Das Recht des Besitzes.

Eine civilistische Abhandlung

von

Friedrich Carl von Savigny

Siebente,

aus dem Nachlasse des Verfassers und durch Zusätze des Herausgebers vermehrte Auflage

von

Dr. Adolf Friedrich Rudorff,

Königl. Preussischem Geheimen Justizrathe, ordentlichem Professor der Rechte zu Berlin und ordentlichem Mitglied der Akademie der Wissenschaften daselbst.

Wien.

Druck und Verlag von Carl Gerold’s Sohn.

1865.


Vorrede zur vierten Ausgabe.

Die wohlwollende Aufnahme, welche diesem Buch gleich bei seiner ersten Erscheinung zu Theil geworden ist, lässt mich hoffen, dass die hier folgende Nachricht von der Entstehung und den bisherigen Schicksalen desselben nicht unwillkommen sein werde.

Solange das ausführliche System des Römischen Rechts fast überall nach Ordnung der Bücher und Titel der Pandekten vorgetragen wurde, geschah es sehr häufig, dass diejenigen Gegenstände, welche zufällig in den letzten Büchern der Pandekten vorkommen, durch unverhältnissmässige Kürze gegen die übrigen zurückgesetzt wurden. Diese Wahrnehmung veranlasste mich, im Sommer 1801 in Marburg eine besondere Vorlesung über die zehn letzten Bücher der Pandecten zu halten, wodurch ein Ersatz für die erwähnte Zurücksetzung gegeben werden sollte. Indem ich diese Vorlesung unmittelbar aus den Quellen ausarbeitete, zog am meisten der Besitz meine Aufmerksamkeit auf


(IV) Vorrede.

sich, indem es mir schien, als könnten gerade hier die herrschenden Begriffe und Meinungen aus den Quellen sehr berichtigt werden. Mein Lehrer Weis, dem ich meine Ansichten mittheilte, ermunterte mich durch seinen Beifall, und forderte mich zur Ausarbeitung einer eigenen Schrift über diesen durch seine Schwierigkeit und seine praktische Wichtigkeit gleich anziehenden Gegenstand auf. Andere Arbeiten verzögerten die Ausführung dieses Plans bis in den Winter 1802, in welchem das Buch ausgearbeitet wurde.

Die erste Ausgabe erschien im Jahr 1803, in demselben Format und in derselben Verlagshandlung wie die nachfolgenden, XXXII. und 495 Seiten stark.

Folgende Beurtheilungen derselben sind mir bekannt geworden:

Göttinger Anzeigen 1804. N. 30 (von Hugo).

Hallische Literaturzeitung 1804. N. 41-43. (von Thibaut).

Neue allgemeine deutsche Bibliothek, Bd. 104. S. 186.

Juridisches Archiv, Bd. 4. Tübingen 1804. S. 397-419.

Die zweite Ausgabe, XXXVI und 560 Seiten stark, erschien 1806. Die Verbesserungen und Zusätze, wodurch sie sich von der ersten unterschied, wurden


(V) Vorrede.

gleichzeitig besonders abgedruckt, weshalb eine besondere Angabe derselben nicht nöthig ist.

Beurtheilungen derselben:

Göttinger Anzeigen 1807. N. 191 (von Hugo).

Ergänzungsblätter zur Hallischen Literaturzeitung 1806. N. 44 (von Thibaut).

Oberdeutsche Literaturzeitung 1808. N. 82. 83.

Die dritte Ausgabe, von 1818, betrug XXXX und 600 Seiten. Bei ihr kam zuerst ein Quellenregister hinzu, welches Herr Hofrath Mackeldey, damals zu Marburg, unter seiner Aufsicht von dem Stud. Herrn Bickel daselbst, ausarbeiten liess. Die Stellen dieser dritten Ausgabe, an welchen sich wesentliche Aenderungen oder Zusätze finden, sind folgende: S. III. XXXI. XXXIX. 9. 18. 23. 25. 36. 37. 40. 41. 42. 53. 54. 55. 56-59. 95. 98. 102-104. 162. 168. 173-182. 189. 192. 201-205. 229-231. 257-258. 266. 268. 269. 270. 271. 275. 287-290. 291. 307-309. 321-322. 341-348. 357-360. 362. 384. 400-404. 424. 426. 434. 446-448. 457. 486-487. 488-491. 503-504. 510-511. 513-515. 524-527. 530.

Beurtheilung derselben:

Göttinger Anzeigen 1818. N. 156. (von Hugo).

In der gegenwärtigen vierten Ausgabe sind die wesentlichen Aenderungen und Zusätze gleich an jeder


(VI) Vorrede.

Stelle selbst bemerklich gemacht worden, weshalb eine Zusammenstellung hier entbehrt werden kann. Die meisten stehen im vierten Abschnitt.

Geschrieben zu Berlin im Julius 1822.

Vorrede zur fünften Ausgabe.

Auch in dieser Ausgabe sind die neuen Zusätze, soweit dieses nöthig schien, d. h. soweit sie nicht blosse Literarnotizen oder Aehnliches enthalten, jedesmal als solche bezeichnet worden.

Geschrieben zu Berlin im Junius 1826.


(VII) Vorrede.

Vorrede zur sechsten Ausgabe.

Die Bezeichnung der neuen Zusätze findet sich hier sowie in den zwei vorhergehenden Ausgaben. Diese Zusätze sind jedoch hier zahlreicher und grösser als in den früheren. Die bedeutendsten Zusätze finden sich in den §§. 6. 7. 9. 10. 35. 37. 40. 41.44. 46. 50. 51.

Geschrieben zu Berlin im Julius 1836.

Vorrede zur siebenten Ausgabe.

Die neuen Zusätze dieser Ausgabe sind von zweierlei Art:

Erstlich: Zusätze des Verfassers. Diese sind wie in den früheren Ausgaben bezeichnet und eingetragen worden. Die erheblichern beschränken sich auf die §§. 6. 7. 21. 27 und 47.


(VIII) Vorrede.

Zweitens: Zusätze des Herausgebers. Um durch ihre unverhältnissmässig grössere Zahl und Ausführlichkeit die Harmonie des Werkes nicht zu stören und um zugleich die Ergebnisse der neueren Besitzliteratur zu Einem Ganzen zusammenfassen zu können, schien es angemessener, diese Zusätze in einem Anhange am Schluss des Werkes zu vereinigen, als sie in das Werk selbst aufzunehmen. Damit jedoch durch dieses Verfahren ihre Auffindung und Benutzung nicht erschwert werde, sind sie mit Nummern versehen und die Verweisungen auf die entsprechende Nummer des Werkes an den betreffenden Stellen mit dem Vermerk A. d. H. eingeschaltet worden.

Geschrieben zu Berlin im November 1864.

Der Herausgeber.


(1)

Einleitung.

I. Quellenkunde.

1. Gaii Institutiones Lib. 2. §. 89. 90. 94. 95.

Lib. 4 §. 138-170.

2. Ulpiani Institutionum Lib. 1. Fragm. 2. §. 1. Fragm. 4. 5.

3. Fragmenta Vaticana §. 90. 91. 92. 93. 293. 311. 312. 314.

4. Westgothische Sammlung:

A. Pauli Sentent. recept. Lib. 5. Tit. 2. (de usucapione) §. 1. 2.

Lib. 5. Tit. 6. de Interdictis. (ed. Hugo, Berol. 1795. 8.).

B. Codicis Theodosiani Lib. 4. Tit. 22. Unde vi.

Lib. 4. Tit. 23. Utrubi (1). (ed. Ritter, Lips. 1736. f.)

5. Institutionum Lib. 4. Tit. 15. (de Interdictis) §. 4. 5. 6.

6. Digestorum: Lib. 41. Tit. 2. de adquirenda vel amittenda Possessione.

(1) So muss nämlich nach dem Zusammenhang und Inhalt des Titels gelesen werden. Die Handschriften haben: Utrumvi.


(2) Einleitung.

Digestorum Lib. 43. Tit. 16. (1) de Vi, et de Vi armata.

Lib. 43. Tit. 17. Uti possidetis.

Lib. 43. Tit. 18. de Superficiebus.

Lib. 43. Tit. 19. de Itinere Actuque privato.

Lib. 43. Tit. 20. de Aqua cottidiana et aestiva.

Lib. 43. Tit. 21. de Rivis.

Lib. 43. Tit. 22. de Fonte.

Lib. 43. Tit. 23. de Cloacis.

Lib. 43. Tit. 26. de Precario.

Lib. 43. Tit. 31. de Utrubi.

7. Codicis Lib. 7. Tit. 32. de adquirenda et retinenda Possessione.

Lib. 8. Tit. 4. Unde vi.

Lib. 8. Tit. 5. si per vim vel alio modo absentis perturbata sit Possessio.

Lib. 8. Tit. 6. Uti possidetis.

Lib. 8. Tit. 9. de Precario, et Salviano Interdicto.

Bei den Institutionen, den Pandekten und dem Codex liegt überall die Ausgabe von Gebauer und Spangenberg zu Grunde, wo nicht eine Abweichung besonders bemerkt ist, und dieses letzte ist nur da geschehen, wo es der Inhalt dieses Werks nothwendig machte. Einige Citate mussten, weil sie oft vorkamen, sehr abgekürzt werden, so dass es nöthig ist, die Abkürzungen hier zu erklären:

Cod. Rehd. – Die Rehdigersche Handschrift des Dig. novi, welche in Gebauer’s Noten excerpirt ist.

(1) In allen alten Ausgaben, und auch bei Haloander, ist die Zahl dieses Titels und der folgenden Titel um Eins geringer: der 10. und 11. Titel der Florentinischen Handschrift nämlich werden da für Einen Titel gerechnet.


(3) I. Quellenkunde.

Cod. Lips. – Eine sehr schöne Handschrift der Rathsbibliothek zu Leipzig: das Dig. novum mit Inscriptionen und voraccursischer Glosse.

An einigen Stellen wird eine Handschrift des Dig. novi zu Löwen erwähnt. Diese gehört

dem Advokaten van Meenen daselbst, und ich verdanke die Mittheilung dieser Lesearten der Gefälligkeit des Herrn Prof. Warnkönig.

Rom. 1476. – Digestum Novum „Rome aput sanctum Marcum (1). Anno a nativitate dni. MCCCC. Septuagesimosexto. die penultima mensis. Marcii.“ fol. max.

Nor. 1483. – Digestum Novum „impensis Anthonii koburger nurenberge feliciter est consummatum. Anno xpiane salutis millesimo quadringentesimo octuagesimo tercio. duodecimo kalendas majas.“ fol. min.

Ven. 1485. – Digestum Novum „Mira arte Venetiis impressum Impensis Bernardini de novaria. et Antonii de stanchis de valentia. Anno MCCCC. LXXXV. die vero undecimo mensis maji.“ fol. max.

Ven. 1491. – Digestum Novum „Explicit liber sede ptis digesti novi ... Venetiis impressus: arte et impensis Andree calabren. de papia. Anno dni. MCCCCLXXXXI. die ultimo Aprilis.“ fol. max.

Ven. 1494. – Digestum Novum „Venetiis per Baptistam de tortis. M. CCCC. LXXXXIIIj. die XXIIj. decembris.“ fol. max.

Lugd. 1508. – Digestum Novum „Impressum Lugduni per notabilem virum artis impressoriae Magistrum Jacobum Saccon. Anno salutiferae incarnationis dnice MCCCCCVIII. die vero martii XVI.“ fol.

Lugd. 1509. – Digestum Novum, mit derselben Unterschrift, wie das vorige: „MCCCCCIX. die vero XXVIj. novembris.“ fol.

(1) per Vitum Puecher.


(4) Einleitung.

Lugd. 1513. – Digestum Novum „Impressum Lugduni per Franciscum Fradin. Anno dni millesimo. CCCCCXIIj. Die v°. XIIIj. mensis Novembris.“ fol.

Paris. 1514. – Digestum Novum „Impressum est denuo in inclyta parrhisiorum academia: ad idus decemb. M. D. XIIIj. Opera et vigilantia quidem mea: impensis autem et meis ad Joannis Petit.“ 4°.

Lugd. 1519. – Digestum Novum ap. Franc. Fradin, impensis Aymonis de porta, 1519. d. 20. Aug. fol.

Hal. – Digesta cura Haloandri, Norembergae 1529. 4°. (Bei Gebauer excerpirt).

Paris. 1536. – „Digestum Novum ... Parisiis ... M. D. XXVI. in 4°.“ In fine: „Pandecte imperatoris Justiniani ... Excuse ... in alma Parisiorum academia: in edibus honestissime matrone yolande bonhomme, vidue spectabilis viri Thielmanni kerver. impensis suis ... M. D. XXXV.“

Ausser diesen eigenthümlichen Quellen des Besitzes gehören dahin auch die Quellen, welche zunächst auf Occupation, Tradition und Usucapion sich beziehen.


(5)

II. Literärgeschichte.

Die Schriften, in welchen dieser Theil des Civilrechts bearbeitet ist, sind von zweierlei Art. Die erste Classe hat die Interpretation der Quellen zum Gegenstande, die zweite das System (1). Diese Entgegensetzung beider Classen kann zugleich als eine chronologische gelten, so dass das sechzehnte Jahrhundert als Grenze betrachtet wird: nur darf es damit nicht ganz strenge genommen werden, denn der Anfang der zweiten Classe fällt der Zeit nach mit dem Ende der ersten zusammen.

Erste Classe: Interpreten.

1. Die Glosse zu den Theilen der Justinianischen Rechtssammlungen, die oben als Quellen genannt worden sind.

Ein sehr grosser Theil der spätern Meinungen und Streitigkeiten ist schon in der Glosse enthalten, oder durch dieselbe veranlasst: auch lässt sich diese vorzügliche Wichtigkeit der Glosse leicht aus der Natur des Gegenstandes erklären, wobei es mehr auf eine gründliche Einsicht in die Justinianischen Sammlungen selbst, als auf Anwendung historischer Hülfskenntnisse ankam. Wieviel übrigens dadurch verloren ist, dass wir von den Schriften der Glossatoren nicht viel mehr

(1) Es versteht sich von selbst, dass jeder Schriftsteller nach seinem Hauptwerke classificirt, und dass alles Übrige zugleich neben diesem Werke genannt werden müsse.


(6) Einleitung.

als die schlechten Auszüge des Accurs übrig haben, lässt sich selbst aus dem Wenigen beurtheilen, was hier von Placentin († 1192), und Azo († nach 1230), Roffred († nach 1243) und Odofred († 1265) noch benutzt werden kann:

Placentini Summa in Cod. Lib. 7. Tit. 32. (hier: 35.) (p. 328-333), Lib. 8. Tit. 4-6. (p. 373-377), Lib. 8. Tit. 9. (hier 11.) (p. 379. 380), ed. Mogunt. 1536. f.

Azonis Summa in Cod. titt. critt., fol. 134-135, 145-149. ed. (Lugd.) 1537. f.

Azonis ad singulas leges XII. librorum Cod. Iust. commentarius et magnus apparatus. Paris. 1577. f.

(Aus diesem Werke ist der grösste Theil der Glosse zum Codex genommen). Lib. 7. Tit. 32. (p. 567-571.), Lib. 8. Tit. 4-6. Tit. 9. (p. 615-624).

Roffredi Tractatus judiciarii ordinis P. 2. 8. (S. u. am Anfange des vierten Abschnitts).

Odofredi praelect. in Dig. novum, Lugduni 1552. f. (fol. 51-65. 100-104.) et in secundam partem Codicis. Lugduni 1549. f. (fol. 103-109. 140-148).

2. Die Commentatoren von Accurs bis zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts.

Für das eigene Studium ist in diesen Werken weit weniger als in den früheren zu finden, allein für die Dogmengeschichte, besonders der unmittelbar darauf folgenden französischen Schule, sind sie bedeutend, und zugleich bei weitem nicht genug benutzt.

3. Udalr. Zasius († 1535). – Seine Vorlesungen über einen Theil des Pandektentitels de poss. sind zuerst, mit mehreren Schriften, gedruckt: Basil. 1543. f. Dann: opp. Tom. 3. (Francof. 1590. f.) p. 78-161.

4. Andr. Alciatus († 1550.). – Die Vorlesungen über neun Stellen des Pandektentitels stehen: opp. T. 1. (ed. Francof. 1617. f.) p. 1188-1263. – Damit zu verbinden:


(7) II. Literärgeschichte.

de quinque pedum praescr. num. 76-119. (T. 3. p. 350.)

Comm. in L. 115. de V. S. (T. 2. p. 987.).

Dispunct. Lib. 1. Cap. 1. (T. 4. p. 143.).

Mit Zasius und Alciat fängt bekanntlich der bessere Geschmack in der Behandlung des Civilrechts an: allein von diesem besseren Geschmack ist in den exegetischen Vorlesungen noch wenig oder nichts sichtbar.

5. Aemyl. Ferretus († 1552). – Die Vorlesungen über die drei Stellen des Pandektentitels (L. 1. 3. 12.), wobei das übrige gelegentlich eingeschaltet ist, stehen: opp. T. 1. (Francof. 1598. 4.) p. 514-630. Am Ende steht: Finis 1551.

Etwas schwerfällig und weitschweifig, aber nicht ohne eigene Gedanken.

6. Franc. Duarenus († 1559.). – Seine überaus gründlichen Vorlesungen erstreckten sich auf den ganzen Titel der Pandekten, aber es ist nur die Erklärung der elf ersten Fragmente übrig geblieben; sie stehen: opp. (Lugd. 1584. f.) p. 819-872, und sind nach 1549 gehalten, denn Ulpian wird darin citirt. – Damit ist zu verbinden:

Comm. in tit. de adqu. vel amitt. poss. (p. 816-818). Kurze systematische Uebersicht über die Lehre.

Disput. annivers. Lib. 1. C. 18. (p. 1385).

7. Barthol. Romuleus (seit 1548 Prof. zu Ingolstadt. Mederer. ann. Ingolst. I. 207.). – Comm. s. repet. ad rubr. et L. I. (princ.) de acqu. vel amitt. poss. Lugd. 1561. 8. – Höchst weitschweifig und geschmacklos (1).

(1) Die Erwähnung des Romuleus ist in der 4ten Ausgabe neu hinzugekommen.


(8) Einleitung.

8. Ioan. Corasius († 1572.). – Nur über zwei Stellen des Titels (opp. ed. Forster, Vitemb. 1603. f., T. 1. p. 918-968.), und ziemlich unbedeutend.

9. Jac. Cuiacius († 1590.). – Er hat den grössten Theil der Quellen dieser Lehre interpretirt, aber seine Interpretation steht der des Duaren an Gründlichkeit nach und lässt nur zu oft unbefriedigt. Die Veränderlichkeit seiner Meinungen ist auch hier sehr sichtbar, und es wird daher nicht überflüssig sein, alles, was von seinen Schriften hierher gehört, soviel als möglich chronologisch zusammen zu stellen. Die Seitenzahlen beziehen sich auf die zwei Neapolitanischen Ausgaben der sämmtlichen Werke (1722 und 1758, 10 Bde. Text und 1 B. Index, fol.). Was mit * bezeichnet ist, wurde erst nach seinem Tode und gegen seinen Willen gedruckt:

1556. Notae priores in §. 4. I. per quas pers. et §. 4-6. I. de interd. (T. 1. p. 94., p. 284, 285.) [1556. Observ. I. 20. II. 35 – nur über einzelne Stellen oder specielle Fragen.] (1)

1557. Notae in Pauli Sent. recept. Lib. 5. Tit. 2. et 6. (T. 1. p. 469. 478.)

[1559. Observ. IV. 3, 7, 8, 11.]

[1562. Observ. V. 15, 17, 18, 19, 20, 22, 23, 27.]

[1564. Observ. VI. 4. VII. 38.]

1569. Observ. IX. 32, 33.

1569. Paratit. in Dig. XLI. 2. (T. 1, p. 843, mit Noten von Fabrot).

1573. African. Tr. 7. L. 40. ff. de poss. (T. 1, p. 1401.).

[1577. Observ. XVII. 2. (Zuerst gedruckt in opp. Paris. ap. Nivell. 1577. fol. T. 5.)]

1579 Observ. XVIII. 24.

(1) Alle observ. stehen im dritten Bande der Sammlung.


(9) II. Literärgeschichte.

1579. Paratit. in Cod. VII. 32, VIII. 4, 5, 6, 9. (T. 2. p. 471, p. 528-530, p. 532, mit Noten von Fabrot).

* 1584. 1585. Recitat. in Pauli (1) Comm. ad Ed. (T. 5), in den hierher gehörigen Stellen (vorzüglich: L. 1. 3. ff. de poss., p. 690-719).

1585. Notae posteriores in §. 4. I. per quas pers. et §. 4-6. I. de interd. (T. 1. p. 94, p. 284, 285).

[1585. Observ. XXIII. 21, XXIV. 9, 10. 12.]

* 1588. Recitationes in tit. Dig. de adqu. vel amitt. poss. T. 8. p. 236-315. Zuerst, und besser als in der Sammlung: Spirae 1594. 4.

[? Observ. XXV. 5, 32, 33, 34. XXVII. 7, 22.] Zuerst gedruckt: 1595.

* ? Notae in Dig. XLI. 2. (T. 10. p. 512.),

* ? Notae in Cod. VII. 32. VIII. 4. etc. (T. 10, p. 691, 697, 698.).

* ? Recitat. in singg. LL. Cod. (T. 9). VII. 32. (p. 1004-1019), VIII. 4, 5, 6, 9 (p. 1148-1173).

Diese, so wie die zwei vorigen Schriften, zuerst gedruckt: 1597.

* ? Comment. s. Scholia in Institutiones, ad §. 4. I. per quas pers. (T. 8. p. 690). – Zuerst gedruckt: 1658.

10. Jul. a Beyma († 1588). – Seine sehr unbedeutenden Vorlesungen über den Titel der Pandekten und des Codex stehen in: Comm. in varios titulos juris. Leovard. 1645. 4. (321-408, p. 409-427).

11. Hubertus Giphanius († 1604). – Der gründlichste und vollständigste unter allen Interpreten; die Collegienhefte, aus welchen fast alles abgedruckt ist,

(1) Weniger bedeutend sind hier die Vorlesungen über Papinian (T. 4), Julian (et)c. (et)c. (T. 6), weil die Stellen selbst weniger wichtig sind.


(10) Einleitung.

scheinen sehr mangelhaft gewesen zu sein, und der Abdruck selbst ist sehr nachlässig. Folgende Stücke der Quellen sind von ihm interpretirt:

Tit. Dig. de adqu. vel. amitt. poss. (lecturae Altorph., Francof. 1605. 4. p. 394-526.).

Tit. Cod. de adqu. et retin. poss. (ibid. p. 526-537.).

Ej. Tit. L. 3. (Explanatio Cod., Colon. Planc. 1614. 4. P. 2. p. 242-244.).

Lib. 8. Cod., Proleg. de remed. poss. (ibid. p. 257-269.).

Tit. Cod. unde vi (ibid. p. 276-298.).

Tit. Cod. Uti possidetis (ibid. p. 298-308.).

§. 4-6. I. de interd. (Comm. in Institut., Francof. 1606. 4. p. 431-435.)

Damit zu verbinden:

Antinom. Iur. civ., Lib. 4. Disp. 48. de Interdictis (Francof. 1605. 4. p. 263-277). Jedoch ist die Aechtheit dessen, was in diesem Buch dem Giphanius zugeschrieben wird, noch zweifelhafter als bei den exegetischen Vorlesungen.

12. Guil. Maranus († 1621). – In seinen Werken (ed. Traj. 1741. f.) steht, ausser einer unbedeutenden Einleitung in diese Lehre (p. 473-475), ein Commentar über die

drei ersten Fragmente des Pandektentitels (p. 599-613), welcher auch nicht viel Neues enthält.

Zweite Classe: Systematiker.

Schon Placentin und Azo (num.1.) gaben eine kurze Uebersicht (Summa) über diese Lehre, als Einleitung in die Interpretation der Quellen, und diesem Beispiel folgten Duaren und mehrere Andere. Hier aber sollen nur diejenigen Schriftsteller genannt werden, welche die Darstellung des Systems zum Zweck hatten, einerlei, ob sie es ganz darstellen, oder (wie Merenda


(11) II. Literärgeschichte.

und Cuperus) nur Beiträge dazu liefern wollten: nur muss zugleich für die Erreichung dieses Zwecks etwas bedeutendes geleistet worden sein (1). Für die neuesten Schriften indessen kann auch diese letzte Einschränkung nicht gelten, weil über diese noch nicht durch das Stillschweigen späterer Schriftsteller entschieden sein kann. Systeme des ganzen Civilrechts können fast durchaus übergangen werden, weil darin für einzelne Lehren nur selten viel Neues zu finden ist.

13. Vaconii a Vacuna novae declarationes, Romae 1556. 4., Lib. 2. Declar. 56-92. f. 52-102.

Das ganze Werk ist von einem Zuhörer aus Vorlesungen zusammengetragen: das zweite Buch enthält eine Reihe von Untersuchungen über den Besitz, die nicht ungründlich, aber dunkel und verworren sind.

14. Georg. Obrecht († 1612): Methodica tractatio ... tituli. Dig. et Cod. de adqu. poss., in tres partes atque disputationes distincta. Zuerst (nach Lipenius): Argent. 1580. Dann in: Disputat. Ursellis 1603. 4., P. 1. Num. 25. (p. 517-571.).

Die erste der drei Disputationen (Cap. 1-5) handelt vom Begriff des Besitzes, die zweite (Cap. 6-13) vom Erwerb, die dritte (Cap. 14-19) vom Verlust. – Eine sehr brauchbare Schrift, sowohl wegen der leichten, natürlichen Anordnung, als wegen der richtigen Ansichten, die dabei zum Grunde liegen.

15. Hugo Donellus (†1591). – Hierher gehören:

Commentarii I. Civ., Lib. 5. Cap. 6-13. [Besitz selbst] (pag. 183-198), Lib. 15. Cap. 32-38. [Interdicte] (pag. 799-816.). Die elf ersten Bücher des Werks

(1) Das siebzehnte Jahrhundert ist vorzüglich reich an Dissertationen, denen viel zu viel Ehre geschähe, wenn man von jeder besonders bemerken wollte, dass sie nichts taugt.


(12) Einleitung.

zuerst: Francof. 1589. 1590. 2. Vol. f., das Ganze zuerst: Francof. 1595-1597. 5 Vol. f. Die angeführten Seitenzahlen beziehen sich auf die Hanauer Ausgabe (1612., 1. V. f.).

[Damit zu verbinden:

Comm. in Cod., Lib. 8. Tit. 4. 5. 6. (p. 266-285. f.; nicht sehr bedeutend)].

Diese Darstellung des Besitzes ist vortrefflich, ja sie ist die einzige, in welcher der eigentliche Zusammenhang desselben mit dem ganzen System des Civilrechts erkannt und entwickelt ist. Eigentliche Untersuchungen konnten in diesem einzelnen Abschnitte eines grösseren Werkes keinen Platz finden, aber dass sie dem Werke selbst vorhergegangen sind, ist sehr sichtbar. Uebrigens gehört diese Darstellung des Besitzes, wie das ganze Werk, zu den bekanntesten und unbekanntesten civilistischen Schriften zugleich. Einzelne Sätze daraus werden überall angeführt und beurtheilt, aber die Darstellung des Ganzen, die den eigentlichen Werth desselben ausmacht, wird meist ignorirt. Hilliger hat sogar einen eigenen Auszug mit Noten herausgegeben, um diesen falschen Gebrauch recht bequem zu machen.

16. P. Friderus Mindanus († 1616.). – Schriften:

Comm. synopt. de materia possessionis, Francof. 1597. 8.

Tr. de Interdictis, Francof. 1616. 4.

Beides sehr fehlerhaft zusammengedruckt: Wetzlar 1731. 4.

Frider giebt überall die Absicht an den Tag, ein ganz neues System des Besitzes aufzustellen, und er scheint selbst durch gelehrte Untersuchungen diesen Zweck erreichen zu wollen. Allein es giebt vielleicht kein Buch über diesen Gegenstand, das so wenig Wahres und so viel Falsches enthielte, als dieses, und man thut ihm im geringsten nicht Unrecht, wenn man es für völlig unbrauchbar erklärt. Indessen scheint das eben nicht die gewöhnliche Meinung gewesen zu sein, denn das Buch ist nicht selten von späteren Schriftstellern stark benutzt worden.


(13) II. Literärgeschichte.

17. Alex. Turaminus. – Sein Buch: de vera possessionis substantia, ad Paulum in L. 3. §. ex contr. de possess. enthält weitläufige und ziemlich geschmacklose Untersuchungen über den Begriff und die Natur des Besitzes. Es erschien zuerst: Ferrariae 1604 und steht in der Sammlung seiner Werke (Senis 1769. f.) p. 233-299.

18. Notarum juris selectarum liber, ex subsecivis Fr. Davy Dargenté Antecessoris Andegavensis. Juliomagi Andium, ap. G. Chesneau 1615. 4. – Die ersten 86 Blätter des Buchs enthalten ein System des Besitzes, welches nicht ohne Geschmack, aber ungründlich ist.

19. Anton. Merenda († 1655). – Seine Controversiae Iuris erschienen von 1625 an stückweise. Die neueste Ausgabe (Bruxellis 1745. 1746. f.) ist so abgetheilt: Tom. 1. (1745). Lib. 1-6., Tom. 2. (1745.). Lib. 7-12., Tom. 3. (1746.). Lib. 13-18., Tom. 4. (1746.). Lib. 19-23., Tom. 5. (1746.). Lib. 24. – Hierher gehören:

Lib. 2. Cap. 16-21. Cap. 32.

Lib. 3. Cap. 19. 21.

Lib. 6. Cap. 25.

Lib. 12. Cap. 1-29.

Lib. 19. Cap. 24.

Lib. 24. Cap. 35. 39. 45.

Merenda leitet das ganze Recht des Besitzes aus dem Zustand wandernder Völker ab. Ihr Verhältniss zum Boden sei das gewesen, was wir Besitz nennen, und dieses Rechtsinstitut sei aus politischen Gründen beibehalten worden, da durch den Ackerbau wahres Grundeigenthum entstand. Das alles ist freilich falsch, aber zweierlei darf doch dabei nicht übersehen werden: einmal, dass der Irrthum selbst aus einem sehr reellen Bestreben nach einer systematischen Einsicht entstanden ist: zweitens, dass Merenda neben diesem Irrthum eine gründliche Kenntniss des Römischen Rechts hat, die er oft sehr scharfsinnig mit jenem Irrthum zu vereinigen weiss, und die ihn noch immer recht brauchbar macht.


(14) Einleitung.

20. Marc. Aurel. Galvanus (†. 1659). – Bei dem Ususfructus kam er unter andern auch auf die Frage: wie der Besitz dabei zu bestimmen sei? und diese sollte durch eine Untersuchung über die Natur des Besitzes selbst vorbereitet werden. Darum gehört hierher das 33. und 34. Capitel des Buchs: de Usufructu (zuerst: Patav. 1650 f.).

Sehr schwerfällige Untersuchungen, meist auf willkührliche Begriffe gebaut. So z. B. wird bei jedem Besitzer untersucht, ob er stricte oder late, proprie oder improprie, vere oder interpretative besitze, und diese Methode ist recht dazu gemacht, den eigentlichen Gesichtspunct zu verrücken. Das Buch ist hier völlig entbehrlich, wiewohl es keineswegs ungründlich genannt werden kann.

21. Melch. de Valentia († 1657), Prof. zu Salamanca. – Seine: illustres juris tractatus oder: lecturae Salmanticenses, sind stückweise gedruckt; das dritte Buch zuerst 1634, das erste und zweite früher, und diesen beiden ist noch eine gelehrte Correspondenz mit Anton Faber eingeschaltet. Das Ganze ist zuletzt (und sehr fehlerhaft) gedruckt: Coloniae Allobrogum 1730. 4. (1). Hierher gehört:

L. 1. Tract. 2. (p. 27-70).

22. Franc. Ramos del Manzano († 1683), Schüler des Vorigen und Prof. zu Salamanca. – Seine Vorlesungen über den Besitz sind erst von Meermann abgedruckt worden (Thes. Tom. 7. p. 78-114).

23. Jos. Fernandez de Retes († 1678), Schüler des Ramos und Prof. zu Salamanca. – Seine Vorlesungen über den Besitz (gehalten vom J. 1649 an) stehen bei Meermann: Tom. 7. p. 454-494., die über die Interdicte (J. 1660.) p. 495-539.

(1) Dieser Ausgabe ist noch beigedruckt: Noodt de forma emendandi doli mali, und zwar als ein anonymes Buch.


(15) II. Literärgeschichte.

Die Vorlesungen dieser drei Spanischen Juristen sind mit grossem Fleisse ausgearbeitet, und man kann sie nach Donellus als die gründlichsten Werke über den Besitz betrachten. Mit den Vorlesungen aus der Französischen Schule sind sie schon der äusseren Einrichtung nach gar nicht zu vergleichen. Sie sind wie Bücher abgetheilt, und werden wie Bücher citirt: jede derselben ist mehrmals gehalten und immer von neuem bearbeitet. Auch ist oft von einer gemeinen Meinung der Akademiker zu Salamanca die Rede, was sich hieraus erklärt. – Valentia scheint in ausserordentlichem Ansehen gestanden zu haben, aber Ramos mag wohl der vorzüglichste unter den dreien sein. Der Tractat des Retes: de Interdictis, welchem wahrscheinlich nicht vorgearbeitet war, ist bei weitem das schlechteste.

24. Hieron. Oroz, Prof. zu Valladolid, Zeitgenosse und Gegner der drei Juristen zu Salamanca. – Er schrieb: Apices Iuris civilis, wovon das ganze vierte Buch den Besitz abhandelt (p. 268-344. ed. Lugd. 1733. f.).

Das Werk enthält fast nichts eigenes, und es wird dadurch unbrauchbar, dass es beinahe ganz aus Frider (num. 16.) ausgeschrieben ist.

25. Dominicus Aulisius († 1717, Prof. zu Neapel). – Seine Commentarii ad titt. Pandectarum de adqu. vel am. poss., de V. O., de leg. et fid., sol. matr. Neap. 1719. 4., enthalten p. 1-137 ein System des Besitzes, worin manches Einzelne mit Gründlichkeit und Scharfsinn behandelt ist, dem es aber im Ganzen an einem zweckmässigen Plan gänzlich fehlt. Eigene Ansichten von Bedeutung habe ich darin nicht gefunden.

26. Io. Iac. Oppenritter. – Schriften:

Diss. (resp. C. F. Com. a Werschowetz), Summa possessionis, Viennae 1738. 4. [P. 1. Begriff und Erwerb (p. 1-336.), P. 2. Erhaltung und Verlust (p. 337-383.)].


(16) Einleitung.

Diss. (resp. Com. a Kollowrath), beatitudo possidentis, Viennae 1738. 4. [P. 1. Vortheile des Besitzes (p. 1 bis 184). P. 2. Interdicte (p. 185-288). Hier ist die Darstellung der Interdicte nur eingeleitet: für die possessorischen Interdicte wird am Schluss noch eine dritte Schrift versprochen, von welcher ich nicht weiss, ob sie erschienen ist.]

Viele eigene Gedanken sind in diesen Schriften nicht zu suchen, allein sie sind als Materialiensammlungen ganz brauchbar, indem sie bei den wichtigsten Fragen die Meinungen der älteren Juristen ziemlich vollständig, obgleich ohne alle Auswahl, zusammenstellen.

27. Robert Joseph Pothier (n. 1699. † 1772), Prof. und Mitglied des Gerichtshofes zu Orleans. – Die letzte unter seinen vielen Schriften über Römisches und Französisches Recht ist eine Abhandlung über Eigenthum und Besitz unter folgenden Titeln:

Traité du droit de domaine de propriété, par l’auteur du traité des obligations. Tom. 1. à Paris et Orléans 1772. in 12.

Traité de la possession [p. 1-128.] et de la prescription, par M. Pothier, Conseiller au Présidial d’Orléans. Tom. 2. Paris et Orléans 1772 (1) in 12. (Mit vorgedrucktem Leben des Verfassers).

Damit zu verbinden:

Pandectae Iustinianeae in novum ordinem digestae, Lib. 41. Tit. 2, Lib. 43. Tit. 16-23. Tit. 26. Tit. 31. (Tom. 3. p. 121-132, p. 215-232, p. 240-244, p. 248-249. ed. Lugd. 1782. f., zuerst: 1748.).

Etwas Neues enthält diese Darstellung des Besitzes gar nicht, aber die Hauptansichten sind richtig und die Darstellung selbst ist recht gut und zu einer allgemeinen Uebersicht sehr brauchbar. Zugleich sind die Abweichungen des Franz. Rechts dabei bemerkt.

(1) Auf dem Titel steht durch Druckfehler: MDCCLXXXII.


(17) Literärgeschichte.

28. Essai sur les principes du droit, tant ancien que moderne, en matière de possession. à Louvain 1780. 12. (Von L. J. Jupille).

Ein seltenes, aber sehr schlechtes Buch, dessen Dasein ich früherhin bezweifelt, dann aber geradezu in Abrede gestellt hatte. Eine ausführliche Anzeige davon findet sich in Hugo’s civilistischem Magazin B. 3. N. XXI.

29. Ernst Christ. Westphal († 1792), System des Römischen Rechts über die Arten der Sachen, Besitz, Eigenthum und Verjährung, Leipzig 1788. 8. [Arten der Sachen Th. 1. p. 1-32. Besitz Th. 2. p. 33-261. Eigenthum und Verjährung Th. 3. p. 261-784.]

Westphal hatte die Absicht, eine recht gelehrte Schrift zu liefern, die den Gegenstand eigentlich erschöpfen sollte, und er hat sich dazu durch ein vollständiges Studium der Quellen und der besten Schriftsteller vorbereitet. Nur ist es zu bedauern, dass er die Quellen so gut als gar nicht zu behandeln wusste, und dass er unter den Meinungen seiner Vorgänger gewöhnlich die schlechtesten auswählte. Gerade in den entscheidendsten Puncten sind seine Meinungen so falsch, dass das Buch selbst als Compilation nicht sehr brauchbar ist. Seine grösste Stärke ist die Entwicklung der Fehler der Römischen Juristen, und er weiss sich mit grosser Herzhaftigkeit selbst in praktischer Rücksicht über diese Fehler wegzusetzen.

30. Angeli Jacobi Cuperi (diss. inaug.) observationes selectae de natura possessionis, Lugd. Bat. 1789. 4. (120 S.) – neue Ausgabe von Thibaut: Ienae 1804. 8. (154 S.); von S. 155-174 folgen: editoris der naturali et civili possessione animadversiones (s. u. num. 37.). Ich citire nach der ersten Ausgabe.

Selten ist in einer civilistischen Schrift so unbedingter Beifall zu Theil geworden, als dieser, daher es nöthig wird, sie etwas genauer als die übrigen Schriften zu characterisiren. Sie ist aus einem überaus gründlichen Quellenstudium entstanden, und sie kann mit Wahrheit elegant genannt werden, nicht nur wegen der vortrefflichen Behandlung der Quellen, sondern


(18) Einleitung.

auch wegen der bestimmten Richtung der Untersuchung, wodurch sie sich sehr vortheilhaft vor den meisten Holländischen Schriften auszeichnet, die so oft mit ihren Digressionen beschwerlich fallen (1). Aber bei aller dieser Vortrefflichkeit sind es doch nur einzelne Bemerkungen, die als eigentliches Resultat der Schrift betrachtet werden können, ja in den wichtigsten Punkten sind sogar die Ansichten früherer Schriftsteller erweislich besser. Dieser Umstand ist nur aus einem gänzlichen Mangel an systematischem Talent zu erklären, welcher Mangel sich ohnehin schon in der fragmentarischen Anordnung der ganzen Schrift äussert, noch mehr aber in dem Bestreben, jede Regel des Römischen Rechts wo möglich zu isoliren: viele Schriftsteller haben aus Liebe zum System die Quellen hintangesetzt, aber hier wird umgekehrt mehr als einmal den Quellen Gewalt angethan, um die Einheit aufzuheben, die wirklich vorhanden ist. Daraus erklärt sich leicht, warum bei jeder Gelegenheit Merenda (num. 19.) so übel von Cuperus behandelt wird; Merenda hatte gerade die entgegengesetzte Richtung. Welche von beiden Richtungen dem Civilrecht angemessen, ja nothwendig sei, kann wohl nicht gründlich bezweifelt werden.

31. C. F. W. von Spangenberg, Versuch einer systematischen Darstellung der Lehre vom Besitz. Bayreuth 1794. 8. (340 S.).

Ein Buch ohne neue Gedanken, und auch als Compilation nicht brauchbar. Wie wenig der Verf. selbst zum Compilator berufen ist, kann man schon daraus sehen, dass er Westphal und Cuperus neben einander excerpirt.

32. Ferd. Gotthelf Fleck. – Schriften:

Hermeneut. tituli ff. de adquirenda vel ammittenda Possessione specimina duo. Lips. 1796. 4. (139 S.)

(1) Höpfner’s Urtheil über Cuperus ist völlig unbegreiflich. Er spricht ihm richtige Beurtheilung und helle Begriffe ganz ab und vergleicht seine Manier mit der des Salmasius. Gleich darauf findet er die Schrift von Spangenberg gut genug. (Commentar, sechste Ausgabe, §. 281. not. 11.).


(19) Literärgeschichte.

Commentationes binae de interdictis unde vi et remedio spolii. Lips. 1797. 8. (136 S.).

Dazu kommt noch:

C. F. M. Klepe diss. de natura et indole possessionis ad interdicta uti possidetis et utrubi necessaria. Lips. 1794. 4. (1).

Es wäre zu wünschen, dass diese Schriften eben so sehr das Eigenthum ihres Verfs. wären, als ihr Inhalt gelehrt und brauchbar ist. Allein selbst der Ausdruck: Compilation möchte hier wohl etwas zu gelinde sein. Die erste Schrift kündigt sich selbst als ein Spicilegium zu Cuperus und Spangenberg an, auch wird Cuperus ein paarmal citirt. Aber dass fast die ganze Schrift, und zum Theil wörtlich, aus Cuperus genommen ist, erfährt der Leser nicht. Eben so wird in der zweiten Schrift die Abhandlung von Cras (2) zwar genannt, aber blos unter den Schriften, worin Cicero vertheidigt werde, also in einer Reihe mit Grotius und Donellus; und doch ist der beste Theil des Buchs ganz aus Cras genommen, ja ganze Blätter sind wörtlich abgeschrieben.

33. F. W. Sibeth, Erörterungen aus der Lehre vom Besitz, erster Theil, Rostock 1800. 8. (168 S.)

Das Buch ist ganz originell und selbst von Cuperus’ Einfluss ganz frei: nur Einmal wird eine „Cuperische Deutung“ angeführt und sehr schnöde abgefertigt. Erst S. 136. kommt der Verf. auf die naive Frage: „was er eigentlich denn recht wolle?“ Dass er es selbst nicht weiss, zeigt das ganze Buch. Indessen verdient doch jedes originelle Bestreben selbst dann eine Art von Achtung, wenn es so völlig fruchtlos bleibt, wie hier.

34. A. F. J. Thibaut über Besitz und Verjährung. Jena 1802. 8. – Hierher gehört der erste Theil des Buchs S. 1-60.

(1) Fleck selbst hat nämlich diese Schrift vindicirt (de interdictis pag. 35.).

(2) s. u. §. 40.


(20) Einleitung.

Nach des Verfs eigener Erklärung (1) war es nicht sowohl seine Absicht, eine neue Darstellung dieser Gegenstände zu liefern, als seinen Zuhörern einen Leitfaden in die Hände zu geben. Darum gehört diese Schrift nicht eigentlich hierher: allein wer die übrigen Schriften des Verfs. kennt, muss es beklagen, dass eine eigene Untersuchung dieses Theils des Civilrechts nicht in seinem Plane lag.

35. Car. Chr. Heffter diss. de possessione, spec. 1. Viteb. 1803. – Sehr unbedeutend.

36. Die erste Ausgabe des gegenwärtigen Buchs (1803).

37. Thibaut’s Bemerkungen über civilis und naturalis possessio hinter seiner Ausgabe des Cuperus (s. o. num. 30). Sie enthalten eine sehr interessante Berichtigung meiner Darstellung dieser Begriffe, wovon unten Gebrauch gemacht werden wird; das Wesentliche davon hatte der Verfasser schon vorher in einer Recension der ersten Ausgabe meiner Schrift (A. L. Z. 1804. num. 41 etc.) bekannt gemacht.

38. Theod. Maxim. Zachariae diss. (praes. Haubold) Universalia quaedam de possessione principia e jure Romano collecta. Lips. 1805. 4. (31 S.) – Der Verf. stellt einen neuen Begriff des Besitzes auf, und sucht durch diesen verschiedene Theile der Theorie aufzuklären. Sein Bestreben nach systematischer Einheit verdient Beifall und Achtung, nur scheint es mit der Ausführung etwas leicht genommen zu sein. Der Inhalt der Schrift ist theils nicht sehr neu, theils nicht sehr haltbar, und gewonnen hat hier die Wissenschaft eigentlich nichts. Belege zu diesem Urtheil werden unten (§. 9. [et]c.) vorkommen.

(1) s. die Vorerinnerung.


(21) Literärgeschichte.

39. Die zweite Ausgabe des gegenwärtigen Buchs (1806).

40. Christ. Chlum, der Besitz unter Justinian. Marburg und Cassel 1808. 8.

41. C. F. Ch. Wenck diss. de traditione inter possessionis et proprietatis transferendae modum fluctuante. Lips. 1809. 4.

Eine sehr gelehrte, fleissige Schrift, deren Hauptansichten aber durchaus unrichtig sind. Ein grosser Theil derselben vertheidigt blos den alten (nicht hierher gehörigen) Irrthum, nach welchem der Eigenthümer soll tradiren können, ohne zu besitzen. Eben so unrichtig ist die andere Ansicht, aus welcher der Verf. viele Stellen des R. R. interpretirt, dass nämlich oft der Besitz durch das Eigenthum und um des Eigenthums willen erworben werde, obgleich die wahren, sonst für den Erwerb des Besitzes vorgeschriebenen Bedingungen nicht vorhanden seien.

42. Chr. Chr. Dabelow reprehensa Savignii capita Sectio prior. Lips. 1810. 8. – Idem ad sectionem priorem reprehensorum Savignii capitum postscripsit. Lips. 1810. 8. – Vgl. Heidelberger Jahrbücher für Jurisprudenz 1810. Heft 7. S. 318.

43. H. C. van Loenen diss. de possessione Traj. 1810. 4.

44. Dr. W. Planck, die Lehre vom Besitz, nach den Grundsätzen des französischen Civil-Rechtes. Göttingen 1811. 8.

45. Jac. Frid. Rauter diss. de jure possessionis. Argentor. 1812. 4. – Für das Römische Recht sehr unbedeutend.

46. Christ. Chlum, über das Recht des Besitzes, eine civilistische Abhandlung. Giessen 1813. 8.


(22) Einleitung.

47. Joh. Christ. Lange, Philosophisch-juristische Abhandlung über die Natur des Besitzes. Erster Band. Erlangen 1813. Zweiter Band. Das. 1818. 8.

48. G. Hufeland, neue Darstellung der Rechtslehre vom Besitz, im zweiten Theil des Buchs: Ueber den eigenthümlichen Geist des Römischen Rechts. Giessen 1816. 8.

49. Th. M. Zachariä, die Lehre des Römischen Rechts vom Besitze und der Verjährung. Nebst einem Anhange von der Fructuum perceptio. Breslau 1816. 8.

50. Schweppe, juristisches Magazin. B. 1. Heft. 1. Altona 1818. 8. S. 38-50.

51. Die dritte Ausgabe des gegenwärtigen Buchs (1818).

52. Die vierte Ausgabe des gegenwärtigen Buchs (1822).

53. M. L. A. Warnkönig analyse du traité de la possession par M. de Savigny, à Liége chez Bassompierre 1824. 8. (War zuerst stückweise in der Themis erschienen.) (*)

54. Th. M. Zachariä, neue Revision der Theorie des R. R. vom Besitze. Leipzig 1824. 8.

55. C. Albert über das Int. uti possidetis. Halle 1824. 8.

56. C. Albert über den Besitz unkörperlicher Sachen. N. I. Darstellung des Int. de itinere. Leipzig 1826. 8.

(*) Eine englische Uebersetzung giebt Luther S. Cushing unter dem Titel „Analysis of Savigny’s Treatise on the Law of Possession. By Professor L. A. Warnkönig“ in der Zeitschrift: The American Jurist an Law Magazine edited by Charles Sumner, Luther S. Cushing, George S. Hillard. Vol. XIX. Boston, Charles C. Little and James Brown. 1838. pag. 13 bis 49 und 257-291. A. d. H.


(23) Literärgeschichte.

57. Rosshirt zu der Lehre vom Besitz und insbesondere von der quasipossessio. (Archiv B. 8. S. 1-74.). 1825. (Vergl. unten §. 9.)

58. C. F. Koch Versuch einer system. Darstellung der Lehre vom Besitze nach Preussischem Recht, in Vergleichung mit dem gemeinen Recht. Berlin 1826. 8.

59. Die fünfte Ausgabe des gegenwärtigen Buchs (1827.).

60. Puchta: zu welcher Classe von Rechten gehört der Besitz? Rhein. Museum B. 3. 1829. S. 289-308. (Vgl. unten §. 6.).

61. Schröter: über den abgeleiteten Besitz, Zeitschrift von Linde B. 2. 1829. S. 233-269. (Vergl. unten §. 9.).

62. Guyet: über den animus possidendi, Abhandlungen. Heidelberg 1829. N. VI.

Guyet: noch einige Bemerkungen über den animus possidendi, Zeitschrift von Linde B. 4. 1831. S. 361-381. (Vgl. unten §. 9.)

63. Rudorff: Rechtsgrund der possessorischen Interdicte, Zeitschrift für geschichtl. Rwiss. B. 7. 1830. S. 90-114. (Vgl. unten §. 6.).

64. Warnkönig über die richtige Begriffsbestimmung des animus possidendi, Archiv für civil. Praxis B. 13. 1830. S. 169-180 (Vgl. unten §. 9.).

65. Thon über civilis und naturalis possessio, Rhein. Museum B. 4. 1830. S. 95-141. (Vgl. unten §. 10.).

66. Wiederhold das Int. uti possidetis und die Novi operis Nunciatio. Hanau 1831. 8. (Vgl. unten §. 10.).

67. Johannsen Begriffsbestimmungen aus dem Gebiete des Civilrechts. H. 1. über Possessio, Possessio civilis und Possessio naturalis. Heidelberg 1831. 8. (Vgl. unten §. 10.).

68. Buchholtz über Juris possessio, Versuche. Berlin 1831. 8. N. VIII.


(24) Einleitung.

69. Hasse der jüngere über das Wesen der actio, Rhein. Museum B. 6. 1833. S. 183-204. (Vgl. unten §. 6.).

70. Bartels vom abgeleiteten Besitz, Zeitschrift von Linde B. 6. 1833. S. 178-214. (Vgl. unten §. 9.).

71. Thaden Begriff des Röm. Interdictenbesitzes. Hamburg 1833. 8. (Vgl. unten §. 6.).

72. Sintenis vom juristischen Besitz, Zeitschrift von Linde B. 7. 1834. S. 223-273. 414-436. (Vergl. unten §. 2. 9.).

73. Rauh Versuch einer Geschichte der Lehre vom Besitz aus dem Standpunkt der Phylosophie (sic) des Rechts. 1834. – Landau, gedruckt bei Carl Georges.

74. Thibaut über possessio civilis, Archiv B. 18. 1835. S. 315-364. (Vgl. unten §.10.).

75. Huschke über die Stelle des Varro von den Liciniern nebst einer Zugabe über Festus v. Possessiones und Possessio. Heidelberg 1835. 8. (Vgl. unten §. 6.).

76. Althof das Int. de itinere. Rinteln 1836. 8. (Vgl. unten §. 46.).

77. Burchardi: Possessio civilis ist weder gleichbedeutend mit possessio ad usucapionem, noch mit possessio ad interdicta. (Archiv f. die civilistische Praxis B. 2. S. 14-53. Heidelberg 1837) [Vgl. unten §. 10.]

78. Sintenis über Besitz und Ersitzung verbundener Sachen (Archiv f. die civilistische Praxis B. 20. S. 75-115. Heidelberg 1837.) [Vgl. unten §. 22.] (*)

(*) Die neuere Besitzliteratur ist im Anhange Num. 1. verzeichnet. Die Aufzeichnungen des Verfs. enthielten nur noch nicht geordnete Notizen über die zunächst nach der 6. Aufl. erschienenen Schriftform. A. d. H.


(25)

Erster Abschnitt.

Begriff des Besitzes.

§. 1.

Wenn eine Reihe von Schriftstellern denselben Gegenstand bearbeitet, giebt es sehr bald eine Tradition allgemeiner Bemerkungen, welche auch in den verschiedensten Schriften immer an derselben Stelle dem Leser begegnen.

So ist es gewöhnlich, den Untersuchungen über den Besitz die Klage über die ausserordentliche Schwierigkeit dieser Untersuchungen vorausgehen zu lassen. Einige haben es mit diesen Klagen so ernstlich gemeint, dass sie in eine Art von Verzweiflung darüber gerathen sind (1); bei den meisten war es nur eine vorläufige Lobrede auf ihr Werk, da sie eben durch dieses den Leser zu befriedigen

(1) Unter diese Schriftsteller, die dem Leser den Rath geben, sich auf jede andere Art zu helfen, als durch die unmögliche Ergründung der Sache selbst, gehören Leyser (Sp. 451. med. 1-4.) und Sibeth (vom Besitz S. 61): „Bei den vielen Häkeleien und wirklichen Widersprüchen des römischen Rechts ... wäre es unmöglich, dass man in solchen Sachen eine Urtel (!) nach voller Überzeugung machen könnte. Man sieht daher darauf, ob jemand ein Recht zum Besitz überhaupt habe (et)c.“


(26) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

die Absicht hatten. Ich enthalte mich leicht des Versuchs, im Anfang des Buchs die Schwierigkeit unserer Aufgabe zu beweisen; schwerer wird es sein, auch in keinem folgenden Puncte der Untersuchung durch meine Darstellung selbst daran zu erinnern.

Allen Definitionen des Besitzes, so sehr sie im Ausdruck und in der Sache selbst von einander abweichen, liegt etwas ganz allgemeines zum Grunde, wovon jede Untersuchung über diesen Gegenstand ausgehen muss. Alle denken sich unter dem Besitz einer Sache den Zustand, in welchem nicht nur die eigne Einwirkung auf die Sache physisch möglich ist, sondern auch jede fremde Einwirkung verhindert werden kann (1). So besitzt der Schiffer sein Schiff, aber nicht das Wasser auf welchem er fährt, obgleich er sich beider zu seinen Zwecken bedient (*).

Dieser Zustand, welchen man Detention nennt, und welcher allem Begriff des Besitzes zum Grunde liegt, ist an sich durchaus kein Gegenstand der Gesetzgebung und der Begriff desselben kein juristischer Begriff (**); allein es zeigt sich sogleich eine Beziehung desselben auf einen

(1) Ich hatte früher den Ausdruck gewählt: „sondern auch jede fremde Einwirkung unmöglich ist.“ Man hat dagegen mit Recht eingewendet, mit dieser Unmöglichkeit sei die Verletzung des Besitzes unvereinbar: ferner, wenn sie auch etwa für den Anfang des Besitzes zugegeben werden könnte, so passe sie doch gar nicht mehr zu dem viel loseren und entfernteren Verhältniss der Fortsetzung. Der jetzt gewählte Ausdruck scheint mir durch diese Einwendungen nicht getroffen zu werden. Denn wenn wir die blosse Möglichkeit der Abwehr als Merkmal in den Begriff aufnehmen, so bleibt dabei der Erfolg derselben unentschieden; ferner sind in dieser Möglichkeit verschiedene Grade denkbar, die bei dem früher gewählten Ausdruck nicht unterschieden werden konnten. (Zus. der 6. Ausg.)

(*) Vergl. Anhang Num. 2. A. d. H.

(**) Vergl. Anhang Num. 3. A. d. H.


(27) §. 1. Detention.

juristischen Begriff, wodurch er selbst Gegenstand der Gesetzgebung wird. Da nämlich das Eigenthum die rechtliche Möglichkeit ist, auf eine Sache nach Willkühr einzuwirken, und jeden andern von ihrem Gebrauch auszuschliessen, so liegt in der Detention die Ausübung des Eigenthums, und sie ist der factische Zustand, welcher dem Eigenthum, als einem rechtlichen Zustand, correspondirt.

Wäre diese juristische Beziehung des Besitzes die einzige überhaupt, so liesse sich alles, was darüber juristisch zu bestimmen wäre, in folgende Sätze zusammenfassen: der Eigenthümer hat das Recht zu besitzen, dasselbe Recht hat der, welchem der Eigenthümer den Besitz verstattet, jeder Andere hat dieses Recht nicht.

Allein das Römische Recht bestimmt bei dem Besitz, wie bei dem Eigenthum, die Art wie er erworben und wie er verloren wird: es behandelt ihn demnach nicht blos als Folge eines Rechts, sondern als Bedingung von Rechten. So ist folglich auch hier, in einer juristischen Theorie des Besitzes, nur von den Rechten des Besitzes die Rede (jus possessionis), nicht von dem Recht zu besitzen (bei den neuern Juristen jus possidendi), welches in die Theorie des Eigenthums gehört (1).

Wir sind jetzt von dem Begriff der blossen Detention zu dem des (juristischen) Besitzes übergegangen, welcher der Gegenstand dieser Abhandlung ist. Der erste Abschnitt derselben, als Grundlage der ganzen Untersuchung, hat diesen Begriff formell und materiell zu bestimmen: formell, indem er die Rechte darstellt, welche

(1) Diese Unterscheidung ist zu leicht, als dass es nöthig wäre, länger dabei zu verweilen, und Donellus hat sie so befriedigend auseinander gesetzt (comment. lib. 9. c. 9.), dass es unbegreiflich ist, wie selbst manche Schriftsteller sich nicht darin finden können (*).

(*) Vergl. Anhang Num. 4. A. d. H.


(28) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

den Besitz als Bedingung voraussetzen, also die Bedeutung angiebt, welche der nichtjuristische Begriff der Detention für die Rechtswissenschaft erhält, um in dieser Bedeutung als etwas juristisches, als Besitz, betrachtet werden zu können; materiell, indem er die Bedingungen aufzählt, welche das Römische Recht für das Dasein des Besitzes selbst vorschreibt, also die positiven Modificationen, unter welchen die Detention als Besitz gelten soll.

Die formelle Bestimmung des Begriffs, wodurch derselbe allererst Realität für die Rechtswissenschaft erhalten kann, zerfällt in zwei Theile.

Zuerst muss im System des Römischen Privatrechts selbst die Stelle aufgesucht werden, welche dem Besitz, als einem rechtlichen Verhältniss, in diesem System zukommt. Demnach müssen die Rechte angegeben werden, welche das Römische Recht als Folge des Besitzes anerkennt, zugleich sind auch die Rechte zu prüfen, welche ohne Grund für Rechte des Besitzes ausgegeben werden. Dann wird es leicht sein, auf die bekannten Fragen zu antworten, ob der Besitz als Recht, und ob er als jus in re zu betrachten sei. – Da übrigens die erste und einfachste Art, wie der Besitz in der Rechtswissenschaft vorkommen kann, darin besteht, dass der Eigenthümer das Recht hat zu besitzen, hier aber der Besitz, unabhängig vom Eigenthum, als die Quelle eigner Rechte betrachtet wird, so kann man diese erste Frage auch so ausdrücken: in welchem Sinn hat man den Besitz vom Eigenthum abgesondert? welcher Ausdruck von vielen Schriftstellern gebraucht worden ist (1).

Zweitens ist zu untersuchen, wie die verschiedenen Beziehungen, in welchen der Besitz im Römischen Recht

(1) So z. B. von Cuperus (de nat. poss. P. 1. c. 2.)


(29) §. 2. Rechte des Besitzes.

vorkommt, durch den Ausdruck von einander unterschieden worden sind: besonders was possessio überhaupt, naturalis possessio und civilis possessio den Römischen Juristen bedeutet hat. Diese terminologische Untersuchung wird theils die Resultate der vorhergehenden bestätigen, theils auch eine gründliche Interpretation möglich machen, auf welcher die ganze folgende Darstellung ruhen könne.

§. 2.

Es finden sich im ganzen Römischen Recht nur zwei Folgen, welche dem Besitz an sich, abgesondert von allem Eigenthum, zugeschrieben werden können: Usucapion und Interdicte (1).

Der Usucapion liegt die Regel zum Grunde, welche die zwölf Tafeln aufgenommen haben: wer eine Sache ein oder zwei Jahre besitzt, wird Eigenthümer dieser Sache. Hier ist der blosse Besitz, unabhängig von allem Recht (*), Grund des Eigenthums selbst. Zwar muss er auf besondere Weise angefangen haben, wenn er jene Wirkung haben soll: aber dabei bleibt er, was er ausserdem ist,

(1) Neuerlich ist mit grosser Gründlichkeit, im Widerstreit mit mir, ausgeführt worden, auch diese seien nicht absolute oder unmittelbare Folgen, da ja doch bei den Interdicten noch immer die Gewalt, bei der Usucapion aber der Titel mit hinzutreten müsse, um jene Wirkungen hervorzubringen; daher habe der Besitz an sich gar keine Folgen. Sintenis (N. 72.) pag. 252-259. Zugleich räumt aber derselbe ein, die wichtigste mittelbare Beziehung des Besitzes liege in den Interdicten und der Usucapion, und nur in Beziehung auf sie werde das Dasein des Besitzes juristisch bestimmt (p. 258). Da ich nun von jeher nur dieses behauptet habe, so hat jener Schriftsteller dasjenige überzeugend bewiesen, welches niemals von mir oder irgend einem Andern in Zweifel gezogen worden ist. (Zusatz der 6. Ausg.)

(*) Vergl. Anhang Num. 5. A. d. H.


(30). Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

ein blosses Factum, ohne anderes Recht, als welches ihm jene Wirkung giebt. Zwar wurde derselbe Besitz, welcher die Usucapion begründete, auch als ein eignes rechtliches Verhältniss vermittelst der actio Publiciana, behandelt: aber dieses Institut, das erst lange nach der Usucapion eingeführt worden ist, konnte den Grund derselben nicht enthalten. Demnach ist es der Besitz an sich, abgesondert von jedem andern rechtlichen Verhältniss, wovon die Usucapion, also der Erwerb des Eigenthums, abhängt. Zu der Usucapion kam nachher als Supplement die longi temporis praescriptio, d. h. eine Exception gegen die rei vindicatio, deren Bedingungen meist dieselben waren, wie die der Usucapion, wobei also auch der Besitz auf dieselbe Weise vorkam, so dass es schon für das ältere Recht nicht nöthig ist, in der longi temporis praescriptio einen neuen, von der Usucapion verschiedenen, Gesichtspunkt für den Besitz anzunehmen. Justinian hat in diesen Fällen, ja unter Voraussetzung der bona fides sogar im Fall der dreissigjährigen Klagverjährung, wahres Eigenthum gegeben, also kann man in dem neuesten Recht nur noch von Usucapion sprechen, sie mag nun 3, oder 10, oder 20, oder 30 Jahre dauern. Freilich wird für die 30jährige Verjährung das Wort Usucapion nirgends gebraucht, aber es ist ganz consequent, sie damit zu bezeichnen, da sie, wie jede andere, Eigenthum giebt. Ein anderes Wort dafür giebt es gewiss nicht, selbst in der Sprache der Juristen unter Justinian nicht.

Die zweite Wirkung des Besitzes sind die possessorischen Interdicte. Mit diesen verhält es sich also: Da der Besitz an sich kein Rechtsverhältniss ist, so ist auch die Störung desselben keine Rechtsverletzung, und sie kann es nur dadurch werden, dass sie ein anderes Recht zugleich mit verletzt. Wenn nun die Störung des Besitzes gewaltsam geschieht, so liegt in dieser Störung eine Rechtsverletzung, weil jede Gewaltthätigkeit unrechtlich


(31) §. 2. Rechte des Besitzes.

ist (*), und dieses Unrecht ist es, was durch ein Interdict aufgehoben werden soll.

Das also ist es, worin alle possessorischen Interdicte übereinkommen: sie setzen eine Handlung voraus, die schon durch ihre Form unrechtlich ist. Bei gewaltthätigen Handlungen, der ersten und wichtigsten Art solcher Handlungen überhaupt, hat das gar keinen Zweifel: aber aus demselben Gesichtspunkte werden auch die übrigen Fälle im Römischen Recht betrachtet, in welchen possessorische Interdicte gebraucht werden können. So z. B. gründet sich das interdictum de precario weder auf Vertrag, noch darauf, dass der Kläger mehr Recht an der Sache zu haben behauptet als der Beklagte: sondern allein darauf, dass es an sich unrecht ist, den guten Willen des Andern zu missbrauchen, gerade so wie es unrecht ist, mit Gewalt eine Sache zu nehmen, der Andere mag Eigenthümer sein oder nicht. Auch werden darum überall die drei Arten, wie der Besitz unrechtlich erworben werden kann (vitia possessionis) mit einander verbunden (1).

Da nun die possessorischen Interdicte durch solche Handlungen begründet werden, welche durch ihre Form unrechtlich sind, so ist es klar, warum auch hier der Besitz, ohne alle Rücksicht auf seine eigene Rechtlichkeit, der Grund von Rechten sein kann. Wenn der Eigenthümer eine Sache vindicirt, so ist es ganz gleichgültig, auf welche Art der Andere in den Besitz gekommen ist, weil jener das Recht hat, jeden Andern von dem Besitz auszuschliessen. Wie mit der Vindication, so verhält es sich auch mit dem Interdict, wodurch die missio in possessionem geschützt werden soll (2): dieses Interdict ist

(*) Vgl. Anh. Num. 6. A. d. H.

(1) Terentius in Eunuch. act. 2. sc. 3. v. 27. 28: „Hanc tu mihi vel vi, vel clam, vel precario fac tradas:“

Eben so in unzähligen Stellen der Pandekten (**).

(**) Vgl. Anh. Num. 7. A. d. H.

(2) „Nec exigitur, ut vi fecerit,


(32) Erster. Abschnitt. Begriff des Besitzes.

kein possessorisches Interdict, denn die missio selbst giebt durchaus keinen Besitz (1), aber sie giebt ein Recht auf die Detention, und dieses Recht wird auf ähnliche Weise geltend gemacht, wie bei dem Eigenthum. – Wer dagegen blos den Besitz einer Sache hat, hat damit gar kein Recht auf die Detention, aber er hat das Recht von jedem zu fordern, dass er überhaupt keine Gewalt gegen ihn brauche: thut dieser es dennoch, und ist diese Gewalt gegen den Besitz gerichtet, so schützt sich der Besitzer durch Interdicte. Der Besitz ist die Bedingung dieser Interdicte, und also hier, wie bei der Usucapion die Bedingung von Rechten überhaupt.

Ganz abweichend von dieser Ansicht sehen die Meisten jede Verletzung des Besitzes für eine materielle Rechtsverletzung an, den Besitz selbst also für ein Recht an sich, nämlich für ein präsumtives Eigenthum (2), die possessorischen Klagen für provisorische Vindicationen. Dieses letzte, als die practische Seite der Meinung, wird unten (§. 36) ausführlich widerlegt werden.

§. 3.

Usucapion also und Interdicte setzen den Besitz als Bedingung voraus, und machen es nöthig, den Begriff

qui prohibuit.“ L. 1. §. 3. ne vis fiat ei, qui in poss.

(1) „Creditores missos in possessionem rei servandae caussa (!), interdicto uti possidetis uti non posse: et merito: quia non possident. Idemque et in ceteris omnibus, qui custodiae caussa missi sunt in possessionem, dicendum est.“ L. 3. §. 8. uti possidetis. – Im zweiten Abschnitt wird dieser Satz im Zusammenhang erklärt werden.

(2) Ich nenne hier nur den neuesten Vertheidiger dieser Ansicht, Hufeland vom Besitz, S. 43-45. – In der dritten Ausg. des gegenwärtigen Werks war der Versuch gemacht worden, dieser Ansicht eine richtige Seite abzugewinnen. Am Schluss des §. 6. wird gezeigt werden, warum jetzt (in der 6. Ausg.) dieser Versuch wieder aufgegeben worden ist.


(33) §. 3. Rechte des Besitzes (Forts.).

desselben juristisch zu bestimmen: auch hat daran noch niemand gezweifelt (*). Allein ich behaupte ferner, dass ausserdem kein Recht zu finden ist, was als Wirkung des Besitzes gelten könnte, und in dieser Behauptung habe ich alle Schriftsteller, bis auf Einen oder Zwei, zu Gegnern (**).

Im Allgemeinen lässt sich diese Behauptung schon dadurch begründen, dass die Römischen Juristen nie in einer andern Beziehung, als den beiden eben genannten, das Dasein des Besitzes (1) zu bestimmen suchen. Da aber dieser Grund erst unten durch terminologische Untersuchungen völlig in’s Licht gesetzt werden kann, so bleibt hier nichts übrig, als die angeblichen Wirkungen des Besitzes zu widerlegen. Es ist dabei nicht meine Absicht, die Verzeichnisse durchzugehen, welche mehrere Schriftsteller von den Vortheilen des Besitzes gemacht haben (2): nur diejenigen sollen hier widerlegt werden, deren Prüfung einem bedeutenden Irrthum begegnen, oder in die Natur des Besitzes selbst neue Einsicht verschaffen kann.

1. Es giebt zwei Fälle, in welchen nach dem neuesten Römischen Recht immer mit dem Besitz zugleich Eigenthum erworben wird, so dass Usucapion weder möglich

(*) Vergl. Anhang Num. 8. A. d. H.

(**) Vergl. Anhang Num. 9. A. d. H.

(1) Ich sage absichtlich, das Dasein des Besitzes als eines fortdauernden Verhältnisses. Denn allerdings wird häufig der Erwerb des Besitzes blos wegen des daraus entspringenden Eigenthums untersucht, welche Verbindung sogleich näher bestimmt werden wird.

(2) Einer soll es dabei bis auf 72 gebracht haben (Car. Tapia in Auth. ingressi C. de ss. eccl.). Aber auch schon bei Frider (de mat. poss. Cap. 8. 9.) und Cludius (res quotid. C. 1.) ist die Verwirrung so gross, dass man sie nicht grösser wünschen wird. Ausser diesen gehören hierher alle Schriften unter dem Titel: beati possidentes oder: de commodis possessionis. Es versteht sich von selbst, dass in jenen Verzeichnissen immer dasselbe unter andern Namen wiederholt wird.


(34) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

noch nöthig ist: Occupation einer Sache, die keinen Eigenthümer hat, und Tradition, welche vom Eigenthümer selbst vorgenommen wird. In beiden Fallen ist zwar der Erwerb des Besitzes der eigentliche Grund des Eigenthums selbst (1), d. h. das was die neueren Juristen modus adquirendi nennen: allein der Besitz, als eigner, dauernder Zustand, ist keineswegs der Grund dieses erworbenen Rechts, da er selbst erst in dem Augenblick anfängt, mit welchem das Eigenthum erworben ist. Demnach kann hier von keinem Rechte die Rede sein, welches dem Besitzer, als solchem, zukäme, sondern es ist nur in der Lehre vom Eigenthum der Theil der Theorie des Besitzes zu gebrauchen, welcher die Apprehension betrifft. Aber obgleich hierin keine eigne, juristische Bedeutung für den Besitz gesucht werden kann, so ist dennoch diese Beziehung für die Theorie des Besitzes selbst sehr wichtig. Da nämlich in diesen Fällen Erwerb des Besitzes und Erwerb des Eigenthums, was die Natur der erwerbenden Handlung betrifft, unzertrennlich verbunden sind (2), so folgt daraus für die Interpretation die Regel, dass alle Vorschriften über Occupation und Tradition, insofern sie die Form der Handlung betreffen, auch als Quellen für den Besitz gebraucht werden können, obgleich sie des Besitzes selbst vielleicht nicht erwähnen: von welcher Regel auch schon in der Angabe der Quellen Gebrauch gemacht worden ist.

2. Die Publiciana actio ist mit jedem Besitze verbunden, welcher der Usucapion (die 30jährige ausgenommen) fähig ist, und es ist deshalb gerade kein practischer Irrthum

(1) Das heisst: „per possessionem dominium quaerere.“ L. 20. §. 2. de adqu. rer. dom. – §. 5. I. per quas pers.

(2) So ist zu erklären L. 8. C. de poss.: „Per procuratorem utilitatis caussa (!) possessionem, et, si proprietas ab hac separari non possit, (d. h. wenn von einer gültigen Occupation oder Tradition die Rede ist) dominium etiam quaeri placet.“


(35) §. 3. Rechte des Besitzes. (Forts.)

zu befürchten, wenn man diese Art des Eigenthums, wie die Usucapion, als eine Folge des blossen Besitzes betrachtet. Da aber jene Klage schon im älteren Römischen Recht der eigentlichen Vindication sehr ähnlich war, im neueren Recht aber ihr noch näher gekommen ist, so ist auch dabei eigentlich nicht mehr vom blossen Besitze die Rede, sondern es ist ein ähnliches Verhältniss, wie wenn durch Occupation und Tradition das wahre Eigenthum zugleich mit dem Besitze erworben wird. Demnach giebt es für jeden Usucapionsbesitz eine doppelte Ansicht: wegen des Eigenthums, was erst in der Folge durch ihn erworben werden soll, ist er als blosser Besitz Gegenstand der Rechtswissenschaft (§. 2): wegen der publicianischen Klage, die schon jetzt mit ihm verbunden ist, gilt er selbst schon als Eigenthum. Auch haben ihn in dieser letzten Rücksicht von jeher die meisten Juristen nicht als Besitz, sondern als Eigenthum behandelt.

3. Wer eine fremde Sache so besitzt, dass er sie für sein Eigenthum hält und aus einem juristischen Grunde dafür halten muss (bona fides und justa causa), erwirbt an den Früchten dieser Sache das Eigenthum wirklich (fructuum perceptio). Dieses Recht wird von den Meisten als etwas ganz einzelnes betrachtet, und unter die bedeutendsten Vortheile des blossen Besitzes gerechnet. Allein es lässt sich beweisen, dass dieses Recht durchaus nichts anderes ist, als publicianisches Eigenthum, bezogen auf die allgemeine Regel der Accession, welcher Beweis weiter unten (§. 22 a.) auch wirklich geführt werden wird. Dieses vorausgesetzt, gilt alles, was über jenes Recht so eben (num. 2) gesagt worden ist, auch hier, und es ist ganz inconsequent, dasselbe von den Folgen des blossen Besitzes auszuschliessen, während man die fructuum perceptio darunter rechnet (*).

(*) Vergl. Anhang Num. 10. A. d. H.


(36) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

4. Der Besitzer hat im Streit über Eigenthum den Vortheil, dass der Gegner beweisen muss, um zu gewinnen, er selbst aber auch dann gewinnt, wenn von keiner Seite etwas bewiesen werden kann (1).

Dass indessen auch hierin kein Recht des Besitzes liegt, wodurch der Besitz selbst eine neue, juristische Bedeutung bekommen könnte, folgt schon daraus, dass derselbe Satz allgemein für jeden Beklagten überhaupt wahr ist (2). Es ist also blos das natürliche Vorrecht des Beklagten, angewendet auf den Fall der Vindication, weil dabei kein Anderer, als der Besitzer, Beklagter sein kann.

Das practische Interesse, wodurch dieser Punct von den vorigen sich unterscheidet, liegt darin. Ist dieses Recht eine Folge des juristischen Besitzes, so kann es niemand haben, der, obgleich er die Detention einer Sache hat, dennoch nicht juristisch als Besitzer anerkannt wird; folglich müsste ein solcher überhaupt nicht Beklagter sein dürfen in dem Streit über Eigenthum, weil ihm sonst das allgemeine Recht des Beklagten nicht versagt werden könnte. Ist dagegen dieses Recht kein Vorrecht des Besitzes, so wird es auch bei der blossen Detention, die nicht als Besitz gilt, behauptet werden müssen. Nun bestimmt das Römische Recht ausdrücklich, dass die Vindication angestellt werden kann, der Beklagte mag juristisch als Besitzer gelten oder nicht (3). Da nun ohne Zweifel der Kläger immer abgewiesen werden muss, wenn er nicht beweisen kann, so ist das Recht, von welchem hier die Rede ist, eben

(1) §. 4. I. de interdictis. Dieses Recht übrigens kommt bei unsern Juristen unter sehr verschiedenen Ausdrücken vor, deren jeder wieder als eine eigene beatitudo possessionis gezählt wird, z. B. „der Besitzer ist frei vom Beweise, es wird präsumirt, dass er Eigenthümer sei, es wird im Zweifel zu seinem Vortheil entschieden, er braucht den Grund seines Besitzes nicht anzugeben“ etc.

(2) „ ... semper necessitas probandi incumbit illi, qui agit.“ L. 21. de probat.

(3) L. 9. de rei vind.


(37) §. 3. Rechte des Besitzes. (Forts.)

sowohl ein Recht der blossen Detention, als ein Recht des Besitzes, also überhaupt kein solches Recht, welches durch den Besitz als ein eignes, juristisches Verhältniss bedingt ist.

5. Der Besitzer darf mit Gewalt seinen Besitz vertheidigen (1).

Dieses Recht kann schon um deswillen nicht neben den übrigen als Folge des Besitzes, aufgestellt werden, weil der Satz selbst, auf welchem es beruht, gar nicht in das Privatrecht gehört. Da sich nämlich hierbei der Schutz eines Richters gar nicht denken lässt, so kann der Sinn jenes Satzes, als eines Rechtssatzes, nur dieser sein: wer auf solche Weise Gewalt ausübt, ist von der Strafe frei, welche ausserdem auf alle Gewaltthätigkeit folgt. Dieser Satz gehört theils in das Criminalrecht, wegen der öffentlichen Strafe, theils in das Civilrecht, wegen der Privatstrafe der Selbsthülfe: aber in beiden Beziehungen kann er durchaus nicht als Folge des juristischen Besitzes gedacht werden, da die Nothwehr überhaupt bei der blossen Detention eben sowohl möglich und erlaubt ist, als bei dem juristischen Besitz. Dieses letzte indessen scheint der angeführten Stelle des Codex zu widersprechen: Die Nothwehr wird hier dem Besitzer, dessen Besitz nicht unrechtlich angefangen hat, verstattet, also – jedem Andern, unter andern auch dem, welcher blosse Detention hat, versagt. Allein diese Art der Interpretation, die überall nur mit grosser Vorsicht gebraucht werden kann, ist bei den Rescripten des Codex fast ganz unbrauchbar; so lässt sich gleich hier ein Fall denken, auf welchen dieser Zusatz sich beziehen könnte, ohne unsere Regel indirect aufzuheben. Wer nämlich mit Gewalt aus dem

(1) „Recte possidenti, ad defendendam possessionem, quam sine vitio tenebat, inculpatae tutelae moderatione illatam vim propulsare licet.“ L. 1. C. unde vi.


(38) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Besitz verdrängt wird, darf sich gleich darauf mit Gewalt wieder in den Besitz setzen, ja es wird nun so betrachtet, als ob er den Besitz gar nicht verloren hätte (1): wenn also der Andere diesen Angriff mit Gewalt abwehrt, so kann er das nicht durch Nothwehr entschuldigen, weil er überhaupt nicht als Vertheidiger betrachtet wird. Wer nun etwa ohnehin bewiesen hätte, dass er in einem rechtlich angefangenen Besitz gewesen wäre, dem könnte dieser Einwurf nicht gemacht werden, und so haben die Worte: recte possidenti Sinn und Bedeutung, ohne jener Regel zu widersprechen.

Demnach kann auch Nothwehr auf keine Weise als Vorrecht des Besitzes angesehen werden (*).

6. Das Retentionsrecht (2). Dass dieses nicht unter die charakteristischen Folgen des Besitzes gehören kann, folgt schon daraus, dass auch diejenigen es haben, welchen doch aller juristische Besitz entschieden abgesprochen werden muss. In der That ist dieses Recht nichts anders, als eine doli exceptio, die sich von anderen Anwendungen dieser Exception nur factisch und zufällig unterscheidet.

§. 4.

Dass der Besitz als ein rechtliches Verhältniss nur allein auf Usucapion und Interdicte sich bezieht, ist bisher bewiesen worden: dasselbe findet sich durch den Zusammenhang bestätigt, in welchem der Besitz bei den Römischen Gesetzgebern und Juristen vorkommt.

1. In den Institutionen (3) steht er mitten unter den possessorischen Interdicten, weil das Recht diese Interdicte zu gebrauchen nur durch ihn begründet werden

(1) L. 17. de vi.

(*) Vergl. Anhang Num. 11. A. d. H.

(2) Thibaut Pandekten 5. Ausg. §. 311. Hufeland vom Besitz S. 34.

(3) lib. 4. tit. 15.


(39) §. 4. Rechte des Besitzes. (Forts.)

kann. Bei der Usucapion (1) wird er einstweilen als bekannt vorausgesetzt.

2. In den Pandekten wird im ganzen 41. Buch der Erwerb des Eigenthums abgehandelt: im ersten Titel die natürlichen Erwerbarten, im dritten und allen folgenden die Usucapion. Der Besitz kommt im zweiten Titel vor, offenbar als Uebergang zur Usucapion, welche hauptsächlich auf ihm beruht, und ohne eine genaue Kenntniss des Besitzes nicht verstanden werden kann. Die Interdicte folgen erst später, und es ist daher ganz natürlich, dass bei ihnen nicht weiter die Rede davon ist.

Diese Ansicht der Pandektenordnung ist so natürlich, dass von jeher die meisten Juristen auf diese Art die Sache erklärt haben (2). Einige haben ein umgekehrtes Verhältniss angenommen, indem sie behaupteten, die ganze Lehre vom Eigenthum sei nur gelegentlich dem Besitz beigefügt worden: der Besitz selbst stehe hier als Vorbereitung zu den Interdicten (3) oder zur Execution (4).

3. Im Codex steht der Besitz zwischen der Usucapion (5) und der longi temporis praescriptio (6), offenbar weil beide auf gleiche Weise durch ihn bedingt sind. Auch hier wird wieder eine entferntere Beziehung auf die Execution behauptet (7).

Die Basiliken (8) schliessen sich im Ganzen an die Ordnung der Pandektentitel an, welchen die Titel des Codex nur eingeschaltet werden. Doch ist es

(1) lib. 2. tit. 6.

(2) Duarenus in tit. de poss., prooem. p. m. 823.

(3) Cuiacius in paratit. in Dig. lib. 41. tit. 2.

(4) Giphanius in oeconomia juris p. 162. et in lectur. Altorph. p. 394.

(5) lib. 7. tit. 26-31.

(6) lib. 7. tit. 33-38.

(7) Giphanius in oecon. juris pag. 162.

(8) lib. 50. tit. 2. in Meermanni Thes. T. 5. p. 42-50. Indessen steht hier von den possessorischen Interdicten nur ein Theil. Das übrige steht im 58. oder 60. Buch.


(40) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

merkwürdig, dass hier unmittelbar nach der Usucapion und noch vor dem Titel pro emtore (1) die possessorischen Interdicte (2) eingerückt sind.

4. Bei Paulus (3) wird der Besitz nur als Bedingung der Usucapion vorgetragen. Da indessen in dem ganzen Titel, welcher diese Ueberschrift führt, ausser dem Besitz selbst zwar die longi temporis praescriptio vorkommt, die Usucapion aber gar nicht genannt wird, so ist es höchst wahrscheinlich, dass die Verfasser der Gothischen Compilation hier vieles geändert haben (4).

5. Das Edict, obgleich älter als alle vorige Quellen, führe ich zuletzt an, weil wir über die Ordnung desselben am wenigsten wissen. In den Commentaren über dasselbe ist die Stelle, an welcher der Besitz abgehandelt wird, ganz verschieden. In dem Commentar von Ulpian sind die Interdicte mit dem Besitz verbunden, die Usucapion kommt an einer sehr entfernten Stelle vor; in dem Commentar von Paulus verhält es sich gerade umgekehrt. Folgende Tabelle mag zur Uebersicht dienen:

(1) l. c. p. 58.

(2) l. c. p. 57.

(3) recept. sent. lib. 5. tit. 2. de usucapione.

(4) Schulting in rubr. tit. cit.


(41) §. 4. Rechte des Besitzes (Forts.)

Ulpianus ad edict.

lib. 11

lib. 12

lib. 15

lib. 16

lib. 69

 

 

lib. 70

 

 

 

 

lib. 71

 

 

lib. 72

lib. 73

Paulus ad edictum

lib. 54

 

 

 

 

 

 

lib. 65

 

lib. 66

 

lib. 67

Besitz.

 

 

 

 

l. 10. de poss.

 

 

l. 2. de poss.

l. 6. de poss.

l. 12. de poss.

 

 

 

 

 

l. 13. de poss.

l. 16. de poss.

 

l. 1. de poss.

l. 3. de poss.

l. 7. de poss.

Interdicte.

 

 

 

 

l. 3. de interd.

l. 1.3. de vi

l. 1.3. uti poss.

l. 4. uti poss.

l. 1. de superfic.

l. 1. 3. de itin.

l. 1. de aq. quot.

l. 1. 3. de rivis.

l. 1. de fonte

l. 1. de cloac.

l. 2. 4. 6. 8. de prec.

l. 1. de utrubi

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l. 2. 9. de vi

l. 2. uti poss.

l. 2. 6. de itin.

l. 2. de rivis.

l. 4. de interd.

l. 6. 16. quod vi

Usucapion.

l. 6. de usurp.

l. 1 pro derelicto

l. 1. pro suo

l. 10. de usurp.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l. 2. 4. de usurp.

l. 2. pro emt.

l. 1. pro don.

l. 2. pro derel.

l. 2. 4. pro leg.

l. 2. pro dote

l. 2. pro suo

 

Schon durch diese Verschiedenheit würde es sehr wahrscheinlich sein, dass der Besitz selbst gar nicht im Edict vorkam, und daher von den Commentatoren des Edicts, die ihn der Vollständigkeit wegen nicht übergehen konnten, gerade da eingeschaltet wurde, wo es jedem am bequemsten dünken mochte. Allein ohnehin lässt sich


(42) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

bei der ganz praktischen Einrichtung des Edicts, worin sich alles an die Rechtsmittel anknüpfte, nicht annehmen, dass darin Bestimmungen über den Begriff, Erwerb und Verlust des Besitzes hätten aufgenommen werden können; Bestimmungen dieser Art wurden gewiss ohne Ausnahme der juristischen Theorie überlassen, und so geschah es, dass die Commentatoren des Edicts eine solche Lehre nach ihrem individuellen Gutdünken einschalteten (1).

Noch viel leichter lässt es sich zeigen, dass die Rechte, welche oben dem Besitz als Wirkungen abgesprochen worden sind (§. 3.), auch in den Quellen des Römischen Rechts in keiner Verbindung damit stehen.

Die Occupation und Tradition stehen überall unter den Fällen, in welchen Eigenthum unabhängig vom Civilrecht erworben wird.

Die Publiciana actio kommt in den Institutionen (2) unter den prätorischen Klagen überhaupt vor, in den Pandekten (3) neben der rei vindicatio.

Die fructuum perceptio wird als natürliche Erwerbart bei dem Eigenthum vorgetragen, und zwar in den Institutionen (4) unmittelbar nach der Accession.

Die Freiheit vom Beweise kommt zwar in den Institutionen als commodum possessionis vor (5), aber nicht sowohl um die Lehre vom Besitz zu ergänzen (6), als um den häufigen Gebrauch und die Wichtigkeit des interdicti retinendae possessionis zu erklären.

(1) Die erste Bemerkung war schon früher von Heise mitgetheilt worden, die zweite rührt von Hugo (Gött. Anz. 1818. S. 1558) her und ist in der 4. Ausg. hinzugekommen (*).

(*) Vergl. Anhang Num. 12. A. d. H.

(2) lib. 4. tit. 6.

(3) lib. 6. tit. 2.

(4) §. 35. de rer. div.

(5) §. 4. I. de interdictis.

(6) Diese steht nämlich erst im folgenden Paragraphen.


(43) §. 5. Der Besitz ist Recht und Factum zugleich.

Das Recht zur Nothwehr wird, wie billig, nicht als ein eigenes Rechtsinstitut abgehandelt, für welches eine eigene Stelle im System des Privatrechts aufgesucht werden müsste, sondern nur bei einer ganz andern Materie gelegentlich berührt.

Das Retentionsrecht endlich hat gar keine eigene Stelle.

§. 5.

Die Bedeutung, welche der Besitz im Römischen Recht hat, ist jetzt bestimmt: aller Besitz bezieht sich auf Usucapion oder Interdicte, und alle Rechtsvorschriften, welche den Besitz als etwas juristisches betreffen, haben keinen andern Zweck, als die Möglichkeit der Usucapion oder der Interdicte zu bestimmen.

Jetzt wird es nicht schwer sein, auf zwei Fragen zu antworten, über welche von jeher die Meinungen sehr getheilt gewesen sind: ob nämlich erstens der Besitz als Recht oder als Factum betrachtet werden müsse, und zweitens, wenn er ein Recht ist, unter welche Klasse von Rechten er gehöre.

Was das erste betrifft, so ist es klar, dass der Besitz an sich, seinem ursprünglichen Begriffe nach, ein blosses Factum ist: eben so gewiss ist es, dass rechtliche Folgen damit verbunden sind (1). Demnach ist er

(1) Durch diese rechtliche Folgen, die bisher dargestellt worden sind, bekommt nun das jus possessionis, was vorher nur als Gegenstand der Untersuchung vorläufig angenommen wurde, bestimmte Bedeutung. Der Ausdruck selbst kommt in mehreren Stellen vor:

L. 44. pr. de poss.

L. 2. §. 38. ne quid in loco publ.

L. 5. §. 1. ad L. Iul. de vi publ.

L. 5. C. de lib. causa.

Nicht dieselbe Bedeutung hat possessionis dominium und dominus, woraus einige eine ganz eigene Art von Recht gemacht haben:

L. 7. D. de incendio.

Cod. Gregor. III. 4. const. 1.


(44) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Factum und Recht zugleich, nämlich seinem Wesen nach Factum, in seinen Folgen einem Rechte gleich, und dieses zweifache Verhältniss ist für das ganze Detail ungemein wichtig.

Da nämlich der Besitz ursprünglich ein Factum ist, so ist seine Existenz von allen den Regeln unabhängig, welche das Civilrecht oder auch das jus gentium über den Erwerb und den Verlust von Rechten aufgestellt haben (1). So kann durch Gewalt der Besitz erworben und verloren werden, obgleich Gewalt durchaus keine juristische Handlung ist: ebenso wird durch die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes, z. B. durch die fehlende Insinuation bei einer grossen Schenkung, der Uebergang des Besitzes durchaus nicht gehindert. So ist ferner nach diesem ursprünglichen Begriff des Besitzes eine eigentliche Uebertragung desselben nicht möglich, d. h. kein Besitzer als solcher ist als Successor des vorigen

L. 2. C. Iust. ubi in rem actio (III. 19.)

Cod. Theodos. VIII. 18. const. 2.

In den drei ersten Stellen heisst possessio eine Besitzung, ein Grundstück, dominus possessionis der Herr des Grundstücks. In der Stelle des Theodosischen Codex hat der Ausdruck einen viel unbestimmteren Sinn: es heisst da Detention und Genuss ohne Eigenthum, also auch ohne Recht der Veräusserung, daher eigentlich nur ususfructus, mithin nicht einmal wahre possessio. In einer späteren Constitution übrigens steht jus possessionis für jus possidendi (Rechtlichkeit des Besitzes):

L. 10. C. de poss.

(1) Das ist der Sinn folgender Stellen: „Ofilius quidem et Nerva filius, etiam sine tutoris auctoritate possidere incipere posse pupillum ajunt: eam enim rem facti non juris esse.“ L. 1. §. 3. de poss. „ ... possessio autem plurimum facti habet.“ L. 19. ex quibus causis majores. „ ... quod naturaliter adquiritur, sicuti est possessio, per quemlibet ... adquirimus.“ L. 53. de a. r. dominio. Hier wird der Erwerb des Besitzes nicht allem juristischen Erwerb überhaupt, sondern dem des Civilrechts entgegengesetzt, weil dieser Gegensatz zum Zweck der ganzen Stelle hinreichte.


(45) §. 5. Der Besitz ist Recht und Factum zugleich.

Besitzers zu betrachten, sondern er erwirbt einen ganz neuen Besitz für sich, unabhängig von dem vorigen (1).

Allein diese Regel ist nicht ohne Ausnahme. Es giebt Fälle, in welchen es nöthig ist, die Rechte des Besitzes zu gestatten, wo jenes Factum nicht ist, oder zu versagen, wo es sich findet (2). In allen diesen Fällen ist es nicht blos, wie in den übrigen, die Wirkung, was den Besitz zu einem Rechtsverhältniss macht, sondern der Besitz selbst, als die Bedingung jener Wirkung, erhält hier juristische Bestimmungen (3). Diese Modificationen des ursprünglichen Begriffs vom Besitze zu kennen, ist freilich sehr nöthig, d. h. es ist nöthig zu wissen, in welchen Fällen überhaupt Besitz anzunehmen ist oder nicht: sie als Abweichungen von der Regel zu kennen, und von den Fällen zu unterscheiden, welche unter der Regel selbst enthalten sind, ist nicht schwer, wenn man den ursprünglichen Begriff des Besitzes selbst deutlich aufgefasst hat: von praktischem Interesse ist diese Untersuchung gar nicht. Cuperus hat die sehr unbequeme Methode eingeführt, sie alle in einer Reihe zusammen zu

(1) Diesen Satz, der nicht ohne Folgen ist, hat schon Duarenus in L. 1. de poss. p. m. 838. 839. Auch ist davon eine Controverse des Bulgarus und Martinus zu verstehen. Rogerius de dissension. dominorum Num. 73. ed Haubold Lips. 1821. 8. „Differunt in eo an quis a me possidere valeat salva materia possessionis.“ (*)

(*) Vergl. Anhang Num. 13. A. d. H.

(2) Unsere Juristen nennen den Besitz, welcher so auf juristische Weise angenommen wird, obgleich die natürliche Detention fehlt, possessio ficta, impropria, interpretativa. Der erste, der diese Ausdrücke gebraucht hat, ist wahrscheinlich Albericus. Azonis Summa in Codicem, tit. de poss. num. 15.

(3) „ ... plurimum ex jure possessio mutuatur.“ L. 49. pr. de poss. „possessio non tantum corporis, sed et juris est.“ L. 49. §. 1. de poss. Diese Stellen sind also nicht mit den oben angeführten zu verwechseln, welche von dem jus possessionis sprechen, obgleich die juristische Natur, welche der Besitz selbst erhält, sich auf jenes


(46) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

stellen, und er selbst hat 73 derselben aufgezählt (1). Ein solcher Katalog mag recht gut sein zur Uebersicht, wenn man die Sache selbst schon anderwärts her kennt: um sie kennen zu lernen ist er nicht sehr tauglich. Deshalb wird jede dieser positiven Modificationen des Besitzes an ihrem Orte eingeschaltet werden, d. h. da, wo die Regel selbst vorgetragen wird, wovon sie eine Ausnahme enthält.

Noch deutlicher wird diese zweifache Natur des Besitzes durch folgende Anwendung werden. Niemand kann seine eigene Sache kaufen, d. h. der Kaufcontract ist in einem solchen Fall nichtig (2). Dasselbe gilt von dem Pacht, dem Precarium, dem Depositum und Commodat (3). Allein es giebt eine Ausnahme dieser Regel, wenn nämlich der Eigenthümer jene Verträge mit Rücksicht auf den Besitz des Andern schliesst. So gilt in diesem Fall die emtio possessionis (4), conductio possessionis (5), precarium possessionis (6), und nach der Analogie auch possessionis depositum und commodatum. Aber die Bedeutung dieser Ausdrücke ist gar nicht, dass durch diese Geschäfte der juristische Besitz übertragen

jus possessionis bezieht. – Zachariä (de poss. p. 13.) erklärt das ex jure durch e servitute, ex usufructu. Aber possessio ex usufructu aliquid mutuatur heisst: der Besitz entlehnt eine Regel von dem ususfructus, d. h. es wird eine Regel auf den Besitz angewendet, die eigentlich für den ususfructus bestimmt war. Demnach müsste das Räsonnement von Papinian dieses sein. Der Sclave, dessen ususfructus ich habe, kann mir einen ususfructus erwerben, der Besitz aber richtet sich oft nach dem ususfructus, also kann mir jener Sclave auch Besitz erwerben. So aber hat Papinian gewiss nicht räsonnirt.

(1) de nat. poss. P. 1. C. 6.

(2) L. 21. de usurp.

(3) L. 21. de usurp. – L. 4. §. 3. de precario. – L. 15. depositi.

(4) L. 34. §. 4. de contrah. emt. – L. 28. de poss.

(5) L. 28. 37. de poss. – L. 35. §. 1. L. 37. de pign. act.

(6) L. 28. de poss. – L. 6. §. 4. L. 22. pr. de precario. – L. 35. §. 1. de pign. act.


(47) §. 5. Der Besitz ist Recht und Factum zugleich.

werde. Denn der emtor possessionis erwirbt den Besitz doch nicht ohne Apprehension, und durch die Apprehension würde er ihn auch ohne Kauf erworben haben. Der conductor possessionis dagegen erwirbt niemals den juristischen Besitz, und eben so der Commodatar. Das precarium und depositum endlich richten sich hierin bald nach dem Kauf, bald nach dem Pacht. – Die Bedeutung jener Ausdrücke ist vielmehr die, dass durch die Rücksicht auf des Verkäufers etc. bisherigen Besitz, als auf ein juristisches, im positiven Recht anerkanntes, Verhältniss jene Verträge gültig werden, welche ausserdem deswegen ungültig gewesen wären, weil sie kein juristisches Object gehabt hätten. – Alles dieses aber hängt mit der oben entwickelten zweifachen Natur des Besitzes auf das genaueste zusammen. Nämlich der Besitz ist Factum, insofern ihm ein blos factisches, unjuristisches Verhältniss (die Detention) zum Grunde liegt: darum hatte in jenen Fällen der Kauf, der Pacht etc. auf den Erwerb des Besitzes nicht den geringsten Einfluss. Aber der Besitz ist ein Recht, insofern mit dem blossen Dasein jenes factischen Verhältnisses Rechte verbunden sind: darum konnte die Rücksicht auf ihn sowohl, als die auf das Eigenthum, dem Kauf und andern Verträgen Gültigkeit geben. (*)

So ist also der Besitz (in dem oben bestimmten Sinne) Factum und Recht zugleich. Die vielen Verhandlungen anzuführen, welche man bei Schriftstellern über diese Frage findet, wäre eben so unnütz, als ihre Lectüre unbelehrend ist. Cuperus (1) hat die Sache im Ganzen richtig und gründlich dargestellt, auch hat sich seitdem kein Zweifel hierüber gezeigt (2).

(*) Vgl. Anh. Num. 14. A. d. H.

(1) de nat. poss. P. 1. C. 5.

(2) Zachariä (p. 11.) hat zwar die Frage von neuem abgehandelt, aber ohne etwas neues darüber zu sagen. (**)

(**) Vergl. Anhang Num. 15. A. d. H.


(48) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

§. 6.

Die zweite Frage war: zu welcher Classe von Rechten gehört der Besitz?

Insofern der Besitz die Usucapion möglich macht, lässt sich diese Frage gar nicht denken. Niemand fällt es ein zu fragen, zu welcher Art von Rechten die justa causa gehöre, ohne welche die Tradition kein Eigenthum übertragen kann. Sie ist gar kein Recht, aber sie ist ein Theil der ganzen Handlung, wodurch Eigenthum erworben wird. So auch der Besitz in Beziehung auf Usucapion.

Demnach bleibt nur noch der Besitz, auf welchen die Interdicte sich gründen, als Gegenstand unserer Frage übrig. Diese Frage kann man vollständig beantworten, ohne sich auf die Classification des ganzen Privatrechts einzulassen, wodurch der Gang unsrer Untersuchung sehr unterbrochen werden müsste. Es lässt sich nämlich zeigen, dass der Besitz in das Obligationenrecht gehört, welcher Begriff in dem Römischen Recht als völlig bestimmt vorausgesetzt werden kann; wer nun das Vermögensrecht überhaupt in Sachenrecht und Obligationenrecht eintheilt, der wird dadurch von selbst genöthigt, den Besitz von allem Sachenrecht zu trennen; wer diese Eintheilung verwirft, muss ohnehin für das ganze Obligationenrecht eine eigne Stelle aufsuchen, wodurch denn der Besitz zugleich mit bestimmt sein wird.

Dass nun das Recht der possessorischen Interdicte in das Obligationenrecht gehört, folgt schon daraus, dass für alle Interdicte überhaupt dieser Satz gilt (1). Allein

(1) L. 1. §. 3. de interdictis. „Interdicta omnia, licet in rem videantur concepta, vi tamen ipsa personalia sunt.“ Die Worte: licet in rem videantur concepta müssen so übersetzt werden: „selbst diejenigen nicht ausgenommen, welche etc.“, denn sie beziehen sich durchaus nicht auf alle Interdicte, namentlich nicht auf die


(49) §. 6. Classification des Jus possessionis.

es lässt sich noch bestimmter darthun, dass sie sich auf obligationes ex maleficiis gründen. Bei dem interdictum de vi hat das gar keinen Zweifel (1). Das interdictum uti possidetis wird nicht nur überall mit dem interdictum de vi zusammengestellt, sondern es gilt auch, wie dieses, nur in dem ersten Jahr (2), folglich auch nicht gegen den Erben schlechthin (3), was denn wieder mit der allgemeinen Regel zusammen hängt, welche für alle actiones ex delicto die Verbindlichkeit des Erben beschränkt (4).

possessorischen, sondern nur auf wenige, z. B. das Interdictum quorum bonorum. Feuerbach (civilistische Versuche 1. Theil. S. 249.) bezieht jene Worte auf alle Interdicte überhaupt, und rechnet sie deshalb unrichtig unter die in rem actiones im weiteren Sinne des Worts. (Zus. der 6. Ausg.) – Die persönliche Natur aller Interdicte ist gut erklärt von Hasse, Rhein. Museum VI. p. 196, 197, dagegen scheint derselbe den Zwischensatz: licet in rem videantur concepta, p. 198, falsch verstanden zu haben. Vgl. auch Ballhorn über Dominium S. 160, Savigny System des heut. R. R. Bd. 4. S. 24. Schmidt v. Ilmenau civilist. Abhandl. (1841 Num. 2) Bd. 1. S. 53. Richter’s Jahrbücher 1843, S. 585. Die unpersönliche Fassung wird durch folgende Beispiele erläutert: L. 5. §. 13. D. Quod vi aut clam ... cum Interdictum sic sit scriptum Quod vi aut clam factum est non ita: Quod vi aut clam fecisti latius porrigi ... Labeo putat. L. 15. §. 3. D. de dolo. In hac actione designari oportet cuius dolo factum sit: quamvis in metu non sit necesse. In beiden Fällen ist an der persönlichen Natur der Klage kein Zweifel. (Zus. der 7. Ausg.)

(1) In L. 19. de vi ist von delictum die Rede, in L. 1. §. 14. eod. von maleficium, in L. 1. §. 15. eod. von einer Noxalklage. Ferner geht es gegen den Erben nur in id, quod pervenit, was ausdrücklich als Folge derselben allgemeinern Regel für alle obligationes ex delicto angegeben wird. L. 3. pr. de vi. Endlich wird es auch bei der pacti exceptio mit andern delictis zusammengestellt. L. 27. §. 4. de pactis (S. u. §. 40.)

(2) „ ... intra annum“ ... L. 1. pr. uti poss.

(3) „ ... Honorariae autem actiones“ (darunter sind die Interdicte mit begriffen) „quae post annum non dantur, nec in heredem dandae sunt: ut tamen lucrum ei extorqueatur, sicut fit in ... interdicto unde vi etc.“ L. 35. pr. de oblig. et act.

(4) L. 38. 44. de R. I. – L. un.


(50) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Die übrigen Interdicte sind alle dem interdictum uti possidetis ganz ähnlich, das de precario ausgenommen, allein auch bei diesem ist die Verbindlichkeit des Erben gerade so beschränkt, wie bei jeder obligatio ex maleficio (1).

Wenn aber den possessorischen Interdicten obligationes ex maleficiis zum Grunde liegen, warum werden sie im Römischen Recht selbst nicht mit diesen zusammen gestellt (2)? blos deswegen, weil die Classification der Römer auf processualischen Gründen beruht. Sie stellen unter der Rubrik Obligationen blos die zusammen, welche eine eigentliche actio begründen (3). Demnach sind die Interdicte von jenen Obligationen blos deswegen getrennt, weil sie eine eigne Art von Prozess hatten: hätte das Edict in allen diesen Fällen Actionen gestattet, so wären sie ohne Zweifel unter die obligationes ex maleficiis gesetzt worden, obgleich die Natur des Rechtsverhältnisses selbst dadurch nicht geändert worden wäre. Da nun unser Prozess die Actionen und Interdicte der Römer nicht kennt, also die Bedeutung jener Trennung für uns verschwunden ist, so hat es keinen Zweifel, dass wir die possessorischen Interdicte nach der Ansicht des Römischen Rechts selbst unter die obligationes ex delictis zu setzen haben.

Das Recht der possessorischen Interdicte also gehört

C. ex delictis defunct. Cod. Herm. tit. 2. Mehr hierüber s. u. §. 37.

(1) „Hoc interdicto heres ejus, qui precario rogavit, tenetur ... ex dolo ... defuncti hactenus, quatenus ad eum pervenit.“ L. 8. §. 8. de prec. (Zus. der 7. Ausg.) Ueber die Delictsnatur des Besitzes und der Besitzklagen ist jetzt zu vergleichen Savigny System, Bd. 5. §. 247 e.

(2) Die obligationes ex delictis stehen in den Institutionen B. 4. T. 1-4, in den Pandekten B. 47, die Interdicte überhaupt in den Institutionen B. 4. T. 15, in den Pandekten B. 43.

(3) Darauf geht die Rubrik: de obligationibus et actionibus (Dig. lib. 44. tit. 7.) (*)

(*) Vergl. Anhang Num. 16. A. d. H.


(51) §. 6. Classification des Jus possessionis.

in das Obligationenrecht, und von dem Besitz selbst ist dabei nur insofern die Rede, als er die Bedingung enthält, ohne welche die Interdicte nicht gedacht werden können. Das jus possessionis also, d. h. das Recht, welches der blosse Besitz giebt, besteht lediglich in dem Anspruch, den der Besitzer auf die Interdicte hat, sobald eine bestimmte Form der Verletzung hinzutritt (1). Abstrahirt von dieser Verletzung giebt der blosse Besitz gar kein Recht, weder ein jus obligationis, wie sich von selbst versteht, noch auch ein Recht auf die Sache, denn keine Handlung auf eine Sache ist blos deswegen für rechtlich zu halten, weil etwa der Handelnde den Besitz der Sache hat.

Ueber die Frage, welche hier untersucht worden ist, hat man von jeher sehr viel gestritten. Der grösste Theil dieser Streitigkeiten ist sehr unbelehrend, auch gehört er nicht hierher, weil fast Alle damit sich begnügen, einen Begriff von jus in re (oder in rem) und ad rem aufzustellen, und dann den Besitz, wie alle übrigen Rechte, darunter zu rechnen oder davon auszuschliessen, ohne über die Natur dieser Rechte selbst etwas neues und bedeutendes zu sagen. Alles kommt darauf an, die ausschliessende Beziehung des Besitzes auf Usucapion und Interdicte als entscheidend zu behandeln. Donellus (2) hat unter Allen allein diesen Zusammenhang des Besitzes mit dem ganzen System dargestellt, ja er hat zur Rechtfertigung

(1) Gegen diese Erklärung des jus possessionis streitet unnützer Weise Sintenis, Zeitschr. von Linde B. 7. S. 259 fg. Der Ausdruck bedeute nicht das aus dem Besitz fliessende Recht (sonst müsste es heissen: jura possessionis! p. 260), sondern vielmehr den Besitz mit allen seinen rechtlichen Beziehungen und Verhältnissen. (Zus. der 6. Ausg.)

(2) Comment. lib. 5. C. 6-13. (als Bedingung der Usucapion), lib. 15. C. 32-34. (die possessorischen Interdicte).


(52) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

desselben das meiste wenigstens angedeutet, was hier weiter ausgeführt werden musste. Merenda scheint, nach einer gelegentlichen Bemerkung, der richtigen Ansicht nahe gewesen zu sein (1), obgleich seine Hypothese ihn zu sehr beschäftigte, als dass er Gebrauch davon hätte machen können.

Baldus hat zuerst vier Arten von ius in re angenommen: Eigenthum, Servitut, Pfandrecht und Erbrecht. In der Folge ist auch der Besitz (2), die dos, emphyteusis u. a. m. darunter gerechnet worden. Endlich hat Hahn die Zahl derselben auf fünf festgesetzt, jene vier nämlich und den Besitz (3); seine überaus schlechten Schriften haben die Ehre gehabt, an der Spitze einer sehr zahlreichen Partei zu stehen (4). Einige haben die Sache dadurch zu entscheiden gesucht, dass sie in dem Sachenrecht neben dem jus in re und ad rem das jus possessionis als einen eignen Haupttheil annahmen (5), eine Meinung, die blos dadurch entstehen konnte, dass man keine bessere Auskunft wusste.

Die Systematiker haben sich von jeher in grosser Verlegenheit befunden, wenn es darauf ankam, dem Besitz

(1) Controv. lib. 12. C. 28: „ubicunque de possessione agitur, ad interdicta respicimus, vel usucapionem.“

(2) Alciati Respons. L. 5. Cons. 112. n. 4.

(3) Diss. inaug. de jure in re. Helmst. 1639, am vollständigsten Helmst. 1664. 4. In mehreren Schriften über den Besitz hat er seine Meinung wiederholt.

(4) In folgender Schrift wird diese Meinung bekämpft, und weitläufig bewiesen, dass der Besitz kein jus in re sei: H. G. Scheidemantel resp. J. F. Rappolt diss. de numero specierum juris in re, et praesertim: an possessio sit illis annumeranda. Stuttgard. 1786.

(5) I. B. Friesen resp. Sturm de genuina poss. indole, Jenae 1725. Wieder abgedruckt in Gottlieb Sturmii disputationes Ienenses. Vitemb. s. a. 4. Num. 1. Ihm folgt Höpfner (Commentar über die Inst. §. 280. not. 2).


(53) §. 6. Classification des Jus possessionis.

eine Stelle anzuweisen. Connanus (1) und Ayliffe (2) handeln ihn ganz richtig bei der Usucapion ab, als Bedingung derselben: dagegen fehlt die andere juristische Seite des Besitzes, das Recht der Interdicte, in ihrem System ganz. Domat (3) theilt das ganze Privatrecht in Engagemens und Successions: bei den ersten handelt er unter andern von den Folgen, wodurch sie selbst beschränkt werden können, und unter diesen Folgen steht – der Besitz und die Verjährung (4). Schon diese Stellung zeigt, dass er nicht gewusst hat, was der Besitz im Römischen Recht bedeute: auch ist er in der ganzen Abhandlung damit beschäftigt, drei Begriffe zu verwechseln, die beständig unterschieden werden müssen, wenn nicht die ganze Lehre vom Besitz missverstanden werden soll: possessio nämlich, possessio civilis und jus possidendi. Mehrere unter den Neuern (5) haben sich dadurch geholfen,

(1) Comment. j. civ. L. 3. C. 8-10. (T. 1. p. 173-189. ed. Neap. 1724 f.)

(2) a new Pandect of Roman Civil Law, Lond. 1734. f. Book 3. T. 10. p. 336-344. Im 8. Titel steht die Usucapion, im 9. ist die Schenkung eingeschoben, um so viel möglich die Folge der Institutionentitel darzustellen.

(3) Loix civiles, Prém. partie (des engagemens et de leurs suites) Livre 3 (des suites, qui ajoutent aux engagemens ou les affermissent) Titre 7 (de la possession et des préscriptions), p. 258-276. ed. Paris. 1713. f.

(4) Genau genommen ist ihm Engagement nicht gleichbedeutend mit Obligation, indem er auch Ehe und väterliche Gewalt dahin rechnet (traité des loix Chap. 3. 4.). In dem Werk selbst aber lässt er diese Verhältnisse weg, und handelt blos von Obligationen (freilich ohne von einem scharf bestimmten Begriff derselben auszugehen). So ist ihm denn auch der Besitz blos als Erfüllung und Bekräftigung der Obligationen merkwürdig, indem z. B. der Käufer durch die Uebergabe des Besitzes Eigenthum erhält, also das, was er wollte. Vgl. traité des loix Ch. 14. §. 12.

(1) Z. B. Hofacker (princ. jur. civ. lib. 3. Sect. 2.) Dieser Vorwurf


(54) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

dass sie den Besitz in den allgemeinen Theil des Systems verwiesen haben, obgleich er um gar nichts allgemeiner ist als das Eigenthum oder jedes andere Recht.

Wichtiger als alle diese Irrthümer über die juristische Natur des Besitzes ist ein anderer, welcher so wenig mit in diesen Streit gezogen worden ist, dass er bei Schriftstellern von allen Parteien sich findet. Man hat nämlich den Besitz gar nicht als eignes Recht, sondern als provisorisches Eigenthum betrachtet, die Interdicte blos als provisorische Vindicationen, blos dazu eingeführt, um den Eigenthumsprozess zu reguliren. Dieser Irrthum, der vielleicht mehr practische Folgen gehabt hat, als alle anderen, kann erst dann vollständig widerlegt werden, wenn die Natur der Interdicte dargestellt sein wird. Hier können nur folgende Stellen dagegen angeführt werden, welche ganz hierher gehören, weil sie die Natur des Besitzes selbst zum Gegenstand haben: „nec possessio et proprietas misceri debent“ (1) und: „nihil commune habet proprietas cum possessione“ (2). Dass hier etwas mehr ausgedrückt sein soll, als der triviale Satz, man solle den Besitzer nicht mit dem Eigenthümer verwechseln, zeigen folgende Worte der zweiten Stelle: „et ideo non denegatur

bedarf einer kleinen Erläuterung, um nicht missverstanden zu werden. Wenn man einen allgemeinen Theil nöthig findet, so lässt sich nichts dagegen einwenden, dass der Besitz darin aufgeführt werde, da ein solcher allgemeiner Theil doch nur wegen subjectiver Bedürfnisse der Mittheilung da zu sein pflegt, ohne dass ihm Begriff und Inhalt wissenschaftlich vorgezeichnet werden kann. Nur das ist wesentlich und nothwendig, dass über dieser Erleichterung nicht vergessen werde, den eigentlichen Zusammenhang des Besitzes mit dem besondern Theile, d. h. mit dem Rechtssystem selbst, anzuerkennen und darzustellen.

(1) L. 52. pr. de poss.

(2) L. 12. §. 1. de poss.


(55) §. 6. Classification des Jus poss. (Zus. der 6. Ausg.)

ei interdictum uti possidetis, qui coepit rem vindicare. Non enim videtur possessioni renuntiasse, qui rem vindicavit“ (1).

(Zus. der 6. Ausg.) Ueber die allgemeine Natur des Besitzes, so wie sie in den §§. 2, 5 und 6 angegeben worden ist, haben sich mehrere Schriftsteller, nach Erscheinung der 5. Ausg. meines Werks, auf verschiedene Weise ausgesprochen. Um mich über diese abweichenden Meinungen kürzer und deutlicher erklären zu können, wird es zweckmässig sein, meine eigene Ansicht, etwas ausführlicher und mit Berichtigung einer früher versuchten Modification, hier zu wiederholen.

Der Besitz erscheint uns zunächst als die blos factische Herrschaft über eine Sache, und daher als ein Nichtrecht (verschieden von Unrecht), als ein rechtlich Indifferentes. Dennoch wird er gegen gewisse Verletzungen geschützt, und um dieses Schutzes willen werden Regeln aufgestellt über Erwerb und Verlust des Besitzes, gerade als ob er ein Recht wäre. Der Grund jenes Schutzes und dieser, einem Rechte ähnlichen, Behandlung soll angegeben werden: das ist die Aufgabe. Dieser Grund nun liegt in der Verbindung jenes factischen Zustandes mit der besitzenden Person, durch deren Unverletzlichkeit er gegen diejenigen Arten der Verletzung mit gedeckt wird, durch welche stets zugleich die Person berührt werden würde. Die Person nämlich soll schlechthin

(1) L. 12. §. 1. cit. Ueber keine Stelle des ganzen Titels ist so viel und so weitläufig commentirt worden als über diese: die erste gedruckte Schrift über den Besitz ist ein solcher Commentar von Bolognin (Bononiae 1494. f.). Alle diese Schriften aber gehören so gut als gar nicht hierher; sie handeln nur bei Gelegenheit dieser Stelle die prozessualische Frage ab, ob das petitorium mit dem possessorium cumulirt werden dürfe.


(56) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

sicher sein gegen jede Gewalt; geschieht ihr Gewalt, so ist dieses immer ein Unrecht, dieses Unrecht aber kann verschiedene Folgen haben. Betrachten wir in dieser Hinsicht zuerst die zwei äussersten möglichen Fälle. Der erste: die Gewalt betraf lediglich die Person, Nichts ausser ihr; der zweite: die Gewalt betraf neben der Person zugleich ein dieser Person zustehendes Recht, z. B. eine Sache in ihrem Eigenthum. Der erste Fall wird im Civilrecht keine andere Folge haben, als etwa die Injurienklage (das Criminalrecht berühren wir hier nicht). Im zweiten Fall ist die Gewalt nicht einmal nöthig, um dem verletzten Eigenthum Schutz zu verschaffen, das ja auch schon an sich, ohne Gewalt, Schutz findet; allein die Verbindung des zweifachen Unrechts kann dennoch eigenthümliche Folgen haben, wohin die actio vi bonorum raptorum gehört. – In der Mitte zwischen diesen äussersten Fällen liegt der Fall, da die der Person zugefügte Gewalt zugleich einen Besitz stört oder entzieht. Ein selbständiges Recht ist in diesem Fall nicht neben der Person verletzt, aber in dem Zustand der Person ist doch etwas verändert zu ihrem Nachtheil, und soll das Unrecht, welches in der Gewalt gegen die Person liegt, in seinen Folgen gänzlich ausgetilgt werden, so kann diese nur geschehen durch die Herstellung oder Beschützung jenes factischen Zustandes, worauf sich die Gewalt erstreckt hat. Dieses ist der wahre Grund der possessorischen Klagen, und eine genauere Betrachtung der Natur jenes Zustandes wird dieses noch anschaulicher machen. Man hat gesagt, er werde dadurch einem Rechte ähnlich, dass er die Vermuthung des Eigenthums begründe, und deshalb habe er Anspruch auf schützende Klagen (1). Allein diese Vermuthung

(1) In der dritten, vierten und fünften Ausg. hatte ich am Schluss des §. 2 diese Präsumtion angenommen, die ich jetzt aufgebe.


(57) §. 6. Classification des Jus poss. (Zus. der 6. Ausg.)

hat in der That keinen rechtlichen Grund, denn bei dem blossen Besitz ist es eben so wahrscheinlich, dass der Besitzer das Eigenthum hat, als dass er es nicht hat. Am anschaulichsten wird dieses durch die Vergleichung des blossen Besitzes mit der b. f. possessio. Bei dieser wird in der That das Eigenthum fingirt, und diese Fiction ist Nichts als eine Vermuthung, da sie ja durch die dominii exceptio entkräftet wird. Hier nun liegt der Grund der Fiction oder der Vermuthung lediglich in dem Rechtstitel, und da ein solcher bei dem blossen Besitz nicht vorhanden ist, so fehlt demselben jeder Grund einer Rechtsvermuthung für das Eigenthum. – Dagegen ist die Möglichkeit des Eigenthums auch für den blossen Besitzer nicht zu bezweifeln, und in Beziehung auf diese Möglichkeit giebt ihm der Besitz sehr bedeutende, theils prozessualische, theils factische Vortheile, die ihm erhalten oder wiedergegeben werden müssen, wenn die Folgen der Gewalt ausgetilgt sein

Was ihr einigen Schein giebt, ist der Umstand, dass bei der Vindication der Kläger beweisen muss, und dass derselbe abgewiesen wird, wenn kein Theil etwas beweist. Allein davon liegt der Grund nicht in dem wahrscheinlichen Eigenthum des Beklagten, sondern darin, dass der Richter überhaupt nur dem helfen soll, der ihn von dem Dasein seines Rechts überzeugt, ausserdem aber unthätig bleiben muss. Auch in einer persönlichen Klage muss der Kläger beweisen, und auch davon liegt der Grund gar nicht in einer gegen das Dasein aller Schulden streitenden Vermuthung. – (Zusatz der 7. Ausgabe.) Die Präsumtion ist wohl nicht so sehr an sich zu verwerfen, indem doch in der That die überwiegende Mehrzahl der Besitzer wirklich Berechtigte sind, als vielmehr nach der Römisch eigenthümlich ausgebildeten Besitzlehre, z. B. weil die exceptio vitiosae possessionis ex persona tertii nicht gilt, und weil besonders der Streit über Eigenthum und über Besitz sonst durchaus nicht streng auseinander zu halten sind, was das Römische Recht so sehr verlangt. Schon der Begriff der malae fidei possessio (die doch possessio und mit Interdictenschutz sein soll) steht damit im Widerspruch.


(58) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

sollen. Der erste dieser Vortheile besteht darin, dass der Besitzer im Eigenthumsstreit in die Stellung eines Beklagten kommt, welche ihn vom Beweise befreit (§. 3. Num. 4). Ferner kann er als Besitzer zur Erhaltung der Sache selbst und zur Fruchtgewinnung factische Anstalten treffen, die ihm vielleicht durch keine Entschädigungsklage von seinem Gegner ersetzt werden können (*). Ja selbst ohne Rücksicht auf jene unzweifelhafte Möglichkeit des Eigenthums hat er unstreitig den factischen Vortheil, die Sache gleich einem Eigenthümer benutzen zu können, wenn der wirkliche Eigenthümer überhaupt nicht gut findet, ihn zu verklagen. Alle diese Vortheile sind es, deren Gesammtheit als Interesse der verübten Gewalt in Betracht kommt, und wodurch der Besitz selbst fähig wird, ähnliche Wirkungen wie ein Recht hervorzubringen, obgleich er in Wahrheit kein Recht ist (1). Die Einwendung also, dass hier erst das Unrecht ein Recht erzeugen solle, ist ohne Grund, da der Besitz nicht selbst als Recht, sondern nur als Interesse der Verletzung eines anderen, von jeher vorhandenen Rechts in Betracht kommt. Eher könnte der andere Einwurf versucht werden, dass jene factischen Vortheile auch bei der blossen

(*) Vergl. Anhang Num. 17. A. d. H.

(1) Dieser Zusammenhang, auf welchen Alles ankommt, kann noch durch folgende Analogie erläutert werden. Im älteren Recht galt das Int. de vi nur an Grundstücken, nicht an beweglichen Sachen. Waren aber bei der Dejection aus einem Grundstücke zugleich bewegliche Sachen geraubt oder zerstört worden, so erstreckte sich das Interdict auch auf diesen Verlust, als auf das Interesse der Dejection aus dem Grundstücke (§. 40). Hier werden die beweglichen Sachen, die selbst kein Gegenstand des Interdicts sind, mit in das Interdict gezogen, blos wegen ihres Zusammenhangs mit der Dejection aus dem Grundstücke. Eben so wird die Verletzung des Besitzes, obgleich dieser selbst kein Recht ist, dennoch Grund einer Klage, blos wegen des Zusammenhangs dieser Verletzung mit der an sich widerrechtlichen Gewalt gegen die Person.


(59) §. 6. Classification des Jus poss. (Zus. der 6. Ausg.)

Detention denkbar seien, dass also consequenterweise nach dieser Ansicht auch der Verwalter eines fremden Besitzes die Interdicte haben müsste. Darauf aber ist zu antworten: Entweder denken wir diesen Verwalter in Uebereinstimmung oder im Widerstreit mit dem wahren Besitzer. Im ersten Fall braucht er die Interdicte nicht, da die des Besitzers ihn hinreichend schützen. Im zweiten Fall aber, wenn er sie wider Willen des Besitzers gegen diesen selbst oder gegen einen Dritten gebrauchen wollte, darf er es nicht, weil er dadurch in das obligatorische Verhältniss eingreifen würde, dem er seine Detention verdankt und das ihm für jedes denkbare Interesse genügt. – Fragen wir also nach der Stellung des Besitzes im System der Rechte, so müssen wir immer wieder auf die Erklärung zurück kommen: der Besitz selbst, als Recht, hat keine Stellung, da er kein Recht ist; das Recht aber, was er wirkt, und um dessen willen er am meisten Aehnlichkeit mit einem Recht annimmt, auch besonderer Regeln des Erwerbes und Verlustes bedarf, – dieses Recht ist das Recht der possessorischen Interdicte, also ein obligatorisches.

Nicht selten ist die hier abgehandelte Frage durch mehrere Verwechslungen verwirrt worden. Erstlich fragen Viele nach der systematischen Stellung des Besitzes in folgendem Sinn: wenn Jemand ein systematisches Buch über das ganze Römische Recht schreiben will, an welcher Stelle soll er von dem Besitz handeln? Die Antwort auf diese Frage aber wird nur zum Theil aus der Natur des Besitzes entnommen werden können, zu einem andern und grösseren Theil aus dem besonderen Plan eines solchen Buchs; dabei nun könnte es sich leicht finden, dass die einzelnen Theile der Besitzeslehre an ganz verschiedenen Stellen des Buchs abgehandelt würden, wie es denn in der That von den meisten Verfassern von Rechtssystemen stets gehalten worden ist. – Zweitens kann


(60) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

eine historische Untersuchung darauf führen, dass der Besitz ursprünglich eine ganz andere Bedeutung gehabt habe, als worin wir ihn im neuesten Recht finden (§. 12a). Eine solche historische Ansicht kann aber auf die Bedeutung der Besitzlehre für das neueste Recht keinen unmittelbaren Einfluss haben. Denn wenn er überhaupt seine Basis verändert hat, so ist die, welche wir im neuesten Recht finden, gerade so selbständig zu erklären und zu behandeln, als ob sie die erste, ja einzige wäre; so ist es denn auch von mir in der That gehalten worden, und darin liegt der Grund, warum die historische Untersuchung nicht so wie in anderen Lehren an die Spitze gestellt werden durfte.

Ich wende mich jetzt zur Darstellung der Ansichten einiger neueren Schriftsteller über die so eben erörterte Frage, die hier nach der Zeitfolge geordnet werden.

Gans System des Römischen Civilrechts im Grundrisse. Berlin 1827, S. 202-216.

Puchta im Rheinischen Museum Bd. 3, S. 289-308 (1829), besonders S. 305 fg.

Rudorff in der Zeitschrift für geschichtl. Rechtswiss. Bd. 7, S. 90-114 (1830).

Thaden über den Begriff des Römischen Interdictenbesitzes, Hamburg 1833.

Hasse der Jüngere im Rheinischen Museum Bd. 6, S. 183 fg. (1833).

Rauh Geschichte der Lehre vom Besitz. 1834.

Huschke über die Stelle des Varro von den Liciniern. Heidelberg 1835, S. 75 folg., besonders S. 99-110.

Gans stellt den Besitz an die Spitze der jura in re.

Das Haben einer Sache nach der Seite des besonderen Willens, sagt er, ist Besitz, nach der Seite des allgemeinen Willens aber Eigenthum. Der besondere Wille


(61) §. 6. Classification des Jus poss. (Zus. der 6. Ausg.)

kann ein ganz unrechtlicher sein, der allgemeine ist nichts Anderes als die Berechtigung des Besitzes. Der besondere, wenngleich unrechtlich, wird geschützt, weil der Wille schon an sich ein Substantielles, zu Schützendes ist (p. 211). Der Besitz ist anfangendes Eigenthum, dieser Anfang wird durch Interdicte geschützt, indem in ihm die Möglichkeit liegt, durch Usucapion zum Eigenthum fortzuschreiten (p. 211 und p.214). – Allein der besondere Wille, der ein unrechtlicher sein kann, ist ja nichts Anderes als das blosse Factum, der allgemeine ist das Recht, also ist hier nur das Verhältniss des Besitzes zum Eigenthum wie Factum zum Recht mit anderen Worten wiederholt; darin liegt aber keine Antwort auf die Frage, wie das (vielleicht ganz unrechtliche) Factum zu einem Rechtsschutz komme. Dass der Wille an sich (auch der unrechtliche) ein zu Schützendes sei, wird gesagt, aber nicht gerechtfertigt, denn nach der allgemeinen Natur des Rechtsstreits soll nur der dem Recht entsprechende Wille geschützt, der unrechtliche aber bekämpft werden. Die eigentliche Erklärung also kann lediglich in dem anfangenden Eigenthum liegen sollen, und diese Erklärung wäre befriedigend, wenn die Interdicte dazu bestimmt wären, den Usucapionsbesitz, der allein anfangendes Eigenthum heissen kann, zu schützen. Dazu aber ist bekanntlich die publiciana actio bestimmt, die Interdicte dagegen schützen auch den Besitz ohne Titel, auch den unredlichen, der gewiss nicht anfangendes Eigenthum ist. In der That also ist hier gar Nichts geklärt. – Ausführlichere Bemerkungen über diesen neuen Versuch finden sich bei Puchta S. 294, Rudorff S. 95.

Puchta wendet gegen meine Darstellung ein, man erfahre daraus nur was der Besitz wirkt, nicht was er ist. Der Besitz ist aber (sagt er) ein Recht – nicht an der Sache sondern – an der eigenen Person, dem eigenen Willen. Der Schutz also, den der Besitz geniesst,


(62) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

ist ein Schutz der Persönlichkeit, und zwar in der besondern Anwendung auf die natürliche (nicht rechtliche) Unterwerfung einer Sache. Dieses wird mit dem ganzen Rechtssystem dadurch in Verbindung gebracht, dass fünf Gegenstände aller Rechte angenommen werden: Sachen, Handlungen, fremde Personen, in uns aufgenommene Personen, die eigene Person. – Die hier gegebene Erklärung für den Schutz des Besitzes kann ich nicht als wesentlich verschieden von der meinigen anerkennen. Denn auch ich erkläre jenen Schutz aus der Unverletzlichkeit der Person, und aus der Verbindung, in welche die Person mit einer Sache durch deren natürliche Unterwerfung getreten ist. Neu und eigenthümlich ist es, dass hier eine eigene Klasse von Rechten gebildet wird, die auf der Unverletzlichkeit der Person beruhen.

Allein dieses betrifft die Anlage des Rechtssystems im Ganzen, nicht die besondere Begründung des Besitzes. – Ausführlichere Bemerkungen über die Schrift von Puchta finden sich bei Rudorff p. 101. und Hasse p. 184.

Rudorff weicht nur darin von meiner Ansicht ab, dass er die Lehre von der Selbsthülfe zur Basis des Besitzrechtes macht. Die possessorischen Interdicte gehören nach ihm unter die ersten Anfänge des Verbotes der Selbsthülfe, welche später durch die leges Juliae und die Kaiserconstitutionen fortgebildet und verstärkt wurden. Der Grund derselben soll also in dem Friedensbruch liegen, in der Störung der öffentlichen Ordnung; da diese Störung ihren Zweck nicht erreichen dürfe, sondern in ihren Folgen vernichtet werden müsse, so folge daraus die Nothwendigkeit, den Besitz zu erhalten oder wiederherzustellen. – Unstreitig bietet jede Gewaltthätigkeit eine zweifache Seite der rechtlichen Beurtheilung dar, denn sie ist zugleich Verletzung der öffentlichen Ordnung und der einzelnen Person. Man kann diese beiden Beziehungen als die publicistische und die privatrechtliche


(63) §. 6. Classification des Jus poss. (Zus. der 6. Ausg.)

bezeichnen; jede derselben kann eigene Rechtsanstalten veranlassen, aber was auch für den einen dieser Zwecke geschehen möge, es wird immer mehr oder weniger zugleich den andern Zweck fördern (1). Welcher unter denselben liegt nun aber bei den possessorischen Interdicten als der vorherrschende zum Grunde? Nach Rudorff der publicistische, und dafür soll besonders die Verbindung beweisen, in welcher unsere Rechtsquellen die Selbsthülfe und den Besitz behandeln (p. 107). Allein dieser Umstand erklärt sich schon hinlänglich aus der eben bemerkten Verwandtschaft beider Institute, kann also über die aufgeworfene Frage nicht entscheiden. Ich muss vielmehr die privatrechtliche Rücksicht als Grundlage des Besitzrechts behaupten, und zwar aus folgenden Gründen. Erstlich scheint die Zusammenstellung des vi, clam, precario zu dem Ursprünglichsten in der Lehre von den Interdicten zu gehören. Diese drei Stücke nun kann man wohl einander gleich stellen in Beziehung auf die darin liegende Verletzung der Person; dagegen ist der öffentliche Friede nur bei dem ersten, nicht bei den zwei letzten, interessirt. Zweitens setzt die Selbsthülfe das Dasein eines Rechtsanspruchs voraus, der nur auf ungehörige Weise verfolgt wird; bei den possessorischen Interdicten aber ist von einem solchen nie die Rede, ja die blosse Störung des Besitzes, worauf sich die int. retinendae possessionis beziehen, kann als Versuch einer Rechtsverfolgung kaum gedacht werden. Drittens, wenn die Interdicte nur als Anfang des Verbots der Selbsthülfe zu betrachten sind, warum wurden sie denn so selbständig im Einzelnen ausgebildet in Zeiten, worin schon ganz andere Anstalten gegen die eigentliche Selbsthülfe getroffen waren? Die Einwirkung der Gesetze über die

(1) L. 27. §. 4. de pactis: „ ... interdicto unde vi, quatenus publicam causam contingit“ etc.


(64) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Selbsthülfe auf das Besitzrecht (s. u. §. 40) erklärt sich aber hinreichend schon aus der oben erwähnten Verwandtschaft. – Andere Bemerkungen über Rudorff’s Abhandlung finden sich bei Hasse S. 187 (*).

Thaden sucht zurzeit zu beweisen, dass der Besitz ein wirkliches Recht ist, dann aber die Natur dieses Rechts anzugeben. Er ist ein Recht, sagt er (p. 14 fg.), denn ein Diebstahl kann nur gegen einen wirklich Berechtigten begangen werden. Nun giebt es aber ein furtum possessionis, und da dieses insbesondere gegen den besitzenden Pfandgläubiger begangen werden kann, der die wahre possessio hat, so liegt darin der Beweis, dass eben die possessio, also der Interdictenbesitz, das durch den Diebstahl verletzte Recht ist. Fragt man ferner nach der Natur dieses Rechts, so ist die Antwort diese (p. 63 fg.). Es ist ein Recht an der Sache, eingeführt zum Schutz eines in Erwerbung des Eigenthums begriffenen Zustandes. Nämlich der Usucapionsbesitz wird geschützt durch die publiciana actio, es giebt aber noch ausser der Usucapion einige Erwerbungen durch Besitz, worauf jene Klage nicht geht. Da aber diese Erwerbungen sonst ohne allen Schutz sein würden, so sind für sie die possessorischen Interdicte erfunden worden. Die Erwerbungen nun, welche den wahren Erklärungsgrund des Besitzrechtes enthalten, sind folgende:

1. Die longi temporis praescriptio, besonders an Provinzialgrundstücken, woraus sich unter andern erklärt, warum die Interdicte vorzugsweise für Immobilien galten.

2. Die praescriptio longissimi temporis acquisitiva.

3. Die Immemorialpräscription.

4. Die praescriptio longissimi temporis extinctiva.

(*) Vergl. Anhang N. 18. A. d. H.


(65) §. 6. Classification des Jus poss. (Zus. d. 6. Ausg.)

Daher ist denn der Interdictenbesitz dem Usucapionsbesitz ganz gleichartig, und nur quantitativ von ihm unterschieden. In diesen Sätzen glaube ich den positiven Kern der ganzen Schrift ausgezogen zu haben. –

Die hier dargestellte Ansicht hat einen Schein von systematischer Gründlichkeit, die uns nöthigt, ihre einzelnen Elemente sorgfältig zu prüfen. Allein sogleich der aus dem furtum possessionis hergenommene Grund zeigt sich als völlig unhaltbar. Denn wäre die possessio der juristische Gegenstand des Diebstahls, so müsste auch der Dieb, wenn er abermals bestohlen wird, die furti actio haben, da er unzweifelhaft die possessio hat. Allein gerade dieser hat die furti actio ganz gewiss nicht (1). Dagegen haben auf der andern Seite diese Klage eben so entschieden folgende Personen, welchen insgesammt die possessio fehlt: der Fructuar und Usuar, welche Beide die blosse Detention haben (2); ja sogar der Gläubiger, dem eine Sache durch blossen Vertrag verpfändet ist, obgleich dieser nicht einmal die Detention hat, sondern nur eine in rem actio um den Besitz zu erlangen (3). Hieraus ist es klar, dass der wahre Grund des sogenannten furtum possessionis nicht eine verletzte possessio ist, sondern vielmehr ein jus in re, in welchem der Anspruch auf irgend einen Besitz (sei er eine wahre possessio oder blos Detention, sei er gegenwärtig oder künftig) enthalten ist, und welchem dieser Vortheil durch den Diebstahl vereitelt wird. Mit den übrigen Gründen aber steht es in der That nicht besser als mit dem eben widerlegten. Die Immemorialpräscription ist überhaupt blos durch exegetische Missverständnisse in das Römische Recht hineingetragen worden. Die dreissigjährige Klagverjährung

(1) L. 76. §. 1. de furtis (47. 2). Vgl. L. 12. §. 1. L. 71. §. 1. eod.

(2) L. 15. §. 1. L. 20. §. 1. L. 46. §. 3. de furtis (47. 2.).

(3) L. 66. pr. de furtis (47. 2.).


(66) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

ist erst so spät eingeführt worden, dass sie unmöglich zur Erklärung dienen kann für die Interdicte, die um viele Jahrhunderte früher vorhanden waren. Es bliebe also nur noch übrig die longi temporis praescriptio, besonders an Provinzialgrundstücken. Von dieser nun behauptet der Verf., sie sei durch die publiciana actio nicht geschützt worden, weil diese Klage nur die Begleiterin einer wirklich laufenden Usucapion gewesen sei. Aber gerade diese Behauptung ist ganz entschieden falsch. Vielmehr ist diese Klage schon sehr frühe auch auf solche Rechtsverhältnisse angewendet worden, an welchen eine wirtschaftliche Usucapion niemals möglich war; namentlich auf den ususfructus, die Prädial-Servituten, den ager vectigalis, die superficies und insbesondere auf die Provinzialgrundstücke (1). Für alle diese Fälle also, und namentlich für den letztern, war die publiciana actio völlig ausreichend, und ein Bedürfniss zur Erfindung von Interdicten war von dieser Seite gar nicht vorhanden. Und so hat also der Verf. von allem, was er erklären wollte, in der That gar nichts erklärt.

Hasse erklärt den Besitz für ein Recht an der Sache, aber ein relatives Recht, das heisst ein solches, welches nicht gegen Jeden gelte, sondern nur gegen den, welcher den Besitz mit Gewalt u. s. w. angreifen wolle. Eigentlich aber sei nicht der Besitz selbst dieses Recht, sondern er, als ein blos factischer Zustand, werde stets von einem anonymen Recht dieses Inhalts begleitet und

(1) L. 11. §. 1. de publiciana (6. 2.) L. 12. §. 2. 3. eod. „In vectigalibus et in aliis praediis, quae usucapi non possunt, publiciana competit, si forte bona fide mihi tradita sunt“. Die alia praedia sind eben die Provinzialgrundstücke. Vgl. Cujacius Obss. VII. 3. und in Paulum ad Edictum lib. 19. Wahrscheinlich ist hier die Stelle sogar interpolirt, so dass Paulus geschrieben haben mag: In vectigalibus, stipendiariis et tributariis praediis.


(67) §. 6. Classification des Jus poss. (Zus. d. 6. Ausg.)

erhalte durch dieses Schutz. Die Römer, sagt er, haben sich diesen Unterschied nicht klar gemacht, und bezeichnen daher meist beides mit dem Namen possessio. Zuweilen aber blickt derselbe auch bei ihnen durch, namentlich in L. 2. §. 2. 3. de interdictis, worin die causa proprietatis et possessionis von diesem Unterschied zu verstehen ist (p. 199. 200). – Das Recht an der Sache, welches nur gegen gewaltthätige Personen gilt, möchte von einer Obligation dieser Personen, unter Voraussetzung des factischen Besitzes, schwer zu unterscheiden sein. Auch kann ich mich nicht überzeugen, dass die Behauptung, nach welcher der Besitz Anspruch auf Schutz giebt, mehr als in Worten verschieden sein sollte von der Behauptung: dieser Anspruch entstehe nicht aus dem Besitz, sondern aus einem den Besitz unbemerkt begleitenden namenlosen Recht. Die Erklärung der L. 2. de interdictis aber scheint mit völlig misslungen, und darin liegt ein reeller Irrthum.

Rauh behandelt nur in soferne die Geschichte des Besitzes, als er die von mir versuchte historische Ableitung bestreitet, und eine Ableitung aus einem allgemeinen Rechtsbedürfniss an die Stelle setzt. Er erklärt den Besitz für eine Abwehrung der Selbsthülfe (p. 46), nähert sich also darin der Ansicht von Rudorff. Daneben nimmer er Thibauts neueste Erklärung der civilis possessio an (p. 56). Er verbindet aber damit sehr starke eigenthümliche Irrthümer, die keineswegs durch jene Erklärung mit entschuldigt werden können. So nimmt er an, bei einer Dejection komme erst das Int. de vi zur Anwendung, dann noch uti possidetis, wobei der gegenwärtige Besitzer gleichgültig sei (p. 36). Die Interdicte sollen in rem scripta sein, ganz wie die a. quod metus causa (p. 50-52). Der dejectus soll noch juristischer Besitzer bleiben Ein Jahr lang, bis er das Int. de vi durch Verjährung verloren hat (p. 49). Hier insbesondere wird


(68) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

der Irrthum durch Einmischung der Französischen Praxis auf’s Höchste getrieben.

Huschke endlich führt die Lehre vom Besitz auf die Urbestandtheile der Römischen Nation zurück. Die Römer oder Ramnes, sagt er, repräsentiren den Leib: darum finden wir bei ihnen die That, den Besitz, und dessen Schutz durch obrigkeitlichen Befehl (Interdict). Die Quiriten oder Tities repräsentiren den Geist: darum bei ihnen das Recht, das Eigenthum, und dessen Schutz durch Klage und Gericht. Im Lauf der Zeit hat sich der Besitz dem Eigenthum angenähert, ohne doch jemals in denselben aufzugehen (p. 105). Die Stelle der Ramnes haben später die Patricier eingenommen, die der Tities die Plebejer, in welchen beiden Ständen sich nunmehr der alte Gegensatz fortsetzt. – Ich will, ganz abgesehen von dem Ueberschwänglichen dieser Ansichten, annehmen, es wäre darin Alles so wohl begründet und hell, als es in der That nicht ist, so würde damit für die hier erörterte Frage dennoch nichts gewonnen sein. Es läge darin die historische Erklärung, wie man überhaupt darauf gekommen wäre, in der ältesten Zeit von einer possessio neben dem Eigenthum zu reden. Allein wir finden eine solche in höchster Ausbildung zur Zeit der klassischen Juristen und in Justinians Gesetzgebung; das muss aus einem praktischen Bedürfniss, aus einem Interesse der Gegenwart, erklärt werden. Zum Andenken der alten Ramnes hätte man gewiss nicht die possessorischen Interdicte beibehalten, wenn das Recht des Eigenthums für praktische Zwecke ausgereicht hätte, denn an Ramnes und Tities dachte damals Niemand mehr, ja selbst von Patriciern und Plebejern war höchstens beiläufig, bei einigen althistorischen Rechtsinstituten, die Rede. Deswegen würde ich die Schrift von Huschke an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang überhaupt nicht erwähnt haben, wenn nicht er selbst ihr den Auftrag gegeben


(69) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

hätte, „die Verwirrungen, in welche jetzt die Wissenschaft namentlich hinsichtlich der Frage, ob der Besitz ein Recht sei oder nicht, auf welchem Rechtsgrunde die Interdicte beruhen ... einigermassen aufzuhellen“ (p. 109). Habe ich sie also an die unrechte Stelle gebracht und ihr dadurch etwas zugemuthet, das sie selbst unter Voraussetzung jeder andern Vortrefflichkeit nicht leisten konnte, so trägt davon der Verf. selbst die Schuld (*).

§. 7.

Bis hierher ist die juristische Bedeutung des Besitzes aus dem System des Römischen Rechts überhaupt abgeleitet worden: ich wende mich nun zur Bestimmung des Sprachgebrauchs der Römischen Juristen. Der schwerste und wichtigste Theil dieser Untersuchung betrifft die possessio überhaupt, die civilis und naturalis possessio, und damit soll gleich hier der Anfang gemacht werden (1).

Um den Beweisen, die durch Interpretation geführt werden müssen, eine bestimmtere Richtung zu geben,

(*) Vgl. Anhang Num. 19. A. d. H.

(1) Neuerlich ist behauptet worden, die genaue Bestimmung dieser Begriffe sei ein fruchtloses Unternehmen, weil die Begriffe selbst und ihre Bezeichnungen im gemeinen Leben entstanden und dann erst von den Juristen herübergenommen worden seien, natürlich mit aller Unbestimmtheit, die ihnen von diesem ihrem Ursprung her eigen sein musste: es sei also derselbe Fall, wie mit den Ausdrücken lata und levis culpa u. s. w. Zachariä Besitz und Verjährung S. 6, 7, 37. – Diese Bemerkung ist völlig ohne Grund. Lata und levis culpa bezeichnet ursprünglich sittliche Begriffe, also allerdings solche, deren erste Entstehung in einem andern Gebiete liegt, als in dem der Rechtswissenschaft. Ganz anders civilis und naturalis possessio; dieses ist gleich ursprünglich etwas juristisches, und ein nichtjuristischer Begriff existirt dafür überall gar nicht: die Ausdrücke können also nicht im gemeinen Leben entstanden, und nicht durch dasselbe schwankend geworden sein.


(70) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

will ich eine Uebersicht der Resultate vorausgehen lassen, welche aus jenen Beweisen hervorgehen sollen. Ursprünglich bedeutet possessio das Verhältniss der blossen Detention, also ein nichtjuristisches, natürliches Verhältniss; dass es ein blos natürliches Verhältniss ist, was durch sie bezeichnet wird, braucht durch keinen Zusatz ausgedrückt zu werden, so lange kein anderer Begriff da ist, dessen Gegensatz diesen Zusatz nöthig machte. Diese Detention aber wird unter gewissen Bedingungen ein Rechtsverhältniss, indem sie durch Usucapion zum Eigenthum führt: dann heisst sie civilis possessio, und nun ist es nöthig, alle übrige Detention auch durch die Sprache von ihr zu unterscheiden. Man nennt sie naturalis possessio, d. h. die Art der possessio überhaupt, welche nicht so, wie die civilis, ein juristisches Verhältniss geworden ist. – Die Detention wird aber noch auf eine andere Art ein Rechtsverhältniss, indem sie die Interdicte begründet: so heisst sie possessio schlechthin, und das ist die Bedeutung dieses Worts, wo es ohne Zusatz, und doch technisch gebraucht wird. Alle übrige Detention im Gegensatz des Interdictenbesitzes heisst wieder naturalis possessio, d. h. das natürliche Verhältniss im Gegensatz jenes juristischen, ganz auf dieselbe Weise, wie dieser Gegensatz bei der civilis possessio durch sie bezeichnet wurde. – Es giebt demnach zweierlei juristischen Besitz: civilis possessio oder Usucapionsbesitz, und possessio oder Interdictenbesitz (1), und alles was oben (§. 5.) über die juristischen Modificationen gesagt worden ist, die bei dem Begriff des Besitzes vorkommen können, bezieht sich auf einen von beiden oder auf beide zugleich. Ihr

(1) Von dem ersten wird in L. 16. de usurp. der Ausdruck gebraucht: „ad usucapionem tantum possidet;“ vgl. L. 1. §. 15. de poss.; von dem zweiten heisst es in L. 9. de R. V. „possessionem quae locum habet interdicto uti possidetis vel utrubi.“


(71) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

Verhältniss zu einander ist dieses: der Interdictenbesitz ist ganz in dem Usucapionsbesitz enthalten, und dieser hat nur noch einige Bedingungen mehr als jener (1). Wer also ad usucapionem besitzt, besitzt immer auch in Beziehung auf die Interdicte (2) aber nicht umgekehrt. – Naturalis possessio hat, wie oben bemerkt worden ist, zwei Bedeutungen: beide aber sind negativ und drücken blos einen logischen Gegensatz aus. – Das sind die Sätze, deren Beweise ich jetzt zu führen habe (3).

1. Civilis possessio und naturalis possessio, als Gegensatz derselben.

Civilis überhaupt hat vorzüglich zwei technische Bedeutungen. Zuerst bezeichnet es das ganze Privatrecht und wird so dem Criminalrecht entgegengesetzt: davon kann hier, in den Grenzen des Privatrechts selbst, nicht die Rede sein. Zweitens bedeutet es im Privatrecht selbst alles das, was weder aus dem jus gentium, noch aus dem prätorischen Recht, sondern aus einer Lex, einem Senatusconsultum, oder als Gewohnheitsrecht entstanden ist.

(1) (Zus. der 7. Ausg.) „Zu §. 7 und 9. Civilis possessio ist nicht blos bei bona fides und Titel anzunehmen, sondern ausserdem auch noch 1. bei der alten lucrativa pro herede possessio, 2. bei der usureceptio.“

(2) Eine Ausnahme dieses Satzes scheint bei dem Pfandschuldner einzutreten, indem dieser zwar usucapirt, aber die Interdicte nicht hat. Allein auch seiner Usucapion liegt keine civilis possessio zum Grunde, sondern es wird durch eine ganz specielle Fiction so behandelt, als ob er dieselbe hätte, d. h. es wird zu seinem Vortheil von der Regel: sine possessione usucapio contingere non potest eine Ausnahme gemacht. (s. u. §. 24.).

(3) Stellen, in welchen die Hauptausdrücke unmittelbar vorkommen, sind diese:

Naturalis possessio. L. 1. §. 1. L. 3. §. 3. 13. de poss. – L. 2. §. 2.pro her. – L. 1. §. 9. de vi.

Possessio naturalis. L. 38. §. 10. de usuris. – L 38. §. 7. de verb. obl.

Possessio non solum civilis sed etiam naturalis. L. 2. §. 1. pro her.

Possessio quae est naturalis. L. 11. de a. r. dom.


(72) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Von dieser zweiten Bedeutung kommen noch mancherlei Modificationen vor (1), aber so allgemein, wie sie hier bestimmt worden ist, wird sie bei weitem am häufigsten von den Römischen Juristen gebraucht. So, um nur an einige Anwendungen zu erinnern, heisst die Agnation allein civilis cognatio (2), obgleich jede andere Cognation in dem jus gentium sowohl, als in dem prätorischen Recht wichtige Wirkungen hat, also gewiss auch ein juristisches Verhältniss ist: eben so verhält es sich mit der civilis actio, civilis obligatio u. s. w. Wenden wir diese Bedeutung des Worts auf die civilis possessio an, so muss derjenige Besitz darunter verstanden werden, welchen das Civilrecht anerkennt, d. h. von dessen Dasein es abhängt, ob eine Regel des Civilrechts angewendet werden soll, oder nicht. Nun giebt es im ganzen Civilrecht nur ein Recht, dessen Anwendung den Besitz voraussetzt, nämlich die Usucapion: folglich heisst civiliter possidere so viel als ad usucapionem possidere (2).

Dass nun die Usucapion wirklich in das Civilrecht gehört, bedarf keines Beweises: die Interdicte können nicht dahin gerechnet werden, da sie blos aus dem Edict entstanden sind. Um hier keinem Zweifel Raum zu lassen, will ich zwei Stellen der Alten anführen, wodurch

(1) Z. B. in L. 2. §. 5. 12. de orig. juris.

(2) L. 4. §. 2. de gradibus.

(3) Dass die civilis possessio auch als Bedingung der longi temporis praescriptio gelten soll (§. 2.), obgleich diese nicht in das jus civile gehört, ist keine Inconsequenz. Denn es war dieses eine blosse Uebertragung der nun einmal in Beziehung auf Usucapion ausgebildeten und bezeichneten civilis possessio auf ein Institut, das ganz nach der Analogie der Usucapion und als Surrogat derselben eingeführt wurde, welches also alle Bedingungen, worin nicht gerade der Zweck der longi temporis praescriptio eine Abweichung nothwendig machte, stillschweigend von der Usucapion entlehnte, so dass es dabei auch keiner neuen Kunstausdrücke bedurfte.


(73) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

man veranlasst werden könnte, die Interdicte dennoch in das Civilrecht zu setzen. Die erste steht bei Cicero (1); um zu beweisen, dass auch der, welcher gewaltsam verhindert wird, in sein Grundstück einzugehen, als dejectus das interdictum de vi gebrauchen könne, braucht er folgendes Beispiel: „quaero si te hodie domum tuam redeuntem coacti homines et armati, non modo limine tectoque aedium tuarum, sed primo aditu vestibuloque prohibuerint, quid acturus sis? Monet amicus meus te, L. Calpurnius, ut idem dicas quod ipse antea dixit, injuriarum. Quid? ad causam possessionis? quid? ad restituendum eum, quem oportet restitui? quid denique? ad jus civile? aut ad (actoris) notionem et ad animadversionem ages injuriarum?“ Bei aller Schwierigkeit dieser Stelle (2) ist es klar, dass Cicero sagen will: die Injuriensache steht mit der Restitution des Besitzes, also mit dem jus civile in keiner Verbindung: er scheint also das Interdict in das jus civile zu setzen. Da indessen die Injurie, von welcher hier die Rede ist, seit der Lex Cornelia ein crimen publicum war (3), so ist es offenbar, dass das Civilrecht hier dem Criminalrecht entgegen gesetzt wird, in diesem Sinn gehört unstreitig das ganze Edict in das jus civile, aber für die andere Bedeutung von jus civile lässt sich daraus nichts beweisen, ja sogar wird kurz vorher von Cicero selbst diese andere Bedeutung gebraucht (4). – Die zweite Stelle, durch

(1) pro Caecina C. 12.

(2) Wenn man indessen nach dem Vorschlag von Garatoni das Wort actoris wegstreicht, und zugleich die hier angegebene Interpunction annimmt, verschwindet diese Schwierigkeit gänzlich. Heise schlägt vor zu lesen auctoris, d. h. „zur Strafe des Thäters.“

(3) „Lex Cornelia de injuriis competit ei, qui injuriarum agere volet ob eam rem, quod se pulsatum, verberatumve, domumve suam vi introitam esse dicat.“ L. 5. pr. de injuriis. Eben darauf gehen bei Cicero die Worte notio und animadversio.

(4) Pro Caecina C. 12. „ ... quod


(74) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

die man verführt werden könnte, die Interdicte in das Civilrecht zu setzen, steht bei Petron (1) „jure civili dimicandum, ut, si nollet alienam rem domino reddere, ad interdictum veniret“ (2). Einige Interpreten (3) haben die Worte: ad interdictum venire von der Jurisdiction des Prätors überhaupt erklärt, so dass auch die Vindication damit gemeint sein könnte: aber dafür sollte es schwer sein, eine Beweisstelle zu finden. Das natürlichste ist wohl, dem Petron überhaupt alle Auctorität abzusprechen, wo es auf einen juristischen Sprachgebrauch ankommt, der durch ältere und neuere Schriftsteller als Petron so fest bestimmt ist.

Also auf Interdicte kann die civilis possessio nicht bezogen werden: auf die übrigen Wirkungen kann es schon um deswillen nicht geschehen, weil sie überhaupt nicht als Folgen irgend einer Art des juristischen Besitzes gelten können. (§. 3.) Für die civilis possessio kommt noch der besondere Grund hinzu, dass die meisten gar nicht in das Civilrecht gehören. So gehört die Tradition nur dann in das Civilrecht, wenn von einer res nec mancipi die Rede ist (4), die Occupation und die actio publiciana, die unter andern durch Tradition einer res mancipi entstand, nie, die fructuum perceptio eben so wenig, weil sie die bonae fidei possessio der Hauptsache voraussetzte. Die Freiheit vom Beweise, welche jeder Beklagte hat, rechnete sicher kein Römischer Jurist unter das jus civile, und das Recht der Nothwehr eben so wenig (5).

agas mecum ex jure civili ac praetorio non habes, “ d. h. du hast weder eine Vindication, noch ein Interdict.

(1) Satyr. C. 13. (pag. 48. ed. Burmann. 1709.)

(2) Vgl. über diese Stelle unten §. 39.

(3) Z. B. Turnebus (adversar. Lib. 19. Cap. 6.).

(4) Ulpiani fragm. tit. 19. §. 7.

(5) L. 3. de justitia et jure.


(75) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

Was bisher aus der allgemeinen Bedeutung von civilis bewiesen worden ist, wird durch einzelne Stellen der alten Juristen bestätigt. Zur Erklärung dieser Stellen ist eine allgemeine Vorerinnerung nöthig. Vorausgesetzt nämlich, dass die possessio civilis von dem jus civile ihren Namen führt, kann der Ausdruck: civiliter non possidere oder: jure civili non possidere eine zweifache Bedeutung haben, je nachdem das civiliter entweder auf die Wirkung oder auf den Grund des non possidere bezogen wird. Erstens nämlich kann es heissen, denjenigen Besitz entbehren, welcher für das jus civile als Besitz gilt, und in diesem Sinn drückt es die reine Negation der civilis possessio aus und ist für unsere Untersuchung brauchbar. Zweitens kann es heissen, allen Besitz überhaupt entbehren, und zwar aus einem Grunde, der in dem jus civile enthalten ist; diese Bedeutung interessirt uns jetzt nicht, indem sie sich gar nicht auf die civilis possessio bezieht. Welche von beiden Bedeutungen in jedem gegebenen Falle anzunehmen sei, lässt sich meistens mit Sicherheit angeben: so z. B. ist es gewiss die erste, wenn es sich auf andere Weise darthun lässt, dass possessio überhaupt vorhanden sei: eben so ist es wahrscheinlich die zweite, wenn das Gegentheil bewiesen werden kann (1).

(1) Diese sehr wichtige Unterscheidung mit ihrer Anwendung auf die Interpretation, wodurch meine Erklärung der civilis possessio allererst völlige Sicherheit erhält, findet sich in Thibauts Anhang zu seiner Ausgabe des Cuperus, und früher in seiner Recension meines Buchs in der A. L. Z. 1804. N. 41. Späterhin urtheilte Thibaut selbst hierüber also: „In dieser Fassung halten wir nun die Theorie des Verfs. über possessio civilis für unwiderleglich.“ (A. L. Z. Ergänzungsblätter 1806. B. 2. S. 530.) Ein Rec. von Thibaut (Gött. Anz. 1804. p. 1431) macht die sehr gute Bemerkung, dass eine Spur dieser Unterscheidung schon in der Glosse zu L. 24. de poss. liege, freilich ohne Beweis und


(76) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Es kommen überhaupt fünf Fälle vor, worin der civilis possessio, des civiliter possidere und non possidere erwähnt wird. Aus zweien derselben lässt sich meine Behauptung bestimmt beweisen, aus den übrigen ist weder für diese noch für eine andere Meinung ein sicherer Schluss zu ziehen, es kommt also bei ihnen blos darauf an, zu zeigen, dass sie sich aus unserer Voraussetzung völlig erklären lassen, dass sie ihr folglich nicht widersprechen.

a) Wenn ein Faustpfand gegeben ist, soll der creditor nicht als Civilbesitzer gelten (1):

„Sciendum est, adversus possessorem hac actione (ad exhibendum) agendum: non solum eum, qui civiliter, sed et eum, qui naturaliter incumbat possessioni. Denique creditorem, qui pignori rem accepit, ad exhibendum teneri placet.“

Der Zusammenhang ist dieser: die actio ad exhibendum, sagt der Jurist, geht nicht blos gegen den Civilbesitzer. Er bestätigt diesen Satz durch das Beispiel des creditor, und braucht, um diesen Uebergang von der Regel zur Anwendung zu bezeichnen, das Wort denique („so zum Beispiel“) welches gerade in dieser Bedeutung in mehreren Stellen der Pandekten vorkommt (2). In den zwei

Anwendung: „Dic ergo civiliter, i. e. de jure civili non possidet, neque civiliter, neque naturaliter.“ Neuerlich freilich hat Thibaut diese doppelte Bedeutung des civiliter non possidere verworfen, ja fast als widersinnig behandelt (Archiv XVIII. 328. 329), ohne seine eigenen früheren Gründe zu erwähnen oder zu widerlegen. (Zusatz der 6. Ausg.)

(1) L. 3. §. 15. ad exhibendum.

(2) „In omni fere iure, finita patris potestate, nullum ex pristino retinetur vestigium: denique et patria dignitas quaesita per adoptionem, finita ea, deponitur.“ L. 13. de adopt.

„In quaestionibus laesae majestatis etiam mulieres audiuntur: conjurationem denique Sergii Catilinae Julia mulier detexit, et Marcum


(77) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

Fragmenten, welche auf unsere Stelle folgen (1) und unter welchen das zweite mit unserer Stelle in Ulpians Schrift selbst zusammen gehangen haben muss, werden diesem Beispiel mehrere andere hinzugefügt, so dass sie mit diesem ein Ganzes ausmachen. Dieser Zusammenhang ist so natürlich und so nothwendig, dass man ihn nicht wohl verkannt haben würde, wenn man nicht schon einen falschen Begriff von civilis possessio mit hinzugebracht hätte. Die Glosse macht bei dem Worte: creditor die Bemerkung: „hic civiliter possidet“, was aber auch als Einwurf gegen die Meinung des Textes gemeint sein kann, so dass sie ihn nicht gerade missverstanden haben muss. Frider (2) will sogar aus dieser Stelle beweisen, dass der creditor Civilbesitzer sei. Cuperus (3) hebt allen Zusammenhang der Stelle auf, indem er willkürlich annimmt, mit dem Worte denique gehe etwas ganz Neues an, ohne Verbindung mit dem vorigen, was zugleich eine blosse Wiederholung sein müsste, da unter der civilis und naturalis possessio, für welche der Satz schon vorher behauptet wurde, alle mögliche Fälle überhaupt enthalten waren. Er hätte sicher nicht

Tullium Consulem indicium ejus instruxit.“ L. 8. ad legem Jul. majest.

„Nemo enim in persequendo deteriorem causam, sed meliorem facit. Denique post litem contestatam heredi quoque prospiceretur, et heres tenetur ex omnibus causis.“ L. 87. de R. I.

Diese Bedeutung von denique lässt sich übrigens auf eine andere reduciren, welche bekannt genug ist: es heisst nämlich oft soviel als sane oder certe. Caesar de bell. gall. lib. 2. C. 33. p. 83. ed. Lips. 1780. Seneca de ira lib. 3. C. 18. – Eine grosse Anzahl von Parallelstellen finden sich bei Thon S. 116. Dagegen vergl. Thibaut Archiv XVIII. 338.

(1) L. 4. 5. ad exhibendum.

(2) de materia possessionis C. 4. §. 13.

(3) de nat. poss. P. 1. C. 3. p. 35.


(78) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

zu einer Interpretation seine Zuflucht genommen, wodurch die Logik der Römischen Juristen so verdächtig wird, wenn er auf andere Weise seinen Begriff von civilis possessio gegen diese Stelle zu retten gewusst hätte.

Also es ist sicher, dass der creditor an dem Pfand keine civilis possessio hat, und es ist nur noch nöthig, die Rechte seines Besitzes selbst zu bestimmen, um zu zeigen, welchen Begriff die Römischen Juristen mit jenem Worte verbinden. Ueber diese Rechte enthält folgende Stelle eine sehr genaue Bestimmung (1):

„ ... qui pignori dedit, ad usucapionem tantum possidet: quod ad reliquas omnes causas pertinet, qui accepit, possidet“ ...

Also der creditor besitzt in jeder juristischen Rücksicht, die Usucapion allein ausgenommen: demnach kann die civilis possessio, die ihm abgesprochen wird, nichts anders bedeuten, als Usucapionsbesitz (2).

b) Der zweite Fall, in welchem die civilis possessio erwähnt wird, bezieht sich auf die verbotene Schenkung unter Ehegatten. Durch diese Schenkung soll keine civilis possessio entstehen:

L. 26. pr. de don. int. vir. et ux.

„ ... licet illa (uxor) jure civili possidere non intelligatur“ (3).

(1) L. 16. de usurp. et usuc.

(2) Vergl. über die hier erklärte Stelle Thon S. 115 und Thibaut S. 337. (Zus. der 6. Ausg.) (*)

(*) Vgl. Anhang Num. 20. A. d. H.

(3) Schon hier findet sich die oben bemerkte Zweideutigkeit des jure civili non possidere. Da indessen, wie sich sogleich zeigen wird, das Dasein juristischer possessio überhaupt für diesen Fall keinen Zweifel hat, so kann hier mit jenem Ausdruck nichts anders


(79) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

L. 1. §. 4. de poss.

„Si vir uxori cedat possessione, donationis causa, plerique putant“ (und diese Meinung wird hier, wie gewöhnlich, stillschweigend gebilligt, denn Paulus fügt sogar selbst noch einen neuen Grund hinzu) „possidere eam: quoniam res facti infirmari jure civili non potest ... “ (also das Civilrecht erkennt diesen Besitz nicht an).

L. 1. §. 9. 10. de vi.

„Dejicitur is, qui possidet, sive civiliter sive naturaliter possideat: nam et naturalis possessio ad hoc interdictum (de vi) pertinet. Denique (1) et si maritus uxori donavit, eaque dejecta sit: poterit interdicto uti: non tamen si colonus.“ (2).

als die Negation der civilis possessio bezeichnet sein. – Thibaut Abhandl. S. 343. erklärt die Stelle so: „selbst wenn man (mit Anderen) annehmen wollte, dass die Frau nicht besitze“, so dass also Paulus selbst diese Meinung nicht hätte behaupten wollen. Zu dieser gezwungenen Erklärung hat ihn eine zwiefache falsche Voraussetzung veranlasst: 1. jure civili non possidere heisse nothwendig: gar nicht besitzen; 2. über den Besitz aus der Schenkung eines Ehegatten seien die Römischen Juristen verschiedener Meinung gewesen. Er schliesst dieses aus dem Julianus putat und plerique putant, welche Ausdrücke ja aber so oft bei den unbestrittensten Sätzen gebraucht werden. Auch der Grund in L. 1. §. 4. de poss. braucht ja gar nicht gegen wirkliche Gegner gerichtet zu sein. – Vgl. auch Thon S. 124 fg. und Thibaut Archiv XVIII. 349 fg. (Zus. der 6. Ausg.)

(1) Die Verbindung, und selbst der Ausdruck, ist hier ganz derselbe wie in L. 3. §. 15. ad exhibendum, beide Stellen erläutern sich wechselseitig, und ich kann mich ganz auf die Interpretation beziehen, welche von dieser letzten Stelle oben gegeben worden ist.

(2) Thibaut Abhandl. S. 339. kündigt eine neue Erklärung der Stelle an, die darauf hinausgehen soll: „wenn der Mann die Frau beschenkt, und diese dejicirt wird, so hat der Mann das Interdict.“ Aber nach einer einfachen, natürlichen Construction muss poterit auf eaque, als das nächste Subject, bezogen werden, nicht auf maritus, als das entferntere. Diese natürliche


(80) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Also civilis possessio wird in diesen drei Stellen geleugnet: welches Rechtsverhältniss ist es nun, das mit diesem Wort bezeichnet werden soll? Dass überhaupt juristischer Besitz durch diese Schenkung entstehe, sagt die zweite der angeführten Stellen ausdrücklich, und damit stimmen noch zwei andere überein (1). Die dritte Stelle nennt sogar eine Wirkung

Construction wird also hier gegen eine gezwungene vertauschet, und es lässt sich davon kaum ein anderer Vortheil erwarten, als dass zugleich anstatt des hier vorausgesetzten einfachen juristischen Inhalts der Stelle ein sehr verwickelter mühsam herbeigezogen wird. Nach meiner Erklärung ist der Schluss der Stelle höchst einfach so zu ergänzen: Non tamen si colonus dejectus erit, poterit (colonus) interdicto uti, d. h. es soll aufmerksam gemacht werden auf den Unterschied, der zwischen den Rechten der beschenkten Ehefrau und des Pächters in Beziehung auf den Besitz obwaltet. – Neuerlich hat nun Thibaut (Archiv XVIII. 355 fg.) die Stelle ausführlicher so erklärt. Die Frau hat zwar hier den Besitz, dennoch kann auch der Mann das Interdict gebrauchen, weil er sich alle seiner Frau widerfahrenen Unbilden zu Gemüthe führen kann; jedoch nur, wenn sie selbst herausgeworfen wurde, nicht etwa ihr Pächter. Denn, „wenn die Magd der Frau eine Ohrfeige bekommt, so ist es nicht fein, wenn der Mann die Magd auch als seine carissima behandelt.“ Man ist in Verlegenheit, wo man mit dem Widerspruch gegen diese Erklärung anheben soll, in welcher nicht ein gesundes Element zu finden ist. Unter andern, wie käme Ulpian auf den seltsamen Gedanken, diesen Satz gerade bei einem geschenkten Grundstück vorzutragen, da der Satz bei allen übrigen Grundstücken der Frau eben so wahr sein müsste? Ja sogar wäre die Erwähnung der Schenkung nicht nur zwecklos, sondern verkehrt und zweckwidrig, indem nun der Leser verleitet werden könnte, fälschlich zu glauben, der Mann habe das Interdict nur deshalb, weil er wegen der Nichtigkeit der Schenkung Eigenthümer des Grundstücks geblieben sei. Vergl. auch Thon S. 118. (Zus. der 6. Ausg.) (*)

(*) Vergl. Anhang Num. 21. A. d. H.

(1) L. 1. §. 2. pro donato: „Possidere autem uxorem rem a viro donatam, Julianus putat.“ L. 16. de poss. „Quod uxor viro, aut vir uxori donavit, pro possessore possidetur.“ So klar dieser Satz bestimmt ist, so hat man ihn doch häufig geleugnet, um irgend einen


(81) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

dieses Besitzes, nämlich ein Interdict. Aber Usucapion kann aus diesem Besitz nicht entstehen: „Si inter virum et uxorem donatio facta sit, cessat usucapio“ (1).

angenommenen Begriff von civilis possessio dadurch zu retten. Cuperus (de nat. poss. P. 2. C. 11. p. 84) glaubt, Paulus widerspreche sich selbst (in L. 1. §. 4. de poss. und L. 26. pr. de don. int. vir. et ux.). Fleck (de poss. p. 45. 118) geht noch viel weiter, indem er behauptet, aller Besitz überhaupt werde hier überall geleugnet. Die einzige Stelle, die man gegen unsern Satz anführen könnte, ohne einen willkürlichen Begriff von civilis possessio schon vorauszusetzen, ist L. 46. de don. int. vir. et ux. „Inter virum et uxorem nec possessionis ulla donatio est.“ Aber hier wird offenbar nicht der Besitz geleugnet, sondern die Schenkung; es wird also nur behauptet, die Frau besitze nicht pro donato, und darauf geht auch die bereits angeführte L. 16. de poss.: „quod uxor viro, aut vir uxori donavit, pro possessore possidetur, “ welche Stelle aus demselben Werk von Ulpian genommen ist, wie die L. 46. cit. (*) Dieser Satz kann also um deswillen keinen Einfluss auf die Existenz des Besitzes haben, weil er selbst sich blos auf die juristische Succession (in der Schenkung) bezieht, die Existenz des Besitzes aber von aller Succession unabhängig ist (s. oben §. 5.) – Das wesentliche dieser sehr natürlichen Erklärung ist alt (Duarenus in L. 1. §. 4. de poss. p. 829. Valentia, tract. ill. L. 1. Tr. 2. C. 7. p. 52). Cuperus selbst hat sie noch um vieles gewisser gemacht, wovon erst im vierten Abschnitt, bei dem interdictum utrubi, die Rede sein kann. (§. 39). – Spräche nicht die Inscription unserer Stelle so laut für jene Erklärung (s. u. §. 39), so liesse sich auch durch eine andere, wo möglich noch einfachere, jener Einwurf auf eine befriedigende Weise wegräumen. Die possessio nämlich, die nach unserer Stelle ohne Erfolg verschenkt sein soll, könnte ein Provinzialgrundstück sein, in welchem Sinne mehrere andere Stellen gerade bei dieser Lehre eine possessionis donatio nennen. L. 13. 15. C. de don. int. vir. et ux. Dann wäre der Sinn dieser: nicht blos dominium kann so nicht übergehen, sondern auch das natürliche Eigenthum eines Provinzialgrundstücks kann es nicht (**).

(*) Vergl. Anhang Num. 22. A. d. H.

(**) Vergl. Anhang Num. 23. A. d. H.

(1) L. 1. §. 2. pro donato


(82) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Demnach kann hier wieder unter der civilis possessio, welche abgeleugnet wird, nichts anderes gedacht werden, als der Usucapionsbesitz.

c) Die Regel: nemo sibi causam possessionis mutare potest soll nicht blos für die civilis, sondern auch für die naturalis possessio gelten (1). Diese Regel selbst, die bisher ganz unverständlich war, ist erst durch Gaius klar geworden (2), wiewohl sich auch nach der Bekanntmachung desselben grosse Missverständnisse gezeigt haben. Man könnte nun der Regel zuerst den Sinn unterlegen wollen, es sei unmöglich, selbst durch Mitwirkung eines Andern die causa zu verändern. Diesen Sinn aber hat sie entschieden nicht, denn wenn der m. f. possessor die Sache von demjenigen kauft, der das Eigenthum hat, oder dem er es zutraut, so ist das eine ganz gültige, wirksame causae mutatio (3). Umgekehrt wenn der Miether den Vermiether zurückweist, so hat er die conductionis causa wirklich in die dejectionis causa verwandelt, und dadurch die wahre possessio erworben (4). Dieser Veränderung also steht jene Regel eben so wenig im Wege, auch war hier ein positives Eingreifen gar nicht nöthig, weil der Vermiether durch das int. de vi hinlänglich geschützt ist, und weil die Dejection zur Usucapion niemals den Weg bahnen kann. Daher ist denn jene Regel überhaupt nur anwendbar auf die wenigen

(1) Das nun Folgende ist in der 6. Ausg. ganz umgearbeitet worden. – Von Schriftstellern über diese Rechtsregel sind zu vergleichen: Merenda XII. 28. Unterholzner Verjährungslehre S. 100. Thon S. 99-114. – Thibaut S. 338 fg. scheint von der ganzen Regel keine deutliche Vorstellung zu haben (*).

(*) Vergl. Anhang Num. 24. A. d. H.

(2) Gaius Lib. 2. §. 52-61.

(3) L. 33. §. 1. de usurp.

(4) L. 12. L. 18. pr. de vi.


(83) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

Fälle, worin eine einseitige, willkürliche Umwandlung in eine an sich rechtsgültige, wirksame causa wohl möglich wäre, deren Einwirkung auf die Usucapion nun aber durch jene ganz positive Rechtsregel verhindert werden soll. Dahin gehören nun folgende Fälle: Erstlich, so lange von einer Erbschaftssache der Erbe nur nicht Besitz genommen hatte, konnte jedermann zugreifen und diese Sache pro herede besitzen und usucapiren. Zu einer solchen Usucapion also brauchte man weder bona fides, noch einen Rechtstitel, und sie hatte ausserdem noch das Eigenthümliche, dass sie selbst an Grundstücken schon in einem Jahr vollendet war. Es war also in der That eine causa der oben beschriebenen Art; denn sie beruhte auf einseitiger, sogar unredlicher Willkür, und sie war dennoch eine justa usucapionis causa, wodurch sie sich also von der Dejection gegen den Vermiether wesentlich unterschied: Gaius giebt als Grund dieser „tam improba possessio et usucapio“ an, dass man den Erben dadurch nöthigen wollte, sich schneller der Erbschaft zu unterziehen, was sowohl wegen der sacra als wegen der Creditoren allerdings wünschenswerth war. Er fügt hinzu, Hadrian habe dieses Recht geändert, und dem Erben gestattet, diese Usucapion auch nach ihrer Vollendung als ungültig zu behandeln, mit Ausnahme des necessarius heres, der sie auch nun noch anerkennen müsse. Auf dieses seltsame Institut nun bezog sich jene alte Rechtsregel auf folgende Weise: Wenn Jemand pro emtore usucapirte, oder als Depositar den natürlichen Besitz hatte, und wenn nun der Eigenthümer starb, so konnte jenem Besitzer die hier beschriebene usucapio pro herede äusserst vortheilhaft sein: der Käufer brauchte nun, wenn es


(84) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

ein Grundstück war, nur ein Jahr anstatt der zwei Jahre, die er als Käufer nöthig hatte, und der Depositar, der bis dahin gar nicht usucapiren konnte, wäre nunmehr der Usucapion fähig geworden. Diesen Besitzern nun trat jene Rechtsregel in den Weg: sie, die einmal auf gewisse Weise zu besitzen angefangen hatten, sollten diesen Besitz nicht willkürlich und mit Bewusstsein der Unrechtmässigkeit in eine possessio pro herede verwandeln dürfen. Dass dieses der wahre Sinn der Regel war, erhellt aus den ganz übereinstimmenden Ausdrücken, welche von Gaius für die usucapio pro herede und von anderen alten Juristen für jene Rechtsregel gebraucht werden. Von der usucapio pro herede nämlich sagt Gaius: haec autem species possessionis et usucapionis etiam lucrativa vocatur, nam sciens quisque rem alienam lucrifacit. Ueber unsere Rechtsregel aber sind folgende die zwei bestimmtesten Stellen (1), beide von Julian, also vielleicht noch älter, als die oben erwähnte Verordnung von Hadrian.

L. 33. §. 1. D. de usurp.

„Quod vulgo respondetur, ipsum sibi causam possessionis mutare non posse, totiens verum est, quotiens quis sciret se bona fide non possidere, et lucrifaciendi causa inciperet possidere“ (*).

L. 2. §. 1. D. pro herede.

„Quod vulgo respondetur, causam possessionis neminem sibi mutare posse, sic accipiendum est, ut possessio non solum civilis sed etiam naturalis

(1) Mit diesen Stellen können noch folgende weniger bestimmte verglichen werden: L. 3. §. 19. 20. L. 19. §. 1. D. de poss. – L. 2. §. 21. D. pro emt. – L. 1. §. 2. D. pro don. – L. 6. §. 3. D. de precario.

(*) Vergl. Anhang Num. 25. A. d. H.

(**) Vgl. Anh. Num. 26. A. d. H.


(85) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

intelligatur. Et propterea responsum est (*), neque colonum, neque eum apud quem res deposita, aut cui commodata est (**), lucrifaciendi causa pro herede usucapere posse.“

Hieraus nun scheint mir auch ganz klar, in welchem Sinn in dieser letzten Stelle Julian die civilis und naturalis possessio nimmt. Er will sagen, nicht blos derjenige, der bisher schon usucapirte (possessio civilis), wird durch jene Rechtsregel verhindert, seine angefangene Usucapion in die vortheilhaftere pro herede zu verwandeln, sondern auch, wer noch gar nicht usucapiren konnte (possessio naturalis), soll dadurch verhindert sein, sich durch eine solche Verwandlung die Usucapion zu eröffnen, die er ausserdem gar nicht haben konnte (1). Nach dieser Erklärung liegt also der Stelle genau die hier angenommene Terminologie zum Grunde. Jene Regel hat nun freilich ihre bestimmte Bedeutung seit Hadrian

(*) (Zusatz der 7. Ausg.). Man könnte Anstoss daran nehmen, dass der Jurist nun blos solche Beispiele aus der naturalis possessio hernehme, die nicht einmal Interdictenbesitz sind; warum nicht der Dieb und Räuber? Nicht als wenn er diese ausschliessen wollte, sondern weil bei ihnen die Sache gewiss seltener zur Sprache kam, als bei dem Miether u. s. w. Darum existirten für diese Fälle responsa (et propterea responsum est), für jene nicht.

(**) Vergl. Anh. Num. 27. A. d. H.

(1) Offenbar also setzt der Jurist voraus, die Regel werde wohl bei der civilis possessio leichter und allgemeiner anerkannt, bei der naturalis eher bezweifelt werden. Diesen nothwendigen Zusammenhang hält Thibaut p. 335 für unvereinbar mit meiner Erklärung der civilis possessio. Allein es lag in der That sehr nahe, die causa possessionis, wovon die Regel redet, auf die justa causa in der Usucapion zu beschränken. Dagegen warnt der Jurist, indem er bemerkt, die Regel gehe nicht blos auf die emtionis oder donationis causa, sondern auch auf conductionis und depositi, also auch auf causae, die in der Usucapion gar nicht als solche angesehen werden.


(86) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

grösstentheils, und im Justinianischen Recht gänzlich verloren, auch werden uns in den Pandekten meistens solche Fälle nachgewiesen, in welchen sie nicht soll zur Anwendung kommen können. – Zweitens konnte jene Rechtsregel auch Anwendung finden bei der usureceptio. Denn auch diese beruhte auf einseitiger Willkür, war also ohne Titel, obgleich sie nicht immer als unredlich gedacht werden darf. Aber wo sie recht auffallend unredlich gewesen wäre, nämlich wenn der Fiduciarschuldner die Sache von dem Gläubiger gemiethet hatte, da sollte die Usucapion durch jene Rechtsregel verhindert werden (1).

d) Zwei Stellen nehmen für die Sclaven die Regel an: civiliter non possident.

„ ... peculium, quod servus civiliter quidem possidere non posset, sed naturaliter tenet, dominus creditur possidere“ (2).

„Haec quoque stipulatio: possidere mihi licere spondes? utilis est: quam stipulationem servus an possit utiliter in suam personam concipere, videamus. Sed quamvis civili jure servus non possidet, tamen ad possessionem naturalem hoc referendum est: et ideo dubitari non oportet, quin et servus recte ita stipuletur. Plane si: tenere sibi licere stipulatus sit servus, utilem esse stipulationem convenit: licet enim possidere civiliter non possint, tenere tamen eos nemo dubitat“ (3).

In diesen Stellen wird der Ausdruck: civiliter non possidet dazu gebraucht, alle possessio überhaupt abzuleugnen, aber um einer Regel des jus civile willen; demnach betreffen diese Stellen die civilis

(1) Diese sehr gute Bemerkung findet sich zuerst bei Thon S. 109.

(2) L. 24. de poss.

(3) L. 38. §. 7. 8. de verb. oblig.


(87) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

possessio gar nicht. Denn einestheils ist es gewiss, dass der Sclave gar keine possessio hatte, und es liesse sich nicht einsehen, warum hier dennoch nur von der fehlenden civilis possessio die Rede sein sollte: anderntheils wird in diesen Stellen selbst das: civiliter quidem possidere non potest, durch solche Ausdrücke beschränkt, welche, wie sich unten zeigen wird, überall als Gegensätze aller juristischen possessio gebraucht werden (tenere, naturaliter tenere). Die ganze Sache hängt so zusammen. Die Sclaverei selbst kam nach Römischen Begriffen aus dem jus gentium; allein der Erwerb des Sclaven für seinen Herrn, und die Unfähigkeit des Sclaven, eigenes Vermögen zu haben, gehörte in das jus civile, da die Römer selbst andere Völker kannten, bei welchen die Sclaven eigenes Vermögen hatten (1). Man konnte

(1) So z. B. die Deutschen. Taciti Germ. C. 25. Auch einzelne Stellen sind mehr dafür als dagegen: 1) L. 1. §. 1. ff., §. 1. I. de his qui sui: „Igitur in potestate sunt servi dominorum. (Quae quidem potestas juris gentium est, nam apud omnes peraeque gentes animadvertere possumus, dominis in servos vitae necisque potestatem fuisse), et quodcumque per servum adquiritur, id domino adquiritur.“ Liest man ganz zuletzt adquiri, so ist die oben vorgetragene Meinung geradezu falsch: liest man adquiritur, so ist jene Meinung durch die ganze Construction um vieles wahrscheinlicher, als die entgegengesetzte. Adquiri liest in den Pandekten zuerst Haloander in den Institutionen zuerst eine Chevallon’sche Duodezausgabe (Paris. 1527. mense Sept.), dann die von R. Stephan (Paris. 1528. 8.) und J. Schöffer (Mog. 1529. 12.), und nach diesen allen Haloander, welches letzte die Gebauer’sche Ausgabe nicht angiebt: adquiritur ist die Leseart erstens des ächten Gaius (I. §. 52.), dann auch in den Justinianischen Rechtsbüchern diejenige, welche sich in allen bekannten Mss. und ganz alten Ausgaben findet; namentlich lesen so in den Institutionen die drei ältesten Mspte zu Bamberg (Rosshirt Beiträge H. I. Heidelb. 1820. S. 71.), desgleichen alle Pariser Mspte, 23 an der Zahl: im Dig. vetus von 13 Pariser Mspten 12, und in dem 13. (sehr neuen) ist das adquiri offenbarer


(88) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

also sehr richtig sagen: servus civiliter non possidet, d. h. der Sclave ist des juristischen Besitzes unfähig und der Grund dieser Unfähigkeit liegt in dem jus civile.

e) Eben so heisst es von dem Besitzer einer zusammengesetzten Sache, insofern von dem Besitze der einzelnen Theile für sich (z. B. der Wagenräder) die Rede ist: civiliter non possidet (1). Welche der beiden Bedeutungen dieses Ausdrucks hier zum Grunde liege, ist nicht mit Gewissheit zu bestimmen. Es kann die civilis possessio (2), es kann aber auch alle possessio, und zwar nach jus civile, negirt sein (3).

Schreibfehler, denn in der Glosse desselben Mspts. steht wieder adquiritur; 2) L. 10. §. 1. de adqu. rer. dom. widerspricht wenigstens nicht, denn die Worte: „ipse enim, qui in alterius potestate est, nihil suum habere potest, “ können ebensowohl einen Satz des Römischen Civilrechts, als des jus gentium aussprechen sollen. Der Recens. von Thibauts Ausgabe des Cuperus (Gött. Anz. 1804. p. 1432.) hält die Unfähigkeit des Sclaven, Vermögen zu haben, für jus gentium, aber die Anwendung derselben auf den Besitz, dessen factische Natur nur durch die Eigenheit des R. R. juristische Bestimmungen erhielt, für jus civile. Nimmt man einmal an, dass die Unfähigkeit juris gentium war (was ich leugne), so ist diese Vereinigung sehr sinnreich und befriedigend.

(1) L. 7. §. 1. 2. ad exhibendum. „Sed si rotam meam vehiculo aptaveris, teneberis ad exhibendum. Et ita Pomponius scribit: quamvis tunc civiliter non possideas. Idem et si armario vel navi tabulam meam, vel ansam scypho junxeris“ etc.

(2) Thibaut (Anh. zu Cuperus S. 162.) leugnet dieses, weil es absurd sei, bei der actio ad exhibendum nur noch bemerken zu wollen, dass der Beklagte nicht gerade ad usucapionem besitzen müsse. Allein diesem Einwurf ist nicht schwer zu begegnen, denn in einer andern Stelle (L. 3. §. 15. ad exhib.) macht derselbe Ulpian gerade dieselbe Bemerkung, welche Thibaut für unmöglich hält (*).

(*) Vergl. Anh. Num. 28. A. d. H.

(3) S. u. §. 22.


(89) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

So viel von der civilis possessio. Dass in allen Stellen die naturalis possessio als logischer Gegensatz der civilis (als possessio, quae non est civilis) vorgekommen ist, bedarf kaum einer Erinnerung. Mehr darüber wird weiter unten gesagt werden.

2. Possessio (als Interdictenbesitz) und naturalis possessio im Gegensatz derselben. – Ich habe hier zweierlei zu beweisen: erstens dass possessio schlechthin, als juristisches Verhältniss, von der naturalis possessio unterschieden wird, zweitens dass dieser Gegensatz keine andere Bestimmung hat, als die juristische Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Interdicte zu bezeichnen.

a) Possessio schlechthin wird, als juristisches Verhältniss, einem nichtjuristischen entgegen gesetzt, was unter folgenden Namen vorkommt: esse in possessione, tenere, naturaliter possidere, corporaliter possidere (1).

„Idem Pomponius bellissime tentat dicere, numquid qui conduxerit quidem praedium, precario autem rogavit, non ut possideret, sed ut in possessione esset? est autem longe diversum: aliud est enim possidere, longe aliud in possessione esse“ ... (2).

(1) In der Glosse heisst es detentio asinina (Glossa in L. 29. de poss.). An einer andern Stelle (in L. 24. de poss.) wird dieser Ausdruck erklärt: „ ... tenere potest, ut asinus sellam.“ Bekanntlich wählt Accurs den Esel sehr oft als Beispiel. Die späteren Italienischen Juristen nennen es tenuta, welcher Ausdruck auch schon bei Sarti in einer Urkunde von 1252 vorkommt. (De claris Archygymn. Bonon. prof. T. 1. §. 2. p. 78.: „corporalem possessionem et tenutam tradidisse“). – Der Ausdruck esse in possessione hat Aehnlichkeit mit dem Ausdruck esse in libertate: jener bezeichnet den Gegensatz von possessio, dieser von libertas, nur mit dem Unterschiede, dass für das esse in libertate ein besonderer, positiver Schutz hinzugekommen war.

(2) L. 10. §. 1. de poss.


(90) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

„Eum, cui ita non cavebitur, in possessionem ejus rei ... ire, et, cum justa causa esse videbitur, etiam possidere jubebo“ (1).

„Qui in aliena potestate sunt, rem peculiarem tenere possunt, habere, possidere non possunt, quia possessio non tantum corporis, sed et juris est“ (2).

„Neratius et Proculus et solo animo non posse nos adquirere possessionem, si non antecedat naturalis possessio“ (3).

„ ... quod ex justa causa corporaliter a servo tenetur ... dominus creditur possidere“ (4).

Auch liegt schon dieselbe Unterscheidung den bekannten Ausdrücken der Aquiliana stipulatio zum Grunde: „quodve tu meum habes, tenes, possides“ (5).

Mit diesem Gegensatze ist es indessen nicht so gemeint, als ob in dem juristischen Besitz nicht auch jenes natürliche Verhältniss (die Detention) enthalten sein könnte: denn obgleich der juristische Besitz zuweilen auch da angenommen wird, wo sich die Detention nicht findet, so ist er doch in der Regel mit derselben verbunden (§. 5.). Demnach ist unter dem natürlichen Besitz, insofern er dem juristischen entgegen gesetzt wird, der blos natürliche zu verstehen, so dass unbeschadet dieses Gegensatzes auch in dem juristischen Besitz der natürliche enthalten sein kann. Auch werden wirklich in vielen Stellen alle die Ausdrücke, welche

(1) L. 7. pr. de damno infecto.

(2) L. 49. §. 1. de poss. Die Schlussworte sind schon oben erklärt worden (§. 5.) und sagen ausdrücklich, dass hier das juristische Verhältniss von einem nichtjuristischen unterschieden werde.

(3) L. 3. §. 3. de poss.

(4) L. 24. de poss.

(5) L. 18. §. 1. de acceptilat. – §. 2. I. quibus modis toll. obl.


(91) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

sonst das nichtjuristische Verhältniss bezeichnen, bei dem juristischen Besitz gebraucht, um die in demselben enthaltene körperliche Detention auszudrücken (1).

b) Dass durch jene Unterscheidung nichts anderes bezeichnet werden soll, als die juristische Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Interdicte, lässt sich eben so leicht beweisen, als das Dasein dieser Unterscheidung selbst. Dass nämlich possessio im juristischen Sinn Bedingung der Interdicte ist, folgt schon aus dem Namen der possessorischen Interdicte, und steht überdem in vielen einzelnen Stellen (2). Zugleich ist das Dasein der possessio überhaupt, ohne nähere juristische Bestimmung, hinreichend, die Interdicte zu begründen, wenn sie gleich auf eine unrechtliche Weise angefangen hat (3): also ist

(1) So z. B. corporalis possessio (in L. 40. §. 2. de pign. act.): naturalis possessio (in L. 38. §. 10. de usuris und in L. 3. §. 13. de poss.); endlich in possessione esse (in §. 5. I. de interdictis, L. 11. §. 13. quod vi, und L. 2. C. de poss.) – Cuperus (de nat. poss. P. 1. C. 3.) nimmt drei Bedeutungen von naturalis possessio an: 1) blosse Detention, 2) Detention, als Bestandtheil des juristischen Besitzes, 3) Besitz, der durch eine juristische Fiction (s. o. §. 5.) der blossen Detention gleich gesetzt ist. Allein es liegt hier immer nur eine Bedeutung zum Grunde, d. h. wir brauchen nicht etwa jede dieser drei Beziehungen erst aus den Stellen, worin sie vorkommt, zu lernen und zu beweisen, sondern wir könnten sie mit Gewissheit aus den andern folgern, selbst wenn sie nicht besonders gebraucht worden wäre. Die ganze Bemerkung von Cuperus steht übrigens schon bei Donellus (comm. V. 7.)

(2) „Interdictum autem hoc (de vi) nulli competit, nisi ei, qui tunc, cum dejiceretur, possidebat (L. 1. §. 23. de vi).

Creditores missos in possessionem rei servandae causa, interdicto uti non posse: et merito: quia non possident. (L. 3. §. 8. uti poss.) ... si eam rem, cujus possessionem per interdictum uti possidetis retinere possim ... precario tibi concesserim: teneberis hoc interdicto“ (L. 7. de precario). cf. §. 4. 5. 6. I. de interdictis.

(3) §. 6. I. de interd. – L. 1. §. 9. L. 2. uti poss.


(92) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

es die possessio schlechthin, ohne Zusatz in der Benennung, was die Interdicte begründet.

Dagegen hat es keinen Zweifel, dass der Pachter, der Commodatar, der missus in possessionem u. s. w., von welchen gesagt wird: sunt in possessione, tenent, sed non possident, dass alle diese das Recht der possessorischen Interdicte nicht haben (1).

Man kann also allgemein sagen: wer possessio hat, hat auch die Interdicte, wer nur in possessione ist, hat sie nicht, und beide Gegensätze fallen völlig zusammen.

Ich habe diesen Satz theilweise bewiesen, um den Beweis deutlicher übersehen zu lassen: jetzt wird es leicht sein, eine Stelle zu erklären, die alles zusammen enthält, was bereits aus der Verbindung mehrerer Stellen bewiesen worden ist. Sie handelt von der Vindication: diese kann natürlich nur gegen den Besitzer der Sache gebraucht werden, der judex soll daher untersuchen, ob der Beklagte Besitzer ist, und es fragt sich nur, wer hier als Besitzer gelte. Das soll in dieser Stelle bestimmt werden (2):

„Officium autem judicis in hac actione in hoc erit, ut judex inspiciat, an reus possideat. ... Quidam tamen, ut Pegasus, eam solam possessionem putaverunt hanc actionem complecti, quae locum habet in interdicto uti possidetis, vel utrubi. Denique (3), ait, ab eo, apud quem deposita est vel commodata, vel qui conduxerit, aut qui legatorum servandorum causa, vel dotis, ventrisve nomine in possessione esset, vel

(1) L. 1. §. 10. de vi, L. 3. §. 8. uti possidetis u. a. m.

(2) L. 9. de rei vind.

(3) denique vermittelt hier wieder, wie in L. 3. §. 15. ad exhibendum und in L. 1. §. 9. 10. de vi, den Uebergang von der Regel zu ihrer Anwendung.


(93) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

cui damni infecti non cavebatur, quia hi omnes non possident, vindicari non posse. Puto autem, ab omnibus, qui tenent, et habent restituendi facultatem, peti posse.“

Das Wort possessio soll eben hier erst bestimmt werden, es wird also im Anfang der Stelle so unbestimmt als möglich genommen: nun glaubt Pegasus, der Satz gelte nur von der Art der possessio, die das Interdict begründe, und nicht von den Fällen, worin eigentlich gar keine possessio angenommen werden könne: Ulpian aber entscheidet gegen ihn. – In der Sache sind beide Juristen verschiedener Meinung, die Worte nehmen sie in derselben Bedeutung, und auf diese kommt es hier allein an. Beide gehen aus von einem allgemeinen (natürlichen) Begriff von possessio: von dieser giebt es zwei Arten. Die eine ist die, welche die possessorischen Interdicte (1) begründet, folglich die andere die, welche sie nicht begründet. Von dem Besitzer dieser zweiten heisst es gleich nachher: „est in possessione, tenet, non possidet“, also muss nun die erste Art nothwendig possessio schlechthin heissen. So ist also aus dieser einzigen Stelle der Beweis nochmals geführt, der für den Begriff der possessio (als des Interdictenbesitzes) geführt werden sollte.

3. Bisher ist bewiesen worden, dass es zweierlei

(1) Ich sage: die possessorischen Interdicte, ganz allgemein, obgleich Ulpian nur das interdictum uti possidetis und das interdictum utrubi nennt. Denn es ist aus andern Stellen gewiss, dass die übrigen dieselbe Art der possessio als Bedingung voraussetzen (L. 1. §. 10. de vi), und dass Ulpian diese zwei allein nennt, kommt daher, weil sie allein in derselben Rechtssache hätten vorkommen können. Hätte nämlich vor der Vindication der jetzige Beklagte diese Interdicte gebraucht, so wäre seine (juristische) possessio untersucht worden. Kommt es nun, will Ulpian sagen, auch jetzt auf diese an, obgleich nicht erst das Interdict vor der Vindication gebraucht wurde?


(94) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

juristischen Besitz giebt: civilis possessio und possessio. In welchem Verhältniss stehen nun diese zwei juristischen Begriffe zu einander?

Das Recht auf die Interdicte setzt das Dasein der possessio voraus, und nichts weiter; selbst wer sich mit Gewalt in den Besitz gesetzt hat, kann die Interdicte gebrauchen (1), und es kommt also hier keine andere juristische Bestimmung, ausser dem Dasein des Besitzes überhaupt, hinzu, wodurch das Recht der Interdicte bedingt wäre.

Dagegen setzt die Usucapion auch das Dasein der possessio voraus (2), aber dieses allein ist nicht hinreichend: der Besitz muss überdem mit bona fides und justa causa angefangen haben, und die besessene Sache muss nicht besonders von der Usucapion ausgenommen sein (res furtiva, vi possessa u. s. w.).

Demnach ist das Verhältniss beider Begriffe dieses: der Usucapionsbesitz hat blos noch einige Bestimmungen mehr, als der Interdictenbesitz, und dieser ist jedesmal in jenem enthalten.

Dieses Verhältniss konnte auf keine andere Weise bezeichnet werden, als dadurch, dass der Interdictenbesitz possessio schlechthin, der Usucapionsbesitz dagegen possessio mit noch einem Zusatz (civilis) genannt wurde, und so finden wir in diesen Namen bestätigt, was aus der juristischen Natur dieser Institute bereits bewiesen worden ist.

Aus diesem Allen folgt, dass den zwei juristischen Bedeutungen, die der Besitz im Römischen Recht hat,

(1) §. 6. I. de interdictis – L. 1. §. 9. L. 2. uti possidetis.

(2) „Sine possessione usucapio contingere non potest.“ L. 25. de usurp. et usuc. So z. B. hört die Usucapion auf, sobald der Besitz verloren ist. L. 5. eod.


(95) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

durchaus keine Eintheilung eines juristischen Besitzes überhaupt zum Grunde liege, sondern dass es nur eine juristische possessio giebt, die, wenn sie allein vorhanden ist, blos die Interdicte begründet, aber wenn noch andere Bestimmungen hinzukommen, auch die Usucapion zur Folge hat (1). So hat folgende Stelle, die mehreren Interpreten sehr trivial geschienen hat, einen bedeutenden Sinn, ohne doch der zweifachen juristischen Natur des Besitzes zu widersprechen, worauf unsere ganze Ansicht beruht: „Et in summa magis unum genus est possidendi, species infinitae“ (2). Die species infinitae beziehen sich auf die vielen causas possidendi, wovon vorher die Rede war, diesen wird also auch das unum genus zunächst entgegen gesetzt: allein dasselbe wird doch ganz allgemein behauptet, und das wäre unmöglich, wenn es auch nur in einer andern Beziehung mehrere ursprünglich verschiedene und entgegen gesetzte juristische Begriffe des Besitzes gäbe.

Wir haben jetzt einen allgemeinen Gesichtspunkt gefunden für alles, was im Römischen Recht über possessio bestimmt ist. Alles dieses bezieht sich auf Usucapion und Interdicte zugleich, nur auf etwas verschiedene Weise: auf die Interdicte bezieht es sich unmittelbar, weil diese keine andere Bedeutung voraussetzen, als possessio überhaupt: auf Usucapion nur mittelbar, weil zu aller possessio noch etwas hinzukommen muss, wenn sie civilis sein soll.

Diese Ansicht der juristischen possessio überhaupt,

(1) Im ältern Römischen Recht kommt ein ganz ähnliches Verhältniss bei zwei andern Begriffen vor, dem justum matrimonium und dem matrimonium cum conventione in manum. Das erste wird immer vorausgesetzt, wenn das zweite gedacht werden soll, auch dabei liegt folglich keine Eintheilung der Ehe zum Grunde, obgleich es zwei verschiedene juristische Ehen sind.

(2) L. 3. §. 21. de poss.


(96) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

nach welcher alle juristische Bestimmungen der possessio immer nur einen und denselben Begriff zum Gegenstande haben, ist für die ganze Interpretation unter allen die wichtigste, und in ihr liegt der einzige Massstab, nach welchem der materielle Werth jeder Schrift über den Besitz allgemein und mit Sicherheit bestimmt werden kann. Denn es ist klar, dass in demselben Verhältniss, in welchem jener allgemeine Begriff der juristischen possessio der ganzen Darstellung zum Grunde liegt, auch der Sinn des Römischen Rechts über possessio aufgefasst und verfehlt sein muss (1).

