(1) Project

des

Corporis Juris

Fridericiani

das ist

Sr. Königl. Majestät in Preussen

in der Vernunft und Landes-Verfassungen

gegründete

Land-Recht

worinn

das Römische Recht in eine natürliche Ordnung, und richtiges Systema, nach denen dreyen Objectis Juris gebracht:

Die General-Principia, welche in der Vernunft gegründet seyn, bey einem jedem Objecto festgesetzet, und die nöthige Conclusiones, als so viel Gesetze, daraus deducirt:

Alle Subtilitaeten und Fictiones, nicht weniger was auf den Teutschen Statum nicht applicable ist, ausgelassen:

Alle zweifelhafte Jura, welche in denen Römischen Gesetzen vorkommen, oder von denen Doctoribus gemacht worden, decidirt, und solcherstalt Ein Jus certum und universale in allen Dero Provintzen statuirt wird.

Halle,

In Verlegung des Waysenhauses. Anno 1749.

Mit allergnädigsten Privilegiis.


(2) Avertissement.

Dieser erste Theil soll auf Sr. Königl. Majest. Befehl nicht höher als um zehn gute Groschen verkauft werden.


(3) Vorrede.

an den Leser.

Es haben Se. Königl. Majestät durch Dero glücklichen, in dem Codice Fridericiano ausgeführten Plan, Dero gerechte Intention zwar in so weit erhalten, daß nicht allein ein vollständiger Modus Procedendi darinn vorgeschrieben worden, sondern auch nach demselben alle Processe, à die litis contestatae, in einem Jahr würcklich in Dero Justitz-Collegiis geendiget werden.

Es seyn aber dadurch die Processe nicht vermindert, sondern vielmehr (weil die klagende Parteyen nunmehr schleuniges Recht, ohne grosse Kosten erhalten) vermehret worden. Dahero Se. Königl. Majestät, nach Dero erleuchtem Einsehen, nöthig gefunden die Source, woraus die viele Processe entstehen, zu untersuchen und zu stopfen.

§. 1.

Die Vernunft und Erfahrung lehren uns, daß die viele Processe hauptsächlich daher entspringen, wann kein gewisses Recht vorhanden ist, woraus alle vorfallende Casus aus gewissen festgesetzten Principiis decidirt werden können und müssen.

§. 2.

Nun ist aber billig zu verwundern, daß so wenig in dem alten Römischen Reich, (welches wegen seiner grossen Thaten und Wissenschaften so sehr, und nicht ohne Grund, gerühmt wird) als unter denen teutschen Käysern (!) jemahlen ein gewisses Recht, das ist ein solches Systema und Corpus Juris verfertiget und publicirt worden, worinn das gantze Recht in einer vernünftigen Ordnung tractirt, die General-Principia bey einer jeden Materie voraus gesetzet, und richtige Conclusiones daraus formirt worden.

§. 3.

Dieses ist gewiß, daß zu denen Zeiten derer ersten Römischen Könige kein gewisses Recht gewesen sey, weil derer blosse Wille vor ein Gesetz gehalten worden: (a) welche Arbitria der Papirius in ein Volumen colligirt hat. (b)

§. 4.

Unter der, nach Abgang derer Könige, etablirten Republic haben die Römer alle Gesetze der Könige aufgehoben, und ist dieselbe 20 Jahre lang ohne Gesetze geblieben. (c) Nachher haben die Römer zwölff Tafeln von Gesetzen aus Griechenland abholen lassen; weil aber diese wenige Gesetze nicht zureichend waren ein allgemeines Recht zu constituiren, so hat man denen Duumviris, und nachher dem Collegio Pontificum, die Interpretation dieser Gesetze verstattet, und wurde alle Jahr einer aus diesem Collegio deputirt, welcher denen streitenden Partheyen an die

 

(a) Initio civitatis nostrae populus sine certa lege sine jure certo agere instituit, omniaque manu a regibus gubernabantur l. 2. §. 1. Orig. jur.

(b) D. l. 2. §. 2.

(c) Dict. l. 2. §. 3.


(4) Vorrede.

Hand geben muste, wie sie ihre Actiones anstellen solten, welche Verfassung an die 100. Jahr gewähret hat. (d)

Zu gleicher Zeit haben sich viele Privati, welche eine Erfahrung in denen Rechts-Sachen erlanget hatten, aufgeworfen, welche die Gesetze interpretirt, und auf Verlangen derer Partheyen de Jure respondirt, das ist, ihnen Rath gegeben, und ihre Processe instruirt haben.

Unterdessen wurden bey einem jeden neuen Negotio auch neue Gesetze gemacht: Diejenige die der Senatus approbante populo machte, wurden in specie Leges genannt; die Aediles verfertigten Aedilitia edicta; das gemeine Volck machte Plebiscita; und die Praetores publicirten ihre Edicta praetoria. (e)

§. 5.

Aus dieser unzehligen Menge von allerhand Gesetzen hat nichts anders als eine greuliche Ungewißheit derer Rechte erfolgen können: daher der bekannte Cicero auf die Gedancken gerathen, diese unzählige Menge derer Gesetze in ein vernünftiges und ordentliches Systema zu bringen. (f) Es wird auch dessen Vorschlag, de jure civili in artem redigendo, von dem Gellio allegirt. (g) Es ist aber die Sache nicht zum Stande gekommen.

§. 6.

Unter denen Kaysern hat Julius Caesar diese Confusion sehr wohl eingesehen, und insonderheit angemercket, daß die Responsa prudentum (welche als so viele Oracula vorhin angesehen worden) die gröste Ursache dieser Unrichtigkeit seyen, weil jedermann de jure zu respondiren anfinge, (h) daher hat er allen Privatis die Macht de jure zu respondiren verboten, welchen Umstand Uns Cicero an die Hand gibt. (i)

Dahingegen ist er bedacht gewesen die zerstreuete Römische Gesetze in Ordnung zu bringen, und ein kurtzes und vollständiges General-Systema daraus zu verfertigen. Er ist aber durch seinen frühzeitigen Tod daran verhindert worden. (k)

Es erhellet hieraus daß der gute Cicero mit dem größten Unrecht den Julium Caesarem blamire, daß er diese Pest der Republic aufgehoben, und dergleichen Privat-Interpretationes verbothen habe. dict. lit. i.

 

d) D. l. 2. §. 4. & 5.

(e) L. 2. §. 2. seq. de orig. jur.

(f) Cic. l. 1. de orat. c. 17. Si aut mihi facere licuerit quod jam diu cogito, aut alius quispiam, me impedito, occuparit, aut mortuo effecerit, ut primo omne jus civile in genera digerat quae perpauca sunt. Deinde eorum generum quasi quaedam membra dispertiat, tum propriam cujusque vim definitione declaret: perfectam artem juris habebitis, magis magnam atque uberam quam difficilem & obscuram.

(g) Lib. 1. Noct. Att. c. 22.

(h) Ante Augusti tempora publice respondendi jus non a Principibus dabatur, sed qui fiduciam studiorum suorum habebant consulentibus respondebant &c. l. 2. §. 47. orig. jur.

(i) Nachdem Cicero praemittirt hatte, daß die interpretatio juris ehmahls in größtem Werth gehalten worden, daß die Vornehmste in Rom durch ihre Consilia und Weisheit viel Ehre und Reichthum erworben hätten, so fährt er also fort: Nunc ut honores, ut omnis dignitatis gradus, sic hujus scientiae splendor deletus est, idque eo indignius, cum is esset qui omnes superiores, quibus honore par esset, scientia facile vicisset. de offic. l. 2. p. m. 562.

(k) Jus civile ad certum modum redigere atque ex immensa diffusaque legum copia optima quaeque & necessaria in paucissimos libros conferre voluit. Suet. in Jul. Caes. c. 44.


(5) Vorrede.

§. 7.

Unter denen folgenden Kaysern ist die Ungewissheit derer Rechte sehr vermehrt worden. Augustus wurde genöthiget denen Rechtsgelahrten die vorige Freyheit de jure zu respondiren wieder einzuräumen: weil keine General-Regul vorhanden war, woraus die Unterthanen hätten lernen können, ob die Sache recht oder unrecht sey; auch was sie vor eine Action, und wie sie solche instituiren solten.

Es brauchte aber Augustus die Vorsichtigkeit, und restringirte die Macht de jure zu respondiren auf gewisse bekannte, gelahrte, und erfahrne Männer, welche von denen Kaysern authorisirt und confirmirt wurden. (l)

§. 8.

Unterdessen verfertigte der Senat, welchem man einen Schatten einer Republic überliesse, täglich neue Leges. Demselben folgte eine Sündfluth von Constitutionibus imperatorum, worvon Hermogenes und Gregorius zwey Volumina gesammlet haben; Es continuirten auch die responsa prudentum, welche gleichfals als so viele Gesetze angesehen wurden. Daher unter denen ersten Kaysern der Ungewißheit derer Rechte so wenig abgeholfen worden, daß vielmehr durch eine solche Menge von Particulier-Gesetzen sich kein Mensch eine Idée von einem Systemate juris prudentiae machen konnte.

§. 9.

Hadrianus wollte diesem Unwesen abhelfen, und ließ durch den gelahrten Salvium Julianum NB. alle Edicta Praetorum (welche wegen ihrer Billigkeit jederzeit in grossem Werth gehalten wurden) in ein Volumen sammlen, und unter gewisse Bücher und Titul bringen, und nannte solches Edictum perpetuum. (m)

Weil aber dieses (1) eine blosse Collection sothaner Edicten war, und (2) Keine vernünftige Ordnung in denen Büchern und Tituln gehalten, folglich die Materien durch einander geworfen, (3) keine Principia generalia bey einer jeden Materie festgesetzt worden, überdem (4) alle vorige Leges, Edicta, SCta, Responsa prudentum, Constitutiones imperatorum, ihre völlige Rechts-Kraft behielten (et)c. so ist auch dadurch der Ungewißheit des Rechts nicht abgeholfen worden.

§. 10.

Nachdem Hadrianus verstorben, verfiel die Justitz in eine noch grössere Ungewißheit: weil die folgende Rechts-Gelahrte (worunter sich unter andern Pomponius, Callistratus, Paulus, Ulpianus, Cajus distinguirt) anfingen Commentarios über dieses confuse Edictum perpetuum zu schreiben, welche nach ihrem Gefallen sothanes Edictum explicirten, limitirten, amplificirten, und Exceptiones formirten, überdem unter sich nicht einig waren: daher die Decisiones causarum mehrentheils von dem Arbitrio derer Richter dependirten.

§. 11.

Thedodosius Junior grif die Sache auf eine andre Art an, welche aber von allen vernünftigen Menschen als lächerlich angesehen worden.

 

(l) Primus divus Augustus ut major juris authoritas haberetur constituit ut ex ejus autoritate responderent. l. 2. §. 47. orig. jur.

(m) Justinian. in liter. ad Senat. de confirmatione Digestorum §. 18.


(6) Vorrede.

Dieser Kayser legte per Edictum nur einigen Büchern der alten Rechtsgelahrten vim legis bey, und befohle, daß die Bücher des Ulpiani, Pauli, Caji, Papiniani, vim legis haben, wann sie dissentiren majora gelten, des Pauli Sententzen aber allen vorgehen solten. (n) Eben dieser Theodosius colligirte alle Constitutiones derer Christlichen Kaysere, vertheilte sie in verschiedene Bücher und Titul, und wurde dieser Codex Theodosianus lange Zeit im Orient im grossem Werth gehalten, welches Buch der gelehrte Gothofredus mit Noten herausgegeben hat.

§. 12.

Es war aber dieses gewiß kein Modus ein Jus Certum zu constituiren: Die angeführte Bücher formirten kein ordentliches Systema, vielweniger seyn Principia generalia darinn festgesetzet worden, woraus singuli Casus hätten decidirt werden können; Es war eine greuliche Mühe alle diese Bücher bey jedem Casu durchzublättern, und die Majora daraus zu formiren.

Was den Codicem Theodosii angelangt, so bestunde derselbe in einer Collection von Kayserlichen Constitutionen, wordurch lauter Casus singulares decidirt worden, da dann alle die Mängel die bey dem Edicto perpetuo vorkommen auch hier statt finden.

§. 13.

Es ist also die Ungewißheit derer Rechte ohnstreitig bis auf den Justinianum geblieben: Daher dieser nicht ohne Grund soutenirt hat, daß das Römische Recht (= Reich) von seinem Anfang her bis auf seine Zeit, folglich in 1300. Jahren, kein gewisses Recht gehabt habe. (o)

§. 14.

Der Kayser Justinianus hat sich am allermeisten die Reforme der Justitz angelegen seyn lassen.

Er hat 1.) alle Constitutiones derer Römischen Kayser aus denen dreyen Codicibus, Gregorii, Hermogenis und Theodosii aussuchen, und nebst seinen eigenen Constitutionen in ein Volumen bringen, auch solches unter dem Titul D. Justiniani Codex repetitiae (!) praelectionis und Liber constitutionum novellarum publiciren lassen.

Weil aber diese Constitutiones lauter Casus particulares decidirten, folglich nicht zureichten ein allgemeines Recht zu constituiren, so hat er einen Auszug aus denen Schriften derer alten Rechtsgelahrten (deren er 2000. Volumina angiebt) (p) verfertigen, und diese Extracte in 51 (= 50). Bücher unter besondere Titul bringen lassen; welches Volumen er Digesta, oder Pandecten nennet, weil alle Capita der Rechtsgelartheit darinn digerirt und enthalten seyn.

Nun kann nicht geläugnet werden, daß in diesem Buch ein unsäglicher Schatz enthalten, weil in der That aller Vorrath, welcher zu

 

(n) Vid. Cod. Theod. Lib. 1. tit. 4.

(o) Etenim mirabile erat, omnem Romanam sanctionem, a condita veteri Roma usque ad nostri imperii tempora, quae pene in 1300 annos concurrunt, non solum secum in variis suis partibus, sed & imperialibus praesertim sanctionibus, inter omnem nutare consonantiam pariter ac discordiam. Epist. Justin. ad magn. Senat. in pr.

(p) Justin. ep. ad Senat. de Confirm. Digest. pr.


(7) Vorrede.

einem Universal-Recht erfodert wird, darinn begriffen ist; und welcher in desto grösserm Wehrt (!) zu halten, weil die alte JCti die ihnen vorgelegte Casus, da ihnen keine General-Principia vorgeschrieben waren, aus der natürlichen Vernunft decidiren müssen: Dahero wohl gesagt werden kann, daß das gantze Recht der Natur, so viel es die bürgerliche Societaet angehet, in dieser Compilation begriffen sey.

§. 15.

Unterdessen ist gleichwohl die Justitz niemahls ungewisser als nach dieser Einrichtung gewesen. Wann der Kayser Justinianus, an statt der Extracte, ein rechtes Systema formiert, die Materien nach denen dreyen Objectis juris in einer natürlichen Ordnung (wie er in seinen Institutionibus gethan) gebracht, und die General-Principia bey einer jeden Materie vorausgesetzet hätte; so würde man sich eine Idée von der Jurisprudentz haben formiren, und Hofnung machen können ein ewiges und gewisses Recht zu erlangen.

Weil aber alle Mängel, welche vorher bey der Justitz vorgekommen, geblieben, so ist auch die Ungewißheit derer Rechte continuirt worden.

Dann der Augenschein gibt, daß die Compilatores des sogenannten Corporis Juris (1) kein Systema formirt, (2) keine General-Principia vorausgesetzet, noch (3) die daraus folgende Conclusiones in ihrer natürlichen Suite daraus deducirt, sondern (4) bloß kurtze Auszüge aus 2000. Büchern verfertiget, welche (5) nicht allein öfters abgebrochen, und verstümmelt extrahirt worden, sondern auch (6) sich zum Theil contrair seyn. Sie haben ferner und (7) die Materien ohne alle Ordnung und Suite durch einander geworfen, (8) die Bücher und Titul dieses Corporis Juris auf eine so confuse Art rangirt, daß ohnmöglich ist, sich eine vernünftige Idée von einem General-Recht daraus zu formiren; insonderheit weil sie (9) diejenige Titul, so blos zum Process gehören, eingeflickt, und die Materias Juris dadurch unterbrochen haben. Daher man alle diese Extracte von Wort zu Wort auswendig lernen, und durch eine glückliche Memorie sich eines jeden Legis und Paragraphi bey einem jeden Process erinnern muste, wann man mit Grund eine Sache decidiren wolte.

§. 16.

Es wird also nicht unbillig unter die Griechische Rodomontaden gerechnet, wann dieser Käyser in seinem Schreiben an den Senat anführet, daß er etwas entreprenirt habe welches die vorige Kayser zwar gedacht, aber niemahlen zum Effect bringen; Und welches niemand einmahl hat hoffen oder wünschen können; ja welches die gantze Welt vor unmöglich gehalten; und über allen menschlichen Verstand zu zu gehen scheine. (q) Gleichsam als ob es ein so grosses Werck sey, in 3.

 

(q) Leges antiquas jam Senio praegravatas per nostram vigilantiam praebuit in novam pulchritudinem & moderatum pervenire compendium, quod nemo ante nostrum imperium unquam speravit, neque humano ingenio possibile esse penitus existimavit. Epist. Justin. ad Senat. de Confirm. Dig. pr.

Hoc opere in uno volumine coadunato omnem Romanam sanctionem, & colligere & emendare, & tot auctorum dispersa volumina uno codice indita ostendere,


(8) Vorrede.

Jahren durch 5. oder 6. Rechtsgelahrten einen Extract aus 2000 Büchern machen zu lassen.

Dieses ist gewiß, daß aus eben diesen vorhin angeführten Ursachen bey einigen Nationen dieses Corpus Juris so verhaßt gewesen, daß bey Lebens-Straffe verbothen worden das Jus Romanum zu allegiren, wie solches von Spanien, Schweden und Dännemarck die Geschichtschreiber bey dem Ludwig in different. jus Rom. & Germ. Op. 1. in Introitu §. 3. bezeugen.

§. 17.

Gleichwie also ausser allem Streit ist, daß bey denen Römern niemals ein gewisses Recht gewesen, also kann man mit mehrem Recht sagen, daß auch in dem Teutschen Reich niemalen ein Jus certum bis auf den heutigen Tag gewesen sey.

§. 18.

Dann ehe und bevor das Römische Recht in Teutschland eingeschlichen (welches in dem 13. Seculo geschehen) hat zwar ein jedes Volck seine Gesetze gehabt, welche der Lindenbrogius, Goldastus, Baluzius & c. gesammlet haben, und wovon in dem Sachsen- und Schwaben-Spiegel vestigia vorhanden seyn.

Es waren aber alle diese Gesetze, wie der Augenschein zeiget, kurz, und exhaurirten die wenigsten Materias Juris: Sie formirten kein Systema, und setzten keine Principia generalia. Dahero nothwendig folgen muste, daß, da die principia generalia fehlten, und wenig Gesetze vorhanden waren, die meiste Sachen dem arbitrio judicis musten uberlassen werden.

§. 19.

Nachdem aber das Römische Recht in Italien aufgefunden, daselbst wegen der Menge und Billigkeit derer meisten Gesetze öffentlich docirt, und nachhero aus eben der Ursache in dem Ende des 13ten und Anfang des 14. Séculi in Teutschland nach und nach eingeführt wurde, so fingen die auf denen Universitaeten creirte Doctores an sich in alle Gerichte, entweder als Richter, oder als Advocaten einzuschleichen, und die Processe nach Anleitung des Juris Romani zu instruiren: wordurch dann Teutschland, nachdem es bishero nur ein jus incertum gehabt, nunmehro zwey Jura aeque incerta erhalten:

Welchen in Mitten des dreyzehnden Seculi das dritte Recht beygefügt worden, nemlich die Decreta des Pabst Gregorii, oder das heutige Jus Canonicum: (*) da nun keines von allen diesen recipirten Rechten gewisse General-Principia hatte, vielmehr alle unter sich collidirten, so wurde denen Advocaten Thür und Thore dadurch eröfnet die Rechte zu verdrehen, denen Richtern aber freye Hände gelassen nach ihrem Gefallen Recht zu sprechen, und solchergestalt die Unterthanen ums Geld zu bringen.

§. 20.

Dahero ist der Kayser Fridericus III. nachdem das Römische

 

quod nemo alius neque sperare neque optare ausus est, res quidem nobis difficillima imo magis impossibilis videbatur. Vid. Justin. liter ad Tridon. de Confirm. Digest.

Veterum legum renovationis opus ad optatum finem perduximus, quod nemo principum ante nostrum imperium aut in mentem induci posse aut humano generi possibile esse existimavit. Vid. Justin. Epist. ad Magn. Senat. pr.

(*) Conr. de orig. jur. Germ. c. 26. § 156.


(9) Vorrede.

Recht kaum 50. Jahr in Teutschland eingeführt war, (r) bewogen worden, solches durch einen öffentlichen Reichs-Schluß Anno 1441. auf gewisse Art abzuschaffen, und 1. bloß gewissen Doctoribus juris, welche auf denen in Teutschland erigirten Academien darzu bestellet waren, die Macht de jure zu respondiren, (NB. jedoch nur nach denen recipirten und approbirten Rechten,) (s) verliehen: hingegen 2. allen andern Privat-Doctoren verboten in denen Gerichten zu sitzen, oder Informationes zu ertheilen: hauptsächlich aber und 3. hat er alle Advocaten abgeschaft, weil sie nach ihrem Gefallen die Gesetze verdreheten, und beyde Theile dadurch ruinirten. (t)

§. 21.

Es ist leicht zu erachten, daß durch diesen Reichs-Schluß das Recht in Teutschland in keine grössere Gewißheit als vorher gesetzt worden: die Mängel des Corporis Juris Romani, wie auch die Collision der Teutschen und Römischen Gesetze subsistirten nach wie vor; die auf denen Universitaeten docirende Doctores und Richter solten judiciren was vor Leges approbirt worden, oder nicht: (et)c. Es bliebe also das gantze Recht arbitrarium.

Es hat auch diese Einrichtung nicht lange gewähret, weil des Friderici Sohn, der Kayser Maximilianus mit dem Cammer-Gericht zugleich das Römische Recht als ein Kayserliches beschriebenes allgemeines Recht auf dem Reichs-Tag de Anno 1495. und 1500. eingeführt hat.

§. 22.

Es würde diese incertitudo juris noch leidlich gewesen seyn, wann nach des Justiniani ausdrücklichem Verbot keine Commentaria über dieses Corpus juris wären verfertiget worden, (u) weil sich

 

(r) Vid. infr. lit. t. in fin.

(s) Alle Kayserliche Rechte so bisher im Römischen Reich Teutscher Nation gebraucht, sollen tod und ab seyn: allein die so durch Rechts-Verständige mit lauter Grund und Wahrheit ohne arge List rechtlich erkandt seyn, sollen gehalten und bestätiget werden R. J. de ao. 1441. art. 7. Bey allen Universitaeten die bey dem Römischen Reich zugelassen werden, darauf man Lehrer und Doctores derer Rechte machet, sollen drey Doctores in Rechten gehalten werden, die der Rechte, so mit wahrem Grund bestätiget und zugelassen seyn sollen warten, auch dieselbe, und nichts anders in Rechten lesen und lernen, und sich auch nicht anderweitig führen lassen, oder davon dringen, dann wie es im Reich geordnet und bestätiget wird. Vid. declar. ad art. 5. dict. R. J. apud Gold. Reichs-Satzungen pag. 171. und ad art. 7. Man mag sich auch an allen Gerichten der Kayserlichen Rechte gebrauchen, die mit rechtmäßigen wahren Grund angezeigt und zugelassen seyn.

(t) Alle Doctores der Rechten, sie seyen geistlich oder weltlich, in H. Römischen Reich Teutscher Nation sollen nach laut der fürgenommenen Reformation an keinem Gericht, bey keinen Rechten, auch in keines Fürsten oder andere Räthen mehr gelitten werden, sondern gantz abgethan seyn. Sie sollen auch fürbaß hin, vor Gericht oder Recht nicht weiter reden, schreiben oder Rath geben: Sintemahlen GOtt den Menschen mit seiner Vernunft begnadiget und versehen, so mag er in der fürgenommen neuen Ordnung seines Rechtes selber wohl warten. R. I. 1441. Art. 5. Und in der Declaration ad art. 7. daß im gantzen Römischen Reich Teutscher Nation keine Doctores vor keinen Rechten weder reden, procuriren, oder weiter procediren sollen, in Schriften oder andern Rathschlägen, sondern aller weltlichen Rechte müßig stehen, darum daß sie Stief-Väter und nicht die rechte Erben des Rechten seyn; dann sie nehmen ihnen den Grund der Wahrheit, und bringen durch ihren unordentlichen Geitz das Recht zu einem solchen Unglauben, daß kein frommer Mann sein Vertrauen darein mehr setzen mag. NB. das hat eure verkehrte Lehre inner funfzig Jahren zu wege gebracht, wo ist es vorhin erhört worden. apud Gold. Reichs-Satz. fol. 171. in fine.

(u) Ut nemo neque eorum qui in praesenti juris peritiam habent, neque postea fuerint, audeat commentarios eisdem legibus annectere: &c. legum enim interpretationes,


(10) Vorrede.

die Advocaten und Richter eintzig und allein auf die Leges würden gelegt, deren wahren Sinn ergründet, und die rationem legis mit mehrem Grund untersucht haben.

Nachdem sich aber in Italien, Franckreich, Spanien, insonderheit aber Teutschland, eine Menge von Commentatoren hervor gethan, welche durch täglich erfundene neue Limitationes, Exceptiones, Ampliationes keinen einigen Legem überliessen, welcher denen Advocaten nicht eine Echappade an die Hand geben konte; so fingen die Advocaten an keine Leges, sondern Doctores zu allegiren. Die Richter examinirten nicht mehr die Leges und deren Rationes, sondern sie wehlten diejenige Meynung, welche von denen meisten Doctoren approbirt, und daher Opiniones Communes genannt wurden.

Nachdem aber die Zahl derer Commentatorum sich so sehr gehäufet, daß in allen Casibus dubiis so viele Affirmantes als Negantes allegirt werden konten, und daher die Advocaten Communes opiniones contra communiones allegirten, so muste nothwendig folgen, daß bey solchen Umständen, da der Richter wehlen konte welchen Doctoren er beytreten wollte, das gantze jus arbitrarium bliebe. Und ist der Misbrauch so weit gestiegen, daß, wann ein Advocat ein Responsum Juris vor sich hatte, er und seine Partey in keine Kosten condemnirt werden konte.

§. 23.

In dieser unglücklichen Situation nun stehet die Verfassung der Justitz in Teutschland noch bis auf den heutigen Tag.

Es subsistiren 1) alle gegen die confuse Compilation des Römischen Corporis juris oben §. 15. angeführte Mängel.

Es subsistirt (2) die Unordnung, welche aus denen verschiedenen Interpretationen derer Glossatorum, und aus denen täglich sich vermehrenden Responsis und Decisionibus derer Rechtsgelahrten, nothwendig folgen, und das Recht arbitrarium machen muß.

Es subsistirt (3) die Collision zwischen dem Jure Romano und

 

imo magis perversiones, eos jactare non concedimus, ne verbositas eorum aliquid nostris legibus afferat ex confusione dedecus: quod & in antiquis edicti perpetui commentatoribus factum est, qui opus moderate confectum huc atque illuc in diversas sententias producentes, in infinitum detraxerunt, ut pene omnis Romana Sanctio esset confusa. &c. Si quid autem talia facere ausi fuerint, ipsi quidem falsitatis rei constituantur, volumina autem eorum omnino corrumpantur. Vid. Justin. epist. ad Senatum & populum, de confirmatione digestorum §. 21.

Omnibus interdicimus, ne quis audeat hominum commentarios scribere harum legum, ne tantillum quidem circa ea facere, nec rursum dare seditionis, & dubitationis, aut infinitae multitudinis, legibus occasionem, id quod antea in antiqui edicti factum est ordinatione, ita ut illud brevissimum constitutum ex differentium commentatorum differentia, seu diversitate in infinitam extenderetur multitudinem. Itaque quisquis ausus fuerit ad hanc nostram legum compositionem commentarium aliquod adjicere, aliter ac legis nostrae jussionis forma praescribit, is sciat quod & ipsi falsi reo legibus futuro & quod composuerit eripietur & modis omnibus corrumpetur. Vid. Epist. Justin. ad Senatum Magnum, de confirmatione digestorum §. 21.

Nullis juris peritis in posterum audentibus commentarios illi applicare, cum per contrarias interpretantium sententias totum jus pene conturbatum est. Vid. Epist. Just. ad Tribonianum, de confirmatione Digestorum.


(11) Vorrede.

denen Teutschen Gesetzen, welche insonderheit einige neuere Doctores, um die Ungewißheit derer Rechte zu vermehren, privata autoritate bey den Haaren wieder hervor gezogen haben.

§. 24.

Es haben daher viele cordate und gelahrte Leute in diesem und vorigen Seculo gewünschet, daß eine Reforme in der Justitz vorgenommen werden mögte.

§. 25.

Es haben auch verschiedene ihre Projecte de novo Codice conficiendo, das ist ein neues Corpus Juris zu verfertigen, der Welt dargelegt. (v)

§. 26.

Die Teutsche Kaysere selbst haben vielfältig auf denen Reichs-Tägen auf die Reforme der Justitz angetragen, und Monita von denen Ständen verlanget: Es seyn aber alle Deliberationes und Resolutiones des Reichs dahin ausgefallen, daß der Modus procedendi besser regulirt, und einige bey dem Reichs(-)Gericht eingeschlichene Mängel corrigirt, von einem allgemeinen gewissen Recht aber nichts gedacht worden.

§. 27.

Es haben auch verschiedene Stände des Reichs und andre Provintzen gewisse Land-Rechte verfertigen lassen, worunter das Sächsische, Magdeburgische und Lüneburgische Recht, item das Preußische, Pfältzische und Würtembergische Land-Recht vor andern verdienen gerühmt zu werden.

Es machen aber alle diese Rechte kein Jus Universale aus, und exhauriren nicht alle Materias juris; sie formiren mehrentheils kein ordentliches Systema, sie praemittiren keine Principia generalia bey jeder Materie, sondern bestehen mehrentheils in Regulirung des Modi Procedendi, und decidiren allenfals nur einige jura dubia, welche unter denen Doctoren gestritten werden:

NB. Daher wird in allen diesen Land-Rechten der Recurs an die Römische Rechte, folglich die incertitudo juris nach wie vor beybehalten.

§. 28.

Se. Königl. Majestät in Preussen haben die Sache, nach Dero grossen Einsicht, auf eine gantz andre und viele solidere Art angegriffen. Sie haben befohlen

I. Ein generales Land-Recht, worunter alle Rechte die in der Civil-Societaet vorkommen können begriffen seyn, zu verfertigen; die General-Principia zu praemittiren; und die daraus fliessende nothwendige Conclusiones zu deduciren, folglich ein solches Universal-Systema zu formiren, welches auf alle Staaten, die die natürliche Vernunft zur Regul ihrer Gesetze nehmen, applicirt werden kann. Zu dem Ende hat man

 

(v) Unter welche vornemlich gehören Tholosanus, Leibnitz, Loriottus, Reusnerus, Stephanus, Gribaldus, Gilkenius, Ant. Faber, Felden, Freiberg. Vid. Ludw. de differ. jur. Rom. & Germ. Diff. 3. lit. hh. Vigilius hat in vier Voluminibus einen neuen Codicem unter den Rahmen der Digestorum edirt. ibid. Add. Ludw. d. 1. diff. 16. lin. gg. in fin.


(12) Vorrede.

II. Das vernünftige und natürliche Systema derer alten Rechts-Gelahrten (welchem auch der Kayser Justinianus in seinen Institutionibus juris gefolget) zum Fundament genommen, und alle Jura und Vorrechte, welche diejenige die in einer Civil-Societaet wohnen sich zueignen können, entweder ex Statu hominum, oder ex jure rerum, oder ex obligatione personae hergeleitet.

Dieses ist gewiß, daß, auch nach der natürlichen Vernunft, kein Recht übrig bleibe welches nicht unter diesen dreyen Objecten begriffen ist; und daß keine Controvers vorkommen könne, welche nicht daraus decidirt werden kann: wie aus dem Systemate selbst sich ergeben wird.

III. Bey einem jeden Objecto juris seyn gewisse aus der Vernunft hergeleitete Principia festgesetzet, alle Materien in einer natürlichen Ordnung unter gehörige Rubriquen gebracht, und die dahin einschlagende Materien gehörigen Orts inserirt werden. So daß das gantze Systema wie eine Kette an einander henget.

IV. Diese Principia generalia seyn aus dem so genannten Corpore Juris Romani genommen, weil nicht geläugnet werden kann, daß diese Gesetze mehrentheils in denen natürlichen Rechten ihren Grund haben. Vid supr. §. 14.

V. Alles was auf den Statum von Italien und Griechenland in gemeldtem Corpore Juris gerichtet ist, haben Se. Königl. Majestät auszulassen, hingegen solche nach denen Teutschen Landes-Verfassungen einzurichten befohlen.

VI. Alle Subtilitaeten und Fictiones die in diesem Corpore Juris Romani so häufig vorkommen, seyn aus diesem Land-Recht verbannet.

VII. Diejenige Titul welche den Modum procedendi angehen, und in dem Corpore Juris Romani unter die Materias juris eingeflickt gewesen, folglich die Suite und Ordnung derer Haupt-Materien unterbrochen haben, seyn zu dem Codice Fridericiano hingewiesen.

VIII. Se. Königl Majestät haben dieses Land(-)Recht in Teutscher Sprache verfertigen lassen, damit ein jeder, der einen Process hat, solches selber nachsehen, und ob er Recht oder Unrecht habe daraus erlernen könne.

IX. Und damit die Privati, insonderheit aber die Professores keine Gelegenheit haben mögen dieses Land-Recht durch eine eigenmächtige Interpretation zu corrumpiren, so haben Se. Königl. Majestät bey schwerer Strafe verboten, daß niemand, wer er auch sey, sich unterstehen solle, einen Commentarium über das gantze Land-Recht, oder einen Theil desselben zu schreiben; oder der Jugend Limitationes, Ampliationes oder Exceptiones contra verba legis an die Hand zu geben, oder dergleichen ex ratione legis zu formiren (allermassen blos denen Advocaten in denen Processen idenditatem rationis anzuführen erlaubt, und denen Richtern ex idenditate rationis zu decidiren frey gelassen ist.)

Daher die Professores bloß der Jugend das Systema bekannt machen, und derselben die Principia generalia deutlich vortragen (et)c. sollen und müssen.

Se. Königl. Majestät haben ferner verboten, daß künftig in dergleichen Civil-Sachen keine Autoritaet derer Doctorum weiter allegirt werden, sondern ein jeder seine Jura einzig und allein aus diesem Land-Recht


(13) Vorrede.

defendiren solle Es wäre dann daß von einer besondern Landes-Verfassung, und z. e. wie es mit denen Diensten der Unterthanen zu halten, ob die Gerade hergebracht sey (et)c. gefragt würde.

