haftung nicht wünschen, führen Sondergesetze (Preußen 1909, Reich 1910) die Haftung des Staates für Amtspflichtverletzungen der (haftungsrechtlichen) Beamten ein. Demnach muss statt des Beamten der Staat bei Amtspflichtverletzung dem Geschädigten den eingetretenen Schaden ausgleichen(, doch kann der Staat gegebenenfalls den Beamten in Rückgriff nehmen, was rechtstatsächlich nur selten geschieht).

Der entstandene Schaden ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch grundsätzlich im Wege der Naturalrestitution (Wiederherstellung in Natur, z. B. Ausbesserung) und nur in einzelnen Fällen durch Zahlung von Geld zu ersetzen. Sein Umfang ist aus Gründen der Klarheit vom Maß des Verschuldens unabhängig (Alles-oder-Nichts-Prinzip auch bei sehr geringem Verschulden). Schmerzensgeld kann nur in genau festgelegten Fällen begehrt werden.

Während das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (1861) an Handelsgeschäfte allgemein anknüpft und im Interesse der an Rechtsvereinheitlichung interessierten kaufmännischen Kreise Teile des Schuldrechts einbezieht, gibt das bei Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches revidierte Handelsgesetzbuch (1897) diesen Stoff wieder ab und zieht sich völlig auf ein subjektives Bezugssystem (Kaufmann d. h. Vollkaufmann, Minderkaufmann, Musskaufmann, Sollkaufmann, im Gegensatz zum Unternehmen) zurück. Es regelt die offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, stille Gesellschaft und Aktiengesellschaft - 1906 mehr als 5000 Aktiengesellschaften -, wobei man nach dem Wandel des Oktroisystems zum Konzessionssystem (am Anfang des 19. Jahrhunderts) später zum System der Normativbestimmungen übergeht (1870 Ersatz des Konzessionszwangs durch das Prinzip der freien Körperschaftsbildung, für Österreich vgl. das Aktienregulativ von 20. 9. 1899). Auf Grund wirtschaftlicher Bedürfnisse wird 1892 neben der Aktiengesellschaft die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH, Österreich 6. 3. 1906) und geringem Geschäftskapital geschaffen (1911 20000 Gesellschaften mit beschränkter Haftung), nachdem schon 1867/1868 ein Gesetz Preußens bzw. des Norddeutschen Bundes die zur Selbsthilfe gegründeten Genossenschaften geordnet hatte (Österreich 1869 844 Genossenschaften 9. 4. 1873), wobei das Reichsgericht 1897 Kartelle zulässt (RGZ 38, 155).

Im Wertpapierrecht findet das Wechselrecht 1848 eine einheitliche Regelung (ADWO), während das Bürgerliche Gesetzbuch nur wenige Grundfiguren des auch wegen der Zunahme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs immer bedeutsameren Rechtsgebiets aufnimmt (vgl. weiter 1908 Scheckgesetz). Im Versicherungsrecht führen die aus der Zunahme des Geschäftsbetriebs resultierenden Missstände zu gesetzlichen Eingriffen (1901 Versicherungsaufsichtsgesetz, 1908 Versicherungsvertragsgesetz). Im Urheberrecht und Erfinderrecht setzt sich im 19. Jh. nach englisch-französischem Vorbild vorübergehend die Vorstellung eines „geistigen Eigentums“ durch und wird der Hersteller gesetzlich geschützt (unter Savignys Einfluss Preußen 11. 6. 1837, Norddeutscher Bund 1870, Literatururhebergesetz 1901, Kunsturhebergesetz 1907, vgl. weiter Patentgesetz 1877, Gebrauchsmustergesetz 1891, Geschmacksmustergesetz 1876, Markenschutzgesetz 1874, Österreich 1840 Hofkanzleidekret, das die Vervielfältigung literarischer Erzeugnisse untersagt, 1846 Gesetz zum Schutz des literarischen und artistischen Eigentums, 1895 Urheberrechtsgesetz, 1897 Patentgesetz, 1848 Gesetz zum Schutz der Muster und Modelle für Industrieerzeugnisse, Gesetze zum Schutz von Marken 1858, 1890). International bedeutsam wird in diesem Bereich die Berner Übereinkunft (1866), nach der die beteiligten Staaten das inländische Recht auf die Angehörigen aller Teilnehmerstaaten erstrecken.

1896 wird ein erstes Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs erlassen, das 1909 neu gefasst wird. Das Bergrecht, das sich allmählich der großindustriellen Betriebsweise des Bergbaus gegenübersieht, wird nach liberalem französischem Vorbild gesetzlich geordnet (Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten 1865, Allgemeines Berggesetz Österreichs 1854). Dabei wird das ältere Bergregal durch die staatliche Berghoheit und die allgemeine Bergbaufreiheit, die später teilweise wieder verlorengeht (Ruhrgebiet), ersetzt und gilt Sonderrecht im Bereich des durch Verleihung zu erlangenden Bergwerkseigentums, der bergrechtlichen Gesellschaft bzw. Gewerkschaft und des bergmännischen Arbeitsrechts und Sozialrechts (Knappschaften).

 

Zwanzigstes Jahrhundert, erste Hälfte

Politisch ruft nach dem ersten Weltkrieg und dem Verzicht des Kaisers des Deutschen Reiches auf den Thron, dem sich die übrigen deutschen Fürsten für ihr Amt anschließen, der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann für das Deutsche Reich die Republik aus (9. 11. 1918). Die Geschäfte des Reichskanzlers werden staatsstreichartig an den Vorsitzenden der Sozialdemokraten Friedrich Ebert übertragen. Am 10. 11. 1918 bildet sich eine neue Regierung aus je drei Mitgliedern der Mehrheitssozialdemokraten (MSPD) sowie der von ihnen 1916/1917 anlässlich der Frage der Kriegskredite abgespaltenen Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD).

Von den Berliner Arbeiter- und Soldatenräten wird bereits am gleichen Tag ein Rat der Volksbeauftragten bestätigt. Er erlässt nach dem Abschluss eines Waffenstillstands mit den Alliierten (11. 11. 1918) einen Aufruf an das deutsche Volk (12. 11. 1918). In ihm verkündet er Grundzüge des politischen sozialistischen Programms.

In Österreich bildet sich angesichts der drohenden militärischen Niederlage am 6. 10. 1918 ein serbisch-kroatisch-slowenischer Nationalausschuss und zur gleichen Zeit eine polnische Nationalversammlung. Am 16. 10. 1918 erlässt der Kaiser ein Manifest, das die westliche Reichshälfte (Zisleithanien, Gebiet diesseits bzw. von der Quelle aus gesehen links der Leitha) in national einheitliche Einzelstaaten gliedern will. Dementsprechend versammeln sich am 21. 10. 1918 im niederösterreichischen Landhaus in Wien die (1911) gewählten 210 deutschsprachigen Abgeordneten des Reichsrats als provisorische Nationalversammlung für Deutsch-Österreich und setzen einen zwanzigköpfigen Ausschuss (Vollzugsausschuss, später Staatsrat) zur Ausarbeitung einer Verfassung ein.

Ab dem 26. Oktober 1918 werden auf Landesebene auf Grund von Vereinbarungen der politischen Parteien entsprechend dem Ergebnis der Wahlen zum Reichsrat im Jahre 1911 provisorische Landesversammlungen eingerichtet. Träger der Landesgewalt und des Gesetzgebungsrechts ist die provisorische Landesversammlung. Sie wählt als Ausschuss den Landesrat und die Landesregierung, wovon der Landesrat der Träger der Selbstverwaltung ist, die Landesregierung der Träger der staatlichen Hoheitsverwaltung.

Am 28. 10. 1918 tritt in Prag eine tschechische Nationalversammlung zusammen. Am 30. 10. ruft Ungarn seine Unabhängigkeit aus. Gleichzeitig geht das Herrenhaus auseinander und fasst die provisorische Nationalversammlung für Deutsch-Österreich einen von Staatskanzler Renner vorbereiteten Beschluss über die grundlegenden Einrichtungen der Staatsgewalt Deutschösterreichs, mit dem sie den neuen, mit der Rechtsordnung Zisleithaniens ausgestatteten Staat Deutschösterreich (deutschsprachige Gebiete Zisleithaniens und das deutschsprachige Gebiet Westungarns) herstellt (Staatsgründungsbeschluss, dezentralisierter Einheitsstaat, streitig).

Träger der Volkssouveränität ist danach das durch die Provisorische Nationalversammlung verkörperte Volk. Die Provisorische Nationalversammlung hat das Recht zur Gesetzgebung. Für die Regierungs- und Vollzugsgewalt ist ihr Ausschuss zuständig, wobei die Geschäftsführung einem aus den drei Präsidenten der provisorischen Nationalversammlung, dem Staatskanzler und einem Staatsnotar gebildeten Gremium zusteht und die oberste Exekutive einer vom Staatsrat ernannten, aus Staatssekretären bestehenden Staatsregierung (parlamentarisches Regierungssystem mit ausgeprägter Gewaltenverbindung).

Nach § 16 haben alle in der Monarchie in Geltung stehenden Gesetze und Einrichtungen, die nicht aufgehoben oder abgeändert wurden, weiter Geltung. Dementsprechend sind Rechtsordnung und Behördenorganisation im Wesentlichen einschließlich der Grundrechte und des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes von 1917 sowie des Reichsgemeindegesetzes von 1862 übergeleitet. Bei weitgehender materieller Kontinuität besteht aber gewollte Diskontinuität hinsichtlich der Staatsform und der Regierungsform.

Am 11. 11. 1918 verzichtet der Kaiser Österreichs auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften. Er entlässt ohne die verfassungsrechtlich notwendige Gegenzeichnung die Minister, ernennt keine neuen Minister mehr und erklärt sich bereit, eine Entscheidung Deutschösterreichs über seine Verfassung anzunehmen. Er bleibt aber in Österreich und übt weiter Rechte aus.

Das Abgeordnetenhaus beschließt am Vormittag des 12. Novembers 1918, zu keiner neuen Sitzung mehr zusammenzukommen. Damit endet die österreichische Monarchie knapp zwei Wochen nach der Entstehung Deutschösterreichs. Von hier aus wird von einem gleichzeitigem Bestehen zweier Staaten mit teilweise identischem Gebiet und Volk ausgegangen.

Während sich die Tschechoslowakei, das drei Fünftel seines Gebiets verlierende Ungarn und das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (1929 Jugoslawien) verselbständigen, wird (wegen der befürchteten Kriegsschuld und deswegen drohender Reparationsleistungen) mit dem Ziel der formellen Diskontinuität unter Erlass eines Gesetzes über die Staats- und Regierungsform (Republik mit dem Staatsrat als Träger der Rechte des früheren Kaisers) die am 12. 11. 1918 aus den meisten deutschsprachigen Gebieten (mit 23 Prozent der Vorkriegsbevölkerung) gebildete Republik Deutsch-Österreich (ohne Deutsch-Böhmen, Sudetenland, Südtirol, Teile Kärntens und Deutsch-Westungarns) feierlich proklamiert (danach öffentliche Proklamation durch Massenkundgebung vor dem Parlamentsgebäude). Sie muss aber wenig später auf Druck der nichtdeutschen Mächte den Namen Österreich annehmen sowie auf eine geplante Verbindung mit Deutschland (§ 2 Republikgesetz) verzichten und wird entgegen der österreichischen Zielsetzung von den Alliierten doch als Nachfolger Zisleithaniens verstanden. Ein Gesetz vom 18. 12. 1918 sieht eine konstituierende Nationalversammlung vor, die in allgemeinen, gleichen unmittelbaren und geheimen Verhältnisrechtswahlen (mit Frauenwahlrecht) bestimmt werden soll.

Sie tritt nach den am 16. 2. 1919 (in 22 von 38 Wahlkreisen) durchgeführten Wahlen am 12. 3. 1919 erstmals zusammen und verändert die Verfassung durch das Gesetz über die Volksvertretung und das Gesetz über die Staatsregierung. Die Habsburger werden nach einem Restaurationsversuch durch das mit Verfassungsrang ausgestattete Habsburgergesetz vom 3. 4. 1919 ihrer Herrscherrechte und sonstigen Vorrechte entsetzt und teils unbedingt, teils bedingt des Landes verwiesen, wobei ihr Vermögen von der Republik übernommen wird. Mit den Verhandlungen ablehnenden Alliierten wird in Saint Germain am 10. 9. 1919 ein Staatsvertrag („Friedensvertrag“, Inkrafttreten am 16. 7. 1920) abgeschlossen, in dem Österreich als Republik die Rechtsnachfolge nach der Monarchie anerkennen und sich zur Unabhängigkeit verpflichten muss (mit Zustimmung des Völkerbunds bis 1922 aufhebbares relatives Anschlussverbot auf Drängen Frankreichs).

Unter einer bürgerlichen Mehrheit wird am 1. 10. 1920 ein im Wesentlichen seit Mai 1919 von Hans Kelsen erarbeitetes Staatsgrundgesetz (Bundes-Verfassungsgesetz mit stark ausgeprägtem Demokratieprinzip, tatsächlich schwachem Republikprinzip, im Wesentlichen unverändert übernommenem Rechtstaatsprinzip und schwach ausgeprägtem Bundesstaats­prinzip) angenommen (mit besonders parlamentarischem gewaltenverbindendem Regierungssystem. Gewaltentrennung, föderalem Staatsaufbau - Kärnten, Niederösterreich mit Niederösterreich-Land und Wien Trennung vorgesehen, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, am 3. 11. 1918 von Tirol verselbständigtes Vorarlberg -, Zweikammersystem mit Nationalrat und Bundesrat und demokratischer Willensbildung sowie aus dem Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger der Dezemberverfassung von 1867 übernommenen Grundrechten und dem Reichsgemeindegesetz 1862, dem Adels­aufhebungsgesetz, dem Habsburgergesetz und den Minderheitenschutzbestimmungen des Vertrags von Saint Germain). Es wird am 10. 11. 1920 in Kraft gesetzt (und 1925 und 1929 von einem parlamentarischen gewaltenverbindenden Regierungssystem zumindest formal bedeutsam in Richtung auf eine parlamentarisch-präsidentielle Demokratie bzw. eine gewaltenteilende Präsidentschaftsrepublik geändert). Geliebt wird diese erste Republik nicht.

Im Deutschen Reich findet nach heftigen politischen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf die Unabhängigen Sozialdemokraten aus dem Rat der Volksbeauftragten ausscheiden (27. 12. 1918) und nach dem Spartakusaufstand in Berlin die Führer der Kommunistischen Partei Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg getötet werden (15. 1. 1919), nach dem Verhältniswahlrecht die Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung statt (19. 1. 1919). Sie verschafft den bürgerlichen Parteien (Zentrum, Deutsche Demokratische Partei, Deutsche Volkspartei, Deutschnationale Volkspartei) eine Mehrheit. Die Nationalversammlung tagt wegen des Spartakusaufstands in Berlin in dem ruhigeren Weimar (6. 2. 1919).

Sie wählt nach Auflösung des Rates der Volksbeauftragten und Aufstellung einer Notverfassung und eines Gesetzes über die vorläufige Reichsgewalt (10. 2. 1919) am 11. 2. 1919 zunächst Friedrich Ebert († 1925) zum Reichspräsidenten und Philipp Scheidemann zum Ministerpräsidenten. Nach Verabschiedung eines Übergangsgesetzes (4. 3. 1919) sowie nach Unterzeichnung des „Friedensvertrags“ von Versailles (28. 6. 1919) wird der föderalistisch gestaltete Entwurf der Verfassung am 31. 7. 1919 mit 282 gegen 75 Stimmen verabschiedet. Er tritt am 14. 8. 1919 in Kraft.

Als Folge des Friedensschlusses verliert Deutschland weite Gebiete (Elsass-Lothringen an Frankreich, Westpreußen an Polen, Nordschleswig an Dänemark, Saargebiet (bis 1935) an Frankreich, Kolonien unter Verwaltung des 1919 gegründeten, wenig bedeutsamen Völkerbunds u. a., insgesamt etwa ein Siebentel seines Gebiets und ein Zehntel seiner Bevölkerung), muss abrüsten (Reichswehr) und wird als Urheber des Krieges (wegen der „Kriegsschuld“) zu hohen Reparationsleistungen verpflichtet. Im Inneren begünstigt das einfache Verhältniswahlrecht die Zersplitterung der Parteien, die nur sehr instabile Regierungen bilden (20 in 14 Jahren). Große Gruppen identifizieren sich nicht mit dem Staat und finden sich nur mit ihm ab oder bekämpfen ihn (Kapp-Putsch 13. 3. 1920, Putsch der Schwarzen Reichswehr 1. 10. 1923, Hitler-Putsch 8./9. 11. 1923).

Die wirtschaftlichen Krisen verunsichern die Bevölkerung. Sie begründen die Überzeugung, dass eine radikale Umkehr unvermeidlich und eine neue Ordnung unentbehrlich sei. Deswegen gewinnen extreme Parteien allmählich viele Wähler, darunter auch die spätere Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP).

Als ihr Vorläufer wird in München am 5. Januar 1919 u. a. von dem antibolschewistisch und antisemitisch eingestellten Werkzeugschlosser Anton Drexler (1884-1942) die Deutsche Arbeiterpartei gegründet. Im September 1919 tritt in sie der in Braunau am Inn in Oberösterreich als Sohn eines unehelich geborenen Zollamtsoffizials (Alois Schicklgruber, später Alois Hitler) geborene, 1908 mit 19 Jahren nach Wien und 1913 mit 24 Jahren nach München gelangte Adolf Hitler (1889-1945) ein, der aus verschiedensten Quellen die gegen das internationale Weltjudentum und den von (dem Juden) Karl Marx begründeten Marxismus sowie auf Ausdehnung nach Osten gerichtete, auf die Arbeiterschaft auszurichtende nationalsozialistische Ideologie eines nationalistischen Sozialismus begründet. Unter seinem Einfluss wird die Partei 1920 in NSDAP umbenannt und später nach dem Führerprinzip hierarchisch gegliedert (Gaue, Kreise, Ortsgruppen u. s. w.).

Ihr durchaus auch sozialrevolutionäres Gedankengut enthaltendes, im Wesentlichen von Anton Drexler formuliertes, aber bezüglich des Rechtes auf Gedanken des Gründers der Deutsch-Sozialistischen Partei (Alfred Brunner) sowie des Bochumer Amtsgerichtsrats und Gründers des „Bundes für deutsches Recht“ Arnold Wagemann und über ihn letztlich auf den Germanisten des ausgehenden 19. Jahrhunderts (Otto von Gierke) beruhendes Programm wird am 24. 2. 1920 in 25 meist sehr volkstümlichen Punkten niedergelegt (Gemeinnutz geht vor Eigennutz, Aufhebung des Versailler Diktats, Selbstbestimmung aller Deutschen, Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens, Erwerb von Kolonien) und in Adolf Hitlers nach dem niedergeschlagenen Novemberputsch vom 8./9. 11. 1923 in der Haft verfassten Buch „Mein Kampf“ ausführlich entwickelt. Es trägt der zunächst aufgelösten, am 27. 2. 1925 aber wiederbegründeten Partei, welche die grundlegende Änderung der bestehenden Verhältnisse verlangt und die Aufhebung des Gegensatzes von Kapital und Arbeit verspricht, bei den Wahlen zum 4. Reichstag (1928) zunächst 2,6 % der Stimmen und 12 Reichstagsmandate, bei den Wahlen zum 5. Reichstag 107 Mandate und bei den Wahlen zum 6. Reichstag (1932) 230 Mandate und 37,4 % aller Stimmen (13,7 Millionen) aus allen Bevölkerungsschichten (Volkspartei des Protestes, überdurchschnittliche Unterstützung durch den Mittelstand der Selbständigen) ein. Damit ist die NSDAP stärkste Fraktion im Reichstag des Deutschen Reiches.

Deswegen ernennt der konservative Reichspräsident Paul von Hindenburg im Rahmen seiner wegen der Schwäche des Reichstags inzwischen entstandenen Präsidialdiktatur nach längerem Zögern am 30. 1. 1933 Adolf Hitler zum - durch überwiegend bürgerliche Minister „eingerahmten“ - Reichskanzler. Auf Hitlers Verlangen löst er durch Notverordnung den Reichstag auf (1. 2. 1933), beruft am 6. 2. 1933 einen Staatskommissar für Preußen und setzt nach dem wohl von einem Einzelnen verursachten Reichstagsbrand (27. 2. 1933) zahlreiche Grundrechte außer Kraft (28. 2. 1933, Ausnahmezustand). Die folgende Wahl vom 5. 3. 1933 endet mit der absoluten Mehrheit für die Koalitionsparteien Adolf Hitlers (347 von 647 Mandaten), die Wahl im Spätherbst 1933 verschafft der NSDAP 92 % aller Sitze im Reichstag, so dass Adolf Hitler rasch die Demokratie in eine Diktatur verändern kann.

Mit grausamer Gewalt werden im durch ständige Verdichtung der Herrschaft allmählich möglichen totalen Staat die wegen ihrer wirtschaftlichen Erfolge verhassten Juden (rund 2000 antijüdische Gesetze, Verordnungen, Erlasse u. s. w.) und anderen Fremdvölkischen bekämpft, wobei die anfangs geförderte Auswanderung seit 23. 10. 1941 verboten wird. Dabei sieht das Reichsbürgergesetz vom 15. 9. 1935 als Reichsbürger nur noch die Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes an. Am 1. 9. 1939 ordnet der Reichsführer SS Heinrich Himmler ein Ausgehverbot für Juden nach 20.00 Uhr an.

Im Oktober 1939 bestimmt Himmler, dass alle Juden, die ein staatsabträgliches Verhalten zeigen, in die nach ausländischem Vorbild seit 1933 errichteten etwa 60 Konzentrationslager (1935 3500, Herbst 1938 60000 Insassen) verbracht werden. Am 31. 7. 1941 beauftragt der Bevollmächtigte für den Vierjahresplan Hermann Göring den SS-Gruppenführer ReinhardHeydrich unter Berufung auf einen Erlass des Führers vom 24. 1. 1941, alle erforderlichen Vorbereitungen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflussgebiet zu treffen. Die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. 11. 1941 entzieht den Deportierten die deutsche Staatsangehörigkeit und ordnet den Anfall ihres Vermögens an den Staat an.

Am 18. 12. 1942 vereinbaren Reichsjustizminister und Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei, dass Juden, Zigeuner, Russen und Ukrainer aus dem Strafvollzug an die SS überstellt werden. Die 13. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 1. 7. 1943 sieht schließlich vor, dass strafbare Handlungen überhaupt von der Polizei geahndet werden. Die sog. Endlösung in den Vernichtungslagern erfolgt dementsprechend gänzlich im rechtsfreien Raum.

Außenpolitisch strebt Adolf Hitler die Vereinigung der Deutschen und die Erweiterung des Staatsgebiets vor allem nach Osten an. 1935 gelingt ihm die Rückgewinnung des Saargebiets aus der Einverleibung durch Frankreich. Da er auf Grund seiner die objektive wirtschaftliche Lage der meisten Deutschen verbessernden Politik die Zustimmung fast aller Deutschen (90 %) erlangt, verfolgt er 1938 den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, den die Österreicher am Ende des ersten Weltkriegs gewollt, die alliierten Siegermächte aber verhindert hatten.

In Österreich, wo 1925 die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern umgesetzt und die überkommene Doppelgleisigkeit der Verwaltung in den Bundesländern beseitigt und 1929 die ausführende Gewalt gegenüber dem Parlament gestärkt und die Volkswahl des Bundespräsidenten eingeführt wird, wird 1932 der als unehelicher Sohn einer Bauerntochter geborene, 1,53 Meter große christlich-soziale Politiker und Landwirtschaftsminister Engelbert Dollfuß (1892-25. 7. 1934) Bundeskanzler. Anlässlich einer Abstimmung bezüglich eines Streikes der Eisenbahnbediensteten gegen die ratenweise Zahlung ihrer Gehälter in einer außerordentlichen Sitzung des Parlaments  am 4. März 1933 legen während einer Geschäftsordnungsdebatte über die Bereinigung eines Formfehlers bei einer Abstimmung die Parlamentspräsidenten (Renner, Ramek, Straffner) am 4. März 1933 nacheinander ihr Amt zurück, um angesichts knappster Mehrheitsverhältnisse (Mehrheit von einer Stimme für die Regierungsparteien) als Abgeordnete an Abstimmungen teilnehmen zu können. Diesen als „Selbstausschaltung des Parlaments“ bezeichneten Geschäftsordnungszwischenfall nutzt Engelbert Dollfuß mit seiner Regierung zur Machtübernahme mit Rechtsetzung ohne Parlament auf der Grundlage des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes des Jahres 1917 (z. B. Verordnung zur Beschränkung der Pressefreiheit) und unter Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofs durch Rücktritte nahestehender Mitglieder und Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes mittels Verordnung nach dem kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz (ständestaatliches bzw. austrofaschistisches System, „Staatsstreich auf Raten“).

Um Druck auf die weitere Entwicklung Österreichs auszuüben, beschließt das Deutsche Reich unter Adolf Hitler am 29. 5. 1933 eine 1000 Mark-Sperre, nach der bei einer Reise eines Deutschen nach Österreich 1000 Mark an die Sichtvermerksbehörde zu zahlen sind, woraufhin der Fremdenverkehr aus Deutschland zurückgeht. In der so genannten Trabrennplatzrede kündigt Bundeskanzler Dollfuß am 11. September 1933 eine neue Verfassung für einen autoritären Ständestaat an der Stelle der parlamentarischen Demokratie an und am 16. 2. 1934 wird nach Schüssen des Regimes Dollfuß auf Schutzbündler die Sozialdemokratische Partei Österreichs verboten. Am 24. 4. 1934 erlässt die Regierung Dollfuß durch Verordnung nach dem kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz verfassungswidrig eine neue ständestaatliche, sich auf Gott berufende, ausgeprägt autoritäre, Wahlen durch Ernennung bzw. Entsendung ersetzende, die Gewaltenteilung beseitigende oktroyierte Verfassung (des Bundesstaats Österreich), die nach Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrats und nach (rechtswidrigem) Erlass des Bundesverfassungsgesetzes über außerordentliche Maßnahmen im Bereich der Verfassung (Ermächtigungsgesetz) durch den nun wieder einberufenen Nationalrat (Rumpfparlament) vom 30. April 1934 am 1. Mai 1934 nochmals kundgemacht wird, ohne dass dadurch das verfassungswidrige Zustandekommen geheilt werden kann.