4. Naturalis possessio kommt, wie bisher bewiesen worden ist (num. 1. 2.), in einer zweifachen Bedeutung vor. Seinem ursprünglichen Begriff nach ist nämlich aller Besitz ein natürliches Verhältniss, und es ist eben deshalb nicht nöthig, ihn durch ein Prädicat als solches zu bezeichnen. Sobald er aber unter gewissen Bedingungen als Recht gilt, wird diesem juristischen Besitz der nichtjuristische entgegengesetzt, in welchem sich diese Bedingungen nicht finden. Nun haben wir einen zweifachen juristischen Besitz aufgefunden, und mit ihm eine zweifache naturalis possessio; diese zwei Bedeutungen der naturalis possessio sollen hier noch gegeneinander gehalten werden.

Beide kommen darin mit einander überein, dass es blos negative Begriffe sind, d. h. dass in ihnen nichts juristisches gesetzt, sondern nur etwas juristisches negirt

(1) Dieses ist denn auch der Hauptgrund, warum die Erklärung der civilis possessio bei Cuperus (und nun auch bei Thibaut) für die ganze Lehre vom Besitz so verderblich wird (s. u. Zus. zu §. 10.). Denn Alles, was die Römischen Juristen über Dasein oder Nichtdasein der possessio mit so bewundernswürdiger Consequenz lehren, wird dadurch wieder völlig schwankend. (Zus. der 6. Ausg.)


(97) §. 7. Civilis und naturalis possessio.

wird: sie unterscheiden sich blos durch den Umfang dieser Negation.

Naturalis possessio der ersten Art also, im Gegensatz der civilis possessio (num. 1.), heisst jede Detention, welche nicht zur Usucapion qualificirt ist: eine andere juristische Bestimmung, ausser dieser Negation, ist damit durchaus nicht gegeben, und darum umfasst diese naturalis possessio auf gleiche Weise die blosse Detention, die gar nichts juristisches ist, und die juristische possessio, die nur nicht zur Usucapion geeignet ist: in diesem Sinn wird dem creditor eine naturalis possessio an dem Pfand zugeschrieben (1), und eben so soll aus der Schenkung unter Ehegatten eine blosse naturalis possessio entstehen. Die Stelle, die den letzten Satz enthält, ist oben als Beweis für den Begriff der civilis possessio gebraucht worden (num. 1.): für die naturalis possessio ist sie auch unmittelbar wichtig (2).

„Dejicitur is qui possidet, sive civiliter sive naturaliter possideat: nam et naturalis possessio ad hoc interdictum pertinet. Denique et si maritus uxori donavit, eaque dejecta sit: poterit interdicto uti: non tamen, si colonus.“

Der Sinn der Stelle ist dieser: das Interdict gilt bei jeder (juristischen) possessio, also nicht blos bei der civilis possessio, sondern auch bei der naturalis possessio, bei dieser jedoch nur dann, wenn sie eine (juristische) possessio ist (3). So ist zwar der Besitz der Frau sowohl, als der des Pachters, unter der naturalis possessio

(1) L. 3. §. 15. ad exhibendum (s. o. num. 1.)

(2) L. 1. §. 9. 10. de vi.

(3) Die ersten Worte (is qui possidet) enthalten also, was wohl zu bemerken ist, die Beschränkung, ohne welche die folgenden (et naturalis possessio ad hoc interdictum pertinet) viel zu allgemein wären, indem es unleugbar sehr viele Fälle giebt, in welchen eine naturalis possessio (z. B. die des Sclaven [et]c.) nicht zum Interdict berechtigt. Indem man diese


(98) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

enthalten, denn beide sind gleich unfähig zur Usucapion, aber das Interdict hat nur die Frau, nicht der Pachter, weil nur die naturalis possessio der Frau als eigentliche possessio betrachtet werden kann.

Naturalis possessio der zweiten Art (num. 2.), im Gegensatz der possessio, bezeichnet eine Detention, die selbst der Interdicte unfähig ist, also um so viel mehr auch der Usucapion (num. 3.). Der Unterschied ist also der, dass hier noch viel mehr negirt wird, als im ersten Fall: wer demnach in dieser zweiten Bedeutung naturaliter besitzt, dessen Besitz ist gewiss auch in der ersten Bedeutung naturalis, aber eine naturalis possessio der ersten Art kann eine wahre, juristische possessio, also der zweiten naturalis possessio gerade entgegen gesetzt sein, wie das angeführte Beispiel der Schenkung unter Ehegatten am deutlichsten zeigt.

Welche naturalis possessio ist nun gemeint, wo das Wort in unsern Rechtsquellen gebraucht wird? ist damit nur das Recht der Usucapion, oder auch das der Interdicte geleugnet? Das lässt sich in jedem Falle nur dadurch bestimmen, dass man den positiven Begriff aufsucht, dessen Gegensatz auf diese Art ausgedrückt ist. Je nachdem also der civilis possessio, oder der possessio überhaupt die naturalis possessio gegenüber steht, ist ihre Bedeutung verschieden zu bestimmen: sie ist ohne Gegensatz genannt, so muss durch Interpretation der positive Begriff aufgesucht werden, wodurch sie selbst erst bestimmte Bedeutung bekommen kann. Die wichtigste Regel der Interpretation, die für die naturalis possessio

Beschränkung, die in der Stelle selbst liegt, übersah, fand man es nöthig, die Worte: et naturalis possessio von aussen zu beschränken, und so entstand zu diesen Worten das Glossem: et pro suo (richtiger pro suo, ohne et, d. h. nam et ea naturalis possessio quae est pro suo), welches in sehr vielen Manuscripten und Editionen im Text steht, und auch in der Glosse des Accurs als die gewöhnliche Leseart erklärt wird.


(99) §. 7. Civils und naturalis possessio.

beobachtet werden muss, ist die, dass man ihre negative Natur nie vergesse, also nie zu dem Schlusse sich verleiten lasse, den fast alle Schriftsteller gemacht haben, weil er so natürlich zu sein scheint; naturaliter possidet, ergo possidet.

5. Sehen wir nun zurück auf die Bedeutungen, unter welchen das Wort possessio bisher vorkam. Ursprünglich bezeichnet es ein blos natürliches Verhältniss (1), und diese Bedeutung liegt in allen näheren Bestimmungen des Wortes (civilis, naturalis) zum Grunde. In diesem Sinn werden dem possessor die Rechte des Beklagten in der Vindication zugesprochen (2), obgleich sie auf den juristischen Besitz durchaus nicht beschränkt sind. Auch ist in diesem Sinn das furtum possessionis zu nehmen, indem dasselbe auch gegen solche Personen möglich ist, welche keinen juristischen Besitz haben (3).

(1) Aus diesem Grunde, weil Begriff und Wort ursprünglich gar nicht juristisch sind, ist auch die Etymologie von possessio so unbedeutend, da bei eigentlich juristischen Begriffen die Etymologie oft so belehrend ist. Es ist ein alter Streit, ob Paulus (L. 1. pr. de poss.) das Wort „a pedibus“ oder „a sedibus“ ableite. Die letzte Leseart steht in dem Florentinischen Manuscript, wird aber auch schon in der Glosse als Variante angeführt: die meisten Juristen geben ihr den Vorzug, und mit Recht, obgleich Walther (miscellan. lib. 2. c. 19.) die erste recht gut vertheidigt. Hermann Cannegieter (observat. lib. 4. cap. 7.) hat eine neue ausgedacht, in welcher gewissermassen beide enthalten sind, die aber weit schlechter ist, als die alten; er liest „a pedis sedibus.“ – Durch die Leseart „pedibus“ ist übrigens die Glosse veranlasst worden, an beweglichen Sachen nur einen uneigentlichen Besitz anzunehmen, weil man zwar den Boden, aber nicht die beweglichen Sachen mit Füssen zu treten pflege. (Glossa in §. 4. I. de Interdictis und in vielen andern Stellen). Ein französischer Jurist schlägt vor, wenigstens bei Schuhen eine Ausnahme zu machen. Noch deutlicher wird sich diese Meinung der Glosse im §. 8. erklären.

(2) §. 4. I. de interdictis – L. 9. de rei vind. s. oben §. 3. num. 4.

(3) Nämlich nach L. 15. §. 2. und L. 59. de furtis ist es ein


(100) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Ausserdem aber heisst possessio schlechthin der juristische Besitz, und diese possessio ist es, welcher eine naturalis possessio entgegen gesetzt wird (num. 2.).

Wenn nun in unsern Rechtsquellen von possessio schlechthin die Rede ist, welche possessio ist darunter zu verstehen? So lange kein Grund vorhanden ist, den Begriff zu beschränken, muss er so allgemein als möglich, folglich für das natürliche Verhältniss der Detention genommen werden, welche Regel der Interpretation durch das Beispiel der Römischen Juristen bestätigt wird (1). Aber solcher Gründe der Beschränkung giebt es vorzüglich zwei, und diese werden uns bei weitem in den meisten Fällen, worin das Wort possessio gebraucht wird, den engern Begriff des juristischen Besitzes vorauszusetzen nöthigen.

Wird nämlich erstens die possessio bezogen auf Interdicte oder Usucapion, als auf ihre Wirkung, so kann kein anderer als der juristische Besitz darunter gedacht werden (§. 2.).

Eben so zweitens, wenn die Existenz des Besitzes aus juristischen Gründen bestimmt wird, weil nur der juristische Begriff des Besitzes solcher Bestimmungen fähig ist (§. 5.). In allen Stellen also, worin untersucht, gezweifelt, gestritten wird, ob possessio anzunehmen

furtum, wenn der commodator dem Commodatar die Sache entwendet, vorausgesetzt, dass dieser ein besonderes Recht auf die Detention hatte, was er gegen ihn hätte geltend machen können. Nun kann dieses kein furtum rei sein, weil es vom Eigenthümer selbst geschieht, noch weniger ein furtum usus, also ist nur ein furtum possessionis anzunehmen übrig: da aber zugleich der Commodatar keinen juristischen Besitz hat, so folgt, dass das furtum possessionis nicht durch diesen bedingt sein kann.

(1) So interpretirt nämlich Ulpian eine Stipulation (L. 38. §. 7. de V. O.), Julian eine juristische Regel (L. 2. §. 1. pro herede).


(101) §. 7. Civils und naturalis possessio.

sei oder nicht, ist immer der juristische Besitz mit diesem Worte bezeichnet. Zur Erläuterung dieser wichtigen Regel der Interpretation mag ein Beispiel dienen, welches schon oben in einer andern Beziehung vorgekommen ist. Es ist nämlich oben (num. 1.) bewiesen worden, dass aus der Schenkung unter Ehegatten zwar keine civilis possessio entstehe, wohl aber possessio überhaupt. Diesen letzten Satz drückt Paulus so aus (1): „Si vir uxori cedat possessione, donationis causa, plerique putant possidere eam“ (darauf folgen zwei juristische Gründe für diese Meinung), und in einer andern Stelle (2): „Possidere autem uxorem rem a viro donatam, Julianus putat.“ Da hier von Meinungen über das Dasein dieses Besitzes die Rede ist, da juristische Gründe angeführt werden, aus welchen es behauptet werden müsse, so kann es nicht das natürliche Verhältniss der Detention, sondern nur der juristische Besitz sein, was hier possidere genannt wird.

§. 8.

Die bisherigen Bestimmungen des Römischen Sprachgebrauchs sind die einzigen, die auf die Behandlung unseres Gegenstandes directen Einfluss haben: die übrigen sind nur um deswillen wichtig, weil ohne sie ein grosser Theil der gangbarsten Irrthümer der Interpretation nicht gründlich widerlegt werden kann. Dahin gehören zuerst noch zwei Eintheilungen des Besitzes, die bei den Römischen Juristen vorkommen: possessio justa, injusta und bonae fidei, malae fidei possessio. Zweitens gehören dahin die Fälle, in welchen possessio überhaupt etwas ganz anderes bezeichnet, als den Besitz.

Justum überhaupt hat zwei Bedeutungen bei den Römischen Juristen: zuweilen bezieht es sich auf jus (civile)

(1) L. 1. §. 4. de poss.

(2) L. 1. §. 2. pro donato.


(102) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

und wird dann auf eben die Art gebraucht, wie civile, oder legitimum, z. B. in matrimonium justum, justa traditionis causa u. s. w. In andern Stellen aber hat es einen viel unbestimmtern Sinn, und heisst das rechtliche überhaupt, so in absentia justa, error justus u. s. w. (1). Bei dem Besitz ist das Wort in der zweiten Bedeutung genommen, und justa possessio ist folglich ein Besitz, zu welchem man berechtigt ist, er mag nun juristisch als Besitz gelten, oder nicht. Denn erstlich heisst der Besitz, welchen der creditor an einem Pfande hat, justa possessio (2). Da nun diese possessio nicht civilis ist (§. 7. num. 1.), so kann hier nicht die erste, sondern nur die zweite Bedeutung von justum gemeint sein. Ferner entsteht sogar durch die missio in possessionem eine justa possessio (3), also in einem Fall, worin überhaupt nicht von juristischem Besitz die Rede sein kann (4).

Demnach bezieht sich diese Eintheilung auf den allgemeinen Begriff des natürlichen Besitzes (§. 7. num. 5.), selbst der Begriff der justa possessio fällt mit keinem juristischen Begriff des Besitzes zusammen, und die ganze Eintheilung ist folglich für uns, in einer Theorie des juristischen Besitzes, ziemlich unbedeutend (5). Hier, wie bei der naturalis possessio (S. 98.), ist es also das wichtigste, den Schluss zu vermeiden: juste possidet, ergo possidet.

(1) Die Beweise für beide Bedeutungen sind vollständig zusammengestellt von Brissonius de verb. sig. v. justus (p. 687. ed. Hal. 1743.).

(2) L. 13. §. 1. de publiciana. – L. 22. §. 1. de noxal. act.

(3) L. 7. §. 8. comm. div.

(4) L. 3. §. 23. de poss.

(5) „in summa possessionis non multum interest, juste quis, an injuste possideat.“ L. 3. §. 5. de poss., d. h., es ist gleichgültig, wo es auf die Existenz des juristischen Besitzes überhaupt ankommt, also wo der Besitz an sich, und nicht etwa in einer besondern Beziehung, die ausser seinem Begriff liegt, als Quelle von Rechten betrachtet wird.


(103) §. 8. Possessio justa, bonae fidei etc.

Aber diese Eintheilung ist nicht nur für uns unbedeutend, sie ist auch überhaupt keiner allgemeinen Bestimmung fähig, und kann nur in einzelnen Anwendungen einen bestimmten Sinn bekommen (1). Es kommt nämlich zu der schon bemerkten, sehr unbestimmten Bedeutung des Ausdrucks noch eine zweite, engere hinzu, die sogar als die häufigste betrachtet werden kann. Nach dieser zweiten Bedeutung bezieht sich die Eintheilung auf die vitia possessionis (§. 2.), und justa possessio heisst dann jede Detention, welche ohne Gewalt, ohne Verheimlichung und ohne precarium angefangen hat (2), sie mag als juristischer Besitz gelten oder nicht. Dieser Unterschied ist zwar nicht für die Natur des Besitzes überhaupt, wohl aber für die possessorischen Interdicte von Bedeutung.

Der Begriff bonae fidei possessio ist ebenso unbestimmt und ebenso unbedeutend für die Theorie des Besitzes überhaupt. Die bona fides bezieht sich auf jeden möglichen Grund der Detention: wer den rechtlichen Grund derselben zu haben glaubt, auf welchen es gerade ankommt, heisst bonae fidei possessor. So bei der Usucapion jeder, der durch seine justa possessionis causa Eigenthum wirklich zu erwerben glaubt: So bei der Vindication jeder Beklagte, welcher seine Detention für rechtlich hält, er mag dieses Recht aus seinem Eigenthum

(1) Cuperus (de nat. poss. P. 2. C. 7.) hat diesen Satz gründlich ausgeführt, wiewohl er mehrere verschiedene Bedeutungen jener Eintheilung annimmt, die eigentlich nicht verschieden sind: einige seiner Behauptungen werden unten widerlegt werden. Bei weitem die Meisten haben possessio justa und civilis verwechselt. Die seltsamste Meinung hat Madera (animadv. C. 27., bei Otto T. 3. p. 488.): er erklärt justum überhaupt von dem jus gentium (wegen L. 95. §. 4. de solut.) und behauptet, alle possessio sei justa, weil sie aus dem jus gentium entstanden sei.

(2) So vorzüglich in L. 1. §. 9. L. 2. uti possidetis.


(104) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

oder aus einem blossen Vertrag (z. B. einer Pacht) mit dem Eigenthümer ableiten, in welchem letzten Fall er durchaus keinen juristischen Besitz zu haben behauptet. So bei hypothecaria actio derjenigen Beklagte, welcher von dem Pfandrecht des Klägers keine Kenntniss hat.

[In den wichtigsten Fällen ist die bona fides nur dann von Wirksamkeit, wenn sie durch einen vorhandenen Rechtstitel gerechtfertigt werden kann, so dass in diesen Fällen unter der b. f. possessio immer zugleich ein titulirter Besitz zu verstehen ist, obgleich dieses nicht besonders ausgedrückt zu werden pflegt. In diesen Fällen also steht die bona fides zugleich in Verbindung mit der causa possessionis, und daher auch mit der schon im §. 7. erklärten Regel: Nemo sibi causam possessionis mutare potest] (S. 82.). (Zus. der 6. Ausg.)

So verschieden die Begriffe waren, welche bisher als Bedeutungen von possessio erwiesen worden sind, so war es doch immer der Begriff des Besitzes, der in allen zum Grunde lag: noch sind die Stellen zu erklären übrig, in welchen possessio selbst etwas anderes bezeichnet, als den Besitz. Solcher andern Bedeutungen, welche von jeher viel dazu beigetragen haben, die Theorie des Besitzes zu verwirren, giebt es vornämlich zwei: Eigenthum und Verhältniss des Beklagten.

Eigenthum haben also wird zuweilen durch possidere, die Sache, die im Eigenthum ist, durch possessio (Besitzung) bezeichnet (1). Wie dieser Sprachgebrauch

(1) „Interdum proprietatem quoque verbum possessionis significat: sicut in eo, qui possessionis suas legasset, responsum est.“ L. 78. de V. S. – Eben so in sehr vielen andern Stellen der Pandekten und des Codex, und eben so oft bei Cicero, Quinctilian etc. Auch geht darauf die Definition bei Cornelius Fronto (in Gothofredi auct. linguae lat. p. m. 1331.): „habere potest etiam fur et nequam: possidet nemo, nisi qui rei ... dominus est.“ Endlich ist auch daraus


(105) §. 8. Possessio justa, bonae fidei etc.

entstanden ist, lässt sich leicht erklären. Da nämlich die Unterscheidung des Besitzes vom Eigenthum auf einer juristischen Abstraction beruht (§. 1.); so ist es sehr natürlich, dass die Unterscheidung theils in der Sprache des gemeinen Lebens, theils bei Schriftstellern, die nicht Juristen sind, gewöhnlich nicht gemacht wird: auch kommt in unsern Rechtsquellen diese Bedeutung fast nur aus Testamenten, Verträgen, Consultationen etc. vor, worin sie gebraucht worden war. – Merkwürdig ist es, dass in allen solchen Stellen possessio und possidere blos von Grundstücken gebraucht wird (1), und dass auch darin das deutsche Besitzung damit übereinkommt (2).

Ausser dem Besitz und ausser dem Eigenthum bezeichnet endlich possessio auch noch das Verhältniss des Beklagten. Wenn nämlich das Eigenthum vindicirt werden soll, so kann das gegen niemand geschehen, als gegen den, der die Sache besitzt, nur dass hier der Besitz durchaus in keinem juristischem Sinn genommen wird (§. 3. num. 4.): es ist also sehr natürlich, dass man

zu erklären die Edictstelle, nach welcher die possessores von Grundstücken keine Cautionen im Process zu leisten brauchten (L. 15. qui satisd. cog.). Possessor hiess aber nicht Besitzer, sondern Eigenthümer. (*)

(*) Vergl. Anhang Num. 29. A. d. H.

(1) Alciatus in L. 1. pr. de poss. num. 24. (opp. T. 1. p. 1195.) Dieser Umstand mag viel zu der Meinung der Glosse beigetragen haben, dass nur unbewegliche Sachen eigentlich besessen werden können (s. o. S. 99.). – Die ausschliessende Beziehung der possessio in diesem Sinn auf Grundstücke ist so allgemein, dass sogar possessor und possidere nicht selten absolut gesetzt wird, um den Besitz von Grundstücken zu bezeichnen; so z. B. L. 1. de decret. ab ord. fac., – L. 7. de incend. cf. Roth de re municipali. (Studtg. 1801.) p. 43.

(2) Damit ist nicht zu verwechseln, dass insbesondere auch das bonitarische Eigenthum possessio genannt wird. Dieses hat einen ganz speciellen historischen Grund, und es wird davon §. 12 a. ausführlich die Rede sein.


(106) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

bei jeder Vindication den Kläger petitor, den Beklagten possessor nennt, weil dieser in der That eine Sache besitzt, die der andere von ihm fordert. Nun wurde aber der Vindicationsprocess auch ausser dem Eigenthum gebraucht, insbesondere bei Erbschaftsklagen (1): deswegen übertrug man auch auf diesen die Ausdrücke, die bei jenem gebraucht wurden, und nannte auch hier den Kläger petitor, den Beklagten possessor. In den meisten Fällen war das sehr passend, weil auch die hereditatis petitio gebraucht wird, um einzelne Sachen zu fordern, die der Andere aus einem allgemeinen Grunde (pro herede oder pro possessore) besitzt. Aber darauf ist sie nicht beschränkt, und so ist es gekommen, dass man den Beklagten in der hereditatis petitio auch dann possessor nennt, wenn es gerade nicht um den Besitz einer Sache gilt. Man nennt ihn juris possessor, weil er irgend etwas zu thun sich weigert, was der Andere, als Erbe, von ihm fordern zu können glaubt, weil er also ein Stück des allgemeinen Erbrechts sich anmasst: corporis possessor heisst dagegen der Beklagte, der zugleich Besitzer einer Sache ist (2). Ein solcher juris possessor ist z. B.:

1. Jeder, der eine Erbschaftssache zwar nicht besitzt, aber besitzen kann, weil er eine Klage darauf hat: hier ist es die Cession dieser Klage, was von ihm gefordert wird (3);

2. wer in dem peculium seines Sclaven den Werth einer verkauften Erbschaftssache besitzt (4).

(1) Cicero in Verrem, act. 2. lib. 1. Cap. 45.: „Si quis testamento se heredem esse arbitraretur, quod tum non exstaret, lege ageret in hereditatem: aut pro praede litis vindiciarum cum satis accepisset, sponsionem faceret: ita de hereditate certaret.“

(2) L. 9. L. 18. §. 1. de hered. petit.

(3) L. 16. §. 4. 7. L. 35. de hered. petit.

(4) L. 34. §. 1. de hered. petit.


(107) §. 8. Possessio justa, bonae fidei etc.

3. wer gegen die Erbschaft eine Verbindlichkeit, z. B. als negotiorum gestor, contrahirt hat (1).

Auf gleiche Weise wurde bei dem Streit über Freiheit (liberale judicium) von den ältesten Zeiten an der Vindicationsprocess gebraucht (2), und auch dabei wird das Verhältniss des Beklagten und das Vorrecht dieses Verhältnisses durch die Ausdrücke: libertatis, servitutis possessio bezeichnet (3).

Also das Verhältniss eines Beklagten wird durch das Wort possessor bezeichnet, selbst wo keine Sache ist, die besessen werden könnte: aber dieser Satz ist durchaus nicht allgemein wahr. Beweisen lässt er sich nur für die hereditatis petitio und das liberale judicium, mit Wahrscheinlichkeit behaupten bei allen Klagen, bei welchen der Vindicationsprocess vorkam (4), bei allen übrigen kann er durchaus nicht gelten (5).

(1) L. 10. si pars hered. petatur.

(2) Die Hauptstelle ist bei Livius Lib. 3. C. 44-48.

(3) Digest. Lib. 40. Tit. 12. –Servitutis possessio ist nicht zu verwechseln mit servi possessio.

(4) Und auch da müssen noch die Servitutenklagen ausgenommen werden, weil bei diesen der possessor sogar Kläger sein kann. §. 2. I. de act.

(5) Zwar sagt L. 62. de judiciis allgemein: „Inter litigantes non aliter lis expediri potest, quam si alter petitor, alter possessor sit: esse enim debet, qui onera petitoris sustineat, et qui commodo possessoris fungatur.“ Allein petere und petitor bezieht sich nur auf in rem actiones (L. 28. de oblig. et act. – L. 178. §. 2. de V. S.) und mit dieser Beschränkung stimmt die Stelle mit der aufgestellten Regel überein. Ja es ist wahrscheinlich, dass sie eigentlich blos auf hereditatis petitio ging, denn sie ist aus einem Buch von Ulpian genommen (L. 39. ad edictum), das fast blos von Erbrecht handelt. (L. 22. qui test. fac. poss. – L. 1. 3. 5. de bon. poss. – L. 2. de B. P. furioso. – L. 1. 3. de B. P. contra tab. – L. 1. de B. P. sec. tab. – L. 6. si tab. test. nul.). – Uebrigens ist hier blos von dem Sprachgebrauch unserer Rechtsquellen die Rede, Cicero braucht den Ausdruck auch bei dem Streit des publicanus mit den Landleuten über den Zehnten, in Verrem lib. 3.


(108) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Dass nun nicht etwa Eigenthum oder das Beklagtenverhältniss gemeint sei, wenn über possessio irgend etwas in unsern Rechtsquellen bestimmt ist, muss bewiesen werden können, wenn eine Stelle derselben mit Sicherheit auf den Besitz angewendet werden soll: eine allgemeine Regel der Interpretation lässt sich hier nicht geben, aber es wird schwerlich ein Fall vorkommen, in welchem diese Unterscheidung bedeutende Schwierigkeit hätte.

§. 9.

Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass aller juristische Besitz auf Usucapion oder Interdicte sich bezieht (§. 2.), und dass beiden ein allgemeiner Begriff juristischer possessio zum Grunde liegt, der, um die Usucapion möglich zu machen, nur noch einige besondere Bestimmungen haben muss (§. 7.).

Jetzt erst kann die Frage aufgeworfen werden: was gehört dazu, damit die juristische possessio angenommen werde? oder: welches sind die materiellen Bestimmungen ihres Begriffs?

Wir sind ausgegangen von dem allgemeinen Begriff der Detention, d. h. des natürlichen Verhältnisses, welches dem Eigenthum, als einem rechtlichen Verhältniss, correspondirt (§. 1.): aber dieser ursprüngliche Begriff des Besitzes musste juristischer Modificationen fähig sein, sobald er als Bedingung von Rechten behandelt wurde (§. 5.). Der grösste Theil dieser Modificationen ist so specieller Art, dass sie nur im Detail der Theorie des Besitzes verstanden und vorgetragen werden können:

C. 11. „cum in his, inquam, rebus omnibus publicanus petitor, ac pignerator, non ereptor neque possessor soleat esse ... Utrum est aequius ... eum qui manu quaesierit an eum, qui digito licitus sit, possidere?“


(109) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes.

aber eine ist ganz allgemein, und durch diese muss gleich hier der Begriff des Besitzes vollständig bestimmt werden.

Es muss nämlich jede Detention, wenn sie als Besitz gelten soll, absichtlich sein, d. h. man muss, um Besitzer zu sein, die Detention nicht blos haben, sondern auch haben wollen (1). Dieses der Detention correspondirende Wollen (animus possidendi) ist jetzt genauer zu bestimmen.

Die Detention wurde oben (S. 27) bestimmt als der physische Zustand, welcher dem Eigenthum, als einem rechtlichen Zustande, correspondire. Folglich besteht der animus possidendi in der Absicht, das Eigenthum auszuüben. Allein diese Bestimmung ist noch nicht hinreichend, indem derjenige, welcher die Detention hat, diese Absicht auf eine zweifache Weise haben kann: entweder um fremdes, oder um eigenes Eigenthum auszuüben. Hat er die Absicht, fremdes Eigenthum auszuüben, welches er also eben jetzt anerkennt, so liegt darin kein solcher animus possidendi, durch welchen die Detention zum Besitz erhoben würde (*). Dieser Satz, welchen das Römische Recht ausdrücklich aufstellt (2), lässt sich aus der oben (S. 30) gegebenen Ansicht der Interdicte sehr natürlich

(1) L. 3. §. 1. de poss. „Apiscimur possessionem corpore et animo: neque per se animo, aut per se corpore.“

(*) Vergl. Anhang Num. 30. A. d. H.

(2) L. 18. pr. de poss. „ ... Nec idem est, possidere, et alieno nomine possidere. Nam possidet, cujus nomine possidetur. Procurator alienae possessioni praestat ministerium.“ Dieses Verhältniss ist in drei verschiedenen Beziehungen für den Besitz wichtig: a) indem der animus sibi habendi, also der ursprüngliche Begriff des Besitzes, nicht auf den, der die Detention hat, anwendbar ist (davon hier); b) indem derselbe einen abgeleiteten Besitz bald hat, bald nicht hat (§. 23 bis 25.); c) indem der Andere, der die Detention nicht selbst hat, als Besitzer gilt (§. 26. 27.).


(110) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

erklären. Es bleibt also nur noch der zweite Fall übrig, in welchem die Absicht auf eigenes Eigenthum gerichtet war (1), so dass der animus possidendi durch animus domini oder animus sibi habendi erklärt werden muss (2), folglich nur der als Besitzer gelten kann, welcher die Sache als Eigenthümer behandelt, deren Detention er hat, d. h. welcher sie factisch eben so beherrschen will, wie ein Eigenthümer Kraft seines Rechts zu thun befugt ist, also insbesondere auch ohne einen Anderen, besser Berechtigten, über sich anerkennen zu wollen (3). Mehr aber als dieser animus domini, gehört durchaus nicht in den Begriff des Besitzes: am wenigsten die Ueberzeugung, dass man wirklich Eigenthümer sei (opinio s. cogitatio domini): darum kommt der Begriff

(1) Man könnte diese Eintheilung für unvollständig halten, indem es sich (als dritter Fall) denken liesse, dass der, welcher die Detention hätte, weder sich noch einen andern als Eigenthümer betrachtete, sondern nur zu einem speciellen Zweck (z. B. wegen der Früchte) die Sache haben wollte. Allein dieser Fall ist von dem unsrigen nur dem Scheine nach verschieden. Denn wer die Detention haben will, ohne bestimmt eine andere Person als Eigenthümer zu betrachten, hat immer den animus domini, und es ist, juristisch betrachtet, ganz gleichgiltig (!), um welcher äusserlichen Zwecke willen er dieses Eigenthum haben will.

(2) Theophilus in §. 4. I. per quas pers. adqu. et in §. 2. I. quibus mod. toll. oblig. Hier allein steht dieser Satz ausdrücklich, in den Institutionen und den Pandekten kommt er nicht vor. Vorausgesetzt wird er freilich überall (*).

(*) Vergl. Anhang Num. 31. A. d. H.

(3) Es wird also hier der Ausdruck animus domini nur gebraucht, um den Inhalt des zum Besitz nöthigen Wollens durch Vergleichung mit dem, was der Eigenthümer thun darf, zu bestimmen, aber nicht als ob der Gedanke des Besitzers besonders auf den Rechtsbegriff des Eigenthums gerichtet sein müsste, was ja z. B. bei dem Diebe widersinnig sein würde. Indessen scheint es, dass mehrere der am Ende dieses §. angeführten Schriftsteller die von mir geforderte „Absicht das Eigenthum auszuüben“ auf diese Weise missverstanden haben, z. B. Warnkönig p. 173, welcher meine Meinung


(111) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes.

des Besitzes dem Räuber und Dieb eben sowohl zu, als dem Eigenthümer selbst, und jene sind ganz auf dieselbe Weise, wie dieser dem Pachter, entgegen gesetzt, welcher keinen Besitz hat, weil er die Sache nicht als seine eigene Sache behandelt (1).

so ausdrückt: „die Sache sein, also ex jure quiritium suam zu nennen. So weit muss man gehen.“ Eben so Guyet Abhandl. p. 176. (Zusatz der 6. Ausg.)

(1) Der hier aufgestellte Begriff des Besitzes ist der der meisten Juristen, nur mehr oder weniger deutlich gedacht. Zachariä (de poss. pag. 5.) verwirft ihn und setzt folgenden an die Stelle: „Possessio nobis est: ea rei ad hominem ratio, e qua appareat, esse alicui et animum rem sibi habendi, et reliquarum virium modum animo illi accomodatum.“ In diesem animus also liegt, wie Z. selbst gesteht (p. 6.) nichts neues, wohl aber in der andern Hälfte der Definition (p. 10.). Welches ist denn nun das Mass physischer Kraft, das dem animus domini angemessen ist? Der animus domini geht auf willkürliche Behandlung der Sache, mit Ausschliessung aller andern Menschen, also muss darauf auch jener virium modus gehen, also ist dieser nichts anders, als Detention, wie sie sich jedermann denkt, und wie ich sie oben (S. 26.) ausdrücklich erklärt habe. Also liegt das Neue auch nicht in diesem virium modus, sondern lediglich in dem appareat. Besitz also, will Z. sagen, ist das Verhältniss einer Sache zu einem Menschen, welches zu erkennen giebt, dass der Mensch den animus domini habe und auch realisiren könne. Dadurch bekommt das Factum im Besitz eine ganz symbolische Natur, indem es dazu bestimmt ist, etwas zu erklären, auszusprechen (p. 10. 11.). Ich will nichts davon sagen, dass dieses neue Element des Besitzes unzähligen Anwendungen widerspricht: denn eben dieses Element ist noch so unbestimmt, dass eine directe Widerlegung äusserst misslich, ja fast unmöglich ist. Aber die Art, wie es Z. begründet, lässt sich aus sich selbst widerlegen. Er will nämlich zeigen, dass bei dem Erwerb und Verlust des Besitzes bisher unbegreifliche Fälle aus jenem Begriff entwickelt werden können. Was den Verlust betrifft, so wird sich unten zeigen, dass Z. aus seinem Begriff gar nichts gefolgert habe, was nicht auch schon aus dem unsrigen folgt. Hier also nur von dem Erwerb. Nun lässt sich jenes Erklären, auf zweierlei Weise denken: erstens so, dass das Erklärte (der virium modus) auch wirklich da ist, zweitens so, dass es nicht da ist, der


(112) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Die Anwendung dieses Begriffs kann nur in solchen Fällen zweifelhaft sein, wenn Jemand ein Recht ausüben will, dessen Verhältniss zum Eigenthum zweifelhaft ist. Dahin gehören folgende Rechte:

1. Bonitarisches Eigenthum (1). Dieses wird in allen Verhältnissen, die nicht dem alten, strengen Civilrecht eigenthümlich sind, dem Eigenthum ganz gleich

Erklärende also nur fälschlich glaubt, es sei da. Im letzten Fall wird gewiss kein Besitz erworben, wenn mir z. B. vor dem Magazin die Schlüssel übergeben werden, um mich in den Besitz von Waaren zu setzen, die darin aufbewahrt sein sollen, die Waaren aber sind nicht darin, so habe ich gewiss nicht den Besitz erworben. Also verhält sich mein Begriff des Besitzes zu dem von Z. so: in dem meinigen ist enthalten: Detention und animus domini, in dem von Z. aber: Detention und animus domini und die oben beschriebene Erklärung, also nur noch etwas mehr als in dem meinigen. Also muss in allen Fällen, in welchen, nach Z., Besitz erworben ist, auch nach mir Besitz erworben sein, aber nicht umgekehrt. Z. also hätte mich durch solche Fälle widerlegen müssen, in welchen ich Besitz behauptete, er aber und das Römische Recht ihn leugneten; da aber seine Fälle gerade von umgekehrter Art sind, so widerspricht er sich selbst. Nur ein Beispiel zur Erläuterung, das Z. selbst zu dem seinigen macht (p. 19.). Wenn in dem Fall der L. 18. §. 2. de poss. zwischen den Thurm und den fundus ein Fluss hineingedacht wird, über welchen man jetzt nicht kommen kann, so ist freilich nach meiner Theorie der Besitz nicht erworben, aber nach der von Z., auch nicht, denn wer wegen des Flusses keine Herrschaft über den fundus ausüben kann, der kann auch nicht im Ernst erklären, dass er dieses könne.

(1) In den zwei ersten Ausgaben habe ich das in bonis und die bonae fidei possessio unter dem gemeinsamen Namen des prätorischen Eigenthums zusammengefasst. Dazu bestimmte mich die Bemerkung, dass in der That zwei Hauptwirkungen beiden Rechtsverhältnissen gemein sind: die Usucapion nämlich und die publiciana actio (diese letzte jedoch nicht allgemein, sondern nur in den Fällen des s. g. derivativen Erwerbs). Dennoch ist es durchaus nöthig, sie strenge von einander zu unterscheiden. Die Stelle, worin sie am unmittelbarsten unterschieden werden, ist Ulpian. XIX. 20. 21. (*)

(*) Vergl. Anhang Num. 32. A. d. H.


(113) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes.

behandelt, so dass die unmittelbare Anwendung unseres Begriffs hier keinen Zweifel haben kann. Auch ist es dabei ganz gleichgültig, ob eine andere Person das blos quiritarische Eigenthum (das nudum jus quiritium) hat oder nicht. – Die bonae fidei possessio kann in dieser Rücksicht gar nicht als ein abgesondertes Rechtsverhältniss aufgeführt werden. Denn der b. f. possessor schrieb sich immer entweder das Römische oder doch das natürliche Eigenthum als ein schon jetzt erworbenes Recht zu; indem er also dieses Recht zu haben glaubte, folglich auch gewiss haben wollte, so lag hierin von selbst der animus domini, so dass zur Begründung einer wahren possessio in diesem Fall die Einführung der publiciana actio nicht nöthig war und nichts beitrug (1).

2. Provinzialgrundstücke, an welchen nämlich nach einem alten Grundsatz des Römischen Rechts kein quiritarisches Eigenthum möglich war, d. h. denen das commercium im strengen Sinn fehlte. Eine Folge dieses den Besitzern fehlenden quiritarischen Eigenthums war die Unmöglichkeit, das Recht daran nach altrömischen Formen, d. h. durch in jure cessio, mancipatio, usucapio zu erwerben. Dass aber in jeder andern Rücksicht die Besitzer dieser Grundstücke als Eigenthümer betrachtet werden konnten, dass also auch hier unser Begriff des animus domini anwendbar war, ist nicht nur aus der Entstehung dieses Rechtsverhältnisses, sondern auch nach verschiedenen Stellen der Alten (2) ganz unzweifelhaft (3).

(1) Diese Ansicht der b. f. poss. ist in der 4. Ausgabe neu hinzugekommen.

(2) Frontinus pag. 35, 17-36, 15. Aggenus Urbicus pag. 4, 6-16. pag. 63, 1-22 der Lachmann’schen Ausgabe der Gromatici veteres. – Theophilus in §. 40. I. de div. rerum.

(3) Das Obereigenthum des Römischen Volks steht dieser Annahme nicht entgegen. Denn wenn dasselbe auch überhaupt etwas mehr war, als eine blosse Hypothese der


(114) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Es war demnach dieses Verhältniss dem bei dem bonitarischen Eigenthum in Rom und Italien sehr ähnlich. Justinian aber hat überhaupt allen Unterschied des quiritarischen und bonitarischen Eigenthums aufgehoben, und als Folge davon auch den Provincialen volles, unbeschränktes Grundeigenthum gestattet (1), durch welche Verbindung denn zugleich die hier angenommene Zusammenstellung der früheren Rechtsverhältnisse bestätigt wird.

3. Servituten, d. h. durch jus civile eingeführte Rechte, welche als abgesonderte Bestandtheile des Eigenthums (jura, jura in re) (2) dem Eigenthum selbst, als der Totalität aller dinglichen Rechte, entgegengesetzt

Juristen, (Zeitschr. für geschichtl. Rwiss. V. 256 fg.), so wurde es doch im Einzelnen nie geltend gemacht, und kam also im Privatverkehr gar nicht in Betracht. So gut also am Provinzialboden Vindicationen galten, was unzweifelhaft ist (Frontinus p. 36 v. 8-15 Lachmann), so gut musste an ihnen auch ein animus domini möglich sein, und deshalb ein wahrer Besitz. Ganz ähnliche Gründe erklären es auch, warum eben so an dem ager publicus in Italien eine wahre possessio angenommen werden konnte. Denn obgleich hier das Eigenthum des populus weit mehr Realität hatte, indem die Domäne stets eingezogen werden konnte, so geschah dieses doch nur durch Volksschlüsse, also auf publicistischem Wege, und für das privatrechtliche Verhältniss zu anderen Einzelnen war der animus domini so gut möglich, als an dem Boden den Einer ex jure quiritium hatte. (Zus. der 6. Ausg.) (*)

(*) Vergl. Anhang Num. 33. A. d. H.

(1) tit. Cod. de usucap. transformanda.

(2) Dass dieses und nichts anderes unter jus in re von den Römern verstanden wird, das dominium also keineswegs darunter enthalten, sondern ihm sogar entgegengesetzt ist, hat vollständig bewiesen: Waechtler de jure in re Viteb. 1682. 12. (auch in: Thomasii diss. Lipsiens., Lips. et Hal. 1696. 4. p. 235). Dieselbe Meinung hat schon früher Huber animadv. ad jus in re Franek. 1675. 12. (auch in den digress. Lib. 4. C. 10 und in Feltmannorum opp. Arnhem. 1764. f. T. 2. p. 257), dieser aber mit einer Ausdehnung, wodurch wieder alle Bestimmtheit des Begriffs aufgehoben wird: auch der Commodatar nämlich soll jus in re


(115) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes.

werden. Schon aus diesem Gegensatz, ohne welchen der Begriff der Servituten durchaus nicht bestimmt werden kann, ist es klar, dass, wer eine Servitut ausüben will, nicht zugleich den animus domini haben könne. Auch giebt es nur einen Fall, in welchem man sich versucht fühlen könnte, diesen Satz zu bezweifeln, den ususfructus nämlich. Allein das Römische Recht erkennt selbst den Fructuar durchaus nicht als Eigenthümer, und proprietas ist sogar der technische Ausdruck für das nach Abzug des ususfructus übrig bleibende Recht. Bei allen Servituten also ist animus domini unmöglich.

4. Das Recht der superficies ist den Servituten ganz ähnlich, und dass es nicht zu ihnen gerechnet wird, hat blos den historischen Grund, dass dieses Institut nicht durch jus civile, sondern durch das Edict entstanden ist. Es gehört also, wie die Servituten, unter die jura in re, und dass es sich wirklich so verhalte, dass also der Superficiarius nicht etwa die Sache in bonis habe, sagt Gajus ausdrücklich (1). Folglich ist hier animus domini unmöglich, also auch Besitz (2).

5. Ager vectigalis und emphyteusis.

A. Ager vectigalis. Die erste bestimmte Nachricht davon ist aus der Zeit von Trajan oder Hadrian. Hygin (3) nennt so die Grundstücke, welche von dem

haben. Dasselbe behauptet Thibaut (Versuche B. 2. S. 32.). Die einzige Veranlassung dieser Meinung ist L. 2. §. 22. vi bon. rapt., allein die Worte: „vel quod aliud jus“ lassen sich nicht nur eben so gut, sondern viel besser auf „sive usumfructum“ allein beziehen.

(1) L. 2. de superficiebus. „Superficiarias aedes appellamus quae in conducto solo positae sint, quarum proprietas et civili et naturali jure ejus est cujus et solum.“

(2) Der directe Beweis, dass der Superficiarius gar nicht Besitzer der Sache sei, wird unten (§. 23.) bei dem abgeleiteten Besitz geführt werden.

(3) bei Lachmann p. 116, 5-15. In einer andern Stelle sagt er, der Pacht habe bald in Geld, bald in Früchten (gewöhnlich 1/5 oder 1/7


(116) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Römischen Volk, von den Städten, von den Priestercollegien und von den Vestalinnen verpachtet würden: die beiden ersten Arten, sagt er, würden gewöhnlich auf 5 Jahre, oder 100 Jahre, die beiden letzten auf 5 Jahre oder Ein Jahr in Pacht gegeben. – In den Pandekten ist aus leicht begreiflichen Ursachen nur noch von einem dieser 4 Fälle die Rede, von den Gütern der Städte nämlich, und zwar dabei mit einer etwas veränderten Terminologie: vectigales heissen sie nur, wenn sie in Erbpacht gegeben werden, ausserdem non vectigales (1). Aber ganz allgemein, ohne Unterschied dieser beiden Fälle, wird dem Pachter eine Realklage gestattet (2).

B. Emphyteusis. Die erste Spur findet sich in den Pandekten (3). Das Recht selbst wird daselbst nicht angegeben, aber es wird ausdrücklich als jus praedii behandelt und mit dem ususfructus zusammen gestellt.

Im Theodosischen und im Justinianischen Codex kommen die praedia emphyteutica schon sehr oft vor, aber anfangs blos unter den Patrimonialgütern des princeps (4), und mit ausdrücklicher Unterscheidung von ager vectigalis (5).

des Ertrags) bestanden, ib. p. 205, 10. – Eine allgemeine Erwähnung findet sich auch bei Plinius epist. VII. 18. (*)

(*) Vgl. Anhang Nr. 34. A. d. H.

(1) L. 1. pr. si ager vect.

(2) L. 1. §. 1. L. 3. eod. Es ist sehr zweifelhaft, ob auch die übrigen Rechte des ager vectigalis dem Temporalpachter eingeräumt wurden. Den Worten nach scheint es nicht, weil überall blos vom ager vectigalis die Rede ist. Da aber die Realklage für beide Fälle galt, so glaube ich dasselbe auch von den übrigen Rechten, d. h. ich glaube, dass die engere Bedeutung von ager vectigalis nicht die gewöhnliche war, wofür auch die Stelle des Hygin zu beweisen scheint.

(3) L. 3. §. 4. de reb. eorum qui sub tut., cf. §. 5. eod.

(4) I. Gothofred. paratit. Cod. Theod. X. 3.

(5) L. 13. C. de praediis et al. reb. minorum.


(117) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes.

Eine Constitution von Zeno nahm für die Errichtung der Emphyteusis eine eigene Art von Vertrag an (1), was uns hier nicht interessirt. Nur aus den allgemeinen Ausdrücken der Constitution erhellt, dass die Emphyteusis auch bei Privatgütern gewöhnlich geworden war, so wie aus der Interpretation der Constitution in den Institutionen (2), dass man einen Erbpacht darunter denken müsse. Von dem Recht an der Sache ist gar nicht die Rede.

Justinian hat dieses Recht bestimmt: zwar nur beiläufig, aber doch so deutlich, dass kein Zweifel darüber sein kann. Er will, dass die (neue) Emphyteusis ganz die Rechte haben soll, welche der (alte) ager vectigalis gehabt hatte, d. h. dass jetzt bei dem Erbpacht (mag der Verpachter eine Stadt sein oder nicht) dasselbe gelten soll, was vorher bei den (erblichen oder temporären) Pachtungen der Municipialgüter gegolten hatte (3).

Hält man diese Bestimmungen mit dem oben entwickelten Recht des ager vectigalis zusammen, so entsteht nun für beide, jetzt vereinigte Rechtsverhältnisse die Frage: ob sie als eine Art von Eigenthum (etwa wie Provinzialgrundstücke), oder aber als jura in re betrachtet werden sollen, so wie die superficies. Ich halte jetzt diese zweite

(1) L. 1. C. de jure emph.

(2) §. 3. I. de locat.

(3) Inscriptio tit. 3. lib. 6. Digest. „Si ager vectigalis, id est emphyteuticarius, petatur.“ – L. 15. §. 1. qui satisdare cog. „Sed et qui vectigalem, id est emphyteuticum agrum possidet, possessor intelligitur.“ (Offenbar eine Interpolation von Tribonian). Damit ist aber gar nicht gesagt, dass Justinian diese Gleichstellung neu eingeführt habe, vielmehr ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass sie bereits nach Gewohnheitsrecht galt, weil sonst Justinian schwerlich unterlassen haben würde, seine Neuerung in einer eigenen Constitution mit grossem Pomp anzukündigen.


(118) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Meinung für die richtige, denn die Römischen Juristen schreiben ausdrücklich diesem Erbpachter ein jus in fundo oder jus praedii zu (1), und in den Constitutionen wird er stets vom dominus (dem Verpachter nämlich) unterschieden und demselben entgegengesetzt (2).

Nach dem bisher dargestellten Begriff des Besitzes dürfte also auch hier, wie bei der superficies, kein juristischer Besitz angenommen werden. Dennoch ist es hier anders, ein wahrer Besitz ist unleugbar (3), und diese scheinbare Inconsequenz kann erst weiter unten (§. 12 a.) aufgelöst werden (4).

(1) L. 71. §. 5. 6. de leg. I. – L. 3. §. 4. de rebus eorum.

(2) L. 1. 2. 3. C. de jure emph. – L. 2. C. de mancip. et col. In einer andern Stelle zwar (L. 12. C. de fundis patr.) scheint der Erbpachter dominus genannt zu werden; allein in der That spricht diese Stelle von einem Fall, worin der Erbpachter zu seinem bisherigen jus in re das wahre dominium noch dazu erwirbt. Thibaut Abhandlungen S. 274. 281.

(3) L. 25. §. 1. de usuris, s. u. §. 22 a.

(4) Um diese Inconsequenz, deren richtige Auflösung ich nun zu kennen glaube, zu vermeiden, nahm ich in der zweiten Ausgabe die Meinung an, dass der Erbpachter als bonitarischer Eigenthümer anzusehen sei. Ich führte zur Unterstützung an, dass der Erbpachter manche wichtige Rechte vor dem Usufructuar voraus habe: allein aus dieser verschiedenen Ausdehnung beider Rechte folgt noch keinesweges die Ungleichartigkeit derselben. Eben so wenig beweist der Ausdruck der L. 1. pr. de condict. trit. „Quare fundum quoque per hanc actionem petimus, etsi vectigalis sit.“ Eben so gebraucht nämlich L. 12. §. 1. quib. modis pign. vom Pfandgläubiger die Ausdrücke rem persequi und vindicatio rei, obgleich doch niemand leugnen wird, dass das Pfandrecht ein blosses jus in re ist. Bei beiden Rechten scheint dieser Sprachgebrauch sogar einen und denselben Grund zu haben, nämlich die mit diesen Arten von jus in re verknüpfte corporis possessio. Der Ususfructus hat eine solche possessio nicht, und darum wird bei ihm nie von einer rei, sondern nur von einer juris petitio, persecutio, vindicatio gesprochen. – Ueber die juristische Natur der Emphyteuse ist nun vorzüglich zu bemerken: Thibaut Abhandlungen


(119) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes.

6. Das Pfandrecht endlich kann nur deswegen hier genannt werden, weil auch daraus eine Realklage entsteht. Allein ungeachtet dieser Klage kann doch auf keine Weise der Gläubiger als Eigenthümer betrachtet werden, vielmehr erkennt er das fremde Eigenthum nothwendig an. Folglich ist hier animus domini unmöglich, also auch Besitz, in so weit der Begriff desselben bisher entwickelt worden ist.

Nach der bisher gegebenen Bestimmung des Begriffs gilt derjenige als Besitzer, welcher die Detention um seiner selbst willen haben will, aber nicht, wer sie für einen andern ausübt. Im letzten Fall gilt vielmehr (was hier nur vorläufig bemerkt werden kann) derjenige als Besitzer, für welchen das Eigenthum ausgeübt wird. Allein der Besitz wird als Recht betrachtet (§. 5.), und ist insofern einer Veräusserung fähig. Deswegen kann eben in jenem Fall der eigentliche, ursprüngliche Besitzer das Recht des Besitzes auf den übertragen, welcher für ihn das Eigenthum ausübt, also nach den bisherigen Begriffen nicht als Besitzer zu betrachten wäre. Es giebt also ausser dem ursprünglichen Besitz, welcher auf Detention und animus domini beruhet, noch einen abgeleiteten, welcher sich auf den ursprünglichen Besitz einer andern Person gründet. Aller Unterschied dieses abgeleiteten Besitzes von dem ursprünglichen, dessen Begriff bereits erörtert ist, liegt in dem animus possidendi und in der Detention sind beide ganz gleich. Der animus

Num. XI. Der Hauptinhalt dieser Abhandlung aber ist von ihm schon früher mitgetheilt worden: Hallische A. L. Z. Ergänzungsblätter 1806. B. 2. Num. 144. S. 530. – (Zusatz der 7. Ausg.) „§. 9 S. 120-124. (der 6. Ausg. S. 115-118) §. 12 a S 222. (der 6. Ausg.) Possessio des Emphyteuta – s. dagegen eine sehr gründliche und klare Abhandlung von Arndts in Linde’s Zeitschrift (1847). Neue Folge. Bd. 3. H. 3. S. 367-422.“


(120) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

possidendi nämlich, welcher bei dem ursprünglichen Besitz als animus domini gedacht werden musste, geht bei dem abgeleiteten auf das von dem bisherigen Besitzer übertragene jus possessionis (1). So hat z. B. der creditor den juristischen Besitz des Pfandes, obgleich er kein Eigenthum ausüben will, denn der Schuldner, der den vollen Besitz der Sache hatte, hat ihm mit der Detention zugleich das jus possessionis übertragen (2).

Der abgeleitete Besitz aber darf durchaus nicht so verstanden werden, als ob er in jedem Fall gelten könnte, in welchem ihn ein wirklicher Besitzer gelten lassen will: denn da in demselben eine Abweichung von dem ursprünglichen Begriff des Besitzes liegt, so kann er nur

(1) Es ist wohl zu bemerken, dass das charakteristische des abgeleiteten Besitzes blos auf den animus possidendi geht, d. h. blos auf Bestimmungen des Bewusstseins der Person, welche diesen Besitz haben will. Es kommt also nur darauf an, dass diese Person den Besitz als von einem andern Besitzer übertragen betrachte: ob das Verhältniss, woraus er entstehen soll, rechtsgültig ist oder nicht, kann dabei gleichgültig sein, so dass z. B. auch die an sich ungültige Verpfändung einer fremden Sache dem Pfandgläubiger die wahre possessio der Sache verschafft. Folglich ist auch hier nicht von einer Succession in den Besitz die Rede (s. o. S. 44. 45.). In allen Fällen dagegen, wo eine solche Succession wirklich statt findet (wie z. B. bei der accessio possessionis in der Usucapion) wird nicht auf das blosse Bewusstsein des Besitzers, sondern auf das wirkliche Dasein des juristischen Verhältnisses zwischen ihm und dem vorigen Besitzer gesehen.

(2) Das Folgenreiche dieser Ansicht liegt also darin, dass durch gewisse Rechtsverhältnisse derjenige, der einen anderen als den domini animus hat, dennoch wahrer Besitzer ist, und umgekehrt derjenige, der diesen domini animus wirklich hat, also eigentlich Besitzer sein müsste, dennoch den Besitz entbehrt. Dieses Letzte müssen auch meine am Ende des §. angeführte Gegner anerkennen, indem auch sie Gewicht darauf legen, dass z. B. bei dem Precarium der vorige Besitzer den Besitz freiwillig aufgebe. Darin liegt also, dass ohne diesen Akt der Willkür, folglich nach der reinen Natur des Verhältnisses, der Besitz bei ihm bleiben würde.


(121) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes.

da angenommen werden, wo ihn das positive Recht ausdrücklich geltend machen will (1). Demnach ist dieser Begriff hier noch als ein blos formaler Begriff zu betrachten, welcher nur dadurch Realität erhalten kann, dass sich bestimmte Fälle nachweisen lassen, in welchen er anerkannt ist. In welchen Fällen aber ein abgeleiteter Besitz anzunehmen ist, d. h. in welchen Fällen angenommen werden muss, dass mit der Detention auch das jus possessionis übertragen sei, das wird bei dem Erwerb des Besitzes (Abschn. 2.) vollständig bestimmt werden. Nun ist also der allgemeinste Ausdruck für den materiellen Begriff des Besitzes dieser: es ist Detention, verbunden mit animus possidendi, und dieses Wort muss verschieden erklärt werden, je nachdem von einem ursprünglichen oder abgeleiteten Besitz die Rede ist: dort bezeichnet es den animus domini, hier die Absicht, das jus possessionis zu haben, was bisher einem Andern zukam (2). – Diese Eintheilung des Besitzes übrigens ist ja nicht so zu nehmen, als ob verschiedene Rechte des Besitzes dadurch bestimmt werden sollten: die Rechte sind völlig dieselben und nur die Art des Erwerbs ist verschieden. Darum kann es ihr auch nicht zum Vorwurf gereichen, dass die Römischen Juristen keinen Namen dafür haben: die Begriffe selbst liegen ohne Zweifel im Römischen Recht (3).

(1) Im Widerspruch damit wird neuerlich von Mehreren behauptet, das Besitzrecht könne willkürlich auch an jeden Pachter übertragen werden. Thibaut Archiv B. 18. S. 322. und Pandekten §. 208 der 8. Ausg. Vgl. auch unten §. 23 bei dem Pachtcontract. (Zus. der 6. Ausg.)

(2) So erklärt, ist es sehr gleichgültig, ob man sage, es sei animus possidendi, oder sibi possidendi, oder sibi habendi, was zum Wesen des Besitzes gehört. Diese Ausdrücke haben die Meisten viel zu sehr beschäftigt, als dass sie die Begriffe selbst hätten entwickeln können.

(3) Zachariä leugnet den abgeleiteten Besitz ganz ab (de poss.


(122) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Jetzt wird es möglich sein, die verschiedenen Begriffe von possessio, die in der Theorie des Besitzes von Bedeutung sind, (§. 7.), in einer Tabelle übersehen zu lassen, und zugleich die Anwendungen vorläufig anzudeuten, die in der Folge davon gemacht werden sollen.

p. 6-9.) und sucht die Fälle, in welchen ich ihn annehme, auf andere Weise zu erklären: den Besitz des Pfandgläubigers durch Juris quasi possessio, den des Sequesters durch eine ficta possessio, ohne dass irgend ein animus possidendi vorhanden wäre, endlich die precaria possessio durch wahren animus domini, ganz wie bei einem revocablen Eigenthum. Das erste und dritte ist so handgreiflich falsch, dass es sich gar nicht der Mühe verlohnt, es ausführlich zu widerlegen. Das erste: denn die römischen Juristen sagen in so vielen Stellen von dem Creditor: possidet, possessionem habet etc. (s. besonders L. 35. §. 1. de pign. act.), und dieselben Juristen bemerken sehr sorgfältig bei dem Fructuar: in possessione est, non possidet. Das dritte: denn was hat denn der precario rogans nur z. B. vor dem Conductor voraus, wodurch bei jenem ein animus domini erklärbar wäre, den dieser unleugbar nicht haben kann? doch nicht gar die juristische possessio? diese ist ja eben das, was erst begreiflich gemacht werden soll. Also ist nur die Erklärung des zweiten Falls einiger Aufmerksamkeit werth. Wir wollen nun annehmen, Z. hätte alle drei Fälle so erklärt, d. h. er hätte in allen den abgeleiteten Besitz geleugnet, und ficta possessio (ohne allen animus) angenommen. Nun kann es mit dieser Entbehrlichkeit des animus doch nicht so strenge genommen sein, denn wer von der Apprehension nichts weiss, oder gar ein Rasender, ein Kind etc. wird doch auch hier nicht Besitz erwerben sollen. Also wird es doch auch wieder auf animus possidendi ankommen, nur verschieden von animus domini. Dann aber ist es genau dasselbe, was ich abgeleiteten Besitz nenne. Denn dass dieser eine Abweichung vom ursprünglichen, reinen Begriff des Besitzes (also eine Fiction) enthalte, und dass er deswegen nur da gelten könne, wo ihn das positive Recht ausdrücklich anerkennt, habe ich schon in der ersten Ausgabe (S. 216) gesagt und hier noch deutlicher wiederholt (*).

(*) Vergl. Anhang Num. 35. A. d. H.


(123) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes.

Possessio (im nicht-juristischen Sinn).

Possessio civilis.

Besitz einer usucapionfähigen (nicht gestohlenen etc.) Sache, mit bona fides und justa causa (1).

Possessio (ad interdicta).

Possessio (im nicht-juristischen Sinn).

Possessio naturalis.

Aller abgeleitete Besitz, und zwar ist das bei dem Pfand und der Emphyteuse immer der Fall, bei depositum und precarium zuweilen (s. Abschn. 2.)

Aller ursprüngliche Besitz mit Detention und animus, aber ohne bona fides, oder ohne justa causa, oder an einer gestohlenen etc. Sache (s. Abschn. 2.)

Detention eines Rechtlosen, oder an einer res extra commercium (s. unten in diesem §.)

eines Rasenden oder eines Kindes (Abschn. 2.).

an einer Sache, die ein Anderer noch besitzt (§. 11.).

dessen, der blos eines Andern Besitz auszuüben den Auftrag hat (Abschn. 2.).

des Pachters, Commodatars, Fructuars etc. (Abschn. 2.).

des missus in possessionem, ausser wo ein secundum decretum vorkommt (Abschn. 2.).

bei dem depositum und precarium zuweilen (Abschn. 2.)

Possessio naturalis (esse in possessione, tenere, corporaliter possidere, non possidere).

(1) Alle diese Bestimmungen passen auch auf den Eigenthümer selbst, der die Usucapion gar nicht nöthig hat: ist seine possessio auch civilis? sie ist es in dem Sinn, dass sie alle Bestimmungen hat, die zu der possessio civilis nöthig sind, sie ist es nicht, indem sich kein Fall denken lässt, in welchem der Eigenthümer dabei interessirt wäre, eine civilis possessio zu haben. Also die juristische possessio, d. h.


(124) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Aus dem Begriff des Besitzes, der jetzt vollständig dargestellt ist, folgt unmittelbar, dass theils gewisse Sachen in keinem Besitz sein, theils auch gewisse Menschen keinen Besitz haben können: diese Fälle, die weder ein grosses practisches Interesse haben, noch über die Natur des Besitzes neuen Aufschluss geben können, sollen hier noch kurz angegeben werden (1).

Gegenstand des Besitzes kann alles das nicht sein, was nicht in commercio ist, und wovon wir dieses wissen. Denn nun ist der animus domini nicht blos unrechtlich, was er auch bei fremden Sachen ist, die wir dennoch wissentlich im Besitz haben können: sondern alle Beziehung auf Usucapion und Interdicte, die ausserdem ein Recht des Besitzes, unabhängig vom Eigenthum, produzirt, fällt hier weg.

den Interdictenbesitz, hat er auf jeden Fall, auch ist sein Besitz auf keine Weise schlechter als der des Usucapionsbesitzers. – Zasius (in L. 3. §. ex pluribus. de poss. p. m. 105), und nach ihm mehrere Juristen, nennen des Eigenthümers Besitz possessio causalis (wie ususfructus causalis): der Ausdruck ist ganz passend, nur hüte man sich, ein jus possessionis dabei zu denken, was von irgend einem andern verschieden wäre. Practisch ist gar kein Unterschied. – (Zusatz der 6. Ausg.) Eben so gehört unter die civilis possessio auch der Besitz eines Provinzialgrundstücks, wenngleich darauf nur die longi temporis praescriptio, nicht die Usucapion, gegründet werden kann; denn hier beruht die Unmöglichkeit der Usucapion nicht auf einem besondern Verbot für diese, sondern auf dem fehlenden commercium überhaupt. S. o. §. 2. 7. S. 29. 30. 72. Daher thut mir Thibaut Unrecht, wenn er sagt, nach meiner Meinung fehle neben dem wahren Eigenthum und neben der l. t. praescr. die civilis possessio, weil in beiden Fällen die Usucapion nicht vorkomme. (Archiv XVIII. 330. 332. 341.)

(1) Sie gehören hierher, und nicht zum Erwerb des Besitzes, wo sie gewöhnlich abgehandelt werden, denn es ist etwas ganz anderes, den Besitz nicht erwerben, oder nicht haben können. Ein Rasender ist blos des Erwerbs unfähig, ein Sclave des Besitzes selbst, darum wird der Besitz verloren, wenn der Besitzer die Freiheit, aber nicht, wenn er den Verstand verliert.


(125) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes.

Darum konnte bei den Römern erstens kein freier Mensch besessen werden, wenn der Andere wusste, dass er frei sei (1): dagegen war dieser Besitz möglich, wenn man den Freien für einen Sclaven hielt (2). Durch Freilassung wurde folglich der Besitz nothwendig verloren (3).

Zweitens sind alle res publicae und communes auf gleiche Weise von dem Besitz ausgeschlossen: es ist unmöglich, den Besitz einer solchen Sache zu erwerben, und jeder Besitz wird verloren, wenn die Sache in ein solches Verhältniss kommt. So hört der Besitz eines Grundstücks auf, wenn es vom Meer oder von einem Flusse nicht etwa blos überschwemmt, sondern bleibend occupirt wird (4).

Drittens war Besitz unmöglich, wenn die Sache als res sacra oder religiosa dem Privateigenthum entzogen war, welcher Fall ausdrücklich mit dem Besitz eines freien Menschen verglichen wird: auch hier kam es also darauf an, ob der, welcher die Detention hatte, dieses juristische Verhältniss der Sache kannte, nicht ob er es respectiren wollte (5).

Wie diese Sachen nicht besessen werden können,

(1) „Item quaero, si vinxero liberum hominem, ita ut eum possideam: an omnia quae is possidebat, ego possideam per illum? Respondit, si vinxeris hominem liberum, eum te possidere non puto ... “ L. 23. §. 2. de poss.

(2) §. 4. I. per quas personas. – L. 1. §. 6. de poss. Die malae fidei possessio also, von welcher da die Rede ist, geht auf den Fall, wenn man glaubt, es sei ein fremder Sclave, nicht wenn man weiss, dass er frei ist.

(3) L. 30. §. 4. L. 38. pr. de poss.

(4) „Labeo et Nerva responderunt, desinere me possidere eum locum, quem flumen aut mare occupaverit.“ L. 3. §. 17. de poss., add. et L. 30. §. 3. eod.

(5) „Locum religiosum aut sacrum non possumus possidere, etsi contemnamus religionem, et pro privato eum teneamus: sicut hominem liberum.“ L. 30. §. 1. de poss. (*)

(*) Vgl. Anhang Num. 36. A. d. H.


(126) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

weil sie überhaupt nicht im Eigenthum sind, so sind auch die Menschen des Besitzes unfähig, welche kein Eigenthum haben können: doch ist hier das Eigenthum nicht in dem strengen Sinn des Römischen Civilrechts (für justum dominium) zu nehmen, denn auch wer die Civität nicht hatte, konnte ohne Zweifel das Recht des Besitzes geniessen. Es gehören also hierher alle die, welche im Privatrecht als rechtlos betrachtet werden, also Kinder in väterlicher Gewalt und Sclaven.

1. Wer in väterlicher Gewalt ist (filiusfamilias), kann nicht Besitzer sein (1).

Dieser Satz gründet sich offenbar auf die allgemeinere Regel, dass der Sohn überhaupt kein Vermögensrecht haben könne: eben deshalb konnte er bei dem castrense peculium (und eben so bei dem quasi castrense) nicht gelten (2). Da aber durch die neuern Peculien das, was bei diesem als Ausnahme galt, Regel geworden ist, so ist nun jeder filiusfamilias des Besitzes fähig, ja wenn der Vater an dem sogenannten peculium adventitium wie gewöhnlich den ususfructus hat, so ist der Sohn der wahre Besitzer, und der Vater besitzt, wie jeder fructuarius (Abschn. 2.), im Namen des Sohnes (3). An dem s. g. peculium profectitium hat freilich noch jetzt der Sohn weder Eigenthum noch Besitz: aber da bei jedem Verwalter eines fremden Vermögens dasselbe gilt, so

(1) L. 49. §. 1. L. 30. §. 3. de poss. – L. 93. de R. I. – Wenn der Vater in der Gefangenschaft ist, so ist der Besitz des Sohnes in pendenti (L. 44. §. 7. de usurp.) und das ist ganz der Analogie gemäss: aber etwas besonderes scheint es zu sein, dass der paterfamilias, der sich für einen filiusfamilias hält, dennoch besitzen kann. (L. 44. §. 4. eod.)

(2) „Filiusfamilias ... in castris adquisitum usucapiet.“ L. 4. §. 1. de usurp.

(3) Glossa in L. 49. §. 1. de poss., wo diese Bestimmung genau und richtig angegeben ist.


(127) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes.

lässt sich eine persönliche Unfähigkeit des filiusfamilias zum Besitz auf keine Weise mehr behaupten.

2. Sclaven sind eben so des juristischen Besitzes unfähig (1), und das ist sehr natürlich, da sie überhaupt keine Rechte haben. Auffallender ist es, dass selbst freie Menschen, wenn sie von Andern als Sclaven besessen werden, keinen Besitz haben können (2). Eigenthum kann in diesem Zustand nicht nur erhalten, sondern sogar erworben werden (3), und es zeigt sich also hier ein merkwürdiger Unterschied zwischen dem Erwerb des Eigenthums und des Besitzes (4). Der Grund dieses Unterschieds liegt darin: um Eigenthum haben zu können, ist die blosse Existenz der juristischen Eigenschaften hinreichend, welche in der Person des Eigenthümers vorausgesetzt werden, selbst wenn Niemand darum weiss, aber Ausübung des Eigenthums, als eines Rechts, setzt einen Zustand voraus, in welchem freie Handlungen möglich sind. Darum ist der Freie, der als Sclave besessen wird, in Beziehung auf Eigenthum von jedem Freien überhaupt, in Beziehung auf den Besitz aber von jedem Sclaven gar nicht unterschieden.

(1) L. 49. §. 1. L. 30. §. 3. de poss. – L. 24. eod.

(2) „ ... cum possideatur, possidere non videtur.“ L. 118. de R. I. cf. L. 1. §. 6. de poss.

(3) Ulpianus in fragm. tit. 19. §. 21. – §. 4. 1. per quas pers. – L. 19. L. 23. §. 2. L. 54. §. 4. de adquir. rer. dom.

(4) Deswegen kann man selbst in den Fällen „ubi per possessionem dominium quaeritur“ nicht allgemein schliessen, dass Besitz vorhanden sei, wenn Eigenthum erworben ist, und deshalb ist selbst da der Erwerb des Eigenthums und des Besitzes nur in der Form der erwerbenden Handlung völlig gleich (s. o. §. 3. num. 1.). Wenk de traditione etc. pag. 21. hat diesen sehr natürlichen Unterschied zwischen der persönlichen Fähigkeit des Erwerbers und der Form des Erwerbs übersehen, und mir darum eine Inconsequenz Schuld gegeben, die in der That nicht vorhanden ist.


(128) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

3. Dasselbe Verhältniss, wie bei dem eigentlichen Sclaven, findet sich bei Kriegsgefangenen (1), so wie bei denen, die als Folge einer öffentlichen Strafe ihre Freiheit verloren (z. B. durch damnatio in metallum). Beide waren ihrem persönlichen Zustand nach Sclaven, obgleich sie keinen Herrn hatten. Alle diese Verhältnisse sind uns völlig fremd.

(Zusatz der 6. Ausgabe.) Die in diesem §. vorgetragenen Lehren von dem animus domini als regelmässiger Bedingung des Besitzes, und von dem abgeleiteten Besitz, haben neuerlich vielfachen Widerspruch erfahren. Um mich darüber kürzer und deutlicher erklären zu können, will ich einige Betrachtungen vorausschicken, die nicht sowohl dazu bestimmt sind, meine Meinung zu vertheidigen, als vielmehr die hier vorkommenden Fragen und den Sitz der Schwierigkeiten genauer anzugeben.

In Beziehung auf die der Detention zum Grunde liegende Absicht lassen sich zunächst folgende vier Klassen von Personen unterscheiden.

1. Der wirkliche und der vermeintliche Eigenthümer, ferner der Dieb und der, welcher durch Dejection die Detention eines Grundstücks erlangt hat.

2. Der, welcher die Detention auf ein jus in re gründet. Als Repräsentanten dieser Klasse will ich der Kürze wegen stets den Fructuar nennen.

(1) L. 19. ex quib. causis maj. – L. 23 §. 1. de poss. – L. 15. pr. de usurp. – Auch gilt hier natürlich weder postliminium, noch die fictio Legis Corneliae. – Inwiefern juristische Repräsentation in diesem allen eine Aenderung bewirken könne, wird im 2. Abschnitt vorkommen.


(129) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes (Zus. der 6. Ausg.).

3. Der, welcher die Detention aus einem contractlichen Verhältniss, aber um seines eigenen Vortheils willen, hat. Als Repräsentant der Klasse soll der Miether dienen.

4. Der, welcher blos in fremdem Dienste den Besitz verwaltet. Wir wollen ihn den Procurator nennen.

Der Fall der ersten Klasse ist unbedenklich. Denn in diesem Fall ist der wahre animus domini vorhanden, und so sehr auch neuerlich die Nothwendigkeit desselben zum Besitz bestritten worden ist, so hat doch Niemand dessen Zulänglichkeit bezweifelt. Auch nach den Quellen ist hier gewiss stets Besitz anzunehmen.

Eben so wenig Schwierigkeit macht der vierte Fall. Nach den Quellen ist gewiss kein Besitz anzunehmen, auch ist dazu kein Bedürfniss vorhanden, indem der Procurator gar keinen eigenen Zweck zu vertheidigen hat, also im wahren Sinn des Worts alieno nomine, d. h. für fremde Zwecke, besitzt. Es bleiben also noch die Fälle der zwei mittleren Klassen übrig, welche darin übereinkommen, dass der Inhaber der Detention seinen eigenen Zweck verfolgt.

Bei dem Fructuar nun (zweite Klasse) ist in den Rechtsquellen kein Zweifel. Den Sachbesitz hat ausschliessend der Eigenthümer, und dafür ist der Fructuar nur wie ein Verwalter anzusehen. Dagegen hat der Fructuar eine besondere quasipossessio, gleichfalls durch Interdicte geschützt. Die Interdicte beider Theile verhalten sich zu einander, wie ihre in rem actiones. Der Interdictenschutz des Fructuars gründet sich auf ein praktisches Bedürfniss. Denn es kann geschehen, dass der Fructuar ausser Stand ist, den Schutz des Eigenthümers contractlich anzurufen, theils weil der Ususfructus durch longa possessio entstanden sein kann, theils weil vielleicht das Eigenthum durch Veräusserung oder Usucapion


(130) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

in andere Hände gekommen ist, wodurch aber das Recht des Fructuars nicht vermindert werden kann. Der Fructuar würde nun gegen Gewalt als solche ganz schutzlos sein, wenn man ihm nicht eigene Interdicte gestattete. Durch jene Behandlung aber ist jedes wirkliche Bedürfniss befriedigt, und doch zugleich der Grundsatz: Duo in solidum possidere non possunt unversehrt erhalten. Nur muss man sich diesen Grundsatz nicht wie ein Product der Willkür denken, welches mit blinder Nothwendigkeit in die Lebensverhältnisse hemmend eingriffe. Er ist vielmehr nur der Ausdruck des richtigen Gefühls, dass durch den gleichartigen Besitz Mehrerer in solidum die Besitzverhältnisse zweckwidrig verwirrt werden müssten, und dass die factische Sicherheit, worauf der ganze Besitzesschutz berechnet ist, dadurch nur gestört werden könnte.

Endlich bei dem Miether (dritte Klasse) sind wiederum die Aussprüche der Quellen ganz klar. Der Vermiether hat stets die possessio mit den Interdicten, der Miether hat sie gewiss nicht, sondern er ist lediglich wie ein Verwalter des fremden Besitzes anzusehen. Die praktische Behandlung unterscheidet sich also von der des vorigen Falls nur durch die Abwesenheit der quasipossessio. Dem Vermiether den Besitz zu entziehen, war hier noch weniger Grund vorhanden, als bei dem Fructuar. Für eine quasipossessio des Miethers fehlt es an einem selbstständigen Rechtsverhältniss, woran diese consequent angeknüpft werden könnte. Hauptsächlich aber ist kein praktisches Bedürfniss einer künstlicheren Behandlung vorhanden, da der Miether stets eine Contractsklage hat, wodurch er den Schutz des Vermiethers in Anspruch nehmen kann. Wenn aber der Vermiether durch Veräusserung oder Usucapion das Eigenthum verliert, so hört ohnehin alles Recht des Miethers in Beziehung auf die gemiethete Sache auf, es ist also auch keine Veranlassung


(131) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes (Zus. der 6. Ausg.).

mehr da, einen Besitz für ihn zu schützen; er hat jetzt überhaupt nur noch eine Contractsklage auf Entschädigung gegen den Vermiether, die ihm aber auch für jedes wirkliche Interesse hinreicht.

Betrachtet man die bisher dargestellten Fälle, welche gar nicht Gegenstand eines Streites sind, in ihrem Zusammenhang, so ist darin eben so viel wissenschaftliche Consequenz als Sinn für das praktische Bedürfniss wahrzunehmen. Alles erkärt sich darin einfach und leicht aus der Voraussetzung des animus domini, und wären überhaupt nur solche Fälle vorhanden, so würde über die ganze Frage schwerlich jemals ein Streit entstanden sein. Auch die Annahme der quasipossessio macht jene Voraussetzung um Nichts zweifelhafter. Bei ihr ist natürlich der animus domini zu denken als der Wille des Besitzers, diesen ususfructus als ihm gehörend auszuüben, also ohne einen in Beziehung auf den ususfructus besser Berechtigten über sich anzuerkennen.

Nun haben wir aber vier einzelne Fälle, die mit der bisher entwickelten Regel nicht übereinstimmen: Erbpacht und Faustpfand immer, Precarium und Sequestration zuweilen (1). Nach jener Regel müsste die possessio in allen diesen Fällen nicht mit der Detention, sondern mit dem Eigenthum verbunden sein; dagegen müsste die Detention in den zwei ersten Fällen durch

(1) Ich sage Vier Fälle, obgleich auch darüber Streit ist; allein durch einen Fall mehr oder weniger wird die Natur der Frage und der Schwierigkeit im Allgemeinen nicht verändert. So will Einer meiner Gegner auch noch dem Superficiar die possessio beilegen (Schröter p. 244), ein Anderer will nicht zugeben, dass der Emphyteuta und der Sequester dieselbe haben (Bartels p. 200. 205), ein Dritter will dem Sequester nicht einmal den Aufenthalt im Gebiet des materiellen Rechts gestatten, sondern verweist ihn ohne Weiteres in den Prozess (Sintenis p. 250). (*)

(*) Vergl. Anhang Num. 37. A. d. H.


(132) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

quasipossessio geschützt sein, in den zwei letzten nicht. So verhält es sich aber in der That nicht: vielmehr findet sich hier die possessio stets mit der Detention vereinigt, und der Eigenthümer hat gar keinen Besitzesschutz. Deshalb habe ich diese Fälle von jeher als Anomalien betrachtet, und mit dem gemeinschaftlichen Namen des abgeleiteten Besitzes bezeichnet. Das Anomalische aber liegt mir nicht blos in dem Dasein des Besitzes, da wo der animus domini fehlt, sondern auch, und viel mehr, in dem Mangel des Besitzes, da wo jener animus wirklich vorhanden ist, nämlich bei dem, der es weiss, dass er unbestritten Eigenthümer ist, und der hier eben so gut durch einen Stellvertreter seine possessio erhalten könnte, wie er es im Fall des Miethvertrages unstreitig thut (1). Ich wählte den Ausdruck des abgeleiteten Besitzes, um eben diese stärkste Abweichung von dem regelmässigen Verhältniss hervorzuheben, welche darin besteht, dass die possessio von dem, welcher sie regelmässig haben müsste, (durch seinen eigenen Willen) hinweggenommen, und einem Andern beigelegt wird. Dieses nannte ich die Uebertragung des Besitzes; ein Ausdruck, der leicht so verstanden werden konnte, als meinte ich damit eine juristische Succession, gegen welches Missverständniss ich jedoch seit der zweiten Ausgabe meines Buchs beständig gewarnt habe (2).

(1) Hierin scheinen mir meine Gegner ganz inconsequent zu verfahren. Denn auch diejenigen, welche den animus domini nicht für nöthig halten zur possessio, erklären ihn doch, da wo er ist, für völlig hinreichend. Hier findet sich nun der animus domini ohne possessio, und doch soll die Behandlung dieser Fälle keine Anomalie sein!

(2) Zweite Ausg. S. 111. in der Note. – Ungeachtet dieser ausdrücklichen Verwahrung scheint dieses Missverständniss von Anderen als Bestandtheil meiner Meinung angesehen zu werden.


(133) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes (Zus. der 6. Ausg.).

Wie sind nun diese Abweichungen von dem regelmässigen Besitzverhältniss zu erklären? Bei dem Pfandgläubiger und dem Sequester höchst einfach aus dem praktischen Zweck beider Rechtsinstitute, welcher es gerade erforderte, dem Eigenthümer die Interdicte zu entziehen. Es war also ganz natürlich, hier die wissenschaftliche Consequenz dem praktischen Bedürfniss nachzusetzen, und wir finden uns durch diese Erklärung völlig befriedigt. Nicht so bei der Emphyteuse und dem Precarium. Bei der Emphyteuse erklärt der grössere Umfang der Rechte in Vergleichung mit den Rechten des Fructuars gar Nichts, denn was kann hier das Mehr oder Weniger bewirken, da ja die Annahme einer quasipossessio auch hier alle Interessen völlig befriedigt hätte? Noch weniger hat ein innerer Erklärungsgrund bei dem Precarium bis jetzt gelingen wollen. Für beide Rechtsinstitute habe ich eine historische Erklärung versucht, der es, wie ich glaube, an innerer Wahrscheinlichkeit nicht fehlt. Wer aber auch diese Wahrscheinlichkeit nicht anerkennt, müsste, wie ich glaube, die Thatsache dieser beiden Anomalien einräumen, und nur auf deren Erklärung verzichten.

Nach diesen allgemeinen Betrachtungen wende ich mich zu der Geschichte des Krieges, welcher auf diesem kleinen Gebiete neuerlich mit vieler Lebhaftigkeit geführt worden ist.

Zuerst hat sich Rosshirt gegen den Namen des abgeleiteten Besitzes erklärt (1). Er glaubt, man müsse jene Vier Fälle als abnorme Zustände anerkennen, für welche eine Generalisirung nicht möglich sei, dabei aber jeden Kunstausdruck vermeiden. Mit ihm streite ich nicht, da er nicht zu meinen Gegnern gehört. Denn

(1) Rosshirt zu der Lehre vom Besitz, Archiv B. 8. Num. I. 1825. pag. 9-11.


(134) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

darüber, dass er einen Ausdruck verwirft, den ich fortwährend für angemessen und zweckmässig halte, will ich kein Wort verlieren (1).

Andere weichen von meiner Ansicht darin wesentlich ab, dass sie die anomalische Natur jener Vier Fälle verwerfen, sie vielmehr als regelmässige darzustellen suchen.

Schröter thut dieses auf die Weise, dass er, übereinstimmend mit mir, den animus domini allgemein für nöthig zum Besitz hält, zugleich aber diesen animus in jenen Vier Fällen, ja sogar noch in einem fünften, bei dem Superficiar, nachzuweisen sucht (2). Bei der Emphyteuse und Superficies geschieht dieses durch eine sehr imposante Aufzählung der Rechte der Inhaber, in Vergleichung mit den beschränkten Nutzungsbefugnissen des Fructuars (p. 237 fg. 244 fg. 255). Aber ich muss wiederum fragen, was vermag hier das Mehr oder Weniger, und wo ist die Grenze? Ferner: aus welchem Grunde wird denn dem wirklichen Eigenthümer, dem doch auch Schröter nicht den animus domini abspricht, alles Besitzrecht entzogen? Endlich: warum wird nicht hier, wie bei dem Ususfructus, das so consequente und praktisch befriedigende Verhältniss der quasipossessio zur Anwendung gebracht? – Eben so wird von dem Pfandgläubiger behauptet, er besitze ganz als wenn er ein Eigenthümer wäre (p. 255 fg.) (3). Allein, wenn man von dem ganz ungewissen und zufälligen Moment der Veräusserung absieht, ist kaum Jemand zu finden, der mit

(1) (Zus. der 7. Ausg.). S. dagegen Rosshirt Archiv XXI. (1838) S. 242. (*)

(*) Vgl. Anhang Num. 38. A. d. H.

(2) Schröter über den abgeleiteten Besitz, Zeitschr. von Linde B. 2. 1829. S. 233-269.

(3) Dieser Theil von Schröter’s Schrift wird stark angegriffen von Sintenis p. 421-435.


(135) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes (Zus. der 6. Ausg.).

einem Eigenthümer weniger Aehnlichkeit hätte als der Pfandgläubiger, er der weder die Sache gebrauchen, noch ihre Früchte erwerben darf. – Endlich bei dem Precarium wird behauptet, der Eigenthümer habe den animus domini gestattet, bei dem Sequester, der Eigenthümer habe Auftrag gegeben, diesen animus zu hegen (p. 263-269). In Wahrheit heisst das aber doch nichts Anderes, als der Eigenthümer hat sein Besitzrecht einem Anderen übertragen, und es ist gewiss ein sehr gezwungener Ausdruck, dass das Gestatten oder der Auftrag auf ein Wollen gehen sollte, nicht auf Handlungen, worauf es doch allein passt.

In der That stimmen die anderen Schriftsteller darin überein, dass Schröters Zurückführung der Vier Fälle auf einen vorhandenen animus domini ganz misslungen sei, sie leugnen daher die Identität des animus possidendi mit animus domini, und suchen jenen Begriff auf eine umfassendere Weise zu bestimmen, damit er fähig werde, auch die Vier Fälle bequem in sich aufzunehmen.

Dieses geschieht von Warnkönig auf negative Weise, indem er behauptet, den animus possidendi habe ein Jeder, der nur nicht alieno nomine besitzen wolle (1). Allein hinter diesen Ausdruck versteckt sich so viel Zweideutigkeit, dass eine befriedigende Erklärung ganz unmöglich wird. Denn bezieht man das alieno nomine auf den Zweck, so gilt es nur allein von dem Procurator, da schon der Miether den eignen Vortheil sucht. Bezieht man es auf den Mangel eines eignen Rechts an der Sache, so müsste der Fructuar suo nomine besitzen, also die possessio haben. Es bleibt also Nichts übrig, als durch das alieno nomine denjenigen auszuschliessen, der das bessere Recht eines Andern anerkennt,

(1) Warnkönig über die richtige Begriffsbestimmung des animus possidendi, Archiv B. 13. 1830. p. 169-180.


(136) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

was allerdings auch bei dem Fructuar der Fall ist. Dann würden aber wiederum die bekannten Vier Fälle ohne possessio sein. Um sich gegen diesen Einwurf zu schützen, beruft sich W. bei dem Pfand, Precarium und Sequester darauf, dass der Eigenthümer den Besitz aufgeben und übertragen wolle (p. 175-177.). Allein das fällt ja ganz in meine Ansicht, und hat mit dem besonderen Wollen des Inhabers Nichts zu schaffen. Bei der Emphyteuse aber führt er an, dieser wolle doch mehr sein, als ein blosser Colonus (p. 178). Das kann man doch gewiss auch von dem Fructuar sagen! Warnkönig selbst scheint das Unzulängliche seiner Erklärung zu fühlen, indem er zugiebt, der Nichtbesitz des Fructuars erkläre sich schwieriger als der des Colonus (p. 180).

Guyet sagt, der animus possidendi bestehe in der Absicht, irgend ein rechtliches Verhältniss an der Sache auszuüben, was man nur ja nicht auf das Eigenthum beschränken dürfe (1). Daraus wird ohne Mühe die possessio bei dem Pfand und der Emphyteuse bewiesen. Der Besitz des Diebes wird erklärt aus der auf den juristischen Besitz, also ein rechtliches Verhältniss, gerichteten Absicht (Abh. pag. 151. Wenn das nicht ein Zirkel ist, so giebt es keinen). Das rechtliche Verhältniss müsse aber ein unmittelbares sein, weshalb zwar der Emphyteuta besitze, aber nicht der Pächter (Zeitschr. p. 373. 380). Nun glaubt man, es liege in dem jus in re, aber nein, denn auch der Fructuar hat so wenig ein unmittelbares Verhältniss als der Miether (p. 373); bei beiden liegt der Grund ihres Nichtbesitzes in dem Wissen, dass ihr Verhältniss zu der Sache kein rechtliches ist (p. 374). Da nun aber in der That diese Personen in

(1) Guyet über den animus possidendi, Abhandl. Heidelb. 1829. N. 6. pag. 133-160., und: Noch einige Bemerkungen über den animus possidendi, Zeitschr. v. Linde B. 4. 1831. p. 361-381.


(137) §. 9. Materieller Begriff des Besitzes (Zus. der 6. Ausg.).

einem rechtlichen Verhältniss stehen, so kann das, was ihnen negirt wird, offenbar nur ein rechtliches Verhältniss in Beziehung auf den Besitz sein. So besteht denn die ganze Lehre des Verfs. darin: den animus possidendi hat oder entbehrt Jeder, der ein rechtliches Besitz-Verhältniss haben oder nicht haben will; oder mit andern Worten: der animus possidendi ist nichts Anderes als der animus possidendi. Dawider lässt sich in der That nicht streiten. Der Verf. scheint aber doch seiner eigenen Entdeckung nicht recht zu trauen, denn von dem Fructuar behauptet er einmal, dieser könnte doch wohl auch possessio haben, und wenn er sie nicht habe, so geschehe das nur wegen der vergänglichen Natur seines Rechts; im Grunde also sei der Unterschied zwischen ihm und dem Emphyteuta doch nur eine rein positive Bestimmung (p. 375).

Bartels sagt, es komme Alles an, auf den animus rem sibi habendi (1). Der Fructuar wolle nicht rem, sondern jus in re haben, und nur eine partielle Herrschaft über die Sache (p. 181. 200). Dagegen gehe das Pfand auf das Ganze der Sache (p. 198) [aber doch nur in einer höchst beschränkten Beziehung, nämlich nur um sie für einen noch ganz ungewissen Fall verkaufen zu können!]. Besonders weitläufig und mühsam wird ausgeführt, warum bei dem Precarium der wahre animus possidendi möglich sei, nämlich weil die blos factische Natur des Verhältnisses das alieno nomine ausschliesse (p. 179-196). Dagegen erleichtert der Verfasser die Sache ungemein dadurch, dass er dem Emphyteuta und dem Sequester die possessio ganz abspricht (p. 200. 205), aus Gründen, die wohl Niemand überzeugend finden dürfte.

(1) W. Bartels Zweifel gegen die Theorie vom abgeleiteten Besitz, Zeitschrift von Linde Bd. 6. 1833. S. 178-214.


(138) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Sintenis endlich kommt eigentlich, ohne es deutlich zu sagen, wieder auf Rosshirt’s Ansicht zurück (1). Ursprünglich und zunächst, sagt er, komme es allerdings auf den animus domini an. Daneben aber gebe es doch auch einige Fälle der wahren possessio, wobei kein animus domini, sondern nur sibi habendi, wahrgenommen werde. Dabei finde sich stets ein Zweck im eigenen Interesse des Besitzers (p. 248-251). Der Verf. scheint aber, eben so wie Rosshirt, diese Fälle als einzeln stehende Anomalien zu betrachten, da ausserdem nicht abzusehen wäre, warum nicht der Fructuar und der Miether eben so behandelt werden sollten, denen es doch auch an einem Zweck im eigenen Interesse gewiss nicht fehlt. In der That erklärt er auch die Natur des Pfandbesitzes, wie es recht ist, aus den eigenthümlichen Zwecken und Bedürfnissen dieses besonderen Geschäfts, folglich als eine praktisch begründete Anomalie (p. 414-418). Und so läuft am Ende auch hier Alles auf eine entschiedene Protestation gegen die Benennung des abgeleiteten Besitzes hinaus (p. 225. 251), die denn auf sich beruhen mag.

In allen diesen neueren Schriften ist also viele Mühe ohne Resultat, ja eigentlich ohne ein erhebliches Ziel, aufgewendet worden. In diesem Streite hat Thibaut meine Vertheidigung übernommen (2). Er meint, aus Liebe zum Absoluten und Einfachen hätten Einige einen animus domini herauskünsteln wollen, wo er nicht ist, Andere dagegen den animus tenendi breiter gemacht, um die abgeleitete possessio mit in den Grundbegriff bringen zu können, wodurch aber am Ende jeder animus, auch des Pachters und Miethers, mit umfasst werde (*).

(1) Sintenis Beiträge zu der Lehre vom juristischen Besitz, Zeitschrift von Linde Bd. 7. 1834. S. 223-273. 414-436.

(2) Archiv B. 18. S. 327.

(*) Vgl. Anhang Num. 39. A. d. H.


(139) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs.

§. 10.

Nachdem der Begriff des Besitzes selbst von allen Seiten bestimmt worden ist, bleibt nur noch die historische Frage zu beantworten übrig: wie die neueren Juristen diesen Begriff bestimmt haben.

Die Definitionen des Besitzes überhaupt, die sich in grosser Anzahl finden und worüber sehr viel gestritten worden ist, sind völlig unbedeutend (1): aller Streit dreht sich dabei um den Ausdruck, nicht der Römischen Juristen, sondern dieser Definitionen selbst.

Der entscheidende Punct, hier wie bei den Römischen Juristen, ist die Bestimmung von naturalis und civilis possessio, und darüber sollen jetzt die bedeutendsten Meinungen dargestellt werden. Eine besondere Widerlegung wird nur selten nöthig sein, da fast überall nur Meinungen, ohne alle exegetische Deduction, anzutreffen sind, zu einer allgemeinen Kritik blosser Meinungen aber schon die eigene Darstellung hinreicht, die oben (§. 7.) gegeben worden ist.

Die älteste Meinung, die wir aus den Schriften ihres Urhebers selbst kennen, ist von Placentin, und diese Meinung ist verständiger und consequenter, als die der meisten Neueren (2). Es giebt nur einen juristischen

(1) Drei der ältesten Definitionen, nämlich eine von Bassian und zwei verschiedene von Azo stehen in der Glosse (in L. 1. pr. de poss.) bei Azo selbst (summa in Cod., tit. de poss. num. 1. et 19.) und bei Odofred (in L. 1. de poss. pag. 52.).

(2) Placentini Summa in Cod. tit. de poss. (pag. 332. 333. ed. Mogunt. 1536. f.) „Possessio distinguitur ita, alia civilis tantum, alia civilis et naturalis ... alia proprie et plene, ut ea quae proficit ad usucapionem, alia improprie et semiplene. – Haec quoque profecto naturalis possessio in jure nostro non recte dicitur absolute possessio, sed est oppositio in adjecto. – Fieri enim potest, ut quis possideat et civiliter et naturaliter, et civiliter solummodo. Ut autem quis possideat tantum naturaliter, legibus subtiliter inspectis,


(140) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Besitz, sagt er, der aber verschiedene Wirkungen haben kann, indem er bald die Usucapion möglich macht (plena) bald nicht (semiplena): zu den Interdicten wird sein Dasein immer erfordert. Die Bestimmungen seines Begriffs sind theils factisch (Detention), theils juristisch (animus); je nachdem nur die ersten, oder nur die zweiten, oder beide zugleich vorhanden sind, heisst er naturalis, civilis, naturalis simul et civilis: allein die blosse naturalis possessio ist, juristisch gesprochen, gar keine possessio, und wird dieser sogar entgegengesetzt, weil in der blossen Detention, ohne animus, kein Besitz im Römischen Recht anerkannt wird; anders bei der civilis possessio, da in vielen Fällen der Besitz solo animo erhalten werden kann. – Diese ganze Ansicht ist ohne Zweifel sehr gründlich, und die Terminologie ist nur um deswillen unrichtig bestimmt, weil die Unterscheidung der possessio naturalis und civilis auf die (juristischen oder nichtjuristischen) materiellen Bestimmungen des Begriffs (vergl. §. 5. und §. 9.) und nicht auf die Wirkungen des Besitzes (§. 7.) bezogen ist. Die Anwendung auf das Einzelne ist weniger gelungen, als die Darstellung der Begriffe selbst. – Azo hat im Ganzen dieselbe Meinung (1), nur dass er keinen Besitz annimmt, der zugleich civilis und naturalis wäre, sondern das Wort civilis allein da gebraucht, wo auf eine blosse Fiction das Dasein des Besitzes sich gründet, (ubi solo

et ad vivum consideratis, (ut reor) esse non potest. – Nam et fur, et praedo, et invasor et naturaliter possidet, et civiliter ... nam et colono interversori datur interdictum unde vi, quod profecto ei non competeret, nisi ... possideret. Civiliter solummodo quis possidet, puta saltus quos nullus alius detinet. – – Quippe possessio nonnisi una est, licet diversis modis habeatur, bonae fidei, malae fidei, juste, injuste, naturaliter, civiliter.“

(1) Summa in Cod. tit. de poss. num. 4. et 15., (fol. 134. 135. ed. 1537. f.) und: lectura in Cod., in L. 10. C. de poss. (p. 569. ed. 1577. f.)


(141) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs.

animo retinetur possessio) (1). Auch ist es bei Azo sichtbarer, dass die L. 10. C. de poss. die wahre Veranlassung dieser Meinung war, indem man den Gegensatz, der in dieser Stelle enthalten ist (2), mit dem des factischen und blos juristischen (fingirten) Besitzes und diesen wiederum mit dem der civilis und naturalis possessio verwechselte. – Diese Meinung scheint lange Zeit hindurch die herrschende gewesen zu sein (3). Noch in Alciat’s und Duaren’s Schriften liegt sie zum Grunde (4), obgleich

(1) Dieselbe Meinung findet sich in einer ungedruckten Glosse des Rogerius zu L. 3. §. 5. de poss. (in einem Mspt. des Dig. novi zu Metz): „Sicuti ergo duo juste vel injuste naturaliter possidere non possunt in solidum, ita non potest esse ut corporaliter in totum unus juste alter injuste possideat. Ex civili autem id est ficta possessione et juste duos et injuste utrumque et unum juste et alterum injuste in solidum possidere continget, velut in re pignorata aut in emphyteosim inve feodum data si vel ambo bona vel uterque mala vel unus mala alter vero bona fide possideat. R.“

(2) Nemo ambigit, possessionis duplicem esse rationem: „aliam, quae jure consistit“ (d. h. possessio civilis, die blos juristisch fingirt wird) „aliam quae corpore“ (possessio naturalis, gegründet auf natürliche Detention.) – Die richtige Erklärung dieser Stelle wird im §. 12. vorkommen.

(3) A. Faber de error. pragm. IV. 9. Menoch. de retinenda poss., remed. 3. num. 18. et 22 seqq. – Bei Menoch wird diese Erklärung nicht sowohl dargestellt und ausgeführt, als stillschweigend vorausgesetzt, und bei den vielen ältern Praktikern, die daselbst citirt werden, verhält es sich wahrscheinlich eben so.

(4) Alciatus in L. 115. de V. S. (opp. T. 2. p. m. 987.) et in L. 1. pr. de poss. (opp. T. 1. p. m. 1197.). – Duarenus in Disp. anniv. lib. 1. cap. 18. (p. 1385. ed. opp. 1584. f.): „Civiliter vero (possidet), qui quamvis rei non insistat, civilis juris interpretatione, eam tenere ac possidere intelligitur.“ Cf. Comm. 1. in tit. de poss. Cap. 1. et 4. (ibid. p. 816. 817. 818.) et Comm. 2. in tit. de poss. ad L. 1. pr. (ibid. p. 820.). Die L. 10. C. de poss. wird hier ausdrücklich angeführt, und ausser derselben auch Theophilus (in §. 5. I. de interdictis), dessen Stelle natürlich nicht die Veranlassung dieser Meinung sein kann, weil er weder gekannt noch gebraucht war, als sie entstand (s. über diese Stelle Ferretus in


(142) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

sie in beiden von der andern Meinung nicht scharf genug unterschieden wird (s. u.). Merillius, der gleichfalls diese Erklärung annimmt, setzt sie mit einer Frage in Verbindung, die weiter unten vorkommen wird (1). – War die Fiction, auf die sich das Dasein des Besitzes gründete, so gross, dass man mit einer blossen civilis possessio nicht auszulangen glaubte, so nannten sie Viele seit Baldus: civilissima (2).

Eben so alt als jene Meinung scheint die andere zu sein, welche den Sinn der Römischen Juristen richtiger angiebt, indem sie die ganze Unterscheidung der possessio civilis et naturalis auf die juristische Wirkung des Besitzes bezieht, unter civilis possessio also die Art des Besitzes versteht, welche vom Römischen Recht (in irgend einer Rücksicht) approbirt, also der naturalis vorgezogen wird. Sie findet sich nämlich bei Bassian (Ioannes), der mit Placentin und Azo zugleich lebte und der Lehrer (dominus) des letzten war.

In dieser Meinung nun stimmen mit den Glossatoren, bei denen sie sich zuerst nachweisen lässt, alle neuere Juristen überein: aber es haben sich in ihr wieder drei Hauptparteien gebildet, die hier genau unterschieden werden müssen.

Die erste dieser drei Parteien, deren Meinung der Wahrheit am nächsten kommt, nennt nur den Besitz, der alle möglichen Wirkungen eines Besitzes überhaupt in sich vereinigt, possessio civilis: also den Besitz des Eigenthümers selbst sowohl als den Usucapionsbesitz. Possessio naturalis dagegen nennt sie den Besitz, dem

L. 10. de poss. (in opp. T. 1. p. 611.). – Dieselbe Erklärung findet sich auch in Davy d’Argente notarum juris select. liber. Paris 1615. 4. fol. 7.

(1) Merillii observ. liber. 2. cap. 31. 32. s. u. §. 11.

(2) Tiraquellus in tract. le mort saisit le vif, P. 1. declar. 7. n. 3.


(143) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs.

etwas fehlt, d. h. bei welchem zwar die Interdicte möglich sind, aber nicht die Usucapion. Von beiden unterscheidet sie die blosse Detention (tenere, esse in possessione etc.), die gar nichts juristisches ist. – Das erste, was an dieser Erklärung zu loben ist, besteht darin, dass sie den Begriff der possessio civilis im allgemeinen (1) richtig bestimmt; ein zweiter und grösserer Vorzug liegt in dem einfachen Begriff der juristischen possessio (§. 7. num. 3.), der hier, im Gegensatz der blossen Detention, eben so richtig gedacht als bezeichnet ist: deswegen sind die Schriften, worin diese Erklärung zum Grunde liegt, sicherer zu gebrauchen, als alle anderen. Der einzige Fehler dieser Erklärung (denn die Fehler der Anwendung gehören nicht hierher) liegt in der unrichtigen Bedeutung, die sie der possessio naturalis giebt. – Folgende Schriftsteller sind hier vorzüglich zu bemerken:

Joannes Bassianus.

Odofredus in L. 3. §. 5. de poss. (fol. 56.) in L. 12. pr. eod. (fol. 58.) et in L. 3. pr. uti possidetis (fol. 101.).

Cuiacius in observ. Lib. 9. Cap. 33. (1569.).

Georg. Obrecht de possessione Cap. 3-5. (p. 524. Disp. collect. Ursell. 1603. 4.).

Scipio Gentilis de donat. inter vir. et uxor. Lib. 2. Cap. 30. (opp. T. 4. p. 297.).

Valentia in illustr. jur. tract., Lib. 1. Tract. 2. Cap. 3.

(1) Aber auch nur im Allgemeinen, denn streng wird darauf nicht gehalten. So z. B. bezieht man häufig die possessio civilis blos auf die justa causa in der Usucapion, und gebraucht folglich das Wort auch da, wo aus andern Gründen, z. B. wegen der mala fides, Usucapion gehindert ist (Bartolus in L. 1. pr. de poss., num. 8.). Diese Unbestimmtheit war eine nothwendige Folge davon, dass man die Bedeutung der possessio civilis aus dem allgemeinen Sprachgebrauch abzuleiten versäumte.


(144) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Ramos in tit. Dig. de poss., P. 1. §. 18. 19. (ap. Meermann. T. 7. p. 82.) (1).

Retes in tit. Dig. de poss. P. 1. C. 2. (ap. Meermann. T. 7. p. 458.).

Pothier Pandectae Iust. Lib. 41. Tit. 2. p. 121. – und: traité de la possession Chap. 1. Art. 2. p. 8-17.

Bassians Meinung kennen wir fast nur aus den untreuen und dürftigen Auszügen des Accurs, in welchen alle vorräthigen Meinungen in der grössten Verwirrung durch einander laufen, obgleich er selbst die des Bassian den übrigen vorzieht: aber die Anwendungen, in denen sie gelegentlich vorkommt, sind hinreichend, eine deutliche Vorstellung davon zu geben (2).

Nur dem wahren Eigenthümer und dem, welcher usucapirt, wird possessio civilis zugeschrieben: der emphyteuta, der fructuarius, der Vasall haben possessio naturalis, und eben so der praedo, der ohne Titel einen fremden Besitz occupirt: der Pachter etc. hat gar keinen Besitz,

(1) Obgleich er indessen hier diese Meinung als seine eigentliche vorträgt, so lenkt er doch §. 21. 22. etwas ein, indem er sagt, man könne den Widersprüchen der Quellen selbst und der Schriftsteller dadurch zu entgehen suchen, dass man ausser dieser possessio naturalis noch eine zweite Art annehme, die blosse Detention nämlich, was denn allerdings die richtige Ansicht ist. Er verdirbt aber und verdunkelt diese wieder durch den Zusatz, dass es sogar noch eine dritte (also von der zweiten verschiedene) gebe, nämlich quatenus ei corpore insistitur, verschieden von der poss. quae animo retinetur. Damit accomodirt er sich also wieder der Ansicht von Placentin und Azo.

(2) Glossa in L. 1. §. 3. de poss.: „Non ergo omnis detentatio est possessio, sed triplex est: nam alia civilis, alia naturalis, in quarum utraque quaerenda duo exiguntur“ (nämlich factum und animus: diese gelten also allein als juristische possessio): „alia detentatio; ut hic: qualem etiam habet colonus.“ – Glossa in L. 3. §. 5. de poss. Diese Stelle enthält alle die Anwendungen, von welchen hier Gebrauch gemacht wird, und führt sie ausdrücklich als Bassian’s Meinungen an.


(145) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs.

sondern blosse Detention. Hieraus erklärt sich der Streit, welchen Bassian mit Placentin und Azo darüber führte (1), ob die possessio civilis und naturalis verschiedene Arten des Besitzes seien, oder ob es nur einen Besitz gebe; das erste musste Bassian behaupten, das letzte Placentin und Azo, weil nur von jenem, nicht aber von diesen die ganze Distinction auf verschiedene Rechte des Besitzes bezogen wurde. – Die fernere Geschichte von Bassian’s Meinung ist sehr merkwürdig. Zuerst hat Bartolus eine ganz unscheinbare Aenderung damit vorgenommen, in der That aber einen sehr grossen Irrthum dadurch herbeigeführt (2). Er hielt es wahrscheinlich für unanständig, dass der blosse praedo ganz dieselbe possessio (naturalis) haben sollte, wie der Vasall und andere rechtliche Leute: deswegen nahm er ausser der possessio civilis und naturalis, noch eine dritte wahre possessio (unterschieden von der blossen Detention) an, die er corporalis nannte, und nur dem praedo zuschrieb. Nun bezog er die possessio civilis auf das Eigenthum, durch dessen justa adquisitionis causa sie begründet werde, die possessio naturalis ganz eben so auf die jura in re, und unterschied von beiden die possessio corporalis, d. h. den Besitz, welchem aller

(1) Glossa in L. 1. pr. de poss.: „ ... non duae sunt (possessiones) sed una secundum Placentinum et Azonem. At Joannes et alii dicunt duas esse ... quod est tutius.“ – Azo in lectura in L. 10. C. de poss.: „Et est hoc notandum, quod quidam dicunt, et dominus meus dixit quandoque, quod diversae sunt possessiones, sc. civilis et naturalis, sed contra est.“ – Odofred. in L. 1. de poss. (f. 52.) et in L. 4. C. de eod. (f. 105. 106.).

(2) Bartolus in Digestum Novum, L. 1. pr. de poss., num. 7-13. – Dass er etwas Neues sagen will, zeigt nicht nur die ausführliche Darstellung, sondern auch die Art, wie er darauf aufmerksam macht: „Adverte ergo ad me. Mihi videtur, quod antiqui et moderni DD. multum deviarunt a mente juris in hac materia.“


(146) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Rechtstitel fehlt. Indem aber bei dieser Eintheilung auf die Existenz und Qualität eines Rechts gesehen wird, was dem Besitz zum Grunde liegt, wird der eigenthümliche Gesichtspunkt für den Besitz selbst mehr verrückt, als durch irgend eine andere Meinung. – Cujacius, der in früheren Schriften die richtigere Ansicht des Bassian vielleicht unter allen am besten dargestellt hatte (s. o. S. 143.), nahm späterhin die Erklärung des Bartolus an, aber mit einem neuen Zusatz, wodurch dieser Irrthum aufs höchste getrieben wurde (1). Er behauptete nämlich, was Bartolus nicht behauptet hatte, die possessio corporalis werde im Römischen Recht gar nicht als ein juristisches Verhältniss, als Bedingung von Rechten, anerkannt. Da es sich aber doch nicht ableugnen lässt, dass auch der praedo die Interdicte hat, so erklärt dieses Cujacius dadurch, dass ein solcher unrechtlicher Besitzer gewöhnlich einen rechtlichen Grund seines Besitzes vorgebe: nicht der Besitz selbst, sondern dieser vorgegebene Rechtsgrund desselben sei der Grund der Interdicte, und ohne dieses Vorgeben seien sie gar nicht begründet. Es ist kaum möglich, eine Ansicht des Besitzes zu finden, welche dem Römischen Recht mehr entgegengesetzt wäre, als diese.

(1) Cuiacii observ. L. 27. C. 7. (1585.). – Ej. notae posteriores in Instit. §. 4. per quas pers. (1585.). – „Est civilis possessio, est naturalis, est corporalis: civilis, naturalis, justa est: corporalis injusta: hanc pupillus sine tutore amittit, non civilem, non naturalem.“ – Ej. recit. in L. 1. pr. de poss. (1588.) in opp. ed. Neap. 1722. T. 8. p. 239: „Civilis est, quae jure vel animo domini possidetur ... Naturalis tantum ea est, quae alio jure apprehensa est, quam domini, veluti jure pignoris, vel jure ususfructus. Eam quae nullo jure impudenter a praedone nullum jus, nullum titulum adfingente et praetexente sibi, possidetur, jus non novit, non spectat. Plerumque praedo omnis et pervasor alienae possessionis sibi fingit titulum aliquem ... At si quis sit, qui nullum sibi titulum adfingat, eius possessionem non spectant.“ – Ej. Scholia s. Comment. in Institutiones, §. 4. per quas pers., in opp. T. 8. p. 960.


(147) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs.

Die zweite Partei nimmt den ganzen Unterschied viel einfacher an, als die erste. Der possessio civilis, die auch possessio schlechthin heisst und durch welche die Usucapion möglich ist, wird hier nichts entgegengesetzt, als die possessio naturalis (esse in possessione, non possidere), welche folglich alle anderen Fälle umfasst, ohne Unterschied, ob sie eine wahre possessio, d. h. das Recht der Interdicte, enthalten oder nicht. – Die possessio civilis ist also auch hier richtig erklärt, aber dass die possessio ad interdicta von der blossen Detention nicht unterschieden wird, ist ein sehr bedeutender Fehler, und eben deswegen fehlt hier der richtige Begriff der juristischen possessio (§. 7. num. 3.) gänzlich. Die bedeutendsten Schriftsteller sind folgende:

Ferretus in L. 1. pr. de poss., num. 11-13. (opp. T. 1. p. 519. 520.) et in L. 12. de poss. num. 31. 32. (ibid. p. 611.).

Brissonius de verb. sign. v. civilis num. 3., v. possessio num. 3. 4., v. justus.

Muretus in epistolis, Lib. 3. ep. 81. (opp. ed. Ruhnken. Vol. 1. p. 643.).

Galvanus de usufructu Cap. 33. §. 10-12. – Hier wird durch neu erfundene Distinctionen die Lücke ausgefüllt, die in der Römischen Terminologie durch diese Erklärung angenommen wird.

Vinnius in select. quaest. Lib. 2. Cap. 36. – Besser als die übrigen Schriften dieser Partei.

Domat, lois civiles, Partie 1, Liv. 3, Tit. 7, préambule.

Westphal über die Arten der Sachen etc. Th. 2. Cap. 2. §. 52-64.

Hofacker in princ. jur. Rom. T. 2. §. 759. 760. – Er erklärt selbst, dass er meist nach Galvanus gearbeitet habe.

Malblanc, princ. jur. Rom., P. 1. §. 191.


(148) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Jetzt ist noch die dritte Partei übrig, welche unter der possessio civilis allen juristischen Besitz überhaupt versteht, er mag die Usucapion oder nur die Interdicte begründen, welchem juristischen Besitz nun die blosse Detention (possessio naturalis, esse in possessione, non possidere) entgegengesetzt wird. Der eigenthümliche Fehler dieser Meinung liegt in der völlig unrichtigen Bestimmung der possessio civilis, und es ist eine nothwendige Folge davon, dass sie den einfachen Begriff des juristischen Besitzes überhaupt, worauf immer das meiste ankommt (s. o. S. 94) und von dessen Voraussetzung sie selbst sogar ausgeht, unmöglich festhalten kann. Denn da über keinen Punkt die Römischen Juristen deutlicher reden, als darüber, dass in gewissen Fällen (besonders bei der Schenkung unter Ehegatten) keine possessio civilis angenommen werden soll, so müssen nun diese Fälle von dem juristischen Besitz überhaupt ausgeschlossen werden, wodurch denn diese Meinung in der Anwendung unrichtiger wird, als alle anderen. Zugleich ist es klar, dass unter den drei dargestellten Modificationen der Erklärung, nach welcher überhaupt die juristische Wirkung die possessio civilis bestimmt, keine so leicht, als diese dritte, in die allererste Erklärung übergehen kann, nach welcher die possessio civilis einen juristisch fingirten Besitz bedeutet (S. 140 f.). Denn es bedarf dazu nur des einfachen Satzes, der aber eben so falsch als praktisch wichtig ist: wo eine possessio civilis unmöglich ist, ist auch die juristische Fiction des Besitzes unmöglich. Deswegen sind bei den ältern Schriftstellern gewöhnlich beide Erklärungen vermischt (S. 142.), ja es ist bei Manchen völlig willkürlich, zu welcher von beiden Parteien man sie rechnen will. Hierher gehören nun besonders folgende Schriftsteller:

Martinus Gosia, dessen Meinung in einer ungedruckten anonymen Glosse zum Titel des Codex de


(149) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs.

possessione enthalten ist (Ms. Paris. 4517): „Duplex ratio possessionis est secundum M., alia pro suo, quae civilis est, alia pro non suo, quae naturalis. Pro suo civilis juris est, quae animo et corpore acquiritur, quandoque suo, quandoque alieno, ut in re peculiari et per quemlibet alium. Retinetur autem quandoque animo solo, quandoque animo et corpore suo aut alieno. Quaecunque corpore retinetur alieno, pro non suo est quantum ad eum qui detinet, quae dicitur naturalis et est facti ut colonaria.“

Zasius in L. 3. §. 5. de poss. (opp. ed. Francof. 1590. T. 3. p. 111).

Vaconius a Vacuna in declarat., L. 2. decl. 68-71. (fol. 63-68. ed. Rom. 1556. 4.). Er vergleicht die possessio civilis der Phantasie, die possessio naturalis den Sinnen, und führt diese Vergleichung mit grosser Geduld durch.

Corasius in tit. de poss. (opp. ed. Forster, Viteb. 1603. f., T. 1. p. 921. 922.).

Contius in disput. Lib. 1. Cap. 9.

Charondas in verisimil. Lib. 1. Cap. 6. (bei Otto B. 1. S. 699.).

Friderus Mindanus de materia possessionis Cap. 1. num. 16-20.

Turaminus de subst. poss. C. 8. (opp. p. 289-299.).

Oroz de apicibus jur. civ. Lib. 4. Cap. 2. §. 8. 9.

Cuperus de natura possessionis. P. 1. Cap. 3. 4. (p. 24-48.).

Fleck in tit. pand. de poss. p. 9-15.

Thibaut über Besitz §. 11. (1).

(1) In den Zusätzen zu seiner Ausgabe des Cuperus hat er diese Meinung aufgegeben. In den civil. Abhandlungen S. 339. 340. scheint er sich aber wieder der früheren Meinung zuzuneigen.


(150) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Aus dieser Uebersicht ergiebt es sich von selbst, dass die Meinung von Cuperus nichts weniger als neu ist, obgleich er selbst sie für neu zu halten scheint: vertheidigt hat er sie mit bessern Gründen und ausführlicher, als diese oder eine andere Meinung vor ihm je vertheidigt worden ist, und er hat sich schon durch diese Erschöpfung eines möglichen Irrthums ein bedeutendes Verdienst erworben; noch wichtiger aber ist seine vortreffliche Erklärung der L. 10. C. de poss., durch welche Erklärung alle Gelegenheit zu einer andern falschen Meinung (s. o. S. 140 f.) völlig aufgehoben worden ist. Nicht nur seine Gründlichkeit, sondern auch der unbedingte Beifall, den seine Ansicht gefunden hat, macht es nöthig, der allgemeinen Widerlegung, die in dem Beweise meiner eignen Meinung enthalten ist, einige besondere Bemerkungen hinzuzufügen. – Um den Gegensatz der possessio civilis und naturalis zu bestimmen, schlägt Cuperus einen Weg ein, der für den Erfolg seiner ganzen Untersuchung entscheidend ist: er geht aus von dem Begriff der possessio naturalis (also von einem negativen Begriff), zeigt, dass darunter der nichtjuristische Besitz verstanden werden müsse, und bestimmt nun die possessio civilis als der possessio naturalis logisch entgegengesetzt, folglich als juristischen Besitz überhaupt. So ist es sehr natürlich, dass ihm das eigenthümliche der possessio civilis, nämlich die Beziehung auf jus civile, entgehen musste, und es ist nur das dabei auffallend, dass Er, bei einer so gründlichen Kenntniss des Römischen Rechts, nicht hinterher an die specielle Bedeutung erinnert wurde, die das jus civile im Römischen Recht hat. Dass er seine Erklärung von possessio civilis nicht noch direct beweist, versteht sich von selbst: er führt nur, gleichsam zur Erinnerung an eine bekannte Sache, zwei andere Anwendungen an (cognatio civilis und bonorum appellatio civilis), die allein schon hinreichend


(151) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs.

sind, seine Erklärung zu widerlegen. Nachdem so der Grund einer falschen Erklärung gelegt ist, kann diese natürlich auch in den bedeutendsten Anwendungen auf keine Weise mit dem Römischen Recht übereinstimmen. Setzen wir nämlich, dass in der That possessio civilis den juristischen Besitz bezeichne, so kann das nichts anders heissen, als: die possessio civilis hat juristische Wirkungen, welche die naturalis nicht hat. Welches sind nun, nach Cuperus, diese Wirkungen? die Usucapion nicht allein, sondern unter andern auch die Interdicte: nun steht aber zufällig von einem Interdict ausdrücklich in den Pandekten, dass es auch ausser der possessio civilis gelte (1), also – sind nur einige Interdicte dem juristischen Besitz eigen, und die Begriffe müssen nun vollständig so bestimmt werden: juristisch (civilis) heisst der Besitz, wenn er entweder die Usucapion, oder doch wenigstens die interdicta uti possidetis et utrubi zur Folge hat, nichtjuristisch (naturalis), wenn er alle jene Wirkungen nicht hat, obgleich er andere Wirkungen, namentlich das interdictum unde vi, allerdings haben kann. Die Unrichtigkeit dieser practischen Unterscheidung unter den verschiedenen Interdicten kann erst unten, bei den Interdicten selbst, bewiesen werden: da aber schlechterdings nicht einzusehen ist, warum das interdictum de vi weniger juristisch sein sollte, als die übrigen Interdicte, so ist schon jetzt offenbar, welche willkürliche, unlogische Bezeichnung ihrer Begriffe den Römischen Juristen durch diese Erklärung zugeschrieben wird: ja es wäre schwer zu begreifen, wie dennoch Cuperus den ersten Theil seiner Schrift mit einem so grossen Lob der Römischen Jurisprudenz beschliessen könnte, wenn nicht dieses Lob zu den Inventarienstücken aller eleganten Schriften gehörte. Endlich

(1) L. 1. §. 9. de vi.


(152) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

ist schon oben bemerkt worden, dass die Interpretation der entscheidenden einzelnen Stellen des Römischen Rechts nach dieser Erklärung durchaus misslingen musste (§. 7. num. 1.), so dass Cuperus, dessen Talent zur Interpretation ausserdem nicht zu verkennen ist, geradezu vorauszusetzen genöthigt war, Paulus habe sich selbst widersprochen (1), da doch nach dieser ganzen Erklärung, bei so höchst einfachen Begriffen, bei welchen gar nicht etwa ein Streit der verschiedenen Schulen vorkam, an einen solchen Widerspruch gar nicht zu denken ist.

Da es nun keiner unter allen diesen Erklärungen gelingen wollte, allgemein anerkannt zu werden, so haben Viele die Wahrheit dadurch am sichersten einzufangen geglaubt, dass sie alle Meinungen zugleich angenommen haben (2). Auf diese Art allein kann man sicher sein, von keinem Leser ganz verworfen zu werden; und um es nicht merken zu lassen, dass es eigentlich entgegengesetzte Meinungen sind, die hier friedlich neben einander wohnen, hat man sie durch allerlei Namen (3) in Verbindung

(1) Nämlich in L. 1. §. 4. de poss. und L. 26. pr. de don. inter vir. et uxorem.

(2) Das ist unter andern in folgenden Schriften der Fall, freilich auf verschiedene Weise: Fachinei controv. L. 8. Cap. 5. Merendae controv. L. 12. Cap. 15. (T. 2. ed. Bruxel. 1745.). Thomasii notae in Digest. (Halae 1713. 4.) lib. 41. tit. 2. (p. 311.). Oppenritter: Summa possessionis P. 1. C. 2. §. 8-24. Glück’s Commentar über die Pandekten Th. 2. §. 180. Spangenberg vom Besitz §. 115-118. Ganz vorzüglich aber Zachariä Besitz und Verjährung S. 6. u. fg. – Schon unter den Glossatoren findet sich eine Spur dieser Erklärungsart, nämlich in einer ungedruckten Glosse des Pillius zu L. 38. §. 7. de verb. oblig. (Ms. Paris num. 4487. a.): „ ... civiliter possidere dicitur multis modis: dicitur enim possidere quis civiliter, id est animo: dicitur possidere civiliter, id est juste: dicitur etiam possidere civiliter, id est de jure civili, et hoc ad personas refertur ut hic ...

(3) z. B. weiteste, weitere, engere und engste Bedeutung, a forma und a modo etc.


(153) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs (Zus. d. 6. Ausg.).

gesetzt, und nun ganz ruhig angenommen, das sei auch die Meinung der Römischen Juristen.

In dieser ganzen Uebersicht habe ich den einzigen Schriftsteller nicht genannt, der die gewöhnlichen Fehler allein vermieden hat. Bei Donellus nämlich findet sich keiner dieser terminologischen Irrthümer, und er kann daher überhaupt zu keiner Partei gerechnet werden. Da er aber den Besitz nur in dem System des ganzen Römischen Rechts abhandelte, so lag es nicht in seinem Plane, seinen Sprachgebrauch aus Gründen abzuleiten und polemisch durchzuführen, wodurch es allein möglich gewesen wäre, ihn deutlich und sicher vor allem Missverständniss hervortreten zu lassen: und da sogar seine deutlich ausgesprochene Ansicht des Besitzes im Zusammenhang des ganzen Systems völlig unbenutzt geblieben ist, so kann es um so weniger auffallen, dass man auch von seiner Terminologie ganz und gar keine Notiz genommen hat.

(Zusatz der 6. Ausgabe.) Seit der fünften Ausgabe meines Werks ist mit grossem Eifer die letzte unter den hier widerlegten Meinungen (die des Cuperus) von Neuem verfochten worden, und zwar ist es damit folgendergestalt ergangen. Schon seit vielen Jahren hatte sich das Gerücht verbreitet, Herr Prof. Erb zu Heidelberg besitze eine neue Erklärung der civilis possessio, wodurch die meinige gänzlich widerlegt werde. Stückweise war diese Entdeckung in mehreren Schriften zu Tage gekommen (1), aber das Ganze war daraus noch nicht zu berechnen. Thibaut hatte sie mehrmals angekündigt, allein in seinem Lehrbuch der Pandekten trug er noch

(1) Gans Scholien zum Gajus S. 267. Johannsen Begriffsbestimmungen aus dem Gebiete des Civilrechts. Heidelberg 1831.


(154) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

in der siebenten Ausgabe meine Ansicht vor (1). In seinen Vorlesungen jedoch bekannte er sich zu der neuen Meinung, und als diese Vorlesungen abgedruckt wurden (2), blieb auch die vollständigere Uebersicht jener Meinung dem Publikum nicht länger entzogen. In der achten Ausgabe der Pandekten trat sie ganz an die Stelle der früheren (3), und endlich wurde sie in einer besonderen Abhandlung ausführlich vorgetragen und vertheidigt (4).

Allein noch zu dieser Zeit, worin blos Bruchstücke der neuen Entdeckung bekannt waren, fand meine Erklärung einen Vertheidiger, dessen Schrift durch ihre grosse Gründlichkeit und Sorgfalt, selbst das Lob unsers gemeinschaftlichen Hauptgegners erworben hat (5).

Die neue Erklärung lautet nun so (6). Civilis possessio heisst eben so viel als possessio schlechthin, oder juristischer Besitz, nämlich dasjenige Verhältniss zu einer Sache, welches uns Anspruch auf den Interdictenschutz giebt. Der Grund dieser Benennung liegt darin, dass auch die Interdicte bürgerliche oder positive Institute sind, folglich dem jus civile angehören. Jedoch muss man nicht glauben, dass gerade alle Interdicte den Civilbesitz voraussetzen, vielmehr gilt dieses nur von den int. retinendae possessionis; denn das int. de vi gilt auch bei dem blossen Naturalbesitz. Man muss also „definirend mithelfen, indem man sagt: possessores im engeren Sinn sind diejenigen Inhaber einer Sache, welche im Ganzen

(1) §. 296. (1828) die Note r. erneuert die Ankündigung der Erklärung von Erb.

(2) Braun Erörterungen in Zusätzen zu Thibaut. Stuttgart 1831. S. 294.

(3) §. 209 (1834).

(4) Thibaut über possessio civilis, Archiv für civ. Praxis B. 18. S. 315-364 (1835).

(5) Thon über civilis und naturalis possessio, Rhein. Museum B. 4. S. 95-141 (1830). Vergl. Thibaut S. 352.

(6) Thibaut S. 331. 332. 337. 362.


(155) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs (Zus. der 6. Ausg.).

alle remedia possessoria haben; wodurch denn für die Naturalbesitzer zum Zweck einer Ausnahme die Thür offen gelassen wird“ (p. 362).

Meine Ansicht mit ihren exegetischen Gründen ist in dem §. 7. niedergelegt, Einiges ist dort schon in den Noten hinzugefügt worden, Anderes findet sich in der ausführlichen Schrift von Thon. Ich weiss hier Nichts hinzu zu thun, was die Erklärung einzelner Stellen betrifft, muss vielmehr die Entscheidung zwischen mir und meinen Gegnern ganz den Lesern überlassen. Nur einige allgemeine Bemerkungen mögen hier noch folgen.

Zuerst ist es mir nicht recht begreiflich, wie diese Erklärung hat für eine Erfindung von Erb ausgegeben werden können, da sie vielmehr mit der von Cuperus im Wesentlichen so übereinstimmt, dass fast Alles, was ich gegen diese schon vor 33 Jahren in dem gegenwärtigen §. vorgebracht habe (S. 150-152.), wörtlich auch auf die vorliegende Erklärung als Widerlegung passt.

Ferner heisst der Interdictenbesitz nach Thibaut nicht etwa zufällig civilis possessio, sondern deswegen, weil die Interdicte dem bürgerlichen oder positiven Rechte angehören (p. 331). Aber ist dann das int. de vi im Geringsten weniger positiv und bürgerlich, als das uti possidetis? Und doch soll jenes auch ohne civilis possessio gelten! Wer sich über diese schreiende Inconsequenz mit der Bemerkung beruhigen mag, dass Regeln Ausnahmen haben können, mit dem will ich nicht streiten.

Das Wichtigste ist übrigens, hier wie bei Cuperus, nicht sowohl die falsche Bestimmung der Terminologie, sondern der damit unzertrennlich verbundene praktische Satz, dass der Miether oder Pächter das int. de vi haben soll. Dafür wird hier p. 361. 362. ein allgemeiner Grund angegeben, den man aber durch folgende Betrachtung weit überzeugender gerade umkehren könnte. Das int. uti


(156) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

possidetis betrifft blosse Störungen, die meist nur das Interesse des Pächters berühren werden, ohne das des Verpächters zu gefährden, der sich daher auch nicht um die Sache bemühen wird: dagegen ist die Dejection so wichtig und setzt so sehr den Pächter auch für die künftige Vindication in Gefahr, dass er nicht ermangeln wird, durch das Interdict sich und den Pächter zu schützen. Daher müsste man das int. uti possidetis dem Pächter gestatten, das int. de vi braucht er nicht, weil dieses auch von dem Verpächter nicht versäumt werden wird. – Doch ein solches allgemeines Räsonnement kann ja nicht ausreichen, da wo es zunächst auf das positive Zeugniss ankommt. In dieser Beziehung will ich hier folgende Stellen zusammensetzen:

L. 9. de rei vind. … apud quem deposita est, vel commodata, vel qui conduxerit … hi omnes non possident.

L. 3. §. 8. uti poss.: Creditores missos … interdicto uti possidetis uti non posse, et merito, quia non possident.

L. 6. §. 2. de prec.: colonus et inquilinus sunt in praedio: et tamen non possident.

L. 1. §. 9. de vi: Dejicitur is qui possidet.

L. 1. §. 23. de vi: Interdictum autem hoc nulli competit, nisi ei, qui tunc, cum dejiceretur, possidebat: nec alius dejici visus est, quam qui possidet.

Diese Fünf Stellen sind von einem und demselben Schriftsteller, von Ulpian. Lässt es sich nun wohl denken, dass derselbe Schriftsteller, der dem creditor missus, dem Pächter und Miether u. s. w., die possessio und deswegen zugleich das int. uti possidetis abspricht, dass derselbe Schriftsteller, der auch das int. de vi ausdrücklich an die Bedingung des possidere knüpft, dennoch geneigt sein sollte, jenen oben Genannten, qui non possident,


(157) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs (Zus. der 6. Ausg.).

das Interdict de vi zu gestatten? – In einer andern Stelle vergleicht derselbe Ulpian die Int. retinendae possessionis mit dem Int. de vi, und bestimmt den Unterschied lediglich dahin, dass jene den gestörten Besitz erhalten, diese den verlornen wiederherstellen sollen. (L. 1. §. 4. uti possid.). Es ist kaum möglich, diese Stelle unbefangen zu lesen und dabei anzunehmen, Ulpian habe sich unter der possessio bei dem Int. uti possidetis einen ganz andern Zustand gedacht, als bei dem Int. unde vi.

Auf die L. 1. Cod. si per vim hat schon Thon p. 140 das ihr gebührende Gewicht gelegt. Thibaut p. 363 erklärt hier den colonus von einem Menschen, dem der Gutsherr ein Häuschen nebst Garten überlassen, daneben aber die Aufsicht auf das ganze Gut übertragen hat. Ob eine solche Interpretation zu gestatten, muss ich wiederum dem Urtheil des Lesers überlassen.

In der Zeit, worin die hier dargestellte neue Entdeckung erst noch in unbestimmter Gestalt hie und da zur Erscheinung kam, wurde derselbe Grundgedanke, jedoch mit nicht geringen Modificationen, in folgender Schrift durchgeführt: Wiederhold das Interdictum uti possidetis und die Novi operis Nunciatio. Hanau 1831. Nach ihm heisst civilis possessio der Besitz mit animus domini, welcher nur bei einer justa causa denkbar ist (wenngleich auch ohne bona fides). Naturalis possessio ist der Besitz mit animus possidendi ohne justa causa, also ohne animus domini; dahin gehören der Pfandgläubiger und der dejector. Von beiden verschieden ist die blosse Detention in fremdem Namen, ohne animus possidendi, wie bei dem Miether. Die civilis possessio giebt Anspruch auf alle Interdicte, und der Kläger muss seine justa causa beweisen. Die naturalis possessio giebt Anspruch auf das Int. de vi, aber nicht auf uti possidetis, die Detention hat gar keine Interdicte (p. 5-14.). Bei dem Precarium und bei dem Sequester findet sich


(158) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Civilbesitz, aber als Singularität, der Pfandgläubiger hat Naturalbesitz, der Emphyteuta gar keinen Besitz (p. 20-26.). Der Grund des Unterschieds in den Bedingungen der beiden Hauptinterdicte wird darin gesetzt, dass das Int. uti possidetis lediglich dazu dienen soll, das Verhältniss zweier Eigenthumsprätendenten zu reguliren, und gar nicht, blosse Störungen abzuwehren (p. 85 f.) –. Es ist gar nicht zu berechnen, wie weit es von der Wahrheit abführen kann, wenn man ohne ernste Kritik einen falschen Grundgedanken zur Basis nimmt und darauf ruhig fortbaut, ohne sich auch im Fortgang der Arbeit durch kritische Prüfung ihrer Resultate stören zu lassen.

Burchardi: Possessio civilis ist weder gleichbedeutend mit possessio ad usucapionem, noch mit possessio ad interdicta. (Archiv für die civil. Praxis B. 20. S. 14-53. Heidelberg 1837.) (1)

Schon der Titel deutet die Meinung des Verfs. bestimmt genug an. Der Begriff der possessio civilis (sagt er) wird von Savigny zu eng angegeben, da auch mancher Nichtusucapionsbesitz dahin gehört: von Thibaut zu weit, da mancher Interdictenbesitz nicht dahin gehört; die Wahrheit liegt also in der Mitte.

Dieser Hauptgedanke wird nun in folgender Weise ausgeführt: (S. 16. 17. 40.): Zuerst bildete sich durch die Theorie der Juristen (jus civile) ein bestimmter Begriff von possessio civilis zu bestimmten praktischen

(1) (Zusatz des Herausgebers): Diese Schrift war dem Verf. erst „nachdem schon der grösste Theil der 6. Ausgabe gedruckt war (zu Ende des März 1837), bekannt geworden, “ so dass von ihr „nur in der Einleitung Nachricht gegeben werden“ konnte. Jetzt ist dieser Nachricht die Stelle angewiesen worden, welche der Verf. selbst durch die Bemerkung („zu §. 10. meines Buchs“) ihr bestimmt hatte.


(159) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs (Zus. der 6. Ausg.).

Zwecken aus. In einer spätern Zeit entstand ein prätorisches Edict, welches possessorische Interdicte einführte, in den Bedingungen derselben aber von dem alten Begriff der possessio civilis auf mancherlei Weise abwich und dadurch eine Art Mittelstufe bildete. Nun gab es also dreierlei Verhältnisse in Beziehung auf den Besitz: 1. possessio civilis mit den alten Wirkungen des Civilrechts; 2. possessio ad interdicta; 3. Besitz ohne alle rechtliche Wirkung. Die beiden letzten Fälle wurden gemeinschaftlich als possessio naturalis, d. h. als reiner Gegensatz der civilis bezeichnet, so dass also die possessio naturalis bald Interdicte zur Folge hat, bald nicht.

Die Bedingungen für die Annahme einer possessio civilis sind nach dem Verf. folgende (S. 18. 28. 31. 40.): 1. animus domini; 2. eine Sache, die in commercio und zugleich 3. selbständig (nicht Theil einer andern Sache) ist; 4. der Besitzer muss Sui juris sein. Mehr als diese vier Stücke darf man nicht fordern, so dass also der unredliche Besitzer (der Dieb, Räuber, dejector) allerdings auch eine possessio civilis hat (S. 42. 52.). – Der Interdictenbesitz hat nur zum Theil dieselben Bedingungen.

Ad 1. gilt die sehr wichtige Abweichung, dass zweierlei Personen, auch ohne animus domini, dennoch die Interdicte haben. (S. 21-23): a) Jeder, der in Folge eines dinglichen Rechts die Detention der Sache hat, also der Pfandgläubiger, Emphyteuta, Superficiar, Usufructuar, Usuar; b) der Precist und Sequester, jedoch nur im Fall eines besondern Vertrags.

Ad 2. und 3. ist in den Bedingungen kein Unterschied.

Ad 4. gilt nur der Unterschied, dass zuweilen der filiusfamilias die Interdicte hat; nämlich neben dem Vater bei dem alten peculium: der Sohn allein, mit Ausschliessung des Vaters, bei dem castrense, quasi castrense und dem s. g. adventitium extraordinarium.


(160) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

In diesen Stücken also ist der Interdictenbesitz ausgedehnter als die possessio civilis, in andern Stücken aber ist er eingeschränkter. Denn in allen Fällen, in welchen die Interdicte ohne animus domini zugelassen werden (ausgenommen das precarium), sind sie Demjenigen versagt, der den animus domini und mit demselben die wahre possessio civilis hat: daher denn namentlich im Fall der superficies, des ususfructus, des usus die Interdicte dem Eigenthümer nicht gegeben werden (S. 25-28. S. 42).

Der Verf. sieht nun wohl ein, dass die Juristen in einer so alten Zeit den Begriff possessio civilis nicht als eine müssige Speculation erfunden, sondern vielmehr praktische Folgen daran geknüpft haben werden, deren Dasein eben durch jenen Kunstausdruck festgestellt werden sollte. Als solche Wirkungen giebt er folgende vier an (S. 19. 20):

A. Wer die possessio civilis einer Sache hatte, gab dieselbe bei dem Census an.

B. Derselbe musste dafür die Steuer zahlen (ohne Zweifel das Servianische tributum).

C. Er konnte von jedem Andern mit einer Vindication in Anspruch genommen werden und von seiner Seite als Beklagter den Process führen.

D. Er konnte usucapiren; natürlich in den meisten Fällen nur, wenn noch ganz andere Bedingungen (bona fides und Titel) hinzutraten.

Eigentlich also wollte man durch Aufstellung des Begriffs der possessio civilis nur sagen, dass ein Miether, ein Usufructuar, ein filiusfamilias u. s. w. auf keinen jener vier Vorzüge jemals Anspruch haben könne.

Dieses sind die Grundzüge einer neuen Lehre, an welcher mir vor Allem die historische Zusammenstellung


(161) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs (Zus. der 6. Ausg.).

im Ganzen anstössig ist. Die Ausbildung jenes Begriffs der possessio civilis, nebst den damit verbundenen Kunstausdrücken (civilis und naturalis) hat etwas Wissenschaftliches, Künstliches, wie man es zur Zeit einer juristischen Literatur wohl erwarten kann, keineswegs aber in einem Zeitalter, welches jenseits der Entstehung des Prätorischen Edicts liegt. – Abgesehen aber von dieser unhistorischen Annahme, wünsche ich den Verf. zu überzeugen, dass er eigentlich viel einiger mit mir ist, als er selbst glaubt. Er nimmt vier Wirkungen oder praktische Bedeutungen der possessio civilis an, ich nur eine; gesetzt nun, ich könnte ihm beweisen, dass drei unter seinen Wirkungen ungegründet seien, so bliebe nur noch die vierte (die Usucapion) übrig, und dann wären wir ja einig. Ich will diesen Beweis versuchen. – Die erste und zweite seiner Wirkungen sind identisch, denn was vor dem Censor angegeben wurde, war gewiss die Grundlage der Servianischen Steuer, und umgekehrt. Aber eben so gewiss war dieses auch nur das Quiritarische Eigenthum, und die Burchardische possessio civilis (worunter ja auch das Verhältniss des Diebes und des Dejectors gehörte) hatte dazu nicht die geringste Beziehung. In der That wäre es auch zu abenteuerlich, anzunehmen, dass geraubtes Gut und gewaltsamer Besitz von Häusern und Aeckern hätte vor dem Censor gebraucht werden können, um dem Besitzer eine höhere Klasse, vielleicht gar den Rittercensus, zu verschaffen: und zwar wohlgemerkt zu einer Zeit, worin es noch keine Interdicte gab, und worin also nur der nicht ganz kurze Eigenthumsprozess alle verletzten Rechte wiederherstellen konnte. – Auch die dritte angebliche Wirkung (die Fähigkeit, in der Vindication als Beklagter aufzutreten) ist nicht haltbarer als die zwei ersten. Damit verhält es sich also. Nach Gajus (IV. §. 16.) vindicirte der Kläger, indem er die Worte aussprach: hunc ego hominem ex j. q. meum esse ajo;


(162) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

dasselbe aber that mit derselben Formel auch der Beklagte. Daher (sagt unser Verf.) konnte ein Miether oder Fructuar nicht Beklagter sein, weil er unfähig war, sich in jener Formel als Eigenthümer darzustellen, und dieses war es, was man mit dem animus domini als der ersten Bedingung der possessio civilis ausdrücken wollte. Allein offenbar beweist hier der Verf. zu viel. Denn der Dieb und der Dejector konnten ja durchaus nicht besser als der Miether jene Formel der contravindicatio aussprechen, und doch hatten sie nach unserm Verf. die wahre possessio civilis, also gewiss die Fähigkeit, den Prozess als Beklagte zu führen. Wollte man sagen, diese hätten wohl ihren Zustand verheimlicht und Eigenthum vorgegeben, so liesse sich das ja auch bei dem Miether denken, der einem fremden Vindicanten gegenüberstand; solche Zufälligkeiten aber dürfen überhaupt nicht eingemischt werden, wo es gilt den Sinn eines Rechtsinstituts zu erklären. Das Wahre an der Sache ist aber dieses: die ganze alte Vindication war symbolisch, so also auch dieses einzelne Stück derselben, die contravindicatio; das Wesen dieses Stücks war das, was wir die negative Litis-Contestation nennen, der Widerspruch gegen die Vindication des Klägers, und dazu waren der Dieb und der Miether ganz eben so fähig, wie der wahre oder der vermeintliche Eigenthümer. Der symbolische Ausdruck dieses Widerspruchs war dabei gleichgültig. Wollte man es mit diesen alten Formeln buchstäblich nehmen, so wäre ja unter Andern niemals eine in jure cessio möglich gewesen. Denn auch hier musste der Erwerber vindiciren, also die oben angegebenen Worte aussprechen, obwohl er und sein Gegner und der Prätor wohl wussten, dass er noch gar nicht Eigenthümer war. In der That also war die Form der contravindicatio niemals ein Hinderniss für den Miether, als Beklagter aufzutreten, und es ist völlig willkürlich, wenn der Verf. die


(163) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs (Zus. der 6. Ausg.).

noch späterhin vorkommende Streitfrage, ob man gegen einen Miether u. s. w. vindiciren könne, mit jenen alten Formeln in Verbindung bringen will. – Sind nun drei unter jenen Wirkungen ohne Grund, so bleibt nur noch die vierte übrig, die Usucapion: dann war die possessio civilis von jeher nichts Anderes als die possessio ad usucapionem, und aller Zwiespalt zwischen dem Verf. und mir ist verschwunden.

Allein selbst wenn jene drei Wirkungen, die ich zu widerlegen gesucht habe, bei der ursprünglichen Bildung des Begriffs der possessio civilis wahr gewesen wären, so würden sie wenigstens zur Zeit der ausgebildeten Rechtswissenschaft, namentlich zur Zeit Ulpians, nicht mehr angenommen werden können. Denn der Lustral-Census war zu dieser Zeit eine Antiquität geworden (Ulpian. I. §. 8.). – Die Vermögenssteuer der Römischen Bürger hatte schon seit dem Macedonischen Kriege ganz aufgehört.

Endlich war zu Ulpians Zeit die alte contravindicatio nicht mehr nöthig, wie unser Verf. S. 19 selbst bemerkt. Also auch wenn ich mich ganz in des Verf. Gedanken versetze, müsste ich doch annehmen, dass die ursprüngliche Differenz zwischen possessio civilis und possessio ad usucapionem verschwunden wäre, und wenn wir Ulpian fragen könnten: was ist denn jetzt, zu deiner Zeit, die praktische Bedeutung der possessio civilis? so würde er, selbst wenn er Burchardi’s Abhandlung gelesen und sich von ihrem Inhalt überzeugt hätte, doch nicht anders antworten können, als: Possessio civilis ist jetzt derjenige Besitz, welcher zur Usucapion tauglich ist.

Könnten wir uns auf die bisher anstellten Betrachtungen beschränken, so müssten wir sagen: die Erklärung des Verf. sei ein neuer, nicht glücklicher Versuch, den Begriff der possessio civilis in Verbindung mit der Geschichte des Besitzrechts, festzustellen. Allein selten hält sich eine Verirrung der Theorie in so unschuldigen


(164) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Grenzen; so hat auch Burchardi seiner neuen Lehre eine, für dieselbe nicht einmal nöthige, Beimischung gegeben, wodurch Vieles, was in der Besitzlehre als fester Boden gewonnen zu sein schien (zum Theil lange vor meinem Buch), wieder in grosse Verwirrung gebracht wird. Ich meine die schon oben erwähnte Zusammenstellung aller dinglich Berechtigten, welche die Detention der Sache haben. Von diesen lehrt der Verf., dass sie, ohne animus domini, dennoch den Interdictenbesitz haben, und dass eben deshalb dem Eigenthümer in diesen Fällen die Interdicte gänzlich versagt seien. Dahin gehört der Pfandgläubiger, Emphyteuta, Superficiar, Fructuar und Usuar. Ich habe dagegen stets behauptet, dieses sei nur in den zwei ersten Fällen anzunehmen, und zwar nach der ganz eigenthümlichen Natur jener Rechtsinstitute, keineswegs nach der allgemeinen Natur der dinglichen Rechte; in den drei anderen Fällen sei bei dem Eigenthümer der volle Sachbesitz mit den Interdicten, bei dem Inhaber des jus in re aber gar kein Sachbesitz, jedoch eine juris quasi possessio, die gleichfalls durch Interdicte geschützt werde. (Diese juris quasi possessio soll nach dem Verf. gar keine Beziehung auf die Interdicte, sondern nur auf die Ersitzung haben.) Welche dieser Behauptungen ist nun wahr? Wir wollen bei dieser Untersuchung die Ordnung umkehren, und zuerst vom Ususfructus und Usus reden. Dabei ist die praktisch wichtigste, und in der That sehr wichtige, Frage die, ob der Eigenthümer die Interdicte hat oder nicht hat.

Die allgemeine Bedingung der Interdicte ist das possidere.

L. 1. §. 9. 23. de vi: „Dejicitur is qui possidet. – Interdictum autem hoc nulli competit, nisi ei, qui tunc cum dejiceretur possidebat“ etc.

L. 3. §. 8. uti poss.: „Creditores misos in possessionem


(165) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs (Zus. der 6. Ausg.).

... interdicto uti possidetis uti non posse: et merito, quia non possident.“

Wie steht es denn nun mit diesem possidere bei dem Ususfructus, und zwar

1. für den Eigenthümer?

L. 52. pr. de adqu. poss. „neque impediri possessionem si alius fruatur.“

2. für den Fructuar?

L. 6. §. 2. de prec. „fructuarius et colonus et inquilinus sunt in praedio et tamen non possident“.

Fragm. Vat. §. 90. „ ... usufructu legato, ... non possidet legatum sed potius fruitur. Inde et interdictum uti possidetis utile hoc nomine proponitur, et unde vi, quia non possidet.“

Eben so §. 91.

Hält man diese Stellen zusammen, so folgt ja daraus mit unverkennbarer Nothwendigkeit, dass die Interdicte dem Eigenthümer zustehen müssen, dem Fructuar aber nicht, ausser insofern er sie durch Ausdehnung der ursprünglichen Interdicte, wegen seiner juris quasi possessio, erhält, woraus dann weiter folgen muss, dass beide die Interdicte haben müssen, sowohl gegen einen Dritten, als auch gegen einander, nämlich Jeder zum Schutz seines eigenthümlich begrenzten Besitzes. – Allein das, was hier aus den angeführten Stellen blos gefolgert worden ist, wird in folgender Stelle auch unmittelbar anerkannt:

L. 4. uti poss. „In summa puto dicendum, et inter fructuarios hoc interdictum reddendum: et si alter usumfructum, alter possessionem sibi defendat.“

Hier ist klar gesagt, dass bei einem Besitzesstreit zwischen dem Eigenthümer (der seine possessio vertheidigt) und dem Fructuar, das Interdict gelte: es hat also nicht der Eigenthümer durch die Errichtung des Ususfructus


(166) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

den Interdictenschutz verloren. Wie es aber mit diesem Interdict des Fructuars eigentlich beschaffen ist, sagt genauer die angeführte Stelle der Vaticanischen Fragmente; nämlich sein Interdict ist ein utile, und dieser Ausdruck deutet unverkennbar theils auf eine anomalische Beschaffenheit des zum Grund liegenden Besitzes (der juris quasi possessio), theils auf das einer andern Person (dem Eigenthümer) zustehende directum. Endlich selbst dafür, dass die juris quasi possessio hier der wahre Grund der Interdicte ist (was der Verf. geradezu leugnet), fehlt es nicht an einem ausdrücklichen Zeugniss.

L. 3. §. 17. de vi: „Qui ususfructus nomine qualiter qualiter fuit quasi in possessione, utetur hoc interdicto.“

Diese Behandlung der Sache ist aber auch praktisch betrachtet die einzig zulässige, und ich will nun noch an einem Beispiel zeigen, zu welchen schreienden Folgen die Lehre des Verfs. führt. Wenn nach dem Tode des Fructuars der Eigenthümer das Grundstück zurückfordert und von dem Erben des Fructuars mit Gewalt zurückgewiesen wird, so hat er nach den in den angeführten Stellen anerkannten Grundsätzen das Interdict de vi. Nach der Lehre des Verfs. hat er gar kein Interdict, da er bei Entstehung des Ususfructus allen Interdictenbesitz aufgegeben hat, sondern nur die Vindication; freilich kann er vielleicht auch eine persönliche Klage aus der Caution haben, aber diese ist ganz zufällig, da es in der Willkür des Eigenthümers steht, die Caution zu fordern oder zu erlassen, und nur dem Testator verboten ist, seinen Erben (den Proprietar) durch einen solchen Erlass im Voraus zu binden (L. 7. C. ut in poss.).

Das Besitzverhältniss des Usus ist durchaus dasselbe wie das des Ususfructus, und diese Gleichheit wird auch ausdrücklich anerkannt (L. 4. uti poss.).


(167) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs (Zus. der 6. Ausg.).

Bei der Superficies ist dasselbe Verhältniss ganz ausdrücklich in folgender Stelle anerkannt:

L. 3. §. 7. uti poss. „Ceterum superficiarii proprio interdicto ... utentur: dominus autem soli tam adversus alium, quam adversus superficiarium potior erit interdicto uti possidetis, sed Praetor superficiarium tuebitur secundum legem locationis.“

Hier ist sogar durch den besonderen Namen des Interdicts dafür gesorgt, dass das wahre Verhältniss nicht missverstanden werden sollte: anstatt dass bei dem Ususfructus der allgemeinere Name (de vi und uti possidetis), und die Weglassung des warnenden Beinamens utile in den Digesten, unsern Verf. wie so viele ältere Schriftsteller irre geführt hat.

Bei dem Pfandgläubiger sind in unseren Quellen die Besitzverhältnisse noch vollständiger angegeben, als bei dem Ususfructus (s. u. §. 24.). Der Gläubiger hat die wahre possessio, und zwar er allein, der Schuldner gar nicht; also hat auch jener die Interdicte, dieser hat sie nicht. Nur usucapiren freilich kann der Gläubiger nicht, und damit nun nicht die Usucapion zum Nachtheil beider Theile unterbrochen werde, wird, ganz allein in Beziehung auf die Usucapion, der Schuldner (abweichend von der Regel) so behandelt, als ob er den Besitz hätte. Es wird also für den Gläubiger buchstäblich das Gegentheil gesagt von dem, was oben für den Fructuar angeführt worden ist. Bei dieser so absichtlichen Verschiedenheit des Ausdrucks unserer Rechtsquellen ist es kaum begreiflich, wie es dennoch der Verf. hat versuchen können, beide Verhältnisse auf gleiche Linie zu stellen. Auch fehlt es ja gar nicht an einer ganz befriedigenden praktischen Erklärung des Unterschieds. Die Verpfändung beruht, nach Thibauts treffendem Ausdruck, auf einem Misstrauen des Gläubigers, darum mussten die Schutzmittel


(168) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

des Besitzes ausschliessend in seine Hände gelegt werden. Ein solches Misstrauen aber ist der Natur der Ususfructus ganz fremd.

Endlich hat der Emphyteuta die wahre possessio, also auch die Interdicte; der Eigenthümer hat Beides nicht. Ich habe diese Anomalie aus historischen Gründen abzuleiten versucht (s. u. §. 9. 12a. 22a. 24.). Allein auch selbst Diejenigen, welche die possessio des Emphyteuta nicht auf diese geschichtliche Weise, sondern aus den praktischen Verhältnissen dieses Rechtsinstituts erklären (Zus. zu §. 9.), können doch unmöglich darin einen Grund finden, so wie es der Verf. versucht, die Emphyteuse mit dem Ususfructus auf gleiche Linie zu stellen. Denn bei der Emphyteuse hat der Eigenthümer eigentlich gar kein wirkliches, gegenwärtiges Recht, als den Anspruch auf den Canon und auf das s. g. Laudemium. Die Aussicht auf den Rückfall, die bei dem Ususfructus stets sicher und nahe ist, erscheint dort ganz entfernt und zufällig, und selbst wenn der Rückfall eintritt, kann der Eigenthümer aus dem hier stets zum Grund liegenden Vertrag klagen, ohne sich auf den misslichen Beweis des Eigenthums einlassen zu müssen. Es sind also hierin die Emphyteuse und der Ususfructus sehr verschieden, und es ist, selbst von dem Standpunkte jener Schriftsteller aus angesehen, ein ganz willkürliches Verfahren, wenn der Verf. sie durch gleichartige Besitzrechte zu verbinden versucht (1).

(1) Hierin liegt zugleich die Antwort auf folgenden möglichen Einwurf. Man könnte sagen, wenn auch ursprünglich die possessio des Emphyteuta aus ihrem historischen Zusammenhang mit dem ager publicus hervorgegangen war, warum hat nicht Justinian, dieses zufällige Verhältniss beseitigend, das gethan, was das praktische Bedürfniss erforderte, nämlich dieselben beiderseitigen Besitzklagen wie bei dem Ususfructus eingeführt? Ich antworte: Weil


(169) §. 10. Literärgeschichte des Begriffs (Zus. der 6. Ausg.).

In einer Zugabe hat der Verf. das Verbot der Schenkung unter Ehegatten auf eine neue Weise abzuleiten, und diese neue Lehre auf die possessio civilis anzuwenden versucht (S. 36-40. 42.). Jenes Verbot soll aus der alten in manum conventio herstammen, in welcher die Frau vermögenslos war, und insbesondere als alieni juris keine possessio civilis haben konnte. Aber dann hätte ja das Verbot nicht auf Schenkungen allein, sondern auf alle Veräusserungen gehen müssen. Und wie wäre man auf den ungesunden Gedanken gekommen, bei der freien Ehe dasjenige als Verbot umzubilden, was sich bei der strengen Ehe ohne Verbot, als blosse Unmöglichkeit, von selbst machte, da man doch in allen anderen Beziehungen das Vermögensrecht für die freie Ehe ganz selbständig, und in deutlich gedachtem Gegensatz gegen die strenge Ehe, ausbildete?

Vielleicht werde ich von Manchen wegen der Umständlichkeit dieser Widerlegung getadelt werden. Aber man kann es denn geschehen lassen, dass Alles was in dieser Lehre an klarer Sonderung der Begriffe und Rechtssätze gewonnen schien, wieder zum Vortheil der früheren Verwirrung auf’s Spiel gesetzt werde? Ein solcher Versuch kann sich auf einem einzelnen Punkt der Lehre recht scheinbar ausnehmen, allein es fehlt ihm die Hauptsache, das sorgfältige Zusammendenken mit allem Uebrigen zu einem vollständigen Ganzen. Ich bin überzeugt, wenn es nicht der scharfsinnige Verf., dessen Gründlichkeit sich in so manchen trefflichen Arbeiten bewährt hätte, diese Probe der Wahrheit bei demselben

dazu ein dringendes praktisches Bedürfniss für den Eigenthümer bei der Emphyteuse in der That nicht vorhanden war, und ein solches neues Gesetz also doch eigentlich nur im Interesse der theoretischen Symmetrie hätte verlangt werden können.


(170) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

anzustellen, so würde er selbst dessen Unhaltbarkeit nicht verkannt haben (*).

§. 11.

Die Untersuchung über den Begriff des Besitzes scheint jetzt völlig geschlossen. Es kam dabei alles auf die zwei Fragen an: welches ist die juristische Bedeutung des Besitzes im Römischen Recht? (§. 2-8.) und welches sind die materiellen Bestimmungen seines Begriffs, d. h. unter welchen Bedingungen ist das Dasein des Besitzes anzunehmen? (§. 9.)

Die ganze folgende Theorie des Besitzes schliesst sich unmittelbar an diesen Begriff an, da in allem Erwerb oder Verlust des Besitzes eine Anwendung oder Modification dieses Begriffs enthalten ist. Unter diesen Anwendungen aber, in welchen der Begriff des Besitzes selbst erscheint, findet sich eine Regel, die so allgemeiner Natur ist, dass sie auf alle Theile unserer Theorie Einfluss hat, und an keiner andern Stelle als hier entwickelt werden kann.

Diese Regel lautet so: aller Besitz ist ausschliessend (plures eandem rem in solidum possidere non possunt). Ihre Bedeutung, so wie ihre Wahrheit, soll hier untersucht werden, und diese Untersuchung wird zugleich Gelegenheit geben, unsere terminologischen Resultate durch die Anwendung deutlicher zu machen, als es in allgemeinen Begriffen geschehen kann.

Es ist also die Rede von einem Besitz derselben Sache (in solidum). Besitzen Mehrere eine Sache gemeinschaftlich (compossessio bei den neueren Juristen), so dass ihr Besitz sich wechselseitig beschränkt, so ist nur scheinbar dieselbe Sache der Gegenstand ihres Besitzes,

(*) Vergl. Anhang Num. 40. A. d. H.


(171) §. 11. Possessio plurium in solidum.

denn jeder besitzt einen Theil der Sache allein, die übrigen Theile gar nicht, und dass diese Theile nicht reell, sondern ideell von einander abgesondert sind, macht juristisch betrachtet gar keinen Unterschied. Jeder besitzt also eine Sache für sich, und sie stehen zu einander ungefähr in dem Verhältniss, wie die Besitzer zweier benachbarten Häuser. Darum kommt auch weder das Wort compossessio, noch der Begriff bei den Römischen Juristen vor, und sie bestimmen blos, inwiefern Jeder für sich einen ideellen Theil einer Sache besitzen könne, da sich denn die Möglichkeit eines andern Besitzers der übrigen Theile von selbst ergiebt, das Verhältniss zu diesem Mitbesitzer aber gar nichts Eignes hat.

Die ganze Untersuchung ist dadurch verwickelt geworden, dass unter den Römischen Juristen selbst verschiedene Meinungen darüber herrschten. Einige verneinten ganz allgemein die Möglichkeit eines solchen Besitzes, andere nur mit Ausnahmen, z. B. so, dass die justa possessio der einen Person nicht durch die injusta possessio der andern ausgeschlossen sein sollte u. s. w. Diese verschiedenen Beschränkungen der zweiten Meinung interessiren uns hier noch nicht, es ist hinreichend, sie als der ersten entgegengesetzt zu betrachten, und die Frage kann nun so ausgedrückt werden: ist possessio mehrerer Personen an derselben Sache möglich? Wird die Frage bejaht, so ist es dann Zeit, die Bedingungen dieser Möglichkeit hinzuzusetzen.

Aus diesem allgemeinen Ausdruck der Frage selbst ergiebt es sich also, dass possessio der Gegenstand derselben ist. Nun bezeichnet aber dieses Wort den Besitz auf zweierlei Art, indem theils das natürliche Verhältniss der Detention, theils der juristische Besitz, d. h. die Bedingung der Usucapion und der Interdicte, darunter verstanden wird (§. 7. num. 5.): welche dieser Bedeutungen liegt hier zum Grunde? Die Regel, die oben hierüber


(172) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

aufgestellt worden ist, entscheidet das leicht. Da nämlich diese Frage von den Römischen Juristen zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht wird, so kann von keinem andern als dem juristischen Besitz die Rede sein, da die natürliche Detention weder juristische Bestimmungen in ihrem Begriff haben, noch auch durch irgend eine juristische Wirkung es nöthig machen kann, ihr Dasein juristisch zu bestimmen.

Es wird also hier von dem einfachen Begriff der juristischen possessio Gebrauch gemacht, der sich auf Usucapion und Interdicte bezieht (§. 7. num. 3.), und durch diese vorläufige Bestimmung der Frage ist schon der grösste Theil der falschen Antworten abgewiesen, die man bisher darauf gegeben hat. So glauben Einige, dieselbe Wirkung des Besitzes könne freilich nur Einer geniessen, zu verschiedenen Wirkungen aber sei ein Besitz Mehrerer denkbar: allein es giebt nur zwei Wirkungen des Besitzes und diese stehen in einem solchen Verhältniss, dass es ein und derselbe Besitz ist, welcher beide bedingt. – Andere haben civilis possessio auf einer Seite, naturalis possessio auf der andern zugelassen, und nur etwa die naturalis possessio plurium in solidum ausgeschlossen: allein auch das ist unmöglich, denn die naturalis possessio, welche neben einer fremden civilis possessio möglich sein soll, ist entweder selbst wieder ein juristischer Besitz, und dann ist sie hier, wo von possessio überhaupt die Rede ist, von der civilis possessio gar nicht verschieden, oder sie ist blosse Detention, und dann ist sie kein Gegenstand einer juristischen Untersuchung.

Soll nun angenommen werden, dass Mehrere denselben Besitz zugleich haben können, so ist es klar, dass dieses nur durch eine juristische Fiction möglich sei. In dem ursprünglichen Begriff des natürlichen Besitzes (§. 1.) war nämlich die ausschliessende physische


(173) §. 11. Possessio plurium in solidum.

Möglichkeit einer Einwirkung auf die Sache enthalten: von dieser Art ist der Besitz eines Geldstücks, das man in der Hand hält, und hier ist es klar, dass ein solcher Besitz nur in Einer Person gedacht werden könne. Allein der Besitz gilt als Recht und wird deshalb oft fingirt, wo jener ursprüngliche Begriff nicht mehr anwendbar wäre (§. 5.): so wird der Besitz eines Hauses auch dann noch als fortdauernd angenommen, wenn der Bewohner desselben herausgegangen ist, ohne es auf irgend eine Art zu verwahren. Auf eine solche Fiction also müsste sich der gleichzeitige Besitz mehrerer Personen gründen, da der ursprüngliche Begriff des Besitzes ihn ausschliesst, und nun ist die Frage, die hier beantwortet werden soll, so auszudrücken: giebt es eine juristische Fiction, wodurch mehrere Personen als gleichzeitige Besitzer derselben Sache angenommen werden.

Die Römischen Juristen waren hier in zwei Parteien getheilt. Die eine (Labeo und Paulus) leugnete die Möglichkeit eines solchen Besitzes durchaus: ihre Meinung ist nicht nur im allgemeinen von den Compilatoren der Pandekten gebilligt, sondern sie kann auch durch alle Anwendungen durchgeführt werden. Die zweite (Trebatius, Sabinus und Julian) liess jenen Besitz zu, jedoch nur so, dass Eine Person justa possessio, die andere injusta possessio haben könne: zwei injustae possessiones sollten nicht nebeneinander bestehen können, und eben so wenig zwei justae possessiones, einen einzigen Fall ausgenommen, welcher aber mit einem Fall der injusta possessio selbst in Verbindung steht. Diese Distinction bezieht sich hier auf die vitia possessionis (§. 2. 8.), und es ist daher nur in folgenden drei Anwendungen die Verschiedenheit jener Meinungen aufzusuchen: A. Wenn der Besitz einer Sache mit Gewalt occupirt wird, in welchem Fall nämlich neben dieser injusta possessio die justa possessio des vorigen


(174) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Besitzers soll fortdauern können. B. Eben so, wenn heimlich ein Besitz occupirt wird, den ein Anderer bisher hatte. C. Wenn durch ein precarium der Besitz erlangt worden ist. Damit dieser letzte Fall ganz verstanden werden könne, müssen hier einige Sätze eingeschaltet werden, die erst bei den Interdicten vollständig und in ihrem wahren Zusammenhange darzustellen sind. Precarium heisst das Verhältniss, in welchem ohne juristisches Geschäft die Ausübung irgend eines Rechts einem Andern überlassen wird. Der gewöhnlichste Fall betrifft die Ausübung des Eigenthums, also den (natürlichen) Besitz, weil dieser die Bedingung jener Ausübung ist. Diese precaria possessio aber kommt auf zweierlei Art vor: theils so, dass die blosse Detention, theils so, dass der juristische Besitz dem Andern überlassen wird (1). Im ersten Fall geht zunächst kein Besitz über, aber er wird hinterher erworben, wenn die Zurückgabe der Sache verweigert wird; diese possessio ist ohne Zweifel injusta, und nun ist das interdictum de precario (als interdictum recuperandae possessionis) begründet. Im zweiten Fall wird gleich im Anfang der Besitz übertragen, diese justa possessio aber wird erst durch die Verweigerung der Zurückgabe injusta, und nun ist das Verhältniss dem des ersten Falls gleich geworden. Demnach kann man durch precarium theils eine injusta possessio haben, und dann wird dieselbe Frage aufgeworfen, wie bei possessio violenta und clandestina: theils eine justa possessio, und dieses ist der einzige Fall, in welchem von manchen Juristen zwei justae possessiones nebeneinander angenommen wurden.

Also zuerst von der Regel im Allgemeinen, dann von den drei Fällen ihrer Anwendung.

(1) „ ... precario autem rogavit, non ut possideret, sed ut in possessione esset ... “ L. 10. §. 1. de poss.


(175) §. 11. Possessio plurium in solidum.

Die entscheidende Stelle über die Regel selbst ist von Paulus (1):

„ ... plures eandem rem in solidum possidere non possunt. Contra naturam quippe est, ut cum ego aliquid teneam, tu quoque id tenere videaris. Sabinus tamen scribit, eum, qui precario dederit, et ipsum possidere, et eum, qui precario acceperit. Idem Trebatius probabat, existimans, posse alium juste, alium injuste possidere: duos injuste, vel duos juste non posse (2): quem Labeo reprehendit: quoniam in summa possessionis non multum interest, juste quis an injuste possideat: quod est verius: non magis enim eadem possessio apud duos esse potest, quam ut tu stare videaris in eo loco, in quo ego sto: vel in quo ego sedeo, tu sedere videaris.“

Die ganze Stelle ist in folgende Sätze zu zerlegen:

1. Die eigene Meinung des Paulus, die hier Justinian zu der seinigen macht, steht gleich im

(1) L. 3. §. 5. de poss. (Paulus lib. 54. ad edictum.).

(2) Zu diesem Theil unserer Stelle gehört L. 19. pr. de precario (Julianus lib. 49. Dig.): „Duo in solidum precario habere non magis possunt, quam duo in solidum vi possidere, aut clam, nam neque justae neque injustae possessiones duae concurrere possunt.“ Offenbar war es Julians Meinung, dass dagegen die possessio justa des Einen neben der possessio injusta des Andern möglich sei, welcher positive Theil seiner Meinung aber von den Compilatoren ausgelassen werden musste. – Die Frage, die hier Julian beantworten will, ist diese: Ist es möglich, eine precaria possessio mehreren Personen zugleich zu geben? Da nun die possessio precaria zunächst, nachdem sie gegeben ist, als justa possessio gilt, so ist es sehr natürlich, dass Julian die possessiones precarias, auf die sich seine Frage bezog, als possessiones justas, der possessio violenta und clandestina als possessionibus injustis entgegensetzte, obgleich in andern Fällen auch die precaria possessio als injusta gelten kann. Cuperus (de nat. poss. P. 2. C. 14.) hat diesen sehr natürlichen Zusammenhang abgeleugnet, ohne einen andern an dessen Stelle zu setzen.


(176) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Anfang und wird am Ende nur wiederholt: eine solche Concurrenz mehrerer Besitzer, sagt Paulus, ist durchaus unmöglich, und zwar deswegen, weil aller Besitz entweder auf wahre Detention (tenere) oder auf die juristische Fiction derselben (tenere videri) gegründet ist: nun ist alle Fiction nur da möglich, wo das fingirte Factum selbst nicht unmöglich wäre: aber es ist unmöglich, dass mehrere Personen die Detention derselben Sache wirklich haben: also kann auch keine juristische Fiction diese Unmöglichkeit aufheben (1).

2. Sabinus macht von dieser Regel eine Ausnahme bei dem precarium: hier sollen beide Theile zugleich den juristischen Besitz haben können, und zwar ohne Unterschied, ob die possessio precaria eine justa oder injusta possessio sei.

3. Trebatius billigt diese Meinung, doch mit der Modification, es müsse eine injusta possessio precaria sein, wenn des Andern Besitz nicht ausgeschlossen sein sollte: zugleich wird dieser Satz auf alle Concurrenz einer justa und injusta possessio ausgedehnt, und für alle übrigen Fälle negirt.

4. Beide Meinungen sind schon durch den Beweis widerlegt, den Paulus für die seinige geführt hat. Aber gegen Trebatius führt Labeo (der also mit Paulus übereinstimmt) noch den besondern Grund an, auf den

(1) Cuperus (de nat. poss. P. 2. C. 18.) hat diese Erklärung am besten entwickelt; sie selbst ist sehr alt, s. d. Citate bei Gomez in L. Tauri XLV. num. 99. p. m. 289. – Paulus leugnet also nicht, was sich auch nicht leugnen lässt, dass die Rechte des Besitzes in mehreren zugleich angenommen werden könnten, aber er behauptet, diese Annahme sei inconsequent, weil sie der Natur des Besitzes widerspreche. So muss die Unmöglichkeit verstanden werden, von welcher er redet (*).

(*) Vergl. Anhang Num. 41. A. d. H.


(177) §. 11. Possessio plurium in solidum.

Unterschied der justa und injusta possessio könne nichts ankommen, wenn von der Existenz des Besitzes überhaupt die Rede sei (s. o. S. 102 u. 103.).

Eben so allgemein, wie in dieser Stelle des Paulus, wird derselbe Satz von Ulpian behauptet (1):

„Celsus filius ait, duorum quidem in solidum dominium, vel possessionem esse non posse.“

Hier ist die Meinung des Celsus, wie das in vielen Stellen geschieht, von Ulpian nur um deswillen angeführt, weil es zugleich die seinige ist; am Ende der ganzen Stelle wird dieses dadurch noch deutlicher, dass Ulpian selbst die Meinung des Celsus durch Folgerungen daraus weiter fortführt.

Nun zu den Anwendungen jener Regel, in welchen die Regel selbst bestritten war:

A. Wer mit Gewalt eine Sache nimmt, hat ohne Zweifel den juristischen Besitz derselben: aber nach der Meinung des Trebatius müsste auch der vorige Besitzer noch als Besitzer gelten.

Nun ist soviel klar, dass dieser fortdauernde Besitz selbst nach dieser Meinung, nicht in jeder Rücksicht behauptet werden konnte. Da man nämlich andere Interdicte hatte, um den verlornen Besitz wieder zu erlangen (recuperandae possessionis), andere, um sich im Besitz selbst zu erhalten (retinendae possessionis), so war es in Beziehung auf die Interdicte des vorigen Besitzers weder möglich noch nöthig, jene Fortdauer zu behaupten, und diese Ansicht war nicht etwa einigen Juristen eigen, sondern sie findet sich bei allen, ja sie ist in dem Edict selbst deutlich ausgesprochen. Was man wieder erlangen will, muss man verloren haben,

(1) L. 5. §. 15. commodati (Ulpianus lib. 28. ad edictum).


(178) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

und was verloren ist, kann man jetzt nicht mehr haben. – Dennoch darf folgende Stelle nicht übergangen werden, die selbst hierin einigen Zweifel erregen könnte (1): „Non alii autem, quam ei qui possidet (2), interdictum unde vi competere, argumentum praebet, quod apud Vivianum relatum est, si quis vi me dejecerit, meos non dejecerit, non posse me hoc interdicto experiri: quia per eos retineo possessionem, qui dejecti non sunt.“ Kehren wir die Ordnung um, was auf den logischen Zusammenhang offenbar keinen Einfluss hat, so ist dieses der Inhalt: „Vivian sagt, wer aus einem Grundstück herausgeworfen wird, habe dennoch nicht das interdictum de vi, wenn seine Leute, die mit ihm zugleich den Besitz ausübten, nicht auch herausgeworfen werden: denn durch diese setzt Er selbst seinen vorigen Besitz fort. Diese Entscheidung bestätigt (argumentum praebet) die allgemeine Regel,

(1) L. 1. §. 45. de vi.

(2) „qui non possidet“. So lesen ausser der Rehdiger’schen Handschrift folgende Ausgaben des Digesti Novi: Rom. 1476. Norimb. 1483. Venet. 1485. Venet. 1494. Lugdun. 1509. 1513. Paris. 1514. 1536, so auch wahrscheinlich noch viele andere. Dass Accursius eben so las, erhellt daraus, dass er als Parallelstelle L. 1. §. 4. uti poss. citirt. – Cras (spec. ipr. Ciceronianae p. 15.) und Fleck (de interd. unde vi. p. 29.), der jenen wörtlich abschreibt, drücken das so aus: „Accursius particulam: non inseruit, “ gleichsam als ob Accurs kritische Noten zu den Florentinischen Pandekten geschrieben hätte. Haloander hat die Florentinische Leseart, obgleich Jauch (de negat. Pand. p. 82.) Cras und Fleck (l. c.) das Gegentheil sagen. Schon Markart hatte Jauch’s falsche Angabe berichtigt (interpr. L. 2. C. 18.). – Qui non possidet, liest ferner eine sehr gute Handschrift der öffentlichen Bibliothek zu Metz, eine Leipziger, eine mir gehörende, zwei Wiener und 16 Pariser Manuscripte, in drei andern Pariser Manuscripten ist das non über dem Text supplirt, eine aber (num. 4482.) liest: qui possedit. – Auch eine Königsberger Handschrift liest: non possidet. Dirksen Abhandlungen I. 450.


(179) §. 11. Possessio plurium in solidum.

dass nur der das Interdict gebrauchen kann, welcher jetzt nicht mehr besitzt.“ Die innere Nothwendigkeit dieses Zusammenhangs giebt der Leseart: qui non possidet so entschieden den Vorzug, dass weder das Alter des Florentinischen Manuscripts, noch die viel unbedeutendere Uebereinstimmung der Basiliken (1) dagegen angeführt werden kann. Damit aber ist alle Schwierigkeit dieser Stelle gehoben, ohne dass es nöthig wäre, den Text selbst zu verändern (2).

Also auf die Interdicte des vorigen Besitzers (dejectus) konnte die Meinung des Trebatius nicht gehen, wohl aber auf die des neuen Besitzers (dejiciens); wenn dieser nämlich gegen jenen das interdictum uti possidetis gebrauchen wollte, so schloss ihn ohne Zweifel eine Exception aus (3): nun lässt es sich denken, dass die Meinung des Trebatius diesen unbestrittenen praktischen Satz dadurch erklären wollte, dass sie dem vorigen Besitzer in dieser Rücksicht fortdauernden Besitz zuschrieb. Unter dieser Voraussetzung, die bald durch eine Stelle Ulpians (4) deutlicher und wahrscheinlicher

(1) L. 60. T. 17. (bei Fabrot Th. 7. S. 407.).

(2) Donellus (comm. L. 15. C. 32. p. m. 801.) erklärt die Stelle sehr richtig, und folgert aus dieser Erklärung, dass nothwendig non in dem Text stehen müsse; unrichtig aber ist die Bemerkung, die er dabei macht: „mendose legitur in omnibus exemplaribus, etiam Florentinis“ etc. – Einige lesen: qui possedit, d. h. wer besessen hat, d. h. wer jetzt nicht mehr besitzt, und damit stimmt eine Pariser Handschrift überein (s. die vorletzte Note). Offenbar ist diese Erklärung sehr gezwungen. Sie steht zuerst bei Rutgers (var. lect. Lib. 6. C. 20), welchem sie von Baudius mündlich mitgetheilt worden war: Grotius hat sie gebilligt (flor. spars. pag. 185. ed. Amst. 1643. 12.) (*).

(*) Vergl. Anh. Num. 42. A. d. H.

(3) L. 1. pr. uti possidetis.

(4) L. 3. pr. uti possidetis.


(180) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

werden wird, hätte der ganze Streit in dieser Anwendung keinen praktischen Zweck gehabt, aber die Meinung des Paulus hätte darum nicht weniger den Vorzug der grösseren Consequenz (1).

Ausser den Interdicten aber könnte der Satz des Trebatius auch auf die Usucapion sich bezogen haben, und nun wäre der Sinn dieser: wer mit Gewalt den Besitz verliert, hört deswegen doch nicht auf, zu usucapiren. Von diesem Satz aber ist nicht nur in Justinians Compilation das Gegentheil entschieden (2), sondern es ist nach der ganzen Natur der Usucapion höchst unwahrscheinlich, dass ihn jemals ein Jurist behauptet habe.

B. Bei der heimlichen Occupation des Besitzes gilt ungefähr dasselbe, was über den gewaltsamen Besitz bisher gesagt worden ist. Indessen kommt hier eine besondere Regel bei Grundstücken in Betracht, die erst im dritten und vierten Abschnitt dargestellt werden kann. Deshalb ist es auch noch nicht möglich, eine Stelle von Ulpian (3) hier zu erklären, obgleich sie gerade hier manche Missverständnisse veranlasst hat. Doch lässt es sich schon jetzt zeigen, dass weder Ulpian, noch Labeo, den er anführt, die Meinung des Trebatius auf

(1) Auf diese Art könnte auch erklärt werden: L. 17. pr. de poss.: „Si quis vi de possessione dejectus sit, perinde haberi debet, ac si possideret: cum interdicto de vi recuperandae possessionis facultatem habeat.“ – Doch lässt sich diese Stelle besser ohne alle Beziehung auf unsre Frage erklären, und zwar entweder von der hereditatis petitio, die gegen den dejectus als possessor geht (S. 106.), oder von den Cautionen, wovon er gleichfalls frei ist. Für das letzte spricht die Inscription, vergl. mit L. 11. 12. qui satisd. cog. (*)

(*) Vergl. Anhang Num. 43. A. d. H.

(2) L. 5. de usurp. et usucap. (*)

(*) Vergl. Anhang Num. 44. A. d. H.

(3) L. 6. §. 1. de poss.


(181) §. 11. Possessio plurium in solidum.

diesen Fall anwenden: denn erstens haben Beide diese Meinung gar nicht gehabt (s. o. S. 176. 177.), und zweitens sagt Ulpian am Ende: wenn der bisherige Besitzer verhindert werde, in sein Grundstück zurückzukehren, so habe der Andere eine violenta possessio. Da nun dieses nicht möglich wäre, wenn derselbe bis auf diesen Augenblick eine clandestina possessio gehabt hätte (1), so hat er nach Ulpians Meinung bisher noch gar keinen Besitz gehabt, und Ulpian nimmt also hier nicht zwei Besitzer zu gleicher Zeit an.

C. Beide Fälle zugleich, der gewaltsame nämlich, so wie der heimliche Besitz, werden in folgender Stelle beurtheilt (2): „Si duo possideant in solidum, videamus, quid sit dicendum: quod qualiter procedat, tractemus. Si quis proponeret possessionem justam, et injustam: ego possideo ex justa causa, tu vi aut clam: si a me possides, superior sum interdicto: si vero non a me, neuter nostrum vinceretur (3): nam et tu possides et ego.“ – Ulpian spricht von dem interdictum uti possidetis, angewendet auf den Besitz, den Mehrere in solidum haben. „Wie ist das möglich? nur so, dass der Eine juste, der Andere injuste, z. B. vi oder clam, besitzt.“ Hier ist offenbar von der Meinung des Trebatius die Rede, aber ohne dass diese gebilligt wird, was auch nach andern Stellen nicht möglich wäre (s. o. S. 176-178).

(1) „Non enim ratio obtinendae possessionis, sed origo nanciscendae exquirenda est.“ L. 6. pr. de poss. – Cuperus de nat. poss. P. 2. C. 20.

(2) L. 3. pr. uti possidetis.

(3) So lesen: Rom. 1476., Nor. 1483., Ven. 1485. – Florent. cum rel. „vincetur.“ Alle Manuscripte, die ich kenne, stimmen mit dem Florentinischen überein (nur liest die Metzer und eben so die Leipziger Handschrift vincet anstatt vincetur); auch kann die hier gegebene Interpretation ohne diese Leseart bestehen.


(182) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Ulpian sagt: si quis proponeret: er nimmt also diese Meinung auf einen Augenblick als wahr an, um zu zeigen, wie das interdictum uti possidetis nach ihr zu beurtheilen wäre (1). Offenbar aber setzt er nur den Fall voraus, wenn der injustus, nicht wenn der justus possessor das Interdict gebrauchen will, denn dieser hätte nach den Worten des Edicts selbst, also nach der Meinung aller Juristen, das interdictum de vi, und nicht das interdictum uti possidetis (*). Also ist die Frage die: ein injustus possessor gebraucht gegen den (vorigen) justus possessor das interdictum uti possidetis, welches ist der Ausgang des Prozesses? Entweder, sagt Ulpian, ist der Beklagte von diesem Kläger aus dem Besitz gesetzt worden, und dann verliert der Kläger, so dass selbst jene Controverse hier keinen praktischen Unterschied macht („superior sum interdicto“, nämlich nach allen Meinungen: nach der Meinung des Trebatius, weil der Beklagte noch Besitzer, und zwar besserer Besitzer war, als der Andere, nach der Meinung des Paulus, wegen der bekannten Exception): oder er war von einem Dritten entsetzt worden, und diesen hat der jetzige Kläger wieder herausgeworfen, dann würde der Prozess nicht zu entscheiden sein (2) („neuter

(1) Cuiacius in observ. Lib. 9. C. 32., Lib. 5. C. 22.

(*) Vergl. Anhang Num. 45. A. d. H.

(2) Dass dieses der einzig mögliche Sinn des: neuter vinceretur oder vincetur sei, dass also nun der Richter keinen Theil verhindern dürfte, dem Andern Gewalt anzuthun, lässt sich leicht zeigen, obgleich es oft bezweifelt worden ist. Nämlich die Condemnation des Beklagten wird, wie Alle zugeben, dadurch ausgeschlossen, aber eben so auch die Lossprechung, denn theils ist bei diesem Interdict, als einem remedium duplex, jede Lossprechung zugleich eine Condemnation, theils ist in dem ersten Fall, dem dieser zweite entgegengesetzt wird, eben diese Lossprechung gemeint.


(183) §. 11. Possessio plurium in solidum.

vinceretur“, nämlich nach der hier vorausgesetzten Meinung des Trebatius: anders nach der Meinung des Paulus und Ulpian, denn nun musste der Kläger gewinnen, weil der Beklagte weder selbst besass, noch eine Exception gegen die Person des Klägers hatte). Hier zeigt sich also ein praktischer Unterschied beider Meinungen, und dabei ist zugleich der Vorzug unserer Meinung offenbar: ja es ist wahrscheinlich, dass Ulpian in dieser ganzen Stelle keine andere Absicht hatte, als durch diese Consequenz die Unhaltbarkeit der anderen Meinung fühlbar zu machen.

D. Bei dem precarium sind zwei Fälle möglich: es ist entweder eine blosse Detention, die sich erst durch die Verweigerung in eine injusta possessio verwandelt, oder es ist gleich Anfangs der juristische Besitz überlassen (S. 174.): für den ersten Fall existirt ausser der allgemeinen und verworfenen Meinung des Sabinus (S. 176.) durchaus keine Anwendung, wohl aber für den zweiten, und hier sind die Compilatoren so inconsequent gewesen, die Meinung des Sabinus wieder aufzunehmen, die sie schon im allgemeinen und in allen übrigen Anwendungen verworfen hatten. Die Stelle ist von Pomponius (1), und sie sagt ausdrücklich, wenn die possessio selbst einem Andern überlassen sei, habe zwar dieser Andere ohne Zweifel den Besitz bekommen, aber auch der Erste habe ihn behalten, obgleich dieses letzte bestritten worden sei. – Untersuchen wir hier wieder die Bedeutung dieses fortdauernden Besitzes: 1. auf das Interdict des Ersten

(1) L. 15. §. 4. de precario (Pomponius lib. 29. ad Sabinum). (*)

(*) Vergl. Anhang Num. 46. A. d. H.


(184) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

(des rogatus) kann er sich nicht beziehen, weil dieser ohne Zweifel ein interdictum recuperandae possessionis (de precario) hat. 2. Auf das Interdict des Andern (des rogans) gegen den Ersten bezogen, hätte der Satz wieder keine praktische Bedeutung, weil dieses Interdict auch ohne Besitz des Beklagten durch eine blosse Exception ausgeschlossen ist. 3. Bei der Usucapion aber ist die Sache von Bedeutung, und hier behauptet demnach Pomponius, die Usucapion werde durch dieses precarium nicht unterbrochen. Aber gerade dieser Zweck wird auch nach der andern Meinung auf eine Art erreicht, nach welcher diese Fiction eben so unmöglich als überflüssig wird: nämlich wenn die Sache zurückgegeben ist, wird nun der Zwischenbesitz des Andern dem vorigen Besitzer mitgerechnet (1), und diese accessio possessionis gilt selbst dann, wenn er den Andern zur Restitution zwingen musste (2), die precaria

(1) „ ... si tamen receperit possessionem rupto precario, dicendum esse, accedere possessionem ejus temporis, quo precario possidebatur.“ L. 13. §. 7. de poss. – Cuperus (P. 2. C. 22.) findet es sehr seltsam, dass die Compilatoren diese Stelle auf die Usucapion bezogen haben, da sie ursprünglich das interdictum utrubi betraf. Allein wie es nur eine possessio giebt, so giebt es auch nur eine accessio possessionis. Alle accessio, zu welchem Zweck es sei, setzt nichts anders voraus, als ein Verhältniss juristischer Succession zwischen dem vorigen und jetzigen Besitzer. Succession nämlich gilt nie bei dem Besitz an sich (S. 44. 45.), sondern nur insofern etwas ausser seinem blossen Dasein nöthig ist, z. B. Fortdauer durch einen bestimmten Zeitraum, wie bei dem interdictum utrubi und der Usucapion: nun aber ist diese Accession immer dieselbe in allen verschiedenen Anwendungen.

(2) L. 13. §. 9. de poss. „Si jussu judicis res mihi restituta sit, accessionem esse mihi dandam placuit.“ – Diese Regel geht auf alle Fälle überhaupt, in welchen eine juristische Succession zwar begründet ist (z. B. durch einen Kauf), die Restitution des Besitzes selbst aber erzwungen werden muss. Giphanius in L. cit. (lectur. Altorph. p. 467.).


(185) §. 11. Possessio plurium in solidum.

possessio also hinterher, durch die verweigerte Restitution, injusta geworden war. Nun ist es sehr natürlich, dass die Juristen, die diese accessio possessionis behaupten, über den Besitz des rogatus überhaupt gerade das Gegentheil von dem sagen, was Pomponius als Regel aufgestellt hatte (1), und es ist hier weniger, als in irgend einem Falle bedenklich, die eine Stelle der Pandekten durch die andere als aufgehoben zu betrachten, weil in der letzten für alles das gesorgt ist, was die erste, nur auf andere Art, bewirken wollte.

Die Resultate dieser Untersuchung über die Meinungen der Römischen Juristen sind diese:

1. Die Regel: plures eandem rem in solidum possidere non possunt ist als Regel zu jeder Zeit anerkannt worden.

2. Die Ausnahmen dieser Regel, über welche allein gestritten wurde, waren nicht von grosser Bedeutung (**).

3. In Justinians Compilation ist die Regel selbst, als allgemeine Regel, anerkannt.

4. Schon deswegen kann in dem neuesten Römischen Recht von keinen Ausnahmen die Rede sein, aber auch unabhängig davon lässt sich hier keine einzelne dieser Ausnahmen behaupten.

Hieraus folgen nun zwei sehr wichtige Regeln, die sich auf die ganze Theorie des Besitzes erstrecken:

A. Wenn, nach der ausdrücklichen Erklärung unserer Rechtsquellen, der bisherige Besitz fortdauert, so

(1) „ ... Si quis ... ea mente possessionem tradidit, ut postea ei restituatur, desinit possidere.“ L. 17. §. 1. de poss. – Diese Stelle und die L. 13. de poss. sind beide aus demselben Werke (Ulpianus ad edictum). (*)

(*) Vgl. Anh. Num. 47. A. d. H.

(**) Vergl. Anhang Num. 48. A. d. H.


(186) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

folgt daraus, dass noch kein neuer Besitz angefangen haben könne.

B. Wenn das Römische Recht einen neuen Besitz anerkennt, so muss eben deshalb der vorige Besitz aufgehört haben.

Der praktische Sinn beider Sätze wird durch folgende Beispiele deutlicher werden:

A. Beispiel für den ersten Satz: es wird ausdrücklich gesagt, dass der Besitz eines Grundstücks, welches heimlich von einem Andern occupirt wird, so lange fortdauere, bis der vorige Besitzer die Occupation erfahren habe (Abschn. 3.). Wenn nun der, welcher heimlich das Grundstück occupirt hat, von einem Dritten mit Gewalt herausgeworfen wird, so müsste dieser Dritte nach der Regel des Erwerbs überhaupt (Abschn. 2.) sogleich Besitzer geworden sein: nach unserm Grundsatz aber hat er den Besitz noch nicht erworben. –

B. Beispiel für den zweiten Satz: es ist oben (S. 117. 118.) bemerkt worden, dass bei dem ager vectigalis und der Emphyteusis der juristische Besitz dem Pachter zugeschrieben werden müsse. Von dem Verpachter sagt das Römische Recht nichts: aber nach unserer Regel muss dessen voriger Besitz durch die Verpachtung nothwendig aufgehört haben.

Beide Sätze gehören an sich nicht zu den juristischen Modificationen des Besitzes (S. 45. 46.), sondern sie folgen aus dessen ursprünglichem Begriff (S. 172. 173.), aber sie können mit einer andern Fiction in Verbindung gebracht werden, und das war der Fall in dem hier gegebenen Beispiel.

Unter den neueren Juristen sind über diesen Gegenstand die Meinungen noch viel mehr getheilt gewesen, als bei den Römern, weil bei jenen, aber nicht bei


(187) §. 11. Possessio plurium in solidum.

diesen (1), ganz falsche Begriffe von possessio überhaupt und ihren Eintheilungen hinzukamen, wodurch die Frage völlig verwirrt werden musste. Doch haben Mehrere die richtige Meinung gründlich vertheidigt (2); Einige haben geradezu das Gegentheil behauptet (3), die Meisten haben durch Distinctionen beide Extreme zu vermitteln gesucht, also die possessio plurium theils zugelassen, theils verworfen (4). – Vaconius und Galvanus haben nicht nur mehrere gleichzeitige Besitzer derselben Sache für möglich gehalten, sondern sogar mehrere Usucapionen: wenn die erste geendigt sei, dauere die andere immer noch fort, und durch Vollendung der zweiten werde das

(1) Doch ist selbst dies nicht unbestritten. Nämlich Merillius (observ. L. 2. C. 31.) erklärt den ganzen Streit der Römer für Wortstreit, was Einige possessio civilis und naturalis nannten, sollen Andere durch possidere und in possessione esse unterschieden haben (s. o. S. 142. 143.).

(2) Cuiacius in observ. L. 9. C. 32., et L. 5. C. 22. Id. in L. 3. §. 5. de poss. (opp. T. 5. p. 708., et T. 8. p. 257.). Obrecht de poss. Cap. 8. Turaminus de subst. poss. C. 1-3. (opp. p. 235-259.). Merenda in contr. L. 12. C. 13. 23. (unter allen am richtigsten). Valentia in ill. jur. tract. L. 1. Tr. 2. C. 3. Ramos de poss. Praetermiss. C. 1. (ap. Meerm. T. 7. p. 84.). Retes de poss. P. 1. C. 2. (ibid. p. 463.).

(3) „Martinus cum suis Gosianis“ (Glossa in L. 3. pr. uti poss.). .Auch gehören dahin Einige, die nur zum Schein, und um nicht geradezu unsern Rechtsquellen zu widersprechen, Distinctionen gebraucht haben, z. B. Zasius in L. 3. §. 5. de poss. (opp. T. 3. p. 111-116. cf. p. 125. 132. 133. 155.) und Oppenritter in Summa Poss. P. 2. C. 3.

(4) Azo in lectura tit. uti poss., et in Summa tit. de poss. n. 10-15. Glossa in L. 3. §. 5. de poss. Odofredus in L. cit. (fol. 55. 56.). Alciatus in L. 1. pr. de poss. n. 64. 65. Vaconius in declar. 72. fol. 68. Duarenus in L. 3. §. 5. de poss. (opp. p. 853.). Giphanius in L. 3. §. 5. de poss. (lect. Alt. p. 418.). Galvanus de usufructu C. 34. in fin. Cuperus de nat. poss. P. 2. C. 13-21. (seine ganze Darstellung ist sehr gründlich und gut, aber am Schlusse giebt er alle Vortheile derselben verloren, weil es ihm an einem richtigen Begriff von possessio fehlt). – Auch scheint in: C. 9. X. de probat. diese Meinung zum Grunde zu liegen.


(188) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Eigenthum wieder genommen, welches die erste gegeben habe. Schon früher hat die Glosse über diese Meinung ein richtiges Urtheil ausgesprochen (1). – Die merkwürdigste Meinung ist die von Westphal (2): nachdem er die Römischen Juristen völlig missverstanden hat, erklärt er sich über die Sache selbst also: „es kommt hier blos auf gewisse theoretische Resultate an, welche sie glaubten aus den Gesetzen oder der Natur der Sache abgeleitet zu haben, die uns also kein Gesetz machen, wenn sie unrichtig gefolgert sind.“ Nun legt er den Römern diesen Fall vor: Ich entsetze einen andern gewaltsam aus dem Besitz, ein gleiches widerfährt Mir von Cajus, nun besitze ja Ich und Cajus zugleich! „Den Fall haben die Alten vermuthlich nicht in Erwägung gezogen.“

Die erste Regel, die aus dieser ausschliessenden Natur des Besitzes für den Erwerb und Verlust desselben abgeleitet worden ist (S. 185. 186.), hat man gewöhnlich durch den Satz ausgedrückt: die possessio muss vacua sein, um erworben werden zu können. Nämlich bei der freiwilligen Uebergabe, so wie bei der gewaltsamen Entsetzung wird die possessio im Augenblick des Erwerbs selbst vacua: wo das nicht ist, wie z. B. bei der heimlichen Occupation eines Grundstücks, kann eben wegen unseres Grundsatzes kein Besitz erworben werden, und so ist die Anwendung dieses Grundsatzes durch jenen Ausdruck ganz richtig bezeichnet (3). Mehrere Schriftsteller haben diese Bestimmung selbst in die Definition des Besitzes aufgenommen (4): allein obgleich dieses in seinen praktischen Folgen nicht unrichtig ist,

(1) Glossa in L. 3. §. 5. de poss. (es wird hier eine andere Meinung durch folgende Consequenz widerlegt): „ergo si omnes habeant bonam fidem ... omnes usucapiunt: quod est absurdum.“

(2) Ueber die Arten der Sachen, Besitz etc. Th. 2. Cap. 2. §. 65.

(3) Obrecht de possessione C. 8.

(4) Obrecht de possessione C. 2. §. 43: „ ... possessionem esse detentionem rei vacuae ... “. cf. §. 89.


(189) §. 11. Possessio plurium in solidum.

führt es doch zu der falschen Ansicht, als ob in dem Begriff selbst etwas dadurch bestimmt würde, da doch dieses Merkmal blos negativer Art ist. Die Römer selbst gebrauchen den Ausdruck zwar in ähnlichem Sinn, aber in einer enger bestimmten Beziehung, um nämlich bei der Tradition eines Grundstücks auszudrücken, dass nicht etwa ein Dritter dasselbe animo besitze. So gehört dieser Ausdruck schon der alten Kunstsprache an (1): in unsern Rechtsquellen findet er sich häufig (2), und in Urkunden über Kauf und Tradition hat er sich das Mittelalter hindurch erhalten (3). Am häufigsten kommt er vor bei dem Kauf, und hier sogar, nach dem eigenthümlichen Inhalt dieses Vertrags, mit einer etwas grösseren Ausdehnung: der Verkäufer nämlich hat keine vacua possessio (im Sinn des Kaufcontracts) tradirt, wenn nur z. B. ein Dritter eine missio in possessionem hat (4), obgleich darin kein wahrer Besitz liegt, also auch nicht der Besitz des Verkäufers, die Tradition und der Uebergang des Eigenthums dadurch gehindert wird.

Cuperus hat zuerst die Regeln ausdrücklich angegeben (5), die man vorher entweder gar nicht aufzustellen, oder durch den Ausdruck vacua possessio auszudrücken pflegte: aber er macht hiervon, wie von seiner richtigen Ansicht dieser Sache überhaupt, einen sehr einseitigen Gebrauch (*).

(1) Cicero pro Tullio Cap. 13.: „neque tamen hanc centuriam Populianam vacuam tradidit.“ Auct. ad Herenn. IV. 29.: „Necesse est ... te aut vacuum possedisse ... vacuum, cum ego adessem, possidere non potuisti.“ Blos anspielend steht der Ausdruck bei Cicero de orat. III. 31. Quinctiliani declamat. XII. 4.

(2) Brissonius v. vacuus.

(3) Marini papiri diplomatici pag. 331. not. 17.

(4) L. 2. §. 1. de act. emti.

(5) de nat. poss. P. 2. C. 19.

(*) Vgl. Anhang Num. 49. A. d. H.


(190) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

§. 12.

Nun erst ist es möglich, über den Plan der folgenden Abhandlung bestimmte Rechenschaft zu geben. Es giebt überhaupt zwei juristische Beziehungen des Besitzes, auf Usucapion und auf Interdicte (§. 2.): allein bei der Usucapion ist es nicht der Besitz allein, was sie möglich macht, sondern es müssen noch andere juristische Bestimmungen gleich Anfangs hinzukommen, bei den Interdicten kommt es lediglich auf das Dasein des Besitzes an, woraus dann bei eintretender Verletzung stets die Interdicte entstehen (§. 7. num. 3.).

Da also das einzige Recht des blossen Besitzes in den Interdicten besteht, so ist das Recht der Interdicte das, was hier dargestellt werden soll. Demnach wird von der Usucapion nicht weiter die Rede sein: allein Alles, was hier vorgetragen werden soll, steht dennoch in genauer Beziehung auf Usucapion, weil es ganz derselbe Besitz ist, der bei den Interdicten und bei der Usucapion als Bedingung vorausgesetzt wird. Nur was zu dem Besitz selbst noch hinzukommen muss, um ihn der Usucapion fähig zu machen, gehört allein in die Theorie des Eigenthums. Aber eben wegen dieser genauen Verbindung des Besitzes mit der Usucapion sind die Rechtsquellen, worin diese letzte bestimmt wird, auch in der Theorie des Besitzes überhaupt als Quellen zu gebrauchen: auch ist bereits in der Quellenkunde diese Bemerkung benutzt worden.

Es ist demnach ein Theil des Obligationenrechts, welcher hier dargestellt werden soll (§. 6.), und es werden zwei Fragen beantwortet werden müssen, um diese Aufgabe vollständig zu lösen. Erstens: wann ist Besitz vorhanden, d. h. wann ist das Dasein des Verhältnisses anzunehmen, ohne welches diese obligatio ex delicto nicht entstehen kann? Zweitens: was muss zu jenem Verhältniss hinzukommen, damit diese obligatio


(191) §. 12. Erklärung der Juris quasi Possessio.

wirklich entstehe (1), d. h. wie muss der Besitz verletzt werden, wenn die obligatio aus dieser Verletzung entstehen soll? Die erste dieser Fragen ist wieder in zwei andere aufzulösen: wie wird der Besitz erworben? (Abschn. 2.), wie wird der erworbene Besitz wieder verloren? (Abschn. 3.). – Die zweite Frage wird durch die Darstellung der verschiedenen Interdicte beantwortet sein (Abschn. 4.), indem diese den verschiedenen Formen der Verletzung selbst correspondiren.

Allein noch ist einer Beziehung des Besitzes nicht erwähnt worden, die hier, wo für jeden Theil der folgenden Abhandlung der Gesichtspunkt angegeben werden soll, nothwendig erklärt werden muss. Ich habe nämlich bisher stillschweigend vorausgesetzt, dass aller Besitz nur auf Körper sich beziehen könne. Auch im Römischen Recht kommt dieser Satz nur selten und beiläufig vor (2): er ist jedoch in der ganzen Darstellung der Römischen Juristen so offenbar enthalten, dass man schon von aussen einen falschen Begriff mit hinzugebracht haben muss, um ihn bezweifeln zu können. Nun wird aber auch eine Beziehung des Besitzes auf unkörperliche Sachen behauptet: was dieser Besitz in dem Römischen Recht selbst und bei unseren Juristen für eine Bedeutung habe, soll also hier untersucht werden.