§. 29.

Weil aber ohnmöglich ist alle Special-Casus in dem Land-Recht zu exprimiren; so muß nothwendig ein Mittel ausgefunden werden, wie diejenige Casus, welche in dem Gesetze nicht wörtlich exprimirt seyn, decidirt werden können.

Se. Königl. Majestät haben diejenige Mittel angewiesen, welche die Vernunft und die Römische-Rechte selbst an die Hand geben.

Die Vernunft lehret uns, daß, wann bey einer jeden Materie derer Gesetze General-Principia festgesetzt werden, unter sothanen Principiis alle Casus begriffen seyn, auf welche die Ratio sothaner Principiorum applicable ist: Es gehöret also hauptsächlich zu dem Amt eines cordaten Richters, in denen specialiter nicht decidirten Fällen zu untersuchen, ob und wie weit dieselbe zu denen Principiis generalibus gehören, (x) das ist, ob eadem ratio legis vorhanden sey.

Daher haben die Römische Gesetze nicht ohne Grund behauptet, daß nicht sowohl die Worte, als die ratio legis, eingesehen werden müsse; folglich diese Ratio legis unter dem Lege begriffen, und gleichsam die Seele des Legis sey. (y)

Hieraus fliessen nun zwey Consectanea 1) daß ein Richter in denen Fällen, wo eadem ratio vorhanden, nach dem generalen Gesetze sprechen müsse (z).

2) Daß, wann die ratio vera & unica legis cessirt, auch die dispositio legis, folglich lex ipsa, aufhöre. (aa

Es wäre dann, daß das Gesetz verschiedene Rationes ausdrücklich angeführt hätte; oder in poenalibus eine Strafe aus besondern Ursachen wäre gesetzt worden, welche auf andre Fälle nicht extendirt werden könte.

Damit aber denen Parteyen und deren Advocaten nicht frey stehen möge, nach ihrem Gefallen eine paritatem rationis zu fingiren, und dieserwegen interpretationem bey Se. Königl. Majestät immediate, oder bey Dero Ministerio zu suchen. So haben Se. Königl. Majestät geordnet, daß die Parteyen wann sie vermeynen daß in denen streitigen Fällen paritas rationis vorhanden, ihre Rationes in denen Schriften anführen, der Richter aber nach Eyd und Pflicht, wann eadem ratio vorhanden, nach denen Gesetzen, salvis Remediis, erkennen müsse.

 

(w) Es hat eben dieses auch der Justinianus schon verbothen in Epist. ad Senat. de Confirm. Digestorum §. 19. Nec in judicio, nec in alio certamine ubi leges necessariae sunt, ex aliis libris aliquid recitare, vel ostendere conetur, nisi temerator velit falsitatis crimini subjici.

(x) Es hat auch dieses der Kayser Justinianus schon zu seiner Zeit denen Richtern überlassen: Si quid praeter id quod jam ordinatum est emerserit, conveniens est eos qui in magistratu sunt illud conari decidere, & remedium imponere secundum eorum quae jam ordinata sunt consequentiam. Vid. Epist. Justin. ad Senat. Magn. de conf. Dig. §. 18.

(y) L. 6. §. 1. V. S. l. 13. §. 2. Excus. tut. l. 6. ff. Legib.

(z) L. 32. pr. ff. L. Aquil. arg. l. 9. ff. de Edendo.

(aa) L. 6. §. 1. ff. jure patron.


(14) Vorrede.

Würde aber das Gericht finden daß die ratio legis zweifelhaftig sey; muß es die rationes pro & contra an das Justitz-Departement bringen, welches, auf eingehohlten Rath der perpetuirlichen Land-Rechts(-)Commission, das Dubium decidiren wird: und sollen sothane Decisiones jährlich zum Druck befodert werden. Vid. Cod. Frid. pag. 5. §. 7. & 8.

§. 30.

Es erhellet also hieraus, daß Se. Königl. Majestät nicht das Römische Recht aufgehoben, sondern nur die Unordnung, welche die Compilatores durch ihre confuse Extracte veranlasset, corrigiret haben. Sie haben die in dem Corpore Juris, und in denen angeführten Extracten versteckte Principia Juris naturalis, hervorgesucht, solche bey einer jeden Materie voraus gesetzet, vernünftige Conclusiones daraus deducirt, folglich das Römische Recht ad artem redigirt, das ist in eine vernünftige Ordnung gebracht: So daß dieses Land-Recht mit Grund ein Jus naturae privatum genannt werden kann.

§. 31.

Man findet nöthig annoch zu erinnern, daß man gezwungen worden die mehreste Lateinische Titul, wie auch die Nahmen der Actionen, und andre Terminos artis beyzubehalten: weil eines theils die Advocaten sowohl, als die Richter von so langen Jahren her daran gewohnt, und die Termini gleichsam naturalisirt seyn; andern theils sehr schwer fallen dürfte dieselbe in das Teutsche zu versetzen: weil diese Sprache nicht darzu gemacht ist eine Sache auf eine kurtze Art zu exprimiren.

§. 32.

Im übrigen gehet Sr. Königl. Majestät Intention durch Verfertigung dieses Land-Rechts keinesweges dahin, daß dadurch verbothen seyn sollte auf denen Universitaeten über die Compendia Juris Romani weiter zu lesen: sondern es muß um so vielmehr nach wie vor damit continuirt werden, weil eines theils Se. Königl. Majestät wegen ihrer mit denen benachbarten, und bey denen Reichs-Gerichten, habenden Angelegenheiten das Kayserliche gemeine Recht agnosciren, folglich dessen Excolirung beybehalten müssen; andern Theils die Fremde, welche Unsere Universitaeten besuchen, nothwendig über die Systemata Juris Romani Collegia haben müssen.

§. 33.

Schließlich muß man noch erinnern daß der Status civitatis (vid. Part. I. Lib. I. Tit. VI.) vor der Hand nicht hat gehörig ausgeführt werden können, weil ein Königl. Reglement unter Händen ist, worin erst festgesetzt werden wird, wie weit die Städte-Sachen zu dem Departement der Justitz gehören sollen: daher bey der künftigen Revision dieses Land-Rechts auch dieser Status näher regulirt werden muß.

§. 34.

Damit auch bey dem ersten Theil dieses Land-Rechts dem Leser gezeigt werde, wie alle Materien gleichsam mit einer Kette aneinander verbunden seyn, folglich nichts leichter sey, als eine Idée von dem Systemate dieses neuen Land-Rechts zu machen; so hat man die Sciographie davon dieser Vorrede annectiren wollen.


(15) Ordnung

des ersten Theils des Land-Rechts.

Erstes Buch.

§. 1. In diesem ersten Buch wird in dem Tit. II. in genere gehandelt, von der Rechtsgelahrheit, von der Gerechtigkeit, und von denen Gesetzen, wornach künftig in Unsern Ländern gesprochen werden soll (de Jurisprudentia, Justitia, & Legibus.

§. 2. In dem Tit. III. werden die drey Objecta, oder Gegenwürfe der Gerechtigkeit und derer Gesetze angezeigt, worunter aller Vorrechte und Jura, welche Unseren Unterthanen zustehen, begriffen seyn.

§. 3. Das Erste Objectum Juris woraus die Menschen einige Vorrechte erlangen, ist der Status Hominum: das ist eine Condition und Qualitaet der Person, welcher gewisse Jura ankleben: welcher Status dreyfach ist, nehmlich: 1.) Status Libertatis. 2) Status Familiae. 3.) Status Civitatis. Vid. Tit. IV.

§. 4. Von dem Statu Libertatis handelt der Tit. V. wo gezeigt wird, was Unsere Unterthanen vor Jura oder Vorrechte aus diesem Statu, nach denen heutigen Verfassungen, erlangen.

§. 5. Der zweyte Status hominum ist der Status Civitatis, weil denenjenigen Personen, welche in einer bürgerlichen Societaet leben, gewisse Jura oder Vorrechte daher zustehen, worvon in dem Tit. VI. gehandelt wird.

§. 6. Von dem Statu Familiae wird in dem Tit. VII. & seq. gehandelt, und

1.) Gezeigt, was der Status Familiae sey? und aus was vor Personen die Familie bestehe. Tit. VII.

2.) Was vor Vorrechte (Jura) der Ehmann in Ansehung seiner Ehefrau, und die Ehefrau in Ansehung des Ehemannes daher erlange. Tit. VIII.

3.) Was vor Jura oder Vorrechte der Vater aus diesem Statu Familiae in Ansehung seiner Kinder erhalte. Tit. IX.

Wo von dem Ursprung der väterlichen Gewalt gehandelt, und zugleich die Modi wie diese Gewalt erlanget wird, erklärt werden: nemlich durch eine rechtmäßige Ehe: Art. 1. Durch die Legitimation. Art. 2. Durch die Arrogation und Adoption. Art. 3.

4.) Hierauf folgen in dem Tit. X. die Vorrechte der väterlichen Gewalt in Ansehung der Kinder, und die Modi wie die väterliche Gewalft dissolvirt werde.

5.) In dem Tit. XI. werden die Vorrechte welche denen Kindern in Ansehung der Eltern zustehen recensirt: wobey zugleich von denen Peculiis derer Kinder gehandelt wird. Art. 1.

6.) Ferner werden in dem Tit. XII. die Jura und Vorrechte erklärt, welche der Mutter in Ansehung ihrer Kinder, und denen Kindern in Ansehung der Mutter zustehen.

7.) Endlich werden auch in dem Tit. XII. die Jura und Vorrechte angeführt, welche die übrigen Verwandten unter sich ex statu Familiae erlangen.

Zweytes Buch.

§. 1. In dem vorhergehenden Buch ist unter den Statum Hominum hauptsächlich der Status Familiae gerechnet, und unter die daher rührende Jura und Vorrechte die väterliche Gewalt gezehlet, anbey voraus gesetzet worden, daß dergleichen väterliche Gewalt durch eine Rechts beständige Ehe erlanget werde: von welcher Materie in diesem Buch gehandelt wird.

§. 2. Weil aber vor Vollziehung der Ehe gemeiniglich ein Eheversprechen, oder Ehegelöbniß, vorherzugehen pflegt, so wird zufoderst in dem Tit. II.

Von denen Verlöbnissen. (de Sponsalíbus.)

§. 3. Und hiernechst in dem Tit. III.

Von der Ehe und Heyrath. (de Nuptiis.)

gehandelt, und zugleich gezeigt,

a) Wie die Ehe dissolvirt, und aufgehoben werde. Art. I.

b) Wann die Scheidung von Tisch und Bette statt habe. Art. II.

c) Wie weit der Concubinat erlaubt sey. Art. III.

Und weil

§. 4. Selten Leute zu heyrathen pflegen, ohne vorher einige conditiones unter sich zu verabreden; so wird in dem Tit. IV. in genere

Von denen Eh-Pacten. (de pactis dotalibus)

Und in specie

a) von dem Braut-Schatz und dessen Recht: auch wie, und von wem derselbe nach vollzogener Ehe zurück gefodert werden, auch was der Ehmann vor Kosten davon abziehen könne. Art. I.

b) Von denen Paraphernal- und Receptitien-Gütern. Art. II. & III.

c) Von dem Gegen-Vermächtniß. Art. IV.

d) Von dem Leibgeding. Art. V.

e) Von der Morgengabe. Art. VI.

f) Von der in pactis dotalibus verabredeten Succession der Eheleute. Art. VII.

g) Von der Portione statutaria. Art. VIII.

gehandelt.

§. 5. Es trägt sich auch öfters zu, daß ein Vater sowohl währender Ehe, als nach deren Dissolution; oder die Agnati nach des Vaters Tod; die Kinder nicht vor ehlige Kinder erkennen, noch denenselben die nöthige Alimenta darreichen wollen: daher wird in dem Tit. V.

Von Agnition der Kinder (de agnoscendis liberis.)

Und in dem Tit. VI.

Von Ernehrung der Kinder. (de alendis liberis.)

gehandelt, und zugleich angewiesen, wann andern Personen, ausser denen Kindern, nach denen Rechten die Alimenta gereicht werden müssen.

§. 6. Weil auch öfters die Ehefrauen nach ihrer Männer Tod, oder wann sie von ihren Männern geschieden worden, vorgeben, daß sie schwanger seyn, oder gar in odium mariti die Schwangerschaft leugnen: so werden denenjenigen welche darbey interessirt seyn in dem Tit. VII.

Wegen Untersuchung der verdächtigen Schwangerschaft. (de inspiciendo ventre, & custodiendo partu.)

Item: si mulier ventris nomine in possessionem caluminiae (!) causa missa dicatur.

die benöthigte Praecautiones an die Hand gegeben.


(16) Drittes Buch.

§. 1. 2 3. Es ist in dem Ersten Buch von dem Statu Hominum, und denen daher rührenden Vorrechten gehandelt, und in genere angemerckt worden, daß sowohl aus dem Statu familiae als Civitatis folge, daß die Familie, und die Republic, schuldig sey alle und jede Glieder der Familie und der Societaet zu schützen: und dieses ist der Ursprung aller Vormundschaften.

Von welchen also in diesem dritten Buch gehandelt wird, und zwar

§. 4. In dem Tit. II. Von denen Vormundschaften insgemein.

§. 5. In dem Tit. III. Von der Vormundschafft welche durch des Vatern letzten Willen jemand aufgetragen wird.

§. 6. In dem Tit. VI. (= IV.)Von der Vormundschaft derer nächsten Bluts-Freunde.

§. 7. In dem Tit. V. Von der Vormundschaft welche von der Obrigkeit jemanden aufgetragen wird.

Und wer um die Bestellung der Vormünder anhalten muß.

§. 8. In dem Tit. VI. Von Antretung der Vormundschaft: und Verwaltung derer denen Unmündigen zustehenden Güther.

Wo vorläufig gemeldet wird was ein Vormund vor der Antretung zu besorgen habe, nemlich a) die Obrigkeitliche Confirmation: (b) Praestirung des Eydes: c) Bestellung der Caution: und d) die Verfertigung des Inventarii.

Hiernechst wird verordnet (1) wie er für die Erziehung des Unmündigen sorgen müsse. Art. I.

2) Was er bey Administration des Vermögens beobachten müsse. Art. II.

3) Wie bey Ablegung und Abnahme der Vormundschafts-Rechnung zu verfahren. Art. III.

§. 9. In dem Tit. VII. Wird von der Authoritaet und Gewalt, welche denen Vormündern bey denen Handlungen derer Unmündigen zustehet, gehandelt. Und

§. 10. In dem Tit. VIII. Was der Unmündige aus der Handlung des Vormundes vor eine Action contra tertium erlange: und wie weie (= weit) der Unmündige aus der Handlung des Vormundes von einem tertio belanget werden kann.

§. 11. In dem Tit. IX. wird gehandelt von denen Actionen welche dem Unmündigen gegen die Vormünder, und vice versa denen Vormündern gegen die Unmündige zustehen, und zwar

In dem Art. I von der Actione tutelae directa, welche dem Unmündigen gegen den Vormund, hauptsächlich in Ablegung der Rechnung, zustehet.

In dem Art. II. wird die Actio tutelae contraria beschrieben; wordurch der Vormund den Unmündigen wegen Vorschuß und Schaden belangen kann.

In dem Art. III. werden vorgemeldte Actiones dem Unmündigen auch gegen den Protutorem, (daß ist, welcher nicht zum Vormund bestellet worden, aber die Vormundschaft bona fide administrirt) und diesem gegen den Unmündigen verstattet.

In dem Art. IV. wird von der Obligation eines Vormundes, welcher sich fälschlich und dolose vor einen Vormund ausgegeben, gehandelt.

In dem Art. V. wird von denen Erben derer Vormünder gehandelt, und wie weit dieselbe aus derer Vormünder Facto belanget werden können.

In dem Art. VI. wird von denen Bürgen welche die Vormünder bestellen, und von deren Obligation gehandelt.

In dem Art. VII. wird gezeigt, wie die Obrigkeit in subsidium belanget werden kann.

§. 12. In dem Titulo X. Werden die Casus vorgetragen, wann die Vormundschaft aufhöre und geendiget werde.

§. 13. Worunter auch in dem Titulo XI. gehört Wann der Vormund rechtmäßige Ursachen hat sich zu entschuldigen.

§. 14. Item in dem Titulo XII. Wann der Vormund als verdächtig angegeben und removirt wird.

§. 15. Schließlich wird in dem Tit. XIII. gehandelt von denen Curatoribus derer Minderjährigen und andern Personen, welche sich selber nicht vorstehen können.


(1-1) Eingang

zum

Land-Recht.

§. 1.

Es hat das Römische Recht, welches mehrentheils aus der natürlichen Billigkeit hergenommen ist, einfolglich auf vernünftigen Principiis beruhet, mit guten Grund den Vorzug gehabt, daß es bey denen mehresten Christlichen Völckern als ein allgemeines Recht, und jus commune, auf- und angenommen worden.

§. 2.

Es wäre aber zu wünschen gewesen, daß dieses Römische Recht gleich anfangs von denen Teutschen Puissancen in ein richtiges Systema gebracht, die zweifelhafte, und öfters sich widersprechende Gesetze behörig erläutert, und was nicht auf Unsern Zustand applicable gewesen, heraus gelassen worden wäre.

§. 3.

Da aber in Teutschland das confuse Corpus Juris Romani (welches in lauter ohne Ordnung, und öfters ohne genugsames Nachdencken gemachten und zerstümmelten Excerptis aus derer alten Rechts-Gelahrten Schriften bestehet, auch eine Menge von solchen Gesetzen in sich hält, die bloß auf den Zustand der Römischen Republic gerichtet gewesen,) beybehalten worden; so haben nothwendig verschiedene Inconvenientzien daher entstehen müssen.

§. 4.

Dann es hat

a.) die Jugend viele Jahre zubringen müssen das Systema Juris Romani zu lernen, weil die Doctores in ihren Compendiis die Ordnung und Rubriquen gedachten Corporis Juris, (welche, wie schon vorhin gemeldet worden, in denen wenigsten Tituln connectiren,) beybehalten haben: dahero dann nicht anders seyn können, als daß, weil die Haupt-Materien durch fremde Titul separiret seyn, der Begrif des Systematis Juris überaus schwer gemacht worden. Uberdem hat

b.) die Jugend viele Zeit auf die Römische Antiquitaeten anwenden müssen, um den Ursprung der Nahmen, der Actionen, und die Terminos artis zu verstehen, mithin Historiam juris zu erlernen. Die unnützeste Arbeit aber ist

c.) darinn bestanden, daß die studirende Jugend eine unzählige Menge von Gesetzen hat lernen müssen, welche bloß den Statum des alten Römischen Reichs betreffen, und gar keinen Nutzen in Unsern Landen haben, wodurch die Memorie der jungen Leute ohne Noth überhäufet, und dieselbe viele Jahre zu Erlernung einer Menge von unnöthigen Sachen zubringen müssen. Und da

d.) ein jeder Richter, ja ein jeder Privat-Doctor, sich die Freyheit genommen, die in lauter Excerptis bestehende Gesetze nach ihrem Gefallen, unter dem Praetext eines oftmahls bey denen Haaren hergezogenen Argumenti legis, zu expliciren, zu limitiren, oder zu amplificiren: So ist fast kein Gesetz in dem Corpore Juris Romani vorhanden, welches nicht pro & contra disputirt, und durch dergleichen eigenmächtige Interpretation derer Rechts-Lehrer auf Schrauben gesetzt worden, wordurch dann die sogenannte communes opiniones, und endlich communes contra communes, zum grösten Unglück, und Confusion der Justitz entstanden.

Allermassen die Erfahrung zeiget, daß die Richter selbst nicht sowohl nach denen Gesetzen, und rationibus Legis, die Urthel abzufassen, sondern nach ihrem Gefallen diesem oder jenem Rechts-Gelahrten beyzupflichten, und zu dem Ende eine Menge von


(1-2) Eingang zum Land-Recht.

diesen Doctoren zu citiren pflegen. (et)c. Wodurch dann das gantze Recht Arbitrarium gemacht, und in die äusserste Ungewißheit, die arme Unterthanen aber in schwere Kosten gesetzet worden.

Ja es haben sich e.) diese Doctores gar unterstanden nach ihrem Gefallen die Leges zu abrogiren, oder dieselben als abrogatas anzugeben, wordurch denen Advocaten Anlaß gegeben worden gantze Processe über die Frage, ob der Lex noch in usu sey oder nicht, zu führen.

§. 5.

Weil auch das Jus Canonicum zu denen Catholischen Zeiten eine grosse Authoritaet gehabt, und daher öfters unter denen Rechts-Gelahrten Streit entstanden, wie weit dasselbe contra jus Romanum gelte und statt habe, so ist dadurch eine noch grössere Ungewissheit derer Rechte eingeführet worden.

§. 6.

Ferner ist die Freyheit einiger Privat-Doctoren so weit gegangen, daß sie diesen an sich schon ungewissen Römischen und Canonischen Rechten noch ein imaginaires Teutsches Recht beygefügt haben; von dessen Ursprung nichts gewisses bekannt, und dessen Gesetze längst aus der Observantz gekommen, auch die wenigste auf den heutigen Statum applicable seyn: So daß, an statt das Teutsche Reich bishero mit zweyen ungewissen Rechten gequälet worden, nunmehro dreyerley Jura aeque incerta von denen Rechts-Gelahrten propria autoritate etabliret, gantze Bücher darüber geschrieben, bey Decision derer Processe darauf provocirt, und dadurch denen Advocatis ein neuer Anlaß gegeben worden, die Unterthanen um das Ihrige zu bringen.

§. 7.

Diese Confusion ist noch dadurch vermehret worden, daß in einigen Unsern Landen das Jus Saxonicum, insonderheit in Processualibus eingeführet worden, welches von dem Jure communi in vielen Fällen differirt. Dahero dann weitläuftige Processe entstanden, in welchen Fällen das Jus Saxonicum und das Jus Civile statt finden solle.

§. 8.

Ueberdem hat eine jede Provintz, ja fast eine jede Stadt, besondere Willkühre und Statuta vorgeschützet, welche denen Unterthanen mehrentheils unbekannt gewesen; dahero dann unzählige Streitigkeiten und Processe, ob und wie weit diese Statuta gelten sollen, nothwendig folgen müssen.

§. 9.

Hiezu kommt, daß die unzählige Menge der Edicten Unsere Unterthanen confus gemacht, weil es fast nicht möglich so viele besondere Casus, die in denen Special-Edicten decidirt worden, und sich oft contradiciren, im Gedächtniß zu behalten.

§. 10.

Diesem Unheil nun vorzukommen, haben Wir ein kurzes, auf gewisse und vernünftige Principia sich gründendes Land-Recht verfertigen lassen, worinnen Wir zwar das Römische Recht (so viel die Principia generalia betrift, als welche mehrentheils aus der natürlichen Vernunft hergeleitet seyn) zum Fundament gesetzet, auch die Nahmen und Terminos artis, woran die Richter und Unterthanen schon gewohnt seyn, so viel moglich beybehalten, aber die in sothanem Recht befindliche Subtilitaeten, und alles was auf Unsern Statum nicht applicable ist, ausgelassen, das gantze Werck in ein klares und deutliches Systema gebracht, auch solches in teutscher Sprache gefasset, damit ein jeder Unserer Unterthanen solches selber lesen, und nachsehen könne.

Worbey Wir die unzählige Edicten, in so weit dieselbe die Justitz (nicht aber der Policey, Militair und andere Sachen angehen) diesem Land-Recht inseriret, und unter die gehörigen Rubriquen gebracht haben.

§. 11.

Wir haben hauptsächlich davor gesorget, daß bey einer jeden Materie die Principia und Definitiones klar und deutlich vorgeschrieben, und die Causa, Subjectum, Objectum, Effectus, und Modi finiendi in guter und richtiger Ordnung ausgeführt worden, da denn einem jeden vernünftigen Richter ein leichtes ist, die Conclusiones daraus bey allen und jeden Vorfällen zu formiren, und wann etwas fehlet, ex ratione legis zu suppliren.


(1-3) Part. I. Libr. I.

Tit. I.

Von dem Inhalt des ersten Buchs.

§. 1.

In diesem ersten Buch wird in dem Tit. II. in genere gehandelt, von der Rechtsgelahrheit, von der Gerechtigkeit und von denen Gesetzen wornach künftig in Unsern Ländern gesprochen werden soll (de Jurisprudentia, Justitia, & Legibus.)

§. 2.

In dem Tit. III. werden die drey Objecta oder Gegenwürfe der Gerechtigkeit und derer Gesetze angezeigt, worunter alle Vorrechte und Jura, welche Unseren Unterthanen zustehen, begriffen seyn.

§. 3.

Das Erste Objectum juris woraus die Menschen einige Vorrechte erlangen, ist der Status Hominum: daß ist eine Condition und Qualitaet der Person, welcher gewisse Jura ankleben: Und welcher dreyfach ist, nehmlich: 1.) Status Libertatis. 2.) Status Familiae. 3.) Status Civitatis. Vid. Tit. IV.

§. 4.

Von dem Statu Libertatis handelt der Tit. V. wo gezeigt wird, was Unsere Unterthanen vor Jura oder Vorrechte aus diesem Statu, nach den heutigen Verfassungen, erlangen.

§. 5.

Der zweyte Status hominum ist der Status Civitatis, weil denenjenigen Personen, welche in einer bürgerlichen Societaet leben, gewisse Jura oder Vorrechte daher zustehen, worvon in dem Tit. VI. gehandelt wird.

§. 6.

Von dem Statu Familiae wird in dem Tit. VIII. & seq. gehandelt, und

1.) Gezeigt, was der Status Familiae sey; und aus was vor Persohnen die Familie bestehe. Tit. VII.

2.) Was vor Vorrechte (Jura) der Ehmann in Ansehung seiner Ehefrau, und die Ehefrau in Ansehung des Ehemannes daher erlange. Tit. VIII.


(1-4) Part. I. Lib. I. Tit. I. II.

3.) Was vor Jura oder Vorrechte der Vater aus diesem Statu Familiae in Ansehung seiner Kinder erhalte. Tit. IX.

Wo von dem Ursprung der väterlichen Gewalt gehandelt und zugleich a) die Modi wie diese Gewalt erlanget wird, erklärt worden, nemlich durch eine rechtmäßige Ehe: Art. 1. Durch die Legitimation. Art. 2. Durch die Arrogation und Adoption. Art. 3.

4.) Hierauf folgen in dem Tit. X. die Vorrechte der väterlichen Gewalt in Ansehung der Kinder, und die Modi wie die väterliche Gewalt dissolvirt werde.

5.) In dem Tit. XI. werden die Vorrechte welche denen Kindern in Ansehung der Eltern zustehen recensirt: wobey zugleich von denen Peculiis derer Kinder gehandelt wird. Art. 1.

6.) Ferner werden in dem Tit. XII. die Jura und Vorrechte erklärt, welche der Mutter in Ansehung ihrer Kinder, und denen Kindern in Ansehung der Mutter zustehen.

7.) Endlich werden auch in dem Tit. XII. die Jura und Vorrechte angeführt, welche die übrigen Verwandten unter sich ex statu familiae erlangen.

Tit. II.

Von der Rechtsgelahrheit, von der Gerechtigkeit, und von denen Gesetzen.

(De Jurisprudentia, Justitia, & de Legibus.)

§. 1.

Die Rechtsgelahrheit (Jurisprudentia) ist nichts anders, als eine Wissenschaft und Erkänntniß desjenigen was Recht oder Unrecht ist.

§. 2.

Der Endzweck (finis) dieser Wissenschaft ist also die Gerechtigkeit, (Justitia) welche darinn bestehet, daß einem jeden das Seinige, das ist, was ihm nach Unseren Gesetzen gebühret und gehöret, zugeeignet und tribuirt werde.

§. 3.

Es ist also vorläuffig nöthig anzuzeigen, welches die Gesetze seyn, worin beschrieben ist, was einem jeden das Seinige seyn solle.

§. 4.

Das Haupt-Gesetze woraus zu ersehen ist was einem jeden vor Rechte zustehen, ist dieses Unser generales Landrecht, welches aus der natürlichen Vernunft und Unseren Landes-Ordnungen und Verfassungen zusammen gezogen ist, und als ein ewiges und beständiges Recht in allen Unsern Ländern observirt werden soll.

Worbey Wir so wohl die natürliche Gesetze welche aus der Vernunft herfliessen und alle Völcker verbinden, als die Civil-Gesetze zum Grund gesetzet haben.

§. 5.

Es soll daher künftig a.) kein Jus Romanum, vielweniger die Authoritaet eines oder des andern Rechtsgelahrten, in denen Processen von denen Advocaten weiter angeführt, oder von denen Richtern in decidendo attendirt werden; allermassen Wir alle andre Rechte, Constitutiones, und Edicta, welche hierin nicht begriffen seyn, diedurch cassiren und aufheben.


(1-5) Part. I. Lib. I. Tit. II.

§. 6.

Es soll auch b.) Keine contraire Observantz, wann sie auch schon per res judicatas approbirt wäre, gegen dieses Land-Recht zu ewigen Zeiten admittirt, oder angeführt werden. Es wäre dann, daß sothanes Land-Recht per contrariam legem ausdrücklich wäre abrogirt worden.

§. 7.

Wie denn auch c.) keinem Richter frey stehen soll, dieses Unser Land-Recht, wann es zweifelhaftig zu seyn scheinet, zu interpretiren, oder argumento legis allerhand Exceptiones, Limitationes, und Ampliationes, nach Gefallen, und öfters ex aequitate cerebrina, zu fingiren.

Wann aber eadem ratio legis vorhanden, so verstehet sich von selbsten, daß es zu dem Amt eines cordaten Richters gehöret, die Gesetze auf alle Fälle wo eadem ratio militirt zu appliciren, und zu extendiren, weil es ohnmöglich ist alle Special-Casus anzuführen und zu decidiren.

§. 8.

Wann aber d.) dieses Unser Land-Recht in einem und andern Fall denen Richtern zweifelhaft scheinen, und daher einiger Erläuterung bedürfen sollte; So stehet Unsern Gerichten frey, dasjenige was zur nähern Erläuterung gedachten Land-Rechts, oder dessen Supplemento gereichen kann, an das Departement der Justitz-Sachen, einzuschicken: Da dann dem Befinden nach das Dubium decidirt, und dergleichen Decisiones jährlich durch den Druck publicirt werden sollen.

Wir wollen aber durchaus nicht gestatten, daß die Partheyen selbst bey Uns auf eine Interpretation des Land-Rechts antragen sollen; sondern wann die Partheyen dergleichen suchen, muß das Memorial bloß an den ordentlichen Richter cum rescripto justitiae remittirt, und der Advocat welcher solches unterschrieben mit 5 Rthl. bestraft werden.

Wann also die Partheyen das Land-Recht als zweifelhaft angeben, müssen sie in ihren Schriften solches mit anführen, wann aber der Richter glaubet daß das Land-Recht klar sey, und keiner Interpretation gebrauche, muß er nach Pflicht und Gewissen die Sache decidiren, und stehet dem gravirten Theil frey in der folgenden Instantz per modum gravaminis die Nothdurft weiter dargegen vorzustellen.

§. 9.

Es sollen auch e.) keine Rescripta, welche wieder den klaren Buchstaben dieses Land-Rechts laufen, von denen Gerichten attendirt werden, weil Wir bey Ertheilung sothaner Rescriptorum allezeit supponiren, daß eines Theils die Vorstellung wahr sey, und alles was in facto angeführt wird, sich in der That also verhalte; andern Theils, daß das Rescript diesem Unsern Land-Recht conform sey.

Im Fall also jemand auf eine ungerechte Vorstellung ein Rescript extrahiren, oder wieder die Verfassung des Land-Rechts etwas darauf verordnet werden solte, so sollen die Gerichte nicht allein nicht darauf reflectiren, sondern schlechterdings nach denen Rechten verfahren.

Wie Wir Uns dann hiedurch declariren, daß alles dasjenige, was gegen diese Ordnung per Rescripta angegeben werden wird, niemahlen einige Kraft Rechtens haben, noch in Ewigkeit gültig seyn solle.

Wann aber aus Unserm Cabinet dergleichen Orders ergehen, müssen die Gerichte Vorstellung dargegen thun, und nähere Ordre sich ausbitten, auch was alsdann erfolget zur Execution bringen.

§. 10.

Es soll sich auch f.) niemand unterstehen einen Commentarium oder Dissertationes über dieses Land-Recht, oder einen Theil desselben, zu verfertigen, weil dergleichen Commentatores, welchen ratio legum öfters unbekannt ist, zu vielen unnötigen Disputen Gelegenheit zu geben pflegen.


(1-6) Part. I. Lib. I. Tit. II.

§. 11.

Im übrigen, soll g.) dieses Land-Recht ad casus praeteritos nicht gezogen werden, es wäre dann, daß wegen einiger Gesetze, welche bishero zweifelhaftig gewesen, etwas gewisses determinirt worden. Allermassen dergleichen Decisiones zweifelhafter Rechte auch ad praeterita extendirt werden müssen.

§. 12.

Da aber, zweytens, nach dem Westphälischen Friedens-Schluß Unsere Catholische Unterthanen nach ihren Principiis in Glaubens-Sachen gerichtet werden sollen. So muß auch das Canonische Recht in so weit vim legis behalten.

In allen weltlichen Sachen aber wollen Wir das Jus Cononicum hiedurch aufgehoben haben: Ausser was die Officia und Dignitates und davon dependirende Jura bey denen Stiftern, item die Zehend-Sachen betrift, welche nach denen Canonischen Rechten auch bey denen Evangelischen dijudicirt werden sollen.

§. 13.

Die Lehns-Sachen sollen, drittens, nach dem Jure Feudali, und Unsern Lehns-Constitutionen, erörtert werden, bis Wir dieserwegen ein eigenes Lehn-Recht werden verfassen und publiciren lassen.

§. 14.

Weil aber, viertens, öfters neue Umstände vorkommen, auch neue Negotia sich hervor thun, welche eine besondere Constitution, oder eine Aenderung und Erklärung des allgemeinen Land-Rechts erfodern: so ordnen und wollen Wir, daß diese Constitutiones und Edicta gleichfals vim legis haben, und solche krafft Rechtens nach Verlauff zweyer Monathe nach der Publication anfangen sollen.

§. 15.

Weil auch, fünftens, verschiedene Provintzen, Städte und Gemeinde, besondere Statuta und Privilegia haben, so sollen dieselbe diejenige Casus welche von diesem Land-Recht discrepiren, und dennoch von denen Provintzen und Städten gerne beybehalten werden wollen, binnen Jahres-Frist an Uns einsenden, da Wir dann dem Befinden nach dieselbe approbiren, und die besondere Jura in einer jeden Provintz durch einen Anhang dem Land-Recht beydrucken lassen werden. Wann aber binnen Jahres-Frist dergleichen Statuta nicht eingeschickt werden, so soll es lediglich bey diesem Land-Recht gelassen werden.