Nach ihr erfolgt neben der Gesetzgebung durch die Bundesregierung nach dem Ermächtigungsgesetz 1934 die ordentliche Bundesgesetzgebung durch die vier vorberatenden Organe Staatsrat, Bundeskulturrat, Bundeswirtschaftsrat, Länderrat und den Bundestag auf Gesetzesinitiative allein der Bundesregierung. Bundesregierung und auch Bundespräsident können Notverordnungen erlassen. Für Landesgesetze sind nach Einbringung einer Vorlage durch die Landesregierung die Landtage zuständig.

Zentralbehörden sind die durch den Bundespräsidenten bestellte, keinem Parlament verantwortliche Bundesregierung, die aus allen Mitgliedern der vier vorberatenden Organe bestehende Bundesversammlung, der von den Bürgermeistern der Ortsgemeinden auf sieben Jahre gewählte Bundespräsident und der Rechnungshof. An der Spitze der Landesverwaltung steht der vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des betreffenden Landtags ernannte Landeshauptmann mit den von ihm bestellten Landesräten. Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof sind durch einen Bundesgerichtshof (1940 Verwaltungsgerichtshof in Wien, 1941 Reichsverwaltungsgericht Außensenat Wien) ersetzt, der Grundrechtsschutz ist eingeschränkt.

Die Parteien werden in einer vaterländischen Front zusammengefasst, die NSDAP wird verboten. Am 25. 7. 1934 wird Dollfuß im Zuge eines nationalsozialistischen Putschversuchs getötet. Seinen Nachfolger Kurt von Schuschnigg setzt Adolf Hitler unter verstärkten Druck und zwingt ihn am 15. 2. 1938 in dem so genannten Berchtesgadener Abkommen, den 1938 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei eintretenden nationalsozialistischen Sympathisanten Arthur Seyss-Inquart (1892-1946) als Innenminister und Sicherheitsminister (16. 2. 1938) zu bestellen.

Am 9. 3. 1938 setzt Schuschnigg für den 12. 3. 1938 eine gegen die Verbindung mit dem Deutschen Reich gerichtete Volksabstimmung „für ein „freies und deutsches, unabhängiges und soziales, christliches und einiges Österreich“ an. Unter dem politischen Druck Adolf Hitlers muss er am 11. 3. 1938 zurücktreten. Die Volksabstimmung wird abgesagt.

Bundespräsident Miklas bestellt noch am gleichen Tag den kurz zuvor der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei beigetretenen Innenminisater und Sicherheitsminister Schuschniggs Arthur Seyss-Inquart zum Bundeskanzler. Dieser richtet eine Bitte um Hilfe an Adolf Hitler, welcher der Einzug deutscher Truppen am 12. 3. 1938 um 5.30 Uhr folgt. Gegen Mittag beginnt Adolf Hitler seinen Triumphzug in sein Heimatland, wo er um 16 Uhr in seiner Geburtsstadt Braunau und am Abend in Linz unter großem Jubel der Einwohner empfangen wird.

Danach beschließt die Bundesregierung ein Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, das nach dem Rücktritt des die Unterschrift verweigernden Bundespräsidenten Miklas in dessen Vertretung von Seyß-Inquart unterzeichnet wird (Land Österreich als Verwaltungsgebiet des Deutschen Reiches mit österreichischer Landesregierung unter einem Reichsstatthalter, ordentliche Gerichte ab 1. 5. 1938 Reichsbehörden). Eine von dem Sozialdemokraten Renner wie von Bischöfen unterstützte Volksabstimmung vom 10. 4. 1938 erbringt 99,73 Prozent Ja-Stimmen für den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Für die 1919 an Italien gelangten (246036 optionsberechtigten) Südtiroler ergibt sich durch ein von Adolf Hitler mit Mussolini ohne vorrangige Rücksicht auf die Betroffenen geschlossenes Abkommen vom 21. 10. 1939 die von 86 Prozent (211799 „Optanten“ gegenüber „34237 Dableibern“) bejahte Option der Auswanderung in das Deutsche Reich, die von 76000 Südtirolern bis 1943 tatsächlich zumindest zunächst wahrgenommen wird.

Um nach den durch den Versailler Vertrag (Friedensvertrag) herbeigeführten territorialen Verlusten des Reiches wieder mehr Lebensraum für das deutsche Volk zu gewinnen, marschiert Adolf Hitler im März 1939 in die 1918 von Österreich verselbständigte Tschechoslowakei ein. Die Slowakei unterstellt sich der Schutzherrschaft Adolf Hitlers, das Memelland wird auf Grund eines Abkommens mit Litauen mit dem Reich vereinigt. Am 1. 9. 1939 greift Adolf Hitler, weil Polen seine territorialen Forderungen nicht erfüllt, verbündet mit Italien (Benito Mussolini) und Japan (Achsenmächte) und abgeschirmt durch einen Nichtangriffspakt mit Russland (Stalin) vom 23. 8. 1939, das durch Beistandszusagen Englands und Frankreichs gesicherte Polen an und löst damit den zweiten Weltkrieg aus.

Nach anfänglichen Erfolgen (Blitzkriege) im Osten und Westen überfällt Adolf Hitler unter Bruch des mit Stalin vereinbarten Nichtangriffspakts die Sowjetunion (22. 6. 1941) und erklärt zusammen mit Japan und Italien den Vereinigten Staaten von Amerika den Krieg. Allerdings bringen die Kämpfe bei Stalingrad im Winter 1942/1943 die Wende zugunsten der durch die Vereinigten Staaten von Amerika verstärkten Alliierten. Die schweren Niederlagen des militärisch nur wenig leistungsfähigen Italien gegen die Alliierten führen im Juli 1943 zum Sturz Mussolinis und zur Gefangennahme der italienischen Truppen durch deutsche Streitkräfte. Zugleich verstärkt sich in Deutschland der innere Widerstand (Studentengruppe Weiße Rose 1942/1943, erfolgloses Attentat Claus Graf Schenk von Stauffenbergs 20. 7. 1944).

Im Sommer 1944 erfolgt die Invasion der westlichen Alliierten in Nordfrankreich und Südfrankreich. Am 30. 4. 1945 nimmt sich Adolf Hitler, der sich selbst als größter Führer aller Zeiten versteht, in Berlin in aussichtsloser Lage das Leben. Am 7./8. 5. 1945 endet der Krieg mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte und der völligen Niederlage des Deutschen Reiches und seiner Verbündeter, wobei in Asien der Abwurf von Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima (6. 8. 1945) und Nagasaki (9. 8. 1945) durch die Vereinigten Staaten von Amerika das Ende der Kämpfe beschleunigt.

Wirtschaftlich sind das Deutsche Reich und Österreich auf Grund der internationalen Verflechtungen fest in die gesamte Weltwirtschaft eingebunden. Sie hängen daher in erheblichem Maße von deren immer schnelleren Entwicklung ab. Dementsprechend umfassend und flexibel muss die staatliche Wirtschaftspolitik werden.

Dabei folgt zunächst dem ersten Weltkrieg und der Konzentration auf Kriegsgüter und der Verknappung der Rohstoffe, Arbeitskräfte und Geldmittel nach Kriegsende und der Rückkehr der Soldaten ein Überangebot an Arbeitskräften und als Folge der Kriegsverschuldung wie der Reparationsforderungen, die der Staat durch Reichsbankdarlehen finanziert, eine Aufblähung der Geldmenge. Dementsprechend verfällt die Währung (Inflation). Im November 1923 ist ein Dollar 4,2 Billionen Mark (bzw. eine Mark eigentlich nichts) wert.

Der nach der Abwertung im Verhältnis von 1 Billion Mark zu 1 Reichsmark folgende Aufschwung wird durch die Weltwirtschaftskrise, die 1929 infolge der übermäßigen Kapazitätserweiterungen und ungesicherten Expansion der Bankenpolitik erwächst, jäh unterbrochen. Zahlreiche Beschäftigte werden arbeitslos (Anfang 1933 6 Millionen). Ihre Wiedereingliederung ist das vorrangige Ziel der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik, die durch Aufhebung der Kraftfahrzeugsteuer (10. 4. 1933) die Nachfrage nach Automobilen belebt (bis 1934 4 Millionen geplant) und durch das Gesetz über die Errichtung eines Unternehmens Reichsautobahn (27. 6. 1933) Arbeitsplätze im Straßenbau schafft.

Zusammen mit der allgemeinen Wehrpflicht (16. 3. 1935) verringern diese durch eine der zeitgemäßen Wirtschaftstheorie folgende Neuverschuldung finanzierten Maßnahmen Adolf Hitlers die Arbeitslosigkeit erheblich. Die wirtschaftliche Lage vieler Menschen bessert sich dadurch deutlich. Zugleich wird aber die Kontrolle des Staates über die Wirtschaft verstärkt und das Führerprinzip auch in der Wirtschaft verwirklicht.

Gesellschaftlich bringt der erste Weltkrieg durch die von ihm verursachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die Notwendigkeit ihrer gemeinsamen Bewältigung eine gewisse Einebnung bestehender gesellschaftlicher Unterschiede. Außerdem verschwinden mit der durch ihn eingeleiteten Inflation alle reinen Geldvermögen. Nach dem Krieg verliert der Adel seine Vorrechte und werden die unteren Schichten durch die Sozialgesetzgebung bessergestellt.

Im Übrigen hält die Wanderung der Bevölkerung vom Land zur Stadt und von der Landwirtschaft zur Industrie an. Die Zahl der Selbständigen nimmt ab, die Gliederung der Unselbständigen in Beamte, Angestellte und Arbeiter gewinnt an Gewicht. Die Stellung der Frau bessert sich (Wahlrecht).

Unter Adolf Hitler erleichtern die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kurzfristig die Lage vieler Arbeitnehmer. Aus ideologischen Gründen werden die großen Familien und das Bauerntum (Verbindung von Blut und Boden) gefördert. Die Juden in Deutschland (1810 rund 200000 oder 0,97 % der Bevölkerung, 1880 437000, 1910 615000, 1925 568000 oder 0,90 % der Bevölkerung) und im besetzten Ausland werden nahezu vollständig getötet oder vertrieben (etwa 6 Millionen, Holocaust, in Österreich von etwa 206000 Juden mindestens 65500 bei rund 130000 erfolgreichen Emigrationen) und etwa 100000 Menschen fallen dem Programm der Euthanasie zum Opfer.

Der zweite Weltkrieg verringert die Gesamtbevölkerung Deutschlands um etwa 8 Millionen, meist Männer im wehrfähigen Alter. Von 18,2 Millionen deutschen Soldaten fallen 5,3 Millionen. 14 Millionen Deutsche werden aus ihrer Heimat vertrieben.

Geistig werden die philosophischen Grundhaltungen des 19. Jahrhunderts teils neu belebt (Neukantianismus, Neuhegelianismus), teils grundlegend in Frage gestellt. Die im 19. Jahrhundert schon sichtbare Abwendung von den christlichen Kirchen, wie sie vor allem der Materialismus und der Positivismus gefordert haben, setzt sich fort und wird unter Adolf Hitler auch von dem Nationalsozialismus angestrebt. Einen Ersatz hierfür versuchen wissenschaftliche Erkenntnis und irrationale Ideologie zu bieten.

Den Naturwissenschaften gelingen zahlreiche neue Entdeckungen und Erfindungen (1913 Röhrensender, 1919 Tonfilm, 1925 Quantenmechanik, 1929 Fernsehen, 1936 Buna-Kautschuk, 1938 Nylon-Kunststoff, 1938 Kernspaltung). Mit ihrer Hilfe scheint der Grund gelegt zur vollständigen Beherrschung der Erde, deren letzte unbekannte Gebiete durchdrungen werden. Der Mensch wird durch Erblehre und Massenkommunikation manipulierbar und muss zur Sicherung seiner Existenz zu vielen Verbänden Zuflucht nehmen.

Die nationalsozialistische Ideologie betont die Bedeutung gerade der Gemeinschaft in ihrer besonderen Form der Nation. Sie verbindet dadurch die im 19. Jahrhundert an vielen Stellen gepflegten Vorstellungen von Sozialismus und Nationalismus zu einer neuen Einheit (Nationalsozialismus). An deren Spitze sieht sie den heilsbegabten Führer („Du bist nichts, dein Volk ist alles“ und „Führer befiehl, wir folgen dir“).

Im Recht setzt sich nach dem Ende des ersten Weltkriegs die Vereinheitlichung durch neue Reichsgesetze und Reichsverordnungen fort. Es schaffen aber auch die Länder neues Recht. Mit ihrer Beseitigung im Dritten Reich (1934) wird im Wesentlichen nur noch Reichsrecht gebildet.

Unter den Rechtsquellen stehen die Gesetze und Verordnungen an der Spitze. Besonders zu nennen ist die auf einen Entwurf des Innenministers Hugo Preuß zurückgehende Verfassung (Weimarer Reichsverfassung). Daneben sind vor allem Gesetze und Verordnungen des Arbeitsrechts und Mietrechts hervorzuheben.

Unter Adolf Hitler ist eine grundsätzliche gesetzliche Neuordnung geplant, die aber hauptsächlich nur im Bereich der Verfassung (durch Einzelgesetze) verwirklicht wird, während es im Strafrecht lediglich zu einem Entwurf kommt. Völlig verändert wird außerdem das Privatrecht der Juden. In Österreich gelten seit dem Anschluss verschiedene deutsche Gesetze (EheG, ReichserbhofG, HGB, AktG, ScheckO, WechselO, Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit, Gemeindeordnung, Gesetz zur Sicherung der Einheit der Partei und Staat, Reichsbürgergesetz, Blutschutzgesetz u. a. m.) neben den grundlegenden fortbestehenden Kodifikationen (z. B. ABGB).

Als Rechtsidee wird der unvermindert vorherrschende Rechtspositivismus (vgl. Hans Kelsen 1881-1973, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 1911, „Reine Rechtslehre“ mit strenger Unterscheidung von Sein und Sollen, Fortwirkung in der Lehre vom Stufenbau der Rechtsordnung) bzw. Gesetzespositivismus durch die Interessenjurisprudenz angegriffen und durch die Rechtssoziologie relativiert, vom Nationalsozialismus dagegen zur Verwirklichung seiner Ziele ausgenutzt. Die der Freirechtsschule (freien Rechtslehre) verwandte Interessenjurisprudenz geht auf den Tübinger Rechtshistoriker und Privatrechtler Philipp Heck zurück (1914 Gesetzesauslegung und Jurisprudenz). Er stellt fest, dass wegen der unbestreitbaren Lückenhaftigkeit der Rechtsordnung der Richter sein Urteil entgegen der begriffsjuristischen Doktrin nicht logisch ableiten kann, sondern den sozialen Konflikt der in einzelnen Fällen beteiligten Interessen wertend entscheiden muss.

Der Nationalsozialismus trifft auf den Positivismus ohne eigentliche rechtstheoretische Grundhaltung. Er geht lediglich von der Vorstellung aus, dass er die richtige Weltanschauung sei, die mit allen Mitteln - darunter selbverständlich auch dem Recht - verwirklicht werden muss. Das an vorgegebenen konkreten Lebensordnungen des völkischen Gemeinschaftswillens auszurichtende Recht ist ihm nur ein Kampfinstrument zur Durchsetzung der vom Führer ohne Kontrolle aus seinem Charisma heraus geschaffenen Weltanschauung („die Gemeinschaft ist die Idee des Rechts“) in der gesellschaftlichen Wirklichkeit, wobei etwa schon beim Abschluss des sog. Leipziger Juristentags von 1933 mehr als 10000 Juristen schwören, dem Führer bis ans Ende ihrer Tage folgen zu wollen.

Der nationalsozialistische Positivismus braucht lediglich die bestimmten, ursprünglich als selbverständlich mitgedachten Voraussetzungen, dass der Staat sittlichen Prinzipien folgt und die Macht nicht rechtswidrig anwendet, aufzugeben und die ausgeschiedenen außerjuristischen Inhalte durch sein Gedankengut zu ersetzen. Das Gesetz kann bei dieser „unbegrenzten Auslegung“, für welche die Rechtswissenschaftler Dahm, Eckhardt, Höhn, Ritterbusch und Siebert eigene Leitsätze über die Stellung und Aufgaben des Richters erarbeiten, formal völlig unverändert bleiben. Im äußersten Fall gerät es, weil es „dem gesunden Volksempfinden ins Gesicht schlägt“, außer Anwendung.

In der Schweiz wird 1937 ein einheitliches Strafgesetzbuch geschaffen, welches 1942 in Kraft tritt. Es wird vom Grundsatz nulla poena sine lege (keine Strafe ohne Gesetz) beherrscht. 1936 werden innerhalb des Obligationenrechts das Handelsrecht und das Wertpapierrecht geregelt sowie 1941 das Bürgschaftsrecht und 1932 die Kraftfahrzeughaftung.

Im Bereich der Verfassung will die von dem linksliberalen Berliner Staatsrechtler Hugo Preuß seit dem 15. 11. 1918 entworfene (Weimarer) Reichsverfassung (14. 8. 1919) nach ihrer Präambel das Reich erneuern. Ihre grundlegenden Ziele sind Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Dienst am Frieden sowie Förderung des gesellschaftlichen Fortschritts. Ihre 181 Artikel gliedern sich in einen Organisationsteil und einen Grundrechtsteil.

Danach ist das Reich ein (wegen seiner Steuerhoheit unitarischer) Bundesstaat mit zuletzt 17 Ländern (Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Thüringen, Oldenburg, Braunschweig, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Anhalt, Bremen, Hamburg, Lübeck, Lippe, Schaumburg-Lippe) sowie eine Republik, in der alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht (Volkssouveränität). Das Volk hat die Möglichkeit zu Volksentscheiden und Volksbegehren. Es wählt den Reichspräsidenten und den Reichstag in allgemeiner, direkter, gleicher und geheimer Wahl (Verhältniswahl), wobei alle Männer und Frauen ab 20 Jahren wahlberechtigt sind.

Der als Vertretung des Volkes nunmehr der Vertretung der Länder vorgeordnete Reichstag, in dem Abgeordnete nur ihrem Gewissen unterworfen sind, ist zuständig für die Gesetzgebung. Der Reichsrat, in dem jedes Land mindestens eine und (Preußen) höchstens zwei Fünftel aller Stimmen hat, kann gegen Gesetze einen Einspruch erheben, der aber vom Reichstag überstimmt werden kann. Durch Ermächtigungsgesetze, von denen wegen der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage zwischen 1919 und 1923 bereits 7 verabschiedet werden, kann der Regierung eine umfassende Handlungsbefugnis übertragen und damit die Kontrollfunktion des Parlaments aufgegeben werden.

Der Reichspräsident ist Staatsoberhaupt und regiert durch den Reichskanzler, der die Richtlinien der Politik bestimmt, sowie die Reichsminister, die er ernennt und entlässt, die aber (schon seit dem 28. 10. 1918) zugleich des Vertrauens des Reichstags bedürfen (parlamentarisches System). Der Reichspräsident hat nach Art. 48 II der Verfassung das Recht, im Falle der Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (Notverordnungsrecht mit Gegenzeichnung des verantwortlichen Ministers), wobei nach Art. 48 III der Reichstag - den allerdings der Reichspräsident auflösen kann - die Außerkraftsetzung der Maßnahmen verlangen kann. Von diesen Notverordnungen erlässt der Reichspräsident im Jahre 1931 41 (gegenüber 34 Gesetzen des Reichstags) und im Jahre 1932 60 (gegenüber 5 Gesetzen des Reichstags).

Das Verhältnis zwischen Reich und Ländern ist für verschiedene Bereiche unterschiedlich geordnet. Die Gesetzgebung steht dem Reich vor allem teils ausschließlich, teils konkurrierend mit den Ländern zu, wobei Reichsrecht Landesrecht bricht. Die Ausführung der Gesetze ist grundsätzlich den Ländern überlassen, doch entsteht daneben allmählich auch eine beachtliche Reichsverwaltung, die Gerichtsbarkeit ist abgesehen von dem Reichsgericht Angelegenheit der Länder.

Die Grundrechte werden in den Artikeln 109 bis 165 der Reichsverfassung sehr ausführlich geregelt. An der Spitze stehen die Rechte auf Gleichheit und Freiheit. Viele Sätze enthalten aber eher ein politisches Kompromissprogramm aus konservativen, liberalen und sozialistischen Ideen als tatsächliche einklagbare Rechte.

In Österreich verteilt das Bundesverfassungsgesetz vom 1. 10. 1920 die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern in den Art. 10ff. Dementsprechend hat der Bund Zuständigkeiten in Gesetzgebung und Vollziehung überhaupt, in der Gesetzgebung über Grundsätze und in der Gesetzgebung allein. Die Bundesgesetzgebung erfolgt durch die beiden Kammern Nationalrat und Bundesrat.

Nationalrat und Bundesrat wählen (zunächst) in der Bundesversammlung (gemeinsam) den Bundespräsidenten, dessen Zuständigkeiten in bewusster Abkehr vom Kaiserreich anfangs bescheiden sind. Die obersten Verwaltungsgeschäfte des Bundes führt die vom Nationalrat gewählte Bundesregierung aus. Art. 149 nimmt eine Reihe älterer Gesetze (z. B. Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger von 1867, Habsburgergesetze von 1919) in die Verfassung auf.

Im Deutschen Reich folgen der Machtergreifung Adolf Hitlers unter dem deutschnationalen Justizminister Gürtner (1932-1941) zahlreiche Maßnahmen, welche die bestehende Verfassung im Wege gezielter Verfassungsumbrüche grundlegend umgestalten. Als erstes werden durch Verordnungen des Reichspräsidenten zum Schutz des deutschen Volkes (4. 2. 1933) und (nach dem Reichstagsbrand) zum Schutz von Volk und Reich (28. 2. 1933) wichtige Grundrechte außer Kraft gesetzt. Durch das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich (24. 3. 1933 sog. Ermächtigungsgesetz) überträgt der Reichstag, der zudem seine Geschäftsordnung so ändert, dass die Stimmen unentschuldigt abwesender Abgeordnete als Ja-Stimmen gezählt werden, mit den Stimmen der Koalition und der bürgerlichen Parteien (444 von 538 anwesenden Abgeordneten) und gegen die Stimmen der Sozialdemokraten sowie ohne Einspruch des nicht mehr voll funktionsfähigen Reichsrats mit der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit seine Gesetzgebungsgewalt (zunächst für vier Jahre, später verlängert) auf die Reichsregierung und verabschiedet danach selbst insgesamt nur noch sieben Gesetze.

Das vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länderparlamente mit dem Reich (31. 3. 1933) überträgt den Landesregierungen Gesetzgebungszuständigkeit und setzt die Länderparlamente entsprechend der Sitzverteilung des Reichstags zusammen, nachdem schon vorher in den meisten von ihnen die Nationalsozialisten die Macht übernommen hatten oder auf Grund der Notverordnung vom 28. 2. 1933 Reichskommissare eingesetzt worden waren. Das unmittelbar anschließende Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich (7. 4. 1933) stellt an die Spitze der nichtpreußischen Länder einen Reichsstatthalter, der die Landesregierung ernennt. Seit Mai 1933 werden verschiedene Parteien verboten (SPD, KPD) oder aufgelöst (Zentrum, Bayerische Volkspartei u. a.).

Am 14. 7. 1933 wird die NSDAP als einzige politische Partei Deutschlands bezeichnet und am 1. 12. 1933 durch das Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat überhaupt zur alleinigen Staatspartei erhoben. Das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30. 1. 1934 beseitigt die Länder als Träger eigener Staatsgewalt, indem es die Landesparlamente aufhebt, die Landesregierungen der Reichsregierung unterstellt und die Länder zu Verwaltungsgebieten umgestaltet (dezentralisierter Einheitsstaat mit Führerprinzip, so genannter Doppelstaat aus Normenstaat und Maßnahmenstaat). Am 14. 2. 1934 wird der Reichsrat aufgelöst.

Nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (12. 8. 1934) schließlich übernimmt Adolf Hitler mittels des Gesetzes über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches vom 1. August 1934 dieses Amt. Sein Wille tritt im Ergebnis an die Stelle des Gesetzes, ohne dass allerdings eine einheitliche Herrschaftsausübung Platz zu greifen vermag. In den letzten Kriegsjahren verliert im daraus entstehenden Zuständigkeitschaos das Recht überhaupt vielfach seinen hergebrachten Platz.

In der Verwaltung stehen im Deutschen Reich nach dem ersten Weltkrieg an der Spitze der Reichsverwaltung die für die einzelnen Sachbereiche (Auswärtiges, Inneres, Finanzen, Reichswehr, Justiz, Wirtschaft, Arbeit, Post und Verkehr) zuständigen Minister. Sie beaufsichtigen den Vollzug der Reichsgesetze, der überwiegend durch Landesbehörden erfolgt. In den Ländern stehen Landesminister den Landesressorts vor.

Zuständig ist das Reich für die Pflege der auswärtigen Beziehungen, für Verteidigung, Zölle, Verbrauchsteuern, Post, Eisenbahn und Wasserstraßen. Dabei bestehen eigene Mittelbehörden und Unterbehörden für die Reichswehr, die Reichsbahn, die Reichswasserstraßen, die Zölle und Reichssteuern u. a., seit 1927 auch für die Arbeitsverwaltung. Im Übrigen sind, soweit nicht ein Reichsgesetz eine andere Regelung trifft, die Länder zuständig.

In Österreich wird unter dem Druck der eine Aufbauanleihe gewährenden europäischen Staaten zwecks Verwaltungsvereinfachung auf Grund von Artikel 18 I des Bundesverfassungsgesetzes das (allgemeine) Verwaltungsrecht 1925 in einem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, einem Verwaltungsstrafgesetz und einem Verwaltungsvollstreckungsgesetz einheitlich geregelt. Danach bedarf beispielsweise der Bescheid (Verwaltungsakt) einer Begründung und Rechtsmittelbelehrung. In Thüringen kommt es 1926 zu einer vergleichbaren Landesverwaltungsordnung, in Württemberg 1931 zu einem Entwurf und in Bremen etwas später zu einem Verwaltungsgesetz.

Polizei ist weiterhin jegliche Gefahrenabwehr (z. B. Baupolizei, Feuerpolizei, Gesundheitspolizei, Gewerbepolizei, Sittenpolizei). In Preußen wird dieser materielle Polizeibegriff in § 14 des Polizeiverwaltungsgesetzes aufgenommen. Danach haben die Polizeibehörden im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtmäßigem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen Gefahren abzuwehren, durch welche die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird.

Für das Finanzwesen führt die Reichsabgabenordnung (23. 12. 1919) allgemeine Verwaltungsregeln und Verfahrensregeln ein. Dem Reich, dessen Haushalt einen durchschnittlichen Umfang von etwa acht Milliarden Reichsmark jährlich hat, stehen nun vor allem auch die direkten Steuern vom Einkommen und Vermögen zu (Erzbergersche Finanzreform), während die Länder nur gewisse Anteile erhalten. Die Einziehung erfolgt durch die Reichsfinanzverwaltung (Landessteuergesetz vom 30. 3. 1920).