(1) Es bedarf kaum einer Erinnerung, dass dadurch der Interdictenbesitz nicht etwa dem Usucapionsbesitz ähnlich werde, bei welchem auch etwas zu dem blossen Dasein des Besitzes hinzukommen musste. Denn was bei der Usucapion hinzukommen muss, sind in der That Bestimmungen des Besitzes selbst: dagegen ist hier blos von einer besondern Art der Verletzung die Rede, wodurch die Natur des Besitzes durchaus keine neue Bestimmungen erhält.

(2) L. 3. pr. de poss.: „Possideri autem possunt quae sunt corporalia.“ L. 4. §. 27. de usurp.: „quia nec possideri intelligitur jus incorporale.“


(192) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

Das Recht der Interdicte gründet sich darauf, dass die Ausübung des Eigenthums auf eine unrechtliche Art, z. B. durch Gewalt, gestört wurde. Wenn nun bei irgend einem andern Recht auch eine gewaltsame Störung der blossen Ausübung gedacht werden könnte, so wäre es ganz consequent, auch gegen diese Störung durch solche Interdicte zu schützen. Das ist aber der Fall bei allen Bestandtheilen des Eigenthums, welche als eigene Rechte für sich, und abgesondert vom Eigenthum selbst, existiren können. Ein solches Recht ist der ususfructus, und es ist auf den ersten Blick klar, dass hier eine gewaltsame Störung eben so leicht gedacht werden könne, als bei dem Eigenthum selbst: eben so bei allen übrigen Servituten, und eben so bei der superficies: kurz, bei allen Rechten überhaupt, welche unter dem Namen jura oder jura in re, als abgesonderte Bestandtheile des Eigenthums, dem dominium, als der Totalität aller dinglichen Rechte überhaupt, entgegengesetzt werden. Von diesen Rechten ist oben (S. 114. 115.) bewiesen worden, dass kein animus domini, also auch kein wahrer Besitz, bei dem, der sie ausübt, gedacht werden könne. Da aber die Ausübung derselben auf eben die Weise gewaltsam gestört werden kann, wie die des Eigenthums, so ist hier eine mögliche Beziehung des Besitzes auf andere Rechte als das Eigenthum gefunden, und diese Beziehung ist in dem Römischen Recht wirklich enthalten. Also wie der wahre Besitz in der Ausübung des Eigenthums besteht, so besteht dieser nachgebildete Besitz in der Ausübung eines jus in re: und wie man bei dem wahren Besitz zwar die Sache besitzt (possessio corporis), aber nicht das Eigenthum, so sollte auch hier eigentlich nicht von dem Besitz der Servitut (possessio juris), die Rede sein. Allein da wir kein anderes Wort haben, an welches wir hier den Besitz knüpfen könnten, so wie er im Eigenthum mit der Sache verknüpft ist, so bleibt


(193) §. 12. Erklärung der Juris quasi Possessio.

nichts übrig, als dennoch jenen uneigentlichen Ausdruck zu gebrauchen: dabei ist nur nie zu vergessen, dass es wirklich ein uneigentlicher Ausdruck ist, und dass nichts anderes damit bezeichnet werden soll, als die Ausübung eines jus in re, welche zu dem jus in re selbst in demselben Verhältniss steht, wie der eigentliche Besitz zum Eigenthum. Die Römischen Juristen haben das alles sehr deutlich gedacht: und nur auf diese Art erklärt es sich, warum ihr Sprachgebrauch hier so schwankend zu sein scheint. In manchen Stellen nämlich wird hier possessio geradezu geleugnet (1), in andern auch geradezu angenommen (2), in noch andern aber wird das uneigentliche, was in diesem Sprachgebrauche liegt, durch quasi possidere, quasi in possessione esse bezeichnet (3).

Bei diesem sogenannten Besitz unkörperlicher Sachen ist es nöthig, eine zweifache Verwechslung sorgfältig zu

(1) „neque ususfructus neque usus possidetur, sed magis tenetur.“ L. 1. §. 8. quod legat. add. L. 4. §. 27. de usurp. – L. 32. §. 1. de serv. praed. urb.

(2) „jus fundi possedisse“ L. 7. de itin. – „jus possedit.“ L. 2. comm. praed. – „possessionem vel corporis vel juris.“ L. 2. §. 3. de precar. – „Nemo ambigit, possessionis duplicem esse rationem: aliam quae jure consistit, aliam quae corpore.“ L. 10. C. de poss. Nämlich consistere jure, corpore heisst hier: ein jus oder ein corpus zum Gegenstand haben. Cuperus (P. 1. C. 4.) hat diese Interpretation sehr gründlich durchgeführt, und man kann sie als den gelungensten Theil seiner Schrift betrachten.

(3) „ususfructus nomine ... quasi in possessione.“ L. 3. §. 17. de vi. – „ususfructus quasi possessio.“ L. 23. §. 2. ex quibus causis majores. – „longa quasi possessione jus aquae ducendae nactus.“ L. 10. pr. si servitus

vind. – – Quasipossessio, als ein Wort, kommt nie vor, sondern quasi wird hier, wie bei obligatio quasi ex contractu etc. immer adverbialiter gebraucht, so dass durchaus kein Fall existirt, in welchem es nicht geradezu durch gleichsam übersetzt werden könnte. Vergl. Weber von der natürl. Verbindl. §. 25. not. 1. (So konnte noch in der 2. Ausg. dieses Werks geschrieben werden, durch Gaius Lib. 4. §. 139. ist Quasipossessio als ein für sich bestehender Ausdruck gerechtfertigt.)


(194) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

vermeiden. Erstlich kann in derselben Person zugleich von einer possessio corporis oder juris die Frage sein; diese müssen genau unterschieden werden, und dadurch, dass man sie nicht immer unterschieden hat, ist der Begriff des Besitzes nicht wenig verwirrt worden. So z. B. hat der fructuarius an der Sache selbst, d. h. in Beziehung auf das Eigenthum, gar keinen juristischen Besitz, so dass seine possessio blos naturalis ist (1), und dass der juristische Besitz des Eigenthümers durch ihn eben so wenig verhindert wird, als durch einen blossen Pachter: allein an seinem jus ususfructus hat er den juristischen Besitz, und deswegen kann er die possessorischen Interdicte ohne Zweifel gebrauchen. Durch die ganz unrichtige Verbindung jener possessio naturalis mit diesem Recht auf die Interdicte ist Bassian zu einem zweifachen Irrthum geführt worden (S. 144.), indem er nicht nur den Interdictenbesitz durch naturalis possessio bezeichnete, sondern auch dem fructuarius den juristischen Besitz der Sache selbst beilegte, den der Pfandgläubiger wirklich hat, aus welchen Irrthümern dann nothwendig noch der dritte folgen musste, dass zwei juristische possessiones (nämlich eine civilis und eine naturalis) nebeneinander sollten gedacht werden können (S. 187.). – Die zweite Verwechslung, die hier verhütet werden muss, ist diese: es wird unten von einer possessio ususfructus und von einer possessio hereditatis (bonorum) die Rede sein, d. h. des ususfructus oder des Erbrechts, die blos durch das Edict, nicht nach Civilrecht, bestehen (S. 200.); eben so ist bereits oben eine juris possessio bei der hereditatis petitio und eine libertatis und servitutis possessio bei dem liberale judicium vorgekommen (S. 107.); damit steht indessen die juris quasi possessio, wovon hier die

(1) L. 12. pr. de poss.


(195) §. 12. Erklärung der Juris quasi Possessio.

Rede ist, durchaus in keiner Verbindung, da in jenen Stellen possessio selbst gar nicht mehr den Besitz, sondern entweder ein blos prätorisches Recht, oder das prozessualische Verhältniss eines Beklagten bezeichnet.

Ein grosser Theil unserer Juristen hat dieses Stück der Theorie des Besitzes gänzlich missverstanden. Weil man nämlich die bestimmte Bedeutung des Römischen: jus (in re) übersah, erklärte man die juris quasi possessio für Ausübung eines Rechts überhaupt (1); nun lässt sich freilich bei jedem Recht auch eine Ausübung denken, aber nicht bei jedem eine gewaltsame Störung oder Usucapion, und doch sind das die einzigen Beziehungen, unter welchen die Ausübung eines Rechts als ein juristisches Verhältniss betrachtet wird. – Durch jene leere Abstraction kam Hommel (2) zu der Frage, die er selbst für unauflöslich erklärt: warum der Arzt, den man zu brauchen aufhöre, nicht im Besitz dieses Rechts geschützt werden müsse? Spangenberg (3) ging in der Vollständigkeit so weit, dass er als den ersten möglichen Gegenstand der quasipossessio das Eigenthum nannte. Da indessen auch der Besitz als ein Recht betrachtet wird, so ist nicht einzusehen, warum es nicht auch eine possessionis quasi possessio geben sollte; dieser Besitz der zweiten Potenz wäre natürlich wieder Gegenstand eines neuen Besitzes, und so in’s Unendliche fort. Sibeth ist hier, wie überhaupt, ganz originell: er leugnet alle juris quasi possessio (4), und geht übel mit den Juristen

(1) Indessen ist nicht zu leugnen, dass bei den meisten auch das Canonische Recht mit zu diesem Begriffe beitrug; davon unten.

(2) Rhapsod. 489.

(3) Vom Besitz §. 102.

(4) Eines seiner besten Argumente lautet so (vom Besitz S. 80.): „Die natürliche Freiheit schlägt alles zu Boden, denn sie ist nicht nur in der Vernunft, sondern auch in den Gesetzen gegründet.“ Wenn sich die natürliche Freiheit so aufführt, muss man sie ihrer natürlichen Freiheit berauben.


(196) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

um, die sie behaupten; natürlich weiss er hier, wie überall, gar nicht, wovon die Rede ist (1).

Es muss also nun zu der Theorie des Besitzes selbst (Abschn. 2-4.) noch die Theorie der Anwendung seiner Grundsätze auf jura in re (Abschn. 5.) hinzukommen.

Allein auch damit ist noch nicht alles geleistet. Der Begriff und die Rechte des Besitzes sind in dem Recht neuerer Zeiten auf mancherlei Weise anders als bei den Römern bestimmt worden. Soll also eine Theorie des Besitzes auf praktische Anwendung Anspruch machen können, so muss sie den Ansichten des Römischen Rechts die Modificationen hinzufügen, unter welchen jene Ansichten für uns praktische Gültigkeit haben. Allein auch für die gründliche Kenntniss des Römischen Rechts ist dieser letzte Theil der Untersuchung (Abschn. 6.) nicht ohne Werth, indem das Wesentliche vom Zufälligen auf keine Art sicherer geschieden werden kann, als wenn die Grundsätze beibehalten und nur die Bedingungen der Anwendung verändert werden.

Demnach ist der Gang der folgenden Untersuchung dieser: zuerst wird das Römische Recht vollständig dargestellt (Abschn. 2-5.), dann werden die Modificationen der neueren Rechte hinzugefügt werden (Abschn. 6.). Das Römische Recht betrifft theils den Besitz selbst (Abschn. 2-4.), theils die Anwendung seiner Grundsätze auf jura in re (Abschn. 5.); das Recht des Besitzes selbst aber beruht theils auf dem Dasein des Besitzes (Abschn. 2. 3.), theils auf den bestimmten Formen seiner Verletzung (Abschn. 4.).

(1) [Zusatz der 7. Ausg.] Handschriftliche Bemerkung des Verfs.: „Vergl. Rosshirt zu der Lehre vom Besitz und insbesondere von der Quasipossessio. Scheint sehr verworren.“ A. d. H.


(197) §. 12 a. Geschichte des Besitzes.

§. 12 a.

Zuletzt ist noch die historische Frage zu beantworten, wie man darauf kam, den Besitz, unabhängig von irgend einem Recht auf die Sache, durch Interdicte zu schützen. Man möchte nämlich glauben, dass das Recht des Eigenthums völlig hingereicht haben müsste, und dass für den Besitz und seine Interdicte kein Bedürfniss empfunden worden wäre, besonders bei einem Volk, wie das Römische, das von Natur und bis zur gänzlichen Auflösung des alten Sinnes durch die Bürgerkriege, mehr zu rechtlicher Ordnung als zu Gewaltthätigkeiten geneigt war. Wie kamen also die Römer, und vielleicht schon sehr frühe, auf den Besitz als Grund eigener Interdicte?

Sollten sie etwa blos dazu dienen, den Streit über Eigenthum vorzubereiten und einzuleiten, indem sie den Kläger und den Beklagten ausmittelten? aber darauf bezog sich ja bei dem Eigenthum selbst eine besondere Prozessform, die manus consertae (1). – Oder sollten sie die angefangene, noch unvollendete, Usucapion schützen (2)? Aber dann wäre es natürlicher gewesen, ihnen (so wie der publiciana actio) genau dieselben Bedingungen vorzuschreiben, wie der Usucapion, anstatt dass der Besitz auch ohne bona fides und ohne justa causa durch Interdicte geschützt wird. Auf der andern Seite, wenn die Interdicte der Usucapion wegen eingeführt waren, mussten sie auch so weit ausgedehnt werden, als die Usucapion, nämlich auf bewegliche Sachen so gut als auf Grundstücke. Allein gerade die wichtigsten, die interdicta recuperandae possessionis, gingen nur auf Grundstücke

(1) Von dem Verhältniss der Interdicte zur Vindication ist beiläufig schon oben gesprochen worden, am Schluss von §. 2., ausführlich wird es noch unten geschehen §. 36.

(2) Diese Erklärung habe ich früherhin angenommen, 2. Ausg. S. 68.


(198) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

allein (1), dienten also der Usucapion nur zu einem sehr unvollständigen Schutz.

Niebuhr hat diese Entstehung des Besitzes auf eine völlig befriedigende Weise erklärt (2). Es gab zweierlei Land in der Römischen Republik, ager publicus und ager privatus, an welchem letzten allein Eigenthum galt. Allein auch der ager publicus wurde nach der alten Verfassung grösstentheils an einzelne Römische Bürger zum Besitz und Genuss überlassen, jedoch so, dass stets die Republik das Recht behielt, ihn völlig willkührlich einzuziehen. Nun finden wir für diesen Besitz der Einzelnen am ager publicus, also für eines der wichtigsten und häufigsten Verhältnisse im alten Rom, nirgends eine bestimmte Rechtsform erwähnt, obgleich es bei dem juristischen Ordnungssinn der Römer gar nicht zu bezweifeln ist, dass eine solche Rechtsform, und insbesondere, dass ein Schutz des Inhabers gegen willkührliche Störung eingeführt war. Dürfte man nun annehmen, dass der Interdictenbesitz eben diese Rechtsform für den ager publicus gewesen wäre, so würden damit zwei Aufgaben zugleich gelöst sein: für den Besitz wäre ein ursprünglicher Zweck, eine erste Veranlassung gefunden, für den ager publicus aber eine Rechtsform.

Liesse sich nicht mehr als dieses dafür sagen, so würde es eine Hypothese bleiben, welche nur durch inneren Zusammenhang einige Wahrscheinlichkeit erhielte. Allein es fehlt dieser Behauptung nicht an den wichtigsten historischen Bestätigungen:

1. Vor allem Andern ist zu bemerken, dass possessio, possessor und possidere nach vielen Stellen der verschiedensten

(1) Für das int. de vi ist dieses ohnehin bekannt, für die übrigen wird davon §. 41. 42. die Rede sein.

(2) Niebuhr Röm. Geschichte Th. 2. S. 161 fg. 170. fg. der 2. Ausgabe.


(199) §. 12 a. Geschichte des Besitzes.

Zeiten die eigenthümlichen Kunstausdrücke für den Besitz und Genuss des ager publicus waren (1). Diese Gemeinschaft der Terminologie zwischen unserm Besitz und dem ager publicus lässt sich aber gewiss nicht einfacher und befriedigender erklären, als aus der ursprünglichen Identität der Gegenstände selbst, wie sie eben hier behauptet wird.

Hieraus erklären sich ferner manche andere Bedeutungen von possessio, die nunmehr in einem höchst einfachen, ja nothwendigen Zusammenhang stehen. Nämlich possessio heisst oft das Erbrecht, oder eine Servitut, wenn diese Rechte nicht nach strengem Civilrecht gültig sind, sondern nur nach jus gentium, welches dann häufig durch das prätorische Edict bestätigt worden ist. Dahin gehören folgende einzelne Anwendungen:

a) Bei dem damnum infectum sagt der Prätor, in Beziehung auf die zweite missio in possessionem, die dabei vorkommen konnte: possidere jubebo (2). Dieses

(1) Viele Stellen sind gesammelt bei Niebuhr Th. 2. S. 359. 360. (S. 161 der 2. Ausg.). Ich füge noch einige andere hinzu: Livius VII. 16. „Eodem anno C. Licinius Stolo ... est damnatus, quod mille jugerum agri cum filio possideret, emancipandoque filium fraudem legi fecisset.“ Eben so bei allen andern Schriftstellern in derselben Erzählung. Columella I. 3. Plinius hist. nat. XVIII. 3. Valer. Max. VIII. 6. 3. Dieser letzte entstellt jedoch die ganze Geschichte nach seiner höchst unzuverlässigen Weise, indem er aus der offenbar richtigen Emancipation des Sohnes eine hier ganz unmögliche Emancipation des Landes an den Sohn macht: „dissimulandique criminis gratia dimidiam partem filio emancipavit.“ Eine der entscheidendsten Stellen, ohne Zweifel aus einer alten, guten Quelle genommen, ist bei Orosius V. 18. (ad a. 661.): „Namque eodem anno ... loca publica quae in circuitu Capitolii pontificibus, auguribus, decemviris et flaminibus in possessionem tradita erant, cogente inopia vendita sunt, “ d. h. sie wurden eingezogen und in ager privatus verwandelt.

(2) L. 7. pr. de damno inf.


(200) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

possidere aber bedeutete bonitarisches Eigenthum mit conditio usucapiendi (1).

b) Wenn ein Ususfructus nicht nach Civilrecht, sondern nur nach prätorischem Recht bestehen konnte, so hiess das: possessio ususfructus im Gegensatz von dominium ususfructus, oder von ususfructus qui jure consistit (2).

c) Eben so ist der Ausdruck hereditatis oder bonorum possessio zu erklären, womit gar nicht etwa der wirkliche Besitz der Erbschaftssachen, sondern die besondere Natur des prätorischen Erbrechts bezeichnet wird (3). Der prätorische Erbe nämlich ist nicht heres, aber er wird durch Fiction dem heres gleich behandelt (4), so dass sich die bonorum possessio zu der hereditas genau so verhält, wie das bonitarische Eigenthum zum quiritarischen.

Diese Bedeutung von possessio aber ist aus der zuerst angegebenen (für Recht am ager publicus) sehr natürlich entstanden. Denn alle diese Fälle kamen darin überein, dass ohne streng Römisches Eigenthum (ex jure Quiritium) dennoch etwas praktisch Aehnliches entstand, nämlich ein wirklicher, ausschliessender Anspruch eines Einzelnen auf Genuss und Gebrauch; so verschieden nun übrigens diese Rechte noch unter einander sein mochten, so konnte diese allgemeine Aehnlichkeit dennoch leicht die gemeinsame Bezeichnung veranlassen. Nach derselben Analogie wurde ohne Zweifel auch das Recht am Provinzialboden possessio genannt (*).

(1) L. 15. §. 16. 17. de damno inf. L. 18. §. 15. eod. – L. 3. §. 23. de poss.

(2) L. 3. si usufr. petatur (cf. L. 1. pr. L. 4. L. 29. §. 2. quib. modis usufr. L. 29. de usu et usufr. leg.).

(3) L. 3. §. 1. de bon. poss.

(4) Ulpian. XXVIII. 12.

(*) Vgl. Anhang Num. 50. A. d. H.


(201) §. 12a. Geschichte des Besitzes.

Dieselbe Bedeutung von possessio ist dann von dem Recht selbst auf den Gegenstand desselben übertragen worden. So sagt Javolenus in einer sehr merkwürdigen Stelle, ager und possessio seien juristisch verschieden: ager sei ein Grundstück im quiritarischen Eigenthum; possessio aber ein solches Grundstück, das wir entweder zufällig nur im bonitarischen Eigenthum haben (wie z. B. ein blos tradirter fundus Italicus) oder das seiner Natur nach gar nicht im quiritarischen Eigenthum sein könne (1). Mit diesen letzten Worten meinte er ohne Zweifel zunächst Provinzialgrundstücke, sie passen aber eben so gut auf den alten ager publicus.

Dass nun so durch jene historische Ansicht von der Entstehung des Besitzes mehrere sehr eigenthümliche Bedeutungen von possessio in die strengste Verbindung gebracht werden (2), ist gewiss ein sehr bedeutender Grund für die Richtigkeit jener historischen Ansicht selbst.

2. Hieraus erklärt sich denn auch ganz einfach, was ausserdem so seltsam scheint, dass nämlich die int. recuperandae possessionis nur auf Grundstücke, nicht auf

(1) L. 115. de V. S. „Possessio ab agro juris proprietate distat: quidquid enim adprehendimus, cujus proprietas ad nos non pertinet, aut nec potest pertinere, hoc possessionem appellamus. Possessio ergo usus, ager proprietas loci est.“ Alciat hat die Stelle weitläufig erklärt (de quinque pedum praescript. num. 76-119. und in L. 115. de V. S., opp. T. 3. p. 350. T. 2. p. 987), aber auf mancherlei Weise missverstanden: seine Gegner haben sich noch weniger zu helfen gewusst (opusc. de latin. Ic. ed. Duker pag. 64. 70. 85). Brissonius hat zuerst die richtige Erklärung angegeben (select. antiq. IV. 1) und ihm sind die Meisten gefolgt.

(2) Man könnte noch weiter gehen, und possessio für Eigenthum überhaupt (s. o. S. 104. 105.) hieraus ableiten wollen, wenn nicht die oben gegebene Ableitung so sehr natürlich wäre; wie natürlich sie ist, erhellt am meisten daraus, dass im deutschen Besitz und Besitzung dieselbe Bedeutung erhalten haben, gewiss ohne Einfluss des Römischen ager publicus.


(202) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

bewegliche Sachen gingen. Es war dieses ein Ueberbleibsel der ursprünglichen Bestimmung der possessio, nach welcher sie lediglich dem ager publicus angehörte (1).

3. Auch das Precarium, das in unsern Rechtsquellen so räthselhaft erscheint, bekommt nunmehr eine sehr bestimmte Bedeutung, woraus sich seine Eigenheiten leicht erklären. Es bezeichnet nämlich das Verhältniss des Clienten, welcher als Lehenmann auf der possessio des Patrons wohnte. Der Patron konnte dem Clienten willkürlich kündigen, und das interdictum de precario war dazu bestimmt, ihn auszutreiben, wenn er nicht gutwillig das Grundstück räumte (§. 42).

4. Eben so liegt hierin eine historische Erklärung für die oben bemerkte Inconsequenz, dass bei dem ager vectigalis der Pachter, obgleich ihm nur ein jus in re zugeschrieben werden kann, dennoch den Besitz der Sache hat (S. 117. 118.). Der ager vectigalis nämlich wurde nach der Analogie des alten ager publicus gebildet, und so viele und wichtige Verschiedenheiten zwischen beiden gelten mochten (2), so ist doch auch nichts natürlicher, als dass diese Analogie ohne weitern Grund manche praktische Rechtssätze für den ager vectigalis veranlassen musste. Da nun gerade die possessio bei dem ager publicus sogar zuerst entstanden war, so war es natürlich, dass man sie in dem ager vectigalis, als der neueren Form des ager publicus, fortdauern liess. Diese Erklärung ist gewiss der Hinneigung zum Alterthümlichen sehr angemessen, die im alten Römischen Recht unverkennbar ist (*).

(1) [Zusatz der 4. Ausg.] Ich sage damit nicht, dass es ausserdem an aller Erklärung dieses Umstandes gänzlich fehlen würde. Denn allerdings kommt auch in Betracht, dass bei beweglichen Sachen meist schon andere Klagen aushelfen, die nicht auf den Besitz gegründet sind (§. 40).

(2) Niebuhr Th. 2. S. 166. der 2. Ausg.

(*) Vgl. Anh. Num. 51. A. d. H.


(203) §. 12 a. Geschichte des Besitzes.

5. Der vollständige Zusammenhang ist nun so zu denken. Ursprünglich, und von den ältesten Zeiten her, gab es zweierlei Recht am Boden: Eigenthum am ager privatus mit Vindication, und possessio am ager publicus mit einem ähnlichen Schutz, wie wir ihn jetzt in den prätorischen Interdicten finden. – Späterhin nahm der Prätor dieses Rechtsverhältniss in das Edict auf, und so entstanden die Interdicte als prätorische Rechtsmittel, vielleicht ohne eine merkliche Aenderung in den Rechtssätzen selbst. – Gleichfalls in einer spätern Zeit fand man es bequem, die possessio, die sich nun einmal für den ager publicus ausgebildet hatte, auch auf den ager privatus anzuwenden, für welchen sie weniger dringendes Bedürfniss war und wofür man sie schwerlich zuerst erfunden haben würde. Und diese spätere Anwendung auf den ager privatus ist das einzige, was uns in unsern Rechtsquellen, die den ager publicus fast gar nicht mehr kennen, übrig geblieben ist. Ob nun diese Ausdehnung älter oder neuer ist, als die Aufnahme der Interdicte in das Edict, und wie überhaupt das Edict die Sache aufnahm und behandelte, wissen wir durchaus nicht; dass zu Cicero’s Zeit die possessorischen Interdicte schon eingeführt waren, ist das einzige historisch Gewisse. Dennoch finden wir selbst im Edict einige Spuren des ursprünglichen Zusammenhangs zwischen der possessio und dem ager publicus. Eine solche Spur liegt gerade in der Form der Interdicte, die man für die possessio, zugleich aber auch für den locus publicus, flumen publicum etc. wählte; eine Folge davon ist, dass diese Gegenstände im Edict selbst (so wie noch jetzt in den Pandekten) ganz nahe zusammen stehen. Eine zweite Spur liegt in der Formel des Interdicts uti possidetis. Diese lautet nämlich in den Pandekten so: uti eas aedes ... possidetis ... vim fieri veto. Allein früher war sie so abgefasst: uti nunc possidetis eum fundum ... vim


(204) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.

fieri veto (1). Diese frühere Formel scheint noch aus der alten Verbindung mit dem ager publicus übrig zu sein, als aber diese immer mehr vergessen wurde, scheint man aedes gesetzt zu haben, da nun Häuser in Rom allerdings als das nächste und vornehmste Beispiel angesehen werden konnten (*).

(1) Festus v. possessio. Er citirt gleich zu Anfang den Gallus Aelius, aus welchem auch diese Formel genommen sein mag. – Neuerlich hat Huschke mit scheinbaren Gründen zu zeigen gesucht, das Edict habe vielmehr zwei verschiedene Formeln für dieses Interdict enthalten, eine für den fundus, die andere für aedes. (Ueber die Stelle des Varro etc. p. 110. fg.)

(*) Vergl. Anhang Num. 52. A. d. H.


(205)

Zweiter Abschnitt.

Erwerb des Besitzes.

§. 13.

Der Inhalt dieses Abschnitts ist bereits durch die Darstellung des materiellen Begriffs des Besitzes (§. 10) vorgezeichnet. Aller Erwerb des Besitzes beruht auf einem körperlichen Handeln (corpus oder Factum), von einem bestimmten Wollen (animus) begleitet (1). Das Factum muss den, welcher den Besitz erwerben soll, in eine solche Lage setzen, dass Er, und Er allein, nach Willkür die Sache behandeln, d. h. Eigenthum ausüben könne. Das Wollen muss darauf gerichtet sein, dass die Sache auch wirklich als eine eigne Sache behandelt werde; nur wenn der Besitz durch eine juristische Handlung von dem früheren Besitz eines Andern abgeleitet wird, ist es genug, diese Uebertragung zu wollen, so dass nun der Besitz erworben werden kann, obgleich das Eigenthum einer andern Person anerkannt wird.

(1) „adipiscimur possessionem corpore et animo, neque per se animo aut per se corpore.“ L. 3. §. 1. de poss. – „Possessionem adquirimus et animo et corpore ... “ Paulus V. 2. §. 1. – L. 8. de poss. L. 153. de R. I.


(206) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Allein der Besitz wird als Recht betrachtet, und alle Rechte überhaupt kann Jeder nicht nur durch seine eignen Handlungen, sondern auch durch die Handlungen seiner Sclaven und Kinder erwerben (1): ja der Besitz kann uns selbst ausser diesen beiden juristischen Verhältnissen durch Andere erworben werden (2). In allen diesen Fällen aber, in welchen durch Andere der Besitz erworben werden soll, gilt dieselbe Regel des Erwerbs, wie bei eignen Handlungen, und es ist nur zu bestimmen, wie diese Regel hier angewendet werden müsse:

Dieser Abschnitt wird demnach folgende Gegenstände zu untersuchen haben:

1. Das körperliche Handeln, welches die erste Bedingung alles Besitzes ist.

2. Das Wollen, was mit jenem Handeln theils bei dem ursprünglichen, theils bei dem abgeleiteten Besitz verbunden sein muss.

3. Die Anwendung aller dieser Regeln auf den Erwerb durch Andere.

Erst am Schluss des ganzen Abschnitts wird vollständig angegeben werden können, wodurch der Erwerb des Besitzes von dem Erwerb aller andern Rechte sich unterscheide.

§. 14.

In der ganzen Theorie des Besitzes scheint nichts leichter und sicherer zu bestimmen, als die Beschaffenheit der körperlichen Handlung (Apprehension), welche zum Erwerb des Besitzes nöthig ist: und doch ist über keinen Punkt das Römische Recht so allgemein missverstanden worden, als über diesen. Alle Schriftsteller haben unter jenem Factum eine unmittelbare Berührung des

(1) pr. I. per quas pers.

(2) §. 5. I. per quas pers.


(207) §. 14. Apprehension.

eigenen Körpers gedacht, also nur zwei Arten desselben angenommen: Ergreifen mit der Hand bei beweglichen Sachen und Betreten mit den Füssen bei Grundstücken. Da aber im Römischen Rechte viele Fälle vorkommen, in welchen zwar auch durch körperliche Handlungen, aber ohne solche unmittelbare Berührung, Besitz erworben wird, so hat man diese als symbolische Handlungen betrachtet, wodurch vermittelst einer juristischen Fiction die wahre Besitzergreifung repräsentirt werde (actus adscititii, apprehensio ficta). Da diese Ansicht der Sache ganz allgemein ist (1), so hat man es nie für nöthig gehalten, ihre Richtigkeit zu beweisen, und sie kommt daher bei allen Schriftstellern so ziemlich auf dieselbe Art vor: deswegen ist es hier für die Geschichte derselben hinreichend, zu bemerken, dass schon die Glossatoren sie haben (2), und dass selbst Donellus nicht frei davon ist (2).

Nun ist oben (§. 5) gezeigt worden, dass allerdings der Besitz im Römischen Recht oft angenommen werde, ohne dass die natürliche Detention vorhanden ist. Dass also überhaupt ein fingirter Besitz gedacht werden könne, ist kein Zweifel, und die Frage ist nun so zu bestimmen: kommt bei dem Erwerb des Besitzes eine solche Fiction wirklich vor, so dass hier symbolische Handlungen die

(1) Ich nenne sie allgemein, weil die Ausnahmen davon nicht nur unbedeutend, sondern auch ohne Einfluss geblieben sind. So sind Einige durch naturrechtliche Missverständnisse auf die ganz unrichtige Ansicht gekommen, die freilich zu ganz andern Resultaten führt: es komme blos auf Willenserklärung an. Dahin gehören: S. P. Gasser diss. de apprehensione possessionis. Hal. 1731. (C. 1. 2.). Beni. Pauw. diss. de apprehensione possessionis. Trajecti 1737. (C. 1. 2). – Spuren dieser Meinung finden sich noch früher, z. B. bei Noodt (probab. II. 6.), der sogar über den Grundsatz der Apprehension unter den Römischen Juristen Streit entstehen lässt.

(2) Azonis Summa in Cod. tit. de poss. num. 7. 8. (fol. 134.).

(3) Donelli comment. Lib. 5. Cap. 9.


(208) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Stelle der eigentlichen Apprehension vertreten können (1)? Dass es für die Theorie von Wichtigkeit sei, eine richtige Antwort auf diese Frage zu finden, bedarf keines Beweises: aber es fehlt auch nicht an praktischen Folgen, die davon abhangen, obgleich zunächst blos von der juristischen Erklärung der einzelnen Fälle die Rede ist, welche selbst in unsern Rechtsquellen als Besitzerwerbungen ausdrücklich anerkannt sind. Gründen sich nämlich jene Fälle blos auf eine juristische Fiction, so ist es ganz consequent, sie auf mancherlei Weise zu beschränken, und diese Einschränkungen, die keineswegs in den Quellen selbst bestimmt sind, haben unsere Juristen hinzuzuthun nicht versäumt. So soll aller Erwerb dieser Art ausgeschlossen sein, wenn die Handlung unrechtlich ist, also den Vortheil einer juristischen Fiction nicht verdient (2): eben so, wenn nicht durch eigne Handlungen, sondern durch andere Personen Besitz erworben werden soll (3): ja es wird dieser Erwerb blos auf die Uebertragung eines fremden Besitzes durch Tradition beschränkt (4), oder gar nur als Folge des Eigenthums betrachtet, das also immer zugleich erworben werden müsste, wenn der Besitz auf diese Art erworben werden sollte (5).

(1) Also ist fingirter Besitz die Gattung, unter welcher der Besitz, der sich auf eine fingirte Apprehension gründet, als Art enthalten ist. Mehrere haben mit grosser Mühe und ohne Zweck dieses zu widerlegen gesucht: Alciatus in L. 18. de poss. n. 3. 4. (p. 1245). Duarenus in L. 1. §. 21. de poss. (p. 840).

(2) Retes de poss. P. 1. C. 2. §. 18. (p. 463). – Gomez in Leges Tauri, L. 45. num. 20-31., 45-90.

(3) Zasius in L. 1. §. 21. de poss. (p. 93) et in L. 18. eod. (p. 150). – Valentia in ill. jur. tract. L. 1. Tr. 2. C. 14.

(4) Alciatus in L. 1. pr. de poss. num. 56-61. – Donellus in comment. L. 5. C. 9. – Obrecht de possessione. C. 6. – Was hieran Wahres ist, wird in §. 18 angegeben werden.

(5) Azo in Summa, tit. de poss. num. 7. 8. (fol. 134). – Zasius l. c. – Wenck diss. de traditione etc. p. 6-8. p. 12. p. 43. seq.


(209) §. 14. Apprehension.

Andere Folgen jener Ansicht, die mehr das Detail betreffen, werden unten vorkommen.

Diese ganze Ansicht wird schon im Allgemeinen sehr unwahrscheinlich, wenn man in Erwägung zieht, auf welche Art ausserdem symbolische Handlungen im Römischen Recht vorkommen. Die Mancipation, die Manumission, die Vindication – alle solche Handlungen, bei welchen sich wirklich positive Formen finden, sind dem Römischen Recht ganz eigenthümlich. Bei allen juristischen Handlungen dagegen, die auch bei andern Völkern gewöhnlich waren (z. B. Kauf, Pacht u. s. w.), wurden solche positive Formen durchaus nicht gebraucht. Nun ist der Besitz an sich noch viel weniger juristisch, als die Geschäfte dieser zweiten Art: ja er ist ursprünglich gar kein juristisches Verhältniss. Zwar bekommt er eine zweifache juristische Beziehung, unter andern auf die Usucapion, die auch ganz dem Römischen Recht eigen ist: allein gerade hier soll durch die Dauer des Besitzes erst ergänzt werden, was ihm selbst fehlt, und es liegt also in dieser Beziehung auf das Civilrecht durchaus kein Grund, bei der Entstehung des Besitzes Römische Formen zu gebrauchen. Demnach wäre es gegen alle Analogie, wenn der Erwerb des Besitzes wirklich durch symbolische Handlungen vor sich gehen sollte. Dieser Grund aber erhält noch ein besonderes Gewicht durch die ausgedehnte Anwendung, welche von jenen symbolischen Handlungen gemacht werden müsste. Führte die Ansicht der Gegner nur darauf, dass in einzelnen, seltenen Fällen ein symbolischer Erwerb anzunehmen wäre, so wäre es noch denkbar, dass sich eben wegen der Seltenheit dieser Fälle eine Inconsequenz in der Behandlung unvermerkt eingeschlichen und erhalten hätte. So ist es aber nicht, vielmehr wird in den allermeisten Fällen der Besitz auf die Weise erworben, welche man für symbolisch auszugeben pflegt. Bei Grundstücken z. B. würde


(210) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

die symbolische Erwerbung fast ganz allgemein eintreten müssen, indem ein Betreten des ganzen Grundstücks, in allen seinen Theilen, fast unmöglich ist, jedes nicht betretene Stück aber nicht für natürlich apprehendirt gelten soll: ja auch bei beweglichen Sachen ist es gewiss der seltenere Fall, dass gerade die ganze Sache mit der Hand ergriffen und umschlossen wird. Da also der symbolische Erwerb, wie man ihn behauptet, gerade in den meisten Fällen statt finden soll, so hätte die eben bemerkte Inconsequenz unmöglich den Römischen Juristen verborgen bleiben können, vielmehr hätten sie durch die alltägliche Anwendung darauf aufmerksam gemacht werden müssen.

Soll nun überhaupt nicht von einer fingirten Apprehension im Römischen Recht die Rede sein, soll vielmehr aller Erwerb des Besitzes auf eine und dieselbe körperliche Handlung zurückgeführt werden können, so muss der Begriff dieser körperlichen Handlung anders bestimmt werden, als er von allen Schriftstellern stillschweigend vorausgesetzt worden ist, weil nur durch diese Voraussetzung die Annahme einer fingirten Apprehension nothwendig wurde. Es wird am leichtesten sein, von jenem falschen Begriff selbst auszugehen, um den richtigen Begriff aufzusuchen.

Wer ein Stück Geld in der Hand hält, ist Besitzer desselben, daran ist kein Zweifel: und von diesem und andern ähnlichen Fällen wurde eben der Begriff einer körperlichen Berührung überhaupt abstrahirt, welche in allem Erwerb des Besitzes das wesentliche sein sollte. Aber es liegt in jenem Fall noch etwas anderes, was nur zufällig mit dieser körperlichen Berührung verbunden ist: nämlich die physische Möglichkeit, auf die Sache unmittelbar zu wirken, und jede fremde Wirkung auf sie auszuschliessen. Dass beides in jenem Fall enthalten sei, wird niemand leugnen; dass es mit körperlicher Berührung nur zufällig verbunden sei, folgt daraus,


(211) §. 14. Apprehension.

dass jene Möglichkeit ohne diese Berührung, und eben so diese Berührung ohne jene Möglichkeit gedacht werden kann. Das erste: denn wer in jedem Augenblick eine Sache ergreifen kann, die vor ihm liegt, ist ohne Zweifel eben so unumschränkter Herr dieser Sache, als wer sie wirklich ergriffen hat. Das zweite: denn wer mit Stricken gebunden ist, berührt diese unmittelbar, und doch könnte man leichter behaupten, dass er von ihnen besessen werde, als dass er sie besitze.

Jene physische Möglichkeit also ist das, was als Factum in allem Erwerb des Besitzes enthalten sein muss: aus ihr lassen sich alle einzelne Bestimmungen unserer Rechtsquellen auf gleiche Weise erklären, körperliche Berührung ist in jenem Begriff gar nicht enthalten, und es ist kein Fall mehr übrig, für welchen eine fingirte Apprehension angenommen werden müsste (1).

Der historische Beweis unserer Behauptung kann auf einem doppelten Wege geführt werden: theils im Allgemeinen, theils durch die einzelnen Anwendungen,

(1) Mein Rec. in der A. L. Z. (1804. Nr. 42.) verwirft diese ganze Ansicht, und nimmt mit den bisherigen Juristen körperliche Berührung als ursprüngliche Bedingung des Besitzes an: diese Regel sei nachher in manchen einzelnen Fällen erweitert worden, aber nie im Ganzen so sehr, dass ihr die meinige substituirt werden könne. Allein jene Voraussetzung beruht auf einer petitio principii, da wir die ursprüngliche Bedingung des Besitzes durchaus nur, so wie hier geschieht, durch Abstraction aus einzelnen Stellen finden können. Die von mir aufgestellte Regel hat von Anfang an gegolten, freilich nicht so rein und allgemein gedacht, sondern in einzelnen beschränkten Anwendungen; die spätern Juristen haben sie blos deutlicher ausgesprochen und von dem Zufälligen jener Anwendungen gereinigt, ohne sie selbst im geringsten zu erweitern. Man betrachte nur die Art, wie sich die Römischen Juristen bei einem wahren jus singulare (z. B. der Erhaltung des Besitzes an Grundstücken solo animo) ausdrücken, um sich zu überzeugen, dass hier von keinem jus singulare Rede ist.


(212) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

die sich in unsern Rechtsquellen finden. Dann erst wird es möglich sein, den Begriff der körperlichen Handlung vollständig zu bestimmen, da er hier nur angedeutet werden konnte. Im Allgemeinen spricht für unsere Behauptung eine Stelle des Paulus, worin nicht etwa für einen einzelnen Fall, sondern ohne Einschränkung die Regel ausgesprochen wird: körperliche Berührung sei zum Erwerb nicht gerade nöthig, der blosse Anblick der gegenwärtigen Sache reiche schon hin (1). Dagegen spricht für die Nothwendigkeit der körperlichen Berührung keine einzige allgemeine Stelle. Man darf nämlich nicht etwa darauf beziehen das apiscimur possessionem corpore (§. 13); wie unrichtig dieses sein würde, erhellt deutlich daraus, dass ja derselbe Ausdruck bei dem Verlust des Besitzes vorkommt (§. 30.), wobei doch gewiss nicht an körperliche Berührung gedacht werden kann. Corpus heisst die äussere Begebenheit, im Gegensatz der inneren Thatsache (animus).

§. 15.

Ich gehe nun zur Untersuchung der einzelnen Anwendungen über.

Zuerst also: was muss geschehen, damit an unbeweglichen Sachen (an Grundstücken), der Besitz erworben werde?

Um diesen Besitz zu erwerben, ist es nöthig und hinreichend, in dem Grundstück gegenwärtig zu sein,

(1) L. 1. §. 21. de poss. „Non est enim corpore et tactu necesse apprehendere possessionem, sed etiam oculis et affectu.“ Alle Handschriften lesen actu, was auch nicht unpassend ist (Wieling lect. 1. 19.). Tactu aber, was kaum eine Emendation genannt werden kann, giebt einen viel bestimmteren Sinn, und wird auch durch die Basiliken bestätigt. Vergl. Faber err. pragm. 75. 2. Noodt probab. II. 6. Wenck de trad. p. 48 (*).

(*) Vergl. Anhang Num. 53. A. d. H.


(213) §. 15. Apprehension unbeweglicher Sachen.

ohne dass irgend eine Handlung darin vorgenommen werden müsste:

„Quaedam mulier fundum (ita) non marito donavit per epistolam ... Proponebatur, quod etiam in eo agro, qui donabatur, fuisset cum epistola emitteretur: quae res sufficiebat ad traditam possessionem“ ... (1).

Nun ist es klar, dass der oben angegebene Begriff der körperlichen Handlung hier völlig anwendbar ist: wer sich in einem Grundstücke befindet, kann in jedem Augenblick nicht nur selbst damit vornehmen, was ihm gut dünkt, sondern auch jeden Andern davon abhalten. Allein beides ist ihm nicht etwa für das Stück Boden möglich, auf dem er steht, sondern für das ganze Grundstück überhaupt, und es ist daher nicht das Betreten selbst, was den Besitz des Bodens verschafft, sondern die unmittelbare Nähe, wodurch es möglich ist, jedes beliebige Stück augenblicklich nicht nur zu betreten, sondern auch auf jede andere Art zu behandeln:

„Quod autem diximus, et corpore et animo adquirere nos debere possessionem, non utique ita accipiendum est, ut qui fundum possidere velit, omnes glebas circumambulet: sed sufficit quamlibet partem ejus fundi introire“ ... (2).

Aus demselben Grunde ist es ferner nicht einmal nöthig, in das Grundstück einzugehen: denn wer dicht daneben steht und das ganze übersieht, hat nicht weniger Gewalt darüber, als wer wirklich hineingegangen ist:

„si vicinum mihi fundum mercatum venditor in mea turre demonstret, vacuamque se tradere possessionem

(1) L. 77. de rei vind. (*)

(*) Vergl. Anhang Num. 54. A. d. H.

(2) L. 3. §. 1. de poss.


(214) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

dicat: non minus possidere coepi, quam si pedem finibus intulissem“ (1).

Alles dieses steht mit unserm Begriff der körperlichen Handlung in unmittelbarer Verbindung; unsere Juristen haben hier immer eine juristische Fiction angenommen, wodurch der einzige wahre Erwerb, der in der körperliche Berührung bestehen soll, supplirt werde. Doch hat hier die Glosse noch einen andern Ausweg vorgeschlagen, der sehr merkwürdig ist (2): man solle nicht körperliche Berührung, sondern sinnliche Wahrnehmung als das Factische im Erwerb des Besitzes betrachten; nun gebe es fünf Sinne, also könne durch jeden derselben Besitz erworben werden, z. B. durch das Gesicht: durch Anschauen also könne der Besitz erworben werden, und wenn auch die Sache „per decem milliaria“ entfernt wäre (3).

Körperliche Gegenwart also ist das, was die willkürliche Behandlung der Sache möglich macht (**): aber wie wenn zu gleicher Zeit ein Anderer gleichfalls gegenwärtig ist, und auch diese Sache besitzen will? hier ist es offenbar, dass die Gegenwart des Andern den Besitz des Ersten hindert, und es giebt nur zwei Wege, dieses Hinderniss aufzuheben: der Wille des Andern, und Gewalt.

Der Wille des Andern macht auf diese Weise den Besitz möglich bei jeder Uebergabe. Indem der Käufer von dem Verkäufer in das Grundstück eingeführt wird, stehen beide in demselben physischen Verhältniss zur

(1) L. 18. §. 2. de poss. (*)

(*) Vgl. Anhang Num. 55. A. d. H.

(2) Glossa in L. 18. §. 2. de poss. – Viele Neuere haben diese Meinung, wenigstens in einigen Anwendungen, z. B. Duarenus in L. 3. pr. de poss. (p. 843).

(3) Glossa in L. 1. §. 1. de poss.

(**) Vgl. Anhang Num. 56. A. d. H.


(215) §. 15. Apprehension unbeweglicher Sachen.

Sache: auch hat der Verkäufer bis auf diesen Augenblick den Willen, Besitzer zu sein. Aber indem er jetzt erklärt, dass der Käufer den Besitz haben solle, ist durch seinen eigenen Willen alles Hinderniss aufgehoben, das in seiner Gegenwart lag. Darauf gehen in der zuletzt angeführten Stelle (S. 213. 214.) die Worte: „vacuamque se possessionem tradere dicat“ (*).

Ausser dem Willen des Andern aber kann auch durch Gewalt das Hinderniss seiner Gegenwart aufgehoben werden: denn es ist klar, dass die Herrschaft des Besitzers eben so entschieden ist, wenn er fremden Widerstand überwindet, als wenn gar kein Widerstand da ist. Das ist der Inhalt folgender Stelle (1):

„Species inducendi in possessionem alicujus rei est, prohibere ingredienti vim fieri: statim enim cedere adversarium, et vacuam relinquere possessionem jubet: quod multo plus est, quam restituere.“

Die Basiliken, die Glosse und Cujacius beziehen die Stelle auf den Prätor, der ein Urtheil exequirt, indem er in den Besitz einführt (2): aber es liegt weder in den Worten, noch in dem Inhalt irgend ein Grund, sie darauf zu beschränken, und sie ist folglich mit gleichem Recht auf jeden andern Fall zu beziehen, in welchem Widerstand geleistet und überwunden wird (**).

Also persönliche Gegenwart ist das eigentliche Factum, wodurch der Besitz einer unbeweglichen Sache erworben wird. Um indessen keinem Missverständniss Raum zu lassen, will ich gleich hier auf eine Beschränkung dieser Regel aufmerksam machen, die erst im

(*) Vgl. Anhang Num. 57. A. d. H.

(1) L. 52. §. 2. de poss.

(2) Basil. Lib. 50. Tit. 1. (ap. Meermann. Tit. 5. pag. 49). – Glossa in L. 52. §. 2. de poss. – Cuiacius in L. 52. §. 2. de poss. (opp. T. 8. p. 315).

(**) Vgl. Anhang Num. 58. A. d. H.


(216) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

dritten Abschnitt bewiesen werden kann. Der Besitz einer unbeweglichen Sache wird nicht eher verloren, als der Besitzer um diesen Verlust weiss; da nun eine Sache nicht mehr als Einen Besitzer haben kann (§. 11), so ist nun unsere Regel auf folgende Art anzuwenden: entweder hatte die Sache bisher einen andern Besitzer oder nicht (vacua possessio). Im letzten Fall ist unsere Regel ohne Einschränkung wahr. Im ersten Fall aber giebt uns jenes Factum allein noch nicht den Besitz, sondern es muss des bisherigen Besitzers Bewusstsein hinzukommen. Nun geschieht unser Erwerb entweder gegen seinen Willen (dejectio) oder mit seinem Willen (traditio), wobei er selbst entweder gegenwärtig ist (inducere in possessionem) oder nicht (mittere in possessionem).

§. 16.

Zweitens: wie wird der Besitz einer beweglichen Sache erworben?

Dass dieses durch wirkliches Ergreifen der Sache geschehen könne, daran ist kein Zweifel; auch wird es in unsern Rechtsquellen nur stillschweigend vorausgesetzt. Demnach sind hier nur die Fälle zu erörtern nöthig, in welchen ohne wirkliches Ergreifen dennoch Besitz erworben wird.

Zuerst ist auch hier, wie bei unbeweglichen Sachen, die unmittelbare Gegenwart das, was die Stelle des wirklichen Ergreifens ohne alle juristische Fiction vertreten kann, und es ist also ganz gleichgültig, ob die Sache wirklich ergriffen ist, oder ob sie in jedem Augenblick ergriffen werden könnte. Diese Art der Apprehension ist sogar die gewöhnlichste, wenn die Sache von so grossem Umfang oder Gewicht ist, dass sie nicht leicht von der Stelle gebracht werden kann. – Alles dieses ist in folgenden Stellen enthalten:


(217) §. 16. Apprehension beweglicher Sachen.

1. L. 79. de solutionibus.

„Pecuniam, quam mihi debes, aut aliam rem, si in conspectu meo ponere te jubeam (*): efficitur, ut et tu statim libereris, et mea esse incipiat: nam tum quod a nullo corporaliter ejus rei possessio detineretur, adquisita mihi, et quodam modo manu longa tradita existimanda est.“ – Der bisherige Besitzer ist hier wieder der einzige, der mich hindern könnte, über die Sache nach Willkür zu verfügen: aber eben von diesem wird ausdrücklich gesagt, dass er sogar durch seine Handlung meinen Besitz anerkannt habe.

2. L. 1. §. 21. de poss.

„Si jusserim venditorem procuratori rem tradere, cum ea in praesentia sit: videri mihi traditam Priscus ait“ [d. h. mir selbst, nicht blos meinem Procurator, durch den ich freilich auch Besitz erwerben könnte (1)]: „idemque esse si nummos debitorem jusserim alii dare: non est enim corpore et tactu necesse adprehendere possessionem, sed etiam oculis et affectu (2): et argumento esse eas res, quae propter magnitudinem ponderis moveri non possunt“ (nicht leicht nämlich, nicht von einem einzelnen Menschen, denn mobiles sind diese Sachen dennoch), ut columnas: „nam pro traditis eas haberi, si in re praesenti consenserint (et vina tradita videri, cum claves cellae vinariae emtori traditae fuerint“: davon bald nachher). – Das heisst: so wie diese Handlung bei den Sachen hinreichend ist, bei denen ohnehin nicht leicht eine andere

(*) Vgl. Anhang Num. 59. A. d. H.

(1) Glossa interlin. (Ms. Par. num. 4458 und 4455 zu mihi traditam: „Y. (Irnerius) quasi expressim, praeter illam adquisitionem, quae fit per Procuratorem.“

(2) S. o. S. 212.


(218) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

möglich wäre, so muss sie es auch bei allen andern Sachen sein („argumento esse eas res etc.“).

3. L. 31. §. 1. de donat.

„Species extra dotem a matre filiae nomine viro traditas, filiae quae praesens fuit donatas, et ab ea viro traditas videri respondit“ (*).

4. L. 51. de poss. (Iavolenus lib. 5. ex Posterioribus Labeonis).

„Quarundam rerum animo possessionem apisci nos ait Labeo: veluti si acervum lignorum emero, et eum venditor tollere me jusserit: simul atque custodiam posuissem, traditus mihi videtur. Idem juris esse vino vendito, cum universae amphorae vini simul essent. Sed videamus, inquit, ne haec ipsa corporis traditio sit, quia nihil interest, utrum mihi, an et cuilibet jusserim, custodia tradatur: in eo puto hanc quaestionem consistere an etiamsi corpore acervus aut amphorae adprehensae non sunt, nihilominus traditae videantur: nihil video interesse, utrum ipse acervum, an mandato meo aliquis custodiat: utrobique animi (1) quodam genere possessio erit aestimanda.“ – Der Zusammenhang der Stelle des Javolenus ist dieser: „Labeo sagt, an manchen Sachen werde der Besitz unkörperlich erworben, z. B. an einem erkauften Holzhaufen, durch die blosse Bestellung eines Wächters, eben so bei gekauftem Wein. Er setzt hinzu, man könne dies aber auch wohl für eine körperliche Tradition gelten lassen, weil ja nichts darauf ankomme, ob der Käufer in eigener Person oder

(*) Vgl. Anhang Num. 60. A. d. H.

(1) Cujacius liest: corporis anstatt animi (recit. in L. 51. de poss. in opp. T. 8. p. 314, auch in: paratit. in Cod. Lib. 7. Tit. 32). Diese Emendation aber ist eben so unnöthig, als verwegen.


(219) §. 16. Apprehension beweglicher Sachen.

durch einen Stellvertreter die Aufsicht übernehme. Ich aber glaube (sagt nun Javolenus) (1), man darf die Zuziehung eines Stellvertreters gar nicht in die gegenwärtige Frage einmischen; die Frage ist nämlich, ob hier die Tradition vollendet ist, obgleich das Holz oder die Weinkrüge nicht körperlich ergriffen worden sind? vollendet ist sie nun allerdings, aber man kann aus diesem Grunde sagen, dass der Besitz hier in jedem Fall (mit oder ohne Stellvertreter) gewissermassen unkörperlich (2) erworben werde.“

5. L. 14. §. 1. de periculo et comm. rei vend. „Videri autem trabes traditas, quas emtor signasset.“ – Das Signiren kommt hier nicht als Bestandtheil der Apprehension vor, sondern weil daraus, als einem gemeinen Gebrauch, auf die Absicht der Parteien geschlossen werden kann. Nur dadurch ist es zu erklären, warum in einem Fall, worin die körperliche Handlung genau dieselbe ist, dennoch das Gegentheil gelten soll (3).

(1) Dieses ist die gewöhnliche und, wie ich nun glaube, richtige Abtheilung der Stelle. In den zwei ersten Ausgaben nahm ich an, dass die Meinung des Javolenus schon mit Sed videamus anfange. Gründlich ist dieses widerlegt von Wenck diss. de tradit. p. 56, der jedoch die Stelle im Ganzen missversteht, so wie es nach seinen allgemeinen Ansichten nothwendig ist (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 61. A. d. H.

(2) „animi quodam genere“, d. h. durch blossen animus, insofern man den Ausdruck corpore ganz materiell nimmt, für corpore et tactu, gegen welche Ansicht eben in L. 1. §. 21. de poss. gewarnt wird. Nimmt man ihn aber, so wie es recht ist, für äusserliche Handlung überhaupt, so wird hier allerdings auch corpore erworben, so dass die Entscheidung in unserer Stelle mit den allgemeinen Regeln in L. 3. §. 1. de poss. etc. (§. 13.) gar nicht im Widerspruch steht.

(3) L. 1. §. 2. de peric. et comm. (s. u. S. 225).


(220) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

6. L. 1. C. de donat. (Severus et Antoninus.) „Emptionum mancipiorum instrumentis donatis et traditis, et ipsorum mancipiorum donationem et traditionem factam intelligis; et ideo potes adversus donatorem in rem actionem exercere.“

Ich erkläre mir diese Stelle so: Lucius, an den diese Stelle gerichtet ist, sollte einige Sclaven geschenkt bekommen von Einem, der diese Sclaven früherhin gekauft hatte und die Kaufbriefe noch besass. Lucius kam zu diesem Donator, der in Gegenwart der Sclaven die Absicht zu schenken erklärte und zugleich die Kaufbriefe dem Lucius übergab. Die Sclaven blieben aber noch bei dem alten Herrn zurück, der nun, seine Freigebigkeit bereuend, die Sclaven vorenthielt, indem er behauptete, die Schenkung sei blos vorläufig besprochen, aber nicht vollzogen worden. War diese Behauptung gegründet, so hatte Lucius gewiss keine actio in rem, vielleicht auch überhaupt keine Klage wegen der lex Cincia, oder auch weil nur nicht stipulirt war. Alles kam hier auf die Absicht der Parteien an, eine wirkliche Schenkung unmittelbar zu vollziehen; war nur diese Absicht gewiss, so fehlte zur Tradition nichts, weil ja die Sclaven gegenwärtig gewesen waren. Lucius fragte bei den Kaisern an, und diese antworteten: die Absicht, eine wirkliche Schenkung augenblicklich zu vollziehen, ist aus der Uebergabe der Kaufbriefe gewiss, also ist die Tradition vollzogen, Eigenthum ist übergegangen, und du hast jetzt gegen den Donator eine Vindication. – So erklärt, enthält die Stelle eine Anwendung unserer Regel, dass bei entschiedener Absicht die blosse Gegenwart der Sache, ohne andere körperliche Handlung, zur Apprehension hinreicht. Allerdings bin ich bei


(221) §. 16. Apprehension beweglicher Sachen.

dieser Erklärung genöthigt, die Gegenwart der Sclaven vorauszusetzen, die in der Stelle selbst nicht ausgedrückt ist; allein die Stelle ist auch ein Rescript für einen einzelnen Fall, dessen Bedingungen also aufzusuchen sind, meine Voraussetzung ist in sich natürlich und ungezwungen (1), und sie passt insbesondere zu der am Schluss erwähnten in rem actio, woraus wenigstens das gewiss ist, dass jetzt der Donator die Sclaven besitzt. Jede andere Erklärung der Stelle aber nöthigt gleichfalls zu eigenen Voraussetzungen, und zwar zu viel willkürlicheren und gewagteren als die meinige (2).

(1) In den zwei ersten Ausgaben hatte ich ein s. g. constitutum possessorium angenommen, so wie Fulgosius, vgl. Obrecht de poss. §. 280. Allein in einer solchen Verabredung liegt allerdings eine der Stelle selbst ganz fremdartige Annahme, und die Sclaven können ebensowohl zufällig im Hause des alten Herrn zurückgeblieben, d. h. nur nicht mit dem Lucius hinweggegangen sein. Meine gegenwärtige Erklärung war unter den Glossatoren die herrschende. Glossa interlin. anon. (Ms. Paris. 4523. 4528.) zu dem Wort mancipiorum „praesentium in traditione, sicut dicitur de clavibus traditis coram horreo.“ – Glosse des Pillius (Ms. Paris. 4536). „Sed numquid est hoc intelligendum quando mancipia absunt: respondeo nequaquam, sed cum praesentialiter adsunt ut ff. de rei ven. haec si res. Pi.“ –Accursius v. instrumentis „sc. praesentibus servis datis.“

(2) So Wenck de traditione p. 30, der die Stelle aus seiner Ansicht einer Tradition ohne allen Besitz erklären will, und nun zu den willkürlichsten factischen Voraussetzungen genöthigt ist, auch sonst noch allerlei Missverständnisse einmischt (*). – Hufeland neue Darstellung S. 124 nimmt ein singuläres Recht für die Tradition der Sclaven an, um die Stelle zu erklären, von einem solchen singulären Recht aber findet sich sonst nirgends eine Spur. – Auffallende Aehnlichkeit übrigens hat unsere Stelle mit einer Vorschrift von Antonin, nach welcher man es mit der Form der Schenkungen zwischen Eltern und Kindern weniger

(*) Vgl. Anhang Num. 62. A. d. H.


(222) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Von dieser Regel, dass durch blosse Gegenwart, ohne Berührung, Besitz erworben werden könne, kommen noch folgende Anwendungen und nähere Bestimmungen vor.

Erstens: wenn ich die Sache, die ein Anderer mir übergeben will, einem Dritten geben lasse, so ist nun der juristische Besitz wirklich auf mich und von mir auf den Dritten übertragen worden (1). Hierin liegt eine blosse Anwendung unserer Regel: denn, indem mir der Andere die Bestimmung über die (gegenwärtige) Sache überlässt, bin ich eben so unumschränkter Herr derselben, als ob ich sie wirklich ergriffen hätte, ja ich übe diese meine Herrschaft wirklich aus, indem ich ihm auftrage, dem Dritten die Sache zu übergeben. Indessen kann über die Einfachheit der äusserlichen Handlung, die hier vorgeht, das Zusammengesetzte der juristischen Handlung leicht übersehen werden (2).

Zweitens: Die Gegenwart giebt überhaupt nur insofern den Besitz, als es möglich ist, die Sache in jedem Augenblick wirklich zu ergreifen. Wer also ein Wild verfolgt, hat noch nicht den Besitz desselben, obgleich er ihm sehr nahe sein kann: ja selbst wenn er es tödtlich verwundet hat, kann er noch auf vielerlei Weise verhindert werden, es wirklich zu fangen („multa accidere possunt, ut eam non capiamus“), also ist selbst dadurch

genau nehmen sollte. L. 4. C. Th. de don. Fragm. Vat. §. 297. 314. (Vgl. die Anm. von Buchholtz.) Man könnte daher mit Wahrscheinlichkeit annehmen, auch unsere Stelle habe von diesem speciellen Fall gesprochen und sei mit unüberlegter Abkürzung in den Justinianischen Codex aufgenommen worden. (Zus. der 6. Ausg.) (*)

(*) Vgl. Anh. Num. 63. A. d. H.

(1) „Species extra dotem a matre filiae nomine viro traditas, filiae quae praesens fuit, donatas, et ab ea viro traditas videri respondi.“ L. 31. §. 1. de donat., cf. L. 3. §. 12. de don. inter vir. et ux., L. 1. §. 21. de poss. (S. 217.)

(2) „Nam celeritate conjungendarum inter se actionum unam actionem occultari.“ L. 3. §. 12. de don. inter vir. et ux.


(223) §. 16. Apprehension beweglicher Sachen.

der Besitz noch nicht erworben, wiewohl selbst einige Römische Juristen das Gegentheil behaupten (1). Demnach muss das Wild wirklich gefangen oder getödtet sein, wenn der Besitz desselben erworben werden soll.

Drittens: wenn die Sache in einem verschlossenen Gebäude liegt, so wird Tradition, also Erwerb des Besitzes, angenommen, wenn die Schlüssel übergeben sind. Es ist sehr natürlich, dass die Schlüssel von jeher symbolische Schlüssel haben sein müssen, und man brauchte nicht viel weiter zu gehen, um zu behaupten, jede andere Sache könne eben so gut gebraucht werden und die Schlüssel seien nur beispielsweise im Römischen Recht genannt (2). Nun ist zwar nicht zu leugnen, dass Schlüssel so gut als jede andere Sache als blosses Zeichen dienen können, und wenn bei dem Einzug eines Königs die Schlüssel der Stadt überreicht werden, lässt sich kaum ein anderer Zweck denken. Aber es giebt noch einen andern Gebrauch der Schlüssel, der fast noch häufiger ist als jener: nämlich etwas aufzuschliessen, was verschlossen ist, und dass davon allein hier die Rede ist, soll jetzt bewiesen werden. – Nämlich dass auch bei beweglichen Sachen die blosse Gegenwart, ohne wirkliches Ergreifen, als Apprehension gelten könne, ist oben gezeigt worden. Nun muss aber zu jedem Factum auch noch animus hinzukommen, wenn der Besitz erworben sein soll, und dieser animus muss in den meisten Fällen geschlossen werden, weil er selten ausdrücklich erklärt wird. Wenn nun ein Grundstück verkauft wird, so kann

(1) L. 5. §. 1. de adqu. rer. dom., §. 13. 1. de rer. div. – Nach denselben Grundsätzen entscheidet einen andern, aber ähnlichen Fall: L. 55. de adqu. rer. dom. Die Entscheidung liegt in den Worten: „ut si in meam potestatem pervenit, meus factus sit.“

(2) Schmalz Handbuch des Römischen Privatrechts. (Königsberg 1801) §. 199.


(224) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

der Käufer oft mit dem Verkäufer hineingehen, ohne dass dieser die Absicht hat, den Besitz zu übertragen, jener ihn zu erwerben. So auch bei beweglichen Sachen: wenn hier der Handel völlig geschlossen ist, selbst in Gegenwart der Sache, so kann dennoch der Käufer nicht die Absicht haben, den Besitz zu erwerben, wenn die Sachen in einem verschlossenen Gebäude liegen, wozu er keinen Schlüssel hat, weil er nun in jedem künftigen Augenblick verhindert werden kann, die Sachen zu gebrauchen. Deswegen wird hier der Besitz erst dann als erworben betrachtet, wenn die Schlüssel übergeben sind.

1. L. 9. §. 6. de adqu. rer. dom. (§. 45. I. de rer. div.)

„Item si quis merces in horreo repositas vendiderit, simulatque claves horrei tradiderit emtori, transfert proprietatem mercium ad emtorem“ (*).

2. L. 1. §. 21. de poss.

„ ... et vina tradita videri, cum claves (1) cellae vinariae emtori tradita fuerint.“

Ja selbst wenn der Käufer sein Siegel auf die Waare drückt, ist der Besitz ohne Uebergabe der Schlüssel noch nicht erworben, obgleich jene Handlung allerdings die Apprehension bezeichnen kann, wenn die Sachen nicht verschlossen sind:

(*) Vgl. Anhang Num. 64. A. d. H.

(1) Glossa interlin. (Ms. Paris. num. 4458 und num. 4455) zu dem Wort claves: „Y. (Irnerius) quasi adminiculum custodiae, “ also nicht als Symbol, sondern wegen der natürlichen Herrschaft über die Sache, die dadurch entsteht. – [Zus. der 4. Ausg.] Auch Rentzel de litteris recognitionis. Leidae 1754. §. 26, gründet die Wirkung der Schlüssel, obgleich er ihre Uebergabe symbolisch nennt, dennoch darauf, dass man nun aufschliessen und hinzukommen könne, und spricht deshalb der Uebergabe eines Connossements dieselbe Wirkung ab (Mittheilung von Herrn Professor Falck).


(225) §. 16. Apprehension beweglicher Sachen.

1. L. 1. §. 2. de peric. et comm. rei vend.

„Si dolium signatum sit ab emtore, Trebatius ait, traditum id videri: Labeo contra. Quod et verum est: magis enim ne summutetur signari solere, quam ut tradi tum videatur.“

2. L. 14. §. 1. eod.

„Videri autem trabes traditas, quas emtor signasset.“ – Nämlich es ist eben so gewöhnlich, Bauholz unverschlossen aufzubewahren, als es bei dem Weine ungewöhnlich ist.

In allen diesen Fällen also wird nach einer sehr wahrscheinlichen Vermuthung angenommen, die Parteien hätten die Tradition erst gewollt, als die Schlüssel übergeben wurden; aber der animus possidendi kann natürlich ohne die Apprehension keine Wirkung haben, es wird also in jenen Stellen, die blos davon sprechen, ob die Absicht der Tradition vermuthet oder nicht vermuthet werden solle, immer vorausgesetzt, dass an der Apprehension nichts fehle, d. h. dass die Uebergabe der Schlüssel in Gegenwart der Sache vor sich gehe. Auch haben die Compilatoren durch folgende Stelle dafür gesorgt, dass hierüber kein Zweifel entstehe:

L. 74. de contr. emt.

„Clavibus traditis, ita mercium in horreis conditarum possessio tradita videtur, si claves apud horrea traditae sint:“ (was nun folgt, ist vorzüglich brauchbar, unsern Begriff der Apprehension zu erläutern und zu bestätigen) „quo facto, confestim emtor dominium et possessionem adipiscitur, etsi non aperuerit horrea.“ – Nämlich wer durch eine verschlossene Thüre von der Sache getrennt ist, besitzt sie ebenso wenig, als wer weit davon entfernt ist, hat er aber den Schlüssel, so kann er in jedem Augenblick die Sache ergreifen, und ob


(226) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

er dies wirklich thue, ja ob er auch nur die Thüre öffne, ist zum Erwerb des Besitzes völlig gleichgültig (1).

§. 17.

An beweglichen Sachen also kann ohne wirkliches Ergreifen Besitz erworben werden, wenn nur die Sache gegenwärtig ist (§. 16.). Dasselbe ist aber auch noch auf eine andere Art möglich. Wer nämlich eine Sache in seinem Hause aufbewahrt, kann eben dadurch den Besitz erworben haben, ohne dass irgend eine andere Handlung hinzukommt.

L. 18. §. 2. de poss.

„Si venditorem, quod emerim, deponere in mea domo jusserim: possidere me certum est, quamquam id nemo dum attigerit.“ – Hier wird gar nicht vorausgesetzt, dass der Kauf in Gegenwart der Sache geschlossen war, und eben so wenig, dass der Käufer sich in seinem Hause befand, als die Sache niedergelegt wurde; also ist das blosse Niederlegen im Hause das Factum gewesen, wodurch der Besitz erworben wurde. Auch bemerkt der Jurist ausdrücklich, dass nicht etwa im Namen des Käufers die Sache habe müssen von seinen Leuten in Empfang genommen werden („quamquam id nemo dum attigerit“), weil man sonst darin den Grund des Besitzes hätte setzen können.

(1) Wenck de traditione p. 50. erklärt die Stelle aus seiner falschen Voraussetzung, dass durch das Eigenthum und um des Eigenthums willen Besitz erworben werden könne, obgleich die sonst geltenden Bedingungen des Besitzes fehlten (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 65. A. d. H.


(227) §. 17. Apprehension beweglicher Sachen (Forts.).

L. 9. §. 3. de jur. dot.

„ ... quid enim interest, inferantur volente eo in domum ejus, an ei tradantur?“

Der Grund dieser Regel ist leicht zu finden. Jeder hat über sein Haus sichrere Herrschaft, als über alles andere Vermögen, und durch jene Herrschaft zugleich die „custodia“ aller der Sachen, die in dem Hause enthalten sind. Dass dieses die Ansicht der Römischen Juristen ist, folgt schon daraus, dass in einem andern, aber ähnlichen Fall, eben wegen der fehlenden custodia der Besitz abgeleugnet wird (1). – Hieraus lassen sich leicht die Bedingungen dieses Erwerbs ableiten, die in jener Stelle selbst nicht ausgedrückt sind.

Da es nämlich blos auf den eigenen Gebrauch des Gebäudes ankommt, von welchem die Rede ist, so ist

1. dieser Erwerb weder durch das Eigenthum, noch durch den juristischen Besitz des Gebäudes bedingt. Wer also ein Haus oder ein Waarenlager gemiethet hat, kann auf diese Weise Besitz erwerben, obgleich er an dem Gebäude selbst weder Eigenthum noch juristischen Besitz hat: denn auch ohne diese Rechte hat er ohne Zweifel die custodia aller Sachen, die in dem Gebäude sich befinden.

2. Eben so ist aber auf der andern Seite dieser Erwerb unmöglich, wenn jener eigene Gebrauch des Gebäudes fehlt, obgleich Eigenthum und Besitz desselben da sein kann. So kann der Eigenthümer eines vermietheten Hauses aus demselben Grunde keinen Besitz dieser Art erwerben, aus welchem dieses dem Bewohner des Hauses möglich war, wiewohl hier der

(1) L. 3. §. 3. de poss. (*)

(*) Vgl. Anh. Num. 66. A. d. H.


(228) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Eigenthümer den juristischen Besitz des Hauses keineswegs aufgegeben hat (1). – Schon aus diesem zweiten Satze lässt sich leicht folgende Stelle erklären, die ausserdem zu einem Zweifel an der Richtigkeit unserer Regel verleiten könnte (2): „Qui universas aedes possidet (possedit), singulas res, quae in aedificio sunt, non videtur possedisse, “ d. h. der juristische Besitz des Hauses giebt nicht nothwendig auch den Besitz der einzelnen Sachen im Hause, so dass man nicht von jenem auf diesen schliessen kann. Sehr natürlich, weil man Besitzer eines Hauses werden kann, ohne es selbst zu bewohnen, z. B. indem man es kauft und zugleich dem Verkäufer vermiethet (constitutum possessorium). Aber auch noch auf andere Art lässt sich der Widerspruch dieser Stelle mit unserer Regel aufheben. Nämlich wer den Besitz eines Hauses erwirbt, z. B. indem er den bisherigen Besitzer herauswirft, kann von den einzelnen Sachen im Hause vielleicht gar nichts wissen. Dann aber besitzt er sie nicht, weil ihm für sie der animus possidendi fehlt.

Aus diesen näheren Bestimmungen unserer Regel lässt sich leicht die Entscheidung eines anderen Falls erklären, der mit dem unsrigen viele Aehnlichkeit hat: ich meine den Besitz der Schätze. Unter einem Schatze nämlich wird in der Theorie des Eigenthums jede verborgene

(1) Beide Sätze werden durch folgende analoge Stellen erläutert und bestätigt: L. 5. §. 2-5. de injuriis. L. 22. §. 2. L. 23. §. 3. ad Leg. Iul. de adult. – Doch ist die Aehnlichkeit dieser Stellen mit unserm Fall nicht vollkommen, weil sie sich blos auf eigentliche Wohngebäude beschränken, was hier durchaus nicht der Fall ist.

(2) L. 30. pr. de poss. – Die Glosse und die meisten neuern Juristen verstehen unter den „res quae in aedificio sunt“ die Balken und Mauersteine, aus welchen das Haus gebaut ist. Der Inhalt hätte dann auch keinen Zweifel, aber die Erklärung selbst ist gezwungen (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 67. A. d. H.


(229) §. 17. Apprehension beweglicher Sachen (Forts.).

Sache von Werth verstanden, die durch die Länge der Zeit so gut als herrenlos geworden ist (1): diese Beschränkung des Begriffs ist da sehr natürlich, weil ausserdem von einem besondern Erwerb des Eigenthums gar nicht die Rede sein kann, so dass die ganze Sache nur unter jener Bedingung in die Theorie des Eigenthums gehört. Ganz anders bei dem Besitze, wo das fremde Eigenthum ganz gleichgiltig (!) ist; hier ist alles vergrabene Geld ein Schatz, und es ist ganz einerlei, ob der Eigenthümer noch auszumitteln ist oder nicht, deswegen beziehen hier auch die Römischen Juristen das Wort thesaurus ohne Unterschied auf beide Fälle zugleich, und dieser Sprachgebrauch ist so natürlich, dass sie es nicht einmal nöthig finden, ihn besonders anzugeben. Ganz anders die Glosse und die neueren Juristen. Sie unterscheiden bei den Stellen des Römischen Rechts, die den Besitz der Schätze betreffen, einen thesaurus im weitern und im engern Sinn, was denn allein schon hinreichend ist, die einfachen Regeln der Römischen Juristen völlig zu verwirren. Endlich ist auch das für sich klar, dass ein Schatz von jeder andern beweglichen Sache, die in einem Grundstück verborgen wird, juristisch sich durchaus nicht unterscheidet, dass also von dem Besitz der Schätze blos als von dem wichtigsten und häufigsten Fall dieser Art in unseren Rechtsquellen die Rede ist.

Wenn also ein Schatz oder irgend eine andere bewegliche Sache in einem Grundstück vergraben wird, kann dadurch allein der Besitzer des Grundstücks auch an jener Sache den Besitz erwerben, d. h. liegt in jenem Vergraben das Factum, welches, wenn der animus

(1) „Thesaurus est vetus quaedam depositio pecuniae cujus non exstat memoria, ut jam dominum non habeat: sic enim fit ejus, qui invenerit, quod non alterius sit.“ L. 31. §. 1. de adquir. rer dom.


(230) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

hinzutritt, den Besitz wirklich begründet? dieser Fall hat mit dem oben erklärten (S. 226. 227.) die Aehnlichkeit, dass eine bewegliche Sache mit einer unbeweglichen in Verbindung gesetzt wird, ohne doch ein Theil der unbeweglichen zu werden; durch diese Verbindung wurde oben (wenn die Sache in der Wohnung niedergelegt wurde) der Besitz erworben, dasselbe scheint also auch hier erfolgen zu müssen, wenn nur das Grundstück von uns besessen wird. Allein bei dem Hause lag der Grund, warum der Besitz der beweglichen Sache erworben wurde, in der ganz eigenen custodia, die nur darin möglich ist; demnach ist in unserm Fall der Besitz des Schatzes dem Besitzer des Grundstücks durchaus nicht erworben (1). Also muss dieser, wie jeder Andere, um diesen Besitz zu erwerben, den Schatz ausgraben, heben, da denn der Besitz, auf ganz gewöhnliche Weise, durch Ergreifen oder unmittelbare Gegenwart (§. 16.) erworben ist. Das ist der Inhalt folgender Stellen des Römischen Rechts:

1. L. 15. ad exhibendum:

„Thesaurus meus (2) in tuo fundo est, nec eum pateris me effodere: cum eum loco non moveris, furti

(1) Wie wenn der Schatz in meinem Hause vergraben ist? Weiss ich wo er liegt, so bin ich auch ohne Ausgraben Besitzer, quia est sub custodia nostra; weiss ich den Ort nicht, sondern nur überhaupt das Dasein desselben im Hause, so bin ich freilich noch nicht Besitzer, weil das Finden vom blossen Zufall abhängt. Allerdings also ist auch bei dem Schatze ein Unterschied zwischen Haus und Feld. Mit Unrecht leugnet diesen Unterschied Pfeiffer Recht der Kriegseroberung, Cassel 1823, p. 17, welcher auch eben so irrig behauptet, ich könne den Besitz einer gekauften Sache dadurch erwerben, dass ich sie nicht in meinem Hause, sondern auf einem andern Grundstück niederlegen lasse. (Zusatz der 6. Ausg.)

(2) Hier ist also nicht von einem solchen thesaurus die Rede, wie bei dem Erwerb des Eigenthums (S. 228. 229.). Ebendasselbe gilt von der folgenden Stelle.


(231) §. 17. Apprehension beweglicher Sachen. (Forts.).

quidem aut ad exhibendum, eo nomine agere recte non posse me, Labeo ait: quia neque possideres eum, neque dolo feceris, quo minus possideres“ rel.

2. L. 44. pr. de poss.

„ ... cum, si alius in meo condidisset (pecuniam), non alias possiderem, quam si ipsius rei possessionem (1) supra terram adeptus fuissem“.

3. L. 3. §. 3. de poss. (2).

„Neratius et Proculus, (et) solo animo non (3) posse nos adquirere possessionem, si non antecedat naturalis possessio (4). Ideoque si thesaurum

Neratius und Proculus sagen, durch blosses Wollen könne nur dann Besitz erworben werden, wenn das physische in allem Besitz, die Detention, schon vorher da gewesen sei. Hieraus folgern sie, dass der Besitzer eines Grundstücks an einem

(1) Possessio heisst hier Besitz im natürlichen Sinn (S. 99. 100.), und das possessionem adipisci wird hier auf dieselbe Weise als Bedingung des (juristischen) possidere gedacht, wie in andern Stellen die naturalis possessio als eine solche Bedingung angegeben wird. (L. 3. §. 3. 13. de poss.)

(2) Mit dieser Stelle haben sich von jeher viele Interpreten beschäftigt. Das beste, was darüber gesagt worden ist, findet sich bei Engelb. de Man diss. de thesauro ad L. 3. §. 3. de poss. (Thes. Diss. Belg. Vol. 1. Tom. 2. p. 305-386; natürlich enthalten diese 81 Seiten auch sehr viel Unnützes) und bei Cuperus (P. 2. C. 32. 33). Ich werde meine Erklärung in einer freien Uebersetzung geben, und diese durch Anmerkungen erläutern und rechtfertigen.

(3) s. die Note 2. S. 232.

(4) Also: posse nos adquirere (solo animo) possessionem, si antecedat naturalis possessio. Durch die doppelte Negation ist das deutlich genug ausgedrückt, und es ist also durchaus nicht nöthig anzunehmen, dieser positive Theil des Satzes sei von Paulus oder von einem Abschreiber ausgelassen worden.


(232) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

in fundo meo (1) positum sciam, continuo me possidere, simul atque possidendi affectum habuero: quia, quod desit naturali possessioni, id animus implet (2). Ceterum

Schatz, der darin vergraben sei, durch blosses Wollen den Besitz erwerben könne; denn die Detention sei schon da, was also der blossen Detention zum juristischen Besitz noch fehle, sei nur der animus possidendi, der eben jetzt hinzugethan werde. Die Meinung von Brutus und Manilius übrigens,

(1) Auf das Eigenthum des fundus kommt es dabei nicht an, sondern auf die Detention, und er wird nur deswegen meus fundus genannt, weil ursprünglich und in der Regel die Detention mit dem Eigenthum verbunden ist. Bei einem verpachteten Grundstück würde von dem Rechte des Pachters, nicht des Eigenthümers, die Rede sein.

(2) Der Zusammenhang der ganzen Stelle ist dieser: zuerst wird aus den Schriften jener beiden Juristen eine allgemeine Regel angeführt, worüber kein Streit war; dann aus denselben Schriften eine Anwendung dieser Regel auf Schätze; dann über diesen Fall eine andere Meinung, die verworfen wird; endlich über denselben Fall eine dritte Meinung, und diese letzte wird gebilligt. Unsere Juristen haben geglaubt, die Regel des Neratius stehe mit seiner Anwendung (in der That oder scheinbar) im Widerspruch; dieser Irrthum hatte zwei Ursachen. Erstens sah man wohl ein, dass naturalis possessio hier das physische im Besitz (das Factum) bezeichne: weil man aber dieses Factum irrig durch körperliche Berührung erklärte (S. 206.), so konnte man nicht begreifen, dass hier naturalis possessio des Schatzes angenommen werden sollte; alles dieses ist leicht begreiflich, wenn man unter dem Factum die unmittelbare Möglichkeit der Einwirkung (die custodia) versteht, und diese war das, was Neratius irrigerweise voraussetzte. Zweitens übersetzte man „quod desit nat. poss.“ durch: „was an der nat. poss. noch fehlt;“ aber die nat. poss. soll ganz vorhanden sein, und es soll ihr nur der äussere Zusatz fehlen, durch den sie juristischer Besitz wird. Die Glosse sagt deswegen bei den Worten: si non antecedat naturalis possessio: „et supple, vel aliud, quod pro ea habeatur.“ In der Folge bezog man die naturalis possessio auf


(233) §. 17. Apprehension beweglicher Sachen. (Forts.).

quod Brutus et Manilius putant, eum, qui fundum longa possessione cepit, etiam thesaurum cepisse, quamvis nesciat in fundo esse, non

dass der Schatz ein Theil des Grundstücks sei, also mit diesem zugleich usucapirt werde, selbst wenn der Besitzer gar nichts von dem Schatze wisse diese Meinung ist ohne Zweifel falsch, selbst nach der zuerst angeführten Ansicht, denn der

das Grundstück: durch dieses sei indirect auch an dem Schatz und selbst ohne dessen naturalis possessio, juristischer Besitz möglich (Paul. de Castro in Dig. nov. P. 1. fol. 56. ed. Lugd. 1548. f., ferner: Zasius, Cujacius, Chesius und viele Andere). Einige haben noch viel schlechter das erste non (solo animo non posse) weggestrichen (N. a Salis sicilim. j. civ. Hannov. 1614. 8. p. 354. Noodt probabil. L. 2. C. 6. num. 4.). Jensius erklärt zuerst richtig, aber ganz kurz (strictur. p. 328. ed. 1739.). Bei Man ist die richtige Erklärung von „desit“ ausführlich dargestellt (l. c. p. 351-353.). – Auch die naturalis possessio erklärt er richtig, doch meint er, weil hier doch eine juristische Fiction nöthig sei, müsse wohl das Wort uneigentlich gebraucht sein, und dieser Scrupel macht ihm so viel zu schaffen, dass er, nach vielfältigen Versuchen ihm zu entgehen, endlich doch noch zu der gemeinen Meinung zurückkehrt, und die naturalis possessio auf den fundus bezieht (l. c. p. 351. 359-379.). Cuperus (P. 2. C. 32.) erklärt völlig richtig, aber ganz kurz, so dass man nicht sieht, wie er sich wegen der naturalis possessio gegen die gewöhnlichen Einwürfe vertheidigt haben würde. – Wenck de trad. p. 12. erklärt die Stelle so: In der ersten Hälfte (von Neratius bis implet) sei von einem herrenlosen Schatz die Rede; hier werde die wirklich fehlende possessio naturalis durch das Eigenthum supplirt, und diese Meinung des Neratius werde auch von Paulus gebilligt. In der zweiten Hälfte aber (von Ceterum bis quibus consentio) sei blos von einem Schatz in fremdem Eigenthum die Rede. Nicht nur ist die erste Voraussetzung (Erwerb des Besitzes durch Eigenthum) falsch, sondern auch diese ganze Unterscheidung zweier Fälle ist willkürlich in die Stelle hinein getragen (*).

(*) Vergl. Anhang Num. 68. A. d. H.


(234) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

est verum: is enim qui nescit, non possidet thesaurum, quamvis fundum possideat: sed et si sciat, non capiet longa possessione: quia scit alienum esse (1). Quidam

Schatz ist in der That kein Theil des Grundstücks, folglich wird er von dem Besitzer des Grundstücks nicht zugleich mit besessen, sondern dieser muss noch besonders um den Schatz wissen, aber selbst wenn er darum weiss, also nach jener ersten Meinung den Besitz des Schatzes hat, kann er

(1) In dieser ganzen Stelle wird unter thesaurus alles vergrabene Geld überhaupt verstanden, ohne Unterschied, ob es herrenlos ist oder nicht (S. 228. 229.). Also nicht blos ein herrenloser Schatz, welches durch die Worte: „quia scit alienum esse“ unleugbar bewiesen ist. Eben so wenig aber blos ein solcher Schatz, der noch in fremdem Eigenthum ist, sondern eben sowohl ein herrenloser Schatz, welches letzte von Cuperus aus einem falschen Grunde behauptet (s. u. §. 33.), von den meisten aber aus folgenden zwei Gründen bezweifelt wird: A. weil von der Usucapion des Schatzes die Rede ist, diese aber bei einer herrenlosen Sache gar nicht nöthig wäre. Allein zu aller Occupation musste vor Justinian noch Usucapion hinzukommen, um das bonitarische Eigenthum in ein justum dominium zu verwandeln; demnach beruht dieser ganze Zweifel auf den gewöhnlichen Irrthümern über das Verhältniss der res nec mancipi zu dem Römischen Eigenthum, welche Irrthümer erst von Hugo völlig weggeräumt worden sind. B. wegen der Worte: quia scit alienum esse. Man hat vergeblich versucht, theils durch Emendation, theils durch Interpretation diesem Einwurf zu begegnen. (Bynkershoek, obss. VII. 1. Cuperus P. 2. C. 33. Man l. c. p. 343-345.) Meine Meinung ist diese: der Besitzer des Grundstücks soll den Schatz noch nicht selbst gefunden haben und dennoch davon wissen. Wie ist das möglich? nicht anders als dadurch, dass er von dem Vergraben des Schatzes irgend eine Nachricht erhalte: dann aber weiss er zugleich, dass der Schatz in fremdem Eigenthum ist (L. 31. § 1. de adq. rer. dom. „depositio ... cujus memoria non exstat“). Also ist hier von einem Schatz in fremdem Eigenthum die Rede, nicht als ob die ganze Stelle nur davon handelte, sondern weil das


(235) §. 17. Apprehension beweglicher Sachen. (Forts.).

putant, Sabini sententiam veriorem esse, nec alias eum, qui scit, possidere, nisi si loco motus sit: quia non sit sub custodia nostra, quibus consentio“ (1).

ihn doch nicht usucapiren, weil er nicht anders von dem Schatz wissen kann, als indem er zugleich einen fremden Eigenthümer desselben weiss, also in mala fide ist. Einige glauben nach Sabinus, der Besitzer des Grundstücks könne nicht durch blosses Wollen den Besitz des Schatzes erwerben, sondern er müsse ihn ausgraben, weil er erst dadurch den Schatz in seine Verwahrung bekomme. Diese Meinung ist die richtige.

Wissen um den Schatz nicht wohl anders gedacht werden kann (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 69. A. d. H.

(1) Die Glosse und fast alle übrigen Interpreten finden diese Entscheidung sehr sonderbar, da doch Bewegung der Sache in andern Fällen nicht zum Erwerb des Besitzes gehört, ja sogar bei manchen Sachen (den Grundstücken nämlich) unmöglich ist. Die Meisten erklären deswegen die ganze Stelle blos von einem Schatz, der noch in fremdem Eigenthum ist (s. die vorige Note); deswegen sei hier, wie in L. 15. ad exhib. und L. 44. pr. de poss. die Bewegung, als etwas besonderes, nöthig, um den bisherigen Besitzer auszutreiben, welche Erklärung selbst wieder von ganz falschen Grundsätzen ausgeht. Odofred (fol. 55.) macht gerade die entgegengesetzte Unterscheidung, indem er die Stelle auf einen eigentlichen, d. h. herrenlosen Schatz bezieht, und deshalb bei allen herrenlosen Sachen Berührung fordert „quia possunt intervenire multi casus, quibus nostra non fiunt ... praeterea non est ibi aliquis, qui velit in me transferre possessionem.“ Bynkershoek (obs. VII. 1.) liest: loco notus, anstatt: loco motus, und bringt so mit Hilfe einer Emendation und einer sehr gezwungenen Erklärung endlich einen ganz falschen Satz als Resultat heraus. – Aber hier, wie in allen Fällen überhaupt, ist die unmittelbare Gegenwart der Sache das, was die Apprehension ausmacht: da es


(236) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

§. 18.

Es ist jetzt durch Interpretation bewiesen, was oben vorausgesetzt wurde, dass es die Möglichkeit einer unmittelbaren Einwirkung auf die Sache, und nicht die körperliche Berührung ist, was die Apprehension ausmacht (S. 210. 211.). Damit sind zugleich alle fingirten Apprehensionen aufgehoben, weil alle die Fälle, in welchen man eine solche nach willkührlichen Voraussetzungen annahm, ohne Ausnahme unter dem Begriff der natürlichen Apprehension enthalten sind.

Dieser Begriff selbst aber, dessen Realität nun erwiesen ist, muss jetzt näher bestimmt werden. Die Vergleichung einiger bereits erklärten Fälle wird am leichtesten zu diesem Zweck führen.

Wer ein Stück Wild tödtlich verwundet hat, und es sehr nahe verfolgt, ist dennoch nicht Besitzer desselben, so lange er es nicht wirklich gefangen oder getödtet hat;

sich indessen kaum denken lässt, dass Jemand einen Schatz völlig aufgraben wird, ohne ihn auch wirklich aus der Erde zu nehmen und weg zu tragen, so konnte die loco motio ohne Bedenken als Apprehension angegeben werden, um so mehr, da es hier blos darauf ankam, den Gegensatz gegen die Meinung des Neratius auszudrücken, nach welcher das blosse Wissen den Besitz begründen sollte. Diese richtige Erklärung der Worte nisi si loco motus sit findet sich blos bei den ältesten Glossatoren. Glossa interl. (Ms. Paris. 4458. a.) „G. (Guarnerius) vel pro moto habeatur veluti si coram positum thesaurum oculis et affectione videatur apprehendisse, sicut in aliis rebus ut I. e. l. 1.“ – Glossa interl. (Ms. Paris. 4455.) „vel pro moto habeatur veluti si praesens thesaurus oculis et affectu apprehendatur quod in possessione necessarium est. M.“ (Martinus.). Demnach ist das Resultat der drei angeführten Stellen (L. 15. ad exhib. – L. 44. pr. de poss. – L. 3. §. 3. de poss.) völlig dasselbe, und es ist dabei ganz gleichgiltig (!), ob das vergrabene Geld herrenlos ist oder nicht, und eben so, ob es bisher in fremdem Besitze war oder nicht (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 70. A. d. H.


(237) §. 18. Nähere Bestimmung der Apprehension.

denn noch ist es auf vielerlei Art möglich, dass ihm dieses Thier ganz entgehe (S. 222.), dann aber ist es ihm in keinem Moment möglich gewesen, willkührlich darauf zu wirken, was doch zum Erwerb des Besitzes nothwendig ist. Eben so, und aus denselben Gründen, erwirbt selbst der Eigenthümer eines Grundstücks den Besitz eines Schatzes erst dann, wenn der Schatz wirklich ausgegraben ist (S. 229. 230.), weil es auch hier leicht möglich ist, dass nicht er, sondern ein Anderer den Schatz findet, dann aber der Schatz in keinem Augenblick wirklich in der Gewalt jenes Eigenthümers war.

Dagegen kann der Besitz einer Sache blos dadurch erworben werden, dass sie in unserer Wohnung niedergelegt wird, obgleich wir nicht selbst gegenwärtig sind (S. 226.): und doch ist es auch hier nicht unmöglich, dass gleich nachher das Haus selbst von Andern mit Gewalt occupirt wird, so dass wir alsdann in keinem Augenblick jene Sache in unserer Gewalt hatten. Eben so soll von einem nahen Thurme aus der Besitz eines Grundstücks übergeben werden können (S. 214.), und doch ist es auch da möglich, dass der neue Besitzer die wirkliche Herrschaft über die Sache nie erhält, weil in demselben Augenblick, in welchem er hineingehen will, ein Anderer angekommen sein kann, der auch auf diesen Besitz Anspruch macht, und von welchem er mit Gewalt zurückgewiesen wird.

Worin liegt nun der Grund, warum in jenen Fällen kein Besitz erworben ist, wohl aber in diesen? offenbar blos darin, dass die Möglichkeit, von der Sache völlig ausgeschlossen zu werden, noch ehe man sie wirklich in der Gewalt gehabt hat, in jenen Fällen sehr nahe, in diesen aber so entfernt ist, dass sie für das Bewusstsein des Besitzers völlig verschwindet. Jeder wird es für leicht möglich halten, dass ihm ein verwundetes Thier entgehe, oder dass er so lange vergeblich nach einem


(238) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Schatze suche, bis ihm ein Anderer zuvorgekommen sein wird; aber dass das Hausrecht gewaltsam verletzt werde, oder dass in den wenigen Augenblicken, die man braucht, um in ein ganz nahes Feld zu gehen, ein neuer Besitzer ankomme, der vorher nicht zu sehen war, das ist so unwahrscheinlich, dass auf diese Möglichkeit Niemand Rücksicht nehmen wird. Demnach kann nicht in jenen, wohl aber in diesen Fällen das Bewusstsein physischer Herrschaft entstehen, und damit ist der Begriff der Handlung, wodurch der Besitz erworben werden muss, völlig bestimmt. Es muss nämlich die Möglichkeit, auf die Sache nach Willkür zu wirken, von dem, welcher den Besitz erwerben will, als unmittelbare, gegenwärtige Möglichkeit gedacht werden können.

Damit ist zugleich ein neuer Ausdruck für den materiellen Begriff des Besitzes (§. 9.) aufgefunden, in welchem zugleich der Erwerb und Verlust des Besitzes am leichtesten übersehen werden kann. Es beruht nämlich aller Besitz einer Sache auf dem Bewusstsein unbeschränkter physischer Herrschaft (1). Damit dieses Bewusstsein

(1) Wenn man diesen Satz so erklärt: „wer die physische Herrschaft über eine Sache zu haben meint, hat den Besitz, “ so ist nichts leichter, als ihn zu widerlegen, und er ist in dieser Gestalt von Zachariä (de poss. p. 27.) wirklich widerlegt worden. Aber ich glaube mich so deutlich vor diesem Missverständniss verwahrt zu haben, dass ich selbst für die Bestimmtheit des Ausdrucks nichts hinzuzuthun weiss. Ich habe nämlich sehr bestimmt gesagt, dass die Thatsachen, welche jenes Bewusstsein erzeugen können, wirklich vorhanden sein müssen, so dass dieses Bewusstseins blos erwähnt worden ist, in Beziehung auf jene Thatsachen; theils um zu erklären, warum es auf dieselben ankomme, theils um den Begriff derselben genauer zu bestimmen. Was aber die Fortdauer des Besitzes betrifft, so habe ich eben so deutlich gesagt, dass dieselbe auf der möglichen Reproduction alles dessen beruhe, wodurch der Besitz erworben


(239) §. 18. Nähere Bestimmung der Apprehension.

entstehe, muss der Wille (animus) vorhanden sein, die Sache als eigen zu haben (1); zugleich müssen die physischen Bedingungen der Möglichkeit vorhanden sein, deren Bewusstsein entstehen soll (corpus). Fortgesetzt wird der Besitz durch die Fortsetzung derselben Bedingungen (corpore et animo), wodurch der Besitz erworben wurde; aber es ist sehr natürlich, dass hier zur Fortdauer des Besitzes nicht die unmittelbare physische Herrschaft nöthig ist, die zum Anfang desselben erfordert wurde; vielmehr kommt es blos auf die fortdauernde Möglichkeit an, jenes unmittelbare Verhältniss nach Willkühr zu reproduciren. Darum verlieren wir nicht durch blosse Entfernung von der Sache den Besitz, den wir uns einmal zugeeignet haben, obgleich das physische Verhältniss, in welchem wir nun in der That zu dieser Sache stehen, durchaus nicht hinreichen würde, uns den Besitz allererst zu verschaffen (2); welcher Unterschied unter den physischen Bedingungen des Erwerbs und der Fortdauer ohne jene Beziehung auf das Bewusstsein des Besitzers durchaus nicht erklärbar wäre (3).

wird (1. Ausg §. 29. und 32.), welche Möglichkeit zwar nicht durch Entfernung von der Sache und durch Vergessen des Besitzes, wohl aber durch Verlieren und durch animus non possidendi aufgehoben wird.

(1) Von dem abgeleiteten Besitz nämlich, als einer blossen Modification des ursprünglichen Begriffs (§. 9.), kann hier nicht die Rede sein (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 71. A. d. H.

(2) Diese Unterscheidung zwischen Fortdauer und Erwerb des Besitzes ist selbst in den Ausdrücken sichtbar. So wird in einem und demselben Fall die custodia abgeleugnet (L. 3. §. 3. de poss.), und in einer andern Stelle angenommen (L. 44. pr. de poss.); aber in der ersten Stelle ist vom Erwerb, in der zweiten von der Fortsetzung des Besitzes die Rede.

(3) Zachariä hält es für einen nicht geringen Vorzug seines Begriffs des Besitzes, dass nach demselben der Erwerb und die Fortdauer des Besitzes auf ganz gleichen Bedingungen beruhe (de poss. p. 27.). Allein diese Gleichheit


(240) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Und diese Ansicht kann vielleicht dazu dienen, den bisher geführten Streit über die Natur der Apprehension zu vermitteln. Es ist nämlich schon oben (§. 14.) bemerkt worden, dass die Meisten jede Apprehension, welche nicht auf körperlichem Ergreifen beruht, für eine blos fingirte, künstliche halten, so dass Viele sie nur bei der Tradition oder gar nur um des Eigenthums willen zulassen. Andere haben zwar einen richtigen Begriff von der Apprehension überhaupt, sind aber doch geneigt, in derselben einen Unterschied anzunehmen, je nachdem von einseitiger Bemächtigung oder von Tradition die Rede ist (1). In der That lässt sich auch ein solcher Unterschied zugeben, wenn man ihn nur nicht auf den Grundsatz selbst, sondern auf die Anwendung bezieht. Fragt man nämlich, unter welchen Bedingungen durch die Gegenwart zugleich auch das Bewusstsein physischer Herrschaft entstehen könne, so wird dieses, besonders wegen der möglichen Gegenwirkung eines Dritten, sehr von individuellen Umständen abhängen können. Am leichtesten aber wird jenes Bewusstsein entstehen bei der Tradition, indem sich meist für den vorigen Besitzer durch Gewohnheit ein höherer Grad von Sicherheit in der Herrschaft über die Sache gebildet haben wird, und indem nun der neue Besitzer in diese allmälig erworbene Sicherheit mit einem Mal eintritt. So wird oft dieselbe

folgt nicht aus seinem Begriff, sondern aus dem Satz: initio possessionis probato, tamdiu ejus retentio praesumitur, donec probetur contrarium, i. e. finis (pag. 16.). Dieser Satz aber ist gänzlich erschlichen, und er folgt so wenig aus seinem Begriff, dass er demselben vielmehr widerstreitet. Denn nach dem Begriff gehörten die Signa e quibus constet alicui inesse animum etc. zum Wesen des Besitzes: in diesem Satz hingegen erscheinen sie als blosses Beweismittel, das durch eine (erschlichene) Präsumtion ersetzt werden soll.

(1) So z. B. Hufeland neue Darstellung S. 88 fg.


(241) §. 18. Nähere Bestimmungen der Apprehension.

äussere Thatsache bei der Tradition zum Erwerb des Besitzes hinreichen können, bei der einseitigen Occupation aber nicht. Nimmt man hierauf Rücksicht, so wird der unmittelbar praktische Streit grösstentheils verschwinden, indem nun für die meisten Fälle die Frage: ob Besitz erworben ist oder nicht? nach beiden streitenden Meinungen ganz gleich beantwortet werden wird. Uebrig ist dann noch der Streit über die wissenschaftliche Ansicht und Begründung, und zugleich über manche praktische Folge eben dieser Ansicht, indem die Gegner so manchen Erwerb durch Tradition, der mir natürlich scheint, für einen künstlichen halten, und eben darum, ganz gegen die Natur des Besitzes, von blos juristischen Bedingungen abhängig machen wollen (S. 208. 209.). Am meisten entfernen sich von der richtigen Ansicht des Besitzes diejenigen, welche den Besitz oft nur als Folge des Eigenthums entstehen lassen wollen (S. 208.). Nicht nur kehren diese alles natürliche Verhältniss der Begriffe um, sondern sie haben auch nicht einmal den Buchstaben für sich; denn viele der Stellen, aus welchen ich oben (§. 15. 16. 17.) den allgemeinen Begriff der Apprehension abstrahirt habe, sprechen zwar allerdings nur von der Tradition, aber sie fordern gar nicht, dass der tradirende Eigenthümer oder auch nur b. f. possessor gewesen sein müsse, sie passen also auf Fälle des übertragenen Eigenthums nicht mehr und nicht weniger, als auf solche Fälle, in welchen wirklich gar kein Recht an der Sache durch die Tradition erworben wird.

Aus dem allgemeinen Grundsatz der Apprehension, der hier durch blosse Abstraction aus den einzelnen Entscheidungen der Römischen Juristen aufgefunden worden ist, sind nun alle Fälle zu entscheiden, welche nicht ausdrücklich im Römischen Recht bestimmt sind.

Gesetzt, es wäre von dem Besitz eines Gutes die Rede, das in einem beträchtlichen Umfang mehrere Höfe


(242) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

enthielte: wäre es auch hier genug, das Ganze blos an einem Ende zu betreten, um Besitzer zu werden? das Römische Recht nennt diesen Fall nicht, denn die fundi, wovon die Römischen Juristen sprechen, sind offenbar einzelne Stücke Landes von beschränktem Umfang, die mit einem Blick übersehen werden können. Nach unserm Grundsatz ist durch jene Handlung der Besitz noch keineswegs erworben, sondern dieses ist nur durch solche Handlungen möglich, wodurch die sinnliche Ueberzeugung physischer Herrschaft über jeden Theil des Gutes entstehen kann: das Gut also, welches juristisch als Einheit (universitas) gilt, wird bei dieser Handlung, die gar keine juristische Form hat, als zusammengesetzt betrachtet. Ganz anders, wenn man nach der gemeinen Meinung den Besitz der Grundstücke durch symbolische Handlungen erwerben lässt; die Wirkung dieser symbolischen Handlung müsste sich auf die ganze Sache erstrecken, weil diese als juristische Einheit betrachtet wird: und dabei könnten physische Lage und Umfang keinen Unterschied machen.

§. 19.

Der Begriff der äussern Handlung ist jetzt völlig bestimmt, die, in Verbindung mit animus, den Besitz begründet. Es ist nur noch der Fall zu bestimmen übrig, wenn das physische Verhältniss schon vorher existirt, ehe der Besitz erworben werden soll.

Dass auch hier der animus, als die zweite Bedingung alles Erwerbs, hinzukommen müsse, ist klar: aber für die Apprehension, womit wir uns hier noch allein beschäftigen, ist durchaus nichts Neues zu thun nöthig. Insofern wird hier durch blossen animus Besitz erworben (1),

(1) L. 3. §. 3. de poss. „Neratius et Proculus, (et) solo animo non posse nos adquirere possessionem, si non antecedat naturalis possessio.“ (S. 231. Not. 4.). (*)

(*) Vgl. Anh. Num. 72. A. d. H.


(243) §. 19. Erwerb durch frühere Apprehension.

weil nämlich jetzt, in dem Augenblick des Erwerbs, ausser dieser Bestimmung des Willens, durchaus nichts Neues zu geschehen braucht.

Zugleich ist es klar, dass hier zum Erwerb des Besitzes schon das entferntere physische Verhältniss hinreiche, wodurch ausserdem der schon erworbene Besitz erhalten werden kann (S. 239.), vorausgesetzt, dass auch hier eine andere Apprehension vorhergegangen ist.

Der wichtigste Fall, welcher hierher gehört, betrifft die sogenannte traditio brevi manu. Man versteht darunter zwei sehr verschiedene Dinge: theils Uebertragung des Eigenthums, da der Besitz schon übergegangen war (1),

(1) L. 21. §. 1. de adqu. rer. dom. „Si rem meam possideas, et eam velim tuam esse: fiet tua, quamvis possessio apud me non fuerit.“ – cf. L. 46. de rei vind. Dass die Sache gegenwärtig sein müsse bei einem solchen Vertrag, ist durchaus nicht nöthig, denn L. 47. de rei vind. geht offenbar auf den s. g. fictus possessor, d. h. auf den Beklagten, der nicht wirklicher Besitzer ist („cum possessionem ejus possessor nactus sit“), also heisst res absens eine Sache, die nicht in seinem Besitze ist. Gar nicht hierher gehören endlich: L. 11. pr. – L. 15. de reb. cred. – L. 34. pr. mandati, denn wer einem Andern Geld ex mandato schuldig ist, hat jetzt das Eigenthum und den Besitz der Geldstücke; wird also die obligatio in ein mutuum verwandelt, so ändert sich in dem Eigenthum, so wie in dem Besitz, nicht das geringste, folglich gehört die Frage, ob jene Verwandlung möglich sei (über welche Frage jene Stellen in offenbarem Widerspruch stehen), gar nicht in die Theorie des Besitzes oder des Eigenthums. – Mein Rec. im juristischen Archiv (B. 4. S. 411.) bemerkt dagegen, dass der Mandatar, welcher Geld eincassire, keineswegs Eigenthümer und Besitzer der Geldstücke sei „vorausgesetzt natürlich, dass die erhobenen Gelder beim Mandatar specifisch vorhanden seien.“ Aber gerade von dieser Voraussetzung kann man hier sehr sicher das Gegentheil annehmen: 1. weil hier blos von den Obligationen-Verhältnissen gesprochen wird, bei welchen es natürlich und gewöhnlich ist, ganz davon zu abstrahieren, ob der Mandatar die vorigen Geldstücke aufbewahrt hat. 2. Weil L. 34. pr. cit. gerade in dieser Rücksicht das depositum dem Mandate


(244) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

welcher Fall uns hier nicht interessirt, indem er durchaus keine Veränderung des Besitzes begründet (1), theils Uebertragung des Besitzes, da der Andere bisher die blosse Detention hatte, wodurch denn auf die oben angegebene Weise der Besitz erworben wird. Hierauf beziehen sich folgende Stellen:

1. L. 9. §. 5. de adqu. rer. dom. (§. 44. I. de rer. divis.)

„Interdum etiam sine traditione nuda voluntas domini sufficit ad rem transferendam: veluti si rem, quam commodavi, aut locavi tibi, aut apud te deposui (2), vendidero tibi: licet enim ex ea causa tibi non tradiderim, eo tamen, quod patior eam ex causa emtionis apud te esse, tuam efficio.“

2. L. 62. pr. de evictionibus:

„Si rem, quae apud te esset (3), vendidissem tibi, quia pro tradita habetur, evictionis nomine me obligari placet.“

3. L. 9. §. 9. de rebus creditis:

„Deposui apud te decem, postea permisi tibi uti: Nerva, Proculus, etiam antequam moveantur (4),

entgegen setzt: „Nec huic simile esse, quod si pecuniam apud te depositam convenerit, ut creditam habeas, credita fiat: quia tunc nummi, qui mei erant, tui fiunt.“ Ganz natürlich, das Aufbewahren der species, welches bei dem Mandatar sehr zufällig ist, ist eben die Schuldigkeit des Depositars.

(1) [Zusatz der 7. Ausg.] „Dieses muss anders ausgedrückt werden, da hier in der That der Besitz herüber und hinüber geht. Vgl. System IV. Beilage IX. Num. VIII.“

(2) Durch alle diese Handlungen geht kein juristischer Besitz über (s. u. §. 23.).

(3) L. 63. de V. S. „Penes te amplius est, quam apud te: nam apud te est, quod qualiterqualiter a te teneatur, penes te est, quod quodammodo possidetur.“

(4) Also ohne neue Apprehension. – In der folgenden Stelle (L. 10. de reb. cred.) wird in einem andern Fall gerade das Gegentheil gesagt, aber um deswillen, weil da das wirkliche Brauchen des Geldes


(245) §. 19. Erwerb durch frühere Apprehension.

condicere quasi mutua tibi haec posse ajunt: et est verum, ut et Marcello videtur: animo enim coepit possidere“ ...

In diesen Stellen ist zunächst von Uebertragung des Eigenthums die Rede, aber durch eine solche Handlung, wovon es heisst: per possessionem dominium quaeritur, so dass sie auch für den Besitz völlig beweisen (S. 33. 34.), d. h. dass nicht nur in diesen Fällen selbst Besitz zugleich mit dem Eigenthum übergeht, sondern dass auch auf diese Art der Besitz ohne Eigenthum übertragen werden kann, wenn z. B. der Verkäufer selbst gar nicht Eigenthümer ist, oder wenn der Empfänger durch Pfandrecht oder Precarium oder Emphyteuse eine wahre possessio erhalten soll.

Zu dieser Art den Besitz zu erwerben, gehört auch die bedingte Uebergabe. Zunächst geht hier noch gar kein Besitz über, aber sobald die Bedingung eintritt, wird nun der Besitz unmittelbar erworben, der bis dahin nur in fremdem Namen ausgeübt wurde:

L. 38. § 1. de poss.

„ ... existimandum est, possessiones sub conditione tradi posse, sicut res sub conditione traduntur (1), neque aliter accipientis fiunt, quam conditio exstiterit.“

Bei dieser ganzen Art den Besitz zu erwerben, ist indessen eine Beschränkung wohl zu bemerken, die erst unten ganz deutlich werden kann. Wer nämlich seinen

die Bedingung war, ohne welche nach dem Willen der Parteien selbst gar nicht von einem mutuum die Rede sein konnte.

(1) d. h. wie bei dem Eigenthum (also mittelbar auch bei dem Besitz) eine bedingte Uebergabe vorkommt, so auch bei dem Besitz allein und ohne Beziehung auf Eigenthum. Vgl. L. 2. §. 5. de don. – L. 38. pr. de damno inf. (*)

(*) Vergl. Anhang Num. 73. A. d. H.


(246) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Besitz einer beweglichen Sache durch andere Personen ausüben lässt, verliert den Besitz nicht durch den blossen Willen dieser Personen, sondern es muss ein wahres furtum, also auch contrectatio hinzukommen (Abschn. 3.): folglich kann auch der Repräsentant diesen Besitz nur durch contrectatio erwerben, weil sonst zwei Besitzer derselben Sache vorhanden wären (S. 185. 186.), und darin liegt eine wahre Ausnahme von unserer Regel.

§. 20.

Die Beschaffenheit der körperlichen Handlung, wodurch der Besitz erworben wird, ist jetzt vollständig bestimmt: zu dieser Handlung aber muss ein bestimmtes Wollen (animus) hinzukommen, wenn der Besitz wirklich entstehen soll, und dieser Punct ist hier zunächst zu erörtern.

Nun besteht dieses Wollen ursprünglich darin, dass der Besitzer die Sache als eine eigne Sache behandle (animus domini); dieser Begriff ist für sich deutlich genug, und es ist nur nöthig, von der Verwechslung dieses animus domini mit der Ueberzeugung, dass man Eigenthümer sei (opinio domini) zu warnen (S. 110.). Das Recht des Besitzes aber kann in einigen Fällen, unabhängig vom Eigenthum, veräussert werden, und bei dem abgeleiteten Besitz, der dadurch entsteht, ist es nicht mehr der animus domini, was zu der Apprehension hinzukommen muss, um den Besitz zu begründen, sondern der blosse animus possidendi, d. h. man muss nur den Besitz auf diese Weise, also in Beziehung auf ein solches Rechtsgeschäft, erwerben wollen. Auch dieser Begriff bedarf keiner weitern Erörterung; dagegen ist es sehr wichtig, die Fälle zu wissen, in welchen ein abgeleiteter Besitz im Römischen Recht anerkannt, folglich eine Ausnahme von der Regel des animus domini gemacht wird. Diese Untersuchung also gehört ganz eigentlich hierher.


(247) §. 21. Des animus possidendi unfähige Personen.

Allein es giebt Fälle, in welchen, ohne Rücksicht auf diese Unterscheidung und doch wegen des fehlenden animus, kein Besitz erworben werden kann. Wer nämlich überhaupt nicht wollen kann, ist auch den Besitz zu erwerben unfähig: und eben so kann kein Besitz an einer solchen Sache entstehen, deren wir uns nicht als einer einzelnen Sache für sich bewusst werden können.

Demnach sind hier, bei dem animus possidendi, drei Fragen zu beantworten:

1. Welche Personen können keinen Besitz erwerben, weil sie überhaupt nicht wollen können? (§. 21.)

2. An welchen Sachen kann kein Besitz erworben werden, weil kein animus possidendi an ihnen möglich ist? (§. 22.)

3. In welchen Fallen ist ein abgeleiteter Besitz möglich? d. h. in welchen ist es möglich, ohne animus domini den Besitz zu erwerben? (§. 23-25.)

§. 21.

Zuerst also: welche Personen können keinen Besitz erwerben, weil sie überhaupt nicht wollen können(1)?

Dahin gehören zunächst: juristische Personen, d. h. solche, die blos durch eine juristische Fiction als Subjecte von Rechten betrachtet werden. So kann eine Erbschaft (hereditas jacens) alle übrigen Rechte, z. B. Eigenthum, haben und selbst erwerben, Besitz aber nicht. Die Apprehension liesse sich noch einigermassen denken, indem z. B. in einem Hause, das der Erbschaft

(1) Alle diese Personen nämlich (Corporationen, Wahnsinnige, Kinder) können durch sich selbst allein keinen Besitz erwerben; inwiefern es durch Stellvertreter möglich ist, wird unten (§. 26.) bestimmt werden. [Zus. der 7. Ausg.] „Vgl. System §. 91. und Warnkönig im Archiv für civ. Pr. B. 20. S. 412.“


(248) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

gehörte, die Sache eingeschlossen wäre; aber der animus possidendi ist hier durchaus unmöglich, und deswegen kann eine Erbschaft das Recht des Besitzes durchaus nicht erwerben (*).

L. 1. §. 15. si is, qui testamento liber.

„ ... possessionem hereditas non habet, quae (i. e. quippe quae) est facti et animi ...

Auf dieselbe Art sind auch Corporationen Besitz zu erwerben unfähig.

Dieselbe Unfähigkeit aber, welche bei juristischen Personen allgemein vorhanden ist, kann auch bei physischen Personen durch die besondere Beschaffenheit mancher Individuen begründet werden. So können Wahnsinnige, wegen des unmöglichen animus possidendi, keinen Besitz erwerben: auch kann von einer auctoritas curatoris, durch welche der Wahnsinnige in Stand gesetzt würde, selbst Besitz zu erwerben, hier, wie bei Wahnsinnigen überhaupt, nicht die Rede sein:

L. 1. §. 3. de poss.

„Furiosus, et pupillus sine tutoris auctoritate, non potest incipere possidere: quia affectionem tenendi non habent, licet maxime corpore suo rem contingant: sicuti si quis dormienti aliquid in manu ponat. Sed pupillus tutore auctore incipiet possidere.“

L. 18. §. 1. de poss.

So wie Wahnsinn, schliesst auch Jugend von dem Erwerb des Besitzes aus; dabei ist aber der Zeitpunkt zu bestimmen, mit welchem diese Unfähigkeit aufhört. – Nun ist es sicher, dass durch die Pubertät hier, wie in allen ähnlichen Fällen, jede Unfähigkeit aufgehoben ist,

(*) Vergl. Anh. Num. 74. A. d. H.


(249) §. 21. Des animus possidendi unfähige Personen.

demnach sind nur zwei Fälle zu erwägen übrig: Impubertät im engern Sinn und Kindheit.

Ueber die Fähigkeit der Pupillen, die nicht mehr Kinder sind, gilt diese Regel: durch Auctorität des Vormundes ist der Erwerb des Besitzes immer möglich, ohne diese nur dann, wenn in dem gegebenen Fall der Pupill ausgebildet genug ist, um diesen Erwerb begreifen und ernstlich wollen zu können:

L. 1. §. 3. de poss.

„ ... pupillus tutore auctore incipiet possidere. Ofilius quidem et Nerva filius, etiam sine tutoris auctoritate possidere incipere posse pupillum ajunt: eam enim rem facti, non juris esse: quae sententia recipi potest, si ejus aetatis sint, ut intellectum capiant.“

L. 26. C. de donat.

„Si quis in emancipatum minorem, prius quam fari possit, aut habere rei quae sibi donatur adfectum, fundum crediderit conferendum ... per ... servum transigi placuit“ ... (1).

Mehr Schwierigkeit hat die Sache, wenn von Kindern die Rede ist. Dass das Kind allein den Besitz nicht erwerben kann, folgt schon daraus, dass selbst die

(1) Aus diesen sehr bestimmten Stellen müssen einige andere erklärt werden, welche ganz unbestimmt der Möglichkeit eines solchen Erwerbs erwähnen, ohne die Bedingungen dieser Möglichkeit anzugeben: L. 1. §. 11. de poss. L. 32. §. 2. eod. L. 9. pr. de auct. et const. tutor. Besonders nach L. 26. C. de don. glaube ich, dass die Fähigkeit des Pupillen ganz individuell bestimmt werden muss, so dass §. 10. I. de inut. stip., worin ohne Unterschied jeder infantia major für fähig erklärt wird, allein auf die Stipulation bezogen werden darf. (*)

(*) Vergl. Anh. Num. 75. A. d. H.


(250) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Pupillen dieses Recht nicht ohne Einschränkung haben: dass der Vormund im Namen des Kindes Besitz erwerben kann, ist eben so gewiss, und gehört noch nicht hierher. Aber ist auch durch des Kindes eigene Handlung Erwerb des Besitzes möglich, wenn die auctoritas des Vormunds hinzukommt? Aus zwei Gründen scheint diese Frage verneint werden zu müssen: erstens, weil in allen andern Fällen nur bei eigentlichen Pupillen, nicht bei Kindern, eine auctoritas des Vormunds von den Gesetzen anerkannt wird (1); zweitens, weil der Erwerb des Besitzes keine juristische Handlung ist, folglich auf den Willen des Besitzers gesehen werden muss, ohne dass dieser durch juristische Fiction supplirt werden kann. Da aber der Vormund selbst, im Namen des Kindes, Besitz erwerben kann, obgleich dabei noch weniger eine Einwilligung des Kindes statt findet, so darf der zweite Grund consequenterweise auch nicht gegen die Gültigkeit der auctoritas angeführt werden, und da man, nach der Analogie eines andern Falls der Apprehension (2), die ganze Handlung auch so betrachten kann, als ob der Vormund selbst, im Namen des Kindes, den Besitz ergriffe, so fällt auch der erste Grund weg, welcher blos aus der juristischen Natur der auctoritas hergenommen ist. – Die Römischen Juristen selbst haben zuerst über diese Frage gestritten: späterhin wurde die Gültigkeit der auctoritas als entschieden angenommen, und es wird ausdrücklich die Analogie des Erwerbs durch den Vormund, deren Bedeutung so eben entwickelt worden ist, als Grund dieser Gültigkeit angegeben:

(1) §. 10. I. de inutil. stip. – L. 1. §. 2. de admin. tut. – L. 5. de R. I.

(2) L. 1. §. 21. de poss. „Si jusserim venditorem procuratori rem tradere, cum ea in praesentia sit: videri mihi traditam Priscus ait.“ (S. 217.).


(251) §. 21. Des animus possidendi unfähige Personen.

L. 32. §. 2. de poss.

„Infans possidere recte potest, si tutore auctore coepit: nam judicium infantis suppletur auctoritate tutoris: utilitatis enim causa hoc receptum est: nam alioquin nullus consensus infantis est (1) accipienti (2) possessionem.“

Der tutor auctoritatem interponens wird offenbar dem tutor accipiens possessionem entgegen gesetzt, und durch die (unbestrittene) Gültigkeit der zweiten Handlung soll die Gültigkeit der ersten bewiesen werden. Demnach ist der Sinn der ganzen Stelle dieser: „Die Gültigkeit der

(1) So lesen: Cod. Rhed., zwei Pariser Mspte (num. 4456. und 4485.), eine Münchner Handschrift (N. 21.), die Löwener Handschrift, und Ed. Ven. 1494. nebst noch zwei neuern Ausgaben von Tortis (1499 und 1502.). Fünf Pariser Mspte (num. 4479. 4480. 4486. 4486 a. ein Ms. du fonds de Notre-Dame), meine eigene Handschrift und Edd. Ven. 1485., Ven. 1491., Lugd. 1508. 1509. lesen: consensus infanti est (oder est infanti, was keinen Unterschied macht). – Flor. „ ... sensuse sit infantis:“ schon in der Handschrift war der Fehler corrigirt und: sensus est gesetzt; dennoch hat Gebauer abdrucken lassen: sensus sit, was weder in der Handschrift steht, noch einen Sinn giebt. – Edd. Rom. 1476., Nor. 1483., Lugdun. 1513. Lugd. 1519. Haloandr., Paris. 1514. 1536: „sensus infantis est.“ Dabei bemerkt Gebauer: „Hal. trajicit voces: sensus infantis est, ut nunc existimo, auctoritate alicujus codicis suffultus;“ d. h. Gothofred hatte hier zufällig keine Variante alter Ausgaben notirt. Die übrigen Ms. lesen theils sensus infantis est, theils sensus infanti est, theils sensus est infanti.

(2) Accipienti lesen: Cod. Rehd., drei Pariser Mspte (num. 4458. 4479. 4487.), die Münchner Handschrift num. 21. und Ed. Ven. 1485. Doch ist in der Rehdiger’schen Handschrift von einer neuern Hand accipientis anstatt accipienti gesetzt. – Die übrigen Ausgaben und Mspte lesen mit dem Florentinischen Mspt: accipiendi; die Löwener Handschrift: acquirendi. – Aus dieser Uebersicht erhellt, dass die vollständige Leseart, die ich als richtig annehme, nur allein in der Münchner Handschrift n. 21. zu finden ist, dass aber jeder ihrer Theile auf mehreren Mspten und alten Ausgaben beruht.


(252) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

auctoritas ist, abweichend von der allgemeinen Regel (utilitatis causa), angenommen worden: denn, wenn man sie verwerfen wollte, so würde das aus dem Grunde geschehen müssen, weil es nicht der Besitzer selbst ist, der den animus possidendi hat; das ist aber auch der Fall, wenn nicht das Kind, auctore tutore, sondern der Vormund selbst, im Namen des Kindes, den Besitz erwirbt, da auch hier nicht das Kind den animus possidendi hat (1). Da nun in diesem Fall dennoch der Besitz als erworben angenommen wird, so war es consequent, auch in jenem Fall den Erwerb zu behaupten.“ – Diese Erklärung beruht auf der oben angenommenen Leseart. Nach der gewöhnlichen Leseart („nam alioquin nullus sensus infantis est accipiendi possessionem“) erklären mehrere (2) auf diese Art: „denn ausserdem, d. h. ohne Auctorität des Vormunds, würde das Kind gar keinen animus possidendi (sensus s. intellectus accipiendi possessionem) haben können.“ Diese Erklärung ist unmöglich, theils weil das Kind auch dann keinen sensus hat, wenn der Vormund seine Auctorität interponirt, folglich das alioquin keinen Sinn hätte, theils auch deswegen, weil der ganze Satz da steht, nicht um die Nothwendigkeit der auctoritas zu beweisen, sondern um zu erklären, warum durch die auctoritas nach der nun recipirten Meinung Besitz erworben werden könne. – Doch ist die oben gegebene Erklärung auch nach der gewöhnlichen Leseart nicht unmöglich, aber der Sinn derselben ist weit unbestimmter und schwankender. – Wie aus

(1) nam alioquin (für nam et alioquin „auch in einem andern Fall“; dieser Fall selbst wird sogleich durch das Wort: accipienti bestimmt) nullus consensus infantis est accipienti (sc. tutori) possessionem.“

(2) Glossa in h. L. – Cuiacius in h. L. (opp. T. 8. p. 297.). – Giphanius in h. L. (lectur. Altorph. p. 394.).


(253) §. 21. Des animus possidendi unfähige Personen.

der unsrigen die andern Lesearten entstanden sind, lässt sich leicht zeigen. Da nämlich die Beziehung des „accipienti“ auf den tutor etwas versteckt liegt, so suchten die Abschreiber dieses Wort auf infans zu beziehen: theils, indem sie infanti anstatt infantis setzten (1), theils indem sie das accipienti in accipientis (2) oder in accipiendi (3) verwandelten, welche letzte Veränderung wieder die Verwandlung des consensus in sensus zur Folge hatte.

Hierher gehört endlich auch eine andere Stelle, die durch vielfache Interpretationen, und durch den practischen Gebrauch, den man von ihr gemacht hat, vorzüglich berühmt geworden ist (4). Bei ihrer Erklärung muss vorzüglich der Umstand in Erwägung gezogen werden, dass der Kaiser am Ende der Stelle einen Grund seiner Entscheidung angiebt und dabei sagt: dieser Grund stehe auch schon in einem responsum von Papinian. Wo der Grund jener Entscheidung steht, muss auch die Regel selbst stehen, es ist also sehr natürlich, vor allem die Stelle aus Papinian’s responsis aufzusuchen, die hier citirt wird. Diese Stelle aber ist keine andere, als die L. 32. de poss., die so eben erklärt worden ist. In dem Florentinischen Manuscript zwar ist sie überschrieben: Paulus lib. 15. ad Sabinum (5), allein Alciat führt aus andern Handschriften diese Inscription an: Papinianus lib. 11. Responsorum (6), und, die Wahrheit dieses Zeugnisses

(1) Ed. Ven. 1485., Ven. 1491., Lugd. 1508. 1509.

(2) Cod. Rehd.

(3) Cod. Flor. rel.

(4) L. 3. C. de poss.

(5) Die Senneton’sche Ausgabe (Lugd. 1550. f.) liest „Pauli II. 12.“ Ebenso hat die Ed. Iuntina von 1594. 4. im Text: Paulus Lib. 12. und führt blos am Rande die Florentinische Leseart an. Ein Pariser Ms. (num. 4487.) hat als Inscription: Pomp., die übrigen Ms. und Ed., die ich kenne, stimmen mit der Florentinischen Handschrift überein.

(6) Alciatus in L. 1. §. 3. de poss. (opp. T. 1. p. 1208.): „suadetur et auctoritate Papiniani, quem adducit, qui infra expresse


(254) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

vorausgesetzt (1), hat diese Leseart offenbar mehr Wahrscheinlichkeit, als die erste. Denn die L. 30. de poss. ist gleichfalls überschrieben: Paulus lib. 15. ad Sabinum, dagegen kommt vorher im ganzen 41. Buch keine Stelle aus Papinian’s responsis vor. Daher lässt es sich durchaus nicht erklären, wie ein Abschreiber die Inscription des Alciat an die Stelle der Florentinischen gesetzt haben sollte; dagegen ist der umgekehrte Fall sehr leicht zu begreifen, weil es sich sehr oft in den Pandekten findet, dass eine Stelle blos durch eine andere unterbrochen ist, der Abschreiber also auch hier die L. 30. und L. 32. als eine Stelle ansehen konnte, in welche die kleine L. 31. blos eingeschoben wäre (2).

Aus dieser Verbindung unserer Stelle (L. 3. C. de poss.) mit L. 32. de poss. folgt, dass der Inhalt jener Stelle kein anderer als dieser sein kann: ein Kind erwirbt den Besitz einer Sache, wenn der Vormund durch seine auctoritas den fehlenden animus des Kindes supplirt. Diese Regel ist hier in einem Rescript auf einen einzelnen

loquitur, cum tutor intervenit: dict. L. quamvis (32.) in fin. adscribitur enim aliquibus in codicibus ea lex Papiniano lib. Respons. 11.“ – An einer andern Stelle beschreibt Alciat sein altes Manuscr. ohne Glosse und mit Inscriptionen (dispunct. lib. 1. prooem.).

(1) Nämlich Cujacius erklärt einmal alle solche Angaben des Alciat für erlogen (Comm. in L. 133. de verb. obl., opp. T. 1. p. 1249.). Rechnet man dabei die Uebertreibung ab, so bleibt als Factum blos das übrig, dass Alciat einige Florentinische Lesearten falsch citirt, und gerade dabei hat Augustin (emend. III. 3, bei Otto IV. p. 1504.) den Irrthum so befriedigend erklärt, dass wir durch nichts berechtigt sind, in irgend einem Fall, wie z. B. in dem unsrigen, eine absichtliche Unwahrheit anzunehmen.

(2) [Zusatz der 4. Ausg.] Es darf indessen nicht verschwiegen werden, dass Bluhme’s Entdeckung über die Folge der Pandektenfragmente nicht für die hier angenommene Leseart spricht. (Zeitschrift für geschichtl. Rechtswiss. IV. 418.).


(255) §. 21. Des animus possidendi unfähige Personen.

Fall angewendet, und dieser Fall muss so gedacht werden: einem Kinde war etwas geschenkt worden, der donator hatte dem Kinde selbst den Besitz übergeben, und der Vormund hatte seine auctoritas interponirt. Nachher entstand ein Zweifel, ob auf diese Art der Besitz erworben worden sei? Dieser Zweifel gründete sich darauf, dass hier die Apprehension und der animus nicht in derselben Person vereinigt waren: der Vormund nämlich hatte den animus possidendi für das Kind, aber das Kind selbst hatte die körperliche Handlung vorgenommen, die zur Apprehension gehört, demnach wurde gezweifelt, ob durch diesen letzten Umstand der Erwerb des Besitzes nicht verhindert worden sei? Diese Frage wurde dem Kaiser vorgelegt, welcher durch das Rescript antwortete, das in unserer Stelle enthalten ist:

„Donatarum rerum a quacunque persona infanti vacua possessio tradita corpore (1) quaeritur. Quamvis enim sint auctorum sententiae dissentientes (2): tamen consultius

Durch die körperliche Handlung des Kindes kann allerdings in einem solchen Fall der Besitz der geschenkten Sache erworben werden. Denn obgleich ältere Schriftsteller anderer Meinung sind, ist es doch besser, den Besitz einstweilen durch diese Tradition

(1) Aus diesem Worte folgt offenbar, dass nicht in dem Kinde selbst, gegen die Regel, animus angenommen werden, sondern blos die körperliche Handlung desselben eine gültige Apprehension sein soll. Da nun bei allem Besitz auch animus nöthig ist, so muss hier der animus ausser dem Kinde vorhanden sein, also in der auctoritas des Vormunds liegen.

(2) L. 32. §. 2. de poss. „utilitatis enim causa hoc receptum est.“ – Vorher also wurde natürlicherweise das Gegentheil auch von Schriftstellern behauptet.


(256) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

videtur interim (1), licet animi plenus non fuisset affectus (2), possessionem per traditionem esse quaesitam: alioquin, sicuti consultissimi viri Papiniani responso continetur (3), nec quidem per tutorem (4) possessio infanti poterit acquiri“ (5).

als erworben anzunehmen, wiewohl das Kind selbst, das die körperliche Handlung vornahm, nicht zugleich den animus haben konnte. Der Grund dieser Entscheidung, welchen schon Papinian in einem responsum anführt, liegt darin, dass man ausserdem consequenterweise nicht einmal einen Erwerb des Besitzes durch die körperliche Handlung des Vormunds selbst annehmen könnte.

Die bedeutenderen Interpretationen dieser Stelle lassen sich unter drei Classen bringen.

Schon die ältesten Glossatoren scheinen die auctoritas des Vormunds hinzugedacht zu haben, worauf hier alles ankommt. Alciat gab dieser Erklärung durch seine Variante neues Gewicht (S. 253. 254): dass kein Schriftsteller nach ihm dieselbe bemerkt hat, mag mit daher kommen, weil er selbst sie so schlecht benutzt. Aber auch ohne

(1) Nämlich bis das Kind die Pubertät erreicht hatte, denn alsdann konnte der Besitz auf gewöhnliche Art anfangen.

(2) Dieser affectus minus plenus soll hier nicht durch Fiction als affectus plenus gelten, sondern er ist juristisch betrachtet so gut als gar kein animus, und dieser Umstand soll hier nur nichts hindern.

(3) L. 32. §. 2. de poss.

(4) Dieses per tutorem entgegen gesetzt dem: auctore tutore, geht auf den Erwerb des Besitzes durch körperliche Handlung des Vormunds im Namen des Kindes (L. 1. §. 20. de poss.).

(5) Papinian drückt diesen Schluss von der Gültigkeit des Erwerbs per tutorem auf die Gültigkeit der auctoritas so aus: „nam alioquin nullus consensus infantis est accipienti possessionem, “ (S. 251.).


(257) §. 21. Des animus possidendi unfähige Personen.

diese Combination hat Donellus diese Erklärung blos aus dem innern Zusammenhang unserer Stelle so vortrefflich entwickelt, dass aller Streit seitdem als geendigt hätte betrachtet werden sollen (1).

Nach einer zweiten Meinung soll in unserer Stelle etwas ganz Neues verordnet sein: das Kind soll nämlich auch allein, ohne den Vormund, Besitz erwerben können (2). – Einige lassen diesen Satz ganz allgemein, für jede Tradition überhaupt, gelten (3); Andere beschränken ihn auf Schenkungen, weil blos davon in der Stelle selbst die Rede sei (4); noch Andere beschränken ihn auf solche Gegenstände, deren Besitz die Kinder vorzüglich interessirt, z. B. Spielsachen (5). – Auch nach dieser Erklärung

(1) Glossa interlin. L. 3. C. de poss. (Ms. Paris. num. 4517.) wahrscheinlich von Irnerius bei dem Wort corpore: „sed auctoritate tutoris“ – bei alioquin: „Y (Irnerius) utrumque enim fit magis favore benignitatis, quam stricta ratione juris, remoto itaque altero consequenter et alterum removetur.“ – Glossa in L. 3. C. de poss.: „vel dic secundum Ioannem quod hic fuit tradita cum auctoritate tutoris. Et quod dicit: alioquin, id est: si diceres non acquiri cum auctoritate tutoris per infantem, eadem ratione nec per ipsum tutorem.“ (cf. Azo in h. L., lectura pag. 568. Odofred. in h. L., fol. 104.). – Alciatus in L. 1. §. 3. de poss. (opp. T. 1. p. 1208.). – Cuiacius in L. 1. §. 3. de poss. (opp. T. 5. p. 695., T. 8. p. 241.), und: in L. 3. C. de poss. (opp. T. 9. p. 1014.). – Obrecht de poss. C. 10. §. 365-374. – Donellus in comm. j. civ. Lib. 5. C. 11. (p. 191. ed. Hannov. 1612.). – Giphanius in L. 26. C. de donat. (lect. Altorph. p. 196.).

(2) Glossa in L. 3. C. de poss. Azo in h. L. (lectura p. 567.). – Duarenus in L. 1. §. 3. de poss. (opp. p. 827.). – Giphanius in L. 3. C. de poss. (Explanat. Cod. P. 2. p. 243.: vgl. die vor. Note). – Cuperus de poss. P. 2. C. 24.

(3) Azo l. c. – Cuperus l. c.

(4) Duarenus l. c. – Giphanius l. c. – Duaren fordert ausserdem, dass eine bewegliche Sache Gegenstand der Schenkung sei.

(5) Azo l. c. „Alii distinguunt, aut dedit eis res, quarum voluit infans retinere possessionem, ut denarios, castaneas, et similia ludicra: aut quarum noluit retinere possessionem, ut castrum, vel talia. In primis bene habet affectum, et


(258) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

kann freilich ein Zusammenhang der letzten Worte unserer Stelle mit der Entscheidung derselben gedacht werden (1), aber der Schluss, den nun Papinian und mit ihm der Kaiser machen würde, wäre so unlogisch, dass schon dadurch die erste Meinung ein entschiedenes Uebergewicht erhält (2).

Eine dritte Meinung endlich steht zwischen beiden ersten in der Mitte (3). Nach ihr soll das Kind allein den Besitz erwerben, aber nur einstweilen („interim“), d. h. bis in der Folge durch Auctorität des Vormunds das Fehlende ergänzt wird. Auch nach dieser Erklärung enthielte unsere Stelle etwas ganz Neues, theils weil doch einstweilen gegen die Regel der Besitz erworben würde (4), theils weil es ganz ungewöhnlich ist, dass die auctoritas erst in der Folge hinzukommen darf. – Uebrigens ist hier der Zusammenhang der Schlussworte mit der ganzen Stelle eben so schlecht als nach der vorigen Erklärung.

(Zusatz der 6. Ausg.) Neuerlich sind die zwei in diesem §. erklärten Stellen in einer ausführlichen Abhandlung ausgelegt worden von Puchta, Rhein. Museum

acquirit possessionem: in aliis non. Et in eis intellexerunt veteres“, d. h. frühere Glossatoren. Demnach ist es ganz falsch, wenn Dinus († um 1298) als Urheber dieser Meinung genannt wird.

(1) Glossa in L. 3. C. de poss. „id est, si non quaeritur infanti, quia non habet affectum: nec tutor ei quaeret eadem ratione. Utroque ergo modo ei quaeritur favore benignitatis magis, quam stricti juris ratione. Irnerius. – Sunt ergo hic duo, quorum altero remoto, et alterum removetur.“ – Eben so Duaren und Cuperus.

(2) Donellus l. c. (S. 257.).

(3) Beyma in var. tit. jur. pag. 325. 414. – Retes de poss. P. 1. C. 4. (Meerm. VII. p. 469.).

(4) Doch soll nach Retes dieser Besitz einstweilen eine blosse Detention sein. Dann aber verstände sich die Sache so sehr von selbst, dass es auf keine Weise eines Kaiserlichen Rescripts mit juristischen Gründen bedurft hätte.


(259) §. 21. Des animus possidendi unfähige Personen.

B. 5. S. 33-64, worin wiederum ältere Meinungen vertheidigt werden, aber mit so viel Methode und Feinheit, wie es früher niemals geschehen war. In der L. 32. erkärt der Verfasser die von ihm als richtig angenommene Leseart: sensus est accipiendi so: „denn ausserdem freilich (abgesehen von der utilitas) fehlt dem Kinde der auf den Besitzerwerb gerichtete Sinn.“ Die Stelle des Codex erklärt er von dem ohne Tutor handelnden Kinde, in welchem der an sich unzulängliche animus hier durch den bestimmten Willen des tradens erweckt und ergänzt werde, auf ähnliche Weise wie es sonst durch die auctoritas des Vormundes (gleichfalls gegen die strenge Regel) geschehe. – Durch die treffliche Art der Ausführung hat der Verf. die Akten spruchreifer gemacht, indem nun der Leser jede Erklärung in ihrer besten Gestalt sieht, also mit sicherer Ueberzeugung wählen kann (*).

(Zusatz der 7. Ausg.) Vergl. System §. 108. Mir scheint jetzt die Sache so zu stehen: 1. die Regel ist gewiss so wie ich sie aufstelle; 2. ungewiss bleibt L. 3. C. de poss. L. 26. C. de don. (L. 2. C. Th. de don.) Vielleicht war sie ursprünglich als Erleichterung gegen die Lex Cincia gemeint wegen des nach dieser wichtigen Interdictenbesitzes, den man nun als Formalität betrachtete neben der Insinuation und immer mehr einzuschränken suchte. Dann sind a) diese Stellen nicht zu brauchen für die Besitzregel überhaupt; b) im Justinianischen Recht haben sie freilich diese Natur angenommen und den ursprünglichen Sinn geändert; nun müssen sie aber auch mit den Besitzregeln in Einklang gebracht werden und dies rechtfertigt meine Interpretation. Ganz entscheidend

(*) Vergl. Anhang Num. 76. A. d. H.


(260) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

bleibt der Umstand, dass selbst infantia majores nur ausnahmsweise (wenn sie puberti proximi sind) allein Besitz erwerben können (L. 1. §. 3. de poss. S. 248. 249). Mehr Recht aber kann doch unmöglich das Kind haben. Jene Stellen auch noch im Justinianischen Recht als Ausnahmen bei der Schenkung behandeln zu wollen, leuchtet mir nicht ein (*).

§. 22.

Soll der animus possidendi als möglich gedacht werden, so muss auch der Gegenstand so beschaffen sein, dass wir uns seiner als einer einzelnen Sache bewusst werden können (S. 246). Unter welchen Bedingungen ist es also möglich, an einem einzelnen Theil eines Ganzen Besitz zu erwerben?

Dieser Erwerb lässt sich auf zweierlei Art denken: entweder so, dass der einzelne Theil allein, oder dass er in dem Ganzen und durch dasselbe besessen werden soll. Auf den ersten Fall beziehen sich die drei ersten Regeln, auf den zweiten die vierte Regel.

Erstens: Ist der Theil so beschaffen, dass er auch ein eigenes Ganze für sich ausmacht, d. h. ist der Begriff des Ganzen selbst, auf welches dieser Theil sich bezieht, willkürlich angenommen, so hat die Möglichkeit, an diesem Theil allein Besitz zu erwerben, keinen Zweifel. Dabei werden also reelle Theile eines Ganzen vorausgesetzt, welche Voraussetzung aber nur bei Grundstücken zum Behuf eines abgesonderten Besitzes möglich ist (1);

(*) Vergl. Anhang Num. 77. A. d. H.

(1) L. 8. de rei vind. „ ... quae distinctio neque in re mobili, neque in hereditatis petitione locum habet: numquam enim pro diviso possideri potest.“


(261) §. 22. Besitz an einzelnen Theilen einer Sache.

bei Grundstücken ist es demnach völlig willkürlich, wo die Grenze eines Ganzen angenommen werden soll, folglich kann an jedem Stück Land von bestimmtem Umfang Besitz erworben werden, obgleich der bisherige Besitzer es als Theil eines grössern Ganzen behandelt hat. Aber auf bestimmten Umfang des Theils, welcher erworben werden soll, kommt es allerdings an, d. h. es wird nur so weit Besitz an der Sache erworben, als der neue Besitzer sich die Sache als Gegenstand des Besitzes bestimmt vorstellt.

Zweitens: Ist das Ganze blos ideell, nicht reell getheilt, so ist gleichfalls Besitz eines einzelnen Theils möglich, vorausgesetzt, dass auch hier der Umfang dieses Theils völlig bestimmt sei. Nun ist in diesem Fall die Bestimmung der Theile überhaupt blos arithmetisch, also ist es das Verhältniss dieses Theils zum Ganzen, was man kennen muss, um den Besitz des Theils erwerben zu können, d. h. das Ganze wird als Einheit behandelt, der Theil als ein Bruch, und man muss den Zähler und Nenner dieses Bruchs kennen, wenn der Besitz erworben werden soll. Wer z. B. den dritten Theil eines Vermögens geerbt hat, hat dadurch an jeder einzelnen Sache, die dem Verstorbenen gehörte, den dritten Theil des Eigenthums erworben. Verkauft und übergiebt er nun einen Acker, der zur Erbschaft gehörte, so erwirbt der Käufer den Besitz eines Drittheils dieses Ackers, denn dieses Drittheil ist das, was er sich als Gegenstand seines neuen Besitzes denkt. – Die erste und zweite Regel zugleich sind in folgenden Stellen enthalten:

1. L. 26. de poss. (Pomponius lib. 26. ad Q. Mucium).

„Locus certus ex fundo et possideri et per longam possessionem capi potest: et certa pars pro indiviso, quae introducitur vel ex emptione, vel ex donatione, vel qualibet alia ex causa. Incerta autem


(262) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

pars nec tradi, nec (usu) capi potest (1): veluti si ita tibi tradam, Quidquid mei juris in eo fundo est (2): nam qui ignorat (3), nec tradere, nec accipere id quod incertum est, potest.“

2. L. 32. §. 2. de usurp. (Pomponius lib. 32. ad Sabinum).

„Incertam partem possidere nemo potest. Ideo si plures sint in fundo, qui ignorent, quotam quisque partem possideat: neminem eorum mera subtilitate possidere Labeo scribit.“ (4).

(1) d. h. es kann kein Besitz daran erworben werden.

(2) Dieses Beispiel, so wie die Regel selbst, geht auf beide oben erklärte Fälle zugleich. Besitz also ist auf gleiche Weise unmöglich, es mag von einem locus incertus ex fundo, oder einer incerta pars pro indiviso die Rede sein.

(3) sc. quanta pars sit.

(4) Was ist es eigentlich, was hier als blosse Subtilität stillschweigend missbilligt wird? Die Regel nicht, denn diese stellt Pomponius in dieser und in der vorigen Stelle geradezu als wahr auf, auch folgt sie unmittelbar aus dem Begriff des animus possidendi. Also ist es nur diese Anwendung der Regel, was getadelt wird, und diese Anwendung muss so gedacht werden: zwei Personen, deren jede auf ein vacantes Grundstück Anspruch macht, occupiren dasselbe zu gleicher Zeit. Keiner will vorjetzt dem Andern den Besitz streitig machen, weil beide vor einem Dritten am meisten sich fürchten, sie erkennen sich also stillschweigend als Mitbesitzer an. Nun kann, streng genommen, blos durch eine juristische Handlung ein ideeller Theil entstehen („introducitur ex emptione“ etc. L. 26. de poss.), folglich ist hier Keiner Besitzer geworden, folglich kann der Dritte mit Gewalt den Besitz occupiren. Aber diese ganze Folgerung beruht auf blosser Subtilität, und es ist offenbar viel natürlicher, jeden zur Hälfte als Besitzer zu betrachten, obgleich keine ausdrückliche Verabredung hierüber nachgewiesen werden kann. – Noch einfacher und natürlicher ist es aber wohl, folgenden Fall in der Stelle vorauszusetzen. Gajus, der Besitzer eines Grundstückes, stirbt. Sejus und Titius wissen, dass sie die einzigen Erben sind, aber nicht, zu welchem Theile ein Jeder eingesetzt ist, da sie das Testament noch nicht gesehen haben. In dieser Ungewissheit ergreifen


(263) §. 22. Besitz an einzelnen Theilen einer Sache.

3. L. 3. § 2. de poss.

„Incertam partem rei nemo possidere potest: veluti si hac mente sit, ut quidquid Titius possidet, tu quoque velis possidere“ (*).

Drittens: Ausser diesen beiden Fällen ist es immer unmöglich, den Besitz eines einzelnen Theils für sich zu erwerben. Gewöhnlich wird diese Unmöglichkeit selbst eine physische sein, also einer positiven Bestimmung nicht bedürfen; so z. B. versteht es sich von selbst, dass Niemand an einem Balken in einer Wand, oder an einem Wagenrad Besitz erwerben kann, so lange die Verbindung dieser Theile mit ihrem Ganzen fortdauert. Aber auch abgesehen von dieser physischen Unmöglichkeit ist dieser Besitz aus juristischen Gründen allgemein unmöglich; so kann z. B. ein Gebäude ohne den Boden, worauf es ruht, nicht besessen werden, und der Grund liegt offenbar darin, dass ein Gebäude, als Theil eines Ganzen, für unzertrennlich von dem Boden angesehen wird. Dieser Satz selbst nämlich, dass Boden und Gebäude juristisch zusammen hängen, dass sie nur Theile eines und desselben Ganzen sind, also nicht verschiedene, für sich bestehende Sachen, dieser Satz ist in vielen Stellen deutlich ausgesprochen (1). Eine blosse Folge dieses Satzes ist es, dass nicht an dem Boden und Gebäude (und eben so an verschiedenen Stockwerken desselben

sie den Besitz. Der Subtilität nach wäre Keiner von Beiden Besitzer: in der That aber müssen Beide zusammen so viel Recht geniessen, als ein Einzelner durch Apprehension des Ganzen haben würde; sie haben also gemeinschaftlich die Interdicte. (Zusatz der 6. Ausgabe.) (**)

(*) Vergl. Anhang Num. 78. A. d. H.

(**) Vergl. Anhang Num. 79. A. d. H.

(1) L. 49. pr. de rei vind. – L. 20. §. 2. de S. P. U. – L. 98. §. 8. de solut. – L. 21. de pign. act. – L. 23. pr. de usurp. – L. 44. §. 1. de O. et A.


(264) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Hauses) verschiedene Eigenthümer vorkommen können (1). Eben so folgt daraus, dass auch das Pfandrecht nicht an einem Einzelnen dieser Bestandtheile, sondern nur an dem Ganzen, gegeben werden kann (2). Aber mit derselben Nothwendigkeit folgt daraus auch die gleiche Unmöglichkeit für den Besitz: Boden und Haus also, und eben so auch verschiedene Stockwerke, können nicht verschiedene Besitzer haben, gerade so wie an einer Bildsäule nicht einer den Kopf und die Arme, ein anderer das übrige zu gleicher Zeit besitzen kann. Auch fehlt es für diese Anwendung auf den Besitz nicht an unmittelbaren Zeugnissen (3).

Viertens: Wer den Besitz eines Ganzen erwirbt, besitzt nur das Ganze, nicht jeden Theil für sich. – Die drei ersten Regeln betrafen den Besitz des Theils, welcher abgesondert von dem Ganzen erworben werden sollte; hier ist die Rede von dem Theil, welcher in dem Ganzen und durch dasselbe, aber dennoch als eine besondere Sache besessen werden soll: dieser Besitz ist es, dessen Möglichkeit geleugnet wird. Uebrigens ist diese Regel zwar vorzüglich bei der Usucapion von Bedeutung,

(1) L. 50. ad L. Aquil. – L. 2. de superfic. – L. 98. §. 8. de solut. – L. 17. comm. praed.

(2) L. 21. de pign. act.

(3) L. 44. §. 1. de O. et A. „ ... Sic et in tradendo si quis dixerit, se solum sine superficie tradere, nihil proficit quo minus et superficies transeat, quae natura solo cohaeret.“ (Tradition aber geht zunächst auf den Besitz, und nur mittelbar auf das Eigenthum). – L. 15. §. 12. de damno infecto „ ... si ex superficie, inquit, damnum timeatur, non habebit res exitum: nec profuturum in possessionem ejus rei mitti, quam quis possidere non possit“ ... – L. 25. 26. de usurp. „Sine possessione usucapio contingere non potest. – Nunquam superficies sine solo capi longo tempore potest.“ (Ich betrachte nämlich den zweiten Satz als eine blosse Folgerung aus dem ersten. (Vergl. jedoch Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft IV. 415.)


(265) §. 22. Besitz an einzelnen Theilen einer Sache.

indessen kann sie doch auch bei den Interdicten vorkommen, wenigstens bei der alten Form des int. utrubi, wobei sie ganz auf dieselbe Art, wie bei der Usucapion anzuwenden ist (1).

Die erste Anwendung, in welcher diese Regel sich findet, ist diese: wer einen Wagen in Besitz nimmt, hat nicht auch den Besitz der Räder als einzelner Sachen für sich erworben, und eben so verhält es sich mit andern zusammengesetzten Sachen (2). Wenn z. B. der Wagen gestohlen ist, so kann er nicht usucapirt werden; befindet sich nun darin ein nicht gestohlenes Rad, so wird dieses dennoch nicht usucapirt, weil nicht das Rad für sich, sondern der Wagen besessen wird. Eben so wird umgekehrt ein gestohlenes Rad mit dem ganzen Wagen zugleich usucapirt werden, wenn nur dieser nicht gestohlen ist. – Wird umgekehrt das Ganze, welches ich besass, zerlegt, so fängt für die einzelnen Theile (weil ich diese bisher nicht besass) ein neuer Besitz an, welcher Satz wieder durch die Usucapion am besten erläutert werden kann. Ist nämlich in einem solchen Fall die Usucapion des Ganzen vollendet, so ist auch an jedem Theil Eigenthum erworben, und dieses Eigenthum wird natürlich durch die Trennung der Theile nicht

(1) Gegen die Beispiele, welche Thibaut (Anhang zu Cuperus S. 163. etc.) anführt, lässt sich noch Manches einwenden. Denn die Pertinenzqualität einer beweglichen Sache, die mit einer unbeweglichen verbunden wäre, könnte auch neben dem Besitz der beweglichen Sache an sich bestehen. Ueberdem kommt es bei dem int. quod vi auf Besitz gar nicht an, bei dem int. de vi ist die dejectio aus der beweglichen Sache immer zugleich mit der dejectio vom Boden selbst verbunden, und bei dem int. uti possidetis könnte die Störung in dem Besitz des Theiles, selbst wenn dieser für sich besessen würde, doch immer zugleich als eine Störung im Besitz des Ganzen betrachtet werden.

(2) Das eigenthümliche Recht der Gebäude wird noch besonders bemerkt werden.


(266) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

aufgehoben (1); geschieht die Trennung vor geendigter Usucapion, so muss für den getrennten Theil eine neue Usucapion angefangen werden, aber die justa causa des Ganzen erstreckt sich auch auf diesen Theil (2), und eben so auch die Apprehension des Ganzen, so dass also der Besitz des abgetretenen Theiles durch die blosse Trennung, ohne neue Handlung des Besitzers erworben wird (3). Beide Sätze würden, selbst abgesehen von ihren speciellen historischen Beweisen, schon deswegen als wahr angenommen werden müssen, weil die ganze Beschränkung des Besitzes, die den Inhalt dieses Paragraphen ausmacht, lediglich den fehlenden animus possidendi betrifft, also die Apprehension, oder gar die justa causa possessionis, gar nicht afficirt.

Zweite Anwendung: Wer ein Grundstück kauft, besitzt dieses Grundstück im Ganzen, und nicht einzelne Stücke desselben für sich (4). Dieser Fall unterscheidet sich indessen von den übrigen dadurch, dass der Begriff des Ganzen willkürlich angenommen, folglich auch eine reelle Zerlegung unmöglich ist. Demnach beschränkt sich die Anwendung unserer Regel auf die justa causa,

(1) Unterholzner Verjährung S. 95. bestreitet diesen Satz, ohne den jedoch practisch die Usucapion gar nicht bestehen kann. Habe ich nämlich eine bewegliche Sache usucapirt, so würde mir jeder durch Zerschlagen oder Zerbrechen dieser Sache das erworbene Eigenthum willkürlich entziehen können: eben so, wenn ich ein Grundstück usucapirt habe, das Eigenthum der Bäume durch blosses Abhauen derselben.

(2) L. 11. §. 6. de public. in rem act. – Was diese Stelle über zerstörte Gebäude bestimmt, muss von jedem getrennten Ganzen gelten.

(3) Die Anwendung dieser Grundsätze auf die fructuum perceptio s. in dem folg. §.

(4) L. 2. §. 6. pro emtore: „Cum Stichum emissem, Dama per ignorantiam mihi pro eo traditus est. Priscus ait, usu me eum non capturum; quia id, quod emptum non sit, pro emptore usucapi non potest. Sed si fundus emptus sit, et ampliores fines possessi sint, totum


(267) §. 22. Besitz an einzelnen Theilen einer Sache.

wobei sie auch allein in unsern Rechtsquellen angeführt wird (1).

Dritte Anwendung: Wer ein Grundstück usucapirt, erwirbt nach der falschen Meinung einiger Juristen zugleich mit dem Grundstück auch den Schatz, der darin vergraben ist (2). Aber das Falsche in dieser Meinung liegt nicht darin, dass Usucapion des Theils zugleich mit dem Ganzen behauptet wird, sondern in der Betrachtung des Schatzes als eines Theils des Grundstücks. Demnach ist hier nur die Anwendung unserer Regel unrichtig gemacht.

Vierte Anwendung: Wer ein Haus besitzt, hat nicht auch den Besitz der einzelnen Balken und Steine, als bewegliche Sachen, früher erwerben als das Haus: das ist nach unserer Regel unmöglich (3). Eben so ist es eine

longo tempore capi: quoniam universitas ejus possideatur, non singulae partes.“

(1) Gesetzt also, ich kaufe ein Grundstück, wovon ein Theil dem Käufer gehört, der andere nicht, so kann ich diesen fremden Theil gewiss usucapiren, insofern also besitze ich ihn als eine besondere Sache. (Zus. der 6. Ausg.)

(2) L. 3. §. 3. de poss. (s. o. S. 233. 234.)

(3) L. 23. pr. de usurp. „Eum, qui aedes mercatus est, non puto aliud, quam ipsas aedes, possidere: nam si singulas res possidere intelligetur, ipsas aedes non possidebit: separatis enim corporibus, ex quibus aedes constant, universitas aedium intellegi non poterit: accidit (accedit) eo, quod si quis singulas res possidere dixerit, necesse erit (ut) dicat (in) possessione superficiei temporibus de mobilibus statutis locum esse, solum se capturum esse ampliori (tempore): quod absurdum, et minime juri civili conveniens est, ut una res diversis temporibus capiatur: ut puta cum aedes ex duabus rebus constant, ex solo et superficie, et universitas earum possessione temporis immobilium rerum dominium mutet.“ (So lesen: Cod. Rehd., Edd. Rom. 1476., Nor. 1483., Ven. 1485., Ven. 1494., Lugdun. 1509. 1513., Hal., Paris. 1514. 1536. Eben so sieben der besten Handschriften zu Paris, die zu Metz, die Leipziger Handschrift, und meine eigene. – Die Florentinische Leseart ist ganz


(268) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

blosse Folge unserer Regel, und ganz den übrigen Fällen analog, dass, wenn ein Haus vor vollendeter Usucapion abgerissen wird, die Balken und Steine von neuem, als bewegliche Sachen, usucapirt werden müssen (1). – Aber etwas ganz eigenes ist es, dass auch die vollendete Usucapion des Gebäudes sich nicht auf die Baumaterialien, als Theile jenes Ganzen, erstreckt, diese also nach der Trennung von neuem usucapirt werden müssen, obgleich das Haus selbst längst erworben war. Dieses gilt jedoch nur für den Fall, wenn das Haus und die Baumaterialien verschiedene Eigenthümer haben; haben sie denselben Eigenthümer, so bleibt es auch hier bei der gewöhnlichen Regel, so dass der vorige Eigenthümer nach der Usucapion weder das Haus noch die abgebrochenen Balken und Steine vindiciren kann (2). Der Grund dieser Ausnahme liegt darin: wird irgend eine andere Sache, als Theil, mit einem Ganzen verbunden, so kann der Eigenthümer durch die actio ad exhibendum die Trennung fordern, dann aber die getrennte Sache wie jede andere vindiciren. Nicht so bei Baumaterialien: hier darf der Eigenthümer keine Trennung verlangen (3),

ohne Sinn: („possessionem temporis immobilium rerum omnium mutet“) – cf. L. 8. quod vi (*).

(*) Vergl. Anhang Num. 80. A. d. H.

(1) L. 23. §. 2. de usurp. „Si autem demolita domus est, ex integro res mobiles possidendae sunt, ut tempore, quod in usucapione rerum mobilium constitutum est, usucapiantur: et non potest recte uti eo tempore, quo in aedificio fuerunt“ rel.

(2) L. 23. §. 7. de rei vind. „Item si quis ex alienis cementis in solo suo aedificaverit, domum quidem vindicare poterit, cementa autem resoluta prior dominus vindicabit, etiamsi post tempus usucapionis dissolutum sit aedificium, postquam a bonae fidei emptore possessum sit: nec enim singula cementa usucapiuntur, si domus per temporis spatium nostra fiat.“ – cf. L. 59. in f. eod., – L. 7. §. 11. de adquir. rer. dom.

(3) §. 29. I. de rer. div., Dig. lib. 47. Tit. 3. – Dass hierin wirklich der Grund jener Ausnahme liegt, erhellt aus L. 23. §. 6. 7. de rei vind.


(269) §. 22. Besitz an einzelnen Theilen einer Sache.

und es war eine natürliche Folge davon, dass man die Usucapion gar nicht zuliess, die der Eigenthümer nicht das Recht hatte, durch eine Vindication zu unterbrechen.

Auch in der Anwendung dieser Regel unterscheidet sich wieder der Erwerb von dem Verlust des Besitzes. Ist nämlich der Besitz einer Sache einmal angefangen, so wird er dadurch nicht verloren, dass diese Sache mit andern Sachen zu einem neuen Ganzen verbunden wird (1), und es ist nöthig, dieses Satzes hier zu erwähnen, weil man in der Stelle des Römischen Rechts, welche ihn enthält (2), einen Widerspruch gegen unsere Regel zu finden geglaubt hat (3). Aber hier, wie bei dem Erwerb,

(1) Das übrigens versteht sich von selbst, dass durch die Verbindung der Theil selbst nicht etwa ein anderer Körper als vorher geworden sein müsse (specificatio): denn dadurch hätte die Existenz der vorigen Sache in der That aufgehört, folglich auch ihr Besitz L. 30. §. 4. de poss. „ ... desinimus possidere ... si, quod possidebam, in aliam speciem translatum est.“ – L. 30. §. 1. de usurp. „ ... cum utrumque maneat integrum.“

(2) L. 30. §. 1. de usurp. „Labeo libris epistolarum ait, si is, cui ad tegulorum (tegularum) vel columnarum usucapionem decem dies superessent, in aedificium eas, conjecisset, nihilominus eum usucapturum, si aedificium possedisset. Quid ergo in his, quae non quidem implicantur rebus soli, sed mobilia permanent, ut in annulo gemma? In quo verum est, et aurum et gemmam“ (d. h. jedes als eine Sache für sich) „possideri, et usucapi, cum utrumque maneat integrum.“ (Aus dem Worte maneat folgt nothwendig, dass die Sachen erst einzeln besessen, und dann zu einem Ganzen verbunden wurden).

(3) Westphal (Arten der Sachen etc. §. 46. 548.) hat, soviel ich weiss, zuerst auf diesen Unterschied des Erwerbs von dem Verlust des Besitzes aufmerksam gemacht. Ihm folgt: Winkler diss. de interrupt. usuc. ac praescr., Lips. 1793. p. 37. (Dagegen erklärt sich Unterholzner Verjährungslehre §. 50.). – Cuperus (pag. 29.) behauptet einen unauflöslichen Widerspruch der Römischen Juristen. Eben so: Fleck de adqu. poss. p. 31. etc. – Das besondere Recht der Baumaterialien hat Man (ad L. 3. §. 3. de poss., §. 15., p. 339.) richtig angegeben, aber er verwechselt diese Ausnahme mit der allgemeinen Regel, die hier


(270) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

muss eine Ausnahme gemacht werden, wenn von Baumaterialien die Rede ist; zwar wird auch ein Fall dieser Art angeführt, in welchem die angefangene Usucapion nicht unterbrochen sein soll, aber der Jurist setzt ausdrücklich

auseinander gesetzt worden ist. – Unterholzner Verjährung S. 97. leugnet allgemein die Fortdauer des Besitzes im Fall der Verbindung einzeln besessener Sachen zu einem neuen Ganzen. Die angeführte L. 30. §. 1. de usurp. sucht er dadurch zu entfernen, dass er in der ersten Hälfte anstatt nihilominus emendirt nihilomagis (ganz willkürlich und ganz gegen das folgende: si aedificium possedisset, was ja doch offenbar eine beschränkende Bedingung des Satzes sein soll). (Er hat späterhin diese Meinung aufgegeben, und nimmt nun die decem dies buchstäblich und als eine unerklärlich Singularität. Verjährungslehre §. 49.). Für die zweite Hälfte S. 94. behauptet er, das Einsetzen des Edelsteins in den Ring werde gar nicht als Verbindung betrachtet, sondern etwa wie das Einschliessen in ein Futteral; (späterhin von ihm aufgegeben; Verjährungslehre §. 50.); dieser Behauptung aber widersprechen geradezu L. 6. ad exhib. – L. 23. §. 2. 5. de rei vind. – Wäre unsre L. 30. §. 1. de usurp. allein vorhanden, so bliebe kein Zweifel übrig, aber grosse Schwierigkeit macht allerdings L. 7. §. 1. ad exhib. (s. o. S. 88.). Diese Stelle nämlich kann den Sinn haben, dass eben durch die Verbindung des Rades mit dem Wagen der Usucapionsbesitz des Rades, oder auch aller Besitz des Rades überhaupt (S. 88.), aufhören soll. Dann müssen wir annehmen, dass über diesen Satz die Römischen Juristen verschiedener Meinung waren (denn der Vereinigungsversuch in den zwei ersten Ausgaben dieses Werks S. 213. 254. ist unhaltbar). Es kann aber auch angenommen sein, dass das Rad gestohlen und deswegen nicht in der civilis possessio war. Endlich kann auch das quamvis so heissen: „selbst wenn auch (aus irgend einem nicht ausgedrückten Grunde) die civilis possessio fehlen sollte“, so wie in einer andern Stelle Thibaut das licet erklärt (S. o. S. 79.). Bei dieser Vieldeutigkeit der Stelle scheint es, dass die ganz unzweideutige L. 30. §. 1. de usurp. den Vorzug verdienen müsse. – Weniger Schwierigkeit macht L. 1. §. 2. de tigno juncto, denn wenn gleich der Besitzer des Hauses die wahre possessio der Balken hätte, so könnte er doch nicht gezwungen werden, diese Balken zu restituiren, also wäre er für den Erfolg der Vindication (wovon hier allein die Rede ist) doch nicht als possessor zu betrachten.


(271) §. 22. Besitz an einzelnen Theilen einer Sache.

hinzu, dass zur vollendeten Usucapion nur noch eine Zeit von zehn Tagen gefehlt habe, also eine so kurze Zeit, dass eine usurpatio durch Vindication kaum noch möglich gewesen wäre (1).

(Zusatz der 6. Ausgabe.) Sintenis über Besitz und Ersitzung verbundener Sachen (Archiv für die civil. Praxis B. 20. S. 75-115. Heidelberg 1837.) (2) stellt für

(1) Die decem dies also bedeuten nur überhaupt eine kurze Zeit: ganz eben so die decem dies in L. 50. de minor. und die paucissimi dies in L. 16. de fundo dotali. – (Ich habe hier die Darstellung der dritten Ausgabe unverändert gelassen. Seitdem hat mir zur ersten Hälfte der L. 30. §. 1. de usurp. Herr Prof. Falck folgende Erklärung mitgetheilt, welcher ich nunmehr beistimme. Die tegulae et columnae stehen hier nicht als eigentliche Baumaterialien, sondern als Stücke, die dem Gebäude blos äusserlich angefügt sind [versteht sich, insofern die Säulen nicht das Gebäude tragen, sondern nur zur Verzierung aufgestellt sind]: eine so lose Verbindung soll die angefangene Usucapion nicht stören, und die decem dies bezeichnen daher nicht etwa eine sehr kurze Zeit, sondern überhaupt den Rest der Usucapionszeit, wobei die bestimmte Zahl etwa aus einem wirklichen Rechtsfall hergenommen sein könnte. Für diese Erklärung spricht L. 23. §. 1. de usurp., nach welcher auch columnae [nämlich in dem oben genauer bestimmten Fall] vindicirt werden können und zu einem Evictionsregress Anlass geben (anders tabulae L. 36. de evict.). Freilich sagt L. 1. §. 1. de tigno juncto für die tegulae das Gegentheil, aber nur mit quidam ajunt, und bei solchen einzelnen Anwendungen konnte leicht Streit sein. – Die im Text aufgestellten Regeln bleiben bei dieser neuen Erklärung unverändert). – (Gegen diese in der vierten Ausgabe aufgenommene neue Erklärung hat sich erklärt Thibaut im Archiv für die civilistische Praxis B. 7. S. 79-86. Durch die näheren Bestimmungen, die ich jetzt in jener Erklärung gegeben habe, möchten wohl seine Einwürfe beseitigt sein).

(2) In der 6. Ausgabe konnte von diesem Aufsatze nur in der Einleitung Nachricht gegeben werden, da derselbe dem Verfasser erst nachdem schon der grösste Theil der 6. Ausgabe gedruckt war (zu Ende des März 1837) bekannt geworden war. In Folge der Bemerkung („Zu §. 22 meines Buchs“) ist derselbe jetzt hierher an seinen Ort gestellt worden.

(Anm. d. Herausg.)


(272) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

denjenigen Theil dieser Untersuchung, der allein Schwierigkeit macht, folgende Hauptsätze auf. Wer eine zusammengesetzte bewegliche Sache besitzt, hat immer auch den Besitz ihrer einzelnen Theile, ohne Unterschied ob die Zusammensetzung vor oder nach seinem Besitzerwerb statt gefunden hat. Ist dagegen das Ganze eine unbewegliche Sache, so kann die Frage eigentlich nur bei den Bestandtheilen eines Gebäudes vorkommen; an diesen aber hat der Besitzer des Gebäudes niemals den Besitz, so dass ihm auch stets die Usucapion derselben unmöglich ist.

Es ist nicht zu leugnen, dass durch diese Ansicht eine grössere Einfachheit in diese Lehre gebracht wird, als in den bisherigen Darstellungen wahrgenommen wurde. Da indessen in der Untersuchung dieser Frage durch mich und Andere schon allzu vieles Schwanken bewirkt worden ist, was ich nicht abermals vermehren möchte, so finde ich es räthlicher, mir für jetzt, wo eine rasche Entscheidung unvermeidlich wäre, eine genauere Prüfung noch vorzubehalten. Unverkennbar hat der Verf. den Gegenstand mit so viel Fleiss und Sorgfalt behandelt, dass dadurch die Untersuchung bedeutend gefördert worden ist, selbst wenn zuletzt die erwähnte neue Ansicht nicht als erschöpfend anerkannt werden sollte.

Nur in Einem Punkt muss ich schon jetzt einen bestimmten Widerspruch erheben. Nach mehreren Stellen des R. R. hat die Usucapion eines Hauses keinen Einfluss auf das Eigenthum der Balken und Steine, so dass diese nach dem Abbruch des usucapirten Hauses dennoch vindicirt werden können. Diese an sich unbestrittene Regel habe ich, von der dritten Ausgabe meines Buchs an, auf den Fall eingeschränkt, wenn der Boden und die Balken verschiedene Eigenthümer haben (s. o. S. 268). Ich will das durch Beispiele erläutern.


(273) §. 22. Besitz an einzelnen Theilen einer Sache.

Erstes Beispiel. Gajus baut auf seinem Boden ein Haus, wozu er die dem Sejus gehörenden Balken verbraucht. Durch Zufall bekommt Titius den Besitz des Hauses und verkauft mir dasselbe. Jetzt usucapire ich das Haus in zehn Jahren pro emtore gegen Gajus, aber nicht auch die Balken gegen Sejus. Wird also nach vielen Jahren das Haus abgebrochen, so kann Sejus die Balken vindiciren.

Zweites Beispiel. Mevius baut mit seinen Balken auf seinem Boden ein Haus. Sempronius bekommt zufällig den Besitz des Hauses, und verkauft es mir. Jetzt usucapire ich in zehn Jahren gegen Mevius das Haus und mit demselben zugleich dessen Bestandtheile, die Balken. Wird also nachher das Haus abgebrochen, so kann Mevius die Balken nicht mehr vindiciren.

Ueber das erste Beispiel ist kein Streit, es ist so, wie hier geschehen, auch in den Rechtsquellen klar entschieden. Unser Streit betrifft das zweite Beispiel, worin der Verf. behauptet, Mevius könne allerdings nach dem Abbruch die Balken vindiciren (S. 87-90).

Meine Gründe sind folgende.

1. Die Stellen des R. R., welche die Usucapion der Balken verneinen, bezeichnen ausdrücklich den ersten (unter uns nicht streitigen) Fall, und deuten durch diese genaue Bezeichnung vernehmlich genug die entgegengesetzte Behandlung des zweiten Falls an.

Der Verf. meint nun zwar, es müssten für die abweichende Entscheidung des zweiten Falls ausdrücklich Stellen angeführt werden, woran es freilich fehlt. Allein welches ist denn der natürliche Hergang? Doch wohl, dass das Eigenthum des Ganzen, wie es auch entstanden sein möge, das Eigenthum der einzelnen Bestandtheile in sich schliesse, das heisst (praktisch ausgedrückt), dass das Zerbrechen einer Sache, als ein blos körperliches Ereigniss, keinen Einfluss auf das Eigenthum habe. Eine Folge dieser


(274) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

natürlichen Regel ist unsere Entscheidung des zweiten Falls, die also keines besondern Beweises bedarf, und eben deshalb auch von den alten Juristen gar nicht besonders erwähnt wird. Dagegen ist die Entscheidung des ersten Falls reine Ausnahme, und die alten Juristen haben daher nicht versäumt, sie in mehreren Stellen besonders einzuschärfen.

2. Was ist der Grund dieser Ausnahme? Lediglich die zur Erhaltung der Gebäude aufgestellte, ganz positive Vorschrift, dass der Eigenthümer der Balken keine actio ad exhibendum auf Absonderung dieser Theile haben soll, wodurch ihm mittelbar auch die Vindication auf unbestimmte Zeit suspendirt ist. Nun liegt in jeder Usucapion (wie wir sie im neusten Recht kennen) und in jeder Klagenverjährung stets ein ganz positiv bestimmter Verlust von Rechten, der eine gewisse Härte mit sich führt und nur dadurch zu rechtfertigen ist, dass er durch gehörige Vorsicht vermieden werden könnte, folglich, wenn er doch nicht vermieden wird, als natürliche Strafe der Nachlässigkeit eintritt. Diese Ansicht bewährt sich nicht nur in ausdrücklichen Anerkennungen (L. 1. de usurp. L. 3. C. de praescr. XXX.), sondern noch unverkennbarer in den mancherlei Ausnahmen von der regelmässigen Usucapion und Klagverjährung. Da nun dem Eigenthümer der Balken wegen der versagten Klage durchaus keine Nachlässigkeit zur Last fällt, so war die zu seinem Vortheil ausgeschlossene Usucapion eine consequente Folge, ja sie führt sogar noch mehr innere Nothwendigkeit mit sich, als die ähnliche Ausschliessung der Usucapion einer res furtiva, bei welcher doch nur faktische und zufällige Umstände den Vorwurf der Nachlässigkeit von dem Eigenthümer abwenden.

3. Gilt nun dieselbe Entschuldigung auch für Mevius im zweiten Beispiel? Offenbar nicht. Dieser brauchte gar keine actio ad exhibendum auf Trennung der Balken,


(275) §. 22. Besitz an einzelnen Theilen einer Sache.

da er das ganze Haus (mit Einschluss der Balken) vindiciren konnte. Hat er dieses zehn Jahre lang versäumt, so trifft ihn der Verlust des Ganzen und der Theile mit Recht.

4. Von dem Standpunkt des Verfs. aus könnte mir sogar auch durch Tradition des Hauses von Seiten des Eigenthümers, der es mit eigenen Balken gebaut hätte (Mevius im zweiten Beispiel), kein Eigenthum an den Balken verschafft werden, vielmehr müsste ich auch hier nach dem Abbruch stets eine Vindication befürchten. Denn der Erwerb durch Tradition und der durch Usucapion kommen darin überein, dass beide durch Besitz begründet werden: bei jenem durch augenblicklichen Besitz verbunden mit dem dominium auctoris: bei dieser durch fortdauernden Besitz, worin eben die Fortdauer das fehlende dominium auctoris ersetzen muss. Bekäme ich also an den Balken (selbst wenn sie denselben Eigenthümer haben wie das Haus) niemals Besitz so lange das Haus besteht, so wären sie mir auch nicht tradirt, ich wäre nicht Eigenthümer derselben geworden, und könnte sie nach dem Abbruch gegen keinen neuen Besitzer vindiciren.

5. Vielleicht wird auch folgende rein praktische Erwägung meiner Meinung den Eingang erleichtern. Führt man die des Verfs. consequent durch, so dürfte derjenige, welcher das Eigenthum eines Hauses auf Usucapion (sei es die eigene, oder die seiner Vorfahren) gründet, niemals wagen das Haus abzubrechen. Denn wenn es auch schon vor hundert Jahren von seinen Vorfahren usucapirt worden wäre, so würden noch immer die Erben des früheren Eigenthümers die Balken und Steine vindiciren können, sobald dieselben aufgehört hätten, Theile eines stehenden Hauses zu sein (*).

(*) Vgl. Anhang Nr. 81 A. d. H.


(276) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

§. 22 a.

Nur aus den Regeln des vorigen §. ist die sogenannte fructuum perceptio des bonae fidei possessor zu erklären, welche wegen ihres mannigfaltigen Zusammenhangs mit dem Besitz hier eine Erwähnung verdient, aber nicht anders deutlich gemacht werden kann, als durch den Gegensatz der übrigen Fälle, in welchen Früchte erworben werden (1).

I. Der wahre Eigenthümer erwirbt das Eigenthum der Frucht, in dem Moment ihrer Entstehung, durch Accession, welche nichts anderes ist, als eine Anwendung der Regel: fructus rei frugiferae pars est auf das Eigenthum. Erst durch die Absonderung der Frucht von der Hauptsache wird er Eigenthümer der Frucht als einer besonderen, für sich bestehenden Sache, aber dieser Umstand ist für das Eigenthum völlig unbedeutend, und wird deshalb in unseren Rechtsquellen mit Recht ignorirt. Ueberhaupt hat es mit dieser Absonderung der Frucht genau dieselbe Bewandniss, wie mit der reellen Theilung jedes andern Ganzen (z. B. der Zerlegung eines Thieres oder dem Abbrechen eines Hauses), welche auch für das Eigenthum völlig gleichgültig ist. Demnach muss auch das Eigenthum an der Frucht quiritarisch oder bonitarisch sein, je nachdem das Eigenthum an der Hauptsache quiritarisch oder bonitarisch ist, so dass es in jenem Fall einer Usucapion der abgesonderten Frucht niemals bedurfte, wohl aber in diesem.

(1) Da dieser Gegenstand nur indirectes Interesse für uns hat, so versteht es sich von selbst, dass er hier nicht in allen seinen Details verfolgt werden darf. – Aus demselben Grunde werden hier die zahlreichen neueren Schriften über diesen Gegenstand nicht erwähnt. (Zusatz der 6. Ausg.) „S. dagegen Puchta Pandekten §. 166; Institutionen Bd. 2. §. 242. S. 701 bis 704. ed. 2.; Vangerow §. 326 S. 546 fg.“ (Zus. der 7. Ausg.)


(277) §. 22 a. Besitz an einzelnen Theilen einer Sache.

II. Der Pächter, Fructuar und überhaupt jeder, der sein Recht auf die Früchte von dem des Eigenthümers ableitet, erwirbt sie durch perceptio, d. h. durch Apprehension des Besitzes (1). In dem Pacht etc. nämlich liegt in Beziehung auf die Früchte, theils die justa causa dominii quaerendi, theils die Erlaubniss, selbst Besitz zu ergreifen, folglich ist nun die Apprehension eine wahre traditio, durch welche das Eigenthum der Frucht von dem Eigenthümer der Hauptsache (s. num. I.) auf den Pachter etc. übergeht. War nun der Verpachter etc. quiritarischer Eigenthümer der Hauptsache, mithin auch der Frucht, so erwarb der Pachter etc. durch die Perception bald quiritarisches, bald aber nur bonitarisches Eigenthum: quiritarisches nämlich, wenn die Frucht eine res nec mancipi war (wie alle Feldfrüchte), bonitarisches aber, wenn sie eine res mancipi war (z. B. ein Pferd) (2).

III. Für den bonae fidei possessor gilt natürlich ganz dieselbe Accession, wie für den wahren Eigenthümer (num. I.), weil die Regel, welche den Grund jener Accession enthält, ganz allgemein ist. Wer also an einem Grundstück die bonae fidei possessio hat, erwirbt auf dieselbe Art die Früchte in dem Augenblick ihrer Entstehung. Von diesem Erwerb aber ist dabei nie die Rede: denn so lange die Frucht mit der Hauptsache verbunden ist, kann bei dem b. f. possessor, wie bei dem wahren Eigenthümer, nach dem Recht auf die Frucht niemals die Frage sein, weil die Frucht selbst in der Hauptsache mit begriffen ist: durch die Absonderung aber entsteht ein ganz neues Recht, und das vorige hört auf. Dieses neue Recht ist so zu erklären:

(1) L. 13. quibus modis usufr. – L. 25. §. 1. de usuris.

(2) Dieses folgt daraus, dass eine res nec mancipi schon durch blosse Tradition quiritarisch veräussert werden konnte, eine res mancipi aber nicht. Ulpian. T. 19. §. 3. 7.


(278) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

die Grundlage der b. f. possessio ist juristischer Besitz. Wenn aber ein Ganzes in seine Theile zerlegt wird, so fängt für diese Theile ein neuer Besitz an, weil sie (als besondere Körper für sich) bisher gar nicht im Besitz waren. Also muss für diese Theile (d. h. in unserm Fall für die Früchte) auch eine neue b. f. possessio anfangen. Aber nach den Regeln des Besitzes wird bei der Zerlegung des Ganzen sowohl die Apprehension als die justa usucapionis causa von dem Ganzen auf den Theil übertragen; also entsteht auch in unserm Fall die neue b. f. possessio an der Frucht durch die blosse Absonderung derselben, und es ist weder eine neue Apprehension (eigentliche fructuum perceptio), noch eine neue justa causa hierzu nöthig (1). Demnach unterscheidet sich

(1) L. 48. pr. de A. R. D. – L. 25. §. 1. de usuris. – L. 13. quibus modis ususfr. Diesen Satz als etwas ganz singuläres, als eine Belohnung der bona fides, zu betrachten, ohne weitern Zusammenhang mit dem Rechtssystem, ist ganz gegen den Geist des classischen Römischen Rechts. Hier ist er aus Gründen erklärt worden, welche oben bereits für sich selbst gerechtfertigt worden sind. Auf der andern Seite ist aber freilich nicht zu leugnen, dass in der That dem b. f. possessor an den Früchten etwas ganz besonders zugewendet werden sollte, pro cultura et cura (§. 35. I. de div. rer.). Allein dieses besondere geht gar nicht auf den Erwerb des Eigenthums an den Früchten, sondern auf die obligatorischen Verhältnisse. Nämlich wenn der Besitzer die Früchte verkauft oder verzehrt und sich dadurch bereichert hatte, so hätte er eigentlich diesen Gewinn herausgeben müssen: dazu konnte er gezwungen werden nicht nur durch die Vindication der Hauptsache, sondern auch durch eine besondere Condiction auf den Werth der verzehrten Früchte. Davon nun wurde er freigesprochen, diesen Gewinn sollte er behalten dürfen, und das ist es, was man mit den Ausdrücken: ejus fiunt fructus, fructus consumtos suos facit bezeichnet, welche Ausdrücke man fälschlich auf Erwerb des Eigenthums gedeutet hat. Dass sie mit dem Eigenthum hier nichts zu schaffen haben, erhellt am deutlichsten daraus, dass sie gerade von consumirten Früchten gebraucht werden, da doch durch Consumtion


(279) §. 22 a. Besitz an einzelnen Theilen einer Sache.

der b. f. possessor von dem Fructuar und dem Pachter dadurch, dass jener schon durch die blosse Separation, auch wenn sie durch Zufall oder durch fremde Handlung erfolgt, sein neues Recht erwirbt, diese aber erst durch die eigene Perception (S. 276. 277.). Auf der andern Seite ist der Unterschied des wahren Eigenthümers von dem b. f. possessor so zu bestimmen: jener hat vor und nach der Absonderung der Frucht das wahre Eigenthum derselben, und in beiden Perioden dasselbe Eigenthum: dieser hat vor und nach der Absonderung die b. f. possessio der Frucht, aber von dem Moment der Absonderung an eine neue, obgleich nicht aus einem neuen Grunde, indem der Grund des vorigen auf diese neue übertragen wird. Diese Eigenheit der b. f. possessio, welche auf den ersten Blick als eine leere Subtilität erscheint, hat die wichtigsten praktischen Folgen:

A. Wegen der Verbindung der b. f. possessio mit der Usucapion. Durch die Absonderung nämlich fängt mit der neuen b. f. possessio auch eine neue Usucapion an, und zwar immer eine dreijährige, weil jede Frucht beweglich ist. Vor der Absonderung war die Frucht mit in der Usucapion der Hauptsache enthalten, also bei einem Grundstück in einer 10-20jährigen Usucapion (1).

alles Eigenthum vielmehr untergehen muss; ferner daraus, dass jenes besondere Recht gewiss auch bei den s. g. fructus civiles (z. B. Miethgeld) gilt, obgleich dabei von dieser Art Eigenthum zu erwerben gar nicht die Rede sein kann. Die ganze Ansicht lässt sich übrigens so strenge beweisen, wie irgend etwas im Römischen Recht, wozu aber eine eigene, ausführliche Abhandlung gehört (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 82. A. d. H.

(1) In dieser Rücksicht übrigens kam auch das bonitarische Eigenthum des alten Rechts (num. I.) mit der b. f. possessio völlig überein. Wer also einen Acker in bonis hatte, brauchte zur Usucapion


(280) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

B. Wegen der speciellen Ausnahmen der b. f. possessio und der Usucapion, besonders bei res furtiva und vi possessa. Solange die Frucht als Theil in der Hauptsache existirt, erstrecken sich jene Ausnahmen nothwendig auch auf sie: aber die neue b. f. possessio, welche durch die Absonderung entsteht, ist davon unabhängig. So bei der res furtiva: existirte die Frucht schon bei dem Diebe, so war sie freilich für immer res furtiva, aber nicht, weil die Hauptsache es war, sondern weil sie selbst noch mit in dem furtum begriffen gewesen war. Wenn sie dagegen erst bei dem b. fid. possessor erzeugt wurde, so fiel dieser Grund weg, und in diesem Fall ist es unbezweifelt, dass für die Frucht die Usucapion statt fand (1). – So auch (und noch deutlicher) bei der res vi possessa. Denn hier kann sich in keinem Fall das Verbot der Usucapion auf die (abgesonderte) Frucht erstrecken, weil dieses Verbot auf unbewegliche Sachen eingeschränkt, alle Frucht aber beweglich ist. – Diese Anwendung unserer Regel ist also weit entfernt, die Regel selbst zu widerlegen (2); dagegen führt sie auf eine genauere Bestimmung derselben, als bisher gegeben werden konnte. Der Erwerb der Früchte nämlich durch Absonderung, welcher hier erklärt worden ist, gilt nicht blos (wie ich vorläufig angenommen hatte)

zwei Jahre; wenn er aber Holz fällte, so usucapirte er nun dieses besonders in Einem Jahr.

(1) L. 48. §. 5. de furtis. – L. 33. pr. de usurp. etc. – Die Streitigkeiten der Römischen Juristen über den partus ancillae beruhen auf ganz speciellen Gründen.

(2) Dazu gebraucht sie Zachariä (de poss. p. 30.). Ein zweiter Einwurf desselben Schriftstellers hat offenbar noch viel weniger auf sich: die fructuum perceptio nämlich sei eine adquisitio naturalis, die b. f. possessio aber sei ein positives Institut, sogar später als die Usucapion eingeführt.


(281) §. 22 a. Besitz an einzelnen Theilen einer Sache.

für den, welcher den Usucapionsbesitz der Hauptsache wirklich hat, sondern für jeden, der nur die positiven Bedingungen desselben (possessio, bona fides (1), justa causa) in sich vereiniget, die Hauptsache mag nun der Usucapion entzogen sein oder nicht (2).

IV. Der Pachter eines ager vectigalis, und eben so der Emphyteuta, erwirbt im allgemeinen, als Pachter, das wahre Eigenthum der Früchte durch Tradition (N. II.), aber diese Tradition liegt hier nicht, wie bei jedem andern Pachter, in einer neuen Apprehension, sondern, da er den juristischen Besitz der Hauptsache hat, in der blossen Absonderung, so wie bei dem b. f. possessor. Zugleich gab ihm diese Tradition immer Römisches Eigenthum, weil alle Feldfrüchte res nec mancipi waren. Folglich ist sein Recht auf die Früchte sogar noch vortheilhafter, als das des b. f. possessor. Aber der Zeitpunkt, in welchem der Erwerb vor sich geht, ist für beide derselbe (3) und hat für beide denselben Grund, nämlich die oben (§. 22.) entwickelten Regeln des Besitzes. Da ferner eine andere Erklärung jenes Zeitpunkts, als aus diesen Regeln, unmöglich ist (*), so liegt auch umgekehrt in diesem Umstand ein directer Beweis für den juristischen Besitz des ager vectigalis.

Genau in demselben Fall aber ist der Pfandgläubiger eines Grundstücks, welchem durch antichretischen Vertrag

(1) In welchem Zeitpunkt ist bona fides nöthig? Bei der Apprehension der Hauptsache, oder bei dem Erwerb der Früchte? Die Römischen Juristen sind nicht einig über die Frage; s. L. 48. §. 1. de A. R. D. – L. 23. §. 1. eod. – L. 11. §. 3. 4. de publiciana. – L. 25. §. 2. de usuris. Auf unsere Untersuchung hat die Frage keinen Einfluss.

(2) L. 48. pr. de A. R. D., und eben so §. 1. derselben Stelle, „ ... is qui non potest capere propter rei vitium, fructus suos facit.“

(3) L. 25. §. 1. de usuris.

(*) Vgl. Anh. Num. 83. A. d. H.


(282) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

die Früchte desselben überlassen sind. Auch er nämlich leitet sein Recht auf diese Früchte zwar aus einem Vertrag mit dem Eigenthümer ab, so wie ein Pachter, aber zugleich hat er die possessio des Bodens, gleich dem Emphyteuta (§. 24.), und es muss also auch ihm das Eigenthum der Früchte schon von der Separation an zugeschrieben werden, obgleich unmittelbare Beweise für diese Behauptung nicht vorhanden sind.

§. 23.

Bei dem animus possidendi ist zuletzt noch die Beschaffenheit des abgeleiteten Besitzes zu untersuchen (S. 246. f. vgl. S. 119-121).

Das Eigenthümliche dieses Besitzes liegt darin, dass ein früherer Besitzer sein jus possessionis ohne Eigenthum überträgt; demnach ist die Apprehension gar nicht von jeder andern unterschieden, auch ein bestimmtes Wollen muss mit derselben verbunden sein, aber dieses Wollen muss blos darauf gerichtet sein, das jus possessionis zu erwerben. Die Sache als eine eigene Sache behandeln zu wollen (animus domini), ist also hier nicht einmal möglich, weil das Eigenthum eines Andern ausdrücklich anerkannt wird.

Hier kommt es darauf an, die Fälle des abgeleiteten Besitzes vollständig anzugeben, d. h. es sind alle juristische Geschäfte überhaupt zu untersuchen, in welchen Detention ohne Eigenthum übertragen wird, und es ist bei jedem derselben zu bestimmen, ob das jus possessionis zugleich mit der Detention übertragen werde oder nicht. Demnach sind diese juristischen Geschäfte überhaupt in drei Classen abzutheilen: einige begründen einen abgeleiteten Besitz nie (§. 23.), andere immer (§. 24.), noch andere nur zuweilen (§. 25.). Für alle überhaupt ist es nöthig, an eine Bemerkung sich zu erinnern, die schon oben gemacht worden ist (S. 246. f.): aller abgeleitete


(283) §. 23. Abgeleiteter Besitz.

Besitz ist Ausnahme von der Regel, demnach ist es Regel, dass durch die juristischen Geschäfte dieser Art kein juristischer Besitz entstehe, und es muss für jeden Fall, in welchem dennoch Besitz übertragen werden soll, die Existenz desselben besonders bewiesen und erklärt werden.

Erste Classe: Fälle, in welchen mit der Detention nie zugleich der juristische Besitz übertragen wird. – Alle diese Fälle kommen darin überein, dass der bisherige Besitzer durch diese Uebertragung sein jus possessionis durchaus nicht verliert, der Andere also diesen Besitz nicht erwirbt, sondern blos als Stellvertreter einen fremden Besitz ausübt.

Der erste dieser Fälle, welcher am wenigsten einem Zweifel unterworfen sein kann, ist dieser: die Detention wird eben zu dem Zweck übertragen, dass der Andere unsern Besitz verwalte, und zwar entweder diesen Besitz allein, oder auch unser gesammtes Vermögen (procurator im engern Sinn) (1).

Zweitens gehört hierher das commodatum. Wer seine Sache einem Andern unter dieser Form zum Gebrauch überlässt, verliert folglich den Besitz eben so wenig, als der Commodatar ihn erwirbt (2).

Ganz eben so verhält es sich drittens mit dem Pachtcontract, da auch in der Natur dieses Vertrags kein Grund liegt, den Besitz als veräussert anzunehmen (3).

(1) „Quod servus, vel procurator, vel colonus tenent, dominus creditur possidere.“ L. 1. §. 22. de vi. – cf. L. 9. de poss.

(2) „Rei commodatae et possessionem et proprietatem retinemus.“ L. 8. commodati. – cf. L. 3. §. 20. de poss.

(3) „ ... et colonus et inquilinus sunt in praedio: et tamen non possident.“ L. 6. §. 2. de precario. – „Et per colonos, et inquilinos, aut servos nostros possidemus.“ – L. 25. §. 1. de poss. – – Einige haben sich durch zwei Stellen irre machen lassen, in welchen dem Pachter die Interdicte zugesprochen werden (L. 12. 18. de vi.). Allein


(284) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Was nämlich die Usucapion betrifft, so kann dieser Vertrag durchaus keinen Einfluss darauf haben; aber auch wegen der Interdicte ist es gar nicht nöthig, dem Pachter den Besitz zuzusprechen. Denn gegen die Gewaltthätigkeit des Eigenthümers schützt den Pachter schon der blosse Vertrag, und stört ein Dritter den Besitz, so sind die Interdicte des Eigenthümers hinreichend, da auch in diesem Fall der Pachter aus dem Vertrag fordern kann, dass der Eigenthümer ihn schadlos halte, oder ihm die Interdicte cedire (1). – Von dieser Regel, dass der Pachter nur im Namen des Verpachters besitze, werden ohne Grund folgende Ausnahmen behauptet: A. wenn der Pachter zugleich Eigenthümer der Sache ist, die bisher in fremdem Besitz war, so hört der bisherige Besitz in der That auf (2). Allein der Grund davon liegt blos darin, dass in diesem Fall gar kein Pachtcontract anerkannt wird, folglich ist darin keine Ausnahme, sondern eine reine Anwendung unserer Regel enthalten. – B. Wenn der Uebergang des Besitzes ausdrücklich ausgemacht wird. Eine solche Verabredung aber widerspricht der Natur des Pachts so sehr, dass der Pacht als aufgehoben gilt, wenn durch ein anderes Geschäft der Besitz übertragen wird (3). Mehrere haben diesen Satz geleugnet,

da wird vorausgesetzt, dass der Pachter den Eigenthümer mit Gewalt aus dem Besitz gesetzt habe; von dieser dejectio also, und nicht von dem Pacht fing der Besitz des Pachters an (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 84. A. d. H.

(1) Vgl. oben §. 9. Zusatz der 6. Ausg.

(2) Vgl. über diesen Satz sowohl, als über seine Ausnahme bei der locatio possessionis, o. §. 5. S. 46. 47. Eine Anwendung dieser Ausnahme s. u. §. 24.

(3) L. 10. de poss. (s. u. §. 25.). – Bei vielen ist dieses blos eine Folge des noch weit bedenklichern allgemeinen Satzes, nach welchem das Besitzrecht überall nach blosser Willkür an denjenigen soll abgetreten werden können, welcher nach der allgemeinen Regel als blosser Verwalter eines fremden Besitzes zu betrachten sein würde. Vgl. oben §. 9. (Zus. der 6. Ausg.)


(285) §. 23. Abgeleiteter Besitz.

indem sie die possessionis locatio, die oben (§. 5.) erklärt worden ist, missverstanden haben; diese bezeichnet nicht einen Pacht, wodurch der Besitz erworben werden soll; sondern wobei der blosse Besitz in dem Verpachter vorausgesetzt wird. Nur dadurch unterscheidet sich dieser Fall von den gewöhnlichen, in welchen der Verpachter Besitz und Eigenthum zugleich hat: das hat er mit allen übrigen Fällen gemein, dass der Pachter nur den Besitz verwaltet, den der Verpachter wirklich hat (1).

Ein vierter Fall, worin Detention ohne Besitz übertragen wird, bezieht sich auf eine Form des Römischen Prozesses, die missio in possessionem. Diese Erlaubniss des Prätors, Besitz zu ergreifen, wurde zu zwei verschiedenen Zwecken gebraucht; A. Um Eigenthum zu übertragen (bonitarisches nämlich, mit conditio usucapiendi) (2). Dadurch konnte freilich auch Besitz erworben werden, aber dieser Besitz war kein abgeleiteter, sondern ein ursprünglicher Besitz, weil der Besitzer pro suo besass, d. h. um die Sache als seine eigene zu behandeln. – B. Um vor einer Veräusserung sicher zu stellen, Früchte geniessen zu lassen etc. Diese Fälle sind es, in welchen blosse Detention ohne Besitz, erworben wird. Der Grund liegt darin: Usucapion soll der missus in possessionem nicht haben, denn dadurch eben unterscheidet sich diese missio von der ersten Art: der Interdicte wegen ist es auch nicht nöthig, ihm Besitz zuzuschreiben, weil er ohnehin ein eigenes Interdict hat, das von den possessorischen

(1) L. 37. de pign. act. (s. u. §. 24.).

(2) Dahin gehört die missio ex secundo decreto damni infecti causa (L. 7. pr. de damno infecto): auch wird ausdrücklich bemerkt, dass durch diese juristischer Besitz entstehe, was bei dem primum decretum nie der Fall war (L. 3. §. 23. de poss. add. L. 15. §. 16. 17. L. 18. §. 15. de damno infecto). – Auf gleiche Weise und mit derselben Wirkung auf das Recht einzelner Sachen wurde alle B. P. gegeben, obgleich das Wort missio bei der B. P. edictalis vielleicht nie vorkommt.


(286) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

verschieden und selbst vortheilhafter als diese ist (1). Demnach ist es leicht zu erklären, dass bei jeder missio dieser Art der missus durchaus keinen Besitz erhält, sondern nur im Namen des vorigen Besitzers die Detention der Sache hat (2).

Der fünfte und letzte Fall dieser Classe betrifft die Detention, die sich auf ein jus in re gründet. Wer also die Sache einem Andern um deswillen übergiebt, weil dieser den ususfructus, oder usus etc. an derselben hat, verliert dadurch den Besitz nicht, und der Fructuar übt auf dieselbe Art wie ein blosser Pachter, diesen Besitz des Eigenthums aus. – Der Grund ist leicht anzugeben. Wegen der Usucapion ist keine Veränderung des Besitzes nöthig, indem durch das jus in re keine Veränderung im Eigenthum entstehen soll. Wegen der Interdicte aber eben so wenig: denn gegen den Eingriff eines Dritten wird das jus in re durch eigene Interdicte geschützt (§. 12.), und dieser Schutz verliert dadurch nichts, dass

(1) Digest. lib. 43. tit. 4.

(2) L. 3. §. 23. et L. 10. §. 1. de poss. L. 3. §. 8. uti poss. – Thibaut (über Besitz S. 13) behauptet eine Ausnahme im Fall der fraudulenta absentia (L. 7. §. 1. quibus ex causis in poss.): aber das „bona possidere“ in dieser Stelle geht eben so wenig auf juristischen Besitz als jede andere missio der Creditoren (L. 3. §. 8. uti poss.), und selbst der Ausdruck: „bona possidere“ wird von andern Fällen dieser Art gebraucht, worin gewiss kein juristischer Besitz existirt (L. 12. quib. ex c. in poss.). – Der Regel selbst scheint zu widersprechen L. 30. §. 2. de poss. „Item cum Praetor idcirco in possessionem rei (ire) jussit, quod damni infecti non promittebatur: possessionem invitum dominum amittere Labeo ait.“ Dass aber hier nicht den vorigen Stellen widersprochen werden soll, erhellt schon daraus, dass diese Stelle, und die L. 3. §. 23. de poss. denselben Verfasser (Paulus) haben, demnach ist hier die Meinung des Labeo auf keine andere Art angeführt, als in: L. 3. cit. die des Q. Mucius, und das: inceptissimum est, das der letzten ausdrücklich hinzugefügt ist, muss bei der ersten supplirt werden. Als Meinung des Paulus kann sie nur für das secundum decretum gelten.


(287) §. 23. Abgeleiteter Besitz.

auch der Eigenthümer wegen seines Besitzes ein Interdict gegen den Verletzer hat: aber auch die mögliche Collision des Eigenthümers selbst mit dem Fructuar etc. macht es nicht nöthig, dem Eigenthümer den Besitz abzusprechen. Beide haben Interdicte: aber diese Interdicte verhalten sich wie die rei vindicatio zu der confessoria actio, d. h. wie die Regel zur Ausnahme, folglich kann auch durch dieses Verhältniss keine Collision entstehen, die nicht sehr leicht zu entscheiden wäre (§. 9., Zusatz der 6. Ausg.). – Alle diese Sätze sind jetzt zu beweisen.