Es wird Uns aber auch zu besonderm Gefallen gereichen, wann die Provintzen ein uniformes Recht beybehalten, und insonderheit ratione successionis dieser Ordnung sich submittiren, folglich der Communioni bonorum, woraus unsägliche Streitigkeiten herrühren, ratione futuri renunciren wolten.

§. 16.

Die Privilegia, welche Wir einem oder dem andern aus wichtigen Ursachen ertheilen, haben, Sechstens, in Ansehung dessen der das Privilegium erhält gleichfals vim legis.

Diese Privilegia werden (a) entweder einem Dinge, (rei) oder einer Sache, (causae) oder bloß en faveur der Person (Personae) ertheilet.

§. 17.

Wann (b) dergleichen Privilegia in Ansehung eines Dinges gegeben werden, seyn dieselbe realia, und gehen auf die Erben, und jeden Besitzer des Dinges.

§. 18.

Unter die Privilegia realia gehören auch (c) diejenige Privilegia, welche in Ansehung einer Sache (causae) ertheilet werden, als die Privilegia compententiae (= competentiae), dotis, &c. welche auch denen Erben zustatten kommen müssen.

§. 19.

Wann (d) die Privilegia bloß und allein in Ansehung der Person gegeben werden; so seyn es Privilegia personalia, und werden weder auf die Erben noch andere extendiret.


(1-7) Part. I. Lib. I. Tit. II.

Hierunter nun gehören diejenige Privilegia welche denen Doctoribus, Professoribus, denen Geistlichen, denen Sodaten, denen Minderjährigen, denen Frauens-Personen, denen Studirenden (et)c. ertheilet werden, item Moratoria &c. Dahero diese Privilegia denen Fidejussoribus nicht zustatten kommen können.

§. 20.

Wann es (e) zweifelhaftig ist, ob ein Privilegium in Ansehen des Dinges, der Sache, oder der Person gegeben sey, so soll es in dubio pro personali gehalten werden.

§. 21.

Wann (f) zwey gleich privilegirte Personen mit einander streiten; so kan keiner von beyden gegen den andern sein Privilegium vorschützen: Es wäre denn, daß der eine de damno vitando (seinen Schaden zu verhüten,) der andere aber sich zu bereichern suche, das ist de lucro captando certire.

§. 22.

Wir wollen (g) keine Privilegia, wodurch einen dritten sein wohl hergebrachtes Recht entzogen wird, ertheilen.

§. 23.

Alle Privilegia sollen (h) in Ansehung Unserer latissime (es wäre dann daß Unserer Landes Hoheit und Regalien durch die Extension praejudicirt werde) interpretirt, in Ansehung anderer aber auf das genaueste eingeschrenckt werden.

§. 24.

Wann Wir (i) dergleichen Privilegia, wodurch weder dem Publico noch einem dritten praejudicirt wird, ertheilet haben, sollen Unsere Nachfolgere in der Regierung nicht befugt seyn, solche wieder aufzuheben, insonderheit wann solche ob bene merita von Uns ertheilet worden.

§. 25.

Ausser diesen geschriebenen Rechten hat auch Siebendens, eine wohlhergebrachte Gewohnheit vim legis: Wann nehmlich etwas beständig vor recht gehalten worden:

Es wird aber darzu erfodert (1) daß verschiedene Actus vorgefallen, und deren wenigstens zwey conform seyn, (2) daß der (= die)  Actus öffentlich geschehen, und (3) solche klar und deutlich erwiesen seyn.

Es kann aber dergleichen Gewohnheit gegen eine notorische Landes Verfassung, oder gegen dieses Land-Recht, keine krafft Rechtens erlangen.

§. 26.

Schließlich haben Wir hiedurch declariren wollen, daß Wir Unsere mit Unsern Vasallen und Unterthanen entstehende Streitigkeiten nach diesem Land-Recht decidiret wissen wollen, und so wenig in modo procedendi als in decisione causarum einige Praerogativ oder Faveur verlangen, vielmehr wollen Wir dasjenige, was Wir in Unserm Codice Fridericiano Part. I. Tit. XIII. Und in Part. IV. Tit. V. festgesetzet haben, nochmahls wiederhohlen, nehmlich, daß Wir in dubio und wann es eine Kleinigkeit betrifft lieber etwas verliehren, als Unsere getreue Unterthanen mit Processen fatigiren wollen. Und daß diejenige welche sich in possessione eines Regalis besitzen (= befinden), bey der Possession geschützet, und dem Fisco bloß das Petitorium freygelassen werden solle.

§. 27.

Da nun festgesetzt wird, daß die Gerechtigkeit bloß darinn bestehe, daß einem jeden sein Recht, welches er aus Unsern Gesetzen erlangt, zugeeignet und tribuirt werde: So folget von selbsten daß hier nur de justitia particulari, nicht aber de universali, (worunter die Philosophi auch die Tugendlehre begreiffen) die Frage sey: dahero Wir die daher folgende subtile und unnütze Distinctiones inter justitiam distributivam & commutativam, wie auch inter proportionem Arithmeticam & Geometricam, aus diesem Land-Recht verbannet haben.

Und weil unter dieser Definition der Gerechtigkeit alle andere Regulae juris begriffen seyn, so bleibt nur eine regula juris generalis, nemlich suum cuique tribuere, übrig.


(1-8) Part. I. Lib. I. Tit. III. IV.

Tit. III.

Von denen dreyen Objectis oder Gegenwürfen der Gerechtigkeit.

§. 1.

Weil die Gerechtigkeit darin bestehet, daß einem jeden das Seinige, worzu er ein Recht hat, zugeeignet und tribuirt werde, so kommt es hauptsächlich auf die Frage an, was einen jeden das Seinige sey, oder was einem jeden vor ein Recht nach Unsern Gesetzen zugehöre, welches ihm tribuirt und zugeeignet werden muß.

§. 2.

Alle Vorrechte und Jura, welche Unsern Unterthanen zugehören, fliessen aus dreyen Hauptquellen her.

I. Ex Statu Hominum: das ist aus einer Condition und Qualitaet der Menschen, woraus einige Vorrechte, welche sothaner Qualitaet ankleben, folgen; und derer andre, die sothane Qualitaet nicht haben, nicht fähig seyn: Worvon in diesem Ersten Theil gehandelt wird.

II. Ex Jure Rerum: nemlich aus der Acquisition des Eigenthums eines Dinges, oder eines andern dinglichen Rechts: Worvon in dem zweyten Theil gehandelt werden soll.

III. Ex Obligatione Personae: das ist, aus einem rechtlichen Band, wordurch jemand schuldig ist etwas zu thun und zu leisten, welches der Inhalt des dritten Theils ist.

§. 3.

Dieses seyn die drey Objecta juris, oder die drey Gegenwürfe aller Gesetze, aus welchen Unsere Unterthanen ein Recht erlangen; ausser diesen Objectis ist nichts übrig, woraus ein Mensch gegen den andern sich ein Recht anmassen könne.

§. 4.

Wann jemand ein Recht aus diesen dreyen Objectis erlanget hat; so folget von selbsten, daß kein andrer demselben dieses Recht entziehen, oder ihn in dessen Gebrauch turbiren könne, sondern vielmehr durch Obrigkeitliche Macht und Gewalt angehalten werden müsse, einem jeden sein Recht zuzueignen.

§. 5.

Wir schreiten zu den ersten Objecto juris, nemlich dem Statu Hominum.

Tit. IV.

Von dem ersten Objecto der Gerechtigkeit nemlich de Statu Hominum, seu De Jure Personarum.

§. 1.

Weil die Rechte derer Menschen wegen statuirt werden, so wird nöthig seyn von dem ersten Objecto juris den Anfang zu machen, den Unterschied zwischen denen Menschen zu praemittiren, und hiernächst worin der Status hominum bestehe, und was vor Vorrechte und Jura daraus herfliessen, zu zeigen.


(1-9) Part. I. Lib. I. Tit. IV.

§. 2.

Es werden aber die Menschen Erstlich getheilet in Personas Sui Juris, das ist, in solche welche keines andern Menschen Gewalt unterworfen seyn: Und in Personas Alieni Juris, das ist, in solche welche unter eines andern Gewalt stehen:

Solchergestalt stehen die Eigenbehörige (homines proprii) unter der Gewalt ihrer Herrschaft: die Kinder unter der Gewalt des Vaters: die Unmündige unter der Gewalt des Vormundes: die Unterthanen unter der Gewalt der Obrigkeit (et)c.

§. 3.

Zweytens werden die Menschen getheilet, in Mannsleute, Weibsleute, und Zwitter oder Hermaphroditen.

Dem männlichen Geschlecht werden verschiedene Vorrechte ob praestantiam sexus verstattet; als daß die Männer allein in die Lehne succediren, daß sie allein zu denen öffentlichen Ehren-Aemtern admittirt werden, daß sie allein ihren Kindern einen Tutorem, geben können.

Das Weibliche Geschlecht hat gleichfals gewisse Vorrechte wegen seiner Schwachheit; denen Weibern ist erlaubt jus zu ignoriren, daher haben sie exceptionem SCti Vellejani &c.

Hermaphroditen werden diejenige genannt welche beyden Geschlechts zugleich seyn: bey welchen folgendes zu beobachten.

Es muß zofoderst eines Hermaphroditen Zustand untersucht, und er nach dem Geschlecht, welches bey ihm praevalirt, entweder vor eine Manns- oder Weibs-Person declarirt werden: Wann beyde Geschlechte gleich seyn, wird ihm die Wahl gegeben; und wann er einmahl ein Geschlecht erwehlt, kann er sich des andern Geschlechts bey schwerer Leibes-Strafe nicht bedienen: Wann also der Hermaphrodit einmahl einen Mann zur Ehe genommen, kann er keine Frau heyrathen.

§. 4.

Ferner und zweytens (= drittens) werden die Menschen getheilet in gebohrene, (Natos) oder solche welche noch gebohren werden sollen. (Nascituros)

Gebohrne Menschen seyn diejenige welche lebendig zur Welt kommen: Zu dessen Beweis aber ist nicht nöthig, daß sie eben einen Laut von sich geben, sondern es ist genug wann die Geburt sonst ein Zeichen des Lebens von sich giebt: In dubio ist die Praesumtion daß das Kind lebendig zur Welt gekommen sey, wann es sonst in der von der Natur vorgeschriebenen Zeit gebohren wird.

Die Mißgeburten können, wann sie auch leben, nicht vor gebohrne Menschen gehalten werden: Mißgeburten aber seyn, welche keine menschliche Figur noch Verstand haben: Es können aber dergleichen Creaturen, ehe und bevor die Sache gerichtlich untersucht und darüber erkannt worden, nicht bey Seite geschaft werden.

Diejenigen Menschen welche erst gebohren werden sollen (Nascituri) werden pro natis gehalten so oft die Frage von ihrem Nutzen und Vortheil ist, und die Sache bis zur Geburt nicht ausgesetzet werden kann: daher geniessen sie alle die Rechte, welche den Gebohrenen zustehen: Es wird aber supponirt, daß sie nachher würcklich zur Welt kommen, und keine Mißgeburten seyn.

Es muß diese Vorsorge vor die Nascituros dergestalt eingerichtet werden, als ob würcklich das Weib mit drey Kindern schwanger gehe: Wann also nach des Vatern Tod eine Theilung vorgenommen werden soll, müssen 3 Portiones vor die Nascituros ausgesetzt werden.

Dergleichen ungebohrne Kinder kommen auch ihrer Mutter in so weit zu statten, daß diese währender Schwangerschaft mit der Leibes-Strafe verschont wird: Wie dann auch die Landes-Verweisung, wann der Weg lang und die Geburts-Zeit nahe ist, bis zur Geburt ausgesetzt werden muß.


(1-10) Part. I. Lib. I. Tit. IV.

§. 5.

Es werden auch vierdtens die Menschen getheilet in großjährige, (majores) und minderjährige: (minores) item in Frauen, Wittwen, und Jungfrauen: in adeliche und unadeliche: in geistliche und weltliche (et)c.

§. 6.

Alle diese Differentzien führen einige besondere Vorrechte und Jura mit sich, die ihnen in Ansehung dieser Qualitaet zustehen.

§. 7.

Alle Vorrechte, welche aus denen angeführten Differentzien derer Personen, und deren verschiedenen Conditionen und Qualitaeten, herrühren, fliessen entweder ex statu hominum naturali; oder aber bloß aus denen Civil-Gesetzen.

§. 8.

Es ist aber der Status hominum naturalis eine Condition und Qualitaet welche immediate die Person afficirt, und allen Menschen von Natur anklebt.

§. 9.

Dieser Status hominum ist dreyfach, (1) Libertatis, (2) Civitatis, (3) Familiae: (*) Dann alle Menschen werden (1) von Natur frey gebohren, und seyn keines andern Eigenthum und Dominio unterworffen. (2) alle Menschen leben in einer bürgerlichen Societaet, (3) alle Menschen sein Glieder einer Familie.

§. 10.

Aus diesen dreyen Statibus, Conditionen, und Qualitaeten fliessen, auch natürlicher Weise, gewisse Jura, wovon in denen folgenden Tituln gehandelt werden soll.

§. 11.

Und weil die Natur selbst diese Jura dem Statui hominum beygelegt, so erlangt derjenige welcher sothane Qualitaet besitzt, Actiones sowohl reales als personales gegen alle, welche ihn in dem Besitz dieses Status turbiren.

Wann aber demselben der status selbst, folglich die Qualitaet der Person gestritten, und negirt wird daß er ein freyer Mensch sey, daß er ein Mitglied der bürgerlichen Societaet, oder der Familie sey, so muß diese Qualitaet durch actiones praejudiciales ausgemacht und decidirt werden.

§. 12.

Diese Actiones werden praejudiciales genannt, weil ehe und bevor der Actor die aus dem triplici statu herrührende Vorrechte geniessen kann, die Praejudicial-Frage, ob er auch den Statum habe, ausgemacht werden muß.

§. 13.

Es seyn also die Actiones praejudiciales nichts anders als eine Macht und Facultaet seinen Statum, das ist, die seiner Person von Natur anklebende Qualitaet, gegen diejenige welche sothanen Statum streitig machen, zu schützen.

§. 14.

Diese Actiones praejudiciales differiren von denen Actionibus realibus, welche ein dingliches Recht zum Gegenstand haben, und wordurch der Actor sein Eigenthum (et)c. fodert: Sie differiren auch von denen actionibus personalibus, welche eine obligationem personae supponiren, wordurch der Actor behauptet, daß der Reus etwas zu thun oder zu praestiren schuldig sey.

In denen actionibus praejudicialibus aber wird bloß gefragt, ob jemand ein freyer Mensch sey? ob er zu der bürgerlichen Societaet gehöre? und ob er ein Mitglied der Familie sey?

Diese Actiones afficiren die Person selbst; sie supponiren ein Recht welches der Person immediate anklebet, wordurch folglich weder ein jus in re noch ad rem gefodert,

 

(*) Tria sunt quae (ut homines) habemus: Libertatem, Civitatem, & Familiam: L. f. ff. Cap. dim.


(1-11) Part. I. Lib. I. Tit. IV. V.

sondern bloß die Person selbst und die derselben anklebende Qualitaet in Anspruch genommen wird. (*)

§. 15.

Wann dieser Status hominum naturalis geändert wird, das ist, wann jemand diese Qualitaet, welche von Natur der Person anklebt, verliehrt, so wird das Haupt oder die Person selbst geändert, folglich verliehrt die Person alle die Vorrechte und Jura die aus dem Statu naturali herfliessen.

Wann also jemand den Statum libertatis verliehrt, das ist, wann er aufhört ein freyer Mensch zu seyn, so verliehrt er alle die Vorrechte welche der natürlichen Freyheit ankleben.

Wann jemand den Statum Civitatis verliehrt, das ist, wann er aufhört ein Mitglied der bürgerlichen Societaet zu seyn, so verliehrt er alle die Rechte, die aus sothaner Societaet herfliessen.

Wann auch jemand den Statum Familiae verliehret, so hören alle die Jura auf welche denenjenigen die Mitglieder einer Familie seyn zustehen.

Auf was Art aber dieser Status nach der heutigen Verfassung geändert, und diese Qualitaeten verlohren werden, davon soll in denen folgenden Tituln gehandelt werden.

§. 16.

Alle andre Status, ausser diesen dreyen, fliessen nicht aus dem statu hominum naturali her, sondern aus denen Civil-Rechten, welche einigen Menschen wegen ihres besondern Zustandes auch einige besondere Vorrechte beygelegt haben.

Dann die Natur kennet, so viel die Vorrechte und Jura betrifft, keinen Unterscheid unter dem weiblichen und männlichen Geschlecht, unter majorennen und minorennen, unter adlichen und unadlichen, unter Frauen, Wittwen und Jungfern (et)c. Alle diese Personen haben von Natur gleiche Jura, und diejenige welche ihnen beygelegt worden fliessen bloß ex lege Civili her.

§. 17.

Daher dann auch der Status hominum nicht aufhört, wann z. E. ein minor pro majorenni declarirt, oder wann einer der in dignitate constituirt ist ab officio removirt wird (et)c. sondern er verliehrt salvo statu hominum bloß diejenige Vorrechte welche die Gesetze der Condition gewisser Personen beygelegt haben.

Weil nun diese Vorrechte ex lege dem Statui Civili, das ist, der Condition und Qualitaet der Person ankleben, und die Person immediate afficiren, so erlangt diese Person gleichfals actiones, tum reales tum personales, gegen diejenige welche derselben dergleichen Vorrechte entziehen.

Wann aber dieser Status selbst streitig gemacht, und negirt wird daß jemand Minor, vidua, nobilis (et)c. sey, folglich demselben die diesem Statui anklebende Jura nicht angedeyen können, so werden ihm gleichfals actiones praejudiciales, aber utiles, verstattet.

Tit. V.

Von dem Statu Libertatis.

§. 1.

Der Erste Status Hominum, das ist die erste Condition und Qualitaet, welche alle Menschen von der Natur erlangen, ist der Status Libertatis: weil alle Menschen von der Natur freye Leute, das ist keines andern Herrschaft und Eigenthum unterworfen seyn.

 

(*) Diese Actiones werden daher in denen Römischen Gesetzen in rem genannt. §. 13. Inst. de act. Nicht in dem Sensu als ob dieses Actiones reales wären, sondern weil die Person selbst wegen ihres Status in Anspruch genommen wird: daher, und weil diese Actiones aus einem besondern objecti juris herrühren, dieselbe einen besondern Nahmen bekommen haben.


(1-12) Part. I. Lib. I. Tit. V.

§. 2.

Vermöge dieses Status haben alle Menschen, von der Natur selbst, eine Macht und Gewalt nach Anleitung derer Landes-Gesetze zu thun und zu lassen was sie wollen, das ist, sie können von ihren Actionen und Vermögen nach Gefallen disponiren.

§. 3.

Dieser Status Libertatis wurde bey denen Römern geändert und verlohren, wann die Person von dem Feind in einem öffentlichen Krieg gefangen, oder dieselbe wegen einer Missethat, und zur Strafe, in eine Knechtschaft und Dienstbarkeit versetzet wurde.

§. 4.

Weil aber unter denen Christen davor gehalten worden, daß dergleichen mit dem Recht über Leben und Tod verknüpfte Knechtschaft, mit der Vollkommenheit des Christenthums streite, so ist dieselbe, wie bey denen meisten Christlichen Potentaten, also auch in Unsern sämtlichen Ländern aufgehoben worden: So daß auch die Ungläubige, wann sie von denen Unsrigen im Krieg gefangen werden, vor freye Menschen gehalten, und derjenige welcher einen solchen Gefangenen umbringt, als ein Todtschläger angesehen und gestraft werden muß.

Dahero alles was in denen Römischen Gesetzen von denen Servis, Libertis, und von denen Patronis (et)c. statuirt worden, keinen Nutzen in Unsern Ländern hat.

Und weil solchergestalt dieser Status Naturalis libertatis auf keine Weise geändert werden, noch verlohren gehen, folglich von niemand gestritten werden kann, so ist auch die actio praejudicialis in dem Sensu der Römischen Rechte in Unsern Ländern nicht mehr applicable.

§. 5.

Unterdessen wird doch der Knechtschaft gleich gerechnet, wann jemand in die Acht erklärt, daß ist demselben wegen seiner Missethat das Leben abgesprochen, und er seines Standes und Vermögens verlustig erklährt wird; dann ob schon ein solcher nicht unter eines andern Herrschaft stehet, noch dem Fisco ein Eigenthum über die Person selbst acquirirt wird, so wird doch des proscripti Condition dergestalt geändert, daß demselben alle Vorrechte die der Person und ihrer Qualitaet ankleben, entzogen werden.

§. 6.

Da auch ferner durch eine uhralte Observantz, in einigen Unserer Provintzen eine andre Art von Knechtschaft und Dienstbarkeit eingeführt worden, welche zwar den Statum Hominum nicht ändert, jedoch die Person selbst und deren Condition auf eine gewisse Art afficirt, so ist nöthig auch diesen Statum zu erklären.

§. 7.

Diese Knechte werden Eigenbehörige oder Unterthanen (homines proprii, glebae adscripti (et)c.) genant: Sie seyn so viel ihre Person anbetrift freye Leute, und können daher handeln und wandeln, und von ihren Actionen und Vermögen disponiren.

Hingegen seyn sie und ihre Kinder an gewisse der Herrschaft zugehörige Güter gebunden, welche sie bearbeiten, und ohne der Herrschaft Bewilligung nicht verlassen können, daher auch die Töchter sich auswärtig nicht verheyrathen, sondern auf dem Hof oder in dem Guth bleiben und dienen müssen.

§. 8.

Dergleichen Eigenthums-Recht acquiriret die Herrschaft (1) durch die Geburt, wann nemlich ein solcher Mensch von eigenbehörigen Eltern gebohren wird: (2) ex pacto, wann sich ein freyer Mensch von freyen Stücken einer Herrschaft als eigenbehörig oder unterthänig übergebt.

§. 9.

Es erhält also die Herrschaft über vergleichen eigenbehörige Unterthanen ein dingliches Recht, welches sie gegen einen jeden Besitzer dieses Menschen vindiciren kann.

§. 10.

Wann jemand läugnet daß er eigenbehörig sey, so hat die Herrschaft actionem


(1-13) Part. I. Lib. I. Tit. V. VI.

praejudicialem, vermöge welcher die Quaestio ob er eigenbehörig sey, ehe die Herrschaft denselben vindiciren kann, ausgemacht werden muß.

§. 11.

Der Beweis, daß jemand ein Eigenbehöriger sey, lieget demjenigen ob welcher solches affirmiret, weil die Praesumtion vor die natürliche Freyheit ist; Es wäre dann, daß derjenige, welcher den andern als einen Eigenbehörigen angiebt, in dem Besitz des Eigenthums sey, (welches Eigenthum auch praesumirt wird wann dessen Voreltern eigenbehörig gewesen) weil alsdenn der Reus beweisen muß, daß er ein freyer Mensch sey.

§. 12.

Weil in jeder Provintz, wo dergleichen Eigenbehörige vorhanden seyn, ein besonderes Eigenthums-Recht statuirt worden, so wollen Wir Uns dahin beziehen, und müssen Unsere Jsutitz-Collegia alle vorkommende Sachen darnach entscheiden.

§. 13.

Schließlich ist noch anzumercken, daß, wann ein Eigenbehöriger sich mit einer freyen Person, ohne derselben seine Condition anzuzeigen, verheyrathet, diese die Heyrath zu dissolviren befugt sey, jedoch sollen alsdann die Kinder als freye Leute angesehen und gehalten werden.

Tit. VI.

Von dem Statu Civitatis.

§. 1.

Der zweyte Status hominum ist der Status Civitatis: Weil alle Menschen in einer bürgerlichen Societaet leben, und entweder darin gebohren, oder in sothane Societaet aufgenommen werden.

§. 2.

Es finden sich aber in der bürgerlichen Societaet viererley Personen: (1) das Haupt; (2) die Bürger; (3) Einwohner oder Incolae; (4) Ankömmlinge oder Advenae.

§. 3.

Die drey erstere Personen haben allein den Statum Civitatis, und erlangen daher einige besondere Vorrechte, welche diejenige die keine Membra Civitatis seyn, nicht praetendiren können.

§. 4.

Solchergestalt erlanget (1) das Haupt dieser bürgerlichen Societaet ein Recht über die Glieder sothaner Societaet, und deren Actiones.

(2) Bürger werden eigentlich diejenige genannt welche bürgerliche Nahrung treiben, und das Bürger-Recht gewonnen haben: diese erlangen einige besondere Vorrechte, deren andre Einwohner die keine bürgerliche Nahrung treiben, und das Bürger-Recht nicht gewonnen haben, nicht fähig seyn.

(3) Die Einwohner, (Incolae) welche keine bürgerliche Nahrung treiben, erlangen gleichfals einige Rechte welche denen Fremden versagt werden.

§. 5.

Die Fremde, (Advenae) welche durch Unsere Länder nur durchreisen, oder sich bloß eine Zeitlang darinn aufhalten, haben keinen Statum Civitatis, folglich auch keine besondere Vorrechte, sondern sie seyn jure communi hominum sicher.

§. 6.

Weil die Verfassung derer Städte, das ist, die Bestellung der Magistraete, die Rathshäusliche Oeconomie, und Policey derer Städte, item der Bürgerschaft Privilegia,


(1-14) Part. I. Lib. I. Tit. VI. VII.

Praestationes, (et)c. von Unserm General-Directorio, und denen Kriegs- und Domainen-Cammern, von Zeit zu Zeit regulirt worden, so hat es bey sothanen Rathhäuslichen Reglements (so weit dieselbe nicht in das Justitz-Wesen einschlagen) lediglich sein Bewenden.

Wie weit aber die Städte und Magisträte zu dem Justitz-Departement gehören, darüber haben Wir Unsere Willens-Meinung durch ein besonderes Edict declarirt, welches Wir als ein ewiges und beständiges Gesetz gehalten wissen wollen.

§. 7.

Es ist also der Status Civitatis eine Condition, Eigenschaft, und Qualitaet derer Menschen welche in einer bürgerlichen Societaet leben, wordurch sie dererjenigen Jurium die aus diesem Statu folgen fähig gemacht werden.

§. 8.

Derjenige welcher dergleichen Vorrechte erlanget, und von andern in deren Besitz gehindert wird, kann diese Jura durch die Actiones ordinarias defendiren.

Wann aber demselben der Status selbst gestritten, und negirt wird daß er ein Membrum civitatis sey, und daher die Jura civitatis nicht praetendiren könne, so erlanget derselbe actionem praejudicialem, wordurch die Praejudicial-Quaestion, ob er Statum Civitatis habe, zuförderst erörtert werden muß.

§. 9.

Diese Action afficirt also die Person selbst, es vindicirt der Actor ein Recht welches immediate der Person anklebt, und differirt daher von denen übrigen actionibus realibus & personalibus.

§. 10.

Dieser Status Civitatis wird geändert und aufgehoben, folglich verliehrt das Membrum Societetis die daher fliessende Jura, (1) wann dasselbe in die Acht erklährt, nicht aber wann er des Landes verwiesen wird. (2) Wann jemand emigrirt und solchergestalt denen juribus civitatis renuncirt. In welchem Fall aber derselbe censum emigrationis seiner Obrigkeit entrichten muß.

Tit. VII.

Von dem Statu Familiae.

§. 1.

Der dritte Status hominum ist der Status Familiae.

§. 2.

Es ist die Familie eine häusliche Societaet, welche die Natur selber gestiftet hat.

§. 3.

Diese Familiae bestehet, wann sie specialiter genommen wird, 1.) aus dem Haus-Vater, welcher Herr von seinem Haus und Wohnung ist, und daher das Haupt der Familie genannt wird, 2) auch der Haus-Mutter welche mit ihrem Willen dem Haus-Vater in seine Wohnung folget, und dadurch ein Mitglied von ihres Mannes Familie constituirt wird. 3.) Aus denen Kindern, welche Fleisch und Blut von ihren Eltern, folglich eine wahre Portion von ihrem Leibe seyn, und daher nothwendig zu der Familie gehören.

Wann die Familie generaliter genommen wird; so werden 4.) darunter begriffen alle Verwandte, dann ob schon nach Absterben des Haus-Vaters ein jedes Kind eine besondere Familie Constituirt, so werden doch alle diejenige die von einem gemeinen


(1-15) Part. I. Lib. I. Tit. VII. VIII.

Haupt, folglich von einem Geblüte herstammen, zu der gemeinen Familie gerechnet. (*)

§. 4.

Weil nun alle Menschen von der Natur selbst das Recht einer Familie haben, und in der Familie gebohren werden, auch daher einige besondere Vorrechte und Jura erlangen, so gehöret diese Eigenschaft und Qualitaet mit unter den Statum hominum.

§. 5.

Es ist also der Status Familiae eine Condition, Eigenschaft, und Qualitaet derer Menschen, wodurch dieselbe ein Mitglied der Familie geachtet, und derer Vorrechte, welche der Familie ankleben, theilhaftig gemacht werden.

§. 6.

Diejenige welche dergleichen aus der Familie herrührende Jura haben, und von andern in derem Gebrauch gehindert werden, können dieselbe durch die gewöhnliche actiones schützen und vindiciren.

Wann aber denenselben der Status familiae selbst gestritten, und negirt wird daß sie Glieder derselben Familie seyn, so muß zuförderst untersucht werden ob sie auch diesen Statum haben, zu welchem Ende ihnen actiones praejudiciales verstattet werden.

Durch diese Actiones praejudiciales vindiciret der Actor eine Eigenschaft und Qualitaet, welche seiner Person immediate anklebt.

§. 7.

Der Status familiae wird geändert und aufgehoben (1) wann ein Glied der Familiae in die Acht erklährt, das ist sowohl des Lebens als aller Jurium Civitatis verlustig erklährt wird. Nicht aber (2) wann er der väterlichen Gewalt erlassen wird, weil die Servitus imaginaria, welche in denen Römischen Rechten bey der Emancipation supponiret, und aus welchem Supposito der Status familiae geändert würde, (**) nicht mehr in usu ist.

§. 8.

Es ist nunmehro nichts übrig, als daß Wir die Vorrechte und Jura, welche einer jeden Person und jedem Glied der häuslichen Societaet aus diesem Statu familiae zustehen, näher erklähren.

Tit. VIII.

Von denen Vorrechten welche dem Ehe-Mann in Ansehung seiner Ehe-Frauen, und der Ehe-Frauen in Ansehung ihres Ehe-Mannes ex statu familiae zustehen.

§. 1.

Weil die häusliche Societaet (familia) durch die Vereinigung des Mannes mit der Frauen constituirt wird, so sollen nunmehro die Vorrechte und Jura, welche aus dieser Vereinigung in Ansehung derer Ehe-Leute herrühren, erklährt werden.

 

(*) Familiae appellatio refertur ad Corporis significationem; quod aut jure proprio ipsorum, aut communi universae cognationis continetur: Jure proprio familiam dicimus plures personas quae sunt sub unius potestate aut natura aut jure subjectae, ut puta pater familias &c. communi jure familiam dicimus omnium agnatorium. l. 195. §. 2. V. S.

(**) Emancipato filio capitis diminutio manifeste accidit, cum emancipari nemo possit nisi in imaginariam servilem causam deductus. l. 3. §. 1. ff. Cap. dim.


(1-16) Part. I. Lib. I. Tit. VIII.

§. 2.

Der Mann ist von Natur das Haupt seiner Familie, die Frau verlässet ihre Familie und folget der Familie ihres Mannes, sie tritt in das Haus und Wohnung des Mannes, worvon dieser Herr ist. (*) Sie übergibt demselben ihren Leib mit der Intention, daß sie dem Mann Kinder zeuge, welche dessen Familie fortpflanzen sollen.

§. 3.

Hieraus folget, auch nach der natürlichen Vernunft, daß der Mann Herr seines Hauses und Haupt der Familie sey. Und daß die Ehe-Frau mit ihrem Willen in des Mannes Familie eintrete, folglich auf gewisse Art unter dessen Gewalt stehe. (**) woraus verschiedene Vorrechte und Jura herfliessen welche dem Mann in Ansehung der Frauen zustehen.

Dann es stehet 1.) dem Ehe-Mann frey in seinem Haus Gesetze und Reguln vorzuschreiben, welchen die Frau sich unterwerfen muß.

Wann 2) dieselbe sich wiederspenstig bezeugt, ist der Mann befugt dieselbe auf eine vernünftige Art zu ihrer Schuldigkeit anzuweisen.

Ferner und 3) ist die Frau als Gehülffin ihres Mannes schuldig die häusliche Arbeit nach ihrem Stand zu verrichten.

Hauptsächlich aber und 4) ist der Mann Herr über seiner Frauen Leib, dergestalt, daß er die eheliche Pflicht von ihr fodern, und sie ihm solche nicht versagen könne.

Und weil 5) beyde Ehe-Leuthe versprochen beständig und Lebens lang bey einander zu leben, auch lieb und leid mit einander auszustehen, so kann die Frau, unter dem Praetext daß der Mann seines Verstandes beraubt worden, (et)c. denselben ohne obrigkeitliche Erkäntniß nicht verlassen.

Und aus eben dieser Ursache muß 6) die Frau dem Mann und dessen Wohnung, wann er sein Domicilium ändert, folgen. Es wäre dann a.) daß in der Ehestiftung oder sonst verabredet worden, daß die Frau dem Ehe-Mann, wann er sich an einem andern Ort etabliren wolte, zu folgen nicht schuldig sey: oder daß 6) der Mann wegen seiner Missethat das Domicilium verändern müsse; als z. E. wann er des Landes verwiesen wird.

§. 4.

Im Gegentheil stehen auch der Frauen in Ansehung ihres Mannes einige Vorrechte und Jura zu.

Dann da 1.) die Frau als eine Gehülfin in des Mannes Familie übergehet, so geniesset dieselbe alle Rechte dieser Familie: Sie führet des Mannes Nahmen und Wapen, sie participiret von dessen Rang, und folget dem Foro welchem der Mann unterworfen ist; (et)c. welche Vorrechte die Frau auch nach des Mannes Tod behält, so lang sie im Wittwen-Stand verbleibet.

Der Ehe-Mann ist 2.) schuldig seine Frau im Gericht und ausser Gericht zu defendiren, daher kann er auch ohne Vollmacht dieselbe im Gericht, jedoch sub cautione de rato, vertreten.

Die Frau hat 3) ein Recht über den Leib ihres Mannes dahin, daß er ihr, wann er sonst durch Kranckheit oder andre Unglücks-Fälle nicht verhindert wird, ehelich beywohnen müsse: uud daß er

4.) Vermöge seines Versprechens keiner andern, ohne einen Ehebruch zu begehen, beywohnen könne.