Im Sozialbereich werden die bisherigen Regelungen erweitert. Die Fürsorgepflichtverordnung und die Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge von 1924 legen Reichsgrundsätze für die öffentliche Fürsorge fest. 1922 wird die Arbeitsvermittlung und 1927 die Arbeitslosenversicherung eingeführt.

Unter Adolf Hitler wird die gesamte Verwaltung der nationalsozialistischen Ideologie unterworfen. Organisatorisch wird sie durch die Ausschaltung der Länder und Gemeinden, für die 1935 eine Deutsche Gemeindeordnung geschaffen wird, zentralisiert und über von der Partei eingesetzte Bürgermeister und Gemeinderäte auf den Führer ausgerichtet. Lediglich territorial treten keine grundsätzlichen Veränderungen ein.

Im öffentlichen Dienst werden durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (7. 4. 1933) alle politisch unzuverlässigen Personen und Juden entfernt. Später kann Beamter nur werden, wer für den nationalsozialistischen Staat eintritt. Das Deutsche Beamtengesetz vom 26. 1. 1937 will die Beamten im nationalsozialistischen Sinn politisieren.

Die Polizei, die auf das Reich überführt wird, bildet ein wesentliches Instrument zur Durchsetzung der Ideologie. Für die Verwirklichung der politischen Ordnungsvorstellungen wird sie von verschiedenen rechtsstaatlichen Bindungen befreit. Insbesondere gegen Maßnahmen der politischen geheimen Staatspolizei (Gestapo) gibt es keine Rechtsmittel.

Für das Verfahren werden hinsichtlich der Organisation nach dem ersten Weltkrieg verschiedene Einzelheiten verändert. Durch das Arbeitsgerichtsgesetz (23. 12. 1926) werden an die ordentliche Gerichte angegliederte Arbeitsgerichte für Arbeitsstreitigkeiten eingeführt. In der Strafgerichtsbarkeit wird durch die nach dem damaligen Reichsjustizminister so genannte Emmingersche Justizreform (4. 1. 1924) aus finanziellen Erwägungen das mit drei Berufsrichtern und zwölf Geschworenen besetzte Schwurgericht ohne Namensänderung inhaltlich in ein großes Schöffengericht (große Strafkammer) mit drei Berufsrichtern und sechs Laien umgewandelt und im Übrigen die sachliche Zuständigkeit allgemein nach unten verschoben.

Unter Adolf Hitler wird zunächst die Justizhoheit der Länder beseitigt (30. 1. 1934) und dann die Justiz überhaupt durch das Reich von den Ländern übernommen (24. 1. 1935). Durch das Reichserbhofgesetz werden für erbhofrechtliche Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Bauerngerichte geschaffen. Von besonderer Bedeutung wird vor allem die Einrichtung von Sondergerichten seit 21. 3. 1933, insbesondere des Volksgerichtshofs (24. 4. 1934), der die erstinstanzliche und zugleich letztinstanzliche Zuständigkeit für Hochverrat und Landesverrat erhält (5243 Todesurteile bei 16342 Angeklagten, 1936 ordentliches Gericht).

Das Zivilverfahren wird dadurch verändert, dass die schriftliche Entscheidung zugelassen wird, der Richter gegenüber den Parteien eine stärkere Stellung erhält, die Parteivernehmung den Parteieid ablöst und der Staatsanwalt stellenweise am Verfahren beteiligt wird. Bald nach dem ersten Weltkrieg werden durch verschiedene Verordnungen Formerfordernisse beseitigt, Fristen beschränkt und Rechtsmittel ausgeschlossen. Unter Adolf Hitler büßt das Strafverfahren wesentliche rechtsstaatliche Sicherungen ein.

Richter und Staatsanwalt erhalten gegenüber dem Angeklagten eine freiere Stellung. Die Rechtsmittel werden eingeschränkt, indem ab 1939 nur die Berufung oder Revision eröffnet wird und diese seit 1942 von einer besonderen Zulassung abhängig ist. Das Verbot der Verschärfung der Rechtsfolge bei Einlegung eines Rechtsmittels (lat. reformatio in peius, Veränderung zum Schlechteren) entfällt (28. 6. 1935).

Die Entscheidung kann trotz Rechtskraft vom Oberreichsanwalt mit einem außerordentlichen Einspruch (1939) oder der Nichtigkeitsbeschwerde angegriffen werden. Das Reichsgericht wird von der ungeschriebenen, der Rechtssicherheit dienenden Bindung an frühere Urteile befreit. Außerdem gelten für Sondergerichte strengere Verfahrensregeln.

Vielfach wird überhaupt statt eines Strafverfahrens ein willkürliches Polizeiverfahren mit politischer Schutzhaft und Konzentrationslager durchgeführt. Die insgesamt 300000 jährlichen Strafurteile sind zwar in überwiegendem Umfang auch durch Normalität und Streben nach Gerechtigkeit gekennzeichnet. Insgesamt wird aber infolge der ermöglichten Unrechtsurteile das Wesen des nationalsozialistischen Strafverfahrens als doch rechtswidrig eingestuft .

Das Strafrecht wird nach dem ersten Weltkrieg trotz des Vordringens der Reformideen (Liszt) nicht wesentlich verändert (erfolgloser Strafgesetzbuchentwurf Gustav Radbruchs 1922). Neuerungen betreffen eine Reihe einzelner Tatbestände (Glücksspiel, Abtreibung, Zweikampf, Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten). Außerdem wird zur Einschränkung der kurzfristigen Freiheitsstrafe die Geldstrafe neu geordnet (9. 4. 1923) und der Strafvollzug in einzelnen Hinsichten liberalisiert.

Ein allgemeines Strafvollzugsgesetz, das den Vollzug zur Besserung des Täters einsetzen will, bleibt Entwurf (1927). Das Jugendgerichtsgesetz vom 16. 2. 1923, das die Strafmündigkeit von 12 auf 14 Jahre erhöht, führt auch die Strafaussetzung zur Bewährung ein. Teilweise wird aber auch ein „autoritäres“ Strafrecht gefordert.

In Österreich wird 1919 die Todesstrafe abgeschafft (bis 1933). 1920 wird die bedingte Verurteilung eingeführt. 1928 wird ein Jugendgerichtsgesetz geschaffen (Inkrafttreten 1. 1. 1929).

Unter Adolf Hitler wird das Strafrecht von einigen schon früh als zu liberal angesehen und wird eine Reihe einschneidender Eingriffe vorgenommen (zulässig werden Analogie und Wahlfeststellung 28. 6. 1935). Weiter werden Gesetze mit rückwirkenden Strafen (1936/1938) erlassen und dann die Rückwirkung von Strafnormen überhaupt anerkannt (1939/1941). Zur Sicherung des Nationalsozialismus und seiner Kriegsziele werden verschiedene neue Straftatbestände geschaffen (Ehe und Geschlechtsverkehr mit Juden 1935, Volksschädlingsverordnung).

In weiteren Fällen werden die Strafen verschärft. Dabei wird vor allem die Todesstrafe, die in insgesamt etwa 16500 Fällen verhängt und in drei Vierteln dieser Fälle auch vollstreckt wird (zusätzlich etwa 25000 Todesurteile von Kriegsgerichten), immer häufiger vorgesehen (1933 3 Tatbestände, 1943/1944 46 Tatbestände). Seit 1941 kommt es bei der Bestrafung von Juden und Polen in den Ostgebieten nur noch darauf an, ob ihre Tat nach den Staatsnotwendigkeiten Strafe verdient.

Das Gewohnheitsverbrechergesetz (24. 11. 1933) verwirklicht Gedanken der Reformbewegung. Es führt neben den Strafen die sichernden und bessernden Maßnahmen (Unterbringung in Heil- und Pflegeanstalt, Trinkerheilanstalt, Arbeitshaus, Sicherungsverwahrung, Entmannung, Untersagung der Berufsausübung, Reichsverweisung) ein. Im Rahmen dieser so genannten Zweispurigkeit hat der Richter zu entscheiden.

Das Privatrecht wird nach dem Ende des ersten Weltkriegs nicht grundlegend verändert, sondern nur in besonders kritischen Bereichen (Arbeit, Miete) sozialer gestaltet. Unter Adolf Hitler wird zwar eine vollständige Erneuerung angestrebt, doch gelangt das geplante deutsche Volksgesetzbuch über den Entwurf zu einem ersten Buch (1941) und zahlreiche Kommissionsarbeiten nicht hinaus. Im Übrigen wird auf der Grundlage älterer Vorarbeiten das Privatrecht durch eine Reihe einzelner Gesetze abgeändert (z. B. Wechselgesetz, Scheckgesetz, Aktiengesetz, Ehegesetz, Testamentsgesetz).

Allgemeine Ziele sind dabei bürokratische Ordnung, Bekämpfung von Missbräuchen, Schutz des Schwächeren, Abbau von Formalismen, sozialistische Einschränkung individueller Freiheiten und Erweiterung staatsanwaltschaftlicher Befugnisse. Viele dieser Züge sind dabei schon vor 1933 sichtbar und erscheinen auch noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie erweisen sich aber durch ihre Verdichtung in der nationalsozialistisch beherrschten Zeit als fragwürdig.

In das Personenrecht wird unter Adolf Hitler außer durch das Gesetz über die Verschollenheit, Todeserklärung und Feststellung der Todeszeit (4. 7. 1939) nicht unmittelbar eingegriffen. Es wird aber die Stellung der Person insofern verändert, als von der Ideologie her der liberalistische Individualismus angegriffen und den Einzelne in erster Linie als Glied der Volksgemeinschaft gesehen wird. Darüber wird für die Juden die Rechtsgleichheit, teilweise sogar die Rechtsfähigkeit beseitigt.

Ihnen werden etwa Ehe und Geschlechtsverkehr mit Deutschen verboten, von Amts wegen Vornamen (Israel, Sara) zugeordnet und Mieterschutzrechte vorenthalten. Nach der vom Reichsminister Goebbels während eines Kameradschaftsabends der Parteiführer im alten Münchener Ratshaussaal durch mündliche Weisung eingeleiteten sog. Kristallnacht  vom 8./9. November 1938 (Reichskristallnacht), in der als Rache für die Tötung eines deutschen Legationssekretärs in Paris durch einen 17jährigen Juden etwa 200 Synagogen zerstört, 7500 jüdische Geschäfte demoliert und 91 Juden getötet werden, bestimmt die Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbilds bei jüdischen Gewerbebetrieben (12. 11. 1938), dass alle Schäden, die durch die Empörung des Volkes über die Hetze des internationalen Judentums gegen das nationalsozialistische Deutschland am 8./9. und 10. 11. 1938 an jüdischen Gewerbebetrieben und Wohnungen entstanden sind, von den jüdischen Inhabern oder jüdischen Gewerbetreibenden sofort auf eigene Kosten und unter Verlust eines Versicherungsanspruchs zu beseitigen sind und außerdem eine Sühneleistung von 1 Milliarde Reichsmark zu entrichten ist. Nach einer Verordnung vom 1. 9. 1941 müssen Juden einen gelben Judenstern als Kennzeichen tragen.

Das subjektive Recht wird als solches angegriffen. Da der Einzelne nichts und das Volk alles sein soll, erscheinen ausschließliche Rechte des Einzelnen als überflüssig. Gleichwohl bestehen zahllose subjektive Rechte tatsächlich fort.

Bei den Rechtsgeschäften wird seit der Weimarer Republik das Geschäft mit dem bzw. für den, den es angeht, anerkannt, was eine Durchbrechung des Offenkundigkeitsprinzips des Vertretungsrechts für die Bargeschäfte des täglichen Lebens bedeutet. Außerdem entstehen Ansätze zur Anerkennung der Duldungsvollmacht und Anscheinsvollmacht. Seit 1919 treten allgemeine Geschäftsbedingungen zu Gunsten von Unternehmern hervor (Spediteurbedingungen in Berlin).

Für die Familie fordert nach dem ersten Weltkrieg die Verfassung die Gleichberechtigung der Geschlechter in der Ehe und die Gleichstellung der nichtehelichen Kinder, ohne dass dies verwirklicht wird (aber 1919 Zulassung der Frau zum juristischen Vorbereitungsdienst und zur zweiten juristischen Staatsprüfung, 1922 z. B. Zulassung der Frau zum Erwerb der Richteramtsbefähigung und zum Schöffenamt bzw. Geschworenenamt). Unter Adolf Hitler wird allgemein die patriarchalische Ordnung der Familie begünstigt. Eine wichtige Veränderung betrifft die Ehe.

Am 6. 7. 1938 wird das auch in Österreich geltende und dort die im Konkordat vom 5. Juni 1933 (Inkrafttreten am 1. Mai 1934) vereinbarte, das Maigesetz des Jahres 1868 verdrängende, die kirchlich geschlossenen Ehen der kirchlichen Gerichtsbarkeit unterstellende Gestaltung sowie die §§ 97ff. ABGB durch die obligatorische Ziviltrauung und die Möglichkeit der Ehescheidung auch bei Zerrüttung ablösende Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechtes der Eheschließung und Ehescheidung (Ehegesetz) erlassen, das diesen Bereich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (des Deutschen Reiches bzw. dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs) herausbricht und auch das für das Burgenland als früherer Teil Ungarns seit 1894 geltende Recht mit obligatorischer Zivilehe und Scheidungsmöglichkeit für alle Konfessionen ablöst. Einzelne Bestimmungen verwirklichen dabei unmittelbar nationalsozialistisches Gedankengut (z. B. Eheverbot zwischen Personen artfremden Blutes - 1933 bestanden rund so genannte 200000 Mischehen im Deutschen Reich -, Scheidungsgrund bei Fortpflanzungsverweigerung), während andere nur die Liberalisierung der Ehe fortführen (obligatorische Zivilehe vor dem Standesbeamten, § 55 EheG, begrenzte Zulassung der Scheidung wegen bloßer Zerrüttung). Im Kindschaftsverfahren wird dem Staatsanwalt eine Eingriffsbefugnis von Amts wegen verliehen.

Für das Erbe wird unter der nationalsozialistischen Herrschaft der Erblasser grundsätzlich als bloßer Treuhänder des Familienguts angesehen. Dementsprechend wird im Reichserbhofgesetz vom 1. 10. 1933 die Testierfreiheit des Erbhofeigentümers eingeführt. Das Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen (31. 7. 1938, Testamentsgesetz) löst diesen Rechtsbereich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch heraus und mildert seine Formvorschriften, während ein auch in Österreich geltendes Gesetz vom 6. 7. 1938 die von Art. 155 WRV festgelegte Auflösung der Familienfideikommisse beschleunigt.

Bei den Sachen gewährleistet die 1919 erlassene deutsche Reichsverfassung das Eigentum, worunter Wissenschaft und Rechtsprechung bald jedes private Vermögensrecht verstehen (enteignungsrechtlicher Eigentumsbegriff). Im gewissen Gegensatz hierzu entstehen neue Schranken für den Inhalt des Eigentums. So macht schon die Grundstücksverkehrsbekanntmachung vom 15. 3. 1918 alle rechtsgeschäftlichen Veräußerungen landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Grundstücke genehmigungspflichtig (für Österreich vgl. die Grundverkehrsnotverordnung vom 9. 8. 1915, 1919 Grundverkehrsgesetz.)

Das Reichserbhofgesetz schreibt für die Veräußerung, Belastung und Verpachtung des Erbhofs die Genehmigung des Bauerngerichts vor. Außerdem beschränkt es die Zwangsvollstreckung in den Erbhof, womit die negativen Wirkungen der Bodenkommerzialisierung teilweise beseitigt werden. Im Übrigen dringt auch sonst die Vorstellung vor, dass das Eigentum kein schrankenloses individuelles Recht ist, sondern Bindungen unterliegt, die aus der Gemeinschaft erwachsen.

Andererseits wird auch bald erleichterter Zugang zu Grund und Boden vermittelt. Wichtige Schritte sind dabei die Erbbaurechtsverordnung vom 15. 1. 1919, das Reichssiedlungsgesetz vom 11. 8. 1919 und nach amerikanischem Vorbild das Reichsheimstättengesetz vom 10. 5. 1920 mit „Obereigentum“ des Staates. Dadurch sollen gesellschaftspolitische Ziele erreicht werden, deren Erlangung aber nur beschränkt gelingt.

Im Widerspruch zum Bürgerlichen Gesetzbuch brechen sich Sicherungsübereignung und Sicherungsgrundschuld Bahn. Die Sicherungsübereignung, die dem Schuldner und Sicherungsgeber Besitz und Nutzungsmöglichkeit der Sache belässt, verdrängt das Pfandrecht. Die Sicherungsgrundschuld übernimmt die Funktion der nach dem Gesetz vom Bestand der Forderung abhängigen Hypothek.

Bei den Schulden beginnt schon kurz nach Erlass des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Ausbau des § 242 (Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern) zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz. Er reicht weit über die Bestimmung der Art und Weise der Leistung hinaus. Als eine seiner Ausstrahlungen wird bald etwa die Verwirkung des längere Zeit nicht geltend gemachten Anspruchs oder Gestaltungsrechts anerkannt.

Der Grundsatz der Vertragsfreiheit wird schon seit den Krisenzeiten des Weltkriegs eingeschränkt. Insbesondere hinsichtlich der Preise besteht bald vielfach keine Inhaltsfreiheit mehr (Landwirtschaft, Wohnraum, Verkehr, Versicherung, freie Berufe). Die Abschlussfreiheit geht verloren, sobald jemand eine Monopolstellung erreicht.

Bei den einzelnen rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnissen werden vor allem Mietvertrag und Dienstvertrag tiefgreifend verändert. Zunächst führt das Wohnungsmangelgesetz (11. 5. 1920, 26. 7. 1923) aus sozialen Gründen die Zwangsbewirtschaftung von Wohnräumen ein und schreibt das Reichsmietengesetz (1922) eine gesetzliche Miete vor, von der nur durch besondere Vereinbarung abgewichen werden kann. Schließlich wird durch das Mieterschutzgesetz (1923) der Mieter davor geschützt, dass das Mietverhältnis durch den Vermieter ohne weiteres beendet wird.

In Österreich wird 1917 eine Verordnung zur Wohnraumbewirtschaftung erlassen. Sie legt den Mietzins fest und schränkt die Kündigungsmöglichkeiten ein. Sie wird 1922 in ein Mietengesetz überführt (1981 Mietrechtsgesetz).

Im Dienstvertragsrecht bildet sich allgemein das besondere, teils individuelle, teils kollektive Arbeitsrecht aus, wobei schon die Verfassung des Jahres 1919 ein allerdings nur programmatisches Recht auf Arbeit gewährt, die Arbeitskraft unter den besonderen Schutz des Reiches stellt, ein umfassendes Versicherungswesen zum Schutz von Gesundheit und Arbeitsfähigkeit verspricht und schließlich auch Koalitionsfreiheit (Freiheit sich zusammenzuschließen oder einem Zusammenschluss fern zu bleiben) gewährleistet. In der Rechtswirklichkeit erkennen zunächst die Arbeitgeber die in sozialistische, liberale und christliche Gruppierungen gegliederten Gewerkschaften grundsätzlich als Vertreter der Arbeitnehmer an (15. 11. 1918, sog. Stinnes-Legien-Pakt). Am 23. 11. 1918 wird der Achtstundenarbeitstag angeordnet und am 21. 12. 1923 die Arbeitszeit durch die Arbeitszeitverordnung generell geregelt.

Weiter wird ein Schwerbeschädigtengesetz geschaffen (1923), der Mutterschutz ausgebaut (1927), ein Kündigungsgesetz für die Angestellten verabschiedet (1926) und der 25 %-Überstundenzuschlag festgelegt (23. 12. 1918). Im kollektiven Bereich ist nach der am 23. 12. 1918 erlassenen Tarifvertragsordnung der einem Tarifvertrag widersprechende Einzelvertrag unwirksam und kann darüber hinaus der Reichsarbeitsminister die Tarifvereinbarung für allgemein verbindlich erklären. Die Schlichtungsverordnung vom 30. 10. 1923 ermöglicht eine staatliche Vermittlung bei Arbeitsstreitigkeiten.

Nach dem Betriebsrätegesetz (4. 2. 1920) ist nach einzelnen Vorläufern des späten 19. Jahrhunderts (1905 Bergbau, 1916 Kriegswirtschaft) in Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten ein Betriebsrat zu errichten, der bei der Abfassung von Betriebsvereinbarungen sowie bei Kündigungen mitwirkt. Weiter erhalten die Arbeitsämter für die Arbeitsvermittlung ein Monopol (Arbeitsnachweisgesetz) und werden eine Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und die als Zwangsversicherung ausgestaltete Arbeitslosenversicherung eingerichtet (16. 7. 1927). Die Eigenständigkeit des Arbeitsrechts wird schließlich unterstrichen durch die besondere in der Eingangsinstanz der Arbeitsgerichte selbständige, im Übrigen weiterhin der ordentlichen Gerichtsbarkeit eingegliederte Arbeitsgerichtsbarkeit (23. 12. 1926) und die sich ausbildende Arbeitsrechtswissenschaft.

In Österreich werden 1919 Betriebsrat und Kollektivvertrag gesetzlich geregelt.

Unter Adolf Hitler wird in das Arbeitsrecht ebenfalls tief eingegriffen (Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 20. 1. 1934, Gesetz zur Ordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben 23. 3. 1934). Die Gewerkschaften werden zugunsten einer der Partei angeschlossenen „Deutschen Arbeitsfront“ von Unternehmern und Lohnabhängigen verboten und die Betriebsräte durch nach dem Führerprinzip organisierte Vertrauensräte ersetzt. Weiter werden die Tarifverträge durch Tarifordnungen des Reichstreuhänders der Arbeit abgelöst, die Arbeit betreffende Grundrechte beseitigt und viele für die Arbeitnehmer vorteilhafte Fortschritte rückgängig. gemacht

Das Arbeitsvertragsrecht bleibt äußerlich im Wesentlichen unberührt. Es wird aber innerlich das Arbeitsverhältnis in ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis bzw. in ein Treueverhältnis zwischen Betriebsführer und Gefolgschaft umgeformt. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer wird weitgehend aufgehoben und außerdem ein Reichsarbeitsdienst eingeführt. In der Schweiz werden mehrere Einzelgesetze erlassen (1931 über die wöchentliche Ruhezeit, 1922 über die Beschäftigung von jugendlichen und weiblichen Personen in Gewerben, 1940 über Heimarbeit).

In dem deliktischen Bereich wird durch Rechtswissenschaft und Rechtsprechung die vorbeugende deliktische Unterlassungsklage anerkannt. Außerdem wird durch Einzelgesetze die Gefährdungshaftung für Luftfahrzeuge (1. 8. 1922), Energieanlagen (15. 8. 1943) sowie Sachschäden durch Eisenbahn und Straßenbahn (29. 4. 1940) eingeführt. Es wird aber dessenungeachtet hinsichtlich der Schädigungen anderer grundsätzlich am Verschuldensprinzip festgehalten.

Im Handelsrecht ist nur die Aktienrechtsform vom 30. 1. 1937 bzw. 1. 10. 1937 bedeutsam, welche die Aktiengesellschaft hauptsächlich aus technischen Gründen außerhalb des Handelsgesetzbuchs in einem besonderen Gesetz regelt. Dabei wird die Aktiengesellschaft (bzw. Kapitalgesellschaft) trotz der Bedenken des Nationalsozialismus gegen das anonyme Kapital grundsätzlich als notwendig anerkannt, das Mindestkapital aber auf 50000 Reichsmark erhöht, die Stellung des Vorstands nach dem Führerprinzip gestärkt, der Aktionär durch Einschränkung des Mehrstimmrechts der Verwaltungsaktien und des Bankenstimmrechts stärker geschützt und es werden auch die Interessen der Allgemeinheit (Publizität) vermehrt berücksichtigt. Konzernrechtliche Regelungen erscheinen in einer aktienrechtlichen Notverordnung vom 19. 9. 1931.

Das Wechselrecht wird auf der Grundlage der Übereinkunft der Genfer Wechselrechtskonferenz von 1930 neu gefasst (Wechselgesetz 1. 1. 1934). Im Versicherungsrecht kommt es durch die Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechtes der Vertragsversicherung vom 19. 12. 1939 zu einer Verschmelzung des deutschen Versicherungsvertragsgesetzes von 1908 und des österreichischen Versicherungsvertragsgesetzes von 1917, wobei im Übrigen für einzelne Versicherungszweige die Haftpflichtversicherung eingeführt wird (Kraftfahrzeuge 1939, Jagd). In Österreich erfolgt 1936 eine Neuregelung des Urheberrechts und werden Handelsgesetzbuch, Aktiengesetz, Scheckordnung und Wechselordnung sowie Personenstandsrecht mit staatlichen Personenstandsbüchern (statt der kirchlichen Taufbücher, Ehebücher und Sterbebücher) 1938 eingeführt.

 

Die Staaten auf dem Weg nach Europa seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Allgemein nimmt die Bevölkerung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunächst weiter zu, wobei etwa 80 % der Menschen in Orten über 2000 und 50 % in Orten über 20000 Einwohner leben. Seit etwa 1970 gehen die Geburtenraten in allen Industriestaaten als Folge der durch die Erfindung der hormonalen Empfängnisverhütungsmedizin (Antibabypille) ermöglichten individualistischeren Lebensführung zurück, so dass mit einem deutlichen Rückgang der Zahl der Deutschsprachigen zu rechnen ist, dem aber anfangs noch ein Zuzug deutschstämmiger Rückwanderer aus den osteuropäischen Staaten und eine tatsächliche Einwanderung ausländischer Arbeiter und ihrer Familien (Italiener, Spanier, Griechen, Türken) sowie von Asylanten und Wirtschaftsflüchtlingen gegenübersteht. Die Weltbevölkerung beträgt zum Vergleich 1800 rund 1 Milliarde, 1950 2,516 Mrd., 1960 3,02 Mrd., 1970 3,69 Mrd., 1980 4,448 Mrd., 1990 5,292 Mrd., 2000 knapp 6 Milliarden und 2014 7,2 Milliarden Menschen, steigt aber vor allem in den Entwicklungsländern noch erheblich an (dabei im Jahre 1900 2,5 % in Städten gegenüber voraussichtlich 65 % im Jahre 2050).