Für den ususfructus ist es am leichtesten zu beweisen, dass der Fructuar durchaus keinen Besitz hat:

L. 6. §. 2. de precario (1).

„ ... et fructuarius, inquit, et colonus et inquilinus sunt in praedio: et tamen non possident.“

L. 12. pr. de poss.

„Naturaliter videtur possidere (2) is qui usumfructum (3) habet.“

(1) Vgl. L. 1. §. 8. de poss. – L. 10. §. 5. de adqu. rer. dom. (§. 4. I. per quas pers.). – L. 5. §. 1. ad exhibendum. – Dagegen sagt Cicero (pro Caecina C. 32. p. m. 308.): „Caesenniam possedisse propter usumfructum, non negas.“ Dass damals ein anderes Recht gegolten, oder dass Cicero aus Unwissenheit oder zum Vortheil seiner Partei einen falschen Satz für wahr ausgegeben habe, ist nicht nöthig anzunehmen. Denn dass der Fructuar irgend eine possessio wirklich hat, nämlich die juris quasi possessio, mit dem Recht der Interdicte, ist nicht zu leugnen: auch kam es in jener Rechtssache blos auf das Dasein der Interdicte an. Nur eine eigentliche possessio, d. h. eine possessio ipsius rei, soll der Fructuar nicht haben, auch behauptet diese Cicero nicht. Die Folgen freilich, die er aus jenem Satze ableitet, kommen blos auf Rechnung des Advocaten.

(2) i. e. jus possessionis habere non videtur. Völlig bestimmt wird der Sinn dieser Stelle erst durch die Verbindung mit den übrigen Stellen, weil der Ausdruck naturalis possessio zweideutig ist (S. 96 bis 100.). – Glossa interlin. ad v. Naturaliter (ms. Paris. 4458. a.) „id est corporaliter tantum. M.“ (d. h. Martinus).

(3) Rom. 1476.: „usum.“


(288) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Eben so wird in einer andern Stelle das Verhältniss des ususfructus zum Eigenthum ausdrücklich so angegeben, dass die Ausübung des Eigenthums (d. h. der Besitz) und die Ausübung des ususfructus ganz unabhängig von einander gedacht werden sollen, ohne dass die eine durch die andere gehindert werde:

L. 52. pr. de poss.

„Permisceri causas possessionis, et ususfructus non oportet: quemadmodum nec possessio, et proprietas misceri debent: neque (1) impediri possessionem, si alius fruatur: neque alterius fructum amputari (2), si alter possideat.“

Dieses sehr einfache Verhältniss des Besitzes zu dem ususfructus ist von jeher nur von Wenigen anerkannt worden (3). Die Meisten geben dem Fructuar neben der juris quasi possessio auch an der Sache selbst juristischen Besitz (4), theils wegen der missverstandenen

(1) Neque lesen sieben Pariser, Ein Metzer Ms., das Leipziger und das meinige, ferner Cod. Rehd., Edd. Rom. 1476., Nor. 1483., Ven. 1485., Ven. 1494., Lugd. 1509., 1513., Hal., Paris. 1514. 1536. Auch die Basiliken bestätigen diese Leseart. (Meerman. VII. 49.) – Flor. „namque.“

(2) amputari lesen die in der vorigen Stelle citirten Mss. und Edd. Bekanntlich wird durch non usus der ususfructus verloren; dazu soll also nach dieser Stelle die blosse possessio eines Andern nicht hinreichen, weil Ausübung des ususfructus und des Eigenthums von einander unabhängig sind. – Florent. „computari.“

(3) Placentini Summa in Cod. L. 8. T. 4. (p. 373.) et L. 8. T. 5. (p. 376.). – Alciatus in L. 1. pr. de poss. n. 42. 43. (p. 1200.). – Retes de poss. P. 1. C. 4. §. 11-13. (Meerman. T. 7. p. 472. 473.).

(4) Ioannes Bassianus (s. o. S. 144. 193. 194.). – Glossa in L. 23. §. 2. quibus ex c. maj., in L. 3. §. 9. L. 9. de vi, in L. 4. uti poss., in L. 6. §. 2. de prec. – Bartolus in L. 1. pr. de poss. num. 9. 12. – Cuiacius in obs. IX. 33. XVIII. 24., not. prior. in §. 4. I. per quas pers., Comm. in L. 12. pr. de poss. (opp. T. 8. p. 271.), Comm. in Cod. L. 7. T. 32. (opp. T. 9. p. 1007.). – Galvanus de usufructu C. 34. –


(289) §. 23. Abgeleiteter Besitz.

possessio naturalis, theils weil hier nicht, wie bei andern Servituten, ein eigenes Interdict gegeben wird, sondern das interdictum de vi und uti possidetis selbst. Allein unter welchem Namen ein Interdict zugelassen werde, ist offenbar von dem Recht überhaupt ein Interdict zu gebrauchen sehr verschieden; dass der Fructuar dieselben Interdicte hat, die bei dem eigentlichen Besitz gelten, ist freilich etwas besonderes, und beruht auf einer Ausdehnung jener Interdicte über ihren ursprünglichen Begriff (1): aber zugleich ist dieser Umstand sehr zufällig, das Recht des Fructuars auf Interdicte überhaupt wird ganz unrichtig als Ausnahme von der Regel betrachtet, und weder dieses Recht, noch jene zufällige Beziehung, machen es nöthig, ihm an der Sache selbst irgend einen Besitz zuzuschreiben.

Was von dem ususfructus gilt, muss um so mehr bei dem usus und den übrigen Servituten behauptet werden, mit welchen Detention der Sache verbunden ist, da in allen diesen Fällen noch weniger Recht von dem Eigenthum abgesondert wird, als bei dem ususfructus selbst. Auch mag hierin der Grund liegen, warum des Besitzes in diesen Verhältnissen vielleicht (2) gar nicht in unsern Rechtsquellen Erwähnung geschieht.

Dasselbe gilt aber nicht blos bei Servituten, sondern bei allem jus in re überhaupt, also auch bei der superficies. Denn auf diese gründet sich ein ganz eigenes Interdict (3), also nicht das interdictum uti possidetis, welches doch bei jedem juristischen Besitz statt findet. Dazu kommt noch folgende Stelle, die ausdrücklich das oben entwickelte Verhältniss des Eigenthums zu allem

Accurs und Cujacius haben eigentlich alle mögliche Meinungen zusammen: Galvanus hat andere Mittel gefunden, die Sache völlig zu verwirren.

(1) Donelli comm. jur. civ. – L. 15. C. 32. (p. 801.) C. 33. (p. 803.).

(2) s. o. S. 287. Note 3.

(3) Digest. Lib. 43, Tit. 18.


(290) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

jus in re, wie einer Regel zu ihrer Ausnahme, bei der superficies vorschreibt:

L. 3. §. 7. uti possidetis.

„Sed si supra aedes, quas possideo, coenaculum sit, in quo alius quasi dominus moretur, interdicto uti possidetis me uti posse, Labeo ait, non eum, qui in coenaculo moraretur: semper enim superficiem solo cedere. Plane si coenaculum ex publico aditum habeat, ait Labeo, videri non ab eo aedes possideri qui χρυπτας possideret, sed ab eo cujus aedes supra χρυπτας essent: verum est in eo, qui aditum ex publico habuit. Ceterum superficiarii proprio interdicto et actionibus a Praetore utentur: dominus autem soli, tam adversus alium, quam adversus superficiarium potior erit interdicto uti possidetis: sed Praetor superficiarium tuebitur secundum legem locationis et ita Pomponius quoque probat.“

Diese Stelle ist stets dadurch missverstanden worden, dass man angenommen hat, sie rede von Anfang bis zu Ende von demselben Fall. Allein sie besteht aus zwei unabhängigen Theilen, indem von Ceterum an eine ganz neue Betrachtung angestellt wird. In der ersten Hälfte ist der Fall dieser. Ich besitze ein Haus, in einem obern Stock desselben wohnt ein Anderer, und zwar nicht als Miether oder Fructuar, sondern quasi dominus, auf ähnliche Weise, wie ich in dem untern Theile, so dass jeder von uns einzeln, d. h. wenn nicht der andere neben ihm in Betracht käme, ohne Frage als wahrer Besitzer gelten würde. Wie soll es nun mit dem Besitz und den Interdicten gehalten werden? Man könnte glauben, jeder bekomme die Interdicte für sein Stockwerk: diese Meinung, wodurch alles am leichtesten entschieden wäre, widerlegt der Jurist nicht, aber er setzt sie stillschweigend als unmöglich voraus, und der Grund liegt offenbar darin,


(291) §. 23. Abgeleiteter Besitz.

dass überhaupt verschiedene Besitzer verschiedener Stockwerke unmöglich sind (S. 263. 264.). Es bleibt also nichts übrig, als einen von uns ausschliessend für den Hausbesitzer zu erklären, und diesem allein die Interdicte zu geben. Nun sagt der Jurist, in der Regel ist der untere Bewohner dieser wahre Hausbesitzer, und der obere muss weichen, weil nämlich die Wohnung des untern mit dem Boden zusammenhängt, nach dem sich das Gebäude richten muss. Doch ist dieses nicht allgemein wahr, denn wenn der obere die eigentliche Hauptwohnung des Hauses inne hat, mit einem eigenen Zugang unmittelbar von der Strasse her, der untere aber bewohnt nur ein Souterrain, eine Kellerwohnung (χρυπτη), dann wird der obere als der wahre Hausbesitzer angesehen und durch die Interdicte geschützt, der untere aber muss weichen. In diesem ersten Fall also war vorausgesetzt, dass jeder quasi dominus wohnte: jetzt folgt der zweite Fall. – Ganz anders aber verhält es sich, wenn der obere nicht quasi dominus, sondern vermöge einer superficies, im Hause wohnt. Hier treten ähnliche Schwierigkeiten gar nicht ein, sondern alles ist leicht nach dem gewöhnlichsten Verhältniss von possessio und quasi possessio zu entscheiden. Der Eigenthümer nämlich ist allein Besitzer des ganzen Hauses, und hat das int. uti possidetis gegen jeden, auch gegen den Superficiar: dieser aber, so wie er als Kläger das besondere int. de superficiebus gegen jeden, auch gegen den Eigenthümer, erhalten würde, so erhält er dieses jetzt als Beklagter in Form einer Exception, wodurch er gegen das int. uti possidetis des Eigenthümers geschützt wird. – Diese ganze Erklärung beruht also auf der gehörigen Abtheilung der Stelle, die durch das Ceterum deutlich genug bezeichnet ist, und wohl dadurch am meisten verkannt wurde, weil auch in der ersten Hälfte das Wort superficies vorkommt; allein es ist offenbar, dass es da (gerade so wie vorher im §. 5.)


(292) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

gar nicht dazu bestimmt ist, ein Rechtsverhältniss zu bezeichnen, sondern dass es im materiellen Sinn gebraucht wird, da es das Gebäude im Gegensatz des Bodens bezeichnete. Nimmt man nun diese Abtheilung und Erklärung an, so ist es gerade durch den Gegensatz der zwei Fälle recht klar, dass der Jurist bei der superficies dem Grundeigenthümer allein die corporis possessio des Ganzen und aller Theile, dem Superficiar dagegen die juris quasi possessio derjenigen Theile, worauf sich der Contract erstreckt (secundum legem locationis), zusprechen will (1).

Placentin (2) ist vielleicht der einzige Schriftsteller, der diese völlige Gleichheit des Besitzes bei allem jus

(1) du Roi spec. observ. de jure in re. Heidelb. 1812. 8. p. 62. sq. behauptet, die superficies sei kein jus in re, sondern eine Art von bonitarischem Eigenthum oder dominium utile. Er bedient sich dazu ganz ähnlicher Argumente, wie die, durch welche ich in der zweiten Ausgabe versucht habe, dem Emphyteuta ein bonitarisches Eigenthum zu retten, nämlich dass ihm praktisch fast alle Vortheile des Eigenthums verschafft werden. Nun geht er wohl darin zu weit, wenn er aus L. 73. 75. de R. V. „Superficiario … Praetor causa cognita in rem actionem pollicetur“ schliesst, der Superficiar habe die rei vindicatio, weil nämlich diese Stellen im Titel de R. V. stehen. Auch ist er genöthigt, p. 65. eine aequitas anzunehmen, die nicht nur dem jus civile, sondern auch dem jus naturale entgegen sein soll, was gewiss mit dem Begriff der aequitas im geraden Widerspruch steht. Ich glaube, wir können für die Superficies, wie für die Emphyteuse, keine andere Rechtsform aufsuchen, als die eines jus in re, durch dessen Verhältniss zum Eigenthum sich alles befriedigend erklärt. Nur freilich sind diese neueren jura in re dem Eigenthum sehr nahe gebracht worden, viel näher, als man es nach den alten strengen Begriffen von Eigenthum für möglich oder räthlich hielt. Nach dieser alten, reineren Ansicht des Eigenthums, die auch nimmermehr ein Pfandrecht im neueren Sinn zugelassen haben würde, ist die Theorie der Servituten gebildet, und aus ihr sind die engen Grenzen der erlaubten Servituten zu erklären, die von den neueren Juristen als müssige Subtilitäten des alten Rechts angesehen zu werden pflegen.

(2) Summa in Cod. L. 4. T. 4. (p. 373.) L. 8. T. 5. (p. 376.).


(293) §. 24. Abgeleiteter Besitz (Forts.).

in re, d. h. bei ususfructus, superficies etc. etc. anerkannt hat. Die Meisten haben sich damit begnügt, theils bei dem ususfructus, theils bei der superficies die Verhältnisse des Besitzes zu untersuchen, weil zufällig nur dabei in unseren Rechtsquellen des Besitzes erwähnt wird (1).

§. 24.

Zweite Classe: Detention, welche nie ohne Besitz übertragen wird (S. 282.).

Unter dieser Classe sind zwei Fälle enthalten:

I. Der Besitz des Emphyteuta. Da nämlich dieser Besitz im allgemeinen entschieden, zugleich aber ohne animus domini ist, so kann er nur als ein abgeleiteter Besitz betrachtet werden. Dass überhaupt ein abgeleiteter Besitz für diesen Fall angenommen wird, anstatt einer blossen juris quasi possessio, lässt sich blos aus historischen Gründen, nicht aus der Natur und Bestimmung dieses Rechtsverhältnisses selbst, erklären (2).

II. Der Besitz des Pfandgläubigers, d. h. der Besitz, welcher durch den contractus pignoris begründet ist. Dieser allein also ist es, wodurch jener Besitz entsteht, nicht jede Verpfändung überhaupt: namentlich nicht blos ein prätorisches Pfand (3), denn ein solches

(1) Neuerlich ist wiederum von Mehreren mit grosser Sorgfalt die Meinung verfochten worden, der Superficiar habe die corporis possessio, woraus denn von selbst der von ihnen nicht besonders berücksichtige Satz folgt, dass der Grundeigenthümer sie nicht haben kann. Schröter in Linde’s Zeitschrift Bd. 2. S. 244-255. Buchholtz Versuche S. 83. (Zus. der 6. Ausg.) (*)

(*) Vgl. Anhang Num. 85. A. d. H.

(2) S. o. S. 117. 118. §. 12 a. und §. 22 a. – Anders erklärt den Besitz des Emphyteuta Schröter in Linde’s Zeitschr. Bd. 2. S. 237 bis 243. (Zus. der 6. Ausg.)

(3) Wenn bei einer Vindication der Beklagte nicht erscheint, und deshalb dem Kläger eine missio gegeben wird, so scheint ihm nach L. 8. in f. C. de praescr. 30. vel 40.


(294) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

entsteht aus jeder missio in possessionem (1), und doch hat die missio in den meisten Fällen keinen Besitz zur Folge (S. 285.); eben so wenig das pignus in causa judicati captum, welches nach der Analogie des prätorischen Pfands zu bestimmen ist (2); endlich auch nicht ein blosser Vertrag, wodurch ohne Uebergabe eine Sache verpfändet wird (3).

Der Besitz des Pfandgläubigers ist so zu erklären: Die Römer hatten lange Zeit nur zwei Arten, durch das Eigenthum des Schuldners die Erfüllung einer obligatio zu sichern. Man pflegte erstens das Eigenthum einer Sache durch Mancipation dem Gläubiger gleich Anfangs zu überlassen, jedoch so, dass dieser bei der Mancipation selbst versprach, die Sache wieder einlösen zu lassen (pactum de remancipando, fiducia). Diese Form aber war nicht nur beschwerlich, sondern auch auf bestimmte

ann. der Besitz gegeben zu sein. Bulgarus sprach ihm denselben erst nach einem Jahr zu, Martinus sogleich, jedoch so, dass er binnen dem ersten Jahr zurückgefordert werden könnte (Odofredus in L. 3. in f. de poss., fol. 57.). Allein jene Stelle kann eben so natürlich von blosser Detention erklärt werden, und die Natur des prätorischen Pfands überhaupt macht diese Erklärung nothwendig.

(1) L. 26. pr. de pign. act. – L. 12. pro emtore.

(2) Odofredus l. c.

(3) L. 33. §. 5. de usurp. Für diesen Fall liesse sich daher sehr wohl eine juris quasi possessio denken, die jedoch nirgends erwähnt wird. Eben so haben wir keinen Grund anzunehmen, dass hier der Gläubiger, der sich durch die actio hypoth. die Detention verschafft, damit auch den juristischen Besitz erhalte. – Man könnte glauben, er bedürfe die possessio, um verkaufen und tradiren zu können; allein er tradirt ja in fremdem Namen, ähnlich einem Mandatar, der auch keine eigene possessio bedarf, um das Eigenthum übertragen zu können. (Zus. der 6. Ausg.) – Das pactum hypothecae aber ist nicht zu verwechseln mit einem andern Geschäft, das auf den ersten Blick dasselbe zu sein scheint, nämlich pignus, verbunden mit constitutum possessorium. Davon unten mehr.


(395) §. 24. Abgeleiteter Besitz (Forts.).

Arten von Sachen (die res mancipi) beschränkt (1); deswegen war es zweitens gewöhnlich, die Sache dem Gläubiger blos hinzugeben, ohne dass durch dieses Hingeben ein anderes Recht entstand, als das des Schuldners, in Zukunft die Zurückgabe zu verlangen (actio pigneratitia). Dass in diesem Fall kein animus domini, also auch kein ursprünglicher Besitz, angenommen werden könne, ist schon oben vorgekommen. Soll also dennoch Besitz stattfinden, so muss es ein abgeleiteter sein, und davon ist hier die Rede. Zunächst erhält demnach der Gläubiger durch diese Uebergabe blos die natürliche Sicherheit, die ihm die Aufbewahrung einer Sache gewährt, aus welcher er sich in Zukunft bezahlt machen kann: verliert er den natürlichen Besitz, so ist alle Sicherheit verloren. Nun kommen aber auch die possessorischen Interdicte in Betracht, und es lässt sich leicht aus der Natur jenes Contracts zeigen, welchem von beiden Theilen diese Interdicte überlassen werden mussten; nicht dem Schuldner, denn sonst würde es diesem nicht schwer sein, auf unrechtliche Art den natürlichen Besitz der Sache wieder zu erhalten (2), wohl aber dem Gläubiger, denn dass dieser die Detention habe, war der Inhalt des Contracts, und die Interdicte sind blos dazu da, Detention

(1) [Zusatz der 4. Ausg.] Es konnte jedoch zu demselben Zweck auch eine in jure cessio angewendet werden (Gajus II. 59.), und diese war auf Sachen jeder Art anwendbar.

(2) Man könnte einwenden, dieses passe auch auf den Miether, Commodatar etc. Allein das Faustpfand hat gerade im Unterschied von anderen Verträgen den Zweck, dem Gläubiger gegen den Schuldner eine besondere Sicherheit zu verschaffen: es beruht also, wie keiner jener andern Verträge auf einem Misstrauen gegen den Schuldner wozu es nicht passen würde, wenn man diesem die Interdicte geben wollte. So wird dieses Verhältniss sehr richtig, und mit bestimmterem Ausdruck als es von mir geschehen, angegeben von Thibaut Archiv B. 18. S. 324. (Zus. der 6. Ausg.)


(296) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

zu erhalten oder wieder zu geben (1). Etwas änderte sich die Sache, als dem Pfandgläubiger späterhin eine Realklage (actio quasi Serviana) gestattet wurde, um den verlornen Besitz wieder zu erlangen. Nun waren ihm die Interdicte weniger unentbehrlich, aber er behielt sie dennoch, denn auch der Eigenthümer bekam die Interdicte, obgleich er von jeher eine Vindication hatte; ein grosser Irrthum also ist es, wenn man die possessio des Gläubigers auf jene Realklage, als auf ihren Grund oder ihre Folge, bezieht, und sie erst durch diese und um dieser willen entstehen lässt, da sie im Gegentheil durch die Realklage hätte aufhören können. – Demnach wäre nun das Verhältniss dieses: der Gläubiger hätte den juristischen Besitz, d. h. das Recht der Interdicte, aber nicht auch das Recht der Usucapion (civilis possessio), weil weder justa causa noch bona fides vorhanden ist: der Schuldner hätte nicht das Recht der Interdicte, also überhaupt keinen juristischen Besitz, also wäre selbst die Usucapion aufgehoben, die er etwa bis zu dieser Zeit gehabt hätte (S. 94. 95.). – Allein dieser letzte Punkt ist nicht nur keine unmittelbare Folge aus dem Zweck des Pfandcontracts, sondern sogar dem Interesse des Pfandgläubigers gerade entgegengesetzt. Denn wenn an der Sache, welche der Schuldner bisher usucapirte, ein Anderer das Römische Eigenthum hatte, so konnte dessen Vindication blos durch die vollendete Usucapion ausgeschlossen werden; war diese jetzt unterbrochen, so verlor der Eigenthümer nie das Recht, gegen den Gläubiger, wie gegen jeden andern Besitzer, seine Vindication zu gebrauchen. – Dieses entgegengesetzte Interesse des Gläubigers in Beziehung auf Interdicte und Usucapion

(1) Es ist also nicht nöthig, diesen Besitz des Pfandrechts mit Unterholzner (Verjährung S. 160.) als Ueberbleibsel der alten fiducia anzusehen.


(297) §. 24. Abgeleiteter Besitz (Forts.).

hat bei dem Pfandcontract eine Ausnahme von den Regeln des Besitzes veranlasst, wie sie bei keinem andern Geschäfte sich findet. Das Ganze nämlich ist nun so zu bestimmen: der Gläubiger hat possessio, d. h. das Recht der Interdicte, aber keine civilis possessio, d. h. nicht das Recht der Usucapion; der Schuldner hat nicht das Recht der Interdicte, ja er hat überhaupt gar keinen Besitz, aber er setzt dennoch die angefangene Usucapion fort, gleich als ob er noch immer den Besitz hätte. Es ist nicht so gleichgültig, als es auf den ersten Blick scheint, ob man den letzten Satz so ausdrückt, wie es hier geschehen ist, und durch eine Stelle des Römischen Rechts gerechtfertigt wird (1), oder ob man sagt, der Schuldner habe wirklich den Besitz, es sei folglich der Besitz zwischen ihm und dem Gläubiger getheilt. Denn erstens bezieht sich nach unserm Ausdruck die ganze Ausnahme auf die Regel: sine possessione usucapio contingere non potest, nicht auf die andere Regel: plures eandem rem in solidum possidere non possunt, wodurch denn die Allgemeinheit dieser letzten Regel auch gegen diesen Einwurf gesichert ist. Zweitens lässt sich daraus zeigen, auf welcher Seite allein die Ausnahme von der Regel liegt; das Recht des Schuldners ist das, was von der Regel abweicht, das des Gläubigers ist ganz unter der Regel des abgeleiteten Besitzes enthalten, und aus diesem Grunde konnte der Besitz des Pfandgläubigers mit allem Rechte dazu gebraucht werden, die allgemeinen Begriffe von civilis und naturalis possessio festzusetzen, welches Verfahren im entgegengesetzten Fall völlig unmethodisch gewesen wäre.

Von diesen Behauptungen über den Besitz des Pfandes sind jetzt die Beweise zu führen:

(1) L. 36. de poss.


(298) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

A. Der Gläubiger hat den juristischen Besitz, nur nicht das Recht der Usucapion:

L. 16. de usurp. (1)

„ ... Qui pignori dedit, ad usucapionem tantum possidet: quod ad reliquas omnes causas pertinet, qui accepit, possidet.“

B. Eine Folge des ersten Satzes ist es, dass der Gläubiger, wie jeder andere Besitzer, die Sache vermiethen kann (2); dieses kann selbst an den Schuldner geschehen, obgleich dieser zugleich Eigenthümer ist; nun besteht der Pacht als eine possessionis locatio (S. 284. 285.), und der Schuldner verwaltet an seiner eigenen Sache fremden Besitz.

L. 37. de pign. act. (3).

„Si pignus mihi traditum locassem domino, per locationem retineo possessionem: quia, antequam conduceret debitor, non fuerit ejus possessio: cum et animus mihi retinendi sit, et conducenti non sit animus possessionem apiscendi.“

C. Der Schuldner hat eigentlich gar keinen Besitz, aber es wird in seiner Person eine possessio ad usucapionem

(1) Vergl. L. 40. pr. de poss. – L. 15. §. 2. qui satisd. cog. – L. 35. §. 1. de pign. act. – L. 3. §. 15. ad exhibendum (S. 76). – Die L. 7. §. 2. C. de praescr. 30. vel 40. ann. kann nicht im Ernste dagegen angeführt werden, denn: „in fremdem Namen besitzen“ kann in sehr verschiedenem Sinn gesagt werden, der debitor wird auch in der That so behandelt, als ob er possessio (ad usucapionem) hätte, und endlich müsste, wenn das Gegentheil wahr sein sollte, in jener Constitution das alte Recht wirklich geändert sein, da doch Justin gar nicht das Recht des Besitzes, sondern blos die Verjährung der actio hypothecaria bestimmen will.

(2) L. 23. pr. de pignoribus.

(3) Vgl. L. 37. de poss. – Aus beiden Stellen folgt offenbar, dass die possessionis locatio (L. 28. de poss.) keine solche locatio sein könne, wodurch dem Pachter der juristische Besitz erworben würde (s. o. §. 5. 23.).


(299) §. 24. Abgeleiteter Besitz (Forts.).

fingirt (*), d. h. er wird, was die Usucapion betrifft, so behandelt, als ob er Besitz hätte, obgleich er denselben nicht hat.

L. 36. de poss.

„Qui pignoris causa fundum creditori tradit, intelligitur possidere. Sed etsi eundem precario rogaverit, aeque per diutinam possessionem capiet ... cum plus juris in possessione habeat, qui precario rogaverit, quam qui omnino non possidet“ (1).

L. 16. de usurp.

„Qui pignori dedit ad usucapionem tantum possidet ... “

L. 1. §. 15. de poss.

„ ... ad unam enim tantum causam videri eum a debitore possideri: ad usucapionem ...

D. Dieser fingirte Besitz des Schuldners gründet sich lediglich auf die juristische Natur des Pfandcontracts; wo also kein Pfandcontract als gültig anerkannt wird, da gilt auch jener Besitz nicht: das ist unter andern der Fall, wenn der Gläubiger Eigenthümer der verpfändeten Sache ist:

L. 29. de pign. act. (2)

„Si rem alienam bona fide emeris, et mihi pignori dederis, ... deinde me dominus heredem instituerit, desinit pignus esse ... idcirco usucapio tua interpellabitur.“

(*) Vgl. Anh. Num. 86. A. d. H.

(1) Diese Worte, mit dem Anfang der Stelle und mit den folgenden Stellen verbunden, geben dieses Resultat: debitor omnino non possidet, sed ad unam causam (usucapionis) intelligitur possidere.

(2) Vgl. L. 33. §. 5. de usurp. Auch hängt damit zusammen die schwierige L. 16. de O. et A., worüber zu vergleichen ist Arndts Beiträge Heft 1 (1837) S. 208 f., Huschke Zeitschr. für geschichtl. Rechtswiss. 14. (1848) S. 263-266.


(300) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Bei den neueren Juristen finden sich über den Besitz des Pfandes sehr verschiedene Meinungen; der grösste Theil derselben gehört nicht hierher, indem sie die Begriffe der civilis und naturalis possessio betreffen. – Placentin (1) giebt sich viele Mühe, dem Gläubiger allen Besitz abzustreiten. Donellus ist nicht ganz ohne seine Schuld so missverstanden worden, als ob er dieselbe Meinung vertheidigte: allein er leugnet den Besitz des Gläubigers nur da, wo er den ursprünglichen Begriff des Besitzes, mit animus domini angiebt (2): in der Folge redet er erst von der Uebertragung des blossen Besitzes, und erwähnt dabei sehr richtig auch des Pfandgläubigers (3). Der Fehler liegt also nur darin, dass er die Unterscheidung des ursprünglichen und abgeleiteten Besitzes, mit ihrer Anwendung auf diesen Fall, mehr stillschweigend zum Grunde legt, als ausdrücklich darstellt. – Duaren und vorzüglich Valentia haben die Verhältnisse des Gläubigers und Schuldners richtig bestimmt (4). – Westphals Meinung (5) lautet wörtlich also: „Dass blos zur usucapion ein Besitz des Verpfänders angenommen werde, ist ein grosser Irrthum des Juristen. ... Man sieht, wie wenig man sich oft auf die Behauptungen der alten Rechtslehrer verlassen könne.“ (6)

(1) Summa in Cod. tit. de poss. in fin. (p. m. 333.).

(2) comm. j. civ. L. 5. C. 6. (p. m. 183.).

(3) comm. j. civ. L. 5. C. 13. (p. m. 197.).

(4) Duarenus in L. 1. §. 15. de poss. (opp. p. m. 834. 835.). – Valentia in ill. jur. tract. L. 1. Tr. 2. C. 11.

(5) Arten der Sachen etc. §. 151.

(6) Neuerlich ist für den Besitz des Pfandgläubigers eine andere Erklärung versucht worden von Schröter in Linde’s Zeitschrift Bd. 2. S. 255-263. Diesen hat ausführlich zu widerlegen gesucht Sintenis ebendas. Bd. 7. S. 414 bis 435. (Zus. der 6. Ausg.)


(301) §. 25. Abgeleiteter Besitz (Forts.).

§. 25.

Dritte Classe: Detention, welche theils mit dem Besitz, theils ohne denselben, übertragen wird. – Zu dieser Classe gehören zwei Fälle: Depositum und Precarium.

Was zuerst das Depositum betrifft, so hat die Regel keinen Zweifel. Der Besitz also wird in der Regel eben so wenig als bei dem Pacht etc., veräussert.

L. 3. §. 20. de poss. (1).

„Sed si is, qui apud me deposuit, vel commodavit, eam rem vendiderit mihi, vel donaverit, non videbor causam possessionis mihi mutare, qui ne possidebam quidem.“

Die Ausnahme bezieht sich nur auf einen sehr beschränkten Fall. Wenn das Eigenthum einer Sache vindicirt, die Sache selbst aber bei einem Dritten (sequester) deponirt wird, so können die Parteien ausdrücklich bestimmen, dass dieser Dritte den Besitz haben solle, damit durch diesen Besitz alle bisherige Usucapion unterbrochen werde (*): und dieses ist der einzige Fall, in welchem das Depositum eine Veränderung des Besitzes zur Folge hat (2):

L. 39. de poss.

„Interesse puto, qua mente apud sequestrum deponitur res: nam si omittendae possessionis causa, et hoc aperte fuerit approbatum: ad usucapionem possessio ejus partibus non procederet: at si custodiae

(1) Vergl. L. 33. §. 4. de usurp. – L. 9. §. 9. de reb. cred.

(*) Vgl. Anhang Num. 87. A. d. H.

(2) Abweichende Meinungen über den Sequester haben Schröter, Bartels und Sintenis, Zeitschr. von Linde B. 2. S. 266. B. 6. S. 205. B. 7. S. 249. (Zusatz der 6. Ausg.)


(302) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

causa deponatur, ad usucapionem eam possessionem victori procedere (1) constat.“

L. 17. §. 1. depositi.

„Rei depositae proprietas apud deponentem manet, sed et possessio, nisi apud sequestrem deposita est (2): nam tum demum sequester possidet: id enim agitur ea depositione, ut neutrius possessioni id tempus procedat.“

Bei dem Precarium verhält es sich gerade umgekehrt: auch dabei wird theils Besitz, theils blosse Detention übertragen, aber das erste ist Regel, das zweite muss besonders verabredet sein, um behauptet werden zu können (3). – Der Grund, warum Uebertragung des Besitzes hier als Regel angenommen wird, liegt darin, dass sie dem Eigenthümer (rogatus) nicht schadet (4): Sein Usucapionsbesitz

(1) Indem nämlich in diesem Fall, d. h. wenn nur nicht das Gegentheil ausdrücklich ausgemacht ist, der sequester blos einen fremden Besitz verwaltet.

(2) „deposita (possessio) est“ nicht: „deposita (res) est.“ Der Sinn also ist nicht: „Depositum giebt keinen Besitz, ausser dem Fall einer sequestratio, “ sondern: „Depositum giebt keinen Besitz, ausser wenn von einem sequester die Rede ist, und zwar dergestalt, dass diesem der Besitz ausdrücklich übertragen wird (deposita possessio).“ Dass nämlich auch der sequester nicht immer, sondern nur ausnahmsweise Besitzer sein soll, sagt nicht nur die erste Stelle, sondern auch die unsrige in den gleich folgenden Worten: „nam tum demum sequester possidet.“ – Diese Erklärung hat zuerst Duarenus de sacris eccles. minist. III. 10. (opp. p. m. 1567.): doch erklärt er ohne Noth das deposita est durch omissa est. – Die Glosse zu beiden Stellen nimmt gerade das umgekehrte Verhältniss von Regel und Ausnahme an.

(3) Duarenus in L. 10. de poss. (opp. p. m. 869.). – Abweichende Meinungen über Precarium haben Schröter und Bartels in Linde’s Zeitschrift B. 2. S. 263. B. 6. S. 179. (Zus. der 6. Ausg.)

(4) Noch weniger Zweifel hat dieser Punkt nach der verworfenen Meinung älterer Juristen, welche dem rogatus sowohl als dem rogans Besitz zuschrieb (S. 183-185.).


(303) §. 25. Abgeleiteter Besitz (Forts.).

wird nämlich durch accessio possessionis fortgesetzt (1), und er hat sein eigenes interdictum recuperandae possessionis, um den veräusserten Besitz wieder zu erlangen.

A. In der Regel wird der Besitz selbst durch Precarium übertragen:

L. 4. §. 1. de prec. (2)

„Meminisse autem nos oportet, eum qui precario habet, etiam possidere.“

B. Dass blosse Detention übergehen solle, kann durch ausdrückliche Verabredung bestimmt werden:

L. 10. pr. §. 1. de poss. (3)

„Si quis ante conduxit, postea precario rogavit, videbitur discessisse a conductione. ... Idem Pomponius bellissime temptat dicere, numquid qui conduxerit quidem praedium, precario autem rogavit, non ut possideret, sed ut in possessione esset (4)? ... quod si factum est, utrumque procedit.“

Zwar wird auch in diesem letzten Fall der Besitz verloren, wenn der rogans zugleich Eigenthümer der Sache ist; allein dieser Verlust gründet sich hier, wie bei dem Pacht blos darauf, dass nun in Wahrheit kein Precarium vorhanden ist. Deswegen leidet der Satz selbst eine Ausnahme, wenn der Eigenthümer wissentlich, also blos mit Rücksicht auf den fremden Besitz, das Precarium eingeht (5), welches Precarium solius possessionis mit der Uebertragung des juristischen Besitzes durch Precarium nicht zu verwechseln ist, indem sowohl der Besitz, als die blosse Detention, dadurch, wie durch jedes

(1) L. 13. §. 7. de poss. (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 88. A. d. H.

(2) Vgl. L. 22. pr. eod.

(3) Vgl. L. 6. §. 2. de prec.

(4) Im ersten Fall war von precario rogare schlechthin die Rede.

(5) s. o. §. 5. und 25.


(304) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

andere Precarium, übertragen werden kann. – Eine wichtige Anwendung kommt bei dem Pfandcontract vor. Wenn der Schuldner das Pfand precario rogirt, so gilt diese rogatio, weil sie offenbar mit Rücksicht auf den juristischen Besitz des Gläubigers geschieht (1); der Usucapionsbesitz des Schuldners dauert natürlich fort, weil dieser durch die rogatio sogar mehr erhält, als er vorher hatte (2); der Besitz des Gläubigers dauert gleichfalls fort, wenn das Precarium die blosse Detention zum Gegenstand hat, welches in diesem Fall, nach dem Zweck des ganzen Pfandcontracts, sogar präsumirt wird (3) (*).

§. 26.

Für den Erwerb des Besitzes ist nun noch das einzige zu untersuchen übrig, wie durch fremde Handlungen Besitz erworben werden könne, und diese Frage muss, nach einem oben erklärten Ausdruck für den Begriff des Besitzes (S. 237. f.), abgesehen von blossen Ausnahmen, auch so gefasst werden dürfen: wie ist es möglich, durch fremde Handlungen das Bewusstsein physischer Herrschaft über eine Sache zu erlangen?

Diese ganze Art des Erwerbs, besonders aber Ein Fall derselben (das s. g. constitutum possessorium), wird gewöhnlich als eine fingirte Apprehension betrachtet, welche Ansicht hier, wie überall, von wichtigen praktischen Folgen ist (S. 207. f.). Nun ist nicht zu

(1) L. 6. §. 4. de prec.

(2) L. 36. de poss. – L. 29. de pign. act. – L. 33. §. 6. de usurp. (Alle drei Stellen sind aus den Digestis des Julian). – Von L. 16. de O. et A., die aus demselben Werk des Julian genommen ist, wird unten, bei dem s. g. constitutum possessorium, die Rede sein.

(3) L. 33. §. 6. de usurp. (**)

(*) Vgl. Anh. Num. 89. A. d. H.

(**) Vergl. Anh. Num. 90. A. d. H.


(305) §. 26. Erwerb durch Stellvertreter.

leugnen, dass dieser Erwerb etwas ganz Eigenthümliches hat: aber man hat vergessen, zu untersuchen, worin dieses Eigenthümliche liege. Es kommt dabei überhaupt auf drei Punkte an: was muss der thun, durch welchen der Besitz erworben werden soll (der Repräsentant)? was muss der (neue) Besitzer selbst thun? welches Verhältniss muss zwischen Beiden existiren? – Der erste und zweite Punkt enthalten durchaus nichts, was von der Regel alles Erwerbs überhaupt beträchtlich abwiche; ganz anders der dritte, folglich kommen bei diesem juristische Bestimmungen vor, welche die ersten Punkte durchaus nicht betreffen. Durch zwei Beispiele wird diese Unterscheidung deutlicher werden. Nach der gewöhnlichen Meinung (1) soll durch unrechtliche Handlungen, z. B. durch Gewalt, ein solcher Erwerb unmöglich sein, weil eine unrechtliche Handlung keiner Fiction werth sei: allein in der Apprehension ist hier so wenig als in jedem andern Fall etwas juristisches enthalten. Dagegen ist das Verhältniss zwischen dem Repräsentanten und Besitzer allerdings etwas juristisches: deswegen kann die juristische Ungültigkeit dieses Verhältnisses den Erwerb des Besitzes verhindern. – Demnach beruht jene irrige Ansicht auf einer ähnlichen Verwechslung, wie die des Labeo (2), und unsere Juristen hätten wohl gethan, die Berichtigung des Javolenus auch für sich zu benutzen.

Der erste Punkt also, welcher hier bestimmt werden muss, ist die Handlung des Repräsentanten. Nun ist auf den ersten Blick klar, dass dieser nicht weniger thun darf, als wenn er für sich selbst Besitz erwerben wollte, d. h. dass eine Apprehension vorkommen muss, verbunden mit animus possidendi, und dass eben deshalb Jeder, der überhaupt nicht wollen kann, auch zu dieser Repräsentation

(1) Duarenus in L. 1. §. 13. de poss. (opp. p. m. 833.).

(2) L. 51. de poss. (S. 218.)


(306) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

unfähig ist (1). Allein der animus possidendi hat hier das Eigenthümliche, dass der Repräsentant nicht für sich, sondern für den Andern muss Besitz erwerben wollen, wenn dieser Andere in der That Besitzer werden soll; will der Repräsentant selbst Besitzer werden oder einen Dritten zum Besitzer machen, so erfolgt dieses wirklich aus seiner Handlung, wenn nur nicht besondere Verhältnisse (z. B. das Sclavenverhältniss) im Wege stehen, in welchem Fall gar kein Besitz erworben wird (2). – Diese Regel hat keinen Zweifel, aber bei der Tradition muss eine Ausnahme davon gemacht werden. Denn hier entscheidet die Absicht des tradens, so dass der Erwerb des Besitzes nach dieser Absicht vor sich geht, selbst wenn der Repräsentant untreuerweise für sich selbst oder für einen Dritten erwerben will (3). Es versteht

(1) L. 1. §. 9. 10. de poss.

(2) L. 1. §. 19. 20. de poss. „ ... cum autem suo nomine nacti fuerint possessionem, non cum ea mente, ut operam duntaxat suam accomodarent nobis: non possumus adquirere.“ Diese Leseart (in zehn Pariser Mspten, in dem zu Metz, dem zu Löwen, und in Edd. Rom. 1476. Nor. 1483. Ven. 1485. Lugd. 1509. 1513. Paris 1514) ist offenbar besser, als die Florentinische: „ ... nobis non possunt adquirere, “ indem der Repräsentant es nicht einmal will, also von seinem Können noch gar nicht die Rede ist. Haloander liest: „nobis accomodarent: non possunt adquirere, “ gleich als ob nun der Repräsentant nicht selbst Besitzer würde, was ganz falsch ist (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 91. A. d. H.

(3) Ganz deutlich sagt dieses Ulpian in L. 13. de donationibus, der unzweideutigsten unter allen hierher gehörigen Stellen. Ihr aber scheinen folgende Stellen zu widersprechen: a) Julian in L. 37. §. 6. de adqu. rer. dom. Allein bei dem nihil agetur ist jederzeit hinzuzudenken ex mente procuratoris, so wie es in L. 13. cit. heisst: „nihil agit in sua persona, sed mihi adquirit“ (Wenck de tradit. p. 64.), so dass das nihil agetur aufgelöst werden kann durch id non agetur (**). b) Ulpian selbst in L. 43. §. 1. de furtis. Allein in dieser ganzen Stelle ist die Rede von einem falsus procurator, der nur der Kürze wegen nachher schlechtweg

(**) Vergl. Anhang Num. 92. A. d. H.


(307) §. 26. Erwerb durch Stellvertreter.

sich von selbst, dass dieses nur auf die nächste, unmittelbare Wirkung der Tradition selbst geht, dass also der untreue Repräsentant gleich nachher für sich selbst dennoch Besitz erwerben kann, wobei die Regeln über den Verlust des Besitzes durch Stellvertreter (§. 33.) anzuwenden sind.

Zweitens ist es nöthig, dass der Besitzer selbst diesen Besitz erwerben wolle, also wird dieser Erwerb dadurch ausgeschlossen, dass der, für welchen der Besitz erworben werden soll, gar nichts davon weiss (ignoranti possessio non adquiritur). – Dieser Satz indessen kann leicht missverstanden werden, weil der Ausdruck selbst eine zweifache Bedeutung haben kann. Denn ignorantis possessio kann erstlich der Besitz Desjenigen heissen, welcher von der ganzen Handlung nichts weiss, folglich auch diesen Erwerb nicht wollen kann; das ist der Gegenstand unserer Regel, diese ignorantis possessio ist unmöglich, aber von dieser Unmöglichkeit giebt es drei Ausnahmen, wobei Besitz überhaupt und Usucapion durch jene ignorantia nicht gehindert wird: beim Peculium, bei dem Erwerb durch Vormünder, und bei Corporationen (1).

procurator genannt wird, es fehlt also an aller Repräsentation, und das non ejus nomine accepit heisst: er hat es ohne Auftrag desselben empfangen. c) L. 59. de adqu. rer. dom. L. 2. C. de his qui a non dom. Aber in diesen Fällen war das Mandat selbst darauf gerichtet, dass der Procurator die Sache in eigenem Namen kaufen, also selbst das Eigenthum erwerben, und dann auf den mandans übertragen sollte. – Man hat übrigens sehr verschiedene Versuche gemacht, diesen Widerspruch aufzulösen, vgl. Glossa in L. 37. §. 6. de adqu. rer. dom. – Duarenus in L. 1. §. 20. de poss. (opp. p. m. 838. 839). – Beyma in var. Dig. tit. p. 330. – Valentia in ill. jur. tract. L. 1. Tr. 2. C. 13. (p. m. 66.) et in epistolar. exerc. 9. (ib. p. 159.) – Retes ap. Meermann. T. 7. p. 475. 476. et p. 406.

(1) Die Regel steht bei Paulus in rec. sent. Lib. 5. Tit. 2. §. 1. „Possessionem adquirimus et animo, et corpore: animo utique nostro: corpore vel nostro, vel alieno.“ Vgl. L. 3. §. 12. de poss. Die Ausnahmen


(308) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Zweitens kann aber auch Derjenige Ignorans genannt werden, welcher den Besitz der Sache erwerben will, einem Andern den Auftrag dazu gegeben hat, aber nur von der Erfüllung dieses Auftrags, d. h. von der wirklichen Apprehension, noch nicht unterrichtet ist; auf diese ignorantia bezieht sich unsere Regel nicht, sie macht den Besitz überhaupt nicht unmöglich, wohl aber die Usucapion. Wer also jenen Auftrag gab, fängt an zu besitzen, sobald der Auftrag erfüllt ist, aber die Usucapion nimmt erst ihren Anfang, wenn der Besitzer von dieser Erfüllung Nachricht erhält. – Die Beweise aller dieser Sätze können erst bei dem dritten Punkte nachgeholt werden.

Drittens ist ein juristisches Verhältniss zwischen dem Repräsentanten und dem Besitzer nöthig, wenn auf diese Weise Besitz entstehen soll. Man kann sagen, dass in der Regel entweder Befehl oder Auftrag dem Erwerb selbst vorhergehen müsse, je nachdem von einem Verhältniss juristischer Gewalt (des Vaters über seine Kinder und des Herrn über seine Sclaven) oder von einem freien Verhältniss die Rede ist.

A. Juristische Gewalt des Besitzers über den Repräsentanten (1). – Dass hierdurch das Recht des Besitzes erworben wird, ist gar nichts besonderes, indem alle Rechte überhaupt durch Sclaven und durch Kinder in väterlicher Gewalt erworben werden können.

Durch einen Sclaven erwirbt den Besitz der Eigenthümer desselben, der bonae fidei possessor, und der fructuarius. – Der Eigenthümer muss, um dieses Erwerbs

werden weiter unten in diesem §. vorkommen (S. 310-317.) – Die Ausnahme der Peculien bringt Paulus selbst sehr gut mit dieser Regel in Verbindung (L. 1. §. 5. L. 3. §. 12. de poss.).

(1) Sehr gründlich handelt Cuperus von diesem Fall (de nat. poss. p. 52. p. 100-106.).


(309) §. 26. Erwerb durch Stellvertreter.

fähig zu sein, zugleich den Besitz des Sclaven haben; ist der Sclave selbst in fremdem Besitz, oder wird er von Niemanden besessen, so kann der Eigenthümer, als solcher, durch ihn keinen Besitz erwerben, so dass nun oft gar kein Erwerb des Eigenthums oder auch nur des Besitzes vor sich geht (1). Eine blosse Folge davon ist es, dass auch durch einen verpfändeten Sclaven der Eigenthümer keinen Besitz erwerben kann (2). – Der bonae fidei possessor, als solcher, erwirbt den Besitz, wie alles andere, durch den Sclaven nur insofern, als dieser Erwerb auf die Arbeit des Sclaven oder auf das Vermögen des possessor gegründet ist (3): bonae fidei possessor aber heisst hier nur der, welcher sich selbst für den Eigenthümer hält, folglich erwirbt der Pfandgläubiger durch den verpfändeten Sclaven gar nichts (4), obgleich auch er den Sclaven besitzt, und auf rechtliche Weise besitzt, also in anderem Sinne die bona fides ihm nicht abzusprechen ist. – Der fructuarius erwirbt durch den Sclaven unter denselben Einschränkungen, wie der bonae fidei possessor (5). Dabei

(1) L. 21. pr. L. 54. §. 4. de adqu. rer. dom. – L. 1. §. 6. de poss. Bei einem flüchtigen Sclaven dauert die possessio servi und die adquisitio per servum fort, so lange er nicht in fremden Besitz kommt, oder sich selbst für frei hält. L. 1. §. 14. L. 50. §. 1. de poss. (auf diese zwei Ausnahmen gehen die Worte: „quem non possidet“ der L. 54. §. 4. de adqu. rer. dom.: und die „possessio“ der L. 15. de public. in rem act. ist offenbar die natürliche Detention). – Durch die libertatis possessio ist natürlich die servi possessio ausgeschlossen, ausserdem aber durch das blosse liberale judicium nicht: nun ist nämlich die adquisitio per servum, so wie die servi possessio selbst, in suspenso. L. 3. §. 10. de poss. – L. 25. §. 2. de lib. causa.

(2) L. 1. §. 15. de poss.

(3) Gajus Lib. 2. §. 94. L. 1. §. 6. de poss. – L. 21. pr. de adqu. rer. dom.

(4) L. 1. §. 15. de poss.

(5) L. 1. §. 8. L. 49. pr. de poss. – [Zusatz der 4. Ausgabe.] Indessen war dieser Erwerb bestritten, weil der Sclave selbst nicht vom Fructuar besessen wird. Gajus Lib. 2. §. 94., der sich


(310) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

findet sich also wieder das gewöhnliche Verhältniss des Eigenthums zu jedem jus in re; in der Regel nämlich erwirbt durch diesen Sclaven der Eigenthümer, weil er zugleich den juristischen Besitz des Sclaven hat (S. 286.), aber in jenen zwei ausgenommenen Fällen ist es nicht der Eigenthümer, sondern der Fructuar, welchem der Sclave den Besitz, wie alles andere, erwirbt.

Wie der Herr durch den Sclaven, so erwirbt der Vater durch seine Kinder alle Rechte überhaupt, also auch den Besitz. Nur gründet sich dieser Erwerb lediglich auf das Recht der väterlichen Gewalt, nicht wie bei dem Sclaven auf den Besitz an dem Kinde selbst, weil dieser überhaupt nicht denkbar ist; auch kann hier weder ususfructus vorkommen, noch ein der bonae fidei possessio analoges Verhältniss. Wer also aus Irrthum einen Sohn in seiner Gewalt zu haben glaubt, kann durch diesen auf keine Weise erwerben (1).

Für beide Fälle der juristischen Gewalt zusammen tritt eine ganz besondere Regel ein, wenn der Erwerb des Besitzes auf ein peculium sich gründet. Nun wird der Besitz erworben, obgleich der Herr oder der Vater von diesem Erwerb gar nichts weiss (2), und selbst die Usucapion kann zugleich mit diesem Besitz anfangen (3). Da also hier auf den Willen des Besitzers selbst gar nicht gesehen wird, wenn nur ein peculium wirklich vorhanden ist, so können auch solche Personen auf diese Art den Besitz erwerben, welche überhaupt keinen Willen haben (4),

jedoch nicht über die Frage erklärt. Die angeführten Pandektenstellen nehmen sichtbar Rücksicht auf diese Controverse.

(1) L. 50. pr. de poss.

(2) L. 1. §. 5. de poss. – L. 4. de poss. – L. 44. §. 1. L. 24. L. 3. §. 12. de poss.

(3) L. 1. §. 5. de poss. – L. 31. §. 3. L. 47. de usurp.

(4) z. B. Kinder, Wahnsinnige, Erbschaften. – L. 1. §. 5. de poss. – L. 29. de captivis. – L. 16. de O. et A.


(311) §. 26. Erwerb durch Stellvertreter.

ja selbst im Namen eines Gefangenen ist dieser Erwerb möglich (1), obgleich in diesem Fall nicht blos der animus possidendi, sondern die Persönlichkeit des Besitzers selbst fehlt.

Im älteren Recht kamen ausser der Gewalt des Herrn und des Vaters auch noch zwei andere Arten der Gewalt vor, manus und manicipium genannt. Ob aber auch durch diese der Besitz erworben werden konnte, war bestritten, weil diese Arten der Gewalt nicht mit einer possessio an der abhängigen Person selbst verbunden waren (2). Es ist auffallend, dass nur bei diesen Verhältnissen und bei dem Sclaven im ususfructus, ein solcher Zweifel erwähnt wird, obgleich bei dem Sohn in väterlicher Gewalt eben so viel Grund dazu gewesen wäre.

B. Das Verhältniss zwischen dem Besitzer und Repräsentanten kann zweitens ein freies Verhältniss sein. – Nämlich es ist Regel, dass ausser jenen zwei Verhältnissen juristischer Gewalt kein Recht durch fremde Handlungen erworben werden kann, aber diese Regel gilt (wenigstens schon zur Zeit der classischen Juristen) nur von civilen Erwerbungen, nicht von natürlichen, unter welche der Besitz gehört. Besitz also kann auch ohne juristische Gewalt über den Repräsentanten erworben werden, und eben so das Eigenthum, wenn es vermittelst des

(1) Unter den älteren Römischen Juristen war die Sache bestritten, in den Pandekten wird jene Regel als ausgemacht angenommen, ohne Unterschied, ob vor der Gefangenschaft oder in derselben der Besitz anfing: folglich betrifft diese Regel den Erwerb und Verlust zugleich. – Entweder stirbt nun der Gefangene als solcher oder er wird frei: im ersten Fall gilt die lex Cornelia, im zweiten das postliminium. – L. 29. L. 22. §. 3. de captivis. – L. 23. §. 3. ex quib. caus. maj. – L. 44. §. 7. de usurp. L. 12. §. 2. de capt. – L. 15. pr. de usurp.

(2) Gajus Lib. 2. §. 90. [Die Erwähnung dieser Verhältnisse ist in der 4. Ausgabe neu hinzugekommen].


(312) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

Besitzes, d. h. durch Tradition oder Occupation, erworben werden soll (1).

Worin muss nun dieses Verhältniss bestehen? in einem Auftrag, Besitz zu erwerben; bestimmter lässt sich diese Regel nicht ausdrücken. Denn dieser Auftrag bedarf durchaus nicht solcher Bestimmungen, wodurch ausserdem ein juristisches Geschäft bedingt ist, um im Civilrecht als gültig behandelt zu werden; so z. B. kann auch ein Sclave denselben übernehmen, vorausgesetzt, dass er von Niemanden als Sclave besessen werde (2), weil er sonst über keine seiner Handlungen Herr ist, also auch durch diese Handlungen keinem Andern die Herrschaft über eine Sache geben kann; eben so ist ein Pupill dieser Repräsentation fähig (3), wiewohl er ausserdem kein juristisches Geschäft eingehen kann. Allein solche Gründe der Ungültigkeit juristischer Geschäfte, wodurch der Wille des Repräsentanten selbst ausgeschlossen wird, wie z. B. Irrthum über einen wesentlichen Punkt, machen freilich auch diesen Erwerb des Besitzes

(1) L. 1. C. per quas pers., – §. 5. I. eod. – Paulus V. 2., §. 2. – L. 53. de adqu. rer. dom. – L. 20. §. 2. eod. – L. 8. C. de poss.

(2) L. 31. §. 2. de usurp. – L. 34. §. 2. de poss. – Auf diese Art kann ohne allen Zweifel auch der Eigenthümer selbst, dessen Sclave im Besitz der Freiheit ist, durch diesen Sclaven Besitz erwerben (S. 308. 309.); ja es ist consequent, den bonae fidei possessor auch dann durch den Sclaven Besitz erwerben zu lassen, wenn es nicht ex operis servi oder e re possessoris geschieht (S. 309. 310.), indem ja die Möglichkeit dieses Erwerbs keinen Zweifel hätte, wenn der Sclave ganz ohne Besitzer wäre; endlich scheinen es ganz specielle Ausnahmen zu sein, dass der malae fidei possessor und der Pfandgläubiger nicht durch den Sclaven erwerben können, den sie besitzen (L. 1. §. 6. 15. de poss.).

(3) L. 32. pr. de poss. – Was hier von der Fortsetzung des Besitzes, im Gegensatz einer obligatio, gesagt ist, muss natürlich auch von dem Anfang gelten.


(313) §. 26. Erwerb durch Stellvertreter.

unmöglich (1). – Aber auch umgekehrt ist ein juristisches Verhältniss allein, wenn nicht ganz bestimmt jener Auftrag darin enthalten ist, zu dieser Art des Erwerbs nicht hinreichend; so z. B. hat der Verpachter den juristischen Besitz der verpachteten Sache (S. 283.), stirbt nun der Verpachter, so geht das jus obligationis aus dem Pacht durch den blossen Antritt der Erbschaft auf den Erben über, nicht so der Besitz: damit auch dieser erworben werde, muss irgend etwas gethan werden, wodurch der Pachter zugleich Repräsentant des Besitzes für diesen neuen Verpachter wird (2).

Jene Regel nun, dass auch durch freie Menschen in unsrem Namen Besitz erworben werden könne, ist wahrscheinlich schon ziemlich frühe durch Gerichtsgebrauch eingeführt worden:

1. L. 51.de poss.

„ ... ait Labeo, ... si acervum lignorum emero, et eum venditor me tollere jusserit: simul atque custodiam posuissem, traditus mihi videtur ... “ (3).

2. L. 41. de usurp. (Neratius L. 7. membr.).

„ ... quamvis per procuratorem possessionem apisci nos, jam fere conveniat ...

(1) So z. B. wenn der Pachter oder der Pfandgläubiger zugleich Eigenthümer der Sache ist (S. 284. 299).

(2) L. 30. §. 5. de poss. „Quod per colonum possideo, heres meus, nisi ipse nactus possessionem, non poterit possidere.“ Merenda in jur. contr. L. 2. C. 32. – Cicero zwar scheint das Gegentheil zu sagen (pro Caecina C. 32.): allein, wie wenig er selbst auf die Gewissheit dieser Behauptung baut, sieht man aus dem Zusatz, den er gleich in den folgenden Worten nöthig findet: „Deinde ipse Caecina“ rel.

(3) Die Stelle selbst ist oben erklärt worden (S. 218. f.), hier kommt es blos auf das Resultat der Meinung des Labeo an. Uebrigens könnte unter der custodia auch wohl ein Sclave verstanden sein; allein Javolenus, der in dem folgenden Theil der Stelle offenbar denselben Fall vor Augen hat, braucht ausdrücklich das Wort „mandato.“


(314) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

3. L. 13. pr. de adqu. rer. dom. (Neratius Lib. 6. reg.).

„Si procurator rem mihi emerit ex mandato meo, eique sit tradita meo nomine: dominium mihi, id est proprietas adquiritur, etiam ignoranti.“

4. L. 1. C. de poss. (Impp. Sever. et Antonin.)

„Per liberam personam ignoranti quoque acquiri possessionem, et postquam scientia intervenerit, usucapionis conditionem inchoari posse, tam ratione utilitatis, quam juris pridem (1) receptum est.“

Aus diesen Stellen ist klar, dass zur Zeit des zuletzt angeführten Rescripts der Satz schon längst (pridem) recipirt war, dass er schon zur Zeit des Neratius, ja sogar des Labeo galt; dennoch haben ihn Mehrere durch diese Stelle des Codex neu einführen lassen, wozu wohl Ulpian und die Institutionen Veranlassung gewesen sind (2); allein dass Ulpian ein Rescript des

(1) Glossa in h. L. „alias: pridem, et alias: prudentia.“ Die erste Leseart ist viel wahrscheinlicher, denn gegen ratione utilitatis giebt das ratione juris einen viel reineren Gegensatz als juris prudentia; die ratio juris nämlich steht in: L. 53. de adqu. rer. dom. („quod naturaliter adquiritur, sicuti est possessio“ rel.). – Zudem lässt es sich leichter begreifen, wie aus einer Abbreviatur das Wort jurisprudentia entstehen konnte, das jedem juristischen Abschreiber so geläufig sein musste – leichter, als wenn man pridem, als die falsche Leseart, voraussetzen wollte, die sich in den Text eingeschlichen hätte. Pridem übrigens liest auch die Göttingische Handschrift, worin zwar etwas corrigirt zu sein scheint, aber so, dass von der vorigen Leseart keine Spur mehr übrig ist. Pridem lesen endlich auch sieben Pariser Mss. des Codex, ein Ms., das ich selbst besitze, eine sehr alte Fuldaische, eine Münchner (N. 22.), eine Wiener Handschrift (N. 16.), desgleichen eine alte Handschrift der Bamberger Bibliothek (D. I. 2.).

(1) L. 11. §. 6. de pign. act. „ ... constitutum est ab Imperatore nostro, posse per liberam personam possessionem adquiri.“ – §. 5. I. per quas pers. „ ... per liberam personam, veluti per procuratorem placet non solum scientibus, sed et ignorantibus nobis adquiri possessionem, secundum Divi Severi constitutionem.“


(315) §. 26. Erwerb durch Stellvertreter.

regierenden Kaisers citirt, wenn auch der Inhalt desselben schon vorher ohne ausdrückliches Gesetz angenommen war, ist sehr natürlich, und die Stelle der Institutionen, die wohl aus jener entstanden sein mag, sagt eben so wenig, dass Sever diesen Satz neu eingeführt habe, sondern nur, dass er in einer seiner Constitutionen ausgesprochen sei (1).

Jetzt erst ist es möglich, einige nähere Bestimmungen dieser Regel zu entwickeln, welche oben nur angedeutet werden konnten. – Ist jenes Verhältniss der Repräsentation wirklich begründet, so wird der Besitz durch die Apprehension des Repräsentanten unmittelbar erworben, auch wenn der Besitzer noch keine Nachricht von der Erfüllung seines Auftrags hat, und man kann in diesem Sinne sagen: ignoranti adquiritur possessio. Die Usucapion aber fängt erst an, wenn der Besitzer den erworbenen Besitz erfährt (2). Einige haben behauptet, dass wenigstens in dieser Bestimmung etwas neues enthalten sei, was Sever der älteren Regel hinzugefügt habe, allein diese Meinung ist fast noch unhaltbarer, als die, nach welcher die Regel selbst von Sever herrühren soll. – Nur in dem eben angegebenen Sinn aber darf die ignorantis possessio genommen werden, wenn sie möglich sein soll: also muss der Besitzer allerdings wissen und wollen, dass dieser Besitz für ihn erworben werde, ja es ist in den meisten Fällen die Repräsentation selbst nicht anders zu denken möglich. Demnach kann

(1) [Zusatz der 4. Ausg.]. Wäre der §. 95. im zweiten Buch des Gajus ganz erhalten, so würden vielleicht alle Zweifel hierüber verschwinden: in ihrer gegenwärtigen Gestalt kann die Stelle hier gar nicht benutzt werden.

(2) L. 1. C. de poss. (S. 314.) – §. 5. I. per quas. pers. (S. 314.) – L. 49. §. 2. de poss. – L. 47. de usurp. – Die Ausnahme der L. 41. de usurp. betrifft nicht sowohl diese Regel, als vielmehr die der lex Atinia (L. 4. §. 6. de usurp.).


(316) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

auch ein negotiorum gestor den Besitz verschaffen, aber erst von der Zeit der ratihabitio an (1): und dasselbe muss von einem procurator universorum bonorum behauptet werden, weil auch in dessen Auftrag nicht besonders dieser einzelne Erwerb enthalten ist:

1. Paulus in rec. sent. L. 5. T. 2. §. 2.

„Per liberas personas, quae in potestate nostra non sunt, adquiri nobis nihil potest. Sed per procuratorem adquiri nobis possessionem posse, utilitatis causa receptum est (2). Absente autem domino comparata non aliter ei, quam si rata sit, quaeritur“ (3).

2. L. 42. §. 1. de poss.

„Procurator, si quidem mandante domino rem emerit (4), protinus illi adquirit possessionem: quod si sua sponte emerit, non: nisi ratam habuerit dominus emptionem.“

Ungeachtet dieser sehr deutlichen Stellen haben mehrere Juristen auch durch einen solchen Procurator die ignorantis possessio für möglich gehalten (*): und weil

(1) L. 24. de neg. gestis. Ein Zurückrechnen, welches hier, bei eigentlich juristischen Handlungen stattfindet, gilt bei dem Besitz natürlich nicht.

(2) d. h. „aber bei dem Besitz ist eine Ausnahme von jener Regel angenommen worden.“

(3) Der Ausdruck procurator war zweideutig, deswegen erinnert Paulus ausdrücklich, dass blos von einem Stellvertreter in Beziehung auf diesen bestimmten Besitz die Rede sei, nicht von einem procurator bonorum, den man für die Zeit der Abwesenheit bestellt habe, und der während dieser Abwesenheit dem Herrn irgend einen Besitz erwerben wolle.

(4) d. h. „wenn er einen Auftrag für diesen Erwerb hatte“ (gewöhnlich geht nämlich ein solcher Auftrag zugleich auf den Vertrag und auf den Erwerb des Besitzes und Eigenthums). – Der Gegensatz ist also derselbe, wie in der vorigen Stelle.

(*) Vgl. Anhang Num. 93. A. d. H.


(317) §. 26. Erwerb durch Stellvertreter.

einmal Sever durchaus etwas Neues bestimmt haben sollte, so ist auch das als Inhalt seiner Constitution und als Zusatz zu dem ältern Recht betrachtet worden, obgleich der Satz selbst weder für das ältere, noch für das neuere Recht behauptet werden kann.

Zwei Fälle sind indessen auch bei diesem Erwerb durch freie Personen von der Regel ausgenommen, nach welcher der Wille des Besitzers zur Entstehung des Besitzes erfordert wird (vgl. S. 246. 247. 307. 310.).

1. Juristische Personen, obgleich sie keines unmittelbaren Bewusstseins fähig sind, können dennoch auch durch freie Mittelspersonen Besitz erwerben. Für Municipien ist dieses unmittelbar gewiss (1), und da in einer andern Stelle der Besitzerwerb anderer Corporationen dem der Städte gleichgestellt wird (2), so dürfen wir dasselbe auch von diesen andern Corporationen annehmen.

2) Bevormundete Personen, welche eben so wenig juristisch einen Willen haben, können durch die Handlungen ihrer Tutoren und Curatoren (also gleichfalls durch freie Mittelspersonen) Besitz erwerben (3).

Dieser Erwerb des Tutor im Namen des Pupillen ist schon oben zu Erklärung zweier Stellen gebraucht worden, in welchen auch die blosse auctoritas tutoris bei dem Erwerb des Besitzes zugelassen wird (S. 250-257.). Mehrere haben jene Stellen so missverstanden, als ob die adquisitio per tutorem sogar abgeleugnet werden

(1) L. 1. §. 22. L. 2. de poss. (*)

(*) Vgl. Anhang Num. 94. A. d. H.

(2) L. 7. §. 3. ad exhibendum.

(3) L. 13. §. 1. de adqu. rer. dom. – L. 1. §. 20. de poss. – L. 11. §. 6. de pign. act. – Die L. 26. C. de don. ist offenbar blos ein Supplement dieser Regel: in dem bestimmten Fall dieser Stelle nämlich soll dem Pupillen, dessen Vormund hier verhindert ist, einstweilen ein Sclave diesen Erwerb vollziehen dürfen (L. 2. C. Th. de don.).


(318) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

sollte (1), die doch weder nach diesen noch nach andern Stellen (2) mit einigem Schein geleugnet werden kann.

Es versteht sich übrigens von selbst, dass das Repräsentationsverhältniss, durch welches der Erwerb begründet werden soll, auch durch mehrere Personen hindurch gehen kann. Giebt also A dem B den Auftrag, für ihn Besitz zu erwerben, so ist es einerlei, ob B selbst oder durch C diesen Auftrag vollzieht: in beiden Fällen wird A Besitzer. (Zusatz der 6. Ausg.)

§. 27.

Von der Regel, dass ein blosser Auftrag, ohne juristische Gewalt, hinreichend ist, den Erwerb des Besitzes durch fremde Handlungen zu begründen – von dieser Regel ist jetzt noch eine einzelne Anwendung zu erklären übrig, in welche sich unsere Juristen weit weniger zu finden gewusst haben, als in die Regel selbst. Wer überhaupt durch seine Handlungen einem Andern den Besitz zu erwerben im Stande ist, kann dieses natürlich um deswillen nicht weniger, weil etwa er, der Repräsentant, bis auf diesen Augenblick den juristischen Besitz der Sache gehabt hat. Zugleich ist es klar, dass für diesen Fall zwar nicht die Regel, wohl aber ihre Anwendung etwas anders, als für die übrigen Fälle, bestimmt werden müsse. Denn da die Apprehension schon früher vorgekommen ist, so braucht sie jetzt nicht wiederholt zu werden, und die ganze Handlung muss folglich als eine umgekehrte brevi manu traditio betrachtet werden: wie nämlich bei dieser Art der Tradition der, welcher bisher die Detention ohne den Besitz hatte, durch blossen animus possidendi, ohne neue Handlung, den Besitz erwirbt (S. 242. 243.), so verwandelt sich hier gleichfalls durch

(1) Besonders die Schlussworte der L. 3. C. de poss. (S. 256.).

(2) S. die vorletzte Note.


(319) §. 27. Constitutum possessorium.

blosses Wollen der Besitz in Detention, und (worauf es hier noch allein ankommt) das Recht des Besitzes selbst wird unmittelbar auf eine andere Person übertragen. – Unsere Juristen nennen diese Art, den Besitz zu übertragen: Constitutum possessorium. Das Wort kommt bei den Römern nicht vor, wohl aber die Sache, und selbst wenn sie nicht besonders im Römischen Recht genannt wäre, würde sie um nichts weniger gewiss sein.

Der Satz selbst, der hier aufgestellt wurde, ist eben so allgemein, und ganz als blosse Anwendung bekannter Grundsätze in folgender Stelle enthalten:

L. 18. pr. de poss.

„Quod meo nomine possideo, possum alieno nomine possidere: nec enim muto mihi causam possessionis, sed desino possidere, et alium possessorem ministerio meo facio: nec idem est, possidere, et alieno nomine possidere. Nam possidet, cujus nomine possidetur. Procurator alienae possessioni praestat ministerium.“

Also durch blossen Vertrag, ohne alles körperliche Handeln auf die Sache selbst, ist dieser Erwerb des Besitzes möglich: dennoch wird in einer sehr bekannten Stelle der blosse Vertrag der Tradition gerade entgegengesetzt: durch diese soll Eigenthum übergehen können, durch jenen nicht (1). – Dieser Umstand führt zu einer genaueren Bestimmung des s. g. Constitutum selbst. Der Vertrag nämlich, wodurch der Uebergang des Eigenthums bestimmt wird, z. B. der Kauf, ist von dem Constitutum sehr verschieden: in diesem liegt die Bestimmung, dass der bisherige Besitzer Repräsentant eines fremden Besitzes sein wolle, welche Bestimmung weder

(1) L. 20. C. de pactis: „Tradictionibus et usucapionibus dominia rerum, non nudis pactis transferuntur.“


(320) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

in einem blossen Kauf enthalten ist, noch auch überhaupt angenommen werden kann, sie müsste denn ausdrücklich erklärt sein, oder aus andern Erklärungen nothwendig folgen. Ist eine ausdrückliche Erklärung vorhanden, dass der bisherige Besitzer nur noch fremden Besitz verwalten wolle, so hat die Sache keinen Zweifel, aber dieser Fall ist sehr selten. Ausserdem ist ein Constitutum nicht anzunehmen, ausser insofern es als Folge anderer Handlungen betrachtet werden muss (1).

Erstens: ein Constitutum ist in der Regel nicht anzunehmen. – Eine Anwendung dieses Satzes ist schon oben vorgekommen: wer Fässer mit Wein kauft und versiegelt, ist dadurch nicht Besitzer und Eigenthümer der Fässer geworden (2). Nun ist es klar, dass er selbst noch nicht die natürliche Detention dieser Sachen hat, so lange sie in einem Keller des Verkäufers liegen: aber eben so sicher ist es, dass der Verkäufer durch blosses Constitutum den Besitz auf ihn übertragen könnte, und nur weil ein Constitutum überhaupt nicht präsumirt wird, ist in jenem Fall ohne weitere Unterscheidung der Uebergang des Besitzes verneint worden. – Eine zweite Anwendung des Satzes enthält folgende Stelle:

L. 48. de poss.

„Praedia cum servis donavit, eorumque se tradidisse possessionem, litteris declaravit: si vel unus ex servis, qui simul cum praediis donatus est,

(1) Wenn aber die Bedingungen eines constituti vorhanden sind, so ist es gleichgültig, ob der bisherige Besitzer die Detention selbst hat, oder ob ein Dritter diese für ihn verwaltet. Wenn also der Besitzer eines Hauses dasselbe vermiethet hat, so kann er mir durch constitutum den Besitz eben sowohl übertragen, als wenn er es selbst bewohnte, da nach §. 26. die Repräsentation auch durch mehrere Personen hindurch gehen kann. Vgl. unten §. 33. (Zus. der 6. Ausg.)

(2) L. 1. §. 2. de peric. et comm. rei vend. (S. 225.).


(321) §. 27. Constitutum possessorium.

ad eum, qui donum accepit, pervenit, mox in praedia remissus est: per servum praediorum possessionem quaesitam ceterorumque servorum constabit.“ – Der donator hatte in einem Briefe geschrieben: „er wolle hiermit das Gut und die Sclaven übergeben haben.“ Wie ist diese Erklärung zu interpretiren? etwa so, dass er, der donator, von jetzt an als procurator alienae possessionis betrachtet würde? nein, denn ein Constitutum ist nicht zu präsumiren: also ist nur dem donatarius erlaubt, in jedem Augenblick selbst Besitz zu ergreifen (missio in possessionem), diese Handlung ist vorläufig durch des donator Einwilligung zu einer Tradition gemacht, aber erst mit ihr kann der neue Besitz seinen Anfang nehmen.

Zweitens: Ein Constitutum wird dennoch angenommen, wenn sein Dasein aus einer andern Handlung nothwendig folgt. – Dieser Satz wird durch folgende Anwendungen deutlich und gewiss werden.

A. Wer eine Sache verschenkt und zugleich miethet, hat über den Besitz nichts ausdrücklich erklärt: allein er will, dass gleich jetzt ein Pacht zwischen ihm und dem Andern existiren solle, davon ist eine nothwendige Folge, dass der Andere Besitzer, er aber Verwalter des fremden Besitzes sei, folglich ist hier durch Constitutum der Besitz wirklich übertragen (1).

B. Eben so verhält es sich mit dem ususfructus: wer also eine Sache verschenkt oder verkauft und den ususfructus für sich zurückbehält, hat durch Constitutum den Besitz und das Eigenthum wirklich übertragen und verwaltet von jetzt an, wie jeder Fructuar, einen fremden Besitz (2).

(1) L. 77. de rei vind.

(2) L. 28. L. 35. §. 5. C. de donat. (Von diesem Satz, den im Allgemeinen gewiss kein Römischer Jurist


(322) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

C. Wenn eine Sache Gegenstand eines Pfandcontracts ist, zugleich aber der Gebrauch dieser Sache dem Schuldner precario überlassen wird, so ist gleichfalls durch blosses Constitutum dem Gläubiger der Besitz der Sache erworben (1). Dieses ganze Geschäft hat mit einem blossen pactum hypothecae viele Aehnlichkeit; ob das Eine oder das Andere gemeint sei, kann nur für jeden gegebenen Fall bestimmt werden, aber wenn es ausgemacht ist, dass nicht dieses pactum, sondern ein contractus pignoris, verbunden mit precarium, eingegangen war, so ist davon die Uebertragung des Besitzes durch Constitutum eine unmittelbare Folge (S. 304.) und bedarf nicht etwa noch eines besonderen Beweises.

D) Bei einer Societas universorum bonorum wird die Tradition aller einzelnen Sachen als geschehen angenommen, sobald der Vertrag abgeschlossen ist (2), was wieder nicht anders, als durch ein Constitutum gedacht werden kann. Der Grund liegt wahrscheinlich darin: wegen der Mannigfaltigkeit der Gegenstände ist hier eine

je bezweifelte, hatte Theodos II. bei Schenkungen, wobei überhaupt viele besondere Bestimmungen vorkommen, eine Ausnahme verordnet, die er selbst zwei Jahre später wieder aufhob. L. 8. 9. C. Th. de donat.) – Ein Fall dieser Art kam bei einem Theil der Hanauischen Succession vor. Cramer (opusc. T. 1. p. 641.) demonstrirte die gewöhnlichsten Irrthümer der Praktiker in mathematischer Methode, aber die Antwort, die von Darmstädtischer Seite erfolgte, ist eine der besten Schriften, die je über den Besitz erschienen sind: Kortholt de possessione ea lege, ne contra trad., dum vivit, exerc., tradita. Giessae 1738. – Ueber die Anwendung dieser Regel im Mittelalter s. Savigny Geschichte des Röm. R. im Mittelalter B. 2. S. 153. (Zus. der 7. Ausg.) Ueber die donatio usufructuaria überhaupt vergl. Meyerfeld Schenkung 1. S. 95 fg.

(1) L. 15. §. 2. qui satisdare cog. „Creditor, qui pignus accepit, possessor non est, tametsi possessionem habeat, aut sibi traditam, aut precario debitori concessam.“

(2) L. 1. §. 1. L. 2. pro socio.


(323) §. 27. Constitutum possessorium.

wirkliche Tradition sehr beschwerlich, folglich ungewöhnlich, folglich ist im Gegentheil dasjenige Geschäft gewöhnlich und zu präsumiren, welches allein eine wahre Tradition ersetzen kann, und dieses Geschäft ist eben das Constitutum.

Unsere Juristen sind von jeher weit entfernt gewesen, diese einfache Ansicht des Römischen Rechts, nach welcher nicht einmal ein eigener Name für dieses Institut nöthig gefunden wurde, zu der ihrigen zu machen. Das Constitutum schien Ihnen immer etwas sehr seltsames, eine der auffallendsten Fictionen bei dem Erwerb des Besitzes überhaupt, und es sind daher Viele darin übereingekommen, die allgemeine Anwendung des Constitutum für eine Erfindung der Praktiker zu erklären, in der Theorie also das Constitutum nur als Ausnahme, und nur in den Fällen gelten zu lassen, welche die Römischen Juristen zufällig gebraucht haben (1), die Anwendung ihrer Regel daran zu erläutern (2).

(1) [Zusatz der 7. Ausg.] Die Tradition einer pars indivisa erfolgt gewisse meistens durch Willenserklärung, weil darin zugleich ein constitutum possessorium liegt. So z. B. bei einer Schiffspart durch Abschluss des Vertrags und Uebergabe der Papiere. Hier ist sie noch besonders wegen der Schwierigkeit der körperlichen Tradition bei grosser Entfernung einleuchtendes Bedürfniss. Dasselbe tritt auch bei dem Verkauf eines ganzen Schiffs oder ferner Waarenballen ein.

(2) Schon Azo (Summa in Cod. tit. de poss. n. 7. 8.) sagt bei dem Constitutum durch ususfructus: „et est hoc unum mirabile mundi.“ – Die gründlichste Schrift ist von G. Mascov (de const. poss., Harderov. 1733, auch in: opusc. ed. Püttmann. p. 101.), der aber auch die gewöhnliche Ansicht zum Grunde legt und besonders durch das Eigenthümliche der Schenkung (S. 331.) sich verleiten lässt, das Verhältniss von Regel und Ausnahme völlig umzukehren. – Einige haben alles Constitutum abgeleugnet, die Sache selbst aber in jenen einzelnen Fällen dennoch zugelassen und nur etwa anders erklärt: Giphanius in L. 10. de donat. (lectur. Altorph. p. 120. 121.). Schorch de const. poss. in LL.


(324) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

§. 28.

Der Erwerb des Besitzes ist jetzt vollständig dargestellt, und es ist aus dieser Darstellung klar, dass in diesem Erwerb Bestimmungen enthalten sind, welche ihn von dem Erwerb jedes andern Rechts unterscheiden. Alle blos juristischen Gründe nämlich, welche ausserdem den Erwerb eines Rechts begründen oder unmöglich machen, haben diese Wirkung bei dem Besitz nicht.

Erstens also: blos juristische Handlungen, in welchen nicht zugleich eine Apprehension liegt, geben den Besitz nicht. – So der Erwerb einer Erbschaft: alle Rechte überhaupt, insofern sie zum Vermögen gehören, also nicht blos persönlich sind, gehen dadurch unmittelbar auf den Erben über, nur nicht der Besitz, da in dem Antritt der Erbschaft durchaus keine Apprehension für die einzelnen Sachen der Erbschaft liegt (1). Selbst bei dem suus heres gilt von dieser Regel keine Ausnahme (2). Mehrere neue Gesetzgebungen haben bei Erben überhaupt sehr inconsequent das Gegentheil bestimmt (3), was wohl aus einer missverstandenen Stelle des Römischen Rechts selbst entstanden sein mag (4). –

Rom. non fundato. Erf. 1732. – Völlig unbrauchbar ist: Tiraquellus de jure const. poss. (opp. T. 4. p. 135. ed. Frf. 1574).

(1) L. 23. pr. de poss. „Cum heredes instituti sumus, adita hereditate, omnia quidem jura ad nos transeunt: possessio tamen nisi naturaliter comprehensa ad nos non pertinet.“ – L. 1. §. 15. si is, qui test. liber. „ ... nec heredis est possessio, antequam possideat: quia hereditas in eum id tantum transfundit, quod est hereditatis; non autem fuit possessio hereditatis.“

(2) Giphanius lect. Alt. p. 480. Der Satz ist übrigens sehr bestritten (*).

(*) Vergl. Anhang Num. 95. A. d. H.

(3) Das ist der Sinn der Regel: „le mort saisit le vif.“ (Tiraquellus in tract. le mort etc. opp. T. 4.). Dasselbe gilt bei den Spanischen Majoraten. Leges Tauri num. 45. (Gomez in LL. Tauri p. 232. ed. Lugd. 1744. f.). – Vergl. C. A. Braun de poss. ipso jure in heredem transeunte. Erlang. 1744.

(4) L. 30. pr. ex quib. caus. maj.


(325) §. 28. Resultate dieses Abschnitts.

Wie mit dem Erwerb der Erbschaft, so verhält es sich auch mit der Mancipation: diese konnte ohne Zweifel so vorgenommen werden, dass zugleich der Erwerb des Besitzes daraus erfolgte, ja bei beweglichen Sachen war dieses nothwendig; nicht so bei Grundstücken (1), folglich ging bei diesen das Eigenthum ohne Besitz über, denn eine Apprehension war nicht vorhanden und ein Constitutum, wodurch dieselbe hätte ersetzt werden können, ist nicht zu präsumiren.

Zweitens: wenn die Bedingungen des Erwerbs vorhanden sind, so wird durch juristische Gründe der Ungültigkeit der Besitz nicht ausgeschlossen. – Im Allgemeinen ist dieser Satz von jeher anerkannt worden, aber man hat ihn durch Ausnahmen beschränkt, welche in allen Fällen der fingirten Apprehension eintreten sollten (S. 208.); diese Ausnahmen sind ungegründet, weil es überhaupt keine fingirte Apprehension giebt.

Nach dieser Regel also kann selbst durch eine strafbare Handlung, namentlich durch körperliche Gewalt, Besitz erworben werden, und dieser Satz liegt so vielen bekannten Anwendungen zum Grunde, dass er auch durch folgende Stelle nicht zweifelhaft werden kann (2):

„ ... possessio defuncti, quasi juncta, descendit ad heredem.“ Cuiacius in L. 23. pr. de poss. (opp. T. 8. p. 287.). – Jene Stelle geht blos auf die Fiction bei der Usucapion.

(1) Ulpianus in fragm. Tit. 19. §. 6: „Res mobiles non nisi praesentes mancipari possunt ... immobiles autem etiam plures simul, et quae diversis locis sunt, mancipari possunt“ (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 96. A. d. H.

(2) L. 22. de poss. (Javolenus lib. 13. ex Cassio). – Cuperus (P. 2. C. 23.) bezieht die Stelle äusserst gezwungen auf das interdictum quod legatorum, weil Javolenus in demselben Buche zweimal von Interdicten redet (L. 5. de tab. exhib. – L. 198. de R. I.); allein in zwei nicht sehr entfernten Stellen (lib. 15. ex Cassio) ist auch von furtum die Rede (L. 71. 73. de furtis) (**).

(**) Vergl. Anhang Num. 97. A. d. H.


(326) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes.

„Non videtur possessionem adeptus is, qui ita nactus est, ut eam retinere non possit.“

Das non videtur muss, schon nach den Worten, nur in einer besondern Beziehung wahr sein sollen, denn was man nicht behalten kann, muss man wohl für diesen Augenblick wirklich haben. Auch ist jene Beziehung leicht zu finden (1): eine res furtiva oder vi possessa kann nicht usucapirt werden, und diese Unmöglichkeit hört erst dann auf, wenn der Eigenthümer wieder in den Besitz derselben gekommen ist. Aber dieser Besitz muss auch so beschaffen gewesen sein, dass er dauerhaft sein konnte, d. h. er muss nicht wegen der Art seiner Entstehung haben angefochten werden können (2). Wenn aber der fundus vi possessus von dem Eigenthümer selbst mit Gewalt wieder eingenommen wird, oder wenn der Eigenthümer diese res furtiva durch ein gültiges precarium (3) wieder in den Besitz bekommt, so ist die Unmöglichkeit der Usucapion nicht aufgehoben, weil der Besitz des Eigenthümers in beiden Fällen durch Interdicte angefochten werden kann.

Was von dem gewaltsamen Erwerb gilt, muss um so mehr von solchen Handlungen behauptet werden, die ihrer Form nach rechtlich, aber aus juristischen Gründen ungültig sind. – So wird durch die Schenkung eines Ehegatten kein Recht übertragen, der Besitz allein geht über (S. 80.). – Eben so kann durch die Tradition, die

(1) Die Glosse zu unserer Stelle hat sie wirklich gefunden.

(2) L. 4. §. 12. 26. de usurp. – L. 13. §. 2. de V. S.

(3) S. o. S. 303. – Cujacius (obss. XXIV. 12.) scheint um ein taugliches Beispiel für bewegliche Sachen sehr verlegen zu sein: in dem Fall, welchen er anführt, ist gar keine res furtiva vorhanden. – Nach altem Recht gehörte dahin auch der Fall, wenn der Eigenthümer die ihm gestohlene Sache irgendwo mit Gewalt wegnahm, weil sie ihm durch das Int. utrubi wieder entzogen werden konnte. (Zus. der 6. Ausg.)


(327) §. 28. Resultate dieses Abschnitts.

ein Rasender oder ein Pupill vornimmt, kein Eigenthum erworben werden, wohl aber Besitz (1). – Aus diesen juristischen Gründen nämlich ist immer nur die Succession für ungültig zu halten: Succession aber bezieht sich überhaupt nicht auf die Existenz des Besitzes (S. 44.), folglich kann diese nicht darum ausgeschlossen sein, weil jene unmöglich ist.

(1) Die Gründe, aus welchen dieser Satz etwa bezweifelt werden könnte, gehören in den folgenden Abschnitt, denn sie betreffen die Frage: ob der Rasende oder der Pupill den Besitz in diesem Fall verliere? Dass unter dieser Voraussetzung der Andere ihn erwirbt, wird Niemand leugnen.


(328)

Dritter Abschnitt.

Verlust des Besitzes.

§. 29.

Im zweiten Abschnitt ist von dem Anfang des Besitzes geredet worden: hier soll das Ende desselben bestimmt werden. Diese Frage ist offenbar mit der nach der Fortdauer des Besitzes völlig gleichbedeutend, da jeder Besitz genau so lange fortdauern muss, als er nicht verloren wird. Hätten unsere Juristen diese einfache Bemerkung, die schon sehr frühe gemacht worden ist (1), benutzt, so würden sie ihren Theorien nicht nur ein ganzes Kapitel, sondern auch manche Widersprüche erspart haben, indem nun zuweilen bei dem Verlust des

(1) Azo in Summa Cod. tit. de poss. „Cum enim intitulatur de amittenda possessione, ergo de retinenda, vel quousque retineatur: tamdiu enim retinetur, quamdiu non amittitur.“ – Glossa in rubr. Dig. tit. de poss. not., „quod hic dicit amittenda, sed Cod. eod. dicit retinenda, quod in idem recidit, quia contrariorum eadem est disciplina.“ Bei dieser Gelegenheit pflegen die Commentatoren nach Accurs, selbst Alciat nicht ausgeschlossen, sehr gelehrt zu untersuchen, ob die Regel: „contrariorum eadem est disciplina“ auch wirklich überall wahr sei, z. B. auch im Canonischen Recht, im Lehnrecht u. s. w.


(329) §. 29. Regel für den Verlust.

Besitzes das Gegentheil von dem gesagt wird, was bei der Fortdauer behauptet worden war.

Es ist also jetzt die Regel aufzusuchen, nach welcher die Fortdauer, und mit dieser zugleich der Verlust des Besitzes, bestimmt werden könne. Wir wollen es versuchen, diese Regel zuerst aus dem Begriff des Besitzes abzuleiten: dieser Begriff hat durch die Untersuchung über den Erwerb des Besitzes bereits volle Bestimmtheit und Realität erhalten, und selbst diese Beziehung auf Fortdauer und Verlust ist schon oben (S. 240. 241.) vorläufig angedeutet worden.

Weil nämlich der Besitz gedacht wurde als physische Herrschaft, bezogen auf das Bewusstsein, so war zu allem Erwerb zweierlei nöthig: ein körperliches Verhältniss und animus. Dasselbe muss sich auch bei der Fortdauer wieder finden: auch diese muss auf derselben Verbindung beruhen, wie der Erwerb, sie muss also ausgeschlossen sein, wenn diese Verbindung aufgehoben ist, d. h. wenn entweder das körperliche allein, oder der animus allein, oder beide zugleich aufhören. Aller Unterschied nämlich, der zwischen den Bedingungen des Erwerbs und der Fortdauer angenommen werden soll (S. 240.), kann durchaus nur den Grad, nicht das Wesen dieser Bedingungen betreffen, d. h. es muss sich immer ein Punkt annehmen lassen, auf welchem aller Unterschied völlig verschwindet. Ein solcher Punkt wäre z. B. bei dem körperlichen Verhältniss die völlige Unmöglichkeit, auf die Sache einzuwirken, bei dem animus der bestimmte Entschluss, nicht Besitzer zu sein: und es ist klar, dass in beiden Fällen der Besitz eben so wenig anfangen als fortgesetzt werden könne, dass also hier die Bedingungen des Erwerbs und der Fortdauer völlig zusammen fallen.

Was hier gesagt worden ist, lässt sich in folgende Sätze zusammen fassen:


(330) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

1. Soll der Besitz fortdauern, so muss ein körperliches Verhältniss und animus vorhanden sein.

2. Hat das eine allein, oder das andere allein, oder haben beide zugleich aufgehört, so ist der Besitz verloren.

3. Diese Regel steht in einer unmittelbaren logischen Verbindung mit der Regel, welche den Erwerb des Besitzes bestimmt.

Wir wollen uns jetzt nach historischen Beweisen jener Regel umsehen: vielleicht, dass uns dabei der Standpunkt, aus welchem sie hier zuerst betrachtet worden ist, gute Dienste leistet.

§. 30.

Die Regel, die im vorigen §. aufgestellt worden ist, wird theils in vielen Anwendungen (1), theils in einigen Ausnahmen so bestimmt vorausgesetzt, dass schon dadurch der historische Beweis derselben als vollständig geführt gelten könnte. Ausserdem steht die Regel selbst in einer Stelle, die man gerade dabei gewöhnlich übersieht.

L. 44. §. 2. de poss.

„ ... ejus quidem, quod corpore nostro teneremus (2), possessionem amitti vel animo, vel etiam corpore ...

Doch auch hier wird dieser Gegenstand nur gelegentlich berührt; dagegen findet sich eine andere Stelle, worin recht absichtlich eine allgemeine Regel für unsern Fall aufgestellt werden soll, und diese Regel – scheint der unsrigen gerade entgegengesetzt, indem sie weder

(1) Hier nur vorläufig einige der bestimmtesten: L. 3. §. 13. L. 29. de poss. (Verlust durch blosses factum). – L. 3. §. 6. L. 17. §. 1. de poss. (Verlust durch blossen animus).

(2) Dieser Fall macht die Regel aus, und es sollen eben hier die Modificationen für den entgegengesetzten Fall angegeben werden.


(331) §. 30. Regel für dem Verlust (Forts.).

das körperliche allein, noch den animus allein für hinreichend erklärt, den Besitz verlieren zu machen.

L. 153. de R. I. (1).

„Fere, quibuscunque modis obligamur, hisdem (iisdem) (*) in contrarium actis liberamur: cum quibus modis adquirimus, hisdem in contrarium actis amittimus. Ut igitur (2) nulla possessio adquiri, nisi animo et corpore potest: ita nulla amittitur, nisi in qua utrumque in contrarium actum“ (3).

An einen Streit der alten Juristen ist theils nach der Natur des Gegenstandes, theils auch deswegen nicht zu denken, weil die Stelle von Paulus herrührt, in dessen Schriften gerade die entscheidendsten Anwendungen der richtigen Regel sich finden (4).

Bei weitem die meisten Interpreten suchen diese Schwierigkeit dadurch aufzuheben, dass sie die ganze Stelle blos auf einen besondern, ausgenommenen Fall beziehen. Nämlich Grundstücke werden auch dann noch besessen, wenn schon ein Anderer sie occupirt hat, so lange nur der bisherige Besitzer keine Nachricht davon hat. Deswegen unterscheidet man nun so: entweder soll solo animo der Besitz verloren werden, dann hat der Verlust keine Schwierigkeit, folglich ist dann die Regel des Paulus falsch: oder solo corpore, dann ist die Regel wahr, aber doch auch nur bei Grundstücken (3). – Allein

(1) Ich nenne diese Stelle die einzige, weil die L. 8. de poss. offenbar blos ein Fragment derselben ist; die ganz unbedeutenden Abweichungen sollen sogleich bemerkt werden.

(*) Vergl. Anhang Num. 98. A. d. H.

(2) Die L. 8. de poss., die erst hier anfängt, liest „quemadmodum“ anstatt „ut igitur.“

(3) L. 8. de poss.: „actum est.“

(4) L. 3. §. 6. 13. de poss.

(5) Bulgari et Placentini ad titt. ff. de R. I. comm., Colon. 1587. 8., p. 113. – Azo in Summa Cod. tit. de poss. num. 15. – Glossa in L. 3. §. 6. et in


(332) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

der Jurist hat so offenbar die Absicht, eine allgemeine Regel aufzustellen, dass diese Erklärung durch alle Nebengründe, die man dafür aufgesucht hat (1), unmöglich entschuldigt werden kann.

Alle Schwierigkeit liegt offenbar in dem Wort „utrumque:“ dass beides zugleich (corpus und animus) aufgehoben werden müsse, damit der Besitz verloren sei, das ist es, was allen übrigen Anwendungen zu widersprechen scheint. Zuerst ist also die Bedeutung von uterque festzustellen (2).

L. 8. de poss. Odofredus in L. 3. cit. (fol. 56.). – Cuiacius in notis ad §. 5. de interdictis, et in paratit. in Cod. tit. de poss. (auch: opp. T. 4. pag. 625., T. 5. pag. 710., T. 8. pag. 258. 269. 877. T. 9. p. 1015.). – Giphanius in lect. Altorph. p. 420. 421. 422. – Merenda in contr. L. 12. C. 24. – Cuperus de poss. P. 2. C. 36. Man lasse sich nicht dadurch irren, dass Cuperus und Andere damit anfangen, eben diese Erklärung zu widerlegen, denn am Ende ist es immer dieselbe, nur etwas anders ausgedrückt. – Romuleus p. 18, der selbst dieser Meinung zugethan ist, führt eine merkwürdige Emendation anderer, von ihm nicht genannter, Juristen an; diese lesen in L. 8. de poss.: „Non quemadmodum“ anstatt „Quemadmodum.“

(1) Cujacius legt viel Gewicht auf das Wort „fere“ („c’est à dire, le plus souvent, ou presque le plus souvent.“ Opp. T. 4. p. 625.), welches doch weder bei dem Besitz gebraucht ist, noch auch dabei einen so grossen Unterschied machen könnte. Giphanius und Cuperus sehen vorzüglich auf die Inscription.

(2) Ich kenne nur Eine Erklärung, die einen etwas ähnlichen Weg einschlägt, indem sie den Text ändert und utrumcunque liest (Friesen de genuina poss. indole, Ienae 1725. §. 14.): selbst diese Emendation ist weit weniger gewaltsam, als die gewöhnliche Erklärung. – Die bescheidenste Emendation wäre utcumque, und nun wäre der Sinn dieser: „kein Besitz ist verloren, in welchem nicht auf irgend eine Weise in contrarium gehandelt worden ist, “ nämlich in contrarium der Bedingungen des Erwerbs, die unmittelbar vorher genannt wurden. Nun wäre alle Schwierigkeit gehoben (§. 29.). Diese Emendation findet sich auch bei Suse in Gurlitt animadv. ad auctt. veteres Spec. 3. p. 18. (1806). Man hat dagegen eingewendet, actum est ohne ein ausgedrücktes Subject könne in


(333) §. 30. Regel für den Verlust. (Forts.).

Uterque wird überhaupt gebraucht, wenn die gemeinschaftliche Beziehung eines Prädicats auf mehrere Subjecte (oder umgekehrt) bezeichnet werden soll. Hierin kann nun aber ein dreifacher Fall eintreten:

1. Bestimmte Behauptung einer conjunctiven Beziehung, so dass in jedem gegebenen Fall das eine Subject nie ohne das andere sein soll. Dieses ist die gewöhnliche Bedeutung von uterque.

2. Bestimmte Behauptung einer disjunctiven Beziehung, so dass in jedem gegebenen Fall das eine Subject nie mit dem andern vereinigt sein soll, so dass das Prädicat so gut dem einen allein, als dem andern allein, aber nie beiden neben einander, zukommt. Das ist die gewöhnliche Bedeutung von alteruter.

3. Unbestimmte Behauptung, so dass nur die gemeinschaftliche Beziehung überhaupt ausgedrückt wird, dass es aber völlig unentschieden bleibt, ob dieselbe eine conjunctive oder disjunctive sein soll, sei es nun, dass man dieses nicht weiss, oder dass man es nur jetzt nicht beachtet und ausdrückt. Auch in dieser Bedeutung kommt uterque und alteruter vor, so dass dadurch beide Ausdrücke oft gleichbedeutend werden, ja dass für einzelne Fälle der falsche Schein entsteht, als solle uterque genau das disjunctive Verhältniss im Gegensatz des conjunctiven, alteruter eben so das conjunctive im Gegensatz des disjunctiven bezeichnen.

So kommt uterque vor gleichbedeutend (in dem

dieser Verbindung nicht gebraucht werden: aber gerade so gebraucht es derselbe Paulus in L. 5. de her. vel act. vend. – Indessen hat freilich jede Emendation hier noch den besondern Grund gegen sich, dass die Stelle mit derselben gleichförmigen Leseart aller Handschriften zweimal in den Pandekten steht.


(334) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

angegebenen Sinn) mit alteruter, unter andern in folgenden Stellen (1):

Varro de re rust. I. 2. §. 14.

„Quocirca principes, qui utrique rei praeponuntur, vocabulis quoque sunt diversi, quod unus vocatur vilicus, alter magister pecoris.“

Cicero de officiis III. 15.

„Uterque, si ad eloquendum venerit, non plus quam semel eloquetur“ (*).

Paulus in L. 10. §. 13. de gradibus:

„Frater quoque per utrumque parentem accipitur, id est, aut per matrem tantum, aut per patrem, aut per utrumque.“ (Das erste Mal steht hier utrumque unbestimmt, das zweite Mal bestimmt als Ausdruck des conjunctiven Verhältnisses).

Celsus in L. 16. de leg. 2.

„Si Titio aut Sejo, utri heres vellet, legatum relictum est: heres alteri dando, ab utroque liberatur: si neutri dat, uterque perinde petere potest, atque si ipsi soli legatum foret, nam ut stipulando duo

(1) Diese Bedeutung von uterque steht schon in der Glosse (in L. 8. §. 5. C. de bon. quae lib.); ferner in den Zusätzen zu Brisson (p. 1372. ed. Heinecc.), aber Eine Stelle, die da angeführt wird (L. 2. pr. de eo, quod certo loco), beweist nichts, und die L. 16. de leg. 2. fehlt ganz. – Azonis Brocardica (Basil. 1576. 8.) pag. 199. „Utrumque id est alterum. C. de bon. quae lib. l. ult. §. ipse; ff. de contr. emt. l. sed Celsus §. si fundum, ff. de pact. l. rescriptum §. si pactum, ff. de pignor. l. si grege §. 2.“ – Azonis Glossa in L. 8. §. 5. C. de bon. quae lib. (Ms. Paris. num. 4519. und gleichlautend in der Fuldaischen Handschrift des Codex) zu v. utraque: „disjunctive id est ex hac vel ex illa, non conjunctim: sic ff. de pactis rescriptum §. si pacto ff. de lib. et posth. Si ita, et ita ponitur unicuique disjunctive S. comm. divid. penult. Az.“

(*) Vergl. Anhang Num. 99. A. d. H.


(335) §. 30. Regel für den Verlust. (Forts.).

rei constitui possunt (1), ita et testamento potest id fieri.“

Arcadius, Honorius und Theodosius in L. 8. C. Theod. de maternis bonis (2).

„Intra septem annos ... pater ... successionem amplectatur: hac vero aestate finita filius ... suam exponat voluntatem. Dum tamen intra annum ... uterque de possessione amplectenda suum prodat arbitrium.“

Justinian in L. 8. §. 5. C. de bon. quae liberis (3).

„Ipsum autem filium ... alere patri necesse est ... et ab ipsis liberis parentes, si inopia ex utraque parte vertitur.“

In derselben Bedeutung steht in einer Constitution von Alexander Sever unusquisque: L. 3. C. de comm. div.

„ ... Cum autem regionibus dividi commode aliquis ager inter socius non potest, vel ex pluribus

(1) Aus dieser Vergleichung mit gewöhnlichen Correis erhellt ganz offenbar, dass durch die wirkliche Forderung des Einen das Recht des Andern ausgeschlossen sein soll, und dass es nur gleichgültig ist, Wer von Beiden fordert, dass also nicht beide neben einander auftreten können.

(2) Zusatz des Verfs. zur 7. Ausg.

(3) In dieser Stelle ist die Sache so klar, dass Haloander in den Text gesetzt hat: alterutra. Allein daraus folgt nicht, dass er diese Leseart in einer Handschrift gefunden habe, die Glosse sucht die besondere Bedeutung, die hier utraque hat, ausführlich zu rechtfertigen, ohne einer Variante zu erwähnen, und die späteren Editoren haben das alterutra offenbar blos nach Haloander in den Text aufgenommen, oder als Variante bemerkt. Russard z. B. sagt ausdrücklich, in allen seinen Handschriften stehe utraque. Auch die 9 Pariser Mspte, worin ich die Stelle nachgeschlagen habe, lesen utraque (einige mit der Interlinearglosse i. e. ex altera, wodurch die Sicherheit unserer Leseart noch verstärkt wird), eben so zwei Wiener Handschriften, zwei mir gehörige, und die Fuldaische.


(336) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

singuli: aestimatione justa facta, unicuique sociorum adjudicantur ...

Endlich auch umgekehrt steht alteruter in derselben Bedeutung unter andern in einer Stelle des Ulpian: L. 1. §. 3. uti possidetis:

„ ... aut convenit inter litigatores, uter possessor sit, uter petitor, aut non convenit. Si convenit, absolutum est ... Sed si inter ipsos contendatur, uter possideat, quia alteruter se magis possidere adfirmat“ etc. (Wenn zwischen Beiden Streit über den Besitz sein soll, so muss wohl Jeder [uterque] behaupten, se magis possidere).

In unserer Stelle nun ist der Gang der Gedanken dieser. Bei Obligationen ist in der Regel die Auflösung ähnlich der Entstehung, so dass sie auf demselben Handeln beruht, wie diese, und weder ohne alles Handeln, noch auch durch ein Handeln anderer Art (z. B. durch pactum anstatt einer acceptilatio) vor sich gehen kann. Eben so ist es bei dem Besitz. So wie nämlich dieser durch ein bestimmtes Handeln (und zwar durch zwiefaches Handeln, körperliches und geistiges) erworben wird, so wird er auch nur durch das umgekehrte Ereigniss verloren, und zwar ist dieses wahr für beide Erwerbgründe, d. h. sowohl für das körperliche Ereigniss, als für das geistige Handeln. – Offenbar liegt also hier der Accent nicht auf utrumque, sondern auf in contrarium actum est; es sollte gesagt werden, dass der Verlust eintreten könne weder ohne alle neue Thatsache (1), noch durch eine Thatsache anderer Art, sondern nur durch

(1) Hierin eben liegt das Positive und Wichtige dieser Regel; es wird darin gewarnt gegen den möglichen Irrthum, als könne der Besitz auch verloren werden durch blosse Entfernung des Besitzers von der Sache, oder durch blosses Nichtbewusstsein. (§. 31. 32.) (Zusatz der 6. Ausg.)


(337) §. 30. Regel für den Verlust (Forts.).

dieselbe, wodurch auch der Erwerb vor sich gehe, und zwar gelte diese nothwendige Gleichartigkeit nicht etwa bloss für das körperliche, noch auch bloss für das geistige, sondern für beide gemeinschaftlich. – Man hätte nun allerdings noch weiter fragen können, ob diese gemeinschaftliche Beziehung eine conjunctive oder eine disjunctive sei; allein davon war hier gar nicht die Frage gewesen, dieses bleibt also in unserer Stelle gänzlich dahin gestellt, und uterque ist daher in der dritten unter den oben entwickelten Bedeutungen gebraucht, so dass unsere Stelle über diesen Punct gar nichts aussagt (1).

Die Richtigkeit dieser Erklärung könnte indessen wegen des innern Zusammenhangs unserer Stelle von einer andern Seite bestritten werden. Offenbar soll der Verlust mit dem Erwerb verglichen werden (2), nun ist

(1) Ich halte also jetzt die Behauptung der ersten und zweiten Ausgabe für unrichtig, nach welcher hier uterque gerade für alteruter stehen, also ausdrücken sollte, dass nur eins von beiden erfordert werde, nicht beides zugleich. Wenn das Wort auch jemals diese bestimmte Bedeutung hätte, so wäre es doch eine ganz unbegreifliche Nachlässigkeit, wenn Paulus, um das disjunctive Verhältniss auszudrücken, den Ausdruck gewählt hätte, der in den allermeisten Fällen gerade dazu dient, das conjunctive im Gegensatz des disjunctiven zu bezeichnen. – Das wesentliche meiner gegenwärtigen Erklärung findet sich schon bei Thibaut A. L. Z. Ergänzungsblätter 1806. B. 2. S. 534. Desgleichen auch (nur von anderer Seite aufgefasst) bei Hugo Gött. Anz. 1804. S. 295, 1807. S. 1909; denn allerdings wird nunmehr nicht sowohl eine eigenthümliche Bedeutung des Worts uterque behauptet, als vielmehr eine verschiedenartige logische Beziehung, worin der Ausdruck angewendet wird, und insofern kann man wohl sagen, dass derselbe Fall in allen Sprachen vorkommen könne (*).

(*) Vergl. Anh. Num. 100. A. d. H.

(2) „ ... quibus modis adquirimus, iisdem in contrarium actis amittimus. Ut igitur nulla possessio adquiri … potest: ita nulla amittitur … “ (S. 331.) (**).

(**) Vergl. Anh. Num. 101. A. d. H.


(338) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

zu dem Erwerb das körperliche und zugleich der animus nöthig, also (scheint es) auch zu dem Verlust. Allein selbst abgesehen davon, dass Paulus diese Frage eigentlich gar nicht beantworten will, ist auch in der That dieses Resultat der Vergleichung nur scheinbar: „corpus und animus zugleich ist zum Erwerb nothwendig“ heisst nichts anders, als: „der Erwerb ist bedingt durch die Verbindung von corpus und animus, “ demnach wird nur dann der Erwerb mit dem Verlust verglichen werden können, wenn der Verlust eine Folge dieser aufgehobenen Verbindung ist. Aufgehoben aber ist diese Verbindung nicht erst dann, wenn beide Stücke zugleich aufgehört haben, sondern wenn auch nur Eins von Beiden nicht mehr vorhanden ist.

So ist folglich auch durch Interpretation bewiesen, dass die Fortdauer des Besitzes, wie der Erwerb desselben, auf corpus und animus zugleich beruhen müsse, oder (was dasselbe sagt), dass sowohl durch corpus als durch animus allein der Besitz verloren werden könne (*). – Diese Regel soll jetzt durch die Anwendung theils erläutert, theils näher bestimmt werden.

Nun kann aber, wie der Erwerb, so auch die Fortdauer des Besitzes, durch fremde Handlungen begründet sein: demnach wird das Detail dieser Untersuchung überhaupt auf folgende Puncte gerichtet sein müssen:

A. Das körperliche Verhältniss, als erste Bedingung der Fortdauer des Besitzes (§. 31.).

B. Animus, als zweite Bedingung derselben (§. 32.).

C. Modification dieser Regeln bei der Fortsetzung des Besitzes durch Stellvertreter (§. 33.).

(*) Vergl. Anhang Num. 102. A. d .H.


(339) §. 31. Verlust durch äussere Begebenheit.

§. 31.

Die erste Bedingung der Fortdauer des Besitzes ist ein physisches Verhältniss zu der besessenen Sache, wodurch es uns möglich ist, auf dieselbe einzuwirken. Diese Möglichkeit aber muss nicht etwa, wie bei dem Erwerb des Besitzes, eine unmittelbare, gegenwärtige Möglichkeit sein (S. 239.), sondern es ist hinreichend, wenn nur dieses Verhältniss unmittelbarer Herrschaft nach Willkühr reproducirt werden kann (1), und der Besitz ist auf diese Weise erst dann verloren, wenn die willkührliche Einwirkung ganz unmöglich geworden ist. – Diese Regel soll jetzt theils auf bewegliche, theils auf unbewegliche Sachen angewendet werden. Mehrere Anwendungen aber verstehen sich so sehr von selbst, dass sie einer näheren Erläuterung nicht bedürfen. Dahin gehört der Tod des Besitzers, die Sclaverei, in welche derselbe fällt (2), und der Untergang der besessenen Sache, sowohl der körperliche Untergang, als der juristische (3). Andere Anwendungen dagegen müssen genauer unersucht und bestimmt werden.

Der Besitz einer beweglichen Sache wird zuerst dadurch verloren, dass ein Anderer sich derselben bemächtigt, einerlei, ob mit Gewalt oder heimlich (4): und

(1) L. 3. §. 13. de poss. „Nerva filius, res mobiles, excepto homine, quatenus sub custodia nostra sint, hactenus possideri: idem quatenus, si velimus, naturalem possessionem nancisci possimus.“ Dass Nerva die Regel nur für bewegliche Sachen, und noch mit Ausnahme der Sclaven, gelten lassen will, thut ihrer Realität als Regel keinen Eintrag. Denn bei Sclaven und bei Grundstücken sind Ausnahmen im Römischen Recht ausdrücklich anerkannt: bei Sclaven, indem der servus fugitivus besessen wird; bei Grundstücken, indem ihr Besitz nicht eher verloren wird, als der Besitzer den Verlust erfährt.

(2) L. 30. §. 3. de poss.

(3) Wenn die Sache extra commercium kommt oder specificirt wird. L. 30. §. 3. 4. de poss.

(4) L. 15. de poss. „Rem quae nobis subrepta est, perinde intelligimur desinere possidere, atque eam, quae vi nobis erepta est ... “ (*)

(*) Vgl. Anhang Num. 103. A. d. H.


(340) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

hier ist die Ausschliessung unsrer eignen Herrschaft über diese Sache sehr entschieden. Ob der Andere den Besitz wirklich erworben habe, ist ganz gleichgültig; wenn z. B. ein fremder Sclave, ohne Befehl seines Herrn, sie entwendet, so erwirbt diesen Besitz weder der Sclave (S. 127.), noch der Herr (1), aber wir verlieren ihn dennoch, da uns die physische Möglichkeit, über die Sache zu verfügen, darum nicht weniger entzogen ist, weil kein Anderer das Recht des Besitzes hat. Anders verhält es sich freilich, wenn der Sclave des Besitzers selbst die Sache stiehlt (2), aber hier gründet sich die Fortsetzung des Besitzes bloss darauf, dass der Dieb selbst, also vermittelst desselben auch die gestohlene Sache, in unserm Besitze ist. – Aber auch ohne die Einwirkung eines Andern kann die Möglichkeit der unsrigen ausgeschlossen sein, wenn nämlich der Ort, an welchem sie sich befindet, uns entweder unzugänglich (3), oder unbekannt ist (4). Doch ist bei dem letzten Punct noch eine besondere Bemerkung nöthig. Wer eine Sache in seinem Hause aufbewahrt, oder einen Schatz im Felde vergräbt, verliert den Besitz nicht, wenn er auch die Sache nicht sogleich finden kann (5): denn

(1) Denn sonst müsste entweder in dem Willen des Herrn (S. 307.), oder in der peculiaris causa (S. 310.) der Grund des Besitzes liegen: beides aber fehlt (vergl. L. 24. de poss.).

(2) L. 15. de poss. (s. u. §. 33.).

(3) L. 13. pr. de poss. „ ... cum lapides in Tiberim demersi essent naufragio et post tempus extracti ... dominium me retinere puto, possessionem non puto.“ Es versteht sich, dass ein vorübergehendes Hinderniss, wie z. B. die Ueberschwemmung des Ackers, den man besitzt, die Zerstörung einer Brücke, die dahin führt u. s. w., den Besitz nicht entzieht.

(4) L. 25. pr. de poss. „Si id, quod possidemus, ita perdiderimus, ut ignoremus, ubi sit: desinimus possidere.“ Vergl. L. 3. §. 13. de poss.

(5) L. 3. §. 13. de poss. „ ... desinere a nobis possideri ... Dissimiliter atque si sub custodia mea sit, nec inveniatur: quia praesentia ejus sit, et tantum cessat interim diligens inquisitio.“ – L. 44. pr. de poss. „Peregre profecturus, pecuniam


(341) §. 31. Verlust durch äussere Begebenheit.

die besondere Anstalt, die zu ihrer Aufbewahrung getroffen ist (custodia) (1), sichert ihm das Finden für die Zukunft. Also der Besitzer muss entweder bestimmt den Ort wissen, wo seine Sache ist, oder sie in einer besonderen custodia haben: allgemeine Bedingung der Fortdauer ist die custodia nicht (2), und wer z. B. eine Sache im Walde liegen lässt, und sich nachher bestimmt derselben erinnert, hat ihren Besitz durchaus nicht verloren. Daraus ist folgende Stelle zu erklären:

L. 3. §. 13. de poss.

„Nerva filius (3), res mobiles ... quatenus sub custodia nostra sint, hactenus possideri: Idem (4) quatenus si velimus naturalem possessionem nancisci possimus.“ – D. h. „Nerva sagt, die Fortdauer des Besitzes könne begründet werden durch custodia: derselbe (Nerva) sagt, sie könne auch

in terra custodiae causa condiderat: cum reversus locum thesauri immemoria non repeteret ... Dixi quoniam custodiae causa pecunia condita proponeretur, jus possessionis ei, qui condidisset, non videri peremptum: nec infirmitatem memoriae damnum adferre possessionis, quam alius non invasit.“

(1) Das nämlich ist die allgemeine Bedeutung von custodia, und die Verschiedenheit bei dem Erwerb und Verlust (S. 241. 242.) ist bloss graduell.

(2) Dagegen kann durchaus nicht angeführt werden: L. 47. de poss. „ ... rerum mobilium neglecta atque omissa custodia, quamvis eas nemo alius invaserit, veteris possessionis damnum adferre consuevit: idque Nerva filius retulit.“ Das „consuevit“ bezeichnet nicht eine juristische Regel, sondern das, was aus der omissa custodia sehr oft erfolgt, und das lässt sich dabei nicht leugnen. Papinian citirt ohnehin den jüngern Nerva, von dessen Meinung sogleich weiter die Rede sein wird.

(3) sc. ait.

(4) sc. ait, hactenus possideri. „Idem“ lesen drei Pariser Manuscripte (num. 4454. 4458. 4458 a.) und Ed. Rom. 1476, die Florentinische Handschrift hat: „id est“, die meisten Mspte und Ausgaben aber eine blosse Abbreviatur (i.). „Item“ gäbe auch einen richtigen Sinn.


(342) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

bloss dadurch begründet sein, dass der Besitzer im Stande ist, die natürliche Detention zu erlangen, sobald er will.“ – Nämlich wer seine Sache im Hause hat, aber nicht finden kann, von dem kann man nicht sagen: si velit, naturalem possessionem nancisci potest, und wer sich erinnert, an welchem Orte im Walde seine Sache liegen müsse, von dem kann man nicht sagen: sub custodia ejus est. Also sollen diese zwei Sätze nicht sich wechselseitig erläutern (weshalb die Florentinische Leseart id est zu verwerfen ist) (*), sondern zwei verschiedene Wege der Fortsetzung des Besitzes beschreiben: auch zeigen die Beispiele, die in unserer Stelle folgen, sehr deutlich, dass in keinem der hier angegebenen Fälle der Besitz als verloren gelten soll.

Auf den Besitz der Thiere sind diese Regeln so anzuwenden:

A. Zahme Thiere werden besessen, wie alle andere bewegliche Sachen, d. h. ihr Besitz hört auf, wenn sie nicht wieder gefunden werden können (1). – B. Wilde Thiere werden nur so lange besessen, als eine besondere Anstalt (custodia) vorhanden ist, die es uns möglich macht, sie wirklich zu ergreifen (2). Also nicht jede custodia überhaupt ist hinreichend; wer z. B. wilde Thiere in

(*) Vgl. Anh. Num. 104. A. d. H.

(1) L. 3. §. 13. de poss. „ ... pecus simul atque aberraverit ... desinere a nobis possideri.“ – Ganz ähnliche Grundsätze galten bei dem Besitz der Sclaven, nur machte der animus revertendi einigen Unterschied (L. 47. de poss.), an einem flüchtigen Sclaven wurde Besitz fingirt (L. 15. §. 1. de usurp., L. 13. pr. L. 15. de poss., s. o. S. 308. 309.), und durch das liberale judicium wurde er bloss suspendirt (S. 308. 309.) (**).

(**) Vgl. Anh. Num. 105. A. d. H.

(2) L. 3. §. 2. L. 5. pr. de adqu. rer. dom. (§. 12. I. de rer. div.). „Quidquid autem eorum ceperimus, eo usque nostrum esse intelligitur, donec nostra custodia coercetur,


(343) §. 31. Verlust durch äussere Begebenheit.

einem Park hält, oder Fische in einem See, hat allerdings etwas gethan, um sie aufzubewahren, aber es hängt nicht von seinem Willen, sondern von vielen Zufällen ab, ob er sie wirklich fängt, wenn er will, folglich ist hier der Besitz nicht erhalten: ganz anders, wenn Fische in einem Fischkasten, oder andere Thiere in einem Zwinger eingeschlossen sind, weil sie nun in jedem Augenblick ergriffen werden können (1). – C. Thiere, die von Natur wild, aber durch Kunst gezähmt sind, werden den zahmen Thieren gleich behandelt, so lange sie zu dem Orte

cum vero evaserit custodiam nostram, et in naturalem libertatem se receperit: nostrum esse desinit, et rursus occupantis fit. – Naturalem autem libertatem recipere intelligitur, cum vel oculos nostros effugerit, vel ita sit in conspectu nostro, ut difficilis sit ejus persecutio.“ – Hier ist nämlich der einzige Fall, in welchem der Verlust des Besitzes zugleich den Verlust des Eigenthums zur Folge hat, so dass das Eine für das Andere gesetzt werden kann.

(1) L. 3. §. 14. 15. de poss. „Item feras bestias, quas vivariis incluserimus, et pisces, quos in piscinas conjecerimus, a nobis possideri. Sed eos pisces, qui in stagno sint, aut feras, quae in silvis circumseptis vagantur, a nobis possideri ... Aves autem possidemus, quas inclusas habemus“ etc. – Dass hier der Gegensatz durch den grösseren und geringeren Umfang bestimmt werde, ist sehr klar, und schon die Glosse hat so die Stelle verstanden. Eine silva circumsepta kann sehr gross sein, und man kann vergeblich darin jagen, ohne ein bestimmtes Thier zu fangen, das darin eingeschlossen ist, also hat man den Besitz desselben nicht, obgleich das Thier in dem Walde selbst eingeschlossen ist. Es ist demnach nicht nöthig, mit Hotmann (obss. VIII. 7.) zu lesen: „silvis non circumseptis“, oder mit Fleck (de poss. p. 82.) diese Worte von einer solchen Begrenzung zu verstehen, die das Thier nicht hindert, zu entfliehen, oder endlich mit Sammet (opusc. p. 162.) zu sagen: „sylva circumsepta est, quae fines habet arcifinios.“. Dass sich viele mit der Leseart „evagantur“ aufhalten, ist ganz unbegreiflich, da alles, was dadurch etwa geändert werden könnte, durch das „in silvis“ ausgeschlossen ist. Sehr ausführlich, aber nicht sehr gut, handelt von dieser Stelle und ihren Interpreten: Nettelbladt, diss. de vero sensu L. 3. §. 14. de poss. Hal. 1774.


(344) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

zurückzukehren pflegen (donec animum i. e. consuetudinem revertendi habent), an welchem der Besitzer sie aufbewahrt (1).

Bei unbeweglichen Sachen ist die Regel für den Verlust des Besitzes ganz dieselbe. Auch dabei also wird der Besitz verloren, sobald die Möglichkeit der Einwirkung auf die Sache aufgehoben ist – fortgesetzt, so lange diese Möglichkeit dauert, nur dass der Begriff dieser Möglichkeit auch hier dem Grade nach anders bestimmt werden muss, als bei dem Erwerb (S. 242.).

Verloren also wird der Besitz eines Grundstücks durch jede Handlung, welche dem bisherigen Besitzer die Einwirkung auf die Sache unmöglich macht. Eine solche Handlung kann erstens darin liegen, dass der Besitzer in dem Grundstück als Sclave behandelt oder eingesperrt wird (2): zweitens (und dieser zweite Fall ist bei weitem der häufigste), darin, dass dem Besitzer die Gegenwart in dem Grundstück unmöglich gemacht wird (3). Ob und in diesem Fall der, welcher die Gegenwart hindert, selbst besitzen, oder bloss den fremden Besitz aufheben will, z. B. um die angefangene Usucapion zu unterbrechen, ist völlig gleichgültig (4). Mehr Schwierigkeit hat die Frage, ob auch dann der Besitz verloren sei, wenn der Besitzer nicht wirklich herausgeworfen ist, sondern aus Furcht das Grundstück vorher verlässt? Einige

(1) L. 4. L. 5. §. 4. 5. de adqu. rer. dom. (§. 14. 15. I. de rer. div.) L. 3. §. 15. 16. de poss.

(2) L. 1. §. 47. de vi: „Quid dicturi essemus, tractat, si aliquo possidente ego quoque ingressus sum in possessionem, et non dejiciam possessorem, sed vinctum opus facere cogam? quatenus res, inquit, esset? Ego verius puto, eum quoque dejectum videri, qui illic vinctus est. – Paulus V. 6. §. 6.: „Vi dejectus videtur et qui in praedio vi retinetur ... “

(3) Der technische Ausdruck ist dejectio (s. u. §. 40.).

(4) L. 4. §. 22. de usurp.


(345) §. 31. Verlust durch äussere Begebenheit.

Stellen nehmen hier ganz bestimmt den Besitz als verloren an:

L. 33. §. 2. de usurp.

„Si dominus fundi homines armatos venientes extimuerit (1), atque ita profugerit, quamvis nemo eorum fundum ingressus fuerit, vi dejectus videtur.“

L. 9. pr. quod metus.

„ ... non videor vi dejectus, qui dejici non exspectavi, sed profugi. Aliter atque si posteaquam ingressi sunt (2), tunc discessi.“

Cicero pro Caecina Cap. 16.

„ ... usitatum, cum ad vim faciundam veniretur, si quos armatos, quamvis procul, conspexissent, ... optime sponsionem facere possent, ni adversus edictum praetoris vis facta esset.“

L. 3. §. 6. de vi:

„Si quis autem visis armatis, qui alibi tendebant ... profugerit, non videtur dejectus ...

Andere Stellen dagegen scheinen den Besitz für fortdauernd zu erklären:

L. 9. pr. quod metus:

„Denique tractat (Pomponius), si fundum meum dereliquero audito quod quis cum armis veniret, an huic Edicto locus sit? et refert, Labeonem existimare, Edicto locum non esse, et unde vi interdictum

(1) extimuerit ist eine Conjectur von Cujacius (in L. 9. pr. qu. metus und L. 33. §. 2. de usurp., opp. T. 1. p. 962. 1133.), die durch Russard’s Variante: „extimaverit“ sehr viel an Wahrscheinlichkeit gewinnt, weil nun allein das a wegzustreichen ist. Das gewöhnliche „existimaverit“ giebt einen falschen Sinn und zugleich eine falsche Construction („venientes existimaverit“ anstatt „venire existimaverit“).

(2) Auf das wirkliche Eingehen kommt es hier, wie überall, nicht an, sondern auf die unmittelbare Gegenwart, die durch das „ingressi sunt“ bezeichnet werden soll.


(346) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

cessare: quoniam non videor vi dejectus, qui dejici non exspectavi, sed profugi ... “

L. 1. §. 29. de vi:

„Idem Labeo ait, eum qui metu turbae perterritus fugerit, (vi) videri dejectum. Sed Pomponius ait, vim sine corporali vi locum non habere. Ergo (1) etiam eum qui fugatus est supervenientibus quibusdam, si illi vi occupaverunt possessionem, videri vi dejectum.“

L. 3. §. 7. de vi.

Paulus V. 6. §. 4.

Diesen Widerspruch haben Mehrere dadurch aufzuheben gesucht, dass sie die erste Classe von Stellen auf gegenwärtige, die zweite auf zukünftige Gefahr bezogen haben (2). Allein so richtig auch diese Unterscheidung an sich ist, so ist es doch irrig, sie auf die Fortdauer des Besitzes zu beziehen, indem sie nur für die dejectio wahr ist: in der That sprechen nämlich die Stellen der letzten Classe gar nicht von der wirklichen Fortdauer des Besitzes, sondern sie läugnen nur die dejectio: das int. de vi soll also hier nicht begründet sein (und eben so wenig die actio quod metus causa), das ist der einzige Inhalt dieser Stellen, der Besitz aber ist auf jeden Fall verloren, wenn auch nicht corpore, doch wenigstens animo (3). – In

(1) Ergo lesen drei Pariser Mss. (4458 a., 4486., 4486 a.), ferner Cod. Rehd., Edd. Rom. 1476., Nor. 1483., Ven. 1485., Ven. 1494., Lugd. 1509. 1513., Paris. 1514. 1536. – Florent. „ego“, ebenso auch viele andere Handschriften. – Glossa: al. ergo, al. ego. – Liest man ego, so macht Ulpian den Vermittler zwischen Labeo und Pomponius: allein zwischen beiden war kein Streit, wie die vorhergehende Stelle zeigt, und Pomponius will hier nur den unbestimmten Ausdruck des Labeo berichtigen.

(2) Cujacius (s. o. S. 345.) und Cras spec. jpr. Cic. p. 22-25. Ich habe in der zweiten Ausgabe dieselbe Meinung vertheidigt.

(3) Hufeland neue Darstellung S. 157. u. fg.


(347) §. 31. Verlust durch äussere Begebenheit.

allen diesen Fällen aber ist es ganz einerlei, auf welche Art die Gegenwart in dem Grundstück unmöglich gemacht wird: d. h. es ist einerlei, ob der Besitzer in der That herausgeworfen oder ob er hineinzugehen gehindert wird (1).

Dagegen dauert der Besitz eines Grundstücks fort, so lange die Möglichkeit willkührlicher Einwirkung nicht aufgehoben wird, und stete körperliche Gegenwart des Besitzers, die in den meisten Fällen sogar völlig unmöglich wäre, ist dazu durchaus nicht nöthig (2). Es ist wichtig, diesen Satz aus dem Gesichtspunct zu betrachten, aus welchem er hier aufgestellt worden ist, d. h. als blosse Folge aus der allgemeinen Regel der Fortdauer, durchaus nicht als Ausnahme dieser Regel. Nur von diesem Standpunct aus kann eine Ausdehnung dieses Satzes völlig verstanden werden, worin in der That eine Ausnahme der vorher für den Verlust des Besitzes unbeweglicher Sachen aufgestellten Regel enthalten ist.

Dass nämlich durch blosse Abwesenheit des Besitzers von der besessenen Sache der Besitz nicht aufhöre,

(1) L. 1. §. 24. de vi: „ ... si quis de agro suo, vel de domo processisset nemine suorum relicto, mox revertens, prohibitus sit ingredi vel ipsum praedium, vel si quis eum in medio itinere detinuerit et ipse possederit“ (d. h. das detinere muss eben diesen Zweck erreicht haben), „vi dejectus videtur.“ Vergl. L. 3. §. 8. de vi. Paulus V. 6. §. 6.

(2) L. 3. §. 11. de poss. „Saltus hibernos aestivosque animo possidemus, quamvis certis temporibus eos relinquamus.“ – L. 1. §. 25. de vi. „Quod vulgo dicitur, aestivorum hibernorumque saltuum nos possessiones animo retinere: id exempli causa didici Proculum dicere, nam ex omnibus praediis, ex quibus non hac mente recedemus (recedimus), ut omisisse (amittere) possessionem vellemus, idem est.“ – Die saltus hiberni aestivique sind grosse Viehweiden, auf denen das Vieh theils im Winter (wie in den Maremmen), theils blos im Sommer (wie oben auf den Apenninen) sich aufhält, die also ihrer Bestimmung nach die andere Hälfte des Jahrs unbenutzt liegen. L. 67. de leg. 3. Varro de re rust. Lib. 2. Cap. 1. (T. 1. p. 220. script. rei rust. ed. Schneider).


(348) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

wurde um deswillen als Folge eines allgemeinen Grundsatzes betrachtet, weil durch diese Abwesenheit die physische Möglichkeit willkührlicher Behandlung zwar in eine entferntere Möglichkeit verwandelt, aber nicht überhaupt aufgehoben wird. Tritt also zu dieser Abwesenheit noch etwas anderes hinzu, was jene Möglichkeit in der That aufhebt, so müsste, wenn jene Regel rein angewendet werden sollte, der Verlust des Besitzes allgemein behauptet werden. Hier aber ist es, wo jene Regel durch eine merkwürdige Ausnahme beschränkt wird (*). Denn wenn in unserer Abwesenheit das Grundstück, welches wir besassen, von einem Andern occupirt wird, der unsere Rückkehr gewaltsam zu verhindern im Stande ist, so ist uns von diesem Augenblick an die physische Möglichkeit auf die Sache zu wirken eben sowohl entzogen, als wenn ein Dieb eine bewegliche Sache aus unserem Hause entwendet: dennoch soll in jenem Fall der bisherige Besitz so lange noch fortdauern, als der vorige Besitzer von jener Occupation keine Nachricht hat.

Ehe ich den Satz selbst beweise, der hier aufgestellt worden ist, will ich auf einige andere Sätze aufmerksam machen, die, wenn er wahr ist, nothwendig auch wahr sein müssen: A. Der, welcher das Grundstück in Abwesenheit des Besitzers occupirt, erwirbt dadurch vor der Hand noch keinen juristischen Besitz (S. 185., 186. 214. fg.) (1). – B. Soll der Besitz an Grundstücken durch fremde

(*) Vgl. Anhang Num. 106. A. d. H.

(1) Man kann also sagen, dass der alte Kunstausdruck: possessionem vacuam tradere (S. 188. 189.), mit diesem Satz in Verbindung steht. Indessen kann dieser Kunstausdruck auch vor der positiven Modification des Besitzes gebraucht worden sein, von welcher hier die Rede ist, nämlich um den blossen Scheinbesitz auszuschliessen, der in Abwesenheit des Besitzers statt finden konnte, wenn gleich gar nichts vorhanden war, was dem Besitzer die Einwirkung auf die Sache entzog.


(349) §. 31. Verlust durch äussere Begebenheit.

Handlungen verloren werden (1), so kann dieses nicht anders, als durch animus geschehen (2); nicht als ob der Besitzer das Recht des Besitzes freiwillig aufgeben müsse, sondern insofern immer eine neue Bestimmung seines Bewusstseins vorkommen muss, wenn der Besitz wirklich verloren sein soll, welches nach der blossen Regel des Verlustes, also bei beweglichen Sachen, bei welchen diese Regel rein angewendet wird, keineswegs behauptet werden kann. Von dieser Bemerkung übrigens wird im folgenden §. Gebrauch gemacht werden. – C. Heimlicher Besitz eines Grundstücks kann nicht entstehen, wenn zu derselben Zeit der Gegner selbst das Grundstück besitzt. Clandestina possessio nämlich heisst alsdann ein solcher Besitz, der mit absichtlicher Verheimlichung der Apprehension vor dem gegenwärtigen Besitzer angefangen wird (3). Wenn nun ein Grundstück auf diese Weise occupirt wird, so ist nach dem Satz, dessen Folgen jetzt betrachtet werden, der ganze Hergang so zu bestimmen: durch die Occupation selbst ist noch gar kein Besitz erworben, also auch keine clandestina possessio. Erfährt der vorige Besitzer die Occupation, so setzt er entweder mit Gewalt seinen Besitz durch, und dann hat er ihn eigentlich nie verloren, und der Andere ist nie wahrer Besitzer gewesen (4); oder

(1) Denn freilich, wenn der Besitz durch blosse Natursachen, z. B. durch veränderten Flusslauf, verloren geht, so ist dazu des Besitzers Bewusstsein auf keine Weise nöthig.

(2) Aller Besitz – nämlich mit Ausnahme der Fortsetzung durch Stellvertreter, von welchem besondern Fall im §. 33. die Rede sein wird.

(3) S. u. §. 41. – (Zusatz der 7. Ausg.) „Lit. C. Scheint nicht mehr recht zu passen zu der neuen Lehre von der clandestina possessio §. 41. Noch näher zu erwägen, wenigstens der Ausdruck zu ändern.“ Vgl. S. 348. 353. Note 2.

(4) Gerade so, wie in dem Fall der L. 17. de vi: „Qui possessionem vi ereptam vi in ipso congressu recuperat, in pristinam causam reverti potius quam vi possidere intelligendus est ... “ also der Besitz war hier eigentlich in keinem Augenblick verloren.


(350) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

er wird umgekehrt mit Gewalt zurückgewiesen (1), dann hat der Andere von diesem Augenblick an den Besitz, aber dieser Besitz ist keine clandestina, sondern eine violenta possessio: oder endlich es ist keines von beiden der Fall, d. h. der vorige Besitzer unterlässt es nur überhaupt, und zwar nicht aus Furcht, seinen vorigen Besitz zu behaupten, in welchem Fall überhaupt keine vitiosa possessio vorhanden ist, indem der neue Besitz durch den Willen des vorigen Besitzers selbst seinen Anfang nimmt, mit welchem Willen aber, da er bloss auf den Besitz sich bezieht, sehr wohl die Absicht bestehen kann, auf andere Art, z. B. durch Vindication, die verlorne Sache wieder zu erlangen. In diesem letzten Fall also ist nicht corpore, sondern animo der Besitz verloren.

Bis jetzt sind bloss die Folgen jenes Satzes entwickelt worden: nunmehr ist der Satz selbst zu beweisen, ohne welchen diese Folgen keine Realität haben würden. Zugleich ist es aus Gründen, die erst unten angegeben werden können, nothwendig, nicht bloss überhaupt zu zeigen, dass derselbe von Römischen Juristen anerkannt werde, sondern so genau als möglich die Zeit zu bestimmen, in welcher man ihn angenommen hat.

I. Papinian, Paulus und Ulpian behandeln den Satz als unbezweifelte Regel:

L. 46. de poss. (Papin. lib. 23. qu.).

„Quamvis saltus proposito possidendi fuerit alius ingressus, tamdiu priorem possidere dictum est, quamdiu possessionem ab alio occupatam ignoraret.“

(1) Dabei ist es denn wieder ganz gleichgültig, ob die Gewaltthätigkeit wirklich vorfällt, oder ob sie aus Furcht vermieden wird (S. 344. 345.), nur muss diese Furcht gegründet sein, d. h. es muss wirklich eine Occupation existiren, worauf sie sich bezieht.


(351) §. 31. Verlust durch äussere Begebenheit.

L. 3. §. 7. 8. de poss. (Paul. lib. 54. ad ed.).

„si animo solo possideas, licet alius in fundo sit, adhuc tamen possides. Si quis nuntiet, domum a latronibus occupatam, et dominus timore conterritus, noluerit accedere, amisisse eum possessionem placet.“

L. 6. §. 1. de poss. (Ulpian. lib. 70. ad ed.) (1).

L. 7. de poss. (Paul. lib. 54. ad ed.) (2).

II. Celsus, Neratius und Pomponius erwähnen gleichfalls dieses Satzes, aber so, dass er wahrscheinlich zu ihrer Zeit weder ganz in derselben Ausdehnung, noch von allen Juristen als entschiedene Regel kann betrachtet worden sein (3).

L. 18 §. 3. 4. de poss. (Celsus lib. 23. Dig.).

„Si dum in alia parte fundi sum, alius quis clam animo possessoris intraverit: non desiisse illico possidere existimandus sum, facile expulsurus finibus, simul atque sciero. Rursus si cum magna vi ingressus est exercitus, eam tantummodo partem, quam intraverit optinet“ (4).

L. 25. §. 2. de poss. (Pomp. lib. 23. ad Q. Mucium.).

„Quod autem solo animo possidemus, quaeritur,

(1) S. u. Num. III.

(2) S. u. Num. III.

(3) Nämlich von Neratius haben wir überhaupt nichts anderes, als ein ganz unbestimmtes Citat des Paulus (L. 7. de poss.): jene Behauptung geht also nur auf die zwei andern Juristen.

(4) Also nur wenn es wahrscheinlich ist, dass ich den Andern vertreiben würde (von welcher Beschränkung Papinian u. s. w. kein Wort mehr sagen), soll mir durch jene Fiction der Besitz erhalten werden, ausserdem nicht; doch soll ausserdem wenigstens das Besondere eintreten, dass der neue Besitz nur auf den Theil des Grundstücks sich erstreckt, der unmittelbar betreten worden ist. Der Umstand, dass der vorige Besitzer sich eben in dem Grundstück aufhielt, soll offenbar nur die Möglichkeit, den Andern zu vertreiben, gegenwärtiger, anschaulicher darstellen.


(352) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

utrumne usque eo possidemus, donec alius corpore ingressus sit, ut potior sit illius corporalis possessio? an vero, quod quasi magis probatur, usque eo possideamus, donec revertentes non (1) aliquis repellat: aut nos ita animo desinamus possidere, quod suspicemur repelli nos posse ab eo, qui ingressus sit in possessionem? et (id) videtur utilius esse.“

III. Bei Labeo wird gerade das Gegentheil dieses Satzes vorausgesetzt, weswegen eine Entscheidung desselben von Ulpian ganz nach diesem Satze modificirt wird.

L. 6. §. 1. de poss. (Ulp. lib. 70. ad ed.).

L. 7. de poss. (Paul. lib. 54. ad ed.) (2).

„Qui ad nundinas profectus, neminem reliquerit, et dum ille a nundinis redit, aliquis occupaverit possessionem, videri eum clam possidere, Labeo scribit (3). Retinet ergo possessionem is qui ad nundinas abiit (4). Unde (5) si revertentem dominum non

(1) „donec non“ so lange als (uns) nicht – „donec nos, “ bis uns; das erste ist die Florentinische Leseart, die auch Haloander hat; das zweite haben viele Mspte bei Gebauer, ferner: Ed. Rom. 1476. u. s. w. Beides giebt denselben Sinn, wegen der zwei möglichen Bedeutungen von donec, und die Transposition, die Brenkmann vorschlägt, ist ganz unnöthig.

(2) Beide Stellen müssen zusammen genommen werden, weil aus ihrer Verbindung das oben (S. 349.) beschriebene Resultat am deutlichsten erhellt.

(3) Also behauptet Labeo etwas, das mit jenem Satze im Widerspruch steht (S. 349.).

(4) Damit fängt die Berichtigung des Ulpian an: das ergo steht dieser Verbindung nicht entgegen, denn die Meinung des Labeo wird nicht als irrig verworfen, sondern als durch eine andere, spätere Regel modificirt angegeben. Man konnte nun sagen: „in jedem Fall, in welchem ehemals clandestina possessio angenommen wurde, muss jetzt dieses neue Resultat gelten, “ und dazu passt das ergo vollkommen.

(5) Unde lesen Edd. Ven. 1485. 1491. 1494., Lugd. 1508. 1509. 1513. 1519., Paris. 1514. 1536. –


(353) §. 31. Verlust durch äussere Begebenheit.

admiserit, vi magis intelligitur (1) possidere, non clam (2). – Et si nolit in fundum reverti, quod vim majorem vereatur, amisisse possessionem videbitur (3): et ita Neratius quoque scribit“ (4).

Jetzt wird es leicht sein, den Inhalt dieses §. kurz und im Zusammenhange zu übersehen. Damit der Besitz fortdauere, muss jederzeit die Möglichkeit vorhanden sein, das als Bedingung des Erwerbs dargestellte unmittelbare Verhältniss, also durch dieses das Bewusstsein physischer Herrschaft über die besessene Sache, zu reproduciren: mit dieser Möglichkeit wird zugleich der Besitz selbst aufgehoben. Allein bei Grundstücken leidet dieser letzte Satz eine Ausnahme: hier ist die physische

Florent. „verum“, und eben so alle Pariser Mss.: allein es soll vielmehr eine Folgerung als ein Gegensatz dadurch verknüpft werden (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 107. A. d. H.

(1) Intellegitur lesen fünf Pariser Mspte (num. 4477. a., 4477. b., 4480., 4482. und das aus der Bibliothek von S. Victor), eben so Edd. Rom. 1476. Nor. 1483. Ven. 1485. Ven. 1491.Ven. 1494. Lugd. 1508. 1509. 1513. 1519. Paris. 1514. 1536. – Dagegen liest Florent. „intelligi.“ Durch diese Leseart wird der Sinn entstellt: der letzte Satz gehört dann zu der Meinung des Labeo, dann ist der Satz: retinet ergo etc. eine blosse Parenthese des Ulpian, und das verum (anstatt unde), das jetzt unmöglich ist, wird dann nothwendig. Aber dann ist es auch schlechterdings unmöglich, in die Meinung des Labeo selbst und in die Berichtigung, die Ulpian beifügt, auch nur einen erträglichen Zusammenhang zu bringen, besonders wenn man die sehr natürliche Regel hinzu denkt, die sogar in dem princ. derselben Stelle sich findet: non ratio optinendae possessionis, sed origo nanciscendae exquirenda est.

(2) Also: „bis auf diesen Zeitpunct hatte der Andere keinen Besitz, von jetzt an hat er vielmehr violenta als clandestina possessio“ (**).

(**) Vgl. Anh. Num. 108. A. d. H.

(3) Dadurch wird die Regel des Ulpian nur näher bestimmt (S. 350. N. 2.).

(4) s. o. S. 351. (***).

(***) Vgl. Anh. Num. 109. A. d. H.


(354) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

Unmöglichkeit nicht hinreichend, den Besitz zu entziehen, so lange sie nicht zum Bewusstsein des vorigen Besitzers gekommen ist (*).

§. 32.

Die zweite Bedingung der Fortdauer des Besitzes ist der Wille des Besitzers (animus), und damit verhält es sich auf ähnliche Art, wie mit dem physischen Verhältniss, das als die erste Bedingung bereits dargestellt worden ist.

Also ist zur Fortsetzung des Besitzes, wie bei dem körperlichen Verhältniss, so bei dem animus, nur das nöthig, dass die Möglichkeit einer Reproduction des ursprünglichen Wollens in jedem Augenblick erhalten werde: dass das Bewusstsein des Besitzes selbst in jedem folgenden Augenblick wirklich fortdauere, ist weder nöthig, noch auch überhaupt möglich. Dadurch also, dass der Besitzer eine kurze oder lange Zeit hindurch nicht an die Sache, also auch nicht an ihren Besitz denkt, ist der Besitz nicht aufgehoben; ja es muss dasselbe behauptet werden, wenn der Besitzer in eine solche Lage kommt, in welcher er überhaupt nicht wollen kann, so z. B. wenn er wahnsinnig wird. Denn da in diesem Fall die Unmöglichkeit, einen bestimmten Besitz zu wollen, lediglich subjectiv und zufällig ist, so ist im Verhältniss zu jeder besessenen Sache gar kein wesentlicher Unterschied, ob dieser Besitz bloss auf längere Zeit vergessen, oder ob der Besitzer selbst wahnsinnig geworden ist. Es ist nur ein anderer Ausdruck derselben Ansicht, dass zum Verlust des Besitzes, wenn er durch animus vor sich gehen soll, wieder ein neuer, aber umgekehrter Entschluss (animus in contrarium actus) erfordert wird (§. 30.).

Daher ist denn durch blossen animus der Besitz

(*) Vgl. Anhang Num. 110. A. d. H.


(355) §. 32. Verlust durch Animus.

verloren, wenn der Besitzer in irgend einem Moment den Besitz aufgeben will (1): denn in diesem Moment ist die Reproduction des ursprünglichen Wollens durch die entgegengesetzte Bestimmung des Willens schlechthin unmöglich, und diese Unmöglichkeit ist es, worauf eben sowohl, als auf die physische Unmöglichkeit, der Verlust des Besitzes erfolgen muss. Demnach kann selbst dann, wenn nachher der vorige Besitzer von neuem zu besitzen sich entschliesst, höchstens eine neue Apprehension dadurch veranlasst werden, indem der vorige Besitz schon mit jenem Moment völlig zu existiren aufgehört hat.

Da also in diesem Fall der Verlust des Besitzes nicht auf ein blosses Nichtwollen, sondern auf ein neues Wollen, das dem ersten (dem animus possidendi) entgegengesetzt ist, sich gründet, so ist es klar, dass zu dieser Art des Verlustes, wie zu dem Erwerb, Jeder unfähig sein müsse, der überhaupt nicht wollen kann (2). Demnach kann ein Rasender auf diese Art den Besitz durchaus nicht verlieren (3); dasselbe gilt von einem Pupillen, und zwar ganz allgemein, so dass die besondere Beschränkung, die oben (S. 248. f.) bei dem Erwerb hinzugefügt wurde, hier keineswegs anwendbar ist (4). – Dieselbe

(1) L. 3. §. 6. de poss. „ ... si in fundo sis, et tamen nolis eum possidere: protinus amittes possessionem.“ – L. 17. §. 1. de poss. „ ... possessio autem recedit, ut quisque constituit nolle possidere.“ – cf. L. 30. §. 4. L. 34. pr. de poss. (*)

(*) Vgl. Anhang Num. 111. A. d. H.

(2) Die Modificationen dieses Satzes im Fall einer Repräsentation gehören in den folgenden §.

(3) Glossa in L. 1. §. 3. de poss.: „licet enim desinat habere animum possidendi non tamen habet animum non possidendi.“ – L. 27. de poss. (s. u. S. 356. 357.).

(4) L. 29. de poss. „Possessionem pupillum sine tutoris auctoritate amittere posse constat; non ut animo, sed ut corpore desinat possidere: quod est enim facti, potest amittere. Alia causa est, si forte animo possessionem velit amittere: hoc enim non potest.“ Hier ist eben


(356) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

Unfähigkeit muss sogar in einem andern Fall des Verlustes behauptet werden, der dem unsrigen ähnlich, aber nicht damit zu verwechseln ist. Der Besitz der Grundstücke nämlich wird durch fremde Occupation erst dann verloren, wenn dieselbe zu des vorigen Besitzers Bewusstsein gekommen ist (S. 348. f.). Dieses blosse Bewusstsein ist von dem Entschluss, nicht zu besitzen, noch sehr verschieden, da, wenn dasselbe eintritt, noch immer drei Fälle möglich sind: Erhaltung des Besitzes, Verlust welcher corpore, und Verlust welcher wirklich animo

so klar bestimmt, dass durch eine äussere Thatsache der Besitz dem Pupillen verloren werden könne, als (was zunächst hierher gehört) dass es durch animus unmöglich sei: auch stimmt jener erste Satz ganz mit allgemeinen Grundsätzen überein, und der einzige Zweifel daran gründet sich auf folgende Stelle: (L. 11. de adqu. rer. dom.) „Pupillus ... alienare ... nullam rem potest, et ne quidem possessionem quae est naturalis, ut Sabinianis visum est quae sententia vera est.“ Allein alienare possessionem heisst so den Besitz verlieren, dass darin eine juristische Succession liegt, diese aber ist unmöglich, weil es dabei auf den animus des vorigen Besitzers ankommt. Gesetzt also, ein Pupill verkauft und tradirt eine Sache, so erwirbt der Andere zwar den Besitz, aber nicht zugleich das, was ausser dem Dasein des Besitzes noch ein besonderes Successionsverhältniss voraussetzt, also keine accessio possessionis, und zwar weder für die civilis possessio (ad usucapionem), noch für die naturalis possessio (bei dem alten interdictum utrubi; darauf geht unsere Stelle: „ne quidem (eam) possessionem, quae est naturalis“). Eine ähnliche Unterscheidung der omissio und alienatio possessionis steht in L. 4. §. 1. 2. de alien. jud. mut. causa, L. 119. D. de reg. iur. und eine ähnliche Anwendung ist oben (S. 81.) in dem Satz vorgekommen: inter virum et uxorem nec possessionis ulla donatio est. – Glossa interlin. zu den Worten quae est naturalis (Ms. Paris. num. 4483.): „amittere tamen eam poterit (civilem vero ne amittere quidem potest) nec sunt contraria haec cum sit aliud possessionem alienare et aliud amittere.“ Auch Muret (opp. III. 81., opp. Vol. 1. p. 647.) erklärt die alienatio von einem solchen Verlust, der sich auf animus gründet. Cuperus (P. 2. 38.) nimmt einen unauflöslichen Widerspruch zwischen L. 11. de adqu. rer. dom. und L. 29. de poss. an (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 112. A. d. H.


(357) §. 32. Verlust durch Animus.

(d. h. durch den Willen) statt findet. Allein darin kommen beide Fälle (jenes Bewusstsein und der wirkliche animus non possidendi) überein, dass sie in allen Fällen, worin die Fähigkeit des Bewusstseins fehlt, gleich unmöglich sind, so dass also Pupillen und Wahnsinnige den Besitz eines Grundstücks durch die Handlung eines Andern gar nicht verlieren können (1). Diese praktische Aehnlichkeit mag die Römischen Juristen veranlasst haben, beide Fälle, ihrer Verschiedenheit ungeachtet, mit demselben Namen zu bezeichnen (2).

Die Regel, dass durch blosses Wollen der Besitz verloren werde, ist jetzt erläutert und bewiesen: es ist nur noch nöthig, über die Anwendung derselben einiges hinzuzufügen. – Nun ist es eben so klar, dass durch ausdrückliche Erklärung des Besitzers die Anwendung derselben ausser allen Zweifel gesetzt werde, als dass eine solche Erklärung nur sehr selten die Sache entscheiden

(1) L. 29. de poss. (s. die vorige Note). – L. 27. de poss. „Si is qui animo possessionem saltus retineret, furere coepisset, non potest, dum fureret, eius saltus possessionem amittere; quia furiosus non potest desinere animo possidere.“ – Cuperus (P. 1. C. 6. p. 66.) behauptet eine Ausnahme dieser Regel, wenn der Pupill oder der Wahnsinnige eine Sache verkaufe, und der Käufer in bona fide sei (L. 2. §. 15. 16. pro emt.): aber diese Stelle bestimmt nur, dass in einem solchen Fall, gegen die Regel, Usucapion anfangen sollte – versteht sich, wenn überhaupt Besitz da ist: dass aber durch jene Handlung Besitz übergeht (nämlich corpore, nicht animo), ist ohnehin Regel (s. die vorige Note), und leidet nur bei Grundstücken eine Ausnahme: auf die Ausnahme allein beziehen sich L. 27. 29. de poss., und dass dieselbe in jenem Fall nicht gelten solle, sagt L. 2. §. 15. 16. pro emt. gar nicht, indem sie überhaupt nicht das Dasein des Besitzes, sondern die Möglichkeit der Usucapion unter Voraussetzung des Besitzes bestimmt. – Selbst wenn der körperlich gegenwärtige wahnsinnige Besitzer dejicirt wird, geht ihm der Besitz nicht verloren, indem er wegen seines Wahnsinns stets einem Abwesenden zu vergleichen ist.

(2) „animo desinere possidere.“


(358) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

könne, da eben in den Fällen, in welchen sie fast allein vorkommt, z. B. bei der Tradition, ohnehin schon auf andere Art, nämlich corpore (§. 31.), der Verlust des Besitzes entschieden zu sein pflegt. Es kommt also hier, wie in vielen andern Fällen, hauptsächlich auf eine Interpretation anderer Handlungen des Besitzers an, aus welchen jener Entschluss gefolgert werden kann: in den Schriften der Römischen Juristen sind uns mehrere Proben einer solchen Interpretation übrig geblieben, wodurch über die ganze Sache vieles Licht verbreitet wird.

Eine Interpretation dieser Art liegt dem s. g. Constitutum zum Grunde. Wer eine Sache verkauft und zugleich miethet, verändert sein physisches Verhältniss zu dieser Sache im geringsten nicht, und da er dennoch aufhört, zu besitzen, so kann der Grund dieses Verlustes lediglich in einer Bestimmung seines Willens aufgesucht werden. Auf welche Art überhaupt ein Constitutum angenommen werden könne, ist bereits oben (§. 27.) untersucht worden, wo das Constitutum als Grund des Erwerbs betrachtet wurde: hier wird darauf Rücksicht genommen, indem der bisherige Besitz dadurch aufhört, aber die Bedingungen jenes Erwerbs und dieses Verlustes sind ganz dieselben.

Ein zweiter Fall, in welchem jene Interpretation vorkommt, betrifft die rei vindicatio. Es ist eine bekannte Regel, dass gegen den Besitzer diese Klage angestellt wird (S. 36.). Wenn also der Besitzer selbst die Sache vindicirt; so scheint er dadurch dem Besitz zu entsagen, so dass ihm nachher das interdictum uti possidetis abgeschlagen werden müsste, wenn er dazu zurückkehren wollte. Dennoch ist das Gegentheil ausdrücklich bestimmt (1), und der Grund dieser Bestimmung liegt bloss

(1) L. 12. §. 1. de poss. „ ... non denegatur ei interdictum uti possidetis, qui coepit rem vindicare: non enim videtur possessioni


(359) §. 32. Verlust durch Animus.

in jener Interpretation. Denn wer eine Sache vindicirt, zeigt eben dadurch, dass er die Sache haben wolle, und es ist kein Zweifel, dass er den Besitz, den ihm dieser Prozess für immer sichern soll, auch jetzt schon zu haben geneigt wäre, wenn dieser Besitz mit der Qualität des Klägers im Vindicationsprozess vereinbar wäre. Nun ist zwar diese Vereinigung unmöglich, allein man ist doch dadurch nicht genöthigt, eine freiwillige Entsagung auf den Besitz anzunehmen, weil es leicht möglich ist, dass der Besitzer entweder seinen Besitz ignorirt (1), oder den Rechtssatz, worauf sich jene Unvereinbarkeit gründet (2). Da nun in diesen beiden möglichen Fällen der Besitzer gewiss nicht die Absicht gehabt hat, den Besitz aufzugeben, so ist überhaupt nichts vorgefallen, woraus diese Absicht mit Sicherheit gefolgert werden könnte, folglich ist der Besitz nicht verloren, folglich das interdictum uti possidetis noch immer begründet.

Drittens kann die Absicht, den Besitz aufzugeben, auch aus einer blossen Unterlassung gefolgert werden. Bei Grundstücken ist gewöhnlich die Benutzung an bestimmte Zeiten des Jahres gebunden, wenn nun z. B. der Besitzer eine Reihe von Jahren hindurch sein Feld unbenutzt

renuntiasse, qui rem vindicavit.“ (S. 54. 55.). Die hier ausgelassenen Worte können erst im folgenden Abschnitt erklärt werden.

(1) Auf diesen Fall wird von der Glosse unsere Stelle bezogen (Glossa in L. cit., et in C. 5. X. de causa poss.). Sehr gründlich hat Merenda (controv. XII. 16.) diese Erklärung durchgeführt, die nicht unrichtig, aber einseitig ist.

(2) Der error juris schadet hier gar nichts, denn erstens wird dadurch überhaupt nur Erwerb verhindert (L. 7. de jur. et f. ign.), da hier im Gegentheil von Verlust die Rede ist, und zweitens geht selbst jener Satz bloss darauf, dass eine unbefolgte Rechtsvorschrift nicht durch einen solchen Irrthum entschuldigt werden soll: hier aber soll bloss eine Handlung interpretirt, also bloss ein Factum bewiesen werden. – [Zusatz der 7. Ausg.] Hierauf ist zu beziehen: System III. 363-366. (Handschriftl. Bemerk. des Verfs.)


(360) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

liegen lässt, so kann man annehmen, dass er diesen Besitz habe aufgeben wollen. Denn dass er ihn bloss vergessen habe, ist höchst unwahrscheinlich, und ob er denselben überhaupt nicht haben will, oder ob er ihn aus blosser Nachlässigkeit aufgegeben hat, oder weil ihm etwa eine Reise viel wichtiger war – das alles ist hier ganz gleichgültig, indem dadurch nur die Motive seines Entschlusses modificirt werden, nicht aber der Entschluss selbst: da nämlich in allen diesen Fällen der Entschluss frei und mit vollem Bewusstsein auf etwas gerichtet ist, was die Ausübung des Besitzes ganz unmöglich macht, so ist nothwendigerweise auch die Entsagung des Besitzes in ihm enthalten (1). Gesetzt also, der Besitzer hätte nicht aus freiem Entschluss, sondern aus Furcht die Benutzung des Feldes eine Zeitlang unterlassen, so könnte jener Schluss durchaus nicht gemacht werden, es wäre nun kein Entschluss vorhanden, den Besitz aufzugeben, und dieser wäre in der That erhalten (2). Noch entschiedener ist die

(1) L. 37. §. 1. de usurp. (cf. §. 7. I. de usuc.) „Fundi quoque alieni potest aliquis sine vi nancisci possessionem: quae vel ex negligentia domini vacet, vel quia dominus sine successore decesserit, vel longo tempore abfuerit.“ Dass durch des Eigenthümers Nachlässigkeit oder Abwesenheit die Sache nicht bloss ohne Aufsicht und Detention, sondern wirklich ohne Besitzer müsse gewesen sein, erhellet nicht nur aus dem Ausdruck vacans possessio, sondern auch daraus, dass sonst selbst durch die neue Occupation kein Besitz hätte anfangen können. – Unsere Juristen (z. B. Cuperus p. 65. 66.) haben diese Bestimmung gewöhnlich als etwas ganz positives betrachtet, was sie nicht ist; ja Einige haben sogar die Zeit genau bestimmen wollen, nach welcher der Besitz für verloren zu halten wäre (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 113. A. d. H.

(2) L. 4. C. de poss. „Licet possessio nudo animo acquiri non possit, tamen solo animo retineri potest. Si ergo praediorum desertam possessionem non derelinquendi affectione transacto tempore non coluisti, sed metus necessitate culturam eorum distulisti: praejudicium tibi ex transmissi temporis


(361) §. 33. Forts. des Besitzes durch Stellvertreter.

Fortdauer des Besitzes, wenn die Benutzung der Sache so beschaffen ist, dass sie nur zu gewissen Zeiten wiederkehrt: wer in dieser Zwischenzeit die Sache gar nicht besucht, hat damit durchaus nicht die Absicht erklärt, den Besitz aufzugeben. Hieraus erklärt es sich, warum die Römischen Juristen, um das besondere Recht der Grundstücke in der Erhaltung des Besitzes zu bestimmen, fast immer die saltus hiberni und aestivi als Beispiel wählen (1): weil nämlich diese die eine Hälfte des Jahres hindurch unbesucht bleiben, dieser Umstand aber, indem er auf die eigenthümliche Bestimmung solcher Weiden sich gründet, den animus derelinquendi ausschliesst, folglich für jeden einzelnen Fall die Bemerkung unnöthig macht, dass dieser animus weggedacht werden müsse.

§. 33.

Das einzige, was jetzt noch für die Fortdauer des Besitzes zu bestimmen übrig bleibt, ist das Verhältniss der Repräsentanten, wodurch die Erhaltung des Besitzes eben sowohl, als der Erwerb, möglich ist.

Bei dieser Art der Fortsetzung kommen dieselben drei Fragen vor, die oben (S. 304.) bei dem Erwerb aufgeworfen wurden, nur dass hier die Ordnung etwas verändert werden muss.

Erstens also: Was ist in der Person des Besitzers zur Erhaltung des Besitzes nöthig, und wie kann umgekehrt bloss in seiner Person der Besitz verloren

injuria generari non potest“, also soll auch der Besitz nicht verloren sein. Das übrigens versteht sich von selbst, dass keine dejectio vorgefallen sein darf, denn sonst wäre schon solo corpore der Besitz verloren. Man denke sich also ein sehr entferntes Grundstück, das der Besitzer durch Kriegsunruhen lange verhindert war zu bauen.

(1) L. 1. §. 25. de vi „Quod vulgo dicitur, aestivorum hibernorumque saltuum nos possessiones animo retinere: id exempli causa didici Proculum dicere ... “ (S. 347.)


(362) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

werden? – Was zuerst das physische Verhältniss zu der Sache betrifft, so ist es klar, dass dadurch allein der Besitz nicht verloren werden könne. Wer also ein Grundstück verpachtet hat, verliert den Besitz nicht, wenn gleich ein Dritter ihn selbst herauswirft, da seine Herrschaft über die Sache durch den blossen Pachter immer noch völlig gesichert ist (1). – Ganz anders verhält es sich mit dem animus possidendi: folglich kann auch der, welcher durch andere den Besitz ausübt, durch blosses Wollen (animus non possidendi) den Besitz verlieren.

Zweitens: das Verhältniss zwischen dem Besitzer und Repräsentanten kann hier, wie bei dem Erwerb, eben sowohl ein Verhältniss juristischer Gewalt (2), als ein freies Verhältniss sein (3), und im zweiten Fall ist auch hier wieder der Auftrag, worin es besteht, durchaus nicht als eine besondere, juristische Form genauer zu bestimmen (S. 311. 312.). Auch ist es gar nichts besonderes, und nur zufällig bei der Fortsetzung gewöhnlicher als bei dem Erwerb, dass diese Repräsentation durch mehrere Personen hindurch gehen kann. So kann der Pachter die Sache wieder verpachten, der Depositar sie wieder deponiren, und der vorige Besitz dauert immer auf dieselbe Weise fort (4). Eben so kann umgekehrt der Verpachter seine

(1) L. 1. §. 45. de vi: „ ... si quis me vi dejecerit, meos non dejecerit, non posse me hoc interdicto experiri: quia per eos retineo possessionem, qui dejecti non sunt.“ (S. 282. 283.).

(2) Bei Sclaven gilt hier die besondere Regel, dass sie auch gegen ihren Willen ihrem Herrn den Besitz fortsetzen, z. B. wenn sie ihm selbst die Sache stehlen wollen. L. 15. de poss. – Eine merkwürdige Anwendung auf den Besitz des Pfandes s. in L. 33. §. 6. de usurp. – L. 40. pr. de poss.

(3) L. 9. de poss. „Generaliter quisquis omnino nostro nomine sit in possessionem (possessione), veluti procurator, hospes, amicus, nos possidere videmur.“

(4) L. 30. §. 6. de poss. – Das wird natürlich vorausgesetzt, dass nicht etwa der Pachter bei der neuen Verpachtung die Absicht gehabt habe, sich selbst den Besitz


(363) §. 33. Forts. des Besitzes durch Stellvertreter.

Sache einem Dritten verkaufen und zugleich von ihm pachten, so dass also der durch Repräsentanten ausgeübte Besitz, wie jeder andere, durch blosses Constitutum übertragen werden kann (1). – Das blosse Aufhören des juristischen Repräsentationsverhältnisses hebt den bisherigen Besitz nicht auf (2).

Drittens (und dieser Punct ist bei weitem der wichtigste): was ist in der Person des Repräsentanten zu dieser Art der Fortdauer nöthig, d. h. wie kann bloss in seiner Person der Besitz verloren werden? – Dieser Verlust lässt sich auf zweierlei Art denken: theils so, dass der Repräsentant selbst den Besitz erwerben will, den er bisher bloss ausübte (Verlust an den Repräsentanten), theils so, dass ein Dritter oder auch Niemand diesen Besitz erwirbt (Verlust durch den Repräsentanten). – Warum eben so und nicht anders diese Fälle entgegengesetzt werden müssen, wird sich in der Darstellung selbst zeigen.

Der Verlust an den Repräsentanten hat am wenigsten Schwierigkeit. Der Repräsentant hat als solcher den animus possidendi nicht, aber er steht zu der Sache in dem physischen Verhältniss eines Besitzers. Deswegen kann er ohne eine neue Bestimmung seines Willens den vorigen

zuzueignen: dann wäre der Verlust allerdings möglich, was aber erst zu dem dritten Punkt gehört. Wenn aber nur jene Absicht nicht da ist, so hat die Fortdauer des Besitzes keinen Zweifel, wiewohl die neue Verpachtung etc. immer noch eine unrechtliche Handlung sein kann, z. B. eine Verletzung des Contracts, oder auch ein furtum usus: auf dieses letzte geht L. 54. §. 1. de furtis, die folglich der Fortsetzung des Besitzes durchaus nicht entgegensteht.

(1) S. o. §. 27. – Dieser Satz wird indessen von Vielen geleugnet, z. B. von Merenda (contr. III. 21.), was sich aus der Art, wie das Constitutum gewöhnlich missverstanden wird, leicht erklären lässt.

(2) L. 60. §. 1. locati.


(364) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

Besitz nicht aufheben, durch diese Bestimmung müsste es unmittelbar und ohne neue Handlung geschehen, so wie dieses bei der s. g. traditio brevi manu (S. 243.) behauptet werden musste. – Das erste hat keinen Zweifel. So lange also der Repräsentant nicht Besitzer sein will, kann von dieser Art des Verlustes nicht die Rede sein, selbst wenn aus andern Gründen die Zurückgabe der Sache verweigert würde:

L. 20. de poss.

„Si quis rem, quam utendam dederat, vendiderit, emptorique tradi jusserit, nec ille tradiderit: alias videbitur possessionem domini (1) intervertisse, alias contra. Nam nec tunc quidem semper dominus amittit possessionem; cum reposcenti ei commodatum non redditur: quid enim si alia quaepiam fuit justa et rationabilis causa non reddendi (2) non utique ejus rei possessionem intervertit (3).“

Dagegen müsste zweitens, wenn bloss die allgemeine Regel des Erwerbs anzuwenden wäre, der animus possidendi allein hinreichend sein, den Repräsentanten zum Besitzer zu machen. Allein diese Regel kann hier in keinem Falle rein zur Anwendung kommen. – Zuerst: nicht bei Grundstücken, indem bei diesen, wie überall, so auch hier, der Besitz nicht früher verloren wird, als der Besitzer die aufgehobene physische Möglichkeit der Einwirkung weiss (S. 348.). Dazu kommt noch die Regel nemo sibi causam

(1) So lesen mehrere Pariser Manuscripte, viele Handschriften bei Gebauer, ferner: Edd. Rom. 1476. Nor. 1483. u. s. w. – Florent. „possessione dominum.“

(2) Vergl. L. 12. in f. de vi. – Eine solche justa causa wäre z. B. das jus retentionis wegen der actio commodati contraria.

(3) Nor. 1483., Hal. – Ebenso, mit einer ganz unbedeutenden Transposition (poss. ejus rei), Ven. 1485. – Florent. et rel. „non utique ut possessionem ejus rei interverteret.“


(365) §. 33. Forts. des Besitzes durch Stellvertreter.

possessionis mutare potest (§. 7. S. 82.), welche ausserdem verletzt sein würde: und auch eine einzelne Stelle deutet auf denselben Satz hin (1). – Zweitens: nicht bei beweglichen Sachen. Auch hier steht zunächst schon die Regel nemo sibi causam etc. im Wege. Dann aber nahm man auch bei diesen aus einem Grund, der erst im folgenden Abschnitt angegeben werden kann, die Regel an, dass der Repräsentant erst dann als Besitzer gelte, wenn er zugleich ein furtum begangen habe: dazu aber, folglich auch zu diesem Erwerb des Besitzes, ist contrectatio nöthig, d. h. körperliche Berührung der Sache zu dem Zweck des Diebstahls selbst (2). Nun liesse sich freilich denken, dass der Repräsentant aus diesem Grund noch nicht angefangen hätte zu besitzen, und dennoch der bisherige Besitz verloren wäre, da offenbar die physische Möglichkeit, über die Sache zu verfügen, schon durch

(1) L. 12. de vi. „ ... quem dejecisse tunc videretur, eum emtori possessionem non tradidit.“

(2) L. 1. §. 2. de furtis: „Sic is, qui depositum abnegat, non statim etiam furti tenetur: sed ita, si intercipiendi causa occultaverit.“ – L. 67. pr. eod.: „Infitiando depositum, nemo facit furtum; nec enim furtum est ipsa infitiatio, licet prope furtum est. Sed si possessionem ejus apiscatur intervertendi causa, facit furtum. Nec refert, in digito habeat anulum, an dactyliotheca, quem cum deposito teneret, habere pro suo destinaverit.“ Also ist erstens die blosse infitiatio unzureichend zum furtum, zweitens furtum und Erwerb des Besitzes unzertrennlich verbunden, also auch (worauf hier alles ankommt) der Besitz nicht durch die blosse infitiatio erworben, drittens sind zwei Beispiele angeführt, in welchen weder furtum noch Besitz vorhanden ist: für die dactyliotheca ist das klar, aber auch für den anulus in digito hat es keinen Zweifel, denn dabei ist zwar körperliche Berührung, aber nicht zu dem Zweck der Entwendung, welcher Zweck eben in der vorigen Stelle durch das „occultaverit“ bezeichnet wird. Averanius (interpr. I. 28. §. 12.) hat diese Beispiele so missverstanden, als ob darin furtum und Besitz angenommen würde. So vor ihm die Glosse, die auch schon die Leseart: „datus hypothecae“ notirt.


(366) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

den blossen Entschluss des Repräsentanten dem Besitzer entzogen ist: dann wäre die Sache einstweilen ganz ohne Besitzer (1). Allein eben deswegen ist es unbegreiflich, dass man jener Abweichung noch diese zweite hinzugefügt hat, so dass nun nicht nur der Anfang des neuen Besitzes (des Repräsentanten nämlich), sondern auch das Ende des bisherigen, durch alle juristischen Bestimmungen bedingt ist, welche das furtum enthält (2). Diese

(1) Auf diese Meinung geht L. 47. de poss., deren Inhalt kurz folgender ist: „Verloren ist der Besitz einer solchen Sache, sobald der Depositar die Absicht hat, selbst zu besitzen: dass der Depositar damit nicht auch den Besitz erwirbt, steht jenem Satze nicht entgegen, weil auch in andern Fällen der Besitz beweglicher Sachen oft verloren wird, ohne dass ein Anderer diesen Besitz erlangt. Nur bei Sclaven leidet der Satz eine Ausnahme, wegen des möglichen animus revertendi: da also dauert der Besitz des deponens solange fort, bis der depositarius (durch ein wahres furtum) zu besitzen anfängt.“ (Dass nun durch diesen Anfang der vorige Besitz nothwendig aufhören muss, folgt schon aus dem Satz: plures eandem rem etc.)

(1) L. 3. §. 18 de poss.: „Si rem apud te depositam, furti faciendi causa contrectaveris, desino possidere: sed si eam loco non moveris, et (al. etiamsi) infitiandi animum habeas, plerique veterum, et Sabinus et Cassius recte responderunt, possessorem me manere: quia furtum sine contrectatione fieri non potest, nec animo (solo) furtum admittatur (al. committitur)“. Die Stelle selbst ist klar, aber wie ist damit L. 47. de poss. (s. die vor. Note) zu vereinigen? nicht anders als so: Papinian (L. 47.) referirt bloss, dass auch für jene andere Meinung responsa existirten („responsum est“), was auch schon aus der unsrigen wahrscheinlich ist („plerique ... responderunt“): zugleich sucht er die Gründe dieser andern Meinung zu entwickeln („cujus rei forsitan illa ratio est“), ohne sich dadurch selbst dafür zu erklären. – Die gewöhnliche Vereinigung ist diese: Papinian sagt „si ... tibi possidere ... constitueris: confestim amisisse me possessionem“, nämlich vorausgesetzt, dass auch noch contrectatio vorgegangen sei. Diese Erklärung liesse sich dem Anfang der Stelle zur Noth noch anpassen, aber alles nachfolgende hätte durchaus keinen Sinn (s. die vor. Note). Sie steht übrigens schon in der Glosse und ausserdem bei folgenden Schriftstellern: Duarenus in L. 3. §. 18. de poss. (opp.


(367) §. 33. Forts. des Besitzes durch Stellvertreter.

Abweichung indessen darf durchaus nicht über den Fall ausgedehnt werden, für welchen sie hier bestimmt worden ist, d. h. sie darf bloss gelten für den Fall einer Repräsentation des Besitzes, welche durch die Untreue des Repräsentanten selbst aufgehoben werden soll (1).

Also bei unbeweglichen Sachen kann die Untreue des Repräsentanten erst dann den Besitz entziehen, wenn diese Untreue dem Besitzer bekannt geworden ist: bei beweglichen Sachen erst dann, wenn gleich ein furtum in dieser Untreue enthalten ist.

Bisher war von dem Verlust an den Repräsentanten die Rede: es ist jetzt noch der Verlust durch denselben zu bestimmen, d. h. die Art des Verlustes, wobei in dem Repräsentanten selbst das Verhältniss zur Sache aufgehoben wird, welches unsern Besitz bisher sicherte. Die Fälle, die hierher gehören, sind zum Theil schon unter den Römischen Juristen so bestritten gewesen, dass es für die Sicherheit der Resultate sehr vortheilhaft ist, die Gegenstände dieses Streites so viel als möglich zu beschränken. – Nun kann der gegebene Fall so beschaffen sein, dass der Besitz der Sache verloren

p. 861.) – Merenda in contr. L. 2. C. 21. – Averanius in interpr. L. 1. C. 28. §. 19. 20. (T. 1. p. 323.) (*). – Uebrigens gehört jene Controverse der alten Juristen mit in die Geschichte der zwei Schulen: die blos referirte Meinung (in L. 47. de poss.) ist die der Proculianer, die in der Compilation aufgenommene (L. 3. §. 18. de poss.) die der Sabinianer. Hugo civilist. Magazin B. 5. S. 123. (**).

(*) Vgl. Anh. Num. 114. A. d. H.

(**) Vgl. Anh. Num. 115. A. d. H.

(1) Cuperus (P. 2. C. 33.) hat sie auf eine seltsame Weise missverstanden. Er scheint die Regel so zu fassen: „wo nur überhaupt ein furtum gedacht werden kann, sind die Bedingungen des furti zugleich Bedingungen für den Verlust des Besitzes“, und er folgert aus dieser falschen Regel den übrigens sehr wahren Satz, dass in L. 3. §. 3. de poss. nicht bloss von einem Schatz in fremdem Eigenthum die Rede sein könne (s. oben S. 234. Note 1.).


(368) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

wäre, auch wenn kein Repräsentant ihn ausgeübt hätte: alsdann ist er immer auch hier verloren, und dieser Fall darf gar nicht als Gegenstand des Streites betrachtet werden. Wenn also der Pächter eines Grundstücks dasselbe verkauft, der Käufer es bezieht und ihn der vorige Besitzer nicht zu stören wagt (S. 349. 350.), so ist ohne Zweifel von diesem Augenblick an der Besitz verloren. Eben so, wenn der Repräsentant eine bewegliche Sache verliert, so dass weder er noch der Besitzer sie wieder finden kann (S. 342.): oder wenn er die Sache einem Dritten übergiebt, indem dieser auf dieselbe Art, wie ein Dieb (S. 340.), den vorigen Besitz ausschliesst, ganz ohne Rücksicht auf das Bewusstsein des vorigen Besitzers. – Ohnehin wird in vielen Fällen dieser Art der Repräsentant selbst bereits Besitzer geworden sein (S. 365 fg.) und dann hat es keinen Zweifel, dass er diesen Besitz veräussern kann. Demnach ist nun unsere Frage so zu bestimmen: kann durch den Repräsentanten der Besitz verloren sein, wenn er ohne Rücksicht auf Repräsentation als fortdauernd angenommen werden müsste? (1)

Nun kann das Verhältniss des natürlichen Besitzes, in welchem bisher der Repräsentant zu der besessenen Sache stand, auf zweierlei Weise aufgehoben werden: ohne seinen Willen und mit seinem Willen.

Für den ersten Fall ist wieder kein Streit. Ist es nämlich fremde Gewalt, die den Repräsentanten verdrängt, so ist ohne Zweifel der Besitz verloren, und es kommt nicht auf das Bewusstsein des vorigen Besitzers an (2).

(1) Diese Frage wird also bei beweglichen Sachen weit seltener vorkommen können, als bei unbeweglichen.

(2) L. 1. §. 22. de vi: „Quod servus, vel procurator, vel colonus tenent, dominus videtur possidere: et ideo his dejectis ipse dejici de possessione videtur, etiam si ignoret eos dejectos, per quos possidebat.“ Denn nun ist auch sogleich das Interdict begründet und das Grundstück


(369) §. 33. Forts. des Besitzes durch Stellvertreter.

Dagegen dauert sicher der Besitz fort, wenn ohne fremde Gewalt der Repräsentant unfähig wird, unsern Besitz auszuüben, z. B. durch den Tod oder durch Wahnsinn (1), und dieses gilt von beweglichen Sachen so gut als von unbeweglichen.

Nun ist noch der letzte Fall zu untersuchen übrig, wenn nämlich durch den Willen des Repräsentanten selbst sein Verhältniss zur Sache aufgehoben wird, und dieser Fall ist wieder auf zweierlei Art zu denken möglich:

A. So, dass nun überhaupt Niemand den natürlichen Besitz hat. – Hier haben vielleicht einige Juristen den Besitz als verloren betrachtet: beweisen lässt sich das Dasein dieser Meinung nicht, wiewohl man es gewöhnlich als entschieden annimmt, vielmehr ist in vielen Stellen gerade das Gegentheil bestimmt, ohne dass dabei eines Streites Erwähnung geschieht (2). Alles kommt auf folgende Stelle an (3).

L. 40. §. 1. de poss.

„Si ... colonus ... decessisset ... non statim dicendum, eam (sc. possessionem) interpellari ... Idem (4) existimandum ait, si colonus sponte possessione

als fundus vi possessus der Usucapion entzogen, also der ganze Erfolg wenig bedenklich.

(1) L. 60. §. 1. locati – L. 25. §. 1. de poss. L. 40. §. 1. de poss. – Bloss die Ausnahmen in der letzten Stelle: „cum dominus possessionem apisci neglexerit“ und: „si nemo extraneus“ etc. können einigen Zweifel erregen: allein die erste derselben lässt sich auf Analogien zurück führen (S. 360. f.), und die zweite hängt mit dem gleich folgenden Streite zusammen.

(2) L. 3. §. 8. L. 44. §. 2. de poss. – L. 7. pr. pro emtore. – L. 31. de dolo.

(3) Das argumentum a contrario, wodurch noch eine andere Stelle den Streit beweisen soll (L. 31. de poss. „ ... si non deserendae“), ist hier ziemlich unbedeutend, da uns aller Zusammenhang der Stelle fehlt.

(4) Glossa: „alias aliud ... alias idem“ (Giphanius in lect. Alt. p. 535.). – Florent. „aliud“; eben so die gedruckten Ausgaben.


(370) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

discesserit. Sed haec ita esse vera, si nemo extraneus eam rem interim possederit, sed semper in hereditate coloni manserit.“ Ist „aliud“ die richtige Leseart, so ist jener Streit bewiesen, ist es „idem, “ so ist kein Grund dafür da. Für die zweite Leseart ist der Zusammenhang der ganzen Stelle, indem nun die Worte: „Sed haec ita esse vera“ beide vorhergehende Sätze zugleich umfassen, da sie nach der ersten Leseart sehr gezwungen bloss auf den entfernteren Satz bezogen werden müssen: die erste Leseart hat die Schlussworte für sich („sed semper in hereditate“ etc.), die jedoch auch nach der zweiten erklärt werden können (*).

B. So, dass nun ein Dritter den natürlichen Besitz bekommt. Die Tradition ist bloss ein Fall dieser Art, und die Römischen Juristen behandeln es, wie billig, als ganz gleichgültig, ob der natürliche Besitz unmittelbar (durch Tradition) auf den Dritten übergeht, oder mittelbar, indem erst der Repräsentant ohne Rücksicht auf einen neuen Besitzer die Sache verlässt, und dann dieser sie occupirt. – Für diesen Fall nahmen die Meisten den Besitz als verloren an (1): in folgender Stelle aber wird sehr bestimmt das Gegentheil behauptet (2):

Die meisten Pariser Manuscripte lesen aliud, sechs aber lesen idem, eben so die Handschrift zu Metz, die Leipziger und die meinige. – Bei Gebauer findet sich hier, wie gewöhnlich, keine Spur einer Variante. (*)

(*) Vergl. Anh. Num. 116. A. d. H.

(1) L. 40. §. 1. L. 44. §. 2. de poss. – L. 33. §. 4. de usurp. (**)

(**) Vgl. Anhang Num. 117. A. d. H.

(2) L. 32. §. 1. de poss. kann nicht hierher gezogen werden, da sie bloss den Satz enthält: „der Repräsentant kann nicht quasi ex Constituto den Besitz übertragen.“ – (Cuperus P. 2. C. 40.) Diesem wichtigen Satze, der auch ganz die Analogie für sich hat, steht nicht entgegen L. 21. §. 3. de poss. („Qui alienam rem precario rogavit, si eandem a domino conduxit: possessio ad dominum revertitur“), denn der rogans ist in der Regel


(371) §. 33. Forts. des Besitzes durch Stellvertreter.

L. 3. §. 6. 7. 8. 9. de poss.

„In amittenda quoque possessione affectio ejus, qui possidet, intuenda est. Igitur etc. etc. – Sed et si animo solo possideas, licet alius in fundo sit, adhuc tamen possides. – Si quis nuntiet, domum a latronibus occupatam, et dominus timore conterritus, noluerit accedere: amisisse eum possessionem placet. Quod si servus vel colonus, per quos corpore possidebam, decesserint discesserintve, animo (1) retinebo possessionem (2). – Et si alii tradiderim (3), amitto possessionem. Nam constat possidere nos, donec aut nostra voluntate discesserimus, aut vi dejecti fuerimus“ (4). – Paulus bestimmt den Verlust des Besitzes an unbeweglichen Sachen (die beweglichen Sachen folgen erst §. 13. etc.). „Dabei, “ sagt er, „ist der animus (5) des Besitzers entscheidend, “ und diese Regel wird durch eine Reihe von Anwendungen durchgeführt: a) durch den blossen animus non possidendi wird der Besitz verloren. b) Durch blosse Occupation wird er nicht verloren.

selbst Besitzer (S. 302. 303.), also nicht Verwalter eines fremden Besitzes.

(1) Cod. Rehd., Edd. Rom. 1476. Ven. 1485. Ven. 1484. Lugd. 1509. 1513. Paris. 1536.: „possidebam, decesserit vel animo.“ – Nor. 1483. Hal. „possidebam, discesserit (Hal. discesserint) vel animo.“ – Die Handschriften haben decesserit oder decesserint oder discesserit, oder discesserint, nie die ganze oben abgedruckte Florentinische Leseart (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 118. A. d. H.

(2) Ohne Unterschied, ob auf den discessus eine fremde occupatio gefolgt ist oder nicht.

(3) Edd. Rom. 1476. Nor. 1483. Ven. 1485. Ven. 1494. Lugd. 1509. 1513. Hal., Paris. 1514. 1536., „Sed si alii tradiderit (Hal. „tradiderint“).

(4) Hal. „discesserint ... fuerint“. Das Resultat ist nicht wesentlich verschieden, aber die Stelle verliert an Zusammenhang (**).

(**) Vergl. Anh. Num. 119. A. d. H.

(5) Animus bezeichnet hier, wie gewöhnlich, zwei verschiedene Begriffe (S. 357.).


(372) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

c) Kommt aber das Bewusstsein des Besitzers hinzu, der seinen Besitz mit Gewalt durchzusetzen nicht wagt, so hört nun der Besitz auf. d) Wenn der Sclave oder der Pachter, durch den wir den Besitz ausüben, stirbt oder freiwillig die Sache verlässt, dauert dennoch der vorige Besitz fort. e) Wenn der Besitzer selbst die Sache tradirt, so hört der Besitz auf (1). – Alle diese einzelne Anwendungen werden nun unter die allgemeine Regel zusammengefasst: „Wir verlieren den Besitz (einer unbeweglichen Sache) nicht anders, als entweder durch unsern Willen, oder durch eine „dejectio“. Durch diesen Schluss ist die Nothwendigkeit der Florentinischen Leseart, und damit zugleich die Richtigkeit unserer Erklärung völlig bewiesen.

Also es war überhaupt von zwei Fällen die Rede: in dem ersten hatte der Repräsentant den natürlichen Besitz bloss aufgegeben, in dem zweiten hatte überdem ein Dritter den Besitz occupirt: für den ersten Fall waren vielleicht, für den zweiten gewiss die Meinungen der alten Juristen getheilt. – Justinian hat, mit ausdrücklicher Beziehung auf einen Streit der alten Juristen, in einer eignen Constitution (2) verordnet: „die Untreue der Repräsentanten soll dem Besitzer „nicht schaden (3), “

(1) Mehrere haben um deswillen die Richtigkeit der Leseart: „tradiderim“ bezweifelt, weil dann der Satz zu bekannt wäre, als dass ihn Paulus ausdrücklich aufstellen sollte. Allein einmal kam es hier nur darauf an, den Zusammenhang mehrerer (zum Theil sehr bekannter) Sätze mit einer allgemeinen Regel darzustellen, und zweitens gab es auch bei der Tradition Fälle, in welchen es gar nicht überflüssig war, den Verlust des Besitzes zu behaupten und zu beweisen; vergl. L. 17. §. 1. de poss. (S. 185.) (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 120. A. d. H.

(2) L. 12. C. de poss.

(3) Einige haben das bloss von einem Recht der Zurückforderung erklärt, allein einmal existirte ein


(373) §. 33. Forts. des Besitzes durch Stellvertreter.

(also auch seinen Besitz nicht aufheben): betrifft nun diese Verordnung bloss den ersten, oder auch den zweiten Fall? (1)

Ich glaube, beide Fälle zugleich, und zwar aus folgenden Gründen:

A. Der Streit der alten Juristen ist für den ersten Fall gar nicht bewiesen (S. 369. f.), und doch will Justinian einen Streit entscheiden.

B. Dagegen ist für den zweiten Fall der Streit völlig bewiesen (S. 370.), und dieser würde sonst auf eine unbegreifliche Weise unentschieden bleiben, da er so genau mit dem ersten verbunden ist.

C. Die Worte:

„ ... definimus, ut sive servus, sive procurator ... corporaliter nactam possessionem dereliquerit, vel alii prodiderit, desidia forte vel dolo, ut locus aperiatur alii eandem possessionem detinere: nihil penitus domino praejudicii generetur etc. etc.“

bezeichnen offenbar jeden dieser zwei Fälle besonders, und sie müssen sehr gezwungen erklärt werden, und als ganz unbedeutend und überflüssig, wenn nicht dieser Gegensatz darin enthalten sein soll: um so mehr, da hier schon die alten Juristen zwischen Tradition und Dereliction, auf welche nachher Occupation folgt, gar nicht unterscheiden.

D. Endlich die allgemeine Wiederholung:

„Hoc enim tantum sancimus, ut dominus nullo

solches Recht nach allgemeinen Grundsätzen gar nicht, und hier soll ja nicht etwa ein neues Rechtsmittel eingeführt werden; zweitens wäre dann doch ein praejudicium nicht zu leugnen.

(1) Nämlich dass sie den ersten betrifft, darüber kann kein Streit sein: ohnehin ist der erste in dem zweiten vollständig enthalten.


(374) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes.

modo aliquod discrimen sustineat ab his quos transmiserit ...

Nach der andern Erklärung würde ganz eigentlich durch die Handlung des Repräsentanten der Verlust begründet sein, da die blosse Occupation eines Grundstücks, ohne Wissen des Besitzers, den Besitz nicht entziehen kann.

Schon unter den Glossatoren war die Interpretation dieser Stelle sehr bestritten (1). Sie und die neueren Interpreten theilen sich zwei Hauptparteien: die erste, deren Meinung auch hier vertheidigt worden ist, nimmt die Fortdauer des Besitzes an, ohne Unterschied, ob der Repräsentant die Sache bloss verlässt, oder einem Dritten übergiebt (2): die zweite lässt nur in dem ersten dieser beiden Fälle die Fortsetzung des Besitzes zu (3). Von beiden Meinungen finden sich unter den Glossatoren sowohl, als unter den späteren Juristen, noch mancherlei Modificationen, die meist auf einer unvollständigen Uebersicht der Quellen beruhen.

(1) Glossa in L. 12. C. de poss. – Azo in L. 12. C. de poss. (lectura p. 570.). – Azo in Summa, tit. de poss. num. 15. (fol. 135.). – Placentinus in Summa, tit. de poss. (pag. 332.). Rogerius de antinomicis sententiis pag. 198. (hinter Placentin de var. act. ed. Mog. 1530. 8.). Roffredus in tract. jud. ord. pag. 428. 429. Odofredus in L. 3. et L. 40. ff. de poss. (f. 56. 65.) et in L. fin. C. eod. (f. 108.). – Die Juristen der folgenden Periode citirt in grosser Anzahl: Menoch. de recup. poss., remed. 14, num. 17-23.

(2) Giphanius in L. 12. C. de poss. (lect. Alt. pag. 536. kurz vorher (p. 423. 424.) war er noch anderer Meinung). – Merillius in 50 Decis. (opp. P. 2. p. 130.). – Vinnius in §. 5. I. de interdictis. – Mylius in diss. ad L. f. C. de poss. Lips. 1690. – Oppenritter in Decis. Imp. Synt., cont. 50. Imp. Iustin. Decis., Viennae 1735. 4. p. (792-794.) (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 121. A. d. H.

(3) Cuiacius in L. 3. §. 8. 9. de poss. (opp. VIII. 258., cf. V. 711., IX. 1018.). – A. Faber de err. pragm. IV. 2. – Ramos


(375) §. 33. Forts. des Besitzes durch Stellvertreter.

Uebrigens geht diese Stelle an sich sowohl auf bewegliche, als auf unbewegliche Sachen (possessionem cujuscunque rei): nur werden bei jenen fast immer die Bedingungen der Anwendung fehlen (S. 368. Note 1.).

de poss. P. 2. C. 1. §. 12. (Meerm. T. 7. p. 97.). – Cuperus de poss., P. 2. C. 39. – Fleck de poss. p. 112. 113., de interd. unde vi p. 77-80. – Thibaut über Besitz §. 23 (*).

(*) Vergl. Anh. Num. 122. A. d. H.


(376)

Vierter Abschnitt.

Interdicte.

Als besondere Quellen für diese Lehre sind die Titel de interdictis in den Institutionen, den Pandekten und dem Codex zu bemerken. Dazu kommt jetzt noch Gaius Lib. 4. §. 138. sq. (*).

Schriftsteller:

Roffredi Tractatus iudicarii ordinis, Colon. 1591. f. – Hierher gehört: Pars 2. de Interdictis (p. 62-109.) und Pars 8. de constitutionibus quibus violentiae puniuntur (p. 397-435). – Nicht so wichtig als die übrigen Werke aus dieser Periode: weniger theoretische Untersuchung als praktische Regeln und Formeln zu Klaglibellen.

Menochius de adquirenda, retinenda et recuperanda possessione (die zwei ersten Abschnitte: Colon. 1557., das ganze: Colon. 1577., nachher sehr oft, z. B. Colon. 1624. f. Das Druckjahr der (Venetianischen) Originalausgabe ist mir unbekannt). Ein Werk für Praktiker, das alles enthalten sollte, was gute und schlechte Schriftsteller über den Gegenstand gesagt

(*) Vgl. Anhang Num. 123. A. d. H.


(377) §. 34. Begriff der Interdicte.

hatten. Eine eigene Bearbeitung sucht man vergebens, aber die Zusammenstellung ist ganz erträglich, so dass das Werk als Materialiensammlung nicht unbrauchbar ist.

Donellus XV. 32-38., et in Cod. VIII. 4. 5. 6. 9. s. die Einleitung.

Friderus Mindanus de interdictis, s. die Einleitung.

Retes de interdictis, s. die Einleitung.

Haubold, Zeitschr. für geschichtliche Rechtswiss. B. 3. S. 358. fg.

Die wichtigste Schrift ist nunmehr:

Hollweg Handbuch des Civilprocesses B. 1. Bonn 1834. §. 37 (*).

§. 34.

Aller Besitz wird durch Interdicte geschützt: demnach ist zunächst der Begriff der Interdicte zu bestimmen.

Das Wesen der actio bestand darin, dass der Prätor für die Fälle derselben schon im Edict ankündigte, nicht dass er selbst etwas thun, sondern dass er einen judex zur Entscheidung besorgen und instruiren wolle (judicium dabo). Indessen trat dieses doch nur ein, wenn über irgend eine Thatsache gestritten wurde: wenn dagegen nur ein Rechtssatz streitig war, oder wenn einer dem andern mit offenbarer Willkür ohne allen Vorwand ein Unrecht zufügte, oder wenn auch nur jetzt vor dem Prätor der Beklagte die Behauptung des Klägers einräumte (confessio), so wurde niemals ein judex gegeben, sondern der Prätor selbst endigte die Sache auf der Stelle (1).

(*) Vgl. Anhang Num. 124. A. d. H.

(1) Auf Fälle des offenbaren Unrechts, also deshalb ohne factischen


(378) Vierter Abschnitt. Interdicte.

Ganz anders bei den Interdicten. Bei diesen war schon im Edict von einem judex nie die Rede, sondern von einem unmittelbaren Befehl oder Verbot des Prätors: veto, exhibeas, restituas (1). Kam nun ein einzelner Fall dieser Art vor, so erliess sogleich der Prätor diesen schon im Edict verzeichneten Befehl, zwar ohne vorher geführten Beweis, aber doch unter beiden vor ihm gegenwärtigen Parteien (2), so dass dieses Verfahren einige Aehnlichkeit mit unserm Mandatsprozess hatte (3). Jetzt waren zwei Fälle möglich: entweder räumte der Beklagte des Klägers Behauptung ein, dann war zunächst wieder alles geendigt (4): oder der Beklagte leugnete, oder brachte etwa auch Exceptionen vor, dann wurde ein judex oder arbiter gegeben (5), und das, was Anfangs als Befehl des

Streit, und zur unmittelbaren Execution geeignet, gehen L. 3. §. 1. 2. L. 5. §. 10. de op. nov. nunc. Vergl. Tacitus ann. XI., 6. „Suilius et Cossutianus et ceteri qui non judicium, quippe ut in manifestos, sed poenam statui videbant“ etc. – Auf die confessio geht Digest. XLII. 2. – Cod. VII. 59. – Paul. II. 1. §. 5.

(1) Zeitschrift für geschichtliche Rwiss. B. 3. S. 306. 367. – Das ist denn auch gemeint, wenn es bei Gajus §. 139. heisst: praetor aut proconsul principaliter auctoritatem suam finiendis controversiis proponit, vergl. Zeitschr. Bd. 3. S. 305. 366.

(2) Hollweg S. 384. (Aenderung der 6. Ausg.)

(3) Weniger passend ist die Vergleichung mit dem summariissimum. Huber praelect. lib. 43. epilog. – (Zusatz der 7. Ausg.) „passt nicht mehr seit der nach Hollweg in der 6. Ausgabe vorgenommenen Aenderung, da sich die Aehnlichkeit mit dem Mandat bloss auf die Einseitigkeit gründet. Also ist wenigstens der Ausdruck zu ändern.“ (Anm. des Herausgebers.)

(4) L. 6. §. 2. de confessis. – Jedoch hat das nicht den Sinn, dass nun unmittelbar die Execution erfolgt wäre; vielmehr bestanden nur indirecte Zwangsmittel in dem periculum judicii wegen der Sponsionen, in dem jusjurandum in litem u. s. w. Hollweg S. 389. folg. (Zus. der 6. Ausg.)

(5) Gaius Lib. 4. §. 141.: „Nec tamen cum quid jusserit fieri, aut fieri prohibuerit, statim peractum est negotium, sed ad judicem recuperatoresve itur et ibi editis formulis quaeritur an aliquid adversus


(379) §. 34. Begriff der Interdicte.

Prätors gelautet hatte, verwandelte sich nun von selbst in die Instruction des judex (formula) (1).

Der wesentliche Erfolg also konnte oft bei den Interdicten genau derselbe sein wie bei den Actionen, und der Unterschied lag dann mehr in der Form und dem Ausdruck, als in der Sache selbst; allein dieser formelle Unterschied hatte ohne Zweifel den factischen Grund, dass in den Fällen der Interdicte weit häufiger ein blosser Befehl die Sache zu Ende bringt, als in den Fällen der Actionen (2). Aus dieser inneren Gleichheit der Interdicte mit den Actionen erklärt es sich nun, dass auch jene stets als ordinaria judicia angesehen (3), und dass sie allem demjenigen entgegengesetzt werden, was extra ordinem geschieht, sei es nun, dass dieses letzte in einer factischen Untersuchung vor dem Prätor (ohne judex) besteht (4), oder aber in einer unmittelbaren Execution

praetoris edictum factum sit, vel an factum non sit quod is fieri jusserit.“ Vgl. Theophilus ad pr. I. de interdictis.

(1) Darauf gehen die editae formulae (s. die vor. Note). Vergl. Frontinus lib. II. de controv. agrorum p. 49. Lachm.: „interdicti formula litigatur“, und Theophilus l. c.

(2) [Zusatz der 4. Ausg.] Diese Ansicht ist im Wesentlichen diejenige, welche Hugo in den Gött. Anz. 1804. S. 296. aufgestellt hat, und welcher ich in den zwei ersten Ausgaben durch eine zu weit getriebene Gleichstellung der Interdicte mit den Actionen widersprochen habe. Gajus §. 139. 141. bestätigt dieselbe vollkommen. – Zu jenem Grund der Einführung der Interdicte kam noch der Umstand, dass hier das privatrechtliche Interesse so sehr mit dem polizeilichen gemischt war. Hollweg S. 387. Vgl. auch oben Zus. zu §. 6. (Zus. der 6. Ausg.)

(3) Frontinus bei Lachmann pag. 16. „ad interdictum, hoc est jure ordinario, litigatur.“ (Diese Stelle jedoch gehört nicht hierher, da sie nur den Gegensatz gegen den Process vor den Agrimensoren ausdrückt). L. 1. 2. si ventris nom. „si eum per interdictum ad jus ordinarium remiserit.“ Eben darauf geht die in der vorigen Note erwähnte formula, die stets ein Kennzeichen von ordinarium judicium ist. Vgl. Ulpian. XXV. 12.

(4) L. 3. §. 3. de lib. exhib. „Caeterum cessat interdictum, et succedere


(380) Vierter Abschnitt. Interdicte.

bei ganz klarem Recht (1): genau so, wie es so eben von den Actionen bemerkt worden ist.

Daraus erklärt sich denn auch der Untergang der eigentlichen Interdicte zugleich mit dem ganzen ordo judiciorum. Zwar scheint es, dass ein Befehl oder Verbot der Obrigkeit in jeder Processform hätte anwendbar sein müssen; allein so allgemein wurden die alten interdicta nicht gedacht. Sie waren vielmehr förmliche Befehle, die als Einleitung zu dem ganzen oben beschriebenen Verfahren und als Instruction für den judex dienen sollten, und die folglich keinen Sinn mehr hatten, seitdem dieses Verfahren und dieser judex nicht mehr vorkamen. Darum verwandelten sie sich jetzt in Rechtsmittel oder Klagen überhaupt, denen von ihrer alten Eigenthümlichkeit nichts als der Name übrig geblieben ist (2). In dieser Gestalt sind sie schon in den Justinianischen Rechtsbüchern zu finden, und eben so sind sie zu uns herüber gekommen, so dass sie in dieser neueren Gestalt eben so gut actiones heissen könnten (3).

poterit notio praetoris, ut apud eum disceptetur, utrum quis in potestate sit, an non sit.“

(1) L. 1. §. 1. de tab. exhib. L. 1. §. 2. de migrando. L. 3. pr. ne vis fiat ei. L. 5. §. 27. ut in poss. legat. L. 1. §. 2. si ventris nom. L. 1. §. 1. de inspic. ventre.

(2) L. 3. C. de interdictis. „ ... Interdicta autem licet in extraordinariis judiciis proprie locum non habent, tamen ad exemplum eorum res agitur.“ rubr. Digest. XLIII. 1. „de interdictis sive extraordinariis actionibus quae pro his competunt.“ Vgl. §. 8. I. de interd. L. 2. 4. C. unde vi. L. 17. C. de act. emti. Nach diesen Stellen geht die Veränderung wenigstens bis in die Regierung von Diocletian hinauf, und es ist durchaus kein Grund vorhanden, mit Giphanius explan. Cod. P. 2. p. 262. 270. diese Stellen für interpolirt und Justinian für den Urheber der Neuerung zu halten. – Indessen muss man doch annehmen, dass noch eine Zeitlang nach der durchgreifenden Prozessreform die Interdicte als blosse Form dennoch fortdauerten. Hollweg S. 393. (Zus. der 6. Ausg.)