Es kann auch 5.) der Ehe-Mann sich von seiner Ehe-Frau nicht ohne wichtige Ursache scheiden.

Die Ehe-Frau succedirt 6.) mit denen Kindern in gleiche Theile: es wäre dann

 

(*) Pater familias autem appellatur qui in domo dominium habet. l. 195. V. S.

(**) Matres familias quae in manum (i. e. potestatem) Viri convenierunt. Cic. in Top. Heinecc. Elem. jur. Civ. Part. 1. §. 159.


(1-17) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. I.

daß der Frauen durch eine Ehestifftung oder andere Disposition ein gewisses verschrieben, oder derselben durch die Landes-Gesetze eine portio statutaria vermacht sey, oder die communio bonorum eingeführt worden.

Der Ehe-Mann ist 7.) schuldig seine Ehe-Frau wann er sie ohne Brautschatz geheyrathet, oder wann dieselbe nachhero in Armuth gerathen, nach seinem Stand zu unterhalten.

Wie auch 8.) dieselbe solchenfals auf seine Kosten zu begraben.

Tit. IX.

Von denen Vorrechten, welche dem Vater ex Statu Familiae in Ansehung seiner Kinder zustehen.

(De Patria potestate.)

§. 1.

Es erlanget der Haus-Vater nicht allein ein Recht über seine ehlige Haus-Frau, sondern auch über seine aus rechter Ehe erzeugte Kinder.

§. 2.

Dieses Recht hat seinen Grund in der natürlichen Vernunft: die Kinder werden in dem Hause des Vaters, worvon er Herr ist, gezeuget: Sie werden in einer Familie gebohren, worin der Vater das Haupt ist: Sie werden aus des Vaters Saamen gezeuget, und seyn also eine Portion des väterlichen Leibes: Sie seyn nicht im Stande sich zu conserviren, sondern müssen von dem Vater durch die Erziehung zur Maturitaet gebracht werden: Welche Umstände alle eine gewisse Gewalt über die Kinder supponiren, welche die Väterliche Gewalt genannt wird.

§. 3.

Ehe und bevor Wir aber die Vorrechte der väterlichen Gewalt, (jura patriae potestatis) recensiren, so wird zuförderst nöthig seyn.

I. Die verschiedenen Arten, wordurch die väterliche Gewalt erlanget wird, zu erklären. (Vid. Art. I.) Worauf

II. Die Vorrechte welche dem Vater vermöge sothaner Gewalt in Ansehung seiner Kinder zustehen; und wie sothane Gewalt aufhöre und dissolvirt werde (et)c. beschrieben. (Vid. Art. II.) Und im Gegentheil

III. Die Vorrechte welche denen Kindern ex Statu Familiae in Ansehung des Vatern zustehen, erörtert werden sollen: (Vid. Art. III.) Und weil

IV. Dem Vater einige Vorrechte in dem Vermögen der Kinder (welches in peculiis bestehet) zustehen, so soll in dem Art. IV. von denen Peculiis der Kiner gehandelt werden.

V. Endlich sollen auch diejenige Vorrechte erörtert werden, welche der Mutter in Ansehung der Kinder, und denen Kindern in Ansehung der Mutter. (Vid. Art.V.)

VI. Auch ferner denen Verwandten unter sich zustehen. (Vid. Art. VI.)

Art. I.

Von denen verschiedenen Arten wordurch die väterliche Gewalt erlanget wird.

§. 4.

Die väterliche Gewalt wird erlanget

1.) Durch eine rechtmäßige Ehe.


(1-18) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. I.

2.) Durch die Legitimation: Wann nemlich ein unehlich gebohrnes Kind die Rechte eines ehlich gebohrnen Kindes erhält.

3.) Durch die Adoption; Wann jemand ein fremdes Kind an Kindes-statt annimmt.

§. 5.

Die väterliche Gewalt wird Erstlich und hauptsächlich erlanget durch eine rechtmäßige Ehe: Was aber eine rechtmäßige Ehe sey, davon soll in dem folgenden Buch gehandelt werden, damit die Materie von der väterlichen Gewalt hie nicht unterbrochen werde.

§. 6.

Die zweyte Art die väterliche Gewalt zu erlangen ist die Legitimation, welche nichts anders ist als ein rechtliches Mittel, wodurch diejenige Kinder so ausser der Ehe gezeugt seyn die Jura und Rechte der ehlichen Kinder erhalten.

§. 7.

Diese Legitimation geschicht entweder durch die von dem Vater nachher vollzogene Heyrath, (per subsequens matrimonium) oder durch die Landesherrliche Authoritaet per Rescriptum Principis.

§. 8.

Die Erste Art der Legitimation, durch die nachher erfolgte Heyrath, (per subsequens matrimonium) supponirt (1.) daß der Vater die geschwächte Person zur Ehe nehme (welches auch in der letzten Todes-Stunde, wann er sonst seine völlige Vernunft hat, geschehen kann) in welchem Fall keine Proclamatio, wohl aber benedictio sacerdotalis nöthig ist: daher ist nicht genug, wann der Vater schriftlich oder mündlich bezeuget daß er die geschwächte Person vor seine Ehefrau erkenne, und die Kinder vor ehlich halte.

Daß aber die Kinder gegenwärtig, und das Kleid des Vaters mit angreifen müssen, solches ist nicht nöthig.

2.) Daß der unehlige Sohn darein willige.

3.) Daß die geschwächte Person eine solche sey, welche der Stuprator nach denen Gesetzen heyrathen könne.

Solchergestalt kann auch 4) ein uneheliges Kind legitimirt werden, wann schon der Vater nach beschehener Schwängerung mit einer andern verheyrathet gewesen, und ehlige Kinder gezeugt hat.

Wann 5) der Vater, auf erhaltene Dispensation, diejenige heyrathet mit welcher er bey Lebzeiten ihres Mannes einen Ehbruch begangen, sollen die Kinder zwar vor ehlich gehalten werden, aber ab intestato so wenig dem Vater als übrigen Verwandten succediren: Ein anders aber ist, wann der Vater mit einer ledigen Weibs-Person einen Ehebruch begangen hat, und dieselbe nach seiner Frauen Tod heyrathet.

Wann 6) der unehlige Sohn verstorben, und ein Kind hinterlassen, kann dieser Enckel durch die Heyrath des Erbs-Vatern legitimirt werden.

Durch diese Legitimation erlangt der Vater 7) eine völlige väterliche Gewalt, folglich alle daher fliessende Vorrechte: wovon unten Art. II. gehandelt werden soll.

Die uneheliche Kinder werden retro, und von dem Moment des ersten Beyschlafes vor ehelich geachtet, und geniessen von der Zeit an alle Vorrechte, welche denen ehligen Kindern zustehen: Wann auch schon die Eltern protestiren und declariren, daß ihre Intention nicht sey die Kinder durch ihre Heyrath vor ehlige Kinder zu agnosciren.

Sie führen daher a) des Vatern Nahmen und Wapen, und haben b) Theil an allen Dignitaeten des Vaters, und an den Privilegiis, welche der Familie ankleben: Daher, wann sie c) Geburts-Briefe verlangen, müssen ihnen diese schlechterdings als ehlich gebohrnen ertheilet, und sie zu allen Handwerckern und Collegiis zugelassen, und darinn eingenommen werden: Und wann (e) in denen Statutis von ehligen Kindern etwas statuirt worden, so müssen auch diese Legitimati darunter verstanden werden;


(1-19) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. I.

Im übrigen succediren sie f) den Vater, und übrigen Verwandten, wie andre ehlige Kinder: und wann sie g) praeterirt werden, ist das Testament null: wann sie h) ohne rechtliche Ursache enterbet werdet, haben sie querelam inofficiosi Testamenti: Es werden auch i) dergleichen Kinder in der Erstgeburt denen aus der Ehe vorher (= nachher)  gezeugten Kindern praeferirt, und geniessen also alle die Jura die der Primogenitur ankleben: Wann k) ein Bruder seinen legitimirten Bruder zum Erben einsetzet, haben die übrige Brüder, unter dem Praetext als ob infamis Persona instituirt sey, keine Action: Jedoch können l) dergleichen durch die erfolgte Heyrath legitimirte Kinder nach denen Landtags-Recessen in denen Lehn und Fidei-Commiss-Gütern auch Majoraten nicht succediren.

§. 9.

Es können auch Zweytens die uneheliche Kinder legitimirt werden, wann der Landes-Herr denenselben die Vorrechte derer eheligen Kinder per Rescriptum verstattet und zueignet, oder, wann auf erhaltenen Landesherrlichen Consens der Vater in seinem Testament dergleichen Kinder vor eheliche Kinder declarirt, und sie zugleich zu Erben einsetzt.

Es kann also niemand als der Landes-Herr das Recht der ehlichen Kinder ertheilen: dahero keine Comites Palatini, sie mögen von uns confirmirt seyn oder nicht, wegen des darunter vermerckten Mißbrauchs, weiter dergleichen sich unternehmen sollen. Und wann auch dem Privilegio diese Facultaet eingerückt wird, soll das Rescript vor sub- & obrepirt gehalten, und der Comes palatinus, wann er dergleichen Legitimations-Patent expedirt, gestraft werden; die Legitimation selbst aber keine Kraft haben.

Welches auch von denen Comitibus palatinis die schon vorhin dergleichen Concession erhalten ratione futuri statt haben soll.

Es wird aber zu dieser per Rescriptum erhaltener Legitimation erfordert, I. daß der Vater die Person, mit welcher er das Kind gezeuget, nicht heyrathen, folglich das Kind durch die Heyrath nicht legitimiren könne: z. E. wann das Kind ex adulterio cum conjugata, oder ex incestu gezeuget, oder die Mutter verstorben ist.

II. Daß der Vater solches verlange, und bey dem Landes-Herrn darum ansuche.

Wann also die unehliche Kinder selbst, oder deren Mutter, die Legitimation suchen, erlangen die Kinder dadurch kein Successions-Recht, wann solches schon in dem Patent exprimirt worden, weil Wir weder befugt noch willens seyn denen Agnaten ihr wohlerworbenes Recht zu entziehen.

Sie führen auch nicht einmahl den Nahmen und Wapen ihres Vaters, wann solches nicht in specie in den Patent angeführt wird: Sie stehen auch nicht in des Vatern Gewalt.

Alles was also dergleichen per Rescriptum legitimirte Kinder erhalten ist dieses, daß ihnen der Eltern Fehler nicht vorgerückt, und sie von denen Ehren-Aemtern und Gewercken nicht ausgeschlossen werden können.

III. Daß, wann ehelige Kinder vorhanden seyn, diese ihren Consens ertheilen: Wann sie nicht consentiren, erlangen zwar die legitimirte Kinder alle Vorrechte derer ehelichen Kinder, aber sie können dem Vater nicht ab intestato succedireu.

Es verstehet sich aber dieses nur von denen Kindern welche tempore legitimationis vorhanden seyn; wann also der Vater nach beschehener Legitimation Kinder zeugt, kann die vorhin beschehene Legitimation durch diese nicht entkräftet werden.

Wie dann auch die Contradiction derer Anverwandten dergleichen Legitimation nicht hindern kan.

IV. Wird erfodert daß das unehliche Kind, oder dessen Vormund, darein willige.

V. Dergleichen per Rescriptum auf des Vatern Anhalten legitimirte unehlige Kinder erhalten alle Vorrechte derer ehligen Kinder, sie mögen aus einer Concubine, oder von einer gemeinen Huren gezeugt seyn: dergleichen Kinder führen den Nahmen


(1-20) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. I.

und das Wapen ihres Vaters, sie seyn sui haeredes, und stehen unter der väterlichen Gewalt, eben wie die ehliche Kinder.

Es succediren aber dieselbe keinesweges in die Lehn-Fideicommiss-Güter und Majoraten: Vielweniger erhalten dieselbe, wann der Vater einer von Adel ist, dadurch Jura Nobilium, wann solches nicht in specie in dem Rescript exprimirt ist.

Sie succediren auch nicht ab intestato deren väterlichen Verwandten: wann ihnen schon in dem Patent die Jura succedendi in genere vorbehalten worden.

§. 10.

Der dritte Modus wodurch die väterliche Gewalt erlangt wird, ist die Adoption: Wann nehmlich jemand einen andern, den er nicht in seiner väterlichen Gewalt hat, an Kindes statt, und, als wann er in sothaner Gewalt gebohren wäre, annimmt.

I. Wann eine Person die sui juris, das ist, unter keiner väterlichen Gewalt stehet, an Kindes statt angenommen wird; so wird dieser Actus arrogatio genannt.

Wann aber jemand eine Person die unter eines andern väterlichen Gewalt stehet, an Kindes statt annimmt, wird diese Handlung adoptio in specie genannt.

II. Es können aber arrogiren 1.) alle diejenige die keine Kinder haben, auch keine Hofnung haben solche zu erlangen, sie mögen verheyrathet seyn, oder nicht: Dann wann Kinder vorhanden, oder Hofnung ist daß solche noch erfolgen können; so ist nicht nöthig beneficio legis dasjenige zu erlangen, was die Natur demselben schon gegeben, oder noch zu hoffen offen gelassen hat, dahero dann auch

2) Diejenige die unter 60. Jahren seyn, nicht arrogiren können, weil sie durch Heyrath Kinder zeugen sollen, es wäre dann, daß sie aus besondern Ursachen, welche die Obrigkeit untersuchen muß, dazu verstattet würden.

Es muß 3) der Arrogator über 18. Jahr alt seyn, weil bey einem so wichtigem Werck eine völlige und vernünftige Pubertaet erfodert wird.

Er muß auch 4.) älter seyn als der Arrogatus, weil nach dem Lauf der Natur der Sohn nicht älter seyn kann als der Vater.

Wann jemand 5.) durch seine Schuld die Mannheit verlohren, wann er z. E. sich selbst castriren lassen, (nicht aber wann Eltern solches in des Castrati Jugend veranlasset,) so kann derselbe nicht arrogiren.

Wie dann auch 6.) die Weibs-Leute nicht arrogiren können, weil sie der väterlichen Gewalt nicht fähig seyn, es wäre dann, daß sie vorher Kinder gehabt, und solche verlohren hätten.

III. Es können arrogirt werden alle fremde, welche sui juris, das ist in keiner väterlichen Gewalt seyn, sie mögen männlichen oder weiblichen Geschlechts seyn, daher kann auch der Vater seinen eigenen Sohn arrogiren, den er vorhin emancipirt hat, und ein Groß-Vater kann seinen Enckel, dessen Vater emancipirt ist, arrogiren.

IV. Es müssen aber dergleichen Wahl-Kinder gegenwärtig seyn, und mit ausdrücklichen Worten consentiren, daher die Einwilligung weder durch einen Procuratorem, noch schriftlich, noch tacitè ertheilet werden kann.

V. Es wird auch Unsere Landesherliche Confirmation darüber erfodert, weil eine Familie dadurch ausgehet, und das Haupt einer Familie einer fremden Gewalt unterworfen wird.

VI. Wann ein Minorennis oder Unmündiger arrogirt wird, müssen überdem folgende Solennia darbey in acht genommen werden:

1.) Muß dessen Vormund und Curator in die Arrogation consentiren; wann aber der Unmündige noch in denen Jahren der Kindheit stehet, das ist, unter 7 Jahr alt ist, kann der Vormund allein den Handel schliessen.


(1-21) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. I.

2.) Muß eine gerichtliche genaue Untersuchung, mit Zuziehung einiger von denen nächsten Anverwandten geschehen, ob der Arrogator von guten Sitten, Leben, und Wandel sey, ob keine verdächtige Ursachen dieser Arrogation vorhanden, und ob der Unmündige oder Minderjährige Vortheil dabey zu hoffen (et)c.

3.) Wann alles seine Richtigkeit hat, muß der Arrogator tüchtige Caution bestellen, daß er, wann der Unmundige in seinen unmündigen Jahren versterben, oder der Minderjährige per Testamentum von seinem Vermögen nicht disponiren würde, denen Erben die Verlassenschaft herausgeben wolle.

4.) Es kann auch der Arrogator ohne höchst wichtige Ursache dergleichen Arrogatum nicht emancipiren, sondern wann er solches thut, ist er schuldig nicht allein das gantze Vermögen des Arrogati, sondern auch den vierten Theil seines eigenen Vermögens (folglich nicht bloß legitimam) demselben heraus zu geben.

Wann er ihn aber ex justa causa emancipirt, muß sich der Arrogatus bloß mit Extradition seines Vermögens begnügen.

Ob aber die Causa justa oder injusta sey, darüber muß der Richter, wann dem Arrogato zufoderst ein Tutor oder Curator bestellet worden, rechtlich erkennen.

5.) Die Vermünder und Curatores können ihre Pflegkinder nicht arrogiren, wann sie nicht vorher die Rechnung abgeleget, und andre Tutores und Curatores bestellen lassen, auch die bey dieser Arrogation vorkommende Umstände vorgeschriebenermassen untersucht worden.

VII. Durch die Arrogation erlangt der Wahlvater eine völlige väterliche Gewalt, nebst allen Vorrechten, welche davon dependiren (und zwar nicht allein über des Arrogati Person, sondern auch über dessen Kinder und Familie (et)c.) daher kanu (= kann) der Arrogator dem Arrogato pupillariter substituiren, demselben in seinem Testament einen Vormund bestellen. (et)c.

VIII. Der Arrogatus, oder das Wahl-Kind, gehet also aus des natürlichen Vaters Gewalt heraus, er ist nicht mehr suus haeres seines vorigen Vatern (= er succedirt demselben und andern Gliedern der Familie nicht mehr ab intestato), die von diesem beschehene Substitutio Pupillaris wird dadurch entkräftet, und wann er dem Arrogato einen Vormund in seinem Testament bestellet hat, darf derselbe nicht confirmirt werden, als in so weit der natürliche Vater dem Arrogato etwas vermacht hat.

Der Arrogatus erlanget alle Vorrechte die aus der Familie des Arroganten herrühren: Daher wird er demselben suus Haeres; Der Wahlvater kann ohne Nullitaet des Testaments denselben nicht praeteriren, auch ihn nicht ohne rechtmäßige Ursache enterben: Wann aber auch justa causa exhaeredationis vorhanden, muß ihm dennoch sein eigenes Vermögen ausgeliefert werden.

IX. Dergleichen Arrogati erlangen aber nur diejenige jura civilia welche der Familie ankleben, folglich nur jura agnationis: diejenige Jura aber die aus dem Geblüte, ex jure sanguinis seu cognationis, herrühren, können sie nicht erlangen; Daher des Wahlvaters Ehefrau diesem Wahlkind nicht an Mutter-statt ist; Wie dann auch dessen Großmutter, oder Großeltern mütterlicher Seiten, vor seine Großeltern nicht gehalten werden, folglich kann er denenselben ab intestato nicht succediren: dergleichen Wahl-Kinder können auch nach denen Landes-Recessen an denen Lehn-Güthern keinen Theil haben: welches Wir auch in denen Fidei-Commiss- und Majorat-Gütern also gehalten wissen wollen.

Ein anders ist wann jemand von einem Ascendenten oder Agnaten väterlicher Seiten arrogirt wird, weil in diesem Fall jura naturalis cognationis seu sanguinis mit dem jure agnationis in einer Persohn concurriren, folglich der Arrogatus nicht jure arrogationis, sondern ex providentia majorum in dergleichen Güter succedirt (vid. infr. §.) Wann aber ein Descendent von dem Gros-Vater (= jemand von einem Ascendenten oder Verwandten)mütterlicher Seiten arrogirt wird, kann er in dergleichen Güter nicht succediren, es wäre dann, daß auch


(1-22) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. I.

die Tochter dergleichen Güther erbeten, oder der Lehns-Herr denenselben eine Expectantz ertheilte.

X. Es erlanget ein solcher Arrogatus durch diese Wahlkindschaft verschiedene Actiones.

1.) Actionem praejudicialem, wann ihm quaestio status gemacht, und negirt wird daß er rite arrogatus sey.

2) Wann ihm des Wahl-Vaters Erbschaft vorenthalten wird, hat er petitionem haereditatis: Anbey

3.) Familiae erciscundae actionem, wann von der Theilung eines Erb-Stücks unter denen Mit-Erben Streit entstehet:

Nichtweniger 4.) querelam in officiosi &c. wann er sine causa enterbet, oder die quarta bonorum ihm nicht völlig überlassen worden &c.

Und en general 5.) alle Actiones, welche denen ehligen Kindern jure Familiae zustehen.

§. 11.

Wann jemand eine Person die nicht sui juris ist, sondern unter der väterlichen Gewalt stehet, (solche mag ex justis nuptiis, oder ex legitimatione, oder ex plena adoptione herrühren) an Kindes statt annehmen will; so wird solches adoptio in specie genannt.

Diejenige Persohnen welche nicht arrogiren können, haben auch kein Recht per adoptionem jemand an Kindes statt anzunehmen: (Vid. §. 9. n. II.) Wie denn auch ein Vater seinen unehlichen Sohn weder zu arrogiren noch zu adoptiren vermag, weil er durch die Legitimation die väterliche Gewalt erlangen kann.

Alle diejenige können adoptirt werden, welche unter eines andern väterlichen Gewalt stehen, wann sie auch schon unmündig seyn: und braucht es alsdann nicht einmahl Unserer Landesherrlichen Confirmation, sondern es ist genug, wann der Actus von denen ordentlichen Gerichten bestätiget wird: Wann die Obrigkeit selber adoptirt oder adoptirt wird, müssen entweder die Membra Collegii, oder der Ober-Richter die Confirmation ertheilen.

Es wird aber zu dergleichen Adoption erfodert a) der Consens des Wahl-Kindes: Eine ausdrückliche Einwilligung ist nicht nöthig, sondern es ist genug wann der gegenwärtige Sohn nicht contradicirt, oder wegen seines Alters nicht contradiciren kann. b) Muß auch der natürliche Vater des Wahl-Kindes consentiren. c) Der Verwandten Einwilligung aber ist nicht nöthig.

Es ist aber ratione effectus ein Unterscheid zu machen, ob das Wahl-Kind von einem Ascendenten adoptirt werde, oder von einem fremden: In dem ersten Fall ist die Adoptio ein Modus die väterliche Gewalt zu erlangen, nicht aber in dem letzten Fall.

§. 12.

I. Der Effect von dergleichen Adoption welche von dem Ascendenten geschicht, ist dieser, daß er die völlige väterliche Gewalt mit allen denen davon dependirenden Rechten über das Wahlkind erlanget.

Dahingegen der Descendent oder Wahl-Sohn alle Vorrechte, welche die ehlige Kinder geniessen, acquirirt, weil nunmehro alle Jura agnationis, welche von der Familie dependiren, und jura cognationis, welche aus dem Geblüt herrühren, in einer Person concurriren. Vid. §. praeced. n. IX.

Daher diese ab ascendente adoptirte Kinder in denen Lehnen, Fideicommissis Familiae, Majoraten &c. gleich andern ehligen Kindern nach ihrer Ordnung succediren.

II. Wann einer von Adel ein Kind bürgerlichen Standes arrogirt oder


(1-23) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. II.

adoptirt, bekommt dieses dadurch keine jura Nobilitatis, wann auch schon die Wahl-Kindschaft von uns confirmirt wird.

Wie dann auch, wann ein Baron oder Graf einen Edelmann an Kindes statt annimmt, dieses weder in den Freyherrlichen noch Gräflichen Stand dadurch gesetzt wird.

Es wäre dann, daß Wir der Confirmation dieses mit ausdrücklichen Worten mit einrücken lassen würden.

III. Dem Adoptato ab ascendente stehen alle Actiones zu, die dem Arrogato zugestanden werden. (Vid.§.9.n.10.)

IV. Wann dergleichen arrogirte oder adoptirte Kinder durch diese Handlung laedirt werden, können sie restitutionem in integrum suchen.

§. 13.

Wann jemand eine fremde Person die unter väterlicher Gewalt stehet, und nicht aus der Familie des Wahl-Vaters herstammet, an Sohns statt annimmt, so wird durch dergleichen Adoption die väterliche Gewalt auf den Wahl-Vater nicht transferirt, sondern das Wahl-Kind bleibt quoad jura agnationis & cognationis in seines natürlichen Vatern Gewalt. Es erlanget also dergleichen Wahlkind nichts als das jus succedendi ab intestato in des Wahl-Vaters Vermögen.

Wann auch der Vater ein solches fremdes Kind an Enckelsstatt, als ob er (= es)aus seinem Sohn gezeugt sey, adoptiren will, so wird weder dem Adoptanten noch dessen Sohn dadurch eine väterliche Gewalt, sondern bloß das jus succedendi ab intestato acquirirt.

Weil nun dergleichen adoptirtes Kind, ausser der Succession ab intestato, keine jura filii erlanget, so kann ihn der Wahlvater in seinem Testament vorbeygehen und praeteriren: und ist nicht schuldig ihm das geringste in seinem Testament zu verlassen.

Im übrigen kann auch eine Weibs-Person, und ein jeder der keine Kinder hat, von was Alter er seyn mag, (wann er nur majorenn ist) dergleichen Wahlkind adoptiren.

Im Fall jemand nach beschehener Arrogation oder Adoption heyrathet und Kinder zeuget, oder seine unehlige Kinder legitimirt, kann die Wahlkindschaft dadurch nicht aufgehoben werden.

§. 14.

Es ist eine Art von Adoption durch einen alten Gebrauch eingeführt worden, welcher die Einkindschaft (unio prolis) genannt wird. Wann nemlich zwey Eheleute ihre zusammengebrachte Kinder zu gemeinschaftlichen Kindern und Erben annehmen: Weil aber zu diesem Negotio viele Umstände erfordert werden, welche zu Processen Anleitung geben, selbiges auch keinen sonderlichen Nutzen hat, weil die Eheleute per adoptionem oder durch ihren letzten Willen ihren Stiefkindern gutes thun können; so wollen Wir sothane Einkindschaft hierdurch ratione futuri gäntzlich aufgehoben wissen.

Art. II.

Von denen Vorrechten der väterlichen Gewalt in Ansehung der Kinder, und wie sothane Gewalt aufhöre und dissolvirt werde.

§. 15.

Nachdem gezeigt worden, wie die väterliche Gewalt acquirirt werde: so ist nöthig, die Vorrechte zu beschreiben, welche dem Vater in Ansehung der Kinder aus sothaner väterlichen Gewalt zustehen, und in der Natur selbst gegründet seyn.


(1-24) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. II.

§. 16.

Die alte Römische Gesetze haben denen Vätern (welche Quirites genannt wurden) eine Art eines Eigenthums, nemlich Dominium Quiritarium über ihre Kinder zugestanden: und aus diesem Grund demselben verstattet, die Kinder aus Noth zu verkauffen, zu exponiren, und sogar wegen begangener Missethat zu tödten.

Die Kinder hatten nichts eigenes, sondern alles was denen Kindern zufiele, oder dieselbe erwerben konten, gehörete dem Vater zu, so gar, daß auch der Braut-Schatz des Sohnes dem Vater zugeeignet wurde.

Daher konnte kein Kind ohne Bewilligung des Vaters vor sich eine Action anstellen, oder excipiren, auch kein Testament machen.

Zwischen Vater und Kindern war keine Handlung kräftig, und wurde beyden keine Action aus dergleichen Handlung verstattet; so gar, daß auch dem Vater nicht erlaubt war denen Kindern etwas zu schencken.

Wann die Kinder geraubt wurden, hat man dem Vater actionem furti (welche bloß dem Domino zustehet) wie auch, wann die Kinder verheelet wurden, actionem ad exhibendum, und hiernechst rei vindicationem, als einem Domino und Eigenthums-Herren, gegeben (et)c.

§. 17.

Nachdem aber dieses Dominium quiritarium nachher aufgehoben, und durch Einführung verschiedener Peculiorum denen Kindern die Disposition ihrer meisten Güter frey gelassen worden; so haben die folgende Gesetze dem Vater bloß diejenige Vorrechte welche aus der Familie und dem Geblüte, mithin aus der Vernunft folgen, vorbehalten.

§. 18.

Es seyn daher I.) die Kinder schuldig dem Vater, als dem Haupt der Familie, und dem Urheber ihrer Existentz, zu gehorchen, und dessen Befehlen (in so weit dieselbe nicht gegen die göttliche und weltliche Gesetze lauffen) sich zu unterwerfen.

Wann sie solches nicht thun, kann der Vater dieselbe durch eine vernünftige Züchtigung zu ihrer Schuldigkeit anhalten, auch zu dem Ende sie in seinem Haus einschliessen, und im Gehorsam halten.

Er ist aber keinesweges befugt dieselbe auf eine tyrannische Art zu tractiren, dieselbe ungesund zu schlagen, oder sie ohne richterliche Untersuchung in ein Zuchthaus zu bringen.

§. 19.

Es seyn ferner und II.) die Kinder aus eben derselben Ursache schuldig ihren Vater alle Ehrerbietung zu erweisen, und nichts vorzunehmen wordurch dessen Ehre und Leumuth Noth leiden könnte: daher kann kein Kind eine Actionem famosam gegen den Vater anstellen, oder dergleichen Exception demselben opponiren, sondern es muß sothane Actio oder Exceptio in factum temperirt werden.

§. 20.

Im übrigen acquiriren III.) die Kinder nicht mehr ihrem Vater, sondern sie können nach ihrem Gefallen von ihrem Vermögen, sowohl unter Lebendigen, als nach dem Tod per Testamenta: (jedoch mit Vorbehalt der Legitimae) disponiren; und wird nichts davon ausgenommen als das Peculium profectitium, und adventitium ordinarium, weil in jenem das Eigenthum, in diesem aber der Ususfructus dem Vater zustehet: worvon unten weiter gehandelt werden soll. Vid. infr. art. IV.

Es können dahero die Kinder mit dem Vater (ausser diesen beyden Peculiis) handeln, contrahiren, beyde können einander schencken (et)c. woraus hinc inde actiones gegen einander erwachsen.

§. 21.

Weil IV.) die Kinder unter dem Corpore Familiae begriffen seyn, auch mit der Intention gezeugt worden, daß sie des Vatern Familie continuiren sollen; so folget


(1-25) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. II.

von selbsten, daß nach des Vatern Tod die gantze Familie mit allen Rechten auf sie transferirt werde, das ist, daß sie nothwendige Erben (sui Haeredes) werden, folglich alle Onera und Commoda der Familie übernehmen, auch, als Erben, des Vatern Factum praestiren müssen: Es wäre dann, daß sie gerichtlich declariren daß sie sich der Erbschaft enthalten wollen. vid.Art. seq. §.33.

Und dieses ist die Ursache warum die Kinder ohne des Vatern Consens nicht heyrathen können, weil demselben wieder seinen Willen kein Membrum familiae, vielweniger ein Erbe obtrudirt werden kann.

§. 22.

Da auch V.) die Kinder nicht allein dem Corpore familiae begriffen, sondern auch eine Portion von dem Leib des Vatern, folglich auf gewisse Art eine Person mit demselben seyn; so ist der Vater befugt die Glieder seiner Familie und seines Leibes zu beschützen, und vor deren Conservation zu sorgen.

Zu welchem Ende ein Vater a) seine Kinder, wann sie criminaliter belangt werden, vor Gericht vertreten, b) vor dieselbe ohne Vollmacht im Gericht erscheinen, c) die seinen Kindern angethane Injurien vindiciren, d) seinen unmündigen Kindern substituiren, und e) denenselben durch seinen letzten Willen Vormünder setzen kann: Es seyn auch f) die Gelübde derer Kinder, wodurch sie sich dem Kloster-Leben widmen, ohne des Vatern Consens null und nichtig. Wann g) jemand die Kinder verhelet, kann der Vater actione ad exhibendum agiren, daß die Kinder exhibirt und ihm abgefolget werden: wann sie h) geraubt werden, agirt der Vater actione de vi privata vel publica.

§. 23.

Weil auch die Kinder mit dem Vater eine Persohn, folglich natürliche Instrumenta des Vatern seyn, so können die Kinder dem Vater pacisciren, das ist durch ihren mit einem tertio nomine Patris getroffenen Handel, dem Vater ein jus agendi acquiriren.

Wann also jemand dem Sohn eines tertii verspricht, daß er dessen Vatern 100. Rthlr. schencke, daß er dessen Vater die Schuld remittire, daß er dessen Vater eine Servitut verstatte (et)c. und der Sohn im Nahmen seines Vatern solches acceptirt, so ist es eben so viel als ob der Vater selbst contrahirt hätte, daher dem Vater ex pacto filii ein jus agendi erwächset.

§. 24.

Aus eben dieser Unitaet folget, daß wann die Kinder die Possession eines Dinges ergreiffen welches zu dem peculio profectitio oder adventitio ordinario gehöret, der Vater durch die Kinder die Possession dieser peculiar Stücke, auch ohnwissend, erlange.

Es verstehet sich aber von selbsten, daß in vorgemeldten beyden Peculiis der Sohn dem Vater alsdann acquirire, wann über solche Sachen gehandelt wird, welche dem Vater acquirirt werden können. Wann also dem Sohn, als Possessori des Peculii, erlaubt wird daß er vor sich jus eundi, agendi &c. in des Nachbaren Guth haben solle; so kann der Vater sich dieses Rechts nicht anmassen.

§. 25.

Es cessiret aber diese unitas personae 1) Wann dem Vater nichts durch des Sohns Handlung acquirirt, sondern vielmehr derselbe daraus obligirt wird: daher kann der Vater, wann der Sohn ausser dem peculio profectitio Schulden macht, nicht belangt werden.

Es cessirt auch 2) diese Unitaet in publiquen Handlungen, daher kann der Sohn des Vaters Richter seyn, dessen Handlungen confirmiren: der Sohn


(1-26) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. II.

kann ohne des Vaters Consens munera publica übernehmen, als Vormundschaften (et)c.

Es cessirt auch 3.) diese Unitaet in denen Missethaten des Sohns, und kann der Vater so wenig aus der Kinder, als diese aus des Vaters Missethaten obligirt werden.

§. 26.

Die Väterliche Gewalt hört auf 1) wann der Vater oder das Kind verstirbet.

Es fallen auch die Kinder nach des Vatern Tod nicht in die Gewalt des Gros-Vatern, sondern sie bleiben unter der Aufsicht und Vormundschafft der Mutter, und wann die Mutter verstorben, oder dieselbe nicht Vormünderin seyn will, müssen die Gros-Eltern als natürliche Vormünder vor der Kinder Erziehung, und Conservation ihres Vermögens, sorgen.

2) Wann einer von beyden in die Acht erklährt, oder sonst vor einen Feind des Vaterlandes declarirt wird, welches auch alsdann statt hat, wann einer desertirt.

3) Wann ein Vater sein Kind der väterlichen Gewalt erläßt, welches geschicht, wann er seinen Ascendenten dasselbe an Kindes statt überläßt.

Ausser diesem Fall hat heut zu Tag keine Emancipation weiter statt, daher auch der Vater das pretium emancipationis, nehmlich die Helffte des Kinder-Guths, nicht weiter fodern kann.