Politisch wird nach dem zweiten Weltkrieg mit seinen insgesamt etwa 55 Millionen Toten und 30 Millionen Flüchtlingen sowie zahllosen, der Zermürbung der Bevölkerung und der Vernichtung der Rüstungsbetriebe dienenden Verwüstungen (Zerstörung von etwa 20 % aller deutschen Gebäude) das Deutsche Reich (auf Grund der im Februar 1945 in Jalta von der Sowjetunion, den Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien beschlossenen Einteilung) besetzt und wird Österreich abgetrennt. Am 5. 6. 1945 unterzeichnen die alliierten Oberbefehlshaber eine Deklaration über die Ausübung (bzw. Übernahme) der obersten Gewalt in Deutschland und errichten den Alliierten Kontrollrat. Am 9. 7. 1945 werden zunächst im sowjetisch besetzten Osten durch Anordnung der sowjetischen Militäradministration in Deutschland (unter Anderem aus Preußen) fünf Länder (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) gebildet, in denen seit September 1945 7100 Eigentümer und Pächter von Flächen von mehr als 100 Hektar und 4300 Eigentümer von Flächen von weniger als 100 Hektar entschädigungslos enteignet werden.

Am 30. 7. 1945 tritt der Alliierte Kontrollrat erstmals zusammen. Durch das Potsdamer Abkommen der alliierten Siegermächte vom 2. 8. 1945 wird Deutschland bis zu einer Friedensregelung in vier Besatzungszonen, zwei Gebiete unter sowjetischer und polnischer Verwaltung (tatsächliche Verminderung des deutschen Herrschaftsgebiets um 24 Prozent gegenüber 1937) sowie das innerhalb der sowjetischen Besatzungszone geviertelt einem Sonderstatus unterliegende Berlin geteilt. Am 19. 9. 1945 werden im amerikanisch besetzten Gebiet drei Länder (Bayern, Großhessen, Württemberg-Baden) geschaffen.

Am 21. 4. 1946 werden in der sowjetischen Besatzungszone Sozialdemokratische Partei und Kommunistische Partei zur Sozialistischen Einheitspartei (SED) zusammengeschlossen. Der mit dem Aufstieg der Sowjetunion zur Weltmacht unter Josef Stalin folgende Ost-West-Konflikt (Kalter Krieg mit zuerst von Winston Churchill 1946 so genanntem eisernem Vorhang) führt in Deutschland zur getrennten Entwicklung der Besatzungszonen, die insbesondere von Frankreich und der Sowjetunion als Gegenstand der Ausbeutung betrachtet werden. Im Sommer 1946 werden im britisch besetzten Teil und im französisch besetzten Teil ebenfalls je drei Länder (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein bzw. Südbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern und Rheinland-Pfalz) gebildet.

Am 1. 1. 1947 werden die amerikanische Zone und britische Zone zur Bizone zusammengeschlossen und nach dem Scheitern einer gesamtdeutschen Ministerpräsidentenkonferenz im Sommer 1947 in München am 8. 4. 1949 um die französische Zone erweitert (Trizone) und dann wirtschaftlich an Westeuropa angeschlossen. Preußen wird wegen des mit ihm verbundenen militärischen Aufstiegs des Deutschen Reiches mittels Aufteilung beseitigt. Am 20. 3. 1948 stellt die Sowjetunion im Alliierten Kontrollrat ihre Mitarbeit ein.

Zur Aufarbeitung des während der nationalsozialistischen Herrschaft begangenen Unrechts erfolgen in den Nachkriegsjahren Strafverfahren gegen 106178 Beschuldigte mit 6494 rechtskräftigen Verurteilungen und 486 Hinrichtungen. In 3,6 Millionen Entnazifizierungsfällen werden (im Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland) 1667 Hauptschuldige, 23060 Belastete, 150425 Minderbelastete, etwa 400000 Fälle des (vorübergehenden) Ausschlusses aus dem öffentlichen Dienst, 1500874 Mitläufer und 1213873 Entlastete ermittelt. Danach lehnt aber die öffentliche Meinung ein weiteres Vorgehen in dieser Richtung eher ab.

Trotz der während des Ost-West-Konflikts erfolgenden sowjetischen Berlinblockade wird 1949 von den Westmächten auf Grund der Londoner Sechsmächtekonferenz vom 6. 3. 1948 das Besatzungsstatut für Westdeutschland geschaffen und am 23. 5. 1949 unter Verkündung des als vorläufig gedachten Grundgesetzes die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Bald darauf entsteht durch Annahme einer Verfassung am 7. 10. 1949 aus der sowjetischen Besatzungszone (Ostzone) die Deutsche Demokratische Republik als Volksrepublik nach sowjetischem Muster (Walter Ulbricht: Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand behalten). 1952 wird im Westen das Besatzungsstatut durch den Deutschlandvertrag ersetzt, während im Osten statt der fünf bestehenden Länder 15 Bezirke gebildet werden.

Unter der Koalitionsregierung Konrad Adenauers (Christlich-Demokratische Union bzw. [in Bayern] Christlich-Soziale Union, Freie Demokratische Partei, Deutsche Partei) schließt nach einem Plan des Außenministers Frankreichs (Robert Schuman) die Bundesrepublik Deutschland mit Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg den der Kontrolle über die Rüstungsindustrie vornehmlich Deutschlands dienenden Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion 14. 4. 1951, Inkrafttreten 1952) ab und tritt 1952 der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und 1954 der Westeuropäischen Union (WEU) sowie 1954 der am 4. 4. 1949 gegründeten Nordatlantischen Verteidigungsorganisation (NATO) bei. Am 5. 5. 1955 erklären die Westmächte die Bundesrepublik Deutschland für souverän, am 25. 3. 1954/20. 9. 1955 die Sowjetunion die Deutsche Demokratische Republik. 1956 werden in der Bundesrepublik die Bundeswehr und in der Deutschen Demokratischen Republik die Nationale Volksarmee aufgebaut.

1957 kehrt das zunächst von Frankreich beanspruchte Saarland nach einer Volksabstimmung (1955) zu Deutschland zurück. Die Bundesrepublik Deutschland schließt (auf Drängen Frankreichs) einen Vertrag über die Nutzung der Atomenergie und einen zweiten Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg ab (römische Verträge vom 25. 3./27. 7. 19579, so dass drei parallel organisierte supranationale Gemeinschaften mit verknüpfenden Organen nebeneinander bestehen).

Sie gehen 1965/1967 in dem sachlich erweiterten Zusammenschluss der Europäischen Gemeinschaften auf. Das Zwischenspiel einer Europäischen Freihandelszone (1960 Dänemark bis 1973, Norwegen, Österreich bis 1995, Portugal bis 1986, Schweden bis 1995, Schweiz, Großbritannien bis 1973, 1961/1986 Finnland bis 1995, 1970 Island, 1991 Liechtenstein) bleibt demgegenüber verhältnismäßig erfolglos. Deswegen treten zum 1. 1. 1973 Großbritannien, Dänemark und Irland (Norderweiterung) sowie später Griechenland (1. 1. 1981), Spanien und Portugal (1. 1. 1986) (Süderweiterung) den Europäischen Gemeinschaften bei.

In der Deutschen Demokratischen Republik wird ein Aufstand am 17. 6. 1953 mit sowjetischer Waffengewalt niedergeschlagen. Deswegen wandern viele Einwohner in den Westen ab. Um weitere Verluste zu verhindern, wird am 13. 8. 1961 „zum Schutz gegen die Aggressionen des Westens“ mit dem Bau einer Mauer an der Westgrenze zu Bundesrepublik Deutschland begonnen (mit Schießbefehl auf jeden Flüchtling bis 5. 7. 1989).

Innenpolitisch gibt im Jahre 1959 die Sozialdemokratische Partei im Godesberger Programm ihre marxistische Ideologie auf und erreicht nach den Wahlen von 1969 zusammen mit den Freien Demokraten eine knappe Mehrheit, die sich Reformen auf allen Gebieten vornimmt (12. 8. 1970/23. 5. 1972 Moskauer Vertrag mit der Sowjetunion, 7. 12. 1970 Warschauer Vertrag mit Polen, 21. 12. 1972/6. 6. 1973 Grundlagenvertrag mit der Deutschen Demokratischen Republik, 1974 Vertrag mit der Tschechoslowakei, 9. 10. 1975/12. 3. 1976 Rentenvereinbarung mit Polen). 1973 werden die Bundesrepublik und die Deutsche Demokratische Republik Mitglieder der am 26. 6. 1945 als Nachfolgerin des wenig erfolgreichen Völkerbunds gegründeten Vereinten Nationen, deren Ziele Sicherung des Weltfriedens, Schutz der Menschenrechte, Gleichberechtigung aller Völker und Besserung des allgemeinen Lebensstandards sind.

Da die Politik der Reformen angesichts der von den Lieferanten auf dem Weltmarkt verlangten Preise für Erdöl immer schwerer zu finanzieren ist (50 % Staatsquote), gerät die sozialliberale Koalition 1982 in eine Krise. Die Freie Demokratische Partei verlässt die Koalition mit der SPD und bildet mit der Christlich-Demokratischen Union (und der Christlich-Sozialen Union) unter Helmut Kohl eine neue, Konsolidierung der Finanzen anstrebende Koalition. Ihr kommt als Folge der 1972 bzw. 1973 einsetzenden Verhandlungen in der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (1975 Schlussakte) die zunehmende Entspannung zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion (unter Michael Gorbatschow, seit 1985) zugute, die im Ostblock zu augenfälligen Liberalisierungen führt (Ungarn, Polen, Litauen, Estland, Lettland, „Perestroika“, „Glasnost“).

Als Ungarn seit dem Frühjahr 1989 aus Kostengründen die Grenzanlagen des bisherigen „eisernen Vorhangs“ gegenüber Jugoslawien und Österreich abbaut, flüchten im August 1989 Tausende von Bewohnern der Deutschen Demokratischen Republik in die bundesdeutschen Botschaften in Budapest, Prag und Warschau sowie in die ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ostberlin. Am 10. 9. 1989 öffnen daraufhin die Außenminister Ungarns (Horn) und Österreichs (Mock) für das Fernsehen mit einer Drahtschere den Stacheldrahtzaun zwischen ihren Ländern. Kurz nach den Feiern zum 40. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (6./7. 10. 1989) kommt es nach zahlreichen, unter dem Motto „wir sind das Volk“ abgehaltenen Massendemonstrationen vor allem in Berlin und Leipzig am 9. 11. 1989 zur Ankündigung des SED-Zentralkomitees, dass unverzüglich Ausreisegenehmigungen ohne Voraussetzungen erteilt werden.

Daraufhin überschreiten Zehntausende in Berlin die Grenzsperren (Öffnung der Mauer). In Wahrnehmung einer geschichtlichen Gelegenheit setzt sich Helmut Kohl (28. 11. 1989 Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas) für eine deutsche Einheit ein, die von den Vereinigten Staaten von Amerika (George Bush) und der Sowjetunion (Michael Gorbatschow) unterstützt, von Frankreich und Großbritannien aber erfolglos abgelehnt wird. Am 18. 3. 1990 finden in der Deutschen Demokratischen Republik freie Wahlen statt, die zu einer bürgerlichen Mehrheit führen (41 % CDU).

Die daraufhin gebildete Regierung vereinbart am 18. 5. 1990 mit der Regierung der Bundesrepublik Deutschland einen Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungsunion zum 1. 7. 1990. Am 22. 7. 1990 wird das Gesetz zur Neubildung der Länder in der Deutschen Demokratischen Republik (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) erlassen. Am 23. 8. 1990 beschließt die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik den Betritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes zum 3. 10. 1990.

Am 31. 8. 1990 wird ein Einigungsvertrag abgeschlossen. Am 3. 10. 1990 wird unter Billigung der alliierten Siegermächte (12. 9. 1990 Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland) der Beitritt wirksam, wodurch sich das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland von 238678 qkm um 148680 qkm auf 356859 qkm und die Zahl der Einwohner von 61,7 Millionen um 16,4 Millionen auf 78,1 Millionen vermehrt. Die Volkskammer entsendet 144 Abgeordnete in den Bundestag.

Am 2. 12. 1990 finden Neuwahlen statt. Mit Polen wird am 17. 10. 1991 ein Grenzvertrag und Nachbarschaftsvertrag abgeschlossen, der die tatsächlichen Grenzen rechtlich festlegt, mit der Tschechoslowakei am 27. 2. 1992 ein Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Durch Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde des sog. Zwei-plus-Vier-Vertrags durch die Sowjetunion bei der Bundesregierung wird die Bundesrepublik Deutschland auch förmlich (wieder) souverän.

Innerhalb der 12 Staaten der Europäischen Gemeinschaft gelingt nach dem Betritt Großbritanniens zum Europäischen Währungssystem (8. 10. 1990) die in der Mitte der achtziger Jahre vereinbarte Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarkts 1992. Dadurch wird zwar in erster Linie ein wirtschaftliches Ziel angestrebt, doch wirkt sich dessen Erreichen auch allgemeinpolitisch und rechtspolitisch aus. In der Folge wird die Europäische Gemeinschaft mit dem Vertrag von Maastricht (1992) zum 1. 1. 1993 unter Ergänzung der ersten Säule der drei Gemeinschaften (nach Auflösung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl 2002 noch zwei Gemeinschaften) durch die zweite Säule der gemeinsamen Außenpolitik und Sicherheitspolitik und die dritte Säule der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres in Europäische Union umbenannt.

Österreich, dessen verschiedenen Zielsetzungen dienende Wiederherstellung bereits am 1. 1. 1943 auf einer Konferenz der alliierten, gegen ein starkes Deutschland gerichteten Außenminister beschlossen wird, wird nach Abtrennung von dem Deutschen Reich am 9. Juli 1945 ebenfalls in Besatzungszonen der Alliierten aufgeteilt (Tirol und Vorarlberg französisch, Kärnten, Osttirol und Steiermark britisch, Salzburg und Oberösterreich ohne Mühlviertel amerikanisch, Niederösterreich und Burgenland sowie das Mühlviertel sowjetisch, Wien in 5 Sektoren aufgeteilt). Im sowjetisch besetzten Teil bildet sich unter dem ehemaligen Parlamentspräsidenten Renner eine provisorische Staatsregierung aus Österreichischer Volkspartei, Sozialistischer Partei und Kommunistischer Partei. Sie proklamiert am 27. 4. 1945 die Unabhängigkeit, derzufolge die Republik wieder in ihren Grenzen von 1938 hergestellt wird, der Anschluss an Deutschland nichtig ist und die Verfassung des Jahres 1920 wieder Gültigkeit hat.

Das (erste) Verfassungsüberleitungsgesetz der provisorischen Staatsregierung vom 1. 5. 1945 bestimmt das Wiederinkrafttreten (Inwirksamkeitsetzen) des Bundesverfassungsgesetzes des Jahres 1920 in der Fassung des Jahres 1929 sowie des übrigen Bundesverfassungsrechts nach dem Stande der Gesetzgebung vom 5. März 1933. Es hebt alle nach dem 5. März 1933 erlassenen Bundesverfassungsgesetze und Verfassungsbestimmungen auf. Gleiches gilt für alle verfassungsrechtlich einschlägigen Bestimmungen und Anordnungen des Deutschen Reiches.

Nach einem Zwischenzustand mit einer vorläufigen Verfassung vom 1. Mai 1945 werden nach Wahlen in einem zweiten Verfassungsüberleitungsgesetz vom 13. Dezember 1945 die Organe der provisorisch errichteten Organe auf die Organe des Bundes-Verfassungsgesetzes übertragen Am 19. Dezember 1945 tritt der neue Nationalrat zusammen. Am 20. Dezember 1945 wird durch eine Bundesversammlung Karl Renner zum Bundespräsidenten gewählt.

Danach ist Österreich (wieder) eine demokratische Republik (zweite Republik im Sinne der Annexionstheorie mit Neugründung, fortbestehende erste Republik im Sinne der Okkupationstheorie) mit Volkssouveränität und ein Bundesstaat. Die obersten Organe der Vollziehung sind der direkt gewählte, weitgehend auf Repräsentation beschränkte Bundespräsident, der Bundeskanzler, die Bundesminister und Staatssekretäre sowie die Mitglieder der Landesregierungen. Die Gesetzgebung des Bundes übt der Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat aus.

Art. 149 I der Verfassung verleiht deshalb noch immer einer Reihe weiterer Gesetze (u. a. dem Staatsgrundgesetz vom 21. 12. 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder, das einen Grundrechtskatalog enthält,) Verfassungsrang. Insgesamt ist somit Verfassungsrecht in sehr verschiedenen Rechtsquellen enthalten. Das gleichzeitige Rechtsüberleitungsgesetz hebt alle nach dem 13. 3. 1938 erlassenen Gesetze und Verordnungen, die Gedankengut des Nationalsozialismus enthalten, auf, lässt das Recht des Deutschen Reiches im Übrigen aber bestehen (z. B. Ehegesetz, Handelsgesetzbuch).

Das Behördenüberleitungsgesetz löst Behörden und Einrichtungen des Deutschen Reiches auf. Es leitet ihre Geschäfte am 19. Dezember 1945 auf die österreichische Behördenorganisation über. Maßgeblich sind dafür die bis 13. März 1938 in Österreich bestehenden Behörden.

Am 15. 5. 1955 wird Österreich nach einer Initiative der Sowjetunion unter Verpflichtung zur Neutralität und unter Verbot eines Anschlusses an Deutschland in einem Staatsvertrag mit den Alliierten als souveräner, unabhängiger und demokratischer Staat in den Grenzen vom 1. 1. 1938 anerkannt. Am 26. 10. 1955 beschließt der Nationalrat die immerwährende Neutralität Österreichs. Am 14. 12. 1955 wird Österreich in die Vereinten Nationen aufgenommen, am 16. 4. 1956 tritt es dem Europarat bei.

Im Juli 1989 wird von Österreich die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Gemeinschaft beschlossen. Zum 1. 1. 1995 erfolgt gemeinsam mit Schweden und Finnland der in einer Volksabstimmung mit 66,34 % der Stimmen gutgeheißene Beitritt zur 1993 entstandenen Europäischen Union (369 Mill. Einwohner, 3,234 Mill. qkm Fläche). Dadurch werden weitere Regeln des Staatsvertrags überholt.

Wirtschaftlich werden nach dem zweiten Weltkrieg die Westzonen des Deutschen Reiches beim Wiederaufbau und der Eingliederung der Flüchtlinge durch das amerikanische Europäische Wiederaufbauprogramm (Marshall-Plan) unterstützt. In den westlichen Besatzungszonen und in der Bundesrepublik Deutschland unter Wirtschaftsminister Ludwig Erhard setzt sich die grundsätzlich freie und nur ausnahmsweise aus sozialen Gründen vom Staat gesteuerte (soziale) Marktwirtschaft durch. Dagegen wird in der sowjetischen Besatzungszone die zentrale Planwirtschaft unter Beseitigung des privaten Produktionskapitals eingeführt.

Durch die Verträge über die Europäische Atomgemeinschaft und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (1957) wird die wirtschaftliche Vereinigung mit anderen westeuropäischen Staaten begonnen. Sie wie die beträchtliche Exportquote führen zu immer stärkerer Abhängigkeit von der Weltwirtschaftsentwicklung. Daraus folgt in wirtschaftlich guten Zeiten eine große Nachfrage nach Arbeitskräften, die nur durch Erhöhung der Löhne und durch Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte (1974 4 Millionen Gastarbeiter) gestillt werden kann, in wirtschaftlich schlechten Zeiten dagegen erhebliche Arbeitslosigkeit unter den 1972 rund 27 Millionen Beschäftigten (1982 bis 1989 durchschnittlich 2 Millionen Arbeitslose, nach Rückkehr zur Privatwirtschaft in der früheren Deutschen Demokratischen Republik mittels einer so genannten Treuhandanstalt 1990 bis 1995 mehr als 3 Millionen Arbeitslose, 1994 in den alten Bundesländern 2,556 Millionen).

Als besonders schwerwiegend erweisen sich dabei auch die sprunghaft gestiegenen Energiekosten, die erheblich zu dem am Ende der 70er Jahre eintretenden Leistungsbilanzdefizit beitragen. Um die durch sie trotz des zeitweisen Gleichbleibens oder Sinkens der Erdölpreise auftretende Belastung eindämmen zu können, sucht man allgemein nach neuen Wegen der Arbeitskosten einsparenden und damit gleichzeitig Arbeitsplätze vernichtenden Rationalisierung. Als hilfreich erweist sich dabei besonders die Steuerung von Produktionsvorgängen durch die automatisierte (elektronische) Datenverarbeitung.

Neue Schwierigkeiten erwachsen aus der immer deutlicher erkennbaren Schädigung der Umwelt durch den Menschen (Luftverschmutzung, Gewässerverunreinigung, Bodenbelastung). Zur Selbstbescheidung ist der durch Reklame zu mehr Verbrauch angelockte Mensch nicht in der Lage. Deswegen erwärmt sich als Folge des hohen Energieverbrauchs (Kraftfahrzeugverkehr, Flugverkehr, Beleuchtung, Maschinisierung) das Klima, ohne dass politische Gegenmaßnahmen gewichtige dauerhafte Besserung bewirken.

In der Deutschen Demokratischen Republik wird die Landwirtschaft in landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften kollektiviert (bis 1960 abgeschlossen). Die Bewirtschaftung erfolgt weitgehend maschinisiert. Nach dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland werden die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften bis Ende 1991 grundsätzlich aufgelöst.

Gesellschaftlich ist gesetzlicher Grundsatz nach dem Grundgesetz die rechtliche Gleichheit aller Staatsbürger. Wirtschaftlich bestehen dagegen erhebliche Unterschiede, indem zwar 85 % Arbeitnehmer immerhin 60 % des Volkseinkommens erhalten, aber das Volksvermögen zu 50 % auf die etwa 15 % Unternehmer und nur zu 20 % auf die etwa 85 % Arbeitnehmer und im Übrigen auf die öffentliche Hand entfällt. Andererseits ist seit 1800 eine Reallohnsteigerung von etwa 800 % und seit 1913 von etwa 300 % eingetreten und haben 40 % aller Haushalte - und auch aller Arbeitnehmerhaushalte - (Hauseigentum und) Grundeigentum in irgendeiner Form.

Auffällig ist der starke Rückgang des Anteils der Selbständigen an der Gesamtzahl der Beschäftigten vor allem in Landwirtschaft, Handwerk und Handel, während bei den Unselbständigen der Anteil der Angestellten und Beamten zunimmt. Die Zahl der beschäftigten Frauen steigt im Zuge der Emanzipation und der Verkleinerung der Familien in Richtung Einkindfamilie an (1975 9 Millionen, 1987 38 % aller Erwerbstätigen, 1990 40 % aller verheirateten Frauen). Seit den 60er Jahren werden niedere Tätigkeiten immer stärker auf ausländische Arbeiter abgeschoben, während gleichzeitig als Folge der Bildungspolitik die Zahl der akademisch ausgebildeten Arbeitskräfte deutlich zunimmt (1960 2,9 % der Erwerbstätigen, 1970 5,7 %, 1993 11,5 %).

In der Deutschen Demokratischen Republik ist die allgemeine Vereinheitlichung der Gesellschaft unmittelbares politisches Ziel. Theoretische Zentralfigur ist der Arbeiter und Bauer. Die völlige Gleichheit ist aber weder erreicht noch tatsächlich gewollt.

Geistesgeschichtlich schreitet die wissenschaftliche Erkenntnis auf allen Gebieten immer rascher fort. Trotz der gewissen Steigerung der Ausbildung (1976 rund 840000, 1985 1336395 Studenten) steht der Einzelne als („mündiger Bürger“) dem Informationswachstum (80000 neue deutsche Bücher pro Jahr) immer hilfloser gegenüber. Die allgemeine Informationsvermittlung erfolgt dabei durch ständig einflussreichere Massenmedien (Zeitung, Rundfunk, Fernsehen, Internet).

Die bisherigen Wertvorstellungen werden verstärkt in Frage gestellt. Mit wachsendem zeitlichem Abstand vom Krieg beschleunigt sich die innerliche Abwendung von den christlichen Kirchen. Gefordert und anerkannt wird ein weltanschaulicher Pluralismus auf unklarer sozialer und humaner Grundlage, von dem im tatsächlichen Alltagsleben freilich wenig zu spüren ist.

In der Deutschen Demokratischen Republik ist der Sozialismus die einzig anerkannte Weltanschauung. Er verweigert aber dem Betroffenen die freie Entscheidung für die gesamte Zeit zwischen dem Ende des zweiten Weltkriegs und 1989. Als er sie dann unter dem Druck des Fernsehens doch zulässt, unterliegt er dem Liberalismus trotz dessen durchaus auch erkennbaren Schwächen.

Im Recht im Allgemeinen bestimmen unmittelbar nach der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches vom 8. 5. 1945 grundsätzlich die Besatzungsmächte. Das Kontrollratsgesetz Nr. 1 des alliierten Kontrollrats für Deutschland hebt die nationalsozialistisch geprägten Gesetze auf. Dementsprechend wird beispielsweise das Ehegesetz 1946 neu erlassen und das Reichserbhofgesetz 1947 außer Kraft gesetzt.

Im Übrigen nimmt mit der Begründung der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik der gemeinsame einheitliche Grundbestand bis 1990 ständig ab. Zahlreiche unterschiedliche Gesetze und Verordnungen werden erlassen. Mit dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland am 3. 10. 1990 tritt in den neuen Bundesländern und im Ostteil Berlins grundsätzlich das Recht der Bundesrepublik Deutschland in Kraft.

Rechtsquellen sind Gesetze, Gewohnheitsrecht und Richterrecht (streitig). Von ihnen nimmt das Gesetzesrecht laufend zu - zuletzt umfassen allein die neuen Bundesgesetze jährlich 3000 Druckseiten -, so dass es trotz sog. bereinigter Sammlungen immer unübersichtlicher und das formelle Gesetz zusätzlich durch eine große Flut von Verordnungen (Gesetzen im materiellen Sinn) ausgefüllt wird. Sowohl Gesetze wie auch Verordnungen werden immer stärker von den Auswirkungen der Europäischen Gemeinschaft (statt Gesetzen und Verordnungen dort unmittelbar geltendeVerordnungen und mit einigem Spielraum in mitgliedstaatliches Recht umzusetzende Richtlinien) bzw. der Europäischen Union beeinflusst.

Allgemein beginnt nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft eine Rückbesinnung auf die inhaltliche Gerechtigkeit. Die negativen Folgen des Gesetzespositivismus aber auch eines rassistisch-nationalistischen Naturrechts werden von vielen Seiten hervorgehoben. Nach einer 1946 vorgetragenen Wendung des Heidelberger Rechtsphilosophen Gustav Radbruch entbehrt das von der Gerechtigkeit abweichende positive Recht, das Gerechtigkeit nicht einmal anstrebt und Gleichheit bei der Setzung bewusst verleugnet, der Rechtsnatur (Radbruchsche Formel).