(3) Fälschlich wird dem Prätor selbst die Untersuchung und Entscheidung


(381) §. 34. Begriff der Interdicte.

Sieht man nun bei den Interdicten, ausser dem hier allein berührten allgemeinen Verhältniss der Parteien, auch auf die Processform im einzelnen (welche nicht eigentlich hierher gehört), so lernen wir jetzt aus Gajus, dass dieselbe oft höchst verwickelt war, indem dabei Sponsionen, Restipulationen und daneben noch eine sehr merkwürdige Versteigerung der Früchte vorkommen konnten, wodurch es geschah, dass der Beklagte nicht selten zu fünf verschiedenen Leistungen verurtheilt wurde (1). Wenn daher die meisten Neueren wenigstens stillschweigend voraussetzen, der Interdictsprocess sei höchst summarisch gewesen, so ist dieses nicht nur überhaupt völlig unbegründet, sondern auch durch jene Thatsachen nunmehr geradezu widerlegt. Alles, was man davon zugeben kann, ist dieses: die Interdicte waren höchst summarisch, wenn der Beklagte sogleich gehorchte, also es gar nicht zum Process kommen liess: kam es dagegen zum Process, so war dieser nicht summarischer als der Actionenprocess (2). Auch besitzen wir ja in Cicero’s Rede pro Caecina ein Stück eines Interdictsprocesses, welches durchaus nicht summarischer erscheint, als irgend eine andere gerichtliche Rede Cicero’s (3).

zugeschrieben von Sigonius de jud. I. 16. Cuiacius paratit. Cod. VIII. 1. Vinnius ad pr. I. de interd.

(1) Gaius Lib. 4. §. 167.

(2) Diese Schlussbemerkung ist in der 4. Ausg. neu hinzugekommen: die Verweisung auf Cicero in der 5.

(3) Vergl. über diese Frage Savigny in der Zeitschr. für geschichtl. Rwiss. B. 6. S. 229-272. Besonders beachtenswerth ist die von Hollweg S. 390. fg. aufgestellte Ansicht. Die Interdicte waren in dem Sinn summarisch, dass manche Gefahren für den Kläger (durch Processstrafen) die Beendigung der Sache zu beschleunigen bestimmt waren, ferner durch manche Abkürzungen im neueren Process; sie waren es aber nicht in dem wichtigeren Sinn, dass bei ihnen ein unvollständiger Beweis hingereicht hätte. (Zus. der 6. Ausgabe.) (*)

(*) Vgl. Anh. Num. 125. A. d. H.


(382) Vierter Abschnitt. Interdicte.

§. 35.

Der Interdicte überhaupt ist hier nur deswegen erwähnt worden, weil auch der Besitz durch Klagen dieser Art geschützt wird. Die possessorischen Klagen also sind Interdicte, ohne darum mit den übrigen Interdicten in einer andern Berührung zu stehen, als durch den gemeinschaftlichen Process, welche Berührung für uns völlig verschwindet. Der Begriff der possessorischen Klagen, oder (weil alle possessorische Klagen zugleich Interdicte sind) der possessorischen Interdicte ist jetzt zu bestimmen.

Diese Bestimmung hat im allgemeinen keine Schwierigkeit. Rei vindicatio heisst die Klage, welche der Kläger durch sein Eigenthum, actio emti die, welche er durch eine emtio begründet: eben so sind possessorische Klagen die, welche auf den Besitz des Klägers sich gründen, d. h. die unter der Bedingung angestellt werden können, dass der Kläger ein jus possessionis wirklich erworben hat. Die Anwendung dieses Begriffs auf die interdicta retinendae und recuperandae possessionis hat keine Schwierigkeit: allein bei den interdictis adipiscendae possessionis behauptet der Kläger, weder jetzt zu besitzen, noch ehemals den Besitz gehabt zu haben. Dennoch liesse sich eine zweifache Art denken, diese Interdicte mit den übrigen possessorischen Klagen in Verbindung zu bringen: A. Indem man eine Fiction hinzudächte, durch welche der Besitz als erworben behandelt würde, den wir bloss das Recht haben, zu erwerben (1). Allein eine solche Fiction darf nicht willkührlich angenommen werden, und für diese wäre der erste Beweis noch vorzubringen: ja sie hat alle Analogie gegen sich, denn bei den int. retin. und recup. poss. beruht das Klagrecht ausser dem Besitz auch noch auf einer bestimmten Form der Verletzung (Gewalt etc.),

(1) Diese Ansicht hat Donellus in comm. jur. civ. XV. 37. (p. 814.).


(383) §. 35. Possessorische Interdicte.

diese ist bei den interdict. adip. possess. gewiss nicht nöthig, folglich hätte ein fingirter Besitz sogar noch mehr Recht, als ein wirklich erworbener. – B. Indem man den Besitz einer andern Person, deren successor der Kläger wäre, als Bedingung betrachtete. So könnte z. B. das int. quorum bonorum nur dann gelten, wenn der Verstorbene den juristischen Besitz der Sache gehabt hätte, und eben durch diese Beziehung auf den Besitz würde es ein possessorisches Rechtsmittel. Allein eben diese Beziehung ist falsch; die possessio des Verstorbenen wird durchaus nicht als Bedingung dieses Interdicts angegeben (1), und es wäre völlig willkührlich, wenn wir auf diese Weise das Klagrecht des Erben beschränken wollten. – Demnach stehen die int. adipiscendae possessionis auf keine Weise mit jenem Begriff der possessorischen Klagen in Verbindung.

Dennoch ist nicht zu leugnen, dass die Römer selbst die int. adipiscendae, recuperandae und retinendae possessionis zusammenstellen (2): aus dieser Zusammenstellung haben alle unsere Juristen ihren allgemeinen Begriff der possessorischen Interdicte construirt. Possessorische Interdicte waren nun solche, welche den Besitz zum Zweck haben. – Allein diese Bestimmung ist so gut, als gar keine, da der Besitz als Zweck bei den meisten

(1) Die einzige Stelle, die hieran einen Augenblick könnte zweifeln lassen, ist: Paulus III. 5. 18.: „In possessionem earum rerum, quas mortis tempore testator, non possedit, heres scriptus, priusquam jure ordinario experiatur, improbe mitti desiderat.“ Allein diese missio des Testamentserben, worauf sich auch das edictum D. Hadriani bezieht, ist von dem Interdict sehr verschieden, ja es wird ihr eben hierin auch das Interdict entgegengesetzt („jure ordinario“) (s. o. S. 380. 381.), so dass diese Stelle im Gegentheil für meine Behauptung völlig beweist.

(2) L. 2. §. 3. de interd. §. 2. I. eod. Gaius Lib. 4. §. 143. (*)

(*) Vgl. Anhang Num. 126. A. d. H.


(384) Vierter Abschnitt. Interdicte.

Klagen vorkommen und nicht vorkommen kann, was offenbar ganz zufällig ist. So z. B. ist der eigentliche Zweck der actio pigneratitia die Restitution des Besitzes, derselbe Zweck ist bei der actio emti und locati und bei unzähligen anderen Klagen möglich, und es wäre durchaus kein Grund da, alle diese Klagen von jenem unbestimmten Begriff der possessorischen Klagen auszuschliessen. Auch werden in der einzigen Stelle, in welcher wirklich von possessorischen Rechtsmitteln in jenem unbestimmten Sinn die Rede ist, ausdrücklich Interdicte, Actionen und Exceptionen zugleich darunter begriffen (1): dagegen werden jene drei Classen gar nicht als possessoria interdicta, sondern als interdicta rei familiaris überhaupt zusammengestellt (2), oder gar in solchen Ausdrücken, als ob in ihnen alle Interdicte enthalten wären (3), ja es wird eine Eintheilung der Interdicte als Haupteintheilung genannt (4), welche jene Zusammenstellung geradezu ausschliesst. Der entscheidendste Grund endlich gegen die gewöhnliche Zusammenstellung ist dieser: die wahren possessorischen Interdicte gründen sich auf Delicte (S. 48. 49. 50.): hätte nun der Prätor kein Interdict, sondern eine actio für den Fall einer dejectio angeordnet, so wäre diese actio de vi ohne Zweifel mit der actio vi bonorum raptorum u. a. m. zusammengestellt worden: dann aber hätte Niemand darauf fallen können, sie mit dem int. quorum bonorum u. s. w. in eine Classe zu setzen, folglich darf dieses auch jetzt nicht geschehen,

(1) L. 1. §. 4. uti poss. „ ... omnis de possessione controversia aut eo pertinet, ut quod non possidemus, nobis restituatur: aut ad hoc, ut retinere nobis liceat quod possidemus. Restitutae (restituendae) possessionis ordo aut interdicto expeditur, aut per actionem. Retinendae itaque possessionis duplex via est, aut exceptio, aut interdictum ...

(2) L. 2. §. 3. de int.

(3) §. 2. I. de interdictis. Gaius Lib. 4. §. 143.

(4) §. 1. I. de int. Gaius Lib. 4. §. 142.


(385) §. 35. Possessorische Interdicte.

indem jene Anordnung eines Interdicts, anstatt einer actio, für uns völlig unbedeutend, und selbst nach der Ansicht der Römer zufällig ist, d. h. die Natur des Klagerechts selbst nicht afficirt.

Also sind die int. retinendae und recuperandae poss. die einzigen possessorischen Klagen überhaupt, und die int. adipiscendae poss. haben nichts mit ihnen gemein. Ja noch mehr: diese haben untereinander selbst nichts gemein, welches sich leicht durch eine Aufzählung derselben zeigen lässt, und auch schon daraus erhellt, dass sie an so ganz verschiedenen Stellen der Quellen abgehandelt werden. Das int. quorum bonorum ist von der hereditatis petitio possessoria im Justinianischen Recht nicht verschieden: das int. quod legatorum beruht, wie der ganze Besitz und so vieles andere, auf einem ganz eigenen Rechtssatz, den das Edict zuerst aufgestellt hatte: das int. de glande legenda ist im Wesentlichen eine actio ad exhibendum für einen speciellen Fall: das int. Salvianum eine andere Processform für die actio Serviana (1), so wie das int. fraudatorium (2) für die actio Pauliana.

(Zusatz der 6. Ausgabe.) Die hier aufgestellte Ansicht muss jetzt, mit besonderer Rücksicht auf ein neuerlich

(1) Donellus (comm. XV. 37.) rechnet ausser jenen vier zuerst genannten noch zwei: int. de tabulis exhibendis, und das, was der missus in possessionem hat. Allein diese beiden haben gar nicht den Besitz zum Zweck, gehören also gar nicht dahin. – Auch die beiden Interdicte, deren Dasein wir erst durch Gajus §. 145. 146. kennen lernen, das possessorium und sectorium haben nur etwa mit dem int. quorum bonorum Verwandtschaft (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 127. A d. H.

(2) L. 67. §. 1. 2. ad Sc. Trebell. – L. 96. pr. de solut. – L. 10. pr. quae in fraud. cred.


(386) Vierter Abschnitt. Interdicte.

entdecktes Fragment Ulpians, auf folgende Weise modificirt werden.

Wenn wir zuerst, ganz absehend von dem quellenmässigen Sprachgebrauch, lediglich den innern Zusammenhang der Rechtsinstitute erwägen, so ist es einleuchtend, dass gewisse Klagen lediglich dazu bestimmt sind, die possessio gegen gewisse Formen der Verletzung zu schützen, und zwar indem einer solchen Verletzung gegenüber die possessio bald erhalten, bald aber wiederhergestellt werden soll. Dahin gehören für die corporis possessio: Int. uti possidetis, utrubi, unde vi (de clandestina possessione), de precario; für die Juris quasi possessio verschiedene Interdicte, welche unten in den §§. 45. 46. 47. angegeben werden sollen. Die innere Verwandtschaft dieser Rechtsmittel kann eben so wenig bezweifelt werden, als ihre wesentliche Verschiedenheit von allen übrigen Klagen, wenn man ihren Entstehungsgrund und ihre Bestimmung in’s Auge fasst. Da es nun aber, wegen des mannigfaltigen Einflusses jener inneren Verwandtschaft, ein wahres Bedürfniss ist, die angegebene Familie von Klagen durch einen Kunstausdruck zu bezeichnen, so nenne ich sie possessorische Klagen, oder (mit Rücksicht auf die Römische Processform) possessorische Interdicte. Ein historischer Werth wird damit diesen Ausdrücken nicht beigelegt. Ihre Bildung empfiehlt sich jedoch dadurch, dass sie in der That nur diejenigen Klagen bezeichnen sollen, welche durch eine juristische possessio bedingt und begründet sind. Auch liegt in diesem Sprachgebrauch so wenig etwas Neues und Willkührliches, dass vielmehr die meisten Juristen ohnehin die Ausdrücke gerade in demselben Sinne zu nehmen gewohnt sind, und dass sie nur in Folge besonderer Ueberlegung dazu kommen, auch noch andere Klagen (namentlich die Int. adipiscendae possessionis) darunter zu begreifen.


(387) §. 35. Possessorische Interdicte. (Zus. d. 6. Ausg.).

Eine ganz andere Frage aber ist es, ob sich auch bei den alten Juristen dieselbe Zusammenstellung findet. Und hier muss ich nun nach meiner gegenwärtigen Ueberzeugung behaupten, dass sie sich nicht findet, sondern an ihrer Stelle eine andere, von ihr ganz verschiedene. Es sind dieses die drei Klassen der Interdicta adipiscendae, recuperandae, retinendae possessionis. Ich glaubte in den früheren Ausgaben, diese Classen auf den oben angegebenen Begriff der possessorischen Interdicte zurückführen zu können, wenn nur die erste Classe ganz ausgestossen würde; allein aus dem neu entdeckten Fragment des Ulpian ist es klar, dass selbst durch dieses (an sich schon sehr gewaltsame) Verfahren Nichts gewonnen sein würde. Denn dort kommen zwei Interdicte vor, Quem fundum und quam hereditatem, von welchen gesagt wird, dass sie duplicia, das heisst nach Umständen bald adipiscendae, bald recuperandae possessionis seien (1). Da nun diese ganz und gar nicht auf einer possessio und deren besonders gestalteter Verletzung, sondern lediglich auf einer unerfüllten Verpflichtung im Process beruhen, so ist es klar, dass selbst die Classe der Int. recuperandae bei den Römischen Juristen nicht in den Grenzen unsers Begriffs der possessorischen Interdicte gehalten wird. Hieraus folgt nun, dass ihre drei Classen mit diesem unsern Begriff in gar keiner Verbindung stehen, dass sie aber auch überhaupt wissenschaftlich unbrauchbar sind, indem sie bloss auf den ganz äusserlichen und für das Wesen der Klage gleichgültigen Zweck sehen, ob nämlich irgend ein Besitz neu erworben, wieder verschafft, oder erhalten werden soll.

Eine dritte Frage endlich, von beiden ersten verschieden, ist die nach der Aechtheit des oben erklärten

(1) Rudorff in der Zeitschrift für geschichtl. Rwiss. B. 9. S. 18.


(388) Vierter Abschnitt. Interdicte.

Kunstausdrucks. Die Römer nennen possessoriae actiones die zu einer Erbschaft gehörenden Klagen, wenn sie nicht einem heres, sondern als fictitiae actiones einem Bonorum possessor, gegeben werden (1). Eben so heisst possessoria die hereditatis petitio in ihrer auf den Bonorum possessor ausgedehnten Anwendung (2). Dagegen wird bei den oben erwähnten drei Klassen der Name possessoria interdicta, als Bezeichnung des gemeinsamen Gattungsbegriffs, gerade nicht gebraucht, obgleich man ihn da vorzugsweise erwarten möchte. Nur in einer Stelle kommt der Ausdruck in Verbindung mit unserm Begriff vor, aber hier nur sehr beiläufig (3). In der That also hat unser Sprachgebrauch keinen quellenmässigen Grund. Da indessen hier eine Verwirrung der Begriffe nicht zu befürchten ist, so halte ich es nicht für nöthig, ihn aus seinem uralten Besitzstand zu verdrängen. Wer indessen hierin strenger verfahren wollte, dem wäre zum ausschliessenden Gebrauch des deutschen Ausdrucks Besitzklagen zu rathen.

Der aufgestellte Grundsatz, dass die possessorischen Interdicte stets auf dem juristischen Besitz des Klägers beruhen, entscheidet auch über den Beweis, der dabei zu führen ist: es ist also Sache des Klägers, das Dasein des Besitzers in seiner Person zu beweisen. Dabei entsteht jedoch folgende Frage (4). Die Behauptung des Klägers ist nothwendig auf das Dasein des Besitzes in einem bestimmten Zeitpunct gerichtet, z. B. bei dem int.

(1) L. 50. de bonis libert. L. 4. de Carbon. ed.

(2) Rubrik des Digestentitels Lib. 5. Tit. 5.

(3) L. 20. de servitut. … „Ego puto usum ejus juris pro traditione possessionis accipiendum esse. Ideoque et interdicta veluti possessoria constituta sunt“ (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 128. A. d. H.

(4) Diese Untersuchung über den Beweis ist in der 4. Ausgabe neu hinzugekommen.


(389) §. 35. Possessorische Interdicte.

uti possidetis auf Besitz zur Zeit der Klage, bei dem int. de vi zur Zeit der Dejection. Muss nun nothwendig das Dasein des Besitzes in diesen Zeitpuncten dargethan werden, oder ist es genug zu beweisen, der Kläger oder auch sein Erblasser habe irgend einmal Besitz erworben, so dass alsdann die stete Fortdauer so lange angenommen würde, bis der Beklagte bewiese, dieser Besitz sei in der Folge wieder verloren worden? Bekanntlich kommt bei der rei vindicatio dieselbe Frage vor, und hier wird ganz bestimmt angenommen, dass es genug sei, den Erwerb des Eigenthums in irgend einer früheren Zeit zu beweisen, und dass dann der Beklagte, wenn er den Verlust desselben behaupten wolle, diesen beweisen müsse (1). Die Analogie dieser Regel scheint nun auch für die possessorischen Klagen gelten zu müssen. Dennoch glaube ich bei diesen das Gegentheil. Der Unterschied zwischen Eigenthum und Besitz in dieser Rücksicht liegt darin, dass bei jenem die Fortdauer gar nicht auf fortgehenden Thatsachen beruht, folglich nicht wahrgenommen werden kann, folglich auch nicht etwa bloss schwer zu beweisen, sondern absolut unerweislich ist. Anders bei dem Besitz, dessen Fortdauer auf einem stets fortgehenden factischen Verhältnisse zur Sache beruht, folglich allerdings wahrgenommen und bewiesen werden kann. Alles, was man von der entgegengesetzten Meinung etwa zugeben kann, ist folgendes. Das erwähnte factische Verhältniss hat eine etwas unbestimmte Natur (S. 238. 239.). Deshalb muss der Richter in der Beurtheilung des Beweises desselben vorzüglich freie Hand behalten, und er

(1) L. 16. C. de probationibus. Voetius ad pandectas VI. 1. §. 24. Krazer über den Beweis des Eigenthums. Wien 1810. 8. – Eigentlich liegt dieser Satz auch schon in der exceptio rei venditae et traditae, wenigstens nach der Gestalt, worin sie im Justinianischen Recht erscheint, nicht nach der ursprünglichen.


(390) Vierter Abschnitt. Interdicte.

wird dabei auch den erwiesenen Erwerb des Besitzes berücksichtigen, insofern aus demselben die gegenwärtige Fortdauer vermuthet werden kann; diese Vermuthung wird um so mehr Gewicht haben, je kürzere Zeit seit dem Erwerb verflossen ist. Wollte man aber auch annehmen, dass bei dem Besitz wie bei dem Eigenthum lediglich der Beweis des Erwerbs gefordert würde, so müsste man doch in jedem Fall den Unterschied einräumen, dass der Erwerb bei dem Eigenthum auch in der Person irgend eines Erblassers statt finden dürfe, bei dem Besitz hingegen nothwendig für die eigene Person des Klägers bewiesen werden müsse, indem durch Beerbung zwar Eigenthum übergeht, Besitz aber nicht (§. 28.). – Die hier untersuchte Frage kommt bei der Usucapion ganz eben so, wie bei den Interdicten, vor, so dass auch bei jener der Beweis des Anfangs des Besitzes keineswegs hinreicht. – Diese Frage übrigens hat die älteren Juristen ungemein viel beschäftigt, obgleich in neueren Zeiten nicht viel mehr die Rede davon gewesen ist. Placentin und Hugolinus nahmen die Präsumtion aus dem früheren Besitz auf den gegenwärtigen an, Johannes verwarf sie, und zwar aus dem Grunde, weil der Besitz leichter verloren werde als das Eigenthum (1). Die späteren Juristen nahmen meistens die Präsumtion an, aber mit so vielen Einschränkungen und Ausnahmen, dass die Sache im letzten Resultat ungefähr auf den Punct kommt, wohin ich sie zu führen gesucht habe (2). So z. B. nahmen Mehrere an, die Präsumtion höre auf, wenn der erwiesene Besitz vor länger als zehn Jahren statt gefunden habe: Andere sagten richtiger, ein alter Besitz gebe allerdings weniger Wahrscheinlichkeit als ein neuer, aber man müsse

(1) Glossa in L. 16. C. de probat.

(2) Sehr ausführlich handeln davon Alciatus de praesumtionibus, reg. 2. praes. 21. Mascard. de probat. vol. 1. conclus. 170. vol. 3. concl. 1202.


(391) §. 36. Possessorische Interdicte (Forts.).

darüber dem Richter ein freies Urtheil überlassen (1). Darin war man schon etwas mehr einig, dass wenn der Besitz in zwei verschiedenen Zeitpuncten bewiesen wäre, die Fortdauer desselben in der ganzen Zwischenzeit präsumirt werde, und diese Regel ist in dem französischen Gesetzbuch angenommen worden (2).

§. 36.

Der Begriff der possessorischen Interdicte ist jetzt vollständig bestimmt: aber es ist noch Einem Einwurf zu begegnen, der für die ganze Darstellung ausserordentlich wichtig ist. Die meisten neueren Praktiker nämlich haben mehr oder weniger deutlich die Interdicte als provisorische Vindicationen, d. h. als provisorische Rechtsmittel in Beziehung auf das Eigenthum, betrachtet (3): diese Ansicht soll hier geprüft werden.

Provisorische Rechtsmittel sind solche, deren Entscheidung den Streit nur vorläufig endigt, indem noch

(1) Mascard l. c. concl. 170. num. 22. 23. – Dieses ist auch eigentlich die Meinung, welche dem C. 9. X. de prob. zum Grunde liegt, s. u. §. 51.

(2) Code civil. art. 2234. – Maleville T. 4. pag. 366. 367. verwirft die Regel olim possessor, hodie possessor, erwähnt aber als gemeine Meinung, der Besitz dauere solo animo zehn Jahre lang fort, was gewiss so viel heissen soll, als nach zehn Jahren sei jene Präsumtion erloschen.

(3) s. o. S. 32. u. 53. 54., und über die Entstehung dieser Meinung bei Bartolus und Cujacius S. 144-147. Der Gegensatz des petitorii und possessorii wird gewöhnlich auf diese Art gedacht. – Vielleicht hat unter andern die Stelle des Isidor zu dieser Meinung beigetragen, worin alle Interdicte überhaupt als provisorische Entscheidungen definirt werden (orig. V. 25. bei Gothofred p. 932.): „Interdictum est, quod a judice non in perpetuum, sed pro reformando momento ad tempus interim dicitur: salva propositione actionis ejus.“ – Eben so Interpr. Goth. in Paul. V. 6. §. 1., woraus die Stelle des Isidor genommen sein könnte.


(392) Vierter Abschnitt. Interdicte.

eine andere (peremtorische) Untersuchung und Entscheidung derselben Rechtsfrage möglich ist. So ist z. B. bei der missio heredis scripti aus einem scheinbar gültigen Testament, das Erbrecht des Klägers ganz eigentlich das was untersucht und entschieden wird: aber derselbe Punct kann nachher bei der hereditatis petitio Gegenstand einer neuen Untersuchung sein. Beide Untersuchungen stehen demnach in einem ähnlichen Verhältniss zu einander, wie die Untersuchung vor einer ersten und zweiten Instanz.

Wenn also die possessorischen Klagen in der That solche provisorische Rechtsmittel wären im Verhältniss zum Eigenthum, so müsste das Recht derselben so betrachtet werden: wer besitzt, wird nach einer allgemeinen Präsumtion vorläufig als Eigenthümer angenommen, aber diese Entscheidung der provisorischen Vindication (des possessorii) kann bei einer folgenden Untersuchung (dem petitorio) eben sowohl geändert als bestätigt werden. – Dass diese Ansicht falsch sei, indem das Recht der Interdicte auf Gründen beruhe, die in gar keiner Beziehung auf Eigenthum stehen – dieser Satz ist gleich im Anfang dieser Abhandlung (§. 2.) vorausgesetzt, in der Folge aber vollständig bewiesen worden, indem gezeigt wurde, dass das Recht der Interdicte als das einzige Recht des blossen Besitzes von den Römern betrachtet werde (S. 91 bis 94.), der Erwerb des Besitzes selbst aber so beschaffen sei, dass der Besitz weder mit dem Eigenthum, noch mit einem andern Rechte in Verbindung stehen könne (Abschn. 2., besonders §. 28). – Hier ist es nöthig, die Veranlassungen jenes Irrthums zu entfernen, die, weil sie den Interdicten eigenthümlich sind, bisher noch nicht berührt werden konnten.

Die interdicta retinendae possessionis werden als nöthige Vorbereitungen der Vindication angegeben, ja es wird gesagt, dass dieser Umstand Gelegenheit zu


(393) §. 36. Possessorische Interdicte (Forts.).

ihrer Einführung gegeben habe (1); in einer andern Stelle wird jedem Eigenthümer der Rath gegeben, wo möglich ein Interdict und nicht die Vindication zu gebrauchen (2). – Allein dieses vorbereitende Verhältniss ist offenbar von dem eines provisorischen Rechtsmittels sehr verschieden, da gerade das Wesentliche dieses letzten (nämlich die Untersuchung derselben Rechtsfrage) bei dem ersten ganz gleichgültig ist, so dass selbst eine Civilsache zur Vorbereitung einer Criminaluntersuchung dienen kann. Ferner: jenes vorbereitende Verhältniss zur Vindication lässt sich bei sehr vielen anderen Klagen (z. B. aus Contracten) denken, und es ist kein Zweifel, dass jeder Jurist dem Eigenthümer, der ausser der Vindication auch eine Klage aus einem Contract hat, zu dieser letzten rathen wird, wiewohl sie sicher nicht eine provisorische Vindication ist. Endlich, was die Hauptsache ist: jenes vorbereitende Verhältniss ist bei den Interdicten selbst bloss zufällig. Denn da das Recht der Interdicte durch den blossen Besitz völlig begründet ist, so können sie ohne Zweifel auch dann gebraucht werden, wenn keiner der streitenden Theile Eigenthum zu haben behauptet.

Demnach kann der Gebrauch der Interdicte zur Vorbereitung der Vindication sehr gewöhnlich sein (3),

(1) L. 1. §. 2. 3. uti possid. (§. 4. I. de interd.) – L. 35. de poss.

(2) L. 24. de rei vind. – Vergl. Festus v. possessio (bei Ottfried Müller p. 233.) und Frontinus (bei Lachmann p. 44. v. 3-17.).

(3) Ulpian (L. 1. §. 2. 3. uti poss.) giebt sogar diesen Gebrauch als Grund der Einführung des int. uti possidetis an, weil nämlich ohne dieses Interdict der Besitzstand im Process über Eigenthum nicht hätte regulirt werden können. Nun muss freilich, wie auch Ulpian sagt, in jedem Process über Eigenthum vor allem untersucht werden können, welcher von beiden Theilen als Kläger (petitor), welcher als Beklagter (possessor) gelten solle; aber gerade für diese Untersuchung existirte seit den ältesten Zeiten eine ganz eigene Processform vor dem Prätor selbst,


(394) Vierter Abschnitt. Interdicte.

dennoch ist dieser Umstand bloss zufällig, und es darf kein Gebrauch davon gemacht werden, wo es darauf ankommt, die juristische Natur jener Interdicte zu bestimmen (1). Diese letzte Bemerkung wird vorzüglich durch eine Stelle des Ulpian bestätigt, die schon mehrmals in dieser Abhandlung vorgekommen ist (2). Es war nämlich die Frage, ob der Besitzer durch den Gebrauch der Vindication den Besitz, folglich auch das interdictum uti possidetis, verliere; diese Frage wird hier verneint. Wäre nun das interdictum uti possidetis nicht bloss zufällig und in den meisten Fällen, sondern seinem Wesen

die manus consertae, die noch zur Zeit des Gellius, also lange nach Einführung der Interdicte, im Gebrauch war (noct. att. XX. 10. „verba ... quae ... dici nunc. quoque apud praetorem solent“). Nun gab es freilich Fälle, in welchen in rem geklagt wurde ohne Römische Vindication, namentlich wenn ein peregrinus Partei war, wenn über ein Provinzialgrundstück gestritten wurde, und bei der publiciana actio. Allein die zwei ersten Fälle gehörten gar nicht in das Interdict des praetor urbanus, und bei der publiciana actio müsste erst noch bewiesen werden, dass sie älter sei als das Edict. Ueberhaupt aber erhellt ein so genauer Zusammenhang der possessorischen Interdicte unter einander aus ihren Formeln und Rechtssätzen, dass es mir schon deswegen gewagt scheint, so ungleichartige Entstehung und so verschiedene Zwecke bei ihnen anzunehmen. Der entscheidendste Grund gegen Ulpian, aus den Worten des Edicts selbst, kann erst im folgenden §. entwickelt werden. – (Albert über das int. uti poss. §. 127. widerspricht dieser Erklärung der Stelle des Ulpian, indem er den §. 3. als einen vom §. 2. völlig getrennten Satz ansieht; mir aber scheinen beide Paragraphen durch den Ausdruck in unzertrennliche Verbindung gesetzt, so dass §. 3. nur als Fortsetzung und Entwicklung des §. 2. gelten kann.) (*)

(*) Vgl. Anh. Num. 129. A. d. H.

(1) Am wenigsten aber kann ich zugeben, dass das Interdict eine ganz andere Natur annehme, je nachdem es zur Vorbereitung der Vindication oder zu anderen Zwecken gebraucht werde. Nach dieser Ansicht, welche Albert über das int. uti poss. §. 131. aufstellt, würde es im Grunde zwei verschiedene int. uti poss geben.

(2) L. 12. §. 1. de poss. – s. o. S. 54., 55. und vorzüglich S. 358.


(395) §. 36. Possessorische Interdicte (Forts.).

nach eine Vorbereitung der Vindication, d. h. der Anfang des Vindicationsprocesses, gewesen, so läge darin der entscheidendste Grund, den wirklichen Gebrauch der Vindication als Entsagung auf das Interdict zu betrachten; deswegen leitet Ulpian seine Entscheidung der Frage durch die Bemerkung ein, dass der Streit über Besitz und der Streit über Eigenthum ihrer Natur nach unabhängig von einander seien, und folgert daraus, dass durch die Vindication dem Interdicte nicht entsagt werde (1).

„Nihil commune habet proprietas cum possessione: et ideo non denegatur ei interdictum uti possidetis, qui coepit rem vindicare: non enim videtur possessioni renuntiasse, qui rem vindicavit.“

Die possessorischen Interdicte also sind die Klagen, die durch den blossen Besitz begründet sind (S. 382.), und dieser Begriff ist jetzt durch den Beweis gerechtfertigt, dass sie mit der Vindication in keiner nothwendigen Verbindung stehen. Aber nicht jede Verletzung des Besitzes überhaupt, sondern nur die Verletzung in bestimmten Formen giebt dem Besitzer das Recht der Interdicte, und durch diese Formen der Verletzung werden die einzelnen Interdicte selbst von einander unterschieden. Nämlich alle Interdicte gründen sich entweder auf Gewalt, oder auf Verheimlichung, oder auf den Missbrauch eines precarii; aber Gewalt kann den Besitz entweder bloss stören oder entziehen, und wegen der blossen Störung giebt es wieder verschiedene Interdicte, je nachdem ein Grundstück oder eine bewegliche Sache Gegenstand des Besitzes ist. – Demnach sind hier überhaupt folgende Interdicte abzuhandeln:

(1) Allerdings konnte diese Renuntiation konnte noch aus einem andern Grunde behauptet werden (S. 358.), den hier Ulpian nicht ausdrücklich nennt.


(396) Vierter Abschnitt. Interdicte.

I. Interdicta retinendae possessionis:

A. im Allgemeinen (§. 37.).

B. Uti possidetis (§. 38.).

C. Utrubi (§. 39.).

II. Interdictum de violenta possessione. (§. 40.).

III. Interdictum de clandestina possessione. (§. 41.).

IV. Interdictum de precaria possessione. (§. 42.).

V. Constitutionen der Kaiser über die possessorischen Interdicte (§. 43.).

§. 37.

Verginii de Boccatiis a Cingulo, Ic. Romani, Tract. de int. uti poss. s. de manuten. in poss., Colon. 1581. 8., auch in: Tract. Tom 3. p. 2 (Ven. 1584. f.) und öfters.

Alle Interdicta retinendae possessionis (auch für die Quasi Possessio) zusammengestellt: schlecht und sehr entbehrlich.

Die Interdicta retinendae poss. sollen den gegenwärtigen Besitzer gegen gewaltsame Eingriffe in seinen Besitz schützen.

Um diesen Satz näher bestimmen zu können, wird es nöthig sein, die verschiedenen Fälle zu erwägen, in welchen diese Interdicte wirklich vorkommen können:

1. wenn der Besitzer durch die Störung des Besitzes Schaden gehabt hat, welchen er jetzt ersetzt haben will;

2. wenn eine zukünftige Störung des Besitzes zu fürchten ist, gegen welche der Besitzer geschützt sein will;

3. wenn Process über das Eigenthum durch die vorläufige Untersuchung des Besitzstandes regulirt werden soll, sollte auch gar keine gewaltsame Störung des Besitzes vorgefallen sein.


(397) §. 37. Interdicta retinendae possessionis.

Unstreitig haben in allen diesen Fällen unsere Interdicte statt. Eben so gewiss ist es, dass für diese verschiedenen Fälle dennoch dasselbe Interdict gebraucht wird, und dass dieselbe Stelle des Edicts als Quelle dafür gilt. Welches ist also der logische und historische Zusammenhang dieser verschiedenen Fälle der Anwendung desselben Interdicts?

Der erste Fall ist im Edict namentlich angegeben (1), und insbesondere hat die Verjährung des Interdicts für jeden andern Fall gar keinen Sinn. Auch hat es gar keinen Zweifel, dass diesem Fall eine obligatio ex maleficio zum Grunde liege.

Auch der zweite Fall steht namentlich im Edict (2), und auch dieser kann auf eine obligatio ex maleficio reducirt werden, nur dass das maleficium dabei nicht als unvollendet gedacht werden muss. Denn es ist offenbar, dass das (zu verhütende) maleficium durchaus der einzige Grund des Interdictes in diesem Fall ist, und dass dabei kein anderes Recht mit ins Spiel kommt (*). So dass also auch dieser Fall der oben angenommenen Classification (§. 6.) auf keine Weise widerspricht. Der erste und zweite Fall kommen darin überein, dass sie den jetzigen Besitzer gegen Störung schützen sollen, so dass in beiden die Untersuchung, ob der Kläger Besitzer sei, die Hauptsache ist. Dagegen ist ihre Verschiedenheit, juristisch betrachtet, nicht wesentlich, so dass also ihre Zusammenstellung dem Edict auf keine Weise zum Vorwurf gereichen kann.

Der zweite Fall insbesondere wird sehr oft bei dem Process über das Eigenthum statt finden, wenn es

(1) Neque pluris quam quanti res erit intra annum, quo primum experiundi potestas fuerit, agere permittam.

(2) Uti possidetis ... quo minus ita possideatis vim fieri veto. (*)

(*) Vergl. Anh. Num. 130. A. d. H.


(398) Vierter Abschnitt. Interdicte.

nämlich in diesem darauf ankommt, während des Processes alle Thätlichkeiten zu verhindern. Nur ist er hier ja nicht mit dem dritten Fall zu verwechseln. Denn es kann sehr wohl der jetzige Besitzstand ganz entschieden sein, und dennoch von einem unruhigen Gegner Störung befürchtet werden: in einem solchen Fall bedurfte es des Interdicts zwar auf Veranlassung der rei vindicatio, aber gar nicht um den Process über das Eigenthum zu reguliren (Num. 3.), sondern bloss, um Gewalt zu verhindern (Num. 2.). Es kann aber eben sowohl zugleich der Besitzstand zweifelhaft sein, und dann muss nach der oben gegebenen Regel zugleich hierüber entschieden werden.

Jetzt wird es leicht sein, auch den dritten Fall zu erklären. Bei jedem Process über Eigenthum muss vor allem der Besitzstand entschieden werden, wenn derselbe bestritten wird. Nun war eben dazu bei der vindicatio im alten Recht die Feierlichkeit der manus consertae eingeführt. Allein dabei trat die grosse Schwierigkeit ein, dass immer der Prätor selbst, ohne judex, die Sache entscheiden musste, da doch auch schon diese Untersuchung sehr verwickelt sein konnte. Zudem kam bei vielen Realklagen diese Form gar nicht vor (s. o. S. 393.) (1). Dagegen lag ein Ausweg sehr nahe. Wenn nämlich in einem solchen Fall zugleich Thätlichkeiten zu befürchten gewesen wären, so hätte man das Interdict gebraucht, welches nun, um sein selbst willen, eben die Frage entschieden hätte, die für das Eigenthum entschieden werden sollte, und dabei kam nicht nur ein judex vor, sondern es war auch gar nicht auch die vindicatio ex jure quiritium eingeschränkt. Man brauchte also nur jeden Fall des

(1) Endlich hörte die Form seit der Abschaffung der legis actiones in der Regel ganz auf, und dauerte nur noch ausnahmsweise in den Centumviralprozessen fort. (Zusatz der 6. Ausg.)


(399) §. 37. Interdicta retinendae possessionis.

streitigen Besitzstandes so zu behandeln, als ob dabei Thätlichkeiten verhütet werden sollten, so war mit Hülfe dieser Fiction das interdictum retinendae possessionis die juristische Form, wodurch alle jene Forderungen vollständig erfüllt wurden. Diese Fiction aber war ganz unbedenklich, indem sie das Resultat der Präliminaruntersuchung im wesentlichen gar nicht modificirte, also keiner Partei Unrecht thun konnte. Auf diese Weise war der dritte der oben aufgezählten Fälle für die interdicta retinendae possessionis gefunden. Dieser Fall war in den Worten des Edicts selbst nicht enthalten, denn das vim fieri veto hatte damit nichts zu schaffen (1), allein er wurde durch eine ganz unschuldige Fiction der Regel des Edicts subsumirt (*). Durch diese Fiction wird der dritte Fall in der theoretischen Ansicht dem zweiten völlig gleich, kann also eben so wenig, als dieser, dazu dienen, unsere Classification dieser Interdicte (§. 6.) zu

(1) Da dieser Fall also nicht einmal in den Worten des Edicts lag, so kann er am wenigsten die Entstehung dieses Interdicts veranlasst haben, wodurch denn die historische Bemerkung von Ulpian (S. 393.) völlig weggeräumt wird. Es scheint verwegen, in solchen Dingen einem römischen Juristen zu widersprechen, allein erstens muss das Edict mehr gelten, als Ulpian, d. h. ich will lieber annehmen, dass Ulpian in einer historischen Erklärung ungenau ist, als dass das Edict etwas ganz anders sagen will, als es wirklich sagt. Besonders hier lag die Verwechslung so nahe, denn es ist wohl zu bemerken, dass jener dritte Fall, der in historischer Rücksicht und für das System so subordinirt erscheint, praktisch betrachtet, gerade der allerwichtigste und häufigste ist. Zudem lebte Ulpian mehrere hundert Jahre später, als die Interdicte eingeführt wurden. Zweitens wissen wir nicht, wie vieles in der Stelle des Ulpian von den Compilatoren zugesetzt oder ausgelassen ist. Drittens giebt es ganz ähnliche Fälle, worin die historischen Erklärungen der alten Juristen erweislich ungenügend sind (**).

(*) Vgl. Anhang Num. 131. A. d. H.

(**) Vgl. Anh. Num. 132. A. d. H.


(400) Vierter Abschnitt. Interdicte.

widerlegen. – Jetzt zu den Bedingungen der Anwendung der int. ret. poss.

Die erste Bedingung hier, wie bei allen possessorischen Interdicten (S. 91-95.), ist die, dass Besitz wirklich erworben sei: nicht etwa civilis possessio, wohl aber juristische possessio, im Gegensatz des bloss natürlichen Verhältnisses der Detention (1). – Die zweite Bedingung ist eine gewaltsame Verletzung (2), und damit verhält es sich so: Der Ausdruck Vis wird im Allgemeinen von jeder Handlung gebraucht, welche gegen den Willen eines Andern vorgenommen wird. Dazu ist bei dem Int. quod vi aut clam nöthig, dass dem Handelnden dieser Wille wirklich erklärt wurde, oder dass er selbst diese Erklärung verhinderte (3). Hier aber liegt dieser Widerspruch des Willens gegen die Störung schon in dem Besitz selbst, so lange nicht die Störung besonders erlaubt wird (4). Daher ist dann im Sinn dieser Interdicte die Gewalt schon vorhanden, wenn nur unser freier Gebrauch der Sache beschränkt wird, mag dieses auch selbst durch die Sache des Nachbars geschehen, z. B. durch eine überhangende Mauer (5); denn obgleich er das nicht hervorgebracht hat, ja vielleicht nicht einmal weiss, so besitzt er doch sein Gebäude auf diese für mich beschwerende Weise, und das ist hier zum Begriff der Gewalt hinreichend. Es gehen also hierin diese Interdicte völlig parallel mit der Negatorienklage, und dieser

(1) Hierher gehört: Klepe diss. de nat. et ind. poss. ad int. uti poss. et utrubi necess., Lips. 1794. (s. die Einleit. num. 32.). – Die Einwürfe gegen diesen Satz können erst bei den einzelnen Interdicten dieser Classe widerlegt werden.

(2) „Vim fieri veto“ L. 1. pr. uti poss. – L. 1. pr. de utrubi.

(3) L. 1. §. 5-7. L. 20. pr. §. 1. quod vi. – L. 73. §. 2. de R. I.

(4) L. 5. de serv. praed. urb.

(5) L. 14. §. 1. L. 17. pr. si serv.


(401) §. 37. Interdicta retinendae possessionis.

Parallelismus wird ausdrücklich anerkannt (1). Wie diese gewaltsame Verletzung theils als vergangen, theils als zukünftig gedacht, theils endlich bloss fingirt werden müsse, ist bereits erklärt worden. – Drittens: die gewaltsame Verletzung des Besitzes muss den Besitz selbst nicht aufgehoben haben, welche Bedingung schon aus dem Namen dieser Klasse der possessorischen Interdicte (retinendae possessionis) erhellt (2). Die nähere Bestimmung dieser bloss negativen Bedingung ist bereits in dem dritten Abschnitt dieses Werks gegeben, indem daselbst alle Fälle überhaupt bestimmt sind, in welchen der Besitz als verloren angenommen wird. Es versteht sich von selbst, dass diese Bedingung bloss für den Fall einer vergangenen Störung des Besitzes Sinn hat, und für diesen Fall kann der Besitzer auf zweierlei Art das Recht zu jenen Interdicten erwerben: theils indem ihm selbst nur einzelne Aeusserungen seiner Willkür in Beziehung auf diese Sache verhindert werden (3), theils indem sich ein Anderer Handlungen eines Besitzers anmasst, ohne ihn selbst aus dem Besitz zu verdrängen (4).

(1) L. 8. §. 5. si serv. – Diese ganze Stelle des Textes ist in der 6. Ausgabe neu hinzugekommen, veranlasst durch eine Mittheilung von Hollweg (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 133. A. d. H.

(2) Die Glosse nennt diese Art der Gewalt „vis inquietativa, “ und setzt ihr die „vis expulsiva“ entgegen (Gl. in §. 4. I. de interd., et in L. 1. §. 9. uti poss.).

(3) Beispiele: der Besitzer wird verhindert, sein Feld zu bauen (L. 3. §. 4. uti poss.), oder ein Gebäude aufzuführen oder zu verändern (L. 3. §. 2. 3. uti poss. – L. 52. §. 1. de poss. – L. 12. comm. divid.) oder seinen Schatz aus einem fremden Grundstück auszugraben (L. 15. ad exhibendum) (**).

(**) Vgl. Anh. Num. 134. A. d. H.

(4) L. 11. de vi: „Vim facit, qui non sinit possidentem eo, quod possidebit, uti arbitrio suo: sive inserendo, sive fodiendo, sive arando, sive quid aedificando, sive quid omnino faciendo, per quod liberam possessionem adversarii non relinquit.“ Aus den letzten Worten,


(402) Vierter Abschnitt. Interdicte.

Als Beklagter gilt Jeder, dem wir die Besitzstörung vorwerfen können, also unter andern auch unser Repräsentant in diesem Besitz, z. B. der Miether eines Hauses, der gegen den Willen des Vermiethers etwas bauen oder einreissen will. Man könnte daran zweifeln, weil der Vermiether die actio locati hat; allein eben deshalb hat er zwischen beiden Klagen die Wahl. In demselben Fall hat er sogar auch noch eine dritte Klage als Gegenstand der Wahl (1), durch welche Analogie unsere Behauptung von den possessorischen Interdicten noch bestätigt wird. Eben so hat er unstreitig, wenn der Miether ihn aus dem Besitz herauswirft, die Wahl zwischen der actio locati und dem Int. de vi.

Der Zweck dieser Interdicte ist dreifach:

1. Für den Fall einer vergangenen Störung: Schadensersatz.

2. Für den Fall einer gedrohten zukünftigen Störung (welche aber auch aus einer vergangenen Verletzung geschlossen werden kann, so dass beide Zwecke coincidiren können): Verhinderung der befürchteten unrechtlichen Handlung. Ob diese Handlung durch das blosse Verbot des Richters gehindert wird, oder ob eine thätliche Execution dieses Befehls nöthig ist, oder ob durch Kautionen die Ruhe des Besitzes gesichert wird, ist für den allgemeinen Zweck dieser Interdicte ganz gleichgültig.

so wie aus den ersten (vim facit, bezogen auf „vim fieri veto“), erhellt am deutlichsten, dass von einer blossen Störung, nicht von Aufhebung des Besitzes die Rede ist. Donell. XV. 33. (p. 804.). – Durch die Stelle, an welcher dieses Fragment eingeschaltet ist (tit. ff. de vi), sind mehrere Juristen veranlasst worden, es auf das interdictum de vi, zu beziehen (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 135. A. d. H.

(1) Nämlich das Int. quod vi aut clam. L. 25. §. 5. locati. – Diese ganze Stelle des Textes ist in der 6. Ausg. neu hinzugekommen.


(403) §. 37. Interdicta retinendae possessionis.

3) Für die Anwendung dieser Interdicte auf den Process über Eigenthum: Entscheidung der Frage, welcher von beiden Theilen den Besitz gegenwärtig habe? Auch dieser Zweck kann mit den beiden ersten coincidiren (1).

Für den Erfolg unserer Interdicte finden wir noch eine besondere Regel aufgestellt, die hier zu erläutern ist. Diese Interdicte nämlich sollen duplicia sein (2), oder als mixtae actiones betrachtet werden (3), und darin liegt in der That zweierlei: a) Jeder der streitenden Theile kann die Klage anstellen, oder als Kläger auftreten (4). b) Sie

(1) Wenn man die Int. retinendae possessionis, ihrem eigentlichen Wesen nach, als Vorbereitungen zur Vindication betrachtet (§. 36.), so muss man diesen dritten für den Hauptzweck, die beiden ersten als Nebenzwecke ansehen, und so verfahren auch in der That die meisten Vertheidiger jener Ansicht. Neuerlich aber ist Wiederhold so weit gegangen, jeden anderen Zweck als den des Eigenthumsregulativs gänzlich zu verwerfen. S. o. den Zusatz am Schluss des §. 10. (Zus. der 6. Ausg.)

(2) Durch das neuerlich entdeckte Fragment Ulpians ist es klar geworden, dass die Römer diesen Kunstausdruck auch noch in einem anderen, völlig verschiedenen Sinn gebrauchten, nämlich von solchen Interdicten, die nach Umständen bald recuperandae, bald adipiscendae possessionis etc. sein konnten; und aus diesem neu entdeckten Sinn ist nun zuerst die bisher unerklärliche L. 2. §. 3. de interd. verständlich geworden. Vgl. Rudorff in der Zeitschr. f. geschichtl. Rwiss. B. 9. S. 11-18. (Zusatz der 6. Ausg.)

(3) Für beide Interdicte: Gaius Lib. 4. §. 160. – L. 37. §. 1. de O. et A. – §. 7. I. de interd. – Für das int. uti possidetis allein: L. 2. pr. de interd. – L. 3. §. 1. uti poss.

(4) Mit Unrecht habe ich in den zwei ersten Ausgaben (S. 346. 406.) diesen Satz aus dem Grund geleugnet, weil doch nur     der Besitzer gewinnen könne. Gewinnen kann in der rei vindicatio auch nur der Eigenthümer, aber auch der Nichteigenthümer kann sie anstellen, denn ob er Eigenthümer ist, soll erst der Ausgang zeigen. Gerade so auch bei unsern Interdicten in Ansehung des Besitzes. Der Unterschied ist aber der, dass bei dem Eigenthum Eine feststehende, im voraus erkennbare Qualität dem Kläger als Bedingung vorgeschrieben ist, nämlich Nichtbesitz: bei unsern int. retin. poss. kommt gar keine solche Qualität vor, und darum eben sind sie duplicia. – Uebrigens sind bekanntlich auch die Theilungsklagen duplices: die actio confessoria und


(404) Vierter Abschnitt. Interdicte.

sollen im Process gleiche Rechte haben, und nicht, wie bei den meisten Klagen, durch bestimmte Functionen einander entgegengesetzt sein (1). Die wichtigste praktische Folge dieses Satzes ist die, dass der Kläger eben sowohl, als der Beklagte, condemnirt werden kann. Nun lässt sich dieses auf zweierlei Art denken: theils so, dass nicht der Kläger, sondern der Beklagte, in der That den Besitz hat (2), und hier hat es keinen Zweifel, dass der Beklagte, der sogar selbst als Kläger hätte auftreten können, auf dieselbe Weise, wie wenn er wirklich geklagt hätte, den Process gewinnen muss: theils lässt es sich so denken, dass der Kläger zwar den Besitz hat,

actio negatoria sind es zwar nicht, aber das willkürliche Auftreten des Klägers haben auch sie mit jenen Klagen gemein (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 136. A. d. H.

(1) §. 7. I. de interd. „ ... duplicia vocantur, quia par utriusque litigatoris in his conditio est, nec quisquam praecipue reus vel actor intelligitur: sed unusquisque tam rei, quam actoris partes sustinet.“ Gaius Lib. 4. §. 160. Noch deutlicher ist: L. 10. fin. regund. „Iudicium comm. div., fam. erc, fin. reg. tale est, ut in eo singulae personae duplex jus habeant: agentis, et ejus cum quo agitur.“

(2) In den meisten Fällen ist eben dies die Behauptung des Beklagten und der Gegenstand des Streits; daraus erklärt sich die Formel „uti possidetis“ d. h. „So, wie Einer von Euch, die Ihr Beide zu besitzen behauptet, wirklich besitzt etc. etc.“ Die Glossatoren haben mancherlei Vermuthungen über diese Formel: unter andern nehmen sie an, der Prätor habe aus Höflichkeit den Besitzer durch „Sie“ angeredet. Eine andere Erklärung war von sehr bedeutenden Folgen: man bezog nämlich das „uti possidetis“ auf die possessio plurium in solidum, die eben dadurch theils überhaupt, theils für das int. uti possidetis allein bestätigt sein sollte, indem bei diesem Interdict auch wohl der dejectus noch als Besitzer gelten könne (s. u. S. 408.). – Glossa in rubr. Tit. C. uti poss., Azo in Summa h. t. num. 19., et in lectura h. t. p. 622., Placentin. in Summa h. t. p. 376. 377. – Donellus in Cod. h. t. num. 6. 7. 8. (p. 288. 289.). – (Der Widerspruch, welchen neuerlich Albert über das int. uti poss. §. 116-121. gegen die hier aufgestellte Ansicht erhoben hat, scheint mir nicht gegründet.)


(405) §. 37. Interdicta retinendae possessionis.

aber durch Exceptionen des Beklagten den Process verlieren muss. In diesem Fall hätte der, welcher jetzt Beklagter war, nicht als Kläger auftreten können, dennoch wird ihm jetzt der Besitz zugesprochen (1), und diese scheinbare Inconsequenz lässt sich leicht rechtfertigen. Soll nämlich, wie hier, der Kläger abgewiesen werden, so muss der Richter entweder gar nicht über den Besitz entscheiden, oder den Beklagten zum Besitzer machen. Durch das Erste aber würde jedem Theile erlaubt, dem Andern nach Belieben Gewalt anzuthun; da nun dieses auf keine Weise das Resultat eines Richterspruchs sein kann und darf, so bleibt nur das Zweite übrig, d. h. das Interdict muss als duplex behandelt, und der Beklagte muss in den Besitz gesetzt werden, wiewohl er als Kläger mit diesem Interdict (2) nicht hätte gewinnen können (*).

Indessen darf doch diese processualische Gleichheit der Parteien bei unsern Interdicten nicht zu weit ausgedehnt werden. Namentlich in Ansehung des Beweises gelten dieselben Regeln, wie bei allen andern Klagen, und in dieser Beziehung ist ohne Zweifel derjenige als Kläger zu betrachten, welcher zuerst vor dem Richter aufgetreten ist (3). Für diesen Beweis nun gilt zuvörderst

(1) Dass dieses wirklich der Fall sei, folgt nicht nur aus dem Begriff des int. duplex, sondern auch aus L. 3. pr. uti poss. „ ... si a me possides, superior sum interdicto, “ d. h. ich soll gewinnen, was sich auf keine andere Art denken lässt.

(2) In den meisten Fällen würde er freilich ein anderes Interdict auch als Kläger haben gebrauchen können, z. B. das int. de vi, wenn ihn der Andere mit Gewalt aus dem Besitz warf, und dann das int. uti possidetis gegen ihn gebrauchte, das er durch eine Exception ausschloss (L. 1. §. 5. uti poss.).

(*) Vgl. Anh. Num. 137. A. d. H.

(3) L. 2. §. 1. comm. div. – L. 13. de jud. Beide Stellen sprechen zwar von Theilungsklagen,


(406) Vierter Abschnitt. Interdicte.

der oben (S. 384. 385.) für die possessorischen Klagen überhaupt aufgestellte Grundsatz. Dann aber entsteht dabei noch folgende besondere Frage: wenn der Beklagte des Klägers Besitz im allgemeinen einräumt, seinerseits aber den Mitbesitz behauptet (S. 170), wer muss nun beweisen? Man könnte das als eine Exception ansehen, und deshalb dem Beklagten den Beweis auflegen; ich glaube aber vielmehr, dass der Kläger beweisen muss. Denn eigentlich behauptet der Kläger den Besitz an allen Theilen der Sache, dieser wird ihm an einigen Theilen zugestanden, an andern aber bestritten; es ist demnach eine partiell negative Litiscontestation, weshalb der Kläger beweisen muss. Als Unterstützung kann noch angeführt werden, dass ausserdem bei entschiedenem Mitbesitz jeder Theil unredlicherweise klagen, und dann seinem Gegner, dem Beklagten, den Beweis aufbürden könnte (1).

§. 38.

Eigene Quellen für das Interdictum uti possidetis:

http://t2.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcRMbUJhTQZiZsQQZ4ONo2ZHMxhmmEjLvUmZaApkpG7gfvhle1CRrhsIVzjb§. 4. I. de interd.

Digest. Lib. 43. Tit. 17. s. die Einleitung.

Cod. Lib. 8. Tit. 6.

Carl Albert über das Interdictum uti possidetis der Römer, Halle 1824. 8. (Eine recht gründliche, achtungswerthe Arbeit.)

Wiederhold, das Interdictum uti possidetis und die Novi operis Nunciatio. Hanau 1831. 8. (S. oben Zusatz am Schluss des §. 10.) (*)

die Analogie derselben muss aber auch für unsere Interdicte gelten.

(1) Diese Schlussbemerkung ist in der 4. Ausgabe neu hinzugekommen.

(*) Vgl. Anh. Num. 138. A. d. H.


(407) §. 38. Interdictum uti possidetis.

Die Regeln, die in dem vorigen §. für die int. retinendae possessionis überhaupt aufgestellt wurden, sind jetzt auf den Besitz der Grundstücke, also auf das Int. uti possidetis (1) anzuwenden.

Die allgemeinen Bedingungen dieser Interdicte waren: Besitz überhaupt, gewaltsame Verletzung desselben, und eine solche Verletzung, durch welche der Besitz nicht aufgehoben ist. Die erste und dritte dieser Bedingungen sind in der Anwendung auf das int. uti possidetis bezweifelt worden. – Was den ersten Punkt betrifft, so fordert Cuperus (2), dass die possessio auch civilis sei, wenn das Interdict begründet sein soll: diese Behauptung ist eine blosse Folge seines falschen Begriffs von possessio civilis, mit welchem sie folglich zugleich widerlegt ist. Allein Cuperus beweist seinen Satz noch besonders für unser Interdict, und dieser Beweis gehört hierher. Ulpian nämlich sagt in einer sehr bekannten Stelle, bei dem int. unde vi müsse die possessio nicht nothwendig civilis sein: also – folgert Cuperus – muss sie es bei dem int. uti possidetis allerdings sein (3). – Die dritte Bedingung, dass der Kläger noch gegenwärtig Besitzer sein müsse, ist gerade bei dem int. uti possidetis so klar bestimmt (4), dass sie eben hier am wenigsten hätte bezweifelt werden sollen. Der erste Grund dagegen beruht

(1) Die Stelle des Edicts steht in: L. 1. pr. uti possidetis, und mit etwas verändertem Ausdruck bei Festus (v. possessio, p. 233. Müller). – Vgl. oben die Anmerkung am Ende von §. 12 a.

(2) Und nunmehr eben so auch Thibaut, s. o. Zusatz der 6. Ausgabe am Schluss von §. 10.

(3) de nat. poss. P. 2. C. 8. „in L. 1. §. 9. de vi scribit Ulpianus de Interdicto unde vi: Nam et Naturalis Possessio ... ad Hoc Interdictum pertinet; aperto indicio, eam non pertinere ad Interdictum Uti possidetis, aut Utrubi.“

(4) L. 1. §. 4. uti possidetis „ ... interdictum ... uti possidetis ... redditur, ne vis fiat ei, qui possidet ... hoc interdictum tuetur, ne amittatur possessio: denique Praetor possidenti vim fieri vetat“ etc.


(408) Vierter Abschnitt. Interdicte.

auf der falschen Erklärung der civilis possessio als possessio quae animo retinetur (S. 140-142. und S. 404. f.): diese Art der Fortsetzung sei auch dem dejectus möglich, folglich habe dieser die Wahl zwischen dem int. de vi (wegen der verlornen naturalis possessio) und uti possidetis (wegen der fortdauernden civilis possessio) (1). Ein zweiter Grund liegt in einer unrichtigen Erklärung der L. 11. de vi (S. 400. f.): in dieser Stelle sei bei einer blossen Störung des Besitzes das int. de vi zugelassen, folglich müsse auch umgekehrt der dejectus das int. uti possidetis gebrauchen dürfen. Drittens sagen Einige, da der dejectus als Beklagter ohne Zweifel den Process gewinne, so müsse er auch als Kläger das Interdict haben (2): dabei hat man also die Gleichheit der Parteien in dem int. duplex in zu grosser Ausdehnung genommen, wogegen schon oben gewarnt worden ist (S. 405.) (*)

Auch die Wirkung dieses Interdicts kommt völlig mit dem überein, was oben über die Wirkung der int. retinendae poss. im allgemeinen bestimmt worden ist. – Zuerst also ist die Handlung zu verhindern, wodurch der Besitz gestört werden soll. Dieser Zweck wird gewöhnlich durch das blosse Urtheil des Richters, welches die Störung verbietet, vollständig erreicht sein: ausserdem hat es keinen Zweifel, dass dieses Urtheil, wie jedes Urtheil überhaupt, exequirt werden müsse, und diese Execution kann unter andern darin liegen, dass der Richter von dem Verurtheilten, von welchem eine fortgesetzte Störung des Besitzes zu befürchten ist, deshalb Caution

(1) Azo in Summa Cod. tit. uti possid. num. 16. 17. (fol. 145.). – Menoch. de retin. poss., remed. 3. num. 35. 36. 37. – Giphanius in antinom., Lib. 4. Disp. 48. num. 24-30.

(2) Die zwei letzten Gründe zusammen haben: Busius in subtil. juris Lib. 6. C. 8., Giphanius l. c. (s. die vor. Note).
(*) Vgl. Anh. Num. 139. A. d. H.


(409) §. 38. Interdictum uti possidetis.

leisten lässt. Das Recht also, eine solche Caution aufzulegen, liegt schon in dem allgemeinen Recht der Execution, und es bedarf der positiven Bestätigung nicht, die auch bloss mit Hülfe einer falschen Interpretation hat behauptet werden können (1). – Für die Störung des Besitzes in der vergangenen Zeit muss dem Besitzer Ersatz geleistet werden, und bei der Bestimmung dieses Ersatzes kommt alles das in Betracht, was der Besitzer durch jene Störung wirklich verloren, oder zu erwerben versäumt hat (2).

(1) L. un. C. uti possidetis: „Uti possidetis fundum, de quo agitur, cum ab altero nec vi, nec clam, nec precario possidetis, Rector provinciae vim fieri prohibebit: ac satisdationis, vel transferendae possessionis Edicti perpetui forma servata, de proprietate cognoscet.“ Nämlich entweder, sagt man, ist der Beklagte nicht im Besitz, dann muss er jene Caution leisten: oder er ist im Besitz, dann wird der Besitz selbst durch dieses Interdict von ihm weggenommen (s. o. S. 407.). Duarenus in tit. uti poss., et in Disp. anniv. I. 21. (opp. p. 944. 1386.). – Allein mit den Worten „vim fieri prohibebit“ ist die Bestimmung des Interdicts zu Ende, was darauf folgt, betrifft die Vindication, und bei dieser war es allgemeine Regel, dass der Beklagte entweder de judicato caviren oder den Besitz abgeben musste („satisdationis, vel transferendae possessionis“), welche Regel aber nachher aufgehoben wurde. (Für das ältere Recht vgl. Gaius IV. 91., für das neuere §. 2. I. de satisd.). Diese richtige Erklärung haben: Glossa in L. cit. Azo in Summa C. h. t. num. 23. – Baro in manual. in Dig. P. 6. (p. 184.), Cuiacius in Paulum I. 11. §. 1. (heftiger Ausfall gegen Duaren); Donellus in Cod. h. t. n. 25-28. (der jedoch andere Irrthümer in diese Interpretation bringt), ganz vorzüglich aber: C. F.Conradi in diss. cautio de non ampl. turb. in jud. poss. usu fori recepta, Helmst. 1737., wo ausser der Interpretation jener Stelle auch diese Caution überhaupt gründlich dargestellt ist. – Vgl. nunmehr Rudorff in der Zeitschrift für geschichtl. Rwiss. B. 9. S. 27., von welchem diese Stelle mit der neuesten Quellenentdeckung in Verbindung gebracht worden ist (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 141. A. d. H.

(1) L. 3. §. 11. uti possidetis.


(410) Vierter Abschnitt. Interdicte.

So viel von den Bedingungen und der Wirkung dieses Interdicts im allgemeinen. Allein es sind einige Fälle besonders ausgenommen, in welchen das Interdict entweder gar nicht, oder nur zum Theil zugelassen wird: die Exceptionen des Beklagten, die sich auf diese Fälle beziehen, sind nun noch hinzuzufügen (*). – Die erste dieser Exceptionen betrifft die Art, wie der Besitz des Klägers entstanden ist: wenn dieser Besitz selbst mit Gewalt, oder heimlich, oder durch ein precarium angefangen hat, so gewinnt nicht der Kläger, sondern der Beklagte (1): doch muss diese unrechtliche Handlung zwischen denselben Personen vorgefallen sein, die jetzt als Kläger und Beklagter im Process auftreten: also gilt die Exception nicht, wenn entweder von dem auctor des Klägers (2), oder gegen eine andere Person, als den Beklagten (3), die dejectio etc. etc. verübt worden ist. – Der Grund dieser Exception liegt ganz allgemein darin, dass der Beklagte ohnehin ein Int. recuperandae possessionis hat (4): anstatt also den Beklagten, der freilich nicht Besitzer ist, in dem Int. uti possidetis verlieren, und dann in einem zweiten Process gewinnen zu lassen,

(*) Vergl. Anh. Num. 140. A. d. H.

(1) L. 1. pr. §. 5. L. 3. pr. uti poss. (s. o. S. 182.).

(2) L. 3. §. 10. uti poss. „Non videor vi possidere, qui ab eo, quem scirem vi in possessione esse, fundum accipiam.“

(3) L. 1. §. 9. „ ... ut, si quis possidet vi, aut clam, aut precario, si quidem ab alio: prosit ei possessio: si vero ab adversario suo, non debet eum propter hoc, quod ab eo possidet, vincere ... “ cf. L. 2. eod. – L. 53. de poss. – §. 4. I. de interd. – L. 17. de prec.

(4) In der 5. Ausg. sagte ich, so sei es in den meisten Fällen gewesen. Dieser Ausdruck gründete sich auf meine damalige Ansicht, nach welcher die clandestina possessio eine andere und ausgedehntere Bedeutung bei der Exception haben sollte als bei dem Interdict. Die Berichtigung dieser Ansicht findet sich in den neuen Zusätzen des §. 41. (Zusatz der 6. Ausg.)


(411) §. 39. Interdictum Utrubi.

wird durch eine sehr natürliche Abkürzung des Processes gleich jetzt der Kläger abgewiesen, ja sogar aus einem besondern Grunde (S. 407.) der Besitz dem Beklagten eingeräumt. – Die zweite Exception betrifft die Verjährung des Interdicts. Wenn nämlich Ein Jahr verflossen ist, seitdem der Besitz verletzt wurde, so kann von diesem Interdict kein Gebrauch gemacht werden, um Schadensersatz zu fordern (1): es müsste denn durch den Verlust des Besitzers zugleich der Verletzer gewonnen haben (2). – Andere als die hier genannten Exceptionen können nicht angenommen werden (3).

§. 39.

Eigene Quellen für das Interdictum utrubi:

http://t2.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcRMbUJhTQZiZsQQZ4ONo2ZHMxhmmEjLvUmZaApkpG7gfvhle1CRrhsIVzjb§. 4. I. de interd.

Digest. Lib. 43. Tit. 31.     s. die Einleitung.

Cod. Theod. Lib. 4. Tit. 23.

Wie bei Grundstücken durch das Int. uti possidetis, so wird bei allen beweglichen Sachen durch das Int. utrubi der Besitz geschützt, wiewohl es nach den Worten des Interdicts nur Sclaven betraf (4).

(1) L. 1. pr. uti possidetis „intra annum, quo primum experiundi potestas fuerit, agere permittam“ (*)

(*) Vgl. Anhang Num. 142. A. d. H.

(2) L. 4. de interd. „Ex quibus causis annua interdicta sunt, ex his de eo, quod ad eum, cum quo agitur, pervenit, post annum judicium dandum, Sabinus respondit.“

(3) So z. B. die exceptio possessionis nullae (sic!), welche Albert a. a. O. §. 94. behauptet. Diese ist in der That nichts als eine negative Litiscontestation, deren Natur durchaus nicht verändert wird, es mag der Beklagte sich auf die blosse Negation einschränken, oder für sich den Besitz in Anspruch nehmen. (Zusatz der 5. Ausg.)

(4) L. 1. pr. §. 1. de utrubi „Praetor ait, utrubi hic homo, quo de agitur, majore parte hujusce anni fuit: quo minus is eum ducat, vim fieri veto. – Hoc interdictum de


(412) Vierter Abschnitt. Interdicte.

Die erste Bedingung, hier wie bei dem Int. uti possidetis, ist juristischer Besitz, ohne Unterschied, ob es civilis possessio ist oder nicht (1). Allein Besitz überhaupt war dennoch nicht hinreichend, sondern der Besitz musste in dem letztverflossenen Jahre längere Zeit als von dem Gegner ausgeübt worden sein (2): in diese Zeit wurde natürlich der Besitz des Verkäufers etc. mit eingerechnet, so dass hier, wie bei der Usucapion und der Verjährung mancher Klagen, die accessio possessionis von grosser Wichtigkeit war (3). Das neuere Recht hat diese Beschränkung aufgehoben, und das Int. utrubi dem Int. uti possidetis völlig gleich gesetzt (4); zuverlässig rührt diese Aenderung erst von Justinian her, und die Stelle des Ulpian, worin sie vorkommt (5), ist interpolirt, denn es findet sich bei Paulus noch keine Spur von dieser Neuerung (6), und eben so bei Gaius (7) und in einer

possessione rerum mobilium locum habet ... “ Gaius Lib. 4. §. 149. 150. (*)

(*) Vgl. Anh. Num. 143. A. d. H.

(1) Cuperus (II. 8.) behauptet auch hier das Gegentheil; einer seiner Gründe ist schon bei dem Int. uti possidetis (S. 407.) vorgekommen: ein zweiter beruht auf L. 46. de don. int. vir. et ux., welche Stelle auch schon oben (S. 81.) erklärt worden ist.

(2) Die major pars anni also ist relativ zu nehmen. L. 156. de V. S. Gaius Lib. 4. §. 152. (**)

(**) Vgl. Anh. Num. 144. A. d. H.

(3) Cuperus (II. 8.) macht, zum Theil nach Schulting, die sehr gute Bemerkung, dass L. 46. de don. int. vir. et ux. (s. o. S. 81.) und L. 13. de poss. durch die Inscription unter einander und mit L. 1. de utrubi verbunden sind, also wahrscheinlich bei Gelegenheit dieses Interdicts von der accessio possessionis handelten. – Ferner gehört dahin L. 14. §. 3. de div. temp. praescr. (Klepe de nat. et ind. poss. p. 27.) – Ferner L. 11. de adquir. rer. dom. (s. o. S. 356.) – Endlich Gaius Lib. 4. §. 151.

(4) §. 4. I. de Int. (***)

(***) Vgl. Anhang Nr. 145. A. d. H.

(5) L. 1. §. 1. de utrubi.

(6) Rec. Sent. V. 6. §. 1.: „ ... in altero vero (sc. in Int. utrubi) potior est, qui majore parte anni retrorsum numerati ... possedit.“

(7) Gaius Lib. 4. §. 150.


(413) §. 39. Interdictum Utrubi.

Constitution von Diocletian (1). – Die zweite Bedingung ist ein gewaltsamer Eingriff in den Besitz, und dabei findet sich hier nichts besonderes. – Endlich muss drittens der Besitz noch gegenwärtig fortdauern, also auch nicht etwa durch die Verletzung aufgehoben sein. Für das Justinianische Recht kann dieser Satz nicht bezweifelt werden, und alles was oben bei dem Int. uti possidetis darüber gesagt worden ist, ist auch hier anwendbar. Aber wie verhält sich die Sache im älteren Recht, vor der Gleichstellung beider Interdicte? ist es auch hier ein reines Interd. retinendae possessionis, d. h. ist hier ausser der possessio majoris anni partis auch noch gegenwärtiger Besitz nöthig, oder kommt es auf den gegenwärtigen Besitz dabei nicht an? ich bin jetzt überzeugt, dass diese letzte Meinung die richtige ist, obgleich aus ganz andern Gründen, als welche bisher dafür angeführt worden sind. Man pflegte sich nämlich auf folgende Stellen zu berufen, welche insgesammt nichts beweisen:

A. L. 3. §. 5. ad exhibendum:

„Sed et si quis interdicturus, rem exhiberi desideret, audietur.“

B. L. 3. §. 12. ad exhibendum (2):

„Pomponius scribit, ejusdem hominis recte plures ad exhibendum agere posse: forte, si homo primi

(1) Fragmenta Vaticana §. 293. – Eben dahin deutet, nur weniger ausdrücklich, eine Stelle des Paulus, fragm. vat. §. 311. – Vielleicht auch L. 11. §. 13. de act. emti vend., die wenigstens durch die Beziehung auf das alte Int. utrubi den bestimmtesten Sinn erhält. (Zus. der 6. Ausg.) (*)

(*) Vgl. Anh. Num. 146. A. d. H.

(2) Beide Stellen hat: A. A. Pagenstecher in admonitor. ad Pand. Lib. 43. Tit. 31. (ed. Groning. 1715. 8. pag. 775.), und vor ihm Cuiac. obs. V. 23. und Paratit. in Dig. tit. utrubi.


(414) Vierter Abschnitt. Interdicte.

sit, secundi in eo ususfructus sit, tertius possessionem suam contendat, quartus pigneratus sibi eum adfirmet. Omnibus igitur ad exhibendum actio competit: quia omnium interest exhiberi hominem.“

In beiden Stellen, sagt man, soll das Int. utrubi durch die actio ad exhibendum präparirt werden, also muss es auch den verlornen Besitz wieder fordern können. Aber erstens ist es gar nicht nöthig, diese Stellen auf das Int. utrubi zu beziehen, und zweitens ist der Schluss aus dieser Beziehung ganz falsch. Das erste – denn der §. 5. kann von jedem Int. adipiscendae possessionis eben so gut verstanden werden, und der §. 12. setzt gar kein Klagrecht auf die possessio nothwendig voraus, vielmehr ist es aus andern Stellen gewiss, dass die actio ad exhibendum ohne Beziehung auf ein anderes Klagrecht gebraucht werden konnte, wenn nur Interesse und justa causa vorhanden war (1): unter diesen Bedingungen konnte die possessio selbst unmittelbar durch jene Klage erlangt werden (2). – Zweitens war der Schluss falsch: denn wenn in der That die actio ad exhibendum das Int. utrubi vorbereiten kann, so ist es doch nicht nöthig, bei diesem Interdict den Besitz als verloren anzunehmen. Denn da der commodans etc. seinen Besitz nicht verliert, wenn ihm der commodatarius die Restitution bloss verweigert, ohne durch contrectatio ein wahres furtum zu begehen, so kann in diesem Fall das Int. utrubi als Int. retinendae possessionis allerdings durch die actio ad exhibendum vorbereitet werden; dasselbe liesse sich in dem Fall der L. 14. C. de agricolis denken, die sogleich erklärt werden wird.

(1) L. 3. §. 9. 10. 11. 14. ad exhib.

(2) L. 5. §. 1. ad exhib.


(415) §. 39. Interdictum Utrubi.

C. L. 14. C. de agricolis (vgl. Cod. Theod. IV. 23.) (1).

„Si coloni, quos bona fide quisque possidet (2), ad alios fugae vitio transeuntes necessitatem propriae conditionis declinare tentaverint, bonae fidei possessori primum oportet celeri reformatione succurri: et tunc causam originis et proprietatis agitari.“

Die Leseart „possidet“, die sicher aus Handschriften genommen ist, da sie das Zeugniss so bewährter Editoren für sich hat, wird durch das nachfolgende „possessori“ bestätigt, da dieses, wenn es natürlich erklärt werden soll, nicht anders, als so aufgelöst werden kann, „ei, qui possessor est“ . Ein noch wichtigerer Grund für jene Leseart ist der Inhalt der Stelle selbst. Die Leibeigenen (coloni) nämlich, die hier, wie in vielen andern Rücksichten, den Sclaven gleich behandelt werden (3), waren entflohen, und gaben sich unter den Schutz einer Dritten Person für Freigeborne aus: gegen diesen Dritten sollte geklagt werden. Also war dieser Dritte nicht Besitzer der Leibeigenen, weil er es gar nicht sein wollte, sie selbst wurden als servi fugitivi behandelt, und so wie diese (S. 342.) von ihrem vorigen Besitzer auch jetzt noch besessen (4). Demnach ist freilich in unserer Stelle

(1) I. Gothofr. in L. cit., Klepe de nat. et ind. poss. p. 25.

(2) „Possedit“ lesen Sieben Pariser Mss. des volumen, das Göttingische Ms. Ed. Mog. 1477. f. (ap. Schoeffer), Basil. 1478. f. (ap. Wenssler), Ven. 1491. f. (ap. Arrivabene), Ven. 1498. f. (ap. Tortis), Lugd. 1508. f. (ap. Nicol. de Benedictis), Lugd. 1512. f. (ap. Fradin), Paris. 1511. 1515. 4. (ap. A. Boucardum et I. Parvum), Hal., Cont. I. (Paris 1559. f.) Cont. II. (Paris. 1562. 8.), Russard. Eben so: Cod. Theod. (aber aus dem Breviarium). – – „Possidet“ lesen: Cont. III. (Paris. 1566. f.), Cont IV. (Lugd. 1571. 12.), Charondas, Cont. V. (Paris. 1576. f.), ferner alle Gothofred. Ausgaben, und aus diesen auch Gebauer.

(3) Gothofredi paratit. in Cod. Theod. V. 9.

(4) Wenck Cod. Theod. libri V. priores p. 268 vertheidigt die Leseart possedit, indem er einen falschen Begriff von civilis possessio einmischt. (Zus. d. 6. Ausg.)


(416) Vierter Abschnitt. Interdicte.

von dem Int. utrubi die Rede, was auch aus der Ueberschrift des Titels im Cod. Theod. erhellt, und worauf der Zusatz „bonae fidei possessori“ sich bezieht, um die Exceptionen anzudeuten, durch welche dieses Interdict, wie das Int. uti possidetis ausgeschlossen werden kann: allein das Interdict selbst ist hier, wie überall, ein Int. retinendae possessionis.

D. Petron. C. 13. (1) S. o. S. 74.

Petron erzählt, es sei ein Kleid verloren worden, ein Anderer habe es aufgehoben, und gegen diesen sollte ein Interdict gebraucht werden.

Diese Stelle würde freilich den Satz beweisen, wenn überhaupt Petron bei einem Satz, der so sehr in das Detail des Civilrechts hineingeht, ein gültiger Zeuge sein könnte.

Alle diese Gründe also beweisen den Satz nicht, dagegen sind folgende ganz entscheidend (2):

A. Theophilus (3), welcher selbst die alte Form des Interdicts noch gekannt haben muss, führt ausdrücklich folgendes Beispiel zur Erläuterung derselben an: „wenn ich eine Sache sieben Monate besitze, der Andere besitzt sie in den fünf darauf folgenden Monaten, so gewinne ich den Process, und der Andere muss mir den Besitz herausgeben.“

B. Ausserdem wäre in vielen Fällen (z. B. eben in dem, welchen Theophilus anführt) der Streit gar nicht zu entscheiden gewesen.

(1) Pagenstecher l. c.

(2) Ich bin auf diese Gründe erst durch Hugo aufmerksam gemacht worden.

(3) Theophilus in §. 4. I. de interdictis. Bei Gajus Lib. 4. §. 152. wird der umgekehrte Fall angenommen.


(417) §. 39. Interdictum Utrubi.

Der praktische Rechtssatz also hat keinen Zweifel, aber durch welche theoretische Ansicht ist derselbe zu erklären? ist deshalb das Int. utrubi als recuperandae poss. zu betrachten? Dieser Punkt ist für meine Ansicht der possessorischen Interdicte überhaupt von der grössten Wichtigkeit, indem die formelle Verletzung, worauf ich sie durchaus beziehe, bei dem Int. utrubi, wenn es recuperandae possessionis ist, gewiss nicht statt findet. Allein es lässt sich durch sehr deutliche Zeugnisse beweisen, dass die Römer dieses Interdict niemals als recuperandae poss. betrachteten. Sowohl Gajus, als Paulus, welche beide von der neuen Gestalt dieses Interdicts nichts wissen, nennen es ausdrücklich als Int. retinendae possessionis neben dem Int. uti possidetis (1): Paulus spricht bald nachher von dem Int. de vi, stellt den bekannten Satz auf, dass es bei beweglichen Sachen nicht gebraucht werden dürfe, und nennt eine andere Klage, durch welche es in diesem Falle ersetzt werden könne: und hier, wo das Int. utrubi vor allen andern hätte vorkommen müssen, wenn es je auf den verlorenen Besitz als solchen sich erstreckt hätte – nennt er es nicht (2).

Nun verhält sich die ganze Sache so. Das Int.

(1) Gaius Lib. 4. §. 148. Paulus V. 6. §. 1. „Retinendae possessionis gratia comparata sunt interdicta, per quae eam possessionem, quam jam habemus, retinere volumus: quale est uti possidetis de rebus soli, et Utrubi de re mobili.“ Vielleicht liesse sich von dieser Ansicht aus sogar die Leseart possidet bei Gaius Lib. 4. §. 150. p. 238. lin. 5. vertheidigen, die in der Ausgabe auf meinen Vorschlag in possedit verwandelt worden ist (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 147. A. d. H.

(2) Paulus V. 6. §. 5. „De navi vi dejectus hoc interdicto (de vi) experiri non potest: sed utilis ei actio de rebus recuperandis, exemplo de vi bonorum raptorum, datur. Itemque de eo dicendum est, qui carruca, aut equo dejicitur ... “ – Eine ähnliche Stelle bei Ulpian


(418) Vierter Abschnitt. Interdicte.

utrubi ist retinendae poss., nur wird dabei durch eine besondere Fiction (1) der Besitz der major anni pars für den gegenwärtigen Besitz genommen (2). Ist nun der Kläger nicht zugleich gegenwärtiger Besitzer, so liegt die formelle Verletzung in der gegenwärtigen Verweigerung der Sache. Ob der Gegner vorher etwa mit Gewalt dem Kläger den Besitz genommen, oder ob er ihn auf untadelhafte Weise erlangt hatte, ist dabei ganz gleichgültig. Beides (ich meine die major anni pars und die Gewaltthätigkeit) kann coincidiren, aber dieses Zusammentreffen ist bloss zufällig (3), wodurch denn die wesentliche Verschiedenheit unseres Interdicts von den Interdictis recuperandae poss. recht klar wird (4). – Indessen soll damit nicht geleugnet werden, dass dieses an sich zufällige Zusammentreffen dennoch in den meisten Fällen wirklich stattfinden mag, so dass dann dieses Interdict für den praktischen Erfolg zugleich denselben

(L. 1. §. 6. de vi) ist um deswillen weniger entscheidend, weil dabei immer eine Interpolation möglich wäre.

(1) Diese Fiction, folglich die ganze Eigenthümlichkeit des alten Int. utrubi, würde uns wahrscheinlich sehr natürlich, wohl gar nothwendig vorkommen, wenn wir den ganzen Römischen Process im Zusammenhang kennten (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 148. A. d. H.

(2) Ich finde diese Ansicht schon bei Wieling fragment. edicti perpet. Franequ. 1733. 4. p. 325. 326.: „duplex fuisse hoc interdictum videtur: unum prohibitorium, cujus verba hoc tit. referuntur: alterum restitutorium, quod omittitur ... ceterum retinendae magis possessionis hoc Interdictum fuisse, quam recuperandae, si proprie et ex arte loquamur: possessio enim, quae hoc Interdicto retineri dicitur, non est praesens, verum majoris anni partis: ita ut vere retineatur possessio, illa nempe majoris anni partis, quam dixi; sed recuperetur tantum praesens, si tempore interdicti mutata adpareat.“

(3) Daraus erklärt es sich, warum Paulus (l. c.) in dem Fall einer gewaltsamen Besitzentsetzung das Int. utrubi gar nicht nennt.

(4) Die nun im Text folgende Bemerkung ist in der 4. Ausgabe neu hinzugekommen.


(419) §. 39. Interdictum Utrubi.

Dienst leisten wird, wie wenn es recuperandae possessionis wäre. Dieses ist besonders noch aus folgendem Grund anzunehmen: Wenn mir wirklich der Besitz einer beweglichen Sache gewaltsam genommen wird, und ich nur noch binnen einem Jahr das Interdict gebrauche, so muss ich wegen der gleich folgenden exc. vitiosae poss. nothwendig gewinnen. Auch ist überhaupt dieser strengen Vertheidigung des int. utrubi als eines blossen int. retinendae possessionis lediglich ein theoretischer Werth beizulegen, indem unten (§. 40.) gezeigt werden wird, dass dieses Interdict im praktischen Erfolg als ein Surrogat des int. unde vi gebraucht wurde und werden sollte (1).

Bisher ist von den Bedingungen dieses Interdicts die Rede gewesen: die Wirkung desselben hat gar nichts Eigenthümliches. Also auch hier muss vorzüglich die Störung des Besitzes selbst verhindert (2), ausserdem aber auch für die vergangene Zeit Schadensersatz geleistet werden.

Endlich sind noch die Exceptionen bei diesem Interdict zu bestimmen. – Die erste gründet sich hier, wie bei dem Int. uti possidetis, auf die vitiosa possessio des Klägers (3), und es muss auch hier, wenn die Exception

(1) Es wäre daher mit dieser Ansicht wohl vereinbar, wenn die Römer, obgleich sie das Interdict vorzugsweise als retinendae possessionis behandeln, dasselbe doch in andern Stellen als ein int. duplex bezeichnet hätten, d. h. als ein solches, das nach Umständen bald retinendae bald recuperandae sein konnte. Ja ich halte es sogar für wahrscheinlich, dass bei ihnen auch diese Ausdrucksweise vorgekommen ist. Vgl. o. die Zusätze der 6. Ausg. zu §§. 35. u. 37. (Zusatz der 6. Ausg.)

(2) L. 1. pr. de utrubi ... „Vim fieri veto.“

(3) Hier kann man ebenso wie bei dem int. uti poss., und selbst noch unzweifelhafter sagen, dass der zu dieser Exception berechtigte Beklagte auch als Kläger durch dasselbe int. utrubi hätte gewinnen müssen; vgl. unten §. 41. (Zusatz der 5. Ausg., in der 6. modificirt.)


(420) Vierter Abschnitt. Interdicte.

gelten soll, die Gewalt etc. gegen den jetzigen Beklagten gebraucht worden sein. Für das neuere Recht hat auch dieser letzte Satz keinen Zweifel (1): und selbst für das ältere Recht ist es bloss ein seltsamer Einfall von Cuperus (2) gewesen, ihn zu leugnen. Seine Gründe sind diese: A. Paulus wiederholt nicht ausdrücklich die Worte „ab adversario“ (3), aber auf dieselbe Art hätte auch für das neuere Recht dieser Beweis geführt werden können, da auch in den Pandecten, und zwar in einer wahrscheinlich interpolirten Stelle (4) jene Worte fehlen. B. Ein argumentum a contrario (5), das offenbar noch viel schlechter ist, als jener erste Grund. Dagegen wird das ausdrückliche Zeugniss der Institutionen, welches gerade das ältere Recht betrifft (6), ganz übersehen, und es lässt sich kein Grund denken, warum dieses Zeugniss nicht als vollständiger Beweis sollte gelten können. Völlig entschieden wird die Sache durch Gajus (7). – Die zweite Exception bezog sich bei dem Int. uti possidetis auf die Verjährung (S. 411.); diese Exception scheint hier nicht zu gelten, weil sie weder in dem Edict

(1) §. 4. in fin. I. de interdict.

(2) de nat. poss. P. 2. C. 7. – Bei neueren Schriftstellern gilt dieser Einfall schon als historische Gewissheit.

(3) Paulus V. 6. §. 1. „Et in priore quidem (uti poss.) is potior est, qui redditi interdicti tempore nec vi, nec clam, nec precario ab adversario possidet. In altero vero (utrubi) potior est, qui majore parte anni retrorsum numerati nec vi, nec clam, nec precario possedit.“

(4) L. 1. §. 1. de utrubi.

(5) L. 2. uti poss. „Iusta enim an injusta adversus ceteros possessio sit, in hoc interdicto nihil refert.“ Also (schliesst Cuperus) macht es bei dem Int. utrubi allerdings einen Unterschied.

(6) §. 4. de interd. „Utrubi vero Interdicto is vincebat, qui majore parte ejus anni nec vi, nec clam, nec precario ab adversario possidebat. Hodie tamen ... “

(7) Gaius Lib. 4. §. 150.: „si vero de re mobili, tunc eum potiorem esse jubet, qui majore parte ejus anni nec vi, nec clam, nec precario ab adversario possedit.“


(421) §. 40. Interdictum de vi.

selbst (1), noch in den Institutionen (2) vorgeschrieben ist; in der That aber war sie im älteren Recht durch die besondere Zeitrechnung bei diesem Interdict absorbirt, im neueren Recht aber folgt ihre Gültigkeit aus der absoluten Gleichstellung beider Interdicte (3).

§. 40.

Eigene Quellen für die Int. de vi (*):

Cicero pro A. Caecina.

Cicero pro Tullio (in: Ciceronis orat. fragm. ed. Peyron. Stuttgard. 1824. 4. p. 96-109.).

Gaius Lib. 4. §. 154. 155.

http://t2.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcRMbUJhTQZiZsQQZ4ONo2ZHMxhmmEjLvUmZaApkpG7gfvhle1CRrhsIVzjb§. 6. I. de interdictis.

Digest. Lib. 43. Tit. 16.

Cod. Iust. Lib. 8. Tit. 4. 5.      s. die Einleitung.

Cod. Theod. Lib. 4. Tit. 22.

Schriftsteller:

Zu Erklärung der Rede des Cicero pro Caecina dienen ausser den notis variorum der Gräv’schen und Neapolitanischen Ausgabe der Reden einige specielle Editoren und Commentatoren dieser einzelnen Rede: Iac. Omphalius (Paris. 1535. 8.), Barth. Latomus (Argent. 1539. 8.) und Pet. Pellitarius (Paris. 1540. 4.).

Aber ungleich wichtiger und brauchbarer ist folgende Schrift:

Henr. Const. Cras. diss. qua spec. jpr. Ciceron. exhib.,

(1) L. 1. pr. §. 1. de utrubi.

(2) §. 4. I. de interd.

(3) Diese Bemerkung ist in der 4. Ausgabe neu hinzugekommen.

(*) Vgl. Anh. Num. 149. A. d. H.


(422) Vierter Abschnitt. Interdicte.

s. Ciceronem justam pro. A. Caecina causam dixisse ostenditur. Lugd. Bat. 1769. 4.

Eine gründliche Schrift, die nicht bloss von der Rede des Cicero handelt, sondern über das ganze Interdict sich verbreitet. Dass indessen Cicero eine gute Sache vertheidigt habe, ist auch durch diese Schrift nicht wahrscheinlicher geworden.

Ferd. Gotth. Fleck comm. binae de interd. unde vi et remediis spolii, Lips. 1797. 8. (s. die Einleit.). Nur der erste Theil des Buchs gehört hierher, und dieser erste Theil ist aus Cras abgeschrieben, Zusätze abgerechnet, die nicht von Bedeutung sind (*).

Wer durch Gewalt den Besitz verloren hatte, forderte ihn auf verschiedene Weise zurück, je nachdem die Gewaltthätigkeit mit oder ohne Waffen ausgeübt worden war. Man nimmt deshalb gewöhnlich zwei verschiedene Interdicte an, de vi quotidiana und de vi armata. Im Grunde aber war es nur ein einziges int. de vi, welches bald auf regelmässige Weise gebraucht wurde (int. de vi schlechthin, ohne Zusatz), bald mit einigen schärfenden Ausnahmen zum Nachtheil des Beklagten (int. de vi armata) (1). Die gewöhnliche, alltägliche Gewaltthätigkeit, worin ja der regelmässige Fall enthalten war, führte eben deshalb keinen besonderen Namen: Cicero nennt sie einmal, der schärferen Unterscheidung wegen, vis quotidiana, so wie das Interdict in diesem Fall quotidianum interdictum (2), was aber durchaus nur als eine beschreibende Bezeichnung, nicht als

(*) Vgl. Anh. Num. 150. A. d. H.

(1) Beide Fälle können mit einem mandatum cum clausula und sine clausula verglichen werden.

(2) Cicero pro Caecina Cap. 31. 32.


(423) §. 40. Interdictum de vi.

Kunstausdruck, verstanden werden darf. Völlig verschieden davon ist die alte Einleitung zu dem vollständigen Vindicationsprocess, deren Form hauptsächlich auf symbolischer Gewaltthätigkeit beruhte, nämlich auf der deductio quae moribus fit und den manus consertae, die von Gellius vis civilis und festucaria genannt werden (1). Hierin war alles nur Schein, nicht ernstlich, während jedem int. de vi eine wahre, ernstliche Gewalt zum Grunde lag, sie mochte nun mit oder ohne Waffen verübt sein. Unsere Juristen haben fast immer diese s. g. vis civilis mit der s. g. vis quotidiana auf irgend eine Weise verwirrt, und bald das int. de vi als ein Stück der manus consertae, bald umgekehrt die deductio quae moribus fit als einen zu den Interdicten gehörigen Ritus betrachtet, durch welche Verwechslungen die richtige Einsicht in diese Institute durchaus verhindert werden musste (2).

Die Unterscheidung der zwei Grade der Gewaltthätigkeit wurde bei dem int. de vi zu den Zeiten der klassischen Juristen noch beobachtet, aber da sie Justinian

(1) Gellius Lib. 20. Cap. 10. am Ende.

(2) Ich habe diesen Gegenstand in einer eigenen Abhandlung erörtert: Zeitschrift für geschichtl. Rechtswiss. Bd. 3. S. 421. fg., in welcher ich jedoch stets den symbolischen Process im Anfang der Vindication mit dem lis vindiciarum bezeichnet habe, den ich jetzt nach Gaius Lib. 4. §. 16. 91. 94. für völlig verwerflich halte. – Zur Entschuldigung der oben im Text gerügten Verwechslungen dient es, dass in der That zuweilen das Interdict und die manus consertae zu ähnlichen Zwecken gebraucht werden konnten. Wollte nämlich jemand ein Grundstück vindiciren, woraus er dejicirt war, so konnte er sogleich durch die manus consertae den Besitzstand zum Zweck der Eigenthumsklage reguliren lassen, und er wurde auch dabei wahrscheinlich wieder vorläufig in Besitz gesetzt: er konnte aber auch mit dem Interdict anfangen, und dann war die etwa noch nachfolgende symbolische Handlung eine blosse Formalität, indem nun alles schon in dem Interdictsprocess wirklich entschieden war, was zur Vorbereitung der Eigenthumsklage diente.


(424) Vierter Abschnitt. Interdicte.

nicht mehr kennt (1), so würden Wir selbst die Spuren jenes älteren Rechts in den Fragmenten der Juristen (2) nicht mit Sicherheit unterscheiden können, wenn uns nicht bei Cicero ziemlich genaue Nachrichten von demselben übrig geblieben wären. Im neuesten Recht also giebt es nur Eine Regel für das Int. de vi (3), und diese richtet sich theils nach der vis armata, theils nach der sogenannten vis quotidiana des alten Rechts; da indessen auch in dem älteren Recht die Verschiedenheit nur einzelne Rechtssätze betraf, so wird es hinreichend sein, bei der Darstellung des neuesten Rechts bloss diese Abweichungen zu bemerken.

Die erste Bedingung dieses Interdicts ist die, dass der Kläger juristischen Besitz zur Zeit der Dejection wirklich gehabt habe (4). Für das neueste Recht kann

(1) Nur Ein Unterschied steht wirklich in den Pandekten: Kinder und Freigelassene sollen das Int. de vi armata gegen ihre Eltern und Patronen haben, das gewöhnliche Int. de vi nicht, sondern an dessen Stelle eine actio in factum (L. 1. §. 43. de vi.). In zwei andern Stellen aber wird ihnen das Interdict allgemein abgesprochen (L. 2. §. 1. L. 7. §. 2. de obsequ.), und ohnehin war schon zu Justinian’s Zeit der Unterschied zwischen Interdict und actio eine blosse Antiquität.

(2) Auf den Fall der s. g. vis quotidiana geht L. 1. de vi, auf den der vis armata aber L. 3. de vi (Cuiac. in Paul. V. 6. §. 3.). Auch erklärt sich daraus die Rubrik der Pandekten: „de vi et de vi armata.“ – Die Spuren der einzelnen Rechtssätze werden unten vorkommen.

(3) Dieses int. de vi beruht nun noch jetzt auf der einfachen Regel des Edicts: unde illum vi dejecisti, id illi restituas. Auf diese Formel des Interdicts bezog sich der Ausdruck in der Antwort des Beklagten. Dieser mochte das factum des Klägers (z. B. die dejectio) leugnen, oder sich auf eine Exception berufen, immer drückte er das so aus: „se illum restituisse.“ Cicero pro Caecina Cap. 8. cf. Cap. 19. 21. 28. 29. 32. – In den Pandekten ist aus dem restituas des Edicts gemacht worden: judicium dabo. Vgl. Zeitschr. f. g. Rwiss. B. 3. S. 306.

(4) Ueber den Beweis dieser Thatsache gilt auch hier der o. (S. 384. f.)


(425) §. 40. Interdictum de vi.

an der Richtigkeit dieser Bestimmung nicht gezweifelt werden, da unsere Rechtsquellen eben so deutlich sagen, dass der Besitz überhaupt nöthig, als dass civilis possessio unnöthig sei, wenn dieses Interdict gebraucht werden soll (1). Desto schwerer ist diese Frage für das ältere Recht zu beantworten. Cicero sagt ausdrücklich, das Int. de vi armata sei gar nicht durch Besitz bedingt (2), und diese Behauptung ist wohl einer nähern Erwägung werth. Der Fall, in welchem Cicero als Advocat des Klägers auftritt, ist kurz dieser: Cäcina behauptet, ein Stück Land geerbt zu haben, Aebutius macht aus andern Gründen auf das Eigenthum Anspruch; Cäcina will in das Grundstück hinein gehen, wird aber von Aebutius und einem Haufen bewaffneter Leute mit Gewalt zurück gehalten. Höchst wahrscheinlich war Cäcina noch gar nicht im Besitz gewesen, denn Cicero sagt zwar, dass er besessen habe, aber diese Behauptung, die unter allen die entscheidendste gewesen wäre, kommt ganz zuletzt, nur mit zwei Worten, und gleichsam zum Ueberfluss vor (3), so dass es offenbar seine Absicht war, sie in Schatten zu stellen: und doch findet sich in diesen wenigen Worten mehr als Eine Spur, woraus gerade das Gegentheil jener Behauptung geschlossen werden kann (4).

für die possessorischen Klagen überhaupt aufgestellte Grundsatz.

(1) L. 1. §. 9. 10. 23. de vi. L. 4. §. 28. de usurp. – Es ist jedoch hier zu bemerken, dass in neueren Zeiten vielfältig die Meinung vertheidigt worden ist, der Besitz bei dem Int. de vi sei ein anderer und leichterer, als der bei dem Int. uti possidetis; namentlich die blosse Detention des Miethers, Commodatars u. s. w. gebe schon ein Recht auf das Int. de vi. Vgl. oben den Zusatz am Schluss des §. 10. (Zus. der 6. Ausg.)

(2) pro Caec. Cap. 31. 32.

(3) pro Caec. C. 32.

(4) Vorzüglich wichtig sind die Worte: „Caesenniam possedisse propter usumfructum non negas“ (s. o. S. 287.), denn dadurch wird das folgende: „Caecina ... venit in istum fundum, rationes a colono accepit, sunt in eam rem testimonia“


(426) Vierter Abschnitt. Interdicte.

Wenn nun Cäcina in der That nie den Besitz gehabt hatte, so konnte seine Sache bloss dadurch gewonnen werden, dass der Richter den Besitz überhaupt zu diesem Interdict nicht für nöthig hielt: folglich war es die Aufgabe seines Advocaten, diesen falschen Satz so wahrscheinlich als möglich zu machen, Cicero hat das wirklich gethan, und er kann also nicht als historische Autorität aufgeführt werden (1). Ein Ausdruck in jener Stelle bedarf indessen einer nähern Erklärung: „Cur ergo aut in illud quotidianum interdictum, unde ille me vi dejecit, additur, cum ego possiderem: si dejici nemo potest, qui non possidet: aut in hoc interdictum, de hominibus armatis, non additur, si oportet quaeri, possederit, nec ne?“ Cicero beruft sich hier auf den Gerichtsstyl, dieser war allgemein bekannt, also muss doch Etwas dabei zum Grunde liegen, was nur etwa falsch ausgelegt wurde. Vielleicht lässt sich die Sache so erklären: das Int. de vi wurde gewöhnlich, d. h. wenn keine Waffen gebraucht waren, in dieser Formel gefordert: „unde ille me vi dejecit, cum ego nec vi, nec clam, nec precario ab illo possiderem“ (2). Der ganze Zusatz also enthielt bloss die

ganz unbedeutend und enthält durchaus keine Apprehension des Besitzes, indem bloss für das Vergangene abgerechnet worden war. Selbst Cras (p. 30.) findet die Worte „propter usumfructum“ so bedenklich, dass er sie wegstreicht, was zwar durch das Beispiel mehrerer Editoren, aber durch keine Handschrift unterstützt wird (s. die Note von Beck in opp. vol. 2. T. 2. pag. 308. ed. Lips. 1800. 8.).

(1) Auch Cras (p. 35.) wagt es bei dieser einzigen Stelle nicht, den Redner zu vertheidigen, und er begnügt sich, ausführlich zu beweisen, dass wegen Eines schlechten Grundes nicht gerade die ganze Sache für schlecht gehalten werden dürfe. – Dieselbe Meinung von dieser Stelle hatte schon Giphanius in Cod. tit. unde vi (expl. Cod. P. 2. p. 276.).

(2) Dieses folgt: 1. Aus Cicero pro Caecina C. 32. „ ... ne id quidem satis est, nisi docet ita se possedisse, ut nec vi, nec clam, nec precario possederit.“ 2. Aus einer Stelle der Lex agraria v. XVIII.


(427) §. 40. Interdictum de vi.

bekannten drei Exceptionen, und das „cum ego possiderem“ stand hier dieser Exceptionen wegen, nicht um den Besitz überhaupt zu bezeichnen, der ja schon durch das „unde me dejecisti“ deutlich genug ausgedrückt war (1). Waren Waffen gebraucht worden, so galten die Exceptionen überhaupt nicht, folglich wurde auch in der Formel der ganze Zusatz („cum ego ... possiderem“) weggelassen, ohne dass hier der Besitz zur Begründung des Klagrechts weniger nöthig gewesen wäre. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass Cicero jene Auslassung benutzte, um eine Folge daraus zu ziehen, die eben so unrichtig, als für die Sache des Cäcina unentbehrlich war. – Unsere Juristen haben meistens die Behauptung des Cicero für wahr genommen, und so erklärt, als ob die blosse Detention, ohne juristischen Besitz, Bedingung des Interdicts im Fall der Waffen gewesen wäre (2): allein dieser Unterschied wird nicht nur nicht ausdrücklich von Cicero angegeben, sondern er kann ihn auch unmöglich gemeint haben, denn Cäcina war nicht etwa ein Pachter, dem nur der juristische Besitz der Sache abgeleugnet worden wäre, sondern er hatte entweder juristischen Besitz, oder nicht einmal die blosse Detention, so dass hier auf jenen Unterschied gar nichts ankommen konnte. Da nun für Uns die Stelle des Cicero die einzige Nachricht von der ganzen Sache enthält, so ist

(Mommsen Corp. inscr. Latinarum Vol. I. p. 80. [Zus. des Herausg.]): „quod ejus is quei ejectus est possederit, quod neque vi neque clam neque precario possederit ab eo, quei eum ea possessione vi ejecerit.“

(1) Eine Bestätigung dieser Ansicht liegt auch noch in Cicero pro Tullio C. 44.: „deinde additur illius causa quicum agitur cum ille possideret, et hoc amplius, quod nec vi nec clam nec precario possideret.“ (Zusatz der 5. Ausg.)

(2) So z. B. Cuiacius in Paul. V. 6. §. 3., und: in L. 18. de vi (lib. 26. quaest. Papin., opp. IV. p. 652. – Hier scheint der Satz sogar als geltendes Recht behandelt!).


(428) Vierter Abschnitt. Interdicte.

es ein völlig willkührliches Verfahren, jenen Unterschied dennoch dabei zum Grunde zu legen. Westphal (1) vermeidet glücklich alle diese Schwierigkeiten: Er hält die Behauptung des Cicero für wahr, nimmt sie ganz buchstäblich, und erklärt folglich das Int. de vi armata zugleich für ein Int. adipiscendae und recuperandae possessionis (*).

Die zweite Bedingung dieses Interdicts ist gewaltsame Verletzung des Besitzes. Auch ist hier nicht, wie bei den vorigen Interdicten (S. 400. f.), jede Gewalt überhaupt hinreichend, sondern es muss „atrox vis“ (2) sein. Atrox vis aber bezeichnet nicht etwa eine besonders grobe Gewaltthätigkeit, wie z. B. Misshandlung oder Verwundung (3), sondern nur eine solche Gewalt, wodurch die Fortsetzung des Besitzes unmöglich gemacht wird (4). Diese ist eben darum unmittelbarer und

(1) Arten der Sachen etc. §. 245.

(*) Vgl. Anh. Num. 151. A. d. H.

(2) L. 1. §. 3. de vi „Ad solam autem atrocem vim pertinet hoc interdictum.“ Westphal (§. 275.) übersetzt das so: „eine ziemliche Gewalt.“ Er hätte sie besser „eine unziemliche Gewalt“ genannt.

(3) Deswegen steht folgende Stelle des Cicero gar nicht mit unserer Regel im Widerspruch (pro Caec. Cap. 16., p. 274.): „Cum de jure et legitimis hominum controversiis loquimur, et in his rebus vim nominamus, pertenuis vis intelligi debet.“

(4) L. 1. §. 29. de vi „ ... Pomponius ait, vim (sc. in hoc interdicto) sine corporali vi locum non habere“ (s. o. S. 346.). Ulpian leugnet gar nicht diesen Satz, sondern er bestimmt nur seine Anwendung. Nämlich ob die corporalis vis wirklich ausgeübt, oder nur gedroht und vermieden wird, das soll keinen Unterschied machen: bei dem Int. uti possidetis war nicht einmal das letzte nöthig. – Ein zweiter Beweis für jene Erklärung der atrox vis liegt in L. 3. §. 1. quod metus: „ ... Vim accipimus atrocem, “ nämlich in dem Edict: quod metus causa; in anderen Stellen aber wird die Gewalt, von welcher in diesem Edict die Rede ist (also die vis atrox), so erklärt: „vis enim fiebat mentio, propter necessitatem impositam contrariam voluntati“ (L. 1. eod.) und: „Vis autem est majoris rei impetus, qui repelli non potest“ (L. 2. eod.).


(429) §. 40. Interdictum de vi.

vollständiger gegen die Person gerichtet, als die zu den Int. retinendae possessionis erforderliche bloss störende Gewalt (§. 37.), und insofern kann man sie stets auch als einen höheren Grad der Gewalt betrachten, obgleich beide Arten der Gewalt das mit einander gemein haben, dass sie den Willen des Besitzers von aussen bestimmen, also die Freiheit der Person verletzen (1). Die unmittelbar persönliche Gewaltthätigkeit also ist die Bedingung, wodurch sich hier das Interdict von dem Int. retinendae possessionis unterscheidet. Ob Waffen zu der gewaltsamen Störung des Besitzes gebraucht worden sind oder nicht, ist nach dem neueren Recht ganz gleichgültig.

Dritte Bedingung: die Gewaltthätigkeit muss von dem Beklagten selbst verübt worden sein. – Diese Regel hat indessen mehrere Ausnahmen: A. Derjenige, mit dessen Willen die Handlung geschehen ist, z. B. indem er einem andern den Auftrag dazu gab, hat dieselbe Verbindlichkeit, wie der Handelnde selbst. – Die Geschichte dieses Satzes ist folgende (2). Ursprünglich lautete das Interdict so: unde tu ... dejecisti. Diese Fassung missbrauchten manche Beklagte, indem sie behaupteten, die Dejection sei nicht von ihnen selbst, sondern von Anderen (obgleich auf ihren Auftrag) geschehen. Um dieser Chicane zu begegnen, setzten die Prätoren eine zweite Formel in das Edict mit dieser Fassung: unde dolo malo tuo ... vi detrusus est, welche diesen Fall ausdrücklich in sich schloss, und der Kläger hatte nun zwischen der alten und neuen Formel die Wahl (3).

(1) Die hier im Text enthaltene Darstellung ist in der 6. Ausgabe neu hinzugekommen.

(2) Dieser Zusatz ist in der 5. Ausgabe hinzugekommen.

(3) So erzählt die Sache ausführlich Cicero pro Tullio C. 29. 30. 44. 46. Die ältere Formel steht Cap. 44., die neuere Cap. 29.; sie war von ihm wiederholt worden


(430) Vierter Abschnitt. Interdicte.

Späterhin interpretirte man aber das ursprüngliche dejecisti so, dass auch das dejici fecisti mit darin enthalten sei, so dass nun die erwähnte Vorsicht überflüssig, und die ältere Formel hinreichend war (1). B. Der Erbe ist nur insoweit verbunden, als er selbst vermittelst jener Handlung etwas bekommen hat (in id quod ad eum pervenit) (2), oder ohne seinen dolus bekommen haben würde (3). Nicht so der genannte singularis Successor, z. B. der Käufer des Hauses, aus welchem die dejectio geschehen ist: denn dieser steht in gar keiner Verbindlichkeit (4). – C. War die Gewalt von Sclaven ausgeübt worden, und zwar ohne Willen des Herrn (s. o. A.), so hatte der Herr eine zweifache Verbindlichkeit: Er musste erstens das Interdict selbst, wie jede andere actio ex delicto, als Noxalklage übernehmen, und zweitens herausgeben, was er durch die Gewaltthätigkeit seiner Sclaven hinterher erworben hatte (id quod ad eum pervenerat) (5). Diese zweite Verbindlichkeit gilt sogar noch viel allgemeiner, nämlich in allen Fällen überhaupt, in welchen Wir unmittelbar durch die Gewaltthätigkeit, die ein Anderer in unserem Namen verübt hat, oder auch nur ein solcher, der in Abhängigkeit von uns steht, Etwas erworben haben (6).

Cap. 46., wo jedoch die Handschrift eine Lücke hat. Cap. 46. ist also blosse Wiederholung von Cap. 29., und es würde ganz irrig sein, wenn man jenes von dem int. de vi armata erklären wollte.

(1) L. 1. §. 12-15., L. 3. §. 10-12. de vi.

(2) L. 1. §. 48., L. 3. pr. L. 9. pr. de vi, L. 11. C. de poss.

(3) L. 2. de vi.

(4) L. 3. §. 10. uti possidetis.

(5) L. 1. §. 11. §. 15-19. §. 21. de vi.

(6) Anwendungen: A. L. 4. de vi: „Si vi me dejecerit, qui nomine municipum, in municipes mihi interdictum reddendum Pomponius scribit: si quid ad eos pervenit.“ – B. L. 1. §. 20. de vi: „Si filiusfamilias vel mercenarius vi dejecerit, utile interdictum competit.“ (Nämlich gegen den conductor des Sclaven, oder gegen den Vater,


(431) §. 40. Interdictum de vi.

Viertens: Durch die gewaltsame Handlung muss der Besitz verloren sein (1), d. h. die Handlung selbst muss als dejectio betrachtet werden können (2). In welchen Fällen überhaupt durch körperliche Handlung (corpore) der Besitz verloren werde, ist oben untersucht worden. In allen diesen Fällen also kommt es bloss darauf an, ob fremde Gewalt die Ursache des Verlustes war, und diese Bestimmung wird gewöhnlich keine Schwierigkeit haben. So z. B. ist es ganz gleichgültig, ob die Gewalt wirklich ausgeübt, oder aus einer gegründeten Furcht vermieden wird, vorausgesetzt, dass die Gefahr keine zukünftige, sondern eine unmittelbar gegenwärtige war (3): eben so, ob der Besitzer aus seinem Hause herausgeworfen, oder hinein zu gehen abgehalten wird (4): und, diese beiden Regeln zusammen gefasst, ist es sehr klar, dass der Besitzer, dessen Haus in seiner Abwesenheit besetzt wird, als dejectus das Interdict gebrauchen kann, wenn er gleich nicht einmal den Versuch macht, seinen Besitz mit Gewalt zu behaupten (5). Dagegen ist das Interdict nie begründet, wenn durch Tradition der Besitz übertragen wird; selbst wenn die Tradition durch Furcht bewirkt worden ist, können andere Klagen begründet

und zwar in id quod pervenit, denn davon war in den vorhergehenden Worten die Rede gewesen. – L. 16. de vi gehört noch nicht hierher).

(1) L. 1. §. 45. de vi (s. o. S. 178).

(2) Dejicere war schon zur Zeit des Cicero technischer Ausdruck: vorher detrudere. Cic. pro Caec., Cap. 17., was aber auch noch in L. 4. §. 27. de usurp. vorkommt.

(3) So sind die scheinbar widersprechenden Stellen zu vereinigen (s. o. S. 346.).

(4) „Ex aliquo loco“ und „ab aliquo loco dejicere“: beides zusammen ausgedrückt durch „unde dejecisti.“ Cic. pro Caec. Cap. 30. 31.

(5) s. o. S. 350. Note 1., und vorzüglich L. 3. §. 8. 9. de poss. (s. o. S. 371. etc.).


(432) Vierter Abschnitt. Interdicte.

sein (1), das Interdict ist es nicht (2). – In den meisten Fällen also wird selbst die Anwendung des Begriffs der dejectio keine Schwierigkeit haben: Ein Fall muss indessen noch besonders bestimmt werden. Wer durch Gewalt den Besitz verliert, und unmittelbar darauf wieder mit Gewalt den Besitz occupirt, hat den Besitz eigentlich nie verloren (3): Es wird also nicht als eine doppelte dejectio betrachtet, sondern als Eine, ungetheilte Handlung, wodurch der vorige Besitzer seinen Besitz mit Gewalt vertheidigte. Das praktische Interesse dieser Ansicht ist bedeutend: enthielte die Handlung eine doppelte dejectio, so könnte die Rechtlichkeit der zweiten dejectio nur durch eine Exception gegen das Interdict des Andern behauptet werden, und diese Exception selbst gilt im neueren Recht gar nicht mehr (4): nach jener

(1) L. 9. pr. quod metus (Ulp. lib. 11. ad Ed.) „ ... Sed et si per vim tibi possessionem tradidero: dicit Pomponius hoc (huic) Edicto (sc. quod metus) locum esse.“

(2) L. 5. de vi (Ulp. lib. 11. ad Ed.): „Si rerum“ (Accurs. al. incipit „si metu“ et al. si rerum“) „tibi possessionem tradidero, dicit Pomponius, unde vi interdictum cessare: quoniam non est vi dejectus, qui compulsus est in possessionem inducere.“ – Cras (p. 18. not. 1.) vermuthet mit vieler Wahrscheinlichkeit, dass diese und die vorige Stelle (L. 9. quod metus) nur Eine Stelle gewesen seien, folglich in der unsrigen gelesen werden müsse: „Si per vim“ etc. (Vgl. Dirksen Abhandl. I. 451.)

(3) L. 17. de vi. „Qui possessionem vi ereptam, vi in ipso congressu recuperat, in pristinam causam reverti potius quam vi possidere intellegendus est: ideoque si te vi dejecero, ilico tu me, deinde ego te: unde vi interdictum tibi utile erit.“ Die Anwendung in den letzten Worten kann erst bei den Exceptionen erklärt werden.

(4) L. 3. §. 9. de vi sagt zunächst nichts anderes als: „eine solche Handlung des vorigen Besitzers ist rechtlich“, welche Rechtlichkeit denn auch durch die Exception erklärt werden könnte, so dass daraus nicht auf jene Regel geschlossen werden müsste. Allein da bei der vis armata, wovon in dieser Stelle die Rede ist, die Exception gar nicht galt, und da die Beschränkung „sed hoc confestim, non ex intervallo, “ bei der Exception ganz falsch wäre, so ist dennoch


(433) §. 40. Interdictum de vi.

Ansicht hingegen ist eine Exception unnöthig, weil das Factum (dejectio) fehlt, wodurch allein das Interdict begründet sein könnte, und die Rechtlichkeit der Handlung ist eine blosse Folge des allgemeinen Rechts der Vertheidigung (1). Eine wichtige Anwendung dieser Regel betrifft den Besitz der Grundstücke, die in Abwesenheit des Besitzers occupirt werden (S. 348. etc.). Denn wenn der Besitzer in das Grundstück zurückzukehren durch Gewalt verhindert wird, so hat er nun erst, und zwar durch dejectio, den Besitz verloren (2): gelingt es ihm also umgekehrt, seinen Gegner zu vertreiben, so ist überhaupt keine dejectio vorgefallen, und der vorige Besitz ist nie verloren, sondern nur vertheidigt worden, so dass an der Rechtlichkeit dieser Handlung nicht gezweifelt werden kann.

Die fünfte Bedingung des Interdicts betrifft den Gegenstand des Besitzes: es muss eine unbewegliche Sache sein, wenn das Interdict gelten soll (3). Da nun bei beweglichen Sachen derselbe Grund vorhanden ist, den blossen Besitz zu schützen, wie bei unbeweglichen, so wäre es eine Inconsequenz, wenn nicht auch dabei ein Interdict oder eine andere Klage möglich wäre, wodurch das Int. de vi ersetzt werden könnte. Ulpian nennt drei andere Klagen, durch welche das Int. de vi bei beweglichen Sachen entbehrlich werde: die actio furti, actio vi bonorum raptorum, und actio ad exhibendum (4). Die

die Stelle nicht anders, als durch jene Regel, zu erklären, so dass sie eben sowohl, als L. 17. de vi, den Beweis dieser Regel enthält.

(1) L. 1. §. 27. 28. de vi.

(2) L. 6. §. 1. de poss.

(3) L. 1. §. 3-8. de vi. Paulus V. 6. §. 5.

(4) L. 1. §. 6. de vi: „Illud utique in dubium non venit, interdictum hoc ad res mobiles non pertinere. Nam ex causa furti, vel vi bonorum raptorum actio competit: potest et ad exhibendum agi.“ [Zusatz der 4. Ausg.] Nach einer Mittheilung von Hugo, die nur zum Theil in den Gött. Anz. 1818. S. 1556. steht, nehme ich folgende


(434) Vierter Abschnitt. Interdicte.

actio furti aber, wie das furtum selbst, durch dessen Dasein sie bedingt ist, setzt Umstände voraus, auf welche bei dem blossen Besitze nichts ankommt: den lucri animus nämlich, die contrectatio, und in der Person des Klägers selbst ein Interesse, das durch ein anderes Recht begründet ist (1): dasselbe gilt von der conditio furtiva, die in jener Stelle gar nicht genannt ist. Die actio vi bonorum raptorum ist auch durch ein solches rechtliches Interesse bedingt (2), und zugleich durch die Absicht des Räubers, ein solches Recht (ausser dem blossen Besitze) zu verletzen (3). Die actio ad exhibendum endlich kann zwar auch ohne Rücksicht auf eine andere Klage gebraucht werden, allein dasselbe Interesse, was bei den vorigen Klagen erfordert wurde, ist auch hier nöthig (4). Demnach finden sich bei jeder dieser drei Klagen Bedingungen, die in dem Rechte des Besitzes nicht enthalten sind, und es lassen sich folglich Fälle denken, in welchen das Recht des blossen Besitzes gewaltsam verletzt ist, ohne dass irgend eine Klage gegeben ist, obgleich das Int. de vi sicher begründet sein würde, wenn der Gegenstand des Besitzes eine unbewegliche Sache gewesen wäre. Diese Lücke zu erklären, dient nun zuvörderst die oben (S. 197. f. 201. f.) versuchte Ableitung

Erklärung der Stelle an. Ex causa heisst „nach Umständen“ (L. 28. §. 1. ad L. Aquil.) und darf nicht mit furti zusammen construirt werden; der ganze Sinn ist dieser: „nach Umständen gilt a. furti, oder vi bon. rapt., auch wohl a. ad exhibendum.“ Dass die a. furti nicht rei persecutoria ist, hindert nichts, denn zum Ersatz des Interesse war sie ja doch mehr als hinreichend. Vollständig ist die Aufzählung ohnehin nach keiner Erklärung.

(1) L. 53. §. 4. L. 71. §. 1. de furtis.

(2) L. 2. §. 22-24. vi bon. rapt. – §. 2. I. eod. Nur wird es in einigen Fällen weniger streng damit genommen, als bei dem furtum.

(3) L. 2. §. 18. vi bon. rapt. – §. 1. I. eod.

(4) L. 3. §. 9. 10. 11. ad exhibendum (S. 414.).


(435) §. 40. Interdictum de vi.

der Interdicte aus der allgemeinen Geschichte des Besitzes. Indessen möchte diese Hypothese vielleicht von vielen nicht angenommen werden, Andere könnten glauben, dass durch sie nicht alles erklärt sei, indem wenigstens bei dem Uebergang des Besitzes in seine gegenwärtige Gestalt auch für alle dabei vorkommende Bedürfnisse hätte gesorgt werden müssen. Deshalb soll nun noch eine Erklärung jener Lücke aus unsern bekannten Rechtsquellen versucht werden. Jene drei Klagen, welche Ulpian als Surrogate des Interdicts bei beweglichen Sachen anführt, sind älter als die Interdicte, folglich waren durch sie die meisten Fälle des verlornen Besitzes beweglicher Sachen erschöpft, als die Interdicte eingeführt wurden. Die Interdicte aber, wie das ganze Edict, wurden nicht durch Räsonnement, sondern durch Bedürfnisse veranlasst, und es war daher sehr natürlich, dass man bei beweglichen Sachen nicht um einiger seltenen Fälle wegen ein eigenes Int. recuperandae possessionis erfand, wenn gleich eine strenge Consequenz auch hier darauf geführt haben müsste, das Recht des blossen Besitzes zu schützen. Die Richtigkeit dieser Ansicht wird durch folgenden Umstand bestätigt. Wer als Repräsentant eines Andern den Besitz einer beweglichen Sache ausübt, kann dem Besitzer untreu werden, und selbst den Besitz der Sache erwerben: allein das Römische Recht bestimmt ausdrücklich, dass dieser Erwerb und Verlust des Besitzes nur durch eine solche Handlung des Repräsentanten vor sich gehen könne, worin zugleich ein furtum enthalten sei (1). Ein Grund dieser Ausnahme mag darin liegen, dass der Besitz nicht eher verloren sein soll, bis die Sache als res furtiva der Usucapion entzogen sei: allein ein zweiter Grund, der noch allgemeiner ist als der erste, scheint hierher zu gehören.

(1) L. 4. §. 18. de poss. (S. 364. 365.).


(436) Vierter Abschnitt. Interdicte.

Der Besitzer nämlich soll nicht früher den Besitz (also das Int. utrubi) verlieren, bis er zugleich durch das furtum des Repräsentanten eine neue Klage erworben hat, so dass also diese Bestimmung darauf ausgeht, die Fälle zu beschränken, in welchen das Recht des Besitzes einer beweglichen Sache verletzt wird, ohne dass der vorige Besitzer wegen dieser Verletzung klagen kann.

So erklärt sich die Sache, wenn man auch strenge bei der Ansicht stehen bleibt, die durch die angegebene Stelle des Ulpian aufgestellt ist. Sieht man aber von dem Inhalt dieser Stelle ab, und auf den wirklich unleugbaren Zusammenhang des älteren Rechts, so erklärt sich alles noch viel vollständiger und befriedigender aus der älteren Gestalt des int. Utrubi, da durch dieses der Zweck wirklich erreicht wurde, für welchen wir gegenwärtig ein Interdict vermissen (S. 419). Denn mit jenem Interdict sollte Jeder gewinnen, der den Besitz einer beweglichen Sache länger als sein Gegner binnen dem letzten Jahre gehabt hätte; bei dieser Vergleichung der beiden Besitzeszeiten aber sollte kein Theil einen vitiösen Besitz in Anrechnung bringen dürfen (1). Wer demnach aus dem Besitz einer beweglichen Sache mit Gewalt verdrängt war, musste nur innerhalb eines Jahres klagen, dann war er gewiss zu gewinnen; denn nun war sein Besitz gewiss länger als der des Gegners, weil dessen Besitz wegen des gewaltsamen Anfangs gar nicht zählte. In der That erfüllte also jenes Interdict bei beweglichen Sachen zugleich vollständig den Zweck, für welchen das int. de vi bei Grundstücken bestimmt war, wenn man nur die einjährige Verjährungszeit beobachtete. Auch wird man nicht diese Ansicht dadurch widerlegen wollen, dass

(1) Gaius Lib. 4. §. 150: „si vero de re mobili, tunc eum potiorem esse jubet, qui majore parte ejus anni nec vi, nec clam, nec precario ab adversario possedit (possidet)“.


(437) §. 40. Interdictum de vi.

Ulpian in der oben angeführten Stelle das int. Utrubi, welches daselbst vor allem zu erwarten war, dennoch nicht nennt, denn da im Justinianischen Recht dieses Interdict eine ganz andere Natur erhalten hat, so war es sehr natürlich, dass jede Beziehung der alten Juristen auf dessen frühere Gestalt in den Pandekten weggestrichen wurde (1). – Nach dieser Darstellung scheint es also, dass die erwähnte Lücke zwar im älteren Recht nicht vorhanden war, wohl aber im Justinianischen Recht durch die Umänderung des int. Utrubi entstanden ist. Allein selbst dieses lässt sich nicht behaupten, indem schon lange vor Justinian von einer andern Seite her für diesen Zweck gesorgt war. Denn das int. de vi selbst war von seiner ursprünglichen Beschränkung auf Grundstücke längst befreit worden, und es muss im Justinianischen Recht auf bewegliche und unbewegliche Sachen ohne Unterschied angewendet werden.

Valentinian nämlich verordnete, dass die gewaltthätige Besitznahme jeder Sache überhaupt eine zweifache Folge haben sollte: erstens Restitution des Besitzes, und zweitens (als Strafe der Verletzung) Verlust des Eigenthums, oder, wenn der Verletzer nicht Eigenthümer sei, Bezahlung einer Summe, die dem Werthe des Eigenthums gleich sei (2). Bloss die erste dieser zwei

(1) Diese Erklärung aus dem int. Utrubi ist in der 4. Ausgabe neu hinzugekommen.

(2) L. 3. C. Th. unde vi – L. 7. C. I. eod. (Bloss die Veranlassung war speciell, das Gesetz selbst war gleich anfangs allgemein), §. 1. I. de vi bon. rapt., §. 6. I. de interd. – Blosse Anwendungen sind: L. 34. C. de loc. – L. 10. C. unde vi. – Nov. Theod. (Valent.) Tit. 19. (bei Ritter pag. 56.). – Verwandte Rechtssätze kommen vor in L.12. §. 2. L. 13. quod metus causa. – L. 7. ad L. Jul. de vi priv. – Frühere Spur desselben Rechtssatzes: L. 2. C. Th. fin. reg. – L. 4. C. I. eod. – Hauptschriftsteller für die historische Erklärung: J. Gothofred zu den angeführten Stellen des Cod. Theod.


(438) Vierter Abschnitt. Interdicte.

Obligationen gehört hierher, und darin ist eine reine Ausdehnung des Int. de vi auf bewegliche Sachen enthalten. Dass die Gesetzgeber selbst die Sache so betrachten, d. h. als blosse Modification des alten Int. de vi, zeigt nicht nur die Verbindung mit dem Interdict, in welcher dieser Satz in den Quellen selbst vorgetragen wird (1), sondern auch besonders der Umstand, dass die Bedingungen seiner Anwendung durchaus nicht näher bestimmt werden, was bei der Wichtigkeit dieses Satzes, so wie der andern damit verbundenen Folge durchaus unbegreiflich wäre, wenn nicht eben darin eine stillschweigende Hindeutung auf die bekannten Bedingungen des Int. de vi enthalten wäre.

(Zusatz der vierten Ausgabe.) Die aufgestellte Ansicht von dem Einfluss der Gesetze über die Selbsthülfe auf das int. de vi ist aus den drei ersten Ausgaben unverändert beibehalten worden. Neuerlich hat Thibaut diese Ansicht in einer eigenen Abhandlung bestritten (2), und es ist dadurch nöthig geworden, diesen Gegenstand von neuem zu prüfen und von dieser wiederholten Prüfung ausführliche Rechenschaft zu geben. – Thibaut sagt im wesentlichen Folgendes. Auf der einen Seite sei in den Pandekten ausdrücklich bestimmt, das int. de vi gehe nur auf Grundstücke: auf der andern Seite seien die Strafen der Selbsthülfe in den Institutionen und im Codex zu dem Interdict gestellt. Allein bei der sorglosen Construction der Justinianischen Rechtsbücher sei dieser letzte Umstand wenig bedeutend, folglich entscheide nur jener erste, das Interdict habe mithin seine alte Natur unverändert

(1) L. 3. C. Th. unde vi. – L. 7. C. I. eod. – §. 6. I. de interd. – Ueber die Verbindung des Besitzrechts mit dem Recht der Selbsthülfe vgl. oben den Zusatz am Schluss des §. 6., da wo von Rudorffs Meinung die Rede ist.

(2) Gensler’s Archiv. Bd. 1. Heidelberg 1818. 8. S. 105-111.


(439) §. 40. Interdictum de vi.

beibehalten, und die Strafen der Selbsthülfe seien nur zufällig bei Gelegenheit des Interdicts erwähnt worden. Er zieht hieraus das Resultat, dass wegen der gewaltsamen Besitzentziehung beweglicher Sachen noch jetzt, wie ehemals nur durch Actionen, d. h. im ordentlichen Process, nicht durch Interdicte, d. h. im summarischen Process, geklagt werden könne. – Zuvörderst ist hier der Gegenstand unseres Streites genau zu bestimmen. Als solchen aber kann ich durchaus nicht die Frage anerkennen, ob in solchen Fällen der summarische, oder vielmehr der ordentliche Process gelte? Denn die Eigenthümlichkeit des Interdictsprocesses ist im Justinianischen Recht völlig verschwunden; früherhin bildete sie allerdings einen Unterschied zwischen Interdicten und Actionen (obgleich niemals einen Unterschied wie zwischen summarischem und ordentlichem Process, s. o. S. 381), allein dieser Unterschied war zu allen Zeiten ein untergeordneter und gewiss ganz unbedeutend in Vergleichung mit der Frage, ob überhaupt ein Klagerecht vorhanden war oder nicht? Der eigentliche Gegenstand des Streites ist also, wie ich glaube, gar nicht die Processform, welche bei dem entzogenen Besitz beweglicher Sachen eintreten soll, sondern vielmehr folgender. Bei dem int. de vi, uti possidetis und utrubi kann unstreitig derjenige gewinnen, welcher gar kein Recht auf die Sache hat, keines zu haben behauptet, ja selbst wer auf die unrechtlichste Weise, z. B. durch Gewalt gegen einen Dritten, zum Besitz gekommen ist und dieses offen bekennt. Hierüber ist kein Streit, und hierauf eben beruht die Eigenthümlichkeit der possessorischen Klagen, welches alles eben so gewesen sein würde, wenn diese Klagen von jeher Actionen und nicht Interdicte gewesen wären.

Wenn mir nun aber der Besitz einer beweglichen Sache durch Gewalt entzogen ist, so entsteht die Frage, wie dieser Fall behandelt werden soll? Wird er nach


(440) Vierter Abschnitt. Interdicte.

den Grundzügen behandelt, welche für die possessorischen Interdicte gelten, so bekomme ich den Besitz wieder, auch wenn ich ganz ohne Recht, ja ohne Vorwand, besass. Gelten dagegen diese Grundsätze nicht, so bekomme ich den Besitz gar nicht wieder, weder durch summarischen, noch durch ordentlichen Process. Denn will ich die Sache vindiciren, so muss ich Eigenthum haben: zur actio furti und vi bonorum raptorum muss ich gleichfalls Eigenthum oder ein anderes dingliches Recht haben, oder wenigstens einem so Berechtigten responsabel sein (z. B. als Miether): eben so setzt die actio ad exhibendum ein rechtlich begründetes Interesse an der Sache voraus; zu allen diesen Klagen also gehört, als unerlässliche Bedingung, ein wirkliches, materielles Recht in Beziehung auf die Sache, und der blosse Besitz reicht dazu auf keine Weise hin. Dieses letzte nun ist, wenn ich recht verstehe, Thibaut’s Meinung, so dass jenem Besitzer überhaupt alles Klagerecht fehlen soll. Meine Meinung dagegen ist vollständig diese. In einem solchen Fall habe ich auch aus dem blossen Besitz, ohne alles materielle Recht, allerdings eine Klage. Bis auf Justinian diente dazu, wie ich gezeigt habe, das int. Utrubi, welches freilich jetzt nicht mehr dazu gebraucht werden kann. Allein durch die Gesetze über die Selbsthülfe ist mir von einer andern Seite ein Klagerecht gegeben worden, und dieses soll nunmehr bewiesen werden. Die L. 7. C. unde vi umfasst unstreitig bewegliche und unbewegliche Sachen ohne Unterschied: dieses folgt theils aus der Allgemeinheit ihres Ausdrucks, theils aus der Anwendung in §. 1. I. de vi bon. rapt. Ihr Inhalt aber ist kurz folgender; wer mir eigenmächtig einen Besitz entzieht, soll erstlich diesen Besitz zurückgeben, und zweitens eine dem Sachwerth gleiche Strafe erlegen: d. h. er soll an mich, wenn er Eigenthümer ist, dieses Eigenthum verlieren, wenn er es nicht ist, den Werth in Geld bezahlen. Also ist hier (abgesehen


(441) §. 40. Interdictum de vi.

von der Strafe) die Restitution des Besitzes für jeden Fall der Selbsthülfe ausgesprochen, ohne Unterschied zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen, besonders aber ohne Unterschied, ob der Besitzer selbst irgend ein Recht an der Sache hat oder nicht. Folglich ist der blosse Besitz, verbunden mit formeller Verletzung, die einzige Bedingung jenes Anspruchs, ganz wie bei den alten Interdicten, oder mit andern Worten, der alte Grundsatz des int. de vi ist hier auf den Besitz beweglicher Sachen ausgedehnt. Eigentlich aber war es nicht einmal eine Ausdehnung zu nennen, indem zur Zeit dieser Constitution der blosse Besitzer auch schon durch das int. Utrubi die Restitution bewirken konnte. Diese ganze Ansicht beruht demnach nicht darauf, dass im Codex und in den Institutionen die Strafe der Selbsthülfe bei dem int. de vi eingerückt ist, nicht auf einer buchstäblich strengen Auslegung der Worte possessionem quam abstulit, restituat possessori in L. 7. C. unde vi, sondern auf einer einfachen Folgerung aus der unläugbaren Vorschrift dieser Stelle des Codex. Die Hauptfrage ist dabei: soll der oben beschriebene blosse Besitzer der beweglichen Sache, der den Besitz durch Gewalt verlor, ein Klagerecht auf Rückgabe haben oder nicht? Ich behaupte ein solches Klagerecht, und wer mir dieses zugiebt, ist in der Hauptsache mit mir einig. Die zweite Frage, ob dieses ganz eigenthümliche (d. h. von der actio furti, vi bon. rapt. u. s. w. völlig verschiedene) Klagerecht ein Interdict oder eine Action sei, erkenne ich für das Justinianische Recht gar nicht mehr als eine Streitfrage an. Allerdings aber bleibt nun noch die dritte Frage übrig, nach welchen Grundsätzen dieses Klagerecht des blossen Besitzers im Detail beurtheilt werden soll? Wie ich glaube, ist es eine Erweiterung des int. de vi, dessen ganze Theorie folglich darauf anzuwenden ist. Eine der wichtigsten Folgen davon besteht darin, dass nun dieses


(442) Vierter Abschnitt. Interdicte.

Recht nicht der blossen Detention, sondern lediglich dem wahren juristischen Besitz verliehen ist. Und für diese Behauptung finde ich allerdings entscheidende Beweise: 1. in den Worten possessionem ... restituat possessori; 2. darin, dass die Constitution in den Titel unde vi eingerückt ist; 3. in dem Umstand, dass es ausserdem an allen Detailbestimmungen für das neue Klagerecht fehlen würde, welcher Vorwurf für den Gesetzgeber ganz verschwindet, wenn dieser es bloss als eine Erweiterung des int. de vi ansah. Thibaut bemerkt dagegen, nach den Pandecten sei dieses Interdict noch immer auf Grundstücke eingeschränkt. Allein ein ähnliches Verhältniss bei allmählich veränderten Rechtssätzen findet sich ja in vielen Fällen, woran Niemand Anstoss nimmt, z. B. wenn gesagt wird, die actio legis Aquiliae habe nur der Eigenthümer (1), bald nachher aber: der Fructuar habe eine actio utilis (2). – Zum Schluss muss ich noch folgendes zur Unterstützung meiner Meinung anführen. Im alten Recht gab dem Besitzer das int. Utrubi den Schutz, wovon hier die Rede ist. Dieses hat im Justinianischen Recht aufgehört, so dass eben hier für das praktische Recht eine grosse Lücke entstanden sein müsste. Nun wäre es allerdings nicht unmöglich, dass dieses durch die Unbedachtsamkeit der Compilatoren so gekommen wäre: aber viel natürlicher ist es doch anzunehmen, dass die Aenderung mit dem int. Utrubi gerade deswegen vorgenommen wurde, weil man einsah, dass für die bisherigen Zwecke desselben nun schon längst auf andere Weise gesorgt sei (*).

Die Wirkung des Interdicts ist ganz einfach so zu bestimmen: Der dejectus muss wieder in die Lage gesetzt werden, in welcher er vor der dejectio war. –

(1) L. 11. §. 6. ad L. Aquil.

(2) L. 11. §. 10. eod.

(*) Vgl. Anh. Num. 152. A. d. H.


(443) §. 40. Interdictum de vi.

A. Das erste also ist die Restitution des verlornen Besitzes selbst. Hat der Beklagte gegenwärtig diesen Besitz, so hat die Restitution ohnehin keinen Zweifel: aber auch wenn er ihn nie gehabt oder wieder verloren hat, ist er darum nicht weniger verbunden, ihn zu restituiren, d. h. den Werth desselben (1) zu bezahlen (2). – B. Ausser dem verlornen Besitz selbst muss aller Schade ersetzt werden, der durch die dejectio verursacht worden ist (3). Einige

(1) Dieser Werth des Besitzes ist von dem Werthe der Sache, d. h. des Eigenthums, wohl zu unterscheiden, und auf diesen letzten kommt hier nichts an. L. 6. de vi. – Die Glosse nimmt ganz unrichtig an, der Werth der Sache müsse immer bezahlt werden, und das specielle Interesse des Besitzes könne nur noch diesen Werth erhöhen.

(2) L. 1. §. 42. de vi: „Ex Int. unde vi etiam is, qui non possidet, restituere cogetur.“ L. 15. eod. „Si vi me dejeceris ... quamvis sine dolo et culpa amiseris possessionem, tamen damnandus es quanti mea intersit: quia in eo ipso culpa tua praecessit, quod omnino vi dejecisti ... “ (cf. L. 1. §. 36. eod.). – Eine merkwürdige Anwendung der Regel enthält die unmittelbar darauf folgende Stelle (L. 16. eod): wenn nämlich ein filiusfamilias die dejectio vornimmt, so ist sein Vater verbunden in id quod pervenit (S. 430.), es scheint also, dass der Sohn für dasselbe Object nicht mehr zur Restitution verbunden sein müsste, weil er es gar nicht mehr hat; ganz anders nach unserer Regel, nach welcher der Sohn auch für dieses Object einstehen muss: „Interdicto unde vi uti potes, si a filiofamilias dejectus es, ut et ejus causa quod ad patrem pervenit ipse teneatur.“ So lesen: mehrere Pariser Mspte, ferner Edd. Ven. 1485., Lugd. 1509. 1513., Paris. 1514. 1536.; eben so (nur mit einem zweiten „et“ vor „ad patrem“) Rom. 1476., Nor. 1483., Ven. 1494. – Die Florentinische Leseart ist ausserordentlich abweichend, und offenbar corrupt: die des Haloander ist aus Mehreren compilirt (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 153. A. d. H.

(3) L. 1. §. 41. (cf. §. 31.) de vi: „ ... Vivianus refert, in hoc int. omnia, quaecunque habiturus vel adsecuturus erat is qui dejectus est, si vi dejectus non esset, restitui, aut eorum litem a judice aestimari debere: eumque tantum consecuturum, quanti sua interesset, se vi dejectum non esse.“


(444) Vierter Abschnitt. Interdicte.

der wichtigsten Anwendungen der Regel sind diese: a) Wenn durch die dejectio zugleich andere Sachen verloren worden sind, so müssen auch diese oder der Werth derselben restituirt werden. In dieser Rücksicht konnte schon nach dem älteren Rechte das Interdict auf bewegliche Sachen gehen, und selbst in den Worten des Edicts war dieser Fall besonders bestimmt (1): auf juristischen Besitz dieser Sache kommt es nicht einmal an (2), und es ist bei ihnen, wie bei der Hauptsache selbst, ganz gleichgültig, ob der Beklagte den Besitz dieser Sachen hat oder nicht hat (3). – b) Auch die Früchte der durch die dejectio verlornen Sachen müssen restituirt werden: sie werden berechnet von dem Augenblick der dejectio an (4), und es kommt nicht darauf an, ob der Beklagte sie wirklich erhalten hat, sondern ob der dejectus sie hätte erhalten können (5). – c) Ist die Sache nach der dejectio beschädigt worden (z. B. das Haus abgebrannt), so muss dieser Verlust ersetzt werden, selbst wenn er durch keine culpa des Beklagten verursacht ist: doch muss in diesem Fall die Beschädigung so beschaffen sein, dass sie ohne die dejectio gar nicht stattgefunden haben würde (6). – d) Eine sehr wichtige Frage endlich ist diese: wenn der Besitzer zugleich usucapirte, muss auch für die unterbrochene Usucapion Ersatz geleistet werden (7)? Nach der

(1) L. 1. pr. de vi: „ ... quaeque tunc ibi habuit.“ Commentar über diese Worte: L. 1. §. 32. 33. 34. 37. 38. eod.

(2) L. 1. §. 33. de vi.

(3) L. 1. §. 34. L. 19. de vi. – Paulus V. 6. §. 8.

(4) L. 1. §. 40. de vi.

(5) L. 4. C. unde vi.

(6) L. 1. §. 35. de vi. – Paulus V. 6. §. 8. – L. 14. §. 11. quod metus causa.

(7) Wiederum eine andere Frage ist es, worin dieser Ersatz besteht? Gesetzt, es wären nur noch wenige Tage zur Vollendung der Usucapion übrig gewesen, so könnte ohne Bedenken der Werth des Eigenthums selbst dafür angenommen werden, da dieses schon so wahrscheinlich war. Ausserdem lässt sich kein anderer Weg denken, die Sache mit völliger Sicherheit zu entscheiden, als durch


(445) §. 40. Interdictum de vi.

allgemeinen Vorschrift, dass der dejectus völlig schadlos gehalten werden soll, ist diese Frage zu bejahen, und selbst die Stelle der Pandecten, welche bei dem furtum das Gegentheil bestimmt (1), kann als Bestätigung dieser Entscheidung gelten. Denn der einzige Grund, den sie anführt, besteht darin, es sei hier kein solches Interesse vorhanden, das durch ein anderes, schon erworbenes Recht begründet werden könne: und gerade durch diese Beziehung auf ein rechtliches Interesse unterscheidet sich die obligatio furti von dem Rechte des blossen Besitzes (S. 434) (*). Wenn über die einzelnen Sachen, die

Cautionen: vindicirt nachher der Eigenthümer, ehe die Zeit der ersten Usucapion geendigt ist, so hätte die Usucapion ohnehin nichts geholfen, und es ist kein Ersatz dafür zu leisten, wenn nämlich bewiesen werden kann, dass der Eigenthümer ohnehin vindicirt hätte und nicht erst durch die gewaltthätige Handlung auf die Sache aufmerksam geworden ist.

(1) L. 71. §. 1. de furtis: „Ejus rei, quae pro herede possidetur, furti actio ad possessorem non pertinet, quamvis usucapere quis possit: quia furti agere potest is, cujus interest rem non subripi: interesse autem ejus videtur, qui damnum passurus est: non ejus, qui lucrum facturus esset.“ (Ich habe diese Stelle in den drei ersten Ausgaben allgemein, d. h. von jeder Usucapion, verstanden, bin aber nunmehr überzeugt, dass sie nur auf die improba pro herede usucapio des älteren Rechts geht (Gajus II. 55. 56.), und aus Versehen in die Pandecten gekommen ist. Denn im Justinianischen Recht kann Niemand usucapiren, als ein b. f. possessor, dieser hat aber wirklich die actio furti (L. 12. §. 1. de furtis – §. 15. I. de obl. quae ex del.), und zwar ganz consequent, da die b. f. possessio selbst schon ein gegenwärtiges, erworbenes Recht ist, und als Stück des Vermögens anerkannt wird (L. 49. de V. S.), ja in den meisten Fällen sogar eine eigene Klage, die a. publiciana, mit sich führt. Demnach ist das lucrum facere in unserer Stelle nicht so, wie bei der Schenkung, von einer Bereicherung überhaupt zu verstehen, sondern es bezeichnet, so wie bei Gajus, die Unredlichkeit dieses Gewinns, also die m. f. possessio. (Zusatz der 4. Ausg.)

(*) (Zusatz des Herausgebers zur 7. Ausgabe.) In den Materialien findet sich ein aus dem Trinity-Colledge in Cambridge an den Vf. gerichtetes, vom 17. Novbr. 1846


(446) Vierter Abschnitt. Interdicte.

durch die dejectio verloren worden sind, kein Beweis geführt werden kann, so wird der Verlust selbst und der Werth desselben durch den Eid des Klägers entschieden: nur muss vorher der Richter nach den Umständen ein maximum bestimmen, welches der Kläger nicht überschreiten darf (1).

Die Bedingungen und die Wirkung des Interdicts sind jetzt bestimmt, und es ist nichts mehr zu bestimmen übrig, als die Exceptionen, durch welche dieses Interdict beschränkt ist (2). – Die erste Exception

datirtes und R. L. Ellis unterzeichnetes Schreiben, welches in dieser Frage auf L. 35. de V. S. aufmerksam macht. Darunter steht von der Hand des Verfs.: L. 35. de V. S. vgl. §. 3. I. de off. jud. spricht von der passiven Usucapion, die dem Berechtigten den Verlust des Eigenthums während des Processes zuzieht, vgl. System §. 260. i. §. 261. N. II. Bei dem Interdict de vi ist die Rede von dem Vortheil der activen Usucapion, der dem dejectus durch die Unterbrechung seines Besitzes entzogen wird. Daran war in L. 35. cit. gewiss nicht gedacht, wie schon die Verweisung auf die Litiscontestation zeigt.“

(1) L. 9. C. unde vi (Iuramentum Zenonianum). – Der Unterschied von dem gewöhnlichen Iusjurandum in litem wird gewöhnlich darin gesetzt, dass dieses letzte bloss den Werth der geforderten Sache betreffe, alles andere aber als bewiesen voraussetze. A. Faber conject. XVI. 13. num. 21. XVI. 17. n. 26. Andere halten es lediglich für eine Anwendung des gewöhnlichen jusjur. in litem. Cuiacius in h. L. opp. T. 9. p. 1160. (In den drei ersten Ausgaben habe ich die erste Meinung angenommen, halte aber jetzt die zweite für die richtige. Denn die dejectio aus dem Grundstück, als der eigentliche Klagegrund, muss auch hier schon anderwärts bewiesen sein, und wenn nun der Verlust beweglicher Sachen beschworen wird, so betrifft dieser Eid doch lediglich die Grösse des Schadens, der aus der dejectio entstanden ist.)

(2) Es ist gleich hier zu bemerken, dass das Int. de vi armata von allen Exceptionen frei war: Cic. pro Caec. C. 8.: „P. Dolabella praetor interdixit, ut est consuetudo, de vi, hominibus armatis, sine ulla exceptione.“ C. 22.: „Vim, quae ad caput et vitam pertinet, restitui sine ulla exceptione voluerunt.“ C. 32. „ ... ut, qui armatus de possessione contendisset, inermis plane de sponsione certaret.“


(447) §. 40. Interdictum de vi.

betraf hier, wie bei den Int. retinendae possessionis, die Entstehung des Besitzes, aus welchem der Kläger vertrieben war. Hätte dieser Besitz selbst vi, clam oder precario angefangen, und zwar so, dass die Gewaltthätigkeit etc. etc. gegen den jetzigen Beklagten selbst vorgefallen war (ab adversario vi possidere), so war das Interdict ausgeschlossen (1), nur gegen das Int. de vi armata galt diese Exception nicht (2). Der Grund, warum (ausser diesem letzten Fall) die Exception zugelassen wurde, lag ganz allgemein (3) darin: der Beklagte hätte in denselben ein eigenes Int. recuperandae possessionis gehabt, das er nach dem verlornen ersten Process mit Erfolg hätte anstellen können, und es war wieder eine blosse Abkürzung des Processes, dass man anstatt eines neuen Edicts eine Exception gegen das erste Edict gab. Nur wer sich einer vis armata schuldig gemacht hatte, sollte diesen Vortheil

(1) Cic. pro Tullio Cap. 44. (s. o. S. 427.) Cic. pro Caec. Cap. 32.: „In illa vi quotidiana ... ne id quidem satis est, nisi docet, ita se possedisse, ut nec vi, nec clam, nec precario possederit.“ Cic. ep. ad fam. VII. 13. (p. 390. ed. Graev.) „neque est, quod illam exceptionem in interdicto pertimescas, Quod tu prior vi hominibus armatis non veneris.“ (Das „non“, das Manutius sehr seltsam erklärt und Mehrere sogar wegstreichen wollen, gehörte zu der gewöhnlichen Formel der Exception, worin der Beklagte und auch der Prätor den Kläger anredete; vgl. L. 1. §. 7. de cloacis: „ ... non esse in interdicto addendum: quod non vi, non clam, non precario, ab illo usus“ (al. usus es): quod non steht für nisi. Die Erklärung dieser Negation s. bei Gajus IV. 119.). – Paulus V. 6. §. 7: „Qui vi, aut clam, aut precario possidet, ab adversario impune dejicitur.“ (Impune – nämlich so, dass kein Interdict zu befürchten ist, wovon hier allein die Rede war. Ein Verbrechen konnte es dennoch sein) Fragm. Legis Thoriae (in Haubold monumenta legalia p. 15). „Qui ... ex possessione . vi . ejectus . est . quod . ejus . is . quei . ejectus . est . possederit . quod . neque . vi . neque . clam . neque . precario . possederit . ab . eo . quei . eum . ea . possessione . vi . ejecerit . rel.“

(2) Cic. pro Tullio Cap. 44. (S. o. S. 427.) Cic. pro Caec. Cap. 32. Gaius Lib. 4. §. 154. 155.

(3) Vgl. o. S. 410. Note 4.


(448) Vierter Abschnitt. Interdicte.

nicht geniessen. – Justinian verwirft diese Exception ganz allgemein, ja er behandelt diese Ungültigkeit als eine ganz bekannte Sache (1): unsere Juristen haben darüber allerlei Meinungen. Bald soll Justinian das alte Recht stillschweigend geändert haben, bald soll die Aenderung selbst in einer verlorenen Constitution vorgenommen worden sein, bald soll Tribonian über das alte Recht völlig unwissend gewesen sein (2): die letzte dieser Meinungen, die vorzüglich Hotman vertheidigt, könnte wohl eher für unwissend gelten. Die ganze Sache bedurfte keines neuen Gesetzes, da sie sich als Folge eines andern sehr bekannten neuen Rechtssatzes von selbst verstand.

Nach den Constitutionen nämlich sollte durch die dejectio sogar das Eigenthum verloren werden, wenn dieses der Verletzer vorher hatte: um so mehr also alles Recht aus dem blossen Besitz, wenn er etwa vorher Besitzer der Sache gewesen war. Nun gründete sich diese Exception auf das vorige jus possessionis, welches früher gewaltsam verletzt worden war: also war es sehr natürlich, dass die Exception seit jenen Constitutionen nicht mehr gelten konnte, ohne dass es eines besondern Gesetzes darüber bedurfte (3). Dass Justinians Juristen

(1) §. 6. I. de interd. „Nam ei (sc. dejecto) proponitur interdictum Unde vi, per quod is, qui dejecit, cogitur ei restituere possessionem, licet is ab eo, qui dejecit, vi, vel clam, vel precario possidebat.“

(2) Duarenus in disp. anniv. I. 20., Hotomanus in obss. VII. 6., Cuiacius et Schulting in Paulum V. 6. §. 7.

(3) Schon Schulting (s. die vorige Note) glaubt, durch diese Constitutionen sei der neue Rechtssatz veranlasst worden: allein den eigentlichen Zusammenhang scheint er nicht deutlich gedacht zu haben, sonst hätte er die übrigen Meinungen geradezu verwerfen müssen, die er doch auch gelten lässt. – Einen Einwurf könnte man etwa daher nehmen, dass in dem Edictum Theoderici C. 76. das Interdict mit den Exceptionen erwähnt wird („illi res occupata per violentiam ... reddetur, qui ... nec violenter, nec abscondite, nec precario


(449) §. 40. Interdictum de vi.

selbst die Sache auf diese Art ansahen, folgt nicht nur aus der angeführten Stelle der Institutionen, die schwerlich auf eine andere Art zu erklären ist (1), sondern vorzüglich daraus, dass in den Pandekten mehrere Spuren des alten Rechts übrig geblieben sind und doch recht künstlich alles das weggelassen ist, woraus eine Abweichung des alten Rechts direct (d. h. anders, als durch ein argumentum a contrario etc.) bewiesen werden könnte. Folgende Stellen dienen zu Beweisen dieser Behauptung (2):

L. 1. §. 30. de vi: „Qui a me vi possidebat, si ab alio dejiciatur, habet interdictum.“

L. 18. pr. de vi: „ ... emptorem quoque ... interdicto ... teneri: non enim ab ipso, sed a venditore, per vim fundum esse possessum ... “

L. 17. de vi: „ ... ideoque si de vi dejecero, ilico tu me, deinde ego te: unde vi interdictum utile illi erit“ (3).

possidet“), da doch zu dieser Zeit die Gesetze über die Selbsthülfe auch schon vorhanden waren. Allein es ist sehr begreiflich, dass in der Justinianischen Gesetzgebung die innere Consequenz anerkannt wurde, die man in dem gedankenlosen Edict übersah. (Zus. der 6. Ausg.)

(1) Denn dass in diesem §. erst das Interdict selbst mit Inbegriff jener Modification (also überhaupt die rei persecutio) und dann die Strafe der Constitutionen angeführt wird, und bei der letzten allein die Constitutionen als Quelle genannt werden, beweist durchaus nicht dagegen.

(2) Schon daraus, dass in L. 1. pr. de vi die Exception ausgelassen ist, die doch sicher in dem Edict stand, folgt nothwendig, dass die Art, wie in Justinians Gesetzgebung die Sache bestimmt ist, nicht durch blosse Unwissenheit der Compilatoren verursacht worden sein kann.

(3) Der erste Theil der Stelle lautet so: „wer in continenti den dejector wieder aus dem Besitz setzt, hat eigentlich nie den Besitz verloren“ (S. 531. 532.). Daraus wird hier die Folgerung gezogen: „wenn Ich Dir den Besitz mit Gewalt nehme, von Dir unmittelbar darauf (ilico) wieder vertrieben werde, in der Folge aber (deinde) denselben Besitz wieder gewaltsam


(450) Vierter Abschnitt. Interdicte.

L. 14. de vi: „Sed si vi armata dejectus es, sicut ipsum fundum recipis, etiam si vi, aut clam, aut precario eum possideres (1): ita res quoque mobiles omnimodo recipies.“

Die zweite Exception gegen das Interdict betrifft die Verjährung. Wenn Ein Jahr verflossen ist, so wird das Interdict durch diese Exception ausgeschlossen (2), allein diese Regel ist wieder durch folgende Ausnahmen beschränkt: A. Insofern der Beklagte durch die dejectio etwas erlangt hat (in id quod ad eum pervenit), hat er kein Recht auf diese Exception (3). Demnach kann gerade in dem ersten und wichtigsten Fall des Interdicts überhaupt, d. h. wenn der Beklagte den Besitz der Sache noch hat, und es dem Kläger um diesen Besitz selbst und nicht um Schadensersatz gilt, von der Exception kein Gebrauch gemacht werden (4). – B. Bei der vis

occupire, so ist gegen Mich das Interdict von Wirkung (utile tibi erit)“, d. h. es wird nicht durch eine Exception ausgeschlossen, was doch ohne Zweifel behauptet werden müsste, wenn die zweite dejectio („ilico tu me“) eine wahre dejectio, und nicht vielmehr blosse Vertheidigung des Besitzes gewesen wäre.

(1) und zwar ganz allgemein, ohne Unterschied, ob ab adversario oder ab alio vi, clam, precario besessen wird.

(2) L. 1. pr. de vi „ ... de eo ... tantummodo intra annum ... judicium dabo.“ – (L. 1. §. 39. eod. „Annus in hoc Interdicto utilis est.“ Cf. L. 2. C. eod.)

(3) L. 1. pr. de vi „ ... post annum de eo, quod ad eum, qui vi dejecit, pervenerit, judicium dabo.“ – L. 7. §. 5. comm. divid. „ ... placuit, etiam post annum in eum, qui vi dejecit, interdictum reddi“ (nämlich unter jener Voraussetzung, die nicht ausgedrückt zu werden brauchte, weil sie sich in dem vorliegenden Fall von selbst verstand). Cf. L. 3. §. 1. de vi, L. 2. C. unde vi (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 154. A. d. H.

(4) Man kann über diese Exception unmöglich mehr Irrthümer haben, als Domat in wenigen Worten vorbringt, (Loix civiles III. 7., S. 1. §. 18., und S. 2. §. 30.): „Wer mit Gewalt aus dem Besitz gesetzt wird, behält noch


(451) §. 40. Interdictum de vi.

armata galt die Exception nicht (1), aber von dieser Ausnahme ist in Justinians Sammlungen keine Spur übrig geblieben. – C. Nach einer Constitution von Constantin (2) endlich fällt die Exception weg, wenn während des Besitzers Abwesenheit (3) seine Leute aus dem Besitz gesetzt werden. Hier soll das Interdict auf keine Zeit beschränkt sein, ohne Unterschied, ob der Besitzer selbst nach seiner Rückkehr klagen will, oder ob noch vorher seine Leute die Klage vorbringen: denn auch diesen hat die Constitution das besondere Recht ertheilt, ohne ausdrücklichen Auftrag und doch als Procuratoren des Besitzers das Interdict zu gebrauchen.

Beide Exceptionen haben eine eigenthümliche Beziehung auf dieses Interdict: aber auch von den übrigen Exceptionen, welche bei allen Klagen auf dieselbe Weise gedacht werden können, muss eine um deswillen hier erwähnt werden, weil gerade hier ihre Anwendung beschränkt ist. Die exceptio pacti ist hier, wie bei anderen unrechtlichen Handlungen, verboten, wenn das pactum vor der unrechtlichen Handlung selbst eingegangen wird.

L. 27. §. 4. de pactis:

„Pacta, quae turpem causam continent, non sunt

ein Jahr lang den Besitz und durch diesen das Interdict: nach dieser Zeit ist der Besitz und das Interdict verloren, und es ist nichts mehr übrig, als die Vindication.“ Er stellt hier die Praxis des Französischen Rechts dar und beruft sich auch auf die ordonnances: aber entschuldigen können ihn diese nicht, da er zugleich auf das Römische Recht sich gründet.

(1) Cic. ep. ad fam. XV. 16. (p. 415. ed. Graev.) „postulabimusque, ex qua haeresi, vi, hominibus armatis dejectus sis, in eam restituare. In hoc interdicto non solet addi, In hoc anno. Quare si jam biennium, aut triennium est, ... in integro res nobis erit.“

(2) L. 1. C. si per vim (L. 1. C. Th. unde vi).

(3) Die Abwesenheit selbst aber ist hier etwas anders zu bestimmen, als bei dem Verlust des Besitzes, denn hier ist bloss von langer Abwesenheit die Rede.


(452) Vierter Abschnitt. Interdicte.

observanda: veluti si paciscar, ne furti agam, vel injuriarum, si feceris: expedit enim timere (timeri) furti vel injuriarum poenam. Sed post admissa haec, pacisci possumus. Item, ne experiar interdicto unde vi, quatenus publicam causam contingit (1), pacisci non possumus.“

§. 41.

Das Interdictum de clandestina possessione scheint ganz dem Int. de vi ähnlich gewesen zu sein. So wie dieses, setzte es nach der ganzen Analogie zuerst juristischen Besitz voraus. Dieser Besitz musste verloren sein, und auf die unrechtliche Form der Handlung, welche den Verlust nach sich zog, gründete sich das Recht, durch dieses Interdict den Besitz wieder zu fordern. Clandestina possessio heisst nun ein solcher Besitz, dessen Apprehension einem Andern, dessen Widerspruch man befürchtete, verheimlicht worden ist (2). Auf den Anfang des Besitzes also kommt alles an: ist durch diesen Anfang der Besitz als clandestina possessio bestimmt, so hört er nicht auf, es zu sein, wenn er gleich nachher dem Andern bekannt gemacht wird (3): eben so wird umgekehrt der Besitz nicht etwa dadurch zu einer clandestina possessio, wenn der Besitzer erst nach dem Erwerb

(1) d. h. „weil der Staat selbst dabei interessirt ist, dass keine Gewalt geübt werde, diese aber durch die Furcht vor dem Interdict verhütet werden kann.“ – S. o. Zusatz am Schluss des §. 6., da wo von Rudorff’s Schrift die Rede ist.

(2) L. 6. pr. de poss. „Clam possidere eum dicimus, qui furtive ingressus est possessionem ignorante eo, quem sibi controversiam facturum suspicabatur, et, ne faceret, timebat.“

(3) L. 40. §. 2. de poss. „ ... si sciens tuum servum non a domino emerim, et tum (al. cum) clam eum possidere coepissem, postea certiorem te fecerim: non ideo desinere me clam possidere.“


(453) §. 41. Interdictum de clandestina possessione.

ihn zu verheimlichen anfängt (1). Eine ganz besondere Ausnahme liegt darin, dass der Eigenthümer der Sache, wenn gleich sein Besitz in der That einen solchen Anfang hat, dennoch nicht als clandestinus possessor betrachtet wird (2). – Es hat jedoch dieser allgemeine Begriff der clandestina possessio eine juristische Bedeutung nur insofern damit eine Besitzverletzung verbunden ist. Zwar haben Mehrere angenommen, es könne auch ohne diese, also bloss in Beziehung auf Eigenthum, jene possessio vorkommen, so dass dadurch die Usucapion gehindert werde (3). Allein die res clam possessa als solche ist der Usucapion in der That gar nicht entzogen, sondern nur die res furtiva, welche freilich sehr oft, aber doch nicht immer, mit jener identisch sein wird. Jene Meinung ist entstanden aus solchen Stellen, worin eine clandestina possessio erwähnt wird, da wo der Besitzer die Sache von einem Dritten gekauft hat, in welchen Fällen also, sagt man, eine Besitzverletzung gar nicht denkbar ist (4). Allein auch in diesen Fällen konnte

(1) L. 6. pr. de poss. „ ... Is autem, qui cum possideret non clam se celavit, in ea causa est, ut non videatur clam possidere: non enim ratio obtinendae possessionis sed origo nanciscendae exquirenda est.“ Dagegen: L. 4. pr. pro suo („ ... tum enim clam possedisse videberis“), allein diese Stelle bezieht sich wohl auf das besondere Recht der ancilla furtiva, das ohnehin so viel abweichendes hat. Cuiac. in L. 40. §. 2. de poss. (African. Tr. 7. – Nachher anders und schlechter: in L. 6. de poss., opp. VIII. 268.). Andere betrachten es als eine Ausnahme für das furtum überhaupt. Glossa in L. 6. de poss., Duaren. L. 6. de poss. (opp. p. 865.).

(2) L. 40. §. 3. de poss. – Cuiacius in h. L. (Afric. Tr. 7.).

(3) Albert §. 57. und die daselbst citirten Schriftsteller. Ich selbst hatte diese Meinung in der 5. Ausg. S. 501. 502. zwar dem Ausdruck nach bestritten, der Sache nach eigentlich angenommen. Die ganz entgegengesetzte Darstellung, die sich jetzt im Texte findet, gehört der 6. Ausgabe an.

(4) L. 40. §. 2. de possess. L. 4. pr. pro suo. In der ersten Stelle hat meine gegenwärtige Erklärung


(454) Vierter Abschnitt. Interdicte.

der Besitzer in dem alten Int. utrubi unterliegen, welches ja gar nicht dem in seinem Besitz Verletzten den Sieg zuerkennt, sondern dem, welcher am längsten besessen hat, jedoch so, dass bei dieser Vergleichung der zwei Possessionen die violenta, clandestina, precaria als gar nicht vorhanden angesehen werden soll. Giebt es also überhaupt nur Eine Art der clandestina possessio, so ist sie auch immer dieselbe, man mag sie als Grundlage des Interdicts, oder einer Exception ansehen. Ja selbst diejenigen, welche eine zweifache clandestina possessio annehmen, müssten doch bei der Exception dieselbe Art der Heimlichkeit annehmen, wie bei dem Interdict, nämlich die besitzverletzende, und zwar theils wegen des inneren Zusammenhangs der Exception mit dem Interdict, theils weil überall die Exception nur denjenigen ausschliessen soll, welcher clam ab altero besitzt, was nur bei einer besitzverletzenden Heimlichkeit denkbar ist (1).

Also ein juristischer Besitz musste entzogen sein, und durch die Art, wie dieses geschah, musste der neue Besitz als clandestina possessio betrachtet werden können, wenn das Interdict möglich sein sollte. Zu diesen Bedingungen ist endlich noch die hinzuzusetzen, dass eine unbewegliche Sache Gegenstand des Besitzes sein müsse. Dieser Satz hat kein ausdrückliches Zeugniss für sich, wohl aber eine so vollständige Analogie, dass

gar kein Bedenken. In der zweiten wird allerdings aus dem clam possidere auf die Unmöglichkeit der Usucapion geschlossen, aber bloss deswegen, weil dadurch der hier allein denkbare Usucapionstitel pro suo ausgeschlossen werde. Auch war hier nach der Meinung des Juristen die Sache gewiss furtiva, so dass beides coincidirte.

(1) L. 1. pr. L. 3. pr. uti poss. Gaius 4. §. 151. – Ich hatte noch in der 5. Ausg. mit Unrecht angenommen, die clandestina possessio bei der Exception sei eine andere als die bei dem Interdict. Diese Inconsequenz war schon früher mit Recht gerügt worden von Albert §. 71.


(455) §. 41. Interdictum de clandestina possessione.

ein anderer Beweis fast entbehrlich ist. Das Int. de vi nämlich war bei beweglichen Sachen ausgeschlossen, und zwar deswegen, weil andere Klagen für diesen Fall bereits vorhanden waren, als die Interdicte überhaupt eingeführt wurden (S. 433.). Diese andern Klagen (mit Ausnahme der actio vi bonorum raptorum) galten auf dieselbe Weise bei der clandestina possessio beweglicher Sachen, und es ist um so unwahrscheinlicher, dass dafür ein eigenes Interdict wäre gegeben worden, da es für die violenta possessio nicht geschah, die doch sicher als ein viel wichtigerer Fall betrachtet wurde (1).

Die Bedingungen dieses Interdicts sind jetzt vollständig bestimmt, aber eine ganz andere Frage ist noch zu beantworten übrig, die Frage nämlich: ob ein solches Interdict überhaupt existirt? Warum diese Frage erst hier aufgeworfen werden kann, wird sich sogleich zeigen.

Für die Existenz dieses Interdicts ist nur Ein Zeugniss vorhanden, und selbst dieses ist sehr zweideutig. Ulpian nämlich sagt bei einer ganz andern Gelegenheit:

(1) Dazu kommt nun noch der Grund, dass das Int. utrubi in seiner älteren Gestalt gegen die heimliche Entziehung des Besitzes völlig denjenigen Schutz gewähren musste, wie es oben (§. 40.) für die gewaltsame dargethan worden ist. Denn wenn mir z. B. Einer eine bewegliche Sache heimlich entwendete, so gab mir das Int. utrubi sichern Schutz, weil mir der Beklagte seine clandestina possessio nicht in Gegenrechnung bringen konnte, ich also gewiss länger als er besass. Ist diese Ansicht richtig, so muss zugleich anerkannt werden, dass hier das Justinianische Recht bei beweglichen Sachen eine Lücke gelassen hat. Denn die Gesetze über die Selbsthülfe, die bei der Gewalt ergänzend aushelfen, passen auf den heimlichen Besitz nicht. So hat also der Bestohlene, wenn er nicht durch ein Recht an der Sache ein furtum motiviren kann, gegen den Dieb in der That gar keine Klage, und für diesen Fall wäre noch jetzt das Int. de clandestina possessione ein wirkliches Bedürfniss. (Zus. der 6. Ausg.) (*)

(*) Vgl. Anhang Num. 155. A. d. H.


(456) Vierter Abschnitt. Interdicte.

„Julian nimmt auch für die clandestina possessio ein eigenes Interdict an“ : er selbst erklärt sich darüber nicht (1). Dagegen wird nicht nur in der ganzen Darstellung der Interdicte in den Institutionen und Pandekten dieses Interdict nicht genannt, sondern es ist kein Fall mehr übrig, in welchem es angewendet werden könnte, indem in allen den Fällen, in welchen es sonst allein gegolten haben kann, jetzt entweder kein Besitz verloren ist, oder das Int. de vi anwendbar ist (2). – Alles dieses erklärt sich leicht aus der historischen Untersuchung, die oben bei dem Verlust des Besitzes angestellt worden ist. Grundstücke werden so lange besessen, als der Besitzer von einer neuen Occupation nichts weiss, und daraus folgt, dass clandestina possessio, welche ja überhaupt nur als Verheimlichung gegen einen bisherigen Besitzer denkbar ist (S. 453. 454.), an Grundstücken nicht mehr möglich ist (S. 349.). Aber das Interdict

(1) L. 7. §. 5. comm. divid. (Es ist die Rede von dem Rechte des Besitzers, auf ein judicium communi dividundo zu provociren): „Iulianus scribit, si alter possessor provocet, alter dicat eum vi possidere, non debere hoc judicium dari, nec post annum quidem: quia placuit, etiam post annum in eum, qui vi dejecit, interdictum reddi: et si precario, inquit, dicat eum possidere, adhuc cessabit hoc judicium: quia et de precario interdictum datur. Sed et si clam dicatur possidere qui provocat, dicendum esse ait, cessare hoc judicium: nam (al. nam et) de clandestina possessione competere interdictum inquit.“

(2) Aus der älteren Zeit freilich findet sich für das Dasein dieses Interdicts ein wichtiges Zeugniss in folgender Stelle des Cicero in Rullum III. 3.: „Haec trib. pl. promulgare ausus est, ut quod quisque post Marium et Carbonem possidet, id eo jure teneret, quo qui optimo jure privatum. Etiamne si vi ejecit? etiamne si clam, si precario venit in possessionem? Ergo hac lege jus civile, causae possessionum, praetorum interdicta tollentur.“ Das heisst, in diesen drei Fällen hätten bis jetzt Interdicta recup. poss. gegolten, die nun durch jenes ungerechte Gesetz dem vorigen Besitzer entzogen werden würden. (Zus. der 6. Ausg.)


(457) §. 41. Interdictum de clandestina possessione.

bezog sich überhaupt bloss auf Grundstücke (S. 454. 455), folglich ist seitdem auch das Interdict unmöglich geworden. Nun hat jener Satz mit allen seinen Folgen zu der Zeit des Labeo noch nicht gegolten (S. 350 etc.), folglich konnte in der noch früheren Zeit, in welcher die Interdicte eingeführt wurden, ein solches Interdict allerdings gegeben werden: zur Zeit des Papinian, Ulpian und Paulus war der Satz allgemein angenommen, also konnten diese Juristen das Interdict nicht mehr als gültig betrachten, und es konnte noch viel weniger in die Pandekten aufgenommen werden: im Anfang und um die Mitte des zweiten Jahrhunderts war wohl der Satz selbst noch nicht völlig entschieden und gewiss noch nicht in allen seinen Folgen durchgeführt, also konnte Julian das Interdict noch als geltendes Recht anführen (*). – Mit der exceptio clandestinae possessionis verhält es sich etwas anders als mit dem Interdict. Wenn Jemand mein Grundstück heimlich occupirt und nun sogleich das int. uti possidetis gegen mich anstellt, so dass ich erst durch diese Klage die Occupation erfahre, so war zu dem alternativen Erfolg der versuchten erlaubten Selbsthülfe (S. 349. 350.) noch gar keine Gelegenheit, und es konnte daher das ganze Streitverhältniss nicht einfacher und befriedigender erledigt werden, als durch unveränderte Beibehaltung der alten exceptio clandestinae possessionis (**).

Unsere Juristen haben meistens dieses Interdict mit Stillschweigen übergangen, was nicht sowohl wegen der gelegentlichen Erwähnung des Julian, als wegen der Verbindung zu tadeln ist, in welcher überall die clandestina und violenta possessio genannt werden. Der Verfasser der alten Statuten von Pisa, welche Grandi in das zwölfte Jahrhundert setzt, hat das Interdict gerade

(*) Vergl. Anh. Num. 156. A. d. H.

(**) Vgl. Anh. Num. 157. A. d. H.


(458) Vierter Abschnitt. Interdicte.

in dieser Verbindung angeführt (1). Cujacius erwähnt nicht nur des Interdicts, sondern behauptet, es müsse noch jetzt angewendet werden: aber die Erklärung, die er von dem Fall seiner Anwendung giebt, ist freilich sehr unbefriedigend (2).

§. 42.

Eigene Quellen für das Precarium:

http://t2.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcRMbUJhTQZiZsQQZ4ONo2ZHMxhmmEjLvUmZaApkpG7gfvhle1CRrhsIVzjbPaulus Lib. 5. Tit. 6. §. 10-12.

Digest. Lib. 43. Tit. 26.           s. d. Einl.

Cod. Lib. 8. Tit. 9.

Schriftsteller:

Christ. Rau s. Aug. Corn. Stockmann diss. de precario, Lips. 1774.

I. G. Vogel diss. de precario. Gött. 1786.

Beide Schriften sind nicht sehr bedeutend.

Wenn die blosse Ausübung eines Rechts einem Andern übertragen werden soll, so kann das unter sehr verschiedenen juristischen Formen geschehen: der Pacht z. B., das commodatum u. s. w. sind nichts, als solche Formen, durch welche die blosse Ausübung des Eigenthums gewöhnlich auf bestimmte Zeit von dem Eigenthum selbst getrennt wird. In allen diesen Fällen ist durch

(1) Grandi epist. de Pand. ed. 2. (Flor. 1727. 4.) p. 224.: „Hac saluberrima Constitutione sancimus, quod si aliquis fuerit possessor ... aliquo tempore prius illo qui nunc invenitur in possessione, licet non probetur quod vi, vel clam, vel precario possideat, ab Adversario tamen in possessione recuperanda semper potior sit prior possessor: nisi etc.“, d. h. der frühere Besitz an sich soll in der Regel ein Recht gegen den jetzigen Besitzer geben, obgleich keines der drei Römischen interd. recup. poss. begründet ist.

(2) Cuiacius in obss. IX. 33., in L. 40. §. 2. de poss. (African. Tr. 7.) et in L. 6. §. 1. pr. de poss. (opp. VIII. 267. 268.).


(459) §. 42. Interdictum de precario.

jene juristische Form selbst für das Recht der Zurückforderung gesorgt: nicht so, wenn ohne alle juristische Form, wie z. B. durch ein blosses pactum, jenes Geschäft vor sich gegangen ist. Allein für zwei Fälle dieser Art hat das Römische Recht ein eignes Recht der Zurückforderung bestimmt. Wer die Ausübung des Eigenthums (d. h. den natürlichen Besitz), oder die Ausübung einer Servitut, einem Andern verstattet, sich selbst aber das Recht vorbehält, nach Willkühr diese Erlaubniss zurück zu nehmen, hat dieses besondere Recht, und das juristische Verhältniss, das dadurch entsteht, heisst precarium (1). Der Name dieses Verhältnisses ist daher entstanden, dass die Erlaubniss selbst durch eine Bitte veranlasst zu werden pflegt: nothwendig ist diese Bitte durchaus nicht, ja selbst eine stillschweigende Erlaubniss ist hinreichend (2). Hierher übrigens gehört nur noch der erste der beiden Fälle, welcher die Ausübung des Eigenthums betrifft.

Wenn also die Detention auf diese Weise übertragen wird, so ist es Regel, dass damit zugleich der juristische Besitz übergeht, und es muss das Gegentheil besonders verabredet sein, wenn diese Regel nicht gelten

(1) L. 2. §. 3. de prec. „Habere precario videtur, qui possessionem vel corporis vel juris adeptus est, ex hac solummodo causa, quod preces adhibuit, et impetravit, ut sibi possidere aut uti liceat.“

(2) Paulus V. 6. §. 11.: „Precario possidere videtur non tantum qui per epistolam, vel quacunque alia ratione hoc sibi concedi postulavit, sed et is, qui nullo voluntatis indicio, patiente tamen domino possidet.“ Cujacius (in einer Note zu dieser Stelle) beschränkt das auf die Fortsetzung eines früheren precarii, und zwar ohne allen Grund, wenn nicht der folgende §. bei Paulus diesen Grund enthalten soll: „ ... magis dicendum est, clam videri possidere (also nicht precario): nullae enim preces ejus videntur adhibitae.“ Allein gerade diese letzten Worte fehlen in der edit. princ. (S. die Note von Hugo).


(460) Vierter Abschnitt. Interdicte.

soll (S. 302. etc.). In beiden Fällen aber kann die Erlaubniss nach Willkühr zurückgenommen werden; wird die Sache dennoch nicht zurückgegeben, so ist nun der Besitz unrechtlich (vitiosa, injusta possessio) (1) und kann auf ähnliche Weise durch ein Interdict eingeklagt werden, wie der gewaltsame Besitz. Demnach gehört das precarium hierher, und bloss hierher, denn die vitiosa possessio ist das einzige, was hier ein juristisches Verhältniss begründet, und als Vertrag wird es durchaus nicht betrachtet (2). Eine Folge davon ist es, dass das

(1) Einige Stellen nennen die precaria possessio: justa, andere: injusta, offenbar weil sie beides wirklich ist, nur zu verschiedenen Zeiten: sie fängt an, injusta zu sein, sobald die Restitution verweigert ist. Dieser Missbrauch des guten Willens und Zutrauens hat hier dieselbe Wirkung, wie bei der violenta possessio die Gewalt. Cuperus (II. 7.) verwirft diese sehr natürliche Vereinigung der Stellen, die längst vorgeschlagen und angenommen war: sein Hauptgrund dagegen ist der, dass nicht etwa das revocatum precarium, sondern das precarium schlechthin als Grund einer injusta possessio mit vi und clam bei den Exceptionen verbunden werde: allein wenn eine Exception gebraucht wird, so versteht es sich ja von selbst, dass die Erlaubniss zurückgenommen ist. (Die Meinung des Cuperus wird weiter ausgeführt und vertheidigt von Albert a. a. O. §. 58-61.).

(2) Alles dieses ist sehr klar bestimmt in: L. 14. L. 22. §. 1. de prec., L. 14. §. 11. de furtis, und es wird dadurch bestätigt, dass das Interdict sogar wegfällt, wenn ein anderes Klagrecht, aus einem juristischen Geschäft, vorhanden ist. L. 2. §. 3. de prec. („ex hac solummodo causa“), L. 15. §. 3. eod. – Aus zwei Gründen könnte jedoch der Satz bezweifelt werden: A. in L. 23. de R. I. heisst das precarium ein Contractus; allein dieses Wort wird da offenbar für jeden möglichen Grund einer Obligation genommen, denn auch tutela und negotiorum gestio ist darunter begriffen. – B. In späteren Zeiten wurde, ausser dem Interdict, auch eine actio (praescriptis verbis) gegeben: L. 2. §. 2., L. 19. §. 2. de prec., Paulus V. 6. §. 10. Davon wird noch am Ende des §. die Rede sein. Für das praktische Recht hiess das nur so viel, der Kläger soll nun zwischen beiden Processarten die Wahl haben. Die Natur der obligatio selbst wurde dadurch nicht geändert.


(461) §. 42. Interdictum de precario.

Recht der willkührlichen Zurückforderung selbst dadurch nicht ausgeschlossen wird, wenn der, welcher die Erlaubniss gab, jenem Rechte entsagt (1), da doch die Klage aus einem Vertrage immer durch eine exceptio pacti beschränkt werden kann.

Das int. de precario gieng ursprünglich nur auf Grundstücke, theils nach der Analogie des int. de vi, theils nach ausdrücklichen Zeugnissen: schon zur Zeit der classischen Juristen war es auf bewegliche Sachen ausgedehnt worden (2).

Die obligatio betrifft nur den, welcher durch das precarium den Besitz bekommen hat, einerlei, ob er selbst darum bat, oder durch Andere bitten liess (3). – Der Erbe besitzt die Sache nicht eigentlich als ein precarium (4), ob aber das Interdict gegen ihn gebraucht werden könne, war unter den Römischen Juristen selbst streitig. Einige leugneten es schlechthin, und nahmen

(1) L. 12. pr. de prec. – G. F. Kraus diss. de precario ad certum tempus dato, Viteb. 1750. – Eine solche Beschränkung der Zurückforderung widerspricht der Natur des precarii so sehr, dass, wenn nur dessen Dasein gewiss ist, eine Verabredung dieser Art nicht als beschränkender Vertrag, sondern bloss als Erinnerung für den Empfänger, zu dieser Zeit von selbst zurückzugeben, betrachtet werden muss.

(2) Isidori orig. V. 25.: „Precarium est dum prece creditor rogatus permittit debitorem in possessione fundi sibi obligati demorari et ex eo fructus capere.“ Das scheint aus älteren Quellen geschöpft. – L. 4. pr. de precario. „In rebus etiam mobilibus precarii rogatio constitit, “ was darauf zu deuten scheint, dass man diesen Rechtssatz erst späterhin angenommen hat. So lesen nämlich die Florentinische Handschrift und Haloander; andere Handschriften und alte Ausgaben lesen freilich consistit, wodurch alle Hindeutung auf eine solche Aenderung verschwindet.

(3) L. 4. §. 2., L. 6. §. 1., L. 13. de prec.

(4) L. 12. §. 1. de prec. – Eine wichtige Folge ist die, dass nun die accessio possessionis (S. 184. f.) wegfällt.


(462) Vierter Abschnitt. Interdicte.

vielmehr eine clandestina possessio an, ohne Zweifel also auch das int. de clandestina possessione (1). Andere liessen das Interdict auch gegen den Erben schlechthin zu (2). Diese letzte Meinung ist als die herrschende unsrer Rechtsbücher zu betrachten, indem die unzweideutigsten Stellen derselben dafür sprechen, anstatt dass aus der andern Meinung nur eine schwankende, auch anders zu deutende, Stelle aufgenommen worden ist. – Gegen den Eigenthümer der Sache kann das Interdict um deswillen nicht gebraucht werden, weil in diesem Fall gar kein precarium anerkannt wird: die näheren Bestimmungen dieses Satzes sind schon oben (S. 302. etc.) vorgekommen (*).

Die obligatio selbst, worauf dieses Interdicts geht, ist zunächst auf Restitution der Sache gerichtet, nicht auf den Ersatz ihres Werthes (wenn sie selbst verloren oder verdorben ist), ausser insofern dolus oder lata culpa des Beklagten nachgewiesen werden kann (3). Allein von

(1) L. 11. de div. temp. praescr. „Quamvis precarium heredem ignorantem non teneat, nec Interdicto recte conveniatur.“ Diese Stelle für sich allein ist noch nicht entscheidend, weil das Beiwort ignorantem so gedeutet werden kann, dass precarium und Interdict nicht gelten sollen, so lange nicht der Erbe darum weiss, so dass er nämlich durch sein Mitwissen gleichsam selbst Theil nähme an dem precarium, worauf denn auch L. 12. §. 1. de prec. (vor. Note) bezogen werden könnte. Allein ganz deutlich ist Paulus V. 6. §. 12.: „Heres ejus, qui precariam possessionem tenebat, si in ea manserit, magis dicendum est, clam videri possidere: nullae enim preces ejus videntur adhibitae. Et ideo persecutio ejus rei semper manebit, nec interdicto locus est.“ (Nämlich interdicto de precario).

(2) L. 8. §. 8. de prec. „Hoc interdicto heres ejus, qui precario rogavit, tenetur, quemadmodum ipse“ etc. L. 2. C. eod. „Habitantis precario heredes ad restituendum habitaculum teneri, contra eos interdicto proposito, manifeste declaratur.“

(*) Vgl. Anh. Num. 158. A. d. H.

(3) L. 2. pr. de poss. „Ait Praetor, quod precario ab illo habes, aut dolo malo fecisti ut desineres habere, qua de re agitur illi


(463) §. 42. Interdictum de precario.

der Zeit an, in welcher die Klage angestellt wird, ist der Beklagte in mora: nun muss er, wie bei den vorigen Interdicten, für jede culpa überhaupt einstehen, die Früchte der Sache zurückgeben – kurz, den Kläger ganz in die Lage setzen, in welcher derselbe sein würde, wenn die freiwillige Restitution nicht verweigert worden wäre (1).

Besondere Exceptionen giebt es bei diesem Interdict nicht, namentlich keine, die sich auf Verjährung gründet (2): und selbst die allgemeine Verjährung, die das neuere Recht eingeführt hat, kann doch nur in dem Fall angewendet werden, wenn nach der verweigerten Restitution der Besitz noch 30 Jahre fortgesetzt worden ist (*).

Ich habe hier das precarium dargestellt, so wie wir es in unsern Rechtsquellen finden: es ist aber nicht zu leugnen, dass dieses Rechtsverhältniss viel räthselhaftes hat. Zuerst, wie kamen die Römer, die von Natur nicht freigiebig und mittheilend waren, schon sehr frühe zu dem Bedürfniss dieses besondern Rechtsinstituts, woraus doch immer auf den häufigen Gebrauch im wirklichen Leben geschlossen werden kann? Und wenn sie es auch gebrauchten, warum behandelten sie es nicht geradezu als einen Realcontract, nämlich entweder als Commodat, oder wenigstens als einen Innominatcontract nach der Form do ut des (3)? Denn das ursprüngliche Hingeben und die

restituas.“ L. 8. §. 6., eod. „Et generaliter erit dicendum, in restitutionem venire dolum et culpam latam dumtaxat, cetera non venire.“ Cf. L. 8. §. 3. 5. eod., L. 23. de R. I.

(1) L. 8. §. 4. 6. de prec.

(2) L. 8. §. 7. de prec.

(*) Vgl. Anh. Num. 159. A. d. H.

(3) (Zusatz der 4. Ausg.) Dass kein Commodat angenommen wurde, liesse sich etwa daraus erklären, dass man in früherer Zeit das Precarium nur auf Grundstücke bezog (S. 461.), das Commodat aber nur an beweglichen Sachen gelten liess (L. 1. §. 1. commod. L. 17. pr. de praescr. verb.).


(464) Vierter Abschnitt. Interdicte.

Verabredung der Rückgabe war unleugbar vorhanden, und mehr als dieses gehört zum Dasein eines Realcontracts durchaus nicht. Ferner: wie konnten eben über diesen Punkt die Römischen Juristen verschiedener Meinung sein, indem einige das Dasein einer civilis obligatio ableugnen und daraus das Bedürfniss des Interdicts ableiten, andere die actio praescriptis verbis gestatten? (S. 460.) Warum gilt hier für die culpa eine andere Regel, als aus den allgemeinen Grundsätzen folgen würde? Warum ging das Interdict zuerst nur auf Grundstücke, und warum hat sich hierin das Recht geändert? (S. 461.) Endlich warum konnte über die Verpflichtung des Erben gestritten werden? (S. 461. 462.)

Alle diese Räthsel lösen sich, wenn man die oben (§. 12 a.) angedeutete Entstehung des precarii annimmt. Es war ursprünglich das Lehenverhältniss zwischen dem Patron und seinem Clienten über das auf den ager publicus verliehene Bauerngut. Solche Güter wurden auf willkührliche Kündigung gegeben, und gegen den Clienten, der nicht weichen wollte, ging das int. de precario (1). Weil nun zwischen dem Patron und seinen Clienten eine Art von Familienverhältniss bestand, ähnlich dem des Vaters zu seinen Kindern (2), so wurde keine eigentliche obligatio, kein Contract angenommen, obgleich in ähnlichem Fall unter fremden Personen ein Contract gewiss vorhanden gewesen wäre. Dass dieses Verhältniss nicht auf die Erben ging, dass die gewöhnlichen Grundsätze der culpa in Contracten dabei nicht beobachtet wurden, dass es nur an Grundstücken statt fand – das alles

(1) Niebuhr Römische Gesch. Th. 2. S. 167. der 2. Ausgabe, hauptsächlich aus Festus v. patres: „ ... quique agrorum partes adtribuerint tenuioribus perinde ac liberis“, also wie ein Peculium, wobei sich ja auch das Recht willkührlicher Zurücknahme von selbst verstand.

(2) Festus l. c.


(465) §. 42. Interdictum de precario.

macht nun keine Schwierigkeit. Dass es nicht mit dem ager publicus völlig aufhörte, hatte ähnliche Gründe, wie bei der possessio überhaupt (§. 12 a.). War es nämlich zu diesem besonderen Zweck einmal eingeführt und ausgebildet, so konnte es nun auch in dieser Eigenthümlichkeit auf andere Gegenstände angewendet werden, für welche es wohl nie zuerst eingeführt worden wäre: und als der alte ager publicus aufhörte, war diese Ausdehnung das einzige, was noch von dem alten precarium übrig blieb. Darum wurde es nunmehr auch bei beweglichen Sachen gebraucht, und darum konnten nun die oben bemerkten Controversen unter den Römischen Juristen entstehen, indem einige an dem Buchstaben des alten precarii fest hielten, andere aber auf die gänzlich veränderte Lage desselben neue Regeln gründen wollten, welche letzte Ansicht denn, wie billig, in unsern Rechtsbüchern den Vorzug erhalten zu haben scheint.

Vielleicht wäre aber das precarium als überflüssig dennoch ganz verschwunden, wenn es nicht zufällig wieder für ein anderes Rechtsinstitut wichtig geworden wäre. Die älteste Form des Pfandrechts beruht darauf, dass die Sache gleich jetzt dem Gläubiger mancipirt wurde unter der Verpflichtung künftiger Remancipation (fiducia) (S. 294.). Dabei war nun aber gewöhnlich gar nicht die Absicht, die Sache dem Gebrauch des Schuldners zu entziehen, und es entsteht daher die Frage, unter welcher Rechtsform dieser Gebrauch dem Nichteigenthümer verschafft wurde. Ohne Zweifel diente eben dazu auf die zweckmässigste Weise das precarium, welches eben darum noch zur Zeit der classischen Juristen wichtig genug gewesen sein mag (1). Im Justinianischen Recht ist auch diese Anwendung verschwunden.

(1) Interpr. Pauli V. 6. §. 7. „ ... precario (possidet) qui per precem postulat, ut ei in possessione permissu domini vel creditoris


(466) Vierter Abschnitt. Interdicte.

§. 43.

Das ganze Recht der possessorischen Interdicte, welches bis hierher dargestellt worden ist, beruhte auf bestimmten Formen der Verletzung des Besitzes, aus welchen allein die obligatio entstand, die durch die Interdicte verfolgt werden sollte. Viele Juristen betrachten diese ganze Theorie als blosse Antiquität: durch die Constitutionen, glauben sie, sei ein allgemeines Rechtsmittel eingeführt, die actio momentariae possessionis, wodurch jeder verlorne Besitz überhaupt wieder gefordert werden könne, ohne Rücksicht auf die Art, wie er verloren worden sei: durch dieses allgemeine Klagrecht seien die alten Interdicte nicht sowohl aufgehoben, als ganz überflüssig geworden (1). Nach dieser Ansicht wäre das neue Recht der possessorischen Klagen eben so unbestimmt und willkührlich, als das alte Recht bestimmt und zusammenhängend war, und es ist um so nöthiger, die historische Richtigkeit derselben streng zu prüfen.

Der neue Rechtssatz selbst soll nicht sowohl in einem einzelnen Gesetz eingeführt, als in mehreren Constitutionen als entschieden vorausgesetzt sein. Allein selbst ohne diese Constitutionen erklärt zu haben, kann man ihn bestimmt widerlegen. Denn Justinian hat nicht nur in den Pandecten ganz das alte Recht aufgenommen, sondern selbst in den Institutionen wird es

fiduciam commorari liceat.“ Schulting emendirt fiduciarii mit grosser Wahrscheinlichkeit; meine Handschrift indessen liesst fidutia. – Vergl. auch Isidori orig. V. 25. (s. o. S. 461. Note 2.), ganz vorzüglich aber Gaius Lib. 2. §. 60.

(1) Cujacius hat vorzüglich diese Behauptung aufgestellt (obss. I. 20, XIX. 16., paratit. in Cod. tit. unde vi, Comment. in Cod. tit. unde vi in opp. T. 9. p. 1148. 1153. 1159.) und ihm sind viele Andere gefolgt. – Dagegen sind: Giphanius in proleg. lib. 8. Cod. (expl. Cod. P. 2. p. 269.), Westphal §. 320., Fleck de interd. p. 66-71.


(467) §. 43. Neues Recht der Constitutionen.

vorgetragen, und zwar hier mit den neueren Modificationen, die zum Theil erst von Ihm selbst hinzugesetzt waren, zum deutlichen Beweise, dass es nicht bloss Antiquität, sondern praktisches Recht ist, was daselbst gelehrt wird. Ja, was noch entscheidender ist, in einer der jüngsten Constitutionen, die das neue Recht beweisen sollen (1), wird gerade im Gegentheil das alte Recht als geltend vorausgesetzt, indem für einen ganz speciellen Fall ein eigenes Klagrecht bloss deswegen eingeführt wird, weil die alten Interdicte für diesen Fall nicht zureichten. Das also ist jetzt schon entschieden, dass jener Rechtssatz nicht der Inhalt der Constitutionen sein kann, deren Erklärung nun gegeben werden soll.

A. L. 5. C. unde vi (2).

„Invasor locorum poena teneatur legitima: si tamen vi loca eadem invasisse constiterit. Nam si per errorem aut incuriam domini loca ab aliis possessa sunt: sine poena possessio restitui debet.“

„Also“ – sagen Jene – „soll der Besitz auch dann wieder gefordert werden können, wenn er nicht durch Gewalt verloren worden ist.“ – Allein den Besitz fordert auch der Eigenthümer durch die Vindication, und dass gerade davon die Rede ist, zeigt der Ausdruck „domini“ deutlich genug (3). Die ganze Stelle ist also nur, wie so viele andere, von Tribonian an einem unrichtigen Orte eingerückt worden.

(1) L. 11. C. unde vi.

(2) Vgl. L. 1. C. Th. fin. reg. – Cuiac. obs. XIX. 16., I. Gothofred. in L. cit. C. Th., Goesius in notis ad scr. rei agr. p. 183. (auch bei Ritter zu der Stelle des Cod. Th.), Westphal §. 320., Fleck de interd. p. 67.

(3) Cujacius selbst erklärt in einer ganz ähnlichen Stelle (L. 6. C. de poss.) die restitutio possessionis auf dieselbe Art (Comm. in Cod., opp. IX. 1016.), ohne sich hier dieser Erklärung zu erinnern.


(468) Vierter Abschnitt. Interdicte.

B. L. 8. C. unde vi (1).

„Momentariae possessionis interdictum, quod non semper ad vim publicam pertinet, vel privatam, mox audiri, interdum etiam sine inscriptione meretur.“ Also es soll Fälle geben, in welchen zwar das Interdict, aber keine accusatio ex lege Iulia möglich wäre. Solche Fälle lassen sich allerdings denken: wenn z. B. in Abwesenheit des Besitzers sein Grundstück ohne besondere Gewaltthätigkeit occupirt wird und er zurück zu kehren nicht wagt, so ist kein crimen vis begangen, das Interdict aber dennoch begründet (S. 431.).

C. L. 11. C. unde vi:

„Cum quaerebatur inter Illyricianam advocationem, quid fieri oporteret propter eos, qui vacuam possessionem (2) absentium sine judiciali sententia detinuerunt, quia veteres leges nec Unde vi interdictum, nec quod vi aut clam, vel aliam quandam actionem ad recipiendam talem possessionem definiebant, violentia in ablatam possessionem minime praecedente, nisi domino tantummodo in rem exercere permittentes (3): nos non concedentes aliquem

(1) L. 8. C. Th. de jurisd. – Cuiac. obss. I. 20., Giphan. in h. L. (expl. Cod. P. 2. p. 288.).

(2) Vacua possessio kann gesagt werden, theils von einer Sache, die keinen Besitzer hat (S. 188.), theils von einem Besitz, der eben jetzt nicht körperlich ausgeübt wird (z. B. possessio fundi quae animo retinetur). Hier ist der Ausdruck in der ersten Bedeutung genommen, die ohnehin die technische ist: die Gründe werden weiter unten angegeben werden. Azo in Summa h. t. num. 31. (fol. 146.), et in lect. in h. L. (p. 619.), Glossa in h. L., Giphanius in h. L. (expl. Cod. P. 2. p. 295.).

(3) Dieser Theil der Stelle macht sie selbst am deutlichsten. Der Fall nämlich muss nun nothwendig so gedacht werden, dass keine persönliche Klage nach dem ältern Recht statt finden könnte.


(469) §. 43. Neues Recht der Constitutionen.

alienas res, vel possessiones (1) per suam auctoritatem usurpare, sancimus, talem possessorem, uti praedonem intelligi, et generali jurisdictione ea teneri, quae pro restituenda possessione contra hujusmodi personas veteribus declarata sunt legibus (2) ... si non ex die, ex quo possessio detenta est, triginta annorum excesserint curricula“ (3). Der Fall, welchen dieses Gesetz bestimmt, muss so gedacht werden: der Besitz einer Sache war durch blosse Abwesenheit verloren worden (S. 359. 360.) (*), und diese vacua possessio hatte ein Anderer occupirt (4). Für diesen Fall nun galt keine der bisherigen possessorischen Klagen, ja keine Klage

(1) Res, im Gegensatz von possessiones (S. 104. 105.) sind bewegliche Sachen; also beide zugleich soll das Gesetz umfassen, was auch sehr natürlich ist, da das Int. de vi längst auf bewegliche Sachen ausgedehnt war.

(2) d. h. es soll nach dieser Ausdehnung des Int. recuperandae possessionis (s. de vi) auf diesen Fall, nun auch alles das in demselben beobachtet werden, was bei dem Int. de vi schon nach altem Recht galt („quae ... contra hujusmodi personas (sc. praedones) veteribus declarata sunt legibus“).

(3) Dass die Klage nicht über 30 Jahre dauert, ist eine Folge der allgemeinen 30jähr. Verjährung; dass sie nicht auf Ein Jahr beschränkt ist, erklärt sich aus der Voraussetzung, dass der Beklagte selbst den Besitz der Sache noch hat, in welchem Fall auch das Int. de vi nicht auf Ein Jahr beschränkt ist (S. 450.). Folglich enthält diese Bestimmung nichts besonderes, und sie ist wohl von einer ähnlichen Bestimmung der L. 1. C. si per vim zu unterscheiden, welche in der That eine Ausnahme vorschreibt (S. 451.).

(*) Vgl. Anhang Num. 160. A. d. H.

(4) Dass so und nicht anders der Fall gedacht werden müsse, ist oben vorausgesetzt worden, und kann jetzt bewiesen werden. Wäre nämlich erst durch die Occupation des jetzigen Besitzers der vorige Besitz aufgehoben worden, so hätte bei Grundstücken das Int. de vi gegolten (S. 431), bei beweglichen Sachen die condictio furtiva. Der Fall aber ist nach Justinian’s eigener Erklärung so beschaffen, dass das alte Recht keine Klage gestattet hätte.


(470) Vierter Abschnitt. Interdicte.

überhaupt ausser der Vindication. Justinian will, dass auf diesen Fall das Int. de vi angewendet werde: etwas Neues liegt darin allerdings, aber einmal betrifft dieses Neue einen einzelnen, sehr genau bestimmten Fall, und zweitens wird dadurch überhaupt keine Regel modificirt, welche für die possessorischen Klagen ausserdem gegolten hätte. Denn da der Besitz schon vor der Occupation verloren war, so ist von einer unmittelbaren Verletzung des Besitzes gar nicht die Rede, so dass selbst die Entscheidung dieses speciellen Falls keine Aehnlichkeit mit der Regel hat, die als allgemeine Regel dadurch bewiesen werden sollte.

D. L. 12. C. de poss.

Die Stelle selbst ist oben erklärt worden (S. 372.). Sie verordnet, dass in bestimmten Fällen durch die Untreue des Repräsentanten der Besitz nicht verloren sein solle: von einem besondern Klagrecht ist darin überhaupt nicht die Rede, am wenigsten von einer neuen actio recuperandae possessionis, da das Gesetz gerade die Fortdauer des Besitzes zum einzigen Gegenstand hat.

E. Endlich muss noch die blosse Ueberschrift eines Titels (1) dahin gerechnet werden, die wohl viel zu jener unrichtigen Meinung beigetragen haben mag. Sie lautet so: „si per vim vel alio modo perturbata sit possessio.“ Was in diesen beiden Fällen einer perturbata possessio (per vim vel alio modo) erfolgen soll, ist nicht gesagt; dieser Erfolg kann also wohl nicht anders, als aus den Constitutionen des Titels selbst bestimmt werden. Die erste dieser Constitutionen spricht bloss von einer possessio

(1) Cod. Iust. Lib. 8. Tit. 5.