4) Wann ein Vater sein Kind exponirt, er mag solches an einen öffentlichen Ort, oder bey einer Kirche, oder in einem Privat-Haus hinlegen.

5) Wann der Vater seine väterliche Gewalt mißbraucht, die Kinder auf eine tyrannische Art tractirt (et)c. item wann er seine Kinder verkuppelt, oder sonst schandbahre Dinge mit denenselben vornimmt.

§. 27.

In allen diesen Fällen wird die väterliche Gewalt, folglich alle die Vorrechte welche derselben ankleben, völlig aufgehoben: ob schon die Jura welche aus dem Geblüth herrühren zwischen dem Vater und denen Kindern aufrecht bleiben: daher seyn die Heyrathen in gradibus prohibitis verbothen, wer seinen Vater umbringt, wird pro paricida (!) gehalten (et)c.

§. 28.

Es wird aber die väterliche Gewalt nicht dissolvirt, wann ein Kind seine eigene Haushaltung mit des Vaters Bewilligung anstellet: dann in diesem Fall bleiben dem Vater alle effectus patriae potestatis vorbehalten, ausser daß er den ihm zustehenden Usumfructum peculii adventitii ordinarii dem Kind zu seiner Haushaltung überlassen muß, und daß das Kind von diesem Peculio nach Gefallen disponiren kann, wann auch schon das Kind seine Wohnung in des Vatern Haus behält.

Unter diejenige aber welche separatam familiam anstellen werden nicht gerechnet, welche auf Reisen begriffen seyn, oder bey andern Leuthen dienen, oder in Kriegs-Diensten stehen; es wäre dann daß der Vater seinen in Kriegs-Diensten stehenden Kindern keinen Zuschub gethan.

§. 29.

Es wird auch die väterliche Gewalt nicht dissolvirt wann ein Kind mit Bewilligung des Vaters heyrathet, ausser daß der Vater, wie in den vorgehenden §. versehen, der Nießbrauch des dem Kinde zustehenden Peculii adventitii verliehrt.

Welches auch statt findet, wann schon die Eheleute in des Vatern Haus und Kost bleiben, oder das Kind einen reichlichen Dotem aus dem väterlichen Vermögen erhalten, und wann auch schon die Ehe nachher dissolvirt wird.


(1-27) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. III. IV.

§. 30.

Schließlich wird auch die väterliche Gewalt nicht dissolvirt, wann der Sohn eine ausnehmende Bedienung oder Dignitaet erlangt, daher behält auch der Vater den Nießbrauch des Peculii adventitii: Es wäre dann, daß der Sohn mit Einwilligung des Vaters eine separirte Haushaltung anstellet, oder sich verheyrathet.

§. 31.

Am wenigsten wird die väterliche Gewalt aufgehoben, wann ein Kind vom Feind gefangen, oder gar in die Sclaverey geführt wird; oder wann es auch mit Willen der Eltern in ein Closter gehet; oder wann es von den Vater enterbet wird.

Es kann auch das Kind dem Vater keine exceptionem praeseriptionis opponiren und behaupten daß der Vater in 30 Jahren sich nicht um ihn bekümmert habe.

Art. III.

Von denen Vorrechten welche denen Kindern ex statu familiae, in Ansehung des Vaters, zustehen.

§. 32.

Gleichwie der Vater aus dem statu familiae einige Vorrechte in Ansehung seiner Kinder erlangt, also erlangen auch im Gegentheil die Kinder aus eben demselben statu einige Vorrechte in Ansehung ihres Vatern.

§. 33.

Dann es participiren 1) die Kinder von denen Praerogativen welche der väterlichen Familie ankleben, sie führen des Vatern Nahmen und Wapen, sie folgen dessen Forum. &c.

§. 34.

Sie continuiren 2) nach des Vatern Tod dessen Familie, und succediren also in alle Jura familiae, folglich in das gantze von ihm hinterlassene Vermögen: daher seyn die Kinder sui haeredes, und braucht es dieserwegen keiner besondern Antretung der Erbschaft. Vid. art. praec. §.7.

§. 35.

Es ist 3) der Vater nicht befugt die Kinder in seinem letzten Willen zu praeteriren, oder dieselbe ohne Ursache zu enterben.

§. 36.

Der Vater ist 4) schuldig die Kinder, wann sie nicht eigene Mittel haben, zu erziehen und zu ernehren: Was aber unter der Alimentation begriffen ist, davon soll unten gehandelt werden.

Er ist auch 6) schuldig die Töchter zu dotiren, und denen Söhnen eine Wiederlage zu constituiren.

§. 37.

Es kann auch 7) der Vater sich nicht entbrechen die Kinder, wann sie arm seyn, auf seine Kosten zu begraben.

§. 38.

Wann 8) ein Vater seine Kinder nicht vor seine, oder nicht vor ehelige Kinder erkennen, folglich ihnen die vorgeschriebene Vorrechte entziehen will, so stehet diesen frey per actiones praejudiciales ihren statum zu vindiciren.

Art. IV.

Von denen Peculiis derer Kinder.

§. 39.

Wir haben in dem vorhergehenden Art. II. §. 6. unter die Vorrechte des Vaters in Ansehung seiner Kinder auch dieses gezehlet, daß das peculium profectitium dem


(1-28) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. IV.

Vater eigenthümlich, und in dem peculio adventitio ordinario der Ususfructus zustehe.

Damit man aber wissen möge, was die peculia seyn, so soll nunmehro die Natur und Eigenschaft derselben nachher erklährt werden.

§. 40.

Es haben die Kinder viererley peculia 1) profectitium: (2) adventitium, tum ordinarium tum extraordinarium: 3) Castrense: 4) Quasi castrense.

§. 41.

Peculium profectitium ist, wann der Vater seinem Sohn, oder ein fremder in Ansehung des Vaters dem Sohn einen Theil seines Vermögens einraumt und übergibt um solches zu administriren, damit zu handeln, und eine von der väterlichen separirte Rechnung darüber zu führen.

§. 42.

Dergleichen Peculium kann ein Vater allen seinen Kindern, sie mögen männlichen oder weiblichen Geschlechts seyn, auch seinen unmündigen Kindern verstatten.

Wann ein fremder Intuitu des Vatern dessen Kindern etwas schencket, gehöret solches gleichfals zu dem peculio profectitio. Es muß aber der Donator ausdrücklich declariren, daß er es in Ansehung des Vatern geschencket, weil es sonst ad peculium adventitium gehören würde.

§. 43.

Der Vater hat nicht allein das völlige Eigenthum in diesem Peculio, sondern er besitzt auch solches durch den Sohn: dieser ist ein blosser Detentor des Peculii, und alles was er daraus lucrirt acquirirt er dem (auch unwissenden) Vater sowohl ratione des Eigenthums als der Possession.

Daher stehet a) dem Vater frey sothanes Peculium dem Sohn nach Gefallen, jedoch ohne Praejuditz derer Creditoren, abzunehmen: (b) wann der Vater verstirbt muß der Sohn dasselbe in die väterliche Erbschaft conferiren: (c) der Sohn ist nicht befugt etwas von diesem Peculio wegzuschencken, sondern der Vater und dessen Erben können solches vindiciren oder condiciren; Es wäre dann daß es eine Donatio remuneratoria sey, oder die Qualitaet und Dignitaet des Donatoris solches erfodre.

Wann der Vater seinen Sohn emancipirt, und dieses Peculium nicht zugleich zurück fodert, kann er solches nachhero nicht vindiciren, sondern es wird davor gehalten als ob der Vater es dem Sohn geschenckt hätte.

§. 44.

Hieraus folget auch daß keine Handlung zwischen dem Vater und Sohn in Ansehung dieses Peculi (!) bestehen könne, weil der Vater wann er mit dem Sohn handelt, in der That mit sich selber handeln, oder sich selber acquiriren würde. Daher aus dergleichen Handlung weder dem Vater noch dem Sohn eine Action erwachsen kann.

§. 45.

Wann der Sohn mit einem fremden handelt, wird der Vater ex contractu filii obligirt, weil der Sohn mit des Vatern seiner Bewilligung das demselben zustehende Peculium administrirt: daher kann der Vater sich nicht entbrechen die in Ansehung dieses Peculii von dem Sohn gemachte Schulden, soweit die Kräfte des Peculii zureichen, zu bezahlen, zu welchem Behuf denen Creditoren Actio de peculio verstattet wird.

§. 46.

Es ist also diese Actio de peculio nichts anders als die Haupt-Action, welche aus dem von dem Sohn contrahirten Negotio herrühret: Weil aber der Vater nicht selbst contrahirt hat, auch nur pro viribus peculii verbunden ist, so ist diese Actio mit einer neuen Qualitaet belegt, und daher actio de peculio genannt worden. Und dieses ist die Ursache warum diese Actio 30 Jahr währet, weil die Haupt-Action welche ex contractu filii herrührt so lang dauret.

Wann der Vater dieses Peculium einziehet, oder das Peculium sonst aufhöret,


(1-29) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. IV.

so hat die Actio de peculio nur binnen Jahrs frist statt: Wann also die Creditoren binnen solcher Zeit nicht agiren, können sie nachhero keine weitere Action gegen den Vater anstellen.

§. 47.

Es ist aber schon vorhin angemerket worden, daß der Vater nicht weiter denen Creditoren zu satisfaciren schuldig sey, als in soweit sich die Kräfte des Peculii erstrecken, weil der Vater seine Einwilligung in des Sohnes Handlung nicht weiter ertheilet hat: Wann aber das Peculium dodo patris wäre vermindert worden, muß er angehalten werden alles Interesse denen Creditoren zu erstatten.

§. 48.

Es kan aber der Vater dasjenige was er aus diesem Peculio von dem Sohn zu fordern hat, oder was der Sohn denenjenigen die unter des Vatern Gewalt, Vormundschaft und Curatel stehen, oder deren Negotium der Vater gerirt hat, schuldig ist, von dem Peculio deduciren, und vor allen Creditoren, jure quasi retentionis, voraus nehmen.

§. 49.

Wann der Sohn bey diesem Peculio die Creditores dolose hintergehet, ist der Vater nicht schuldig davor zu stehen, weil er dem Sohn die Macht zu handeln nicht aber zu kündigen verstattet hat. Es wäre dann daß er sich durch den Betrug des Sohns bereichert hätte.

§. 50.

Dieses Peculium profectitium hat unter denen Kaufleuthen seinen Nutzen: Wann sie nehmlich ihren Kindern, um Sie zur Handlung anzuführen, einen eigenen Handel verstatten, und denenselben darzu ein gewisses Stück Geld, oder einen Theil von Waaren hergeben.

§. 51.

Peculium adventitium ist, wann ein Kind etwas acquirirt was nicht vom Vater herkomt, auch nicht ausdrücklich in dessen Ansehung dem Sohn geschenket wird.

§. 52.

Zu diesem Peculio adventitio gehöret also alles was denen Kindern von mütterlichen und brüderlichen Seiten zufält, oder ihnen sonst von einem fremden geschenckt, legirt (et)c. wird: oder was sie sonst durch ihren Fleiß und eigene Arbeit gewinnen.

§. 53.

Dergleichen Peculium adventitium können alle Kinder, männlichen und weiblichen Geschlechts, mündige und unmündige, haben.

§. 54.

Das Eigenthum dieses Peculii gehöret dem Sohn zu, der Nießbrauch aber, oder Ususfructus, dem Vater.

§. 55.

Dieser Ususfructus gehöret dem Vater zu, wann auch schon (a) das Peculium in Exercirung eines uncörperlichen Dinges, als Jurisdiction, Jagden (et)c. oder (b) in re fungibili, das ist, welche durch den Gebrauch consumirt wird, bestehet: (in welchem Fall genung (!) ist wann künftig das Ding in eodem genere, qualitate, & bonitate restituirt wird:) gleiche Bewandniß hat es (c) wann schon der Sohn vor dem Vater verstorben ist.

Wann (d) blos der Ususfructus eines Dinges dem Sohn jure peculii adventitii zustehet, so geniesset der Vater dieses Recht so lang er lebt, und wann er stirbt continuirt der Sohn den Nießbrauch bis an sein Ende.

Weil nun (e) der Ususfructus dem Vater in diesem Peculio zugehöret, so folget von selbst daß ihm die Administration davon allein zustehe; daß er allein daraus agiren und belangt werden könne; (wann auch schon die Kinder majorenn seyn,) daß er weder ein Inventarium verfertigen noch Rechnung ablegen dürfe; und daß (f) der Sohn ohne Einwilligung des Vaters solches nicht veräussern könne.


(1-30) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. IV.

§. 56.

Wann der Vater über das Eigenthum dieses Peculii, oder zu dessen Praejuditz etwas ohne des Sohns Einwilligung disponirt, so ist solches an sich null und nichtig. Es wäre dann (1) daß der Sohn abwesend oder seinen Consens zu ertheilen nicht fähig wäre: oder (2) der Vater de rato cavirte: oder (3) des Sohns Negotium durch die Veräusserung utiliter wäre gerirt worden, als z. E. wann des Sohns Schulden damit bezahlt worden (in welchem Fall nicht einmahl ein Decretum de alienando nöthig ist.)

§. 57.

Es hört dieser Ususfructus, folgends auch des Vatern Administration, auf, wann die väterliche Gewalt dissolvirt wird, oder die Kinder mit Bewilligung des Vatern heyrathen, oder mit dessen Consens separatam familiam anstellen.

§. 58.

Die Kinder haben wegen dieses Peculii adventutii (= adventitii) ein stillschweigendes Pfand in des Vatern sämtlichem Vermögen.

§. 59.

Weil aber verschiedene Fälle seyn worinn der Ususfructus dem Vater nicht vorbehalten ist, So werden diejenige Dinge peculium adventitium extraordinarium genant, und dem ordinario, worvon vorhin gehandelt worden, opponirt.

§. 60.

Zu diesem Peculio adventitio extraordinario gehöret

1. Was denen Kindern von fürstlichen Händen geschencket wird.

2. Wann denen Kindern etwas mit der Condition vermacht oder geschencket wird, daß der Vater den Usumfructum nicht davon geniessen solle:

3. Wann die Kinder wider des Vaters Willen etwas acquiriren.

4. Wann die Kinder nebst dem Vater ihrem fratri germano succediren.

5. Wann der Vater dem Nießbrauch einmahl renuncirt hat.

6. Wann denen Kindern durch ihre Heyrath einige Lucra zufallen: daher der Brautschatz, Gegen-Vermächtnüs, Leibgeding, Morgengabe, Hochzeitgeschencke (et)c. denen Kindern mit aller Nutzung eigen bleibet.

7. Das Patengeld.

Ausser diesen specifice benannten Fällen gehöret der Ususfructus oder Nießbrauch von allem was die Kinder erwerben und acquiriren, und nicht zu denen peculiis castrensibus gehört, dem Vater zu.

§. 61.

Es hat also der Vater in diesem Peculio adventitio extraordinario kein Recht, keinen Nießbrauch, auch keine Administration: Sondern der Sohn kan nach Gefallen, und ohne Einwilligung des Vaters, unter Lebendigen und Toden davon disponiren: wann aber der Sohn abwesend ist, oder die Jahre und Capacitaet nicht hat seinem Peculio vorzustehen, derjenige auch, welcher das Peculium constituirt, keinen Vormund gesetzet, so ist der Vater als Legitimus Administrator schuldig entweder selbst die Administration zu übernehmen, oder einen Curatorem zu bestellen; ersteren fals aber muß er jährliche Rechnung davon ablegen.

§. 62.

Peculium castrense ist, wann ein Kind durch den Krieg, oder occasione des Krieges, etwas erwirbet:

Es gehören also zu diesem Peculio nicht allein alle Dinge die in dem Krieg erworben werden, Sie mögen beweglich oder unbeweglich sein; sondern auch diejenige Dinge die mit dergleichen Geld erkauft oder vertauscht werden.

Nichtweniger gehöret hierzu was den Kindern zu ihrer Equipage von dem Vater sowohl als von einem Fremden geschencket wird: Wann aber einem Soldaten ausser dem etwas geschencket wird, gehöret solches ad peculium adventitium ordinarium.


(1-31) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. IV. V.

§. 63.

Dergleichen Peculium castrense können blos die Söhne besitzen welche entweder schon in Kriegs-Diensten stehen, oder in dergleichen Dienst gehen wollen.

Es bleibt auch das Peculium castrense wann der Sohn schon dimittirt worden, oder mit dergleichen Geld andre Sachen angeschaft hat.

§. 64.

Es stehet dem Sohn in diesem Peculio das gantze Eigenthum zu. Er besitzt es in seinem Nahmen, er conferirt es nicht nach des Vatern Tod, sondern disponirt davon, auch ohne des Vatern Consens, nach seinem Gefallen, dergestalt, daß er auch mit seinem Vater selbst darüber cum effectu contrahiren kann, und in Ansehung dieses Peculii pro patre familias gehalten wird.

§. 65.

Es hat also der Vater nicht das geringste Recht an diesem Peculio, daher derselbe weder solches administriren, noch darüber disponiren kann.

Wann der Sohn verstirbt, succedirt der Vater nicht allein, sondern es concurriren die Kinder und andere Verwandte nach der Successions-Ordnung.

§. 66.

Peculium quasi castrense ist, wann ein Kind, nicht aus dem Krieg, sondern durch seine Bedienungen, (ex militia togata) oder durch seinen eigenen Fleiß und Kunst etwas acquirirt.

Zu diesem Peculio gehören also nicht allein die Salaria fixa, sie mögen von weltlichen oder geistlichen Officiis kommen, sondern auch alles was die Bedienten welche keine Salaria haben, als Doctores, Advocati, Notarii &c. oder was diejenige die keine Bedienungen haben, als Mahler und andere Künstler, durch ihren Fleiß und Kunst erwerben.

Wann einem Sohn etwas zu Erhaltung einer Bedienung geschencket wird, so gehöret dieses Geschenke gleichfals zu dem peculio quasi castrensi.

§. 67.

In diesem Peculio hat der Vater gleichfals nicht das geringste Recht, sondern es wird überall damit wie in dem Castrensi gehalten.

Wann der Sohn abwesend, oder sonst der Administration nicht fähig ist, ist der Vater legitimus administrator.

§. 68.

Aus dem vorhergehenden ergiebt sich von selbsten, daß die Actio de peculio weder in dem Peculio adventitio noch in denen Peculiis castrensibus, sondern nur in dem Profectitio statt habe: (vid. §. 44.) folglich der Sohn allein (und nicht der Vater) aus seiner Handlung belanget werden könne und müsse.

Art. V.

Von denen Vorrechten welche der Mutter jure familiae in Ansehung ihrer Kinder; und den Kindern in Ansehung ihrer Mutter zustehen.

(De jure matris in liberos, & liberorum in matrem.)

§. 69.

Es ist oben gezeigt worden daß eine Frau mit der Intention dem Mann ihren Leib übergebe daß er Kinder daraus erzeugen möge, welche seine Familie nach seinem Tod continuiren sollen.


(1-32) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. V. VI.

Hieraus folget von selbsten, daß die Kinder eigentlich in des Vaters und nicht in der Mutter Gewalt seyn, und daß die Mutter eben so wenig recht über sie habe, als derjenige, welcher einem andern seinen Fundum herleihet um solche mit seiner Saat zu bestellen, an denen Früchten Theil haben kann: dahero die Römische Rechte nicht ohne Grund gesagt haben quod pater liberos jure feminis vindicet. L. I. §. I. Infp. ventr.

§. 70.

Dieses ist die Ursache warum die Mutter welche in ihres Mannes Familie eintritt, und selber unter dessen Gewalt mit ihrer Einwilligung stehet, die dem Vater verstattete Vorrechte nicht praetendiren könne.

Weil aber eines theils die Mutter eine Mitgesellin des Mannes, und des Haupts der Familie ist, andern theils die Kinder eine wahre Portion des mütterlichen Leibes ein (!), so folgen daraus verschiedene Vorrechte zwischen der Mutter und denen Kindern.

§. 71.

Es hat nehmlich (1) die Mutter ein Recht, nach den Vater, denen Kindern zu befehlen, und diese seyn schuldig dem mütterlichen Befehl zu gehorchen. Wann sie nicht gehorchen, stehet der Mutter frey die Kinder auf eine vernünftige Art zu züchtigen.

Es seyn ferner und (2) die Kinder schuldig die Mütter zu ehren, und nichts zu veranlassen wordurch deren guter Leumuth geschwächt werden könne.

Die Mutter succedirt (3) ihren Kindern mit denen übrigen Gliedern der Familie ab intestato, und kann dieselbe von denen Kindern nicht praeterirt noch ohne Ursache enterbet werden.

Die Kinder können (4) ohne der Mutter Consens nicht heyrathen, sondern die Heyrath ist null und nichtig. Vid. supr. §. 21.

Nach des Vaters Tod ist (5) die Mutter natürliche Vormünderin ihrer Kinder, wann auch schon der Gros-Vater väterlicher Seiten noch lebet.

Wann (6) die Mutter arm ist, müssen die Kinder sie unterhalten, auch dieselbe wann sie stirbt, und gar keine Mittel hinterläst, auf ihre Kosten begraben lassen.

Was (7) die Mutter vor Rechte über ihre uneheliche Kinder erlange, davon soll in dem zweyten Buch gehandelt werden.

§. 72.

Im Gegentheil erlangen die Kinder ex statu familiae auch einige Vorrechte in Ansehung ihrer Mutter.

Dann es ist 1) die Mutter schuldig ihre Kinder zu alimentiren, und 2) dieselbe nebst dem Vater zu erziehen.

Die Kinder succediren 3) der Mutter ab intestato, und können 4) weder praeterirt, noch 5) ohne Ursache enterbt werden.

Wann 6) die Kinder bey erwachsenen Jahren arm seyn, und der Vater nichts im Vermögen hat, ist die Mutter schuldig die Kinder aus ihrem Vermögen zu ernehren, und 6) dieselbe auf ihre Kosten begraben zu lassen.

Alle diese Vorrechte kommen auch denen Kindern zu statten, welche aus einer Heyrath zur lincken Hand gezeuget worden.

Art. VI.

Von denen Vorrechten welche denen übrigen Verwandten ex statu familiae untereinander zustehen.

§. 73.

Die Cognatio, oder Verwandschaft, ist ein general Wort, und begreifft alle diejenige in sich welche von einem gemeinen Stamm-Vater, es sey durch Manns- oder Frauens-Personen, herstammen.


(1-33) Part. I. Lib. I. Tit. IX. Art. VI.

§. 74.

Diese Cognati werden getheilet in Agnatos, welche nehmlich von einem Haupt und Stamm-Vater durch lauter Manns-Personen abstammen: Und in Cognatos in specie, welche von einem Haupt und Stamm-Vater durch lauter Frauens-Leuthe abstammen.

§. 75.

Dieser Unterscheid führet auch verschiedene Vorrechte mit sich: allermassen einige Jura seyn welche allein denen Agnatis, einige welche allein denen Cognatis, einige welche beyden zugleich zustehen.

§. 76.

Dann es wird I. die Agnatio bloß durch eine rechtmäßige Ehe contrahirt, dahero die Kinder so aus einer Heyrath zur lincken Hand, oder aus einem unehligen Beyschlaff gezeugt werden, nicht pro agnatis gehalten werden, noch jura agnationis haben können. Die Cognatio hingegen wird auch durch einen unehligen Beyschlaf contrahirt.

II. Die Agnati führen allein den Nahmen und Wapen der Familie, und geniessen alle Vorrechte und Dignitaeten welche der Familie ankleben:

Die Cognati, welche durch Weibs-Leuthe von dem Stamm-Vater descendiren, können die Jura familiae nicht besitzen, weil ihre Mutter aus des Stamm-Vaters Familie aus- und in die andere Familie eingetreten ist.

III. Daher kann der Agnatus allein in denen Fidei Commissis familiae, und in denen Lehn-Güthern succediren.

Dahingegen die Cognati gäntzlich davon ausgeschlossen werden: Es wäre dann, daß das Fideicommiss nicht der Familie, sondern in genere denen Cognatis und Verwandten, oder denen nächsten Bluts-Freunden, verlassen worden, oder das Lehn ein Weiberlehn wäre.

IV. Wann jemand per arrogationem zum Sohn angenommen worden, erlangt derselbe bloß jura agnationis, nicht aber jura cognationis. Es wäre dann daß er ab ascendente arrogirt oder adoptirt würde: (Vid. supr. pag. 21. n. VIII. & IX. & pag. 22. §. 12.)

V. Die Agnatio hört auf wann jemand in die Acht erklährt wird: Wann jemand des Stadt- und Bürgerrechts beraubt wird: und wann er aufhört ein Glied der Familie zu seyn.

Die Cognatio hört in diesen dreyen Fällen zwar gleichfals auf, aber nur quoad commoda, daher succedirt keiner von diesen seinen ab intestato verstorbenen Verwandten: Es bleiben aber die Praeceptive Jura nach wie vor: Daher kann derjenige welcher in die Acht erklährt wird, oder des Bürger-Rechts beraubet wird, oder von einem Ascendente adoptirt wird, in verbothenem Grad nicht heyrathen; wann er seine Eltern umbringt, wird er als ein Parricida gestraft (et)c.

§. 77.

Diejenige Vorrechte und Jura welche denen Agnatis sowohl als denen Cognatis zustehen, bestehen darinn

1.) Daß dergleichen Verwandte, wann sie aus einer rechtmäßigen Ehe gezeugt seyn, untereinander in der Allodial-Erbschaft (ausser in denen §. praeced. excipirten Fällen) succediren.

2.) Daß sie schuldig seyn sich untereinander zu defendiren, und daher

3.) Sich nicht entbrechen können ihrer Verwandten Vormundschaft zu übernehmen: und dieserwegen werden sie auch

4.) In denen Gerichten zugelassen ihre Anverwandten bis in das dritte Glied, ohne Vollmacht, jedoch sub cautione rati zu vertreten.

5.) Wann jemand intuitu der familie beleydigt wird, können alle Verwandten die der Familie dadurch angethane injuriam vindiciren.


(1-34) Part. I. Lib. II. Tit. I.

6.) Wann ein Bruder mit Ausschliessung seines Bruders eine infame oder sonst berüchtigte Person zum Erben einsetzet, kann dieser per querelam inofficiosi testamenti den letzten Willen des Bruders rescindiren: welches aber nicht auf die übrige Verwandten extendirt werden kann.

§. 78.

Wann jemand läugnet, daß der andre ein Agnatus oder Cognatus sey, und daher diesem die der Verwandtschaft anklebende Jura streitig machen will, so kann der Verwandte actione praejudiciali agiren, daß der erstere ihn als Verwanten agnosciren, und ihm die vorgemeldte Vorrechte einräumen solle.

§. 79.

Wie weit die Heyrathen unter dergleichen Verwandten verbothen seyn, davon soll unten gehandelt werden.

Part. I. Lib. II.

Tit. I.

Was in diesem zweyten Buch des ersten Theils verhandelt wird.

§. 1.

Es ist oben pag. 17. Art. I. §. 4. & pag. 18. §. 5. angeführt worden, daß die väterliche Gewalt hauptsächlich durch eine rechtsbeständige Ehe erlanget werde: Wir haben aber daselbst die Ausführung, was eine rechtmäßige Ehe sey, und was vor Jura oder Vorrechte daher folgen (um die Materie von der väterlichen Gewalt nicht zu unter-brechen) hieher ausgesetzet.

§. 2.

Weil aber vor Vollziehung der Ehe gemeiniglich ein Eheversprechen, oder Ehegelöbniß, vorherzugehen pflegt, so soll zufoderst in dem Tit. II.

Von denen Verlöbnissen. (de Sponsalibus.)

§. 3.

Und hiernechst in dem Tit. III.

Von der Ehe und Heyrath. (de Nuptiis.)

gehandelt, und zugleich gezeigt werden

a) Wie die Ehe dissolvirt, und aufgehoben werde. Art. I.

b) Wann die Scheidung von Tisch und Bette statt habe. Art. II.

c) Wie weit der Concubinat erlaubt sey. Art. III. Und weil

§. 4.

Selten Leute zu heyrathen pflegen ohne vorher einige Conditiones unter sich zu verabreden; so soll in dem Tit. IV. in genere

Von denen Eh-Pacten. (de pactis dotalibus.)

Und in specie

a) von dem Braut-Schatz und dessen Recht: auch wie, und von wem, derselbe nach


(1-35) Part. I. Lib. II. Tit. II.

vollzogener Ehe zurück gefodert werden, auch was der Ehmann vor Kosten davon abziehen könne. Art. I.

b) Von denen Paraphernal und Receptitien-Güthern. Art. II. & III.

c) Von dem Gegen-Vermächtniß. Art. IV.

d) Von dem Leibgeding. Art. V.

e) Von der Morgengabe. Art. VI.

f) Von der in pactis dotalibus verabredeten Succession der Eheleute. Art. VII.

g) Von der Portione statutaria. Art. VIII.

gehandelt werden.

§. 5.

Es trägt sich auch öfters zu, daß ein Vater sowohl währender Ehe, als nach deren Dissolution; oder die Agnati nach des Vatern Tod, die Kinder nicht vor ehlige Kinder erkennen, noch denenselben die nöthige Alimenta darreichen wollen: daher soll in dem Tit. V.

Von Agnition der Kinder (de agnoscendis liberis.)

Und in dem Tit. VI.

Von Ernehrung der Kinder. (de alendis liberis.)

gehandelt, und zugleich angewiesen werden, wann andern Personen, ausser denen Kindern, nach denen Rechten die Alimenta gereicht werden müssen.

§. 6.

Weil auch öfters die Ehefrauen nach ihrer Männer Tod, oder wann sie von ihren Männern geschieden worden, vorgeben, daß sie schwanger seyn, oder gar in odium mariti die Schwangerschaft leugnen: so haben Wir denenjenigen, welche darbey interessirt seyn, in dem Tit. VII.

Wegen Untersuchung der verdächtigen Schwangerschaft.

(de inspiciendo ventre, & custodiendo partu.)

die benöthigte Praecautiones an die Hand gegeben.

Tit. II.

Von denen Ehverlöbnüssen.

(De Sponsalibus.)

§. 1.

Die Ehverlöbnüsse (Sponsalia) seyn ein von zweyen Personen beschehene Abredung einer künftigen Heyrath. Es wird also eine würckliche Abredung erfodert; daher eine blosse Anwerbung, oder Tractaten kein Ehverlöbnüß ausmachen.

§. 2.

Dergleichen Verabredung einer künftigen Heyrath ist nicht die Ehe selbst, wann das Ehversprechen auch schon verbis de praesenti geschicht, z. E. Ich nehme dich zu meiner Frauen (et)c. Dann so lange die Benedictio sacerdotalis oder copula carnalis nicht darzu komt, seyn und bleiben es Sponsalia de futuro (daher der Unterscheid inter sponsalia de praesenti & de futuro hiedurch gäntzlich aufgehoben wird.

Es haben also unter dergleichen Brautleuten weder Jura dotis, noch donationis propter nuptias, statt: Sie können keine Portionem statutariam fodern: Sie begehen keinen Ehbruch wann sie mit einem andern sich fleischlich vermischen: es wird weder Cognatio noch Affinitas dadurch contrahirt: und dergleichen Ehversprechen, welche verbis de praesenti geschehen, können aus allen unten angeführten Ursachen, wie alle andere Sponsalia, dissolvirt werden (et)c.


(1-36) Part. I. Lib. II. Tit. II.

§. 3.

Die Ehversprechung, oder die Verlobung, geschicht entweder öffentlich oder heimlich.

Ein öffentliches Ehversprechen erfodert daß es entweder mit beyderseits Eltern Bewilligung, oder, wann keine Eltern vorhanden seyn, in zweyer unverwerflichen Zeugen Gegenwart geschehe: dergleichen unverwerfliche Zeugen seyn auch die Freywerber, Eltern, und Verwandten, wann sonst gegen ihren Wandel und Leben nichts einzuwenden ist: und schadet nicht, wann schon nur ein Theil diese Zeugen bey der Handlung mitgebracht hat.

Hingegen werden vor heimliche Sponsalia gehalten, wann beyderseits Eltern Einwilligung fehlet, oder im Fall keine Eltern vorhanden, wann keine zwey unverwerfliche Zeugen bey der Verlobung gegenwärtig gewesen.

Wann zu der öffentlichen Verlobung eine fleischliche Vermischung darzu komt so ist die Ehe dadurch vollzogen, obschon keine Proclamation oder priesterliche Copulation erfolgt: und die Ehfrau und deren Kinder haben alle Rechte, welche aus einer rechtmäßigen Ehe herrühren, ausser daß die Ehfrau kein Gegenvermachtniß oder Leibgeding noch portionem statutariam fodern kann, sondern mit Zürückgebung des Brautschatzes zufrieden seyn muß.

Wann aber auf eine heimliche Verlobung die fleischliche Vermischung erfolget, so wird die Ehe dadurch nicht vollzogen, sondern es bleibt ein blosses Stuprum: wovon unten gehandelt werden soll.

§. 4.

Ferner seyn die Sponsalia entweder Pura, wann nehmlich das Ehversprechen ohne Condition geschicht; oder Conditionata, wann dem Versprechen eine Condition beygefügt wird.

Es ist auch vor ein pures Ehversprechen zu halten, wann jemand einem andern die Versicherung giebt, ich will dich und keine andre heyrathen: Daher der Promissor schuldig ist die Heyrath zu vollziehen, und darf der andre nicht warten bis der Promissor sich etwa mit einer andern zu versprechen oder dieselbe zu heyrathen willens ist.

Ein anders ist wann jemand sagt. Wann ich heyrathen werde, so soll es mit dir und keiner andern seyn: In diesem Fall kann der Versprecher nicht angehalten werden die Heyrath zu vollenziehen so lange er sich nicht mit einer andern würcklich verlobet, und dadurch seine Intention zu heyrathen declarirt, folglich die Condition existirt.

§. 5.

Durch die Condition, sie mag potestativa, casualis, oder mixta seyn, wird das Ehversprechen suspendirt, und müssen beyde Theile den Ausgang der Condition abwarten: daher dieselbe währender Zeit von dem Ehversprechen nicht abgehen können.

§. 6.

Wann die dem Ehversprechen beygefügte Condition ihrer Natur nach, oder weil sie gegen die Gesetze lauft, ohnmöglich ist: oder wann die Condition etwas schändliches und wieder die Ehrbarkeit laufendes in sich hält, und zum sündigen Anlas giebt, (et)c. so ist das Versprechen null und nichtig: Wann also jemand die Ehe verspricht unter der Condition daß er die Religion verändern, oder der künftigen Frau nicht Ehlig beywohnen, oder keine Kinder zeugen solle (et)c. kann keiner von beyden Theilen angehalten werden das Ehverlöbniß zu vollziehen.

§. 7.