In dieser schwierigen Lage geht die Wertungsjurisprudenz davon aus, dass zum Wesen der Rechtswissenschaft der Bezug auf Werte gehöre. Sie werden außer in der einzelnen Bestimmung auch in der Gesamtheit der Rechtsordnung gesucht und ermittelt. Als tatsächlich hilfreich wird in diesem Zusammenhang die offene Erörterung möglicher Entscheidungsfolgen angesehen, was auch für die aus den Vereinigten Staaten von Amerika übernommene ökonomische Analyse des Rechtes gilt.

In Österreich werden zahlreiche neue Gesetze erlassen oder bisherige Gesetze neu gefasst. Von den großen Kodifikationen ist davon allerdings nur das Strafgesetzbuch betroffen. Im Übrigen nimmt Österreich an der allgemeinen europäischen Entwicklung Teil.

In der Schweiz wird 1946 die Alters- und Hinterbliebenenversorgung geordnet (Invalidenversicherung 1959). 1948 wird ein Luftfahrtgesetz verabschiedet. Im Obligationenrecht werden Agenturvertrag (1949), Abzahlungsgeschäft (1962), Miete (1970) und Dienstvertrag (1972) geändert, im Zivilgesetzbuch wird 1963 das Stockwerkseigentum angefügt und 1973 das Adoptionsrecht sowie 1978 das Kindschaftsrecht (zugunsten des nichtehelichen Kindes) modifiziert.

Daneben werden zahlreiche andere Angelegenheiten gesetzlich geregelt. 1974 tritt die Schweiz der Europäischen Menschenrechtskonvention bei. Dagegen scheitert ein Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum oder zur Europäischen Union am Widerstand der politisch beeinflussten Bevölkerung, die sich von der Neutralität mit bilateralen Verträgen bisher mehr ökonomische Vorteile erhofft als von einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union.

In der Verfassung wird der Fortbestand des Deutschen Reiches nach der Kapitulation zwar auch bestritten, aber überwiegend bejaht. Jedenfalls tasten die Besatzungsmächte den Bestand der Länder nicht grundsätzlich an, sondern beleben sie neu und bilden unter Zerschlagung Preußens (formelle Auflösung durch Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. 2. 1947) neue Länder (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen, Rheinland-Pfalz). Auch das Grundgesetz geht (als vorläufige formelle Verfassung vom 23. 5. 1949) auf eine Initiative der Besatzungsmächte zurück.

Das Grundgesetz zerfällt in einen grundrechtlichen und einen organisationsrechtlichen Teil. Die Grundrechte wollen nicht nur Programmsätze sein, sondern grundsätzlich verbindliche Kraft entfalten und Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung (des immer mächtiger werdenden Staates) als unmittelbar geltendes Recht binden, wobei eine Änderung der wichtigsten Grundsätze nach Art. 79 III unzulässig ist. Inhaltlich stellt der Katalog einen pluralistischen Kompromiss auf traditioneller Grundlage dar, wobei die Gewährleistung von Eigentum und Erbrecht ebenso wie die Möglichkeit der Vergesellschaftung von Boden und Produktionsmitteln festgelegt wird.

Neben diesen Grundrechten der Bundesverfassung gibt es eigene Grundrechtskataloge der Landesverfassungen sowie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. 12. 1948 und die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950. Eine eigene Verfassung für die Europäische Union ist trotz vieler Bemühungen letztlich gescheitert. Die Staatsbürger der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Unionsbürger 1993) dürfen sich aber der Freiheiten der Europäischen Union bedienen und sind durch die mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon (2007), der die Säulenarchitektur beseitigt und Europäische Gemeinschaft und Europäische Union zu einer einheitlichen juristischen Person verschmilzt, am 1. 12. 2009 in einer überarbeiteten Fassung vom 12. 12. 2007 geltende Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt.

An der Spitze des Organisationsteils des Grundgesetzes steht die Entscheidung für den demokratischen und sozialen Bundesstaat (ursprünglich bestehend aus Baden, Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Westberlin), in dem alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht und durch besondere Organe der Gesetzgebung, Vollzugsgewalt und Rechtsprechung ausgeübt wird und Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Das Volk wählt in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl nach einem gemischten Wahlrecht (Verhältniswahlrecht verbunden mit Zügen des Mehrheitswahlrechts), das Splittergruppen zum Wohle der großen Parteien durch eine 5 %-Sperrklausel ausschaltet, die Abgeordneten, die Vertreter des ganzen Volkes und nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Volksentscheid, Volksbegehren und Volkswahl des Präsidenten sind (gegenüber der Verfassung des Jahres 1919) wegen der mit ihnen für den Staat und die ihn tragenden Parteien verbundenen Gefahren im Grundsatz entfallen.

Der Bundestag ist das (wichtigste) Gesetzgebungsorgan des Bundes. Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit. Zustimmungsgesetze bedürfen seiner Zustimmung, während sein bloßer Einspruch bei Einspruchsgesetzen überstimmt werden kann.

Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt, die aus den Mitgliedern des Bundestags und einer gleichen Zahl von durch die Volksvertretungen der Länder gewählten Vertretern besteht. Er vertritt den Bund völkerrechtlich. Er hat aber im Vergleich zur Verfassung des Jahres 1919 kein Notmaßnahmerecht mehr.

Der Bundeskanzler wird auf - mit den Parteien abgestimmten - Vorschlag des Bundespräsidenten von der Mehrheit des Bundestags gewählt. Er bestimmt die Richtlinien der Politik und schlägt die Bundesminister vor, die vom Bundespräsidenten ernannt werden. Der Bundestag kann ihn nur dadurch ablösen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt (konstruktives Misstrauensvotum).

Neu ist ein besonderes Bundesverfassungsgericht, dessen Mitglieder je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat (bzw. von den dort bestimmenden politischen Kräften) gewählt werden. Es entscheidet (seit 12. 12. 1985 in Kammern [Dreierausschüssen] vorweg) u. a. über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder sonst besonders genannten Rechte verletzt worden zu sein, und kann Recht als verfassungswidrig erklären. Daneben bestehen oberste Gerichtshöfe des Bundes.

In der Deutschen Demokratischen Republik wurden während ihres Bestandes zwei Verfassungen geschaffen. Davon ist die Verfassung vom 7. 10. 1949 äußerlich ziemlich konservativ (z. B. Volkskammer), kennt aber weder eine Gewaltenteilung noch eine Opposition noch die Wahl in Form einer gesellschaftspolitischen Entscheidung zwischen mehreren politischen Möglichkeiten. Sie wird durch die Beseitigung der Länder (13. 7. 1952/8. 12. 1958) und der Selbstverwaltung der Gemeinden sowie die Ersetzung des Präsidenten durch einen kollegialen Staatsrat (12. 9. 1960) verändert und durch die zweite Verfassung vom 9. 4. 1968 abgelöst (Neufassung vom 7. 10. 1974).

In der Schweiz wird 1971 das Frauenstimmrecht bei gesamtschweizerischen Wahlen eingeführt. 1981 wird die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in die Verfassung aufgenommen. 1990 verpflichtet das Bundesgericht in Lausanne den 13000 Einwohner umfassenden Halbkanton Appenzell-Innerrhoden zur Anerkennung des Frauenstimmrechts in der Landsgemeinde und bei kantonalen Wahlen.

In der Verwaltung ist die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder. Deswegen finden sich Bundesverwaltungsbehörden nur auf einigen Gebieten (z. B. Auswärtiger Dienst, Finanzen, Bundeswehr). Daneben bestehen zahlreiche bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes, Bundesanstalten und Bundesämter (z. B. Bundesanstalt für Arbeit bzw. Bundesagentur für Arbeit, Bundeskriminalamt, Bundeskartellamt).

Bei den Ländern, denen (wegen des freiwilligen Zusammenschlusses 1866/1870) alle übrigen Aufgaben, soweit sie nicht andererseits als Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft den Gemeinden zustehen (vgl. Art. 28 GG, für Österreich ersetzt die Gemeindeverfassungsnovelle von 1962 das Reichsgemeindegesetz von 1862), ohne weiteres zufallen, ist die Verwaltungsorganisation im Wesentlichen unverändert. Ausgeführt wird die Verwaltungstätigkeit außer durch Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes durch Berufsbeamte. Ihre herkömmliche Rechtsstellung wird durch die Verfassung geschützt, im Übrigen durch das Bundesbeamtengesetz (14. 7. 1953, 22. 10. 1965, 17. 7. 1971) und durch das Beamtenrechtsrahmengesetz (1. 7. 1957, zum 31. 3. 2009 infolge des Beamtenstatusgesetzes weitgehend außer Kraft getreten) einigermaßen vereinheitlicht.

Der Umfang der Verwaltungsaufgaben hat sich insgesamt stark ausgeweitet. Auf immer mehr Lebensbereichen sorgt der Staat für den Bürger vor (Leistungsverwaltung, Daseinsfürsorge). Wegen der Vielfalt und Kompliziertheit der dafür geschaffenen Regelungen wird die Verwaltungstätigkeit immer schwieriger und für den Bürger belastender und beengender.

Für das Handeln der Verwaltung sind zunächst von der Wissenschaft allmählich gewisse allgemeine Regeln erarbeitet worden, die über einen Entwurf des Jahres 1963 und ein Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holsteins (1967) zum großen Teil in das Verwaltungsverfahrensgesetz (25. 5. 1976, daneben besondere Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder) Eingang gefunden haben. Es regelt insbesondere die neben der Rechtssetzung (durch Rechtsverordnung) wichtig­sten verwaltungsrechtlichen Handlungsformen des öffentlichen Vertrags und des Verwaltungsakts. Auch für den Vollzug des Verwaltungsakts werden bestimmte Regeln entwickelt.

Bedeutsam sind daneben noch die Staatshaftungsansprüche. Bei ihnen ist die Entschädigung bei Enteignung (Art. 14 GG, Art. 5 österreichisches Staatsgrundgesetz) und der Ersatz bei Amtspflichtverletzung (Art. 34 GG, für Österreich vgl. das Amtshaftungsgesetz von 1948) unmittelbar in der Verfassung angeordnet. Der Ausgleich bei rechtswidrigem enteignungsgleichem Eingriff (1952) und Aufopferung ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt.

Bei den einzelnen besonderen Gebieten des Verwaltungsrechts ist das Gemeinderecht, von der Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes abgesehen, Landesrecht. Seine Regelung ist unterschiedlich in den einzelnen Ländern. Sie alle haben nach dem Krieg neue Gemeindeordnungen erlassen und durch die Verwaltungsreform der siebziger Jahre die Zahl der Gemeinden (der alten Bundesländer) insgesamt von etwa 24000 auf 8000 verringert.

Im Polizeirecht ist der materielle Polizeibegriff weitgehend aufgegeben. Der Polizei steht - in den meisten Ländern - nach der durch die Besatzungsmächte eingeleiteten Entpolizeilichung nicht mehr die gesamte Gefahrenabwehr zu, sondern hierfür sind meist fachspezifische Ordnungs- und Sicherheitsbehörden zuständig. Nach dem sog. institutionellen Polizeibegriff bedeutet Polizei nur noch die im Vollzugsdienst tätigen Dienstkräfte, die im Wesentlichen lediglich ausführende Aufgaben haben.

Das Baurecht ist auf Grund der in einem Gutachten des Bundesverfassungsgerichts (1954) geklärten Kompetenzverteilung des Grundgesetzes zwischen Bund und Ländern aufgespalten. Die Bauleitplanung und die bauliche Nutzung werden durch das Bundesbaugesetz (23. 6. 1960), das 1986 in das umfassendere Baugesetzbuch überführt wird, vereinheitlicht. Das die Sicherheit und die ästhetische Gestaltung baulicher Anlagen wahrende Bauordnungsrecht ist in den einzelnen Landesbauordnungen geregelt.

Zur Abwehr teilweise ungewollter Einwanderung wird mehrfach das Ausländerrecht geändert (z. B. 1990). Das Asylrecht wird eingeschränkt. Durch das Bundesdatenschutzgesetz (1977) wird der Schutz der personenbezogenen Daten vor Missbrauch bei ihrer Speicherung, Übermittlung, Veränderung und Löschung gesichert (für Österreich vgl. das Datenschutzgesetz von 1978).

Im Steuerrecht erhöhen zunächst die Besatzungsmächte zur Bekämpfung des Währungsverfalls die Steuern sehr stark. In den folgenden Jahren werden zwecks Förderung bestimmter Bereiche die Steuern teils gesenkt und Steuervergünstigungen geschaffen, wegen des wachsenden Finanzbedarfs des unersättlichen Staates diese aber teils wieder aufgehoben und die Steuern erhöht, so dass das Steuerrecht sehr unübersichtlich wird. Wesentlichere Veränderungen betreffen die Ehegattenbesteuerung (18. 7. 1958), die Umgestaltung der Allphasenumsatzsteuer zur Nettoumsatzsteuer (Mehrwertsteuer, 29. 5. 1967) und die Übertragung der Zuständigkeit für Kriminalstrafen in Steuersachen auf die ordentlichen Gerichte (10. 8. 1967).

Im Sozialrecht wird die Sozialversicherung weiter ausgebaut. In der Krankenversicherung werden die Arbeiter den Angestellten hinsichtlich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gleichgestellt (Lohnfortzahlungsgesetz 27. 7. 1969/1. 1. 1970, 1994 Entgeltfortzahlungsgesetz). Die Rentenversicherung wird dynamisiert und damit laufend an die allgemeine Einkommensentwicklung angepasst (23. 2. 1957, in Österreich, wo 1955 die allgemeine Sozialversicherung eingeführt wird, 1965) und zum 1. 4. 1995 wird eine besondere Pflegeversicherung geschaffen.

Daneben werden ein allgemeines, später einkommensunabhängiges Kindergeld (15. 11. 1954, 31. 1. 1975), eine verbesserte allgemeine Ausbildungsförderung (26. 8. 1971) und ein der finanziellen Sicherstellung des angemessenen Wohnens dienendes Wohngeld (23. 6. 1960, 29. 3. 1963, 1. 4. 1965) eingeführt. Die früheren Reichsgrundsätze öffentlicher Fürsorge gehen im Wesentlichen in das Bundessozialhilfegesetz (30. 6. 1961) ein. Zum 1. 1. 1976 tritt der allgemeine Teil eines die Reichsversicherungsordnung ablösenden Sozialgesetzbuchs (11. 12. 1975) in Kraft, dem weitere Teile folgen (IV Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, V Gesetzliche Krankenversicherung, VI Rentenversicherung, VIII Kinder- und Jugendhilfe, X Verwaltungsverfahren, XI Pflegeversicherung u. s. w.).

In der Deutschen Demokratischen Republik beruht die Verwaltung auf der Grundlage des demokratischen Zentralismus, zu dessen Gunsten das föderalistische Prinzip und die kommunale Selbstverwaltung beseitigt werden. Ein Berufsbeamtentum gibt es nicht mehr. Die Sozialversicherung ist seit 1945 verstaatlicht.

Im Westen wird die bisherige Gerichtsorganisation im Wesentlichen beibehalten (ausgenommen der ersatzlos beseitigte Volksgerichtshof). Die meisten Juristen werden trotz ihrer früheren Zugehörigkeit zur NSDAP (z. B. am OLG Celle 90 % der Richter und Staatsanwälte) weiterverwendet. Sie erfüllen ihre demokratischen Aufgaben mit vergleichbarer Pflichtentreue wie unter der nationalsozialistischen Herrschaft.

Schon die Besatzungsmächte ordnen die Wiedererrichtung von Verwaltungsgerichten an (10. 10. 1946) und schaffen eine besondere Arbeitsgerichtsbarkeit (30. 4. 1946). Außerdem wird für die britische Zone ein oberster Gerichtshof errichtet, der aber in der Bundesrepublik Deutschland entfällt. Danach legt bereits das Grundgesetz fest, dass die Einhaltung der Verfassung durch ein Bundesverfassungsgericht gewährleistet wird und dass gegen jede Verletzung von Rechten durch die öffentliche Gewalt der Rechtsweg offensteht (Rechtsweggarantie), wobei subsidiär der ordentliche Rechtsweg gegeben ist.

Die ordentliche Gerichtsbarkeit ist in Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte und den Bundesgerichtshof in Karlsruhe (8. 10. 1950) eingeteilt. In Arbeitssachen sind nach dem Arbeitsgerichtsgesetz (3. 9. 1953) Arbeitsgerichte, Landesarbeitsgerichte und das Bundesarbeitsgericht in Kassel bzw. nach Herstellung der deutschen Einheit 1993 rechtlich, 1999 tatsächlich) in Erfurt (mit jeweils Berufsrichtern und ehrenamtlichen Richtern) zuständig. Als Obergericht in Verwaltungsstreitigkeiten wird durch Gesetz vom 23. 9. 1952 das Bundesverwaltungsgericht (in Berlin bzw. ab 1997 rechtlich bzw. 2002 tatsächlich in Leipzig) geschaffen und außerdem werden durch die Verwaltungsgerichtsordnung (21. 1. 1960) einheitlich Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (im Norden) bzw. Verwaltungsgerichtshöfe (im Süden) vorgesehen.

Das Sozialgerichtsgesetz vom 3. 9. 1953 legt für die Sozialgerichtsbarkeit die Gliederung in Sozialgerichte, Landessozialgerichte und das am 11. 9. 1954 in Kassel eröffnete Bundessozialgericht fest. Außerdem werden für Steuerstreitigkeiten die Finanzgerichte eingerichtet, an deren Spitze der seit dem 1. 9. 1950 tätige Bundesfinanzhof in München steht. An die Stelle des ursprünglich vom Grundgesetz vorgesehenen Obersten Bundesgerichts ist durch Gesetz vom 18. 6. 1968 der Gemeinsame Senat der genannten Bundesgerichte getreten, welcher der Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der verschiedenen Gerichtszweige dienen soll.

Dem Bundesverfassungsgericht entsprechen auch in den Ländern Verfassungsgerichte. Außerhalb des staatlichen Rechtes stehen der europäische Gerichtshof (1952/1953 in Luxemburg, 2009 Gerichtshof) sowie die europäischen Menschenrechtskommission bzw. der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (in Straßburg). Sie können unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls angerufen werden.

Die Zahl der (wissenschaftlich ausgebildeten) Volljuristen steigt bis 1990 auf mehr als 100000 und bis 1995 auf mehr als 150000 an. Allerdings hat der Staat nicht mehr genügend finanzielle Mittel, um sie mit ausreichenden Einkünften zu versorgen. Deswegen wird ihr zunehmend größerer Teil als Rechtsanwalt tätig.

Die Deutsche Demokratische Republik, in der die Rechtsprechung zur Lösung der Aufgaben der sozialistischen Staatsmacht beitragen soll, kennt weder eine Verfassungsgerichtsbarkeit noch eine Verwaltungsgerichtsbarkeit (ab 1. 7. 1989 besteht bis zum Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit, behördliche Entscheidungen u. a. in Reiseangelegenheiten, Bauangelegenheiten, bei Gestattung von Veranstaltungen oder Anerkennung von Vereinigungen einer kreisgerichtlichen Überprüfung zuzuführen). Im Übrigen ist die Gerichtsbarkeit in das Oberste Gericht, die (15) Bezirksgerichte, die Kreisgerichte und die besonderen gesellschaftlichen Gerichte (Konfliktkommissionen in Betrieben, Schiedskommissionen in Wohngebieten) gegliedert. Die Richter werden durch Volksvertretung oder die Bürger (auf 6 Jahre) gewählt und können jederzeit abberufen werden (Volksrichter).

Die Zivilprozessordnung wird auch nach der Neubekanntmachung durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung u. s. w. (12. 9. 1950), durch das nationalsozialistisches Gedankengut entfernt und die inzwischen eingetretene Rechtszersplitterung aufgehoben wird, vielfach geändert. Besonders bedeutsam sind dabei die zur Anpassung an den Währungsverfall und zur Entlastung erfolgten Erhöhungen der Zuständigkeitsgrenzen des Amtsgerichts und der Revisionssummen, die dem Schuldnerschutz dienenden Verschiebungen der Pfändungsgrenzen und die durch das Gesetz zur Entlastung der Landgerichte (20. 12. 1974) erfolgende wesentliche Erweiterung der Rechte des Einzelrichters. 1980 wird das Armenrecht durch die Beratungshilfe und die Prozesskostenhilfe ersetzt.

In Österreich wird 1983 die Entlastung der Gerichtsbarkeit durch eine Novelle zur Zivilprozessordnung angestrebt (Beschränkung der Senatsgerichtsbarkeit und der Revisionsmöglichkeit).

Auch die Strafprozessordnung der Bundesrepublik Deutschland wird vielfach abgeändert, wobei zunächst die Beseitigung des nationalsozialistischen Gedankenguts angestrebt und dann 1965 und 1969 auch die Verfolgungsverjährung für nationalsozialistische Verbrechen eingeschränkt wird. Daneben dient eine Reihe von Reformen der Verbesserung der Stellung der Beschuldigten, die im Interesse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege wenig später wieder verschlechtert wird (1974 Beseitigung der gerichtlichen Voruntersuchung und des sog. Schlussgehörs, Möglichkeit des Verteidigerausschlusses und der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten, Möglichkeit des Absehens von der Verfolgung geringfügiger Vergehen, 1978 Einführung der Trennscheibe zwischen Beschuldigtem und Besuchern). 1987 werden verschiedene Einzelheiten mit dem Ziel geändert, umfangreichere Strafverfahren zu beschleunigen sowie die Strafjustiz zu entlasten und 1998 werden alle nationalsozialistischen Unrechtsurteile aufgehoben.

1974 wird die Bezeichnung Geschworene aufgegeben. Dessenungeachtet wird am Schwurgericht als der Bezeichnung einer besonderen, erstinstanzlich für die Aburteilung besonders schwerer Verbrechen zuständigen, mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzten Strafkammer des Landgerichts festgehalten. Seit 1976 verpflichtet ein Gesetz den Staat zur Entschädigung von Opfern von Gewaltverbrechen (Opferentschädigungsgesetz).

In dem Verwaltungsstreitverfahren erfolgt eine einheitliche Neuordnung durch die Verwaltungsgerichtsordnung (21. 1. 1960), die das Verwaltungsgerichtsgesetz der amerikanischen (und französischen Zone) sowie die Militärverordnung Nr. 165 der britischen Zone ablöst. Sie kennt vor allem Anfechtungsklage, Verpflichtungsklage, Feststellungsklage und allgemeine Leistungsklage. Außerdem regelt sie für die Anfechtungsklage und die Verpflichtungsklage das Vorverfahren dadurch einheitlich, dass in einem besonderen Widerspruchsverfahren vor Erhebung der Klage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts bzw. seiner Ablehnung von Verwaltungs(ober)behörden nachzuprüfen sind (später teilweise wieder eingeschränkt).

Die übrigen Streitverfahren sind in besonderen Verfahrensgesetzen geregelt (Bundesverfassungsgerichtsgesetz 1951, Arbeitsgerichtsgesetz 1953, Sozialgerichtsgesetz 1953, Finanzgerichtsordnung 1965). Sie nehmen vielfach auf die Zivilprozessordnung Bezug. Wegen der ständigen Zunahme der Belastung dieser Gerichte bemüht sich der Gesetzgeber um Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren

In der Deutschen Demokratischen Republik wird das Verfahrensrecht neu geordnet in der Zivilprozessordnung vom 19. 6. 1975 und in der Strafprozessordnung vom 12. 1. 1968. Wesentlich ist in allen Verfahren die Beteiligung des Staatsanwalts (Neuordnung 1977), dem als besonderes Rechtsmittel der Protest zusteht. Der Verteidiger darf nicht einseitig die Interessen des Mandanten vertreten.

Das Strafrecht wird zunächst vom nationalsozialistischen Gedankengut gereinigt. Danach werden zahlreiche Reformgedanken aufgenommen. Zum 2. 1. 1975 erfolgt eine Neufassung des Strafgesetzbuchs.

Strafzweck ist demnach, wie es der von 14 Strafrechtslehrern 1966 vorgelegte sog. Alternativentwurf fordert, vor allem die Resozialisierung des Täters. Durch den Strafvollzug soll der Täter gebessert werden (Spezialprävention). Er soll künftig keine Straftaten mehr begehen und die Gemeinschaft soll vor weiteren Straftaten geschützt sein.

Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit bereits vor der Tat gesetzlich festgelegt ist, womit Analogie und Rückwirkung grundsätzlich ausgeschlossen sind. Da weiter Schuld Voraussetzung einer Strafe ist, sind alle durch einen schuldlos herbeigeführten Erfolg qualifizierten Tatbestände aufgegeben. Strafbar sind nur noch Verbrechen und Vergehen, während die früheren Übertretungen zwecks Entkriminalisierung von Bagatellfällen in das Ordnungswidrigkeitenrecht überführt sind (1969).

Hinsichtlich des allgemeinen Aufbaus des Straftatbestands bestehen in der Wissenschaft unterschiedliche Ansichten. Insgesamt wird zunächst die früher vorherrschende kausale Handlungslehre von der sog. finalen Handlungslehre zunehmend zurückgedrängt. In der sozialen Handlungslehre kommt es zu einem gewissen Ausgleich der beiden Richtungen.

Danach gehört der Vorsatz als subjektiver Tatbestand zum Tatbestand im engeren Sinn und auch zur Schuld. Der Verbotsirrtum schließt nunmehr, wenn er unvermeidbar ist, die Entstehung von Schuld aus und führt, wenn er vermeidbar ist, zur Möglichkeit der Milderung der Strafe. Schwierig ist der Aufbau des Fahrlässigkeitsdelikts.

Bei den einzelnen Delikten des besonderen Teiles (1993 rund 6,75 Millionen erfasste Straftaten, davon rund 4 Millionen Diebstähle) wirkt sich die seit den 60er Jahren stattfindende Liberalisierung aus. 1969 werden einfache Homosexualität, Unzucht mit Tieren und Ehebruch (Österreich 1996) straflos, 1973 Missbrauch von Abhängigen und Zuhälterei zum Vergehen zurückgestuft und Kuppelei und Pornographie entschärft, 1995 wird die Homosexualität straffrei, doch wird umgekehrt die Vergewaltigung in einer Ehe strafbar. Bei der Abtreibung wird nach dem Scheitern der sog. Fristenlösung (1974), die einen Schwangerschaftsabbruch generell innerhalb einer 12-Wochen-Frist zulassen will, eine Indikationslösung, die dafür bestimmte Voraussetzungen erfordert, eingeführt (18. 5. 1976), die das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, so dass 1995 eine abgeänderte Fristenlösung gesetzlich festgelegt wird.