(471) §. 43. Neues Recht der Constitutionen.

per vim perturbata. Der Inhalt der zweiten ist dieser: „bei einem Rechtsstreit soll der Besitzstand weder durch ein Rescript des Kaisers, noch durch ein Decret des Richters geändert werden können, wenn Eine Partei abwesend ist.“ Diese Verordnung betrifft offenbar bloss den Process, und sie ist nur an einer unschicklichen Stelle von den Compilatoren eingeschaltet worden. Die Verletzung des Besitzes also, gegen welche das Gesetz gerichtet ist (possessio alio modo quam per vim perturbata) ist eine processualische Nullität, und hat mit einer solchen Verletzung, welche ein Interdict veranlassen könnte, nicht die geringste Aehnlichkeit.

Demnach ist das alte Recht der Interdicte durch die Constitutionen auf keine Weise aufgehoben oder entbehrlich gemacht worden, und die Ansicht des Besitzes, welche jenen Interdicten zum Grunde lag, ist auch in Justinian’s Gesetzgebung dieselbe geblieben (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 161. A. d. H.


(472)

Fünfter Abschnitt.

Iuris quasi possessio.

§. 44.

Das Recht des Besitzes beruht auf dem Schutz der blossen Ausübung des Eigenthums gegen bestimmte Formen der Verletzung. Diese Formen der Verletzung und jener Schutz lassen sich auf dieselbe Weise auch bei solchen Rechten denken, die als einzelne Bestandtheile des Eigenthums von dem Eigenthum selbst abgesondert sind (Iura in re), und das Römische Recht hat diese Anwendung wirklich gemacht. Das Verhältniss dieser Iuris quasi possessio zum wahren Besitz ist oben entwickelt worden (§. 12.). Hier sind dieselben drei Fragen zu beantworten, wie bei dem Besitze selbst, d. h. es ist der Erwerb, der Verlust und der Schutz durch Interdicte für die Iuris quasi possessio zu bestimmen. Diese Untersuchung aber muss für jede Classe jener Rechte besonders angestellt werden; daher zerfällt dieser Abschnitt in drei Theile:

1. Persönliche Servituten (§. 45.).

2. Dingliche Servituten (§. 46.).

3. Iura in re, die nicht unter die Servituten gehören (§. 47.).


(473) §. 45. Persönliche Servituten.

Für diese drei Classen von Rechten ist indessen noch eine allgemeine Bemerkung voraus zu schicken. Hier, wie bei dem eigentlichen Besitz, beruht der Erwerb und die Fortdauer des Rechts auf körperlichem Verhältniss und animus zugleich. Die zweite dieser Bedingungen ist dem Grundsatz nach bei allen diesen Rechten ganz auf dieselbe Weise, wie bei dem Besitze selbst, zu bestimmen. Ohne animus possidendi also kann keine Iuris quasi Possessio erworben werden, und durch blossen animus non possidendi muss das Recht des Besitzes jedesmal aufhören. Deswegen mag diese allgemeine Bemerkung hinreichend sein, und bei den einzelnen Rechten wird der animus possidendi nur insofern erwähnt werden, als derselbe bei ihnen in einer besonderen Gestalt zur Erscheinung kommt (1).

(Zusatz der 6. Ausg.) Die meisten und wichtigsten Servituten haben einen Besitzesschutz durch Interdicte erhalten: einige durch dieselben Interdicte, welche schon bei dem eigentlichen Besitz dargestellt worden sind, andere durch eigenthümliche Interdicte. Ihnen gegenüber kann der corporis possessor seinen Besitz der Freiheit durch das Int. uti possidetis oder utrubi schützen; und dagegen kann dann der Servitutenbesitzer stets sein Interdict in der Gestalt einer Exception geltend machen (*).

§. 45.

Die persönlichen Servituten (d. h. vorzüglich ususfructus und usus) haben das Eigenthümliche, dass die Ausübung derselben immer mit dem natürlichen Besitz der Sache selbst verbunden ist. Darum hat ihre quasi

(1) Bona fides ist nur allein bei dem Int. de aqua nöthig (§. 46.), im allgemeinen nicht.

(*) Vgl. Anh. Num. 162. A. d. H.


(474) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

possessio mehr Aehnlichkeit mit dem eigentlichen Besitz, als die der übrigen Rechte, und diese Aehnlichkeit zeigt sich nicht nur in dem Erwerb und Verlust, sondern auch in den Interdicten.

Erworben also wird diese Art des Besitzes durch dasselbe Handeln, wie der Besitz der Sache selbst: namentlich durch Uebergabe der Sache, oder dadurch, dass der Eigenthümer in das Grundstück einführt oder den fructuarius selbst in Besitz nehmen lässt (1): vorausgesetzt, dass dieses alles in bestimmter Beziehung auf den ususfructus geschehe.

Fortgesetzt wird dieser Besitz, wie jeder andere Besitz, durch die ununterbrochene Möglichkeit, die ursprüngliche Herrschaft zu reproduciren (2): verloren also durch die Aufhebung dieser Möglichkeit. Indessen muss hier ausserdem noch eine andere Art des Verlustes angenommen werden. Da nämlich durch blossen non usus am Ende eines bestimmten Zeitraums die Servitut selbst verloren wird, so muss in der ganzen Zwischenzeit der Besitz verloren gewesen sein, obgleich jene Reproduction stets möglich gewesen sein kann. Auf der andern Seite aber kann man nicht behaupten, dass jeder auch noch so

(1) L. 3. pr. de usuf. „Omnium praediorum jure legati potest constitui ususfructus, ut heres jubeatur dare alicui usumfructum. Dare autem intelligitur, si induxerit in fundum legatarium, eumve patiatur uti frui. Et sine testamento autem si quis velit usumfructum constituere, pactionibus et stipulationibus id efficere potest.“ Die „pactiones et stipulationes“ gehen nicht auf den Besitz, sondern auf das Recht selbst, welches früherhin durch in jure cessio erworben wurde, im neuesten Recht aber durch blossen Vertrag erworben wird. Jenes bezeugt Ulp. XIX. 11., dieses §. 4. I. de serv. praed. §. 1. I. de usufructu.

(2) Selbst das besondere Recht des Besitzes an einem servus fugitivus gilt auch hier, und es ist hier sogar noch vortheilhafter bestimmt. L. 12. §. 3. 4. de usu fructu.


(475) §. 45. Persönliche Servituten.

kurze Nichtgebrauch den Besitz wirklich entziehe, weil sonst gar keine Grenze übrig bliebe, und weder Erhaltung des Besitzes noch besonders Ersitzung möglich sein würde. Deswegen bleibt nichts übrig, als anzunehmen, dass während des blossen Nichtgebrauchs (ohne fremde Occupation) der Besitz in suspenso ist, und dass es sich erst durch Erneuerung des Gebrauchs oder durch Ablauf des ganzen Zeitraums zeigt, ob er in der ganzen Zwischenzeit da gewesen oder nicht da gewesen ist (1). Eben wegen dieser vorläufigen Unentschiedenheit ist aber diese Art des Verlustes bei den Interdicten ganz ohne Einfluss (2).

Darin kommt dieser Besitz mit jedem andern überein, dass er durch Repräsentanten, z. B. durch Pachter, fortgesetzt werden kann, und nur in der Anwendung dieser Regel ist es nöthig, einige Fälle besonders zu erörtern: A. Das Recht dieser Servituten ist an eine bestimmte Person gebunden, folglich unveräusserlich, folglich hat selbst die Veräusserung derselben (durch Verkauf, Schenkung etc.) im wesentlichen keine andere Wirkung, als eine blosse Verpachtung: es entsteht ein bloss persönliches Recht gegen den fructuarius, und nur die Form dieser obligatio ist verschieden. Die Folge dieses Satzes für den Besitz ist die, dass in allen den Fällen, in welchen

(1) Eine ähnliche Unentschiedenheit gilt bei dem Ususfructus zuweilen auch für das Eigenthum der Früchte.

(2) Eine etwas verschiedene Bewandniss hat es mit der Fortsetzung des Besitzes, insofern diese zu einem Erwerb durch Ersitzung führen soll. Hier nimmt Unterholzner (Verjährungslehre §. 214.) an, der Besitz daure fort, wennmöglich gewöhnliche Unterbrechungen der Ausübung statt finden, dagegen sei er unterbrochen, wenn man die Ausübung ganz ungewöhnlich lange Zeit hindurch unterlassen habe. Diese Annahme, bei welcher freilich ein sehr freies Ermessen des Richters unvermeidlich ist, scheint richtig. (Zusatz der 6. Ausg.)


(476) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

der Besitz einer Sache übertragen zu werden pflegt, der Besitz des ususfructus etc. ungeändert bleibt, so dass der fructuarius auf gleiche Weise das Recht des Besitzes behält, er mag den ususfructus bloss verpachten, oder aber verkaufen, verschenken, oder durch precarium einem Andern überlassen (1). B. Auch an den Eigenthümer der Sache kann der ususfructus verpachtet werden, so dass nun durch den Eigenthümer der Besitz fortgesetzt wird. Wenn aber der Eigenthümer die Sache ohne Rücksicht auf den ususfructus, (d. h. ohne ihn vorzubehalten) verkauft, oder in eigenem Namen (also gleichfalls ohne Rücksicht auf den ususfructus) verpachtet, so ist dadurch der Besitz aufgehoben (2).

Die Interdicte endlich sind hier ganz dieselben, wie bei dem eigentlichen Besitz, und dieser Umstand mag wohl am meisten dazu beigetragen haben, beide Rechte mit einander zu verwechseln (3). Da nämlich die

(1) L. 12. §. 2. de usufructu: „Usufructuarius vel ipse frui ea re, vel alii fruendam concedere (für dieses letzte folgen nun Beispiele), vel locare, vel vendere potest: nam et qui locat, utitur: et qui vendit, utitur. Sed et si alii precario concedat vel donet, puto eum uti: atque ideo retineri usumfructum ... “ Die letzten Worte beziehen sich darauf, dass durch non usus in einer bestimmten Zeit der ususfructus selbst verloren wird: so ist also hier die Fortsetzung des Besitzes für die Erhaltung des Rechts selbst indirect nöthig.

(2) L. 29. pr. quib. mod. ususfr. Diese Stelle darf durchaus nicht bei der Streitfrage gebraucht werden, die oben (§. 33.) für den Besitz selbst abgehandelt worden ist. Denn einmal ist die Iuris quasi Possessio überhaupt mit dem eigentlichen Besitz nicht einerlei, und zweitens kommt in diesem Fall alles auf das besondere Verhältniss des fructuarius zum Eigenthümer an, mit welchem Verhältniss bei dem eigentlichen Besitz sich gar nichts ähnliches findet.

(3) Nur das erfahren wir aus fragm. Vat. §. 90. 91. 92. 93., dass in diesen Fällen jedes Interdict nur als ein utile interdictum zur Anwendung kam. Die Hauptstelle, §. 90., muss so emendirt werden: „Si usufructu legato legatarius fundum nanctus sit, competit utile interdictum adversus


(477) §. 45. Persönliche Servituten.

Ausübung dieser Servituten, wie die des Eigenthums, von dem natürlichen Besitz der Sache selbst abhängt, so ist die Art der Störung in beiden Fällen ganz dieselbe, und eben so ist der Schutz gegen diese Störung in beiden auf gleiche Weise bestimmt:

I. Ist der Gegenstand eine unbewegliche Sache, so ist das Int. uti possidetis anwendbar, wenn die Iuris quasi Possessio zwar gestört, aber nicht aufgehoben ist. Dieses Interdict ist demnach auf folgende Fälle anzuwenden: A. wenn Mehrere an derselben Sache (d. h. an partibus indivisis) den ususfructus haben, und sich gegenseitig im Besitze stören; B. wenn sich der fructuarius gegen Eingriffe des Eigenthümers schützen will oder umgekehrt (S. 286.); C. wenn ein Fremder, d. h. der gar kein Recht hat, den Besitz des fructuarius stört; D. wenn verschiedene Rechte, z. B. usus und ususfructus, an derselben Sache neben einander bestehen, und die Ausübung derselben gegen wechselseitige Störung gesichert werden soll (1).

II. Auf dieselbe Art, wie das Int. uti possidetis bei unbeweglichen Sachen, muss bei beweglichen das Int. utrubi auch auf diese Iuris quasi Possessio angewendet werden; dass diese Anwendung nicht ausdrücklich in unsern Rechtsquellen vorgeschrieben ist, erklärt sich

eum, quia non possidet legatum, sed potius fruitur. Inde et interdictum uti possidetis utile hoc nomine proponitur, et unde vi, quia non possidet“ etc. (Zusatz der 5. Ausg.)

(1) L. 4. uti possidetis: „In summa puto dicendum, et inter fructuarios hoc interdictum reddendum, et si alter usumfructum, alter possessionem sibi defendat. Idem erit probandum, et si ususfructus quis sibi defendat possessionem: et ita Pomponius scribit. Proinde et si alter usum, alter fructum sibi tueatur, et his interdictum erit dandum.“ – Eine ganz verkehrte Erklärung dieser Stelle nach seiner Ansicht des Interdicts giebt Wiederhold S. 51. (Zusatz der 6. Ausg.)


(478) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

leicht wenn man bedenkt, wie wenig überhaupt von dem Int. utrubi die Rede ist.

III. Ist der Besitz nicht bloss gestört, sondern gewaltsam aufgehoben, so ist das Int. de vi begründet (1). Nach dem alten Recht war es auch hier bei beweglichen Sachen ausgeschlossen, den Fall ausgenommen, wenn mit dem Grundstück zugleich solche Sachen (quae ille tunc ibi habuit) verloren wurden (2): die Ausdehnung dieser obligatio auf bewegliche Sachen, durch die Constitutionen, muss auch hier gelten. Gegenstand der Klage ist erstens die Restitution der Sache, weil von dem natürlichen Besitz derselben die Möglichkeit der Ausübung jener Rechte abhängt; zweitens, vollständiger Schadensersatz (3). In vielen Fällen wird dieser Ersatz sogar der einzige Gegenstand der Klage sein, wenn nämlich das Recht der Servitut selbst durch den Tod des fructuarius, oder durch capitis deminutio, oder durch non usus einstweilen aufgehört hat: in den zwei ersten Fällen betrifft der Ersatz bloss die vergangene Zeit, weil auch ohne die dejectio der Verlust hätte erfolgen müssen (4); wenn dagegen durch non usus das Recht verloren worden ist, so enthält die dejectio selbst die Ursache des Verlustes, folglich muss nun der Ersatz zugleich auf die künftige Zeit gerichtet sein (5).

IV. Von dem Int. de clandestina possessione ist hier natürlich gar nicht die Rede, da selbst bei dem eigentlichen

(1) L. 3. §. 13. 14. de vi. – L. 60. pr. de usufructu (über ususfructus) L. 3. §. 16. de vi. – L. 27. de donat. (über usus). Huenerer diss. de restitutione usufructuarii ex int. unde vi, Arg. 1631. G. A. Struv. diss. de int. unde vi, quatenus usufructuarius ex eo restituatur, Ien. 1658.

(2) L. 3. §. 15. de vi.

(3) L. 9. §. 1. de vi: „Dejectum ab usufructu in eandem causam Praetor restitui jubet: id est, in qua futurus esset, si dejectus non esset.“

(4) L. 60. pr. de usufructu. L. 3. §. 17. de vi.

(5) L. 9. §. 1. L. 10. de vi.


(479) §. 46. Dingliche Servituten.

Besitz der Name desselben nur sehr zufällig aufbehalten worden ist.

V. Endlich kann auch die Ausübung einer solchen Servitut precario einem Andern überlassen werden (1) und nun wird die Restitution der Sache schon nach den Worten des Edicts mit dem Int. de precario gefordert (2).

§. 46.

Der Besitz der dinglichen Servituten ist nicht so einfach zu bestimmen, wie der der persönlichen: es müssen hier mehrere Fälle genau unterschieden werden, und diese Fälle selbst sind zum Theil sehr streitig (3).

Alle dingliche Servituten nämlich bestehen in einzelnen Ausnahmen von der allgemeinen Regel eines fremden Eigenthums: so dass entweder der, welcher das Recht der Servitut hat, selbst etwas thun darf, das ihm ausserdem untersagt werden könnte (servitus quae in patiendo consistit), oder dass nur der Eigenthümer etwas unterlassen muss, das er ausserdem thun dürfte (servitus quae in non faciendo consistit) (4). Die erste Art der Servituten nennen wir positive, oder affirmative, die zweite: negative Servituten oder Untersagungsrechte. Bei den positiven Servituten ist das, was vermöge der Servitut geschehen darf, entweder eine eigene Handlung für sich, die nur mittelbar auf ein anderes Grundstück sich bezieht (z. B. jus itineris), oder es ist mit dem Besitz

(1) L. 12. §. 2. de usufructu.

(2) L. 2. pr. de prec. „ ... Quod precario ab illo habes ... id illi restituas.“ L. 2. §. 3. eod. „Habere precario videtur, qui possessionem vel corporis vel juris adeptus est ...

(3) Oppenritter, Summa poss., P. 1. C. 5. de acquisitione quasi Possessionis: fast bloss von dinglichen Servituten.

(4) Bei den persönlichen Servituten kommt dieser Unterschied nicht vor, indem sie alle eine positive Natur haben.


(480) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

eines andern Grundstücks unmittelbar verbunden (z. B. jus tigni immittendi). Diese drei Classen von dinglichen Servituten sind hier sorgfältig zu unterscheiden (1).

Erste Classe: Positive Servituten (serv. quae in patiendo consistunt), deren Ausübung in einer eigenen, unabhängigen Handlung besteht. – Im allgemeinen lässt sich hier der Erwerb der Iuris quasi Possessio so bestimmen: die Handlung, die den Gegenstand des Rechts ausmacht, muss irgend einmal ausgeübt sein und zwar als ein Recht ausgeübt sein (2). Wer also über des Nachbars Grundstück geht, um mit diesem zu reden, hat dadurch kein jus itineris ausgeübt: wer dagegen ein solches Recht ausüben will, und es gegen den Widerspruch des Eigenthümers mit Gewalt durchsetzt, hat allerdings den Besitz erworben, so dass die „patientia“ des Eigenthümers durchaus nicht zum Erwerb dieses

(1) Diese Eintheilung fällt mit einer andern fast zusammen, was aber bloss zufällig und eben deshalb nicht allgemein wahr ist: die erste Classe enthält jura praediorum rusticorum, die zweite und dritte jura praediorum urbanorum.

(2) L. 25. quemadm. serv. „Servitute usus non videtur, nisi is, qui suo jure uti se credidit: ideoque si quis pro via publica vel pro alterius servitute usus sit, nec interdictum, nec actio utiliter competit.“ Aus diesem Gegensatz erhellt, dass das an sich zweideutige credidit des ersten Satzes nicht die bona fides, sondern den wahren animus possidendi ausdrücken soll. – L. 7. de itinere. „Si per fundum tuum nec vi, nec clam, nec precario commeavit aliquis, non tamen tanquam id suo jure faceret, sed, si prohiberetur, non facturus: inutile est ei Interdictum de itinere actuque: nam ut hoc Interdictum competat, jus fundi possedisse oportet.“ Vergl. L. 1. §. 6. de itinere. Diese wichtige Bedingung eines solchen Quasibesitzes ist lediglich als die besondere Gestalt anzusehen, worin hier der animus possidendi erscheint. Denn das Gehen über ein Grundstück um mit dem Besitzer zu reden, ist eine solche Handlung, die an sich unfähig ist, den animus possidendi zu enthalten, mag auch der Gehende dabei heimlich denken was er will. (Zus. der 6. Ausg.)


(481) §. 46. Dingliche Servituten.

Besitzes nöthig ist (1). Von dem Verluste des Besitzes gilt hier ganz dasselbe, was oben (S. 474.) bei den persönlichen Servituten bemerkt worden ist. Nur ist hier noch hinzuzufügen, dass der Besitz durch die Handlung jeder fremden Person (auch ohne Repräsentationsverhältniss) erhalten werden kann, wenn nur diese Handlung fundi nomine geschieht. L. 5. L. 6. pr. L. 20. L. 24. quemadm. serv. – L. 1. §. 7. L. 3. §. 4. de itinere. Für die Interdicte ist hier der Verlust des Besitzes wegen mancher eigenthümlichen Bestimmungen von Wichtigkeit. – Die Interdicte endlich sind hier auf ganz eigene Art bestimmt, und die gewöhnlichen possessorischen Klagen können durchaus nicht gebraucht werden (2). Das Int. de vi ist um deswillen nicht anwendbar, weil eine eigentliche dejectio sich nicht denken lässt (3): das Int. de precario

(1) L. 20. de serv. „ ... Ego puto, usum ejus juris (es war von jus fundi die Rede) pro traditione possessionis accipiendum esse.“ Also „usus“ ohne nähere Bestimmung, ist die Apprehension. Derselbe Satz folgt aus den Exceptionen der einzelnen Interdicte, welche Exceptionen („vi, clam, precario“) hier, wie bei dem eigentlichen Besitz, durchaus keinen Sinn hätten, wenn in den Fällen derselben selbst die Apprehension nicht behauptet werden könnte. Die Stellen, um deren willen man das Gegentheil behauptet (L. 11. §. 1. de public. in rem act. – L. 1. §. 2. de serv. pr. rust.) reden nicht von dem Erwerb des Besitzes, sondern des Rechts selbst, und damit verhielt es sich so: 1. cessio und mancipatio begründeten ein solches Recht in der That (Ulp. XIX. 1. 11.); 2. Traditio gab nicht das Recht selbst, sondern nur eine publiciana actio (LL. cit.): aber auch dazu, wie zu jeder Tradition, gehört der Wille des tradens, und dieser setzt hier immer patientia voraus.

(2) Mehrere Juristen haben sie dennoch zugelassen, z. B. Busius in subtil. jur. VII. 5. und ganz neuerlich Thibaut, Archiv B. 1. S. 111-116. B. 18. S. 325. Pandecten §. 769. der 8. Ausgabe. Dagegen s. Giphan. in Cod. tit. uti poss., P. 2. p. 302. (*)

(*) Vgl. Anh. Num. 163. A. d. H.

(3) L. 4. §. 27. de usurp.: „Si viam habeam per tuum fundum, et tu me ab ea vi expuleris: per longum tempus non utendo amittam


(482) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

ist wenigstens ganz überflüssig: denn wer einem andern precario verstattet, durch ein Grundstück zu gehen, und dann diese Erlaubniss zurück nimmt, kann durch das Int. uti possidetis dieses Verbot durchsetzen (1), und ohnehin ist das Int. de precario schon den Worten nach nur auf Rückgabe eines Gegebenen gerichtet, was sich hier gar nicht denken lässt (2). Das Int. uti possidetis also wäre das einzige, welches sich hier denken liesse, und doch ist nicht dieses Interdict hier zugelassen, sondern es sind eigene Interdicte für die wichtigsten Fälle dieser Art gegeben (3): demnach gilt überhaupt nur in

viam: quia nec possideri intelligitur jus incorporale, nec de via quis, id est mero jure, detruditur.“

(1) Das Verhältniss ist vollständig so zu bestimmen: der Eigenthümer hat vermöge seines blossen Besitzes das Int. uti possidetis: ist der Beklagte im Besitz der Servitut, so gebraucht derselbe das Int. de itinere, und zwar als Exception (S. 286. 287.): ist aber der Besitz der Servitut auf ein precarium gegründet, so kann der Kläger den Besitz selbst zugeben, und dennoch die Exception durch eine Replik entkräften. – Eigentlich würde hier die Anwendung des Int. de precario wohl so gedacht werden müssen, dass der Besitzer der Servitut ihre Ausübung precario einem Andern überlassen hätte und nun zurück haben wollte; allein eben dieser Hergang kann bei Servituten gar nicht vorkommen. (Zus. der 6. Ausg.)

(2) Nämlich das habere precario lässt sich bei jedem jus in re denken (L. 2. §. 3. de prec.), und namentlich bei den Servituten dieser ersten Classe (L. 3. L. 15. §. 1. de prec.), aber nicht das restituere precarium, worauf das Interdict einzig und allein gerichtet ist (L. 2. pr. de prec.). Dennoch ist es auch bei diesen Servituten nicht gleichgültig, zu wissen, ob sie sich auf precarium gründen oder nicht, weil davon wenigstens Exceptionen abhängen (L. 1. pr. de itin. etc.)

(3) L. 20. in f. de serv. „ ... Ideoque et interdicta veluti possessoria constituta sunt.“ Thibaut a. a. O. S. 116. nimmt diesen unbestimmten Ausdruck für einen allgemeinen, was indessen ganz willkührlich ist. Denn dieser Satz kann eben so gut den Sinn haben: „Deshalb giebt es auch in (manchen, oder vielen ) Fällen dieser Art possessorische Rechtsmittel“ (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 164. A .d .H.


(483) §. 46. Dingliche Servituten.

diesen bestimmten Fällen ein Klagrecht (1) und nur in den Formen, die hier ausdrücklich vorgeschrieben sind und jetzt erklärt werden sollen (*). – Aber obgleich hier durch die eigenthümliche Natur des Gegenstandes besondere

(1) Da alle possessorischen Interdicte ganz positiver Natur sind, so ist das Int. uti possidetis für diese nicht genannten Fälle unzulässig, indem in dem Gebrauch desselben nicht etwa die Anwendung eines allgemeinen Grundsatzes auf einen einzelnen Fall, sondern vielmehr eine Ausdehnung desselben auf ganz neue Fälle liegen würde, und indem sonst die unbedeutendern Servituten dieser Art im Verhältniss zu den ältesten und wichtigsten (via, actus, iter, aquaeductus) begünstigt sein würden. Eben so wenig ist eine analogische Anwendung der besonderen Interdicte dieser Servituten auf die übrigen nicht genannten Fälle denkbar, da die positiven Bedingungen jener besondern Interdicte zu verschiedenartig sind. – [Zusatz der 4. Ausg.] Vorzüglich ist bei dieser Streitfrage Folgendes zu beachten. Dass für mehrere dieser Servituten besondere Interdicte gegeben sind, nicht die allgemeinen, ist gar nicht etwa zufällig, sondern es hat seinen Grund in der besonderen Natur dieser Servituten, welche in intermittirenden Handlungen bestehen, und worauf eben deshalb die allgemeinen Interdicte nicht anwendbar schienen. Es bedurfte einer näheren Bestimmung, welche Ausübung zu einem possessorischen Schutz hinreiche? Bei den Wegeservituten nahm man die 30 Tage an, bei den Wasserservituten irgend eine Ausübung im letzten Jahr. Damit waren denn aber auch alle den Römern wichtige Fälle dieser Art erschöpft, und in den minder wichtigen Fällen, worin die allgemeinen Interdicte eben so unanwendbar waren, wie in den wichtigeren, musste man sich mit der petitorischen Klage begnügen. Was die Weideservitut betrifft, so ist es mir aus ihrer seltenen und unbestimmten Erwähnung höchst wahrscheinlich, dass dieses Recht als Servitut bei den Römern selten und darum wenig wichtig war, woraus sich denn der gänzliche Mangel eines possessorischen Schutzes bei derselben historisch (wenn gleich nicht für unser praktisches Bedürfniss befriedigend) erklärt. – Uebrigens nehme ich nunmehr an, dass diese für die Theorie wichtige Streitfrage für die Praxis dadurch verschwindet, dass auch diese Servituten die Spolienklage anzuwenden ist. Vgl. unten den Zusatz zu §. 50. (Zus. der 6. Ausg.)

(*) Vgl. Anh. Num. 165. A. d. H.


(484) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

Interdicte nöthig gemacht wurden, so sind diese dennoch dem Int. uti possidetis verwandt und beruhen mit demselben auf einem gleichen Grunde. Sie sind nämlich so wie jenes prohibitorisch und beruhen ganz eben so auf einer obligatio ex maleficio, welches durch die in allem wörtlich gleichlautende Formel: vim fieri veto ausser Zweifel gesetzt wird (1).

I) Ius itineris, Actus, Viae.

Quellen:

Digest. Lib. 43. Tit. 19.

C. Albert über den Besitz unkörperlicher Sachen. N. I. Darstellung des possessorischen Int. de itinere actuque privato. Leipzig 1826.

I. C. Althof das Int. de itinere actuque privato. Rinteln 1836.

Die erste Bedingung dieses Interdicts ist Besitz der Servitut, und dieser Besitz muss hier näher bestimmt werden. Darin kommt er mit aller Iuris quasi Possessio dieser Classe überein, dass das Recht von dem Kläger selbst oder von andern Personen in seinem Namen (2) muss ausgeübt worden sein, und zwar als ein Recht ausgeübt; wer also aus einer andern Ursache den Weg

(1) Unbegreiflicherweise hat diesen Satz ausführlich zu widerlegen gesucht: Albert, Besitz unkörperlicher Sachen §. 140. fg., indem er behauptet, das vim fieri veto heisse bei diesen Servituten etwas ganz Anderes als bei uti possidetis (§. 145.); was es Anderes bedeuten soll, hat er vergeblich deutlich zu machen versucht. Wären diese Worte einmal gelegentlich von einem interpretirenden Juristen gebraucht worden, so möchte das noch etwa hingehen; aber sie stehen gleichlautend in der Formel jedes dieser Interdicte, genau wie in der Formel uti possidetis, und doch sollen sie da einen anderen Sinn haben! (Der Satz des Textes, wozu diese Anmerk. gehört, ist in der 6. Ausg. neu hinzugekommen.)

(2) L. 1. §. 7. 8. 11. L. 3. §. 4. de itin.


(485) §. 46. Dingliche Servituten.

über ein fremdes Grundstück nimmt, z. B. weil der gewöhnliche Weg überschwemmt ist, hat dadurch gar keine Handlung eines Besitzers ausgeübt und sein Verhältniss wird sehr genau selbst von dem einer precaria possessio unterschieden (1). – Allein Ausübung der Servitut überhaupt ist nicht einmal hinreichend, sondern es ist ein bestimmtes Mass derselben als Bedingung des Interdicts vorgeschrieben. Wer nämlich das Interdict gebrauchen will, muss in dem verflossenen Jahre (von der Klage an gerechnet) wenigstens an 30 verschiedenen Tagen das Recht ausgeübt haben (2). Doch ist gegen diese Art der Berechnung eine Restitution möglich: wenn z. B. die Ausübung in dem letzten Jahre durch Gewalt oder andere hinreichende Ursachen verhindert worden ist, so kann durch Restitution das vorhergehende Jahr der Berechnung zum Grunde gelegt werden (3). – Endlich ist bei dieser Bedingung die accessio possessionis zu bemerken, indem es ganz gleichgültig ist, ob der Kläger selbst, oder sein auctor (Erblasser, Verkäufer etc. etc.) oder beide zugleich das Recht an 30 Tagen des letzten Jahres ausgeübt haben (4). Insofern nun der auctor allein

(1) L. 1. §. 6., L. 7. de itin. (s. o. S. 479. 480.).

(2) L. 1. §. 2. 3. de itin. – Die Schrift von Althof ist fast ganz dazu bestimmt, dieser Regel einen ganz andern Sinn unterzulegen (§. 1-39.). Er verlangt nämlich nur mehrmaligen Gebrauch, jedoch so, dass die Gebrauchsacte wenigstens einen Monat einschliessen. Also 29 Tage hintereinander wären unzureichend, 2 Tage aber, die 3 Monate auseinander lägen, hinreichend; doch wird dieses letzte dem richterlichen Ermessen überlassen. Hätte man dieses gewollt, so war es gewiss besser, gar keine Zahl anzugeben. Sein Hauptgrund liegt darin, dass man nicht leicht an 30 Tagen auf Einen Acker fahren werde. Allein es wird ja nicht verlangt, dass an jedem Tage alle Gebrauchsarten vereinigt waren. Wer also beweist, dass er an 10 Tagen ging, an 10 ritt, an 10 fuhr, der hat dem Interdict auch für die servitus actus genügt. (Zusatz der 6. Ausg.)

(3) L. 1. §. 9. de itin.

(4) L. 3. §. 6-10., L. 6. de itin.


(486) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

das Recht ausgeübt hatte, ist für den gegenwärtigen Kläger das Rechtsmittel ein int. adipiscendae possessionis (1). – Die zweite Bedingung des Interdicts ist gewaltsame Störung, und der Begriff derselben ist auf dieselbe Weise zu bestimmen, wie bei dem Int. uti possidetis. Das Interdict geht gegen jeden Störer, ohne Unterschied, ob es der durch die Servitut beschränkte Eigenthümer oder irgend ein anderer ist, und das Interdict bezieht sich folglich durchaus nicht bloss auf das Verhältniss der Servitut zum Eigenthum (2).

Der Kläger fordert durch dieses Interdict zunächst, dass die Störung seines Besitzes aufgehoben (3), zweitens, dass ihm vollständiger Schadensersatz geleistet werde (4). Die Wirkung des Interdicts ist also der des Int. uti possidetis ganz ähnlich.

Die Exceptionen endlich beziehen sich bloss auf die Art, wie die Servitut ausgeübt worden ist, denn für die Verjährung ist eine eigene Exception um deswillen nicht nöthig, weil schon in dem Factum, das der Kläger beweisen muss, eine solche Zeitbeschränkung enthalten ist. Die Regel, auf welcher jene Exceptionen beruhen, ist also diese: in die 30 Tage werden alle die Tage nicht eingerechnet, an welchen nur durch Gewalt, oder heimlich, oder precario die Servitut ausgeübt wurde (5). Dieses ist die einzige Bedeutung jener Exceptionen: wenn also 30 Tage hindurch ohne jene Fehler die Servitut ausgeübt wurde, so ist nicht etwa um deswillen eine Exception begründet, weil ausser den 30 Tagen auch noch mit

(1) L. 2. §. 3. de interdictis: „Apiscendae possessionis sunt Interdicta … ex hoc genere est et: quo itinere venditor usus est, quominus emtor utatur, vim fiero veto.“

(2) L. 3. §. 5. de itin.

(3) L. 1. pr. de itin. „ ... vim fieri veto.“

(4) L. 3. §. 3. de itin.

(5) L. 1. pr. L. 3. pr. §. 1. de itin.


(487) §. 46. Dingliche Servituten.

Gewalt, oder heimlich, oder precario die Servitut ausgeübt worden ist (1). Dagegen ist es ganz gleichgültig, ob gegen den jetzigen Beklagten selbst, oder gegen seine Repräsentanten, oder gegen einen vorigen Besitzer die Gewalt etc. gebraucht wurde, worauf sich die Ausübung der Servitut in den 30 Tagen gründete: also auch, wer ein Grundstück kauft oder erbt, erwirbt damit zugleich die Exceptionen, welche der vorige Besitzer, dessen juristischer Successor er ist, hätte gebrauchen können:

L. 3. §. 2. de itinere:

„Si quis ab actore meo (2) vi aut clam, aut precario usus est: recte a me via uti prohibetur, et interdictum ei inutile est: quia a me videtur vi, vel clam, vel precario possidere, qui ab actore (3) meo vitiose possidet. Nam et Pedius scribit, si vi aut clam, aut precario ab eo sit usus, in cujus locum (4)

(1) L. 1. §. 12., L. 2., L. 6. de itin.

(2) So lesen vier Pariser Mss. (N. 4455. 4486. 4487. und 4456.) und (vielleicht unter allen Ausgaben allein) Paris. 1536. 4. Glossa anon. interlin. (Ms. Paris. 4479.) „id est administratore“ (diese Glosse setzt die Leseart actore voraus, ist also aus einem Ms. genommen, worin sich diese fand). – Odofred. in h. L. (fol. 102.): „alii habent, ab actore: i. e. a castaldione.“ – Florent. „ab auctore vi.“ Rom. 1476. etc. etc. und selbst zwei frühere Ausgaben aus derselben Officin wie die vorher angeführte Pariser Ausgabe (Paris. 1510. und 1514. 4.) „ab auctore meo vi“ . Das meo haben auch sehr viele Mss. Ueber die häufige Verwechslung des actor und auctor, actio und auctio siehe Cuiac. obss. XXIV. 8.

(3) So liest abermals: Paris. 1536. 4., und eben so die drei ersten unter den angeführten Pariser Mss. (das vierte hat hier auctore).

(4) So lesen die alten Ausgaben, mit Einschluss der Haloand. und der Paris. 1536. 4. „Non in cujus locum“ hat im Text: Basil. 1541. f. (ap. Hervag). – Bloss als Variante haben diese Leseart: Lugd. 1551. 1557. 4. (Portanae). Als Variante eines Cod. Medic. hat sie die Vintimillische Ausgabe (Paris. 1548. 8.) und nach ihr viele andere (Lugd. 1551. 12., Paris. 1552. 8., Russard., Charond., Paciana, Baudoz.): diese Mediceische


(488) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

hereditate vel emptione, aliove quo jure successi, idem esse dicendum ... “ Die Florentinische Leseart ist höchst unwahrscheinlich, weil nach ihr Ulpian zweimal ganz dasselbe sagen, und sich doch gerade so ausdrücken würde, als ob er etwas anderes sagen wollte; ganz vorzüglich gilt das von den Worten „idem esse dicendum“, die nicht wohl anders, als bei einem zweiten Fall gebraucht werden können, der aber mit dem ersten gleich entschieden werden soll. Die hier angenommene Leseart hebt die Schwierigkeit völlig: nun ist zuerst die Rede von einer gewaltsamen Handlung, die gegen meinen actor (d. h. den Sclaven, der über mein Landgut die Aufsicht hat), zweitens von der, die gegen meinen auctor (Erblasser, Verkäufer etc. etc.) gebraucht worden ist: im ersten Fall soll ich die Exception haben, die sich auf die gewaltsame Handlung gründet, und von dem zweiten Fall soll das nämliche gelten („idem esse dicendum“). – Nach der Hervag’schen Leseart wäre dieselbe Schwierigkeit auch aufgehoben, aber auf ganz andere Art: im ersten Satz wäre von einem juristischen successor die Rede („ab auctore“), im zweiten Fall von einem nicht juristischen („non in cujus locum ... jure successi“): aber der zweite Satz wäre dann nicht nur sehr schlecht ausgedrückt, sondern auch gegen alle Analogie (*).

II. Ein zweites Interdict bezieht sich zwar auf dieselben Servituten, wie das vorige, aber es hat die Ausbesserung

Handschrift übrigens ist mit der berühmten Florentinischen nicht zu verwechseln, s. Brencmann hist. Pfand. p. 254. Ich habe das non in keiner Handschrift gefunden.

(*) Vgl. Anh. Num. 166. A. d. H.


(489) §. 46. Dingliche Servituten.

des Weges zum Gegenstand, dessen Gebrauch durch das vorige Interdict gesichert werden sollte.

Quelle: Digest. Lib. 43. Tit. 19. (L. 3. §. 11. etc.).

Der Kläger also fordert in diesem Interdict, dass der Eigenthümer ihn nicht hindere, den Weg in brauchbaren Stand zu setzen.

Dieses Interdict ist indessen, aus leicht begreiflichen Ursachen, mehr als das vorige eingeschränkt: der Kläger nämlich muss wegen des Schadens, der aus seiner Arbeit entstehen kann, Caution stellen (1); er muss ferner (und in diesem Punct unterscheidet sich das Interdict von allen andern possessorischen Klagen) sein jus reficiendi beweisen und ausser diesem auch noch den Besitz, so wie er bei dem vorigen Interdict als Bedingung vorausgesetzt wurde. Das jus reficiendi aber wird als Folge der Servitut selbst angenommen, so lange keine besondere Ausnahme nachgewiesen werden kann; demnach muss hier der Kläger ausser dem Besitz der Servitut auch noch das Recht derselben beweisen (2).

Indessen ist hier das Recht der Servitut nicht bloss Bedingung, sondern zugleich Gegenstand dieses Interdicts, so dass der Kläger durch dasselbe nicht nur gegen alle Störung seiner Arbeit geschützt wird, sondern dass ihm, wie durch die confessoria actio, das Recht der Servitut selbst zugesprochen werden muss, wenn er seinen Beweis führt (3). Das Verhältniss des Interdicts

(1) L. 3. §. 11. L. 5. §. 4. de itin.

(2) L. 3. §. 11. 13. 14. de itin.

(3) L. 2. §. 2. de interdictis: „Quaedam interdicta rei persecutionem continent, veluti de itinere actuque privato (sc. reficiendo): nam proprietatis causam continet hoc interdictum.“ Die Beschränkung dieser Stelle auf das Int. de itinere reficiendo wird durch die Vergleichung mit L. 3. §. 13. de itin. unzweifelhaft. Costa in pr. I. de interd. – Wie diese Stelle von Hasse, vom Standpunct einer


(490) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

zu der confessoria actio ist folglich so zu bestimmen: Wer das Recht der Servitut beweisen kann, schützt durch die confessoria actio jede Ausübung seines Rechts: allein für diesen bestimmten Fall hat er sogar die Wahl zwischen einer Action und einem Interdict: nur muss er, wenn der letzte Weg gewählt werden soll, ausser dem Recht der Servitut auch noch den Besitz derselben beweisen. – Da also dieses Interdict nichts anderes ist, als eine actio confessoria in der Form eines Interdicts, so kann nicht mehr die Rede davon sein, seitdem die Processform aufgehört hat, wodurch es sich allein von jener Klage unterschied.

III. Ius aquae quotidianae vel aestivae ducendae (1).

Quelle:

Digest. Lib. 43. Tit. 20.

Bedingung des Interdicts ist zuerst der Besitz dieser Servitut. Die Servitut muss zugleich in der Ueberzeugung ausgeübt sein, dass das Recht selbst vorhanden sei (bonae fidei possessio) (2). Sie muss endlich in dem letztverflossenen Jahre, oder, wenn die Wasserleitung nur im Sommer oder nur im Winter gebraucht wird, wenigstens in den letzten anderthalb Jahren ausgeübt worden sein (3). – Ausser dem Besitz wird hier wieder gewaltsame Störung des Besitzes vorausgesetzt, und es ist ganz gleichgültig, ob dieses durch die Handlung

allgemeinern Ansicht aus, unrichtig erklärt wird, ist oben bemerkt worden in dem Zus. der 6. Ausg. am Schluss des §. 6.

(1) Ursprünglich bezog sich wohl dieses Interdict bloss auf Ackerbau: in der Folge wurde es auf alle Wasserleitungen überhaupt erstreckt. L. 1. §. 11. 13. 14. L. 3. pr. de aqua. Ja es wurde nun so weit ausgedehnt, dass es auch für Wasserleitungen galt, die gar nicht als Präsidialservitut, sondern aus einem bloss persönlichen Recht und zu persönlichem Gebrauch gestattet wurden. L. 1. §. 12. 24. eod.

(2) L. 1. §. 10. 19. de aqua.

(3) L. 1. §. 31-36. L. 6. de aqua.


(491) §. 46. Dingliche Servituten.

des Eigenthümers oder eines Dritten geschehen ist (1). Wenn Mehrere auf dieselbe Wasserleitung Anspruch machen, so gilt die Klage, wie das int. uti possidetis, als Int. duplex (2).

Gegenstand der Klage ist zunächst die ungestörte Ausübung des Besitzes (3): ferner Ersatz des zugefügten Schadens, der hier, wie bei allen Servituten, in dem Verlust des Rechts selbst durch non usus bestehen kann (4).

Die Exceptionen gründen sich darauf, dass die Servitut zwar ausgeübt worden sei, aber auf unrechtliche Art, nämlich vi, clam, precario (5).

IV. Auf die Ausbesserung der Wasserleitung bezieht sich auch wieder ein eigenes Interdict (de rivis).

Quelle:

Digest. Lib. 43. Tit. 21.

Dieses Interdict hat ganz dieselben Bedingungen wie das vorige (6); auf das Recht der Servitut also kommt es hier gar nicht an, sondern allein auf den Besitz (7). Nur wegen des Schadens, der durch die Arbeit etwa zugefügt werden könnte, ist auch hier eine Cautionsleistung nöthig (8).

V. Auf ähnliche Art und unter denselben Bedingungen, wie die zwei vorigen Interdicte, sind zwei andere

(1) L. 1. §. 25. de aqua.

(2) L. 1. §. 26. de aqua: „Si inter rivales, id est, qui per eundem rivum aquam ducunt, sit contentio de aquae usu, utroque suum usum esse contendente: duplex interdictum utrique competit.“ (Ueber die Definition von rivalis s. Glossa in c. 18. C. 32. q. 5.). Cf. L. 4. de aqua, Paulus V. 6. §. 9.

(3) L. 1. pr. de aqua: „ ... vim fieri veto.“ L. 1. §. 27. eod.

(4) L. 1. §. 23. de aqua.

(5) L. 1. pr. §. 10. 20. de aqua.

(6) L. 3. §. 7. de rivis.

(7) L. 1. §. 9. L. 4. de rivis.

(8) L. 3. §. 9. de rivis.


(492) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

dazu bestimmt, das jus aquae hauriendae gegen Störung zu sichern.

Quelle:

Digest. Lib. 43. Tit. 22.

Wer also dieses Recht in dem letzten Jahre nicht gewaltsam etc. ausgeübt hat, der kann das erste dieser Interdicte gebrauchen, um die künftige Ausübung selbst zu sichern: das zweite, um den Brunnen etc., worauf die Servitut sich bezieht, wieder herstellen zu können.

Zweite Classe der dinglichen Servituten: Positive Servituten, die mit dem Besitz eines Grundstücks in unmittelbarer Verbindung stehen.

Der Erwerb und die Erhaltung ihres Besitzes ist sehr leicht zu bestimmen, da sie immer in einer dauernden Anstalt bestehen, durch deren Dasein das Recht wirklich ausgeübt wird. Wenn z. B. von dem jus tigni immittendi die Rede ist, so hängt die Iuris quasi Possessio davon ab, ob die immissio wirklich statt findet oder nicht (1).

Die Interdicte können erst bei der dritten Classe erklärt werden.

Dritte Classe. Negative Servituten.

Wer ein solches Recht hat, kann von dem Eigenthümer einer Sache fordern, dass derselbe irgend eine Handlung unterlasse, die er als Eigenthümer auszuüben berechtigt wäre. Wie wird nun der Besitz eines solchen Rechts erworben?

Diese Frage wird gewöhnlich zuerst, aber mit Unrecht, auf den Erwerb des Rechts selbst bezogen. Man behauptet nämlich, dass es dazu, so wie bei dem

(1) L. 20. pr. de serv. pr. urb. „Servitutes, quae in superficie consistunt, possessione retinentur ... “, nämlich vermittelst des Besitzes der Sache (des Körpers), durch welche das Recht ausgeübt wird.


(493) §. 46. Dingliche Servituten.

Eigenthum, der Tradition bedürfe, da doch im alten Recht die in jure cessio, im Justinianischen Recht aber der blosse Vertrag allein, zu diesem Erwerb völlig hinreicht (1). Wichtig aber ist die Frage: A. Für das Recht auf die Interdicte; B. für die Ersitzung; C. für die publiciana actio, die auch hier nur durch Tradition entsteht, deren es aber nur da bedarf, wo die Servitut nicht von dem erweislichen Eigenthümer gegeben worden ist (2).

Ein Fall des Besitzerwerbs ist hier unbestritten, wenn nämlich das der Servitut entgegengesetzte Handeln wirklich versucht, aber verhindert wird, sei es durch blossen Einspruch des Gegners, durch Gewalt, oder durch richterliches Verbot (3). Ausser diesem Fall aber ist der Erwerb sehr streitig. Einige fordern, dass nach der Analogie des ersten Falls jener Versuch zum Schein angestellt, und eben so zum Schein durch Verbot verhindert werden müsse (4). Eine solche Art symbolischer Handlung passt aber durchaus nicht zur Natur des Besitzes, wir können keinen positiven Beweis für dieselbe führen, und man hat sich zur Annahme derselben überhaupt nur aus Noth, in Ermangelung einer bessern Auskunft, entschlossen. Andere behaupten im Gegentheil, dass das blosse Nichtthun des Gegners schon den Besitz der negativen Servitut verschaffe, so dass z. B. jeder Hauseigenthümer gegen alle seine Nachbarn den Besitz eines jus altius non tollendi für die gegenwärtige Höhe der Häuser haben würde (5). Auch diese Meinung ist

(1) Ulpian. XIX. 11. – §. 4. I. de serv. praed.

(2) L. 11. §. 1. de public. in rem act.

(3) L. 15. de op. novi nunt. L. 45. de damno inf.

(4) Heisler, Untersuchung des Satzes, dass die verneinenden Dienstbarkeiten durch blosse Verträge ohne Uebergabe erlangt werden (Abhandlungen, Halle 1733. 4. St. 3.) §. 14-16. Thibaut über Besitz §. 16.

(5) Auch ich habe diese Meinung in den zwei ersten Ausgaben vertheidigt. Dazu bestimmte mich


(494) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

nur aus Noth entstanden, indem es etwas sehr unnatürliches hat, dass nun jeder Grundeigenthümer gegen alle seine Nachbarn in jedem Augenblick unzählige Servituten wirklich besitzen müsste. – Ich glaube, die Entscheidung liegt in demselben Grundsatz, der oben (S. 479. 480.) schon für die affirmativen Servituten angewendet worden ist. Der Besitz derselben ist nicht durch jede Ausübung überhaupt begründet, sondern nur dadurch, dass man sie als Recht ausübt (tanquam id suo jure faceret). Es wird also dabei der bloss factische und zufällige Gebrauch von demjenigen unterschieden, der juristische Gründe und eine Art von Nothwendigkeit hat, und der Grund dieses Unterschieds liegt hier, wie bei den oben erwähnten Servituten, lediglich darin, dass es ausserdem an jeder Basis für den animus possidendi fehlen würde. Wenden wir denselben Unterschied auf die negativen Servituten an, so ist damit die zweite der angeführten Meinungen widerlegt. Denn wenn mein Nachbar nur bis auf eine gewisse Höhe gebaut hat, so geniesse ich den Vortheil davon auf eine bloss factische und zufällige Weise, habe also keinen Besitz. Dagegen ist aus diesem Grundsatze klar, warum der ernstliche Versuch den Besitz geben muss, weil nämlich unmittelbar nachher das Unterlassen nicht mehr zufällig, sondern durch den Einspruch bewirkt war.

vorzüglich L. 6. §. 1. si serv. vindic. „Si forte non habeam aedificatum altius in meo, adversarius meus possessor est.“ Allein possessor est drückt hier nicht den Besitz aus, sondern das Beklagtenverhältniss: „der Gegner ist derjenige, der (wenn er will) Beklagter im Process werden kann.“ Für diese Erklärung sprechen die gleich folgenden Worte. Denn wäre der Besitz gemeint, so würde nichts natürlicher gewesen sein, als dem Gegner die possessorischen Interdicte zuzuschreiben. Das geschieht aber nicht, und es wird ihm lediglich das int. quod vi aut clam beigelegt, welches ohne allen Besitz bestehen kann (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 167. A. d. H.


(495) §. 46. Dingliche Servituten.

Aber dieselbe Wirkung muss nun auch der blosse Rechtstitel haben. Denn wenn mir mein Nachbar das jus altius non tollendi durch Vertrag oder durch Testament wirklich überlässt, so ist auch hier unmittelbar nachher das Unterlassen des Höherbauens nicht zufällig, sondern nothwendig, nämlich auf den Vertrag oder das Testament gegründet; folglich ist mir durch dieselbe Handlung, welche das Recht selbst geben konnte, zugleich der Besitz verschafft, ohne dass es dazu des oben bemerkten Scheinverbots bedarf. Der Unterschied zwischen dem Erwerb des Rechts selbst und des Besitzes liegt hier nur darin, dass jenes lediglich von dem wahren Eigenthümer des benachbarten Grundstücks, dieser gewiss auch von dem blossen Besitzer desselben verschafft werden kann.

Hieraus ergiebt sich, dass der Besitz der negativen Servituten überhaupt auf zweierlei Weise erworben wird, durch Einspruch und durch einen Rechtstitel, d. h. 1. dadurch, dass die entgegengesetzte Handlung versucht und verhindert wird; 2. durch jede juristische Handlung, welche ihrer Form nach das Recht der Servitut übertragen kann: mag sie es nun in dem gegebenen Fall wirklich übertragen oder nicht.

Verloren wird der Besitz der negativen Servituten dadurch, dass der Gegner die entgegengesetzte Handlung wirklich vollführt: wenn also das Haus eines Nachbars, gegen welches Ich ein jus altius non tollendi behaupte, wirklich höher gebaut worden ist, so ist dadurch mein Besitz der Servitut nothwendig ausgeschlossen.

Endlich sind noch die Interdicte zu bestimmen, wodurch die Ausübung der zweiten und dritten Classe der dinglichen Servituten geschützt werden kann. Jede dieser Servituten ist eigentlich nur eine Qualität des Besitzes der Hauptsache; wer z. B. das jus tigni immittendi oder altius non tollendi besitzt, hat eigentlich nur


(496) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

den Besitz eines Hauses, so oder anders modificirt. Deswegen war es ganz unnöthig, für den Besitz dieser Servituten eigene Interdicte einzuführen, da durch jede Störung derselben zugleich der Besitz der Hauptsache mit gestört wird. Die Klage also, welche für den Besitz aller dieser Servituten allein gilt, ist zwar niemals das Int. de vi, indem die stärkste Verletzung dieser Art den Besitz des Grundstücks nicht aufhebt, wohl aber das Int. uti possidetis (1). Dieser Satz zeigt sich recht deutlich in Einer Ausnahme. Bei dem jus cloacae nämlich fand man es für nöthig, die possessorische Klage etwas anders zu bestimmen, als das Int. uti possidetis wirklich bestimmt war; deswegen wurde für diesen Fall nicht nur ein eigenes Interdict gegeben (2), sondern auch das Int. uti possidetis

(1) L. 8. §. 5. si serv. vind.: „ ... agi poterit, jus esse fumum immittere, quod et ipsum videtur Aristo probare. Sed et interdictum uti possidetis poterit locum habere, si quis prohibeatur, qualiter velit, suo uti.“ – Hier ist bloss von einer affirmativen Servitut (und zwar der zweiten Classe) die Rede, aber es ist kein Zweifel, dass dasselbe auch bei negativen Servituten gelten müsse. Indessen tritt ein besonderer Grund ein, warum bei diesen seltener von possessorischen Klagen Gebrauch gemacht werden wird: bei ihnen kommt es gewöhnlich nicht bloss darauf an, eine Störung abzuwenden und Ersatz zu bekommen, sondern das, was wirklich gebaut ist, niederreissen zu lassen etc. etc. Zu diesem Zweck aber giebt es ein ganz eigenes Interdict (quod vi aut clam), welches nicht unter die possessorischen Klagen gehört und sogar noch vortheilhafter ist, indem es andere und leichtere Bedingungen hat, als diese.

(2) Digest. Lib. 43. Tit. 23. de cloacis (sc. purgandis, reficiendis). – Das Unterscheidende dieses Interdicts liegt in der Ausschliessung der gewöhnlichen Exceptionen (L. 1. §. 7. de cloacis), und der Grund dieser Ausschliessung ist leicht einzusehen. Die ganze Stadt ist dabei interessirt („ad publicam utilitatem spectare videtur“), dass die Reinigung etc. nicht aufgehalten werde: die Untersuchung des Rechts selbst, oder auch nur der justa possessio, hat schon eher Zeit (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 168. A. d. H.


(497) §. 47. Superficies.

noch besonders ausgeschlossen (1). – Diese Ansicht wird durch den Gegensatz der ersten Classe dinglicher Servituten (welche in unabhängigen Handlungen bestehen) noch deutlicher werden. Auch diese Servituten sind Qualitäten der Grundstücke, d. h. das Recht derselben ist eine Qualität des Eigenthums der Grundstücke (2): nicht so ihr Besitz. Denn da dieser auf Handlungen beruht, die von dem Besitz der Hauptsache ganz unabhängig sind, so kann man nicht sagen, dass die Servituten selbst zugleich mit der Hauptsache besessen werden und dass die Störung derselben zugleich den Besitz des Grundstücks verletze. Darum sind für die wichtigsten Rechte dieser Classe eigene Interdicte angeordnet, ohne dass man es für nöthig fand, sie von dem Int. uti possidetis ausdrücklich auszunehmen: und darum musste oben (S. 482.) behauptet werden, dass sie ausser diesen bestimmten Fällen überhaupt gar nicht durch Interdicte geschützt werden können (**).

§. 47.

Der letzte Fall der Iuris quasi Possessio betrifft die Superficies (§. 23.), als das einzige jus in re überhaupt, auf welches (ausser den Servituten) die Quasi possessio angewendet wird (2).

(1) L. 1. pr. uti possidetis: „ ... De cloacis hoc interdictum non dabo“ (*).

(*) Vgl. Anh. Num. 169. A. d. H.

(2) L. 86. de V. S.: „Quid aliud sunt jura praediorum, quam praedia qualiter se habentia, ut bonitas, salubritas, amplitudo?“ d. h. die Servituten sind eben so blosse Qualitäten der Grundstücke, wie der gute Boden, die gesunde Lage etc. die gar nichts juristisches enthalten. – Der Satz wird übrigens allgemein behauptet, also auch von den Servituten der ersten Classe: von diesen allein steht etwas ähnliches in L. 12. quemadm. serv. amitt (**).

(**) Vgl. Anh. Num. 170. A. d. H.

(1) Man könnte die Quasi possessio


(498) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

Eigene Quelle für die Superficies:

Digest. Lib. 43. Tit. 18. (*)

Jedes Gebäude wird bloss als Theil des Bodens betrachtet, auf welchem es ruht, und das Eigenthum sowohl als der Besitz desselben ist mit dem Eigenthum und Besitz des Bodens unzertrennlich verbunden. Die einzige Trennung, die hier möglich ist, besteht in einer eigenen Art von jus in re, welches von dem Eigenthümer einem Andern übertragen werden kann. Wer dieses jus in re hat, ist eben so wenig Besitzer als Eigenthümer des Hauses, allein er hat eine Iuris quasi Possessio, und durch diese auch possessorische Klagen. Diese Iuris quasi Possessio hat die grösste Aehnlichkeit mit dem Besitz der persönlichen Servituten, weil sie, wie dieser, von dem natürlichen Besitz der Sache selbst abhängt. In dem Erwerb und Verlust des Besitzes ist gar kein Unterschied, und auch in den Interdicten ist er wenigstens nicht praktisch.

I. Gewaltsame Störung des Besitzes begründet nicht, wie der ususfructus etc., das Int. uti possidetis, sondern

auch noch beziehen wollen auf folgende Fälle, in welchen sie jedoch durch eine wahre corporis possessio ausgeschlossen und überflüssig gemacht ist: A. Provincialgrundstücke (§. 9.), für welche sich eine sehr unbestimmte Erwähnung der Interdicte bei Frontinus findet (Gromat. vet. ed. Lachmann p. 36.). Vergl. über die dunkle Stelle Trekell kleine deutsche Aufsätze, Leipzig 1817. S. 39. B. Pfandrecht (§. 24.). C. Emphyteuse (§. 12 a. §. 22 a. §. 24.). Für diesen Fall scheint zwar ein besonderes possessorisches Interdict eingeführt, das Int. de loco publico fruendo (Digest. XLIII. 9., L. 1. §. 7. ut in flum. pub., L. 13. §. 7. de injur.). Allein dieses Interdict bezog sich gar nicht auf den Besitz, die conductio allein reichte dazu hin, selbst ohne allen Besitz: kam etwa noch Besitz hinzu, so concurrirte nun das Interdict mit den possessorischen (**).

(*) Vergl. Anh. Num. 171. A. d. H.

(**) Vgl. Anhang Nr. 172. A. d. H.


(499) §. 47. Superficies.

ein ganz eigenes Interdict (1), das aber alle Rechte des Int. uti possidetis hat (2). Dieser Unterschied betrifft also nur den Namen, und er ist wohl so zu erklären: die Superficies war ein bloss prätorisches Institut, und sie musste also durch eine eigene Stelle des Edicts allererst juristische Existenz erlangen. Dass diese Stelle vielmehr bei den Interdicten als bei den Realklagen eingerückt wurde, war wohl blosser Zufall (*). Ganz anders verhielt es sich mit dem ususfructus: alle Servituten waren schon auf das Civilrecht gegründet, und es bedurfte also dabei bloss einer ganz einfachen Anwendung der gewöhnlichen possessorischen Interdicte.

II. Ist der natürliche Besitz durch dejectio wirklich aufgehoben, so gilt das Int. de vi, hier wie bei dem eigentlichen Besitz (3).

III. Hat endlich der Superficiarius die Ausübung seines Rechts einem Andern precario überlassen, der ihm jetzt die Restitution verweigert, so muss das Int. de precario angewendet werden, indem dieses Interdict für alle Iura überhaupt gilt, bei welchen sich nur eine Restitution denken lässt (S. 482.), die Superficies aber ganz auf eben die Weise, wie die Servituten (S. 139.), unter die Iura (in re) gerechnet werden muss (4).

(Zusatz zu §§. 46. 47. der 7. Ausg.) Wer hat Anspruch auf die Interdicte wegen der Präsidialservitut?

(1) L. 1. pr. de superfic. L. 3. §. 7. uti possid.

(2) L. 1. §. 2. de superfic.

(*) Vgl. Anh. Num. 173. A. d. H.

(3) L. 1. §. 5. de vi: „Proinde et si superficiaria insula fuerit, qua quis dejectus est, apparet interdicto fore locum.“

(4) (Zus. der 7. Ausg.) §§. 45. 46. Vergl. Pellat droit de propriété pag. 92.


(500) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

Das Recht der Servitut ist dabei gleichgültig, Besitz derselben hinreichend. Allein die Servitut ist nur eine Pertinenz des Grundeigenthums, dies geht auch auf deren Besitz.

Resultate:

I. Confessoria.

1. Die wahre confessoria wegen einer dem Grundstück selbst zustehenden Servitut hat:

a) direct der Grundeigenthümer;

b) utiliter der Emphyteuta, Pfandgläubiger, Superficiar, nicht Usufructuar (weil sie in seiner confessoria de usufructu schon mit enthalten ist).

2. Daneben giebt es eine utilis confessoria für die Quasiservituten, die ein Emphyteuta oder Superficiar dem Grundstück erworben oder auferlegt haben und diese wird natürlich nur von diesen Erwerbern und ihren Successoren gebraucht (nämlich die active) und die passive gilt nur so lange jene Rechte dauern. L. 1. §. 6. 9. de superficiebus (auch für einen Quasiususfructus, der darauf constituirt ist).

II. Possessorische Interdicte.

1. für die (angeblich) wahre Servitut hat

a) direct der Grundeigenthümer;

b) utiliter der Emphyteuta, Pfandgläubiger, Superficiar und der Fructuar. L. 2. §. 3. si serv. L. 4. §. 5. 8. de itin.

2. für die Quasiservituten (activ und passiv) – ebenfalls der Emphyteuta. – L. 1. §. 9. de superf., NB. zusammenhängend mit §. 6., also bedingt durch das wirkliche Dasein einer actio in rem.

Beruht also hier etwa die legitimatio ad causam auf petitorischen Gründen?


(501) §. 47. Superficies (Zusatz zu §. 46. 47. der 7. Ausg.)

Bei 1. a. gewiss nicht, sondern der Besitz der Hauptsache ist sicher hinreichend. Beweis: bei den Servituten, die mit dem Besitz der Hauptsache zusammenhängen, gilt hier sicher das interdictum uti possidetis, warum also nicht auch bei den andern das interd. de itinere u. s. w.?

Bei 1. b. und bei 2. hängt die Frage zusammen mit folgender ganz anderen Frage: Wovon hängt das possessorische int. de superficiebus selbst ab? Nach den deutlichen Worten des Edicts von der lex locationis, also von einem petitorischen Grund. Daraus erklärt sich das neque exigit ab eo, quam causam possidendi habeat im §. 2., was dem ex lege locationis im pr. zu widersprechen scheint).

Also ist nach dieser Analogie auch das int. de vi des Superficiars zu bestimmen.

Also auch die Interdicte für die Präsidialservituten des Grundstücks, die ja auch nichts anderes sind als Modificationen oder Pertinenzen des Hauptinterdicts.

Damit stimmt überein die L. 1. §. 9. verbunden mit §. 6. de superficiebus.

Auch deshalb, weil der Contract das einzige Mittel ist, den Emphyteuta oder Superficiar von dem gemeinen conductor, der doch sicher nicht die Interdicte haben soll, sicher zu unterscheiden.

Anders steht die Sache bei dem Pfandgläubiger und Fructuar, von welchen ohnehin nur zu 1. b. die Rede sein kann. Bei jenem genügt die possessio der Hauptsache, bei diesem die quasi possessio des ususfructus.

NB. Bestätigung: Revisionshofserkenntniss in Sachen Eisenmenger c. Schäfer auf Relation vom 1. Mai 1837 (Correferent Breuning).


(502) Fünfter Abschnitt. Iuris quasi possessio.

Dunkel ist noch das causa cognita im pr. verbunden mit §. 3. Es kann etwas Besonderes sein bei der actio in rem, so dass es bei dem Interdict nicht gilt. Aber wo ist dann bei dem Interdict der Unterschied zu finden zwischen der superficies und einer gewöhnlichen locatio? Wahrscheinlicher geht es auf beide Fälle, so dass das ex causa cognita nur in andern Worten das ex lege locationis im Anfang wiederholt. Man könnte auch annehmen, es werde in dieser Hinsicht weniger streng genommen mit dem Interdict als mit der actio (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 174. A. d. H.


(503)

Sechster Abschnitt.

Modificationen des Römischen Rechts.

§. 48.

Die Theorie des Besitzes ist in den fünf ersten Abschnitten dieses Werks mit völliger Abstraction von allem demjenigen dargestellt worden, was dem Römischen Rechte in neuerer Zeit etwa beigemischt sein könnte: und diese Methode der Untersuchung ist schlechthin nothwendig, wenn nicht über der Vermischung des Alten und Neuen Beides zugleich missverstanden werden soll.

Allein jene Untersuchung ist jetzt geschlossen und nun ist es erlaubt, nach den Modificationen zu fragen, welche das Römische Recht in neueren Zeiten erfahren hat. Zugleich tritt hier ein besonderer Grund ein, warum diese Frage nicht übergangen werden darf. Unter allen bedeutenden Irrthümern, die man über die Römische Ansicht des Besitzes zu hegen pflegt, ist vielleicht keiner, der nicht zugleich durch das Canonische oder Deutsche Recht veranlasst wäre (*). Deswegen ist für die Anwendung wenig gewonnen, wenn jene Meinungen bloss aus

(*) Vgl. Anhang Num. 175. A. d. H.


(504) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

dem Römischen Rechte völlig widerlegt sind: Man kann diese Widerlegung zugeben und dennoch bloss eine falsche Deduction einer richtigen Ansicht entdeckt zu haben glauben. Soll also eine civilistische Theorie des Besitzes auf Anwendung Anspruch zu machen berechtigt sein, so muss das Verhältniss, in welchem sie zu den Bestimmungen des neuern Rechts steht, untersucht und dargestellt werden; dieses Verhältniss wenigstens anzudeuten, ist die Bestimmung der folgenden §§.; es vollständig auszuführen, liegt nicht in den Grenzen dieses Werks, indem dazu ein ganz verschiedener historischer Standpunct genommen werden muss.

Drei Puncte sind es, auf welche diese Untersuchung gerichtet sein muss: der erste hat den Begriff des Besitzes selbst (§. 49.), die zwei letzten haben possessorische Klagen zum Gegenstand: die Spolienklage (§. 50.) und das possessorium summarium oder summariissimum (§. 51.).

§. 49.

Die erste Untersuchung also, die hier anzustellen ist, betrifft den Begriff des Besitzes. Der Besitz bezog sich nach Römischem Recht bloss auf Eigenthum und jura in re (S. 194. 195.); in der Folge (und besonders durch das Canonische Recht) soll er auf jedes mögliche Recht überhaupt ausgedehnt worden sein.

Nun beruhte das ganze Recht des Besitzes darauf, dass die blosse Ausübung eines Rechts, ohne alle Rücksicht auf die Existenz des Rechts selbst, gegen bestimmte Formen der Verletzung geschützt werden sollte; dieser Schutz also konnte sich nur auf solche Rechte erstrecken, bei welchen diese Formen der Verletzung gedacht werden konnten, und solche Rechte gab es, ausser Eigenthum und jus in re, nicht. Allein durch die Verfassung der christlichen Kirche und der europäischen Staaten sind


(505) §. 49. Begriff des Besitzes.

Rechte erzeugt und mit dem Besitz und Genuss des Bodens verbunden worden, welche die Römer theils nicht kannten, theils als eigene Rechte der Einzelnen zu betrachten sehr entfernt waren. So hängt die Ausübung der bischöflichen Gewalt von dem Besitz der bischöflichen Kirche und ihrer Güter ab, und ein ähnliches Verhältniss der Staatsgewalt oder einzelner Zweige derselben zeigt sich bei der Landeshoheit der Fürsten, wie bei der Jurisdiction der Güterbesitzer. Eben so verhält es sich endlich mit den aus dem Deutschen Rechte herrührenden Reallasten, wie Grundzinsen, Zehnten und Frohnden. Bei allen diesen Rechten ist ein ähnlicher Schutz der blossen Ausübung denkbar, wie bei dem Eigenthum, und der Besitz solcher Rechte, der auf diese Weise angenommen würde, liesse sich in den meisten und wichtigsten Fällen auf den Besitz des Bodens, d. h. auf die Ausübung des Grundeigenthums, reduciren. In vielen Fällen ist die Richtigkeit dieser Beziehung sehr auffallend: wenn z. B. ein Bischof von seinem Gegner mit Gewalt aus seinem Bisthum vertrieben wird, so ist die Störung des Besitzes am Boden mit der Störung der bischöflichen Rechte unzertrennlich verbunden, und dieselbe Verbindung ist auch in jedem Schutz gegen diese Störung nothwendig. Aber selbst in den Fällen, in welchen nur eine einzelne Ausübung jener Rechte, z. B. der Jurisdiction, gewaltsam gehindert wird, ist zwar nicht jene Beziehung auf den Besitz des Bodens, wohl aber auf ein Analogon desselben denkbar, ganz wie bei der Römischen Iuris quasi Possessio. Denn bei diesen Rechten ist eben sowohl gewaltsame Störung denkbar, als bei Servituten, also auch derselbe Schutz der blossen Ausübung consequent, der bei diesen schon durch das Römische Recht bestimmt ist.

Die hier beschriebene Beziehung des Besitzes ist aber nicht bloss denkbar, sondern sie ist längst wirklich gemacht worden. In dem Canonischen Rechte ist sehr


(506) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

häufig von dem Besitz der Diöcesanrechte und anderer kirchlichen Rechte, so wie von den damit verbundenen Zehnten die Rede: und eben so hat nie Jemand gezweifelt, dass die Jurisdiction und andere publicistische Rechte auf ähnliche Art gegen gewaltsame Eingriffe der Ausübung geschützt werden müssen, als das Eigenthum, obgleich bei allen diesen Rechten nie ein Römer an ein Recht des Besitzes denken konnte. Diese Ansicht wird durch eine sehr merkwürdige Einschränkung bestätigt, welche das Canonische Recht dieser neuen Art des Besitzes hinzufügt. Wenn nämlich geistliche Personen in einer fremden Parochie einen Zehnten besitzen, und von dem parochus derselben aus dem Besitze verdrängt werden, so sollen sie dennoch keinen Schutz des Besitzes zu erwarten haben, sondern ihr Recht selbst beweisen müssen, weil das jus commune, d. h. die Regel der Kirchenverfassung, gegen sie spricht (1).

Wie verhält sich also diese Art des Besitzes zu dem Römischen Recht? Auf unmittelbarer Anwendung desselben beruht sie nicht, denn die Gegenstände dieser Anwendung sind dem Römischen Recht fremd, wohl aber beruht sie auf einer sehr natürlichen und consequenten Fortbildung seiner Grundsätze. Die Ansicht des Besitzes also ist dadurch auf keine Weise verändert: sie ist nur auf Gegenstände bezogen worden, worauf schon die Römer sie vielleicht angewendet haben würden, wenn sie diese Gegenstände gekannt hätten (2).

Ausser diesen Rechten aber, bei welchen eine Ausdehnung des Römischen Rechts und zwar ganz im Geiste

(1) C. 2. de restit. spoliat. in VI. „ ... cum ... sit ... manifestum (nisi aliud ostendatur) eas de jure communi ad eamdem ecclesiam pertinere.“

(2) Es ist sehr merkwürdig, dass schon die Glossatoren ganz dieselbe Ansicht gehabt zu haben scheinen. Roffredi tract. jud. ord. p. 81-83., p. 89. 90.


(507) §. 49. Begriff des Besitzes.

desselben, nicht geleugnet werden kann, werden vorzüglich zwei andere Classen von Rechten genannt, auf welche der Besitz sich beziehen soll, Rechte des persönlichen Zustandes und Obligationen. Durch die Prüfung dieser Meinung wird der allgemeine Begriff des Besitzes, durch welchen der sehr bestimmte Römische Begriff verdrängt sein soll, hinlänglich widerlegt sein.

Zuerst also wird ein Recht des Besitzes behauptet bei Familienrechten, und diese Behauptung scheint gerade bei dem wichtigsten Fall dieser Art, bei der Ehe, ausdrückliche Stellen des Canonischen Rechts für sich zu haben (1). Die Vergleichung mit einem Fall des eigentlichen Besitzes wird die Sache völlig ins Licht setzen. – Wenn über das Eigenthum eines Grundstücks gestritten würde, so liesse sich dieser Streit ohne Zweifel selbst dann entscheiden, wenn das positive Recht über das Recht des blossen Besitzes gar nichts bestimmt hätte: aber selbst dann wäre es möglich, ja es könnte nöthig sein, dass der Richter den Besitzstand vorläufig besonders regulirte, nur wäre diese provisorische Verfügung von einem Schutz des Besitzes, als eines eigenen Rechts für sich, sehr verschieden. Setzen wir, um diesen Schutz im Gegensatz jener Verfügung deutlich zu denken, dass keine der beiden Parteien das Eigenthum wirklich habe, dass aber Eine von den andern einmal mit Gewalt aus dem Besitz gesetzt worden sei: hier könnte jene provisorische Verfügung nichts ändern, da in diesem Augenblick der Besitz ruhig und entschieden ist, allein durch die obligatio, die das einzige Recht des Besitzes ausmacht, wird die Restitution des Besitzes gefordert, der in einer vorigen Zeit gewaltsam aufgehoben worden war. – Kehren Wir nun zu den Familienrechten zurück,

(1) C. 8. 10. 13. X. de restit. spoliat.


(508) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

deren Besitz vom Richter geschützt werden soll. Dieser Schutz ist offenbar nichts anderes, als eine provisorische Verfügung über den Besitzstand, welche in unmittelbarer Verbindung mit der endlichen Entscheidung des Rechts selbst steht. Die Form der Ehe z. B. wird nicht abgeleugnet, sondern es werden andere Gründe gegen ihre Gültigkeit angeführt; diese Gründe sind nun zu untersuchen, aber vorläufig, sagt das Canonische Recht, soll das eheliche Verhältniss fortgesetzt werden, wenn nicht aus besonderen Gründen selbst diese Fortsetzung sündlich wäre (1). In diesem allen ist also durchaus nicht ein Recht des blossen Besitzes enthalten, d. h. ein jus obligationis, wodurch die Ausübung eines andern Rechts gesichert würde, ohne alle Rücksicht auf das Dasein dieses andern Rechts selbst (*).

Alles, was hier gegen den Besitz der Familienrechte bemerkt worden ist, gilt in noch weit höherem Grade gegen den Besitz der Obligationen. In den meisten Fällen dieser Art lässt sich an einen Besitz gar nicht denken, und es ist sehr zufällig, dass auch nur in Einem Fall die Rede davon sein konnte. Wer nämlich für ein Capital Zinsen empfangen hat, soll durch diesen Empfang den Besitz des Rechts auf das Capital und die künftigen Zinsen erworben haben. Dass nun in diesem Fall ein wahres Recht des Besitzes eben so wenig, als bei Familienrechten angenommen werden könne, bedarf nicht noch eines besondern Beweises. Aber selbst die provisorische Verfügung über den Besitzstand, welche bei Familienrechten behauptet werden musste, ist hier weder nöthig, noch positiv vorgeschrieben, wiewohl man wegen einiger selbst aus dem Römischen Recht hergenommenen

(1) C. 10. 13. X. de restit. spoliat.

(*) Vgl. Anhang Num. 176. A. d. H.


(509) §. 50. Spolienklage.

Stellen, die eher alles andere enthalten, häufig das Gegentheil angenommen hat (*).

Bis jetzt ist bewiesen worden, dass die Ansicht, aus welcher im Römischen Recht der Besitz selbst betrachtet wird, nicht sowohl verändert, als auf eine ganz consequente Weise fortgebildet und in der Anwendung auf neue Gegenstände ausgedehnt worden ist. Es ist nun noch zu untersuchen übrig, wie die Klagrechte aus dem Besitz, d. h. die Formen, unter welchen der Besitz gegen Verletzung geschützt wird, modificirt worden sind.

§. 50.

Schriftsteller über Spolienklage:

C. Ziegler ad can. redintegranda (zuletzt, mit Anmerkungen, in: Woltaer observ. ad jus civ. et Brand., fasc. 2., Hal. 1779. 8. obs. 35.).

I. H. Boehmer in I. Eccl. Prot. Lib. 2. Tit. 13.

Ej. notae in c. 3. C. 3. q. 1. etc. etc. (ed. Corp. jur. can. Hal. 1744.)

Fleck de interdictis unde vi et remedio spolii, p. 83-136. (**).

Unter den erdichteten Decretalen, wodurch die Pseudoisidorische Sammlung das Ansehen der Erzbischöfe und der Provinzialsynoden untergrub (1), findet sich auch eine ganze Reihe folgenden Inhalts (2): „Ein Bischof, der aus seinem Sitze vertrieben, oder seines eigenen Vermögens beraubt ist, soll wegen keines Verbrechens

(*) Vergl. Anh. Num. 177. A. d. H.

(**) Vgl. Anh. Num. 178. A. d. H.

(1) (Spittler) Geschichte des canonischen Rechts, Halle 1778. 8. S. 261. 272.

(2) c. 3. 4. 5. 6. C. 2. q. 2. c. 1. 2. 3. 4. C. 3. q. 1.


(510) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

vor die Synode gezogen werden können, so lange er nicht in den Besitz der verlornen Güter wieder eingesetzt ist.“ Gewiss hat Niemand weniger, als der Betrüger selbst, der diese Briefe Römischer Bischöfe verfertigte, daran gedacht, dass aus einer unter jenen Stellen einst ein ganz neues System des possessorischen Klagrechts, ja des Besitzes selbst, hergeleitet werden würde. Die Stelle, welcher diese zufällige Ehre widerfahren ist, lautet so (1):

„Redintegranda sunt omnia exspoliatis, vel ejectis episcopis praesentialiter ordinatione pontificum, et in eo loco, unde abscesserant, funditus revocanda quacunque conditione temporis aut captivitate, aut dolo, aut violentia malorum (2), aut per quascunque

(1) c. 3. C. 3. q. 1. (Diese Stelle findet sich in folgenden verschiedenen Stücken der Pseudoisidorischen Sammlung: 1. in einer Decretale von Johannes, 2. in einer Decretale von Eusebius, 3. in der fünften Synode von Symmachus (v. J. 504). Dass insbesondere auch diese Synode eben so unächt ist, als jene beide Decretalen, zeigt ausführlich Ballerin. P. III. C. VI. §. II. Num. VII. p. 532. ed. Mogunt. 1790. 4. vergl. ibid. p. 551-553. Es ist also völlig grundlos, wenn neuerlich behauptet worden ist, die Stelle sei doch dem Inhalt nach ächt, indem sie ja in dieser Synode vorkomme: denn diese ganze Synode ist um nichts weniger untergeschoben, als jene Decretalen. Uebrigens stimmt die Stelle wörtlich zum Theil überein mit derjenigen, welche in den Acten eines im J. 838 in Aachen geführten Processes vorkommt, und welche selbst aus der Interpretation des Breviarii entstanden zu sein scheint. Vgl. Gesch. des R. R. im Mittelalter B. 2. §. 41. (Zusatz der 5. Ausgabe, aus einer Mittheilung von Biener.) – Damit ist jedoch nicht gesagt, dass jene Sätze, auch ihrem Inhalt nach, reine Erfindung gewesen wären; vielmehr lag bei ihnen wirklich älteres canonisches Recht zum Grunde, aber diese Abfassung und die darauf beruhende specielle Ausbildung der älteren Regeln war erdichtet. Car. Blascus de collect. Isidori cap. 8. §. 5., bei Galland T. 2. p. 59. (Zus. der 6. Ausg., Mittheilung von Biener.)

(2) Diese Leseart einer alten Berliner Handschrift findet Böhmer mit Recht viel wahrscheinlicher,


(511) §. 50. Spolienklage.

injustas causas, res ecclesiae, vel proprias, id est substantias (1), suas perdidisse noscuntur (2) ante accusationem, aut regularem ad synodum vocationem eorum, “ et rel.

Wenn es wahr ist, was uns viele Praktiker versichern, so ist durch diese Stelle Alles, was das Römische Recht über den Besitz bestimmt hat, völlig überflüssig geworden. Sie soll nämlich nicht weniger als folgende Sätze enthalten:

1. Das Klagrecht gilt ohne alle Rücksicht auf juristischen Besitz des Klägers.

2. Es gilt auch bei beweglichen Sachen. – Davon ist schon oben (§. 40.) bei dem Römischen Recht geredet worden.

3. Es gilt auch bei unkörperlichen Sachen, d. h. als Schutz der Ausübung aller Rechte überhaupt. – Davon s. §. 49.

4. Es ist nicht bedingt durch gewaltsame Verletzung des Besitzes, sondern es gilt auf dieselbe Weise bei jedem Verlust des Besitzes ohne rechtlichen Grund.

als die gewöhnlichen: violentia majorum, violentia majore, virtute majorum. Die richtige Leseart findet sich auch in einer sehr schönen Handschrift des Decrets in der Universitäts-Bibliothek zu Marburg. – Indessen steht freilich virtute majorum in den angeführten Quellen Gratians: virtus, im Sinn des Mittelalters, für Gewalt. (Zusatz der 6. Ausg.)

(1) So lesen die vier Handschriften, die Böhmer gebraucht hat. Ms. Marburg. „i. suas substantias.“ – Al. aut substantias.

(2) Diese Worte bis zum Schluss fehlen in den Mss. und alten Ausgaben des Gratian, und die Correctores bemerken dabei: Haec addita sunt ex originali etc. d. h. aus Gratians Quellen. Dass er selbst nicht durch die Weglassung derselben den Sinn ändern wollte, zeigt seine additio am Ende der ganzen quaestio, worin er den Inhalt kurz so wiederholt: „Patet ergo quod exspoliati prius sunt praesentialiter restituendi, antequam ad causam sint vocandi.“ (Zusatz der 6. Ausg.)


(512) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

5. Es gilt auch gegen jeden dritten Besitzer.

6. Es ist nicht auf ein Jahr beschränkt. – Davon s. §. 40.

Unter diesen Sätzen ist vorzüglich der erste, vierte und fünfte zu bemerken: wären diese Sätze in der That in jener Stelle enthalten, so würde es wenig bedeuten, dass eigentlich bloss von Bischöfen die Rede ist: die Bischöfe könnten beispielsweise genannt sein, oder Wir könnten durch blosse Analogie das für Uns verwenden, was der Verfasser jener Stelle und nach ihm Gratian, bloss den Bischöfen zugedacht hatte.

Von jeher aber haben sich alle gründliche Juristen durch jene Behauptungen gar nicht oder doch nur wenig täuschen lassen: sie haben einstimmig behauptet, es sei kein neues Klagrecht in jener Stelle eingeführt, sondern der Verfasser habe das Römische Recht, also das Interdictum de vi gemeint, wiewohl auch unter den gründlichen Juristen Manche nicht abgeneigt sind, kleine Modificationen des Interdicts durch die Stelle des Decrets anzunehmen.

Allein es lassen sich wohl alle jene Behauptungen auf eine weit sicherere Art widerlegen. Die ganze Stelle sagt überhaupt kein Wort davon, dass ein beraubter Bischof restituirt werden, sondern dass er nicht angeklagt werden soll, so lange er nicht restituirt ist. Sie sagt nicht: „Redintegranda sunt omnia episcopis, “ sondern: „Redintegranda sunt omnia episcopis ... ante accusationem, aut regularem ad synodum vocationem eorum.“ Wäre die Stelle so ausgedrückt, wie die folgende (und es ist offenbar bloss zufällig, dass es nicht geschehen ist):

„Nullus episcopus exspoliatus debet accusari priusquam integerrime restauretur“ (1), so hätte

(1) c. 3. C. 2. q. 2.


(513) §. 50. Spolienklage.

wohl Niemand darauf verfallen können, ein eigenes Klagrecht in derselben zu suchen. Also von Klagrecht ist in der ganzen Sache überhaupt nicht die Rede, sondern von einer Exception gegen die Anklage vor der Synode, und hieraus folgt für uns zweierlei. Erstens, dass die Ausdehnung dieser für die Bischöfe gegebenen Verordnung auf alle übrige Menschen, die oben vorläufig zugegeben wurde, unmöglich ist: denn ein Klagrecht wegen des verlornen Besitzes lässt sich bei andern Menschen ungefähr auf dieselbe Weise denken, aber jene Exception hat keinen Sinn, ausser in dem bestimmten Verhältniss des Bischofs zur Synode. – Zweitens, dass in jener Stelle ein Klagrecht gewiss nicht neu eingeführt, sondern höchstens als existirend vorausgesetzt ist. Auf diese Voraussetzung also muss alles das bezogen werden, was aus dieser Stelle für die possessorischen Klagen bewiesen werden soll.

Nun waren es vorzüglich drei neue Bestimmungen, die das Klagrecht hier erhalten haben sollte: Klagrecht ohne juristischen Besitz, ohne gewaltsame Verletzung und gegen jeden dritten Besitzer. Die erste dieser Bestimmungen hat am wenigsten Veranlassung in der Stelle selbst, für die zwei letzten scheint wirklich einiger Grund darin enthalten zu sein. Für die zweite: denn in den Worten: „aut captivitate, aut dolo, aut violentia malorum, aut per quascunque injustas causas“ ist ausdrücklich dafür gesorgt, dass die Vorschrift nicht auf den Fall gewaltsamer Entsetzung beschränkt werde. Für die dritte: denn die unbestimmten Worte: „redintegranda sunt“ unterscheiden durchaus nicht unter den verschiedenen Personen, die jetzt den Besitz haben können. Also: es ist wahrscheinlich, dass der Verfasser jener Stelle und eben so Gratian vorausgesetzt hat, selbst ausser diesen zwei Bedingungen sei ein Klagrecht möglich. Aber auch ein Klagrecht aus dem blossen


(514) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

Besitz? davon enthält die ganze Stelle keine Spur. Der Bischof, der durch eine „injusta causa“ nicht im Besitze des Bisthums ist, soll ja wirklich Bischof sein: das Vermögen, das er durch eine „injusta causa“ verloren hat, soll wirklich sein Vermögen sein: nun, in diesen Fällen hat sein (petitorisches) Klagrecht kein Bedenken, wenn gleich von einer possessorischen Klage vielleicht nicht die Rede sein kann.

Ich fasse diese ganze Erklärung nochmals kurz zusammen. Ein Klagrecht ist hier nicht vorgeschrieben, sondern vorausgesetzt. Dieses Klagrecht wird in den meisten Fällen (1) ein Römisches Interdict sein, und in den übrigen Fällen (2) ist es eine Vindication. Also lässt sich das Klagrecht, welches die Stelle voraussetzt, völlig aus dem Römischen Recht erklären, und es ist selbst um dieser Voraussetzung willen nicht nöthig, eine neue Art von Klagrecht anzunehmen.

Wenn also in den Worten jener Stelle ein neues Recht des Besitzes nicht enthalten ist, und wenn noch viel weniger der Verfasser derselben und Gratian daran dachten, ein solches Recht dadurch einzuführen, wie ist man dennoch auf diese Erklärung gekommen, die nicht etwa der Einfall eines einzelnen Juristen, sondern die allgemeine Meinung der Praktiker ist? Darüber ist nur eine Vermuthung möglich, aber eine sehr wahrscheinliche Vermuthung. Man verstand das Römische Recht des Besitzes nicht hinreichend, und vermisste daher in vielen Fällen des verlornen Besitzes ein Klagrecht, in welchen eine vollständige Einsicht in das Römische Recht ein

(1) „exspoliatis vel ejectis episcopis ... captivitate ... aut violentia.“ Es ist sehr zu bemerken, dass Gratian in der Anmerkung am Schlusse der ganzen quaestio, worin er ein allgemeines Resultat zieht, bloss diesen Fall denkt.

(2) „aut per quascunque injustas causas.“


(515) §. 50. Spolienklage.

solches dargeboten hätte. Deswegen war es am bequemsten ein neues Rechtsmittel auszusinnen, das durch seine Allgemeinheit und Unbestimmtheit recht geschickt war, der mühsamen Kenntniss des Römischen Rechts zu überheben. Ist es nun zu verwundern, dass die Praktiker diese Erfindung mit grosser Freude aufnahmen? dass sie, weit entfernt, an ihrer Aechtheit zu zweifeln, sich beeiferten, die Erfindung selbst immer noch zu vervollkommnen? – Aber die Sache bedurfte auch einer Auctorität, und es war ein recht artiger Zufall, dass man dazu gerade eine Stelle der Pseudoisidorischen Sammlung wählte: vor einem Texte, der selbst untergeschoben ist, hat selbst die willkührlichste Interpretation keine Ursache sich zu schämen!

Ausser diesen wichtigen Neuerungen, die das Canonische Recht nicht enthält, sind aber auch noch zwei andere, weniger bedeutende, wirklich in demselben enthalten, welche sich beide auf das Recht des gewaltsam verlornen Besitzes beziehen (1).

Die erste dieser Neuerungen betrifft das Klagrecht selbst. Das Römische Recht gestattete die Klage gegen einen dritten Besitzer selbst dann nicht, wenn dieser Dritte von demjenigen, welcher die Gewaltthätigkeit verübt hatte, die Sache bekam und es wohl wusste, wie der Besitz seines auctor entstanden sei (2). Aber Innocenz III. sah wohl ein, dass die Seele dieses Dritten in eben so grosser Gefahr schwebe, als die des gewaltsamen Besitzers selbst, und er liess daher auch gegen Jenen die

(1) Eine dritte Bestimmung, die das C. 9. X. de probat. enthalten soll, kann erst im folgenden §. klar werden.

(2) L. 3. §. 10. uti possidetis (S. 430.). – Böhmer zeigt in einer Note zu C. 18. X. de rest. spol., dass er mehr Canonist, als Civilist war: er glaubt, es sei in den Decretalen gar nichts neues verordnet.


(516) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

Klage zu (1). Darin liegt also eine wahre (übrigens nicht sehr bedeutende) Erweiterung des Int. de vi.

Die zweite Neuerung betrifft die exceptio spolii. Diese Exception, die sich ursprünglich bloss auf die Anklage der Bischöfe bezog, scheint durch Gewohnheitsrecht für alle Sachen überhaupt aufgenommen worden zu sein, und sie ist endlich gesetzlich bestimmt worden (2). Jeder, der gewaltsam beraubt ist, soll diese Exception haben, um dadurch alle Civilklagen, die der spoliator gegen ihn anstellen kann, so lange abzuweisen, bis die Restitution erfolgt ist: doch ist die Exception ausgeschlossen, wenn in der Klage von dem Recht oder der Sache einer Kirche, in der Exception von dem Recht einer Privatperson die Rede ist, oder umgekehrt. Gegen eine Criminalanklage kann die Exception auch dann gebraucht werden, wenn nicht der Spoliator, sondern ein Dritter die Anklage vorbringt: nur muss dann das Spolium mehr als die Hälfte des ganzen Vermögens betragen; auch kann der Ankläger fordern, dass dem Angeklagten eine Frist vorgeschrieben werde, in welcher das Interdict gebraucht werden könne; nach Verlauf dieser Zeit hört die Wirkung der Exception auf (3). In Civilsachen sowohl

(1) C. 18. X. de restit. spoliat. – Ziegler (l. c. p. 246.) hat die sehr richtige Bemerkung gemacht, dass, da hier etwas Neues bestimmt sein solle, nicht schon vorher nach c. 3. C. 3. q. 1. gegen jeden dritten Besitzer ein Klagrecht gegolten haben könne. Woltär’s Widerlegung (p. 250.) ist wohl mehr gelehrt, als überzeugend: auch betrifft sie nicht sowohl den Canon selbst, als eine Usualerklärung desselben, die schon längst gegolten haben soll. – Ferner soll nach Woltär (p. 252.) das C. 18. X. de restit. spoliat. selbst gegen jeden dritten Besitzer gehen, weil auch derjenige scienter detinens sei, der nur jetzt durch den Process das spolium erfahre. Allein es heisst ja ausdrücklich: „si quis ... scienter rem talem receperit.“

(2) C. 1. de restit. spol. in 6.

(3) Es versteht sich von selbst, dass diese Exception in Criminalsachen nur da gebraucht werden


(517) §. 50. Spolienklage.

als in Criminalanklagen muss das Spolium selbst, worauf sich die Exception gründet, längstens in 15 Tagen bewiesen werden.

Zunächst also ist die Bedeutung der exceptio spolii bloss prozessualisch: allein wie verhält sie sich zu dem Interdictum de vi, wenn dieses die Klage ist, die der Andere anstellt? Entweder ist in der Klage und in der Exception von verschiedenen Gegenständen oder von demselben Gegenstande die Rede. Im ersten Fall wird das Interdict, wie alle andere Klagen, durch jene dilatorische Exception einstweilen ausgeschlossen: allein der Beklagte kann anstatt derselben auch sein Interdict als Reconvention vorbringen, und dann ist die Wirkung die, dass beide Rechtssachen zugleich verhandelt und entschieden werden (1). Im zweiten Fall, wenn der Kläger, der den verlornen Besitz wiederfordert, früher den Beklagten aus demselben Besitz verdrängt hat, ist jene Exception als dilatorische Exception, was sie nach dem Canonischen Rechte immer sein soll, undenkbar: als peremtorische Exception aber ist sie nach Römischem Recht ungültig (S. 447. 448.) und diese Ungültigkeit muss folglich noch jetzt behauptet werden.

(Zusatz der 6. Ausgabe.) Bis hierher ist dargethan worden, wie wenig geschichtlichen Grund die Spolienklage in den geschriebenen Rechtsquellen hat. Dennoch ist nicht zu leugnen, dass sie seit Jahrhunderten in der Praxis festen Fuss gefasst hat, und es kommt nun noch darauf an, die Natur und die Grenzen dieser ihrer praktischen

kann, wo der reine accusatorische Process gilt, d. h. dass sie da fast ganz ausser Gebrauch ist.

(1) C. 2. 4. X. de ord. cognit.


(518) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

Gültigkeit wissenschaftlich zu bestimmen, damit nicht hierin Alles der Herrschaft der Willkühr überlassen bleibe.

Nun ist oben gezeigt worden, dass uns das Mittelalter viele wichtige Rechtsinstitute überliefert hat, bei welchen ein Besitzesschutz wohl schon von dem Römischen Recht eingerichtet worden wäre, wenn es dieselben gekannt hätte (§. 49.). Es gehören dahin, ausser vielen publicistischen und kirchlichen Rechten, vorzüglich die sehr verbreiteten Reallasten des Germanischen Rechts. Hier also hat die Anwendung jenes durch die Praxis neu eingeführten Rechtsmittels kein Bedenken, ja es ist die wahre Form, unter welcher jene wichtige Erweiterung des ganzen Besitzrechtes in das Leben eingeführt wird (1).

Ferner auch bei solchen Instituten, welche das Römische Recht anerkennt, auf die es aber den Besitzesschutz anzuwenden wohl nur deswegen, weil sie seltener vorkamen, unterlassen hat, halte ich die Spolienklage für anwendbar. Ich meine diejenigen Prädialservituten, auf welche das Int. uti possidetis nicht passt und für die doch auch keine besonderen Interdicte eingeführt sind. Nimmt man dieses an, so dient von dieser Seite die Spolienklage zu einer Ergänzung des Römischen Rechts in seinem wahren Geiste, und sie gewährt dann zugleich die praktische Vermittlung für die Streitfrage, ob auf jene Servituten die Römischen Interdicte angewendet werden sollen oder nicht (§. 46.) (2).

(1) (Zusatz der 8. Ausg.) Handschriftl. Bemerkung des Verfass.: „Eichhorn §. 166. ed. 4. sagt: Spolienklage und Int. uti possidetis, “ – Rosshirt Archiv VIII. S. 63. „findet … eine possessio juris statt und folglich das interdictum uti possidetis. “

(2) Man könnte einwenden, bei anderen Prädialservituten lasse das Römische Recht nur das Int. uti possidetis oder Surrogate desselben zu (§. 46.), die Spolienklage aber sei recuperandae poss., also eine Ausdehnung des Int. de vi. Allein bei diesen Rechten lässt sich die


(519) §. 50. Spolienklage (Zus. der 6. Ausg.).

Weiter aber darf, wie ich glaube, die Anwendung der Spolienklage nicht geführt werden. Namentlich nicht auf diejenigen Rechtsinstitute, in deren Natur das Bedürfniss, ja die Fähigkeit, zu einer consequenten und heilsamen Anwendung des Besitzesschutzes gar nicht enthalten ist: ich meine das Familienrecht und die Obligationen (§. 49.). – Aber eben so wenig halte ich für begründet die Anwendung der Spolienklage auf dasjenige Gebiet, welches durch die possessorischen Interdicte des Römischen Rechts wirklich beherrscht wird. Hier ist für ihre Anwendung weder Raum noch Bedürfniss vorhanden, und wenn man sie dennoch, vermischt mit den Interdicten, anzuwenden versucht, so ist eine unheilbare und grenzenlose Verwirrung die unausbleibliche Folge. Ich sage nichts davon, wie sich jedes Bedürfniss wissenschaftlicher Consequenz durch ein solches verwirrendes Verfahren verletzt fühlen müsste, denn dieses Interesse muss allerdings dem Bedürfniss des Lebens untergeordnet werden; aber eben das praktische Interesse kann gewiss nicht gewinnen bei einem Verfahren, wodurch sichere Grundsätze unmöglich gemacht werden, so dass zuletzt nur noch die Willkühr den Knoten zerhauen kann, indem sie bald aus diesem bald aus jenem Rechtssystem ihre Entscheidungen hernimmt. Ein solcher Zustand des praktischen Rechts kann nur wünschenswerth sein für die Bequemlichkeit und Unkenntniss mancher Richter, und für das Interesse derjenigen Sachwalter, welchen die lange Dauer der Processe mehr am Herzen liegt, als das Wohl der Parteien. – Man versuche es nur, die Spolienklage

Störung des Besitzes von der Aufhebung nicht so scharf scheiden, wie bei dem Eigenthum und den persönlichen Servituten, so dass auch für die Interdicte eine scharfe Trennung weder möglich, noch nöthig ist (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 179. A. d. H.


(520) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

in der oben angegebenen, von Vielen vertheidigten, endlosen Erweiterung consequent durchzuführen, so wird man bald auf Fälle kommen, worin selbst die Vertheidiger derselben vor der Anwendung zurückschrecken werden. Sie müssen sich also doch in der Stille vorbehalten, gelegentlich die Anwendung auch wohl zu unterlassen, wodurch es eben klar wird, dass diese ganze Lehre nur auf blinde Willkühr hinführen kann. Ist diese Ansicht gegründet, so darf namentlich dem Miether und Commodatar, welchen die Interdicte versagt sind, auch die Spolienklage nicht gestattet werden.

In dem Gebiete aber, worin die Spolienklage wirklich anzuwenden ist, entsteht nun die Frage, nach welchen Regeln sie behandelt werden soll. Das geschriebene Recht giebt uns dazu keine unmittelbare Anweisung, und in der Praxis wird man vergeblich nach bestimmten und gleichförmigen Regeln suchen, obgleich die Schriftsteller nicht leicht versäumen werden, sich auf die Praxis zur Unterstützung ihrer Meinungen zu berufen, mögen diese auch noch so sehr unter einander im Widerstreit stehen. Ich glaube, dass auch hierin lediglich die Analogie des Römischen Rechts einen festen Boden geben kann, so dass das neue Rechtsinstitut auch im Einzelnen als eine consequente Fortbildung des Römischen Rechts behandelt werden muss, freilich mit steter Rücksicht auf die Eigenthümlichkeit jedes einzelnen Rechtsinstituts und das daraus hervorgehende besondere Bedürfniss.

Es ist oft ein leeres Gerede geführt worden von dem Bestreben der sogenannten historischen Schule, alles Recht ausschliessend in Römische Formen einzuzwängen, und dadurch sowohl den eigenthümlichen Producten der Praxis, als den Forderungen eines neuen wissenschaftlichen Geistes Unrecht zu thun. Ohne Zweifel werden Manche diesen stehenden hergebrachten Tadel auch über die hier aufgestellte Ansicht der Spolienklage aussprechen.


(521) §. 50. Spolienklage (Zus. der 6. Ausg.).

Darum freue ich mich, Mühlenbruch, den Manche (ich weiss nicht warum) unter die Gegensätze der historischen Schule rechnen, als Vertreter derselben Ansicht anführen zu können. Auch er betrachtet das Int. de vi, in seiner echt Römischen Gestalt, als die einzige Klage des neuesten Rechts zur Wiederherstellung des Besitzes, und auch er sieht in der Spolienklage Nichts als die Erweiterung jenes Interdicts auf den dritten unredlichen Besitzer (1). – In der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts erschien in Rom, mit dem Imprimatur aller Behörden, ein ausführliches Werk über die Spolienklage (2). Von einem modernen Römer erwartet man doch gewiss den nöthigen Respect vor dem canonischen Recht und der aus demselben hervorgegangenen Praxis! Dieser nun behandelt den Canon Redintegranda mit der wegwerfendsten Verachtung (Cap. 3.) (*). Die Spolienklage selbst aber, die er nun darstellt, ist Nichts als das Römische Int. de vi, überall aus Pandectenstellen entwickelt, und nur in wenigen Puncten durch Stellen des canonischen Rechts ergänzt. So behauptet er ganz bestimmt auch für das geltende Recht, dass der Miether und Pächter die Spolienklage nicht haben, und beweist diesen Satz aus L. 1. §. 10. 22. L. 20. de vi (Cap. 5. §. 4. 5.). War dieser Schriftsteller etwa ein prophetischer Jünger der deutschen historischen Schule (**) ?

§. 51.

Seit dem dreizehnten oder vierzehnten Jahrhundert ist in Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland ein ganz

(1) Muehlenbruch doctrina Pandectarum §. 244. 134.

(2) Franc. Mazzei de legitimo actionis spolii usu commentarius. Romae 1778. 4°.

(*) Vergl. Anh. Num. 180. A. d. H.

(**) Vergl. Anh. Num. 181. A. d. H.


(522) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

neues Klagrecht aus dem Besitz aufgekommen, welches possessorium summarium oder summariissimum genannt wird (1), zum Unterschied von den possessorischen Klagen, die schon das Römische Recht eingeführt hatte. Die Glosse erwähnt dieses Rechtsmittel noch nicht, aber bei Durantis und Johannes Andreä kommt das Wesen desselben, obgleich ohne den Namen, schon vor (2). Die Entstehung dieses Instituts ist nach der Art, wie der Gebrauch desselben von älteren Schriftstellern allgemein beschrieben wird, so zu erklären (3). Der Processgang

(1) Bei älteren Schriftstellern führt es sehr verschiedene Namen; in Italien hiess es Mandatum de manutenendo, in Spanien Inicio de Interim, in Frankreich Recredentia (wahrscheinlich Récréance) u. s. w.

(2) Durantis Lib. 4. Part. 1. tit. de libell. concept. §. 9. No. 22., zuerst angeführt in Hollwegs Grundriss §. 213. Bei einem Streit über den Besitz eines Waldes waren die Parteien so erbittert, dass keiner durch einen Libell als Kläger auftreten wollte, und dass Waffengewalt zu befürchten war. Der Richter verbot vorläufig Beiden den Wald zu betreten, forderte Beide amtlich zum Beweise auf, und sprach nun Einem den Besitz zu. Die Advocaten waren Jacobus Balduini und Bagarottus. Dasselbe kommt nochmals vor, nur kürzer, Lib. 2. P. 1. tit. de petit. et poss. §. 1. No. 38. Das Wesentliche dabei ist also der Process und die Entscheidung ohne Libell, was mehr ist als blosse Inhibition der Waffen, und man kann also allerdings sagen, dass darin die erste Spur unseres Rechtsmittels liegt. Das verkennt Bayer summ. Process S. 177. (Zus. der 6. Ausg.)

(3) Es ist leicht zu vermuthen, dass man keinen Versuch gespart hat, dieses Institut aus dem Römischen Recht herzuleiten. Budäus (in L. 2. de O. I., annot. in ff. p. 90. 91. ed. Lugd. 1546. 8.), und nach ihm viele Andere, behaupten, dass die Form der manus consertae ganz dasselbe sei. Allein diese Form war nichts als die Eröffnung der Vindication, und wurde nie, wie Budäus glaubt, zur Vorbereitung eines Streites über den blossen Besitz gebraucht (§. 34.). Er hätte sich so ausdrücken müssen, um etwas Wahres zu sagen: die manus consertae standen zu der Vindication in einem ähnlichen Verhältniss, wie das summariissimum zu dem ordinarium, d. h. zu dem Int. uti possidetis. – Andere finden das Summariissimum in L. 1. §. 3. uti poss.


(523) §. 51. Possessorium Summariissimum.

war in demselben Verhältniss weitläufiger geworden, als er kürzer hätte werden müssen, um der allgemeinen Gewohnheit der Selbsthülfe zu steuern: ein Rechtsstreit über den blossen Besitz also, der im alten Rom vielleicht wenige Tage gedauert hätte, konnte jetzt Jahre hindurch geführt werden, und die Parteien pflegten dann einstweilen mit Gewalt durchzusetzen, was sie ohnehin, nur später, von dem Urtheil zu erhalten hofften. Diese Selbsthülfe konnte auch bei der Vindication, oder bei der Klage aus einem Contract zu befürchten sein: nur bedurfte es dabei, um dem Uebel vorzubeugen, keiner eigenen Rechtsanstalt: der Besitzstand war in allen diesen Fällen entschieden, und gerade in der Unentschiedenheit des Besitzstandes lag die stärkste Veranlassung zu Gewaltthätigkeiten, indem diese immer unter dem Vorwand blosser Vertheidigung ausgeübt werden konnten. Wie mit der Vindication etc., so verhielt es sich auch mit dem Int. de vi: der Besitzstand war nach des Klägers eigener Behauptung entschieden, denn der Kläger behauptete nur aus einer obligatio die Restitution des Besitzes fordern zu können. Ganz anders bei dem Int. uti possidetis: hier ist es gerade der jetzige Zustand des Besitzes, worüber fast immer gestritten wird, folglich lag dabei gerade in dem Gegenstande des Streites die Veranlassung der Gewaltthätigkeit, und es bedurfte einer eigenen Rechtsanstalt, um nur vorläufig, d. h. bis zur Entscheidung der Sache selbst, alle Gewalt zu verhüten. Diese Anstalt war das Summariissimum, dessen Beschaffenheit nun leicht zu bestimmen ist. Es bezieht sich lediglich

(Retes ap. Meerm. VII. p. 507.) oder in L. 13. §. 3. de usufr. (I. Grav. de jud. poss. summ. Tüb. 1672. §. 6-8.); noch Andere in Cicero pro Caec. Cap. 12.: „Nondum de Caecinae causa (sc. principali) disputo, nondum de jure possessionis (sc. ordinario) nostrae loquor.“ (Peller de summariis. poss. Altorph. 1665. §. 13.)


(524) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

auf ein Int. uti possidetis, worüber noch nicht entschieden ist: es ist nur nöthig, wenn die Gefahr offenbarer Gewaltthätigkeit so dringend ist, dass sie nur durch eine vorläufige Verfügung des Richters vermieden werden kann (1): es gilt in diesem Fall als ein provisorisches Int. uti possidetis selbst, d. h. es wird gerade dieselbe Rechtsfrage untersucht und entschieden, wie in dem Int. uti possidetis, und der einzige Unterschied besteht darin, dass die Nothwendigkeit einer schnellen Entscheidung jede andere Rücksicht, selbst die der vollständigen factischen Gewissheit, überwiegt. – Das erste, worauf es bei dem Int. uti possidetis ankam, war gegenwärtiger juristischer Besitz, und es ist ganz ohne Grund, wenn Viele behaupten, dass blosse Detention und nicht eigentlicher Besitz für das Summariissimum erfordert werde. Freilich wird es dem, der blosse Detention hat, hier leichter als in dem Int. uti possidetis gelingen, den Richter zu täuschen, und seine Detention als Besitz gelten zu lassen: allein Gegenstand der Untersuchung und Grund der Entscheidung ist doch immer der juristische Besitz, und es ist durchaus kein Grund denkbar, warum hier etwas anderes gelten sollte, als bei dem Int. uti possidetis selbst: denn der eigenthümliche Zweck wozu das Summariissimum bestimmt ist (Verhütung von Verbrechen), wird durch jede Festsetzung des Besitzstandes erreicht, und ausser diesem Zweck ist überhaupt kein Grund der Entscheidung zu denken möglich, als der, nach welchem auch das Int. uti possidetis entschieden wird. – Allein nicht jeder Besitz war bei dem Int. uti possidetis hinreichend, sondern durch die bekannten drei Exceptionen war jede

(1) Es versteht sich von selbst, dass es dem Richter freysteht, neben diesem Rechtsmittel auch andere, noch schneller wirkende Vorkehrungen gegen Gewalt zu treffen, z. B. Sequestration, Strafverbote u. s. w. (Zus. der 6. Ausg.)


(525) §. 51. Possessorium Summariissimum.

injusta possessio ausgeschlossen. Auch diese Exceptionen müssen hier das Urtheil bestimmen, nur ist die Anwendung dieses Satzes nicht leicht möglich, da ein so schneller Beweis dieser Exceptionen, als hier geführt werden müsste, in den meisten Fällen nicht wird geführt werden können.

Nach dieser ganzen Darstellung also ist der eigentliche Zweck jenes Instituts die Verhütung von Verbrechen, und man kann es als eine Massregel betrachten, die die Polizei unter der Form eines Rechtsinstituts für gut gefunden hat. Diese Ansicht wird bestätigt durch die bestimmte Form, unter welcher dasselbe in Deutschland von der Gesetzgebung eingeführt worden ist, und obgleich diese Bestimmung nicht als allgemeines Gesetz für ganz Deutschland gegeben worden ist, so hat es doch keinen Zweifel, dass das Wesentliche ihres Inhalts die sicherste Norm der Entscheidung ist, wo sie etwa nicht mit den Gesetzen einzelner Länder, sondern nur mit einem unbestimmten Gerichtsgebrauch concurrirt. Der Inhalt des Gesetzes ist dieser (1): Wenn unmittelbare Unterthanen des Deutschen Reichs über den Besitz streiten, der jetzige Besitzstand zweifelhaft und die Lage der Sache so ist, „dass sorgliche Empörung, Weiterung oder Aufruhr (also Bruch des Landfriedens) daraus zu besorgen, “ so soll das Kammergericht das Recht haben, auf Anrufen der Parteien oder auch ex officio den Besitz zu sequestriren und unmittelbar darauf „ohne einigen gerichtlichen Process oder andere weitläuftige (!) Ausführung der Sachen zu erkennen, welchem Theil die momentanea possessio vel quasi einzugeben, oder zu inhibiren sei, sich derselben bis zu endlichem Austrag des endlichen Rechtens, in Possessario und Petitorio (2) zu enthalten, und so das

(1) Ord. Cam. 1555. P. 2. Tit. 21. §. 3. Conc. Ord. Cam. P. 2. T. 22. §. 4. 5.

(2) Frider (de interd. Comm. 13.) will die ganze Eintheilung in ordinarium und summarium nicht gelten


(526) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

beschehen, soll alsdann solches keinen Theil an seinem Inhaben oder Besitz im Recht nachtheilig sein.“

Nach diesem Gesetze ist es leicht, die Art der Anwendung jenes Instituts zu bestimmen. Der erste Grund, warum es auch in diesem Gesetz vorgeschrieben ist, liegt offenbar darin, dass selbst das (gewöhnliche) possessorium nicht schnell genug entschieden werden kann. Aber nicht die lange Dauer der Processe allein ist der Grund jener Vorschrift, sondern die Gefahr der öffentlichen Sicherheit, welche durch jene lange Dauer verursacht wird. Wo also eine solche Gefahr nicht nachgewiesen werden kann, da kann das Summariissimum nicht etwa deswegen angewendet werden, weil Eine Partei wegen der Langwierigkeit der gewöhnlichen possessorischen Processe vorläufig in den Besitz zu kommen wünscht. Wäre dadurch allein das Summariissimum begründet, so liesse sich kein Grund denken, warum nicht bei jedem andern Rechtsstreite, z. B. über Eigenthum, eine solche provisorische Entscheidung gelten sollte, da bei allen Processen die lange Dauer derselben gleich drückend ist. Ja es ist sehr natürlich, dass durch den häufigen Gebrauch, der von jenem Institut gemacht wird, der Streit über Besitz immer noch langwieriger werden muss, und dass bald ein zweites Summariissimum nöthig wäre, um der langen Dauer des ersten zu entgehen. Wenn dagegen dieses Institut nur so angewendet wird, wie seine ursprüngliche

lassen, und er legt auf diese neue Meinung grosses Gewicht. Das summ., meint er, sei das einzige possessorium, und das ordinarium, wovon sonst und auch wohl in den Reichsgesetzen geredet werde, sei nichts anders, als das petitorium, weil darin ja auch die possessionis causa (d. h. die endliche Entscheidung des Besitzstandes) enthalten sei. Am Ende des Abschnitts giebt er aber doch selbst ein Paar Ausnahmen zu, und es trifft sich gerade, dass in diesen Ausnahmen alle die Fälle enthalten sind, in welchen das summar. als Regel gilt.


(527) §. 51. Possessorium Summariissimum.

Bestimmung und die Vorschrift der Reichsgesetze es fordern, so ist es klar, dass in den einzelnen Ländern in Deutschland der Gebrauch desselben nur sehr gering sein kann: denn eigenmächtige Störung der öffentlichen Sicherheit ist das einzige, was dadurch abgewendet werden soll, und davon ist in den einzelnen Staaten Deutschlands wenig mehr zu befürchten (1). – Wenn nun der Fall so beschaffen ist, wie ihn das Reichsgesetz fordert, so hat es auch nach diesem Gesetz keinen Zweifel, dass in dem Process über das Summariissimum selbst alles das gelten müsse, was oben darüber behauptet worden ist. Denn da das Gesetz nicht sagt, wem der Besitz einzuräumen sei, so kann diese Frage nur aus allgemeinen Gründen, und nur wie es oben geschehen ist, beantwortet werden. Welchen Erfolg das Summariissimum haben soll, sagt das Gesetz sehr deutlich. Es soll nämlich selbst dem juristischen Besitz gar nicht präjudiciren. Zeigt es sich also in der Folge bei dem possessorium ordinarium, dass nicht der, welcher in dem Summariissimum gewann, sondern sein Gegner den juristischen Besitz hatte, so ist dieser auch durch die Entscheidung des Summariissimum nicht verloren worden, und der durch dasselbe eingeräumte Besitz ist nun als eine blosse Detention zu betrachten, wodurch ein fremder juristischer Besitz einstweilen ausgeübt wurde (2).

(1) Bayer summ. Proc. S. 178. behauptet, die Kammergerichtsordnung handle von zwei ganz verschiedenen Gegenständen: Friedensstörung und Privatgewalt; nur jene sei jetzt selten und unwahrscheinlich, nicht diese. Allein das Gesetz enthält nur zwei verschiedene Mittel zum Zweck, Sequestration und provisorische Entscheidung; der Fall, wofür es diese Mittel vorschreibt, ist nur ein einziger: Bedrohung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit. (Zus. der 6. Ausg.) (*)

(*) Vgl. Anhang Num. 182. A. d. H.

(2) Vgl. die zu Ende dieses §. angeführte Schrift von Kober p. 24.


(528) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

Bisher ist bloss das possessorium summarium untersucht worden, ohne das ordinarium auch nur zu berühren, denn dieses letzte wird nur um des Gegensatzes willen mit diesem Namen bezeichnet, es ist nichts anderes, als das alte Int. uti possidetis, und es ist leicht zu begreifen, dass die Polizeianstalt, wodurch nur vorläufig die öffentliche Sicherheit erhalten werden sollte (das summariissimum), auf dieses Institut keinen Einfluss haben konnte (1). Einige Juristen haben gerade das umgekehrte Verhältniss angenommen (2), und einzelne Anwendungen dieser Meinungen finden sich bei sehr vielen Schriftstellern: das Summarium nämlich soll das alte Interdict sein, nur etwa mit einigen Modificationen, das Ordinarium aber soll ein Mittelding von Possessorium und Petitorium sein, welches das Canonische Recht zwischen Beide eingeschoben habe. Dass diese Ansicht historisch falsch ist, zeigt der erste Blick auf die älteren Schriftsteller und auf das angeführte Reichsgesetz. Jene Schriftsteller behandeln ohne Ausnahme das Summariissimum (die Recredentia, das Interim etc.) als etwas Neues, das der Gerichtsgebrauch dem Römischen Recht hinzugefügt habe, und die Kammergerichtsordnung, welche die Bedingungen der Anwendung dieses Instituts genau bestimmt, sagt ausdrücklich, dass

(1) Die verschiedenen Benennungen sind so zu erklären: Das neu hinzugekommene Rechtsmittel wird Summarium genannt im Gegensatz des Ordinarium; Summariissimum aber deswegen, weil auch schon in dem Ordinarium (wenigstens nach der gewöhnlichen Meinung) summarischer Process gilt. Summariissimum ist zwar höchst barbarisch, aber doch besser, weil es gar keinem Missverständniss Raum lässt. (Zus. der 6. Ausg.)

(2) F. A. Hommel diss. de processu poss. summ. quaest. 12., Lips. 1748., Qu. 1-3. Klepe de nat. et ind. poss. ad interd. Cap. 3. p. 35. 36. Klepe lässt eigentlich beide Possessoria neu einführen: das Ordinarium vom Canonischen Recht, das Summarium von der Kammergerichtsordnung: die Interdicte aber sollen doch auch noch gelten. Aber in welchem Verhältniss das alles neben einander bestehen soll, ist schwer zu begreifen.


(529) §. 51. Possessorium summariissimum.

diese vorläufige Entscheidung auf das Endurtheil über das Recht selbst sowohl, als über den Besitz keinen Einfluss haben soll (S. 526.), und damit kann nichts anderes gemeint sein, als das, was das Römische Recht über Eigenthum und Besitz bereits bestimmt hatte. Die Stelle des Canonischen Rechts, welche jene falsche Meinung von einem neuen possessorium ordinarium veranlasst hat, ist C. 9. X. de probat., und es sind zwei Eigenthümlichkeiten, wodurch dieses Rechtsmittel von den römischen unterschieden wird. Erstens, der Besitz, worauf sich das Ordinarium gründet, soll eine justa possessio sein müssen. Versteht man darunter nur das, dass die possessio nicht injusta (d. h. weder gewaltsam, noch heimlich, noch precario erworben) sein dürfe, so ist der Satz wahr, allein er sagt weiter nichts, als was schon nach dem Römischen Recht keinen Zweifel hat, dass das Interdict durch die bekannten drei Exceptionen ausgeschlossen werde. Hier aber soll die justa possessio ein solcher Besitz sein, der durch eine juristische Handlung (justus titulus) entstanden ist (1). Zweitens: der Besitz soll älter als Ein Jahr sein, wenn das Ordinarium soll gebraucht werden können (2): im Gegensatz dieser

(1) Hommel l. c. p. 15. 16. – Hier ist die Wahrheit der Bemerkung recht auffallend, die oben (S. 503. 504.) über die Genealogie dieser Art von Irrthümern gemacht worden ist. Der Zusammenhang dieser Meinung mit einer andern über den Begriff des Besitzes (S. 144-147.) und einer dritten über die Natur der Interdicte (S. 391.) ist unverkennbar.

(2) Hommel l. c. qu. 1. 2., Klepe l. c. p. 36. Derselbe Satz war in Frankreich schon im 16. Jahrhundert durch die Praxis anerkannt. Cuiacius in paratit. ad Cod. tit. uti possidetis. – So fordert auch das gegenwärtige Französische Gesetz für die Besitzklage zwei Stücke: 1. wenigstens einjährige Dauer des Besitzes, 2. Anstellung der Klage innerhalb eines Jahres nach der Störung. Code de procedure art. 23. (Zusatz der 6. Ausgabe.) – Nach Hommel soll gar das Ordinarium ein Remedium recuperandae possessionis sein; dadurch wird die ganze Verwirrung so gross, dass


(530) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

Bedingung nennt man daher den Besitz, wovon im Summariissimum die Rede ist, den jüngsten Besitz. Allein jene Stelle der Decretalen bestimmt gar kein neues Rechtsmittel, sondern sie setzt das Int. uti possidetis voraus, und beurtheilt in einem bestimmten Fall den geführten Beweis. Diese Ansicht wird schon durch zwei allgemeine Bemerkungen sehr wahrscheinlich. Erstens dadurch, dass die Stelle in dem Titel de probationibus eingerückt ist, zweitens, weil sonst der Gegensatz und Unterschied zweier possessorischen Rechtsmittel im Canonischen Recht höchst wichtig sein müsste, den doch das Canonische Recht ganz ignorirt. Volle Gewissheit erhält jene Ansicht durch den Inhalt der Stelle selbst. Der Fall, welchen Innocenz III. zu entscheiden hatte, betraf den Besitz eines Districts mit Jurisdiction und anderen Rechten. Beide Parteien hatten eine Menge Zeugen vorgebracht, jede hatte bewiesen, dass sie seit vielen Jahren solche Rechte ausgeübt habe, und das Factum des Besitzes war folglich höchst zweifelhaft. In dieser Verlegenheit entschied der Papst so: weil Ein Theil schon 60 Jahre jenen District mit allen Hoheitsrechten besitzt, und zugleich einen rechtlichen Grund seines Besitzes bewiesen hat, der andere Theil aber erst seit 50 Jahren einzelne Hoheitsrechte ausübt, und keinen Rechtstitel dieser Ausübung nachweisen kann, so soll in dem Int. uti possidetis jener erste Theil im Besitz geschützt werden. Beide Entscheidungsgründe lassen sich sehr gut mit der Römischen Theorie des Interdicts vereinigen. Das Interdict forderte: 1. gegenwärtigen Besitz. Dieser war wegen der widersprechenden

man nicht weiss, wo die Widerlegung eigentlich anheben müsste, um Alles abzuthun. Diese bei den älteren Praktikern sehr verbreitete Meinung wurde auch so ausgedrückt, das Ordinarium gründe sich nicht auf gemeinwärtigen, sondern auf den älteren Besitz. Leyser Spec. 499. med. 6. 7.


(531) §. 51. Possessorium summariissimum.

Beweise zweifelhaft. Aber dass der eine Theil 10 Jahre vor dem andern den Besitz gehabt hatte, war gewiss. Da nun der Verlust dieses ehemaligen Besitzes nicht bewiesen war, neben demselben aber kein anderer Besitz möglich war (duo in solidum etc.), so wird in Ermanglung eines andern Beweises präsumirt, dass jener Besitz noch jetzt fortdauere (S. 388. fg.). 2. Possessio non vitiosa. Da die eine Partei Privilegien der Kaiser und Päpste vorgebracht hatte, die andere aber keinen solchen Rechtstitel nachweisen konnte, so war es dadurch höchst wahrscheinlich, dass jene eine possessio non vitiosa, diese aber, wenn sie ja Besitz haben sollte, possessio vitiosa habe, so dass sie auch in diesem Fall wegen der Exceptionen verlieren müsste, wovon jene gar nichts zu fürchten habe; in dieser Beziehung wurde hier des titulus erwähnt. – Dass dieses wirklich die Meinung des Papstes war, erhellt sehr deutlich aus folgenden Worten, welche die eigentliche Entscheidung enthalten: Nos recognoscentes in hoc casu non sic locum esse interdicto Uti possidetis, ut dicere debeamus: Uti possidetis, ita possideatis (1); cum probationes Ecclesiae longe sint potiores: et ideo sit in interdicto superior. Commune Faventiae sibi condemnamus ... quoad possessorium judicium, quo tantummodo actum est, ut neque per se, neque per alios super his praesumat Ravenn. Ecclesiam ... molestare (2).

(1) d. h. obgleich hier das Int. uti poss. angestellt ist, würde doch das Urtheil wenig helfen, wenn es blos die unbestimmten Worte des Edicts enthielte, vielmehr muss es ganz vorzüglich die Person bezeichnen, welche im Besitz geschützt werden soll.

(2) Dieselbe Meinung über das possessorium ordinarium und das Cap. 9. X. de probat., welche ich hier vorgetragen habe, ist in folgender Schrift ausführlich dargestellt. Frid. Gottl. Kober (praes. Iac. Frid. Kees) de judicio possessorio ordinario Spec. 1. Lips. 1805. 4. Diese Schrift ist sowohl wegen ihrer gründlichen, lichtvollen


(532) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

(Zusatz der 6. Ausgabe.) Auch hier wieder werden Manche sagen, das Alles möge schön und gut sein, wenn man auf das geschriebene Recht zurückgehe, die Praxis habe es ganz anders gestaltet. Wir wollen darüber die bewährtesten Processschriftsteller vernehmen, solche, denen noch Niemand eine einseitige Vorliebe für das Römische Recht vorgeworfen hat (1). Ihre Lehre ist folgende:

Das Summariissimum ist ein provisorisches Rechtsmittel zur Erhaltung im Besitz. Ueber diesen soll nach ganz summarischer Untersuchung in der kürzesten Zeit entschieden werden, damit nicht Gewalt statt finde. Darum gilt hier blosse Bescheinigung anstatt des Beweises, aber die Thatsachen, die bescheinigt werden müssen, und von welchen der Gewinn abhängt, sind genau dieselben, wie in dem Ordinarium. Auch hier also wird possessio gefordert, und wenn vielleicht im Einzelnen zuweilen für die blosse Detention gesprochen wird, so geschieht es bloss, weil bei der Unvollständigkeit des Beweises der Richter leichter irren, und also die Detention für eine possessio halten kann. Eben so, wenn auf den jüngsten Besitz gesehen wird, so darf das nicht so verstanden werden, als wäre der hier verlangte Besitz anderer Natur als in dem Ordinarium; sondern da, wo beide Theile einzelne Besitzhandlungen bescheinigen, sieht man die neuesten Besitzhandlungen als ein wahrscheinliches Zeichen des zuletzt vorhandenen, und daher auch noch jetzt fortdauernden Besitzes an. Die im Ordinarium vorkommenden Exceptionen werden hier nur deswegen fast nie

Behandlung der Sache, als wegen ihres Reichthums an literarischen Nachweisungen sehr brauchbar (*).

(*) Vgl. Anhang Num. 183. A. d. H.

(1) Danz summarischer Process §. 16. Bayer summ. Process §. 65. 66. (ausführlich und gründlich). Martin §. 259. der 11. Ausg. Vgl. Mevius P. 1. Dec. 139. P. 3. Dec. 132.


(533) §. 51. Possessor. summar. (Zus. der 6. Ausg.).

beachtet, weil hier überhaupt nur solche Thatsachen zur Sprache kommen dürfen, welche auf der Stelle, und ohne ein zeitraubendes Beweisverfahren liquid gemacht werden können. Ueberhaupt soll kein Schriftwechsel zugelassen, sondern wo möglich Alles in einem Termin durch mündliche Verhandlung abgemacht werden.

Diese, ganz vom praktischen Standpunct aus gegebene Darstellung des Summariissimum stimmt nun mit meiner oben aufgestellten Ansicht völlig überein, und es ist klar, dass das Leben eines so eingerichteten Processes nur nach Tagen, höchstens nach Wochen wird berechnet werden können. Nur in einem Puncte stimme ich mit jenen Schriftstellern nicht ganz überein. Sie lassen nämlich gegen die Entscheidung Rechtsmittel zu, wenngleich sie denselben den Suspensiveffect versagen. Aber auch mit dieser Einschränkung scheint mir jedes Rechtsmittel der Natur jenes Verfahrens widersprechend. Erstlich deswegen, weil dadurch der Process unvermeidlich zu einer unbestimmbaren Dauer ausgedehnt, dadurch also die sehr schleunige Beendigung unmöglich gemacht wird, die doch auch jene Schriftsteller für wesentlich und nothwendig halten. Zweitens weil die Zulassung von Rechtsmitteln ganz über den Zweck des Summariissimum hinausgeht. Denn dieses soll ja überhaupt nur gelten, weil wegen des unentschiedenen Besitzstandes Gewalt zu befürchten ist. Nun aber ist schon über den Besitz entschieden, und diese Entscheidung wird auf jeden Fall (wegen des versagten Suspensiveffects) in Vollziehung gesetzt. Daher hat alle factische Ungewissheit aufgehört, woraus allein bis dahin eine besondere Gefahr der Gewalt hervorging, und welche Gefahr allein durch das Summariissimum abgewendet werden sollte. Allerdings ist es möglich, dass die Entscheidung des Richters, wegen der summarischen Beweisführung, dem unterliegenden Theil Unrecht gethan hat: allein dagegen gewährt das


(534) Sechster Abschnitt. Modificat. des Röm. Rechts.

nun noch zulässige Ordinarium völlig ausreichenden Schutz. Die Stelle des Römischen Rechts, die man zur Begründung der Rechtsmittel (nur ohne Suspensiveffect) anführt (1), kann offenbar Nichts beweisen, da das Römische Recht das ganze Summariissimum nicht kennt; jene Stelle geht ohne allen Zweifel auf die gewöhnlichen Interdicte, und zwar der richtigern Meinung nach sowohl auf uti possidetis als auf unde vi (2).

Eine ganz andere Frage ist es, ob das Summariissimum auch überall in den Gerichten so statt findet, wie es jene Schriftsteller darstellen. Dieses muss allerdings verneint werden. Ich selbst erinnere mich eines Falles, an dessen Entscheidung ich als Richter Theil genommen habe. Hier hatte das Summariissimum gegen zwölf Jahre gedauert, mehrere Juristenfacultäten hatten darüber erkannt, und das Ende des Rechtsstreits war noch nicht zu berechnen. Wenn nun dieser Process im Ganzen vielleicht zwanzig Jahre dauerte, so konnte leicht ein Ordinarium von fünfzig, und ein Petitorium von hundert Jahren nachfolgen. Sollen wir nun ein so widersinniges und verderbliches Verfahren als Widerlegung der hier aufgestellten Ansichten betrachten und solchen Unsinn durch Aufnahme in die Theorie zu Ehren bringen helfen? Das wäre ein unverzeihlicher Götzendienst gegen die sogenannte Praxis, deren Vertheidiger doch sonst stets Vernunft und Zweckmässigkeit im Munde führen. An eine constante und gleichförmige Praxis ist hier ohnehin nicht zu denken, da ja schon die oben angeführten Stellen aus Mevius Zeugniss dagegen ablegen, und es gewiss nicht schwer fallen würde, ähnliche Zeugnisse in bedeutender Zahl aufzutreiben. Nach meiner Ueberzeugung hat jeder Richter, der dieses Unwesen einsieht, die

(1) L. un. C. si de momentanea poss.

(2) Vgl. Albert Int. uti possidetis §. 139-144.


(535) §. 52. Resultate dieses Abschnitts.

Befugniss, demselben entgegen zu arbeiten. In den meisten Stücken wird dazu schon die sehr freie Hand hinreichen, die ohnehin der Richter bei allem unbestimmt summarischen Process hat. Was aber die Rechtsmittel betrifft, so ist es natürlich nur die Sache der höheren Gerichte, sie ausser Anwendung zu bringen, sobald sie auch hierin einer bessern Ueberzeugung Raum geben.

§. 52.

Das Resultat dieser Untersuchung über den Inhalt der neueren Rechte ist folgendes. Es sind darin allerdings Rechtssätze aufgestellt, die das Römische Recht nicht kannte: allein durch diese Sätze ist das Ganze der Römischen Theorie so wenig aufgehoben, dass sie selbst im Gegentheil nicht anders Sinn haben können, als indem man sie als Zusätze zu jener Theorie betrachtet, deren Gültigkeit dadurch eben sehr deutlich anerkannt ist.


(536)

Anhang.

Ueber die

neuere Besitzliteratur seit der sechsten Ausgabe (1837).

Von

dem Herausgeber.


(537)

Der Dank, welchen ich mit allen heutigen Juristen dem vorstehenden Werke und persönlich dem Verfasser, meinem verewigten Lehrer schulde, hat mir nicht erlaubt, mich der Bearbeitung einer neuen Auflage zu entziehen, nachdem die Aufforderung dazu von Seiten der Verlagshandlung an mich ergangen war.

Die Aufgabe, welche ich damit übernommen habe, war einfach und leicht, so weit das „Material zu einer 7. Ausgabe“ reichte, welches von Savigny Selbst noch gesammelt und mir aus Seinem handschriftlichen Nachlasse zur Verfügung gestellt ist. Sie beschränkte sich hier auf eine – abgesehen von rein formeller Redaction – vollständige und wortgetreue Mittheilung dieser Aufzeichnungen an der betreffenden Stellen Seines Werks.

Allein diese Aufzeichnungen sind weder sehr umfangreich, noch reichen sie über das erste Decennium nach dem Erscheinen der sechsten Auflage herab. Gleichwohl musste bei einer neuen Auflage die ganze seit der sechsten Ausgabe verflossene Literaturperiode vollständig durchmessen werden, um entscheiden zu können, inwiefern die von Savigny der Wissenschaft errungenen Resultate durch die zahlreichen neuern Arbeiten auf demselben Gebiete bestätigt, berichtigt oder in Frage gestellt wird.

Indem ich diese Aufgabe in ihrem ganzen Umfange in den folgenden Bemerkungen zu lösen versuche, finde ich nöthig, bis auf die letzte Grundlage des Werks,


(540) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

nämlich auf den Pandectentext zurückzugehen, aus welchem das Recht des Besitzes abzuleiten ist.

Durch Mommsen’s (Apostroph neu) Untersuchungen über die kritische Grundlage unseres Digestentextes (1) ist nämlich die vorlängst von Contius aber ohne Beweis aufgestellte Ansicht, dass die Bologneser Urhandschrift der Pandecten nur bis zu den Worten Tres partes in L. 82. D. ad legem Falcidiam reichte, dass folglich das ganze Digestum novum allein aus der Florentina stammt und sämmtliche Abweichungen der Vulgathandschriften dieses Theils auf Glossemen und Conjecturen beruhen, zur Evidenz erhoben worden. In das Digestum novum fällt nun aber gerade die Lehre vom Erwerb und Verlust des Besitzes, von der Ersitzung und den Interdicten. Hier ist also überall die florentinische Leseart herzustellen und die überaus grosse Sorgfalt, welche der Verfasser auf die Sammlung und Interpretation vermeintlich vorzüglicherer Abweichungen der Vulgata verwendet hat, behält nur einen indirecten und negativen Werth, insofern sie jene ausschliessliche Auctorität der Florentina durch eine Reihe entscheidender Beispiele aus der Besitzlehre bestätigt (2).

Nicht so einfach und unbedenklich erscheint die Beurtheilung der überfliessenden und zerfahrenen Besitzliteratur, welche sich in dem vollen Vierteljahrhundert, seit der Verfasser zum letzten Male resumirte, aufgesammelt hat.

Zwar geht die Mehrzahl der seitdem erschienenen Bücher und Abhandlungen nur auf Berichtigungen Seines

(1) Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts von Bekker und Muther V. (1862.) Num. 18. S. 407-449., besonders S. 428. f.

(2) Man vergleiche die Zusätze zu S. 179. 180., 213. Note 1., 214. Note 1, 251., 253., 260., 267., Note 3, 306. Note 2, 341. Note 4, 353., 371. 371-372. 443. 488. unter den Nummern 42., 54., 55., 77., 80., 91., 104., 108., 116., 118., 119., 120., 153., 166.


(541) Einleitung.

Werkes im Einzelnen aus: sei es in der freundlichen Absicht, durch Verbesserung einzelner Mängel das Ganze zu fördern, oder in der minder freundlichen es durch systematische Opposition zu verdrängen. In beiden Fällen ist jene eigenthümliche Mischung leiser Ironie mit eindringendem Scharfsinn und unermüdlicher Geduld, auf welcher neben dem didactischen zum Theil der künstlerische, ja der sittliche Werth des vorliegenden Buches beruht, weder zu erreichen noch zu erstreben. Eine unbefangene und gewissenhafte Prüfung aber ist glücklicher Weise von jener individuellen Begabung unabhängig und gleichwohl genügend, um die wirkliche Verbesserung anzuerkennen, die vermeinte zurück zu weisen.

Es hat jedoch dem vorliegenden Werk seit der sechsten Auflage auch an solchen Gegnern nicht gefehlt, welche die Grundlage des Ganzen zu erschüttern suchen, indem sie die gesunde Lehre des Verf. über das Wesen des schutz- und ersitzungsberechtigten Besitzes entweder entstellen, oder mittels krankhafter Hervorhebung des Einen seiner beiden Elemente bekämpfen. Diese Bestrebungen mussten in einem längern Zusatz zu §. 5. und 6. des vorliegenden Werks entschieden zurück gewiesen werden.

Endlich haben Manche sogar den wissenschaftlichen Standpunct des Verf. überhaupt als unberechtigt darzustellen versucht. Namentlich ist Dieses von solchen Schriftstellern geschehen, welche entweder der allgemeinen philosophischen Betrachtung des Rechts zugewendet, den falschen Positivismus, oder mit der Rechtsanwendung beschäftigt, den antiquarisch-philologischen Charakter des Werks und die Vernachlässigung des praktischen gemeinen oder territorialen Rechts gerügt haben. Selbst das engere Vaterland des Verf. liefert unerfreuliche Beläge, während die unbefangenere Beurtheilung der französischen und belgischen Besitzschriftsteller


(542) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

in beiden Richtungen keinen Anstoss genommen hat: denn als Grundlage und Ausgangspunct ihrer eigenen Darstellungen sowohl des antiken wie des modernen Besitzschutzes gilt ihnen durchgängig Savigny’s Werk.

Beide Einwürfe sind ganz allgemeiner Natur und können daher, wenn überhaupt, nur hier im Eingange eine Beantwortung finden. Diese aber erscheint um so unvermeidlicher, als es sich darum handelt, eine sichere, werthvolle, durch gleich liebevolle Hingebung an die Idee wie ihre geschichtliche Verwerthung errungene Erwerbung der Wissenschaft gegen die Verwirrung zu schützen, welche nach der Preisgebung dieses Besitzthums unausbleiblich von Neuem hereinbrechen würde.

Dass nun der Verf. nicht nur auf dem Gebiete der Erscheinung, sondern zugleich im Lichte der Idee gearbeitet hat, das konnte in der That nur von den Deutschen, die nach dem Dichterwort „über Allem schwer werden und über denen Alles schwer wird“ , lange Zeit verkannt und nachdem es endlich von ihnen entdeckt ist, dem Verf. sogar als ein Fehler angerechnet werden, während es gerade umgekehrt einen wesentlichen Vorzug Seines Werkes bildet. Denn negativ ist das wichtige Resultat dieser Seiner Verbindung des Allgemeinen und Positiven eben wiederum Seine völlige Unabhängigkeit von dem Römischen Recht, das Ihm in jener vollständigen Hingebung und Durchdringung, der sich allein das Verständniss erschliesst, nicht mehr als ein absolut nothwendiges, sondern nur noch als ein transitorisches Moment im Zuge der Entwicklung erscheinen konnte. Der positive Gewinn aber ist Seine klare Erkenntnisse der allgemeinen Rechtsgedanken, welche sich in jenem Recht verwerthet finden. Dass es nicht die passiven Beziehungen des Besitzes im Beklagtenverhältniss, sondern die Ansprüche auf Ersitzung und Besitzschutz sind, welche den Besitz zum Recht erheben und dass


(543) Einleitung.

dieser „juristische“ Besitz die innere Berechtigung dazu in sich selber trägt, diese Erkenntnis hat Savigny im Kampfe mit allen Schriftstellern „bis auf Einen oder Zwei“ (S. 33.) der Wissenschaft errungen.

Nicht besser begründet ist der zweite Einwurf, welchen man gegen die wesentliche Beschränkung des Planes auf das unverfälschte Römische Recht erhoben hat. Die germanische Welt bedurfte anderer Schutzanstalten für den Besitzstand als die römische, und die Entwicklung dieser Anstalten beginnt mit dem Mittelalter von Neuem. Wer möchte nicht wünschen, dass es im Plane des Verf. gelegen hätte, in einem zweiten Werke auch dieses mittelalterliche und moderne Besitzrecht so vollständig wie das classische zu erschöpfen. Allein ein Vorwurf kann doch billig da nicht erhoben werden, wo vielmehr anzuerkennen wäre, dass erst durch die schwierige grundlegende Arbeit des Verf. die Möglichkeit einer weiteren geschichtlichen Bearbeitung jener modernen Elemente und eines systematischen oder legislativen Abschlusses des gesammten Besitzrechts gegeben ist.

Diese gerechte und verdiente Würdigung des Werks scheint denn auch von Neuem durch die öffentliche Anerkennung bestätigt zu werden, die sich so eben in dem Verlangen und Bedürfniss einer siebenten Ausgabe mit einer Stetigkeit kund gegeben hat, welche keiner andern civilistischen Monographie in diesem Grade zu Theil geworden ist.

Num. 1.

(Zu Seite 24.)

In der Literaturgeschichte sind folgende neue, seit der sechsten Auflage oder doch unmittelbar vorher erschienene Schriften über den Besitz nachzutragen:


(544) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

79. Löbenstern, über den Verlust des Besitzes durch Stellvertreter. (Zeitschr. für Civilrecht und Process. Bd. IX. (1836.) Num. XIII. S. 388-400.)

80. Friedrich Wilhelm v. Tigerström, die bonae fidei possessio oder das Recht des Besitzes. Eine civilist. Abhandlung. Berlin 1836. VIII und 364 Seiten 8°.

Durchaus originell, aber auch durchaus verfehlt. Vergl. unten: Zusatz zu §. 6. und die Recension von Sintenis: Allg. Lit.-Zeitung 1830. Num. 118. S. 337-344.

81. Warnkönig, über possessio civilis. Archiv für civilistische Praxis, Bd. XXV. (1837.) Heft 2. Num. 7. p. 178-187.

„Vertheidigung der Thibaut’schen Ansicht, geschrieben vor der 6. Ausgabe.“ – (Handschriftl. Bemerkung des Verf.)

82. Die sechste Auflage des gegenwärtigen Buches. Giessen bei Heyer, 1837. LXXII und 688 Seiten 8°.

Uebersetzungen:

Il diritto del possesso. Trattato civile del Sig. Dott. Cav. Federico Carlo di Savigny. Tradotto in Italiano dall’ Avv. Pietro Conticini, Prof. d’istituzioni civili nella I. E. R. università die Siena. Firenze 1839. LXII und 552 Seiten 8°.

Traité de la possession d’après les principes du droit Romain par M. Fr. Ch. de Savigny. Traduit de l’Allemand sur la 6ème édition. Par Jules Beving, Avocat. Bruxelles 1840. III und 463 Seiten 8°.

„Ganz schlecht.“ (Handschr. Bemerk. des Verf.)

Traité de la possession en droit Romain par M. F. C. de Savigny … Traduit de l’Allemand sur la dernière édition par Ch. Faivre d’Audelange, Docteur en droit, Avocat à la Cour Royale de Paris. Les premières pages, surtout à partir de la 33°, ont


(545) Einleitung.

été revues par M. Valette, Prof. à la faculté de droit de Paris. Paris 1841. XXVIII und 612 Seiten 8°.

„Sehr schlecht. Proben davon in der Allg. Zeitung vom 1. April 1840. Beilage Nr. 92.“ (Handschr. Bem. des Verf.)

von Savigny’s Treatise of the Jus Possessionis of the Civil Law. Sixth Edition. Translated from the German by Sir Erskine Perry, Chief Justice of the supreme court at Bombay. London 1848. XVI und 432 Seiten 8°.

Anzeigen und Recensionen:

Hugo in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, 133. Stück, den 21. August 1837, S. 1323-1327.

Kurze Anzeige mit einigen bloss äusserlichen Berichtigungen.

Puchta in Richter’s krit. Jahrb. 1837. S. 669 bis 690.

Die Ausstellungen betreffen hauptsächlich Natur und Geschichte des Besitzes, sowie den abgeleiteten Besitz, welcher bei dem Precarium geläugnet wird.

Bethmann-Hollweg, Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik. Februar 1838. Nr. 34. 35. 36. Col. 266-288.

Enthält eine Anzahl vortrefflicher Bemerkungen, von denen bei der vorliegenden Ausgabe vielfach Gebrauch gemacht ist.

83. Theodor Maroschkin über den Besitz nach den Grundsätzen der Russischen Gesetzgebung. Moskwa 1837. VI und 237 Seiten 8°. Recensionen: 1. von Stöckhardt in Richter’s Jahrb. 1840. S. 76. 77. 2. von Alex. von Reutz in der Krit. Zeitschr. für Rechtswissenschaft des Auslandes 1840. Num. IV. S. 57-83. Num. XII. S. 185-216.

Eine wegen des achtbaren wissenschaftlichen Strebens und der fleissigen Benutzung der deutschen Literatur in den beiden allgemeinern Abschnitten 1. und 3. der Beachtung nicht unwerthe


(546) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Inauguralabhandlung in russischer Sprache. Sie ist hier in dem sehr speciellen Auszug benutzt worden, welcher der Recension von Reutz beigegeben ist.

84. Warnkönig, über das Interdictum utrubi bei Schenkungen beweglicher Sachen gegen die Lex Cincia: Archiv für civ. Praxis XX. (1837.) S. 421-426.

Vergl. Anhang Num. 146.

85. Th. A. Ludwig Schmidt, über das possessorische Klagerecht des juristischen Besitzers gegen seinen Repräsentanten. Eine Probeschrift. Giessen 1838. 84 Seiten 8°. (Vergl. Richter’s Jahrb. 1839. S. 461. und Rec. von Rudorff, daselbst 1840. S. 1-6.)

86. Derselbe: Noch einige Bemerkungen über das possessorische Klagerecht des juristischen Besitzers gegen seinen Repräsentanten, zugleich als Beitrag zu der Lehre von Besitzverträgen. (Zeitschrift für Civilrecht und Process Bd. XIV. Heft 1. Num. 3. S. 43-92.) Vergl. Richter’s Jahrb. 1840. S. 369.

Beide Schriften unreif und verkehrt.

87. H. L. Ordolff, Bemerkungen zur Lehre vom animus possidendi. München 1838, 43 Seiten 8°. Vergl. Richter’s Jahrb. 1838, S. 842. 843.)

Der Verf. dieser ebenfalls völlig unreifen Inauguralabhandlung confundirt in der naivsten jugendlichen Unbefangenheit den animus possidendi mit der Behauptung, dass man Eigenthümer sei.

88. Carou, Principes ou Traité theorique et pratique des Actions possessoires. Paris 1838. Vgl. Anzeige von Rauter in Mittermaier’s und Zachariä’s Kritischer Zeitschrift. 12. (1840.) S. 134-140.

In Frankreich war am 25. Mai 1838 ein neues, von dem Generalsecretair des Justizministeriums, Renouard, entworfenes Gesetz über die Friedensrichter erlassen worden. Zur Competenz derselben gehören schon nach dem Gesetz vom


(547) Einleitung.

24. August 1790 (Art. 10) die possessorischen Klagen (actiones possessoires), während das Summariissimum (recréance, die alte recredentia) vor dem Präsidenten des ordentlichen Gerichts eingebracht werden kann. Das neue Gesetz bezeichnete (im Art. 6) die Besitzklagen wieder mit den alten Ausdrücken complainte, wenn auch ohne den alten Zusatz en cas de saisine et nouvelleté, réintegrande und denonciation de nouvel oeuvre. Es entstand daher die Frage: ob durch das neue Gesetz das alte Recht der Ordonnanz von 1667 wieder hergestellt sei, vorausgesetzt nämlich, dass dieses als durch das Gesetz über die Friedensgerichte von 1790 und durch die Processordnung (Art. 23-27) überhaupt als aufgehoben angesehen werden konnte (Bruns S. 367. 445. f.). Diese Frage hat in Frankreich eine Reihe theils gründlicher historischer Untersuchungen, theils unwissenschaftlicher aber nicht ungeschickter praktischer Darstellungen hervorgerufen, und zu den letztern gehört auch die des Richters Carou.

89. Eduard Gans, über die Grundlage des Besitzes. Eine Duplik. Berlin 1839. 64 Seiten 8°.

Vgl. Rec. von Puchta in Richter’s Jahrb. 1839. S. 283-291. Anzeige (von Rudorff) in der Literarischen Zeitung 1839. Nr. 3. Gegenschrift: Koeppe S. 79-86.

Gans’ Kritik gegen Herrn von Savigny, die Grundlage des Besitzes betreffend, erörtert von Friedrich Schaaff, Stud. der Rechte zu Berlin. Berlin 1839. 35 Seiten 8°. Recension von Huschke in Richter’s Jahrbüchern, 1839. S. 292-308. Gegenbemerkung bei Koeppe S. 2.

Zur Lehre vom Besitz. Eine Abhandlung von A. Koeppe, Stud. jur. 1839. 86 Seiten 8°. Enthält: 1. „Das Wesen des Besitzes im Sinne der (Hegel’schen) Philosophie, “ S. 10-18.; 2. „Schein in der Theorie des Besitzes, “ S. 19. f.; 3. „Wesen und Schein im Besitze“ , d. h. eine Besitztheorie in 30 Paragraphen, „wie sie ihrem Wesen nach als allein richtig angesehen werden muss“ , S. 45-79.; 4. Gegenbemerkungen gegen Rudorff, S. 79-86.

Vgl. Zusatz der 7. Ausg. zu §. 6. unten Num. 19.

Dorguth über den Besitz aus dem Standpuncte des Idealismus wie des Realismus, mit Rückblick auf die Gans’sche Kritik der v. Savigny’schen Besitzlehre. (Centralblatt für Preussische Juristen 1839. Nr. 12. S. 274-284. Vgl. Richter’s Jahrb. 1839. S. 451. 452.)


(548) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

90. G. F. Puchta, de civili possessione disputatio. Lipsiae 1839, wieder abgedruckt in den Kleinen civilistischen Schriften, gesammelt und herausgegeben von Rudorff. Leipzig 1851. Nr. 25. Auszug in Richter’s Jahrb. 1839. S. 926. 927.

91. Derselbe, „Besitz“ , ebendaselbst (1839.) Nr. 26. S. 408-455. und in Weiske’s Rechtslexikon II. S. 41. f.

92. Ludwig Duncker, Geht der vom Erblasser ausgeübt Besitz durch die Erbschaftsantretung auf den Erben über? (Zeitschrift für Civilrecht und Process XII. (1839.) Num. 3. S. 105-125.) Auszug in Richter’s Jahrb. 1839. S. 86.

Eine gediegene Abhandlung, theilweise (S. 116-125) gegen Pfeiffer (prakt. Ausführungen I. Nr. 15. 1825) gerichtet, welcher den Uebergang des rechtlichen Besitzes behauptet und nur den des natürlichen geleugnet hatte.

93. Derselbe, über den Quasibesitz der auf Grund und Boden radicirten eigenthümlich deutschen Rechte und den possessorischen Schutz derselben. (Reyscher und Wilda Zeitschrift für deutsches Recht II. (1839.) S. 26-114.) Vgl. Richter’s Jahrb. 1840. S. 822. Bruns, Besitz. S. 329. Note 1.

94. v. Tigerström, Rechtsgrund der possessorischen Interdicte, im Archiv für die civilistische Praxis Bd. 22. (1839.) Heft 1. Nr. 3. S. 31-46. (Auszug in Richter’s Jahrb. 1839. S. 448. 449.)

Diese Ausführung: dass die Interdicte den „Eigenthümer“ einstweilen in seinem Besitze schützen sollen, also provisorische Vindicationen sind (S. 38.), hatte schon ehe sie erschien, im §. 36. des vorliegenden Buches, oben S. 391-396. ihre Erledigung gefunden.

95. Heerwart, zur Lehre von der quasi possessio und den damit verbundenen possessorischen Rechtsmitteln. (Zeitschrift für Civilrecht und Process XII. (1839.)


(549) Einleitung.

Num. VI. und IX. S. 143-212. 283. 325.) Auszug in Richter’s Jahrb. 1839. S. 271.

Die Schrift enthält den verdienstlichen Versuch, für die Reallasten und andere im Römischen Recht nicht genannte Rechte eine bestimmtere Theorie des Rechtsbesitzes aufzustellen: und zwar auf Grund des Römischen, nicht des canonischen Rechts.

96. Geiger, Beitrag zur Lehre vom interdictum unde vi und dem remedium spolii. (Zeitschrift für Civilrecht und Process XIII. (1839.) Num. X. S. 238-290.) Auszug in Richter’s Jahrb. 1839. S. 1032. 1033.

Vertheidigung der Spolienklage in weitester Ausdehnung.

97. C. F. Koch, die Lehre vom Besitz nach preussischem Rechte, mit Rücksicht auf das gemeine Recht und die Materialien des allgemeinen Landrechts dargestellt. Zweite, ganz umgearbeitete und sehr vermehrte Ausgabe. Breslau 1839. X und 302 Seiten 8°. (Vgl. oben S. 23. Nr. 58.)

Enthält für das Römische und gemeine deutsche Recht keine eigenen Untersuchungen, auch in der Anordnung ist der Verf. ganz dem vorliegenden Werke gefolgt.

98. K. Pfeifer, was ist und gilt im Röm. Rechte der Besitz? Eine Abhandlung, gerichtet gegen die v. Savigny’sche Doctrin über das Recht des Besitzes. Tübingen 1840. XX und 150 Seiten 8°.

„Es scheint“ , sagt der Verf. S. 3., „die Theorie Savigny’s auch bei uns allmählich eine allgemeine Anerkennung durch den Gerichtsgebrauch erhalten zu wollen. Dennoch ist sie nach meiner Ueberzeugung eine der unrichtigsten, die je aufgetaucht sind, und diese Ueberzeugung zu verbreiten und dadurch der Geltendwerdung der Savigny’schen Theorie bei den Gerichten zu steuern, ist der Zweck des vorliegenden Schriftchens.“ Gleichwohl scheint der Verf. es nicht der Mühe werth gehalten zu haben, die 6. Auflage zu Rathe zu ziehen, obgleich dieselbe schon drei Jahre vor seiner Schrift erschienen war und er in ihr einen erheblichen Theil seiner


(550) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Behauptungen widerlegt gefunden haben würde, noch ehe sie aufgestellt waren. Er hielt es vielmehr „für’s Passendste“ , seine eigene Theorie „in Verbindung mit einer Darstellung der Unrichtigkeit der Savigny’schen in’s Publicum einzuführen“ (S. 148.). – Man bewundert allerdings die Unerschrockenheit oder Unschuld eines Schriftstellers, der ohne jede Furcht vor dem Vorwurf der Eitelkeit mit solcher Sicherheit aufzutreten wagt. Allein es reicht nicht aus, mit dem Rec. in der Allg. Lit.-Zeit. 1842 Nr. 98-100 nur „die zügellose ja unverschämte Schreibart“ zu rügen, es bleibt vielmehr in der That nichts Anderes übrig, als bei jedem der sechs Angriffspuncte einzeln nachzuweisen, dass nichts dahinter ist.

99. Darstellung der Lehre vom Besitz als Kritik des v. Savigny’schen Buches: „Das Recht des Besitzes. Sechste verbesserte Auflage“ , von einem preuss. Juristen. Inhalt: 1. Einleitung; 2. Umriss zu einer philosophisch-historischen Darstellung der Lehre vom Besitz; 3. besondere Beurtheilung der v. Savigny’schen Abhandlung über das Recht des Besitzes mit Rücksicht auf Gans’ Duplik: „Ueber die Grundlage des Besitzes“ . Berlin (Rücker und Püchler), 1840. 122 Seiten 8°. (Recension in Richter’s Jahrb. 1840. S. 406-409.)

Der Verfasser kennt und duldet für die Rechtswissenschaft durchaus keinen andern als den landrechtlichen Standpunct. Er verlangt daher in einem und demselben Werke eine gleichmässige Behandlung des römischen, germanischen, canonischen, preussischen Besitzrechts, für welche im zweiten Abschnitt das Muster aufgestellt wird. Die Erforschung des unverfälschten röm. Rechts hat nur für „die ehemaligen Römer“ eine juristische, für uns dagegen einzig eine philologisch-antiquarische Bedeutung, wonach „wir“ denn die „v. Savigny’sche Abhandlung über den Besitz – und damit die schönste Frucht seiner – Bestrebungen als innerlich faul erwiesen haben“ (S. 46. 108. 122.).

Wenn dieser namenlose Kritiker nicht eben Alles erreicht, was er erstrebt, so ist es jedenfalls nicht allzu grosser Mangel an Selbstvertrauen oder übertriebene Vertiefung in das Recht der „ehemaligen Römer, “ was die Schuld trägt: nach S. 17. waren z. B. res mancipi und nec mancipi „Suchen, welche nur


(551) Einleitung.

von Römern, und solche, die auch von Andern erworben werden konnten“ , „ein einseitiger Erwerb von Grundstücken von Seiten der Privatpersonen kam (bei den Römern) gar nicht vor“ (S. 87.) u. dgl. m.

100. Thibaut, Nachträge zu seiner Abhandlung über possessio civilis im Archiv für civ. Praxis XVIII. Num. XIII. (Daselbst XXIII. (1840.), S. 167-188.)

Nach dem Nachworte von Mittermaier (S. 188.) Thibaut’s letzte juristische Schrift, acht Tage vor seinem Tode beendigt. Vergl. Anhang §. 7.

101. A. F. v. d. Hagen, über den, nach L. 15. §. 4. de precario stattfindenden Besitz des precario rogans und des rogatus. Ein civilistischer Versuch. Hamm 1840. IV und 36 Seiten 8°.

Eine scharfsinnige und werthvolle kleine Schrift, die das Verständniss des doppelten und abgeleiteten Besitzes nicht unwesentlich gefördert hat. Vergl. Anhang §. 11. Num. 48. und §. 23. Num. 89.

102. Georg Eduard Schmidt, das Commodatum und Precarium. Eine Revision der Grundlagen beider. Leipzig 1841. 212 Seiten 8°. (Rec. von Adolf Schmidt in Richter’s krit. Jahrb. 1843. S. 769-793.)

Die Schrift ist zum Theil gegen v. d. Hagen gerichtet (§. 4. 5.), enthält jedoch statt einer erschöpfenden Behandlung des Int. de precario, die man erwarten durfte, eine sehr entbehrliche, aber nun einmal unvermeidliche Erörterung des animus domini (§. 2.).

103. Ludwig Höpfner, die Besitzrechtsmittel und Besitzprocesse des heutigen gemeinen und des kön. sächs. Rechts. Leipzig 1841. VIII und 168 Seiten 8°. (Rec.: 1. in der Allg. Lit.-Zeit. 1842. Jan. Ergänzungsblatt Nr. 7. 8. S. 56-64.; 2. von Wetzell in Richter’s Jahrb. 1844. S. 599-604.)

Der Verf. beabsichtigt mittels dieses Büchleins „für die Emancipation des teutschen Rechts, der teutschen Nationalität


(552) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

und der Philosophie des Rechts zu wirken von der Gewalt der romanisirenden Jurisprudenz“ (S. VII.). „Wir erwarten auch ruhig die Verdammung der Gegner, welche in der jüngsten Zeit, zumal seit Gans’ Tode, ihre Lehre mit einem starren Feuereifer verfochten haben, wie er nur bei den Anhängern des sogenannten Altlutheranismus wieder gefunden wird“ (S. 5.). – Ob der erstgenannte Recensent dieser Confession angehörte, indem er die Ueberzeugung aussprach, „dass dieses Buch eben so sehr im Interesse des Verfassers wie der Wissenschaft besser ungeschrieben geblieben wäre“ , muss freilich dahin gestellt bleiben. Die eigene Emancipation von dem Röm. Recht aber ist wenigstens dem Verf. vollständig gelungen, denn auch da, wo er dasselbe nur als Belag anführt, hat er es gründlich missverstanden. Vgl. Anhang §. 23. 30.

104. Schaffrath, Praktische Abhandlungen aus dem heutigen Römischen Privat-Rechte und dem gemeinen Teutschen Civil-Processe mit Entscheidungen höherer Behörden. Bautzen (Vorrede: März 1841.) Num. XXX. S. 225-238. „Ueber das Wesen und die Erwerbung der blossen körperlichen Innehabung (Detention). Ein Rechtsfall. Vorher: metaphysische Erklärung des Wesens der gesammten Gattungen von Rechten, insbesondere der Innehabung, des Besitzes und Eigenthums.“

105. T. Brackenhoeft, über die drei vitia possessionis. (Archiv für civ. Praxis Bd. XXIV. (1841.) S. 197-468.) – Anzeige in Richter’s Jahrb. 6. (1842.) Seite 661.

106. Windscheid, über den Besitz an Theilen. (Sell’s Jahrbücher für histor. und dogm. Bearbeitung des Röm. Rechts. I. (1841.) Num. 12.)

107. Sintenis, von der processualischen Natur der Besitzmängel. (Sell’s Jahrb. I. (1841.) I. S. 439-448.) Vgl. Richter’s Jahrb. 1843. S. 956.

108. Keller, über die deductio quae moribus fit und das interdictum uti possidetis. (Zeitschrift für geschichtliche


(553) Einleitung.

Rechtswissenschaft Bd. XI. Num. 9. (1842.) S. 287-332.) Vgl. Richter’s Jahrb. 1844. S. 275.

109. Rudorff, Bemerkungen über das Interdictum uti possidetis. (Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft. XI. (1842.) Num. 10 S. 332-361.)

110. Rudolph Ihering, de hereditate possidente. Berolini 1842. IV und 40 Seiten 8°. (Vergl. Richter’s Jahrb. 1844. S. 852. 853.)

Eine durch Scharfsinn und Gründlichkeit hervorragende Inauguraldissertation: nur mit unrichtigem Endresultat. Vergleiche Anhang §. 5.

111. Madai, Beitrag zur Erklärung der L. 30. §. 1. D. de usurpat. et usucap. (41, 3.). Archiv für civ. Praxis, XXV. Num. X. (1842.) S. 313-322.

112. August Denzinger, die Accessio possessionis nach dem römischen und canonischen Rechte. (Gekrönte Preisschrift.) Würzburg 1842. 160 Seiten 8°. (Richter’s Jahrb. 1842. S. 944. f. 1836. S. 762. Heidelb. Jahrb. 1844. Nr. 33. S. 523-528.)

Nach dem eigenen Geständnisse S. 73. ohne Princip.

113. Rudorff, Beitrag zur Geschichte der Superficies. (Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft. XI. 1842. Num. 7.)

114. Belime, Traité du Droit de possession et des Actions possessoires. 1842. (Vgl. oben zu Num. 88.)

115. Curasson, Traité des Actions possessoires et du Bornage. 1842. (Vgl. oben zu Num. 88.)

116. Georg Eduard Schmidt, über den Willen und die Grenzen der Thätigkeit des Besitzers. (Zeitschrift für Civilrecht und Process. Bd. 20. (1844.) S. 112-125.)

Der animus possidendi noch einmal und sogar von demselben Verfasser. (Vgl. oben Num. 102.)


(554) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

117. Binding, über Besitz und Verjährung verbundener Sachen. (Archiv für civ. Praxis, XXVII. (1844.) Num. IX. S. 216-239. Num. XV. S. 360-388.)

118. B. W. Pfeiffer, über die zum Schutze der Fussweg-, Trift- und Fahrgerechtigkeiten zuständigen possessorischen Rechtsmittel (in den praktischen Ausführungen Bd. VII. (1844.) Num. 12.).

Sorgfältiger Bericht über die neuere Literatur und die Rechtsprechung des Oberappellationsgerichts zu Cassel in Betreff der quasipossessorischen Rechtsmittel überhaupt und bei Wegegerechtigkeiten Im Besondern.

119. Cremieu, Des Actions possessoires en droit romain et en droit français, Paris 1846. (Vergl. oben zu Num. 88.)

120. Aug. Sigm. Kori, über den natürlichen Besitz und einige dabei eintretende Rechtsfragen. (Archiv für civ. Praxis. XXIX. Nr. 13. 1846. S. 407-428.)

Gehört gar nicht in die Lehre vom juristischen Besitz, da der Verf. nur die für das praktische Leben nothwendigen Grundsätze über den Besitz ohne animus rem sibi habendi zusammenstellen will.

121. Carl Bulling, das Precarium, eine römischrechtliche Abhandlung. Leipzig 1846. IV u. 80 Seiten 8°. (Vgl. Adolph Schmidt in: Neue Jenaische Allg. Lit.-Zeit. 1845. Num. 295. 296. S. 1179-1183. Richter’s Jahrb. 1846. S. 761.)

122. Pape, über den Besitz zusammengesetzter Sachen. (Zeitschrift für Civilrecht und Process. Neue Folge IV. (1847.) Nr. 6. S. 211-251.)

123. P. X. P. Garnier, Traité de la possession et des Actions possessoires et petitoires. Troisième édition. 1847. 1853. 2 Vol. 8°.

Der erste Band (496 Seiten), welcher allein hierher gehört, stellt den Besitz und die Besitzklagen in ihrer gerichtlichen Anwendung in Frankreich dar. Vgl. oben zu Num. 88.


(555) Einleitung.

124. Carl Georg Bruns, das Recht des Besitzes im Mittelalter und in der Gegenwart. Tübingen 1848. XII und 507 Seiten 8°. Vergl. die Recensionen: 1. von Rosshirt in den Heidelb. Jahrb. 1848. Nr. 51. S. 801 bis 806.; 2. von Rudorff in der Hall. Allg. Lit.-Zeitg. Januar 1849. Nr. 4-8. Col. 25-64.

Dieses Werk enthält eine mit legislativen Vorschlägen begleitete Literatur- und Dogmengeschichte der possessorischen Rechtsmittel: die übrigen Theile der Besitztheorie bleiben ausgeschlossen und der entsprechendere Titel würde daher „Das Recht des Besitzschutzes“ gewesen sein. Sieben unter den acht Abschnitten stellen die Umbildung der römischen Schutzmittel von den Glossatoren bis auf die neuern Civilgesetzgebungen geschichtlich dar. „Das Resultat“ , heisst es S. 462., „kann in der That kaum anders als trostlos bezeichnet werden. Gesetzgebung, Wissenschaft und Praxis bieten eine Zerfahrenheit und Zerrissenheit der Ansichten in den Grundprincipien, wie in den Consequenzen dar, dass man in der That rath- und hülflos vor der wirren Masse dasteht und sich zweifelnd fragt, ob denn wirklich diesem Chaos von Bestimmungen eine an sich vernünftige und erkennbare Idee zum Grunde liegt, oder ob nicht Alles rein nur ein Spiel des Zufalls und der Willkühr sei … Somit bleibt hier wohl nichts Anderes übrig, als dass die Rechtsgeschichte ihre Schwäche eingesteht, ihre viel verachtete und angefeindete Schwester, die Rechtsphilosophie, zu Hülfe ruft, ihr die eigentliche Entscheidung überträgt und ihr dabei nur mit gutem Rathe aus dem Schatze ihrer Erfahrung an die Hand geht.“ Die legislativen Vorschläge des achten Abschnitts zur Herstellung eines gemeinen deutschen Besitzrechts durch die Reichsgesetzgebung lassen jedoch durchblicken, dass der Verf. trotz aller Verbildungen im Einzelnen, wenigstens in dem allgemeinen Gange der Rechtsentwicklung, von der mittelalterlichen Gewere und Spolienklage zum Römischen Besitzrecht einen Fortschritt anerkennt.

125. August Denzinger, zur Lehre vom Besitzerwerb der Kinder nach Römischem Rechte. (Archiv für civilist. Praxis XXXI. (1848.) Num. 7. S. 268-289. Num. 13. S. 425-440.) Vgl. Anhang Num. 76. 77.


(556) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

126. W. Stephan, zur Lehre von der Ersitzung. (Archiv für die civil. Praxis XXXI. (1848.) Num. 10. Abschnitt II. Zur L. 30. §. 1. D. de usurpationibus et usucapionibus (41, 3) S. 373-388.)

127. v. Zielonacki, Kritische Erörterungen über die Servitutenlehre, mit einem Anhange über das interdictum uti possidetis. 1849.

128. Alauzet, Histoire de la Possession et des Actions possessoires en droit français. 1849. 1 Vol. 8°. (Vgl. oben zu Num. 88.)

129. De Parieu, Etudes historiques et critiques sur les Actions possessoires. 1850. (Vgl. Num. 88.)

Beide Schriften (Nr. 128. und 129.) enthalten sehr gründliche Untersuchungen über die saisine und Besitzklagen des altfranzösischen Rechts.

130. Adolf Schmidt, die interdicta de cloacis. (Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft, XV. (1850.) Num. 3. S. 51-89.)

131. J. P. Molitor, la possession, la revendication, la Publicienne et les servitudes en droit Romain avec les rapports entre la législation Romaine et le droit français; cours professé a l’université de Gand et publié sur les manuscrits de l’auteur, après sa mort. Gand (Hebbelynck), 1851. 509 Seiten 8°.

Ein Theil des cours de droit Romain approfondi, welchen der Verf. an der Genter Hochschule gehalten hatte. Der Besitz nach römischem Recht steht S. 1-154., woran das französische Recht des Besitzes und der Besitzklagen (complainte, réintégrande, dénonciation de nouvel oeuvre) S. 155-252. sich unmittelbar anschliesst. Ausgangspunct ist eine Kritik des vorliegenden Buchs.

132. Miroy, Théorie des Actions possessoires. 1 Vol. 8°. 1853. (Vgl. Num. 88.)


(557) Einleitung.

133. Karl Adolf Schmidt, das Interdictenverfahren der Römer. In geschichtl. Entwicklung. Leipzig 1853. IV und 349 Seiten 8°.

Hierher gehören besonders Seite 32-47., 49-72., 95-116.

134. Bremer, Beiträge zu der Lehre vom Besitzerwerbe durch einen Stellvertreter (Zeitschrift für Civilrecht und Process. Neue Folge XI. (1854.) Num. VII. S. 211-267.). I. Ist zum Besitzerwerbe durch einen Procurator ein specieller Auftrag nothwendig, oder kann auch in Folge eines allgemeineren Auftrages und selbst durch einen procurator omnium bonorum eine possessio ignorantis erworben werden? (S. 211-236.) II. Wie ist bei dem Besitzerwerb durch freie Stellvertreter die Absicht des Apprehendenten, für den Vertretenen zu erwerben, zu ermitteln? (S. 236-249.) III. Zum Besitzerwerbe durch freie Stellvertreter ist immer, auch in dem Falle einer Tradition, in der Person des Stellvertreters der animus, für den Vertretenen zu erwerben, erforderlich. (S. 249-266.)

135. v. Zielonacki, der Besitz nach dem Röm. Rechte. Hie und da mit Berücksichtigung der neueren Gesetzbücher. Berlin 1854. 192 Seiten 8°.

Diese Schrift ist veranlasst durch die Klage von Bruns über die Zerfahrenheit des heutigen Besitzrechts. Der Verf. hofft „manchen dunkeln Punct der Besitzlehre aufzuhellen und manche bekannte Ansicht genauer zu begründen.“ Bei der Berücksichtigung der neuern Gesetzbücher leitete ihn der Gedanke, „dass das Studium des Römischen Rechts zu einer philosophischen Anschauung der Begriffe führen soll, die einen sichern Massstab bei ihrer Beurteilung liefert.“ – Als compendiöse Uebersicht der gangbarsten neuern Ansichten ist die kleine Schrift nicht unbrauchbar.

136. Schirmer, über den Verlust des Besitzes deponirter und vom Depositar veruntreuter Sachen. (Zeitschrift für Civilrecht und Process. Neue Folge XI. (1854.) Num. XII. S. 397-476.)


(558) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

137. Valentin Smith, de la possession annale suivie d’un compterendu des Études historiques et critiques des actions possessoires. Lyon 1854. 86 Seiten 8°. Rec. von Anschütz in der Krit. Zeitschrift für Rechtswissenschaft des Auslandes. XXVII. Num. XIII. Seite 278. 279.

Sehr unbefriedigend. Die Herkunft des Annalbesitzes aus der Gewere, die längst ausgemacht ist, wird ignorirt und die Hauptfrage, die Entstehung des petitorischen Charakters der Besitzklagen (Bruns §. 42. 50.) bleibt unbeantwortet.

138. Bonif. Corn. de Jonge, over de possessoire Actiën van het oud-hollandsch regt, in verband met die van het burgerlyk wetboek. Leydener Inauguraldissertation. 1857. 180 Seiten 8°.

Der niederländische Civilcodex von 1838 entlehnt seine zehn Realrechte, zu denen er auch den Besitz zählt, theils dem römischen, theils dem altholländischen, also einem Zweige des deutschen Rechts (Königswarter in der Krit. Zeitschrift für Rechtswiss. des Auslandes 1840. Num. XIII. S. 216-223.). Diese Grundlagen werden vom Vrf. fleissig und sorgfältig erörtert.

139. J. Th. Schirmer, der Besitzerwerb durch einen procurator omnium bonorum. (Zeitschrift für Civilrecht und Process. Neue Folge XIV. (1857.) Num. III. S. 167-197.)

Gegen die erste der drei Abhandlungen von Bremer gerichtet.

140. Berthold Delbrück, die dingliche Klage des deutschen Rechts. Geschichtlich und für den heutigen Gebrauch dargestellt. Leipzig 1857. XII und 340 Seiten 8°. – Recensionen: 1. Bluntschli in der Münchener krit. Ueberschau Bd. 6. S. 189. f.; 2. Sintenis in den Blättern für Rechtspflege in Thüringen, Bd. 5. S. 182. f.; 3. in Zarncke’s lit. Centralblatt, 1858. S. 253. – Gegenschrift: Bruns in Bekker’s Jahrb. IV. Num. 1. (1860.) – Vollständige Wiederholung: Heimbach im Artikel „Vindication“ in Weiske’s Rechtslexicon, Bd. 13. S. 105. f.


(559) Einleitung.

141. Louis Alexandre Désiré Beauvois, de la possession en droit romain principalement en matière immobilière, des interdits uti possidetis et unde vi. De la possession en droit français. Paris 1858. 500 Seiten 8°.

Von diesen 500 Seiten kommen freilich nur 223 auf das Römische Recht, es verdient aber anerkannt zu werden, wie viel glimpflicher die französischen und belgischen Besitzschriftsteller mit dem Römischen Recht umgehen, als unsere deutschen Praktiker.

142. Maassen, das Interdictum uti possidetis und die Decretale Licet causam c. 9. X. de probationibus. (Jahrbuch des gem. deutschen Rechts von Bekker und Muther, II. (1858.) Num. 13. S. 443-474.)

143. Rosshirt, von dem possessorischen Processe. (Zeitschrift für Civilrecht und Process. Neue Folge XVI. (1859.) Num. VII. S. 199-234.)

„Es gilt in dieser Arbeit einer etwas sicherern Darstellung als derjenigen, die in seiner, des Verfassers Arbeit im VIII. Bande des Archivs über quasi possessio liegt“ (S. 201.).

144. Alois Brinz, Possessionis traditio. (Bekker und Muther, Jahrb. des gemein. deutschen Rechts. III. (1859.) Num. 2. S. 16-57.)

Vergl. Zusatz zu §. 5. am Ende.

145. Maassen, zur Dogmengeschichte der Spolienklage. (Jahrb. des gemein. deutschen Rechts von Bekker und Muther, III. (1859.) Num. 8. S. 227-246.)

146. Bremer, Besitzerwerb durch einen procurator omnium bonorum. (Zeitschrift für Civilrecht und Process. Neue Folge, XVII. (1860.) Num. VIII. S. 193-226.)

Replik gegen Schirmer (oben Nr. 139.)

147. Oswald v. Schmidt, über den Begriff des Besitzes nach Röm. Rechte. Dorpat 1860. 61 Seiten 8°.

Vergl. Anhang §. 1. und §. 6.


(560) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

148. Gustav Lenz, das Recht des Besitzes und seine Grundlagen. Zur Einleitung in die Wissenschaft des Röm. Rechts. Berlin 1860. XVI und 303 Seiten 8°.

Diese der juristischen Jugend gewidmete Schrift, deren Uebersetzung in die neuern Sprachen vorbehalten ist, beabsichtigt nichts Geringeres als „eine Revolution auf dem Gebiete des Privatrechts“ und „eine Umkehr der Wissenschaft.“ Das überaus einfache Mittel zu diesem Zweck besteht in der ausschliesslichen Zurückführung der Rechtswissenschaft auf die Dogmatik des Römischen Rechts. Als Einleitung dienen vorläufig drei Abhandlungen, deren dritte (S. 77-303.) die Lehre vom Erwerb und Verlust des Besitzes mit Ausschluss der Stellvertretung behandelt.

149. Bruns, der ältere Besitz und das possessorium ordinarium. (Jahrbuch des gem. deutschen Rechts von Bekker und Muther, Bd. IV. 1860. Num. 1. S. 1-119.)

Gegenschrift gegen Dellbrück oben Num. 140.

150. Emmerich, Beitrag zur Lehre vom Besitz des Superficiars. (Zeitschrift für Civilrecht und Process. Neue Folge. Bd. XVII. (1860.) Num. 1. S. 12-18.)

Vergl. §. 23. 47.

151. Herm. Witte, Gewährt nach Röm. Recht die mit animus rem sibi habendi verbundene thatsächliche Herrschaft über eine Sache in allen Fällen den Schutz durch Interdicte? (Zeitschrift für Civilrecht und Process. Neue Folge. XVIII. (1861.) Num. XV. S. 234-301.)

Vergl. Anhang §. 5. und §. 11.

152. M. Levy, Einige Bemerkungen über die usucapio pro herede. (Zeitschrift für Civilrecht und Process. Neue Folge. XIX. (1862.) Num. XIII. S. 347-371.)

153. Hermann Witte, das Interdictum uti possidetis als Grundlage des heutigen possessorium ordinarium. Leipzig 1863. VI und 151 Seiten 8°. (Recension von Adolf Schmidt. Heidelb. Jahrb. 1863. Nr. 44. S. 689-694. – Kurze Anzeigen: 1. in Zarncke’s Lit. Centralblatt 1864.


(561) Einleitung.

Num. 3. S. 65. 66.; 2. in der Revue historique de droit français et étranger. Neuvième année p. 558-561., letztere von Alphonse Rivier, Professeur en droit à l’Université de Berne.)

Zusammenfassende Darstellung des Interdictverfahrens in seinem Uebergange aus dem classischen in das nachclassische Recht.

154. Dr. J. Baron, Abhandlungen aus dem Preussischen Recht. Berlin 1860.

Hierher gehört die erste Abhandlung „Erklärung des Allg. L. R. I. 7. §. 96. sqq. 122-131. (Aus einer academischen Habilitationsschrift)“ S. 2-47. Der Verf. untersucht, wie die Römische Detention von der „Gewahrsam“ des „Inhabers“ , an welche das Landrecht den Besitzschutz knüpft und diese wieder vom „Besitz“ des Preussischen Rechts unterschieden sei. Diese Untersuchung führt ihn auf den Beweis des Besitzes, den abgeleiteten Besitz und das Summariissimum des Detentors. Insofern hat die Abhandlung ein nicht bloss landrechtliches Interesse. (Vgl. Num. 128 a.)

155. Derselbe: die Gesamtrechtsverhältnisse im Röm. Recht. Marburg und Leipzig 1864. 536 Seiten 8°.

Der zweite Abschnitt „Gesammtbesitz“ S. 85-127. erörtert die Fragen: 1. Was lehren die Quellen über den Besitz Mehrerer ohne intellectuelle Theilung? 2. Kennt das R. R. einen Gesammtbesitz? (Vergl. Num. 48. 85. 110.)

156. Derselbe: Zur Lehre vom Erwerb und Verlust des Besitzes. (Jhering’s Jahrb. VII. (1864.) Num. 3. S. 38-165.)

Der erste §. „Die Theorie von Lenz“  ist gegen die spiritualistische Verzeichnung des Besitzbegriffes gerichtet, welche die legale und herkömmliche Ordnung von Corpus und Animus (L. 1. pr. L. 3. §. 3. D. de poss. 41., 2.) nicht nur (nach Kierulff’s Vorgang) umstellt, sondern das Corpus geradezu in den Animus auflöst. – Die Ausstellungen des Verf. gegen diese Theorie sind wohl begründet.

Anders verhält es sich mit §. 2. ff.: „Meine praktische Differenz von Savigny“ , unter welcher Ueberschrift eine abweichende


(562) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Meinung des Verf. über die custodia verstanden wird. Ein Theil dieser Differenz existirt nämlich bloss in der Einbildung des Verf.: die L. 1. C. de donat. 8, 54. „welche weder Savigny noch Lenz richtig interpretirt hat“ S. 60- 63., ist seit der sechsten Ausgabe (1837) von Savigny ganz eben so erklärt worden, wie Letzterer vorschlägt, und die vermeinte Differenz rührt allein daher, dass der Verf. noch im Jahre 1864 nur die fünfte Ausgabe zu Rathe gezogen hat. In den übrigen Puncten ist die „praktische Differenz“ Baron’s von Savigny freilich unleugbar, allein eben so unzweifelhaft ist es auch, welcher unter beiden Besitzschriftstellern den Vorzug verdient. (Vgl. Num. 71. 110.)

157. Theod. Wollank, de derivata possessione iuris Romani. Berolini 1864. 83 Seiten 8°.

Eine Inauguraldissertation, die, wenn auch im Ganzen keine neue Resultate, doch im Einzelnen manche beachtenswerthe Bemerkung enthält. (Vergl. Num. 89.)

158. Max Leopold Hedemann, über den Erwerb und Schutz der Servituten nach Römischem Recht, mit besonderer Berücksichtigung der quasi possessio und longa quasi possessio. Berlin 1864. 207 Seiten 8°.

Der Verf. leugnet, dass es nach Römischem Recht eine Ersitzung der Servituten gebe, und führt diese durchaus originelle Ansicht mit grosser Unerschrockenheit in der Absicht aus, „die Ausrottung eines Irrthums, der länger als ein halbe Jahrtausend bestanden und deshalb trotz seiner offenbaren Unhaltbarkeit sich fest eingewurzelt hat“ durchzusetzen (S. 72.). In Folge dieses Unternehmens gelangt er zu einer zum Theil wenigstens neuen Theorie nicht nur des Servituten-, sondern auch des Eigenthumsbesitzes. (Vergl. unten Num. 8. 9.)

Num. 2.

(Zu Seite 26. Zeile 16.)

Bruns S. 466. sagt also mit Unrecht: „Das – Bedenken gegen die Definition des Preuss. L. R. von Detention, dass danach Jeder, der mit einer Axt allein durch einen Wald geht, Inhaber des Waldes sei – trifft


(563) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 1. 2. Num. 3. 4. 5.

– Savigny’s Theorie gerade ebenso, “ denn eine willenlose Detention (ohne jede psychische Betheiligung) ist überall keine Detention: L. 1. §. 9-13. 20. D. (41, 2.) de poss. Donellus 5, 13. §. 4. „Tenere non est corpore rem contingere sed ita attingere, ut affectionem tenendi habeas.“ Nur ein Aneignungswille (animus sibi habendi) wird nicht vorausgesetzt.

Num. 3.

(Zu Seite 26. Zeile 20.)

Zielonacki S. 5. unterscheidet daher nicht richtig 1. Detention als ein selbständiges Verhältniss; 2. als ein Moment des Besitzes. Die angeblichen Fälle sind entweder nicht einmal Detention, wie die Innehabung durch eine willensunfähige Person (vgl. die vor. Nr.), oder sie sind juristischer Besitz nur mit relativer Beschränkung oder absoluter Entziehung der Besitzrechte, und gehören also unter Nr. 2.; so der Besitz des heimlichen Occupanten eines Grundstücks oder der Besitz eines freien Menschen, einer res religiosa u. s. w. gegen die Rechtsordnung.

Num. 4.

(Zu S. 27. Note 1. a. E.)

So behauptet noch Oswald v. Schmidt S. 18. Note 31.: „Das Recht zu besitzen hat nicht nur der Eigenthümer, sondern Jeder, der als Person anerkannt ist“ , indem er die abstracte Rechtsfähigkeit mit dem concreten Besitzanspruch verwechselt, welcher so wenig dem Käufer als dem Fructuar zusteht.

Num. 5.

(Zu S. 29. Zeile 17.)

In der „Kritik“ des gegenwärtigen Buchs (1840.) S. 63. wird dieser Satz als nicht richtig bezeichnet, weil


(564) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

zur Verjährung ein Rechtsgrund nöthig sei. Der Verf. scheint sich weder der lucrativen noch der ausserordentlichen Ersitzung erinnert zu haben.

Num. 6.

(Zu S. 31. Zeile 1.)

Einige neueste Schriftsteller wenden ein, dass mit der Veränderung rein faktischer Zustände Niemandem Unrecht geschehe. Abgesehen davon, dass z. B. das Int. Quod vi aut clam, das Int. de loco publico fruendo (L. 13. §. 7. D. de iniur. 47, 10.) und die Entwendung aus dem Gewahrsam des Miethers oder Commodatars das Gegentheil beweisen, ist ja ausdrücklich noch auf „ein anderes Recht hingewiesen, das die Gewalt mit verletze.“ Dieses Recht aber ist nichts Anderes als der Wille dessen, dem Gewalt geschieht (L. 1. D. quod metus (4, 2.) L. 11. D. de vi 13, 16), denn auf ein durch den Gesammtwillen anerkanntes Recht an der Sache kommt es nicht an (L. 1. §. 2. D. quod vi aut clam (43, 24.): parvi refert utrum ius habuerit faciendi an non). Ja diese Willensverletzung ist bereits in dem Begriff der Gewalt enthalten, so dass es nicht einmal nöthig war, auf jedes andere Recht hinzuweisen.

Num. 7.

(Zu S. 31. Note 1. a. E.)

Durch die Interdicte und Exceptionen gegen den vitiösen Besitzer nimmt der Besitzschutz einen defensiven Charakter gegen List und Gewalt an, von welchem jedoch erst §. 6. und 38. die Rede sein kann.

Num. 8.

(Zu S. 33. Zeile 2.)

So konnte noch in der 6. Auflage geschrieben werden. Seitdem hat Koeppe S. 22. die Entdeckung gemacht, dass „die Interdicte nicht für charakteristische


(565) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 3. Num. 8.

Folgen des Besitzes gelten können, weil es viele Interdicte giebt, die gar keinen Besitz voraussetzen, wie die interdicta adipiscendae possessionis, oder die sich auf res extra commercium beziehen.“ – Der Verf. muss aus unbekannten Quellen geschöpft haben; nach den bis jetzt bekannten gehörten diese Interdicte nicht zu den possessorischen.

Pfeifer (S. 17-30.), der doch alle nur irgend mögliche „rechtliche Folgen“ als Besitzvortheile gelten lässt, schliesst gerade die Interdicte ebenfalls aus. „Allerdings (sagt er) ist der Besitz (jedoch nicht bloss der juristische, denn das int. de vi verleiht auch der natürliche Besitz) (?) die Bedingung der Interdicte: allein es hiesse das Pferd beim Schwanze aufzäumen (ein öfter wiederkehrendes Lieblingsbild des Verf.), wenn man sagen wollte, der Besitz habe deshalb rechtliche Bedeutung. Die Interdicte sind Rechtsmittel; der Gesetzgeber schafft aber natürlich nicht Rechtsmittel in den Tag hinein, sondern bloss zum Schutze von Verhältnissen, die für den Rechtszustand der Personen wichtig sind“ u. s. w. – Nach dieser Auffassung würde zum Usucapionsbesitz Titel und bona fides erforderlich sein, zu seinem Schutze mittels des int. de vi aber natürlicher Besitz genügen, wodurch das Pferd gewiss nicht beim Kopfe aufgezäumt wird.

Hedemann, Erwerb und Schutz der Servituten (1864.) S. 98. Nr. 94. leugnet die Usucapion als Besitzfolge, weil es sich zugleich um das Recht zum Innehaben handle (§. 12. S. 190.), also aus ähnlichen Gründen wie Sintenis (§. 2. S. 29.), nur dass bei ihm noch die gänzliche Verwerfung der Servitutenersitzung als eigenthümliches Motiv hinzutritt. Abgesehen davon, dass es Ersitzungen ohne Rechtstitel gegeben hat, wie die improbae pro possessore usucapiones, ist auch bei den regelmässigen Usucapionen Anfang, Fortsetzung und Verlust des Besitzes,


(566) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

kurz das ganze Besitzelement, ein Erforderniss, welchem sein Platz in der Besitzlehre um so weniger bestritten werden kann, als es mit dem „interdictmässigen Innehaben“ durchaus nicht zusammenfällt, wie der Verfasser irrthümlich annimmt: der clandestinus possessor eines Grundstücks unterliegt dem Interdict uti possidetis des Verdrängten und siegt mit demselben Interdict gegen jeden Dritten, aber usucapiren kann weder der Eine noch der Andere.

Num. 9.

(Zu S. 33. Zeile 6.)

Pfeifer (S. 29.) beruft sich auf L. 16. D. de usurp. L. 1. §. 15. de poss. (41, 3.), wo der Einen causa usucapionis eine ganze Fülle anderer (quod ad reliquas omnes causas pertinet), insonderheit das Beklagtenverhältniss in der a. ad exhibendum entgegengesetzt würden. – „Die Pflicht, sich wegen des Besitzes einer Sache – in einen Rechtsstreit einlassen zu müssen“ , ist jedoch nach einer Bemerkung desselben Schriftstellers (S. 25.) „gewiss ein Nachtheil, und zwar ein anerkannt harter Nachtheil und kein Recht und mit gleichem Grunde – könnte man von dem Rechte des Schülers, von dem Schulmeister geprügelt zu werden, reden.“ Danach wird also die Nichtaufzählung unter den Rechten des Besitzes wohl einigermassen entschuldbar sein.

Hedemann (S. 100. ff.) anerkennt „als wirkliche und zwar einzige rechtliche Folgen des Besitzes an sich: Schutz desselben gegen jede Art von Störung und Befreiung von der Beweislast im Fall der Anstellung der Klage“ (S. 103.). Beide fallen ihm vollständig zusammen: „die Befreiung von der Beweislast zeigt sich als eine reine Folge des interdictmässigen Innehabens“ (S. 100.); „Savigny hat sich bei dieser Schlussfolgerung (dass nämlich nach L. 9. de rei vind. die Befreiung von der Beweislast


(567) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 3. Num. 9.

nicht mehr als Folge des Besitzes gelten könne) vollständig verwirrt“ (S. 102.); denn „dieser Deduction nach müsste Savigny – consequent – auch den ganzen Interdictenschutz als Folge des Besitzes bestreiten, da die possessorischen Interdicte bekanntlich bei dem sogenannten abgeleiteten Besitz gegeben werden, d. h. der Vortheil derselben auch solchen Personen zu Gute kommt, die nicht Besitzer, sondern nur detentores sind“ (S. 103.).

Allein: wozu bedürfen eben diese Personen des abgeleiteten Besitzes, wenn ihre Detention schon zu den Interdicten genügte? Und wenn, wie Hedemann selbst (S. 103.) anerkennt, in L. 9. „eine Uebertragung eines ursprünglich nur dem wahren Besitzer zustehenden Rechtsvortheils auf einen Inhaber alieno nomine“ zu finden ist, der doch die Interdicte entschieden nicht hat, wie kann dann die Befreiung von der Beweislast noch als „reine Folge des interdictmässigen Innehabens“ gelten?

In der That enthält das Verhältniss des Beklagten, obgleich es possessio genannt wird und vom Beweise befreit, gleichwohl nur einen Passivbesitz, welcher, als solcher, zwar Verpflichtungen, nicht aber possessorische oder petitorische Schutzrechte erzeugt und deshalb überall nicht in das Recht des „juristischen“ Besitzes, sondern als reines Processinstitut in den Civilprocess gehört. Zwar ist selbst dieser rein factische Besitzstand gegen Störungen des status quo nicht schutzlos; allein, abgesehen von anderweitigen Rechts- oder Besitzansprüchen (1) erfolgt dieser Schutz wenigstens nicht durch petitorische oder possessorische Klagen, sondern durch Einspruch oder thätlichen Widerstand (2). Und selbst dieser

(1) L. 5. §. 10. in fin. D. de operis novi nunc. (39, 1.)

(2) L. 6. §. 1. D. si serv. (8, 5.) et civili actione et interdicto quod vi aut clam – et lapilli iactu – L. 5. §. 10. D. de O. N. N. (39, 1.) per praetorem, vel per manum – operis novi nunciatione.


(568) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

ist nur erlaubt, so lange der Besitzstand unbestritten bleibt. Denn sobald derselbe mittels einer dinglichen Klage rechtlich angefochten wird, behält der Besitzer den Interimsbesitz bis zur Entscheidung des Rechtsstreits (vindiciae) nur unter der Voraussetzung, dass er ihn durch die edictmässige Satisdation pro praede litis vindiciarum oder iudicatum solvi vertheidigt (1). Leistet er diese Sicherheit nicht, so wird er mittels der restitutorischen Interdicte Quem fundum (bezüglich quam hereditatem, quem usumfructum, quam viam, quod ius altius tollendi oder non tollendi) adversarius a te petit, eum (eam) si nolis defendere, illi restituas (2) genöthigt, den Besitzstand durch Uebergabe (3) oder bei Grunddienstbarkeiten durch Caution (4) auf den Ansprecher zu übertragen und die Rolle des Klägers und Beweisführers selber zu übernehmen.

Es ergiebt sich also, dass die Erfordernisse der Interdicte und des Beklagtenverhältnisses keineswegs identisch, sondern vielmehr einander gerade entgegengesetzt sind. Die Interdicte verlangen keine Satisdation, aber relativ fehlerfreien Besitz. Das commodum possessoris dagegen ist durch eine Satisdation bedingt, während es auf juristischen, geschweige denn auf fehlerlosen, oder

(1) Gai. 4, 17. 89. 91. Paul. I., 11. §. 1. I., 13a §. 8. V., 10. §. 2. L. un. C. uti poss. (8, 6.) L. 60. §. 1. D. de usufr. (7, 1.) §. 2. I. de satisdat. (4, 11.) L. 5. pr. D. de her. pet. (5, 3.) L. 8. D. si pars. (5, 4.)

(2) Ulp. inst. fragm. 4. (p. 508. Huschke). Fragm. Vat. §. 92. 93. L. 45. D. de damno inf. (39, 10.) L. 80. D. de rei vind. (6, 1.)

(3) L. 60. §. 1. D. de usufr. (7, 1.). Letztere Stelle ist von Hedemann pag. 117. 206. völlig missverstanden. Vergl. Zeitschrift für gesch. Rechtswiss. 9. (1838.) S. 32.

(4) L. 15. D. de op. nov. nunc. (39, 1.) L. 45. D. de damno inf. L. 7. D. de aqua quot. (43, 20.) Vgl. Zeitschrift 11. (1842.) S. 357. Note 26.


(569) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 3. Num. 10. 11.

gar zehn- und zwanzigjährigen Besitz so wenig ankommt, dass schon die Detention genügt, ja im Servitutenstreit überall kein Besitz nothwendig ist, weil hier auch der Besitzer petitorisch klagen kann (1), wenn er den Beweis des servitutischen oder in der Negatoria des Verbietungsrechts übernehmen will.

Diesen einfachen Unterschied zwischen dem Besitz als Recht und dem Besitz als Rechtsverletzung hat sich Hedemann nicht vollkommen deutlich gemacht, weil er die Vaticanischen und Endlicher’schen Fragmente (Note 4.) vernachlässigt, aus welchen derselbe erst in seinem vollen Zusammenhange hervorgeht.

Num. 10.

(Zu Seite 35. letzte Zeile.)

Wenn man auch annehmen muss (besonders nach L. 48. §. 5. 6. D. de furtis. (47, 2.) L. 4. §. 19. de usurp. (41, 3.), dass das Recht an den Früchten ein anderes und stärkeres ist als an andern Erzeugnissen und Theilen der Sache, so darf man darum noch nicht (z. B. mit Zielonacki S. 40. f.) den Fruchterwerb als dritten Vortheil des „regulären“ Besitzes auffassen, da der Grund, wie bei der Specification, in der Erzeugung und Bewahrung (cultura et cura) der Frucht zu suchen ist, wonach die Fortdauer des Besitzes unwesentlich erscheint.

Num. 11.

(Zu S. 38. Zeile 13.)

Bethmann-Hollweg in der Rec. der 6. Ausgabe dieses Buchs in den Jahrb. für wiss. Kritik 1838. Nr. 35. S. 276. setzt mit Recht hinzu, „dass dieser Rechtssatz

(1) L. 5. §. 6. D. si usufr. (7, 6.). L. 6. pr. D. si serv. (8, 6.) vgl. mit §. 2. I. de act. (4, 6.)


(570) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

(der privatrechtlich schuldlosen Vertheidigung der non vitiosa possessio nach L. 1. C. unde vi. (8, 4.) L. 1. §. 27. 28. D. de vi (43, 16.) Paul. 5. 6. §. 7.), insofern er in’s Privatrecht gehört, mit dem Schutz der possessorischen Interdicte zusammenfalle und deshalb nicht als eine besondere Folge des Besitzes aufgezählt werden dürfe.“

Num. 12.

(Zu S. 42. Note 1. a. E.)

Nach einer neuern Untersuchung (Rudorff, Zeitschrift für Rechtsgeschichte (1863.) III. S. 70. f.) waren die Edicte über den Besitzschutz in einem Hauptabschnitt, den Missionen, hinter den Actionen zusammengestellt, die Interdicte dagegen im Anhange unter den Formularen gesammelt, daher die Stellung des Besitzes in den Commentaren.

Die Vermischung des Besitzes und der Missionen stammte übrigens schon aus Quintus Mucius L. 3. §. 23. D. de poss. (41, 2.), Rudorff a. a. O. S. 74.

Num. 13.

(Zu S. 45. Note 1. a. E.)

Ueber die neuesten Schriften vgl. den Zusatz Nr. 15. am Schlusse dieses Paragraphen.

Num. 14.

(Zu S. 47. Zeile 8. v. u.)

Wie mit den Besitzverträgen verhält es sich mit der Besitzentwendung. Niemand kann seine eigene Sache stehlen: wenn jedoch der Eigenthümer dem redlichen Besitzer oder dem Faustpfandgläubiger die Sache entwendet, so wird diese zwar nicht ersitzungsfähig, es entstehen jedoch Ansprüche auf Ersatz und auf die Busse des doppelten oder vierfachen Besitzwerthes (quanti


(571) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 5. Num. 15.

possessio est), d. h. des Interesses der entzogenen Usucapion, Retention und Pfandsicherheit. Der Besitz erscheint als ein Vortheil (utilitas), der gleich dem Recht nicht nur einen Preis hat, sondern auch in gleicher Weise einer Geldschätzung fähig ist, die freilich von der des Rechts (quanti res est) quantitativ sehr verschieden sein kann. L. 1. §. 3. L. 20. §. 1. L. 61. §. 8. L. 66. pr. L. 80. §. 1. D. de furtis (47, 2.). L. 1. §. 15. Si is qui testamento liber. (47, 4.). L. 21. §. 2. D. quod metus causa (4, 2.). L. 3. §. 11. D. uti possidetis (47, 17.).

Num. 15.

(Zu S. 47. Note 2. a. E.)

Neuerdings hat Brinz (1) wenigstens eine Singularsuccession in den Besitz aus dem Grunde annehmen zu dürfen geglaubt, weil dieser nicht Factum allein, sondern zugleich Recht sei. Der Erwerber soll deshalb, seines animus ungeachtet, nicht Besitzer werden, wenn 1. der Tradent nur Detentor war, weil Niemand mehr Recht übertragen könne, als er selber hat (2); 2. wenn der Tradent nicht veräussern darf (3); 3. wenn der Consens beider Contrahenten fehlt (4). Da nun aber in allen diesen Fällen unzweifelhaft Usucapion möglich ist, so hilft sich Brinz durch zwei gleich missliche Alternativen: 1. durch Annahme einer Usucapion des Detentors, mithin ohne Besitz; 2. durch Unterscheidung zwischen Tradition des Eigenthums und des Besitzes, für welche letztere eben jene Successionsbeschränkungen eintreten sollen. Hiergegen ist nun von Witte (5) mit Recht ausgeführt, dass selbst nach den angeführten Beweisstellen überall wo der

(1) Jahrb. für deutsches Recht von Bekker, III. S. 15. f.

(2) L. 21. pr. D. L. 5. C. de poss.

(3) L. 11. D. de adqu. rer. dom.

(4) L. 33. L. 34. pr. D. de poss.

(5) Herm. Witte, Zeitschrift für Civilrecht und Process. Neue Folge. XVIII. Num. XV. §. 2.