Es ist aber vor kein conditionirtes Versprechen zu halten, wann die Conditio necessaria ist, und nothwendig existiren muß, sondern die Dispositio ist pura.

§. 8.

Alle Conditiones, (wann sie auch unmöglich und schändlich seyn,) werden purificirt (1) wann eine fleischliche Vermischung vor der Existenz der Condition erfolget. (2) Wann mit beyder Theile Einwilligung die Condition remittirt wird.


(1-37) Part. I. Lib. II. Tit. II.

Wann (3) derjenige in dessen Faveur die Condition beygefügt worden derselben renuncirt, ist dieselbe gleichfals vor purificirt zu achten: Wann also jemand die Ehe versprochen wann der Braut-Vater zuvor 1000 Rthlr. dem Bräutigam einliefern würde, dieser aber ohne diese 1000 Rthlr. die Ehe vollziehen will, so muß die Braut sich darzu bequehmen.

§. 9.

Wann die Conditio potestativa ist, das ist, wann deren Erfüllungen von dem Gutdüncken und Willen des Versprechens dependirt, und der andre Theil eine Zeitlang auf die Existenz der Condition gewartet, kann dem Versprecher von der Obrigkeit ein Termin zu Erfüllung des Versprechens, und zur Vollenziehung der Heyrath, ex aequo & bono vorgeschrieben werden.

Wann die Conditio casualis oder mixta ist, und ein Theil deren Existentz gehindert, ist er schuldig die Ehe ohne weitere Erwartung der Condition zu vollenziehen.

§. 10.

Es kann auch eine Verlobung sub modo geschehen; Wann nehmlich die Bedingung die Heyrath supponirt: Es gilt also das Ehversprechen, wann ein Theil darin bedingt daß nach der Hochzeit ein Guth angekauft, ein Erbbegräbnis gebauet (et)c. werden solle.

Dergleichen Bedingung inferirt keine Condition, und kann also dadurch die Heyrath nicht aufgehalten werden: unterdessen stehet demjenigen welcher diese Bedingung beygefügt frey Caution zu fodern, daß der Versprecher den Modum nach der Hochzeit erfüllen wolle.

Wann nach vollbrachter Hochzeit das Versprechen nicht erfüllet wird, kann der Säumige gerichtlich darzu angehalten werden.

§. 11.

Es kann auch das Ehversprechen sub die geschehen z. E. ich will dich heyrathen wann ich werde 30 Jahr alt seyn, oder wann mein Vater versterben wird (et)c. In diesem Fall ist das Ehversprechen nicht conditionirt, weil gewiß ist daß der Tag existiren werde: jedoch kann der andre die Vollenziehung nicht praetendiren als wann der Tag erscheinet.

§. 12.

Es wird aber zu einem gültigen Ehversprechen erfodert.

I) Beyder Theile Einwilligung, das ist, eine von beyden Theilen beschehene klare deutliche freywillige und ungezwungene Erklärung und Versprechen sich mit einander zu heyrathen.

Es kann also (a) kein Ehversprechen von denen geschehen die ihrer Vernunft nicht mächtig seyn; worunter auch diejenige zu rechnen, welche zur Zeit des Versprechens sehr betruncken seyn: Es müssen aber diese letztere binnen 8 Tagen das Ehversprechen schriftlich revociren.

Es ist auch (b) vor keine Einwilligung zu halten, wann ein Theil von seinen Eltern, Verwandten, oder Vormündern, durch harte Bedrohungen, oder Schläge, zum Ehversprechen gezwungen wird.

Wann aber die Eltern durch vernünftige Vorstellungen ihre Kinder zur Einwilligung bewegen, und die Kinder aus Respect vor ihre Eltern consentiren, so ist das Ehversprechen gültig.

Es ist auch (c) vor keine Einwilligung zu halten, wann die Eltern unter sich ihre Kinder versprechen, oder denenselben in ihrem Testament diesen oder jenen zu heyrathen anbefehlen: Daher seyn die Kinder ihrer Eltern Willen zu erfüllen nicht verbunden: Und wann auf den ungehorsams Fall die Kinder ad legitimam usque von der Erbschaft excludirt werden, soll dergleichen Disposition nicht gelten, vielweniger die etwa darauf gesetzte Strafe exequirt werden.


(1-38) Part. I. Lib. II. Tit. II.

Endlich und (d) so kann vor keine Einwilligung gehalten werden, wann jemand aus Schertz eine Frauens-Person in Gegenwart vieler Zeugen seine Braut nennet, oder wann eine vernünftige Person einem einfältigen Menschen Glauben macht daß sie ihn heyrathen wolle, und wohl gar, (wie Exempel vorhanden seyn) einen kupfernen Ring schencket. Wiewohl in diesem letztern Fall der Muthwillen dieser Personen, welche mit dergleichen heiligen Werck ihren Schertz treiben, nachdrücklich bestraft werden muß.

§. 13.

Es können die Partheyen ihren Consens auch durch Zeichen ertheilen: daher auch derjenige der stumm gebohren ist die Ehe versprechen kann.

Wann er stumm und taub gebohren ist, muß zuvor gerichtlich untersucht werden ob er einen Begrif von einem Ehversprechen, und von menschlichen Handlungen habe.

Wann aber dergleichen taub- und stummgebohrne zugleich blind gebohren seyn, kann keine Einwilligung bey denenselben supponirt werden.

§. 14.

Wann eine Braut welche um die Ehe angesprochen wird, mit dem Kopf nicket, dem Bräutigam die Hand gibt, den ihr unter diesem Anspruch offerirten Ring, Geld, oder Schnupftuch annimmt (et)c. so ist die Einwilligung eben so gültig als wann sie mündlich ihren Consens ertheilet hätte.

§. 15.

Es kann auch jemand Stillschweigend seine Einwilligung ertheilen, wann nehmlich beyderseits Eltern in Gegenwart ihrer Kinder eine Heyrath verabreden, und die Kinder, welche um ihre Einwilligung befragt werden, weder mündlich noch durch Zeichen antworten: Es wäre dann daß sie binnen 14 Tagen ihren Dissensum denen Eltern oder denen Gerichten eröfneten; welche denen Interessenten sofort Nachricht davon ertheilen müssen.

§. 16.

Es kann das Ehversprechen auch abwesend, durch Briefe, oder durch einer mit behöriger Vollmacht versehenen Freywerber geschehen.

Letztern falls aber ist eine blosse charta bianca nicht zureichend, wann nicht ausdrücklich darinn notirt worden, daß solches Blanquet zur Ehberedung mit dieser oder jener Person, deren Nahmen exprimirt werden muß, dienen solle.

§. 17.

Es wird ferner und II.) zu einer gültigen Ehberedung erfodert, daß die Verlobten die gehörige Jahre haben, nehmlich die Braut 12, und der Bräutigam 14 Jahr: wann also ein Theil oder beyde diese Jahre nicht haben, ist das Versprechen null und nichtig: Es wäre dann daß sie das Ehversprechen nachher öffentlich wiederhohlt hätten.

§. 18.

III. Wird zu einer gültigen Ehe auch beyderseits Eltern freywilliger und nicht durch List expracticirter Consens erfodert. Wann also jemand ohne des Vatern, und, wann dieser verstorben, der Mutter; oder, wann auch diese nicht mehr vorhanden, des Groß-Vatern, und nach ihm der Gros-Mutter väterlicher Seiten; Nach deren Abgang aber des Gros-Vatern, und, wann er verstorben, der Gros-Mutter Mütterlicher Seiten Einwilligung sich verlobet, soll das Ehversprechen, wann es auch schon durch redliche Verpflichtung abgehandelt worden, null und nichtig seyn.

Es wird aber auch derer Eltern Consens erfodert, wann sie schon a) in die äusserste Armuth gerathen: oder wann b) die Kinder schon separatam familiam haben, und nicht mehr in des Vatern Brod seyn: oder c) in grosse Dignitaeten stehen: oder d) von einem Fremden adoptirt worden.

Es ist aber vor keine Einwilligung zu halten wann die Eltern blos von der Verlobung wissen: sondern die Kinder müssen dieselbe von denen Eltern fodern, und deren ausdrücklichen Consens erwarten, oder, wann er nicht erfolget ad supplementum agiren. Vid. §. 22.


(1-39) Part. I. Lib. II. Tit. II.

Wann die Eltern dergleichen ohne ihre Einwilligung beschehenes Ehgelöbniß, oder wohl gar vollzogene Heyrath, nachhero approbiren, sein beyde retro vor gültig zu achten.

§. 19.

Was von des Vatern Einwilligung verordnet ist, solches hat auch statt bey denen Wahl-Vätern, wann sie ascendentes seyn.

Wann aber ein Wahl-Kind von einem fremden adoptirt worden, und ohne dessen Consens heyrathet, verliehrt er das Successions-Recht.

§. 20.

Die Eltern müssen darauf bedacht seyn die Kinder, wann sie ihr rechtmäßiges und mannbahres Alter erreichet, ehrlich zu versorgen, und durch unnöthige Verzögerung nicht zu unzuläßigen heimlichen und sündlichen Ehegelübden zu veranlassen.

§. 21.

Wann auch die Kinder selber derer Eltern Consens, um sich mit gewissen Personen zu verbinden, suchen würden, sollen diese die Kinder ohne genugsame Ursache nicht daran hindern: unter welche Ursachen aber der Mangel des Reichthums, oder ungleicher Stand und Herkommen, nicht eben schlechterdings, und wann nicht auch andre wichtige Ursachen dissensus darzu kommen, gerechnet werden können.

Ein anders ist wann der Bräutigam oder die Braut, oder beyde so arm seyn, daß sie nach ihrem Stand nicht leben, noch ihre Kinder nach des einen oder des andern Tod versorgen können; oder wann der eine oder andre Theil von gantz gemeiner oder wohl gar verächtlicher Ankunft ist, oder sonst eine üble Conduite hat, und vor einen Hurer, Spieler, Säuffer &c. passiret.

§. 22.

Daferne die Eltern und Kinder sich dieserwegen nicht mit einander vergleichen können, so soll es alsdenn bey Unseren Justitz-Collegiis gesucht, und daselbst nach Billigkeit entschieden oder verglichen; und der Eltern Consens, nach Gelegenheit der Fälle und Umbstände, von der Obrigkeit ex officio supplirt, und diesen Personen sich mit einander zu verheyrathen verstattet werden.

Es muß aber solchenfals der Sententz jederzeit mit einverleibet werden, daß beyde Contrahenten den dissentirenden Vater oder Mutter nichts destoweniger zu ehren, zu lieben, und denenselben allen Gehorsam zu leisten schuldig seyn sollen.

Im Fall aber Unsere Collegia finden würden, daß die rationes dissensus wichtig und gegründet seyn, so soll der Eltern Consens nicht supplirt, sondern die Verlobung unter denen Partheyen, wann solche geschehen, null und nichtig declarirt werden.

§. 23.

Da sichs auch zutrüge, daß Kinder, welche ihrer Eltern Consens und Approbation nicht erlangen können, um ihren Zweck desto eher zu erhalten, entweder ad concubitum & copulam carnalem mit denen von ihnen begehrten Personen schreiten, oder sich heimlich copuliren liessen, so wollen und verordnen Wir hiermit, daß denen Eltern ihr Consens von den Kindern keinesweges dadurch abgezwungen werden solle, sondern es soll in der Eltern und Vormünder Willen stehen, ob sie bey dem Consistorio um gäntzliche Cassation der Ehe anhalten wollen: welchenfals, und wann das Ehe-Verlöbniß oder Matrimonium für nichtig erklähret würde, der Stuprator angehalten werden soll der Tochter wegen der Defloration, und zur Erziehung des Kindes wann eines verhanden, nach Beschaffenheit des Vermögens und anderer Umbstände gebührenden Abtrag zu thun.

Im Fall aber die Eltern um die Cassation anzuhalten bedencken hätten, soll ihnen doch frey stehen die Kinder zu enterben, und ihnen die Legitimam zu entziehen, und sollen überdem dergleichen Ubertreter mit Geld oder Gefängnis-Strafe beleget werden.

§. 24.

Wann jemand seiner Eltern Consens fälschlich vorgeben, und zu dem Ende falsche Briefe vorzeigen würde, soll zwar das Verlöbniß unkräftig seyn, der Betrüger aber


(1-40) Part. I. Lib. II. Tit. II.

dem unschuldigen Theil wegen des Schimpfs nach seinem Vermögen gerecht, und überdem am Leibe gestraft werden.

Wann er das Weib unter diesem Praetext zum Beyschlaff beweget, oder die Ehe durch Priesterliche Copulation vollziehet, die Eltern aber (wie ihnen freystehet,) auf die Cassation dringen, soll er die Frau nicht allein nach seinem Vermögen dotiren, sondern überdem als ein Falsarius nach der Strenge derer Rechte gestraft werden.

§. 25.

Wann die Eltern, oder eines derselben, ihren Consens zu der Kinder Verlobung einmahl gegeben, sollen sie denselben, ausgenommen den Casum da ihnen von neuen erhebliche Ursachen darzu gegeben worden, (worüber allenfals Unsere Gerichte zu cognosciren haben,) zu revociren nicht befugt seyn.

Wann ein Kind, welches sich ohne Consens der Eltern mit jemand eingelassen hat, nachhero davon abstehet, so kann dieser nicht ad supplementum consensus gegen die Eltern, noch ad poenam conventionalem gegen den Versprecher, agiren, sondern er muß ohne Process sofort abgewiesen werden.

§. 26.

Es ist aber der Eltern Consens nicht nöthig (1) wann sie abwesend seyn, und deren Auffenthalt unbekandt ist: (2) wann dieselbe ihres Verstandes nicht mächtig seyn: (3) wann ein Kind einmahl mit Consens der Eltern geheyrathet, und nach Verlust des Ehgattens zur zweyten Ehe schreiten wolte: solchenfals wird der Eltern Rath und Bewilligung nur de honestate erfodert, wann sie sich sonst nur an ehrliche und nicht allzuungleiche Partheyen wieder verheyrathen.

Es verstehet sich aber von selbsten, daß, wann schon der Vater abwesend, oder blöden Verstandes ist, dennoch der Mutter Consens, und so weiter (et)c. erfodert werde.

§. 27.

Alles was von denen Eltern und deren Consens verordnet worden, soll auch bey denen Vormündern statt haben.

Wann also eine minderjährige Person sich ohne des Curatoris Consens verlobt, und der Curator wichtige Ursache hat solches zu verhindern, muß darüber gerichtlich erkannt, und dem Befinden nach das Verlöbniß, wann auch schon Copula carnalis erfolget, schlechterdings annullirt werden; Was aber wegen Enterbung der Kinder denen Eltern verstattet worden, fällt bey diesen Curatoren weg.

§. 28.

Ratione derer Personen welche beyderseits keine Eltern haben, und majorennes seyn, wird zu einem öffentlichen Ehverlöbniß erfodert, daß solches in Gegenwart zweyer ehrlichen Leuthe vollzogen werde; sonst soll es vor ein heimliches und unbündiges Verlöbniß erkandt werden, dergestalt, daß keiner von beyden zu dessen Haltung angehalten werden solle. Es wäre dann, daß beyde solches durch eine öffentliche Verlobung vor 2. ehrlichen Personen wiederhohlen, oder in zweyer Zeugen Gegenwarth sich darzu bekennen.

Wann aber jemand der keine Eltern hat, und sui juris ist, unter Versprechung der Ehe ein sonst ehrliches Mädgen zum Beyschlaff verleitet hätte, so ist dieses vor eine wahre Ehe zu achten, wann schon die Verlobung vor zweyen Zeugen nicht vorher gegangen.

Es muß aber das Mädgen das Ehversprechen gehörig erweisen, wann sie solches nicht thun kann, ist sie bloß als eine Beyschläfferin anzusehen.

§. 29.

Es wird II. zu einem gültigen Eh-Versprechen erfodert, daß die Verlobung nur mit einer Person geschehe. Wann also jemand sich mit zweyen Personen verlobet; so ist eine davon ungültig. Es ist aber die Frage, welche von beyden vorgehe?


(1-41) Part. I. Lib. II. Tit. II.

§. 30.

Bey Erörterung dieser Frage müssen folgende Fälle wohl unterschieden werden, 1) Wann jemand sich mit zweyen öffentlich verlobt, 2) Wann jemand sich mit zweyen heimlich verlobt, 3) Wann jemand sich mit einer heimlich, und nachher mit einer andern öffentlich verlobt. 4) Wann jemand sich mit einer öffentlich, und nachher mit einer andern heimlich verlobt.

§. 31.

Wann I.) jemand sich mit zweyen öffentlich verlobt, gehet das erste Versprechen vor. Wann auch schon die letzte Versprechung mit einem Eyd bestätiget, oder die erste durch eine Condition noch ausgesetzet und suspendirt worden:

Es wäre dann daß die erste Braut ihrem Recht renuncirte, oder das zweyte Versprechen durch die fleischliche Vermischung, oder durch priesterliche Copulation bestärcket würde, welchenfals das letzte Versprechen vorgehet; weil durch den Beyschlaf oder Copulation die Ehe selbst vollzogen wird.

1. Wann jemand sich mit zweyen öffentlich verlobet, und beyde schwängert, gehet diejenige vor welche am ersten geschwängert worden, weil die Ehe mit derselben durch den Beyschlaf würcklich vollzogen wird.

Wann aber diese ihrem Recht renuncirt, oder die Ehe sonst nicht bestehen kann, ist der Stuprator an die andre gebunden, und muß er sich dieselbe, alles Einwendens ohngeacht, durch priesterliche Einsegnung antrauen lassen.

2. Wann sich jemand mit zweyen öffentlich verlobet, und einer von denen Praetendenten fürchtet daß der andre sie entführen, oder durch den Beyschlaf die Praeferentz erhalten möchte; so kann die Obrigkeit, dem Befinden nach, entweder eine blosse Inhibition ergehen lassen, oder die Weibs-Person an bekante ehrliche Leuthe in Verwahrung geben.

Wann die Entführung wieder die Inhibition dennoch geschicht, oder der Beyschlaf bewerckstelliget wird; so soll die gantze Verlobung als null und nichtig, folglich die Kinder als Huren-Kinder geachtet, und die Ubertreter nachdrücklich bestraft werden. Dem Kläger aber, wann er die Prioritaet erweiset, und der andre die Ehe nicht vollziehen will, soll die Hälfte von beyder Ubertreter Vermögen zugetheilt, und derselbe zu dem Ende bis zu Austrag der Sachen in die Güter sofort immittirt werden.

3. Gleichwie es aber an sich ein unerlaubtes und ehrlichen Leuten gar nicht anstehendes Werck ist, zweyen Personen die Ehe zu versprechen; so haben Wir hiedurch wohlbedächtlich ordnen wollen, daß der oder diejenige, welche sich mit zweyen Personen öffentlich versprechen, ipso jure vor infam gehalten, und überdem mit fiscalischer Strafe belegt werden sollen.

Diejenige Person aber, welche alsdenn abstehen muß, und von der ersten Versprechung nichts gewußt hat, behält nicht allein die Braut- und andre Geschencke, sondern sie kann auch die ihrige wieder zurück fodern, und lucrirt zugleich den dritten Theil von des Gegentheils gantzem Vermögen. Und wann sie geschwängert worden, muß der Bräutigam über dem das Kind nach seinem Stand, so lang es lebt, unterhalten.

4. Wann darüber gestritten wird welche Verlobung zuerst geschehen; so kommt es nicht auf der Interessenten Aussage an, sondern die Parteyen, welche sich in der Prioritaet fundiren, müssen solche erweisen.

§. 32.

Wann sich II.) jemand mit zweyen heimlich verlobt, seyn beyde Verlobungen ungültig: dergestalt, daß wann auch die fleischliche Vermischung darzu kommt, die Ehe dadurch nicht vollzogen wird.


(1-42) Part. I. Lib. II. Tit. II.

Welches jedoch nur von dem Fall zu verstehen, wann das Verlöbniß ohne derer Eltern Willen und Consens geschehen, nicht aber, wann diejenige die sui juris seyn ohne Zeugen sich verloben: dann in diesem Fall wird das heimliche Verlöbniß durch den Beyschlaf in eine rechtmäßige Ehe verwandelt, und ist der Stuprator schuldig solche durch die priesterliche Copulation zu bestätigen.

1. Wann derjenige der sui juris ist beyde schwängert, muß er diejenige heyrathen, mit welcher er sich zuerst fleischlich vermischt hat; die andre aber, welche abstehen muß, lucrirt nicht allein die ihr gethane Geschencke, und condicirt diejenige die sie dem andern gegeben, sondern er muß die Geschwächte dotiren, und das Kind so lang es lebt, ernähren, worinnen dergleichen Weibs-Personen von denen Concubinen differiren.

2. Wann jemand dergleichen bina sponsalia clandestina contrahirt, hat die Strafe der Infamie nicht statt, jedoch muß er arbitrarie bestraft werden.

§. 33.

Wann III.) sich jemand welcher sui juris ist mit einer heimlich, und nachher mit einer andern öffentlich verlobt, so geht die letzte vor. Es wäre dann, daß die erste Verlobung durch die fleischliche Vermischung, oder durch priesterliche Einsegnung bestättiget wäre.

§. 34.

Im Fall sich IV.) jemand mit einer öffentlich, und nachher mit einer andern heimlich verlobt, ist die letzte ohnstreitig ungültig: Wann aber diese von demjenigen der sui juris ist durch die fleischliche Vermischung oder copulam sacerdotalem bestärcket worden, soll es wie in §. praeced. gehalten, und die letztere vorgezogen werden.

§. 35.

Aus einem rechtmäßigen Ehversprechen erlangen beyde Theile actionem ex pacto, vermöge welcher dieselbe bitten können, daß derjenige welcher von der Verlobung abtreten will, angehalten werden möge das Eh-Versprechen durch priesterliche Copulation zu vollenziehen.

§. 36.

Wann derjenige, welcher zu Vollziehung des Ehe-Versprechens durch richterliches Erkändtniß condemniret worden, sich wegert (!) die Ehe durch priesterliche Copulation zu vollenziehen, so müssen folgende Gradus adhibiret werden: 1.) Soll der wiederspenstige Theil durch seinen Beicht-Vater ermahnet werden sein gegebenes Wort zu halten. 2.) Wann dieses nicht helffen will, muß er zur gefänglichen Hafft gebracht werden. 3.) Wenn er seines langwierigen Gefängniß ohneracht bey seinem Wiederwillen verharret, sollen Sponsalia dissolviret werden, weil bedencklich ist dergleichen Leuthe zu einander zu bringen wo keine Einstimmung der Gemüther jemahlen zu hoffen ist.

Es muß aber der Wiederspenstige a) alles was er empfangen wieder geben: b) Alle Kosten bezahlen: c) die Helfte seines Vermögens, welches er eydlich anzugeben schuldig, dem andern Theil einliefern: und d) bis dieses alles geschehen, des Arrestes auch nicht sub cautione erlassen werden. Wann e) die Person gar nichts oder wenig im Vermögen hat, und durch seiner Hände Arbeit sein Brodt verdienet, muß ein gewisses Quantum determinirt werden, welches der Wiederspenstige bey Gefängniß-Strafe dem deserirten Theil, so lang es lebet, bezahlen muß.

4) Es ist aber dieses nur von dem Fall zu verstehen, da keine Copula Carnalis erfolget: Dann wann diese vorhanden ist, folgends durch den Beyschlaf eine wahre Ehe contrahirt worden, muß der Widerspenstige ohne vorhergehende Aufbiethung gerichtlich copulirt, und wenn er das Ja-Wort nicht von sich gutwillig geben will, oder flüchtig worden, oder contumaciter ausbleibt, solches durch einen fiscalischen Bedienten


(1-43) Part. I. Lib. II. Tit. II.

in dessen Nahmen suppliret, und ihr nebst dem Kinde (wann eines gezeugt worden,) die nöthige Alimenta aus des Mannes Vermögen assignirt, oder wann er durch seiner Hände Arbeit sein Brodt verdienen muß, etwas gewisses determinirt, und das Quantum ohne alles Nachsehen durch die Execution beygetrieben werden.

5. Wann aber eine Wittwe oder ein Wittwer einem andern solchergestalt angetraut werden sollen, so müssen sie zufoderst wegen ihrer Kinder erster Ehe Richtigkeit machen, und so lange der Widerspenstige solches nicht besorget, muß er in gefänglicher Verhaft bleiben.

§. 37.

Das Ehe-Versprechen welches öffentlich vollzogen worden, kann entweder als null und nichtig aufgehoben, oder aus wichtigen Ursachen dissolviret werden.

§. 38.

Es ist aber ein Ehe-Versprechen an sich unkräftig, und inferirt keine Verbindlichkeit.

1.) Wann beyder Theile Einwilligung nicht vorhanden ist. vid. supr. §. 12.

Welches auch geschicht, wann in der Person geirrt wird. ibid.

2.) Wann ein Theil die behörige Jahre nicht hat. vid. supr. §. 17.

3.) Wann der Eltern und Vormündern Consens nicht verhanden. vid. supr. §. 27.

4.) Wann diejenige welche sui juris seyn nicht vor zweyen ehrlichen Leuthen sich verloben, oder in zweyer ehrlichen Leuten Gegenwarth sich nicht darzu bekennen. vid. supr. §. 28.

5.) Wann jemand sich schon mit einer andern öffentlich verlobet hat. Vid. supr. §. 29. seq.

6.) Wann die Condition, worunter die Ehe versprochen worden, nicht existirt, unmöglich ist, oder wider die Ehrbarkeit läuft. vid. supr. §. 6. & 8.

7.) Wann sich ein paar Leute in verbohtenem Grad verloben. vid. Tit. seq.

8.) Wann ein oder ander Theil zum Ehstand untüchtig ist, und der andre Theil solches ignorirt vid. Tit. seq.

9.) Wann eine Frau, welche den Tod ihres abwesenden Mannes nach denen Rechten bescheiniget, sich anderweitig verlobet, der Mann aber nachher sich wieder einfindet.

10.) Wann ein Erb-Unterthan sich mit einer freyen Persohn, welche von seinem Stand keine Wissenschaft hat, verlobet, vid. Tit. seq.

11.) Wann ein Ehversprechen mit einer Person die sich zu denen dreyen tolerirten Religionen nicht bekennet, als z. E. mit einer Jüdin, verabredet worden.

12.) Wann jemand bey Lebzeiten seines Ehgattens einem andern die Ehe auf den Fall verspricht, wann der Ehgatte sterben würde: Solchenfals kann keiner von beyden Theilen angehalten werden das Ehversprechen nach dem Tod des Ehgatten zu erfüllen, wann auch schon bey dessen Lebzeiten die fleischliche Vermischung erfolget ist.

Gleiche Bewandniß hat es, wann jemand mit seinem Ehgatten im Process stehet, und die Scheidung verlanget, unterdessen aber sich mit einem andern verlobet, dann dergleichen Ehversprechen ist gleichfals unkräftig.

1. Wann also jemand aus dergleichen Ehversprechen agiren will, muß er abgewiesen werden: und wann auch die Parteyen in denen Fällen, welche in denen Rechten verbothen seyn (und wohin die n. 2. 3. 5. 7. 11. angeführte Casus gehören) die Ehe vollziehen wollen, muß das Officium fisci, wann es Nachricht davon erhält, interveniren, die Nullitaet deduciren, und zugleich um Bestrafung anhalten.

2. In allen vorangeführten Fällen verstehet sich von selbsten daß die beyderseits gethane

(1-44) Part. I. Lib. II. Tit. II.

Geschencke wieder zurück gegeben werden müssen: (ausser n. 5. 8. 10. wo der unschuldige Theil beyde lucrirt.)

§. 39.

Es kann aber auch ein rechtmäßig vollzogenes Ehversprechen aus verschiedenen Ursachen dissolvirt und aufgehoben werden. Und zwar

I. Wann beyde Theile sich das Ja-Wort zurück geben, und mit gemeiner Bewilligung das Ehversprechen aufheben, auch solches gerichtlich declariren. Welches auch geschehen kann, wann schon das Versprechen durch einen Eydschwur bekräftiget worden.

II. Durch eines oder des andern Tod, worunter auch mors civilis verstanden wird, wann nehmlich einer in die Acht erklährt wird.

III. Wann eine Capital-Feindschaft zwischen denen Brautleuten entstehet, als wann jemand den versprochenen Theil selbst, oder dessen Eltern, und Brüder mit Schlägen, groben Injurien (et)c. tractirt: Wann ein Theil erfährt daß der andre sich dem Trunck ergeben, ein Spieler von Profession sey (et)c.

IV. Unter die rechtmäßige Ursache einer tödlichen Feindschaft gehört auch wann ein Theil mit andern Hurerey treibet:

Wann dergleichen vor dem Versprechen geschehen, kann zwar der Bräutigam die Braut repudiiren, nicht aber vice versa die Braut den Bräutigam.

Es kann auch der Bräutigam die Aufhebung des Ehversprechens suchen, wann schon die Braut mit Gewalt stuprirt worden, es wäre dann daß er solches vorher gewust habe.

V. Wann jemand eine an sich infame Missethat begehet, oder begangen hat, als Ehbruch, Diebstall (et)c. und der andre vor dem Versprechen solches nicht gewust hat, ist dieses eine rechtmäßige Ursache die Sponsalia aufzuheben: welches auch statt hat, wann schon nur eine Gefängniß-Strafe auf das Verbrechen gesetzt ist, oder das Delictum abolirt worden. Um so vielmehr also wann eine infame Strafe gegen einen Theil erkant wird; als Staupbesen, Pranger, Landes-Verweisung, Karren, Zuchthaus (et)c.: Wann auch schon der schuldige Theil von dem Landes-Herren begnadiget wird.

VI. Es kann auch die Verlobung dissolvirt werden wann ein Theil mit der lue venerea, fallenden Sucht, Aussatz, und andern dergleichen ansteckenden Kranckheiten behaftet ist, oder behaftet gewesen, und der andre Theil solches nicht gewust hat. Item

VII. Wann ein Theil seines Verstandes beraubt wird, und nach Ablauf zweyer Jahre keine Hofnung ist zu dessen Genesung; desgleichen wann derselbe vor dem Versprechen mit dergleichen Zufall behaftet gewesen, und der andre Theil keine Wissenschaft davon gehabt.

VIII. Wann ein Theil durch einen Zufall nach dem Versprechen zum Ehstand untüchtig gemacht wird.

IX. Wann ein Theil eine Hand, Arm, oder Bein verliehret, und dadurch ausser den Stand gesetzet wird dem andern Theil, welcher nichts im Vermögen hat, das nöthige Brod zu schaffen.

X. Wann jemand selbst, oder durch andre, der Braut oder deren Eltern glauben macht daß er bemittelt sey, und sich nachher findet daß er arm, oder gar in Schulden stecke, so kann auch dieserwegen das Ehversprechen dissolvirt werden.

XI. Es trägt sich auch öfters zu, daß jemand nach dem Versprechen eine Reise vornehmen muß, Da dann gefragt wird, wie lang die Braut warten müsse?

Nun ist wohl ausser Zweifel, daß, wann der Bräutigam in Herrschaft-Sachen


(1-45) Part. I. Lib. II. Tit. II.

verschickt wird, oder wegen Kriegs-Dienste einige Jahre abwesend ist, die Sponsalien dieserwegen nicht aufgehoben werden können.

Welches auch Rechtens ist, wann der Bräutigam wegen seiner Privat-Angelegenheit verreiset, und einige Jahre abwesend ist.

Wann aber die Causa absentiae cessirt, wann die Verschickung zu Ende, und die Privat-Angelegenheiten abgethan seyn, der Bräutigam aber dennoch nicht zurück kommt, so kann die Braut um dissolution des Eh-Versprechens anhalten.

Wann auch der abwesende Bräutigam der Braut in zwey Jahren nicht schreibet, noch Nachricht von seinem Zustand ertheilet, so stehet derselben frey das Eh-Versprechen, jedoch nach richterlicher Ermeßigung, aufzuheben: Welches um so viel mehr statt hat, wann man nicht weiß wo der Bräutigam anzutreffen ist, welchenfalls aber derselbe edictaliter citirt, und ihm ein Curator bestellet werden muß.

Wann der Bräutigam nach dissolvirtem Eh-Versprechen wieder zurück kommt, ist die Braut nicht schuldig das vorige Eh-Versprechen zu erneuern; wann er schon justas absentiae causas zu dociren vermeint.

XII. Wann die oder derjenige welcher einem andern die Ehe öffentlich versprochen, weder durch gute Worte, noch durch Gefängniß-Strafe, zur Vollenziehung der Ehe gebracht werden kann, stehet dem andern Theil frey das Eh-Versprechen mit Vorbehalt der Strafe, aufzuheben. (Vid. supr. §. 36.)

Keinesweges aber kann XIII. ein Ehversprechen dissolvirt werden, wann ein Irrthum in dem Namen, in der Religion, wegen des Adels, und Reichthums (et)c. begangen worden: Es wäre dann daß sich ein Theil von gleicher Religion mit dem andern Theil, item für einen von Adel, oder für einen reichen Mann ausgegeben hätte.

§. 40.

Wann das Eh-Versprechen durch eines Theils Schuld dissolvirt wird; so muß er dem andern Theil alle empfangene Geschencke wieder zurück geben, und ist er nicht befugt diejenige die er dem andern gegeben wieder zurück zu fodern: Welches auch statt hat die Causa repudii mag vor dem Eh-Versprechen vorhanden gewesen seyn, oder nach dem Eh-Versprechen sich äussern.

Wann der schuldige Theil Geschenke empfangen, aber keine gegeben, muß er das Duplum des empfangenen dem unschuldigen Theil zurück geben.

Ein anders ist, wann ein Minor von der (= dem) in seinen unmündigen Jahren gethanem Versprechen resilirt, oder gegen die in minorennitate beschehene Verlobung in integrum restituirt wird, welchenfals es wie in §. seqq. gehalten werden soll.

Wann das Eh-Versprechen dieserwegen aufgehoben wird, weil der andre sich mit einer andern versprochen, so kann diejenige, welche abstehen müssen, überdem die oben §. 32. & seq. benannte Strafen fodern.

§. 41.

Wann die Sponsalia mit beyder Theile Bewilligung aufgehoben worden, oder beyde Theile schuld haben, werden bloß die Geschencke hinc inde zurück gegeben.

§. 42.

Wann Eltern welche ihre Kinder und Pflegbefohlene ohne deren Vorwissen versprechen, auch alles anwenden die Kinder zur Erfüllung des Eh-Versprechens zu vermögen, müssen die Geschencke gleichfals auf beyden Seiteu (= Seiten) zurück gegeben werden: Ein anders aber ist, wann die Eltern und Vormünder selbst, ohne Ursache, von dem Eh-Versprechen abgehen, oder die Kinder abmahnen: Dann in diesem Fall hat die in vorigem §. 40. gesetzte Strafe statt.