Umgekehrt werden zunächst zur Bekämpfung des Terrorismus neue Straftatbestände geschaffen (1971, 1976) und wird gegen Wirtschaftskriminalität entschiedener vorgegangen (1976 Subventionsbetrug, Konkursstraftaten). Außerdem verschärft sich allmählich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Trunkenheit am Steuer. 1980 wird das Umweltstrafrecht umfassend in das Strafgesetzbuch einbezogen, 1990 wird ein Embryonenschutzgesetz geschaffen.

Von den Strafen wird die Todesstrafe bereits durch das Grundgesetz (1949) beseitigt. Im Zuge der späteren Reformen wird die Zuchthausstrafe abgeschafft, die kurze Freiheitsstrafe wegen ihrer schädlichen Folgen eingeschränkt und werden für die Geldstrafe nach skandinavischem Vorbild durch Verhängung von Tagessätzen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters berücksichtigt (1969/1975). Den Resozialisierungsbestrebungen dienen neben der schon 1953 zugelassenen Strafaussetzung zur Bewährung und bedingten Entlassung zur Bewährung die Unterbringung persönlichkeitsgestörter Täter in einer sozialtherapeutischen Anstalt (1969) sowie die Verwarnung mit Strafvorbehalt.

Bedeutung gewinnt seit 1990 auch ein unmittelbarer Ausgleich zwischen Täter und Opfer. Er soll eine außergerichtliche Belegung oder eine gerichtliche Strafmilderung erreichen. Der Strafvollzug, der aber in vielen Fällen den Rückfall nicht verhindert, wird gesetzlich geregelt (16. 3. 1976).

In der Deutschen Demokratischen Republik löst das Strafgesetzbuch vom 12. 1. 1968 das Reichsstrafgesetzbuch ab. Es betont die Spezialprävention, beruht auf dem Schuldprinzip und scheidet die Übertretungen aus dem Strafrecht aus. Die besonderen Tatbestände sind zum Teil neu gefasst.

Zu den Strafen zählt (wie beispielsweise auch in Belgien bis 1996) bis 1987 auch die Todesstrafe. Im Strafvollzug, der in einem Gesetz vom 12. 1. 1968 geregelt war, soll vor allem gesellschaftlich nützliche Arbeit geleistet werden. Zum 1. 7. 1989 werden in das Strafgesetzbuch neue Formen von Eigentumsdelikten sowie Tatbestände von Verstößen gegen Umweltschutz und Datenschutz aufgenommen, doch ersetzt zum 3. 10. 1990 das Strafgesetzbuch der Bundesrepublik das Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik.

In Österreich wird 1950 (im standgerichtlichen Verfahren 1968) die Todesstrafe abgeschafft. 1969 wird ein Strafvollzugsgesetz geschaffen, 1973/1975 wird das Strafrecht reformiert. Das Strafrechtsänderungsgesetz von 1987 ordnet das Umweltstrafrecht neu und führt den Strafbestand der Vergewaltigung in der Ehe ein, während zu dem 1. 7. 1989 die körperliche Züchtigung als Mittel der Kindererziehung verboten wird (§ 146a ABGB).

Das Recht der katholischen Kirche wird am 27. 11. 1983 in einem neuen Codex iuris canonici neu geordnet (Allgemeine Normen, Kirchenverfassung, Verkündigungsdienst der Kirche, Sakramente, Kirchenvermögen, Strafen, Prozessrecht).

Im Privatbereich ergeben sich zahlreiche Veränderungen aus einer Vielzahl von Einzelgesetzen, Entscheidungen und wissenschaftlichen Arbeiten. Ein europäisches Privatgesetzbuch könnte die unterschiedlichen Gestaltungen der einzelnen Mitgliedstaaten beseitigen. Es scheitert bisher an der egoistischen Ausübung der Souveränität durch die verantwortlichen Politiker der Mitgliedstaaten.

Im Recht der natürlichen Personen setzt das Gesetz vom 31. 7. 1974 das Volljährigkeitsalter und damit zugleich die grundsätzliche Ehemündigkeit auf das vollendete 18. Lebensjahr fest (in Österreich ab 1. 7. 1973 Volljährigkeit mit 19 Jahren, ab 1. 7. 2001 mit 18 Jahren). Daneben erkennt die Rechtsprechung auf Grund der Art. 1, 2 des Grundgesetzes auch über die bisherigen Einzelausprägungen hinaus ein allgemeines Persönlichkeitsrecht an. Das im Dritten Reich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch entfernte Verschollenheitsrecht wird gesetzlich neu gefasst und wieder eingefügt (1951).

Bei den Personenverbänden setzt sich die Gleichstellung des nichtrechtsfähigen Vereins mit dem rechtsfähigen Verein in der Rechtsprechung weiter durch. Umgekehrt wird die strikte Trennung zwischen juristischer Person und ihren Mitgliedern in einzelnen Fällen in der Form der sog. Durchgriffshaftung aufgegeben. Das Umwandlungsgesetz (12. 11. 1956/6. 11. 1969) lässt die einfache Umwandlung zwischen juristischen und natürlichen Personen des Wirtschaftsrechts zu.

In der Rechtsgeschäftslehre werden die Figuren der Duldungsvollmacht und Anscheinsvollmacht weiterentwickelt. Daneben werden die allgemeinen Geschäftsbedingungen einer gesetzlichen Regelung unterworfen (1. 4. 1977), die in erster Linie den Verbraucher schützen soll. Das Haustürgeschäftswiderrufgesetz vom 16. 1. 1986 bestimmt, dass eine auf Abschluss eines Vertrags über eine entgeltliche Leistung gerichtete Willenserklärung eines Kunden in bestimmten Fällen erst wirksam wird, wenn sie der Kunde nicht binnen einer Frist von einer Woche schriftlich widerruft (seit 1. 1. 2002 §§ 312, 312a BGB), und das Verbraucherkreditgesetz löst zum 1. 1. 1991 das Abzahlungsgesetz ab.

In Österreich schützt das Konsumentenschutzgesetz vom 8. 3. 1979 in ähnlichen Fällen den Verbraucher gegenüber Unternehmern.

In der Deutschen Demokratischen Republik wird das Personenrecht nach früheren Einzelgesetzen durch das Zivilgesetzbuch vom 19. 6. 1975, welches das zunächst noch geltende Bürgerliche Gesetzbuch zum 1. 1. 1976 ablöst, neu festgelegt. Danach besteht Handlungsunfähigkeit bis 6 und unbeschränkte Handlungsfähigkeit ab 18, werden Vereine beschränkt und wird die Stiftung beseitigt. Diese Veränderungen werden mit der Herstellung der deutschen Einheit 1990 wieder aufgehoben.

Das Familienrecht unterliegt umfassenden Wandlungen. Sie beruhen vor allem auf der Emanzipation der Frau. Dementsprechend betreffen sie vor allem das Eherecht.

Das nationalsozialistische Ehegesetz bleibt nach einer gewissen Bereinigung zunächst unverändert erhalten. Dagegen tritt nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts schon zum 31. 3. 1953 alles dem Gleichberechtigungsgrundsatz der Verfassung entgegenstehende Recht von selbst außer Kraft. Da der Gesetzgeber längere Zeit untätig bleibt, ist der daraus folgende Rechtszustand streitig.

Allmählich setzt sich die Ansicht durch, dass die Gütertrennung der gesetzliche Güterstand sein müsse. Das Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 bringt dann eine Neuregelung, welche die gegenseitige Verpflichtung der Eheleute zum angemessenen Unterhalt der Familie begründet und die Zugewinngemeinschaft (Gütertrennung mit Wertausgleich der Zugewinne beider Ehegatten nach Auflösung der Ehe) beim Fehlen einer abweichenden ehevertraglichen Regelung zum grundsätzlichen Güterstand (Regelgüterstand) erhebt und daneben Gütertrennung und Gütergemeinschaft als durch abweichende Vereinbarung mögliche Wahlgüterstände zulässt. Eine weitere Veränderung folgt aus der Familienrechtsreform vom 14. 6. 1976, die das Namensrecht stärker egalisiert (Name der Frau kann Familienname werden, seit 1995 ist überhaupt kein gemeinsamer Familienname von Mann und Frau mehr nötig) und das seit etwa 1956 durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und 1961 durch § 48 II EheG im Sinne grundsätzlicher Unauflöslichkeit eingeschränkte Ehescheidungsrecht unter Rückführung in das Bürgerliche Gesetzbuch liberalisiert (Zerrüttungsprinzip mit verbessertem Vermögensausgleich, der den Partner an den Rentenansprüchen des Ehegatten teilhaben lässt).

1979 wird weltweit eine Vereinbarung zur Abschaffung aller Formen der Diskriminierung von Frauen beschlossen. 1996 wird in den Niederlanden vom Parlament die Eheschließung zweier Personen gleichen Geschlechts befürwortet. Rechtstatsächlich verliert die Eheschließung an Bedeutung und wird durch die Zulassung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft relativiert.

Die ebenfalls durch das Gleichberechtigungsgesetz getroffene Regelung der elterlichen Gewalt, welche die Vertretung der Kinder dem Vater überträgt und ihm auch einen Stichentscheid bei fehlender Einigung der Eltern einräumt, wird vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt (29. 7. 1959). Am 18. 7. 1979 wird die elterliche Gewalt durch die elterliche Sorge ersetzt, durch welche die Pflichtigkeit der Eltern besonders betont werden soll. Im Rahmen der elterlichen Sorge sind die Kinder in gewissem Umfang an wichtigen Entscheidungen zu beteiligen.

Für die nichtehelichen Kinder besteht die erste Verbesserung nur darin, dass die Unterhaltsverpflichtung des Erzeugers bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes verlängert wird (11. 8. 1961). Nach einer Fristsetzung durch das Bundesverfassungsgericht wird dann entsprechend dem Verfassungsauftrag das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder beschlossen (19. 8. 1969), das die unehelichen Kinder in nichteheliche Kinder umbenennt und die Verwandtschaft zwischen Kind und Erzeuger anerkennt. Der Unterhaltsanspruch wird erweitert und durch die Regelunterhaltsverordnung (27. 6. 1970) präzisiert.

Gegenüber dem ehelichen Kind bleiben aber Unterschiede bestehen, Sie betreffen etwa die Feststellung der Vaterschaft, den Namen, die elterliche Sorge, den Unterhalt und das Erbrecht. Am 12. 6. 1991 entscheidet das Bundesverfassungsgericht, dass den Eltern eines nichtehelichen Kindes gemeinsam das Sorgerecht zustehen kann.

In mehreren Schritten wird auch die Adoption vereinfacht (1961, 1969, 1973, 1976). Im Vormundschaftsrecht wird die Entmündigung zum 1. 1. 1992 durch die Betreuung ersetzt. Durch sie verliert der Betreute nicht mehr grundsätzlich die vollständige Geschäftsfähigkeit, ist aber doch rechtlich und tatsächlich eingeschränkt.

In der Deutschen Demokratischen Republik wird das Familienrecht durch das Familiengesetzbuch vom 20. 12. 1965 völlig neu geordnet. Dabei werden Egalisierung im Namensrecht, erleichterte Scheidung ohne Unterhaltsansprüche sowie die Errungenschaftsgemeinschaft eingeführt. Kinder sollen zu Erbauern des Sozialismus geformt werden (Jugendgesetz von 1964), doch wird das Familiengesetzbuch 1990 durch das Bürgerliche Gesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland ersetzt.

In Österreich werden 1975 die Eheleute hinsichtlich des Erwerbs, des Unterhalts und der Haushaltsführung gleichgestellt. 1977 erhalten sie gleiche Zuständigkeiten gegenüber ihren Kindern. 1978 wird das Güterrecht im Sinne der Zugewinngemeinschaft geordnet, erhält der überlebende Ehegatte ein Pflichtteilsrecht und wird durch § 55a EheG eine einvernehmliche Scheidung vor dem Außerstreitrichter zugelassen (etwa 80 Prozent), wobei nach sechsjähriger Auflösung der ehelichen Gemeinschaft die Widerspruchsmöglichkeit eines nicht schuldigen Ehegatten endet (z. B. Ehesache Bundespräsident Klestil).

1984 ersetzt das Gesetz über die Sachwalterschaft für behinderte Personen die Entmündigungsordnung des Jahres 1916. 1970 wird die Stellung des unehelichen Kindes verbessert. § 166 ABGB überträgt der Mutter 1989 die Obsorge (Pflege, Erziehung, Vertretung, Vermögensverwaltung) und beseitigt für den Regelfall die gesetzliche Amtsvormundschaft.

Nach § 167 ABGB kann auf gemeinsamen Antrag beider Eltern eines unehelichen Kindes diesen die Obsorge erteilt werden. Voraussetzung dafür ist, dass sie mit dem Kind in dauernder häuslicher Gemeinschaft leben. § 186a ABGB verbessert schließlich auch die Rechtsstellung von Pflegeeltern.

Im Erbrecht werden die nationalsozialistischen Eingriffe rückgängig gemacht durch Aufhebung des Reichserbhofgesetzes (20. 2. 1947) und Wiedereinfügung des Testamentsrechts in das Bürgerliche Gesetzbuch (5. 3. 1953). Die damit beseitigte Sondererbfolge für Erbhöfe wird in der britischen Zone durch eine Höfeordnung (24. 4. 1947/26. 7. 1976) zur Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Betriebe wieder eingeführt. Daneben lässt die Rechtsprechung im klaren Widerspruch zum Bürgerlichen Gesetzbuch auch eine Sondererbfolge eines von mehreren Erben in Gesellschaften und Gesellschaftsanteile zu.

Die Erbfolge ändert sich vor allem auf Grund der familienrechtlichen Neuordnung. Nach dem Gleichberechtigungsgesetz (1957) erhöht sich der Erbteil des überlebenden Ehegatten im Falle der Zugewinngemeinschaft um ein Viertel (erbrechtliche Lösung im Gegensatz zur sog. güterrechtlichen Lösung). Erzeuger und nichteheliches Kind erhalten ein gegenseitiges Erbrecht (1969), das zunächst im Fall der Beerbung des Vaters durch nahe Verwandte zu einem Erbersatzanspruch (Wertanspruch) schwindet, zum 1. 4. 1998 aber uneingeschränkt gewährt wird, wobei das nichteheliche Kind außerdem statt dessen schon zu Lebzeiten des Erzeugers einen vorzeitigen Erbausgleich verlangen kann.

In der Deutschen Demokratischen Republik wird das Erbrecht ebenfalls durch das Zivilgesetzbuch (1975) neu geregelt. Wegen der umfassenden Beseitigung des Privateigentums und der konfiskatorischen Erbschaftsteuer (45-80 %) ist es aber praktisch bedeutungslos. Die Veränderungen sind mit Herstellung der deutschen Einheit wieder aufgegeben.

In Österreich wird 1970 das Erbrecht der unehelichen Kinder verbessert. 1991 wird das uneheliche Kind dem ehelichen Kind gleichgestellt. Allerdings kann der Pflichtteil nach dem Vater testamentarisch halbiert werden, wenn zwischen Vater und unehelichem Kind nie ein familiäres Naheverhältnis bestand.

Bei den Sachen wird seit 1988 in Österreich (§ 285 ABGB) und seit 1990 in Deutschland (§ 90a BGB) das Tier nicht mehr als Sache angesehen. Es ist vielmehr Mitgeschöpf bzw. schmerzempfindendes Lebewesen, das der Mensch entsprechend seinen Interessen gebraucht (Katze, Hund, Pferd, Rind, Schwein). Als besonderes Recht für Tiere besteht im Grunde nur das Tierschutzgesetz, während im Übrigen im Zweifel das Sachenrecht weiter entsprechend auf Tiere angewendet wird, so dass der Mensch Tiere weitgehend unbegrenzt töten darf.

Die Stellung des Eigentümers wird zwar auf Grund der im Grundgesetz niedergelegten Sozialbindung diskutiert, aber außer durch das Baurecht und vielleicht Wirtschaftsrecht nicht stärker angegriffen. Das Grundstücksverkehrsgesetz (28. 7. 1961) fordert in Fortführung der Grundstücksverkehrsbekanntmachung von 1918 eine staatliche Genehmigung für die Veräußerung landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Grundstücke. Außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird aus gesellschaftspolitischen Überlegungen (Eigentum sichert Freiheit) ein besonderes Eigentum an Wohnungen (Wohnungseigentumsgesetz 15. 3. 1951, in Österreich 1948 zunächst nur für Einzelne, 1975 auch für Ehepaare, 2002 auch für andere Personengemeinschaften, Sondereigentum an Wohnung, Miteigentumsanteil an Grundstück) sowie ein Dauerwohnrecht geschaffen.

Neben dem Eigentum gewinnt wegen des immer weiter verbreiteten Eigentumsvorbehalts die Anwartschaft als eine mit dem Eigentum wesensgleiche Vorstufe, auf die das Eigentumsrecht entsprechend anzuwenden ist, erhebliche Bedeutung. Sicherungsübereignung und (Sicherungs-)Grundschuld drängen das Pfandrecht und das Hypothekenrecht weiter zurück. Die Rechtsprechung lehnt die Anerkennung des gutgläubigen Erwerbs gesetzlicher Pfandrechte (Werkunternehmer) ab.

In der Deutschen Demokratischen Republik ist der Eigentumsbegriff aufgespalten. An dem die wesentlichen Vermögensgüter erfassenden sozialistischen Eigentum ist nur eine Nutzung des Bürgers möglich, während das auf Arbeitseinkünfte, Erfinderrechte, Wohnungsausstattung, Gegenstände des persönlichen Bedarfs sowie der Befriedigung der Wohnbedürfnisse und Erholungsbedürfnisse dienende Grundstücke und Gebäude beschränkte persönliche Eigentum nur unter Beachtung gesellschaftlicher Interessen benutzt werden darf. Das Zivilgesetzbuch (1975) gibt Abstraktionsprinzip, gutgläubigen Erwerb, Besitzrecht, Grunddienstbarkeit, Erbbaurecht und Grundschuld weitgehend auf und führte ein besitzloses Pfandrecht ein, wird aber 1990 durch das Bürgerliche Gesetzbuch abgelöst.

Bei den Schulden bleibt Grundsatz die Privatautonomie, die allerdings außer durch die nachkriegsbedingte Zwangswirtschaft auch durch die zunehmende Konzentration in der Wirtschaft und die dadurch verursachte Ungleichheit der Rechtssubjekte beeinträchtigt und außerdem insbesondere durch die allgemeinen Geschäftsbedingungen in weiten Bereichen fast ganz beseitigt wird. Andererseits führt die wissenschaftliche Diskussion dazu, dass der auch vom Bundesgerichtshof zeitweise anerkannte, bloß tatsächliches Verhalten erfordernde faktische Vertrag wieder zurückgedrängt wird. Die Formfreiheit wird wegen der Missstände auf dem der Hochkonjunktur unterworfenen Bausektor insoweit eingeschränkt, als auch die Verpflichtung zum Erwerb des Eigentums an Grundstücken der Beurkundung, die im Übrigen seit dem 28. 8. 1969 generell den Notaren vorbehalten ist, bedürftig gemacht wird (30. 5. 1973).

Daneben wird der allgemeine Teil des Schuldrechts von Rechtsprechung und Wissenschaft weiter ausgebaut. Insbesondere wird der Anwendungsbereich des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) erweitert. Außerdem wird etwa der Wegfall der Geschäftsgrundlage stärker beachtet, der Schadensbegriff, bei dem eine eindeutige Tendenz zur Kommerzialisierung von Nichtvermögensschäden sichtbar wird, vertieft, beim Rücktritt ein Rückgewährschuldverhältnis anerkannt, der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten leistungsnaher schutzbedürftiger Dritter herausgearbeitet, werden die Globalabtretung und Sicherungsabtretung zugelassen und wird 1998 die Haftung Minderjähriger beschränkt.

Bei den einzelnen rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnissen finden sich vor allem bei dem Kauf, der Miete und dem Dienstvertrag Veränderungen. Dabei führen im Kaufrecht soziale Überlegungen zu mehreren Reformen des Abzahlungsgesetzes. 1969 werden die Schriftform und die Klarlegung des tatsächlichen Ratenzuschlags verbindlich und die Möglichkeiten von Gerichtsstandsvereinbarungen eingeschränkt. 1974 erhält der Käufer ein befristetes unverzichtbares Widerrufsrecht und 1990 wird das Abzahlungsgesetz durch das weiterreichende Verbraucherkreditgesetz gänzlich beseitigt, während der internationale Kauf von beweglichen Sachen in zwei auf internationalen Vereinbarungen beruhenden Kaufgesetzen (17. 7. 1973) völlig neu geordnet wird, ohne dass sich dies auf den Einzelnen stärker auswirkt.

Das Mietrecht unterliegt nach dem zweiten Weltkrieg der Zwangsbewirtschaftung und dem Preisstopp, die im Wohnraumbewirtschaftungsgesetz (1953) und im Bundesmietengesetz (1955) neu geregelt werden. Mit dem Wiederaufbau wird in der Folge die Zwangswirtschaft eingeschränkt (1960 Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht) und dann grundsätzlich völlig aufgegeben (31. 12. 1967). Der Mieter wird aber durch soziale Regelungen neuer Gesetze geschützt (1971/1974 Wohnraumkündigungsschutzgesetze).

In Österreich will das 1982 in Kraft getretene Mietrechtsgesetz marktwirtschaftliche Aspekte einbringen.

Das Dienstvertragsrecht spaltet sich endgültig in das Recht der selbständigen und unselbständigen Dienste auf. Das Recht der unselbständigen Dienste wird in der Form des Arbeitsrechts weiter ausgebaut. Seine Grundregeln sind allerdings nach wie vor im Bürgerlichen Gesetzbuch im Dienstvertragsrecht enthalten.

1979 wird der Reisevertrag als besonderer Vertragstyp des Werkvertrages gesetzlich geregelt. Dies trägt der Zunahme des Reisens in einer globalisierten Welt Rechnung. Der Reisende wird gegenüber dem Reiseveranstalter stärker geschützt.

Für die ungerechtfertigte Bereicherung werden die beiden Typen der Leistungskondiktion und der Nichtleistungskondiktion grundsätzlich unterschieden. Bei der unerlaubten Handlung wird eine Auseinandersetzung mit den neuen strafrechtsdogmatischen Erkenntnissen gefordert. Als neues deliktisch geschütztes Rechtsgut wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht angenommen.

Der Einschränkung der Schadensersatzpflicht dient die Figur des Schutzbereichs der Norm. Von der Rechtsprechung wird das Schmerzensgeld entgegen der gesetzlichen Vorschrift und unter Berufung auf das Grundgesetz auch bei bisher nicht erfassten Rechtsgüterverletzungen gewährt. Bei allen deliktisch geschützten Rechtsgütern kann außer Unterlassung von Störungen auch Beseitigung von Schäden verlangt werden.

Die Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen wird als unbefriedigend angesehen, doch scheitert eine gesetzliche Neuregelung. Die Haftung des Produzenten gegenüber dem Endverbraucher wird gefordert, aber erst nach einiger Zeit grundsätzlich anerkannt und danach nur unbefriedigend gesetzlich geregelt. (Produktionshaftungsgesetz 1990, aufgrund einer EG-Richtlinie, Österreich 1988). Die Gefährdungshaftung wird in Einzelgesetzen weiter ausgedehnt (Atomgesetz [1959, in Österreich 1964], Wasserhaushaltsgesetz [1957], Produkthaftungsgesetz [1990], Umwelthaftungsgesetz [1991]).

In der Deutschen Demokratischen Republik wird zunächst durch das unter Betrieben geltende Vertragsgesetz (11. 12. 1957/25. 2. 1965) die Vertragsfreiheit beseitigt und durch das Arbeitsgesetzbuch (12. 4. 1961) das Arbeitsrecht besonders geregelt. Im Übrigen bieten die Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuches bis zu seiner Ablösung durch das Zivilgesetzbuch (1976) hinreichende Möglichkeiten zur Verwirklichung sozialistischer Vorstellungen. Das neue Gesetzbuch ordnet dann das Schuldrecht relativ knapp und unter gewisser Bewahrung (z. B. Leistungsstörungen), aber auch erheblicher Abänderung (z. B. Nichtigkeit bei Verstoß gegen die sozialistische Moral) der traditionellen schuldrechtlichen Institute, wird aber 1990 durch das Bürgerliche Gesetzbuch ersetzt.

Das Handelsrecht der Bundesrepublik Deutschland wird 1953 den Handwerkern und 1976 auch den Landwirten eröffnet. Weiter wird das Handelsvertreterrecht unter Ersetzung der Bezeichnung Handelsagent (1953) neu geregelt und ein positiver Schutz des Vertrauens auf die Richtigkeit einer registergerichtlichen Bekanntmachung (1969) eingeführt. 1998 werden unter Aufgabe der Unterscheidung zwischen Vollkaufmann und Minderkaufmann, Musskaufmann und Sollkaufmann Kaufmann und Handelsgewerbe vereinfacht (Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert).

Das Recht der immer bedeutsameren Aktiengesellschaften wird 1959 (Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, Ausgabe eigener Aktien, Verschärfung der Publizitätsvorschriften), 1965 (Herabsetzung des Mindestnennbetrags, stärkerer Schutz der Aktionäre, Verstärkung der Stellung der Hauptversammlung und der Kontrolle der laufenden Verwaltung, weitere Verschärfung der Publizitätsvorschriften, Regelung des Konzernrechts) und 1979 im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft geändert. Das Genossenschaftsgesetz wird 1973, das Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung 1981 überarbeitet (Mindeststammkapital 50000 DM, Zulassung der Gründung einer Einmann-GmbH) (in Österreich Reform 1980) und im Wettbewerb mit der englischen Limited durch eine erheblich vereinfachte Unternehmergesellschaft (2008) ergänzt.

In Österreich ersetzt 1991 ein auf die automatische Datenverarbeitung gestütztes Firmenbuch das Handelsregister. Als kleine eintragbare Gesellschaftsformen werden offene Erwerbsgesellschaft und Kommanditerwerbsgesellschaft eingeführt. 2005 wird ab 2007 das Handelsgesetzbuch durch ein Unternehmensgesetzbuch ersetzt.

Im Bereich der Wertpapiere gewinnen allgemein die Investmentgesellschaften, deren Recht im Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften geordnet wird (1957/1970), an Gewicht. Das Pflichtversicherungsgesetz (1965) gibt dem Geschädigten einen Direktanspruch gegen den Versicherer eines auf Schadensersatz haftenden Kraftfahrzeughalters. Das Urheberrecht wird 1965 unter erheblicher Verbesserung der Stellung des Urhebers reformiert und für Marken wird 1994 ein neues Markenrecht geschaffen.