(572) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Erwerber den animus possidendi hat, in der That auch Besitz entsteht. Wenn sich jedoch Witte zugleich darauf beruft, dass der Besitz als reine Thatsache die Herrschaft des Erwerbers selbständig hervorbringe, so verkennt er das wahre Element in der Ansicht von Brinz. Man muss nämlich das Verhältniss des Erwerbers zu Dritten und zu seinem Vorgänger unterscheiden. Dritten gegenüber hat Jener ohne Rücksicht auf den Ursprung seines Besitzes ein Recht auf Besitzschutz. Dem Besitzvorgänger gegenüber hingegen gewinnt er nur, wenn sein Besitz nicht aus einer gegen diesen verübten Besitzverletzung, sondern entweder aus der Verletzung eines Dritten, oder aus einer Besitzübertragung durch den Vorgänger hervorgegangen ist. Nur ist diese Uebertragung keine Succession. Diese würde einen Personenwechsel in demselben dauernden Verhältnisse voraussetzen; jeder Besitz aber ist subjectiv und vergänglich, gleich dem Menschen, welcher ihn übt. Durch die Universalsuccession geht die Person (der Vermögensbeherrscher) in allen ihren rechtlichen Beziehungen, also auch das Eigenthum auf die Erbschaft und den Erben über, nicht so der Besitz, da das berechtigende Moment, welches er in sich trug, der Wille, mit dem Tode erloschen ist (1). Der Besitz wird also subjectlos (2), gleich dem Besitz des Kriegsgefangenen (3), der Uebergang kann nur im Wege der Anknüpfung des Besitzes des Erblassers an den Besitz des Erben vermittelt werden (4) und da ein besitzloser Zustand in der Mitte

(1) L. 4. D. locati. (19, 2.) L. 65. §. 1. D. de leg. 1. 30. L. 23. pr. D. de poss. L. 1. §. 15. D. si is qui test. (41, 4.)

(2) L. 31. §. 5. D. de usurp. (41, 3.) vacuum tempus quod ante aditam hereditatem vel post aditam intercessit ad usucapionem heredi procedit. L. 30. §. 5. D. de poss.

(3) L. 23. §. 3. D. ex quib. caus. mai. (4, 6.) L. 15. pr. L. 44. §. 7. D. de usurp. (41, 3.) L. 12. §. 2. L. 22. §. 3. L. 29. L. 44. §. 7. D. de captiv. (49, 15.)

(4) Gaius IV., 151. L. 13. §. 4. D. de poss.


(573) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 5. Num. 15.

liegt, so ist auch diese Verknüpfung nur eine uneigentliche (1). Selbst die Personeneinheit hat keinen andern Einfluss, als dass der Besitz in Rücksicht der Fehler als Ein Besitz behandelt wird. Eben so undenkbar ist aber eine Singularsuccession. Es lässt sich nur behaupten, dass der Besitzvorgänger unter der Bedingung weiche (2), wenn der Nachfolger Besitz erwerbe. In diesem Sinne darf man in dem Aufgeben eine Cession des Besitzes (3) erblicken und da in der Annahme dieser Cession eine Willenseinigung enthalten ist, dem praktischen Erfolg nach sogar von einer Tradition, Translation, Alienation u. s. w. des Besitzes reden (4). Gleichwohl bleibt dieser Besitz ein neuer und eine Succession ist so wenig erreicht, als durch Delegation oder Cession die alte Obligation übergeht (5). Der Besitz ist nur geräumt, sogar einem Andern eingeräumt, aber nicht übertragen. Damit jedoch der Besitznachfolger unter den Consequenzen der fehlenden Succession nicht leide, treten folgende Surrogate ein:

Erstlich usucapirt die Erbschaft und der Erbe Kraft singulärer Vorschrift ohne Besitz (6).

Zweitens wird die Differenz im Besitzschutz ausgeglichen, welche dadurch entsteht, dass der Erblasser

(1) L. 30. pr. D. ex quib. caus. (4, 6.) possessio defuncti quasi iuncta descendit ad heredem et plerumque nondum hereditate adita completur. cf. L. 16. §. 1. D. de tutelis. (4, 1.)

(2) L. 34. pr. D. de poss. … quodammodo sub condicione recessit de possessione.

(3) Cedere possessione L. 3. §. 1. L. 1. §. 4. D. de poss. Cedere possessio nem L. 1. §. 20. D. eodem.

(4) L. 20. §. 1. D. de servit. (8, 1.) L. 4. §. 2. D. de alien. iud. (4, 7.) Fragm. Vat. §. 1.

(5) Gaius II. 38. 39.

(6) L. 30. pr. D. ex quib. caus. mai. (41, 3.) L. 30. §. 5. D. de poss. L. 44. §. 3. D. de usurp. (26, 1.) Justiz-Minist.-Blatt für die preuss. Gesetzgeb. u. Rechtspflege. Jahrg. XII. Nr. 3. S. 23. f. Seuffert Archiv, III. 348. Der Eigenthumsbesitz entlehnt also vom Eigenthum die Anknüpfung an den Rechtsbegriff der Person statt der ursprünglichen Anknüpfung an die menschliche Individualität.


(574) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Eigenthum und Besitz, der Erbe hingegen vor der Apprehension keine int. retinendae oder recuperandae possessionis hat (1). Nur darf man die Abhülfe nicht in der Einführung der hereditatis petitio suchen wollen, welche eben wegfalle sobald der Erbe im Besitz sei (2), denn die Klage der Erben hat ein petitorisches, kein possessorisches Fundament. Sondern die wahre Aufhebung jener Differenz zwischen dem Rechtszustand des Erblassers und Erben liegt in den restitutorischen Interdicten, welche dem Bonorum Possessor und Emptor gegeben sind, um den Besitz zu erlangen (quorum bonorum und legatorum, sectorium und possessorium), ferner in den Interdicten, welche der Prätor bei dem Quasibesitz dem Erben und dem Käufer accomodirt (3).

Drittens ist um des praktischen Bedürfnisses willen in der Besitzzurechnung des Erblassers und singulären Vorgängers (accessio possessionis) dafür gesorgt, dass der Besitzer durch den Mangel einer Succession in den fremden Besitz weder bei der Ersitzung (Note 14.) noch dem Besitzschutz im int. Utrubi sein Recht einbüsse.

Num. 16.

(Zu S. 50. Note 3. a. E.)

Der Grund reicht in’s Edict zurück. Vgl. Num. 12.

Num. 17.

(Zu S. 58. Zeile 7.)

Der Einwurf Koeppe’s (S. 42.): „dass die Möglichkeit des Eigenthums auch auf Seiten des Nichtbesitzers

(1) B. W. Pfeiffer, praktische Ausführungen 1. Num. 15., behauptet das Gegentheil. Allein L. 1. §. 44. D. de vi sagt nicht, dass der Erbe als solcher Besitz habe. Duncker, Zeitschrift für Civilrecht und Process. XII. S. 116. f.

(2) So Jhering de hereditate possidente. (1842.) §. 4.

(3) L. 1. §. 29. 36. D. de aqua quot. (43, 20.) L. 1. §. 3. D. de fonte. (43, 22.)


(575) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 6. Num. 18.

existire und wenn man verschiedene Grade der Möglichkeit annehme, wieder die Wahrscheinlichkeit also die Präsumtion des Eigenthums entstehe, “ trifft deshalb nicht, weil die Möglichkeit des Eigenthums hier nicht als Grund, sondern als Gegenstand (Interesse) der Besitzklagen aufgestellt wird.

Num. 18.

(Zu S. 64. Zeile 4.)

Eine speciell gegen die Abhandlung des Herausgebers gerichtete Darstellung Puchta’s, „Ueber die Existenz des Besitzrechts“ war zwar schon 1832, also vor der sechsten Ausgabe (1837.) geschrieben, ist aber erst nach derselben aus dem literarischen Nachlasse des Verf. durch den Herausgeber in Puchta’s Kleinen civilistischen Schriften (1851.) Nr. XV. S. 259-272. veröffentlicht worden. Der Verf. hebt mit Recht die Unverletzlichkeit des Willens einer berechtigten Persönlichkeit, die Rechte des Dejicirten und die Nothwendigkeit der Auctoritas zum Verzicht des Pupillen auf den Besitz als Gegengründe gegen meine damalige Ansicht hervor.

Bethmann-Hollweg in der Rec. des vorliegenden Werkes, Jahrb. für wiss. Kritik, 1838. Nr. 35. macht hierzu die überzeugende Bemerkung: „Uebrigens würde Rudorff auf den wahren Grund der possessorischen Interdicte gekommen und mit dem Verf. wieder zusammengetroffen sein, wenn er nur einen Schritt weiter gegangen wäre. Versteht man unter Selbsthülfe die Mittel des Kriegs, Gewalt und List, auch Treubruch, so begreift sie alle Formen der Besitzstörung, die eben als Verletzungen der öffentlichen Ordnung, des objectiven Rechts, Delicte sind. Aber sie verletzen dieses nicht nur als Recht des Staats, sondern auch insofern es sich in der einzelnen rechtsfähigen Person darstellt und in dieser Beziehung begründen sie die possessorischen Interdicte.


(576) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Ja man kann diese Klagen, wenn man den Hauptfall, die Gewalt allein berücksichtigt, auf den Grundsatz erlaubter Selbstvertheidigung im Besitz zurückführen, welcher in der That privatrechtlich dadurch absorbirt wird.“

Num. 19.

(Zu S. 69. Zeile 9.)

Wenn Bruns (Recht des Besitzes, S. 415. Note 3.) schon im Jahre 1848 sagen konnte, „der grosse Streit zwischen Gans und Savigny, der Anfangs die Grenzscheide einer neuen Aera der Wissenschaft bilden sollte, schrumpft im Fortgange der Geschichte mehr und mehr zu einer gewöhnlichen Controverse ein. Eine ausführliche Darstellung desselben entbehrt schon jetzt des Interesses“ – so könnte um so zweifelhafter erscheinen, ob es nicht nach neuen fünfzehn Jahren gerathen wäre, die neueste Geschichte dieser Controverse völlig mit Stillschweigen zu übergehen. Allein die Betrachtung wissenschaftlicher Streitigkeiten und Irrthümer, namentlich aus grösserer Ferne, ist, wenn nicht immer anziehend, doch wenigstens als Warnung lehrreich. In diesem Sinne mögen daher die hervorragendsten neuen Meinungen, welche seit dem Erscheinen der 6. Auflage über die Frage geäussert worden sind, in chronologischer Folge hier berührt worden.

Tigerström schlägt einen ganz neuen Weg ein, indem er, wie schon der Titel seines Buches ankündigt, das ganze Recht des Besitzes auf den Besitz in gutem Glauben einschränkt, jeden andern Besitz aber als „ein reines Nichts“ ansieht, folglich das Recht des Besitzes vollständig in das wahre oder fingirte Eigenthum auflöst. (S. 12. Note 2. S. 23. 24. 29. 41.) Allein mit der Behauptung: dass es abgesehen von der bonae fidei possessio kein Recht des Besitzes gebe, stehen die Ausführungen über die possessorischen Interdicte im entschiedensten Widerspruch. Zwar sollen sie possessorische Rechtsmittel


(577) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 6. Num. 19.

des wirklichen oder fingirten Eigenthümers für sein ius possidendi (nicht possessionis) vorstellen (S. 41. 43. 109. 169. 170.). Aber gleichwohl soll der Besitz, als das wichtigste Recht des Eigenthümers, Gegenstand eines selbständigen rechtlichen Schutzes sein, es soll jeder Besitzer geschützt werden, der auch gar kein Recht an der Sache hat oder behauptet, eben weil er Besitzer ist, sogar derjenige, welcher aus einem unrechtlichen Grunde besitzt und es soll auf die Rechtmässigkeit jenes factischen Zustandes nichts ankommen. (S. 180. 199. 200. 201. 218.)

Es ist also diesem Schriftsteller begegnet, dass er sich selbst unwillkührlich auf das Bündigste widerlegt hat.

Maroschkin (nach Reutz S. 67) sieht in der Besitzentsetzung eine Negation der schützenden Staatsgewalt und weist daher dieser Handlung ihre Stelle im Criminal- oder eigentlich im Polizeirechte, im bürgerlichen Rechte dagegen nur bei den Verhandlungen nicht streitiger Rechtssachen an. Das wahre Element in dieser Auffassung ist, dass einzelne Schutzanstalten für den Besitz, namentlich die, welche Gewaltthätigkeiten vorbeugen wollen, einen polizeilichen Charakter an sich tragen; allein schon die Verbindung des Besitzschutzes mit der Civilrechtspflege (im Römischen Recht mit dem Imperium mixtum, nicht mit der aedilicia potestas) und die Beziehung zum Eigenthum (der internationalen nicht einmal zu gedenken) beweisen, dass der Besitzschutz in jenem Gedanken nicht aufgeht.

Gans bestritt noch in seiner neuesten Schrift die factische Seite und damit die Doppelnatur des Besitzes: der Besitz ist ihm an sich selbst schon „ein entschiedenes Recht“ (S. 33.), er ist „beginnendes Eigenthum.“ Das Factische im Besitze finde ich ganz ebenso in jedem Recht, denn „all Rechtsbegriffe sind allerdings Facta: ich besitze, habe Eigenthum, heirathe, erbe. Dies sind Facta, aber in ihnen ist eine Beziehung, der man


(578) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

den Namen einer rechtlosen nicht absprechen kann“ (S. 14.). Wenn aber der Besitz dem Eigenthum weicht, so sei dies in gleicher Weise im Recht der Fall, denn „die Bedeutung des Rechts ist immer nur im Zustande des Verhältnisses, nie aber absolut zu fassen: wie der Besitz gegen das Eigenthum unrechtlich ist, so ist es das Eigenthum gegen den Vertrag, der Vertrag gegen die Familie, die Familie gegen den Staat, der Staat gegen die Geschichte.“ – Die Grundlage dieser Deduction ist der Satz, dass „der Wille der Person, wo er sich in Sachen äussert, ein Recht ist.“ Allein aus diesem richtigen Satze folgt nur, dass der Besitz ein rechtliches Element enthält und dass dieses in dem Besitzwillen zu suchen ist. Es folgt aber nicht, dass der Besitz nicht zugleich in dem sinnlichen Factor des Innehabens einen factischen Bestandtheil in sich trüge, welches eben so unleugbar ist. Wenn Gans diesen Factor auf gleiche Weise in jedem Recht wieder zu finden glaubte, so übersah er den wesentlichen Unterschied des Factums als Entstehungsgrundes des Rechts und als leiblicher Erscheinung des Besitzwillens. Das Factum als rechtliche Willenshandlung kann vorübergehen, das einmal begründete Recht dauert gleichwohl fort, da die Anerkennung durch die objektive Rechtsordnung fortbesteht. Wenn dagegen das Factum als Verkörperung des Besitzwillens aufhört, so ist der Besitz selbst verloren und nur bei gewissen Verletzungsformen bleibt die relative Möglichkeit, ihn wieder zu gewinnen. In gleicher Weise übersah Gans, dass jener provisorische Charakter rechtlich in der That auf das Verhältniss des Besitzes zum Eigenthum beschränkt ist, während Eigenthum, Vertrag, Familie und Staat in gleicher Selbständigkeit rechtlich anerkannt sind. Anfangendes Eigenthum kann endlich rechtlich nur der Ersitzungsbesitz genannt werden. Der gemeinschaftliche Grund aller dieser Begriffsverwirrungen lag in der Uebertragung


(579) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 6. Num. 19.

des Ausgangspuncts der damals herrschenden Rechtsphilosophie auf das geschichtlich gewordene, namentlich das Römische Besitzrecht. Endlich die Classification betreffend fand Gans „den Zusammenhang, in welchen der Besitz mit den Delicten gesetzt ist, im Resultat so komisch, dass man seiner Wirkung entgegentritt, wenn man ihn analysirt und widerlegt. Ein so vortrefflicher Witz muss nicht explicirt werden.“ Es wird daher angemessen erscheinen, diese Entgegnung gleichfalls unerörtert zu lassen.

Koeppe begreift unter Besitz das gesammte Sachenrecht und unterscheidet daher eine höhere und niedere Besitzclasse, um welche letztere es ihm hier allein zu thun ist. Diese possessio mit bedingtem Schutze soll dem corpus nach factisch, dem animus nach rechtlich sein, so dass nur die Detention eine reine Thatsache bleibt (S. 10. 11. 21. 45.). – Dass im §. 2. 5. und 6. hat Koeppe wohl nur im jugendlichen Eifer für „eine selbstmörderische Inconsequenz“ gehalten (S. 14.). – Gegenbemerkungen gegen ihn macht Pfeifer S. X-XV.

Die „Darstellung der Lehre vom Besitz als Kritik des v. Savigny’schen Buches von einem preussischen Juristen“ weicht von Gans nur in Einem Puncte ab. „Bei den Römern war der Besitz als solcher schon anfangendes Eigenthum, weil die mächtige Willkühr selbst als berechtigt angesehen wurde, weshalb auch der Dieb und der Räuber durch possessorische Rechtsmittel selbst gegen die gewaltsame Entsetzung Seitens des Eigenthümers geschützt wurden und demselben nur zu weichen hatten, wenn dieser in einem petitorischen Rechtsstreit sein vollendetes Eigenthum oder wenigstens sein besseres Recht nachwies“ (S. 56.). Das machte, „die Räuber waren ursprünglich ein Räubervolk, d. i. ein Volk der rohen Gewalt, des ungebändigten


(580) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Willens“ (S. 12.). „Auf diesem Standpunct des Römischen Rechts steht auch Gans noch“ (S. 57.). „Nach preussischem Recht kann dagegen nur der ernstliche (titulirte) und der redliche Besitz als anfangendes Eigenthum angesehen werden – der fehlerhafte Besitz – ist gar kein Besitz – sondern nur Gewahrsam.“ – „Diese Auffassung des preussischen, d. i. des gerechten Rechts ist auch die absolut richtige“ (S. 57.). „Das allgemeine Landrecht erscheint also als das vernünftige Recht, welches sich von den bloss zeitlichen Bestimmungen des gemeinen Rechts befreit, und welches auf dessen ewigen Grundlagen überall folgerecht fortgebaut hat“ (S. 121.). – Es ist unbegreiflich, wie der Verfasser hiernach S. 49-64. sich noch zu dem von Gans vertretenen ungerechten unvernünftigen Recht des Römischen Räubervolks zu bekennen vermocht hat. Denn dass der Römische Besitzschutz ein relativer ist, dass der Dieb und Räuber nicht gegen den von ihm bestohlenen und beraubten Eigenthümer possessorisch geschützt wird, von dem er vi oder clam besitzt, das fällt dem Verfasser eben so wenig ein, als dass die Einrede des Dritten, welcher den Besitz des Diebes oder Räubers stört, eine unstatthafte Exceptio de iure tertii sein würde.

Kierulff, Theorie des Gemeinen Civilrechts. Altona 1839. Bd. I. S. 339-400., lässt den Besitz weder als Recht noch als Unrecht gelten, er soll vielmehr als wirkliches Nichtrecht einen selbständigen dritten Begriff neben beiden bilden (S. 348-351.). Und dieses „wirkliche Nichtrecht“ soll gleichwohl ein Rechtsbegriff sein (!?).

Schaffrath (practische Abhandl. S. 225. f.) beabsichtigt über das Wesen der gesammten Arten von Rechten eine eigenthümliche Ansicht aufzustellen. Er unterschiedet zu diesem Ende 1. die rein körperliche Innehabung ohne Bewusstsein; 2. die körperliche und intellectuelle Innehabung ohne practischen Willen (Detention); 3.


(581) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 6. Num. 19.

dieselbe, nur mit dem practischen Willen die Sache zu haben und durch die Persönlichkeit zu decken (Besitz); 4. den in die Sache hineingetragenen Willen der Persönlichkeit, selbst ohne körperliche Innehabung (Eigenthum und dingliches Recht). – Es leuchtet ein, dass, was in dieser Classification Richtiges enthalten ist, wenigstens nicht neu genannt werden kann.

Bruns (§. 68.) erkennt den Willen vermöge seiner Geistigkeit und Freiheit überhaupt als Grundlage und Ausgang alles Rechts an und findet daher das Princip des Besitzschutzes darin, „dass der im Besitz realisirte Wille, obgleich er kein Recht begründet, sondern nur rein factisch, vielleicht im grellsten Widerspruch mit allem Rechte, da ist, dennoch der allgemeinen Natur des Willens zufolge, geschützt werden müsse“ (§. 58. Seite 489.). „Die historische Frage, ob sich die Römer diesen Rechtsgrund überhaupt klar gedacht, ob und wie sie ihn in der Natur des Besitzes selbst gefunden, oder ob sie ihn nur aus äussern Zweckmässigkeitsrücksichten abgeleitet haben, muss dagegen unbeantwortet bleiben“ (§. 3. S. 19.). – Diesen Zweifel wird man im Hinblick auf ihre schwankenden Aeusserungen (1) unstreitig ebenso gerechtfertigt finden, wie man Bruns’ eigene Auffassung als richtig anerkennen muss. Bruns selbst nimmt nämlich eine innere Berechtigung des Besitzes an und es ist nicht nur ein offenbares Missverständniss, sondern ein Widerspruch, wenn Zielonacki S. 50. die Auffassung von Bruns für eine „dualistische“ erklärt und gleichwohl behauptet, dass sie den Besitz „nur als ein factisches Verhältniss gelten lasse.“ –

(1) L. 12. §. 2. de captivis und L. 2. §. 3. D. si serv. verglichen mit dem Jus possessionis L. 44. D. de poss. L. 2. §. 38. ne quid in loco publ. L. 5. D. de liberali causa. L. 5. §. 1. D. ad legem Jul. de vi.


(582) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Die Classification des Besitzes parallel dem entsprechenden dinglichen Rechtsverhältniss, also des Eigenthumsbesitzes neben dem Eigenthum, des Rechtsbesitzes neben dem entsprechenden Recht an fremder Sache (S. 486.), ist daher von diesem Standpunct aus keine unberechtigte, denn selbst das untergeordnete Recht des realisirten Willens: ohne alle Rücksicht auf die objective Rechtmässigkeit nicht eigenmächtig behandelt zu werden, hat einen Anspruch auf einen Platz im Sachenrechte. – Minder folgerichtig ist daher bei Bruns nur der Zweifel an der Rechtsconsequenz der Einrede des fehlerhaften Besitzes (S. 499. f.), da der Wille, welcher selbst nur auf einer Negation fremden Besitzwillens beruht, diesem gegenüber keine Berechtigung auf Schutz beanspruchen kann.

Molitor (la possession p. 15-18.) wendet gegen den Standpunct des vorliegenden Werkes zweierlei ein: Erstens: die Detention als reines Naturverhältniss z. B. eines Schlafenden, Wahnsinnigen, eines Fremden, der ein Grundstück als Gast betritt, dürfe nicht als Ausgangspunct des Besitzes angenommen werden. – Gerade aus demselben Grunde wurde aber §. 1. von der Detention des Schiffes, nicht des Wassers ausgegangen. – Zweitens: der Besitz an Grundstücken werde solo animo fortgesetzt und gehe corpore (durch heimliche Occupation) nicht verloren. – Es wird sich jedoch zeigen, dass damit nur die Relativität alles Besitzschutzes gemeint ist.

Zielonacki erklärt den Besitz für ein Factum, an welches eben deshalb nur „durch Vermittlung einer höhern Rechtsidee“ die Rechtswirkungen der Interdicte und Usucapion angeknüpft seien. Für diese Auffassung stellt er nicht weniger als zwölf verschiedene Beweise auf, welche jedoch sämmtlich nur darauf hinauslaufen, dass der Besitz ohne Rechtstitel, ja durch Diebstahl und Gewalt erworben und verloren wird, dass das Eigenthum


(583) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 6. Num. 19.

durch Besitzentziehung keine Schmälerung erleidet und dass der Besitz nur gegen bestimmte Störungen geschützt wird. – Dieses Alles aber beweist nur, dass der Besitz kein Recht an der Sache ist, während keine höhere Rechtsidee vermögend sein würde, die blosse „Macht des Thatsächlichen“ gegen „besonders unsittliche Handlungen“ (S. 41. 50. ?) zu schützen, wenn nicht der fehlerlose Besitz die relative Berechtigung zu einer solchen Vertheidigung in sich selber trüge. Die Classification im Sachenrechte (S. 3.) erscheint daher von diesem Standpuncte aus als eine entschiedene Inconsequenz.

Stahl (1) sieht in dem Institut des Besitzes eine provisorische oder subsidiäre Regulirung desselben Lebensverhältnisses, dessen eigentlich beabsichtigte, definitive Regulirung das Institut des Eigenthums ist, nämlich des Verhältnisses der Menschen zu den Sachen; aber eben deshalb eine Regulirung nicht wie das Eigenthum nach dem Gesichtspuncte des Rechts auf die Sache, sondern nach dem Gesichtspuncte des gegenseitigen Handelns der Menschen, dass Einer den Andern nicht absichtlich in seinem factischen Zustand verletze. Doch soll dies nur von dem Institut des Besitzes als objectiver legislativer Einrichtung gelten, ohne dass darum die subjective Lage des einzelnen Besitzers für ein provisorisches Eigenthum und die Interdicte für provisorische Vindicationen erklärt würden (?). Noch weniger wäre der Besitz präsumtives Eigenthum. Nicht weil der factische Zustand die Vermuthung des Rechts für sich hätte, sondern weil er als factischer Zustand Conservation verdient, schützt ihn die Legislation (S. 396. 397.). Daher ist die Ausbildung des Besitzschutzes als einer besondern Institution neben dem Eigenthum dem Römischen Recht eigenthümlich, denn indem dieses Recht in dem Eigenthum ein

(1) Philosophie des Rechts. Heidelberg 1854. Bd. 2. S. 395-406.


(584) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

unbedingtes Recht auf die Sache anerkennt, bleibt ein zweites Gebiet für das Verhältniss zu den Sachen je nach den Handlungen der betheiligten Personen offen (S. 397.), während die germanische Gewere bei beweglichen Sachen ein Mittelding darstellt, in welchem Eigenthum und Besitz in einander fliessen. Indess lässt das Römische Recht und noch mehr die Römische Theorie Besitz und Eigenthum unvermittelt neben einander herlaufen. Possessorium und Petitorium, abgesehen etwa von der möglichen Vorbereitung der Vindication durch ein interdictum retinendae possessionis, werden als Processe über ganz verschiedene Dinge, jenes über eine Delictsobligation, bei welcher das Recht auf die Sache gar nicht in Betracht kommt, dieses über das absolute Recht an der Sache, aufgefasst. Erst die deutsche Processpraxis, welche, gestützt auf canonisches Recht, die liquide Einrede des Eigenthums im Besitzstreit, die Cumulation des Possessorium und Petitorium anerkennt, hat den tieferen Zusammenhang hergestellt (S. 399.). So verschiedenartig die technische Anlage beider ist, insofern an die Stelle des Römischen Gegensatzes von Eigenthum und Delictsforderung der Gegensatz des Provisoriums und Definitivums tritt, so gehen doch beide in der höhern Bestimmung des Besitzes und Eigenthums auf: das Verhältniss zur Sache zu ordnen, und dieser Bestimmung ist die ganze Römische Technik als Mittelglied einzufügen (S. 400.). Nach dieser Bestimmung gehört der Besitz in das Sachenrecht. Nur wenn man nach dem untergeordneten Gesichtspunct der Rechte und ihrer Gegenstände classificirt, hat der Besitz in diesem System keine Stelle, da er kein Recht, d. h. keine unabhängig von der Fortdauer des factischen Zustandes geschützte Macht darstellt und keinen Gegenstand hat, der dem Besitzer schlechthin werden soll (S. 401.).

Den Gegensatz dieser seiner Auffassung gegen die


(585) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 6. Num. 19.

oben §. 6. gegebene Darstellung glaubt Stahl (S. 402. 405.) darin zu finden, dass nach ihm der Grund des Besitzschutzes in der Unverletzlichkeit des thatsächlichen Verhältnisses der Person zur Sache liege, während er nach §. 6. aus der nothwendigen Mitverletzung der Person und zwar nicht etwa ihres Willens, sondern ihres Körpers hervorgehe. Dieses ist ein entschiedenes Missverständniss, vor welchem schon die im §. 6. aufgestellt Unterscheidung der Besitzklagen von der Injurienklage hätte warnen sollen. Der wahre Gegensatz beruht darauf, dass der Besitzschutz des Römischen Rechts, in welchem selbst der Besitzstreit mittels eines künstlich combinirten Doppelinterdicts noch auf Gewalt zurückgeführt wird, nicht einmal der äussern processualischen Form nach in eine provisorische Vindication aufgelöst werden kann (§. 36.), ohne den Grundsatz zu verletzen: Nihil commune habet proprietas cum possessione.

Beauvois (p. 24. ff.) hält den Besitz für ein Recht, welches ein Factum zum Object hat, und sucht von diesem Standpunct aus zu erklären, dass er mit dieser Thatsache entsteht und erlischt. Dem Einwand, dass durch Delict kein Recht erworben und verloren werden kann, begegnet er mit der Replik, dass das Recht des praedo auf Schutz nur ein relatives und das des Dejicirten nur relativ erloschen sei. Dazu passt dann aber nicht, dass er jenes Recht für ein dingliches erklärt (n. 17. p. 28.) und überhaupt erscheint das Factum nur in dem abgeleiteten Besitz als Object, im ursprünglichen bildet es ein Element des ungetheilten Ganzen.

Oswald von Schmidt erkennt die von den Römischen Juristen behauptete factische und rechtliche Doppelnatur des Besitzes als einen in dessen Wesen mit Nothwendigkeit begründeten Dualismus an und verwirft daher die Versuche, seine Bedeutung nur aus Einem dieser Bildungselemente erklären zu wollen, als ein vergebliches


(586) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Bemühen (S. 38.). Statt dessen müsse auf die allgemeinen factischen und rechtlichen Voraussetzungen im System des Rechts, die naturalis und civilis ratio zurückgegangen werden, aus deren Zusammenwirken der Besitz hervorgehe (S. 39.). Die natürlichen Voraussetzungen aber seien der Mensch und die Sache (animus und corpus), die rechtlichen die Rechts- und Vermögensfähigkeit des erstern und die Verkehrsfähigkeit der letzteren (S. 49-51.). Jedoch dürfe Recht und Factum im Besitze nicht so vertheilt werden, dass die Folgen als Recht, der Grund als Factum gelten solle (S. 21.). Vielmehr erscheine das factische Element in dem Verhältniss zur Sache, das rechtliche im Verhältniss zu dritten Personen und dies sei der Sinn des Römischen Satzes: Iusta an iniusta adversus ceteros possessio sit in hoc interdicto (uti possidetis) nihil refert: qualiscunque enim possessor hoc ipso quod possessor est, plus iuris habet quam ille qui non possidet (S. 60. 61.). – Dieser Satz beschränkt sich nun zwar auf die Interdicte und setzt nicht Sache und Person, sondern den Gegner und Dritte einander entgegen, während der Besitz auch in seinem Innern, seiner Beziehung zur Sache, ein dem Recht analoger Vortheil ist. Gleichwohl bleibt der kleinen Schrift das Verdienst, an die in der höhern allgemeinen Rechtsordnung gegründeten Beschränkungen erinnert zu haben, unter denen der Wille allein als ein rechtliches Moment anerkannt werden kann.

Lenz räumt S. 93. ein, dass der Besitz mit dem Ausdruck „ein juristisches im positiven Recht anerkanntes Verhältniss“ im §. 5. des gegenwärtigen Buchs als ein Recht aufgefasst und damit „Alles zugegeben“ sei, „was man verlangen kann.“ Aber der Besitz soll nur ein Recht und sogar das einzige unmittelbare Recht auf die Sache sein, während alle übrigen Rechte nur als Actionen die rechtliche Möglichkeit enthalten, sich durch künftige


(587) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 6. Num. 19.

Thätigkeit zur Geltung zu bringen (S. 86. 87. 281.). Als Hauptbeweis wird angeführt, dass der Besitz nicht allein existire, sondern auch erworben und verloren werde (S. 96. 97.), und dass er unvererblich sei (S. 281.). – Allein das Erstere wird durch die Annahme eines factischen Elements nicht ausgeschlossen, das Letztere würde ohne eine sinnliche Grundlage des Besitzes, die mit dem Tode aufhört, geradezu unmöglich sein. Wollte man aber in diesem „dualistischen“ Besitzverhältniss gar das einzige Sachenrecht und in dem Eigenthum eine blosse Actio sehen, so entstünde die Monstrosität entweder eines Besitzschutzes durch die Eigenthumsklage, oder einer Eigenthumsklage ohne rechtliches Fundament, also ein Rechtszustand, in dem es kein Privateigenthum gäbe.

Fassen wir jetzt das Resultat dieser langen Reihe von Verhandlungen zusammen.

Detention einer Sache ist an sich ein Factum und bleibt es auch für die Rechtswissenschaft, so lange es sich nur um die negative Seite dieser Thatsache, die mit ihr verbundenen Pflichten die detinirte Sache vorzuzeigen oder zu restituiren handelt. Daran zweifelt Niemand.

Wie aber, wenn diese Thatsache zum juristischen Besitz, wie wir zu sagen pflegen, also zur Voraussetzung des Rechts der Besitzvertheidigung und Ersitzung erhoben wird, wenn der possessor nicht mehr als Beklagter in der Vindication auftreten, sondern als Kläger das Richteramt um Schutz einer eigenen Macht anrufen will? Das ist die streitige Frage.

Wir nennen eine Macht rechtlich, wenn sie uns rechtlicher Ordnung nach gebührt, obgleich wir sie nicht üben; wir nennen sie factisch, wenn wir sie üben, obgleich sie uns vielleicht nicht zusteht. So schreiben wir dem Eigenthümer unbedenklich eine rechtlich Macht


(588) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

zu, weil ihm die Sache von Rechts wegen gehört. Wie also steht es um die Macht des Besitzes?

Dass der Besitz in dieser positiven Function seine Herkunft ganz verleugnen sollte, ist undenkbar. Er wird also auch als Macht immer noch mit dem angeborenen Charakter einer natürlichen (sinnlichen, körperlichen und geistigen) Herrschaft des Individuums auftreten, er wird durch Gewalt und List erworben, obgleich durch eine Rechtsverletzung keine Rechte entstehen können, er wird mit dem Tode des Besitzers erlöschen, er wird Kindern, Wahnsinnigen, juristischen Personen unzugänglich bleiben, weil er an dem natürlichen Menschen, nicht an dem Rechtsbegriff der Person haftet.

Aber schon in dieser natürlichen Macht ist ein rechtliches Element enthalten, sonst wären alle Interdicte Klage ohne rechtliches Fundament. Es liegen in ihr Ansprüche auf Anerkennung, Erhaltung, Entschädigung. Dieses rechtliche Element als Keim einer übersinnlichen geistigen Macht, eines rechtlichen Gehörens anstatt des thatsächlichen Habens ist einer weiteren Entwicklung fähig und hat diese im römischen Recht, um den Besitzschutz und die Ersitzung auszudehnen (utilitatis causa), im reichsten Masse empfangen (plurimum ex iure mutuatur possessio). Man hat die Fortdauer in Abwesenheit des Besitzers, man hat die ausgedehnteste Stellvertretung (sogar in höherem Grade, wie bei dem Rechte selbst) zugelassen, der Besitz ist an die Person geknüpft worden, so dass (abgesehen von Erbschaften) auch juristische Personen, also reine Rechtsfictionen ohne natürliche Willenseinheit ihn erwerben und haben können, und es ist nur eine natürliche Consequenz dieser Entwicklung, dass er auch den Schranken der Rechtsordnung unterworfen ist, die seinem natürlichen Wesen fremdartig waren, dass mithin freie Menschen, die von Rechts wegen nicht zu sächlicher Unterwerfung, sondern zur Herrschaft


(589) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 6. Num. 19.

berufen sind, dass eigenthumsfähige Sachen, welchen das Recht eine höhere Bestimmung anweist, alles entgegenstehenden Besitzwillens und Machtverhältnisses ungeachtet nicht mehr besessen werden können.

In demselben Masse legt der Besitzschutz seine factische Natur allmälig ab. Die anfängliche eigenmächtige Abwehr der Gewalt weicht der vermittelnden Macht des Interdicts, und wie die Manus consertae im Interimsbesitz nur noch symbolischer Ausdruck der Willensentzweiung sind, so nehmen die possessorischen Interdicte zur Erhaltung des Besitzes immer mehr den Charakter eines wahren Rechtsstreits an.

Fassen wir Beides, die natürliche Herrschaft und das in ihr enthaltene immer weiter entwickelte Rechtselement in Einen Ausdruck zusammen, so müssen wir eine Doppelnatur des Besitzes anerkennen. Diesen zwiefachen Charakter hat das vorliegende Werk von jeher durch die Formel „der Besitz ist Factum und Recht zugleich“ §. 5. darzustellen versucht, neben welcher der S. 58. gebrauchte Ausdruck, dass der Besitz „in Wahrheit kein Recht ist“ , nur den Anfang des Ablösungsprocesses von den ursprünglichen Grundlagen andeutet.

Eine unbefangene Würdigung wird anerkennen müssen, dass ein anderes Resultat auch durch die Verhandlungen seit der 6. Auflage nicht erzielt ist. Die meisten haben nur die ohnehin unbestreitbare Wahrheit wiederholt, dass jener Rechtsgrund der possessorischen Interdicte ursprünglich in dem Besitzwillen zu suchen ist, – wie etwa in dem Interdict Quod vi aut clam schon der Wille, einen factischen Zustand zu erhalten, gegen den Bruch des Rechtsfriedens durch Gewalt und List geschützt wird, – und dass dieses ius possessionis als ein in Gelde schätzbarer, mithin dem Eigenthum verwandter Vortheil, erst in weiterer Entwicklung im Rechtsverkehr


(590) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

auch an die Person geknüpft und als abgeleiteter Besitz der Uebertragung auf Andere fähig wird.

Unter allen Umständen aber bleibt der Schutzanspruch des juristischen Besitzes ein relativer, er ist nur gegen Den gegeben, welcher durch Gewalt und List den Besitzwillen direct oder indirect verletzt und selbst gegen diesen nur insofern der Besitzer ihm nicht selber den Rechtsfrieden gebrochen hat. Nun ist aber Relativität des Anspruchs eben das eigenthümliche Merkmal, welche die Obligation von dem absoluten Rechte gegen Dritte unterscheidet. Mithin muss dieser obligatorische Charakter auch für das ius possessionis behauptet werden. In der That ist nun auch der Delictscharakter der recuperatorischen Interdicte offenbar, und nur über den Anspruch des unverletzten Besitzes auf Abwehr von Gewalt und List vor der That könnte ein Zweifel bleiben. Allein auch dieser Anspruch setzt eine wenigstens drohende Ruhestörung voraus und die Fassung der künstlichen Doppelinterdicte beweist, dass der Ausgangspunct des Besitzstreits auch bei ihnen nur in einer solchen Gefahr gefunden wird.

In wesentlicher Uebereinstimmung mit dieser Auffassung hat das römische Rechtsbewusstsein jeden dinglichen Charakter des Besitzes von jeher zurückgewiesen: „possessio, “ sagt Aelius Gallus, „est usus quidam agri aut aedifici, non ipse fundus aut ager. non enim possessio est in rebus quae tangi possunt, nec qui dicit se possidere, is suam rem potest dicere. itaque in legitimis actionibus nemo ex iure Quiritium possessionem suam vocare audet, sed ad interdictum venit, ut praetor utatur his verbis uti nunc possidetis eum fundum, q(uo) d(e) a(gitur), quod nec vi nec clam nec precario alter ab altero possidetis, ita possideatis, adversus ea vim fieri veto“ (1).

(1) Festus v. Possessio p. 233.


(591) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 6. Num. 19.

Ein Platz im Sachenrecht gebührt dem Besitz demnach nur insofern, als er von dem universalen Standpunct aus, welcher das System von der Monographie unterscheidet, als eine natürliche und wenigstens gegen Gewalt und List wenn auch nur obligatorisch geschützte Macht über die Sache betrachtet werden kann. Dabei wird jedoch vorausgesetzt, dass er, der römischen Auffassung entsprechend, nicht über das Gebiet der dinglichen Rechte erweitert wird (1).

Es ist erfreulich, das Wesentliche der hier vertretenen Anschauung auch von dem Standpunct einer allgemeineren Betrachtung bestätigt zu finden. „Der Besitz, “ sagt Trendelenburg (Naturrecht auf dem Grunde der Ethik. 1860. S. 172. §. 95.), „gegen die Ansprüche des Eigenthümers weichend, hat dennoch ein Recht gegen heimliche und gewaltthätige Wegnahme in sich. Auch den unrechtmässigen Besitzer schützt das consequent ausgebildete Recht gegen gewaltthätige Entsetzung oder heimliche Entwendung, und zwar selbst ohne Rücksicht auf ein besseres Recht dessen, der die Gewalt oder List übt. Diese Berechtigung eines selbst unrechtmässigen Besitzers ergiebt sich als nothwendig, wenn man betrachtet, was ohne sie für die Rechtsgemeinschaft entstehen würde; denn Eigenmacht, Selbsthülfe, Verdunkelung der Thatsachen für das Eigenthumsrecht wären die Folgen. Schwieriger und streitiger ist der innere Grund der Sache, welcher im Begriff des Besitzes aufgesucht werden muss. Von Seiten der Person sind im Besitze wesentliche Bedingungen zum Eigenthum vollzogen, der Besitzer hat die Sache inne und giebt den Willen kund, sie als bleibendes Werkzeug mit seiner Person zu vereinigen. Diese Anfänge eines möglichen Eigenthums haben gegen Eingriffe ein inneres Recht. Das Gesetz

(1) Vgl. System des heutigen Röm. Rechts, I. S. XL.


(592) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

wahrt daher in dem Besitz potentielles Eigenthum, bis bewiesen ist, dass Bedingungen dem Besitze fehlen, welche hinzutreten müssen, um den Begriff des Eigenthums zu erfüllen. Durch diesen Schutz des Besitzes schärft zugleich das Gesetz die Wachsamkeit des Eigenthümers, um sich im Besitz zu erhalten und fördert dadurch den innern Zweck des Eigenthumsrechts.

Das Vertrauen, die sittliche Bedingung des Verkehrs, fordert, dass ein Besitz, welcher in gutem Glauben erworben ist, nicht zu Schaden komme und der redliche Besitzer nicht für den guten Glauben büsse. In der positiven Gesetzgebung werden daher die beiden zusammenfallenden Zwecke, welche zu wahren sind, gegen einander ausgeglichen und das positive Recht, z. B. das römische und deutsche, trifft nach der verschiedenen Auffassung beider Zwecke, jenachdem ihm die Strenge des Eigenthums oder das Vertrauen im Verkehr schwerer wiegt, an diesem Kreuzungspunct verschiedene Bestimmungen.“

Die Sache steht nun also vollständig so:

Ein reines Factum, d. h. eine einzig nur sinnliche, körperliche natürliche Herrschaft ist allein die Detention.

Ein reines Recht, ein von aller leiblichen Umgebung befreiter, aller sinnlichen Herrschaft baarer Anspruch ist allein das Besitzrecht (ius possessionis), d. h. der Schutzanspruch des detentionslosen Besitzers.

Ein gemischtes Verhältniss ist der ersitzungsfähige und schutzberechtigte körperliche Besitz, die eigentliche possessio: dieser ist Recht und Factum zugleich.

Num. 20.

(Zu Seite 78. Note 2. a. E.)

Pfeifer (S. 33. f.) hat gegen die obige Erklärung von denique an sicht nichts einzuwenden, behauptet aber gleichwohl den Civilbesitz des Faustpfandgläubigers. Dann aber würde denique den Einwurf non solum eum qui


(593) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 7. Num. 21.

civiliter erklären, welchen doch Ulpian durch sämmtliche Beispiele der L. 3. §. 15. und der folgenden L. 5. pr. §. 1. 2. D. ad exhibendum beseitigen will.

Num. 21.

(Zu S. 80. Noten-Col. 2. Zeile 11. v. u.)

In seiner letzten Schrift (Archiv XXIII. S. 178.) erwiederte Thibaut: „Die Entsetzung der Frau kann sich zwar der Ehemann als solcher zu Gemüthe führen, jedoch nicht als ob er in eigener Person als possessor entsetzt wäre; aber weil er nun einmal kein possessor ist und der Pachter der Ehefrau sein Herz nicht berührt, so kann er wegen Entsetzung desselben weder auf der einen noch auf der andern Seite sich das int. unde vi verschaffen. Diese feinen Dinge konnten aber nur in Beziehung auf ungültige Schenkungen unter Ehegatten in Frage kommen.“ – Ulpian soll nämlich Diejenigen belehren wollen, welche (unrichtiger Weise) Nichtigkeit der Besitzschenkung und deshalb Fortdauer des Besitzes für den Mann annahmen. Schade nur, dass er von „diesen feinen Dingen“ kein Wort sagt, sondern es nur für gleichgültig erklärt, ob der Dejicirte pro suo oder pro possessore besitzt wie die beschenkte Ehefrau (L. 13. §. 1. D. de hered. pet.), deren Besitz civilrechtlich (als Usucapionsbesitz) nicht anerkannt ist.

Pfeifer (S. 45. 46.) erklärt die Stelle so: Die Frau hat juristischen Besitz, da dieser jedoch durch das positive Recht entkräftet wird, so bleibt ihr nur natürlicher Besitz. Dieser reicht aber zum Int. de vi völlig aus, da dasselbe auch dem Detentor zusteht. Nur muss die Frau selbst besitzen, denn wenn sie verpachtet hat und ihr Pachter dejicirt wird, so hat sie überall keinen Besitz mehr: da ihr der juristische nicht zu Gute kommt, der natürliche aber von ihr aufgegeben ist. – Diese Erklärung findet Pfeifer „natürlicher“ , als die S. 80. aufgestellte.


(594) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Leider enthält sie so viele Irrthümer als Behauptungen: 1. Die „Entkräftung“ der Besitzschenkung erfolgt nicht durch Nullität, sondern durch eine Condiction (L. 6. D. de don. inter V. et U.), folglich erhält die Frau die Interdicte, nur ohne das Recht der Besitzzurechnung im alten Int. utrubi; darauf allein geht L. 46. D. eod. aus Ulp. lib. 72. ad edictum, dem Commentar zum Interdictum Utrubi. Eine Nullität wäre nach L. 1. §. 4. de poss. L. 22. §. 1. D. de precario völlig unmöglich; denn der Ehemann hat wenigstens zu ihren Gunsten auf den Besitz resignirt, so dass sie selbst ihm gegenüber sofort iusta possessio und mit der Zeit sogar das Uebergewicht im Interdict erlangt. Nichtig ist also nur die Schenkung des ehemännlichen Besitzes, nicht des Besitzes überhaupt. 2. Dem Detentor steht nur das exceptionell verschärfte int. de vi armata zu, während das quotidianum sogar ausdrücklich die Clausel cum ille possideret enthält §. 40. 3. Bei Dejection des Pachters behält der Verpachter das Interdict (L. 1. §. 22. L. 20. D. de vi), schon deshalb kann nicht der Pachter der Frau gemeint sein.

Vangerow §. 199., welcher ebenfalls den juristischen Besitz der Ehefrau läugnet, erklärt das Interdict aus zwei ganz speciellen Gründen: 1. weil sie doch wenigstens nicht, wie der Pachter, auf fremden Namen besitze; 2. weil sonst Niemand klagberechtigt sein würde. Allein Detention auf eigenen Namen wäre schon juristischer Besitz und Nichtberechtigung Dritter ist kein Grund, das gleichsam herrenlose Gut der Frau zu schenken; die Worte quid attinet dicere non possidere mulierem, cum maritus ubi noluit possidere protinus amiserit possessionem L. 1. §. 4. de poss. setzen nach L. 34. pr. in fin. eine bedingte Resignation für die Frau voraus.

Zielonacki (S. 63.) meint: die Worte nam et naturalis possessio ad hoc interdictum pertinet „drücken nicht aus, dass das int. de vi dem Detentor zusteht“ ,


(595) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 7. Num. 22-24.

sondern, das dieses unrichtig wäre, seien sie unpersönlich zu nehmen, so dass „die Dejection eine solche Handlungsweise ist, die auch gegen den Detentor gerichtet werden kann.“ Dieser sehr selbstverständliche Satz hätte aber ganz anders (etwa durch ad deiectionem pertinet) ausgedrückt werden müssen.

Num. 22.

(Zu S. 81. Noten-Col. 1. Zeile 8. v. u.)

Und die L. 13. §. 1. D. de hered. pet.

Num. 23.

(Zu S. 81. Note am Schluss.)

Pfeifer (S. 44.) versteht unter der donatio possessionis das Precarium und citirt dafür L. 1. §. 1. 2. D. de precario, wo gerade vor dieser Verwechslung gewarnt wird.

Num. 24.

(Zu S. 82. Note 1. a. E.)

Dasselbe muss von folgenden Schriftstellern behauptet werden:

1. Pfeifer (S. 35-46.), welcher „bedauert, dass er (Savigny) den Sinn derselben nicht begreift“ ;

2. Huschke (Zeitschr. für gesch. Rw. XIV. 1848 S. 195-201.), der eine unerfindliche dritte Anwendung auf die Erbschaftsklage hinzufügt;

3. Levi de Hartog ad regulam Nemo cet. L. B. 1859. 87 Seiten 8°, der die praktische allgemeine Anwendung weitläufig vertheidigt;

4. Schirmer in Linde’s Zeitschrift Neue F. XI. (1854.) S. 433-464., welcher unter causa nicht den Anfang, sondern „den rechtlichen Charakter“ des Besitzes versteht und in dem alten Rechtssprichwort nur die völlig


(596) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

unbestimmte Warnung sieht, dass der Besitz „nicht rein in das subjective Belieben des Besitzers gestellt sei“ ; Gegenbemerkungen gegen Schirmer macht Baron in Jhering’s Jahrb. VII. Seite 156-160.; endlich

5. M. Levy (Linde’s Zeitschr. N. F. XIX. (1862.) S. 354. Note 11., S. 359. Note 19.), welcher in der alten Regel ein Surrogat des Ausschlusses der res furtivae und vi possessae sowie der malae fidei possessio bei jeder Usucapion erblickt. Er ist nämlich mit Stintzing überzeugt, dass das älteste Recht das Erforderniss der bona fides bei der Ersitzung überhaupt nicht gekannt habe und scheint daher gleich Stintzing keine Vorstellung davon zu haben, dass die Usucapion der Erbschaft eine spätere durch Juristenrecht (jus civile) eingeführte Ergänzung der mangelhaften gesetzlichen Delation (Gai. 3, 18-25.) des Erbrechts enthält. Dieses Surrogat ist aber ein exceptionelles Institut, dessen ganz eigenthümliche scientia und improbitas (Gai. 2, 55. 56.) gerade jede Beschränkungen nothwendig machten, die sich bei der alten regelrechten Usucapion von jeher von selbst verstanden.

Num. 25.

(Zu S. 84. Zeile 5. v. u.)

Pfeifer (S. 35. 47.) hat diese Worte gänzlich missverstanden, wenn er durch dieselben die Anwendung auf den b. f. possessor ausgeschlossen glaubt, weil sonst ein Widerspruch Julian’s mit sich selbst entstünde. Es ist gar nicht von dem alten, sondern von dem neuen lucrativen Usucapionsbesitz die Rede.

Num. 26.

(Zu Seite 84. Note 1. a. E.)

Hinter „verglichen werden“ ist L. 10. fin. D. si pars, hinter §. 19. 20. ist L. 18. pr., hinter L. 19. §. 1. de poss. ist L. 30. §. 2. D. de usurp., hinter L. 6. §. 3.:


(597) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 7. Num. 26.

L. 22. pr. und am Schluss: L. 23. C. de loc. et cond. und L. 5. C. de poss. hinzuzusetzen. In allen diesen Stellen ist allerdings eine weitere Verwendung als Entscheidungsgrund späterer Responsa unläugbar. Ja schon Cassius führte den Satz auf sie zurück, dass sich der titellose Besitz der beschenkten Ehefrau (pro possessore) nicht ohne Weiteres mit der Ehescheidung in usucapionsfähigen Schenkungsbesitz verwandeln könne. Allein Julian giebt nur zu, dass die Ehefrau erwerbe (L. 1. §. 2. D. pro donato), gleichwohl hält er fest, dass der Grund der Regel im Sinn der Veteres nur der sei: die lucrative Erbschaftsersitzung (und Usureception) auszuschliessen (L. 33. §. 1. D. de usurp. „nec vivo nec mortuo domino“). Die vulgäre Verwerthung (vulgo respondetur) verstiess nämlich gegen die Warnung, aus Regeln Rechtssätze abzuleiten (L. 1. D. de reg. iur.), so sehr, dass sie sogar auf jedes einzelne Wort der Regel drückte. (L. 5. C. de poss. (nemo) L. 18. pr. D. eod. (sibi) L. 3. §. 19. 20. eod. (ipse) L. 23. C. de locato u. a. m.)

Eine bisher noch nicht genug gewürdigte Bestätigung erhält die Erklärung des Verf. durch den Rechtsfall bei Papinian lib. 6. Quaestionum L. 10. D. si pars (5, 4). Ein Haussohn, dessen abwesender Vater in einem Testament zum Partialerben ernannt ist, nimmt die Erbportion in Besitz, um sie für Rechnung seines Vaters zu verwalten. Da er nicht weiss, dass dieser bereits vor dem Erblasser verstorben, mithin die Portion den Miterben des Vaters zugewachsen war, und da er eben jener Unkunde wegen nicht daran denken konnte, die Erbportion für sich selbst als Erbe oder als Erbschaftsbesitzer ohne Titel in Anspruch zu nehmen, so haftet er den Miterben des Vaters lediglich als Geschäftsführer. Wie aber, wenn er den Tod seines Vaters erfährt und nunmehr als Erbe desselben die Erbportion sich selbst zueignen will, indem er behauptet, sein verstorbener Vater habe den Testator


(598) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

überlebt und jene Erbschaftsquote erworben? Man könnte glauben, die Regel Nemo sibi causam müsse die einseitige Besitzumwandlung um so mehr ausschliessen, als sie ja selbst auf die Detention des Geschäftsführers Anwendung leide. Allein aus zwei Gründen muss dies verneint werden: erstlich, weil der Geschäftsführer, welcher eingehobene Kaufgelder für veräusserte Erbschaftssachen als Erbe beansprucht, nicht etwa erbschaftliches Eigenthum, sondern eine erbschaftliche Forderung bestreitet, mithin keine corporis, sondern nur eine juris possessio erwirbt, die niemals zur Usucapion führen kann; zweitens, weil er als Erbschaftsschuldner der Erbschaftsklage unterworfen bleibt, also unter keinen Umständen einen Gewinn macht. – Das Resultat ist: dass selbst noch Papinian die Beziehung der Regel auf die alte unrechtliche lucrativa usucapio festhält.

Num. 27.

(Zu S. 85. Zeile 3.)

Hartog p. 4. not. 5. begreift nicht, weshalb nicht der Detentor usucapiren solle, da es jeder Dritte könne, der nicht einmal Detention hatte. Allein die Usucapion des Dritten, z. B. eines Cognaten, ist Surrogat der Delation, die des Detentors wäre Verletzung einer erbschaftlichen Forderung, die nur gerechtfertigt ist, wenn der Detentor als juris possessor das Erbrecht für sich in Anspruch nimmt. L. 10. D. si pars. L. 13. §. 15. L. 16. pr. D. de hered. pet. L. 7. C. eodem.

Zielonacki S. 65. meint: die L. 2. §. 1. D. pro herede lasse sich mit der Ansicht des Verf. unmöglich in Einklang bringen, da sonst der letzte Satz, welcher entschieden nicht von den Interdictenbesitzern, sondern von den einfachen Detentoren redet, in keinem logischen Zusammenhange mit dem vorhergehenden Satze stehen würde. „Wer wird so sprechen (sagt er): den Usucapionstitel


(599) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 7. Num. 27.

kann weder der Usucapionsbesitzer noch der Interdictenbesitzer (?) sich eigenmächtig schaffen und demgemäss können blosse Detentoren, als da ist ein Colonus, ein Depositar, ein Commodatar u. s. w. die im Momente des Todes des Erblassers detinirten Sachen nicht ersitzen.“ Hätte Zielonacki bei naturalis possessio im Gegensatz der civilis possessio an den Nichtusucapionsbesitzer überhaupt und nicht an den Interdictenbesitzer allein gedacht, so wäre die Logik gerettet gewesen. Sein juristisches Bedenken, dass die Interdictsbesitzer ganz übergangen sind, erledigt sich wohl am einfachsten dadurch, dass der Dieb und Räuber ohnehin schon pro possessore besass, also eine mutatio possessionis bei ihnen gar nicht nöthig war, um lucri faciendi causa pro herede usucapiren zu können. Den Detentoren aber fehlte sogar der zur Usucapion erforderliche Aneignungswille, dieser konnte also nur in Folge einer mutatio eintreten, man liess sie aber deshalb nicht gelten, weil darin zugleich ein Vertragsbruch, also ein höherer Grad von mala fides gelegen hätte, den eben jene Regel ausschliessen wollte: L. 33. §. 1. D. de usurp. Cum haec igitur accipiantur in eius persona qui possessionem habet: quanto magis in colono recipienda sunt, qui nec vivo nec mortuo domino ullam possessionem habet? Anders ist es also, wenn der Pächter die Sache kauft, weil er dann nicht einseitig seinen Besitztitel ändert: et certe si colonus mortuo domino emerit fundum ab eo qui existimabat se heredem eius, vel bonorum possessorem esse: incipiet pro emptore possidere.

Baron, Beitrag zum Verständniss der Regel nemo sibi causam possessionis mutare potest (Jhering’s Jahrbücher VII., Nr. III. §. 13. S. 155-162) ist der Ansicht: der Satz „Quod vulgo respondetur causam possessionis neminem sibi mutare posse sic accipiendum est, ut possessio non solum civilis sed etiam naturalis intelligatur“ rühre gar nicht von Julian her, sondern sei erst


(600) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

von den Compilatoren eingeschoben. Bei Julian selbst sollen sich erst die folgenden Worte: „Et propterea responsum est neque colonum neque eum apud quem red deposita est aut cui commodata est lucri faciendi causa pro herede usucapere posse“ an den Schluss der L. 33. §. 1. D. de usurp. (41, 3) angeschlossen haben und nur das Beispiel der Erbeinsetzung durch den Eigenthümer oder des gutgläubigen Kaufs des Colonen soll zwischen beiden Stellen ausgefallen sein. – Es war dem Verf. um die Behauptung zu thun: dass kein klassischer Jurist die Regel nemo sibi causam auf den Detentor bezogen habe (S. 161, 162). Das einfachste Mittel, diesen Satz zu begründen, schien ihm die Umkehr der Worte des klassischen Juristen, dessen propterea er durch „dahingegen“ wiedergibt. Aber der §. 2. filium quoque donatam rem a patre pro herede negavit usucapere Servius: scilicet qui existimabat naturalem possessionem penes eum fuisse beweist, dass Julian jene Eingansworte wirklich geschrieben hat. Und abgesehen von diesen Bedenken, welche sich gegen das kritische Verfahren des Verf. erheben, fehlt es dem Satze selbst, welcher durch dasselbe gewonnen werden soll, an jeder innern Begründung. Denn es ist nicht nur kein Grund abzusehen, den Detentoren die improba usucapio (1) zu erleichtern, sondern die Verwerfung der usureceptio des Pächters (Gai. 2, 60) beweist geradezu, dass man nicht daran dachte, die Untreue jeder Mittelspersonen des wahren Erben (2) zu prämiiren.

(1) Die Unterschlagung des Depositars (L. 1. §. 2. L. 67. pr. D. de furtis (47, 2.) L. 3. §. 18. D. de poss. (41, 2.) hat mit der Rechtsregel Nemo sibi causam nichts zu schaffen.

(2) L. 30. §. 5. D. de poss. (41, 2) quod pro emptore possideo, per colonum etiam usucapiet heres meus. Cicero pro Caecin. 32, 94. dubium non est, quin, so Caesennia tum possidebat, cum erat colonus in fundo, post eius mortem heres eius eodem iure possideret.


(601) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 7. Num. 28. 29.

Num. 28.

(Zu S. 88. Note 2. a. E.)

Pfeifer S. 34. wendet ein: „mit der einen Abgeschmacktheit rechtfertigt er (Savigny) die andere“ und „Auch der beschränkteste Kopf würde eine solche Rede augenblicklich als ein verrücktes Geschwätz erkennen und wenn es je einem Gesetze einfiele, bloss den Usucapionsbesitzer mit der a. ad exhibendum belangen zu lassen, so würde wohl Niemand anstehen, dieses für unvernünftig zu erklären.“ Aber wie käme dann Javolenus (welcher zwar zeitweise an Geistesstörungen gelitten haben soll, aber selbst von Pfeifer nicht zu den beschränktesten Köpfen gerechnet werden wird) darauf, vor einer Belangung des Usucapionsbesitzers zu warnen? (L. 16. D. de usurp.) – Die Sache ist diese: Die a. ad exhibendum (wie längst von Puchta bemerkt) wurde eingeführt, um die Vindication vorzubereiten und die Usucapion zu unterbrechen, dergestalt, dass die Darstellung einer usucapirten Sache nur dann als Exhibition angesehen wird, wenn der Besitzer die Berufung auf Usucapion im Vindicationsprocesse fallen zu lassen erklärt (Ulp. L. 1. 2. L. 7. §. 3. L. 9. §. 6. ad exhibendum). Danach also wäre im Grunde der Usucapionsbesitzer und Contravindicant der richtige Beklagte (possessor). Aber vorweisen und herausgeben kann doch wieder nur, wer die Sache körperlich inne hat. Daher wurde die Vindication und a. ad exhibendum als einfache Klage gegen jeden Detentor zugelassen. (L. 9. D. de rei vind. L. 5. §. 6. L. 7. §. 1. 2. D. ad exhibendum.) Dadurch entstanden bei dem Faustpfand jene Zweifel über die Passivlegitimation des „possessor“ , die Ulpian in den betreffenden Stellen entscheiden will.

Num. 29.

(Zu S. 105. Noten-Col. 1. Zeile 10. v. u.)

Eine etymologische Untersuchung enthält die Gratulationsschrift zum 50jährigen Doctorjubiläum des Verf.:


(602) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

„Das Wort des Besitzes. Eine linguistische Abhandlung von D. Jacob Grumm. Berlin 1850.“

Molitor pag. 18. meint: „En effet la particule po, qui n’est usitée en latin que jointe à un autre mot, tend à renforcer, comme les particules ποτι, προς, d’où elle derive, l’action ou l’idée exprimée par le mot principal; de telle sorte que si sedere veut dire s’asseoir, possidere signifie sedes ponere, insistere. En allemand et en flamand la particule be dans sitzen – joue le même rôle que po en latin. Il en est de même du grec χατοχή u. s. w.“

Total missverstanden ist die L. 15. §. 1. qui satisd. cog. von dem preussischen Kritiker der 6. Ausgabe S. 72., der sie vom „getheilten Eigenthum“ erklärt, unter dem qui solam proprietatem habet „den Eigner (proprietarius)“ versteht und zu dem Resultat gelangt, „dass die Römer den Emphyteuta nicht minder als den Eigner als Besitzer der Sache ansahen und deshalb beiden die Interdicte zusprachen.“

Num. 30.

(Zu Seite 109. Zeile 3. v. u.)

Pfeifer S. 65. citirt diese Stelle folgendermassen: „Sav. sagt: Um als possessor zu gelten, muss man das Eigenthum an der Sache ausüben mit der Absicht, es als eigenes Eigenthum, nicht als fremdes auszuüben“ , und fügt dann hinzu: „Mir wird von Allem dem so dumm, als ging mit ein Mühlrad im Kopfe herum. Kann man denn auch fremdes Eigenthum an einer Sache ausüben?! Wohl kann man das Eigenthum an einer fremden Sache ausüben – aber was fremdes resp. eigenes Eigenthum an einer Sache ausüben bedeuten soll, das kann ich mir nicht vorstellen.“ – Wenn man nicht besser referirt und nicht schärfer denkt, so kann der Eintritt eines so beklagenswerthen Geisteszustandes eben nicht befremden.


(603) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 9. Num. 31-33.

Num. 31.

(Zu S. 110. Note 2. a. E.)

Böcking, Pandekten §, 123. Note 7 und nach ihm Lenz S. 102. macht die richtige Bemerkung, dass Theophilus selbst den Besitz (τό νέμεσϑαι) nur durch τό ψυχή δεσπόζοντος χατέχειν, also animo dominantis tenere erkläre, während der Ausdruck animo domini tenere erst in der lateinischen Uebersetzung (Fabrot ed. Paris 1638.) vorkomme und erst in der deutschen (Wüstemann II., 259.) „mit der Absicht Eigenthümer zu werden“ übersetzt sei. Die römischen Juristen brauchen animus schlechthin oder mit dem Beisatz possidendi possidentis, possessionis (L. 1. §. 20., L. 3. §. 1. und 12., L. 8., L. 18. §. 3. D. de poss., L. 41. D. de reb. cred.), affectio oder affectus possidendi, tenendi, affectus animi (L. 1. §. 3., L. 3. §. 3. D., L. 3. C. de poss.), sensus (consensus) accipiendi possessionem (L. 32. §. 2. D. eodem), propositum possidendi (L. 18. §. 3. D. eodem), niemals dagegen animus domini. Diese Bemerkung hat jedoch nur einen untergeordneten terminologischen Werth: denn in der That steht in L. 3. §. 7. D. uti poss. (43, 17.) „in quo (coenaculo) alius quasi dominus moretur“ für die Absicht des Eigenthumsbesitzers, im Gegensatz des superficiarischen Rechtsbesitzers, wodurch der Ausdruck animus domini hinlänglich gerechtfertigt wird.

Num. 32.

(Zu S. 112. Note 1. a. E.)

Ein utile interdictum munde vi des bonitarischen Eigenthümers erwähnt L. 18. §. 15. D. de damno infecto.

Num. 33.

(Zu S. 114. Noten-Col. 2. Zeile 2. v. o.)

Frontinus pag. 36., v. 8-15. Lachmann: „vindicant tamen inter se non minus fines ex aequo (also nicht


(604) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

ex jure Quiritium und deshalb auch ohne diesen Zusatz in der Formel) ac si privatorum agrorum (essent).“

Der Zweifel in Betreff der Interdicte bei Frontinus pag. 36, v. 13-15. videbimus tamen an interdicere quis possit de ejusmodi possessione betrifft höchstens die unveränderte Fassung; denn die Zulässigkeit an sich wurde nicht bezweifelt: Fragm. Vat. §. 312. L. 18. §. 15. D. de damno infecto.

Num. 34.

(Zu Seite 116. Noten-Col. 1. Zeile 4. v. o.)

Die Beziehung der zweiten Stelle auf Erbpacht ist jedoch nicht unzweifelhaft, vielmehr scheinen dem Zusammenhange nach Provinzialgrundstücke gemeint. Rudorff, gromat. Institutionen §. 67. S. 419.

Num. 35.

(Zu S. 122. Schluss der Note.)

Lenz S. 102 nimmt mit Kierulff (S. 352. 353.) und Böcking (Pand. §. 123. Note S. 450.) in den Fällen des ursprünglichen, wie des abgeleiteten Besitzes nur einen und denselben Besitzwillen an, nämlich den Willen, das Besitzobject zu haben und zu behalten. – Fehlt denn dieser Wille etwa dem verpfändenden Eigenthümer? oder soll man gar mit den ältern Juristen eine possessio in solidum annehmen?

Num. 36.

(Zu S. 125. Note 5. a. E.)

Nur scheinbar widersprechend sind die Urkunden über die Besitzübergabe eines Grabmals mittels Einhändigung des Schlüssels z. B. Orelli n. 4358. Ollaria n. IIII. cineraria n. LIII. – que sunt in monumento – donationis causa mancipio accepit M. Herennius Agricola de T. Flavio Artemidoro HS. N. 1. (sestertio nummo uno)


(605) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 9. Num. 37.

– inque vacuam possessionem earum ollarum et cinerariorum T. Flavius Artemidorus Herennio Agricolae ire aut mittere ossaque inferre permisit, sacrumque, quotiens facere vellit Herennius Agricola heredesque eius, permisit, clavisve eius monumenti potestatem facturum se dixit. Denn da die Bestimmung zum Begräbniss vorbehalten wird, so ist die vacua possessio gar nicht als eigentlicher profaner und privativer Eigenthumsbesitz zu denken.

Lenz S. 91. findet in der vom Verf, gegebenen Erklärung einen fehlerhaften Cirkel, und meint vielmehr, wir könnten solche Gegenstände nicht wollen, von denen wir wissen, dass sie der Sphäre unsers Willens entzogen sind. Allein dass sie nicht dem Willen überhaupt, sondern nur dem Privateigenthum entzogen sind, beweisen die Rechtsmittel, welche statt der Negatoria und der possessorischen Interdicte gegeben werden. (L. 2. §. 2. D. de rel. L. 1. pr. §. 5. D. de mortuo inf.). Der Grund liegt also in der Bestimmung, welche ihnen durch die objective Rechtsordnung zugetheilt ist, die freilich Lenz überhaupt nicht gelten lässt.

Num. 37.

(Zu S. 131. Note 1. a. E.)

Neuerdings läugnet Arndts (Linde’s Zeitschr. 1847. N. F. III. 9.) (mit Recht) den abgeleiteten Besitz des Emphyteuta, während Bruns S. 10. den Besitz des Superficiars (mit Unrecht) als Eigenthumsbesitz auffasst, weil der Superficiar gegen die Regel de mero iure nemo detrudi potest das Interdict de vi habe. – Da die Superficies ein corpus ist, und da die Worte cum ille possideret in der neuern Formel des Int. quotidianum wegfallen, so stand der Anwendung auf den Superficiar nicht mehr entgegen, dass dieser den Eigenthumsbesitz nicht hat.


(606) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 38.

(Zu S. 134. Note 1. a. E.)

Eine handschriftliche Aufzeichnung des Verf. lautete: „s. dagegen Rosshirt Archiv XXI. (1838) S. 242 (scheint nicht unbedeutend)“ . Bei näherer Betrachtung ergiebt sich jedoch, dass Rosshirt in der Idee der Ableitung eine gefährliche Fiction erblickt, während sie in der That eine unbestreitbare Wahrheit enthält.

Num. 39.

(Zu S. 138. letzte Zeile.)

Ehe von den seit der 6. Ausgabe über den abgeleiteten Besitz aufgestellten Meinungen Nachricht gegeben werden kann, muss eine allgemeine Vorbemerkung vorausgeschickt werden.

Da der geschützte Besitz ein in Geld schätzbarer und dem Rechte verwandter Vortheil ist, so wird er gleich diesem ein Gegenstand des rechtlichen Verkehrs und jenachdem die praktischen Bedürfnisse, welche durch ihn zu befriedigen sind, es erheischen, entstehen die mannigfaltigsten Besitzgeschäfte.

Will nun der Eigenthümer den Besitz behalten und seinem Gläubiger nur das Besitzergreifungsrecht zusichern, so trennt er die Detention von ihrem rechtlichen Schutz und räumt dem Gläubiger nur entweder die eigenmächtige Apprehension (durch pactum de ingrediendo) oder den Anspruch auf polizeilichen Schutz gegen gewaltsamen Widerstand (mittels eines Interdictum adipiscendae possessionis) durch Bestellung einer Hypothek ein.

In vielen und wichtigen Fällen wird es aber dem Erwerber auf den Besitz selbst ankommen, und der Besitzer vielleicht nicht abgeneigt sein, sich desselben zu


(607) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 9. Num. 39.

Gunsten eines Andern zu begeben. Zu diesem Zweck bedarf es eines jener im §. 5. S. 46. Note 4-6 erwähnten Besitzgeschäfte, durch welche der Besitz selbst zwar nicht übertragen (denn dies würde seinem Wesen widersprechen), aber doch im Interesse eines Andern aufgegeben, mit andern Worten diesem überlassen, „cedirt“ wird (1).

Dergleichen Geschäfte nun kann selbst der nicht besitzende Eigenthümer mit dem Besitzer schliessen, denn wenn nur nicht das Eigenthum, welches er schon hat, sondern der Besitz den Gegenstand ihrer Uebereinkunft bildet, den er eben nicht hat, so steht natürlich die Regel Rei suae emptio u. s. w. non valet der Wirksamkeit nicht entgegen.

Das praktische Interesse für den Eigenthümer, welcher der Ersitzung nicht mehr bedarf, besteht in dem Schutz des Besitzes und Quasibesitzes durch diejenigen Interdicte, welche eine längere Dauer voraussetzen (2). Dahin gehört bei beweglichen Sachen das alte Int. Utrubi (3), bei unbeweglichen das int. de itinere und de aqua (4). Seitdem Justinian in dem erstern den momentanen Besitz für genügend erklärt hat, ist freilich die Besitzzurechnung (accessio possessionis) im Int. Utrubi durch Interpolation auf die Ersitzung übertragen, und dadurch das Verständniss des Besitzrechtes vielfach erschwert worden.

Treten wir nach dieser allgemeinen Betrachtung nunmehr dem abgeleiteten Besitz näher, so müssen wir nicht

(1) L. 1. §. 4. D. de poss. Si vir uxori cedat possessione donationis causa, plerique putant possidere eam ...

(2) L. 34. §. 4. D. de contr. emt. ut possessionem emas ... et in iudicio possessionis potior esses. cf. L. 11. §. 13. D. de act. emti.

(3) Gaius 4, 151. Ulp. 72. ad edictum L. 46. D. de don. int. V. et U. und die ganze L. 13. de poss.

(4) L. 3. §. 10. D. de itin. L. 1. §. 37. D. de aqua quot.


(608) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

nur, wie sich von selbst versteht, alle Besitzverletzungen, sondern auch zwei Klassen von Besitzgeschäften hinwegdenken: erstlich alle unwiderruflichen Besitzveräusserungen, wie den Verkauf und die Schenkung; zweitens alle Ueberlassungen des blos natürlichen, passiven, unberechtigten Besitzes (der Detention), wie Commodat, Depositum, Pacht, Detentionsprecarium. In beiden Fällen nämlich bleiben die Besitzverhältnisse völlig normal: im ersten erhält der Nachfolger allein Besitz, während ihn der Vorgänger verliert; im zweiten behält ihn umgekehrt der Constituent und lässt ihn nur durch den natürlichen Besitzer auf seinen Namen ausüben.

Der abgeleitete Besitz beschränkt sich demnach auf die Mittelfiguren widerruflicher Ueberlassungen des juristischen Besitzes auf Zeit (ad diem), unter einer auflösenden Bedingung (ad condicionem) oder unter der Verpflichtung zur Rückgabe.

Ist hier die Dauer der Ueberlassung allein der Willkühr des ursprünglichen Besitzers vorbehalten, so entsteht ein Verhältniss ganz ähnlich der Concession eines Peculiums: der Erwerber ist dem Concedenten gegenüber rechtlos, während der Constituent, wenn ihn der Erwerber seines Besitzes treulos entsetzt, aus dem fortbestehenden Besitzschutzrecht auf Wiedereinsetzung klagt. Dritten gegenüber hat zwar der Erwerber die Interdicte, da aber der Concedent, so lange der Erwerber ihn nicht entsetzt, jeden Augenblick die Vergünstigung einziehen kann, so braucht er dessen Klage nicht abzuwarten, sondern kann die Klage gegen den Dritten sofort selbst gebrauchen. Dieses Verhältniss wird vermuthet, wenn die Besitzüberlassung auf Ersuchen (precarii rogatio) des Erwerbers erfolgt ist: vorausgesetzt, dass die Bitte nicht allein auf die Detention, sondern zugleich auf die Schutzrechte gegen Störung Dritter gerichtet war (rogatio, ut possideret, non ut in possessione esset).


(609) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 9. Num. 39.

Anders wirkt die Besitzabtretung, wenn der Erwerber das Recht erhält, bis auf eine gewisse Zeit, oder bis zum Eintritt eines gewissen Ereignisses den Besitz zu behalten, z. B. bei Fiducia und Pignus bis zur Bezahlung der Pfandschuld, bei dem Sequester bis zur Entscheidung des Rechtsstreits oder der Wette. In diesen Fällen liegt eine temporäre oder resolutiv bedingte partielle Besitzentäusserung vor. Nur ist die Rückgabe zugleich durch Vertragspflicht, bei Fiducia und Depositum überdies durch Ehrenpflicht gewährleistet, selbst bei dem Precarium wird eine Verpflichtung auf Treu und Glauben, wenn auch ohne entehrende Wirkung angenommen.

Man hat für diese Fälle den Ausdruck „anvertrauter Besitz“ in Vorschlag gebracht, um dadurch die unwiderruflichen Besitzüberlassungen auszuschliessen. Da jedoch durch diese der Besitz nicht sowohl abgeleitet, als vielmehr vollständig abgetreten wird, so scheint für eine Abänderung des recipirten und hinlänglich verständlichen technischen Sprachgebrauchs kein Bedürfniss vorhanden zu sein.

Die regelmässige Rechtswirkung jener widerruflichen Besitzüberlassungen müsste nun darin bestehen, dass der Constituent:

Erstlich den Eigenthumsbesitz für die Dauer der Ueberlassung vollständig an den Erwerber verlöre, nach erreichtem Ziel desselben aber den überlassenen Besitz unmittelbar (1) oder durch Rückübertragung (2) wieder erhielte.

Zweitens müsste für den Pfandgläubiger neben dem überlassenen Eigenthumsbesitz an dem Pignus noch ein selbständiger eigener Rechtsbesitz (iuris quasi possessio) anerkannt werden.

(1) L. 6. pr. D. Quib. mod. pign. selv.

(2) L. 17. §. 1. D. de poss.


(610) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Dass das Letztere praktisch überflüssig wäre, da durch den abgeleiteten Eigenthumsbesitz oder den Rechtsbesitz allein schon die Detention und der nöthige Besitzschutz gesichert ist, liegt auf der Hand.

Es fragt sich also nur, ob bei Ueberlassung des Eigenthumsbesitzes eine Anomalie eintritt?

Manche, die mit dem Verfasser der vorliegenden Abhandlung diese Frage bejahen, haben, um die Anomalie recht stark zu betonen, die Ausdrücke „regelmässiger und unregelmässiger, eigentlicher und uneigentlicher Besitz“ statt des „ursprünglichen und abgeleiteten“ empfohlen. Da aber durch diese allgemeineren Bezeichnungen die Ursache der Anomalie nicht ausgedrückt wird, so verdient die herkömmliche Terminologie auch gegen diesen Versuch einer Störung im Besitze geschützt zu werden.

Dass nun für den Constituenten eine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen behauptet werden muss, ergiebt sich daraus, dass er als Pfandschuldner ungeachtet seines animus keine Interdicte hat und ungeachtet des fehlenden Besitzes usucapiren kann.

Eben so abweichend ist aber auch die Stellung des Erwerbers. Die iuris quasi possessio, die er haben müsste, hat er nicht. Er ist nicht quasi possessor des ius pignoris, sondern des ius possessionis. Den Eigenthumsbesitz, den er nicht haben dürfte, hat er wenigstens ad interdicta, und dieser Selbständigkeit ungeachtet ist er dennoch gleich einem procurator in rem suam Stellvertreter des Dominus für dessen Usucapionsbesitz, welcher ja ohne dieses völlig unmöglich wäre.

Für Beide zusammengenommen tritt also gegen die allgemeine Regel §. 11. offenbar ein solidarischer Doppelbesitz wenigstens relativ ein.

Hätten die neuesten Schriftsteller statt einseitig nur den Eigenthumsbesitz des Erwerbers erklären zu wollen, die Anmerkung 2. S. 120. beherzigt und das Ganze ins


(611) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 9. Num. 39.

Auge gefasst, so dürften einige vergebliche Versuche, die Anomalie zu läugnen, weniger entstanden sein.

Die erheblicheren sind nämlich folgende:

Pfeifer (S. 69.) steht in der Meinung: dass eine Veräusserung von Klagen ohne die Mitgabe des Rechtsverhältnisses selbst, welches durch jene Klagen geschützt werden soll, etwas ganz Unerhörtes sein würde. Obgleich nun schon seit einiger Zeit, nämlich seit der Lex Aebutia, Procuratoren nicht mehr ganz unerhört sind, so ist gleichwohl zu Pfeifer’s Beruhigung vom Vf. nur angenommen, dass in dem abgeleiteten Besitz nicht die Klage, sondern das Rechtsverhältniss selbst, der schutzberechtigte Besitz, übertragen werde. Ausserdem soll sich nach Pfeifer S. 76. 89. das „Unding des abgeleiteten Besitzes“ aus L. 36. D. de poss. ergeben, nach welcher der Faustpfandgläubiger so sehr nicht bloss ausnahmsweise, sondern begrifflich juristischer Besitzer sei, dass ihn der Eigenthümer um Erlaubniss bitten müsse, um über die Sache verfügen zu können. Bei etwas weniger oberflächlicher Betrachtung würde sich ergeben haben, dass hier neben dem abgeleiteten schon ein ursprünglicher Ersitzungsbesitz bestand, der durch den precären nur nicht unterbrochen werden soll.

Bruns §. 2. erkennt die anomalische Natur des abgeleiteten Besitzes zwar insofern an, als er die Zulässigkeit willkürlicher Abtretung des Besitzrechts an blosse Verwalter fremden Besitzes, z. B. an den Pächter, in Abrede stellt. Aber er zieht mehrere Fälle des Quasibesitzes unter den abgeleiteten Sachbesitz. Da nun diese eine völlig andere Natur haben, so kann es nicht befremden, dass er auf eine befriedigende erweisliche Darlegung des Principes, auf welcher die Annahme des Besitzes in jenen Fällen und das Verhältniss desselben zum Eigenthum beruht, gänzlich verzichtet, ja dass er schliesslich den abgeleiteten Besitz gewissermassen aufgiebt, indem er sich bei fehlendem Animus mit blosser Detention behilft.


(612) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Zielonacki S. 14. 15. 72. weicht von der hier vertheidigten Ansicht nur darin ab, dass er den abgeleiteten Besitz nicht allein auf den Willen des Eigenthümers, sondern zugleich auf eine „gesetzliche Anerkennung“ zurückführt, vermöge deren der Besitzübergang nur indirect und mittelbar von jenem abhängen würde. Die Unrichtigkeit dieses Princips erhellt schon daraus, dass dem Precaristen willkürlich sowohl Besitz als Detention überlassen werden kann. Indess enthält es das wahre Element, dass die Uebertragung nicht beliebig gestattet ist, sondern, wenn nicht im Gesetz, doch in dem praktischen Bedürfniss und der Natur der Geschäfte eine gewohnheitsrechtliche Schranke findet. Zugleich verdient anerkannt zu werden, dass dieser Schriftsteller den gewöhnlichen Irrthum vermeidet, welcher Uebertragung und Succession in den Besitz identificirt, und weil die letztere dem ursprünglichen Wesen des Besitzes entgegen sein würde, sofort auch die erstere für unstatthaft erklärt.

Lenz (S. 104 f.) giebt weder in Betreff des Besitzwillens noch der Unübertragbarkeit irgend eine Anomalie des abgeleiteten Besitzes zu. Der Besitz soll nur darum unübertragbar sein, weil alle Rechte es sind. (S. 52.) Das Anomalische des abgeleiteten Besitzes soll einzig darin liegen, dass er allein auf Widerruf, also nur zeitweilig und bedingt überlassen wird. Da diese Beschränkungen aber bei jeder Rechtsübertragung in völlig gleicher Art vorkommen können, so würden sie überall keine Anomalie enthalten. Ausserdem versteht sich, dass das ursprüngliche natürliche Wesen des Besitzes, welches erst in dem abgeleiteten Besitz einen rechtlichen Charakter annimmt, auch in dieser Anwendung von Lenz völlig verkannt ist.

Baron (Abhandl. 1860. S. 10. 13. 15.) missversteht den S. 26. 27. 109. gebrauchten Ausdruck „Zustand“ , indem er annimmt, es habe damit behauptet werden sollen: die Detention sei nach römischem Recht ein Zustand


(613) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 9. Num. 39.

ohne jede Willensthätigkeit. Dieses Missverständniss ist wenigstens vom Verf. nicht verschuldet, da derselbe jenen Ausdruck auch für Besitz und Eigenthum verwendet, die doch ganz gewiss keine willenlosen Zustände sind. Indem nun Baron jene vermeinte Behauptung Savignyʼs als richtig anerkennt, beschuldigt er das römische Recht des logischen Fehlers, dass es dem Detentor (Miether, Commodatar) den Besitzschutz gegen dritte Personen versage, während derselbe doch den Willen habe, jeden Anderen ausser seinem Principal von der Sache auszuschliessen. Dieser vermeinte logische Fehler soll zwar durch den abgeleiteten Besitz des römischen Rechts beseitigt sein. Allein dieser enthalte eine Anomalie, für die sich im Systeme als der consequenten Entwicklung eines obersten Rechtsprincips kein Platz finde. Die consequente Lösung gewähre erst das Summariissimum des Detentors, oder im preussischen Recht der Besitzschutz des „Inhabers“. – In der That ist nun das römische Recht so weit entfernt, den Willen des Detentors zu läugnen, dass es den Besitzerwerb durch willenlose Detentoren geradezu für unmöglich erklärt (L. 1. §. 9-14. L. 3. §. 10. D. de poss. 41, 2.). Was dem Detentor fehlt ist lediglich der Wille sich selbst die Sache anzueignen (animus rem sibi habendi). So lange nun einzig dieser Selbstzueignungswille und nicht der Wille überhaupt als Grund des Besitzschutzes anerkannt wird, so lange kann nach juristischer Consequenz der Possessor nicht schutzlos, der Detentor nicht schutzberechtigt sein. Entbehrt also der Verpfänder gleichwohl den Besitzschutz, so kann der Grund nur darin gefunden werden, dass er zu Gunsten des Pfandgläubigers (Sequesters) auf die Besitzrechtsmittel verzichtet hat, denn ohne diese Resignation enthielte die Anmassung des Letztern eine Verletzung der Besitzrechte, welche durch die Besitzrechtsmittel des Verpfänders mit Erfolg bekämpft werden würde. Dass


(614) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

solche Verzichte nicht überall, namentlich nicht bei Zeitpacht und Depositum vorkommen, steht nicht entgegen, denn sobald diese Verhältnisse nicht mehr als reine, folglich mit dem Besitz unvereinbare Obligationen (1) gemeint sind, wie beispielsweise die alte fiducia cum amico contracta (Gai. 2, 60.), ist auch in ihnen Besitzübertragung denkbar. Der abgeleitete Besitz enthält daher nur vom Standpunct des Rechtsbesitzes eine Anomalie, die bei dem Pfandrecht aus der fiducia cum creditore contracta erklärt werden muss, bei Emphyteusis und Superficies aber keiner Erklärung bedarf, weil sie gar nicht vorhanden ist. Aus dem Standpunct der Detention betrachtet, enthält dagegen der abgeleitete Besitz die einzige richtige juristische Construction des Pfand-, Sequestral- und precaristischen Besitzes. Jede Ableitung aus dem Willen des Detentors, also mittels einer Rechtsverletzung, beruht auf einer „specifischen Gestaltung des rechtsphilosophischen Herrschaftsbegriffes“ , die man wenigstens in das Recht nicht einmischen sollte: denn dieses kennt keine andere Logik als die juristische.

Num. 40.

(Zu S. 170. Zeile 2.)

Seit der 6. Ausgabe haben sich folgende Schriftsteller über die Frage ausgesprochen: im Ganzen für die Meinung des Cuperus:

Vangerow, Pandekten §. 99. versteht unter civilis possessio den Besitz, welcher im ius civile Wirkungen hervorbringt, sie mögen sich auf das Civilrecht im engern Sinn oder auf prätorisches Recht gründen. Danach würde also civilis possessio den juristischen Besitz, auch den abgeleiteten, possessio naturalis dagegen die Detention bezeichnen müssen. Gleichwohl soll nach Vangerow der

(1) L. 1. §. 1. D. de superfic. (43, 18.) melius est possidere potius quam in personam experiri.


(615) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 10. Num. 40.

abgeleitete Besitz nicht unter den Begriff der civilis possessio fallen. Diese Inconsequenz wird damit entschuldigt, dass das Recht der Interdicte hier kein eigenes, sondern ein abgeleitetes sei: ein Argument, mit dem sich auch beweisen liesse, dass Eigenthum aus einem derivativen Titel kein Eigenthum sei. Bei dem Besitze soll jedoch noch der historische Grund hinzutreten, dass sich der Sprachgebrauch fixirt hatte, ehe die Interdicte auf den abgeleiteten Besitz übertragen wurden. Demnach wäre also Civilbesitz nach V. nicht bloss Usucapionsbesitz, aber auch nicht jeder Interdictsbesitz, sondern rechtlich anerkannter Besitz mit animus domini. Naturalbesitzer dagegen würde der Detentor sein, der den animus domini entweder nicht hat, oder nicht haben darf, weil die Sache dem Verkehr entzogen, der Besitzer rechtsunfähig oder der Besitz aus einem nichtigen Rechtsgeschäft erworben ist. Allein diese von Burchardi entlehnte historische Bemerkung beruht auf dem Fehlschlusse, dass das Recht der Interdicte dem prätorischen Rechte, und da dieses Bestandtheil des Civilrechts ist, dem letzteren angehöre. Dieser Schluss verwechselt die äussere Erscheinung mit dem Rechtsprincip des Besitzschutzes. Dass der polizeiliche Schutz gegen Besitzstörungen nicht mit der niedern Jurisdiction der Aedilen, sondern mit dem Imperium des Prätors verbunden ist, muss freilich als eine specifisch römische Einrichtung anerkannt werden, und nichts ist gewisser, als dass die Interdictsformulare als Bestandtheile des Edicts dem eigenthümlichen Recht des römischen Staats angehören. Aber eben so gewiss ist es, dass der Rechtsgedanke des Besitzschutzes die Vertheidigung gegen Gewalt nach allen Rechten und Gesetzen gestattet, also im ius naturale und gentium gegründet ist (1), und in

(1) L. 1. §. 4. L. 3. D. de iust. et iure. L. 45. §. 4. D. ad L. Aquil. L. 1. §. 27. D. de vi. Cic. pro Caec. 11, 33. 13.


(616) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

demselben Sinne heisst es von List und Treubruch: hoc interdictum (nämlich de precario) naturalem in se habet aequitatem (L. 2. §. 1. 2. D. eodem). Im Gegensatz mit diesem in allen nationalen und selbst im internationalen Recht (durch Einschreiten einer vermittelnden Macht) anerkannten Schutzrecht gegen Gewalt und ähnliche evidente Ungebühr erscheint nun die Ersitzung mit ihren kurzen Fristen und ihrer Beziehung auf das sogenannte bonitarische und publicianische Eigenthum so durchaus positiv und römisch, dass wir den Ausdruck civilis possessio, civiliter possidere für den Usucapionsbesitz selbst dann ausschliesslich in Anspruch nehmen dürften, wenn er nirgends für ad usucapionem possidere gebraucht worden wäre. Denn nicht nur ist es das ius civile, welches die Usucapion anerkennt (1), sondern auch bei dem negativen civiliter non possidere ist es ein positiver Rechtssatz des römischen Ehe- oder Sclavenrechts, oder der civilrechtlichen Besitztheorie (iuris scrupulositas nimiaque subtilitas), welcher die Besitzrechte überhaupt oder doch die Usucapion ausschliesst.

Auf diese Seite der Sache hat schon Puchta (de civili possessione disputatio. Lipsiae 1839, Kleine Schriften Nr. 25. Vgl. Cursus der Institutionen II. §. 226. not. 1.) Vangerow gegenüber hingewiesen und wenn Zielonacki S. 57. f. (freilich im Widerspruch mit sich selbst S. 70. 71. Note (*) entgegnet, dass „die Interdicte nicht im ius gentium, sondern in dem Sittlichkeitsrechte wurzeln“ , so würde dieser Einwand, wenn er nicht schief wäre, und die allgemeine sittliche Grundlage des Rechts mit der besondern, Unordnungen verhütenden, also polizeilichen Institution der Interdicte verwechselte, jene Auffassung nur bestätigen.

(1) L. 23. pr. D. de usurp. minime juri civili conveniens est ut una res diversis temporibus capiatur.


(617) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 10. Num. 40.

Eine entscheidende, aber noch nicht richtig gewürdigte Bestätigung liefern jetzt die Endlicherschen Fragmente der Ulpianischen Institutionen: (Huschke Jurisprud. ant. p. 506. 508. fragm. I. IV. und V.) Abweichend von Gaius, welcher die Eintheilung des Rechts in ius civile und gentium unterordnet (Gai. 1, 1. quae singula qualia sint suis locis proponemus), macht Ulpian, nachdem die nationalen Rechtsverschiedenheiten durch Caracalla beseitigt waren, die Dreitheilung ius naturale, gentium, civile zur obersten. Aus dem ius gentium leitet er 1. die Freilassung, 2. die allgemeinen Rechts- und Besitzgeschäfte und 3. den Besitzschutz durch Interdicte ab. Dieses sehr merkwürdige Zeugniss ist nur deshalb bis jetzt nicht gehörig beachtet worden, weil man unbegreiflicher Weise die Interdicte den Geschäften des ius gentium, namentlich den Stipulationen nicht coordinirt, sondern untergeordnet hat.

Aber Vangerow beruft sich nicht allein auf allgemeine Gründe, er stützt ich zugleich auf bestimmte Zeugnisse: theils römische, theils byzantinische.

Der ersteren ist im Einzelnen schon oben gedacht worden (§. 7. Num. 21.); hierher gehört nur noch eine allgemeine Bemerkung. Vangerow stellt die Nichtanerkennung des Besitzes eines rechtsunfähigen Detentors oder einer res sacra und religiosa mit dem Besitz einer beschenkten Ehefrau völlig gleich. Dies ist ein entschiedener Irrthum. Der Haussohn kann keinerlei Rechte, also auch keine Interdicte haben, L. 93. D. de reg. iur. Filius familias neque retinere [neque recuperare] neque apisci possessionem rei peculiaris videtur und für res sacrae und religiosae giebt es besondere Interdicte, weil der Privatbesitz und mit ihm die possessorischen undenkbar sind. Aus dem „civilrechtlich nichtigen Rechtsgeschäft“ der Schenkung unter Ehegatten folgt dagegen zwar ein Rückforderungsrecht des Schenkers durch Condiction


(618) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

des Besitzes, nicht aber Nichtigkeit der Besitzschenkung. Die res facti, quae iure civili infirmari non potest L. 1. §. 4. D. de poss. ist also nicht Detention und der Interdictsschutz gegen Dritte bedarf jener künstlichen Erklärung nicht, welche Vangerow (vgl. Nr. 21.) versucht hat. Die naturalis possessio der Ehefrau (L. 1. §. 9. 10. D. de vi) ist vielmehr jener rechtlich anerkannte Interdictsbesitz gegen Dritte, welchen das civilrechtliche Verbot der Schenkung nicht erreichen und vernichten kann. Was es erreicht und vernichtet kann also, wenn es sich anders nicht selbst widersprechen soll (abgesehen von der Accession im alten Interdictum Utrubi) nur der Usucapionsbesitz sein.

Die byzantinischen Zeugnisse, welche Vangerow anführt, sind folgende:

Basil. 50, 2. c. 61. (Heimbach Tom. V. p. 54.) Synopsis Basil. ed. Leunclav. p. 431. Harmenopul. 2, 1. §. 2. Νομή έστι φυσιχως ή τού πράγματος χατοχή. χατά δέ τούς νόμους νομή έστι ψυχή δεσπόζοντος χατοχή. Danach könnte es allerdings beim ersten Blick scheinen, als ob Naturalbesitz das reine Naturverhältniss der Detention, Besitz im Auge der Gesetze aber schon jeder Besitz mit dem Besitzeswillen, also keineswegs einzig der Usucapionsbesitz wäre. Allein die Stelle enthält nur eine schlechte Uebersetzung der L. 10. C. de poss. Nemo ambigit, possessionis duplicem esse rationem, aliam quae iure consistit, aliam quae corpore: utramque autem ita demum esse legitimam cum omnium adversariorum silentio firmatur ... die mit dem Gegensatz des Civil- und Naturalbesitzes nichts zu schaffen hat.

Theophilus III., 29. §. 2. Διαφορά τού χρατεϊν χαϊ τού νέμεσϑαι αϋτη ότι χρατεϊν έστι φυσιχως χατέχειν, νέμεσϑαι δέ τό ψυχή δεσπόζοντος χατέχειν. Auch hier wird nur der Gegensatz von tenere und possidere erläutert.


(619) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 10. Num. 40.

Theophilus IV., 15. §. 5. Νεμόμεϑα ... χαι δι έτέρων ... όποϊός έστιν ό μισϑωσάμενος ... χαί ό ένοιχος ... έχείνων γάρ χατεχόντων φυσιχϖς, έγώ τϖ νόμω νέμομαι. Hier ist zwar juristischer Besitz gemeint und sogar dem Zusammenhange nach Interdictsbesitz: allein dieser wird nicht als Civilbesitz, sondern als Besitz im Sinne des Gesetzes bezeichnet, während civiliter possidere bei den Griechen nicht durch τω νόμω νέμεσϑαι, sondern durch πολιτιχϖς νέμεσϑαι wiedergegeben wird.

Diese Zeugnisse beweisen also für Vangerowʼs Ansicht nichts. Folgende dagegen stehen ihr entgegen und bestätigen die im §. 7. aufgestellte durch zwei alte und nicht zu verachtende Autoritäten:

Julian ad L. 3. §. 15. D. ad exhibendum (Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft XIV. S. 134.): τϖν νομϖν αί μέν είσί έννομοι χαί πολιτιχαί, ϖσπερ ή έπί ούσουχαπίονι αί δέ μόνον έννομοι, ώς έπί τϖν ίντερδίχτων αί δέ φυσιχαί ώς έπί τού χομμοδάτου χαί πιγνερατιχίας. Hier wird ein dreifacher Besitz unterschieden: 1. der juristische und civile (der Usucapionsbesitz); 2. der bloss juristische (der Interdictsbesitz); 3. der natürliche (der Besitz des Commodatars und Pfandgläubigers, bei letzterem natürlich abgesehen von der Uebertragung der Interdicte). Diese Meinung drückt also die Wahrheit nicht nur vollständig, sondern auch sehr präcis aus.

Schol. ad Basil. 60, 17. c. 7. §. 7. erklärt die Worte πολιτιχϖς νεμόμενος (sive civiliter sive naturaliter possideat L. 1. §. 9. D. de vi) so: πολιτιχϖς (νέμεσϑαι) ώς έξ άγοράσεως ή δορεάς, φυσιχϖς δέ, ώς ό χαλή (lies χαχή) πίστει νομεύς ό γάρ πολιτιχός νόμος τόν τοιούτον ούχ έπιγινώσχει νομέα. Der Civilbesitz wird also so entschieden auf die Usucapion beschränkt, dass selbst der titulirte aber unredliche Besitz nur als Naturalbesitz gilt, obgleich er gewiss die Interdicte gewährt.


(620) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Auch bei dieser Entgegnung scheint es übrigens nothwendig, ihre Ausführlichkeit mit der Achtung und Aufmerksamkeit zu entschuldigen, welche eine nicht allein von ihrem scharfsinnigen Urheber beharrlich festgehaltene, sondern auch von einigen Anderen (z. B. von Bruns Recht des Besitzes §. 4. und Brinz Pandecten I. S. 75. f.) wenigstens theilweise gebilligte Meinung in Anspruch nehmen darf.

Bruns §. 4. nämlich fasst zwar civilis possessio in beschränkterem Sinne als possessio schlechthin und giebt dem entsprechend zu, dass naturalis possessio auch einzelne Fälle von juristischem Besitz begreife, also eine doppelte Bedeutung habe. Er erkennt sogar an, dass jener engere Civilbesitz eine wesentliche Voraussetzung für die Usucapion bilde. Dass aber dieser Umstand bei der Bestimmung des Begriffes eingewirkt habe, könne nur als eine aus dem Worte civilis abgeleitete Hypothese angesehen werden, die zwar Manches für sich habe, aber dadurch, dass jenes Wort nirgends auf die Usucapion unmittelbar bezogen vorkomme, einigermassen unwahrscheinlich werde. Nach den speciellen Entscheidungen des Römischen Rechts sei vielmehr Civilbesitz der eigentliche ursprüngliche Besitz ohne civilrechtlichen Mangel im Subject, Object oder der causa. Naturalbesitz dagegen sei der civilrechtlich gemissbilligte Eigenthumsbesitz und der abgeleitete Besitz. Da nämlich die Sabinianer neben dem abgeleiteten Besitz den Civilbesitz fortbestehen liessen, so konnten sie jenen nur als naturalen bezeichnen. Der Begriff des Civilbesitzes, der auf diese Weise entstehe, sei für die Interdicte gleichgültig, für die Usucapion bilde er nicht das einzige Erforderniss, er habe also überhaupt keine grosse praktische Bedeutung und daher erkläre sich die seltene und nachdrucklose Verwendung des Gegensatzes und Sprachgebrauchs, welche doch seiner Verbindung mit der Usucapion


(621) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes.§. 10. Num. 40.

sehr wenig entsprechen würde. – Allein diese Seltenheit (um mit dem letzten Puncte zu beginnen) erklärt sich ungleich befriedigender daraus, dass für die beiden grossen Wirkungen des berechtigten Besitzes, Usucapion und Interdicte, bestimmtere Ausdrücke zu Gebote standen, als jene allgemeinen Kategorien. Demnächst trifft der Vorwurf: aus dem Worte civilis in einigen wenigen speciellen Entscheidungen den Begriff der civilis possessio bestimmt zu haben, nicht die vom Vf. aufgestellte, sondern die Brunsʼsche Auffassung. Endlich bliebe die Inconsequenz, dass die Sabinianer, nachdem der abgeleitete Besitz des Pfandgläubigers civilrechtlich anerkannt war, gleichwohl diesen dem gemissbilligten Naturalbesitz gleichgestellt und den Begriff des Civilbesitzes noch immer für den Usucapionsbesitz des Verpfänders festgehalten hätten.

Pfeifer S. 6. 11. 13. f. versteht unter possessio in der natürlichen Bedeutung allerdings den natürlichen Besitz (die Detention), in engerer Kunstbedeutung dagegen heisst possessio und possidere die Sache in eigenem Namen (suo nomine), aber nicht als eigene (pro suo), also zwar als Herr (nicht bloss als Stellvertreter), jedoch nicht wie ein Eigenthümer (dominus in diesem Sinne) zu haben. Ist Missdeutung zu fürchten, so erhält possessio (im engern Sinn) den Beisatz civilis (Besitz in der juristischen Kunstbedeutung des Worts, juristischer Besitz) und als Gegensatz den unjuristischen natürlichen Besitz (possessio naturalis, Detention ohne animus domini, also gleichbedeutend mit possessio im weiteren Sinne). Die zwei Hauptabweichungen von der Savignyʼschen Theorie bestehen demnach erstlich in der Begriffsbestimmung von possessio im engern Sinne; zweitens darin, dass civilis possessio und possessio im engern Sinne nur Ein und dasselbe bezeichnen sollen. – Obgleich der Verfasser diese Theorie für eine von ihm aufgestellte ausgiebt (S. 11. 36. 46),


(622) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

so ist sie doch nichts Anderes als die von Cuperus vertheidigte dritte Meinung, mit der schon S. 148. bemerkten Neigung in die allerälteste überzugehen; da sie nicht von den Wirkungen, sondern von der Stellvertretung ausgeht und daher unter der civilis possessio den durch das Recht fingirten Besitz des Herrn, im Gegensatz des natürlichen Besitzes des Vertreters versteht. Dieses ist aber nicht nur zu eng, sondern auch mit der römischen Anschauung im Widerspruch, nach welcher gerade der Besitzerwerb durch Stellvertreter nicht civiliter, sondern naturaliter erfolgen soll (L. 53. D. de adq. rer. dom.). Der exegetischen Grundlagen ist bereits §. 7. Num. 20. und 21. gedacht worden.

Zielonacki (S. 62 f.) stimmt im Resultat mit Pfeifer überein: nur nimmt er einen andern Ausgangspunct und weicht in der Interpretation ab. Nach ihm sind die Benennungen possessio civilis und naturalis „nur mit Rücksicht darauf entstanden, ob das betreffende factische Verhältniss rechtliche Wirkungen im ius civile sensu latiori erzeugt oder nicht“ . Daher hat possessio naturalis nur eine einzige Bedeutung, die Detention, possessio civilis dagegen bezeichnet den Besitz, also auch den – nicht qualificirten, also den Interdicten-Besitz. – Die Beweise für diese Theorie sind schon in Num. 21. und 28. erwogen und zu leicht befunden worden.

Das Resultat der im Vorstehenden verzeichneten Bestrebungen lässt sich in Folgendem zusammenfassen:

Da weder über die beiden Rechte des juristischen Besitzes, die Usucapion und Interdicte, noch über das Rechtsgebiet und die Herkunft beider Institute ein Zweifel sein kann, so reducirt sich der ganze Streit auf den Sprachgebrauch einzelner Stellen, namentlich darauf, ob dem negativen Nichtbesitzen ein positives Besitzen im


(623) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 11. Num. 41. 42.

Rechtssinne entspricht, und ob Jenes durch civiliter non possidere, Dieses hingegen durch civiliter possidere ausgedrückt wird? Diese Controverse aber ist für die Rechtswissenschaft in der That von keinem grossen Belang.

Num. 41.

(Zu S. 176. Note 1. a. E.)

Lenz (S. 136.) versucht statt dieser „grob materiellen Anschauung“ eine „idealere“ und eine „wirkliche Erklärung.“ Zwei Besitzwillen sollen in demselben Object so wenig wie zwei Seelen in einem Leibe neben einander wohnen können. – Ohne die Verkörperung des einen dürften sie um den Raum eben nicht verlegen sein.

Num. 42.

(Zu S. 179. Note 2. a. E.)

Trotz dem allen ist die Lesart der Florentina und der Basiliken auch hier fest zu halten. Sowohl das Edict, als das Interdictum de vi quotidianum enthielt die Worte cum ille possideret (Schmidt in Richter’s Jahrbüchern VIII. p. 681. Keller Sem. p. 293.). Diese Edictstelle commentirt Ulpian in L. 1. §. 23., die entsprechende Interdictsclausel erläutert er in unserem §. 45. und §. 46. de vi, das int. de vi armata, dem sie fehlte, folgt erst in L. 3. eodem. Nach dieser Erklärung bezieht sich die Stelle auf den Besitz vor der Dejection und gehört gar nicht in den Streit über die Possessio in solidum des Dejicienten und des Dejicirten. Der Rechtsfall des Vivianus giebt hierfür freilich nur ein indirectes Argument, aber gerade darin lag die Veranlassung, die schwerere Lesart durch Einschiebung einer Negation mit der leichteren zu vertauschen, mittels deren sie auf den Besitzverlust nach der Dejection bezogen wird.


(624) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 43.

(Zu S. 180. Note 1. a. E.)

Gegen die letztere Erklärung, der auch Hermann Witte (int. uti poss. S. 82.) beigetreten ist, spricht jedoch, dass die Cautionsfreiheit nicht dem juristischen Besitzer, sondern dem Ansässigen zusteht. Die Stelle gehörte zur Cautionspflicht des bedingt eingesetzten Erbschaftsbesitzers gegen den Substituten.

Num. 44.

(Zu S. 180. Note 2.)

Gleichwohl behauptet neuerdings Zielonacki (S. 75.) den Doppelbesitz jedes iustus und iniustus possessor (der Usucapion wegen) und Herm. Witte (Lindeʼs Zeitschrift N. F. XVIII. Nr. 15. §. 4. 12.) wenigstens den Doppelbesitz des unkundigen Grundbesitzers und des heimlichen Occupanten. Allein es wäre kein Grund, dies auf Grundstücke zu beschränken und die betreffenden Stellen haben einen andern Sinn. §. 31.

Num. 45.

(Zu S. 182. Zeile 10. v. o.)

Dies Argument ist nicht unbedenklich, denn ausgeschlossen ist das Int. uti possidetis durch einen höhern Grad von Gewalt sicher nicht, sobald nur der Provocant auf Schutz gegen fernere Störung, nicht auf Restitution provocirt. Ueberdies liegt die Provocation des (vorigen) iustus possessor näher und die Parteirolle erscheint in einem Int. duplex überhaupt gleichgültig.

Num. 46.

(Zu S. 183. Note 1. a. E.)

Eum qui precario rogaverit ut sibi possidere liceat, nancisci possessionem non est dubium. An is quoque


(625) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 11. Num. 47. 48.

possideat qui rogatus sit? dubitatum est. Placet autem penes utrumque esse eum hominem, qui precario datus esset, penes eum qui rogasset, quia possederat corpore, penes dominum quia non discesserit animo possessione. Die Stelle geht auf das Int. Utrubi. Vgl. L. 1. D. utrubi L. 23. §. 2. D. de usurp. und unten Num. 48. und 49.

Num. 47.

(Zu S. 185. Note 1. a. E.)

Allein die letztere ist aus dem Titel des 72. Buches vom Int. Utrubi, die erstere aus dem 76. und bezieht sich gar nicht auf ein Precarium.

Num. 48.

(Zu S. 185. Zeile 11. v. u.)

Eine wenigstens beachtenswerthe Vermuthung über den Grund der Ausnahme stellt Adolf Schmidt auf (Heidelb. Jahrb. 56. (1863.) S. 693.). Es gab ursprünglich auch für Immobilien nur Ein Interdict, um demselben eine recuperatorische Wirkung zu sichern, nahm man an, dass auch der Dejicirte dem Gegner gegenüber fortbesitze. So entstand die Lehre von der possessio duorum. Später stellte der Prätor das Int. Unde vi auf und anerkannte damit den Besitz als verloren. Jetzt verschwand also das Bedürfniss und damit auch jene Lehre. Natürlich können noch Beide behaupten Besitzer zu sein und fortwährend das Int. als duplex impetriren, allein sie sind es nicht mehr und der Richter entscheidet vielmehr uter possideat.

Baron (Gesammtrechtsverhältnisse S. 89.), dem v. d. Hagenʼs Schrift (Num. 49.) unbekannt scheint, behauptet: „Pomponius (Num. 46.) führe ganz unhaltbare Gründe an“ , wenn er dem Precaristen Besitz zuschreibe „quia possederat corpore“ , dem rogatus aber, „quia non discesserit


(626) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

animo possessione“ ; denn: „durch blosses corpus wird kein Besitz ergriffen, andererseits giebt es – eine poss. solo animo nur bei Grundstücken und Sclaven.“ – Nach der L. 10. §. 1. D. de poss. (vgl. oben S. 89.) dürfen wir annehmen, dass Pomponius über die Anfangsgründe der Besitzlehre einigermassen hinaus war, überdies war seine Behauptung ganz allgemein anerkannt: „Placet autem penes utrumque esse eum hominem.“ Offenbar will er sagen: der rogatus hat nicht gleich dem Verpfänder die Besitzrechte durch Verzichtleistung aufgegeben. Während daher im int. Utrubi (1) der Besitz des Verpfänders dem Faustpfandgläubiger accediren würde (L. 16. D. de usurp.), wird im Besitzprecarium gerade umgekehrt der vergangene Besitz des rogans dem rogatus zugerechnet. Freilich gehört dazu auch eigener Besitz des rogatus (L. 13. §. 13. D. de poss.) (2), folglich muss das Precarium erst gekündigt sein, damit der Precarist den Selbstzueignungswillen aufgiebt und der rogatus fortan wieder durch ihn zu besitzen anfängt (L. 13. §. 7. D. eod.). Allein der rogatus hat auf den Besitz nie verzichtet (non discessit animo possessione), also

(1) Dass Pomponius dies Interdict vor Augen hat, scheint aus den Worten penes eum esse eum hominem, verglichen mit jenem Interdict: utrubi hic homo – fuit (L. un. pr. D. utrubi) hervorzugehen. Im Interdict de liberis exhibendis, an welches man etwa noch denken könnte, stand wenigstens nicht penes sondern apud, weil freie Menschen nicht besessen werden.

(2) Baron folgert zwar aus der Accession, dass der rogatus nicht besitze, weil er sonst der Accession nicht bedürfe. Es folgt aber vielmehr umgekehrt, dass er wenigstens jetzt wieder besitzen muss, weil ihm sonst gar nicht accediren könnte. – Nach einer frühern Aeusserung desselben Schriftstellers (Abhandl. 1860. Seite 15. Note 11.) sollen beide, der rogatus und rogans, besitzen, weil keiner den andern ausschliessen will. Wo bleibt aber dann das Besitzprecarium, durch welches der rogatus dem rogans die possessio überlassen hat?


(627) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 11. Num. 49.

kann er jeden Augenblick kündigen und dadurch die Accession herbeiführen, folglich hat er den Sclaven, wenn auch nicht actuell, doch potentiell in seinem Besitz, d. h. er hat wirksame Besitzschutzrechte, wenn auch der leibliche juristische Besitz für den Augenblick noch bei dem Precaristen ist. Dieses Verhältniss wird nicht unpassend durch das neutrale penes utrumque esse eum hominem (1) ausgedrückt. Penes te, sagt Ulpian bei Gelegenheit des Interdicts de liberis exhibendis, in welchem die Worte si is eave apud te est vorkamen: penes te amplius est quam apud te: nam apud te est quod qualiter qualiter a te teneatur, penes te est quod quodam modo (2) possidetur (3). Der Unterschied von dem Verhältniss des Dejicirten zum Dejicienten besteht also darin, dass dieser sich widersetzt und seine iniusta possessio erst dem int. de vi weicht, der getreue Precarist dagegen hat nur gegen Dritte, nicht gegen den rogatus ein wirksames Interdict uti possidetis (4) und wenn es auch erst der Rückforderung bedarf, damit sein Besitz dem des rogatus accediren könne, so steht es doch bei diesem allein, dieses Resultat durch Kündigung (rupto precario) (5) jeden Augenblick herbeizuführen, der Precarist verhält sich also trotz seines Besitzes ihm gegenüber nicht viel anders wie ein Depositar.

Num. 49.

(Zu S. 189. letzte Zeile.)

Eine wesentliche Berichtigung dieser ganzen Darstellung der Meinungen der römischen Juristen giebt

(1) Nicht zu verwechseln mit possessionem L. 2. §. 2. D. pro herede.

(2) Das heisst nicht: gewissermassen, sondern irgend wie, gleichgültig aus welchem Grunde.

(3) Ulp. lib. 71. ad edictum L. 63. D. de verb. sign. verglichen mit L. 1. pr. D. de lib. exhib. und andererseits mit L. 1. pr. L. 3. §. 4. L. 4. D. de tab. exhib. L. 23. §. 2. D. de usurp.

(4) L. 17. pr. D. de poss.

(5) L. 13. §. 7. D. de poss.


(628) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

v.d. Hagen, über den nach L. 15. §. 4. D. de precario stattfindenden gleichzeitigen Besitz des precario rogans und des rogatus. S. 4. f. 30. f. 35. (1840.). Die Meinung des Sabinus und die des (älteren) Trebatius hatten nichts mit einander gemein, sie standen sich sogar entgegen. Trebatius nahm einen gleichzeitigen ursprünglichen Besitz in allen Fällen an, in welchen einer iusta possessio irgend eine iniusta, also eine violenta, clandestina oder iniusta precaria (nach der Kündigung) gegenüber steht. Er urgirte die Edictsworte uti possidetis nec vi nec clam nec precario alter ab altero und verstand den Satz qui actionem habet ad rem recuperandam ipsam rem habere videtur (L. 15. D. de reg. iur.) von der Fortdauer des Besitzes, also des Klaggrundes, statt des possessorischen Klagrechts (Ulp. L. 17. pr. D. de poss. si quis de possessione deiectus sit, perinde haberi debet ac si possideret (er besitzt also nicht mehr) quum interdicto de vi recuperandae possessionis facultatem habeat). Diese Meinung wurde daher ausdrücklich verworfen. – Sabinus dagegen behauptete nur für das Precarium und nur für die Dauer desselben, also vor der Kündigung, eine gleichzeitige doppelte iusta possessio. Dieses wurde nach der Bemerkung des Commentators (Pomponius) für den Besitz des rogans niemals bestritten; ob der Besitz des rogatus fortdauere, war einmal controvers gewesen, es wurde aber ebenfalls allgemein angenommen (placet) und mit Recht; denn da der rogatus jeden Augenblick kündigen kann, weil in dem Precarium keineswegs (wie z. B. in der Verpfändung) eine Entäusserung des Besitzes enthalten ist (quia non discesserit animo possessione), so muss ihm auch frei stehen, gegen jeden Dritten das int. Utrubi zu gebrauchen, ehe dieser durch längeren Besitz im letzten Jahre ihn ausschliessen kann. (Vergl. L. 1. §. 11. D. de itin.) Und daraus folgt dann, dass die Meinung Derer, welche dem rogatus durch Besitzzurechnung


(629) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 11. Num. 49.

des rogans das Uebergewicht gegen den Dritten (Fragm. Vat. 311.) zu verschaffen dachten, verworfen werden muss; denn weil der rogatus während dieser Zeit (vor der Kündigung) selbst besitzt, so bedarf er weder der Accession, noch ist sie bei einem gleichzeitigen Besitze überhaupt nur denkbar (Ulp. 72. ad Edictum (zum int. Utrubi) L. 13. §. 7. D. de poss. Si is, qui precario concessit, accessione velit uti ex persona eius, cui concessit, an possit? quaeritur. Ego puto eum, qui precario concessit, quamdiu manet precarium, accessione uti non posse). Selbst nach getreuer Rückgabe des Precariums (soluto precario L. 5. L. 11. D. de precario) bedarf es keiner Besitzzurechnung, weil der Besitz des rogatus keine Unterbrechung erlitten hat. Erst wenn der rogans einen Vertrauensbruch begeht (rupto precario), mithin den rogatus zwar entsetzt, jedoch auf Grund des arbitrairen int. de precario den demselben entzogenen Besitz restituirt (Gai. 4, 163. 164. Ulp. inst. fr. 1. §. 1. 2. L. 13. §. 9. D. de poss.), wird dem rogans die Zeit der iniusta possessio precaria, von der Kündigung bis zur Restitution eingerechnet (accedere possessionem eius temporis quo precario (sc. rupto) possidebatur), so dass er im int. Utrubi gegen den Dritten gewinnen muss, wenngleich seine eigene iusta possessio ohne die iniusta des Precaristen kürzer war als die iniusta des Dritten. – Das Resultat ist; dass sowohl die Meinung des Sabinus als die des Pomponius über die Coexistenz der beiden possessiones iustae des rogatus und des rogans vollkommen praktisches Recht enthalten. Zur Bestätigung dient, dass der rogatus seinen Besitz transferiren kann (L. 8. §. 2. D. de precario) und auch dann noch als Besitzer gilt, wenn er ihn dem Pfandschuldner zurückgiebt (L. 15. §. 2. D. qui satisdare). – Ganz missverstanden ist das Verhältniss von Zielonacki S. 76, der die accessio als eine Art von Trost für den Ersatz wegen unterbrochener Usucapion


(630) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

ansieht, welcher seit der Fiction des Trebatius hinweggefallen sei; und von Baron (Num. 48.).

Die ganze Annahme einer possessio duorum in solidum ist durch Verwechselung der Besitzrechtsmittel mit dem leiblichen juristischen (Ersitzungs-) Besitze entstanden. Wer jene mit Erfolg gebrauchen kann, hat allerdings den Schlüssel zum leiblichen Besitz, allein ihn selbst hat er darum noch nicht: der correcte Ausdruck war also nicht possidet, sondern perinde haberi debet ac si possideret (1), analog dem Sprachgebrauch bei dem Eigenthum: qui actionem habet ad rem reciperandam, ipsam rem habere videtur (2). Die Nothwendigkeit dieser Unterscheidung scheint neuerdings allgemeiner anerkannt zu werden, so jedoch, dass neue Irrthümer an die Stelle der alten treten: So zählt Baron, Gesammtrechtsverhältnisse S. 85. folgende fünf Fälle gleichzeitigen Besitzes Mehrerer ohne intellectuelle Theilung auf: 1. Faustpfand; 2. Besitzprecarium; 3. heimliche Occupation bei vorübergehender Abwesenheit des Grundbesitzers; 4. Dejection; 5. Superficies, ohne bei Einem derselben eine wahre Solidarität des sinnlichen Besitzes selbst anzunehmen; selbst bei 3 und 4 wird (im Wesentlichen richtig) nur Einem Besitz, dem Andern lediglich ein Besitzrechtsmittel zugesprochen und nur Einzelnes verfehlt (Num. 110.). Unerhört und unerfindlich aber ist die Annahme eines Gesammteigenthums und Gesammtbesitzes zwischen Vater und Tochter an der zurückgezahlten dos communis und dem Vermächtniss des Niessbrauchs, dergestalt, dass der verwaltende

(1) So Ulpian in der angeführten L. 17. pr. D. de poss. Si quis de possessione deiectus sit perinde haberi debet ac si possideret quum interdicto de vi recuperandae possessionis facultatem habeat.

(2) Paul. L. 15. D. de reg. iur. Und doch sagt derselbe Ulpian hier geradezu habetur enim (statt haberi videtur) quod peti potest. L. 143. D. de verb. sign.


(631) Erster Abschnitt. Begriff des Besitzes. §. 12 a. Num. 50. 51.

Vater Namens der Gesammtheit das Corpus, die Einheit selbst, d. h. Vater und Tochter zusammen, hingegen den Animus haben und gleichwohl Jeder den Andern als gleichzeitig berechtigt anerkennen soll (S. 401). Wäre ein Gesammtrechtsverhältniss von solcher Construction dem Rechtsverstand der klassischen Juristen überhaupt fassbar erschienen, so würden sie dasselbe weder völlig unerwähnt gelassen noch auf zwei ziemlich abgelegene Gebiete beschränkt haben. In der That aber kennen sie weder einen Besitzwillen der universitates (L. 1. §. 22. D. de poss.), noch eine Beschränkung des Vaters bei der Rechtsverfolgung. (L. 8. pr. D. de proc.).

Num. 50.

(Zu S. 200. letzte Zeile.)

Gaius 2, 7. sagt vom Provinzialboden: in eo solo dominium populi vel Caesaris est, nos autem possessionem tantum et usum fructum habere videmur, Frontinus pag. 36. Lachm. possidere ... quasi fructus tollendi et prestandi tributi condicione concessum est. Gerade so aber war es beim alten ager publicus in Italien: Festus v. Possessiones sunt agri late patentes publici privatique, quos non mancipatione sed usu tenebant et ut quisque occupaverat possidebat: nur muss man unter publici privatique nicht zwei verschiedene Klassen von Aeckern, sondern das eigenthümliche Rechtsverhältniss der unvordenklichen Privatpossessio verstehen. Vgl. Rudorff, gromat. Institutionen (Schriften der Feldmesser 2, S. 314. f.).

Num. 51.

(Zu S. 202. letzte Zeile.)

Vergl. hiergegen oben S. 118 Note 4. a. E., unten S. 293. Note 2.


(632) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 52.

(Zu S. 204. Zeile 6.)

Bethmann-Hollweg in der Rec. der 6. Ausg. (Jahrb. für wiss. Kritik (1838) Col. 269. 270.) macht über die in diesem §. versuchte Geschichte des Besitzes folgende Bemerkung: „Rücksichtlich der geschichtlichen Behandlung – ist es nicht unbedeutend, dass die Ableitung der Besitzlehre aus den ältesten römischen Zuständen erst in der dritten Ausgabe hinzugekommen ist. Man könnte daraus schliessen, dass sie keinen nothwendigen Theil des Ganzen bilde. Wirklich enthält die allgemeine den possessorischen Interdicten zum Grund liegende Idee, nämlich die Person in ihrem factischen Verhältniss zur Sache gegen formell widerrechtliche Handlungen zu schützen, einen völlig ausreichenden Grund ihrer Entstehung, zumal bei einem juristisch so begabten Volk wie die Römer, so dass es hiernach weder der in den ersten Ausgaben hervorgehobenen Beziehung auf Usucapion, noch der auf den ager publicus bedurfte. Allein wie ja meist die Anerkennung einer allgemeinen Wahrheit äusserlich durch geschichtliche Verhältnisse angeregt wird – so konnte dies auch hier geschehen, und dass es der Fall war, dafür sprechen in der That gewichtige Zeugnisse und so Manches in der spätern Besitztheorie, was sonst unerklärt bliebe. Mehr Gewicht legt übrigens der Verf. auf diese historische Begründung nicht, ja er erkennt in dieser Auflage S. 45 und 57 ausdrücklich an, dass die Lehre in der spätern Zeit ihre Basis völlig verändert habe. – Ueberhaupt ist, wenn ein Rechtsinstitut genetisch, d. h. aus seinem Ursprung erkannt werden soll, darunter nicht der äussere Anlass seiner Entstehung zu denken, welcher zwar mehr oder weniger Einfluss auf seine Gestaltung haben und behalten kann, auch nachdem es völlig davon gelöst ist, aber keinen Aufschluss über sein innerstes Wesen giebt. Dieser ist nur aus der ihm


(633) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 14. Num. 53.

zum Grund liegenden Idee zu gewinnen, die als Erzeugniss des Volksgeistes ein allgemeines und ein positives Moment enthält, und in den verschiedenen Entwicklungsepochen des Volks verschiedene Gestalten durchläuft, ja selbst dessen Dasein überdauernd, in ganz neue Rechtszustände, mehr oder weniger diesen assimilirt, aufgenommen werden kann“. – Die Richtigkeit dieser Bemerkungen leuchtet um so mehr ein, als die Verhältnisse des römischen Domanialbesitzes, es sei des ältern italischen ager publicus, oder des späteren provinciellen Steuerlandes, selbst als äusserer Anlass (occasio) kaum gelten können, da die Usucapion ganz ausgeschlossen, die Zulässigkeit der Interdicte aber mindestens zweifelhaft war (1). Dagegen erscheint die Idee des Besitzschutzes (um von der positivern Usucapionsidee hier abzusehen) nicht nur ungleich allgemeiner, sondern auch bei dem römischen Volke älter als die Interdicte. Denn der Gedanke eines defensiven Besitzschutzes gegen den Bruch des Rechtsfriedens, den der Verletzte nicht zuerst gebrochen hat, ist uraltes internationales Recht der Selbstvertheidigung, und tritt selbst innerhalb der nationalen Schranken in den civilrechtlichen Anwendungen der Nothwehr und Vertheidigung des unbestrittenen Grundeigenthums in einer Weise hervor, die den prätorischen Interdicten gegen Gewalt, List und Treulosigkeit offenbar zum Muster gedient hat. L. 1. §. 27. D. de vi. L. 22. §. 2. Quod vi.

Num. 53.

(Zu Seite 212. Note 1. a. E.)

Die Stelle der Basiliken (Heimbach Tom. V. pag. 47) lautet wörtlich ού γάρ μόνον τής σωματιχής άφής χρεία

(1) Frontinus de controv. agror. p. 36. Lachm. neque possidendo ab alio quaeri possunt ... videbimus tamen an interdicere quis possit de eiusmodi possessione. Wenigstens eine Modification (utile interdictum) durch Einschaltung der qualitas agri schien unentbehrlich.


(634) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

έστίν έν τή νομή, άλλά χαί όφϑαλμϖν χαί διαϑέσεως. (Non enim corporali tantum tactu opus est in possessione, sed etiam oculis et voluntate.) Es ist also geradezu falsch, wenn Lenz S. 204. Note 2. die Auctorität der Basiliken im Widerspruch mit obiger Behauptung für actu geltend macht; denn nicht διάϑεσεις, sondern άφή σωματιχή ist das entscheidende Wort. – Uebrigens liegt in corpore et tactu keine Tautologie, wie Böcking Pand. I. §. 124. S. 462. Note 33. annimmt, da das letztere Wort vielmehr nähere Bestimmung des ersteren ist.

Num. 54.

(Zu S. 213. Note 1.)

Lenz S. 183. zieht die Vulgata ei mitteretur vor, weil die Zeit des Empfangs entscheide; als ob diese besser ausgedrückt wäre, wie durch die florentinische Leseart. Ganz unerfindlich ist die Behauptung, dass die Anwesenheit nur als Nebengrund behandelt werde.

Num. 55.

(Zu S. 214. Note 1.)

Die florentinische Leseart mercato verdient aus den von Lenz S. 182. Note 3. angeführten grammatischen und juristischen Gründen auch hier den Vorzug. Vergl. auch Gaius 2, 61. qui mercatur a populo.

Num. 56.

(Zu S. 214. Zeile 11. v. u.)

Lenz (S. 183. 184.) findet die Anwesenheit „in dem hohen Schlosse des Käufers“ nicht der (hier unmöglichen) physischen Einwirkung wegen, sondern nur darum erheblich, weil der Verkäufer von diesem Standpunct aus ohne Schwierigkeit den Lauf der Gränzen nachweisen könne. – Bei einem benachbarten und bekannten Grundstücke


(635) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 15. Num. 57. 58.

möchte dies ebenso überflüssig als langweilig sein. L. 63. §. 1. D. de contr. emt.

Num. 57.

(Zu S. 215. Zeile 7. v. o.)

Lenz S. 177. ff. führt aus, dass der Tradition des Verkäufers die Uebergabe durch einen Bevollmächtigten, ja durch einen Nichtbevollmächtigten gleich stehe, wenn nur der Letztere und der Empfänger annehmen durften, dass sie dem Verkäufer genehm sein werde. L. 33. D. de poss. L. 1. §. 5. D. de exc. rei vend. et trad. L. 7. §. 17. D. de Publ. in rem.

Num. 58.

(Zu S. 215. Zeile 6. v. u.)

In der Schenkungsurkunde des Syntrophus heisst es zwar vom Schenkgeber in vacuam possessionem hortorum ... ire aut mittere iussit ... seque inde excessisse desisseque possidereque (sic !) dixit, und in L. 78. §. 1. D. de contrah. emt. wird vom Vormunde gesagt: dixi tradere te tibi possessionem hoc modo posse, ut pupillus et familia eius decedat de fundo, tunc demum tu ingrediaris possessionem. Allein die Worte prohibere ingredienti vim fieri setzen ein Verbot gegen Dritte voraus, welches nur der Prätor erlassen kann. Venuleius wird daher an ein prohibitorisches Interdict etwa zur Verstärkung des restitutorischen int. Quod legatorum, welches er in demselben Buch erörterte (Fragm. Vat. §. 90.), oder, noch wahrscheinlicher, zur Erzwingung der cetera ex interdicto (Gai. 4, 170.) gedacht haben. – Die Beziehung auf das zweite Decret wegen damnum infectum, welche Lenz S. 174. versucht, ist nach L. 18. §. 25. D. de damno infecto. L. 4. §. 2-4. D. ne vis fiat nicht zulässig.


(636) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 59.

(Zu S. 217. Zeile 3. v. o.)

Lenz S. 186 legt besonderes Gewicht auf das Geheiss des Gläubigers: „dieser weiss, was er will, da die Niederlegung vor seinen Augen erfolgt; und er bemächtigt sich – des Objects, weil es innerhalb seines Gesichtskreises gelagert und von ihm selber bewacht wird“ . – Zweifelhafter scheint es, ob Lenz genau weiss was er will, da er eben erst S. 183 die Einwirkung, ungeachtet des Ueberblicks vom Thurm aus, für unmöglich erklärt hat.

Num. 60.

(Zu S. 218. Zeile 6. v. o.)

Einen Auszug aus diesem Responsum Papinian’s giebt Fragm. Vat. 254. Paul. 5, 11. §. 1. Species extra dotem a matre in honorem nuptiarum praesente filia genero traditae donationem perfecisse videntur.

Num. 61.

(Zu S. 219. Note 1. a. E.)

Lenz S. 189 wendet ein, „es wäre wunderbar, wenn der Herausgeber (nämlich Javolenus) von sich in der dritten Person sprechen sollte (inquit)“. Natürlich spricht er von Labeo und wunderbar ist nur, dass Lenz dies nicht gemerkt hat.

Num. 62.

(Zu S. 221. Not.-Col. 2. Zeile 10. v. o.)

Eben so Lenz S. 203, Note 1.

Num. 63.

(Zu S. 222. Not.-Col. 1. a. E.)

Die künstliche Erklärung der Vindication durch ein constitutum possessorium oder die Gegenwart der Sclaven


(637) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 16. Num. 63.

erscheint vielleicht bei folgender Erwägung entbehrlich. Es ist ein eigenthümlicher mit der zunehmenden Schriftlichkeit aufgekommener Rechtssatz des späteren Rechts, dass die Verfügung über die Beweisurkunde der Disposition über das beglaubigte Recht gleich steht. Verkauf, Vermächtniss, Verpfändung einer Schuldurkunde (chirographum) gelten als Cession, ihre Rückgabe gilt als Erlass der Forderung (nomen) L. 44. §. 5. D. de leg. 1. L. 59. D. de leg. 3. L. 2. C. quae res pign. L. 7. C. de remiss. pign. Nun enthalten aber die Sclavenkaufbriefe (emptiones mancipiorum), wie wir jetzt aus dem Siebenbürger Exemplare aus den Jahren 139 und 142 nach Chr. (Mommsen, in den Monatsberichten der Akademie 1857, vom 26. Nov.) ersehen, nicht nur die Evictionsstipulation, sondern sie bezeugen auch die Mancipation an den Käufer, und in gleicher Weise beurkunden die Besitzdocumente (diplomata vacualia, d. h. vacuae possessionis) wie wir bisher schon wussten, die Tradition. Wenn nun der Käufer beide Instrumente an eine non excepta persona in der Absicht die Sclaven zu schenken übergeben hatte, so war freilich, so lange es an einer Schenkungsmancipation und Besitzübergabe der Sclaven selbst fehlte, eine directe Vindication und ein int. Utrubi des Schenkers nicht denkbar (Fragm. Vat. §. 310. 311. 293.). Da jedoch die Kaufurkunden dem Käufer unzweifelhaft eine in rem actio sicherten (arg. §. 8. I. de fideiuss), so war dem Schenknehmer durch die Schenkung dieser Documente vermöge jenes neuern Rechtssatzes eine cedirte modificirte (utilis) in rem actio gewährleistet. Zugleich aber war ihm durch die Uebergabe der Beweis gesichert, da der Grundsatz aufkam, dass der thatsächliche Besitz der geschenkten Sache in diesem Puncte allein entscheide (Paul. 5, 11. §. 2.). Dass es zur Anstellung der in rem actio nicht noch eines Processmandats bedurfte (L. 33. C. de donat.) ergiebt sich daraus, dass sie gegen den Schenker selbst


(638) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

gebraucht werden soll. – Nach dieser Erklärung gehört die Stelle freilich nur insofern in die Besitzlehre, als sie ein Besitzgeschäft (donatio possessionis §. 2.) betrifft. In der That ist sie aber auch von den Compilatoren bei den Schenkungen eingetragen worden. – Das heutige Recht hat übrigens den Uebergang des Besitzes durch Uebergabe des Conossements oder der Factur bis jetzt nicht zugelassen. (Ihering, Jahrb. für Dogmatik I. (1857.) 176. Seuffert Archiv I. 8. 396. II. 86. IV. 232. VI. 241. VII. 8.) In Ansehung der Schiffspapiere schwankt es noch: Seuffert Archiv VIII. 111. X. 232. XI. 213.

Num. 64.

(Zu S. 224. Zeile 9. v. u.)

Das Eigenthum geht also ohne eigentliche Tradition, aber nicht ohne Besitzerwerb über, wie Lenz S. 203. annimmt. (Vergl. L. 74. D. de contrah. emt. S. 225.)

Num. 65.

(Zu S. 226. Note 1. a. E.)

Lenz (S. 200.) kennt nur Schlüssel zum Abschliessen, die Oeffnung diene blos zur Besichtigung, die Uebergabe beschränke sich auf Kaufmannswaren in Lagerräumen. Die claves monumenti (Num. 36.) beweisen das Gegentheil.

Num. 66.

(Zu S. 227. Note 1.)

Lenz (S. 195.) behauptet „sicher sei sicher und lasse keine Steigerung zu.“ Gaius L. 18. D. de in ius voc. und L. 1. C. de praetoribus folgen einer andern Auffassung.

Num. 67.

(Zu S. 228. Note 2. a. E.)

Lenz (S. 143.) meint: „die Worte quae in aedificio sunt bilden offenbar einen Gegensatz zu universas aedes.“


(639) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 17. Num. 68-70.

Allein diesen bilden vielmehr die singulae res und wenn darunter etwa Bestandtheile gemeint sind, so werden sie benannt oder durch den Zusatz ex quibus aedes constant bezeichnet. Z. B. L. 36. D. de evict. L. 7. §. 11. D. de adqu. rer. dom.

Num. 68.

(Zu S. 233. am Ende der Note.)

Oswald v. Schmidt (S. 47.) bezieht den Ausdruck naturalis possessio (nach Brinz, Pand. §. 27. S. 70.) nicht auf „die physische Innehabung“ , sondern auf „ein animo et corpore vermitteltes natürliches Gewaltverhältniss.“ Danach wäre der Sinn der Regel: ohne vorhergehenden juristischen Besitz gebe es keinen juristischen Besitz, und dieser völlig tautologische Satz fände in dem Schulstreit nicht einmal jene Anwendung, die doch das ideoque voraussetzt. Denn der Streit der Schulen bezog sich, wie der ähnliche bei wilden Thieren (§. 13. I. de rer. div.) nur auf die Frage: wann bei Schätzen die Detention vollendet sei.

Num. 69.

(Zu S. 235. Not.-Col. 1. Z. 2. v. o.)

Die praktische Bedeutung der Frage beweisen die während der Bürgerkriege in den Jahren 673- 676- 680- 685- 704 auf 705 vergrabenen Schätze. (Mommsen, Corpus inscriptionum Latinarum pag. 136-140.) Brutus und Manilius können freilich nur die älteren Vergrabungen im Hannibalischen Kriege berücksichtigt haben.

Num. 70.

(Zu S. 236. a. E. der Note.)

Lenz (S. 154.) findet das Princip des Sabinus in dem Satze, dass der Schatz nicht Bestandtheil des Ganzen


(640) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

sei. Für diesen Gedanken wäre der Ausdruck quia non sit sub custodia nostra nicht eben glücklich gewählt.

Num. 71.

(Zu S. 239. Note 1. a. E.)

Lenz (S. 116.) interpolirt im Text „hinzukommen“ für „vorhanden sein“ und behauptet dann auf Grund dieser Verschlimmbesserung, dass der Wille dem Wissen „nachgehinkt“ komme. In der That wird er ihm regelmässig wenigstens nachfolgen, aber die Ordnung der drei Lenz’schen Factoren „l. affectio, 2. scientia, 3. corpus“ ist überhaupt gleichgültig: denn die brevi manu traditio fängt mit der Verkörperung an.

Dasselbe gilt von der Triologie des preussischen Kritikers S. 87. „1. dem Willen an sich, die Sache zu besitzen; 2. der Möglichkeit diesen Willen zu verwirklichen; 3. der Aeusserung dieses Willens“ – um so mehr, als dieselbe sogar auf den allerweitesten Begriff des natürlichen Besitzes, die Detention, passen würde, wenn nicht die „symbolische Besitzergreifung“ selbst diese ausschlösse. – Dass eine wissenschaftliche Darstellung nicht von der zufälligen concreten Priorität, sondern von dem Allgemeinen (der Detention und Apprehension) zum Besondern (dem juristischen Besitz und Aneignungswillen) fortzuschreiten hat, davon haben Beide so wenig eine Ahnung, als sie den didaktischen Werth des Fortschritts vom Aeussern zum Innern zu würdigen wissen.

Baron, Zur Lehre vom Erwerb und Verlust des Besitzes (Jhering’s Jahrb. VII. 3. 1864. S. 52. 54. 55. 87. 102. 112. 113.) hat an Savigny’s Theorie Zweierlei auszusetzen:

1. dass sie keine bestimmten Principien für den Besitz an Mobilien an die Hand giebt;

2. dass sie für die Ergreifung des Besitzes andere Regeln aufstellt als für dessen Fortsetzung. (Hierin stimmt


(641) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 18. Num. 71.

also Baron mit Zachariä S. 239. Note 3. überein) Nur als Ausnahme bei Sclaven, bei Thieren mit consuetudo revertendi, bei Grundstücken, welche der Besitzer vorübergehend verlässt und je nach Bedürfniss im concreten Falle sollen Abweichungen vorkommen.

Die regelmässige Grundlage des Besitzes ist vielmehr nach Baron’s Meinung bei Mobilien aller Art die custodia; durch sie wird der Besitz erworben und erhalten, mit ihrem Verlust geht er verloren. Erwerb und Fortdauer unterliegen also denselben Bedingungen. Die Möglichkeit der unmittelbaren Einwirkung und Ausschliessung ist zum Erwerb, die Möglichkeit der Reproduction beider ist zur Erhaltung des Besitzes nicht nothwendig.

Die custodia ist ein Wehr, welche Jeden ausser dem Besitzer wirklich ausschliesst. Diese Wehr ist entweder eine subjective (persönliche) oder eine objective (sachliche). Letztere ist vorhanden, wenn sich die Sache „auf der Oberfläche des Grundstücksinhabers“ (S. 102.), oder, wie es S. 113. weniger zweideutig ausgedrückt wird, „auf einem für ihren Besitzer befriedigten Raume befindet, d. h. auf einem Grundstück, das er selbst detinirt oder auf welchem er sie mit Erlaubniss des Grundstücksinhabers niederlegt.“ – So weit Baron.

Untersuchen wir nun zunächst die „reinen Ausnahmsfälle“ dieser Regel.

„Auf Grundstücke war die custodia nicht anzuwenden – sie bilden vielmehr selbst den Raum“ (S. 141.). Daher wird hier der Besitz solo animo retinirt, d. h. auch wenn das Corpus fehlt, weil Niemand auf dem Grundstück zurückbleibt (S. 142.). Zwar soll dies eine Ausnahmsbestimmung für vorübergehende Abwesenheit eines mox revertens sein. Allein diese Beschränkung beruht auf einem Irrthum (S. unten Num. 110.). Also gilt bei Grundstücken auch für die Fortsetzung eine andere


(642) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Regel als für den Erwerb, denn ein Erwerb solo animo ist hier selbst von Labeo in der L. 51. D. de poss. nicht behauptet worden.

„Der Sclave“ – heisst es ferner S. 136. – „ist die einzige Sache, bei welcher die Savigny’sche Theorie richtig ist: bei ihm sind die Bedingungen für den Besitzerwerb andere als die für die Besitzesfortdauer. Dies wird denn aber auch geradezu als eine Ausnahme erklärt und um so mehr die Regel bestätigt, dass überall sonst (?) Erwerb und Fortsetzung an dieselben Bedingungen geknüpft sind“ . Gleichwohl sollen dem exipirten Sclaven Thiere mit consuetudo revertendi gleich gestellt sein, während doch Ausnahmsbestimmungen nicht ausgedehnt werden können. In der That aber spricht Nerva in der L. 3. §. 13. D. de poss. nur von res mobiles excepto homine, also streng genommen nur von einer Nichtanwendung der für (leblose) Mobilien geltenden Regel auf Moventien. Wenn nun also ein entlaufener Sclave sich selbst und die gestohlenen Sachen für den Herrn fortbesitzt, so darf dieses nicht etwa als eine auf die Usucapion beschränkte Anomalie betrachtet werden (1); vielmehr liegt darin eine reine Anwendung des Grundsatzes, dass rechtsnachtheilige Willensacte des Sclaven dem Herrn nicht schaden, sondern nur vortheilhafte ihm Gewinn bringen (2). Das nächste Object des Besitzes für den Herrn bildet aber der entlaufene Sclave selbst, denn dass er zugleich Willenssubject ist, würde nur bei einem

(1) L. 17. §. 3. D. de furtis will nicht das int. utrubi, sondern nur die Haftung auf die Noxalklage ausschliessen (Paul. 2, 31. 37.), das int. utrubi geht erst durch fehlerfreie Apprehension Dritter verloren, L. 1. §. 14. D. de poss. L. 54. §. 4. D. de adqu. rer. dom. Ebenso dauert jeder Erwerb durch Mancipation, Stipulation, Tradition fort: L. 25. §. 2. D. de lib. causa.

(2) Gai. L. 133. D. de reg. iur. Melior condicio nostra per servos fieri potest, deterior non potest.


(643) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 18. Num. 71.

entschieden freien Menschen ein Hinderniss abgeben können, selbst während des Freiheitsprocesses würde also der juristische Besitz noch animo fortdauern, und wenn er wegen der Freiheitsvindicien körperlich verloren zu sein scheint, so hat darum dieser blosse Processbesitz noch keinen materiell rechtlichen Besitz zur Folge (1).

Also schrumpft die vorgeblich allgemeine Regel der Custodia nahezu auf leblose Sachen zusammen (2). Moventien und Immobilien unterliegen einer andern Regel: sie bedürfen keiner Wehr und Wache, oder sie bewachen sich selber.

Aber sogar in dem beschränkten Gebiete der leblosen Dinge ist die Custodia Ausnahme. Die Bewachung durch Aufseher und die Aufbewahrung in sicherem Gewahrsam beruht auf einer künstlichen Anstalt, die von dem Besitze begrifflich verschieden, ja an sich demselben entgegen gesetzt ist (3) und selbst wenn sich der Besitzer ihrer bedient einen stellvertretenden vermittelnden Charakter hat (4).

Es ist also ein logischer und juristischer Fehler, aus dieser Ausnahme die Regel zu bilden. Ein logischer: denn Stellvertretung ist ein secundärer Begriff, der die eigene Apprehension als das logische Prius voraussetzt.

(1) L. 13. pr. D. ad legem Aquil. – L. 15. 47. D. de poss. – Zwischen der L. 3. §. 10. D. eodem, der L. 15. §. 1. D. de usurp. von Paulus und der L. 25. §. 2. D. de lib. causa ist also kein Widerspruch.

(2) L. 47. D. de poss. ... quae ratione vel anima carent. Eine Ausnahme machen Kriegs- und Strafgefangene und wilde Thiere.

(3) L. 3. §. 23. D. de poss. Quod Quintus Mucius inter genera possessionum posuit – ineptissimum est: nam qui – mittit in possessionem – non possessionem sed custodiam et observationem concedit. In L. 39. ib. wird omittendae possessionis causa und – at si custodiae causa deponatur entgegengesetzt: Muther, Sequestration 236.

(4) L. 51. D. eod. simul. atque custodiam posuissem traditus mihi videtur.


(644) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Ein juristischer: denn der juristische Besitz ist ein Recht, eine gesetzliche, also eine geistige Herrschaft, ein Habendürfen, zwar eingeschlossen in eine natürliches Haben, so jedoch, dass er diese seine sinnliche Hülle möglichst abgestreift hat. Als solchem genügt ihm die Möglichkeit unmittelbarer Einwirkung statt der Wirklichkeit zum Erwerb; und zur Erhaltung reicht sogar schon die Möglichkeit der Reproduction aus. Die Erfordernisse der Fortdauer dürfen hier eben andere sein als die der ursprünglichen Erwerbung (1). Was aus dem Recht des Besitzes werden müsste, wenn man dieses Princip aufgäbe, zeigt nichts so klar als Papinian’s Warnung in L. 44. pr. D. de poss.: Dixi ius possessionis ei, qui condidisset, non videri (immemoria) peremptum: – alioquin responsuros, per momenta servorum, quos non viderimus, interire possessionem!

Aus diesem Ausnahmscharakter der Custodia folgt nun, dass, sobald die Custodia sich irgendwie unzulänglich erweist, die Regel des unmittelbaren Besitzes sofort wieder in Kraft tritt. Ist die Schlinge nicht fest, oder der Ort, an welchem sie aufgestellt ist, nicht in des Jägers Gewalt, so ist das Wild durch sie noch nicht wahrhaft gefangen und der Jäger muss selber kommen (2).

(1) L. 85. §. 1. D. de reg. iur. Non est novum ut quae semel utiliter constituta sunt, durent, licet ille casus exstiterit a quo incipere non potuerunt. L. 30. §. 5. D. de poss. retinere enim animo possessionem possumus, apisci non possumus. Der Satz: „Was von der Erhaltung des Besitzes, gilt selbstverständlich von der Ergreifung“ (Baron S. 67), ist also in dieser Allgemeinheit unrichtig. Es passt nur auf den durch eine custodia, eine Schlinge, eine Falle u. dgl. vermittelten Besitz (S. 239. Num. 2.).

(2) L. 55. D. de adqu. rer. dom. Plin. ep. 1, 6. Ridebis et licet rideas. Ego ille, quem nosti, apros tres et quidem pulcherrimos, cepi. Ipse inquis? Ipse – Ad retia sedebam. erant in proximo non venabulum aut lancea, sed stilus et pugillares. Meditabar aliquid enotabamque ut, si manus vacuas, plenas tamen ceras reortarem. – Jam undique silvae et solitudo ipsumque


(645) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 19. Num. 72. 73.

Ist das Vivarium, der Wildpark zu weit, oder der Weiher, die Piscina, zu gross, so muss ebenfalls wieder eine ursprüngliche Apprehension des unmittelbaren Besitzes ergänzend hinzutreten: die custodia ist nur eine halbe (1). Ebenso ist das Grundstück für den Besitz des Schatzes mehr ein Hinderniss als eine Custodia, daher muss nach Sabinus der Schatz erst ausgegraben werden (2). Diese Gränze zwischen der Custodia und dem ursprünglichen Besitz, welche oben S. 223. Note 1., S. 231. f., S. 343. Note 1. richtig eingehalten war, ist von Baron S. 58. 59. 63. 67. 78. 82. verkannt und verwirrt worden: nach seiner Ansicht würde in China eine unmittelbare Apprehension gar nicht mehr nöthig sein, da die Mauer das ganze himmlische Reich in ein grosses Vivarium verwandelt.

Num. 72.

(Zu S. 242. Note 1.)

Dieser Ausspruch ist denjenigen zur besonderen Beherzigung zu empfehlen, welche die Voranstellung des Willens für wesentlich erklären und den Verf. darum tadeln, dass er (S. 216.) von der Detention und Apprehension ausgeht, das Wollen aber (animus) zu dieser nur als ein Zweites hinzutreten lässt (§. 20. S. 246.).

Num. 73.

(Zu S. 245. Note 1. a. E.)

Der Erwerber hat also, während die Bedingung schwebt, keine Interdicte. Ist dagegen das Eigenthum bedingt übergeben, so usucapirt er nur nicht pro emptore L. 2. §. 2. D. pro empt. Fragm. Vat. §. 111. in fin.

illud silentium quod venationi datur – Experieris, non Dianam magis montibus, quam Minervam inerrare.

(1) L. 3. §. 11. 15. D. de poss.

(2) L. 3. §. 3. D. de poss.


(646) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Wilhelm Sell’s (bedingte Traditionen 1839. S. 36. 37.) Verwechslung beider Fälle ist bereits von Jhering gerügt. (Richter’s Jahrb. 1847. S. 882-886. 897. ff.)

Num. 74.

(Zu S. 248. Zeile 4. v. o.)

L. 45. §. 1. D. de usurp. Post mortem domini servus hereditarius (non) peculii nomine rem coepit tenere; usucapionis primordinum erit tempus hereditatis aditae: quemadmodum enim usucapietur, quod ante defunctus non possederat?

Num. 75.

(Zu S. 249. Note 1. a. E.)

Kuhne in der Jurist. Wochenschrift für die Preuss. Staaten, Jahrg. 10. (1844.) Nr. 23. 24. Col. 190-194., Goldschmidt im Archiv für civ. Praxis 39. (1856.) S. 434. f. und viele andere unter den neuesten Schriftstellern nehmen bei jedem infantia maior die Fähigkeit an und erklären auch L. 1. §. 3. de poss. in diesem Sinne. Dafür spricht L. 1. §. 11. eodem: maxime (zumal) tutore auctore (also doch auch sonst). L. 4. §. 2. D. usurp. Pupillus si tutore auctore coeperit possidere, usucapit. si non tutore auctore possideat, et animum possidendi habeat, dicemus posse eum usucapere (also die Fähigkeit wird angenommen, nur die Thatsache selbst kann zweifelhaft sein). L. 22. §. 1. D. de precario. Labeo ait habere eum precarium possessionem et hoc interdicto teneri: nam quo magis naturaliter possideretur nullum locum esse tutoris auctoritate ... quoniam sive habeat rem officio iudicis tenetur, sive non habeat non tenetur. – Als innerer Grund tritt der Besitzerwerb des Kindes (Num. 77.) hinzu.


(647) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 21. Num. 76. 77.

Num. 76.

(Zu S. 259. Zeile 16. v. o.)

Gegenbemerkungen gegen Puchta bei Zielonacki S. 98., Lenz S. 161.

Num. 77.

(Zu S. 260. Zeile 7. v. o.)

Dieser neuesten Auffassung des Verf. wird man, so viel erstlich den Besitzerwerb des Kindes durch den Tutor (als Repräsentanten) und zweitens den Besitzerwerb mit dem Tutor (als Beistand) betrifft, unter der Voraussetzung beistimmen, dass die corrigirte Florentinische Lesart nam alioquin nullus sensus infantis est accipiendi possessionem zum Grunde gelegt und die utilitas dahin erklärt wird: dass ordentlicher Weise die auctoritas wegen des dem Kinde noch fehlenden geistigen Vermögens der Besitzergreifung unanwendbar sei (1). So viel hingegen drittens die Erwerbung des Besitzes durch das Kind allein, also ohne Vertretung oder Beistand, betrifft, so kann aus L. 1. §. 3. de poss. und L. 26. C. de don. in der That nur abgeleitet werden, dass die rechtliche Möglichkeit desselben geleugnet werden muss, sobald man von den Erfordernissen, nicht von den Wirkungen ausgeht. Es ist jedoch zugleich zu erwägen, dass der ganze Grundsatz über die Handlungsunfähigkeit Unmündiger ohne den Tutor nur zu ihrem Vortheil angenommen ist (pr. I. de auct. tut.). Können sie also auch nicht stipuliren oder durch Mancipation erwerben, so lange ihnen die Fähigkeit der Rede abgeht (Gai. 3, 107-109. §. 10. I. de inut. stip.), so kommt es doch bei dem Besitz, welcher corpore et animo erworben wird, auf diese Redefähigkeit gar nicht an. Es wird demnach

(1) L. 1. §. 2. D. de adm. tut.


(648) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

auch schon bei Kindern ein Besitzerwerb vom Augenblick des körperlichen Besitzanfangs (corpore) anzunehmen sein, sobald nur der Besitzerwerb rein zu ihrem Vortheil gereicht. Da jedoch das Kind hierüber nicht selbst entscheiden kann, so erfolgt dieser Erwerb nur interimistisch (interim), d. h. bis zur Prüfung durch den Vormund, er ist als resolutiv bedingt und kann durch Verweigerung seiner Genehmigung wieder rückgängig werden (1). Ein solcher einstweiliger Besitz ist unbedenklich anzunehmen: 1. bei der väterlichen Erbschaft, die das Kind als suus heres erwirbt (2), denn dass dieser Erbschaftsbesitz gleich dem Erbrecht selbst als reiner Vortheil angesehen wird, erhellt schon daraus, dass die lucrative Usucapion Dritter ausgeschlossen ist (3); 2. bei Schenkungen, deren Annahme, wenn sie nicht unter lästigen Bedingungen erfolgen, unstreitig einen Vortheil enthält, welcher dem Kinde nicht entgehen darf. Schon deshalb dürfte die sofortige Auctoritas hier nicht zur Bedingung des Erwerbs gemacht werden, wenn auch die Florentina nicht ergäbe, dass die L. 3. C. auf L. 32. §. 1. nicht hinweist. Eben so wenig darf an die Lex Cincia gedacht werden, da die Worte a quacunque persona (also sive non excepta sive excepta) beweisen, dass es gar nicht darauf abgesehen war, das Schenkungsverbot ausser der „Freundschaft“ zu beseitigen (4).

(1) Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Auctoritas bei einem fortdauernden Zustand, wie der Besitz, auch nachträglich ertheilt werden kann (arg. L. 22. §. 1. D. de precario), was freilich Puchta gänzlich übersehen hat.

(2) Savigny, Syst. 3. S. 52. Not. aa.

(3) Gaius III. §. 201. L. 2. C. pro herede.

(4) Labeo hätte vielleicht als dritten Fall noch das precarium hinzugefügt, da er auch hier keine eigentliche obligatio, sondern nur eine Restitution officio Judicis (ohne Pönalstipulation) annimmt. L. 22. §. 1. D. de precario. Er spricht aber freilich nur von Pupillen, nicht von Infantes.


(649) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 21. Num. 77.

Unsere neuesten Schriftsteller sind übrigens noch lange nicht mit der Sache im Reinen.

Manch suchen die Ergänzung des dem Kinde fehlenden Willens nicht in dem Willen des Tutors, sondern (wie Puchta) des Tradenten (z. B. Kuhne, in jurist. Wochenschrift für die Preuss. Staaten, 1844. Num. 23. 24. Col. 189.). Allein erstlich hätte dann interim keinen Sinn (denn „schon jetzt“ , wie Puchta meint, heisst interim nicht), zweitens müsste dasselbe bei jeder Tradition, auch aus einem lästigen Titel angenommen werden; drittens würde der Tradent nicht nur gleichsam Specialvormund des Kindes sein, sondern noch dazu auctor in rem suam.

Lenz (S. 150. f.) denkt sich unter den „Schenksachen“ solche, nach denen die Kinder „mit ihren Händchen langen“ und „bei dem Versuch des Wegnehmens durch Schreien zu erkennen geben, dass sie es behalten wollen“ , – eine Erklärung, die wieder auf die Kastanien des Azo (S. 257. Note 5.) zurückgeht, um die sich freilich der Prätor und die römischen Juristen weniger bemüht haben dürften, als um die Landgüter, welche die L. 26. C. de donat. und wahrscheinlich auch unsere L. 3. (denn in L. 2. C. de donat. sub modo = Fr. Vat. 283. ist rerum aus stipendiariorum interpolirt) als Beispiel aufstellt.

Denzinger (Archiv für civilist. Praxis XXXI. (1848.) Num. 7. und 10.) leugnet den Erwerb durch den Tutor ganz, weil zufällig nicht von einem Infans die Rede ist, für den doch gerade das dringendste Bedürfniss eintritt; in dem Erwerb mit dem Tutor sieht er eine Stellvertretung, weil die Auctoritas keine Handlung des Kindes voraussetze (?); den Erwerb ohne den Tutor beschränkt er richtig auf gewinnbringende Handlungen, nur führt er auf eine ausserordentliche Hülfe zurück, was schon aus dem allgemeinen Princip über die Handlungsfähigkeit Unmündiger folgt.


(650) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 78.

(Zu S. 263. Zeile 4. v. o.)

Diese Stellen gehen auf die Usucapion und haben folgenden Zusammenhang. Könnte ein unbestimmter Theil ersessen werden, so könnte er auch vindicirt werden. (So nämlich darf man schliessen, obgleich der umgekehrte Schluss von der Vindication auf den Besitz durch dessen factische Natur ausgeschlossen wird. Vgl. L. 1. §. 3. und L. 3. pr. D. de rei vind. mit L. 30. §. 2. D. de usurp.) Nun ist aber eine vindicatio incertae partis nur ausnahmsweise aus ganz besondern Gründen zulässig, L. 76. §. 1. D. de rei vind. Gaius 4, 54., folglich ist auch die Usucapion ausgeschlossen, die dazu führen würde. Der Vindication folgt natürlich auch das int. Uti possidetis L. 1. §. 7. D. uti poss.

Num. 79.

(Zu S. 263. Not.-Col. 1. a. E.)

Richtiger wird es sein, nach Massgabe der vorigen Stelle vielmehr anzunehmen, dass Labeo’s Erklärung von Pomponius keineswegs als „zu spitzfindig“ getadelt, sondern im Gegentheil als die allein juristische gebilligt wird. Der Sinn ist also, „obgleich nach der im gemeinen Leben herrschenden Auffassung sämmtliche Socii zu besitzen scheinen, so besitzt gleichwohl von Rechts wegen (im Rechtssinne), wie Labeo ganz richtig bemerkt, keiner von beiden.“ Neminem mera subtilitate possidere ist also gleichbedeutend mit dem negativen civiliter non possidere. Diese Erklärung ist näher begründet von Rudorff zu Puchta, Vorlesungen 4. Auflage, Bd. I. S. 483. 484.: 5. Aufl. Bd. I. S. 486. 487.

Num. 80.

(Zu S. 268. Not.-Col. 1. Zeile 3. v. o.)

Die Abweichungen von der Florentina beruhen auch hier nur auf alter, nicht einmal ganz unzweifelhafter


(651) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 22. Num. 81.

Emendation: wäre dominium mutare minder häufig, so möchte dominum näher liegen.

Num. 81.

(Zu S. 275. letzte Zeile.)

Seit der 6. Ausgabe hat sich über die L. 30. D. de usurp. eine eigene Literatur angesammelt, durch welche die Sache wenigstens spruchreifer geworden ist.

Windscheid (1) giebt zu, dass Jeder, der ein fertiges Ganzes in Besitz nimmt, nur das Ganze besitzt. Getrennte Sachen, welche er verbindet, sollen dagegen in seinem Bewusstsein nach wie vor dieselben bleiben, mithin ein getrennter Besitz fortdauern. Diesen Unterschied deute das Wort possedisse in L. 30. pr. de poss. an, welches von dem transitiven possido abgeleitet und auf die Besitzergreifung zu beschränken sei. – Diese Andeutung dürfte doch wohl etwas zu versteckt liegen.

Madai (2) stellt den Grundsatz auf: wer sich bereits im Usucapionsbesitze einer beweglichen Sache befindet, verliert denselben durch ihre Vereinigung mit einer andern, sei es eine bewegliche oder unbewegliche Sache, nicht, gleichviel, ob nach dieser Verbindung die einzelne Sache in ihrer Erkennbarkeit und Selbständigkeit fortdauert oder nicht. – Die Auffassung der Worte quum utrumque maneat integrum – „weil beides eine Mobilie bleibt“ widerspricht aber dem Satze, dass auf die Verbindung mit einer beweglichen oder unbeweglichen Sache nichts ankomme.

Binding’s Meinung (3) unterscheidet sich von der vorigen nur durch die Behauptung, dass der Besitzer den

(1) Sell’s Jahrb. I. 12. (1841.) Lehrb. des Pandectenrechts (1862.) S. 377. 378.

(2) Archiv für civilist. Praxis. XXV. 10. (1842.)

(3) Archiv für civil. Pr. XXVII. 9. 15. (1844.)


(652) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

vereinigten Gegenstand nur in’s Auge fassen dürfe, um seinen Besitz zu erwerben und zu behalten. – Ist aber die Sache einmal als Theil behandelt worden, so muss der Werth, welcher vom Besitzer auf sie gelegt wird, völlig gleichgültig erscheinen.

Pape (1) erkennt an, dass Besitz und Ersitzung der einzelnen Bestandtheile auch dann wegfällt, wenn sie erst später mit einem Ganzen verbunden werden. Dagegen nimmt er eine Fortdauer der Ersitzung an, wenn nur noch zehn Tage an ihrer Vollendung fehlen und zwar ohne Beschränkung dieser Ausnahme auf Baumaterialien und verschieden Eigenthümer (S. 240. 250.), wodurch sie denn freilich zu einer reinen Billigkeitsentscheidung heruntersinkt.

Stephan (2) lässt den Labeo sagen: die Usucapion der Ziegel und Säulen, die mit einem Gebäude verbunden werden, leide eine Unterbrechung, sollten auch nur noch zehn Tage daran gefehlt haben. Dennoch erwerbe der redliche Besitzer des Gebäudes durch Usucapion des Ganzen auch an dem verbauten Material Eigenthum, aber nur widerrufliches, nämlich nur bis zur Trennung. Dagegen werde der Besitz der Gemme und des Goldes durch die Verbindung nicht unterbrochen, mithin nicht das verbundene Ganze, sondern jedes für sich be- und ersessen, weil jedes von beiden nach wie vor selbständig bleibt (quum utrumque maneat integrum). Das Princip sei also (im Gegensatz zu Madai), dass die begonnene Ersitzung einer beweglichen Sache durch ihre Verbindung mit einer andern, gleichviel ob einer beweglichen oder unbeweglichen, unterbrochen wird, sobald sie ihre Selbständigkeit verliert und in der letztern als Bestandtheil aufgeht. Folgerichtig wird daher weder ein singuläres

(1) Linde’s Zeitschrift. N. F. IV. 6. (1847.)

(2) Archiv für civ. Praxis. XXXI. S. 373. (1848.)


(653) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 22. Num. 81.

Recht der Baumaterialien, wenn Haus und Material verschiedene Eigenthümer haben, anerkannt, noch zwischen ursprünglicher und nachträglicher Verbindung unterschieden, noch endlich eine Beschränkung auf die Verbindung mit Immobilien, zumal eine bloss scheinbare, zugestanden.

Diese Ansicht erscheint unstreitig als die einfachste und consequenteste.

Denn wenn der entscheidende Grund gegen die Usucapion des Bestandtheils darin liegt, dass dieser nur als Bestandtheil des Ganzen, nicht aber zugleich als abgesonderte Sache besessen und usucapirt wird, so muss es völlig gleichgültig erscheinen, ob er gleich Anfangs oder erst später mit dem Ganzen verbunden worden ist: die abgesonderte Usucapion muss auch in dem letzteren Fall unterbrochen werden.

Eben so wenig kann der Suspension der actio ad exhibendum und Vindication bei Baumaterialien irgend ein Einfluss auf die Ersitzung zugestanden werden, da jenes Princip auch hier allein entscheidend ist (1), während die Suspension der gedachten Klagen die Usucapion nicht hindern würde, da erstere ganz in derselben Weise eintritt, wenn der Verbauende letzterer nicht mehr bedarf, weil er ohnehin schon Eigenthümer des Gebäudes ist (2). Da nämlich ein abgesonderter Besitz des verbauten Materials unmöglich ist, so muss die begonnene Ersitzung unterbrochen werden, wenn auch nur noch wenige Tage an ihrer Vollendung fehlen, so dass es in Kurzem kein tignum alienum mehr gewesen sein würde, welches der Bauend einfügte, sondern sein unwiderrufliches

(1) L. 7. §. 11. D. de adq. rer. dom. – L. 23. §. 7. D. de rei vind. – L. 23. pr. §. 2. D. de usurp. – L. 30. pr. D. de poss. L. 36. D. de evict. L. 8. D. quod vi aut clam.

(2) §. 29. I. de rer. div.


(654) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Eigenthum (1). Zwar beginnt nun ungeachtet jener Unterbrechung eine neue Usucapion (nihilominus eum usucapturum si aedificium possedisset). Diese aber ist die längere Immobiliarusucapion, weil die Ziegel und Säulen Bestandtheile einer unbeweglichen Sache geworden sind (2). – Eben so wenig kann die Vindication der Baumaterialien nach erfolgter Zerstörung des Gebäudes auf die Suspension und den Grundsatz, dass dem an der Klage Verhinderten keine Verjährung läuft, zurückgeführt werden. Sie ist einfach die Folge davon, dass ohne unwiderrufliche Verbindung oder Entschädigung das Eigenthum des Materials nicht verloren geht (3).

Endlich kann neben dem Princip, dass ein abgesonderter Besitz eines Theils im Ganzen nicht denkbar ist, der Unterschied beweglicher und unbeweglicher Sachen nicht in’s Gewicht fallen. Zwar kann von einer ungleichen Dauer der Fristen überall nicht die Rede sein, wenn beide beweglich sind (4), allein die Unmöglichkeit eines selbständigen Besitzes des abhängigen Bestandtheils tritt auch hier ein (5).

Num. 82.

(Zu S. 279. Not.-Col. 2. Zeile 2. v. o.)

Vergl. oben Num. 10.

(1) Die decem dies enthalten also einen Zweifel an der Unterbrechung, nicht einen Entscheidungsgrund für die Fortdauer, weil die Vindication bis zur zehntägigen Ueberlegungsfrist des Besitzers versäumt wäre. Nov. 53. c. 3. pr.

(2) L. 23. pr. D. de usurp. L. 8. D. quod vi, nach welcher Stelle auf die Festigkeit der Verbindung gar nichts ankommen würde. – Lenz S. 147-149. sagt nicht correct, dass nur zum Anfang der Usucapion Besitz gehöre, zur Fortsetzung „jede Art von Benutzung“ genüge.

(3). L. 23. §. 4. D. de rei vind. §. 29. I. de rer. div. L. 2. D. de tigno iuncto.

(4) L. 23. pr. §. 2. L. 30. §. 1. fin. D. de usurp.

(5) L. 30. pr. D. de poss. cf. L. 7. §. 1. D. ad exhibendum.


(655) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 22 a. 23. Num. 83-85.

Num. 83.

(Zu S. 281. Zeile 5. v. u.)

Die Erklärung dürfte darin zu finden sein, dass beide fast loco domini sind, sonst müsste der nicht besitzende Emphyteuta die Früchte nicht erwerben.

Num. 84.

(Zu S. 284. Not.-Col. 1. Zeil 6. v. o.)

Höpfner, Besitzrechtsmittel Seite 3., missversteht diese Stelle, ungeachtet der Warnung, wenn er herausliest, dass der Pachter, „der doch bloss nudus detentor ist, “ das int. de vi habe. Dies ist einzig nach Höpfner’s Meinung S. 46. Note 84. der Fall.

Num. 85.

(Zu S. 293. Note 1. a. E.)

Vergl. oben S. 125. Note 1., S. 131. Note 1., wonach iuris possessio anzunehmen ist. Die scheinbare corporis possessio kann erst unten zu §. 47. aus dem Interdict erklärt werden.

Emmerich in Linde’s Zeitschrift XVII. Num. 1., der merkwürdiger Weise noch im Jahre 1860 die 6. Ausgabe des gegenwärtigen Buchs nicht kennt, da er einen Satz citirt, welcher zuletzt in der zweiten (1806.) S. 273. Anmerk. 3. steht, also schon in der dritten (1818.) nicht mehr vorkommt, ist auf den wunderlichen Einfall gerathen, unter dem quasi dominus einen wegen Schadhaftigkeit des obern Stockwerks ex secundo decreto immittirten Nachbar zu verstehen und zwar aus folgendem Grunde: „In den Florentinischen Ausgaben (sic) der Pandecten bilden der obige und der folgende Paragraph nur einen Paragraphen. In dem §. 8. wird aber von dem Besitz aller missi rei servandae et custodiae causa geredet. Dies weist darauf hin, dass in dem obigen


(656) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Paragraphen der Besitz des missus ex secundo (?) decreto abgehandelt werde.“ Emmerich muss mit dem quasi dominus geheime Verbindungen unterhalten, die ihm Nachrichten verschaffen, von welchen sich der Jurist nichts träumen lässt.

Ad. Schmidt, Interdictenverfahren S. 65. Note 49. macht zu L. 3. §. 7. D. uti possidetis (S. 290.) die gute Bemerkung: „die Stelle wird knapper, wenn man vor verum est gross interpungirt; so: Verum est – ; ceterum rel.“ –

Dagegen enthält Baron’s Vorschlag (Gesammtrechtsverhältnisse S. 116-120.) „verum est hoc et in eo qui aditum ex publico non habuit“ kritisch und sachlich eine Verschlimmbesserung. Wenn „der Inhaber der Kellerräume“ mit dem Besitzer des „Erdgeschosses“ um den Besitz des „Obergeschosses“ stritte, wie Baron annimmt, so möchte es freilich für Jenen (den Kellerbewohner) unerheblich sein, „ob die Treppe (zum Obergeschoss) von der Strasse aus oder im Innern des Hauses sich erhebt, “ denn augenscheinlich ist der Inhaber des Erdgeschosses unter allen Umständen als der eigentliche Hausbesitzer anzusehen (1). Allein nach Labeo wohnt sein Gegner nicht im Keller, sondern im Obergeschoss und prätendirt von diesem aus „quasi dominus“ den Besitz des Ganzen. Es handelt sich also zwischen dem Inhaber des Erdgeschosses und dem des Obergeschosses um das int. uti possidetis eas aedes. Die Kellerleute aber geht dieser Streit gar nichts an, sie sind lediglich unbetheiligte Dritte. Am allerwenigsten dürfen sie sich von einem int. uti possidetis eum fundum träumen lassen,

(1) Liv. 39, 14. Consul rogat socrum (!) ut aliquam partem aedium vacuam faceret, quo Hispala inmigraret. Cenaculum super aedes datum est, scalis ferentibus in publicum obseratis, aditu in aedes verso ...


(657) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 23. Num. 85.

welches ihnen Baron S. 119. auf Kosten des Bel-Etage-Bewohners ertheilt: in einem Keller giebt es eben keine Landgüter. – Die Entscheidung hängt von der Frage ab, zu wessen Wohnung die Hausthür führt, dieser ist offenbar der Hausherr. Hausthür aber ist nur der Eingang von der Strasse (aditus ex publico), nicht die Treppenthür im Innern. Führt nun jene Eingangspforte in den obern Stock, so muss man diesen als das Haus (aedes), das Erdgeschoss (crypta) (1) aber als Souterrain betrachten. Anderen Falles ist der untere Stock die eigentliche Hauptwohnung, ihr Inhaber gewinnt im int. uti possidetis eas aedes, das cenaculum erscheint als blosse Dependenz (superficies solo cedit), das int. uti possidetis eas aedes ist für den Bewohner desselben ohne Erfolg. Etwa vorhandene superficiarische Gegenrechte bleiben ihm aber natürlich vorbehalten.

In einem früheren Aufsatze (Zeitschr. für geschichtl. Rechtswiss. XI. (1842.) S. 351. 352.) und in den Zusätzen zu Puchta’s Vorlesungen (1862.) I. S. 302. Note 5. hatte ich auf den Zusammenhang des §. 7. mit §. 5. und §. 6. hingewiesen. Dass aber auch im §. 7. ein Process zwischen zwei benachbarten Grundstücksbesitzern vorausgesetzt werde, wie ich nach Baron S. 119. Note 4. geglaubt haben soll, ist mir nicht in den Sinn gekommen.

Böcking (Pandecten §. 126. Note 7.), welchem Baron (Gesammtrechtsverhältnisse S. 108-116.) gefolgt ist, sucht sich der noch von Kierulff (Theorie, S. 368.) anerkannten Consequenz einer possessio duorum in solidum durch die Annahme zu erwehren: dass der Grundherr am

(1) Sueton. Cal. 58. Cum in crypta, per quam transeundum erat (ad prandium) pueri nobiles ex Asia ad edendas in scena operas evocati praepararentur, ut eos inspiceret hortareturque restitit. Ohne Zweifel begab sich Caligula nicht durch die Kellerräume in die oberen Frühstückszimmer des Kaiserpalastes.


(658) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Boden (oder, wie Baron richtiger sagt, am Boden und Gebäude als einer Einheit), der Superficiar dagegen am Gebäude Eigenthumsbesitz habe, so dass das Object des beiderseitigen Besitzes ein ganz verschiedenes wäre. Allein selbst dieser verschiedene Besitz würde civilistisch unmöglich sein (S. 264. Note 3.). Zwar versucht Baron aus L. 15. §. 12. D. de damno inf. herauszulesen, dass eine Besitzeinweisung in die Superficies nicht gerade unmöglich, sondern nur unfruchtbar sei. Er merkt aber nicht, dass eben in der Unbrauchbarkeit für die Usucapion zugleich die rechtliche Unmöglichkeit einer solchen Besitzergreifung ausgesprochen ist (nec profuturum in possessionem eius rei mitti quam quis possidere non possit aut ei non expediat, d. h. deren Apprehension gewöhnlich schon factisch, und wenn dies nicht, wenigstens rechtlich unmöglich sein würde). Hierzu passt vollkommen, dass der Interdictsschutz bei der Superficies nur mittels eines velut uti possidetis interdictum, d. h. eines quasipossessorischen Interdicts für den Rechtsbesitz gewährt werden kann (L. 1. §. 2. D. de superficiebus L. 20. D. de servit.). Denn ein int. uti possidetis eam superficiem ist so wenig für den Superficiar als für den Grundbesitzer denkbar. Für den Superficiar als für den Grundbesitzer denkbar. Für den Superficiar deshalb nicht, weil dieser überall keine Eigenthumsansprüche (quasi dominus) erhebt, sondern nur ein servitutähnliches Recht behauptet (L. 6. §. 1. D. der serv. praed. rust. L. 86. §. 4. D. de leg. 1.), also auch nur uti ... superficie fruimini klagen darf. Für den Grundbesitzer ist es unbrauchbar, weil derselbe die superficies nicht sine solo besitzen, folglich nur das int. uti possidetis eas aedes gebrauchen kann (L. 3. §. 7. D. uti poss.). Zwar verhält es sich nun mit dem int. de vi nach L. 1. §. 5. D. de vi etwas anders und das, meint Baron S. 113., vermöge Savigny-Rudorff vom Standpunct des Rechtsbesitzes nicht zu erklären, weil ein iuris possessor nicht dejicirt werden


(659) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 23. Num. 85.

könne. Beweis: nec de via quis id est mero iure detruditur L. 4. §. 27. D. de usurp. Es ist aber in der That gerade umgekehrt nichts leichter zu erklären. Weil nämlich die Superficies kein merum ius, wie ein Wegerecht, sondern ein mit dem Boden zusammenhangender Körper ist, der mit einer modificirten corporis (nicht iuris) vindicatio in Anspruch genommen werden kann (L. 73. §. 1. L. 75. D. de rei vind.), so passt das int. de vi buchstäblich auf sie (L. 1. §. 4. D. de vi). Dagegen hat sich Baron ausser Stande gesehen, auch nur eine halbwegs befriedigende Lösung der Inconsequenz zu liefern, vermöge deren trotz des angeblichen Eigenthumsbesitzes das int. uti possidetis versagt, nur ein Interdict uti fruimini zugelassen und in dieses die Causa ex lege locationis sive conductionis (oder vielmehr venditionis, wie nach L. 1. §. 2. D. de superficiebus im Edict gestanden haben muss) eingeschoben wurde. Ich hatte (Zeitschrift für gesch. Rechtswiss. XI. 231.) jene Causa für nöthig erklärt, um das Interdict de superficiebus von dem Interdict des Fructuars zu unterscheiden, welches nach L. 14. §. 2. D. de except. rei iud. die Einschaltung der Causa nicht ertragen würde, selbst wenn die letztere Miethe oder Kauf sein könnte. Dagegen wendet Baron (S. 113. Note 6.) ein, dass der Hinweis auf die Superficiebus schon durch das Wort „superficie“ gegeben sei. Allein wenn der Superficiar an der Superficies einen Niessbrauch constituirt, so wird das Interdict uti superficie fruimini gegeben (L. 1. §. 6. D. de superficiebus) und dennoch ist dies kein Interdict de superficiebus, sondern de usufructu. Eben so wenig trifft Böcking’s Einwand: dass fruimini nicht den Quasibesitz des Superficiars, sondern vielmehr ein dingliches Verhältniss des Superficiars gegenüber dem Dominus bezeichne. Denn frui ex lege locationis wird bei der Pacht gesagt, wo von einem dinglichen Verhältniss nicht entfernt die Rede ist.


(660) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Dieser ganze Streit über possessio oder quasi possessio des Superficiars würde übrigens kaum der auf ihn verwendeten Mühe verlohnen, wenn er einzig um die Worte des Interdictsformulars geführt würde. Allein es handelt sich um eine sehr erhebliche praktische Differenz. Hätte der Superficiar nur Eigenthumsbesitz am Gebäude, so wäre er nach dessen Untergang ganz schutzlos, möchte ihm auch contractlich (ex lege locationis) das Nutzungsrecht am Boden Behuf Errichtung eines neuen Gebäudes auf noch so lange Zeit eingeräumt worden sein. Es stände um ihn so schlimm, wie es ungefähr um den Fructuar stehen würde, falls diesem nur Eigenthumsbesitz an den Früchten, aber kein Rechtsbesitz seines ius in re aliena zugestanden wäre. Sollte das Recht des Superficiars nicht ohne Besitzschutz bleiben, so musste ihm quasi possessio eingeräumt werden, die aber freilich trotz L. 81. §. 3. D. de leg. 1. mit dem Servitutenbesitz eben so wenig gemein hat, wie das superficiarische Recht mit dem Servitutrecht selbst.

Num. 86.

(Zu Seite 299. Zeile 1. v. o.)

Der anonyme Verfasser der Kritik der 6. Auflage des gegenwärtigen Buchs tadelt S. 72. die Annahme einer Fiction, weil der Verpfänder den Usucapionsbesitz gar nicht aufgebe. Vergl. dagegen L. 17. §. 1. D. de poss. S. 185. Note 1.

Lenz Seite 106. f. verwirft die Fiction, weil durch die potestative Resolutivbedingung Alles auf den Anfang der Pfandnahme, zurückbezogen werde, folglich der Besitz des Gläubigers als der eigene Besitz des Schuldners gelte, wovon das praktische Resultat sei, dass er letzterem in die Verjährungszeit eingerechnet werde. – Lenz missversteht die accessio possessionis in L. 16. D. de usurp., welche nicht auf die Usucapion, sondern auf eine


(661) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 24. Num. 86.

der „reliquae causae omnes“ , nämlich auf das int. utrubi geht und überdies noch nach Gai. 4, 151. die Fiction nothwendig voraussetzt: nam ei, quod nullum est, nihil accedere potest.

Dernburg, Pfandrecht II. (1864.) §. 86. S. 58. §. 87. S. 62-67., stellt eine vollständige neue Charakteristik der Besitzverhältnisse bei dem Pfandrecht auf. Der Schuldner usucapirt nach ihm nicht kraft einer Besitztheilung und Repräsentation durch den Gläubiger, sondern – etwa wie die Erbschaft – ausnahmsweise ohne jeden Besitz. Der Gläubiger hat also nicht abgeleiteten Besitz, denn in dem Besitz giebt es keine Succession, sondern nur Accession, vielmehr hat er den Besitz kraft seines selbständigen Willens: die Sache, wenn auch nicht für immer, festzuhalten und zu verwerthen. Daher erlischt der Besitz auch nicht nothwendig mit der Lösung des Pfandverhältnisses, sondern erst mit der Restitution der verpfändeten Sache (S. 60.) u. s. w. (1)

Allein da das eigene Recht des Pfandgläubigers nicht weiter reicht als höchstens bis zur Absicht, fremdes Eigenthum zu verwerthen, so kann auch der diesem ius in re aliena (vgl. L. 45. D. de damno infecto) entsprechende eigene Besitz des Gläubigers seinem Wesen nach nichts anderes als eine iuris quasi possessio sein. Wenn nun, wie nicht füglich bestritten werden kann, dieser Rechtsbesitz gleichwohl im Gewande des Eigenthumsbesitzes auftritt, wenn also der Pfandgläubiger das int. uti possidetis eum fundum oder utrubi hic homo (nicht etwa hoc pignus) fuit ganz ebenso wie  der Verpfänder

(1) In ähnlicher Weise erklärt Baron, Gesammtrechtsverhältnisse S. 122. 123. die römische Besitztheilung für „ein juristisches Unding“ , schreibt dem Pfandgläubiger allen Besitz allein zu und gründet die Ersitzung des Verpfänders entweder auf accessio temporis oder auf eine Anomalie.


(664) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

als dieser erscheint die moderne Erweiterung des Besitzwillens, welche allen Unterschied zwischen Besitz und Quasibesitz geradezu aufhebt. Für das heutige Recht und legislativ würde vielmehr die Stellung zum Rechtsbesitz, welche Bruns S. 479. 480. dem Pfandbesitz anweist, der Rechtsconsequenz allein entsprechen.

Richtiger und beifallswürdiger ist es, wenn Dernburg II. S. 53. und in gleicher Weise andere neuere Besitz- und Pfandrechtsschriftsteller (Bruns Besitz S. 6., Sintenis Pfandrecht S. 231., Bachofen S. 147.) abweichend von der S. 294. Note 3. entwickelten Ansicht des Verfassers, bei Conventional- und Legalhypotheken mit der Apprehension Besitz annehmen. In der That folgt dieses nicht nur aus den Ansprüchen der Römer (1), sondern auch aus dem Interdictsschutz des Miethers gegen die unbefugte Perclusion des Vermiethers (int. de migrando) und aus dem int. (Salvianum) adipiscendae possessionis des Verpachters. Schon die Stellung beider Interdicte im Julianischen Edict und den Pandecten (43, 31. 32.) kennzeichnet das erstere als eine Beschränkung, das letztere als eine Erweiterung des unmittelbar vorhergehenden int. utrubi (43, 30.). Erhielte der Verpachter durch die Apprehension das letztere Interdict (utrubi) nicht, so wäre er geradezu ohne allen possessorischen Schutz: denn das Salvianum ist weder retinendae noch recuperandae possessionis, es gewährt nur Schutz bei der

§. 15. D. de poss. verglichen mit Paul. 2, 13. §. 2.), aber auch dem Verpfänder erwirbt er wenigstens keinen Besitz, weil dieser ihn nicht besitzt. Gai. 2, 90. 94. L. 1. §. 6. 15. D. de poss. vgl. L. 50. D. eodem.

(1) L. 10. D. de pign. utilem actionem competere per quam dimidiam partem possessionis apprehendant singuli. L. 3. C. eodem, attamen auctoritate praesidis possessionem adipisci debent. L. 2. C. de praet. pign. in conventionalibus pignoribus vel hypothecis non solum tenentem creditorem adiuvari sed etiam si ab ea possessione cadat.


(665) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 25. Num. 87.

Apprehension und wird nur einmal gegeben, wie ja auch die Tradition des Pignus, deren Stelle die Apprehension vertritt, nur einmal gewährt wird. Eine Besitzergreifung ohne interdicta retinendae possessionis wäre aber so gut wie keine Apprehension: Javolenus L. 22. D. de poss. Non videtur possessionem adeptus is qui ita nactus est ut eam retinere non possit.

Num. 87.

(Zu S. 301. Zeile 8. v. u.)

Pfeifer §. 29. 37. verwirft um dieses Grundes willen die ganze folgende Erklärung; auch Bruns S. 16. weiss mit dem Depositum des Besitzes nichts anzufangen. Die Schuld liegt an den Compilatoren Justinians, welche die Besitzzurechnung (accessio possessionis) durch Interpolation auf die Usucapion und den Eigenthumsstreit bezogen und dadurch den Sinn der folgenden Stellen gänzlich verdunkelt haben. Beide gehen, wie die ähnlichen Interpolationen bei dem Precarium (S. 183. 184.) und die adiectio possessionis bei dem Pignus (L. 14. §. 4. D. de div. temp. L. 16. in fin. D. de usurp.) auf den Besitzstreit im int. Utrubi. (Auch bei den Baumaterialien in L. 23. §. 2. D. eodem, dürften die Worte penes te – fuerunt darauf hindeuten, aber zugleich Zeilenversetzungen eingetreten sein, da cohaerentibus his in aedificio hinter possedisti gestanden zu haben scheint.) Der Unterschied besteht aber darin, dass bei dem Pignus und Precarium der abgeleitete Besitz angenommen wird, weil accessio possessionis stattfindet (S. 662. Note 2.), bei der Sequestration dagegen, damit sie ausgeschlossen werde (ut neutrius possessioni id tempus procedat), denn ohne Ueberlassung des Besitzes an einen Dritten würde dem Sieger im Besitzstreit (victori) selbst der streitige Besitz in die längere Zeit des letzten Jahres eingerechnet werden müssen (Gai. 4, 151. 152. 166.).


(666) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Muther, Sequestration (1865.), welcher dem Besitz des Sequesters (1856.) ein ganzes Capitel (S. 226-244.) widmet, kommt über die Unterbrechung der Usucapion als Sequestrationszweck ebenfalls nicht hinaus. An einen Besitzstreit und eine mögliche Interpolation denkt er so wenig, dass er selbst das depositum possessionis (oben S. 302. Note 2., Bruns S. 7. 16.) verwirft. Wozu aber die Sequestration im Eigenthumsstreit dienen soll, in welchem der Besitz überall nicht streitig ist und die Usucapion vergebens abläuft (frustra complebitur anticipata lite nach Papinian’s Ausdruck), darüber giebt er keinen befriedigenden Aufschluss. Die Zurückführung des abgeleiteten Besitzes auf eine gegenseitige Verpfändung durch die sequestrirenden Parteien, sowie die Annahme einer Accession des Pfandbesitzes zum Usucapionsbesitze des Verpfänders (S. 241.) beruht sogar auf einem entschiedenen Missverständniss. Richtig ist nur die Ausführung, dass die Absicht den Besitz aufzugeben, aus den Umständen gefolgert werden könne und dass die L. 17. §. 1. depositi nur deshalb unbedingt gefasst sei, weil sie dergleichen Umstände vor Augen habe.

Num. 88.

(Zu S. 303. Note 1.)

Gegen dieses Argument streiten sowohl Pfeifer a. a. O., welcher behauptet, „dies heisst das Pferd bei dem Schwanze aufzäumen, “ als Bruns (S. 15. Note 1.), und nicht mit Unrecht, obgleich keiner von Beiden merkt, worauf es ankommt: dass nämlich die accessio possessionis nicht auf die Usucapion, sondern auf das alte Interdictum Utrubi zu beziehen ist. (Vgl. die vor. Note.)

Num. 89.

(Zu S. 304. Zeile 11. v. o.)

Eine Schwierigkeit machte die ältere Form des Int. Utrubi, nach welcher nur Der geschützt wurde, welcher


(667) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 25. Num. 89.

im letzten Jahre länger besessen hatte als der Gegner. Danach würde der rogatus und der Pfandschuldner nach Auflösung des Precarium oder des Pfandcontracts dem Gegner im Possessorium unterlegen sein. Um Dieses zu verhüten, wurde theils Besitzrechnung zugelassen, theils Doppelbesitz angenommen. (Anhang Num. 49.) Nachdem Justinian auch bei beweglichen Sachen den actuellen fehlerfreien Besitz genügend erklärt hat, bedarf es dieser Aushülfen nicht mehr.

Wollank (de poss. derivata p. 11.) rügt, dass ich in den Zusätzen zu Puchta, Pandecten §. 125 d. S. 190. Aufl. 9. und Vorlesungen §. 125. Note 1. Aufl. 5. S. 271. den abgeleiteten Besitz auf das Princip der Cession der Besitzrechtsmittel zurückführe und eine unbegrenzte Uebertragbarkeit annehme, da doch der abgeleitete Besitz singulär und der Erwerber wirklicher Besitzer sei, während die Cession der Interdicte so wenig Besitz gebe, als die Cession der Vindication Eigenthum. Er übersieht, dass ich nicht die Cession der Besitzrechtsmittel, sondern der Besitzrechte behauptet und den praktischen Grund der Beschränkung, die ich anerkenne, nur anderswo, als in der Cession, nämlich in der Unverträglichkeit der Pacht u. s. w. mit dem Besitz gesucht habe. Es ist aber nicht bloss die Aufklärung dieses Missverständnisses, sondern eine allgemeinere Bemerkung, um die es hier zu thun ist. Offenbar haben die zahlreichen Gegner des abgeleiteten Besitzes das mehr oder weniger deutliche Gefühl, dass in dieser Rechtsfigur ein specifisch römisches Element verborgen liegt, welches unserm Rechtsbewusstsein widerstrebt, nämlich: dass eine Uebertragung des Besitzes angenommen wird, wo es doch nicht um die Usucapion, sondern nur um die Besitzrechtsmittel zu thun ist, für welche die Cession der Interdicte völlig ausreichen würde. Dass nun dessenungeachtet der Besitz selbst übertragen wird, also scheinbar ein Uebriges geschieht, hat zunächst


(668) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

den historischen Grund, dass ursprünglich die Stellvertretung überhaupt, also auch die Zulassung von Stellvertretern in rem suam dem römischen Processe fremd war; zweitens aber den praktische, dass ohne Annahme eines eigenen Besitzes auch die Accession des Besitzes des Cedenten im int. Utrubi ausgeschlossen gewesen wäre. Beide Gründe fallen im Justinianischen Recht hinweg, das Resultat ist also, dass schon in diesem der abgeleitete Besitz entbehrlich und die Cession der Besitzrechtsmittel ausreichend gewesen wäre, geschweige denn im heutigen Recht. Aber der Conservatismus Justinians zeigt sich gerade bei der Regel Nemo alieno nomine agere potest besonders schonend: nur die Adstipulation hat er beseitigt, die Delegation und Correalobligation, in denen sie wenigstens ein cooperirender Factor war, sind unverändert beibehalten.

Eine andere Bemerkung Wollank’s (p. 8. 9.) ist gegen die Behauptung von Keller gerichtet: dass dem Fructuar im älteren Recht abgeleiteter Eigenthumsbesitz, dann Quasi-Eigenthumsbesitz und endlich Rechtsbesitz zugeschrieben worden sei, bei welcher übersehen war, dass in L. 3. §. 17. de vi nicht wie Keller (Semestria p. 349. not. 13.) liest: fuit in possessione, sondern fuit quasi in possessione überliefert ist.

Num. 90.

(Zu S. 304. Note 3.)

Dieses hat jedoch seinen besondern Grund einzig in dem concurrirenden Pachtverhältniss, welches nur mit einem Detentionsprecarium verträglich ist. L. 10. pr. §. 1. D. de poss. L. 37. D. de pign. act.; ohne dieses erhält der Schuldner auch hier die Interdicte gegen Dritte. Vgl. S. 185. Note 1.


(669) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 26. Num. 91-93.

Num. 91.

(Zu S. 306. Note 2. a. E.)

Das Bedenken gegen die Florentina verschwindet auch hier, so bald man possunt nur nicht premirt, sondern einfach für nobis non adquirunt nimmt.

Num. 92.

(Zu S. 306. Note 3. Zeile 6. v. u.)

Bedenklicher ist die Erklärung Bremer’s (Linde’s Zeitschr. N. F. XI. S. 249. f.), Jhering’s (Jahrb. für Dogm. I. S. 334.) und v. Scheurl’s (das. II. S. 26), welche nach Donellus eine entgegengesetzte Willenserklärung des Empfängers hinzu denken: denn Ulpian hatte die Julianischen Digesten offenbar vor Augen.

Num. 93.

(Zu S. 316. letzte Zeile.)

Diese Meinung findet sich schon in der Glosse zu L. 42, §. 1. cit. „Sed. Jo. non distinguit inter generalem et specialem et ideo primo expone: procurator i. procurans: nam de habente et non habente mandatum dicit. Vel dic procurator i. gestor et statim specificat de procuratore et postea de gestore.“ Ebenso in dem Summarium des Bartolus. „Per procuratorem habentem mandatum speciale vel generale acquiritur possessio domino etiam ignoranti, si hoc cadebat in generali mandato: sed si non cadebat vel nullum mandatum habebat ratihabitione adquiritur.“ Neuerdings hatte Unterholzner ein seiner Recension der 4. Ausgabe (krit. Zeitschr. f. Rechtswiss. Bd. 4. S. 387.) die Ansicht des Verf. bestritten, und Puchta (Kl. civ. Schriften, Nr. XXXII) wenigstens bei generellen Aufträgen possessio ignorantis zugelassen, wonach


(670) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

aber freilich schwer zu begreifen ist, warum es bei einem procurator omnium rerum, der (nach Cic. pro Caecin. 20, 57) „quasi quidam paene dominus hoc est alieni iuris vicarius“ ist, anders sein sollte. In der That hat denn jetzt auch Bremer (Linde’s Zeitschr. XI. Nr. 7. und in der Replik gegen Schirmer (ebenda Nr. 12.) Bd. XVII, Nr. 8.) mit überwiegenden Gründen den Schluss der beiden im Text angeführten Stellen auf den Negotiorum gestor bezogen, und dagegen bei dem procurator universorum bonorum unter anderem mit Hinweisung auf die Analogie des Vormundes (L. 1. §. 20. D. de poss.) und vor Allem auf das unverkennbare, durch den merkwürdigen Rechtsfall (XI. S. 243.) und die Rechtsentscheidungen bei Seuffert (Archiv II, 135. V. 106. X. 134 f.) bestätigte praktische Bedürfniss den Besitzerwerb vertheidigt.

Num. 94.

(Zu S. 317. Note 1.)

Im Anfange heisst es: Municipes per se nihil possidere possunt, quia universi consentire non possunt (weil sie als ein blosses Gedankending keines Entschlusses fähig sind). Forum autem et basilicam hisque similia non possident sed promiscue his utuntur. (Es fehlt an der exclusiven (privativen) Detention. S. 26, Note 1).

Warnkönig, Archiv für civilist. Pr. XX. (1837.) Nr. 13. S. 412-420, der auch für juristische Personen die Regel festhält, verkennt, dass ihre directe Anwendung durch den Mangel jedes unmittelbaren Bewusstseins unmöglich wird, und dass gerade deshalb für die Beschlüsse der Mittelspersonen, welche von der juristischen Person selbst wohl zu unterscheiden sind (L. 15. §. 1. D. de dolo. Gai. 2, 195), eine Ausnahme von der Regel ignoranti possessio non adquiritur durchaus nothwendig wird.


(671) Zweiter Abschnitt. Erwerb des Besitzes. §. 28. Num. 95-97.

Num. 95.

(Zu S. 324. Note 2. a. E.)

Indess haben schon die Glosse, Bartolus und Baldus zu L. 30. pr. D. ex quib. caus. mai. die richtige Ansicht. Ein neues Argument giebt Gaius 2, 52. und 201: die Ausschliessung der lucrativa pro herede usucapio einem suus gegenüber setzt voraus, dass dieser nicht in den Besitz succedirt. Vgl. Duncker, Zeitschrift für Civilrecht und Process XII. (1839.) Num. 3. S. 110. 111.

Num. 96.

(Zu S. 325. Note 1. a. E.)

Daher wird neben der Mancipation noch Tradition gefordert: Gaius 2 §. 204 heres (rem), si mancipi sit, mancipio dare aut in iure cedere possessionemque tradere debet und in den Schenkungen des Flavius Syntrophus: Orelli_Henzen n. 7321. Si tibi hortos ... mancipio dedero vacuamque possessionem tradidero ... , der Statia Irene: (Zell. delectus inscr. 1780.) mancipio dedit ... eique vacuam possessionem monumenti cessit ... des Titus Flavius Artemidorus (Orelli n. 4358.) donationis causa mancipio accepit M. Herennius Agricola de T. Flavio Artemidoro ... inque vacuam possessionem earum ollarum et cinerariorum T. Flavius Artemidorus Herennio Agricola ire aut mittere ossaque inferre permisit ...

Num. 97.

(Zu S. 325. Note 2. a. E.)

Die im Text versuchte Beziehung auf res furtivae hat den Sprachgebrauch der Lex Atinia (L. 4. §. 8. D. de usurp.) gegen sich. Bethmann-Hollweg in der Rec. der 6. Ausgabe. (Jahrb. für wissenschaftliche Kritik 1838. S. 284) erinnert an das int. Utrubi bei der Lex Cincia. (Fragm. Vat. §. 311.)


(672) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 98.

(Zu S. 331. Zeile 5. v. o.)

Lenz, S. 219, Note 2 findet „nach dem ihm zugänglichen Apparat keine Berechtigung für diese Aenderung der Florentina, welche der Auffassung Savigny’s allerdings bequemer sein würde“. Ein Blick in den Torellischen Abdruck und die Göttinger Ausgabe würde ihn überzeugt haben, dass die vermeinte Abweichung nur in seiner Einbildung existirt: Die Florentina hat beide Male hisdem, aber Brencmann bemerkt auch: aspiratio Florentinae est deleta ut et paulo post: iisdem ist also alte Correctur.

Baron, Gesammtrechtsverhältnisse S. 95 und zur Lehre vom Erwerb und Verlust des Besitzes (Jherings Jahrb. VII., 57.) lässt den Paulus selbst im gegebenen Fall die Disjunction von corpus und animus läugnen, weil diese seiner (Baron’s) Theorie von dem Erwerb und der Fortdauer des Besitzes widerspricht. Dass Paulus mit der Behauptung: Der Besitz könne auch im gegebenen Fall immer nur durch corpus und animus zugleich verloren gehen, gegen die ersten Elemente der Besitzlehre verstossen würde, daran nimmt Baron aus dem Grunde keinen Anstoss, weil die „Normierung der Principien nicht gerade die Tugend der römischen Juristen“ sei. In der That scheint jedoch Baron hier der Einsicht der römischen Juristen (Pomponius, Gaius und Ulpian, vgl. Gesammtrechtsverhältnisse S. 89. 101. Note 2. Jahrb. VII., 137. 138.) zu wenig, der eigenen dagegen zu viel zuzutrauen und dadurch das Verständniss wenn nicht der „Feinheit“ , (vergl. Jahrb. VII., S. 52) doch der Wahrheit in der Erklärung Savigny’s eingebüsst zu haben, einer Eigenschaft, welche die Wissenschaft ungleich höher anzuschlagen hat als den zweifelhaften Ruhm blosser Feinheit.


(673) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes. §. 30. Num. 99-101.

Num. 99.

(Zu S. 334. Zeile 9. v. o.)

Gellius, Noctes Atticae II. 12. §. 4. Nam si boni omnes – ad alterutram partem dividi sese adiunxerint, tum eveniet, ut cum socii partis seorsum utriusque fuerint – concordia per eos – restitui – possit.

Auf diese Stelle hat erst Hugo in der Anzeige der sechsten Ausgabe aufmerksam gemacht.

Num. 100.

(Zu S. 337. Note 1. a. E.)

Kierulff S. 390. 391. und nach ihm Lenz Seite 212-220. machen für die conjunctive Auffassung geltend, dass ein Wille ohne That kein wahres Wollen, ein Haben ohne Willen kein wahres Haben, also mit dem einen Element des Besitzes immer auch das andere aufgehoben sei: allein die Basiliken II. 3. 153. εί μή ψυχή χαί σώματι παυσώμεϑα νέμεσϑαι παυσώμεϑα νέμεσϑαι (nisi animo et corpore desierimus possidere) brauchen nicht in jedem gegebenen Fall conjunctiv erklärt zu werden; auch in L. 3. §. 1. D. h. t. adipiscimur possessionem animo et corpore neque per se animo aut per se corpore ist das Eine keineswegs unter dem Andern mitbegriffen und doch giebt es gewiss keinen bessern Ausleger der L. 153 D. de reg. iur. als Paulus selber, von welchem eben beide Stellen herrühren.

Num. 101.

(Zu S. 337. Note 2. a. E.)

Lenz, S. 218, will diesen Satz von jedem Rechtserwerbe verstanden wissen, aber auch Papinian versteht ihn nur von Obligationen: L. 46. D. de poss. ut enim eodem modo vinculum obligationum solvitur, quo quaeri adsolet, ita non debet ignoranti tolli possessio quae solo animo tenetur.