Wann in der Eh-Beredung eine poena conventionalis festgesetzt wird, muß derjenige, welcher ohne rechtmäßige Ursache von dem Eh-Versprechen abgehet, solche bezahlen: er darf aber ausser dieser Strafe nichts mehr praestiren, sondern er kann seine


(1-46) Part. I. Lib. II. Tit. III.

Geschencke wieder zurück nehmen, und was er empfangen, muß er wieder zurück geben.

Wann Eltern oder Vormünder von ihrem Versprechen abgehen, müssen sie sothane poenam conventionalem aus ihrem Vermögen bezahlen, und können solche denen Kindern nicht anrechnen.

§. 43.

Es verstehet sich auch von selbsten, daß wann der schuldige Theil durch Processe, oder Verzögerung, dem unschuldigen Theil Kosten und Schaden verursachet, derselbe auch zu dessen Erstattung angehalten werden könne.

§. 44.

Schließlich ordnen und wollen Wir, daß wann jemand einem andern wissentlich eine liederliche Person anlobet, und denselben dadurch zum Eh-Versprechen inducirt, derselbe ex dolo ad interesse belanget werden könne.

Tit. III.

Von der Ehe oder Heyrath.

(De nuptiis.)

§. 1.

Die Ehe, oder Heyrath, ist eine Vereinigung eines Mannes und Weibes und deren Leiber, welche mit der Intention geschicht Zeit Lebens bey einander zu wohnen, Glück und Unglück zusammen auszustehen, hauptsächlich aber um Kinder mit einander zu zeugen.

Woraus sich von selbsten ergiebt daß alle andre Vereinigungen, z. E. mit Mann und Mann, Weib und Weib, oder gar mit einem Thier von der Natur selbst verboten seyn.

Wie es mit denen Hermaphroditen zu halten, davon ist oben pag. 9. §. 3. gehandelt worden.

§. 2.

Es wird aber nicht praecise erfodert daß die Vereinigung der Leiber würcklich geschehe, sondern es ist genug daß beyde Theile, wann sie nur wollen, und die Gelegenheit es fügt, einander ehlich beywohnen können: Worzu sie nach der priesterlichen Copulation berechtiget seyn.

Wann also ein Theil vor der priesterlichen Einsegnung verstirbet, kann die Ehe nicht vor Vollzogen gehalten werden. Es wäre dann daß das Ehversprechen durch die fleischliche Vermischung wäre bestätiget worden. Vid. tit. praec. §. 3. §. 31. & seq.

§. 3.

Zu einer rechtmäßigen Ehe wird erstlich erfodert, daß beyde die behörige Jahre haben, nehmlich die Frau 14 und der Mann 16 Jahre: (Worinn wir von dem römischen Recht, weil die Kinder in denen warmen Ländern viel eher reif werden, abgehen) vor dieser Zeit soll denen versprochenen nicht erlaubt seyn zur Vollstreckung der Ehe zu schreiten. Wann ein Paar sich vor dieser Zeit öffentlich versprochen, und sich fleischlich mit einander vermischt haben, ist die Ehe zwar gültig, es müssen aber beyde Theile wegen des praecipitirten Beyschlafs arbitrarie bestraft werden.

Jedoch verstehet sich dieses nur von denen welche nach dem 12 und respective 14ten Jahr das Versprechen durch den Beyschlaf bestätiget haben: dann wann es vorhin geschehen seyn solte, ist die Ehe, wann einer von beyden abgehen will, ungültig.

§. 4.

Es wird zweytens zu einer rechtmäßigen Ehe beyder Theile Einwilligung erfodert.


(1-47) Part. I. Lib. II. Tit. III.

Es ist aber für keine Einwilligung zu halten, wann ein Theil seiner Vernunft beraubet ist, oder durch Schläge oder harte Bedrohungen, zur Vollenziehung der Ehe gezwungen worden. Conf. tit. praeced. §. 12.

§. 5.

Drittens wird erfodert daß die Ehe mit Consens der Eltern und der Vormünder geschehe. Vid. tit. praec. §. 18. seq. & §. 27.

§. 6.

Viertens muß die Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau vollzogen werden.

Daher keine Frau zwey Männer, und kein Mann zwey Frauen zugleicher Zeit nehmen kann.

Wann jemand diesem Verboth zuwider zwey Männer, oder zwey Frauen heyrathet, muß derselbe nicht allein wegen des Ehbruchs, sondern auch wegen der gedoppelten Heyrath gestraft werden.

Im übrigen, so ist in diesem Fall die letzte Ehe null und nichtig: Und muß die zweyte Frau, oder der letzte Mann, sich imputiren, daß sie in des bigami domicilio sich nicht vorher erkundiget, und die Proclamation daselbst nicht besorget haben. Jedoch muß der Bigamus nicht allein denen Kindern der zweyten Frau Lebenslang die Alimenta reichen, sondern auch die Frau selbst nach seinen Vermögen dotiren.

§. 7.

Wann aber die erste Ehe aufgehoben ist, stehet einem jeden frey zur zweyten Ehe zu schreiten: Es muß aber (1) erwiesen werden, daß die erste Ehe dissolvirt sey. Wann also vorgegeben wird daß der Mann im Krieg oder in der Fremde verstorben sey, und ein Zweifel darbey vorkommt, muß derjenige welcher behauptet daß sein Ehgatte todt sey, darüber den Beweis führen: Wie solches geschehen müsse ist in dem Codice Fridericiano pat. 153. vorgeschrieben.

2.) Wann eine Ehe-Frau zur zweyten Ehe schreiten will, kann solches nicht eher als nach verflossener Trauer-Zeit (welche Wir hier auf 9 Monath fest setzen,) geschehen.

Wann also eine Wittwe vor Ablauf dieser Zeit heyrathet; so verliehrt sie 1) den Brautschatz welchen sie ihrem vorigen Manne versprochen oder eingebracht. 2.) Die Kinder des vorigen Mannes behalten das Gegen-Vermächtniß, das Leibgeding, portionem statutariam, und in genere alles was die Mutter von ihrem ersten Mann durch dessen Disposition, sie mag unter Lebenden oder unter Todten geschehen seyn, erhalten: welches auch statt haben soll, wann schon die Kinder des verstorbenen Vatern Erben nicht seyn, oder statuto excludirt werden. Wann keine Kinder vorhanden, fallen alle diese lucra dem Fisco anheim.

Es kann auch 3.) eine dergleichen binnen der Trauer-Zeit heyrathende Ehe-Frau ihren zweyten Mann durch ihre Disposition nicht mehr zuwenden, als was eines derer Kinder erster Ehe (und zwar dasjenige Kind welches die geringste Portion bekommen) von der Mutter erben wird: daher der Stief-Vater alles was er von seiner Frauen währender Ehe erhalten, oder ihm im Testament vermacht worden, conferiren, und was er zu viel erhalten nach der Frauen Tod denen Kindern beyder Ehe heraus geben muß.

Diese Kinder theilen den Uberschuß unter sich zu gleichen Theilen, wann sie schon in ungleichen Theilen instituirt worden.

Wann 4.) die Mutter von dem ersten Mann schwanger ist, und vor der Geburt zur zweyten Ehe schreitet, soll sie auf 3 Jahr zur Spinn-Haus-Arbeit gebracht werden, oder dem Fisco 500. Rthlr. Strafe geben: der Mann aber, wann er solches gewust, soll ein Jahr zur Karren gebracht werden, oder eine gleiche Geld-Strafe erlegen.

Es haben 5.) alle diese Straffen statt, wann auch schon die schwangere Witwe dispensation, binnen der Trauer-Zeit zu heyrathen, sub & obrepirt hätte.


(1-48) Part. I. Lib. II. Tit. III.

Wann aber 6.) eine Wittwe wichtige Ursachen anzeigen könte, warum sie zur zweyten Ehe eilen müsse; als z. E. weil sie eine weitläuftige Handlung zu besorgen hat (et)c. so wollen Wir ihre die Dispensation nicht verwegern.

Es müssen aber (a) sechs volle Monath, von dem Tag der Scheidung oder des vorigen Mannes Tod an zu rechnen, verflossen seyn: die Witwe muß auch (b) sich zur Besichtigung offeriren, und (c) eydlich erhärten, daß sie nicht wisse noch glaube daß sie von ihrem vorigen Mann schwanger sey: Nach der unter diesen Bedingungen erhaltener Dispensation sollen blos die Poenae secundarum nuptiarum (worvon in den folgenden §. 10. gehandelt werden soll) statt haben.

Würde sich aber nachhero äussern, daß sie dennoch schwanger gewesen, sollen der erhaltenen Dispensation ohngeacht alle vorige Strafen Platz greifen (= finden).

Wann (7) eine Frau propter impotentiam mariti geschieden wird, oder der Ehmann nachdem er über 9 Monath abwesend gewesen, verstirbt, oder wann wegen Scheidung der Ehe so lange Process geführet worden, kann dieselbe praevia dispensatione sofort wieder heyrathen, und haben alsdann bloß die Poenae secundarum nuptiarum statt.

§. 8.

Wann eine Wittwe ein offenbahr liederliches Leben führet, oder gar ein unehliges Kind zur Welt bringt, verliehrt sie alles was sie von ihrem Mann lucrirt hat, welches denen Kindern erster Ehe anheim fällt: Es kann auch dergleichen Wittwe bloß von 1/3 ihres Vermögens disponiren, das übrige ist sie ihren Kindern zu lassen schuldig: Wann aber keine Kinder vorhanden, kann sie nach gefallen von ihrem Vermögen disponiren.

§. 9.

Bey denen Witwern wollen Wir die Trauer-Zeit hiedurch auf 6 Monath festetzen (= festsetzen): Es stehet ihnen aber frey vor Ablauf dieser Zeit Dispensation zu suchen: welche insonderheit denen Bauren und Bürgern, und andern welche ohne Gehülfen ihre Nahrung nicht fortsetzen können, nach Verlauf 6 Wochen von der Zeit der dissolvirten Ehe nie versagt werden soll: Und haben in diesem Fall bloß die Poenae secundarum nuptiarum statt.

§. 10.

Wann eine Witwe oder Witwer nach Verlauf der Trauer-Zeit zur zweyten Ehe schreiten will, so kann ihnen solches zwar nicht gewehret werden: Weil aber die tägliche Erfahrung mehr als zuviel bezeuget, daß alsdann die natürliche Liebe gegen die Kinder erster Ehe zu erkalten, und die Eltern mehr vor den zweyten Ehgatten und dessen Kinder, als vor die Kinder erster Ehe zu sorgen pflegen: So haben Wir denenselben die Hände hiedurch binden, und verordnen wollen.

1. Daß derjenige welcher zur zweyten Eh schreitet blos den Usumfructum von demjenigen was er von dem Verstorbenen Ehgatten lucrirt, oder von denen Kindern erster Ehe ererbet hat, so lang er lebt behalten, das Eigenthum aber denen Kindern erster Ehe allein bleiben solle.

Wann (2) einem Ehgatten etwas sub lege viduitatis von dem Verstorbenen vermacht worden, fält solches denen Kindern erster Ehe sofort pleno jure zurück.

Es muß auch (3) dergleichen Ehgatten die Vormundschaft und Erziehung der Kinder nach richterlicher Erkäntniß entzogen werden.

Er kann (4) dem zweyten Ehgatten und denen mit ihm gezeugten Kindern nichts mehr vermachen oder zuwenden, als was ein Kind erster Ehe (welches die geringste Portion bekommen) aus dessen Vermögen erbet.

Wann also derselbe dem zweyten Ehgatten oder dessen Kinder ein mehres schenket oder vermachet, so gilt die Disposition nicht weiter als ad summam concurrentem, das übrige theilen beyderley Kinder unter sich zu gleichen Theilen.

Wann (5) ein Witwer oder Witwe zur dritten Ehe schreitet, haben alle diese


(1-49) Part. I. Lib. II. Tit. III.

poenae secundarum nuptiarum um so viel mehr statt. Es werden aber alsdann die Lucra unter die Kinder erster und zweyter Ehe zu gleichen Theilen getheilet.

Und weil 6) niemand zur zweyten und dritten Ehe schreiten kann, ehe und bevor er mit denen Kindern zweyter und dritter Ehe Richtigkeit getroffen, so müssen die Vormünder bey Auseinandersetzung derer Eltern und Kinder davor sorgen, daß vorgemeldte Lucra denen Kindern wohl versichert werden. Vid. infr. §. 24. Wie Wir dann auch

7) Denen Kindern voriger Ehe eine stillschweigende Hypothec in des Vaters oder Mutter sämtlichem Vermögen verstatten.

Es hören aber 8) diese poenae secundarum nuptiarum auf, und haben keine statt, 1) wann die Kinder majorenn seyn, und in die Heyrath NB. schriftlich consentiren: 2) wann der verstorbene Ehegatte entweder im Testament, oder schriftlich, oder vor zweyen unverwerflichen Zeugen, dem Ueberlebenden erlaubt oder angerathen sich wieder zu verheyrathen:

§. 11.

Es wird, Viertens, zu einer rechtmäßigen Heyrath erfodert, daß diese Vereinigung auf eine unzertrennliche Art, folgends auf die ganze Lebens-Zeit geschehe: daher die Heyrathen welche auf eine gewisse Zeit contrahirt werden null und nichtig seyn; und daß kein Ehe-Gatte den andern in ansteckenden Kranckheiten, Verwirrung des Verstandes, Verlust der Güther (et)c. verlassen kann.

Wie es aber zu halten wann ein Ehegatte durch seine Missethat unglücklich worden, davon soll unten gehandelt werden.

§. 12.

Es wird, Fünftens, zu einer rechtmäßigen Ehe erfodert, daß beyde Theile zur eheligen Beywohnung tüchtig seyn: Wann ein oder der andre Theil untüchtig darzu ist, stehet dem andern Theil frey binnen Jahres Frist, von dem Tag der Copulation an, querelam nullitatis anzustellen.

Es verstehet sich also von selbsten, daß, wann die Untüchtigkeit erst nach der Hochzeit sich einfindet, dieses mit unter die Unglücke gehöre, und dieserwegen die Ehe nicht dissolvirt werden könne.

Es kann aber auch die Ehe wegen sothaner Untüchtigkeit nicht aufgehoben werden wann der andre Theil solche vorhin gewust, folglich eine unzertrennliche Vereinigung, ohne Absicht auf die ehlige Beywohnung, versprochen hat.

Not. Die blosse Unfruchtbarkeit kann die Ehe nicht aufheben.

Wann ein Theil die Untüchtigkeit negirt, so muß durch einen erfahrnen Medicum und Chirurgum (mit Zuziehung einer geschworenen Heb-Amme bey denen Frauens-Leuthen) die Wahrheit ausfündig gemacht werden: Unter denen Beweisthümern aber ist wohl die stärckeste, wann die Frau, welche ihren Mann wegen Untüchtigkeit anklagt, sich zur Besichtigung offerirt, und, daß sie noch Jungfer sey, zeiget.

§. 13.

Sechstens, wird zu einer rechtmäßigen Ehe erfodert, daß die Personen sich nicht in verbothenem Grad verheyrathen.

Ehe Wir aber die verbothene Gradus anzeigen, so ist zufoderst nöthig zu erklähren, was eine Linie, und was ein Grad sey.

Eine Linie ist nichts anders als eine Reihe von Generationen deren Anfang von dem ersten Stamm-Vater auf die Kinder, und so weiter, gezählet wird.

Der Grad ist ein gewisser Orth in der Linie, wodurch die Distantz der Generation von dem gemeinen Stamm-Vater angezeigt wird;


(1-50) Part. I. Lib. II. Tit. III.

Die Linie wird getheilt in die Grade, (Rectam) und Seiten-Linie. (Collateralem)

§. 14.

In grader Linie seyn diejenige die von einander gezeugt seyn, als Eltern und Kinder in infinitum: zur Seiten-Linie gehören diejenige die nicht von einander, jedoch von einen gemeinen Stamm-Vater herstammen, als Schwestern und Brüder, Oncles und Tanten &c.

Verschwägerte Persohnen (affines) werden diejenige genannt, welche einem derer Ehgatten mit Bluts-Freundschaft zugethan seyn. Es ist also die Schwägerschaft blos zwischen dem Ehegatten und des andern Ehegatten Bluts-Freunden: Die Bluts-Freunde beyder Ehegatten aber seyn unter sich nicht verschwägert.

§. 15.

Es seyn aber unter Bluts-Freunden die Ehen verbothen 1.) zwischen denen die ein Fleisch seyn, als Eltern und Kindern in infinitum: 2.) zwischen denen die Fleisch von einem Fleisch seyn, als Schwester und Brüder: daher kann auch niemand seines Vatern und Mutter Schwester und Brüder, daß ist seine Oncles und Groß-Oncles, oder seine Tanten und Groß-Tanten heyrathen.

§. 16.

Unter denen verschwägerten Personen soll niemand eine Person heyrathen, 1.) die mit demjenigen die mit ihm ein Fleisch gewesen in der Ehe gelebet; daher kann niemand seines Stief-Vater, Stief-Mutter, Schwieger-Sohn oder Schwieger-Tochter heyrathen.

§. 17.

Es ist aber eine andre Frage, ob 2) jemand eine Person heyrathen könne, die mit einem der Fleisch von seinem Fleisch ist, in der Ehe gelebet, (als seines Brudern Frau, seiner Schwester Mann, seines Vatern Bruder Frau, und seiner Mutter Schwester Mann) heyrathen könne: Da nun verschiedene der Meynung seyn daß dergleichen Ehen geschehen können, weil die Ehe z. E. mit des Brudern Frau auch in gewissen Fällen gar gebothen, folglich keine Moralis turpitudo vorhanden ist (et)c. andere aber das Gegentheil statuiren: So soll in solchen Fällen keinem Consistorio erlaubt seyn zu dispensiren, sondern es soll jederzeit darüber bey Unserm Geheimden Etats-Rath angefragt werden.

§. 18.

Ausser denen obbenandten Personen können alle übrige Bluts-Verwandten sich heyrathen, als 1) Schwester- und Brüder-Kinder: und noch mehr, 2) die im dritten Grad ungleicher Linie verwandt seyn.

Wie dann auch unter denen übrigen beschwägerten Personen, ausser denen vorgemeldten Fällen, die Heyrathen erlaubet seyn: dahero ein Vater und Sohn zwey Schwestern heyrathen können.

§. 19.

Weil aber öffters sich einige Fälle zutragen, wo ein respectus parentelae (obschon keine Schwägerschaft verhanden) dem Nahmen nach seyn kann, so soll in solchen Fällen die Heyrath ohne Dispensation nicht verstattet werden: Daher soll niemand des Stief-Vaters oder des Stieff-Sohns Wittwe, auch niemand der Stief-Mutter oder Stief-Tochter-Wittwer heyrathen; ausser diesen 4. Fällen aber soll keine weitere respectus parentelae beobachtet, und also der Unterscheid inter genera affinitatis hierdurch aufgehoben seyn.

Die Juden müssen sich gleichfals nach diesen Gesetzen halten.

§. 20.

Es ist vielfältig angefragt worden, ob in dem Fall, wann ein Ehe-Mann mit seiner Frauen Verwandten, nehmlich mit seiner Schwieger-Mutter (et)c. oder wann die Ehfrau mit ihres Mannes Verwandten, e. gr. mit ihrem Schwieger-Vater (et)c. Blut-Schande


(1-51) Part. I. Lib. II. Tit. III.

treibet, die Ehe subsistiren könne? Und seyn einige der Meynung, daß die Ehe ipso jure dissolvirt werde, weil es sonst perpetuatio incestus seyn würde.

Wir halten aber davor, daß die Ehe, wann der ander Theil vor wie nach dem andern beywohnen will, subsistire; weil sonst der unschuldige Ehe-Gatte, welcher die Scheidung nicht verlanget, nebst denen mit einander gezeugten Kindern, mit gestraft werden würde.

§. 21.

Es wird, zum Siebenden, erfordert daß eine dreyfache Proclamation, und zwar drey Sonntage hintereinander, vor der Heyrath vorher gehe, welche auch alsdenn, wann eine vorhin von einem andern geschwächte Person sich verheyrathet, geschehen muß: Und soll kein Gerichte befugt seyn darüber, daß die Heyrath ohne Proclamation, oder ein vor allemahl geschehe, zu dispensiren, sondern solches soll immediate bey Uns gesucht, und unter 24. Rthlr. welche zu Unsrer Bibliothec gewidmet seyn, nicht verstattet werden.

Zum zweyten und dritten mahl aber sich aufbiethen zu lassen können die Provincial-Consistoria verstatten: sie müssen aber die Dispensations-Gelder gleichfals zur Königl. Bibliothec einsenden.

Und weil unter denen Adlichen hergebracht ist, daß dieselbe ohne ihren Nahmen zu melden aufgebothen zu werden pflegen, so hat es darbey sein Bewenden.

§. 22.

Es braucht aber keiner Proclamation, wann (1) zwey Personen einander die Ehe öffentlich versprochen, sich aber vor der Copulation fleischlich vermischt, und die Braut dadurch schwanger worden.

Wie denn auch (2) alsdann, wann jemand auf dem Sterbe-Bette, oder (3) wann er zum Tod geführt werden soll, sich mit seiner öffentlich verlobten Braut will copuliren lassen, und keine Zeit übrig ist von dem Consistorio Verhaltungs-Befehl zu erwarten, die Copulation ohne Proclamation geschehen kann.

Es wird auch (3) keine Proclamation erfodert, zur Pestzeit.

§. 23.

Es muß kein Soldat proclamiret werden, welcher nicht einen Trau-Schein von seinen commandirenden Officier produciret; Wie dann auch in diesem Fall nicht allein die Braut in ihrem Kirch-Spiel, sondern auch der Soldat von dem Guarnisons oder Regiments Prediger proclamirt werden muß.

§. 24.

Es soll auch kein Witwer oder Witwe aufgebothen werden, wann sie nicht zuvor mit denen Kindern ersterer Ehe Richtigkeit getroffen, und dieserwegen einen gerichtlichen Schein producirt;

Weil sich aber öfters zugetragen, daß die Kinder, oder derer Vormünder, um die Eltern von der Heyrath abzuhalten, die Richtigmachung selber hindern, so soll es damit folgender massen gehalten werden:

Die Eltern, wann sie zur zweyten Ehe schreiten, müssen (a) ihren Kindern, wann sie unmündig oder minorenn seyn, aus denen nächsten Verwandten, oder, wann keine vorhanden, aus andern ehrlichen Leuten einen Vormund oder Curatorem zur Auseinandersetzung bestellen lassen: (b) denenselben das Inventarium von des Verstorbenen Vermögen, welches er bey Antretung der Administration oder Vormundschaft verfertiget und gerichtlich deponirt, wie auch die Administrations- und respective Vormundschafts-Rechnung communiciren: (c) die Kinder oder deren Vormünder müssen binnen 6 Wochen ihre Notata dargegen machen, und solche gerichtlich übergeben; zugleich aber bitten daß dieselbe denen Eltern communicirt, und Terminus zur Berichtigung des Vermögens anberaumt werde: worzu (d) die Gerichte in termino einen Commissarium


(1-52) Part. I. Lib. II. Tit. III.

ex officio benennen sollen; welcher (e) hauptsächlich davor sorgen muß, daß denen Kindern die Lucra, welche ihnen durch die zweyte Ehe zufallen, mit angerechnet, und dieselbe, nebst dem was ihnen nach dem verfertigten Inventario etwa zugefallen, im Inventario supplirt werde. Vid. supr. §. 10. n. 6.

Es müssen auch (f) diese zur Liquidation angesetzte Termini von denen Kindern unter keinem Praetext gehindert werden.

Wann (g) solchergestalt ein Liquidum festgesetzet worden, soll dem Arbitrio derer Gerichte überlassen werden, ob die Eltern die etwa noch übrig gebliebene Illiquida, (insonderheit wann sie von Importantz seyn,) noch vor der Heyrath berichtigen, oder fidejussorische Caution bestellen, oder das Quantum welches in lite ist gerichtlich deponiren sollen: und seyn die Eltern schuldig denen Kindern die zur Berichtigung nöthige Process-Kosten vorzuschiessen.

Was der Richter darunter verfüget, darbey soll es lediglich, aller Protestation eines oder des andern Theils ohngeacht, gelassen, und, wann die Eltern dem Erkäntnüß ein Genügen gethan, denenselben der benöthigte Schein ohnentgeldlich ertheilet werden.

Wann (h) ein Ehegatte des andern Erbe nicht seyn will, muß er praevia specificatione das väterliche oder mütterliche Vermögen völlig herausgeben:

Wann (i) jemand ohne dergleichen Berichtigung zur zweyten Ehe schreitet, verliehrt er nicht allein alles was er vor Nutzen aus der vorigen Ehe erlangt, sondern es soll auch denen Kindern, wann sie mündig werden, frey gelassen seyn ihre Foderungen zu specificiren, und wann sie juramento in litem erhärten, daß sie nicht anders wissen noch glauben als daß ihre Abfindung sich so hoch belaufe, muß ihnen das Quantum ohne Moderation ausgeliefert werden: Worgegen die Eltern, in poenam, nicht gehöret, noch ihnen einiges Remedium verstattet, sondern das beschworne Quantum per executionem beygetrieben werden muß.

Es soll auch dergleichen Eltern die Tutela legitima durchaus nicht gelassen, sondern denen Kindern von der Obrigkeit andre Vormünder bestellet werden.

Es soll sich auch (k) kein Priester unterstehen dergleichen Eltern, ohne Vorzeigung eines gerichtlichen Scheins, daß die Eltern Richtigkeit gemacht, zu trauen, (zu welchem Ende die Priester die Scheine dem Kirchen-Buch beyheften müssen) oder es (= er)soll denen Kindern vor allen Schaden stehen, und überdem 50 Rthlr. Strafe erlegen.

Würden sich dergleichen Eltern ausser Landes trauen lassen, sollen sie dieserwegen besonders mit einer ansehnlichen Geld- oder Leibes-Strafe belegt werden.

Wann auch (1) dergleichen Eltern eine Dispensation von uns darüber sub- & obrepiren, soll derer Kinder ihrem Recht dadurch nichts benommen seyn; sondern denenselben über kurz oder lang freystehen die Eltern zur Berichtigung anzuhalten, und nach erhaltenem Inventario defecte zu ziehen, und solche vorhin verordneter massen juramento in litem zu beschwöhren.

Es ist (m) diese Berichtigung mit denen Kindern erster Ehe auch nöthig wann schon nicht zu theilen vorhanden, massen eben diese durch einen gerichtlichen Schein erwiesen werden muß.

(n) Diejenige Gerichte, welche ohne vorhergehende genaue Untersuchung einen gerichtlichen Schein ertheilen, sollen in solidum vor allen daher entstehenden Schaden (welchen die Kinder juramento in litem erhärten können) stehen.

§. 25.

Es können auch die Priester keine Fremde unbekante Leuthe, oder welche nicht zu ihrem Kirchspiel gehören, proclamiren: Sondern es soll damit folgendergestalt gehalten werden:


(1-53) Part. I. Lib. II. Tit. III.

1.) Wann einer oder beyde fremd seyn, und in Unsern Landen proclamirt seyn wollen, müssen dieselbe sich zugleich an dem Ort wo sie bishero gewohnt aufbiethen lassen, und, daß solches geschehen, von dem dortigen Magistrat attestirt werden: Ehe und bevor solches nicht geschehen, muß kein Priester oder Magistrat einen Schein geschehener Proclamation ertheilen, vielweniger das Paar copuliren.

2.) Wann sie Vagabunden sein, und an keinem Ort ein Domicilium haben, folglich dergleichen Attest nicht beybringen können, sollen sie in Unsern Landen gar nicht getraut werden.

3.) Wann der Bräutigam ein Teutscher, die Braut eine Französin ist, so kann der teutsche Prediger die Proclamation und Trauung zwar thun, es muß aber die Proclamation auch in der Französischen Kirche geschehen, welches denen Verlobten vor der Proclamation in der teutschen Kirche bedeutet werden muß: Und solchergestalt soll es auch gehalten werden, wann der Bräutigam französischer, die Braut aber teutscher Nation ist: allermassen alsdann die Proclamation und Trauung zwar in der französischen Kirche geschehen, die Proclamatio aber auch in der teutschen Kirche veranlasset werden muß.

4.) Wann jemand zwey oder mehr Domicilia hat, so muß er in beyden aufgebothen werden.

5.) Wann ein Tertius währender Proclamation Einspruch thut, und sich dieserwegen bey dem Prediger meldet, kann die Proclamation dadurch nicht aufgehalten werden: Jedoch muß der Priester mit der Trauung anstehen, und die Partheyen an die ordentliche Gerichte verweisen.

Weil aber der Einspruch öfters nur animo vexandi, oder bey der dritten Proclamation, und da alles Benöthigte zur Hochzeit schon angeschafft worden, zu geschehen pflegt, so kann zwar mit der Copulation nicht verfahren werden: Es muß aber das Cammer-Gericht einen kurzen Terminum auf des einen oder des andern Theils Anhalten, ansetzen, die Sache mündlich hören, und wann derjenige welcher den Einspruch gethan selber nicht erscheinet, oder sein Vorgeben nicht incontinenti bescheiniget, (welches auch per delationem juramenti geschehen kann,) soll derselbe schlechterdings abgewiesen werden:

Wann aber derjenige welcher dergleichen späte Einsprache thut eydlich erhärtet, daß er von der Proclamation nicht eher etwas erfahren habe, auch wegen Erstattung der vorräthigen Anstalten juratorische Caution praestirt, so soll ordentlich weiter verfahren werden:

Wann sich hiernechst finden solte daß der Einspruch zur Ungebühr geschehen, muß der Kläger nicht allein arbitrarie bestrafft, sondern auch zu Erstattung alles desjenigen, was zur Hochzeit an Eß-Waaren angewandt worden, nicht weniger in die Process-Kosten condemnirt werden; Wann auch schon alles noch in natura vorhanden, oder in der Haushaltung consumirt worden. Und damit ratione des Werths kein Streit entstehe, so soll demjenigen, welchem der Einspruch geschehen, frey stehen die übergebene Specification, praevia moderatione, juramento in litem zu bestärcken.

6.) Es trägt sich auch öfters zu, daß Braut-Leuthe aus Furcht des Einspruchs sich ein vor allemahl aufbiethen lassen: In diesem Fall muß nach vollzogener Ehe derjenige welcher einer andern die Ehe versprochen, zu einer zulänglichen Satisfaction nach ihrem Stand verholfen werden. Conf. tit. praeced. §. 31.

Und was ein Richter hierunter erkennt, darbey muß der schuldige Theil in poenam acquiesciren: dem unschuldigen Theil aber, welcher vermeinet daß die Satisfaction nicht zulänglich sey, müssen die Remedia verstattet werden.

7.) Wann Verlobte ohne Proclamation sich copuliren lassen, wird dadurch die Ehe nicht annullirt, sondern dieselbe seyn bloß schuldig die priesterliche Einsegnung


(1-54) Part. I. Lib. II. Tit. III.

annoch zu suchen, jedoch können dieselbe, weil sie wider die Ordnung gehandelt, nach ihrem Vermögen mit Geld bestrafft werden.

§. 26.

Endlich, und Neuntens, wird auch zu einer rechtmäßigen Ehe erfodert, daß die priesterliche Einsegnung darzu komme: dann durch diese Copulation wird die Ehe substantiirt, und von dieser Zeit fangen alle die Vorrechte des Ehstands an, wann also z. E. der Mann nach der Copulation, ehe das Ehbett beschritten worden, verstirbt, führt das Weib als eine wahre Ehfrau dessen Nahmen, ihr gebührt das Gegen-Vermächtniß, Leibgeding, portio statutaria &c. ausser der Morgengabe.

Wann Braut-Leuthe vor der Copulation sich fleischlich vermischen, wird zwar die Ehe dadurch vollzogen, und seyn die Kinder als ehrlich gebohren zu achten: wann aber der Mann vor der Copulation verstirbt, fallen alle die lucra nuptialia hinweg. Die Frau nimmt bloß ihren dotem zurück, und kann weder Gegen-Vermächtniß, noch Leibgeding, noch portionem statutariam, noch Morgengabe, noch Gerade (et)c. fodern. Hingegen kann auch der Mann, wann das Weib vor der priesterlichen Einsegnung verstirbt, weder den dotem (wann er pacto vel statuto solchen lucriren soll,) noch portionem statutariam fodern: Es wird auch die communio bonorum durch den blossen Beyschlaff mit der Verlobten gleichfals nicht constituirt: Sondern alle diese lucra nuptialia fangen erst von der Copulation an.

§. 27.

Die Copulation muß in der Kirchen geschehen; es wäre dann daß von dem Consistorio darüber dispensirt; oder von denen Herrschaften die Hochzeit an ihre Dienstbothen ausgerichtet würden; oder daß eines von denen Braut-Leuthen mit einer unversehenen Kranckheit befiele; oder jemand der zum Tod condemnirt worden sich vor seinem Ende mit seiner Verlobten wolte trauen lassen; in welchen Fällen es keiner Dispensation gebraucht.

Wie dann auch die von Adel, und die vorhin geschwächte Personen, sich im Hause trauen lassen können.

Es soll aber in der Advent- und Fasten-Zeit, und zwar 14 Tage vor Weynachten und vor Pfingsten (= Ostern), auch des Sonntags keine Trauung ohne Permission des Consisistorii (= Consistorii) vorgenommen werden.

Es pflegt auch zuweilen die Copulation in der Gerichts-Stube zugeschehen, wann nehmlich jemand condemnirt wird die Ehe zu vollenziehen, und derselbe sich weigert oder flüchtig wird. In welchem Fall ein fiscalischer Bedienter das Ja-Wort im Nahmen des Condemnirten geben muß. Vid. Tit. praec. §. 36. n. 4.

§. 28.

Die Trauung soll von keinem andern als dem ordentlichen Parocho geschehen: Wann aber aus erheblichen Ursachen die Copulation einem andern von denen Consistoriis aufgetragen wird, müssen dem Parocho und denen Bedienten dennoch jura stolae bezahlt werden.

§. 29.

Es soll kein Catholischer Priester sich unterstehen ohne Unsere Permission jemand Unserer Unterthanen, von welcher Religion er sey, zu copuliren: allermassen dergleichen Copulation und Ehe, wann auch schon die fleischliche Vermischung erfolget, null und nichtig seyn, die Kinder vor unehlich gehalten, und die Priester sofort zur gefänglichen Hafft gebracht, die Unterthanen aber nachdrücklich bestrafft werden sollen.

§. 30.

Im übrigen müssen diejenige welche copulirt werden wollen in Person gegenwärtig seyn, und kann kein Privatus sich per Procuratorem trauen lassen.

§. 31.

Aus dergleichen rechtmäßigen Ehe entstehen verschiedene Vorrechte (1) in Ansehung


(1-55) Part. I. Lib. II. Tit. III. Art. I.

der Eheleuthe selbst: (2) in Ansehung der Eltern und Kinder: (3) in Ansehung der Verwandten unter sich: wovon oben gehandelt worden. Vid. supr. Lib. 1. Tit. 9. per tot.