Das Wirtschaftsrecht wird zunehmend durch das europäische Gemeinschaftsrecht beeinflusst. Daneben ist der nationale Gesetzgeber schon früher gezwungen, die aus der steigenden Machtkonzentration in der Wirtschaft erwachsenden Gefahren durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz 27. 7. 1957) zu bekämpfen, das später noch verschärft wird (3. 8. 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Beseitigung der vertikalen Preisbindung für Markenartikel, Verstärkung der Missbrauchsaufsicht). Darüber hinaus räumt das während der Rezession von 1967 verabschiedete Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (8. 6. 1967) dem Staat die Befugnis ein, die Abstimmung der wesentlichen Wirtschaftsmächte anzuregen. Nicht verwirklichte Pläne sehen eine allgemeine Investitionslenkung vor.

Das Arbeitsrecht wird durch eine Fülle von Einzelgesetzen und höchstrichterlichen Entscheidungen weiter verbessert. Im Individualarbeitsrecht wird die Vorstellung des Arbeitsvertrags als eines personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses aufgegeben. Weiter verlagert die Rechtsprechung das Schadensrisiko zugunsten des Arbeitnehmers, der bei schadensgeneigter Tätigkeit, seit 1994 bei jeder Tätigkeit im Arbeitsverhältnis nicht jeden schuldhaft verursachten Schaden zu ersetzen hat, bei Schäden Dritter vom Arbeitgeber dementsprechend freigestellt werden muss und eigene Schäden auch ohne Verschulden des Arbeitgebers (von diesem bzw. seiner Berufsgenossenschaft) ersetzt erhält (vgl. für Österreich Dienstnehmerhaftpflichtgesetz vom 31. 3. 1965).

Außerdem befasst die Rechtsprechung sich intensiv mit der Verbindlichkeit von Gratifikationen. Das Lohnfortzahlungsgesetz (27. 7. 1969) sichert bis zu sechs Wochen den Lohn trotz Nichtleistung von Arbeit infolge Erkrankung (1994 Entgeltfortzahlungsgesetz), das Gesetz über das Konkursausfallgeld (17. 7. 1974) den Lohn trotz Konkurses des Arbeitgebers. Das Bundesurlaubsgesetz (8. 1. 1963) gewährleistet wie ältere Landesurlaubsgesetze einen Mindesturlaub.

Das Kündigungsschutzgesetz vom 10. 8. 1951 schreibt für die Kündigung, deren Fristen im Übrigen 1969 neu und 1993 einheitlich geregelt werden, eine soziale Rechtfertigung vor. Sie ist im Einzelfall vielfach umstritten. Das Ausbildungsplatzförderungsgesetz (7. 9. 1976) regelt die finanzielle Förderung der wegen der Kosten und der Einschränkung der Rechte des Ausbildenden unerwartet knapp gewordenen Ausbildungsplätze.

Im Arbeitsschutzrecht werden Heimarbeiterschutz (14. 3. 1951), Jugendschutz (9. 8. 1960, 12. 4. 1976 Jugendarbeitsschutzgesetz), Mutterschutz (24. 1. 1952) und Schwerbeschädigtenschutz (16. 6. 1953, 21. 4. 1974, Schwerbehinderte) neu geordnet. 1979 erhalten Mütter einen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub gegen den Arbeitgeber bis zu dem Tag, an dem das Kind 6 Monate alt wird. Das Ladenschlussgesetz (28. 11. 1956) verhindert ungünstige Arbeitszeiten für Ladenangestellte und die Arbeitsstättenverordnung (20. 3. 1975) stellt bestimmte Anforderungen an die Gestaltung der individuellen Arbeitsstätte.

Für das kollektive Arbeitsrecht sichert nach der Beseitigung nationalsozialistischen Rechtes das Grundgesetz die Koalitionsfreiheit. Der Arbeitskampf, als dessen Mittel Streik, Aussperrung und Boykott gelten, ist anerkannt. Das Tarifvertragsrecht wird durch das Tarifvertragsgesetz (11. 1. 1952/25. 8. 1969) geordnet (für Österreich vgl. das Kollektivvertragsgesetz von 1947).

Betriebsräte sind schon durch das Betriebsrätegesetz des Kontrollrats (17. 4. 1946) wieder zugelassen (für Österreich vgl. das Betriebsrätegesetz von 1947). Ihr Recht wird erst von Landesgesetzen bestimmt. Danach wird es vom bundeseinheitlichen Betriebsverfassungsgesetz (11. 10 1952/15. 1. 1972) geregelt, das die Arbeitnehmer über den Betriebsrat an der Organisation des Betriebs und des Arbeitsablaufs beteiligt.

Im Bereich der Montanindustrie bringt dagegen schon das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. 5. 1951 eine paritätische Mitbestimmung, indem es den Aufsichtsrat im Verhältnis von fünf Arbeitgebervertretern, fünf Arbeitnehmervertretern und einem gemeinsam bestimmten weiteren Mitglied besetzt. Das Mitbestimmungsgesetz vom 4. 5. 1976 führt danach überhaupt für Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person mit mehr als 2000 Arbeitnehmern die paritätische Besetzung des Aufsichtsrates durch Anteilseigner einerseits und Arbeiter, Angestellte und besondere leitende Angestellte andererseits ein. Dabei kann im Falle mangelnder Einigung der Aufsichtsratsvorsitzende letztlich von den Anteilseignervertretern bestimmt werden.

In der Deutschen Demokratischen Republik ist das Dienstrecht im Gesetz über Arbeit bzw. Arbeitsgesetzbuch vom 12. 4. 1961/23. 11. 1966 (Neufassung 1977) geregelt. Es versteht Arbeit als Mitarbeit an der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft. Ein Arbeitskampfrecht ist deshalb überflüssig, doch gilt ab 1990 das bundesrepublikanische Recht.

In Österreich wird 1973 ein ab 1974 geltendes Arbeitsverfassungsgesetz geschaffen.

Das im Einführungsgesetz des Bürgerlichen Gesetzbuchs geordnete internationale Privatrecht, das bestimmt, welche von mehreren konkurrierenden nationalen Rechtsordnungen auf einen Einzelfall (z. B. Deutscher heiratet Türkin in Spanien) Anwendung finden soll, gewinnt wegen der Globalisierung an Bedeutung. Es ist nationales Recht für die Kollision mehrerer nationaler Rechtsordnungen. Es wird wegen der sich ständig mehrenden Zahl solcher Fälle am 25. 7. 1986 neu geregelt (Österreich 1978, Schweiz 1989 Internationales Privatrechtsgesetz).


Anhang

Austriaca (für Österreich besonders wichtige Daten seiner Rechtsgeschichte)

600 (etwa) Volk der Bayern im nördlichen Voralpenland als germanisch-keltisch-römisches Mischvolk sichtbar (Lex Baiwariorum vor 743 oder vor 643?)

955 (Mark an der Donau, Mark an der Mur)

976 Herzogtum Kärnten (Kärnten, Steiermark, Osttirol, Lungau, Slowenien, Venetien)

976 Babenberger (Geschlecht, vielleicht aus Bamberg) als Grafen einer kleinen Mark an der mittleren Donau bezeugt

996 Ostarrihhi („Ostreich“ im Herzogtum der Bayern) in Urkunde Kaiser Ottos III. für den Bischof von Freising über Neuhofen an der Ybbs (ohne klare Abgrenzung) genannt

1073ff. Investiturstreit zwischen König/Kaiser und Papst

1122 Konkordat von Worms als vorläufige Beendigung des Investiturstreits

1141 Grafen von Tirol bezeugt (ältester Balken der Burg Tirol auf 1106 datiert)

1147 lateinisch Austria

1156 privilegium minus Kaiser Friedrich Barbarossas, Herzogtum Österreich eigenes Land für den Babenberger Heinrich (Jasomirgott und seine Frau Theodora), Weiberlehen

1180 Herzogtum Steiermark

1186 Georgenberger Handfeste für steirische Klöster und Ministeriale

1192 Erwerb der Steiermark durch die Babenberger im Erbweg

1221 Wien Stadtrecht

1221 (1221-1230) Wiener Neustadt Stadtrecht mit ältestem Beleg für Folter

1229 Tirol Landfriede

1239 Innsbruck Stadtrecht

1246 Babenberger ausgestorben (Anlass für Teilung ob der Enns/nid der Enns), König Ottokar von Böhmen erlangt Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain

1254 Österreich Landfriede

1275 (um 1275) Landwerdung Tirols

1276 Österreich Landfriede

1278 König Ottokar von Böhmen von König Rudolf I. von Habsburg auf dem Marchfeld getötet

1278 Landrecht Österreich (Kurzfassung mit 70 Artikeln)

1282 König Rudolf I. von Habsburg belehnt seine Söhne (Albrecht und Rudolf den Jüngeren) mit dem durch Tötung Ottokars von Böhmen frei gewordenen Herzogtum Österreich mit Steiermark

1300 Österreich (jüngeres) Landrecht (Langfassung mit 98 Artikeln)

1300 (um 1300) Raymund von Wiener Neustadt Summa legum brevis levis et utilis

1312 Tirol „Gesetz wider die landschädlichen Leute“

1335 Erwerb Kärntens und Krains durch den (habsburgischen) Herzog von Österreich

1350 (um 1350) Steiermark Landrechtsbuch

1350 (um 1350) Wien Stadtrechtsbuch

1358 Rudolf IV. von Habsburg lässt als Herzog Österreichs gefälschtes privilegium maius für Österreich herstellen (behaupteter Pfalzerzherzog)

1363 Erwerb Tirols durch Herzog Rudolf IV. von Habsburg bzw. von Österreich

1365 Universität Wien durch Rudolf IV. (von Habsburg) den Stifter errichtet

1368 Freiburg im Breisgau erkauft Freiheit vom Grafen von Freiburg und unterstellt sich Habsburg (wirksam bis 1805)

1375 (1375-1523) einzelne Grafschaften in dem späteren Vorarlberg an Habsburg

1379 Teilung der habsburgischen Herrschaft

1382 Triest freiwillig unter Herrschaft Habsburgs (bis 1918)

1396 weitere Teilung der habsburgischen Herrschaft

1400 (um 1400) Herrschaft zu Österreich = Dynastie der Habsburger, Gesamtheit der habsburgischen Länder

1411 bzw. 1412 Tirol letztes belegtes Gottesurteil, letzter gerichtlicher Zweikampf

1421 Wien Vernichtung der jüdischen Gemeinde

1453 Friedrich III. von Habsburg bestätigt als König des Heiligen römischen Reiches das von Rudolf IV. von Habsburg als Herzog von Österreich gefälschte privilegium maius (österreichische Freiheitsbriefe)

1457 Universität Freiburg im Breisgau (in Vorderösterreich)

1477 Erwerb Burgunds durch Habsburg (durch Heirat Maximilians mit Maria von Burgund)

1490 Oberösterreich (Tirol, Vorarlberg, Vorlande) Regiment

1493 Wiedervereinigung aller habsburgischen Linien unter Maximilian I.

1499 Tirol Malefizordnung bzw. Halsgerichtsordnung, „Maximiliana“ (noch ganz mittelalterlich), 1526 Teil der Landesordnung Tirols

1500 (um 1500) Wien Studium des römischen Rechtes

1501 bzw. 1502 Niederösterreich (Österreich ob der Enns, Österreich unter der Enns, Steiermark, Kärnten, Krain) Regiment

1511 Tirol Landlibell (Privileg des Landesfürsten für die Landstände, Landesfreiheit)

1513 Pettau in der Untersteiermark Stadtrechtsreformation

1514 Laibach Halsgerichtsordnung

1514 Österreich unter der Enns Landgerichtsordnung

1521 Wormser Edikt

1516 Karl V. von Habsburg erbt über seine Mutter Spanien und seine Kolonien

1522 österreichische Linie der Habsburger unter Ferdinand (Bruder Karls IV.)

1526 Ferdinand von Habsburg erbt Ungarn (Herrschaft nur im Norden und Westen) und Böhmen und damit Kurfürstentum

1526 Tirol Landesordnung (1532 von Ferdinand I. bestätigt)

1526 Salzburg Entwurf einer Landesordnung, gewohnheitsrechtlich anerkannt

1526 (bis 1654) Österreich unter der Enns vier Entwürfe einer Landesordnung

1526 Wien Stadtordnung Ferdinands I.

1527 Böhmische Hofkanzlei (1620 Wien) und österreichische Hofkanzlei u. a.

1527 Österreich Polizeiordnung (ebenso 1542, 1552) für Österreich ob der Enns und unter der Enns, Steiermark, Krain sowie Görz

1535 Krain Landgerichtsordnung

1552-1558 Bernhard Walther Aurei Tractatus iuris Austriaci

1555 Augsburger Religionsfriede

1558 Reichshofkanzlei

1566 Österreich ob und unter der Enns Polizeiordnung

1566 Wien Grundbuchsordnung

1573 Tirol Landesordnung mit Polizeiordnung

1574 Steiermark Landgerichtsordnung

1577 Steiermark und Kärnten Polizeiordnung für Steiermark und Kärnten

1577 Kärnten Landgerichtsordnung

1585 Universität Graz (juridische Fakultät 1778)

1609 Österreich ob der Enns Landtafel (Entwurf einer Landesordnung), gewohnheitsrechtliche Geltung

1618-1648 Dreißigjähriger Krieg

1622 Universität Salzburg (bis 1810, wiedererrichtet 1962)

1627-1628 Verneuerte Landesordnung für Böhmen und Mähren (politischer Absolutismus bei institutionellem Dualismus)

1648 Westfälischer Friede von Münster und Osnabrück

1650 (um 1650) Suttinger, Johann Baptist, Consuetudines Austriacae (Rechtslexikon, 1716 gedruckt)

1654 Niederösterreich Landesordnung Kompilation der vier Doktoren unter Johann Baptist Suttinger

1656 Österreich unter der Enns Landgerichtsordnung (Malefizordnung „Ferdinandea“)

1669 Innsbruck Universität

1669 Österreich unter der Enns Gerhabschaftsordnung für Vormundschaft

1671 Wien Zuchthaus

1675 Österreich ob der Enns Landgerichtsordnung (Malefizordnung „Leopoldina“)

1679 Tractatus de iuribus incorporalibus (= Buch 6 der Kompilation der vier Doktoren) Bauernschutz

1683 (1683-1699) Rückeroberung ganz Ungarns mit Siebenbürgen

1688 Beckmann, Nikolaus, Idea iuris statutarii et consuetudinarii (Rechtsenzyklopädie)

1700 (1600-1800) Haus Österreich = Dynastie der österreichischen Habsburger und ihre Länder, die zum Heiligen römischen Reich gehörigen habsburgischen Länder = österreichische (Erb-)Länder

1700 spanische Linie Habsburgs stirbt aus, spanischer Erbfolgekrieg, Österreich erringt südliche Niederlande, Lombardei

1700-1800 österreichische Erbländer = österreichische Monarchie (Monarchia Austriaca) als monarchische Union von Ständestaaten

1704 Österreich Codex Austriacus (private, chronologisch geordnete Gesetzsammlung)

1707 Böhmen und böhmische Nebenländer Landgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Josephina)

1713 Pragmatische Sanktion (auf der Grundlage des pactum mutuae successionis von 1703) (verfassungsrechtliche Notwendigkeit des gemeinsamen Landesfürsten)

1725 Innsbruck Zuchthaus

1740 Österreich Maria Theresia Erzherzogin

1745 Haus Habsburg-Lothringen

1745 Österreich verliert Schlesien an Preußen

1752 Reichs- und Staatengeschichte juristisches Studienfach (bis 1810), ebenso Strafrecht

1749 Österreich Staatsreform

1753 Österreich Kompilationskommission (Auftrag zur Erhebung der bestehenden Landesrechte und der Verarbeitung mit dem allgemeinen Recht der Vernunft zu einem Gesetzestext)

1760 Österreich Staatsrat zur Koordinierung und Leitung der bestehenden Zentralbehörden mit Beratungsfunktion für den Monarchen

1766 Österreich Codex Theresianus (Entwurf eines Privatrechtsgesetzbuchs)

1768 Österreich Constitutio Criminalis Theresiana (Tatbestände unbestimmt, Todesstrafe bei 42 Tatbeständen)

1772 Österreich erwirbt aus Polen Galizien (Ostgalizien)

1774 Österreich Entwurf Johann Bernhard von Hortens (Entwurf Horten) für Privatrechtsgesetzbuch

1775 Österreich erwirbt aus der ersten Teilung Polens die Bukowina

1776 Österreich Abschaffung der Folter

1778 Universität Graz (1585) erhält juridische Fakultät

1779 Österreich erwirbt aus Bayern das Innviertel

1780 Österreich Joseph II. (Sohn Maria Theresias) (Beginn des Josephinismus)

1780 Österreich Justizgesetzsammlung (Privatrecht, Strafrecht, Verfahrensrecht)

1781 Österreich Allgemeine Gerichtsordnung, Allgemeine Konkursordnung

1781 Österreich Toleranzpatent Josephs II. (Gestattung privater Religionsausübung der Protestanten, Zulassung von Juden zu Handel, Gewerbe und Advokatur, noch keine Glaubensfreiheit und Gewissensfreiheit)

1782 Österreich Verlöbnispatent

1783 Österreich Magistratsverfassung für Städte

1783 Österreich Ehepatent (Verstaatlichung des kirchlichen Eherechts, Seelsorger als Organe des Staates)

1784 Sonnenfels, Joseph von, (Lehrbuch) über den Geschäftsstil

1786 Österreich Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Josephs II. (ab 1812 bezeichnet als Josephinisches Gesetzbuch, nur Personenrecht)

1786 Österreich Erbfolgepatent Josephs II.

1786 Toskana Strafgesetzbuch des habsburgischen Großherzogs Peter Leopold (ohne Folter und Todesstrafe)

1787 Österreich Strafgesetzbuch Josephs II. allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und deren Bestrafung, kurz, genaue Tatbestände, statt Todesstrafe die Todesgefahr enthaltende Strafe des Galeerenziehens, Verstümmelungsstrafen eingeschränkt, Ehrenstrafen

1787 Österreich Banniza, Joseph Leonard, Gründliche Anleitung zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche

1788 Österreich Allgemeine Kriminalgerichtsordnung (Inquisitionsprozess, ohne Verteidiger)

1789 Frankreich Revolution

1790 Österreich Nachfolge Josephs II. durch seinen Bruder Leopold (aus der Toskana)

1792 Österreich Politische Gesetzsammlung für Verwaltungsgesetze

1795 Österreich erwirbt aus der dritten Teilung Polens Westgalizien (bis 1809)

1795 Österreich Wiedereinführung der Todesstrafe

1796 Entwurf (einer Kommission unter Vorsitz von Carl Anton von) Martini für Privatrechtsgesetzbuch

1796 Westgalizien Westgalizische Gerichtsordnung (1814 in Tirol, 1817 in Salzburg eingeführt)

1796 Westgalizien Strafgesetz (1797 in Kraft)

1797 Bürgerliches Gesetzbuch für Westgalizien (aus Entwurf Martini) als Urentwurf Grundlage des ABGB

1797 Österreich Tauscherwerb Venetiens und Dalmatiens gegen die Lombardei

1798 Bürgerliches Gesetzbuch für (das gesamte) Galizien

1800 (um 1800) Habsburgermonarchie monarchischer Einheitsstaat mit differenziertem Föderalismus bzw. differenzierter Regierungsform

1801 (1801-1810) erste Lesung, Revision, Superrevision des Urentwurfs zu Allgemeinem Bürgerlichen Gesetzbuch

1802 Österreich Franz von Zeiller Das natürliche Privatrecht

1803 Österreich (allgemeines Strafgesetz, Franziszäisches Strafgesetz Franzs II.) Gesetz über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen, hohe Strafdrohungen, Abschreckungsgedanke

1803 Salzburg säkularisiert und an (habsburgischen) Großherzog der Toskana, Hochstifte Brixen und Trient an Tirol

1804 (11. August) Österreich wegen Folgen des Reichsdeputationshauptschlusses Annahme des rein dynastischen Titels Kaiser von Österreich für die (erbliche) Dynastie Habsburg-Lothringen nach dem Vorbild Napoleons für Frankreich 1804

1805 (1805/1806) Tirol und Vorarlberg an Bayern bzw. das Königreich Italien

1806 (6. August) Ende des Heiligen römischen Reiches mit Selbständigkeit (Souveränität) seiner Teile

1809 Salzburg und teilweise Oberösterreich an Bayern, Westgalizien mit Krakau an Warschau, Venetien und Dalmatien an das Königreich Italien, Oberkärnten, Krain und Küstenland mit Görz, Gradiska und Triest sowie Kroatien an Illyrische Provinzen Frankreichs

1810 Österreich Entfall der Reichs- und Staatengeschichte als juristisches Studienfach

1810 (Mitte) Österreich kaiserliche Sanktion des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs ohne Darlehensvertrag

1811 (Juni 1811) Österreich (nach kaiserlicher Sanktion auch des Darlehensvertrags) Kundmachung und Publikation des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Wortlaut der Erstfassung nicht völlig gewiss)

1811 (1811-1813) Österreich Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von Franz von Zeiller

1812 (1. 1. 1812) Österreich Inkrafttreten des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Allgemein zwecks Betonung der Rechtseinheit, ohne Herstellung von Rechtsgleichheit) (neuständische Kodifikation - ohne Klarstellung ständisch gebundene Rechtsinstitutionen) (ohne Geltung in Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen und anfangs auch Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Osttirol, Oberkärnten, Krain und den Illyrischen Provinzen), bis etwa 1850 keine Novellen, nur authentische Interpretationen mit Novellencharakter (z. B. Erbvertrag auch unter Brautpersonen, Beschränkung von Noterben auf einen Geldanspruch), verdeckte Rechtsfortbildung durch Exegetik

1814 Österreich Restitution der unter Napoleon verlorenen Gebiete mit Ausnahme Vorderösterreichs und der österreichischen Niederlande sowie Westgaliziens

1815 Österreich Erwerb der Lombardei, Venetiens und Dalmatiens, Mitglied des Deutschen Bundes ohne ungarische Länder, Galizien und Lombardo-Venetien

1816 Österreich Erwerb Salzburgs ohne Berchtesgaden und Rupertiwinkel

1816 Tirol in Österreich formelle Verfassung

1817 Galizien in Österreich formelle Verfassung

1818 Krain in Österreich formelle Verfassung

1821 Österreich Fürst Klemens Lothar von Metternich Staatskanzler

1846 Österreich Emil Franz Rössler Universität Wien Begründer der Rechtsgeschichte in Österreich

1848 Januar Mailand Unruhen

1848 Ungarn 3. März 1848 Forderung Lajos Kossuths auf dem Landtag in Pressburg nach konstitutioneller Verfassung

1848 Österreich 13. März 1848 Versuch der Erstickung des Ausbruchs einer Revolution (Märzgefallene), Rücktritt Metternichs als Staatskanzler

1848 Österreich 14. März 1848 Bewilligung einer Nationalgarde, Abschaffung der Vorzensur

1848 Österreich 15. März 1848 Versprechen einer Verfassung durch Kaiser Ferdinand I., Auflösung von Staatskonferenz und Staatsrat, stattdessen 17. März 1848 Ministerrat unter einem Ministerpräsidenten

1848 Österreich März aus oberster Justizstelle oberster Gerichtshof

1848 Ungarn 11. April 1848 Sanktionierung eines Bündels von Gesetzesbeschlüssen (31 Gesetzesartikel) des Landtags durch Kaiser (materielle Verfassung) eigenes konstitutionelles mit dem Rest des Habsburgerreichs nur in Personalunion verbundenes Königreich

1848 Kaisertum Österreich 25. April 1848 oktroyierte Verfassung Franz Xaver von Pillersdorfs

1848 Österreich Mai Sturmpetition, Änderung der Aprilverfassung

1848 Österreich Juni 1848 Wahlen zu einem Parlament, 20. Juli 1848 Eröffnung des Reichstags in Wien

1848 Österreich September Beseitigung der Grundherrschaft, Bauernbefreiung, Grundentlastung

1848 Österreich Beseitigung von Brandmarkung, Stockstreiche und Schandbühne als Strafen

1848 Oktober Österreich Unruhen, Flucht Kaiser Ferdinands nach Olmütz, Verlegung des Reichstags nach Kremsier, Abdankung des Kaisers zu Gunsten des Neffen Franz Joseph, neuer Ministerpräsident Felix Fürst von Schwarzenberg

1848 Österreich Anklageprozess für Presseprozesse

1848 (1848/1849) Kremsierer Entwurf einer Verfassung durch Reichstag

1849 Österreich 4. März 1849 nach gewaltsamer Niederschlagung der Revolution Auflösung des Reichstags und oktroyierte Märzverfassung 1849 (Franz Graf Stadions) unter Einbeziehung Ungarns und Grundrechtspatent für cisleithanische Länder, Scheinkonstitutionalismus

1849 Österreich 17. März 1849 Provisorisches Gemeindegesetz

1849 Österreich Reichsgesetzblatt

1850 Österreich Strafprozessordnung Anklageprozess mit weisungsgebundenem Staatsanwalt, Öffentlichkeit, Mündlichkeit, Unmittelbarkeit, Geschworenengerichtsbarkeit, freie Beweiswürdigung, 1853 aufgehoben

1851 Österreich Augusterlässe Reichsrat wird Rat der Krone

1851 Österreich 31. 12. 1851 zwei Silvesterpatente, Aufhebung der Märzverfassung vom 4. März 1849 und des Grundrechtspatents von 1849, formloses Kabinettsschreiben an den Ministerpräsidenten mit 36 Grundsätzen für organische Einrichtungen in den Kronländern des österreichischen Kaiserstaats, Neoabsolutismus (1852-1860?), aber Grundsatz der Gleichheit und öffentliche Religionsausübung

1852 Österreich Ministerrat nach Tod des Ministerpräsidenten Schwarzenberg abgeschafft, Amt des Ministerpräsidenten nicht mehr besetzt, weitgehender Zentralismus

1852 Österreich Strafgesetz (Anton Hye von Glunek) im Wesentlichen Wiederverlautbarung zu 1803, (ohne Prozess, Wiedereinführung der Prügelstrafe)

1853 Österreich Strafprozessordnung (Anton Hye von Glunek, Inquisitionsprinzip, Heimlichkeit, Schriftlichkeit, Beibehaltung der Staatsanwaltschaft und des Anklageprozesses)

1855 Österreich Konkordat (Aufhebung des Eherechts des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs für Katholiken)

1855 deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte und deutsches Privatrecht Studienfächer

1855 Österreich Joseph Unger schlägt Totalrevision des ABGB vor

1856 Wien Unger, Joseph, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts

1859 Österreich Gewerbeordnung

1859 Italien Schlacht bei Solferino (südlich des Gardasees) mit Niederlage Österreichs, weitgehender Verlust der Lombardei, Zwang zum Rückzug der Truppen Österreichs aus den Staaten in Mittelitalien