(674) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 102.

(Zu Seite 338. Zeile 12. v. u.)

Höpfner, Besitzrechtsmittel, S. 27. Note 48. S. 51 f. kommt ohne alle Schwierigkeit über das utrumque hinweg, weil er die Regel selbst läugnet. Er behauptet nämlich, dass durch Entziehung des corpus ohne den Willen der Besitz nicht verloren gehe und findet daher die Unterscheidung erhaltender und recuperatorischer Besitzschutzmittel völlig überflüssig. – Es versteht sich, dass er die (relative) Fortdauer des Besitzes selbst confundirt.

Lenz, S. 213. S. 220 verlangt eine andere Formulirung der Regel für die Praxis, eine andere für die Wissenschaft, dort eine alternative, hier eine conjunctive (et animo et corpore) zu Ehren der Einheit des Besitzes. – Einige Deutlichkeit dürfte doch auch in der Wissenschaft nicht ganz unerwünscht sein.

Num. 103.

(Zu S. 339. Note 4. a. E.).

In den Materialien zu einer 7. Ausgabe findet sich folgende unbeantwortete Frage von Savigny’s Hand: „Wenn mir ohne mein Wissen meine bewegliche Sache gestohlen wird, so verliere ich den Besitz solo corpore. Wie aber, wenn der reuige Dieb die Sache heimlich wieder hinlegt, habe ich nun sine animo neuen Besitz erworben? oder ist gar der alte Besitz ohne Unterbrechung wieder hergestellt?“ – Dem Diebe gegenüber hat die Frage kein Interesse, da dieser im Int. Utrubi wenigstens vorläufig unterliegen würde. Dagegen ist sie, Dritten gegenüber, der Usucapion wegen von Bedeutung. Ohne Zweifel ist diese unterbrochen, aber zu dem neuen Besitz genügt die Niederlegung im Hause (S. 226) und der alte animus (S. 239).


(675) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes. §. 31. Num. 104. 105.

Num. 104.

(Zu S. 342. Zeile 11. v. o.)

Jetzt wird der Florentinischen Lesart auch in dieser Stelle der Vorzug gegeben werden müssen. Denn man kann in der That sagen: wir haben die Sache noch in unserem Gewahrsam so lange die Reproduction der Detention einzig von unserm Willen abhängt, weil wir den Ort noch wissen und erreichen können, an welchem sie sich befindet, oder weil wir die Anstalt (custodia im örtlichen Sinne des Worts) in unserer Gewalt haben, welche sie uns verwahrte, sollten wir auch im letztern Falle einiger Anstrengung des Gedächtnisses oder des Suchens bedürfen, um sie innerhalb dieser besondern Anstalt aufzufinden. Vgl. Lenz, S. 255-262.

Num. 105.

(Zu S. 342. Note 1. a. E.)

Lenz, S. 278 verwirft die Annahme einer Fiction, weil die Fortdauer des Besitzes an flüchtigen Sclaven aus der Natur dieser Besitzobjecte mit logischer Nothwendigkeit folge. Aber ganz ähnlich drückt sich Ulpian aus L. 13. pr. D. de poss. Fugitivus idcirco a nobis possideri videtur, ne nos ipse privet possession. Es ist also, wenn auch keine eigentliche Rechtsfiction, doch wenigstens eine künstliche Rechtsansicht: denn da alle Menschen von Natur frei sind, so wäre das Natürliche, die Flucht als den Anfang des Freiheitsbesitzes anzuerkennen. Dieses aber wird nur unter der ganz bestimmten Voraussetzung angenommen, dass der Sclave es nicht auf einen Freiheitsprocess ankommen lässt, sondern den Staat und seine Rechtspflege vollständig negirt. L. 3. §. 10. D. de poss. L. 25. §. 2. D. de lib. causa.


(676) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 106.

(Zu S. 348. Zeile 10. v. o.)

Lenz, S. 240, der überhaupt „Nichts oder Alles merkwürdig und bewundernswerth“ findet, läugnet die ganze Ausnahme. Allein diese erkannte schon Papinian als eine possessionis amittendae separation an (L 44. §. 2. L. 47. de poss.). Zwar liesse sich die Fortdauer solo animo bis zur Kunde allenfalls daraus deduziren, dass bis dahin ein contrarius animus undenkbar ist (L. 46. §. 2. L. 27. de poss.). Da aber 1. bei beweglichen Sachen der Besitz verloren geht, und 2. die clandestina possessio im Allgemeinen alle Rechte des Besitzes geniesst (L. 3. §. 5. L. 53. de poss.), so ist es augenscheinlich eine Singularität, wenn nur der Grundbesitz trotzdem solo animo fortbestehen soll. Der Grund dieser Beschränkung liegt nicht sowohl darin, dass den Grundbesitzer nicht derselbe Vorwurf vernachlässigter Aufsicht träfe (L. 47. D. de poss. vgl. Hygin de gen. controv. p. 124, 17.), als vielmehr darin, dass das Int. Utrubi ohnehin erst durch längern Besitz des Gegners verloren geht. Wichtiger und schwieriger ist es, die Grenzen des singulären Rechtssatzes festzustellen, welche selbst die neuesten Schriftsteller (Bruns, Jahrb. von Bekker IV. S. 46. f., Witte, Linde’s Zeitschr. N. F. XVIII. S. 255-269, Windscheid, Pandektenrecht S. 391) noch unbestimmt lassen. In dieser Beziehung ist zu unterscheiden: 1. Dritten Personen gegenüber würde die Fortdauer ohne den unlösbaren Doppelbesitz des Trebatius nicht angenommen werden können. Der Grundbesitzer hat also keine Interdikte und seine Usucapion wird unterbrochen, der clandestinus possessor ersetzt ihm aber das Interesse des entgangenen Ersitzungsbesitzes (L. 3. §. 11. D. uti poss.) 2. Die ganze Anomalie ist also eine relative, sie beschränkt sich auf das Verhältniss der Parteien unter sich. Statt eines recuperatorischen Int. de clandestina possessione hat der Grundbesitzer


(677) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes. §. 31. Num. 107. 108.

ein Int. retinendae possessionis. Da er sich nämlich mit dem heimlichen Occupanten noch nicht einmal gemessen hat, so kann er um so weniger als entsetzt angesehen werden: er hat also das int. uti possidetis und behauptet damit nicht nur seinen Besitz (retinet possessionem sc. ab altero), sondern sichert ihn zugleich durch die pönale Natur dieses Interdikts für die Zukunft. – Nach dieser Auffassung gehört der Satz nicht zum Besitzverlust, welcher ganz unzweifelhaft mit der Occupation eintritt, sondern in den folgenden Abschnitt zum Int. de clandestina possessione und dessen Surrogat, der Exceptio clandestinae possessionis im Int. duplex Uti possidetis.

Nach Witte (a. a. O. Num. VI.) soll der Besitz erst mit Ablauf der zu sofortiger Vertreibung gestatteten Frist und zwar animo verloren gehen, gleichwohl aber die possessio des Occupanten clandestina bleibe. Darin liegt jedoch mehr als ein Widerspruch.

Num. 107.

(Zu S. 353. Noten-Col. 1. Zeile 5. v. o.)

Die Basiliken 50, 2, 5. Tom. V p. 39 Heimb. drücken jedoch diesen Gegensatz sehr bestimmt durch ό δέ aus.

Num. 108.

(Zu S. 353. Note 2. a. E.)

Einfacher erklärt sich die Stelle des Ulpian aus dem Gesichtspunct des Int. uti possidetis, zu dem sie nach der Inscription gehörte. In diesem gewinnt, wer den Besitz dem Gegner weder vi noch clam entzogen hat. Retinet ergo possessionem bezieht sich also nicht auf die Fortdauer des Besitzes, sondern (wie das potior sit in L. 25. §. 2 de poss.) auf den Sieg im Int. retinendae possessionis, welcher unter den streitenden Theilen


(678) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

von der Fortdauer unabhängig ist. Da nun jener Satz völlig unbestritten war (Gaius 4, 150, 166), folglich selbst von Labeo gebilligt wurde, wenn dieser auch eine possessio plurium in solidum nicht gerade für dessen passendste Formulirung hielt (S. 176. 177. 189), so bedarf es weder der Annahme einer Berichtigung Labeo’s durch Ulpian, noch einer Veränderung des florentinischen Textes, nach welchem Labeo’s Meinung theils in directer, theils in indirecter Rede referirt und gebilligt wird.

Num. 109.

(Zu S. 353. Note 4.)

Lenz (S. 242) läugnet trotz alldem jede Meinungsverschiedenheit unter den römischen Juristen. Er hätte sich schon aus den Institutionen eines Bessern belehren können. Hier heisst es zwar §. 5. I. de interdictis: Quin etiam animo quoque solo retineri possessionem placet: id est ut quamvis neque ipse sit in possessione, neque eius nomine alius: tamen si non relinquendae possessionis animo, sed postea reversurus inde discesserit, retinere possessionem videatur. Allein bei Gaius (4, 153) lautet die Stelle anders: quin etiam plerique putant animo quoque retineri possessionem, quae nostro nomine a nemine tenetur, ut scilicet tum possidendi animo solo, cum voluntate revertendi discesserimus, retinere possessionem videamur. Zwar ist darin Vieles erst von Huschke ergänzt, allein die Andeutung der nicht ausnahmslosen Anerkennung (plerique), worauf es allein ankommt, ist völlig sicher überliefert.

Num. 110.

(Zu S. 354. Zeile 3. v. o.)

Eine durchaus abweichende Theorie über den Verlust des Besitzes an Grundstücken versucht Lenz (S. 242 f.) aufzustellen. „Der Grundbesitz (sagt er), der animo


(679) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes. §. 31. Num. 110.

erworben, wird auch animo retinirt und kann nur animo verloren werden.“ – „Die Neuheit dieser Betrachtungsweise, für die sich eine Andeutung nur bei Kierulff S. 393-395 findet, “ kann und soll freilich nicht in Abrede gestellt werden. Sie existirt aber auch allein in der spiritualistischen Besitztheorie des Verf. Die Römer erklären den Versuch, das Princip der Fortdauer auf den Erwerb und Verlust des Besitzes zu übertragen, für einen entschiedenen Irrthum (1).

Baron, Gesamtrechtsverhältnisse, S. 90-107, und Zur Lehre vom Erwerb und Verlust des Besitzes (Jhering’s Jahrb. VII. Nr. III. S. 144-146, 162, 165), erzählt nach unbekannten Quellen folgende Rechtsgeschichte der possessio solo animo.

Nach altem römischen Recht ging durch jede Entfernung des Besitzers ohne Zurücklassung eines Stellvertreters aller Besitz corpore verloren. Deshalb (2) konnte ein int. de clandestina possessione gar nicht aufkommen und der Prätor hat ein solches in der That auch niemals im Edict proponirt.

Indessen wurde „später“ die Fortdauer des Besitzes solo animo durch die „Jurisprudenz“ wirklich eingeführt

(1) Gaius 4, 153. (§. 5. I. de interdictis) nec ulla dubitatio est, quin animo possessionem apisci non possimus. Papinian. L. 44. §. 1. 2. D. de poss. nec tamen er pertinere speciem istam, ut animo videatur adquiri possessio – possessionem amitti vel animo vel etiam corpore. Paulus L. 3. §. 3. 6. eodem. Neratius et Proculus solo animo non posse nos adquirere possessionem, si non antecedat naturalis possessio – amitti et animo solo potest quamvis adquiri non potest- Diocletian. et Maxim. L. 4. C. de poss. Licet possessio nudo animo adquiri non possit, tamen solo animo retineri potest.

(2) Nach dem neuen Aufsatz in Jhering’s Jahrb. VII. S. 145. Note 166. wäre die bloss vorübergehende Abwesenheit das Motiv gewesen.


(680) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Man sollte denken, nach dieser Beseitigung des Hindernisses hätte nunmehr das int. de clandestina possessione ungehindert aufkommen können. Allein nach Baron verwies die „Jurisprudenz“ den Zurückkommenden statt dessen vielmehr auf das Faustrecht, selbst auf vis armata: sie vertröstete ihn jedoch nicht etwa auf einen Sieg, sondern vielmehr auf eine Niederlage durch den Eindringling. Hat der Besitzer diese erlitten, so steht ihm das int. de vi zu. So weit Baron.

In dieser Erzählung ist vor Allem unerwogen geblieben, dass das int. de vi eine vollendete Dejection des früheren Besitzers durch den Invasor voraussetzt, folglich gegen die clandestina possessio gar nichts nützt.

Zweitens ist nicht beachtet, dass L. 6. §. 1. D. de poss. aus Ulpian’s Buch 70, nicht aber aus Buch 69 ad Edictum genommen ist, folglich überall nicht mehr vom int. de vi, sondern vom uti possidetis handelt. Wenn es also in dieser Stelle heisst: „Retinet ergo possessionem qui ad nundinas abiit“ , so kann darunter nur das wirksame int. retinendae possessionis uti possidetis mit recuperatorischem Erfolg, also der Besitz als Schutzrecht, nicht aber auf das leibliche Usucapionsbesitz und noch weniger der leibliche Passivbesitz (die Rolle des Beklagten in der Vindication und Erbschaftsklage) gemeint sein, welcher Letzterer ja in dem Recht des Besitzes überall keinen Platz hat.

Zwar soll nun jenes tumultuarische und gewaltthätige Vertreibungsrecht auf „vorübergehende“ Abwesenheit, wie saltus hiberni, „Reisen zu Messe“ , „Sommerwohnungen ohne Portier“ u. dgl. eingeschränkt werden. Aber zwischen „vorübergehender“ und dauernder Abwesenheit wird keine Zeitgrenze gezogen und für den Mangel jeder Hülfe bei längerer Abwesenheit, wo doch das Bedürfniss gerade um so dringender erscheint, ist schlechterdings kein


(681) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes. §. 31. Num. 110.

Grund angegeben (1). – Das Richtige an der Sache ist vielmehr, dass der Erfolg des int. uti possidetis (denn nur von diesem, nicht von dem int. de vi kann hier die Rede sein) allerdings um so zweifelhafter wird, je länger die Abwesenheit gedauert hat, jedoch ohne dass jenes Interdict deshalb bei längerer Abwesenheit rechtlich ausgeschlossen wäre. Den Beweis enthält folgendes entscheidende Zeugniss: de loco, sagt Frontinus de controv. agrorum 44, 4, de loco, si possessio petenti firma est, etiam interdicere licet, dum cetera ex interdicto diligenter peragantur: magna enim alea est litem ad interdictum deducere cuius est executio perplexissima. Si vero possessio minus firma est mutata formula ex iure Quiritium peti debet proprietas loci ... si – locus est fere silvester, quo in genere est possessio minus firma, ne certetur interdicto, quodsi silva caedua sit post quintum annum parcissume repetatur. Si vero pascua sit et dumi ac loca pene solitudine derelicta (2), multo minorem possessionis habent fidem, propter quod minime de his locis ad interdictum iri debet. De quibus autem locis ad interdictum iri potest, sunt fere culta, quae possessionem brevioris temporis testimonio adipiscuntur, ut arva aut vineae aut prata aut aliut aliquod genus culturae. Dass hier unter dem Interdict das int. uti possidetis eum locum, nicht das int. de vi gemeint ist, beweist der ganze Zusammenhang, namentlich aber die Bemerkung über die executio perplexissima und die cetera ex interdicto, worüber Gai. 4. 170. zu vergleichen ist.

(1) Der Verfasser scheint entweder die sofortige (ilico) Dejection (L. 17. D. de vi) mit der bloss vorübergehenden Abwesenheit verwechselt oder aber in L. 1. §. 24. D. de vi das Wort mox mit revertens zusammenconstruirt zu haben.

(2) Ueber die solitudo der saltus aestivi und hiberni in den Apulischen und Reatiner Gebirgen: Varro de re rust. 2, 2. 9.


(682) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Nach einer weiteren Behauptung desselben Schriftstellers soll die Fortdauer des Besitzes solo animo von den römischen Juristen aus der Regel prout quidque contractum est ita et solvi debet hergeleitet worden sein. In der That enthält sie aber umgekehrt eine Folgerung aus dem Satze retinere animo possessionem possumus, apisci non possumus (L. 30. §. 5. D. de poss.), da es sich durchaus nicht um Aufhebung, sondern vielmehr um Erhaltung des Besitzes handelt. Dies zeigt sich nirgends deutlicher als in dem berühmten Satze des Quintus Mucius: aestivorum hibernorumque saltuum nos possessiones animo retinere. Darunter war freilich an sich nur die Fortsetzung ohne jeden leiblichen Besitz, es sei des Besitzers selbst oder eines Repräsentanten gemeint; insofern jedoch dieser animus ohne Bewusstsein der Occupation gar nicht verändert wird, ergiebt sich die Consequenz: non debet ignoranti oder si furere coeperit tolli possessio quae solo animo tenetur. L. 27. D. de poss.

Endlich soll der Occupant nach Baron auf gegen den Abwesenden Interdictsschutz geniessen und nur dessen exceptio vitiosae possessionis zu fürchten haben. Hier aber haben offenbar die Missverständnisse der Natur dieser exceptio schädlich eingewirkt: Die Behauptung eines Besitzrechts des Occupanten wird nicht etwa „mit der exceptio vitiosae possessionis zurückgeschlagen“ , sondern sie ist ipso iure nicht begründet, weil nur der relativ fehlerlose Besitz ein berechtigter ist und die eigenmächtige heimliche Besitznahme dem Verbot jeder aggressiven Gewalt widersprechen würde (1).

Diese zahlreichen Abwege würden vielleicht vermieden worden sein, wenn der Verfasser sich klar gemacht

(1) Quaesitum est – sagt Papinian in L. 18. pr. D. de vi an emptori succurri debeat, si voluntate venditoris colonum postea vi expulisset? Dixi non esse iuvandum qui mandatum illicitum susceperit.


(683) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes. §. 32. Num. 111.

hätte, dass jede Besitzentziehung nur um so viel mehr eine Besitzstörung enthält, weshalb denn auch das int. uti possidetis nicht nur mit den restitutorischen Interdicten, sondern sogar mit den Besitzcondictionen (L. 2. D. de cond. trit.) electiv concurrirt (1) und im int. utrubi Erhaltung und Restitution des Besitzes sogar durch dasselbe Interdict gewährt wird.

Eigenthümlich wäre es nun allerdings, wenn durch das int. uti possidentis das int. de clandestina possessione ganz verdrängt wäre, während doch die beiden andern restitutorischen Interdicte (de vi und precario) als concurrirende Rechtsmittel fortdauern. Allein erstlich ist diese Anomalie sehr problematisch, da die Exceptio clandestinae possessionis fortbesteht und da wir nicht wissen, ob Julian für dieses Interdict de clandestina possessione, dessen er in L. 7. §. 5. D. comm. dividundo zu gedenken scheint, nicht auch in seiner Edictsredaction eine Clausel hatte. Zweitens aber würde jene Anomalie, mag sie nun früher oder später eingetreten sein, sehr wohl in der Seltenheit des int. de clandestina possessione ihre Erklärung finden, denn die Geheimhaltung ist ein vorübergehender Zustand, der nach erhaltener Nachricht entweder durch eine Dejection von der einen oder der andern Seite oder durch einen Verzicht sein Ende erreicht.

Num. 111.

(Zu S. 355. Note 1. a. E.)

In der letzten Stelle verwirft Ulpian die Meinung des Celsus (L. 18. §. 1. eodem), nach welcher bei der Tradition der Verlust nicht nur unter der Bedingung des

(1) In ganz entsprechender Weise wie im eigentlichen Rechtsgebiete Vindication und condictio triticaria gegen den Dejicienten gegeben werden. Gai. 4, 4. L. 2. D. de cond. trit.


(684) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Erwerbs, sondern unbedingt einträte: mit Recht, da nicht Dereliction sondern Uebergabe beabsichtigt wird. Vergl. v. Scheurl, Beiträge I. S. 202-205, Lenz S. 230. f. Windscheid Voraussetzung S. 144-146, Pandectenrecht S. 302.

Num. 112.

(Zu S. 356. Note a. E.)

Zielonacki S. 36. erklärt quae est naturalis durch quae est res oder causa facti, Lenz S. 225. f. durch quamvis naturaliter adquiratur (L. 53. D. de A. R. D.). Daran ist unstreitig so viel richtig, dass der Jurist nicht den Interdictsbesitz dem Usucapionsbesitz, sondern den Besitz überhaupt dem Recht entgegensetzt. Er will sagen: obgleich der Besitz nicht wie das Eigenthum ein reines Rechtsverhältniss, sondern zunächst ein Naturverhältniss ist (Festus v. Possessio p. 233. Müller: non enim possessio est in rebus quae tangi possunt nec qui dicit se possidere, is suam rem potest dicere) und daher unter andern nicht durch ein civilrechtliches Geschäft, sondern auf natürlichem Wege durch Occupation erworben wird (Festus v. Possessiones: non mancipatione sed usu tenebantur. L. 53. D. de A. R. D.), so entlehnt er doch so viel vom Recht (res), dass man ihn ein natürliches Rechtsverhältniss (res naturalis) nennen könnte. Da nun ein Pupill ohne den Tutor überhaupt kein Recht (nullam rem) veräussern darf (Ulpian 11, 27.), während eine Frau ohne Geschlechtstutor nur mancipi res nicht aufgeben, folglich den Besitz als eine nec mancipi res allerdings alieniren kann (Fragm. Vat. §. 1. mulier s. t. a. possessionem alienare potest) – so ergiebt sich, dass der Pupill bei jeder Besitzaufgabe, sie enthalte nun eine Uebertragung (alienatio im engern Sinn) oder eine blosse Entsagung (omissio), den Tutor nöthig hat, sobald der Besitz von seiner rechtlichen, nicht bloss seiner natürlichen Seite in


(685) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes. §. 32. 33. Num. 113-115.

Betracht kommt, mit andern Worten, sobald er animo nicht corpore verloren wird. Denn wenn der Pupill dejicirt wird, so behält er die Interdicte, währen durch Entsagung alle Besitzrechte aufgegeben sein würden, welches eben ohne den Tutor nicht möglich ist.

Num. 113.

(Zu S. 360. Note 1. a. E.)

Lenz (S. 229. Note 2.) nimmt wegen L. 6. §. 1. D. de poss. (S. 352) an: Gaius läugne nur die Anwendung des Usucapionsverbotes der res vi possessae (Gai. 2, 51.), nicht die Fortdauer des Besitzes, weil der Occupant nur heimlich besitze, mithin der Grundbesitzer den Besitz retinire. Er übersieht 1. dass aus der kurzen Abwesenheit, wegen des Wochenmarktes (ad nundinas) gewiss keine Entsagung gefolgert werden darf; 2. dass die „Retention“ des Grundbesitzers nur dem heimlichen Occupanten gegenüber angenommen wird. (Num. 106. 110.)

Schirmer (Zeitschrift für Civilrecht und Process N. F. XI. S. 401. 402.) versteht die Stelle von Aufhebung des körperlichen Moments ohne Gewaltthätigkeit, allein dann verlöre die Nachlässigkeit und die langjährige Versäumniss alle Bedeutung.

Num. 114.

(Zu Seite 367. Noten-Col. 1. Zeile 4. v. o.)

Schirmer in Linde’s Zeitschr. N. F. XI. S. 398. 467. 476. Witte, daselbst XVIII. Nr. XV. §. 11. S. 293-300.

Num. 115.

(Zu S. 367. Noten-Col. 1. a. E.)

Richtiger ist es wohl, mit Schirmer S. 465. 475. nach Celsus L. 67. D. de furt. und Gellius noct. Att.


(686) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

XI 18. §. 23. nur über die Nothwendigkeit der Contrectation zum Furtum einen Streit anzunehmen und zwar nicht unter den Schulen.

Num. 116.

(Zu S. 370. Zeile 13. v. o.)

Für die florentinische Leseart aliud spricht jedoch auch der Anfang, der nur die neue Frage si forte colonus ... decessisset aufwirft, in welche der freiwillige Verlust nur des Gegensatzes wegen eingeschoben wird. Der Plural haec esse vera ist mit dieser Annahme keineswegs unvereinbar. Dazu kommt die Differenz zwischen Proculus L. 31. D. de dolo und den libri Sabiniani L. 12. C. de poss. Entscheidend ist die Autorität der Basiliken 50, Tit. 2. 40. §. 1. έτερον εί προαιρέσει άνεχώρησεν, wogegen Keller’s (Pandekten S. 235. Note 30), jetzt Mommsen’s Colladon’sche Handschrift nicht in’s Gewicht fällt.

Num. 117.

(Zu S. 370. Note 1. a. E.)

Gellius noct. Att. XI, 17. §. 13. In quo (Sabini libro, cui titulus est de furtis) id quoque scribtum est – non hominum tantum neque rerum moventium – sed fundi quoque et aedium fieri furtum: condempnatum quoque furti colonum, qui fundo, quem conduxerat, vendito, possessione eius dominum intervertisset.

Num. 118.

(Zu S. 371. Note 1. a. E.)

Die Basiliken L. 2, 2. §. 8. (Tom. V. p. 48. Heimb.) haben ει δέ δούλοςάνεχώρησεν, έγώ ψυχή χατέχ αύτήν.


(687) Dritter Abschnitt. Verlust des Besitzes. §. 33. Num. 119-122.

Num. 119.

(Zu S. 371. Note 4. a. E.)

Die Basiliken L. 2. 2. §. 9. haben Εί δέ άλλω παραδώσω, άχώλεσα νομής γάρ ή προαιρέσει ή βία άναχωρούμεν.

Num. 120.

(Zu S. 372. Note 1. a. E.)

Witte (Linde’s Zeitschr. N. F. XVIII. Nr. XV. S. 274 f. (§. VII.) versucht die Vertheidigung der Vulgata (tradiderint: ... discesserint ... fuerint), allein er muss zugeben, „dass bei dieser Interpretation die Zusammenstellung der Sätze etwas Befremdendes behält.“ Nach der Florentinischen Lesart hätte schon Paulus den Satz „deteriorem condicionem per servum domino nullo modo fieri, auf welchen sich Justinian in L. 12. C. de poss. gründet, auch bei freien Stellvertretern angewendet; vergl. Keller, Pandekten S. 235.

Num. 121.

(Zu Seite 374. Note 2. a. E.)

Löbenstern in Linde’s Zeitschr. IX. (1836.) S. 388 f. Kierulff, Theorie. (1839.) S. 398. Bruns in Bekker’s Jahrbuch. IV. (1860.) S. 43. Keller, Pandekten (1861.) §. 122. S. 235.

Num. 122.

(Zu S. 375. Note a. E.)

Vangerow, Pandekten §. 209. Anm. Sintenis, Civilrecht §. 45. Note 25. Herm. Witte, Zeitschr. für Civilr. und Process. N. F. XVIII. S. 269-277. 283-285.


(688) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 123.

(Zu S. 376. Zeile 4. v. o.)

Ferner das Endlicher’sche Fragment von Ulpiani inst. lib. 1. fr. 1. 4.

Num. 124.

(Zu S. 377. Zeile 13. v. o.)

Hier ist jetzt die gründliche Abhandlung von Adolf Schmidt, über das Interdictverfahren der Römer, 1853. hinzusetzen.

Num 125.

(Zu S. 381. Note 3. a. E.)

Etwas Anderes ist die Execution. Die sofort liquiden Contraventionsstrafen (Gaius 4. 165) konnten wahrscheinlich mittels ausserordentlicher Zwangsmittel beigetrieben werden. arg. L. 46. D. ad Legem Falc. vgl. Paul. 2, 1. §. 5. L. 34. §. 6. D. de iureiur. L. 15. L. 32. §. 12. D. de recept. arb.

Eine interessante Frage bleibt es, wie die Interdicte beschaffen waren, durch welche der Prätor, wie Gai. 4, 170. berichtet, nach Erlass der possessorischen Interdicte uti possidetis und utrubi die weiteren nothwendigen Schritte des Verfahrens (cetera ex interdicto) d. h. die Sponsionen, Restipulationen und Versteigerung der Früchte erzwang. Es liegt nahe, dass alsdann der Interimsbesitz (fructus) auf den Gegner übertragen wurde, bis der Säumige seine Pflicht genügt, für welchen Fall der Letztere sich verpflichtet ihn zurückzustellen. Dafür spricht die Analogie der Interdicte Quem fundum u. s. w. zum Zweck der Translation des Interimsbesitzes (vindiciae) im Rechtsstreit (Rudorff, Zeitschrift für Rechtsgeschichte IV. S. 110. f.). Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass die in Num. 58. erwähnte L. 52. §. 2.


(689) Vierter Abschnitt. Interdicte. §. 35. Num. 126-128.

D. de poss. (Species inducendi in possessionem alicuius rei est prohibere ingredienti vim fieri: statim enim cedere adversarium et vacuam relinquere possessionem iubet, quod multo plus est quam restituere) in diesen Zusammenhang gehörte, woraus dann folgen würde, dass die betreffenden Interdicte prohibitorisch, nicht wie das Int. quem fundum bei unbestrittenen Vindicien restitutorisch gewesen wären. Alles dieses ist jedoch reine Conjectur und noch weit unsicherer ist, was Huschke zu Gai. 4. 170. über das Detail des Verfahrens als weitere Vermuthung aufstellt.

Num. 126.

(Zu S. 383. Note 2.)

Auson. Idyll. 11. 63. Interdictum trinum genus: unde repulsus Vi fuero, aut utrubi fuerit, quorumve bonorum: das erste nämlich ist recuperandae, das zweite retinendae, das dritte adipiscendae possessionis.

Num. 127.

(Zu S. 385. Note 1. a. E.)

Diese letztern Interdicte haben jedoch mit den possessorischen folgende nähere Verwandtschaft: 1. Klaggrund ist bonorum possessio, also eigentlich iuris quasi possessio, obwohl durch den Titel und guten Glauben ein dem Erbrecht verwandtes prätorisches ius (quasi) possidendi; 2. das Beklagtenverhältniss setzt wahre corporis possessio (pro herede, pro legato, pro possessore) voraus L. 2. D. quorum bon. L. 1. §. 4. 8. 9. D. quod leg. Fr. Vat. §. 90.; 3. sie sind Surrogate der possessorischen Interdicte, weil diese mit dem Tode wegfallen (S. 44. f. 247 f. Num. 15.)

Num. 128.

(Zu S. 388. Note 3. a. E.)

Nach Gaius 4. 145. brauchten Einige (quidam) die Bezeichnung possessorium sogar in specieller Bedeutung


(690) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

für das int. adipiscendae possessionis des bonorum emptor.

In dem folgenden Abschnitt des Zusatzes der 6. Ausgabe bis zum Schluss des §. 35. ist die Beweisfrage nach allgemeinen Principien entschieden worden.

Neuerdings hat jedoch Baron (Abhandlungen (1860) S. 4-10) auch die historische Untersuchung über den Beweis des Besitzes nach den Aussprüchen des Röm. Rechts wieder aufgenommen. Nach seiner Ansicht hätten die Römer ausser dem Beweis der Detention auch noch den animus verlangt, aber sie hätten sich gleichwohl theils, wie die gemeinrechtlichen Praktiker, mit zweifelhaften Handlungen, theils mit Anführung der causa possessionis begnügt und aus dieser auf den animus geschlossen. In beidem liege ein praktischer Fehler.

Für die zweifelhaften Handlungen wird Paulus V. 11. (de donationibus) §. 2. Probatio traditae vel non traditae possessionis non tam in iure quam in facto consistit: ideoque sufficit ad probationem, si rem corporaliter teneam als Gewährsmann angerufen. Die Stelle beschränkt sich auf das Cincische Recht (Fragm. Vat. 310. 311.) und hat daher schon im Justinianischen Recht keine Aufnahme gefunden (1).

Die Anführung der causa soll dagegen im Edict vorgeschrieben sein: L. 1. pr. D. de superf. (43. 18.) Ait Praetor: Uti ex lege locationis sive conductionis (nach L. 1. §. 2. D. eod. ist aber venditionis die richtige Leseart) superficie nec vi nec clam nec precario alter ab altero fruimini, quominus fruamini vim fieri veto. Allein die lex locationis bestimmt hier nur die contractlichen Grenzen der Superficies, nicht den Anfang des Besitzes, also nur die causa proxima, nicht die remota. Warum fehlte sonst

(1) In L. 77. D. de rei vind. (6, 1.) wird brevi manu traditio, also ein ganz anderer Fall vorausgesetzt.


(691) Vierter Abschnitt. Interdicte. §. 35. Num. 128.

die causa in allen possessorischen Interdicten des Eigenthumsbesitzers?

Die wirklich römische Beweistheorie ist daher vielmehr folgende:

Der Implorant muss nach römischem Beweisrecht in den Interdicten nicht nur den juristischen Besitz (ad se pertinere possessionem Gai. 4. 167. 168.), sondern sogar den relativ fehlerfreien Besitz darthun. iudex, sagt Gaius 4. 166. illud scilicet explorat – uter eorum eum fundum easve aedes per id tempus quo interdictum redditur nec vi nec clam nec precario possederit, und auf demselben Grundsatz beruht die Behauptung Ulpians in L. 3. pr. D. uti poss., dass wenn der Implorant und Implorat beide einen Dritten dejiciren, der Streit gar nicht zu entscheiden sei, weil Jeder den relativ fehlerfreien Besitz habe. Man wende nicht ein, dass danach Negativen oder Exceptionen vom Kläger bewiesen werden müssten, denn beide liegen nur scheinbar vor.

Das Besitzrecht wird jedoch in den Interdicten anders als in der Usucapion bewiesen. In letzterer müssen beide Factoren dargethan werden; in den Interdicten genügt es, den Einen jener Factoren, nämlich den relativ berechtigten Besitzwillen, nachzuweisen. In der Störung oder Entziehung des andern liegt eben die Verletzung. Jener Nachweis wird nun, wie bei jedem Recht durch den Beweis der causa geführt, d. h. der Thatsache, auf welche der Implorant die relative Berechtigung seines Zueignungswillens gründet. Er muss also entweder 1. den Erwerb mit dem Willen des Imploraten, oder aber 2. den Erwerb von einem Dritten darthun: ob mit oder wider des Letztern Willen ist in diesem Falle gleichgültig (1). Der Gegenbeweis eines Besitzfehlers ist ein directer, nicht wie bei den eigentlichen Exceptionen von einer

(1) L. 1. §. 9. L. 2. D. uti poss. L. 53. D. de poss.


(692) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Condemnatio, ein indirecter. Er kann deshalb nur vorbehalten, nicht auferlegt werden. Der Beweis einer iusta causa im Rechtssinn, d. h. eines Besitzanfangs, der zugleich Eigenthumsanfang sein könnte, kommt nur bei der Usucapion in Frage: die Einmischung der letztern in die Interdicte, von der sich noch bei Servius eine Spur findet (1), wurde mit Recht ausgeschieden. Fortdauer des Besitzes während eines gewissen Zeitraumes braucht ebenfalls nur bei der Usucapion und im alten int. Utrubi dargethan zu werden, bei dem uti possidetis wird die bekannte Präsumtion der Fortdauer bis zum Gegenbeweise des contrarium auch auf das Besitzrecht angewendet (2).

So liegt die Sache nach römischem Recht. Die neueren Theorien stellen für die Abwesenheit der Besitzfehler Präsumtionen auf, die dem römischen Beweisrecht völlig fremd sind (3): nach diesem wird der Besitz in den Interdicten ganz wie eine Recht behandelt: plurimum ex iure mutuatur possessio.

Num. 129.

(Zu S. 394. Noten-Col. 2. Zeile 13.)

Witte, int. uti poss. S. 30, bemerkt richtig, dass selbst aus der Verbindung nur eine vorzügliche Verwendung des Interdicts zur Einleitung des Petitoriums gefolgert werden könne. Dies bestätigt nämlich auch Gaius 4, 148. (solet) und §. 165 a. (Huschke), woraus §. 4. I. de int. zusammengeschmolzen ist, ferner L. 35. D. de poss. L. 36. pr. D. de rei vind. und L. 3. C. de int. – Dagegen ist es nicht zu billigen, wenn Witte (S. 40 f.) gleichwohl die int. retinendae possessionis aus den Vindicien ableitet, zum Schutz gegen Gewalt aber nur das

(1) L. 3. §. 11. D. uti poss.

(2) L. 153. D. de reg. iur.

(3) Holzschuher, Theorie, Ausgabe von Kuntze II. (1864.) Seite 34. 35. Weber, Beweisführung. S. 283.


(693) Vierter Abschnitt. Interdicte. §. 36. Num. 129.

restitutorische Int. de vi gestattet und hiermit die Stellung desselben vor dem int. uti possidetis (Dig. 43. 16. 17.) in Verbindung bringt. Denn erstlich haben die Vindicien mit der possessio und deren Schutz gegen Thätlichkeiten nichts zu schaffen, sie beschränken sich, wie schon die besondere Benennung zeigt, auf den interimistischen Passivbesitz (Gaius 4, 89. interea tibi rem quae an ad te pertineat dubium est, possidere conceditur), die Gewalt ist hier nur demonstrativ (Festus v. vindiciae; potius dicitur vis quam fit) und höchstens kann man die Duplicität als Nachbildung ansehen. Die Interdicte dagegen sind auf Abwehr von Thätlichkeiten gegen den Activbesitz angelegt, das beweise die analogen Interdicte bei der Quasi possessio, das Verbot des fieri und die Exceptionen. Zweitens setzt die künstliche Verbindung zweier Interdicte zu Einem Doppelinterdict einen einfachen primitiven Zustand mit Nothwendigkeit voraus. L. 1. §. 26. D. de aqua quot. Endlich drittens konnte das Int. de vi den Mangel eines prohibitorischen Interdicts nicht ersetzen und seine Stellung vor dem doppelten uti possidetis erklärt sich hinlänglich aus seiner Simplicität (Gaius 4, 161). Vergl. überhaupt Adolf Schmidt, Hdlb. Jahrb. 1863. Jahrg. LVI. S. 690. 691.

Erheiterns ist Pfeifer’s Ansicht S. 92 f.: er hält Ulpian’s Ausspruch buchstäblich fest, gleichwohl meint er, wenn es keinen Besitzprocess gäbe, „so müssen sie einander in die Haare gerathen.“

Num. 130.

(Zu S. 397. Zeile 12. v. u.)

Adolf Schmidt, Interdictenverfahren S. 199, bemerkt hiergegen: „Der Sinn dieser Aushilfe scheint mir dieser zu sein: weil von dir befürchtet wird, du könntest dich zu dem Verbrechen der Gewalt hinreissen lassen,


(694) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

deshalb bist du schon gegenwärtig aus dem Verbrechen der Gewalt verhaftet, bevor du es verübt (!). – Das würde freilich gerade so richtig sein, als wenn Jemand behaupten wollte: da es ein an uns alle gerichtetes Verbot des Inhalts gibt, du sollst nicht stehlen, so sind wir alle ex maleficio furti verhaftet.“ Er übersieht, dass nur die künftige Gewalt verboten wird, während die Befürchtung bloss das Motiv ist, dieses Verbot (der weiteren Störung) zu erlassen. Der Befehl enthält demnach die stillschweigende Bedingung weiterer Störung, die obligatio ex maleficio tritt also dann erst, aber dann auch wirklich ein. „Eben weil jedes Verbot seiner Natur nach auf die Zukunft gerichtet ist – sagt Schmidt selbst S. 55. – kann auch erst in dieser gegen dasselbe verstossen werden.“

Num. 131.

(Zu S. 399. Zeile 4. v. u.)

Diese „ganz unschuldige Fiction“ hat den Anstoss erregt, dass sie für den Erlass des Interdicts nicht nöthig scheine, für das weitere Verfahren aber nicht genüge.

Keller (Zeitschr. für gesch. Rechtswiss. XI. S. 306.) hat daher die erforderliche vis contra edictum in der fructus licitatio gesucht, Bruns S. 43. f. verlangt eine vis ex conventu, Schmidt Interdictenverfahren S. 55. will gerichtliches Zugeständniss oder wirkliche Besitzstörung abwarten, wodurch die Regulirung des Petitoriums, die in den Manus consertae gleichzeitig erfolgte, völlig in’s Ungewisse verschoben werden würde.

Man braucht aber nicht so weit zu suchen: denn wie der dolus praesens in der Anstellung der das Gegenrecht verletzenden Klage enthalten ist (L. 2. §. 5. D. de doli exc.), so liegt die vis praesens in der Imploration des dem gegnerischen Besitz direct widerstrebenden Interdicts und seiner weiteren Folgen: ohne diese Annahme würde das Interdict als Surrogat der Manus consertae völlig unbrauchbar


(695) Vierter Abschnitt. Interdicte. §. 37. Num. 132.

und die Duplicität unerklärlich oder doch unnöthig erscheinen. Das Wesentliche dieses Gedankens, nur ohne die bestimmte Beziehung auf die Duplicität, hat schon Bethmann-Hollweg in den Jahrbüchern für wiss. Kritik 1838, Nr. 36. Col. 285. ausgesprochen. „Indem auf diese Weise (sagt er) – nämlich durch den erweiterten Begriff der vis – das formelle Unrecht, die Gewalt auf ein Minimum reducirt wird, erhalten in der That diese Interdicte die grösste Aehnlichkeit mit einem eigentlichen Rechtsstreit, und mit Rücksicht hierauf, glaube ich, können die drei Fälle ihrer Anwendung (S. 396.) noch näher an einander gerückt werden, als es von dem Verf. geschieht. Denn da auch in der wirklich vorgekommenen Störung die Entgegensetzung des Willens gegen den des Besitzers das Verletzende ist, so liegt es nahe, auch den Willen, der eben That werden will (gedrohte Störung), ja selbst den blossen Willen, der sich dem des Andern entgegensetzt (Streit über den Besitz), schon als Gewalt zu betrachten. Dies aber, die Willensentzweiung, ist das Charakteristische jedes Rechtsstreites, daher die Lehre des Verf., die possessorischen Interdicte seien nicht provisorische Vindicationen, sondern actionese ex maleficio, auf diesem Puncte immer die stärkste Anfechtung erfahren hat. Dennoch hat jene Annahme ihre volle Richtigkeit und bildet den Mittelpunct der ganzen Lehre, von welchem aus man sich nur in der angegebenen Weise einem andern Gebiet sehr genähert hat.“

Num. 132.

(Zu S. 399. Note 1. a. E.)

Es kommt hinzu, dass im Edict die Einleitung des Petitoriums bei den Vindicationen (Paul. 1, 11. L. un. C. uti poss.) vorkam, während der Besitz bei den Besitzeinweisungen und die Interdicte im Anhange standen.


(696) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Vergl. Zeitschrift für Rechtsgeschichte 3 (1863.) S. 62. 4 (1864.) S. 110 f.

Num. 133.

(Zu S. 401. Note 1. a. E.)

Eine handschriftliche Mittheilung von Bluhme (Januar 1842.) in den „Materialien“ des Verfs. wendet ein: 1. die L. 8. §. 5. D. si serv. beziehe sich auf den störenden, nicht den gestörten Nachbar, enthalte also einen Zusatz zur Confessoria, nicht zur Negatoria (§. 46. Seite 496. 497.); 2. die Operis novi nunciatio und cautio damni infecti würden durch die Ausdehnung absorbirt und in jedem Fall wäre unbegreiflich, dass von einer Concurrenz unter jenen Rechtsmitteln nirgends die Rede sei. Selbst bei schon wirklich eingetretenen Ueberbegriffen durch Naturkräfte dürfe also die zum Interdict erforderliche vis höchstens erst in der Weigerung des Nachbars, das frühere Verhältniss herzustellen, angenommen werden. In einem Erkenntniss des Lübecker Oberappellationsgerichts sei daher das Interdict wegen künftiger nicht gerade ganz unwahrscheinlicher Gefährdungen durch Herabrollen der Erde und Ausweichen der Dossirung eines Grabens nicht aufrecht erhalten worden, obgleich dasselbe wegen Verschüttung durch Umbau eines Dammes angestellt war. Allein 1. findet sich die vermisste Concurrenz in der That in L. 5. §. 10. D. de op. nov. nunc, und 2. würde ohne jenen Parallelismus des Interdicts mit der Negatoria nach der Auflösung der Vindication und Contravindication in zwei verschiedenen einseitige Rechtsmittel dem Verbietungsrecht des Eigenthümers der possessorische Schutz ganz fehlen, den doch der Gegner für seinen Eingriff in Anspruch nehmen kann. Dies wäre um so bedenklicher, als 3. auch das Bestehenlassen der Anlage auf eine Omissivhandlung zurückgeführt werden kann (L. 45. D. de damno inf.): vorausgesetzt, dass


(697) Vierter Abschnitt. Interdicte. §. 37. Num. 134-137.

der Verletzte, wenn auch nicht gleich beim Beginn der Vorkehrung, wie Witte int. uti poss. S. 102. meint, doch wenigstens intra annum widersprochen hat.

Num. 134.

(Zu S. 401. Note 3. a. E.)

Witte, int. uti poss. erklärt die L. 12. D. comm. div. umgekehrt von der Verhinderung der Arbeit durch das Interdict des Gegners. Allein es handelt sich um polizeilich nothwendige Arbeiten (Paul. 5, 11. 2. L. 35-37. D. de damno inf.) und statt aut müsste alioquin stehen.

Num. 135.

(Zu S. 402. Noten-Col. 2. Zeile 2. v. o.)

So Bruns in Bekker’s Jahrbuch IV. (1860.) wenigstens „unter Umständen.“

Num. 136.

(Zu S. 404. Noten-Col. 1. Zeile 4. v. o.)

Die actio confessoria und negatoria haben die Identität, aber nicht die Gleichzeitigkeit, die Theilungsklagen haben umgekehrt die Gleichzeitigkeit, aber nicht die Identität des Anspruchs mit den Doppelinterdicten gemein.

Num. 137.

(Zu S. 405. Zeile 8. v. u.)

Aus denselben Gründen muss die recuperatorische Wirkung für den Kläger behauptet werden (so weit man nämlich bei der Duplicität des Interdicts überhaupt von einem Kläger reden darf). In der That ist dieses schon früher von mehreren, unter Andern von Keller (Zeitschrift 11., S. 321 ff.), Rudorff (ebendaselbst S. 335) und


(698) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Bruns Besitz 57 f. ausgeführt worden. Später wurde man jedoch in dieser Ansicht wieder wanken durch die Entgegnung von Schmidt (Interdicte S. 112. f.), dass sie die unrichtige Meinung des Trebatius (§. 11.) über den Doppelbesitz voraussetze: so auch Rudorff zu Puchta Inst. II. §. 225. Pandectenvorlesungen §. 133. Note 2. (1854), Bruns Jahrbuch von Bekker IV. (1860) S. 44. 45, Windscheid Pandectenrecht Seite 397. Note 10, (wozu aber Note 5. S. 396. nicht passen dürfte). Sie muss jedoch gleichwohl aufrecht erhalten werden. Denn in der That verlangt sie nicht sowohl die (falsche) Annahme eines solidarischen, als die völlig unbedenkliche eines relativen Besitzes (L. 1. §. 9. L. 2. L. 3. pr. §. 5. D. uti poss. L. 53. de poss.). Dritten gegenüber also besitzt allein der dejicirende Provocat, diesem gegenüber allein der von ihm dejicirte Provocant. Die Worte uti possidetis dürfen nicht von den folgenden getrennt und als selbständige Bedingung aufgefasst werden. Neuerdings ist diese Ansicht von Arndts Pandecten §. 172. Anm. 2. Seuffert, Archiv VII. 41. und mit wenigstens theilweise guten Gründen von Witte, int. uti poss. S. 60. f. vertheidigt worden: denn wenn Schmidt (Hdlb. Jahrb. 1863. S. 692.) unter Hinweisung auf die Formel bei Festus: uti nunc possidetis eum fundum, quod nec vi nec clam nec precario alter ab attero possidetis, zunächst einwendet: dass Niemand auf Grund einer Exceptio verurtheilt werden könne, so kann man entgegnen, „dass weder eine ächte Exceptio (Gaius 4, 115.) noch eine Condemnatio vorliegt und dass offenbar gerade um dieses Missverständniss zu verhüten, die ältere Redaction verbessert worden ist. Gegenüber dem zweiten Argument Schmidt’s (pag. 693.): dass der deiectus (?) auch neben Dritten als Besitzer betrachtet werde, darf aber bei den Worten nam et tu possides et ego (L. 3. pr. D. uti poss.) um so unbedenklicher nec vi nec clam


(699) Vierter Abschnitt. Interdicte. §. 37. 38. Num. 138-140.

nec precario ab altero hinzugedacht werden, als ja Ulpian die Ansicht des Trebatius nicht mehr theilt.

Num. 138.

(Zu Seite 406. letzte Zeile.)

Keller über die deductio quae moribus fit und das interdictum uti possidetis: Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft. Band XI. (1842) Nr. 9.

Rudorff, Bemerkungen über dasselbe Interdict, daselbst Nr. 10.

Zielonacki. Kritische Erörterungen über die Servitutenklagen, mit einem Anhange über das interdictum Uti possidetis. 1849.

Pagenstecher, die römische Lehre vom Eigenthum in ihrer modernen Anwendbarkeit (1857-1859) III. S. 225-233. 237-239.

Hermann Witte das Int. uti possidetis als Grundlage des heutigen possessorium ordinarium. 1863.

Num. 139.

(Zu S. 408. Zeile 13. v. u.)

Vergl. jedoch jetzt die Num. 137.

Num. 140.

(Zu S. 410. Zeile 6. v. o.)

Die Abhandlung von Brackenhöft über die drei vitia possessionis (Archiv für civ. Praxis 24. (1841.) S. 197-230.) versucht die Begriffe im einzelnen festzustellen: das Wichtigste, die gemeinsame Delictsnatur der Gewalt und List, so wie den Einfluss auf die defensive Gestaltung des Besitzschutzes lässt er unerörtert.

Entsprechender ist die Ausführung von Sintenis (Erl. I. S. 383. 385., Sell’s Jahrb. I. (1841.) S. 439. f., Civilrecht §. 46. Note 20.), dass der Richter die Klage


(700) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

aus dem relativ vitiösen Besitz von Amtswegen zurückzuweisen habe, weil die Besitzmängel keine ächte Exceptionen, sondern nur negative Bedingungen des Besitzschutzes seien, dass also eigentlich und consequent auch ein anderer Entstehungsgrund als die Besitzverletzung des Gegners nachgewiesen werden müsse, da nicht jeder Besitz, sondern nur der relativ berechtigte gegen Angriffe geschützt werden soll, dass jedoch in dieser Beziehung die Besitzmängel wie Exceptionen zu behandeln seien, weil die relative Fehlerhaftigkeit nicht vermuthet werden könne. Vergl. Num. 128. a. E.

Num. 141.

(Zu S. 409. Note 1. a. E.)

Eben dahin gehört L. 7. de aqua quot. (Rudorff, Zeitschrift 11. S. 357. Anm. 26.), in welche Witte int. uti poss. S. 119. nur sehr künstlich eine cautio de non amplius turbando (noch dazu nur für die Dauer des Processes) hinein zu interpretiren vermocht hat.

Num. 142.

(Zu S. 411. Note 1. a. E.)

Dieses Stück des Edicts rührt offenbar von dem Prätor Aulus Cascellius her und bezieht sich auf die nach ihm benannte Restitutionsklage, das Surrogat des int. de vi bei recuperatorischer Richtung des int. uti possidetis. Gaius 4. 166. 169. Rudorff, Zeitschrift für geschichtl. Rechtswiss. XI. S. 359. Schmidt, Interdictenverfahren S. 119. Der Einwand Witte’s, int. uti poss. S. 96., dass es als Ersatzklage nicht in einem Jahre verjähren könne, erledigt sich durch die folgende Note und §. 40., wie er denn auch selbst wegen einer vergangenen einseitigen Störung die Verjährung zulässt (S. 126.).

In merkwürdiger Weise missversteht übrigens auch Witte noch die L. 1. §. 5. D. uti possidetis: Perpetuo


(701) Vierter Abschnitt. Interdicte. §. 38. 39. Num. 143-145.

huic interdicto insunt haec: quod nec vi nec clam nec precario ab illo possides. Sie bezieht sich auf das vorhergehende int. de vi et vi armata (Dig. 43. 16.) und sagt, dass im Int. uti possidetis die Exception durchgängig, d. h. ohne Unterscheidung zwischen einfacher und Waffengewalt angewendet werde. Witte dagegen deducirt aus ihr S. 129-135., dass im neuesten Recht die recuperatorische Wirkung in dreissig Jahren, der Anspruch auf Schadenersatz aber in einem Jahre verjähre.

Ueberzeugender sind die Gegengründe Witte’s S. 150. 151. gegen Huschke, Gaius S. 195 f., welcher die Edictsstelle auf das Int. de cloacis (S. 497. Note 1.) bezieht.

Num. 143.

(Zu S. 412. Noten-Col. 1. Zeile 2. v. o.)

Die früheste Erwähnung enthält folgende Anspielung bei Plautus, Stichus V, 4, 22. (700 Fleckeisen) SA. Úter amicam utrubi ádcumbamus? ST. Ábi tu sane superior.

Num. 144.

(Zu S. 412. Note 2. a. E.)

Gegen Keller’s Emendation quae für quod in dieser Stelle vgl. Huschke iurispr. ant. p. 295. not. 5.

Num. 145.

(Zu S. 412. Note 4.)

Consequent ist diese Ausgleichung nicht, denn die Unterscheidung des älteren Rechts beruht auf der höhern Wichtigkeit des Grundbesitzes; wegen dieses höheren Werthes sollte schon der augenblickliche Besitz gegen Störung und Dejection geschützt werden, während der minder werthvolle Mobiliar- und Servitutenbesitz erst durch eine längere (relative oder absolute) Dauer befestigt


(702) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

sein muss, um schutzberechtigt zu erscheinen (natürlich mit Ausnahme der Superficies, welche als res soli vom Boden angezogen wird und bei welcher daher der momentane Quasibesitz genügt §. 47.). Da nun Justinian jenen das alte Recht, namentlich das Edict (Rudorff in der Zeitschr. für Rechtsgeschichte III. (1863.) S. 62. ff.) beherrschenden Unterschied noch in der Eigenthums- und Servituten-Ersitzung festhält, so fehlte ein legislativer Grund, ihn bei dem Besitzschutz fallen zu lassen, wenn man nicht das Bestreben, Alles möglichst zu vereinfachen und nivelliren, als einen solchen anerkennen will.

Num. 146.

(Zu S. 413. Note 1. a. E.)

Warnkönig über das Interdictum Utrubi bei Schenkungen beweglicher Sachen gegen die Lex Cincia, Archiv für civ. Pr. XX. (1837.) S. 421-426. bezieht in fragm. vat. §. 293. 311. das Uebergewicht auf das Verhältniss zum Schenker, eine Ansicht, die schon durch die Accessio possessionis ausgeschlossen ist.

Num. 147.

(zu S. 417. Note 1. a. E.)

Vgl. auch Auson. Idyll II, 63, oben Nr. 126.

Num. 148.

(Zu S. 418. Note 1. a. E.)

Diese Fiction gehört ausschliesslich der Theorie an, da diese das Interdict (seines prohibitorischen Characters und Sponsionenprocesses wegen) als int. retinendae possessionis auffasste. Dagegen lässt es die Formel utrubi homo fuit vollkommen dahingestellt, ob der relativ befestigtere Besitz ein gegenwärtiger oder vergangener


(703) Vierter Abschnitt. Interdicte. §. 39. 40. Num. 149-151.

war, weil bei beweglichen Sachen dasselbe Interdict für beide Fälle ausreichen musste. Man darf daher nicht mit Windscheid (Pandektenrecht S. 395.) den Schutz gegen Störung des Besitzes ganz abläugnen und das Interdict auf einen Schutz gegen Verlust des Besitzes mit kurzer Verjährung und bloss auf Grund des ältern Besitzes beschränken.

Num. 149.

(Zu S. 421. Zeile 7. v. o.)

Lex agraria a. u. c. 643. (die irrig so genannte Thoria) v. XVIII. (Rudorff Zeitschr. f. gesch. Rechtswissenschaft. 10. S. 151 f. c. 7. Mommsen, Corpus inscriptionum Latinarum, Vol. I. pag. 80).

Num. 150.

(Zu S. 422. Zeile 13. v. o.)

Frid. Lud. Keller, Semestrium ad M. Tullium Ciceronem. Volumen 1. Turici 1842. Liber alter p. 273-p. 538. Die sehr ausführliche und klare Darstellung der Klage des Cäcina enthält im §. 2. die gewöhnliche Formel des Interdicts de vi, im §. 3. die Abweichungen des Interdicts de vi armata. Vergl. die Recensionen von Rudorff (Jahrb. für wiss. Kritik 1843. Nr. 75.) Col. 598. (Nr. 76.) col. 601-606. und Adolf Schmidt (in Richter’s Jahrbüchern 1844. S. 678-701.). Dazu kommt die Erläuterung der gelegentlichen Erwähnung des int. de vi quotidianum in der Rede pro M. Tullio 29. 44. Semestrium Liber tertius p. 619.

Num. 151.

(Zu S. 428. Zeile 7. v. o.)

Seit den Ausführungen Keller’s (S. 507) über die Formeln beider Interdicte kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, dass das gewöhnliche Interdict erstens juristischen


(704) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

und zweitens relativ fehlerfreien Besitz voraussetzte, in dem besondern Int. wegen bewaffneter Gewalt aber von beiden Beschränkungen abgesehen wurde. Vgl. Semestria I, pag. 301. 302. Rudorff, Jahrb. für wiss. Kritik, 1843. Nr. 75. S. 599. Schmidt in Richter’s Jahrb. 1844. S. 687. In diesem Sinn musste daher auch die L. 1. §. 45. D. de vi (S. 179.) Num. 42. erklärt werden.

Num. 152.

(Zu S. 442. Zeile 4. v. u.)

Bruns S. 74-76. sieht die Ergänzung der Lücke in der condictio possessionis, die ungleich ferner und versteckter liegt als das int. de vi, bei welchem die Compilatoren die erweiterte Constitution Valentinian’s II. eintrugen. Brinz Pandekten S. 86 weist auf die momenti oder momentariae possessionis actio (§. 43) hin. Allein diese ist nichts als ein neuerer vager Gesammtausdruck für alle möglichen possessorischen Rechtsmittel. Dass die Basiliken (60, 17. c. 7.) oder gar Psellus (von 881-883), welchen Bruns anführt, noch die alte Beschränkung des int. de vi auf Immobilien nachsprechen, bedeutet natürlich gar nichts.

Num. 153.

(Zu S. 443. Note 2. a. E.)

Die Florentina lautet: In interdicto unde vi dicendum est ut eius causa quod ad patrem pervenit ipse teneatur. Hier geht also ipse auf den Vater und dafür spricht 1. die Inscription Ulpian lib. 29. ad Edictum, wo nicht vom Interdict de vi, sondern von der Verpflichtung des Vaters die Rede ist: 2. die Autorität der Basiliken 60, 17, 22 εί βίαν χαί ό πατήρ μου είς τό περιελϑόν έναγεται. Die Vulgata enthält eine mittelalterliche Angabe des Casus, die ihren Platz unter den Lücken der Florentina


(705) Vierter Abschnitt. Interdicte. §. 40. Num. 154-156.

(Savigny, Gesch. des röm. Rechts im Mittelalter, III. S. 455. Note f. S. 460.) nicht verdient. Auch Mommsen (Bekker’s Jahrbuch V. S. 427.) erklärt die florentinische Fassung für tadellos und den Zusatz aus einer absichtlichen Verdeutlichung.

Num. 154.

(Zu S. 450. Note 3. a. E.)

Fragm. Vat. §. 312 praeses provinciae si ... nec annus excessit, ex interdicto unde vi restitui (tibi) rem cum sua causa providebit: vel si hoc tempus finitum est (per) formulam promissam.

Num. 155.

(Zu S. 455. Note 1. a. E.)

Der Einwand Zielonacki’s S. 151. 167, dass das Interdict vis voraussetze, confundirt die Voraussetzung mit dem Befehl: die Wegführung nicht gewaltsam zu hindern (quominus is eum ducat vim fieri veto).

Num. 156.

(Zu S. 457. Zeile 15. v. o.)

Neuerdings hat Witte int. uti poss. S. 45. 72. bezweifelt, dass ein selbständiges int. de clandestina possessione mit Rücksicht auf Privatgrundstücke, die vindicirt werden konnten, jemals aufgestellt sei. Allein dieser Zweifel hängt mit seiner Annahme eines Doppelbesitzes und mit seiner Ansicht über die Entstehung des int. uti possidetis zusammen. Vgl. dagegen Nr. 44. und 129. – Schirmer, Zeitschrift für Civilrecht und Process. N. F. XI. S. 401.


(706) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 157.

(Zu S. 457. Zeile 8. v. u.)

Bethmann-Hollweg in der Rec. der 6. Ausg. (Jahrb. für wiss. Kritik. 1838. Col. 286.) wendet ein: „nicht nur ist es eine unwahrscheinliche Voraussetzung, dass der heimliche Occupant klagen werden, sondern der Gegner wird auch in diesem Fall nach den später angenommenen Grundsätzen nicht einwenden können, der Kläger besitze clam, sondern er besitze gar nicht.“ – Da das int. duplex ist, so wird es, ohne Rücksicht darauf, wer Provocant ist, immer in derselben Form, also auch mit der gegenseitigen exceptio clandestinae possessionis erlassen. Erfolg hat aber natürlich nur die des entsetzten Grundbesitzers und zwar nach der neuern Ansicht, weil er seinen Besitz nicht clam vom Gegner hat.

Num. 158.

(Zu S. 462. Zeile 6. v. u.)

Dass das Interdict gegen den Singularsuccessor wegfällt, welcher die Sache bona fide und justo titulo vom rogans erwarb, folgt schon daraus, dass dieser nicht einmal precario, geschweige vom rogatus (ab illo) besitzt. In einem Rechtsfall, den Bluhme zu den „Materialien“ mittheilt, war ein Haus mit einer Vorrichtung zum Wasserlauf auf das benachbarte Grundstück verkauft und in diesem Zustande vom Käufer benutzt; nach längerer Zeit verlangte der Nachbar die Wegnahme jener Vorrichtung, weil er sie dem Vorgänger des Käufers nur precario gestattet habe. Obgleich der Käufer Verjährung vorschützte und weitere Beweise erforderlich blieben, wurde er nicht im Besitz belassen, weil die Majorität des Gerichtshofes (gewiss mit Unrecht) die precaria possessio als vitium rei cohaerens und nicht als vitium animi behandelte, dem ohnehin nur eine relative Wirkung zukommt.


(707) Vierter Abschnitt. Interdicte §. 42. 43. Num. 159-161.

Num. 159.

(Zu S. 463. Zeile 13. v. o.)

Von der Eingehung des Precarium, nicht von der Ruption an rechnet Thon in der Zeitschr. f. Civilrecht und Process. VIII. (1835.) Nr. 1. §. 17. S. 49-54. Zusatz S. 448. Vgl. dagegen Savigny, System V. S. 280. Note a.

Num. 160.

(Zu S. 469. Zeile 4. v. u.)

Witte in Linde’s Zeitschrift N. F. XVIII. S. 280. missversteht dies von dem Fall heimlicher Occupation ohne Aufgeben des Besitzes, für welchen es allerdings an possessorischen Rechtsmitteln nicht fehlen würde. Die vermeinte Unvereinbarkeit mit §. 33. ist also nicht vorhanden.

Num. 161.

(Zu S. 471. letzte Zeile.)

Die sämmtlichen in dem vorstehenden 4. Abschnitte dargestellten possessorischen Interdicte setzen voraus, dass der Besitz von der körperlichen Seite verletzt oder aufgehoben ist, während der Besitzwille und mit ihm die Schutzansprüche aus dem Besitzrecht fortdauern. Es fehlt aber auch nicht an Schutzanstalten, welche den Besitzwillen und die Interdicte überdauern. Dies sind die zum Schutz des Besitzes verwendbaren Actionen, deren §. 35. S. 383. 384. im Allgemeinen gedacht wurde. Diese Besitzklagen sind jedoch mit dem Besitz nur durch ihren Zweck und Gegenstand verbunden, und da diese Verbindung eine eben so äusserliche und zufällige genannt werden muss, wie die der Geschäfte und Entwendungen, deren Gegenstand gerade der Besitz ist, so kann in der Besitzlehre auch nur diese ihre zufällige Anwendung in


(708) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Frage kommen, während die erschöpfende Darstellung ihres Wesens dem Obligationenrecht vorbehalten bleiben muss, welchem sie auch in den Rechtsquellen untergeordnet sind (1).

Der gemeinschaftliche Klagegrund aller dieser Besitzklagen besteht in einem allgemeinen obligatorischen Rückforderungsrecht eines übergegangenen vermögensrechtlichen Vortheils, mithin auch des juristischen Besitzes, insofern dieser ebenfalls als ein dem Recht verwandter Vortheil betrachtet werden muss. Durch diesen Klagegrund unterscheiden sie sich eben so bestimmt von den Vindicationen wie von den possessorischen Interdicten. Dasselbe Merkmal bestimmt zugleich das Verhältniss, in welchem sie ordentlicher Weise zu den letztern gedacht werden müssen. So weit nämlich die Interdicte zureichen, ist für eine Rückforderung des Besitzes weder Bedürfniss noch Raum da. So wird z. B. der Besitz, welchem ein Pupill ohne Autorität seines Tutors animo entsagt hat, mit den gewöhnlichen Interdicten erhalten oder wieder gewonnen, weil jene Entsagung die Besitzrechte nicht aufzuheben vermochte (2). Eben so wenig bedarf der Kriegsgefangene einer Besitzklage, um den verlorenen Besitz wieder zu fordern, da ihm die Restitution der Grossjährigen auch hiergegen zu Gebote steht (3), und eben so wenig würde sich der Erbe einer solchen Klage bedienen, um den Mangels einer Succession verlorenen Besitz zu erhalten, da die interdicta adipiscendae possessionis (Quorum bonorum und legatorum) gegen Erbschaftsbesitzer und Legatare Hülfe gewähren (4). Daher ist das Verhältniss der Besitzklagen zu den Interdicten nicht jene elective

(1) Eingehender hat sie in der Besitzlehre jetzt Bruns §. 5. S. 27. ff. behandelt.

(2) L. 29. D. de poss.

(3) L. 23. §. 2. D. ex quib. caus. mai. L. 12. §. 2. D. de captivis.

(4) L. 2. D. quorum bonorum.


(709) Vierter Abschnitt. Interdicte. §. 43. Num. 161.

Concurrenz, welche man gewöhnlich als Regel aufstellt (1), sondern die Widerrufsklagen beginnen erst da, wo die Interdicte aus dem fortdauernden Besitzrecht aufhören wirksam zu sein.

Die ältesten Besitzklagen sind die Condictionen des Civilrechts. Gerade in dieser ihrer Richtung auf den Besitz sind die Condictiones incerti mit unbestimmter Intentio aber näherer Bestimmung durch eine Demonstratio oder eine die Stelle derselben vertretenden Präscription (2): wie denn auch die Stipulation der Besitzübergabe (vacuam possessionem tradi) als eine unbestimmte betrachtet wird (3). Nur gegen den Dieb und den gewaltthätigen Dejicienten dringt der Eigenthümer selbst mit der Condictio triticaria durch, da in diesem Verhältniss der Einwand der inepten Klage gegen den, welcher nicht erwerben, sondern nur das Seinige erhalten will, nicht zugelassen wird: ein blosser Besitzer würde allerdings auf die incerti condictio beschränkt sein (4).

Der nächste Grund einer Condiction des Besitzes bezieht sich auf den ausgezeichneten Fall irrthümlicher Leistung einer Nichtschuld (condictio indebiti). Wenn also Jemand in dem thatsächlichen Irrthum dazu verpflichtet zu sein, eine Summe Geldes zahlt oder eine Sache leistet, deren Eigenthümer er ist, so kann er Rückgabe des Eigenthums, eventuell den Eigenthumswerth zurückfordern. Dieses Rückforderungsrecht ist aber auch dann nicht ausgeschlossen, wenn er mit fremdem Geld

(1) Bruns, Recht d. Besitzes, S. 33.

(2) L. 19. §. 2. D. de precario. Gaius IV. 136. 137.

(3) L. 75. §. 7. D. de verb. obl.

(4) L. 7. D. de iuris et facti ign. – Gaius 4, 4. §. 14. I. de act. L. 12. D. de usufr. quemadm. caveat. L. 1. §. 1. L. 2. D. de cond. trit. L. 25. §. 1. D. de furtis. Festus v. Possessio p. 233. nec qui dicit se possidere is suam rem potest dicere itaque in legitimis actionibus nemo ex iure Quiritium possessionem suam vocare audet, sed ad interdictum venit cet.


(710) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

gezahlt oder eine fremde Sache geleistet hat. Nur versteht es sich, dass der Anspruch in diesem Fall auf den Werth des Besitzes beschränkt ist, sollte dieser auch in Folge der Usucapion zum Eigenthum des Beklagten geführt haben (1).

Die Besitzcondictionen sind jedoch nicht auf den Fall irrthümlicher Voraussetzung beschränkt geblieben: vielmehr ist ein Rückforderungsrecht selbst in dem Falle einer ganz entschiedenen Absicht den Besitz zu veräussern noch denkbar.

Zunächst nämlich könnte bei der Uebertragung willkürliche Aufkündigung vorbehalten worden sein (precarium). Zwar würde hier der rogatus über Treubruch klagen und mit dem Interdict obsiegen können, allein nichts hindert ihn den Vorbehalt auch mittels einer incerti condictio statt desselben geltend zu machen (2).

Sodann kann jene beabsichtigte Besitzentäusserung durch eine absolute Rechtsvorschrift gemissbilligt sein. Diesen Charakter hat unstreitig das Schenkungsverbot

(1) L. 15. §. 1. D. de cond. indebiti. Sed et si nummi alieni dati sint condictio competit, ut vel possessio earum reddatur quemadmodum si falso existimans possessionem me tibi debere alicuius rei tradidissem, condicerem. Sed et si possessionem tuam fecissem ita, ut tibi per longi temporis praescriptionem avocari non possit, etiam sic recte tecum per indebitam condictionem agerem. – Die Basiliken (24, 6. 15.) haben άναλαμβάνω γάρ χάν έν τώ μεταξύ διά χρήσεως χυριεύσης, sie lesen also fecisses: auch ist tuam fecissem wegen der dann unnützen Präscription kaum zu ertragen. Ob aber diese Praescription nicht statt des int. Utrubi eingeschoben ist bleibt freilich eine offene Frage.

(2) L. 19. §. 2. D. de precario. Cum quid precario rogatum est non solum interdicto uti possumus sed et incerti condictione id est praescriptis verbis. So die Florentina, bei Haloander fehlt id est: gemeint ist nur die Praescriptio loco demonstrationis in der Rückforderungsklage (S. 709. Note 2.), nicht etwa die Contractsklage auf eine Gegenleistung, die ja gar nicht bedungen war.


(711) Vierter Abschnitt. Interdicte. §. 43. Num. 161.

unter Ehegatten, wenn auch nicht in so hohem Grade wie z. B. die Schenkung einer Sache ihn haben würde, an welcher Besitz überall nicht möglich ist (§. 9). Denn wenn auch der Besitz des Schenkers nicht accedirt, so ist er doch Veranlassung, dass der beschenkte Ehegatte Besitz und Interdictsschutz gegen Dritte, ja gegen ihn selbst erwirbt. Danach bleibt ihm nur übrig, die Besitzschenkung mittels einer Condiction zurückzufordern (1).

In den bisher betrachteten Condictionsfiguren wurde also eine vorgängige Besitzentsagung vorausgesetzt. In einigen Fällen aber findet anomalischer Weise eine Condiction statt, obgleich der Besitz nicht aufgegeben, sondern wider Willen entzogen ist, so dass die recuperatorischen Interdicte Unde vi und Utrubi fortbestehen und seine Wiedererwerbung gesichert ist. Der wichtigste Fall ist die Entwendung einer beweglichen Sache (causa furtiva), an welchen sich Raub und Veruntreuung des Depositum anschliessen (2), aber auch gewaltsame Dejection aus einem Grundstück gehört dahin (3), da es eine Meinung gab, nach welcher auch an Grundstücken ein Furtum als möglich angenommen wurde (4). Nach dem Grundsatz, dass der Rechtsirrthum nicht schade, wenn man nicht erwerben, sondern nur behaupten will, wurde dem Eigenthümer und Besitzer dem entschiedenen Unrecht gegenüber die Verwechslung der Rechtsmittel nachgesehen und die Condiction (beim Eigenthümer sogar die triticaria) für tenent erklärt, wo eigentlich nicht sie, sondern

(1) L. 6. D. de don. int. vir. et ux ... aut sine causa aut ex iniusta causa ... L. 6. D. de cond. ob turpem. Zielonacki S. 61. 177. läugnet den possessorischen Charakter der Condiction: allein sein einziger Grund ist die factische Natur des Besitzes.

(2) L. 1. §. 1. D. de cond. trit. L. 13. §. 1. D. depositi.

(3) L. 2. D. de cond. trit. L. 25. §. 1. D. de furtis.

(4) L. 25. pr. D. eodem Gellius noct. Att. XI. 18, 13.


(712) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

die Vindication, das Interdict oder wenigstens die Condictio incerti die richtigen Klagen gewesen wären (S. 710. Note 1.). Dass in diesen Ausnahmefällen elective Concurrenz eintrat, versteht sich hiernach von selbst.

Diesen civilen Widerrufsklagen schliesst sich noch eine prätorische an, welche aus der Restitution in den Rang der ordentlichen Rechtsmittel hinaufgerückt ist. Wenn Jemand ein Grundstück besitzt, welches Eigenthum eines Dritten ist und er wird durch Drohung oder erregte Furcht gezwungen, seinen Besitz aufzugeben, so fällt der Interdictsschutz weg (1), allein statt dessen kann er dem Urheber des Zwangs und jeden unschuldigen Dritten, an welchen dieser Besitz gekommen ist, mit der Actio quod metus causa auf Restitution der eventuelle Geldcondemnation belangen. Das Simplum, welches der Schätzung zum Grunde gelegt wird, ist natürlich nur der Werth des Besitzes, nicht des Eigenthums (2).

Es kommen nun noch die besondern Exceptionen in Betracht, welche diese Besitzklagen ausschliessen könnten. Dass die Einrede des Eigenthums dazu nicht genügt, ist sogar ausdrücklich entschieden (Seite 711. Note 23.). – Die Einrede des fehlerhaften Besitzes will Bruns (3) deshalb zulassen, weil es natürlich sei, dass man den Besitz nur dann von Jemand condiziren könne, wenn man im Interdict Uti possidetis ihm gegenüber als Besitzer hätte anerkannt werden müssen. Allein dies kann nur von den anomalischen Condictionen behauptet werden, gegen welche dem Dejicienten wegen seiner Geldforderung aus gleichem

(1) L. 9. pr. D. quod met. L. 5. D. de vi, beide aus Ulpian lib. XI. ad Edictum.

(2) L. 21. §. 2. D. Quod met. causa. Qui possessionem non sui fundi tradidit, non quanti fundus sed quanti possessio est eius quadruplum vel simplum cum fructibus consequetur: aestimatur enim quod ... abest: abest autem nuda possessio cum suis fructibus.

(3) Bruns, Recht des Besitzes, S. 32.


(713) Fünfter Abschnitt. Jurist quasi poss. §. 43-45. Num. 162.

Grunde Doli exceptio zur Seite steht. Dagegen fällt es in den regelmässigen Condictionen deshalb weg, weil der Kläger nicht aus dem Besitze klagt, dem er ja selbst entsagt hat. – Die Einrede der Klagenverjährung endlich ist gegen die Condictionen erst nach dreissig Jahren möglich, die Actio Quod metus causa wurde in einem annus utilis auf das Vierfache, später nach Befinden der Umstände auf das Einfache gegeben (1).

Num. 162.

(Zu S. 473. Zeile 6. v. u.)

Eine ganz andere Ansicht über den „Gleichsambesitz“ stellt Pfeifer S. 120. f. 142. f. auf. Er soll eingeführt sein wegen der Schwierigkeit des Beweises, welche, „wie man bei wenigem Nachdenken erkennen wird“ , nur bei dinglichen Rechten eintrat, denen jedoch nach Art. 13. der Bundesacte die „Legalservitut“ des Anspruchs „jedes teutschen Volks auf eine landständische Verfassung und nach Art. 56. der Wieder Schlussacte der Fortbestand einer solchen“ beigesellt werden kann.

(Zu S. 477. Note 1. a. E.)

Eine richtigere Erklärung ist in der Zeitschrift für geschichtl. Rechtswiss. XI. (1842.) S. 340-348. versucht worden. Sie weicht namentlich in der Erklärung des dritten Falles (c) ab: ususfructus possessio ist der dem praetorischen ususfructus (z. B. L. 1. pr. D. q. m. ususfr. am.) entsprechende Besitz.

(Zu S. 478. Note 1. a. E.)

In der That ist das int. de vi weder als directum noch als utile (welches letztere Wort Ad. Schmidt,

(1) L. 14. §. 1. 2. D. Quod metus causa.


(714) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Jahrb. für gem. Recht III. S. 256., in L. 3. §. 13. de vi irrthümlich einschaltet) anwendbar, weil der Fructuar nur ein merum ius besitzt, ohne zugleich wie der Superficiar eine körperliche res soli auf dem Grundstück zu haben. Daher denn bei ihm nicht eigentlich, wie bei dem Superficiar, von einer Dejection die Rede sein kann. In dem für diesen Fall besonders proponirten Interdict (Fragm. Vat. §. 91. L. 27. D. de donat.) stand für (ab usufructu) deiecisti vielmehr uti frui prohibuisti (1). Im Uebrigen folgt es dem Interdict unde vi, insofern es auf Grundstücke beschränkt ist und lediglich recuperandae nicht adipiscendae possessionis causa gegeben wird.

Num. 163.

(Zu Seiten 481. Note 2. a. E.)

Eine gute Uebersicht der neueren Doctrin und Praxis seit der 6. Ausgabe giebt Pfeiffer, prakt. Ausführungen Bd. VII. (1844.) Num. 12. Der bedeutendste Schriftsteller ist Heerwart, Zeitschrift für Civilrecht und Process Bd. XII. Num. 6. (S. 147-166.), welcher einen ganz eigenthümlichen Weg einschlägt.

Num. 164.

(Zu S. 482. Note 3. a. E.)

Diese Erklärung ist um so nothwendiger, als die possessorischen Rechtsmittel, von denen Javolenus spricht, bestimmt als quasipossessorische (veluti possessoria) bezeichnet werden. Wie nämlich in die Stelle der traditio possessionis bei Servituten die Einräumung des usus tritt, so sind auch die Interdicte auf uti gestellt (quo itinere – usus es, uti de eo fonte – aqua usus es), da die possessio

(1) Nicht vi prohibuisti, wie Huschke Pragm. Vat. 91. edirt hat. Vergl. L. 3. §. 13-15. D. de vi.


(715) Fünfter Abschnitt. Juris quasi poss. §. 46. Num. 165.

und das Interdict uti possidetis bei unkörperlichen Rechten undenkbar ist: L. 3. pr. D. de poss. possideri autem possunt quae sunt corporalis. Hygin. de gen. controv. p. 126. ... quod (iter ad culturas accedentium) usu capi non potest: iter enim non, quia (quo ?) ad culturas perveniatur, capitur usu, sed id quod in usu biennio fuit.

Num. 165.

(Zu S. 483. Zeile 3. v. o.)

Das Interdict uti possidetis ist schon deshalb unanwendbar, weil bei der Wichtigkeit des Grundbesitzes augenblicklicher Besitz genügt (uti nunc possidetis eum fundum), während der minder wichtige Servitutenbesitz sich erst durch längere Ausübung befestigt haben muss (quo itinere hoc anno ... usus es, uti hoc anno aquam ... duxisti, uti de eo fonte ... hoc anno aqua ... usus es). Durch die Anwendung des int. uti possidetis würde dieser Unterschied aufgehoben, während doch Justinian nur die Differenz des unbeweglichen und beweglichen Eigenthumsbesitzes ausgleicht, die des Eigenthums- und Servitutenbesitzes hingegen unberührt lässt. Gleichwohl nimmt nach Pfeiffer’s praktischen Ausführungen VII. 12. S. 417-477 das Oberappellationsgericht zu Cassel bei Servituten überhaupt ein int. uti possidetis utile und bei Wegen insbesondere ein int. uti possidetis dann an, wenn das int. de itinere nicht ausreicht, weil der Weg in längeren Zwischenräumen ausgeübt ist, als im Interdict vorausgesetzt wird, so dass das Int. uti possidetis nur so weit ausgeschlossen wäre, wie die besonderen Interdicte reichen. Diese Rechtsprechung ist mit jenem gesetzlichen Unterschiede zwischen dem Eigenthums- und Servitutenbesitze nicht in Uebereinstimmung zu bringen.


(716) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 166.

(Zu S. 488. Zeile 3. v. u.)

Dass die Florentinische Lesart gleichwohl auch hier die allein richtige ist, erhellt nicht nur aus dem Zusammenhange mit dem Principium, sondern auch aus den Parallelstellen aus dem folgenden 71. Buch des Ulpian. L. 8. §. 1. 2. D. de precario und aus dem Edict L. 3. §. 6-10. L. 6. D. de itin. L. 1. §. 37. D. de aqua quot. Der erste Fall geht also auf den Verkäufer (auctor) und Singularsuccessor (L. 4. §. 31. D. de doli exc.), der zweite auf den Erblasser und Universalsuccessor: die Wiederholung vel emtione ist nur scheinbar, Pedius hatte die emtio bonorum im Sinn (Gai. 2, 98. und 3, 77-79.).

Num. 167.

(Zu S. 494. a. E. der Note.)

Diese Erklärung scheint durch das frühere „nam cum nihil sit innovatum, ille possidet“ ausgeschlossen und Puchta hat deshalb schon früher (Rhein. Mus. I. S. 173. Note 19.) possessor und possidere wieder vom juristischen Besitz verstanden. Sie erscheint jedoch gesichert, wenn Beides, wie Bethmann-Hollweg in der Rec. der 6. Aufl. (Jahrb. für wiss. Kritik 1838. S. 287.) vorschlägt, auf das der Beklagtenrolle zum Grunde liegende Besitzverhältniss (possessio im passiven und negativen Sinn L. 8. §. 3. D. si serv. L. 6. D. de serv. praed. urb.) bezogen wird.

Num. 168.

(Zu S. 496. Note 2. a. E.)

Vgl. die gründliche Abhandlung darüber von Adolf Schmidt, Zeitschr. für geschichtl. Rechtswissenschaft, Bd. 15. (1850.) Nr. 3. S. 51-89.


(717) Fünfter Abschnitt. Jurist quasi poss. §. 46. Num. 169. 170.

Num. 169.

(Zu S. 497. Note 1. a. E.)

Die Ausnahme der Cloaken beweist deshalb für die Anwendbarkeit des Interdicts uti possidetis auf Servituten nichts, weil die cloaca nicht gleich dem iter, actus, aquaeductus eine Servitut (jus), sondern eine Oertlichkeit (locus) bedeutet (L. 1. §. 4. 6. D. de cloacis), mithin unter das int. uti possidetis eum locum (L. 3. §. 6. D. uti poss.) fallen müsste, wenn nicht aus besondern Gründen die sogenannten Exceptionen dieses Interdicts ausgeschlossen wären.

Num. 170.

(Zu S. 497. Zeile 6. v. u.)

Im directen Gegensatz gegen diese Ansicht wollen Pfeifer S. 136, Zielonacki, krit. Erört. über die Servitutenlehre S. 245. und Vangerow I. §. 355. S. 893, bei keiner Gebäudeservitut das int. uti possidetis zulassen. Das richtige Mass dürfte folgendes sein: 1. das Interdict gegen Besitzstörung des herrschenden Grundstücks gilt für positive Servituten (zweite Classe); 2. das Interdict wegen Besitzstörung des dienenden Grundstücks schützt gegen Anmassung sowohl positiver als negativer Servituten; 3. zum Schutz negativer Servituten (dritten Classe) muss man sich der Operis novi nunciatio oder der Confessoria bedienen: das Interdict uti possidetis würde hier völlig unwirksam sein: das Interdict wegen des herrschenden Grundstücks, weil die Servitut nur eine Anlage auf dem dienenden verhindern soll; das Interdict wegen des dienenden, weil man dieses nicht besitzen will und das unkörperliche Recht nicht besitzen kann. So wird deutlich unterschieden in L. 5. §. 10. D. de op. novi nunc. und L. 3. §. 4. D. uti poss. Zweifel aber erregen die folgenden §§. 5. 6. dieser Stelle:

„Item videamus, si proiectio supra vicini solum non iure haberi dicatur an interdictum uti possidetis sit


(718) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

utile alteri adversus alterum? Et est apud Cassium relatum utrique esse inutile quia alter solum possidet, alter cum aedibus superficiem. Labeo quoque scribit: Ex aedibus meis in aedes tuas proiectum habeo: interdicis mecum sic: uti locum possideamus qui proiecto tegetur, an, (at ?) quo facilius possim retinere possessionem eius proiectionis interdicto tecum sic: uti nunc possidetis eas aedes ex quibus proiectum est (?)“

Die eben so leichte als nothwendige Emendation sic: uti für si eum und sicuti ist schon früher (Zeitschrift 11, S. 350.) aufgestellt worden. Witte, int. uti poss. S. 103., versteht die Frage von dem Interdict wegen Besitzstörung des dienenden Grundstücks und Albert int. uti poss. S. 101 f. ändert sogar in diesem Sinn utrique in utique ab. Allein die ganze Stelle setzt zwei Interdicte voraus: eins für das verletzte, eins für das verletzende Grundstück. Cassius hielt beide für unwirksam, auch das des belästigten, weil er annimmt, weder Boden noch Haus sei verletzt und wegen des Luftraumes sei nicht interdicirt worden. Labeo berichtigt diesen Irrthum, meint jedoch, der Deutlichkeit wegen sei dem Eigenthümer des herrschenden Grundstücks zur Wiederklage wegen Besitzstörung durch Widerspruch gegen seinen Ueberbau zu rathen. (Rudorff, Zeitschr. für gesch. Rechtswiss. 11, S. 352). Der Widerspruch zwischen Labeo und Cassius und der Irrthum des letzteren würde freilich verschwinden, wenn man statt inutile vielmehr utile läse. Allein dieses ist eine Conjectur des Cujacius, die durch keine handschriftliche Autorität bestätigt wird.

Num. 171.

(Zu S. 498. Zeile 2. v. o.)

Rudorff, Beitrag zur Geschichte der Superficies, Zeitschr. Bd. XI. Nr. 7. S. 229-235. (1842).


(719) Fünfter Abschnitt. Juris quasi poss. §. 47. Num. 172. 173.

Emmerich: Beitrag zur Lehre vom Besitz des Superficiars, Zeitschr. für Civilrecht und Process. N. F. Bd. XVII. Nr. 1. (1860.) S. 12-18.

Num. 172.

(Zu S. 498. am Ende der Note.)

Entsprechend der utilis rei vindicatio des Emphyteuta (Dig. 6, 3. Si ager vectigalis petatur) muss demselben ein utile interdictum uti possidetis eingeräumt werden, unter welchem aber nicht mit Zielonacki (S. 16.) ein cedirtes, sondern mit Beauvois (p. 41) ein modificirtes zu verstehen ist. Die Abänderung der Formel besteht in Einschiebung des Wortes vectigalem hinter fundum. Einer weiteren Modification, eines Interdicts für das frui e lege locationis und einer quasi in rem actio, wie bei der Superficies, bedarf es bei der Emphyteusis nicht, weil der Emphyteuta den Grundbesitz des Vectigalgrundstücks hat, während der Superficiar auf den Quasibesitz des Hauses beschränkt ist. So erklärt sich der scheinbare abgeleitete Besitz des Emphyteuta. In der That ist der Emphyteuta iuris possessor, aber sein Interdict ist kein quasipossessorisches auf frui e lege locationis gestelltes, sondern ein eigentlich possessorisches: uti possidetis cum fundum, nur mit dem Zusatz vectigalem. Ohne jeden Zusatz (uti possidetis eum fundum) bleibt nur das directe Interdict des Grundherrn.

Num. 173.

(Zu S. 499. Zeile 8. v. o.)

Der Grund liegt in dem Edict: Si qua alia actio de superficie postulabitur, causa cognita dabo. Die Erwähnung bei den Realklagen (L. 73. §. 1. – L. 75. D. de R. V.) ist nur eine remissive.


(720) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 174.

(Zu S. 502. letzte Zeile.)

Diese letztere Meinung verdient schon deshalb den Vorzug, weil das Interdict die Rechtsfrage im Ganzen unberührt lässt. Dies führt aber offenbar auf die verworfene Meinung zurück, dass nur die in rem actio nach Befinden der Umstände versprochen wird, während das Interdict aus polizeilichen Rücksichten sofort im Edict aufgestellt war. L. 73. §. 1. – L. 75. D. de rei vind. Gaius 4, 118.

Num. 175.

(Zu S. 503. Zeile 2. v. u.)

Eine vollständige gegenseitige Durchdringung der deutschen Gewere und des römischen Eigenthums- und Besitzschutzes hat Delbrück, die dingliche Klage des deutschen Rechts (1857.) S. 283., behauptet. Er nimmt für den Eigenthümer, welcher den Besitz eingebüsst hat, drei Klage an: 1. die römische Vindication; 2. die dingliche Klage aus dem ältern Besitz, welche die Publiciana in sich aufgenommen haben soll; 3. dingliche Klage aus Verlust wider Willen, welche die actio quod metus causa absorbirt habe, folglich im Gegensatz zu Num. 2. sogar gegen den titulirten Besitzer wirksam sei. – Allein in Deutschland beschränkt sich die Einwirkung der Gewere auf den Rechtsbesitz §. 49., die Rechtsmittel für den Eigenthumsbesitz dagegen beruhen auf römischem und canonischem Recht §. 50. 51. Vergl. Bruns Besitz S. 341. Beseler, System des deutschen Privatrechts §. 80. Etwas anders liegt die Sache in Frankreich, wo die Gewere von Jahr und Tage auf den Annalbesitz (Code de procédure civile art. 23.) und die Vindication beweglicher Sachen (Code civ. art. 2279.) eingewirkt hat.


(721) Sechster Abschnitt. Modific. des R. R. §. 49. 50. Num. 176-178.

Num. 176.

(Zu S. 508. Zeile 15. v. o.)

Man hat dieser Behauptung das cap. 14. X. de rest. spol. entgegen gehalten: so z. B. der preussische Kritiker S. 114, Geiger in Linde’s Zeitschrift 13. S. 277 f. Bruns S. 193. Allein hier wird das Provisorium abgeschlagen, weil die Nichteingehung, mithin die Nichtexistenz jeder, auch der rechtlich nichtigen Vereinigung nicht bestritten war, also nicht wegen fehlenden Ehebesitzes, wie Bruns glaubt, sondern wegen sofortiger Liquidität des Petitoriums: quin restitui nequaquam debeat utpote nullo iuris seu possessionis commodo destituta (die Worte iuris seu lässt Bruns weg), quum – nullum inter eos obligatorium vinculum sit contractum.

Num. 177.

(Zu S. 509. Zeile 2. v. o.)

Schon der Witz des Jacobus de Ravanis über das cap. Querelam (24.) X. de electione „hic adversus querelam opus esse querela“ hinderte die Anerkennung des Quasibesitzes. „Quod in personalibus actionibus locum habeat possessorium, sagt Cinus ad L. 28. C. de pactis, nusquam auditum, nusquam relatum, praeterquam a Saturnino“. Letzteres ist eine Anspielung auf L. 1. §. 1. D. de senatoribus; hätte Cinus heute gelebt, so könnte er den preussischen Juristen S. 115 als Beispiel anführen.

Num. 178.

(Zu S. 509. Zeile 7. v. u.)

Bruns, Recht des Besitzes im Mittelalter (1848.) S. 219-232. 256-260. 374. 375. 390-397. 417-419.


(722) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 179.

(Zu S. 519. Note a. E.)

Erheblicher ist ein zweites Bedenken, welches der Ergänzung der Lücke bei den Servituten erster Classe (§. 46.) durch die Spolienklage entgegentritt. Es ist das nämliche, welches das Int. uti possidetis ausschliesst: nämlich, dass bei positiven Servituten, deren Ausübung auf einer eigenen unabhängigen Handlung beruht, nicht schon der actuelle Besitz zur Zeit der Störung, sondern erst der durch längere oder wiederholte Ausübung befestigte Besitz geschützt wird. Die praktische Ausgleichung ist daher vielmehr in einer analogen Anwendung der Interdicte de itinere oder de aqua zu suchen. Schon Bethmann-Hollweg Rec. der 6. Ausg. Jahrb. für wissenschaftliche Kritik 1838, Col 287. hatte hierauf hingewiesen; ausführlich ist diese Ansicht von Heerwart in Linde’s Zeitschrift, Bd. XII. S. 180. begründet worden.

Num. 180.

(Zu S. 521. Zeile 13. v. u.)

Rosshirt (Linde’s Zeitschrift. N. F. 16. S. 202.) versucht dies Argument durch die Entgegnung zu widerlegen: „in Italien giebt es eben so viele Gelehrte, die die Geschichte des canonischen Rechts auf die Seite stellen, wie in Deutschland“ . Er selbst hält sich, S. 209, lieber noch heute an „die Männer christlicher Billigkeit“ , die „wie Martinus und andere das erweiterte Princip des canonischen Rechts anerkannten“ .

Num. 181.

(Zu S. 521. Zeile 4. v. u.)

Es sei erlaubt einen Belag aus noch früherer Zeit hinzuzufügen. Als nach dem Absterben des letzten Herzogs


(723) Sechster Abschnitt. Modific. des R. R. §. 50. Num. 182.

Julius Franz von Lauenburg (20. Sept. 1689.) Chursachsen am 26. September, drei Tage eher als Braunschweig-Lüneburg von dem Herzogthum Lauenburg durch den Hofrath Zapfe Besitz ergriffen und sich über Störung dieses ältern Besitzes beschwert hatte, erschien Braunschweigischer Seits eine von dem Vicekanzler Ludolff von Hugo verfasste Gegenschrift, in welcher jene Besitzergreifung im Caput XIV. Von der Possession pag. 571-818. mit der peinlichsten Umständlichkeit beleuchtet und pag. 625 gesagt wird: Quod si Canone Redintegranda id introductum esset, quaestio foret, quis tam iniquae tamque a ratione alienae legislationis autor fuisset? ... cum iam antiquitatum peritis notum sit, scriptum esse supposititium et falsum, unde canon ille sumtus est ... non tamen opus est id tractare. Nihil enim minus quam aliquid novi iuris possessorii eo canone continetur nec quicquam ibi dicitur praeter id quod iure civili constitutum est.

Num. 182.

(Zu S. 527. Note 1. a. E.)

Das Rechtsmittel wurde allerdings an die Lex Aequissimum (L. 13. §. 3. D. de usufr. „cur enim ad arma et rixam procedere patiatur Praetor?“) und L. 7. §. 5. D. comm. div. angeknüpft, allein das Princip der italienischen Praxis war allgemeiner: Paulus de Castro († 1441.) stellt den Satz auf omnis possessor lite pendente in possessione manuteneri debet und nur die Macht des Kammergerichts wurde auf den timor armorum proximus eingeschränkt. Vgl. Bruns §. 28. 33. 44. Darnach ist also die spätere Territorialpraxis (Bruns §. 45. 46.) mit gutem Grund auf den kammergerichtlichen Standpunct nicht zurückgegangen.


(724) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Num. 183.

(Zu S. 532. Noten-Col. 1. a. E.)

Neuerdings hat Delbrück die im cap. Licet causam vorausgesetzte Klage der Sache nach für eine dingliche Klage erklärt, welche nur wegen der doppelten Function des Interdicts Uti possidetis die Form des Interdicts angenommen habe. (Vgl Anh. Num. 175.) Diese Ausführung ist jedoch mit überzeugenden Gründen von Maassen (Jahrb. von Bekker, II. (1858.) Nr. 13. S. 443. bis 474.) und von Bruns (daselbst, IV. (1860.) S. 74-80.) widerlegt worden, welcher letztere die possessorische Natur der Klage ausserdem noch durch den vollständigern Text in den Epistolarum Innocentii III. libri XVI. Ed. Steph. Baluzius. Paris 1682. Tom. II. p. 65. bestätigt hat.

Schlussbemerkung.

Fragt man am Schluss vorstehender Uebersicht und Kritik der seit der sechsten Ausgabe neu hinzugekommenen Besitzliteratur: welcher sichere und bleibende Gewinn unserer Erkenntniss des rein römischen Besitzrechts aus dieser langen Reihe neuerer Bestrebungen erwachsen ist? so erstaunt man über die verhältnissmässig geringfügige Ausbeute, welche sie geliefert haben.

Die Erklärung dieser beim ersten Anblick befremdenden Erscheinung liegt nicht fern.

Wenn irgend eine, so gehört die Besitzlehre zu den Gebieten des Civilrechts, welche neben einer erschöpfenden Durcharbeitung älterer Zeit unter dem Zuviel neuerer und neuerungssüchtiger, mit unvollkommener Kenntniss des römischen Rechts und dürftigem Apparat unternommener Bearbeitungen zu leiden gehabt haben. In einem solchen Missverhältniss kann das Wahre nicht mehr neu, das Neue nicht mehr immer wahr sein, weil die Versuchung


(725) Schlussbemerkung.

zu stark ist, der unvermeidlichen Originalität die Interessen der Wahrheit suchenden Wissenschaft aufzuopfern.

Der künftige Bearbeiter der achten Ausgabe wird sich daher über die alsdann zum grössten Theil längst veralteten Literaturprodukte, welche im Vorstehenden beleuchtet werden mussten, ungleich kürzer fassen dürfen, als es dem Herausgeber der gegenwärtigen siebenten Auflage zur Zeit noch vergönnt war.

Erfreulicher ist die Aussicht, welche die von Mommsen angeregte Kritik des Digestentextes (S. 540.) auch für die Besitzlehre schon jetzt eröffnet hat.

Die Uebereinstimmung der Basiliken mit der Florentina durfte Savigny (S. 179.) noch mit vollem Recht als so unbedeutend bezeichnen, dass sie den Vulgathandschriften gegenüber nicht in das Gewicht fällt. Denn die Basiliken liefern nur einen abgekürzten interpolirten Auszug des Textes. Seitdem aber Zachariä von Lingenthal (krit. Jahrb. für deutsche Rechtswiss. 1842. S. 495-501.) und Heimbach (Zeitschr. für Rechtsgesch. 1863. 2. S. 337-340.) nachgewiesen haben, dass in den alten Scholien der Basiliken die kurz nach 542 verfasste wörtliche Uebersetzung des Dorotheus, eines Mitarbeiters an den Digesten, enthalten ist, welchem nicht nur die ältesten uns verlorenen Digestenhandschriften, sondern selbst die Schriften der classischen Juristen noch zu Gebote standen, aus denen die Digesten excerpirt sind, seitdem stellt sich die Sache anders. Die Autorität, welche Savigny den Vulgathandschriften neben der Florentina einräumte, gebührt vielmehr den byzantinischen Juristen des sechsten Jahrhunderts, welche in den alten, freilich erst in den Zachariä’schen Supplementen und dem noch zu erwartenden Manuale der Heimbach’schen Ausgabe genauer unterschiedenen Basilikenscholien excerpirt sind.

Die Stellen des Index des Dorotheus, welche die


(726) Anhang. Zusätze des Herausgebers.

Besitzlehre betreffen, beschränken sich auf den Titel de vi et vi armata und finden sich bei Heimbach a. a. S. S. 354. 355. zusammengestellt.

Eine darunter enthält eine merkwürdige Bestätigung der in der Nummer 42. aus innern Gründen vertheidigten Florentinischen Lesart qui possidet, welche Dorotheus (Schol. 72. Tom. 5. pag. 582. Heimbach) durch άρμόζει δέ τϖ νεμομένω μόνον wiedergiebt.

Ein zweites Scholion (5, 578 ό αύτός) aus Dorotheus bestätigt in L. 1. §. 29. de vi (S. 346) zwar die florentinische Lesart sine corporali vi durch die Uebersetzung δίχα τής σωματιχής βίας statt der Vulgata sine corpore aliquo. Dagegen stimmt das folgende ούχ ούν χαι ούτος nicht mit dem florentinischen Ego etiam eum, sondern mit der Vulgata Ergo etiam eum überein, so dass sich das Ego in der Florentina als ein Schreibfehler darstellt. Dazu kommt schliesslich der Gegensatz, der in allen Handschriften der Pandekten fehlt, während ihn Dorotheus entweder in den seinigen noch vorfand, oder als eine blosse Folgerung und Erläuterung aus eigener Autorität hinzusetzte, nämlich: εί δέ χαι χωρίς βίας έπελάβοντο τής νομής, ήν χαταλέλοιπεν ό φυγών, ού δοχεί έχβεβλήσϑαι χατα βίαν τής νομής. Ebenso stimmt Dorotheus im Schol. 61. V. 581. πρός μίαν ρυμήν μόνην nicht mit dem florentinischen ad angulum, sondern mit der Vulgata ad angulum unum überein.

Inwiefern aber dergleichen Ergänzungen, wie wir vermuthen müssen (S. 540.), auf blossen Glossemen oder in der That auf Ueberlieferungen aus byzantinischen Urhandschriften beruhen, kann erst die von Mommsen unternommene kritische Ausgabe des gesammten Digestentextes feststellen, welcher Jeder, der für den Kern des römischen Rechts ein Interesse hat, mit Erwartung entgegensieht.

Je mehr nun aber auf kritischem, exegetischem oder


(727) Schlussbemerkung.

dogmatischem Wege im Einzelnen hervorgearbeitet wird, um so näher liegt der jüngeren Generation die Gefahr, die einfachen Grundgedanken aus dem Gesicht zu verlieren, von denen das wissenschaftliche Ganze getragen wird, und um so dringender thut es ihr Noth, durch das fortwährende Wiedererscheinen der älteren Muster und Meisterwerke, welche ihr in der Beherrschung der leitenden Principien entschieden überlegen sind, vor allen des vorstehenden, vor jener Gefahr sich warnen zu lassen.


 


(729)

Inhalt.

Einleitung:

I. Quellenkunde (1-4).

II. Literärgeschichte (5-24).

Erster Abschnitt: Begriff des Besitzes (25-204).

§. 1. Einleitung in diese Untersuchung (25-29).

Detention, als Grundlage des Begriffs (26). – Besitz, als Bedingung von Rechten: jus possessionis, verschieden von jus possidendi (27). – Uebersicht über den ersten Abschnitt (28).

§. 2. Juristische Bedeutung, wodurch die Detention zum Besitz wird (29-32).

Erste Bedeutung: Usucapion (29-30).

Zweite Bedeutung: Interdicte, Beziehung derselben auf formelles Unrecht (30. 31.).

§. 3. Widerlegung anderer Beziehungen (32-38). Tradition und Occupation (34). – Publiciana actio (34. 35). – Fructuum perceptio (35). – Freiheit vom Beweise (36). – Selbsthülfe (37). – Retentionsrecht (38).

§. 4. Stelle dieser Lehre in den Quellen des Römischen Rechts (38-43).

Institutionen (389). – Pandecten (39). – Codex (39). – [Basiliken (39).] – Paulus (40). – Edict (40). – Stelle der im §. 3. abgehandelten Gegenstände (42. 43).

§. 5. Ist der Besitz ein Recht? (43-47).

Der Besitz ist Factum und Recht zugleich [Dominium possessionis] (43). – Regel, die hieraus folgt. [Keine Successio in possessionem] (44). – Ausnahmen dieser Regel (45). – [L. 49. pr. de poss. (45)].


(730) Inhalt.

(Erster Abschnitt:)

§. 6. Zu welcher Classe von Rechten gehört der Besitz? (48-69).

Diese Frage betrifft nicht die Usucapion (48). – Die Interdicte gehören in das Obligationenrecht [L. 1. §. 3. de interdictis] (48. 49). – Es sind obligationes ex maleficiis (49). – Warum rechnen die Römer sie nicht darunter? (50). – Literärische Bemerkungen (51-69).

Zusatz der 6. Ausgabe (55-69).

§. 7. Sprachgebrauch der Römischen Juristen (69-101). – Uebersicht über diesen §. (69).

1. Civilis und naturalis possessio (71-89). – Nach der allgemeinen Bedeutung von civilis (71). – Nach einzelnen Anwendungen: Vorerinnerungen über civiliter non possidere (75). – Anwendungen selbst: a) pignus. L. 3. §. 15. ad exhibendum (76). – b) donatio inter virum et uxorem (78). – [L. 26. de don. inter virum et uxorem. L. 1. §. 4. de poss. L. 1. §. 9. 10. de vi (78. 79, vgl. 412)]. – c) Nemo sibi causam etc. (82). [L. 33. §. 1. D. de usurp. L. 2. pro her. (84. 85)]. – d) Besitz, den ein Sclave hat [L. 24. de poss. L. 38. §. 7. 8. de V. O. – L. 1. §. 1. de his qui sui. §. 1. I. eod.] (85-88). – e) Besitz an einem einzelnen Theil einer Sache [L. 7. §. 1. 2. ad exhib.] (88). – Naturalis possessio (89).

2. Possessio (ad interdicta) und Naturalis possessio (89).

a) Possessio, als juristisches Verhältniss im Gegensatz der naturalis possessio (89). Das natürliche Verhältniss kann in dem juristischen Besitz enthalten sein (90). –

b) Beziehung jenes Gegensatzes auf Interdicte (91). – L. 9. de rei vind. (92).

3. Verhältniss der Civilis possessio zu der Possessio (ad interdicta) (93-96). – Es liegt keine Eintheilung des Besitzes dabei zum Grunde (95). – Resultate: Für die Interpretation der Quellen (95. 95). – Für die Kritik (96).

4. Naturalis possessio (96-99).

Zwei Bedeutungen des Worts (96). – Beide sind negativ (96). – Erste Bedeutung in Beziehung auf Usucapion. L. 1. §. 9. 10. de vi (97). – Zweite Bedeutung, in Beziehung auf Interdicte (98). – Regel für die Interpretation (98. 99).

5. Possessio überhaupt (99-101).

Ursprünglich nichtjuristisch (99). – Possessio, als juristischer Besitz (100). – Regeln für die Interpretation (101).

§. 8. Fortsetzung der Untersuchung über den Sprachgebrauch (101 bis 108).


(731) Inhalt.

(Erster Abschnitt:)

(§. 8.)

Possessio iusta, iniusta (101. 102). – Possessio bonae fidei, malae fidei (103). – Possessio, Besitzung, für: Sache, die im Eigenthum ist (104). – Possessio für: Verhältniss des Beklagten (105). Iuris possessor. L. 62. de judic. (106. 107). – Regel für die Interpretation (108).

§. 9. Materieller Begriff des Besitzes (108-138).

Detention allein reicht nicht hin zum Besitz (108. 109). – Animus domini (110). Anwendung dieses Begriffs: 1. auf bonitarisches Eigenthum (112); 2. auf Provinzialgrundstücke (113); 3. nicht auf Servituten (114. 115); 4. nicht auf Superficies (115); 5. nicht auf ager vectigalis und emphyteusis (115-118); 6. nicht auf Pfandrecht (119). – Abgeleiteter Besitz: hier ist nicht, wie bei dem ursprünglichen, der animus domini nöthig (119. 120). – Animus possidendi (120). – Tabelle für die Anwendung des Römischen Sprachgebrauchs. [Besitz des Eigenthümers?] (123. 124). – Gegenstände, die nicht im Besitze sein können: freie Menschen, res publicae, res sacrae (125). – Subjecte, die des Besitzes unfähig sind (126). – 1. Filiusfamilias (126). 2. Sclaven oder die als Sclaven besessen werden (127).

Zusatz der 6. Ausgabe (128-138).

§. 10. Literärgeschichte des Begriffs (139-170).

I. Erklärung der Eintheilung der possessio (civilis, naturalis) aus der Art der Ausübung, Placentin. (139). Azo (140). Rogerius (141).

II. Erklärung aus den juristischen Wirkungen (142).

Erste Partei (142). Bassian (144). Bartolus (145). Cujacius (146).

Zweite Partei (147).

Dritte Partei (148). Martin Gosia (148). Cuperus (150.)

Verbindung mehrerer entgegengesetzten Meinungen (152).

Donellus (153).

Zusatz der 6. Ausgabe (153-170).

§. 11. Aller Besitz ist ausschliessend (plures eandem rem in solidum possidere non possunt) (170-189).

Compossessio gehört gar nicht hierher (171). Verschiedene Meinungen der Römischen Juristen: Bestimmung der Streitfrage (171-173). Einige behaupten die Regel ganz allgemein, Andere nur mit Ausnahme der possessio iusta und iniusta (173-175).


(732) Inhalt.

(Erster Abschnitt:)

(§. 11.)

Beweis der Regel im Allgemeinen. L. 3. §. 5. de poss. (173-175). [L. 19. pr. de precar. (175).] L. 5. §. 15. commodati (177).

Erklärung der einzelnen Anwendungen, über welche allein gestritten wurde:

A. Violenta possessio (177). L. 1. §. 45. de vi (178). L. 17. pr. de poss. (180).

B. Clandestina possessio (180).

C. Beide vorige Fälle zusammengefasst. L. 3. pr. uti possidetis (181).

D. Precaria possessio (183). L. 15. §. 4. de precario (183). L. 13. §. 7. 9. de poss. (184).

Resultate: Für die Geschichte (185). Für das System (185). Literärgeschichte (186). [Possessio vacua (189).]

§. 12. Uebersicht über die folgende Abhandlung (190-196).

Besitz (d. h. Ausübung des Eigenthums) ist nur an Körpern möglich (191). Iura oder Iura in re (192). Iuris quasi possessio (193-195). Verwechslungen, die bei diesem Begriff zu verhüten sind (193-195). Missverständnisse unserer Juristen (195. 196).

§. 12 a. Geschichte des Besitzes (197-204).

Possessio für Recht am ager publicus (198), für bonitarisches Eigenthum (200), bonorum possessio (200). – Besitz am ager vectigalis (202).

Zweiter Abschnitt: Erwerb des Besitzes (205-327).

§. 13. Uebersicht (205. 206).

§. 14. Factum, erste Bedingung des Erwerbs (Apprehension) (206-212).

Gewöhnliche Meinung über das Factum. Ficta apprehensio durch symbolische Handlungen? (207). – Bedeutung der Frage (207). – Unwahrscheinlichkeit der gewöhnlichen Meinung (209). Richtiger Begriff der Apprehension, durch die folgende Darstellung zu beweisen (210). – L. 1. §. 21. de poss. (212).

§. 15. I. Apprehension der Grundstücke (212-216). Körperliche Gegenwart (212). – Concurrenz einer andern Person, aufgehoben durch ihren Willen (214): durch Gewalt. L. 52. §. 2. de poss. (215). – Ausnahme der Regel (216).


(733) Inhalt.

(Zweiter Abschnitt:)

§. 16. II. Apprehension beweglicher Sachen (216-226).

Gegenwart (216). L. 79. de solut. (217). L. 1. §. 21. de poss. (217). L. 3. §. 1. de don (218). L. 51. de poss. (218). L. 14. §. 1. de peric. et comm. rei vend. L. 1. C. de donat. (220). – Anwendungen (222). Wilde Thiere (222). Uebergabe der Schlüssel (223). L. 9. §. 6. de acquir. rer. dom (224). L. 1. §. 21. de poss. L. 1. §. 2. de peric. et comm. rei vendit. L. 14. §. 1. eod. (225). [L. 74. de contr. emt. (225).]

§. 17. Fortsetzung des vorigen §. (226-235). Apprehension ohne Gegenwart, wenn die Sache im Hause niedergelegt wird (226). L. 18. §. 2. de poss. (226). L. 9. §. 3. de iure dot. (227). Grund (227). Nähere Bestimmungen (227. 228). [L. 30. pr. de poss. (228).] Schätze: Begriff (228). Erwerb des Besitzes (229). L. 15. ad exhibend. L. 44. pr. de poss. (230. 231). L. 3. §. 3. de poss. (231-235).

§. 18. Nähere Bestimmung des Begriffs der Apprehension (236-242).

Beziehung auf Bewusstsein (236-238). Neuer Ausdruck für materiellen Begriff des Besitzes (238). Versuch einer Vermittlung (240). Beispiel der Anwendung (241).

§. 19. Erwerb des Besitzes, wenn das physische Verhältniss schon vorher existirt (242-246).

Traditio brevi manu (243). [L. 47. de rei vind. (243).] L. 9. §. 5. de adquir. rer. dom. §. 44. I. de rer. div. (244). L. 62. pr. de evict. (244). L. 9. §. 9. de reb. cred. (244). Bedingte Uebergabe (245). L. 38. §. 1. de poss. (245). Ausnahme der Regel (246).

§. 20. Animus, zweite Bedingung des Erwerbs. – Uebersicht. (246. 247).

§. 21. Personen, welche des animus unfähig sind (247-260).

Juristische Personen (247). L. 1. §. 15. si is qui testam. liber. (248). – Wahnsinnige (248). L. 1. §. 3. L. 18. §. 1. de poss. (248). – Pupillen L. 1. §. 3. de poss. (249). – L. 26. C. de don. (249). – Kinder (249. 250). L. 32. §. 2. de poss. (251). – L. 3. C. de poss. (253-258). – Variante des Alciat (253). Literärgeschichte (256-258).

Zusatz der 6. Ausgabe (258. 259).

Zusatz der 7. Ausgabe (259. 260).

§. 22. Besitz an einem einzelnen Theile einer Sache (260-275.)

Erste Regel [Willkührlicher Begriff des Ganzen] (260). – Zweite Regel [Ideelle Theilung] (261). L. 26. de poss. (261). L. 32. §. 2. de usurp. (262). L. 3. §. 2. de poss. (263). – Dritte Regel (besonders von Gebäuden) (263). – Vierte Regel


(734) Inhalt.

(Zweiter Abschnitt:)

(§. 22.)

(Besitz des Theiles in dem Ganzen) (264). 1. Bewegliche Sachen (265). – 2. Grundstücke (266). – 3. Schätze (267). 4. Gebäude. L. 23. pr. de usurp. Eigenheiten dieses Falls (267). – Die vierte Regel gilt nicht für die Fortdauer des Besitzes (267). L. 30. §. 4. und §. 1. de usurp. (269). L. 7. §. 1. ad exhib. (270 vergl. 88).

Zusatz der 6. Ausg. (271-275).

§. 22 a. Erwerb der Früchte (276-282).

1. Für den Eigenthümer der Hauptsache (276). – 2. Für den Pachter, Fructuar etc. (277). – 3. Für den bonae fidei possessor (277). – 4. Für den Emphyteuta (281). – 5. Für den antichretischen Pfandgläubiger (281).

§. 23. Abgeleiteter Besitz (282-293).

Drei Classen ohne Eigenthum veräusserter Detention (283).

Erste Classe: Immer ohne das Recht des Besitzes (283). – 1. Procurator possessionis (283). – 2. Commodatarius (283). – 3. Conductor (283). – [Ausnahmen? Possessionis conductio. (283. 284)]. – 4. Missus in possessionem (285). [L. 7. pr. de damno inf. (285). L. 30. §. 2. de poss. (286).] – 5. Fructuarius (286). [Cicero pro Caec. 32? (287).]. L. 6. §. 2. de prec. (287). L. 12. pr. de poss. (287). L. 52. pr. de poss. (288). Schriftsteller (288). – Usuarius (289). – Superficiarius (289). – L. 3. §. 7. uti poss. (290). – Placentin (292).

§. 24. Zweite Classe: Immer mit dem Rechte des Besitzes zugleich (293-300).

I. Emphyteuta (293). II. Creditor pigneratitius (293). – Grund dieses Besitzes (294). – Nähere Bestimmung desselben (296. 297). – Beweise (297). [L. 16. de usurp. (298). L. 37. de pign. act. (298). L. 7. §. 2. C. de praescr. 30. vel. 40. ann. (298). L. 36. de poss. (299). – Literatur (300).]

§. 25. Dritte Classe: Zuweilen mit dem Recht des Besitzes, zuweilen ohne dasselbe (301-304).

Depositum (301). L. 3. §. 20. de poss. (301). L. 39. de poss. (301). L. 17. §. 1. depositi (302). – Precarium (302). [Possessionis Precarium (303)].

§. 26. Erwerb durch fremde Handlungen (304-318).

Eigenthümlichkeit dieses Erwerbs (304. 305). Handlung des Repräsentanten (305).

[L. 1. §. 19. 20. de poss. (306). L. 37. §. 6. de adquir. rer. dom. (306). L. 43. §. 1. de furtis (306). L. 13. de donat. (306)]. Wille des neuen Besitzers selbst (307).


(735) Inhalt.

(Zweiter Abschnitt:)

(§. 26.)

Ignorantis possessio, zweideutig (307). Juristisches Verhältniss zwischen beiden (308). A. Befehl (308). Sclaven (308). Filii familias (310). – Peculiaris causa (310). – B. Auftrag (312). L. 51. de poss. (313). L. 41. de usurp. (313). L. 13. pr. de adquir. rer. dom. (314). L. 1. C. de poss. (314). Der Satz galt schon zur Zeit des Labeo, und nicht erst seit Sever (314). Nähere Bestimmungen (315). [Paulus V. 2. §. 2. (316). L. 42. §. 1. de poss. (316)].

§. 27. Constitutum possessorium (318-323). L. 18. pr. de poss. (319). – Begriff des Constitutum (320). – Es ist in der Regel nicht anzunehmen (320). L. 48. de poss. (320). – Ausnahmen: A. Schenkung und Pacht in derselben Handlung (321). – B. Vorbehalt des ususfructus (321). – C. Pignus precario rogatum (322). – D. Societas universorum bonorum (322). – Literatur (323).

§. 28. Resultate dieses Abschnitts (324-327). Bloss juristische Handlungen geben den Besitz nicht (324). Erbschaft (324). Mancipation (325). – Bloss juristische Gründe verhindern den Besitz nicht (325). [L. 22. de poss. (325).]

Dritter Abschnitt: Verlust des Besitzes (328-375.)

§. 29. Einleitung (328).

Bestimmung der Fortdauer und des Verlustes gleichbedeutend (328). – Regel des Verlustes aus dem Begriffe des Besitzes abgeleitet: Factum allein, und Animus allein, ist zum Verluste hinreichend (329. 330).

§. 30. Historische Untersuchung dieser Regel (330-338).

L. 44. §. 2. de poss. (330). L. 153. de R. J. (331). [L. 8. de poss. (331).] Gewöhnliche Erklärung verworfen (332). – Utrumque (332 auch 334. Not. 1). L. 16. de leg. 2. (334). L. 8. §. 5. C. de bonis quae lib. (335). L. 3. C. comm. divid. (335). L. 1. §. 3. uti poss. (336). – Logischer Zusammenhang jener Stelle (336-338). – Uebersicht über die folgenden §§. (338).

§. 31. Verlust durch äussere Begebenheit (339-354).

Bewegliche Sachen von Anderen occupirt (339), oder an einem unzugänglichen oder unbekannten Orte (340) [Custodia (341).] L. 47. de poss. (341). L. 3. §. 13. de poss. (341). Zahme Thiere (342). [Sclaven (342).] Wilde Thiere (342) [L. 3. §. 14. 15. de poss. (343).] Gezähmte Thiere (343). – Unbewegliche Sachen (344-354). Blosse Abwesenheit hebt nicht den


(736) Inhalt.

(Dritter Abschnitt:)

(§. 31.)

Besitz auf (347) [Saltus hiberni et aestivi (347).] – Durch eine besondere Ausnahme wird selbst durch fremde Occupation des Grundstücks, ohne des Besitzers Bewusstsein, der Besitz nicht verloren (348). Folgen des Satzes (348). Beweise, mit Rücksicht auf die Geschichte des Satzes (350). [L. 46. de poss. (350). L. 3. §. 7. 8. de poss. (351). L. 18. §. 3. 4. de poss. (351). L. 25. §. 2. de poss. (351).] L. 6. §. 1. (352). L. 7. de poss. (352). – Resultate für den Verlust durch äussere Begebenheit (353).

§. 32. Verlust durch Animus (354-361). Regel für diesen Verlust (354. 355). – Persönliche Unfähigkeit dazu (355). L. 29. de poss. (355). L. 11. de adquir. rer. dom. (356). Ausdehnung dieser Unfähigkeit (356). [Animo desinere possidere (357).] – Beweis des Animus non possidendi durch Interpretation (358): A. Constitutum (358). B. Rei vindicatio? L. 12. §. 1. de poss. (358 vgl. 394). C. Blosse Unterlassung (359). [L. 37. §. 1. de usurp. (360). L. 4. C. de poss. (360). Saltus hiberni et aestivi (361).]

§. 33. Fortsetzung des Besitzes durch Repräsentanten (361-375).

Was muss der Besitzer selbst thun? (361). – Verhältniss zwischen ihm und dem Repräsentanten (362). – Was muss der Repräsentant thun? (363). A. Verlust an den Repräsentanten (363). L. 20. de poss. (364). Ausnahmen, die für diesen Fall gelten (364). [L. 67. pr. de furtis (365). L. 47. de poss. (366). L. 3. §. 18. eod. (366).] – B. Verlust durch den Repräsentanten (367-375). Fälle, die nie bestritten worden sind (367-368). Streitige Fälle (369). L. 40. §. 1. de poss. (369). L. 3. §. 6-9. de poss. (371). L. 12. C. de poss. (372).

Vierter Abschnitt: Interdicte (376-471).

Quellen und Schriftsteller (376).

§. 34. Begriff der Interdicte (377-381).

Verhältniss zu den actiones (377). – Sie sind, wie diese, ordinaria judicia geworden (379). – Das Eigenthümliche dieses Processes ist unpraktisch; summarisch war derselbe auch im früheren Recht nicht (381).

§. 35. Possessorische Interdicte (382-391).

Begriff: Klagen aus dem Recht des Besitzes (382). – Interdicta adipiscendae possessionis? sie sind nicht possessorische Klagen, ja sie machen überhaupt keine eigene Classe von


(737) Inhalt.

(Vierter Abschnitt:)

(§. 35.)

Klagen aus (382). [Paulus III. 5. §. 18. (383).] – Muss bei den possessorischen Interdicten der gegenwärtige Besitz erwiesen werden, oder nur der frühere Erwerb des Besitzes? (388-391).

Zusatz der 6. Ausgabe (385-388).

§. 36. Die possessorischen Interdicte sind nicht provisorische Vindicationen (391-396).

Begriff der provisorischen Rechtsmittel (391). [Etymologie des Isidor und der Interpretatio (391)]. – Der Irrthum ist schon durch die bisherige Darstellung widerlegt (392). – Besondere Veranlassung des Irrthums (392). [Manus consertae (394).] L. 12. §. 1. de poss. (394). – Uebersicht über den vierten Abschnitt (396).

§. 37. Interdicta retinendae possessionis im Allgemeinen (396-406).

Schriftsteller (396).

Historische Einleitung (396-400). Bedingungen: 1. Besitz (4700). 2. Gewaltsame Verletzung (400). 3. Gegenwärtige Dauer des Besitzes (401). [L. 11. de vi (401).] – Zweck (402). Sie sind Interdicta duplicia; wer beweist, wenn der Beklagte nur den Mitbesitz behauptet? (403-411).

§. 38. Interdictum uti possidetis (486-492).

Quellen (406).

Bedingungen (407): Possessio civilis? (407) [Cuperus] (407). Gegenwärtiger Besitz (407). – Wirkung (408). Caution [L. un. C. uti poss.] (408. 409). – Exceptionen: 1. vi, clam, precario possidere (410). 2. Verjährung (411).

§. 39. Interdictum Utrubi (411-421).

Quellen (411).

Bedingungen (412): Possessio civilis? (412). [Cuperus (412).] Besondere Bedingung des Besitzes, von Justinian aufgehoben (412). Gegenwärtiger Besitz nach Justinian, nicht nach dem älteren Recht (413). Unächte Gründe für diesen Satz des ältern Rechts: L. 3. §. 5. 12. ad exhib. (413). L. 14. C. de agricolis [Cod. Th. V. 23.] (415). Petron. Cap. 13. (416). Aechte Gründe (416): Innere Nothwendigkeit (416). – Dennoch war es kein int. recuperandae poss. (417). Paulus V. 6. §. 5. (417). Indessen ist es praktisch demselben verwandt (418). – Wirkung (419). – Exceptionen: 1. vi, clam, precario possidere (419). [und zwar ab adversario, selbst nach dem älteren Recht (420)]. 2. Verjährung? (420).


(738) Inhalt.

(Vierter Abschnitt:)

§. 40. Interdictum de vi (421-452).

Quellen und Schriftsteller (421).

Vis quotidiana, [civilis? festucaria? manus consertae?] armata: fast aller Unterschied aufgehoben (422-424). – Bedingungen des Interdicts: 1. Besitz [? Cicero pro Caec. C. 31. 32.] (424-428). 2. Vis atrox (428). 3. Der Beklagte selbst muss die Gewalt zugefügt haben. Ausnahmen (429. 430). 4. Dejectio, d. h. Verlust des Besitzes durch Gewalt [L. 5. de vi, L. 17. eod., L. 3. §. 9. eod. (431-433).] 5. Unbewegliche Sache; historische Erklärung des Satzes, besonders aus dem int. Utrubi (433-437). Durch die Constitutionen ist er aufgehoben (437. 438). Vertheidigung dieser Ansicht gegen Thibaut (438-442). – Wirkung: A. Restitution (442). [L. 1. §. 42. de vi (443)] B. Interesse [Usucapion? L. 71. §. 1. de furtis (445)]. [Iuramentum Zenonianum (446).] – Exceptionen [Vis armata (446. 447)]: 1. Vi, clam, precario, possidere (447). Cic. ep. ad fam. VII. 13. Ausnahme bei vis armata (447). Grund der Regel (447). Justinian hat die Exception verworfen: Historische Erklärung (448). In den Pandekten sind nur noch indirecte Beweise für sie übrig: L. 1. §. 30 L. 18. pr., L. 17., L. 14. de vi (449. 450). – 2. Verjährung [Domat]. Ausnahmen (450-451). – 3. exceptio pacti (451). L. 27. §. 4. de pactis (451).

§. 41. Interdictum de clandestina possessione (452-458).

Bedingungen (452-455).

Clandestina possessio (452). [L. 4. pr. pro suo (453).] Ausnahme des Eigenthümers (453). Sie bezieht sich nicht nothwendig auf fremden Besitz (453): das Interdict aber ist nur unter dieser Bedingung möglich (454). Es geht nur auf unbewegliche Sachen (454). Existirt überhaupt ein solches Interdict? (455-458) [L. 7. §. 5. comm. divid. (456).] Historischer Zusammenhang (455-458).

§. 42. Interdictum de precario (458-465).

Quellen und Schriftsteller (458).

Begriff des Precarium [Paulus V. 6. §. 11. 12.] (458-460). Injusta possessio? (460). – Bedingungen dieser obligatio (461). – Gegenstand (462). – Exceptionen? (463). – Geschichte des precarii (464. 465).

§. 43. Neues Recht aus den Constitutionen? (466-471).

Gewöhnliche Meinung (466). – Directer Gegenbeweis (466. 467). – Erklärung der einzelnen Constitutionen selbst: L. 5.


(739) Inhalt.

(Vierter Abschnitt:)

(§. 43.)

C. unde vi (467). L. 8. C. unde vi (468). L. 11. C. unde vi (468). L. 12. de poss. (470). Tit. Cod. si per vim vel alio modo [Lib. 8. Tit. 5.] (470). – Resultat (471).

Fünfter Abschnitt: Iuris quasi Possessio (472-502).

§. 44. Einleitung (472. 473).

Für den Animus ist hier nichts Besonderes zu bestimmen (473).

§. 45. Persönliche Servituten (473-479).

Detention der Sache, hier wie bei dem eigentlichen Besitz (473). [Erwerb des Rechts selbst. L. 3. pr. de usufr.] (474). – Fortsetzung [L. 12. §. 2. de usufr., L. 29. pr. quib. mod. ususfr.] (476). – Interdicte (476): I. Uti possidetis [L. 4. uti poss. (477)]. II. Utrubi (477). III. Unde vi (478). IV. de clandestina possessione (478). V. de precario (479).

§. 46. Dingliche Servituten (479-497).

Drei Classen (479. 480). Erste Classe (480). Erwerb (480). Verlust (481). Interdicte (481), die gewöhnlichen Interdicte gelten hier nicht (481-484). I. Int. de itinere: Bedingungen (484-486). Gegenstand (486). Exceptionen [L. 3. §. 2. de itinere] (486-488). – II. Int. de reficiendo itinere [unpraktisch] (488-490). III. Int. de aqua: Bedingungen (490). Gegenstand (491). Exceptionen (491). – IV. Int. de rivis (491). – V. Int. de fonte (491. 492).

Zweite Classe (492).

Dritte Classe [Negative Servituten]; Erwerb des Besitzes [verschiedene Beziehungen der Frage] (492-495). Verlust (495). Interdicte für die zweite und dritte Classe (495). [Int. de cloacis (466).] [L. 86. de V. S. (497).]

§. 47. Superficies (497-499).

Zusatz der 7. Ausgabe zu §§. 46. und 47. (499-502).

Sechster Abschnitt: Modificationen des Römischen Rechts (503-535).

§. 48. Einleitung (503. 504).

§. 49. Begriff des Besitzes (504-509).

Ausübung jedes Rechts überhaupt (504. 505). – Richtige Beziehung auf kirchliche und publicistische Rechte (505-507). – Familienrecht? (507. 508). – Obligationenrecht? (508. 509).


(740) Inhalt.

(Sechster Abschnitt:)

§. 50. Spolienklage (509-521).

Schriftsteller (509). – Can. redintegranda (510). – Vorgeblicher Inhalt der Stelle (511. 512). – Wahrer Inhalt (512-514). – Entstehung der falschen Interpretation? (514). – Andere Bestimmungen des Canonischen Rechts über possessorische Rechtsmittel: 1. C. 18. X. de restit. spoliat. (515. 516). 2. Exceptio spolii (516. 517).

Zusatz der 6. Ausgabe (517-521).

§. 51. Possessorium Summariissimum (521-535).

Entstehung (521-525). [Erklärung aus dem Röm. Recht? (522).] – Beschaffenheit, aus jener Entstehung abgeleitet (525). Bestätigung des Instituts und dieser Ansicht durch die Reichsgesetze (525-528). – Possessorium ordinarium [C. 9. X. de probat.] (528-531).

Zusatz der 6. Ausgabe (532-535).

§. 52. Resultat des sechsten Abschnitts (535).

Anhang.

Ueber die neuere Besitzliteratur seit der sechsten Ausgabe [1837]. Von dem Herausgeber (537-727).

Einleitung (538-543).

Num. 1. Schriftsteller über den Besitz seit der 6. Ausgabe (543-562).

Num. 2. Willenlose Detention? (562. 563).

Num. 3. Selbständige und immanente Detention? Zielonacki (563).

Num. 4. Jus possidendi – Oswald v. Schmidt (563).

Num. 5. Ersitzung als Folge des blossen Besitzes ohne Rechtsgrund (563. 564).

Num. 6. Rechtsverletzung; bei Veränderung rein faktischer Zustände? (564).

Num. 7. Defensiver Charakter des Besitzschutzes (564).

Num. 8. Interdicte und Usucapion als Besitzfolgen. – Koeppe. Pfeifer. Hedemann (564-566).

Num. 9. Befreiung von der Beweislast und Beklagtenverhältniss als Besitzrecht? Pfeifer. Hedemann (566-569).

Num. 10. Der Fruchterwerb als Besitzvortheil? Zielonacki (569).

Num. 11. Nothwehr, als Vorrecht des Besitzes? Bethmann-Hollweg. (569. 570).

Num. 12. Stellung des Besitzes im Edict (570).


(741) Inhalt.

Num. 13. Schriften über Succession in den Besitz (570).

Num. 14. Entwendung des Besitzes. Geldschätzung des Besitzwerths. (570. 571).

Num. 15. Keine Succession in den Besitz. Brinz. Witte. Surrogate der mangelnden Succession (571-574).

Num. 16. Stellung des Besitzes im Edict (574). (Vgl. Num. 12.)

Num. 17. Möglichkeit des Eigenthums als Gegenstand (Interesse) der Besitzklagen. Koeppe (574. 575).

Num. 18. Selbsthülfe, als Basis des Besitzrechts. Puchta. Bethmann-Hollweg (575. 576).

Num. 19. Die Streitfrage: „ob der Besitz ein Recht sei?“ Tigerström. Maroschkin. Gans. Koeppe. Kierulff. Schaffrath. Bruns. Molitor. Zielonacki. Stahl. Beauvois. Oswald v. Schmidt. Lenz. – Resultat (576-592).

Num. 20 L. 3. §. 15. ad exhibendum. Pfeifer (592).

Num. 21. Erklärung der L. 1. §. 9. 10. D. de vi. Thibaut. Pfeifer. Vangerow. Zielonacki (593-595).

Num. 22. L. 13. §. 1. D. de hered. pet. (595).

Num. 23. Donatio possessionis. Pfeifer. (595).

Num. 24. Die Rechtsregel: nemo sibi causam etc. Pfeifer. Huschke. Levi de Hartog. Schirmer. M. Levy (595. 596).

Num. 25. L. 33. §. 1. D. de usurp. Pfeifer. (596).

Num. 26. Andere Stellen über die Rechtsregel: nemo sibi causam etc, Erklärung der L. 10. D. si pars. (596-598).

Num. 27. L. 2. §. 1. D. pro herede. L. 33. §. 1. D. de usurp. (Usucapion des Detentors.) Hartog. Zielonacki. Baron. (598-600).

Num. 28. L. 3. §. 15. D. ad exhibendum. Actio ad exhibendum gegen den Usucapionsbesitzer und gegen den Detentor. Pfeifer. (600. 601).

Num. 29. Worterklärung von possessio. Grimm. Molitor (601. 602).

Num. 30. Absicht, fremdes Eigenthum auszuüben. Pfeifer (602).

Num. 31. Animus domini L. 3. §. 7. D. uti. possidetis. Theophilus. Böcking. Lenz. Sprachgebrauch der röm. Juristen (602. 603).

Num. 32. Utile interdictum unde vi des bonitarischen Eigenthümers (603).

Num. 33. Vindication und Interdicte bei Provinzialgrundstücken (603. 604).

Num. 34. Ager vectigalis (694).

Num. 35. Der Besitzwille beim ursprünglichen und beim abgeleiteten Besitz. Lenz. Kierulff. Böcking (604.)

Num. 36. L. 30. §. 1. D. de poss. Besitzübergabe eines Grabmals mittelst Einhändigung des Schlüssels. Lenz. (604. 605).


(742) Inhalt.

Num. 37. Rechtsbesitz des Emphyteuta. Arndts. Bei der Superficies. Bruns (605).

Num. 38. Rosshirt, über den abgeleiteten Besitz (605. 606).

Num. 39. Abgeleiteter Besitz. Wesen. Anomalische Natur. Relativer solidarischer Doppelbesitz des Constituenten und Erwerbers. Pfeifer. Bruns. Zielonacki. Lenz. Baron (606-614).

Num. 40. Possessio civilis. Vangerow (617-620). (Byzantinische Zeugnisse.) Bruns. Pfeifer. Zielonacki. – Resultat (614-623).

Num. 41. Possessio plurium in solidum. Lenz (623).

Num. 42. Erklärung der L. 1. §. 45. D. de vi (623).

Num. 43. L. 17. pr. D. de poss. Witte (624).

Num. 44. Doppelbesitz des iustus und iniustus possessor? Zielonacki. Doppelbesitz bei heimlicher Occupation? Witte (624)

Num. 45. L. 3. pr. D. uti poss. (624).

Num. 46. L. 15. §. 4. D. de prec. (624. 625).

Num. 47. L. 17. §. 1. und L. 13. D. de poss. (625).

Num. 48. Vermuthung über den Ursprung des Doppelbesitzes. Adolf Schmidt. Doppelbesitz bei dem Precarium. L. 16. §. 4. D. de precario. Baron (625-627).

Num. 49. Possessio duorum in solidum. Unterschied zwischen Sabinus (Pomponius) und Trebatius Meinung. v. d. Hagen. Zielonacki. Baron (627-631).

Num. 50. Possessio als Recht am Provinzialboden (631).

Num. 51. Ableitung des Besitzrechts aus dem Recht am Ager publicus? (631).

Num. 52. Ableitung aus dem Recht der Selbstvertheidigung: die Interdicte sind eine prätorische Regulierung der Notwehr, wie die bon. poss. eine Ordnung der Erbschaftsersitzung. Bethmann-Hollweg (632. 633).

Num. 53. L. 1. §. 21. D. de poss. Lenz. Böcking (633. 634).

Num. 54. L. 77. D. de rei vind. Lenz (634).

Num. 55. L. 18. §. 2. D. de poss. Lenz (634).

Num. 56. Körperliche Gegenwart bei der Apprehension unbeweglicher Sachen. Lenz (634. 635).

Num. 57. Uebergabe durch einen Bevollmächtigten und einen Nichtbevollmächtigten, bei präsumativer Genehmigung. Lenz (635).

Num. 58. L. 52. §. 2. D. de poss. Lenz (635).

Num. 59. L. 79. D. de solut. Lenz (636).

Num. 60. Fragm. Vat. §. 254. Paul. 5. 11. §. 1. (636).

Num. 61. L. 51. D. de poss. Lenz (636).

Num. 62. L. 1. C. de donat. Lenz (636).

Num. 63. Erklärung der L. 1. C. de donat. Gleichstellung der Verfügung


(743) Inhalt.

über die Beweisurkunde mit der Disposition über das beglaubigte Recht (636-638).

Num. 64. L. 9. §. 6. D. de adqu. rer. dom. Lenz (638).

Num. 65. Uebergabe der Schlüssel. L. 74. D. de contr. emt. Lenz (638).

Num. 66. L. 3. §. 3. D. de poss. Lenz (638).

Num. 67. L. 30. pr. D. de poss. Lenz (638. 639).

Num. 68. L. 3. §. 3. D. de poss. (naturalis possessio). Oswald von Schmidt (639).

Num. 69. L. 3. §. 3. D. de poss. Vergrabungen von Schätzen während des Hannibalischen Krieges (639).

Num. 70. L. 3. §. 3. D. de poss. Lenz (639. 640).

Num. 71. Verhältniss von corpus und animus bei dem Besitzerwerb. Lenz. Die custodia als principielle Basis des Besitzerwerbs? Baron (640-645).

Num. 72. Voranstellung des Willens? (645).

Num. 73. Besitzerwerb unter einer Bedingung. Sell. Jhering (645. 646).

Num. 74. Unfähigkeit der Erbschaft zum Erwerb der Besitzrechte. L. 45. §. 1. D. de usurp. (646).

Num. 75. Besitzerwerb des Pupillen. Kuhne. Goldschmidt (646).

Num. 76. Besitzerwerb des Kindes. Puchta. Zielonacki. Lenz (647).

Num. 77. Besitzerwerb des Kindes mit und ohne Vertretung. Interimistischer Besitz in dem letzteren Fall. Die neuesten Schriftsteller über den Besitzerwerb des Kindes. Kuhne. Lenz. Denzinger (647-649).

Num. 78. Unstatthaftigkeit des Besitzes und der Ersitzung einer pars incerta. Zusammenhang mit der Vindication und dem Int. uti possidetis eum locum (650).

Num. 79. L. 32. §. 2. D. de usurp. (650).

Num. 80. L. 23. pr. D. de usurp. (650. 651).

Num. 81. L. 30. D. de usurp. Windscheid. Madai. Binding. Pape. Stephan. Resultat (651-654).

Num. 82. Fruchterwerb als Folge des Besitzes? (654). Vgl. Num. 10.

Num. 83. Fruchterwerb des Emphyteuta (655).

Num. 84. Interdictum de vi des Zeitpächters. Höpfner (655).

Num. 85. Besitz an Stockwerken und Superficien. Emmerich. Adolf Schmidt. Böcking. Baron (655-660).

Num. 86. Fiction bei dem Usucapionsbesitz des Pfandschuldners? Lenz. Dernburg. Bruns. Sintenis. Bachofen (660-665).

Num. 87. Abgeleiteter Besitz des Sequester. Pfeifer. Bruns. Muther. (665. 666).


(744) Inhalt.

Num. 88. Accessio possessionis des rogatus beim precarium. Pfeifer. Bruns. (666).

Num. 89. Int. Utrubi bei dem Precarium an der verpfändeten Sache. Erklärung des abgeleiteten Besitzes aus einer Cession der Besitzrechtsmittel? Wollank. Abgeleiteter Eigenthumsbesitz des Fructuars? Keller (666-668).

Num. 90. L. 33. §. 6. D. de usurp. Verhältniss der Pacht zum Detentionsprecarium (668).

Num. 91. L. 1. §. 19. 20. D. de adquir. poss. (669).

Num. 92. L. 37. §. 6. D. de adquir. rer. dom. (669).

Num. 93. Ignorantis possessio bei einem generellen Bevollmächtigten. Unterholzner. Puchta. Schirmer. Bremer (669. 670).

Num. 94. Besitzerwerb juristischer Personen. Warnkönig (670).

Num. 95. Durch den Erwerb der Erbschaft geht selbst auf einen suus heres kein Besitz über. Gaius 2, 52. und 3, 201. (671).

Num. 96. Tradition neben der Mancipation zum Zweck des Besitzerwerbes (671).

Num. 97. L. 22. D. de poss. Bethmann-Hollweg (671).

Num. 98. L. 153. D. de reg. iur. Lenz. Baron (672).

Num. 99. Gellius Noct. Att. II. 12. §. 4. Hugo (673).

Num. 100. L. 3. §. 1. D. de poss. Kierulff und Lenz (673).

Num. 101. L. 153. D. de reg. iur. Gleichartigkeit des Erwerbs und Verlustes bei Rechten. Lenz (673).

Num. 102. L. 153. D. de reg. iur. Utrumque. Höpfner. Lenz (674).

Num. 103. Verlust und Wiedererwerb des Besitzes bei dem Diebstahl, wenn der reuige Dieb die Sache heimlich wieder hinlegt? (674).

Num. 104. L. 3. §. 13. D. de poss. Begriff der custodia. Lenz (675).

Num. 105. Fiction der Fortdauer des Besitzes am fugitivus. Lenz (675).

Num. 106. Fortdauer des Besitzes an Grundstücken bis zur Kunde von der fremden Occupation? Lenz. Witte. Bruns. Windscheid (676. 677).

Num. 107. L. 7. D. de poss. in den Basiliken. (677).

Num. 108. Erklärung der L. 7. D. de poss. (677. 678).

Num. 109. Meinungsverschiedenheit der römischen Juristen über die Fortsetzung des Besitzes solo animo. Lenz (678).

Num. 110. Verlust des Besitzes an Grundstücken bloss animo? Lenz. Durch jede Entfernung des Besitzers? Vertreibungsrecht bei vorübergehender Abwesenheit? Ableitung aus der Regel prout quidque contractum est? Exceptio vitiosae possessionis? Baron (678-683).

Num. 111. Verlust des Besitzes bei der Tradition nur unter der Bedingung


(745) Inhalt.

des Erwerbs. Celsus. Ulpian. v. Scheurl. Lenz. Windscheid (683. 684).

Num. 112. Erklärung der L. 11. D. de adqu. rer. dom. über Besitzaufgabe durch den Pupillen. Zielonacki (684. 685).

Num. 113. Erklärung der L. 37. §. 1. D. de usurp. Lenz. Schirmer (685).

Num. 114. L. 3. §. 18. D. de poss. Schirmer. Witte (685).

Num. 115. L. 3. §. 18. L. 47. D. de poss. Schulcontroverse? Schirmer (685. 686).

Num. 116. L. 40. §. 1. D. de poss. (686).

Num. 117. Gellius, Noct. Att. XI. 18. §. 13. (686).

Num. 118. L. 3. §. 8. D. de poss. (686).

Num. 119. L. 3. §. 9. D. de poss. (687).

Num. 120. L. 3. §. 6. 7. 8. 9. D. de poss. Witte (687).

Num. 121. L. 12. C. de poss. Löbenstern. Kierulff. Bruns. Keller (687).

Num. 122. L. 12. C. de poss. Vangerow. Sintenis. Witte (687).

Num. 123. 124. Zu den Quellen und Schriftstellern über die Interdicte (688).

Num. 125. Der Interdictenprocess war nicht summarischer als der Actionenprocess; anders die Execution. Interdicte wegen Regelung der Cetera ex interdicto. Prohibitorisch oder restitutorisch? L. 52. §. 2. D. de poss.? (688. 689).

Num. 126. Auson. Idyll. 11. 63. (689).

Num. 127. Verwandtschaft der int. adipiscendae possessionis mit den possessorischen Interdicten (689).

Num. 128. Besondere Bedeutung des int. possessorium nach Gaius (689. 690).

Römische Theorie vom Beweise des Besitzes. Baron. Neuere Theorie. v. Holzschuher (690-693).

Num. 129. Ableitung der interdicta retinendae possessionis aus den Vindicien? Witte. Adolf Schmidt. Pfeifer (693. 694).

Num. 130. Verhütung eines Maleficium als Grund der interdicta retinendae possessionis. Adolf Schmidt (694. 695).

Num. 131. Fiction für den dritten Fall der Anwendung der Interdicta retinendae possessionis, die Regulirung des Eigenthumsstreits? Keller. Bruns. Adolf Schmidt. Bethmann-Hollweg (695. 696).

Num. 132. Stellung der Einleitung des Petitoriums im Edict (696).

Num. 133. Parallelismus der interdicta retinendae possessionis mit der Negatorienklage. L. 8. §. 5. D. si serv. Bluhme. Witte (696. 697).

Num. 134. L. 12. D. commun. div. Witte (697. 698).


(746) Inhalt.

Num. 135. L. 11. D. de vi. Bruns (698).

Num. 136. Verschiedenheit der Actio confessoria und negatoria unter einander und von den Theilungsklagen (698).

Num. 137. Recuperatorische Wirkung der interdicta retinendae possessionis für den Provocanten. Keller. Rudorff. Bruns. Schmidt. Windscheid. Arndts. Witte. Seuffert (698. 699).

Num. 138. Neueste Schriften über das Interdictum uti possidetis. Keller. Rudorff. Zielonacki. Pagenstecher. Witte (699. 700).

Num. 139. Recuperatorische Wirkung der interdicta retinendae possessionis für den Provocanten (remissive) (700).

Num. 140. Vitia possessionis, als Exceptionen des Verklagten beim Interdictenverfahren? Brackenhoeft. Sintenis (700).

Num. 141. L. 7. D. de aqua quot. Rudorff. Witte (701).

Num. 142. Verjährung des Interdicts. Iudicium Cascellianum. Rudorff. Schmidt. Witte. Huschke (701. 702).

Num. 143. Früheste Erwähnung des interdictum utrubi (702).

Num. 144. Gaius 4, 152. Keller. Huschke (702).

Num. 145. Justinians Ausgleichung des interdictum uti possidetis und utrubi (702).

Num. 146. Int. Utrubi bei der Lex Cincia. Fragm. Vat. §. 293. 311. Warnkönig (703).

Num. 147. Auson. Idyll. 11. 63. (703).

Num. 148. Fiction, nach welcher der Besitz der maior anni pars beim interdictum retinendae possessionis utrubi für den gegenwärtigen Besitz genommen wird? Windscheid (703).

Num. 149. Quellen und Literatur des Interdictum de vi (703. 704).

Num. 150. Lex agraria. Keller über das interdictum de vi, in den Semestria, 273 ff. (704).

Num. 151. Vorausgesetzter Besitz in den beiden Interdicten de vi. Keller. Rudorff. Schmidt (704).

Num. 152. Possessorisches Klagrecht auf Rückgabe beweglicher Sachen. Condictio possessionis? Bruns. Momentariae possessionis actio? Brinz (704. 705).

Num. 153. L. 16. D. de vi (705).

Num. 154. Formula in factum concepta in id quod ad eum pervenit. Fragm. Vat. §. 312. nach Ablauf Eines Jahres (705).

Num. 155. Im interdictum utrubi ist die vis nicht Voraussetzung. Zielonacki (706).

Num. 156. Existenz des interdictum de clandestina possessione (?). Witte (706).

Num. 157. Exceptio clandestinae possessionis. Bethmann-Hollweg (706).


(747) Inhalt.

Num. 158. Int. de precario gegen den Singularsuccessor des rogans? Bluhme (707).

Num. 159. Anfang der dreissigjährigen Verjährung beim interdictum de precario. Thon. Savigny (707).

Num. 160. L. 11. C. unde vi. Witte (707).

Num. 161. Klagen (Actiones) zum Schutz des Besitzes (im Gegensatz zu den Interdicten). Gemeinschaftlicher Klagegrund. Unterschied von den Vindicationen und den possessorischen Interdicten. Civilrechtliche Besitzklagen: die Condictionen. Condictio incerti, triticaria, indebiti, des rogatus, zur Zurückforderung einer Besitzschenkung unter Ehegatten, bei Entwendung, Raub, Veruntreuung des Depositum. – Prätorische Widerrufsklage: Actio quod metus causa. Besondere Exceptionen gegen diese Besitzklagen. Exceptio vitiosae possessionis (?). Einrede der Verjährung. Bruns (708-713).

Num. 162. Juris quasi possessio. Pfeifer (713. 714). – L. 4. D. uti poss. Rudorff (714). – Interdict des Usufructuars (714).

Num. 163. Neue Schriften über Interdicte für dingliche Servituten. Si utifrui prohibitus esse dicetur. L. 20. D. de serv. Pfeifer. Heerwart (714. 715).

Num. 164. Eigene Interdicte bei dinglichen, positiven Servituten der ersten Classe (715).

Num. 165. Unanwendbarkeit des interdictum uti possidetis bei den vorgenannten Servituten. Grund. Pfeiffer (715. 716).

Num. 166. L. 3. §. 2. D. di itin (716).

Num. 167. L. 6. §. 1. D. si serv. Puchta. Bethmann-Hollweg (716. 717).

Num. 168. Adolf Schmidt, zum interdictum de cloacis (717).

Num. 169. Singuläre Ausschliessung des interdictum uti possidetis beim ius cloacae (717).

Num. 170. Zulassung des interdictum uti possidetis bei dinglichen positiven Servituten der zweiten Classe und bei negativen Servituten. L. 3. §. 5. 6. D. uti poss. Pfeifer. Zielonacki. Vangerow. Witte. Albert (717-719).

Num. 171. Literatur über den Rechtsbesitz bei der Superficies. Rudorff. Emmerich (719).

Num. 172. Interdictum utile uti possidetis eum fundum vectigalem (mit dem Zusatze id est emphyteuticum zum Unterschied von Provinzialgrundstücken für den Emphyteuta) zum Schutz seiner iuris quasi possessio. Zielonacki. Beauvois (719. 720).

Num. 173. Stellung des Interdicts des Superficiars im Edict. Grund (720).

Num. 174. Unbedingte Zuständigkeit des Interdicts de superficiebus.


(748) Inhalt.

Actio in rem nur nach Befinden der Umstände (causa cognita) (720).

Num. 175. Verschmelzung der deutschen Gewere mit dem römischen Eigenthums- und Besitzschutz. Delbrück. Bruns. Beseler (720).

Num. 176. Besitzschutz im Eherecht cap. 14. X. de restit. spol. (721)

Num. 177. Quasibesitz bei Familienrechten nicht römischen Ursprungs (721).

Num. 178. Spolienklage. Bruns. (721).

Num. 179. Bei positiven Servituten, deren Ausübung auf einer eigenen, unabhängigen Handlung beruht, wird nicht schon der actuelle Besitz zur Zeit der Störung, sondern erst der durch längere oder wiederholte Ausübung befestigte Besitz geschützt. Bethmann-Hollweg. Heerwart (722).

Num. 180. Canon Redintegranda. Rosshirt (722).

Num. 181. Spolienklage als Erweiterung des interdictum de vi auf den dritten unredlichen Besitzer. Ludolff v. Hugo (722. 723).

Num. 182. Ableitung und Ausdehnung des possessorium summariissimum. Paulus de Castro. Bruns (723).

Num. 183. Charakter der in C. 9. X. de probat. vorausgesetzten Klage. Delbrück. Maassen. Bruns (724).

Schlussbemerkung (724-727).


(749) Quellen-Register.

Die Sternchen zeigen die Stellen an, zu deren Erklärung oder Kritik etwas beigetragen ist. Die eingeklammerten Zahlen gehen auf die Seiten.

I. Vorjustinianische Rechtsquellen.

Cicero pro Caecina:

c. 8. (424. 446).

c. 11. (615).

c. 12. (73. 523).

c. 13. (615).

c. 16. (345. 428).

c. 17. (431).

c. 19. (424).

c. 20. (669).

c. 21. (424).

c. 22. (446).

c. 28. (424).

c. 29. (424).

c. 30. (431).

c. 31. (422. 425. 431).

c. 32. (287. 313. 422. 424. 425. 446. 447).

– pro Tullio: (421).

c. 13. (189).

c. 29. (429).

c. 30. (429).

c. 44. (427. 429. 446. 447).

c. 46. (429).

Cicero in Verrem:

Act. 2. lib. 1. c. 45. (106).

Act. 2. lib. 3. c. 11. (107).

– in Rullum: III. 3. (456).

– de oratore:

Lib. 3 c. 31. (189).

– de officiis:

Lib. 3. c. 15. (334).

– Epistolae ad Fam.

* Lib. 7. ep. 13. (447).

Lib. 15. ep. 16. (451).

Gaii Institutiones:

Lib. 1. § 52. (617).

Lib. 1. § 52. (87).

Lib. 2. §. 7. (631).

Lib. 2. §. 35. (662).

Lib. 2. §. 38. (573).

Lib. 2. §. 39. (573).

Lib. 2. §. 51. (685).

Lib. 2. §. 52-61. (82. 671).

Lib. 2. § 55 (445. 596).

Lib. 2. § 56 (445. 596).

Lib. 2. § 59 (295).


(750) Quellen-Register.

Gaii Institutiones:

Lib. 2. §. 60. (466. 600. 614).

Lib. 2. §. 61. (634).

Lib. 2. §. 90. (311. 664).

Lib. 2. §. 94. (309. 664).

Lib. 2. §. 95. (315).

Lib. 2. §. 98. (715).

Lib. 2. §. 195. (669).

Lib. 2. §. 204. (671).

Lib. 3. §. 18-25. (596).

Lib. 3. §. 107-109. (647).

Lib. 3. §. 201. (648. 671).

Lib. 4. §. 4. (683. 709).

Lib. 4. §. 16. (422).

Lib. 4. §. 17. (568).

Lib. 4. §. 54. (650).

Lib. 4. §. 89. (568. 692).

Lib. 4. §. 91. (422. 568).

Lib. 4. §. 94. (422).

Lib. 4. §. 118. (719).

Lib. 4. §. 119. (447).

Lib. 4. §. 136. (708).

Lib. 4. §. 137. (708).

Lib. 4. §. 138. sequ. (376).

Lib. 4. §. 139. (193. 378).

Lib. 4. §. 141. (378).

Lib. 4. §. 142. (384).

Lib. 4. §. 143. (383. 384).

Lib. 4. §. 145. (385. 689).

Lib. 4. §. 146. (385).

Lib. 4. §. 148. (417. 692).

Lib. 4. §. 149. (412).

* Lib. 4. §. 150. (412. 417. 436. 454. 678).

Lib. 4. §. 151. (412. 454. 572. 607. 661. 665).

Lib. 4. §. 152. (412. 416. 665).

Lib. 4. §. 153. (678. 679).

Lib. 4 §. 154. (421. 447).

Lib. 4 §. 155. (421. 447).

Lib. 4 §. 160. (403. 404).

Lib. 4. §. 161. (693).

Gaii Institutiones:

Lib. 4 §. 163. (629).

Lib. 4 §. 164. (629).

Lib. 4 §. 165. (688).

Lib. 4 §. 165 a. (692).

Lib. 4 §. 166. (678. 691. 700).

Lib. 4 §. 167. (381. 691).

Lib. 4 §. 168. (691).

Lib. 4 §. 169. (700).

Lib. 4 §. 170. (681. 688. 689).

Lib. 4 §. 199. (665).

Ulpiani fragmenta:

Tit. 11. §. 27. (684).

Tit. 19. §. 1. (481)

Tit. 19. §. 3. (277)

Tit. 19. §. 6. (325)

Tit. 19. §. 7. (277)

Tit. 19. §. 11. (474. 481. 493)

Tit. 19. §. 20. (112)

Tit. 19. §. 21. (112. 127)

Tit. 25. §. 12. (379)

Tit. 28. §. 12. (200)

Pauli sentent. receptae:

Lib. 1. Tit. 11. §. 1. (568).

Lib. 1. Tit. 12 a. §. 8. (568).

Lib. 2. Tit. 1. §. 5. (378. 688).

Lib. 2. Tit. 13. §. 2. (664).

* Lib. 3. Tit. 5. §. 18. (383).

Lib. 5. Tit. 2. §. 1. (175. 205. 308).

* Lib. 5. Tit. 2. §. 2. (312. 316).

Lib. 5. Tit. 6. §. 1. (412. 417. 420).

Lib. 5. Tit. 6. §. 1. (Int. Goth. 391. 417. 420).

Lib. 5. Tit. 6. §. 4. (346).

Lib. 5. Tit. 6. §. 5. (417. 418. 433).

Lib. 5. Tit. 6. §. 6. (344. 347).

Lib. 5. Tit. 6. §. 7. (447. 570).

Lib. 5. Tit. 6. §. 7. (Int. Goth. 465).

 


(751) Quellen-Register.

Pauli sentent. receptae:

Lib. 5. Tit. 6. §. 8. (444).

Lib. 5. Tit. 6. §. 9. (491).

Lib. 5. Tit. 6. §. 10. 11. 12. (459. 460. 462).

Lib. 5. Tit. 10. §. 2. (568).

Lib. 5. Tit. 11. §. 1. (636).

Lib. 5. Tit. 11. §. 2. (637. 690. 696).

Fragmenta vaticana:

§. 1. (573. 684).

* §. 90-93. (476. 568. 689. 712).

§. 254. (636).

§. 283. (649).

§. 293. (413. 637. 702).

§. 297. (222).

§. 310. (637. 690).

§. 311. (413. 629. 637. 671. 690. 702).

§. 312. (604. 704).

§. 314. (222).

Codex Gregorianus:

Const. 1. Lib. 3. Tit. 4. (43).

Codex Hermogenianus:

Tit. 2. (50).

Codex Theodosianus:

Lib. 2. Tit. 1. de jurisd.

L. 8. (468).

Lib. 2. Tit. 16. fin. reg.

L. 1. (467).

L. 2. (437).

Lib. 4. Tit. 23. unde vi.

L. 1. (451).

L. 3. (437).

Lib. 4. Tit. 23. utrubi. (411).

Lib. 8. Tit. 12. de donat.

L. 2. (317).

L. 8. 9. (322).

Lib. 8. Tit. 18. de matern. bon.

* L. 2. (44).

Nov. Theod. (Valent.) Tit. 19. (437).

II. Justinianische Rechtsquellen.

A. Institutionen.

Lib. 1. Tit. 8. de his qui sui.

* §. 1. (87).

Lib. 2. Tit. 21. de auctor. tutor.

pr. (647).

Lib. 2. Tit. 1. de rer. divis.

§. 13. (223. 639).

§. 14. (344).

§. 15. (344).

§. 29. (268. 653. 654).

§. 35. (42. 278).

§. 44. (244).

§. 45. (224).

Lib. 2. Tit. 3. de serv. praed.

§. 4. (474. 493).

Lib. 2. Tit. 4. de usufr.

§. 1. (474).

Lib. 2. Tit. 6. de usucap.

§. 7. (360).

Lib. 2. Tit. 9. per quas pers.

pr. (206).

§. 4. (125. 127. 287).

§. 5. (34. 206. 314. 315).

Lib. 3. Tit. 20. de inutil. stip.

§. 10. (249. 250. 647).

Lib. 3. Tit. 21. de fideiussor.

§. 8. (637).

Lib. 3. Tit. 25. de locat.

§. 3. (117).

Lib. 3. Tit. 30. quib. mod. toll. obl.

* §. 2. (90)

Lib. 4. Tit. 1. de obl. quae ex del.

§.15. (445).

Lib. 4. Tit. 2. vi bon. rapt.

§. 1. (434. 437).


(752) Quellen-Register.

Lib. 4. Tit. 6. de action.

§. 2. (107. 568).

Lib. 4. Tit. 11. de satisdat.

§. 2. (568).

Lib. 4. Tit. 15. de interd.

§. 1. (384).

§. 2. (383. 384).

§. 4. (36. 42. 91. 99. 393. 406. 410. 411. 693).

§. 5. (91. 678. 679).

§. 6. (91. 94. 447).

§. 7. (403. 404).

§. 8. (380).

Theophilus in §. 40 I. de div. rer. (113).

Theophilus in §. 4. per quas pers. (110).

Theophilus in §. 2. quib. mod. toll. obl. (110).

Theophilus pr. de interd. (379).

Theophilus in §. 4. de interd. (416).

Theophilus * in §. 5. I. de interd. (141).

B. Pandekten.

Lib. 1. Tit. 1. de just. et iur.

L. 1. §. 4. (615).

L. 3. (74. 615).

Lib. 1. Tit. 2. de orig. iur.

L. 2. § 5. (72).

L. 2. § 12. (72).

Lib. 1. Tit. 6. de his qui sui.

* L. 1. (87).

Lib. 1. Tit. 7. de adopt.

L. 13. (76).

L. 1. Tit. 9. de senatoribus.

L. 1. §. 1. (721).

Lib. 2. Tit. 4. de in ius vocand.

L. 18. (638).

Lib. 2. Tit. 8. qui satisd. cog.

L. 11. (180).

L. 12. (180).

L. 15. §. 1. (105. 117).

L. 15. §. 2. (298. 322. 629).

Lib. 2. Tit. 14. de pactis.

* L. 27. §. 4. (63. 451).

Lib. 3. Tit. 3. de procuratoribus.

L. 8. pr. (631).

Lib. 3. Tit. 5. de neg. gest.

L. 24. (316).

Lib. 4. Tit. 2. quod met. caus.

L. 1. (428. 564).

L. 2. (428).

L. 3. §. 1. (428).

L. 9. pr. (345. 432. 711).

L. 12. §. 2. (437).

L. 13. (437).

L. 14. §. 1. (712).

L. 14. §. 2. (712).

L. 14. §. 11. (444).

L. 21. §. 2. (571. 712).

Lib. 4. Tit. 3. de dolo.

L. 31. (369. 686).

Lib. 4. Tit. 4. de minoribus.

L. 50. (271).

Lib. 4. Tit. 6. ex quib. caus. maior.

* L. 19. (44. 128).

L. 23. §. 2. (193. 708).

L. 23. §. 3. (311. 572).

L. 30. pr. (324. 573. 671)

Lib. 4. Tit. 7. de alien. iud. mut.

L. 4. §. 1. (356).

L. 4. §. 2. (356. 573).

Lib. 4. Tit. 8. de recept. qui arbitr.

L. 15. (688).

Lib. 5. Tit. 1. de iudiciis.

L. 13. (405).

* L. 62. (107).


(753) Quellen-Register.

Lib. 5. Tit. 3. de hered. pet.

L. 5. (568).

L. 9. (106).

L. 13. §. 1. (593. 595).

L. 13. §. 15. (598).

L. 16. (598).

L. 16. §. 4. (106).

L. 16. §. 7. (106).

L. 18. §. 1. (106).

L. 34. §. 1. (106).

L. 35. (106).

Lib. 5. Tit. 4. si pars hered.

L. 8. (568).

L. 10. (107. 596. 597. 598).

Lib. 6. Tit. 1. de rei vind.

L. 3. pr. (650).

L. 8. (260).

* L. 9. (70. 92. 566. 601).

L. 23. §. 2. (270).

L. 23. §. 4. (654).

L. 23. §. 5. (270).

L. 23. §. 6. (268).

L. 23. § 7 (268. 653).

L. 24. (393).

L. 36. pr. (692).

L. 46. (243).

* L. 47. (243).

L. 49. pr. (263).

L. 59. (268).

L. 73. (292. 659).

L. 73. §. 1. (719).

L. 75. (292. 659. 719).

L. 76. §. 1. (650).

L. 77. (213. 321. 690).

L. 80. (568).

Lib. 6. Tit. 2. de Publician.

L. 7. §. 17. (635).

L. 11. §. 1. (66. 481. 493).

L. 11. §. 3. (281).

L. 11. §. 4. (281).

L. 11. §. 6. (266).

L. 12. §. 2. 3. (66).

Lib. 6. Tit. 2. de Publician.

L. 13. §. 1. (102).

L. 15. (309).

Lib. 6. Tit. 3. si ager vect.

* Rubr. (117).

L. 1. pr. (116).

L. 1. §. 1. (116).

L. 3. (116).

Lib. 7. Tit. 1. de usufr.

L. 3. pr. (474).

L. 12. (709).

* L. 12. §. 2. (474. 476. 479).

L. 12. §. 3. 4. (474).

L. 13. §. 3. (523. 723).

L. 60. pr. (478).

L. 60. §. 1. (568).

Lib. 7. Tit. 4. quib. mod. ususfr.

L. 1. pr. (200).

L. 4. (200).

L. 13. (277. 278).

L. 29. pr. (476).

L. 29. §. 2. (200).

Lib. 7. Tit. 6. si usufr. petatur.

L. 3. (200).

L. 5. §. 6. (569).

Lib. 8. Tit. 1. de servitutibus.

* L. 20. (481. 482. 658).

L. 20. §. 1. (573).

Lib. 8. Tit. 2. de S. P. U.

L. 6. (716).

L. 20. pr. (492).

L. 20. §. 2. (263).

L. 32. §. 1. (193).

Lib. 8. Tit. 3. de S. P. R.

L. 1. §. 2. (481).

L. 6. §. 1. (658).

Lib. 8. Tit. 4. commun. praed.

L. 2. (193).

L. 17. (264).

Lib. 8. Tit. 5. si serv. vind.

L. 2. §. 3. (581).

L. 6. pr. (569).


(754) Quellen-Register.

Lib. 8. Tit. 5. si serv. vind.

L. 6. §. 1. (494. 567).

L. 8. §. 3. (716).

L. 8. §. 5. (496. 695).

L. 10. pr. (193).

Lib. 8. Tit. 6. quemadm. serv. am.

L. 12. (497).

* L. 25. (480).

Lib. 9. Tit. 2. ad L. Aquil.

L. 11. §. 6. (442).

L. 11. §. 10. (442).

L. 28. §. 1. (434).

L. 50. (264).

Lib. 9. Tit. 4. de noxal. act.

L. 22. §. 1. (102).

Lib. 10. Tit. 1. fin regund.

L. 10. (404).

Lib. 10. Tit. 3. commun. divid.

L. 2. §. 1. (405).

L. 7. §. 5. (450. 456. 683. 723).

L. 7. §. 8. (102).

L. 12. (401. 696).

Lib. 10. Tit. 4. ad exhibend.

L. 1. (601).

L. 2. (601).

* L. 3. §. 5. (413).

L. 3. §. 9. (414. 434).

L. 3. §. 10. (414. 434).

L. 3. §. 11. (414. 434).

* L. 3. §. 12. (413).

L. 3. §. 14. (414).

* L. 3. §. 15. (76. 79. 92. 97. 298. 592. 619).

L. 4. (77).

L. 5. (77).

L. 5. pr. (592).

L. 5. §. 1. (414. 592).

L. 5. §. 2. (592).

L. 6. (270. 601).

* L. 7. §. 1. (88. 270. 601. 654).

Lib. 10. Tit. 4. ad exhibend.

* L. 7. §. 2. (88. 601).

L. 7. §. 3. (317. 601).

L. 9. §. 6. (601.)

* L. 15. (230. 236. 401).

Lib. 11. Tit. 8. de mortuo infer.

L. 1. pr. (605.)

L. 1. §. 5. (605).

Lib. 12. Tit. 1. de reb. credit.

* L. 9. §. 9. (244. 301).

L. 10. (244).

L. 11. pr. (243).

L. 15. (243).

L. 41. (603).

Lib. 12. Tit. 2. de iureiur.

L. 34. §. 6. (688).

Lib. 12. Tit. 5. de condict. ob turp. caus.

L. 6. (710).

Lib. 12. Tit. 6. de condict. indeb.

L. 15. §. 1. (709).

Lib. 13. Tit. 3 de condict. tritic.

* L. 1. pr. (118).

L. 1. §. 1. (709. 711).

Lib. 2. (683. 709. 711).

Lib. 13. Tit. 4. de eo quod certo loco.

L. 2. pr. (334).

Lib. 13. Tit. 6. commodati.

L. 1. §. 1. (463).

* L. 5. §. 15. (177).

L. 8. (283).

Lib. 13. Tit. 7. de pign. act.

L. 11. §. 6. (314. 317).

L. 21. (263. 264).

L. 26. pr. (294).

L. 29. (299. 304).

L. 35. §. 1. (46. 122. 298).

L. 37. (285. 298. 662. 668).

L. 40. (91.)


(755) Quellen-Register.

Lib. 16. Tit. 3. depositi.

L. 13. §. 1. (711).

L. 15. (46).

* L. 17. §. 1. (302. 666).

Lib. 17. Tit. 1. mandati.

L. 34. pr. (243).

Lib. 17. Tit. 2. pro socio.

L. 1. §. 1. (322).

L. 2. (322).

Lib. 18. Tit. 1. de contrah. emt.

L. 34. §. 4. (46. 607).

L. 63. §. 1. (635).

* L. 74. (225. 638).

L. 78. §. 1. (635).

Lib. 18. Tit. 4. de her. v. act. vend.

L. 5. (333).

Lib. 18. Tit. 6. de peric. et com. r. v.

L. 1. §. 2. (219. 225. 320).

L. 14. §. 1. (219. 225).

Lib. 19. Tit. 1. de act. emt.

L. 2. §. 1. (189).

L. 11. §. 13. (607).

Lib. 19. Tit. 2. locati.

L. 4. (572).

L. 25. §. 5. (402).

L. 60. §. 1. (369).

Lib. 19. Tit. 5. de praescr. verbis.

L. 17. pr. (463).

Lib. 20. Tit. 1. de pignor.

L. 10. (664).

L. 23. pr. (298).

Lib. 20. Tit. 6. quib. mod. pign.

L. 6. pr. (609).

* L. 12. §. 1. (118).

Lib. 21. Tit. 2. de evict.

L. 36. (271. 639. 653).

L. 62. pr. (244).

Lib. 21. Tit. 3. de except. rei vend. et trad.

L. 1. §. 5. (635).

Lib. 22. Tit. 1. de usur.

L. 25. §. 1. (118. 277. 278. 281).

Lib. 22. Tit. 1. de usur.

L. 25. §. 2. (281).

L. 38. §. 10. (71. 91).

Lib. 22. Tit. 3. de probat.

L. 21. (36).

Lib. 22. Tit. 6. de jur. et fact. ign.

L. 7. (359. 709).

Lib. 23. Tit. 3. de jur. dot.

L. 9. §. 3. (227).

Lib. 23. Tit. 5. de fundo dot.

L. 16. (271).

Lib. 24. Tit. 1. de don. int. v. et u.

L. 3. §. 12. (222).

L. 6. (593. 710).

* L. 26. pr. (78. 81. 152).

* L. 46. (412. 594. 595. 607).

Lib. 25. Tit. 4. de inspic. ventre.

L. 1. §. 1. (380).

Lib. 25. Tit. 5. si ventr. nom.

L. 1. §. 2. (379. 380).

Lib. 26. Tit. 1. de tutelis.

L. 16. §. 1. (573).

Lib. 26. Tit. 7. de admin. tut.

L. 1. §. 2. (250. 647).

Lib. 26. Tit. 8. de auct. et cons. tutor.

L. 9. pr. (249).

Lib. 27. Tit. 9. de reb. eor. qui sub tut.

L. 3. §. 4. (116. 118).

L. 3. §. 5. (116).

Lib. 28. Tit. 1. qui test. facere poss.

L. 22. (107).

Lib. 30. de legat. I.

L. 44. §. 5. (637).

L. 65. §. 1. (572).

L. 71. §. 5. (118).

L. 71. §. 6. (118).

L. 81. §. 3. (660).

L. 86. §. 4. (658).

Lib. 31 de legat. II.

L. 16 (334)


(756) Quellen-Register.

Lib. 32. de legat. III.

L. 59. (637).

* L. 67. (347).

Lib. 33. Tit. 2. de usu et usufr. leg.

L. 29. (201).

Lib. 35. Tit 2. ad legem Falcid.

L. 46. (688).

Lib. 36. Tit. 1. ad S. C. Trebell.

L. 67. §. 1. (385).

L. 67. §. 2. (385).

Lib. 36. Tit. 4. ut in poss. leg.

L. 5. §. 27. (380).

Lib. 37. Tit. 1. de bon. poss.

L. 1. (107).

L. 3. (107).

L. 3. § 1 (200).

L. 5. (107).

Lib. 37. Tit. 3. de B. P. furioso.

L. 2. (107).

Lib. 37. Tit. 5. de B. P. contra tab.

L. 1. (107).

L. 3. (107).

Lib. 37. Tit. 10. de Carbon. edicto.

L. 6. §. 6. (568).

Lib. 37. Tit. 11. de B. P. secund. tab.

L. 1. (107).

Lib. 37. Tit 15. de obseq.

L. 2. §. 1. (424).

L. 7. §. 2. (424).

Lib. 38. Tit. 6. si tab. test. null.

L. 6. (107).

Lib. 38. Tit. 10. de gradib.

L. 4. §. 2. (72).

* L. 10. §. 13. (334).

Lib. 39 Tit. 1 de oper. nov. nunt.

L. 3. §. 1. (378).

L. 3. §. 2. (378).

L. 5. §. 10. (378. 567. 696. 717).

L. 15. (493. 568).

Lib. 39. Tit. 2. de damno inf.

L. 7. pr. (90. 199. 285).

L. 39. Tit. 2. de damno inf.

L. 15. §. 12. (264. 285. 658).

L. 15. §. 16. (200. 285).

L. 15. §. 17. (200. 285).

L. 18. §. 15. (200. 285. 603. 604).

L. 18. §. 25. (635).

L. 35-37. (697).

L. 38. (245).

L. 45. (493. 568. 661. 696).

Lib. 39. Tit. 5. de donat.

L. 2. (245).

* L. 13. (306).

L. 27. (478. 715).

L. 31. §. 1. (218. 222).

Lib. 40. Tit. 12. de lib. causa.

L. 5. (581).

L. 25. §. 2. (309. 642. 643. 673).

Lib. 41. Tit. 1. de adquir. rer. dom.

L. 3. §. 2. (342).

L. 4. (344).

L. 5. pr. (342).

L. 5. §. 1. (223).

L. 5. §. 4. (344).

L. 5. §. 5. (344).

L. 7. §. 11. (268. 639. 653).

L. 9. §. 5. (244).

L. 9. §. 6. (224).

* L. 10. §. 1. (88).

L. 10. §. fin. (287).

L. 11. (71. 356. 412. 571).

L. 13. pr. (314).

L. 13. §. 1. (317).

L. 19. (127).

* L. 20. §. 2. (34. 312).

* L. 21. pr. (309).

L. 21. §. 1. (243).

L. 23. §. 1. (281).

L. 23. §. 2. (127).

L. 31. §. 1. (229).

L. 37. (663).

* L. 37. §. 6. (306).


(757) Quellen-Register.

Lib. 41. Tit. 1. de adquir. rer. dom.

L. 48. pr. (278. 281).

L. 48. §. 1. (281).

* L. 53. (44. 312. 314. 622. 684).

L. 54. §. 4. (127. 309. 642).

L. 55. (223. 644).

* L. 59. (307).

Lib. 41. Tit. 2. de adquir. possessione.

* L. 1 pr. (99. 139. 561).)

L. 1. §. 1. (71).

L. 1. §. 3. (44. 248. 249. 603. 646. 647).

L. 1. §. 4. (79. 81. 191. 152. 573. 594. 607. 618).

L. 1. §. 5. (308. 310).

L. 1. §. 6. (125. 309. 312. 664).

L. 1. §. 8. (287. 309).

L. 1. §. 9. (306).

L. 1. §. 9-13. (563. 613).

L. 1. §. 10. (306).

L. 1. §. 11. (249. 646).

L. 1. §. 14. (309. 613. 642).

L. 1. §. 15. (70. 299. 309. 566. 664).

* L. 1. §. 19. (306).

* L. 1. §. 20. (256. 317. 563. 573. 603. 670).

* L. 1. §. 21. (212. 217. 222. 224. 250).

L. 1. §. 22. (317. 631).

L. 2. (317).

L. 2. pr. (462).

L. 3. pr. (191. 714).

L. 3. §. 1. (109. 205. 213. 219. 573. 603. 673).

L. 3. §. 2. (263).

* L. 3. §. 3. (71. 90. 231. 235. 236. 239. 242. 267. 561. 603. 645. 679).

* L. 3. §. 5. (102. 175. 676).

* L. 3. §. 6. (330. 331. 355. 371. ff. 679).

Lib. 41. Tit. 2. de adquir. possessione.

* L. 3. §. 7. (351. 371 ff.).

* L. 3. §. 8. (351. 369. 371. 431).

* L. 3. §. 9. (371. 431).

L. 3. §. 10. (309. 613. 643. 675).

L. 3. §. 11. (347. 645).

L. 3. §. 12. (308. 310. 603).

* L. 3. §. 13. (91. 330. 339. 340. 341. 342. 642).

* L. 3. §. 14. (343).

* L. 3. §. 15. (343. 344. 645).

L. 3. §. 16. (344).

L. 3. §. 17. (125).

L. 3. §. 18. (366. 600).

L. 3. §. 19. (84. 597).

L. 3. §. 20. (84. 283. 301. 597).

* L. 3. §. 21. (95).

L. 3. §. 23. (102. 200. 285. 286. 570. 643).

L. 4. (310).

L. 4. §. 18. (435).

L. 6. pr. (181. 452. 453).

L. 6. §. 1. (180. 351. 352. 433. 680. 685).

* L. 7. (351. 352).

* L. 8. (205. 331. 603).

L. 8. §. 3. 5. 6. (463).

L. 9. (283. 362).

L. 10. (284).

* L. 10. pr. (303. 668).

* L. 10. §. 1. (89. 174. 286. 303. 626. 668).

* L. 12. pr. (194. 287).

* L. 12. §. 1. (54. 358. 394).

L. 13. (185. 412. 607).

L. 13. pr. (340. 342. 675).

L. 13. §. 4. (572).

* L. 13. §. 7. (184. 303. 626. 627. 629).

L. 13. §. 9. (184. 629).

L. 13. §. 13. (626. 662).

L. 15. (339. 340. 342. 362. 643).


(758) Quellen-Register.

Lib. 41. Tit. 2. de adquir. possessione.

L. 16. (80. 81).

* L. 17. pr. (180. 627. 628. 630).

* L. 17. §. 1. (184. 330. 355. 372. 609. 660).

L. 18. pr. (109. 319. 596. 597).

L. 18. §. 1. (248).

* L. 18. §. 2. (112. 214. 226).

* L. 18. §. 3. (351. 603).

* L. 18. §. 4. (351).

L. 19. §. 1. (84).

* L. 20. (364).

* L. 21. §. 3. (370).

* L. 22. (325. 665).

L. 23. pr. (324. 325. 572).

L. 23. §. 1. (128).

L. 23. §. 2. (125).

L. 24. (75. 86. 90. 127. 310. 340.

L. 25. pr. (340).

L. 25. §. 1. (283. 369).

* L. 25. §. 2. (351. 677).

* L. 26. (261. 262).

L. 27. (357. 676. 682).

L. 28. (46. 298).

* L. 29. (330. 355. 357. 708).

L. 30. (254).

* L. 30. pr. (228. 651. 653. 654).

L. 30. §. 1. (125).

* L. 30. §. 2. (286).

L. 30. §. 3. (125. 126. 127. 339).

L. 30. §. 4. (125. 268. 339. 355).

L. 30. §. 5. (313. 572. 573. 600. 644. 682).

L. 30. §. 6. (362).

* L. 31. (254. 369).

L. 32. pr. (312).

* L. 32. §. 1. (370).

* L. 32. §. 2. (249. 251. 255. 256. 603).

L. 33. (571. 635).

* L. 34. pr. (355. 571. 573. 594).

L. 34. §. 2. (312).

L. 35. (393. 692).

Lib. 41. Tit. 2. de adquir. possessione.

* L. 36. (297. 299. 304. 611).

* L. 37. (46. 298).

L. 38. pr. (125).

* L. 38. §. 1. (245).

* L. 39. (301. 362).

L. 40. pr. (342. 427).

* L. 40. §. 1. (369. 370).

L. 40. §. 2. (452. 453).

L. 40. §. 3. (453).

* L. 42. §. 1. (316. 669).

L. 44. (581).

* L. 44. pr. (43. 231. 236. 239. 340. 644).

L. 44. §. 1. (310. 679).

* L. 44. §. 2. (330. 369. 370. 676. 679).

L. 46. (350. 673).

L. 46. §. 2. (676).

* L. 47. (341. 342. 366. 643. 676).

* L. 48. (320).

* L. 49. pr. (45. 309).

* L. 49. §. 1. (45. 90. 126. 127).

L. 49. §. 2. (315).

L. 50. pr. (310. 664).

L. 50. §. 1. (309).

L. 51. (218. 305. 313. 642. 643).

* L. 52. pr. (54. 288).

* L. 52. §. 1. (401).

* L. 52. §. 2. (215. 688).

L. 53. (410. 676. 691. 698).

Lib. 41. Tit. 3. de usurp. et usuc.

L. 4. §. 1. (126).

L. 4. §. 2. (646).

L. 4. §. 6. (315).

L. 4. §. 8. (671).

L. 4. §. 12. (326).

L. 4. §. 19. (569).

L. 4. §. 22. (344).

L. 4. §. 26. (326).

L. 4. §. 27. (191. 193. 431. 481. 659).

 


(759) Quellen-Register.

Lib. 41. Tit. 3. de usurp. et usuc.

L. 4. §. 28. (425).

L. 5. (94. 180).

L. 15. pr. (128. 311. 572).

L. 15. §. 1. (342. 643).

* L. 16. (70. 78. 298. 299. 566. 601. 626. 660. 662. 665).

L. 21. (46).

* L. 23. pr. (263. 267. 616. 653. 654).

L. 23. §. 1. (271).

L. 23. §. 2. (268. 625. 627. 653. 654. 665).

* L. 25. (94. 264.).

* L. 26. (264).

L. 30. (651).

* L. 30. §. 1. (268. 270. 271. 654).

L. 30. §. 2. (596. 650).

L. 31. §. 2. (312).

L. 31. §. 3. (310).

L. 31. §. 5. (572).

* L. 32. §. 2. (262).

L. 33. pr. (280).

* L. 33. §. 1. (82. 84. 597. 599).

* L. 33. §. 2. (345).

L. 33. §. 4. (301. 370. 663).

L. 33. §. 5. (294. 299).

L. 33. §. 6. (304. 362).

* L. 37. §. 1. (360).

L. 41. (313. 315).

L. 44. §. 3. (573. 663).

L. 44. §. 4. (126).

L. 44. §. 7. (126. 311. 572).

L. 45. §. 1. (646).

L. 47. (310. 315).

Lib. 41. Tit. 4. pro emtore.

L. 2. §. 6. (266).

L. 2. §. 15. (357).

L. 2. §. 16. (357).

L. 7. pr. (369).

L. 12. (294).

Lib. 41. Tit. 5. pro herede.

* L. 2. §. 1. (71. 84. 100. 598).

L. 2. §. 2. (71. 627).

Lib. 41. Tit. 6. pro donat.

* L. 1. §. 2. (80. 81. 84. 101. 597).

Lib. 41. Tit. 10. pro suo.

L. 4. pr. (453).

Lib. 42. Tit. 2. de confess.

L. 6. §. 2. (378).

Lib. 42. Tit. 4. quib. ex c. in poss.

L. 7. §. 1. (286).

L. 12. (286).

Lib. 42. Tit. 8. quae in fraud. cred.

L. 10. pr. (385).

Lib. 43. Tit. 1. de interd.

* L. 1. §. 3. (48).

L. 2. pr. (403).

L. 2. §. 2. (489).

L. 2. §. 3. (383. 384. 403. 486).

L. 4. (411).

Lib. 43. Tit. 2. quorum bonorum.

L. 2. (689. 708).

Lib. 43. Tit. 3. quod legat.

L. 1. §. 4. (689).

L. 1. §. 8. (193. 689).

L. 1. §. 9. (689).

Lib. 43. Tit. 4. ne vis fiat ei.

L. 1. §. 3. (32).

L. 3. pr. (380).

L. 4. §. 2-4. (635).

Lib. 43. Tit. 5. de tab. exh.

L. 1. pr. (627).

L. 1. §. 1. (380).

L. 3. §. 4. (627).

L. 4. (627)

L. 5. (325).

Lib. 43. Tit. 8. ne quid in loc. publ.

L. 2. §. 38. (43. 581).

Lib. 43. Tit. 9. de loco publ. fruend.

L. 1. pr. (659).

L. 1. §. 3. (659).

 


(760) Quellen-Register.

Lib. 43. Tit. 14. ut in flum. publ.

L. 1. §. 7. (498).

Lib. 43. Tit. 16. de vi.

Rubr. Tit. (421).

L. 1. (424).

L. 1. pr. (444. 449. 450).

L. 1. §. 3. (428. 433).

L. 1. §. 4. (453. 659).

L. 1. §. 5. (433. 499. 658).

* L. 1. §. 6. (418. 433).

L. 1. §. 7. 8. (433).

* L. 1. §. 9. (71. 79. 92. 97. 156. 425. 618. 619).

* L. 1. §. 10. (79. 92. 93. 97. 425. 618).

L. 1. §. 11. (430).

L. 1. §. 12. (430).

L. 1. §. 13. (430).

L. 1. §. 14. (49. 430).

L. 1. §. 15. (49. 430).

L. 1. §. 16. (430).

L. 1. §. 17. (430).

L. 1. §. 18. (430).

L. 1. §. 19. (430).

* L. 1. §. 20. (430).

L. 1. §. 21. (430).

L. 1. §. 22. (283. 368. 521. 594).

L. 1. §. 23. (91. 156. 425).

L. 1. §. 24. (347. 681).

L. 1. §. 25. (347. 361).

L. 1. §. 27. (433. 570. 615).

L. 1. §. 28. (433. 570).

* L. 1. §. 29. (346. 428. 724).

L. 1. §. 30. (449).

L. 1. §. 31. (443).

L. 1. §. 32. (444).

L. 1. §. 33. (444).

L. 1. §. 34. (444).

L. 1. §. 35. (444).

L. 1. §. 36. (444).

L. 1. §. 37. (444).

Lib. 43. Tit. 16. de vi.

L. 1. §. 38. (444).

L. 1. §. 39. (450).

L. 1. §. 40. (444).

L. 1. §. 41. (443).

L. 1. §. 42. (443).

L. 1. §. 43. (424).

L. 1. §. 44. (574).

* L. 1. §. 45. (178. 362. 431).

L. 1. §. 47 (344).

L. 1. §. 48 (430).

L. 2. (430).

L. 3. pr. (49. 424. 430).

L. 3. §. 1. (450).

L. 3. §. 6. (345).

L. 3. §. 7. (346).

L. 3. §. 8. (347).

L. 3. §. 9. (432).

L. 3. §. 10. (430).

L. 3. §. 11. (430).

L. 3. §. 12. (430).

L. 3. §. 13. (478. 713).

L. 3. §. 14. (478. 713).

L. 3. §. 15. (478. 713).

L. 3. §. 16. (478).

L. 3. §. 17. (193. 478. 668).

L. 4. (430).

L. 5. (432. 711).

L. 6. (443).

L. 9. pr. (430).

L. 9. §. 1. (478).

L. 10. (478).

* L. 11. (401. 564).

L. 12. (82. 283. 364. 365).

* L. 14. (450).

L. 15. (443).

* L 16. (431. 443).

* L. 17. (38. 349. 432. 433. 449. 681).

L. 18. pr. (82. 283. 449. 682).

L. 19. (49. 444).

L. 20. (521. 594).


(761) Quellen-Register. pas encore

Lib. 43. Tit. 17. uti possid.

* L. 1. pr. (49. 179. 400. 407. 410. 411. 421. 454).

L. 1. §. 2. (393).

L. 1. §. 3. (336. 393).

L. 1. §. 4. (157. 178. 384. 407).

L. 1. §. 5. (405. 410. 700).

L. 1. §. 7. (650).

L. 1. §. 9. (91. 94. 103. 410. 691. 698).

L. 2. (91. 94. 103. 410. 420. 691. 698).

* L. 3. pr. (179. 181. 405. 454. 691. 698).

L. 3. §. 1. (403).

L. 3. §. 2. (401).

L. 3. §. 3. (401).

L. 3. §. 4. (401. 717).

L. 3. §. 5. (698. 717).

L. 3. §. 6. (716. 717)

* L. 3. §. 7. (290. 499. 603. 656. 658. 663).

L. 3. §. 8. (32. 91. 92. 156. 286).

L. 3. §. 10. (410. 430. 515).

L. 3. §. 11. (409. 571. 676. 692).

L. 4. (477).

Lib. 43. Tit. 18. de superfic.

L. 1. pr. (499. 690).

L. 1. §. 1. (614).

L. 1. §. 2. (499. 658. 659. 690).

L. 1. §. 6. (659).

L. 2. (115. 264).

Lib. 43. Tit. 19. de itin.

L. 1. pr. (482. 486).

L. 1. §. 2. (485).

L. 1. §. 3. (485).

L. 1. §. 6. (480. 485).

L. 1. §. 7. (481. 484).

L. 1. §. 8. (484).

L. 1. §. 9. (485).

L. 1. §. 11. (484. 628).

L. 1. §. 12. (487).

Lib. 43. Tit. 19. de itin.

L. 2. (487).

L. 3. pr. (486).

L. 3. §. 1. (486).

* L. 3. §. 2. (487).

L. 3. §. 3. (486).

L. 3. §. 4. (481. 484).

L. 3. §. 5. (486).

L. 3. §. 6. (485).

L. 3. §. 7. (485).

L. 3. §. 8. (485).

L. 3. §. 9. (485).

L. 3. §. 10. (485. 607).

L. 3. §. 11. (489).

L. 3. §. 13. (489).

L. 3. §. 14. (489).

L. 5. §. 4. (489).

L. 6. (485. 487. 715).

L. 7. (480. 485).

Lib. 43. Tit. 20. de aqua.

L. 1. pr. (491).

L. 1. §. 10. (490. 491).

L. 1. §. 11. (490).

L. 1. §. 12. (490).

L. 1. §. 13. (490).

L. 1. §. 14. (490).

L. 1. §. 19. (490).

L. 1. §. 20. (491).

L. 1. §. 23. (491).

L. 1. §. 24. (490).

L. 1. §. 25. (491).

L. 1. §. 26. (491. 693).

L. 1. §. 27. (491).

L. 1. §. 29. (574).

L. 1. §. 31-36. (490).

L. 1. §. 36. (574).

L. 1. §. 37. (607. 715).

L. 3. pr. (490).

L. 3. §. 6-10. (715).

L. 4. (491).

L. 6. (490).

L. 7. (568. 700).


(762) Quellen-Register.

Lib. 43. Tit. 21. de rivis.

L. 1. §. 9. (491).

L. 3. §. 7. (491).

L. 3. §. 9. (491).

L. 4. (491).

Lib. 43. Tit. 22. de fonte.

L. 1. §. 3. (574).

Lib. 43. Tit. 23. de cloac.

Rubr. Tit. (496).

L. 1. §. 4. (716).

L. 1. §. 6. (716).

* L. 1. §. 7. (447. 496).

Lib. 43. Tit. 24. quod vi.

L. 1. §. 2. (564).

L. 1. §. 5. 6. 7. (400).

L. 8. (268. 653. 654).

L. 8. §. 5. (696).

L. 11. §. 13. (91).

L. 20. pr. (400).

L. 20. §. 1. (400).

Lib. 43. Tit. 26. de precar.

L. 1. §. 1. (595).

L. 1. §. 2. (595).

L. 2. pr. (479. 482).

L. 2. §. 1. (616).

L. 2. §. 2. (460. 616).

* L. 2. §. 3. (193. 459. 460. 479. 482).

L. 3. (482).

L. 4. pr. (461).

L. 4. §. 1. (303).

L. 4. §. 2. (461).

L. 4. §. 3. (46).

L. 5. §. 11. (629).

L. 6. §. 1. (461).

L. 6. §. 2. (156. 283. 287. 303).

L. 6. §. 3. (84).

L. 6. §. 4. (46. 304).

L. 7. (91).

L. 8. §. 1. (715).

L. 8. §. 2. (629. 715).

L. 8. §. 4. (463).

Lib. 43. Tit. 26. de precar.

L. 8. §. 5. (463).

L. 8. §. 6. (463).

L. 8. §. 7. (463).

L. 8. §. 8. (50. 462).

L. 12. pr. (461).

L. 12. §. 1. (461).

L. 13. (461).

L. 14. (460).

L. 15. §. 1. (482).

L. 15. §. 3. (460).

*L. 15. §. 4. (183. 628).

L. 17. (410).

* L. 19. pr. (175).

L. 19. §. 2. (460. 708. 710).

L. 22. pr. (46. 303).

L. 22. §. 1. (460. 594. 646. 648).

L. 32. §. 1. (648).

Lib. 43. Tit. 30. de lib. exhib.

L. 1. pr. (627).

L. 3. §. 3. (379).

Lib. 43. Tit. 31. utrubi.

L. 1. pr. (400. 411. 412. 419. 421. 625).

L. 1. §. 1. (412. 420. 421).

L. unica. (626).

Lib. 43. Tit. 32. de migr.

L. 1. §. 2. (380).

Lib. 44. Tit. 2. de except. rei iud.

L. 14. §. 2. (659).

Lib. 44. Tit. 3 de div. temp. praescr.

L. 11. (462).

L. 14. §. 3. (412. 665).

Lib. 44. Tit. 4. de doli except.

L. 2. §. 5. (694).

L. 4. §. 28. (662).

L. 4. 31. (715).

Lib. 44. Tit. 7. de O. et A.

* Rubr. Tit. (50).

L. 16. (299. 304. 310).

L. 28. (107).

* L. 35. pr. (49).

 


(763) Quellen-Register.

Lib. 44. Tit. 7. de O et A.

L. 37. §. 1. (403).

L. 44. §. 1. (263. 264).

Lib. 45. Tit. 1. de V. O.

* L. 38. §. 7. (71. 86. 100).

* L. 38. §. 8. (86).

L. 75. §. 7. (708).

Lib. 46. Tit. 3. de solut.

L. 79. (217).

L. 95. §. 4. (103).

L. 96. pr. (385).

L. 98. §. 8. (263. 264).

Lib. 46. Tit. 4. de acceptil.

* L. 18. §. 1. (90).

Lib. 47. Tit. 2. de furt.

* L. 1. §. 2. (365. 600).

L. 1. §. 3. (571).

L. 12. §. 1. (65. 445).

L. 14. §. 11. (460).

L. 15. §. 1. (65).

L. 15. §. 2. (99).

L. 17. §. 3. (642).

L. 20. §. 1. (65. 571).

L. 25. pr. (711).

L. 25. §. 1. (709. 711).

L. 43. §. 1. (306).

L. 46. §. 3. (65).

L. 48. §. 5. (280. 569).

L. 48. §. 6. (569).

L. 53. §. 4. (434).

L. 54. §. 1. (363).

L. 59. (99).

L. 61. §. 8. (571).

L. 66. pr. (65. 571).

L. 67. (685).

* L. 67. pr. (365. 600).

L. 71. (325).

* L. 71. §. 1. (65. 434. 445).

L. 73. (325).

L. 76. §. 1. (65).

L. 80. §. 1. (571).

Lib. 47. Tit. 3. de tign. iunct.

L. 1. §. 1. (271).

L. 1. §. 2. (270).

L. 2. (654).

Lib. 47. Tit. 4. si is qui test. lib.

L. 1. §. 15. (248. 324. 571. 572).

L. 2. §. 18. (434).

* L. 2. §. 22. (115. 434).

L. 2. §. 23. (434).

* L. 2. §. 24. (434).

Lib. 47. Tit. 9. de incend.

* L. 7. (43. 105).

Lib. 47. Tit. 10. de iniur.

L. 5. pr. (73).

L. 5. §. 2-5. (228).

L. 13. §. 7. (498. 564).

Lib. 48. Tit. 4. ad L. Jul. mai.

L. 8. (77).

Lib. 48. Tit. 5. ad L. Jul. de adult.

L. 22. §. 2. (228).

L. 23. §. 3. (228).

Lib. 48. Tit. 6. ad L. Jul. de vi publ.

L. 5. §. 1. (43).

Lib. 48. Tit. 7. ad L. Jul. de vi priv.

L. 7. (437).

Lib. 49. Tit. 15. de captiv.

L. 12. §. 2. (311. 572. 581. 708).

L. 22. §. 3. (311. 572).

L. 29. (310. 311. 572).

L. 44. §. 7. (572).

Lib. 50. Tit. 9. de decret. ab ord. fac.

L. 1. (105).

Lib. 50. Tit. 16. de V. S.

L. 13. §. 2. (326).

L. 49. (445).

L. 63. (627).

L. 78. (104).

* L. 86. (497).

* L. 115. (201).

L. 143. (630).

L. 156. (412).

L. 178. §. 2. (107).


(764) Quellen-Register.

Lib. 50. Tit. 17. de R. I.

L. 1. (597).

L. 5. (250).

L. 15. (628. 630)

* L. 23. (460. 463).

L. 38. (49).

L. 44. (49).

L. 73. §. 2. (400).

L. 87. (77).

L. 93. (126. 617).

L. 118. (127).

L. 133. (642).

L. 153. (205. 331. 673. 692).

L. 198. (325).

C. Codex.

Lib. 2. Tit. 3. de pactis.

L. 28. (721).

Lib. 3. Tit. 19. ubi in rem act.

* L. 2. (44).

Lib. 3. Tit. 39. fin. reg.

L. 4. (437).

Lib. 4. Tit. 17. ex delict. def.

L. unica (49).

Lib. 4. Tit. 19. de probat.

L. 16. (389. 390).

Lib. 4. Tit. 49. de act. emt.

L. 17. (380).

Lib. 4. Tit. 65. de loc. et cond.

L. 23. (597).

Lib. 4. Tit. 66. de iur. emphyt.

L. 1. (117. 118).

L. 2. (118).

L. 3. (118).

Lib. 5. Tit. 41. de praed. et al. reb. minor.

L. 13. (116).

Lib. 7. Tit. 16. de lib. caus.

L. 5. (43).

Lib. 7. Tit. 32. de possess.

* L. 1. (314. 315).

Lib. 7. Tit. 32. de possess.

L. 2. (91).

L. 3. (253. 254. 318. 603. 648. 649).

L. 4. (630. 679).

L. 5. (571. 596. 597).

* L. 8. (34. 312).

* L. 10. (44. 141. 193. 618).

L. 11. (430).

L. 12. (372. 470. 686. 687).

Lib. 8. Tit. 1. de interdictis.

L. 3. (692).

Lib. 8. Tit. 4. unde vi.

L. 1. (37. 570).

L. 2. (450).

L. 4. (444).

* L. 5. (467).

L. 7. (437).

* L. 8. (468).

L. 9. (446).

L. 10. (437).

* L. 11. (467. 468-470).

Lib. 8. Tit. 5. si per vim.

Rubr. Tit. (470).

L. 1. (157. 451. 469).

Lib. 8. Tit. 6. uti possidetis.

L. unica (409. 568. 695).

Lib. 8. Tit. 9. de precar.

L. 2. (462).

Lib. 8. Tit. 14. de pignoribus.

L. 3. (664).

Lib. 8. Tit. 17. quae res pignori.

L. 2. (637).

Lib. 8. Tit. 22. de praet. pign. L. 2. (664.)

L. 2. (664).

Lib. 8. Tit. 26. de remiss. pign.

L. 7. (637).

Lib. 8. Tit. 54. de donationibus.

* L. 1. (220. 562).

L. 26. (249. 317. 647. 649).

L. 33. (637).

 


(765) Quellen-Register.

Lib. 8. Tit. 55. de donation. quae sub modo.

L. 2. (649).

Lib. 11. Tit. 61. de fund. patrim.

L. 12. (118).

Lib. 11. Tit. 62. de mancip. et col.

L. 2. (118).

Lib. 12. Tit. 2. de praetorib. L. 1. (638).

 

III. Nachjustinianische Rechtsquellen.

A. Corpus iuris canonici.

1. Decretum Gratiani.

c. 3. C. 2. q. 2. (512).

c. 4. C. 2. q. 2. (509).

c. 5. C. 2. q. 2. (509).

c. 6. C. 2. q. 2. (509).

c. 1. C. 3. q. 1. (509).

c. 2. C. 3. q. 1. (509).

* c. 3. C. 3. q. 1. (510-515. 516).

c. 4. C. 3. q. 1. (509).

2. Decretales Gregorii IX.

Lib. 1. Tit. 6. de electione.

c. 24. (720).

Lib. 2. Tit. 10. de ord. cogn.

c. 2. 4. (517).

Lib. 2. Tit. 13. de rest. spol.

c. 8. (507).

Lib. 2. Tit. 13. de rest. spol.

c. 10. (507. 508).

c. 13. (507. 508).

c. 14. (720).

* c. 18. (515. 516).

Lib. 2. Tit. 19. de probat.

* c. 9. (187. 391. 515. 529. 531).

3. Liber Sextus Decretalium.

Lib. 2. Tit. 5. de rest. spol.

* c. 1. (516).

c. 2. (506).

B. Deutsche Reichsgesetze.

Ord. Cam. P. 2. Tit. 21. §. 3. (525).

Conc. Ord. Cam. P. 2. Tit. 22. §. 4. 5. (525).