1860 Österreich nach Finanzkrise 20. Oktober 1860 Oktoberdiplom zur Regelung der inneren staatsrechtlichen Verhältnisse der Monarchie, neuständisches System, Reichsrat, Landesstatute (in Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol)

1861 Österreich 26. Februar 1861 als Mantelgesetz für 46 Dokumente Februarpatent Pragmatische Sanktion von 1713, Oktoberdiplom von 1860 und Februarpatent als Reichsverfassung 1861, keine konstitutionelle Verfassung

1861 Allgemeines Deutsches handelsgesetzbuch des Deutschen Bundes

1862 Österreich Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, Gesetz zum Schutz des Hausrechts, Pressegesetz (statt Vorzensur Nachzensur), Reichsgemeindegesetz

1862 Österreich Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch in Gesetz Österreichs überführt

1865 Österreich 20. September 1865 Sistierung des Grundgesetzes über die Reichsvertretung, absolutistische Herrschaft für 1,5 Jahre

1866 Auflösung des Deutschen Bundes, Österreich Verlust des restlichen Lombardo-Venetien

1867 Ungarn, Reskript vom 17. Februar 1867 Wiederherstellung der Verfassung Ungarns von 1848, ungarisches Ausgleichsgesetz

1867 Österreich, mit dem Ausgleich wird Kaisertum Österreich zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie, Personalunion und Realunion

1867 Österreich 21. Dezember 1867 (Dezemberverfassung aus dem Delegationsgesetz und fünf Staatsgrundgesetzen) a) Staatsgrundgesetz über die Reichsvertretung (mit Notverordnungsrecht des Kaisers), b) Staatsgrundgesetz betreffend die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, c) Staatsgrundgesetz über die Errichtung eines Reichsgerichts (1869), d) Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt und e) Staatsgrundgesetz über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt Ausübung durch Kaiser mit Prärogativen der Krone und strafrechtlicher Verantwortlichkeit der Minister, mit frühkonstitutionellen Zügen, die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (inoffiziell Österreich oder Cisleithanien in Abgrenzung zur ungarischen Reichshälfte Transleithanien), Verwaltung in allen Instanzen von der Gesetzgebung getrennt (Gewaltenteilung), Legalitätsprinzip

1867 Österreich körperliche Züchtigung und schwerer Kerker als Strafen beseitigt

1868 Österreich Notwahlgesetz

1868 Österreich Gesetz über die Einrichtung der politischen Verwaltungsbehörden (Zentralverwaltung, Landesverwaltung, Bezirksverwaltung, daneben autonome Landesverwaltung)

1868 Maigesetze Eherechtsgesetz 1868 stellt Eherecht des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs für Katholiken wieder her und ermöglicht Notzivilehe vor einer staatlichen Behörde, Schule-Kirche-Gesetz, 1868 Gesetz über die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger mit Freiheit des Religionswechsels ab 14 Jahren

1869 Österreich Reichsgericht (verfassungsrechtliche und verwaltungsrechtliche Zuständigkeiten)

1869 Österreich Verbot der Arbeiterbewegung als staatsgefährlich

1870 Österreich Kündigung des Konkordats von 1855

1871 Wien erster Lehrstuhl für österreichische Rechtsgeschichte und Rechtsaltertümer

1871 Österreich Grundbuchsgesetz

1873 Österreich Lassersche Wahlrechtsreform direkte Volkswahl Zensuswahlrecht (für 6 Prozent der Bevölkerung)

1873 Österreich Strafprozessordnung (Julius Glaser), Mündlichkeit, Öffentlichkeit wie 1850

1874 Maigesetze trennen Staat und Kirche (Katholikengesetz, Religionsfondsgesetz; Anerkennungsgesetz)

1876 Österreich Verwaltungsgerichtshof (Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung), daneben Staatsgerichtshof für Ministeranklage, die bis 1918 aber nicht erfolgte

1878 Okkupation Bosniens und Herzegowinas durch Österreich

1879 Österreich Verbot der Neubegründung von Stockwerkseigentum

1880 Böhmen Deutsch und Tschechisch als äußere Amtssprachen bei Gerichten und Verwaltungsbehörden anerkannt

1880 (um 1880) Österreich Bildung moderner politischer Parteien (Liberale, Deutschnationale, Christlichsoziale, Sozialdemokratische Arbeiterpartei)

1882 Österreich Taaffesche Wahlrechtsreform (Erweiterung der Wähler um etwa 30 Prozent durch Senkung des Zensus)

1887 (1887/1888) Österreich Unfallversicherung und Krankenversicherung nach deutschem Vorbild

1888 (1888/1889) Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SdAP) Österreich

1889 Österreich Adolf Hitler in Braunau geboren

1893 Österreichische Reichsgeschichte (Staatsbildung und öffentliches Recht) Prüfungsfach (bis 1935)

1895 Österreich Zivilprozessordnung (Franz Klein)

1897 Badenische Sprachenverordnungen erkennen Tschechisch auch als innere Amtssprache der Gerichte und Verwaltungsbehörden an

1906 Österreich Pensionsversicherung (für Angestellte)

1907 Österreich Becksche Wahlrechtsreform weitgehend allgemeines gleiches direktes und geheimes Wahlrecht für Männer (aus Interessenvertretung wird Volksvertretung), anders in den Landtagen bis 1918

1908 Österreich Annexion Bosnien-Herzegowinas

1911 Kelsen, Hans Hauptprobleme der Staatsrechtslehre (oberste Grundnorm), daraus reine Rechtslehre entwickelt

1911 Österreich (letzte) Reichsratswahl

1912 Österreich Baurechtsgesetz (Eigentum an Bauwerken unabhängig von Grundstückseigentum möglich (1990 ausgeweitet)

1913 Ehrlich, Eugen (Czernowitz), Grundlegung der Soziologie des Rechts

1914 Ermordung des Thronfolgers Österreichs in Sarajewo, Ultimatum Österreichs an Serbien, Beginn des ersten Weltkriegs

1914 Österreich Kriegsdiktatur

1914 Österreich Teilnovelle des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs

1915 Österreich Teilnovelle des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs

1916 Österreich Teilnovelle des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs

1916 Nationalrat der tschechoslowakischen Länder

1916 Österreich Karl I. Nachfolger Franz Josephs

1916 Österreich Entmündigungsordnung

1917 Österreich Wiedereinberufung des Reichsrats

1917 Österreich Kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz

1917 Österreich Familienversicherung in der Sozialversicherung

1917 Österreich Mieterschutzrechtsverordnung (Mieterhöhungen und Kündigungen eingeschränkt)

1917 Juli slawische Emigranten wollen Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gründen

1918 (6,. Oktober 1918 ) slowenisch-kroatisch-serbischer Nationalausschuss als Vertretung eines südslawischen Staates

1918 (7. Oktober 1918) Polen als Staat ausgerufen

1918 (16. Oktober 1918) Manifest des Kaisers zur Neugestaltung (eines Bundesstaats in Zisleithanien) unter freier Mitwirkung der Völker, vom Monarchen angenommene Kündigung der Realunion seitens Ungarns (bei noch fortbestehender Personalunion)

1918 (18. Oktober 1918) Anerkennung des tschechischen Nationalrats als tschechoslowakische Exilregierung durch die Alliierten

1918 (19. Oktober 1918) ukrainischer Nationalrat

1918 (20. Oktober 1918) alliierte Beantwortung des Friedensangebots Österreichs mit erkennbarem Übergang vom Kurs eines Fortbestands Österreichs zu einem Kurs der Zerschlagung Österreichs

1918 (21. Oktober 1918) provisorische Nationalversammlung der (210) deutschen Abgeordneten des Reichsrats, Vollzugsausschuss (später Staatsrat)

1918 (25. Oktober 1918 Konstituierung des Nationalrats Ungarns mit Eintreten für die Unabhängigkeit

1918 (28. Oktober 1918) Tschechoslowakische Republik

1918 Staatsgründungen Polens, des Staates der Slowenen, Kroaten und Serben, Ungarns

1918 (30. Oktober 1918) Republik Deutschösterreich (in Wien in der Herrengasse, die österreichische Monarchie geht als Staat ohne Rechtsnachfolger unter?, revolutionäre Entstehung?, formelle Diskontinuität zur Vermeidung von Kriegsfolgepflichten angestrebt, während Ungarn als Staat bestehen bleibt), Herrenhaus geht auseinander (konkludente Selbstauflösung), Beschluss über die grundlegenden Einrichtungen der Staatsgewalt Deutschösterreichs

1918 (31. Oktober 1918) Lösung Ungarns aus der Personalunion mit Österreich

1918 (11. November 1918) Kaiser verzichtet auf jeglichen Anteil an den Staatsgeschäften)

1918 (12. November 1918) Gesetz über die Staats- und Regierungsform, Rechtsüberleitung

1918 (12. November 1918) Abgeordnetenhaus verzichtet auf Anteil des Volkes an Staatsgeschäften, Proklamation der Republik mit einer Massenkundgebung vor dem Parlament

1918 (16. November 1918) Proklamation der Republik Ungarn (Kontinuität unter Übergang zu neuer Staatsform und Regierungsform)

1918 (22. November 1918) Gesetz betreffend Umfang, Grenzen und Beziehungen des Staatsgebiets von Deutschösterreich (einschließlich Deutschböhmens und Sudetenlands sowie Brünns, Iglaus und Olmützs in Mähren), Zugehörigkeit zur Deutschen Republik bzw. zum Deutschen Reich angestrebt

1918 (Dezember 1918) Wahlrecht (Frauenwahlrecht)

1918 Österreich (Straftilgungsgesetz

1919 (Januar 1919) Verfassungsgerichtshof (als Rechtsnachfolger des Reichsgerichts)

1919 (Februar 1919) Aufnahme (Rezeption) des Verwaltungsgerichtshofs

1919 (16. Februar 1919) Wahl zur konstituierenden Nationalversammlung,

1919 (12. März 1919 konstituierende Versammlung

1919 (14. März 1919) Gesetz über die Volksvertretung, Gesetz über die Staatsregierung

1919 (April 1919) Landesverweisung der Habsburger (Habsburgergesetz, Beseitigung des Privatfürstenrechts), Adelsaufhebungsgesetz

1919 (15. Mai 1919) 80 Prozent der Vorarlberger stimmen für eine Aufnahme von Verhandlungen über eine Verbindung mit der Schweiz

1919 (9. September 1919 in Paris Unterzeichnung) Österreich „Friedensvertrag“ (Diktat, Staatsvertrag) von Saint Germain (Zwang zur Anerkennung der Staatskontinuität, auf Drängen Frankreichs Anschlussverbot an das Deutsche Reich, Unabhängigkeit)

1919 (21. Oktober 1919 Änderung des Gesetzes über die Staats- und Regierungsform) Republik Österreich, von den Alliierten als Rechtsnachfolger der österreichischen Monarchie angesehen (Kontinuitätstheorie)

1919 Österreich Zulassung von Frauen zum Studium der Rechtswissenschaft

1919 Österreich Arbeiterräte werden in Betriebsräte umgewandelt

1920 Österreich Mitglied des Völkerbunds

1919 Österreich Volljährigkeitsgrenze 21 Jahre

1920 Österreich Arbeitslosenversicherung

1920 (1. Oktober 1920) Bundes-Verfassungsgesetz (Hans Kelsen im Auftrag des Staatskanzlers Renner) ohne Grundrechte, demokratisch, republikanisch, bundesstaatlich, rechtsstaatlich, Bundespräsident, Bundesregierung unter Leitung des Bundeskanzlers, Nationalrat, Bundesrat, Oberster Gerichtshof, Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, insgesamt ein Torso, dazu Verfassungsübergangsgesetz

1920 Österreich Arbeiterkammern

1920 Österreich Möglichkeit der bedingten strafrechtlichen Verurteilung (Bewährungsstrafe), Schutzaufsicht

1920 Österreich Schöffengerichte für mittelschwere Kriminalität erweitert

1921 Österreich Angestelltengesetz

1922 (1. Januar 1922 Burgenland (ursprüngliches Vier-Burgenland ohne das nach einer Volksabstimmung bei Ungarn verbleibende Ödenburg) eingegliedert als gleichberechtigtes Bundesland, selbständiges Bundesland Wien gebildet, Landesteil Niederösterreich-Land zum selbständigen Bundesland Niederösterreich erhoben

1922 Österreich Neuregelung der Finanzverfassung, starker Währungsverfall

1922 Österreich Mietengesetz

1922 Österreich Tilgungsgesetz

1922 ff. Landeshauptmann Albert Sever von Niederösterreich erteilt bereits Verheirateten und wieder heiraten Wollenden Dispens vom Ehehindernis des bestehenden Ehebands nach § 83 ABGB (Sever-Ehen, rund 50000 bis 1930, Gültigkeit umstritten)

1925 Österreich Verfassungsnovelle (Kompetenzverteilung in Kraft)

1925 Österreich Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz

1927 Österreich Justizpalastbrand

1928 Österreich Jugendgerichtsgesetz (14-18), Inkrafttreten 1. 1. 1929

1929 Österreich Bundes-Verfassungsgesetznovelle gemischt parlamentarische Demokratie, Stärkung der Stellung des Bundespräsidenten, Schwächung des Nationalrats

1931 Österreich Zollunion mit dem Deutschen Reich durch Alliierte verboten

1933 (4. März 1933) in Nationalratssitzung anlässlich einer Abstimmung Niederlegung der Ämter durch die drei Nationalratspräsidenten Renner. Ramek und Straffner (Geschäftsordnungszwischenfall), in der Folge Regierungsverordnungen

1933 (Ende März 1933) Österreich Republikanischer Schutzbund verboten

1933 (Mai 1933) Österreich Kommunistische Partei verboten

1933 (29. Mai 1933) nach Maßnahmen der Regierung Dollfuß gegen den Justizminister Bayerns Tausendmarksperre Adolf Hitlers (jeder Deutsche muss bei Einreise bzw. Durchreise in Österreich 1000 Mark bei der deutschen Sichtvermerkbehörde entrichten)

1933 (5. Juni 1933) Österreich Konkordat mit der katholischen Kirche (in Kraft zum 1. Mai 1934)

1933 Österreich (Juni 1933) Verbot der NSdAP

1933 (September 1933) Trabrennplatzrede Engelbert Dollfuß‘

1934 (24. April 1934) neue Verfassung (für Bundesstaat Österreich) auf der Grundlage des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes durch Regierungsverordnung (verfassungswidrig), wobei Volk durch vier vorberatende Organe und den Bundestag (mit 59 Mitgliedern) an der Gesetzgebung Teil nimmt

1934 (30. April 1934) wieder einberufenes Rumpfparlament Bundesverfassungsgesetz über außerordentliche Maßnahmen im Bereich der Verfassung (Ermächtigungsgesetz mit Ermächtigung der Bundesregierung zur Gesetzgebung)

1934 (1. Mai 1934) erneute Kundmachung des Verfassungstexts auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes vom 30. April 1934)

1934 (1. Mai 1934) Vaterländische Front als staatliche Einheitspartei mit dem Bundeskanzler Engelbert Dollfuß an der Spitze, autoritärer Ständestaat („Austrofaschismus“)

1934 (19. Juni 1934) Verfassungs-Übergangsgesetz

1934 Österreich mit der Maiverfassung Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof durch Bundesgerichtshof ersetzt

1934 (Juli 1934) Putsch mit Tötung Engelbert Dollfuß‘, Nachfolger Kurt Schuschnigg

1934 Todesstrafe im ordentlichen Strafverfahren wieder eingeführt

1934 Anhaltegesetz (Anhaltung von Regimegegnern als Verwaltungsmaßnahme)

1934 Österreich Geschworenengerichte abgeschafft

1935 Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte (statt österreichische Reichsgeschichte)

1936 (Juli 1934) Normalisierungsabkommen mit dem Deutschen Reich (Juliabkommen), Rücknahme der Tausendmarksperre

1938 (12. Februar 1938) Berchtesgadener Abkommen (Aufnahme des Nationalsozialisten Arthur Seyß-Inquart als Innen- und Sicherheitsminister in die Regierung Österreichs)

1938 (9. März 1938) Anberaumung einer Volksbefragung über die Unabhängigkeit Österreichs durch Bundeskanzler Schuschnigg (für ein freies und deutsches, unabhängiges und soziales, christliches und einiges Österreich) für den 13. März 1938

1938 (11. März 1938) auf Verlangen Adolf Hitlers Absage der anberaumten Volksbefragung, Rücktritt des Bundeskanzlers, Forderung der Ernennung des nationalsozialistischen Innen- und Sicherheitsministers Arthur Seyß-Inquart zum Bundeskanzler

1938 (in der Nacht von 11. März auf 12. März 1938) auf Bitte der provisorischen österreichischen Regierung Einmarsch von Truppen des Deutschen Reiches zur Herstellung von Ruhe und Ordnung in Österreich

1938 (12. März 1938) Arthur Seyß-Inquart vom Bundespräsidenten zum Bundeskanzler ernannt, am Nachmittag Eintritt Adolf Hitlers nach Österreich bei Braunau

1938 (13. März 1938) Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich von Bundesregierung auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes 1934 beschlossen, Rücktritt des Bundespräsidenten, entsprechendes Gesetz des Deutschen Reiches

1938 (15. März 1938) Österreich Bundesregierung wird eine von einem Reichsstatthalter geführte (österreichische) Landesregierung

1938 (10. April 1938) Volksabstimmung über den Anschluss (Beteiligung der Abstimmungsberechtigten 99,7 Prozent, davon im Deutschen Reich und in Österreich jeweils mehr als 99 Prozent Ja-Stimmen), damit Österreichs Anschluss an das Deutsche Reich Adolf Hitlers vom Volk gebilligt, zwischen dem Deutschen Reich und dem Bundesstaat Österreich materielle Kontinuität bei formeller Diskontinuität

1938 (6. Juli 1938) Deutsches Reich und Österreich Ehegesetz (obligatorische Zivilehe, Ehescheidung nach Verschuldensprinzip) und Personenstandsgesetz (Standesbeamte in Österreich übernommen)

1938 Österreich Aktiengesetz des Deutschen Reiches übernommen (statt Konzessionssystem Normativsystem)

1938 Österreich Einführung der deutschen Reichsversicherungsordnung, Arbeiter pensionsversichert

1938 Österreich Personenstandsgesetz (staatlicher Standesbeamter, staatliche Personenstandsbücher)

1939 (14. April 1939) Ostmarkgesetz Einteilung der Ostmark (Österreich) in Reichsgaue mit Reichsstatthalter (1. April 1940 umgesetzt)

1939 Österreich Handelsgesetzbuch des Deutschen Reiches übernommen (statt AHGB bzw. ADHGB)

1943 (1. November 1943) nach Moskauer Erklärung der Alliierten ist die Besetzung Österreichs durch Deutschland null und nichtig, freies und unabhängiges Österreich erwünscht

1945 (6.-13. April 1945) Kampf um Wien

1945 (14. April 1945) Gründung der Sozialistischen Partei Österreichs (Sozialdemokratische Partei und Revolutionäre Sozialisten)

1945 (17. April 1945) Österreichische Volkspartei (statt Christlichsozialer Partei)

1945 (27. April 1945 Unabhängigkeitserklärung der antifaschistischen Parteien Österreichs, provisorische Staatsregierung unter Karl Renner vorbehaltlich der Rechte der besetzenden Mächte mit voller Gesetzgebungs- und Vollzugsgewalt betraut, zunächst nur von der Sowjetunion anerkannt, anders durch Anerkennung der im Mai 1945 originär entstandenen provisorischen Landesregierungen auf Länderkonferenzen bis September 1945

1945 (1. Mai 1945) Österreich erstes Verfassungsüberleitungsgesetz der provisorischen Staatsregierung, setzt Bundesverfassungsgesetz von 1920 in der Fassung 1929 und das übrige Bundesverfassungsrecht nach dem Stande der Gesetzgebung vom 5. März 1933 wieder in Wirksamkeit und hebt alle nach dem 5. März erlassenen Bundesverfassungsgesetze und Verfassungsbestimmungen und alle verfassungsrechtlichen Normen und Anordnungen des Deutschen Reiches auf

1945 Österreich (ab Mai) sieht sich vielfach nicht als Täter, sondern als erstes Opfer Adolf Hitlers

1945 Österreich (1. Mai 1945) Rechtsüberleitungsgesetz übernimmt grundsätzlich das bisher geltende sonstige Recht (z. B. HGB, EheG)

1945 Österreich Behördenüberleitungsgesetz löst Behörden des Deutschen Reiches auf und leitet Geschäfte auf die bis 13. März 1938 bestandene österreichische Behördenorganisation über

1945 Österreich (1. Mai 1945) Verfassungsgesetz über die vorläufige Einrichtung der Republik Österreich Einheitsstaat

1945 (4. Juli 1945) erstes Kontrollabkommen der Alliierten

1945 (9. Juli 1945) Alliierte vereinbaren Einrichtung vierer Besatzungszonen

1945 (12. Oktober 1945) Österreich Verfassungsnovelle wieder Bundesstaat

1945 (20. Oktober 1945 alle vier Alliierten anerkennen im Memorandum des Alliierten Rates die provisorische Staatsregierung

1945 (13. 12. 1945) Österreich zweites Verfassungsüberleitungsgesetz

1945 (20. 12. 1945) Österreich Renner durch Bundesversammlung zum Bundespräsidenten gewählt

1945 Österreich Kriegsverbrechergesetz

1945 Österreich Verbotsgesetz (gegen NSDAP)

1945 Aufhebungs- und Einstellungsgesetz (betreffend gegen Österreicher ausgesprochene nationalsozialistische Urteile)

1946 (28. Juni 1946) zweites Kontrollabkommen der Alliierten

1947 Österreich Nationalsozialistengesetz verbindet Kriegsverbrechergesetz und Verbotsgesetz

1948 Österreich Wohnungseigentumsgesetz

1949 Österreich Verband der Unabhängigen

1950 Österreich Beseitigung der Todesstrafe (1968 auch in außerordentlichen Verfahren)

1955 (15. Mai 1955) Unterzeichnung des Staatsvertrags betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich (am 27. Juli 1955 in Kraft)

1955 Österreich Beitritt zu den Vereinten Nationen

1955 (26. Oktober 1955) Neutralitätsgesetz

1956 Österreich Beitritt zum Europarat

1956 Österreich Freiheitliche Partei Österreichs

1958 Österreich Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention

1959 Österreich Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (Gefährdungshaftung)

1962 Wiedererrichtung der von 1622 bis 1810/1818 bestehenden Universität Salzburg

1970 uneheliches Kind in Unterhalt, Pflege und Erziehung fast gleichgestellt

1971 Österreich Strafbarkeit der Homosexualität beseitigt, ebenso Ehestörung

1973 Österreich Volljährigkeitsgrenze 19 Jahre, Taschengeldparagraph 151 III ABGB

1974 Österreich Strafgesetzbuch (1. 1. 1975 in Kraft, Fristenlösung, Tagessatzsystem, Unterbringung in besonderen Anstalten, Umweltdelikte)

1975 Österreich Eherechtsreform (Gleichstellung von Mann und Frau)

1977 Österreich Volksanwaltschaft probeweise, 1981 endgültig

1977 Rechtsgeschichte Österreichs (aus österreichischer Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte und deutschem Privatrecht)

1978 Österreich Eherechtsnovelle (einvernehmliche Ehescheidung, Gütertrennung, Ehegattenerbrecht erhöht)

1978 Österreich Dreißigster beseitigt (umgekehrt für Ehegatten ein gesetzliches Erbrecht auf weiteres Wohnen in der Ehewohnung)

1980 Grundbuchumstellungsgesetz (Beginn des elektronischen Grundbuchs)

1981 Österreich Mietenrechtsgesetz

1983 Österreich Entmündigungsordnung von 1916 aufgehoben, Sachwalterschaft

1988 Österreich Produkthaftungsgesetz

1988 Österreich Jugendgerichtsgesetz, außergerichtlicher Tatausgleich (1999 auch im Erwachsenenstrafrecht)

1988 Österreich so genannte unabhängige Verwaltungssenate statt Verwaltungsgerichten

1988 Österreich Gesetz über die persönliche Freiheit von 1862 durch ein neues Bundesverfassungsgesetz ersetzt

1989 Österreich Kindschaftsrechtsänderungsgesetz Amtsvormundschaft über uneheliche Kinder beseitigt, Obsorge durch die Mutter und mit deren Zustimmung auch zusammen mit dem Vater

1989 Österreich uneheliche Kinder im Erbrecht ehelichen Kindern gleichgestellt

1990 Österreich Baurechtsnovelle (jeder kann Baurecht auf seinem Grundstück einräumen)

1991 Österreich allgemeiner Entschädigungsfonds, Nationalfonds für durch die nationalsozialistische Herrschaft Adolf Hitlers Geschädigte (weitgehend nur noch symbolisch)

1992 Europäischer Wirtschaftsraum

1995 (1. Januar 1995) Österreich Beitritt zur Europäischen Union

1997 Österreich unabhängiger Bundesasylsenat, 2007 Asylgerichtshof

1999 Österreich Diversion

2001 Österreich Volljährigkeitsgrenze 18 Jahre

2001 Österreich Vormundschaft beseitigt, Sachwalterschaft nur für Volljährige, sonst Obsorge einer anderen Person für Minderjährige

2002 Österreich unabhängiger Finanzsenat

2005 Österreich Handelsgesetzbuch in Unternehmensgesetzbuch umgeformt und umbenannt, 2007 in Kraft

2006 Österreich Erbpacht aufgegeben

2007 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (Geldstrafen für Unternehmen)

2008 Strafprozessordnung reformiert (Polizei ermittelt unter Leitung der Staatsanwaltschaft, Richter kontrolliert, Rechte des Beschuldigten und des Opfers verstärkt, Geschworenengerichte gegenüber Schöffengerichten zurückgedrängt)

2009 Österreich Heiratsgaben aufgegeben

2009 Österreich eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaft vor der Personenstandsbehörde

2014 (1. 1. 2014) Österreich durch Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle (2012) statt der so genannten unabhängigen Verwaltungssenate, des Asylgerichtshofs und des unabhängigen Finanzsenats neun Landesverwaltungsgerichte und zwei Bundesverwaltungsgerichte (Bundesverwaltungsgericht und Bundesfinanzgericht) unterhalb des Verwaltungsgerichtshofs

 

Statt eines Registers wird allgemein auf die im Internet stehende Fassung verwiesen, in der beliebig gesucht werden kann (http://www.koeblergerhard.de/Rechtsgeschichte/RechtsgeschichteOesterreichinDeutschlandundEuropa.htm).