§. 32.

Es erlangen auch die Ehleuthe aus dergleichen rechtmäßigen Ehe verschiedene Actiones: nehmlich (1) actionem praejudicialem, wann ein Theil negirt daß der Kläger ein Ehgatte sey: (2) Actiones ad exhibendum, wann jemand, auch der Vater selbst, den Ehgatten verborgen hält: (3) Actiones in factum, wann jemand die Frau verführet, verkuppelt (et)c. in welchem Fall der Ehgatte ad omne id quod interest agiren kann.

Art. I.

Wie die Ehe dissolvirt werde.

§. 33.

Die Ehe ist entweder gleich von Anfang null und nichtig; oder sie wird nachher aus rechtmäßigen Ursachen dissolvirt.

§. 34.

Die Ehe ist gleich anfangs null und nichtig

I. Wann beyder Theile Einwilligung fehlet, welches auch alsdann geschicht, wann ein Theil (a) seines Verstandes nicht mächtig ist: (b) wann ein Theil durch Schläge oder harte Bedrohungen gezwungen worden die Heyrath zu vollziehen: (Es muß aber die gezwungene Person binnen denen ersten 8 Tagen nach der priesterlichen Copulation sothane Gewalt gerichtlich anzeigen, massen sie nachhero nicht damit gehört werden soll.)

II. Ist die Ehe null und nichtig, wann der Eltern und Vormünder Consens fehlet, Vid. Tit. praec. §. 25. seq. & §. 27. item

III. Wann jemand, der schon eine Frau hat, die zweyte Frau heyrathet. Vid. Tit. praeced. §. 29. & supr. §. 6. seq.

IV. Wann jemand eine Frau auf eine gewisse Zeit heyrathet. Vid. supr. §. 11.

V. Wann jemand in verbothenem Grad heyrathet. Vid. supr. §. 13.

VI. Wann einer von beyden Theilen zum Ehstand untüchtig ist. Vd. supr. §. 12.

VII. Wann jemand geglaubt eine Jungfrau zu heyrathen, nachhero aber das Gegentheil erweisen kann.

Es hat diese Regul auch statt wann die Person vorher schon mit Gewalt stuprirt worden: es wäre dann daß der Ehmann diesen Umstand gewust, oder, nachdem er ihn erfahren, derselben ehlig beygewohnet hätte.

Wann eine Wittwe sich vor eine Jungfrau ausgibt, und sich unter solcher Qualitaet aufbiethen und trauen lässet, soll die Heyrath gleichfals als unkräftig angesehen werden.

VIII. Wann ein Ehbrecher ohne Unsere Dispensation die Ehbrecherin heyrathet, deren er die Ehe bey des ersten Mannes oder Frauen Leben versprochen: wie dann auch kein Ehbrecher, welchem per sententiam auferlegt worden binnen einer gewissen Zeit, oder gar nicht zu heyrathen, ohne Dispensation zur Ehe schreiten kann.

IX. Wann jemand eine Person, ob schon mit ihren Willen, entführt, und sich mit ihr trauen läßt, ist die Ehe gleichfals null und nichtig.

X. Wann ein Vormund seine Pflegbefohlene heyrathet ohne zuvor Rechnung abzulegen, kann die Frau, wann sie will, jederzeit eine Nullitaets-Klage anstellen: Welchenfals der Vormund nicht allein das Vermögen der Frau nebst denen Zinsen,


(1-56) Part. I. Lib. II. Tit. III. Art. I.

heraus geben, sondern die Helfte seines übrigen Vermögens derselben einliefern muß. Es wäre dann daß der Vater die Heyrath mit dem Vormund in seinem letzten Willen ausdrücklich verlangt habe.

XI. Wann jemand der unterthänig, das ist, glebae adstrictus und homo proprius ist, einen freyen Menschen heyrathet, kan auch dieserwegen die Ehe aufgehoben werden, wann der freye Mensch vorher nichts von dessen Condition gewust, oder, nachdem er solche erfahren, der eigenbehörigen Person nicht weiter ehlig beygewohnt hat.

Wie es dann XII. auch also gehalten werden soll, wann jemand der bürgerlichen Standes ist sich für einen Edelmann ausgibt, und unter dieser Qualitaet eine Adliche Person heyrathet.

XIII. Wann eine Ehe als null und nichtig declarirt wird, so cessiren alle Jura und Beneficia matrimonialia, der Mann muß den Brautschatz zurück geben, die Frau verliehrt das Gegen-Vermächtniß, beyde die portionem statutariam, die Kinder werden als unehlig angesehen, und succediren keinem aus der Familie.

Es wäre denn daß ein Theil durch Betrug zur Heyrath inducirt worden, (wie in denen Fällen N. 1. 6. 7. 11. 12.) und dieserwegen die Cassation der Ehe suchte (et)c. allermassen in diesen Fällen die Kinder vor ehlich gebohren zu achten, der Betrüger aber dem andern Theil die Lucra nuptialia als einem Wittwer oder Wittwen zu entrichten, die Kinder aber so lang sie leben zur Helfte zu alimentiren schuldig ist.

§. 35.

Eine rechtmäßige und vollzogene Ehe kann aus verschiedenen Ursachen dissolvirt werden: und zwar

I. Durch den Tod eines Ehgatten: welches auch von dem civilen Tod, wann nemlich ein Ehgatte in die Acht erklährt und verbannet wird, zu verstehen.

II. Wann beyde Theile in die Ehscheidung willigen, müssen alle Gradus darbey beobachtet, und zu dem Ende alle Bewegungs-Gründe, allenfals mit Zuziehung eines Geistlichen, zu deren Vereinigung adhibirt, und wann dieses nicht helfen will, eine Scheidung von Tisch und Bett auf ein Jahr vorgenommen werden.

Wann nach verflossenem Jahr keine Vereinigung zu hoffen, und beyde Theile bey ihrem Vorsatz verharren, kann die Scheidung geschehen.

III. Es kann auch die Ehe geschieden werden auf eines Theils Ansuchen, wann dasselbe eine rechtmäßige Ursache hat. Unter die rechtmäßige Ursachen werden gerechnet

IV. Wann ein Theil einen Ehbruch begangen und dessen überführt worden, welches auch statt hat wann der Ehbrecher schon Abolition des Process von Uns erhalten hat.

Es leidet aber diese Regul einen Abfall a) wann der andre Theil gleichfals einen Ehbruch begangen: In welchem Fall jedoch das fiscalische Interesse gegen beyde vorbehalten bleibt: (b) Wann der beleidigte Theil einmahl verziehen, und z. E. dem schuldigen Theil wieder ehlig beygewohnet hat: (c) Wann der eine Theil Gelegenheit zum Ehbruch gegeben, und z. E. dem andern Theil die ehlige Pflicht versagt, oder gar die Frau verkoppelt hat: (et)c. (d) Wann eine Frau in der Meynung ihrem Mann beyzuwohnen mit einem andern zu thun hat: (e) Wann eine Frau, welche glaubenswürdige Nachricht von ihres Mannes Tod hat, und solches gerichtlich bescheiniget, wieder heyrathet, und der Mann nachhero sich wieder einstellet:

V. Wann eine Ehfrau wider ihres Mannes Willen und Verboth mit andern Manns-Leuthen einen verdächtigen Umgang hat, Liebes-Briefe schreibet (et)c. dann ob schon kein Ehbruch daher erwiesen wird, so seyn es doch solche dahin gehörige Indicia welche zur Ehscheidung zulänglich seyn.


(1-57) Part. I. Lib. II. Tit. III. Art. I.

VI. Es wird auch die Ehe dissolvirt wann ein Ehgatte den andern böslicher Weise verlässet.

Es muß aber derjenige, welcher aus diesem Grund die Ehscheidung suchet, die Intention, daß der andre Theil ihn verlassen wolle, erweisen.

Wann dieses erwiesen wird, kann derselbe sofort die Desertions-Klage anstellen, und den andern edictaliter citiren lassen.

Wann der animus deserendi zweifelhaftig ist, so wird, ehe und bevor zur Ehscheidung geschritten werden kann, erfodert, (a) daß ein Theil zwey Jahr ohne Ursache sich absentirt habe: (b) daß er ordentlich, und zwar, wann dessen Auffenthalt unbekandt, und der deserirte Theil eydlich erhärtet daß er von dessen Aufenthalt nicht wisse, edictaliter citiret, und, wann er an einen gewissen Ort zu reisen vorgegeben, die Edictales vornehmlich an dem Ort anschlagen werden müssen, worauf (d) dem Abwesenden ex officio ein Curator ad hunc actum bestellet, und (e) dem Befinden nach super malitiosa desertione, und ob solche vorhanden, erkant werden muß.

Wann der Citatus vor Publication der Urthel erscheinet, und causas absentiae anzeiget, auch keine andre causae divortii vorhanden seyn, ist der klagende Theil schuldig demselben noch ferner, jedoch restitutis expensis, ehlich beyzuwohnen.

Wann der Citatus nach der Urthel sich meldet, justas absentiae causas allegirt, und die Frau nicht anderweitig verheyrathet ist, hat es gleiche Bewandniß mit dem vorigen Casu: Im Fall aber die geschiedene sich anderweitig verlobt oder verheyrathet hätte, muß es bey der zweyten Ehe sein Bewenden haben, jedoch sollen die mit dem ersten Mann erzeugte Kinder demselben, wann er es verlanget, abgefolget werden.

Wann ein Ehegatte ohne die vorher gemeldte Requisita und Solennitaeten einen andern heyrathet, sollen beyde Theile als bigami gestrafft werden.

Wann jemand ex capitae (= capite) malitiosae desertionis von seinem Ehgatten geschieden worden, so kann der bösliche Verlasser ohne Unsere Dispensation nicht wieder heyrathen: thut er es aber so ist die Heyrath null und nichtig.

Es verstehet sich aber von selbsten daß der unschuldige Theil in des böslichen Verlassers Vermögen immittirt werden, und die Nutzung daraus so lang der Verlassene lebet geniessen müsse, wann er auch schon zur zweyten Ehe schreitet.

Es ist keine bösliche Verlassung wann jemand ex causa laudabili, und z. E. in Gesandschaft, im Krieg, wegen seiner Handthierung, lange Jahre abwesend ist; Wann nicht andre Umstände darbey vorkommen. Conf. tit. praec. §. 39. n. 11.

VII. Die Ehe kann auch geschieden werden, wann ein Ehgatte auf den andern eine tödtliche Feindschaft wirft, z. E. wann ein Theil den andern mit Schlägen tractirt; wann ein Theil lue venerea laborirt: wann ein Theil dem andern nach dem Leben stehet: wann einer wegen Missethat zur Karren, zum Staupbesem, oder gar zum Tod condemnirt, oder wegen einer infamen That des Landes verwiesen wird (et)c. Item

VIII. Wann ein Theil in eine Raserey oder Blödsinnigkeit verfällt, und diese viele Jahre anhält, der andre Theil aber dieserwegen die Ehe aufzuheben bittet. Insonderheit wann es eine Person ist welche zu Beobachtung ihres Handels oder wegen des Zustandes ihrer Güther die Assistentz eines Mannes vonnöthen hat: Es muß aber die Obrigkeit in diesem Fall vor allen Dingen vor den Unterhalt des Blödsinnigen (et)c. sorgen.

§. 36.

Es wird aber die Ehe, wann sie vollzogen ist, weder durch einen Irthum im Nahmen, noch in der Religion, noch im Stand, noch im Vermögen dissolvirt, dahero auch der Mann seine Frau, welche den versprochenen Brautschatz nicht eingebracht, noch einbringen können, nicht dimittiren kann:


(1-58) Part. I. Lib. II. Tit. III. Art. II.

§. 37.

Wann ein Paar lange Zeit zusammen gelebt, und sich vor Eheleuthe ausgegeben, nachhero aber einer von ihnen vorgiebt, daß sie nie getraut wären, soll die Heyrath in poenam bleiben, die Copulation aber annoch geschehen, und beyde Theile gestraft werden.

§. 38.

Wann der Ehmann Anlaß zur Ehscheidung giebt, so muß er nicht allein (a) den Braut-Schatz zurückgeben, sondern er verliehrt auch (b) das Eigenthum von dem verschriebenen Gegenvermächtnüß: Wann (c) kein dos noch donatio propter nuptias verschrieben worden, lucrirt die Frau den dritten Theil von des Mannes sämtlichen Vermögen, wie es zu der Zeit da sie per Sententiam geschieden worden gewesen.

Wann (d) ein Leibgeding constituirt worden, so kann die Frau den Dotem zurück nehmen: und überdem entweder das Gegenvermächtniß oder das Leibgeding wehlen, nicht aber beyde zugleich fodern.

Wann (e) eine portio statutaria durch die Gesetze oder eine gewisse Portion in in (!) dem Testament determiniret worden, so dependirt es von dem unschuldigen Theil ob er diese Portion, oder den Dotem mit dem Gegenvermächtniß wehlen wolle.

Wann die Ehe durch der Frauen Schuld dissolvirt wird, so lucrirt der Mann (1) den Brautschatz, oder die portionem statutariam wo solche hergebracht ist. (2) Darf er das verschriebene Gegenvermächtniß nicht hergeben. (3) Wann weder dos noch donatio propter nuptias constituirt worden, lucrirt er den dritten Theil von dem sämtlichen Vermögen der Frauen, wie es zur Zeit da die Ehe durch Urthel und Recht geschieden worden beschaffen gewesen.

§. 39.

In beyden Fällen aber erlangt der Unschuldige Theil blos den Usumfructum: weil das Eigenthum des Gegen-Vermächtnisses (et)c. in dem ersten Fall, und in dem letzten Fall das Eigenthum des Brautschatzes (et)c. oder der vierte Theil des Vermögens denen Kindern die aus dieser Ehe gezeugt seyn verbleibt.

§. 40.

Wie es aber in denen voran geführten Fällen zu halten, wann ein Fremder oder der Vater den Brautschatz oder Gegen-Vermächtniß constituirt hat, davon soll unten Lib. Tit. §. gehandelt werden.

§. 41.

Wann auch ein Ehgatte dem andern, welcher Schuld an der Scheidung ist, etwas im Testament vermacht hat, so wird durch die Scheidung das Vermächtniß aufgehoben, und vor revocirt gehalten.

§. 42.

Derjenige unschuldige Ehgatte welcher diese Lucra fodert, kann solches thun (1) actione ex pacto. (2) per condictionem ex lege: (3) per actionem hypothecariam.

Art. II.

Von der Scheidung von Tisch und Bette.

(De separatione quoad thorum & mensam.)

§. 43.

Es trägt sich öfters zu daß unter Ehleuten einige Mißhelligkeiten entstehen, und eine Frau über die Saevitien ihres Mannes, der Mann aber über die Untugenden der Frauen, deren Verschwendung, Trunckenheit (et)c. zu klagen pfleget, und daher nicht beyeinander leben wollen noch können.


(1-59) Part. I. Lib. II. Tit. III. Art. II.

In dergleichen Fällen stehet denen Ehleuten nicht frey sich eigenmächtig, und ohne Authoritaet der Obrigkeit, von einander zu separiren: sondern, wann solches geschicht, müssen beyde Theile angehalten werden sich wieder zusammen zu verfügen, oder causas separationis bey denen ordentlichen Gerichten anzuzeigen, worzu der Mann die Process-Kosten vorzuschiessen schuldig ist.

§. 44.

Wann also einer derer Ehgatten gegen den andern zu klagen bündige Ursache hat, muß zufoderst die Güthe, allenfals mit Zuziehung beyder Theile Beicht-Väter, versucht werden.

Wann diese nicht platz findet, muß nicht sofort auf die Scheidung der Ehe erkannt, sondern beyde Theile von Tisch und Bett höchstens auf ein Jahr geschieden werden.

§. 45.

Diese Scheidung hat auch statt, wann schon der schuldige Theil, welcher die Saevitien ausgeübt, cautionem de non offendendo bestellen wolte.

§. 46.

Wann der Mann an dieser Separation Schuld ist, stehet bey der Frauen ob sie ihre Illata, daß ist, dotem & paraphernalia zurückfodern, oder standesmäßige Alimenta wehlen wolle: Welche aber nicht eben nach Proportion des Dotis, sondern nach dem Stand und Vermögen des Mannes determinirt werden müssen:

Und diese Alimenta müssen der Frauen gereicht werden, wann sie auch schon keinen Brautschatz inferirt hat.

§. 47.

Wann die Frau schuld an der Separation ist, stehet dem Ehmann frey ob er die Illata derselben herausgeben, oder der Frauen die nothdürftige Alimenta reichen wolle.

Wann sie keinen Brautschatz inferirt, auch sonst nichts zu leben hat, muß er dieselbe dennoch alimentiren: worbey insonderheit in Consideration kommen muß, ob dieselbe im Stand sey ihr Brod durch dienen oder sonst zu verdienen: Welches alles lediglich dem Arbitrio judicis anheim gestellet wird.

§. 48.

Die Kinder müssen dem unschuldigen Theil überlassen werden, und der schuldige Theil kann sich nicht entbrechen die Kosten darzu nach richterlicher Ermäßigung herzugeben. Es dependirt aber von des Richters Arbitrio, wann er es nöthig findet, dieserwegen zum besten der Kinder andre Anstalt zu machen.

§. 49.

Weil auch wegen der Wohnung, und wie es währender Separation damit zu halten, öfters gestritten wird, so soll es damit folgender gestalt gehalten werden.

Wann der Frauen das Haus eigenthümlich zugehört, muß der Mann, er mag schuld seyn oder nicht, wann es die Frau verlanget das Haus räumen; auch derselben die dem Haus anklebende Nahrung überlassen: dahingegen ist die Frau, wann sie Anlaß zur Separation gegeben, schuldig dem Mann eine convenable Wohnung zu verschaffen.

Wann der Mann Eigenthümer des Hauses ist, muß die Frau ebenfals das Haus räumen, der Mann mag schuld seyn oder nicht; dahingegen kann er sich nicht entbrechen nach richterlicher Ermäßigung derselben eine convenable Miethe zu bezahlen.

Wann diese Leuthe in einem gemietheten Haus wohnen, und bedenklich ist beyde in einem Haus wohnen zu lassen, so muß derjenige Theil weichen, welcher Anlas zur Separation gegeben hat.

§. 50.

Wann wegen der Illatorum, und deren Quantum, gestritten wird, muß die Frau solche bescheinigen, worauf in einem kurtzen Termino ein Liquidum constituirt,


(1-60) Part. I. Lib. II. Tit. III. Art. II. III.

und allenfals die Frau, wann der Mann Schuld an der Separation ist, ad juramentum in litem gelassen werden: Von welchem Erkäntniß kein Remedium suspensivum statt haben soll.

§. 51.

Wann beyde Theile Schuld haben, cessirt die Wahl; und muß die Obrigkeit ex officio das Quantum der Alimenten determiniren, und, wie es mit der Wohnung und den Kindern zu halten reguliren: Worvon kein Remedium, als quoad effectum devolutivum, verstattet werden soll.

§. 52.

Währender Scheidung müssen beyde Theile sich aller Thätlichkeit, Drohungen, und Schmähung enthalten.

Wann von einem oder dem ander Theil dergleichen zu befürchten wäre, stehet dem Richter frey denselben anzuhalten durch Bürge oder Pfänder cautionem de non offendendo zu bestellen. Wann er nicht im Stande ist sothane Caution zu bestellen, muß er sich eydlich darzu verbinden, und, wann er dawieder handelt, sofort zur gefänglichen Haft gebracht, und als ein Meineydiger gestraft werden.

§. 53.

Wann die Zeit der Scheidung verlaufen, müssen beyde Ehleute sich wieder zusammen verfügen:

Wann die Frau, welche wegen des Mannes Saevitien separirt worden, befürchtet daß der Mann continuiren werde sie übel zu tractiren, dieser auch ein solcher ist zu welchem man sich dergleichen wohl versehen kann, so ist der Richter befugt denselben zur vorgeschriebenen Caution anzuhalten.

§. 54.

Wann aber einer oder der andre von diesen Ehleuten sich durchaus nicht wieder zu dem andern verfügen will, muß die Güthe nochmahls mit Zuziehung eines Geistlichen versucht werden. In deren Entstehung, und da sich eine Inimicitia capitalis hervor thut, kann die Ehe völlig geschieden werden; jedoch mit dem Unterscheid, daß derjenige welcher Ursach an der Separation gewesen, alle Poenas divortii tragen müsse. Es wäre dann daß er die Redintegration der Ehe verlanget, auch allenfals zur Caution sich offerirt, der andre Theil aber nicht gewolt hätte; in welchem Fall er billig mit der Straffe zu verschonen.

§. 55.

Wann ein Theil währender Separation stirbt, kann der andre Theil dennoch auf die Eh-Pacten oder portionem statutariam gehen, weil die Ehe würcklich noch subsistirt.

Art. III.

Von der Trauung zur lincken Hand: (de matrimonio ad Morganaticam) und von denen Beyschläfferinnen.

(De Concubinis.)

§. 56.

Nachdem gezeigt worden, daß die väterliche Gewalt durch eine rechtmäßige Ehe erlangt werde; nachdem auch erklährt worden was eine rechtmäßige Ehe sey, so ist noch übrig zu untersuchen, was die Trauung zur lincken Hand, und der Concubinat vor einen Effect in Unsern Ländern habe.

§. 57.

Es ist also ein Unterscheid zu machen zwischen solchen Concubinen oder Beyschläfferinnen, welche praevia proclamatione durch priesterliche Copulation die Ehe vollziehen, und sich mit einem Mann dahin verbinden, daß sie Zeit Lebens einander beywohnen,


(1-61) Part. I. Lib. II. Tit. III. Art. III.

und Kinder zeugen wollen; jedoch zugleich declariren, daß das Weib und die Kinder nicht in die Familie eingenommen, noch derer Vorrechte die der Familie ankleben theilhaftig werden solle (et)c. und zwischen einer Beyschläferin derer sich jemand ohne dergleichen priesterliche Copulation, blos zu Büssung seiner Lust, bedienet.

§. 58.

Die erste Art des Concubinats (welche matrimonium ad morganaticam, oder Heyrath zur lincken Hand genannt wird) ist regulariter nicht erlaubt.

Weil sich aber öfters zuträgt, daß einer von Adel, oder höhern Standes, zur Conservation seiner Familie zur zweyten Ehe zu schreiten Bedencken hat, gleichwohl aber die Gabe der Keuschheit nicht besitzet, so wollen Wir in dergleichen Fällen demselben erlauben sich eine Frau zur lincken Hand antrauen zu lassen.

§. 59.

Er muß aber 1.) sich bey uns immediate melden, und die Ursachen welche ihn zu dieser Entschliessung bewogen anzeigen.

Er muß 2.) sich erklären, was er der Frauen nach seinem Tod zu ihrem und derer künftigen Kinder Unterhalt destinirt habe: Zu welchem Ende er 3) an Eydes Statt sein Vermögen specifice angeben muß: Worauf Wir 4) die Sache untersuchen lassen, und Uns näher erklären wollen. Es seyn aber 5.) beyde Theile auf erhaltene Erlaubniß schuldig sich dreymahl proclamiren zu lassen, um allen Einspruch zu vermeiden: Worauf b) die Trauung zur lincken Hand in privatis aedibus geschehen soll.

§. 60.

Aus dergleichen Ehe zur lincken Hand erlangen die Contrahenten einige Vorrechte, welche denen rechten Eheleuthen zustehen: Daher ist die Ehe unzertrennlich, der Mann kann keine zwey Concubinen heyrathen, die Frau begehrt ein wahres Adulterium, und dergleichen Ehe kann nicht als aus denen oben angeführten Ursachen dissolvirt werden (et)c.

Weil aber diese Concubine nicht in die Familie aufgenommen wird, so kann sie diejenige Vorrechte welche der Familie ankleben, folglich die Dignitaet einer rechtmäßigen Haus-Frau nicht erlangen: daher führet sie weder den Nahmen noch das Wapen ihres Mannes, sie folget auch dessen Foro nicht, sondern behält das ihrige: Und aus eben dieser Ursache kann sie auch dem Mann keinen Dotem, und der Mann ihr kein Gegen-Vermächtniß oder Leibgeding constituiren, vielweniger kann sie portionem statutariam praetendiren, sondern sie muß mit demjenigen zufrieden seyn was ihr mit Unserer Bewilligung in dem Heyraths-Contract ausgemacht worden: Wann ihr also von dem Mann weiter etwas vermacht oder geschenckt wird, muß sie solches nach des Mannes Tod denen rechten Kindern oder Verwandten conferiren.

§. 61.

Da nun auch die Kinder ausser der Familie gebohren werden, so folget von selbsten, daß die Kinder zwar an sich ehlige Kinder seyn, und in denen Statutis unter diesem Nahmen begriffen werden, daß sie unter der väterlichen Gewalt stehen, und ohne des Vatern Einwilligung, bey Verlust der ihnen verschriebenen Portion, nicht heyrathen können, auch im übrigen alle Jura cognationis haben (et)c. Was aber die Jura familiae & agnationis betrifft, so können sie sich deren nicht anmassen, sie führen also gleichfals weder den Nahmen noch das Wapen ihres Vatern: Sie folgen dessen Foro nicht, sondern dem Foro der Mutter: Sie succediren weder in denen Lehnen noch Fideicommiss-Familiae.

Sie succediren auch nicht ihrem Vater (vielweniger dessen Verwandten) ab intestato, sondern müssen sich mit der Portion die ihnen der Heyraths-Notul ausgemacht worden, begnügen, welche auch nicht einmahl per donationem vel testamentum vermehrt werden kann.

Wann der Vater bey seinem Leben declarirt daß er die Frau vor seine echte Eh-Frau erkenne, ihr seinen Nahmen und Wapen zu führen erlaubt, und darüber Unsere Confirmation bey seinem Leben erhält, so soll es mit denen Kindern eben so, als mit denen Legitimatis per subsequens matrimonium, gehalten werden.

§. 62.

Die ander Art der Concubinen bleibet nach wie vor gäntzlich verbothen, weil eines Theils dergleichen unehlige Vermischungen viele criminelle Unordnungen in denen


(1-62) Part. I. Lib. II. Tit. III. Art. III.

Familien verursachen können; andern theils denen Huren durch dergleichen unzüchtige, und an sich infame Vermischungen, Gelegenheit gegeben wird die Frucht abzutreiben, die Kinder zu exponiren, oder gar zu tödten.

§. 63.

Wann aber dergleichen Beyschlaff dem ohngeacht vollbracht wird, und Kinder daraus gezeugt werden, so kann so wenig die Concubine vor eine Ehfrau, als die Kinder vor ehlige Kinder gehalten werden: daher haben dergleichen Kinder keinen gewissen Vater, sie stehen auch nicht unter der väterlichen Gewalt, sondern sie folgen bloß der Mutter, und führen derselben Nahmen und Wapen.

Wann der Stuprator negirt, daß er mit der geschwächten Person sich fleischlich vermischet habe, folglich vorgibt daß er nicht Vater von dem Kind sey, muß diese den Beyschlaff erweisen, und stehet ihr frey dem andern den Eyd darüber zu deferiren.

Wann er nicht läugnen kann den Beyschlaff mit der geschwächten vollbracht zu haben, aber negirt daß die Zeit des Beyschlaffs mit der Zeit der Geburt übereinkomme, so muß die Geschwächte die Zeit des Beyschlaffs erweisen.

Wolte aber der Stuprator vorgeben daß sie sich auch mit andern fleischlich vermischt habe, muß er solches erweisen, welcher Beweis auch durch Deferirung des Eydes geführt werden kann.

§. 64.

Wann der Stuprator den Beyschlaff gesteht, und das Kind als das Seinige agnoscirt, ist er schuldig I. die geschwächte Person zu heyrathen oder dieselbe zu dotiren: Welches letztere er zu thun schuldig ist, wann die Geschwächte schon ein ansehnliches Vermögen, oder einen andern geheyrathet hat.

Wann der Stuprator sich erbiethet die Geschwächte zu heyrathen, sie aber nicht darein willigen wollte, fällt die Dotation weg: wann aber die Eltern dissentiren, folglich es nicht an der Geschwächten lieget, ist dieselbe, oder deren Eltern, den Dotem zu fodern wohl befugt.

§. 65.

Im Fall aber die geschwächte Person vorhin schon zu Falle gekommen, oder dieselbe sonst eine berüchtigte Person ist, und solches in continenti erwiesen werden kann; oder wann der Stuprator zum Beyschlaff von ihr verführt worden; oder diese gegen Versprechung Geldes oder Geldes werth in dem Beyschlaff gewilliget; oder dergleichen vor den Beyschlaff würcklich erhalten; So kann dieselbe dotationem nicht praetendiren, sondern sie muß mit 4. Rthlr. Unkosten vor die Heb-Amme und Tauff-Geld zufrieden seyn.

§. 66.

Es ist dergleichen Stuprator ferner und II. schuldig sein unehliges Kind zu ernähren: welches auch statt hat (1) wann er schon zum Beyschlaff verführt worden: (2) wann auch schon das Kind aus einem Ehbruch oder Blutschande gezeugt worden: (3) wann die geschwächte Person schon vorhin von einen andern zu Fall gebracht worden: und wann auch (4) die Geschwächte den Stupratorem zu heyrathen sich weigerte:

Wann (5) der Stuprator zwar den Concubitum gestehet, aber vorgibt daß auch andre mit der Person zu thun gehabt, so ist er schuldig so lang die Alimenta dem Kind zu reichen, bis er einen andern Vater ausmacht, wann sonst die Zeit der Niederkunft mit dem von ihm gestandenem Beyschlaff übereinstimmet.

Im Fall sich (6) finden solte daß die Stuprata währender Schwangerschafft mit verschiedenen Personen sich fleischlich vermischet, müssen sie alle zu gleichen theilen das Kind ernähren.

Wann (7) der Stuprator sich auf flüchtigen Fuß begeben, wird das Kind in dessen Güther immittirt, woraus demselben die Alimenta gereichet werden müssen.

Wann (8) der Stuprator gar nichts im Vermögen hat, und weder das Quantum


(1-63) Part. I. Lib. II. Tit. III. Art. III.

deflorationis bezahlen, noch dem Kind die jährliche Alimenta reichen kann; oder wann er flüchtig worden, müssen dessen Eltern und Gros-Eltern das Kind nach der unten vorgeschriebenen Ordnung alimentiren: Und können sich dieselbe unter dem Vorwand, daß der Sohn nicht Vater zum Kinde sey, dessen nicht entziehen, weil der Sohn durch seine Flucht sich zum Vater des Kindes genugsam bekennet.

Es wird aber der Stuprator vor flüchtig gehalten wann er währender Schwangerschafft sich absentirt, und der Ort seines Aufenthalts unbekannt ist.

Im Fall (9) der Stuprator sich erbiethet das Kind zu sich zu nehmen, und solches selbst zu erziehen, so muß die Obrigkeit zufoderst examiniren, ob der Stuprator im Stande sey, und die Gelegenheit habe solches gehörig zu bewerckstelligen: Er ist aber auf solchen Fall schuldig der Mutter und deren Verwandten das Kind, so oft sie es verlangen, in seinem Hause vorzuzeigen.

Wann (10) der Stuprator mit Hinterlassung gewisser Testaments-Erben verstorben, müssen diese die Alimentation des Kindes übernehmen, und das Quantum welches pro defloratione & expensis determinirt worden, bezahlen.

Wann sie die Erbschaft cum beneficio inventarii übernehmen, müssen die Alimenta währendem Process, und bis die Declaration erfolget, aus der Erbschafft bezahlt werden.

Wann (11.) der Stuprator ohne Testament verstirbt, muß dessen Vater, und nach ihm die Mutter, und deren Erben; nach deren Absterben aber, oder wann sie arm seyn, die Gros-Vater; und nach ihm die Gros-Mutter väterlicher Seiten und deren Erben; oder, wann auch diese verstorben oder unvermögend seyn, der Gros-Vater; und nach ihm die Gros-Mutter mütterlichen Seiten, und deren Erben, vor die Alimentation des Kindes sorgen: vor die Defloration aber seyn dieselbe etwas zu bezahlen nicht schuldig.

Wann (12.) Die Stuprata mit dem Stupratore ratione alimentorum transigirt, und auf einmahl ein gewisses Stück Geldes annimmt, kann dieses dem Kind nicht praejudiciren, sondern der Stuprator ist schuldig dem ohngeacht das Kind jährlich zu alimentiren; jedoch salvo regressu an die Mutter und deren Erben.

Im Fall (13.) der Stuprator dem Huren-Kind eine exorbitante Summe an Alimenten ausmacht, oder der geschwächten Person einen allzugrossen Braut-Schatz verschreibet, können dessen Kinder und Verwandten (nicht aber haeredes extranei) nach dessen Absterben bitten, daß das Quantum der Billigkeit nach eingerichtet und reducirt werde.

Wann (14.) zwey Leuthe in verbothenem Grad heyrathen, und die Ehe dieserwegen dissolvirt wird, müssen die Kinder von beyden Theilen ernährt werden. Wann aber ein Theil von der Verwandtschafft nichts gewust, liegt dem andern Theil das onus alendi liberos allein ob, es wäre dann daß dieser schuldige Theil arm und unvermögend wäre.

§. 67.

Damit aber kein Streit ratione quanti dotationis & alimentorum entstehen möge, so muß (1) die Obrigkeit, wann die Geschwächte honoratioris conditionis ist, (als eine von Adel, oder eines bürgerlichen Bedienten, oder eines ansehnlichen und wohlhabenden Kauffmanns oder Künstlers Tochter,) das Quantum dotationis nach Proportion dessen was der Vater seiner andern Tochter mitgegeben, oder nach seinem Stand und Vermögen mitzugeben schuldig ist, determiniren: Es muß aber solches Quantum niemahls den vierdten Theil des ordentlichen dotis übersteigen: Wie dann auch die Alimenta nach dem Stand der Stupratae, und nach dem Vermögen des Stupratoris eingerichtet werden müssen.

Unter Handwercks- und andern gemeinen Leuthen werden die geschwächte Personen mit 10. Rthlr. pro defloratione & expensis abgefunden, dem Kinde aber müssen jährlich von Zeit der Geburth an bis in das zwölfte Jahr 10. Rthlr. zur Alimentation bezahlt werden.


(1-64) Part. I. Lib. II. Tit. IV.

Wann (2) das Kind nach dem zwölfften Jahr nicht im Stande ist sich selber zu alimentiren, weil es blödsinnnig oder sonst gebrechlich ist, so liegt dem Vater und dessen Erben ob solches so lang es lebt zu ernähren.

Wann (3) ein Theil vermeinet daß das vor die Ausstattung determinirte Quantum zu wenig oder zu hoch sey, soll demselben freystehen die zweyte Instantz zu ergreifen: und was alsdann erkant wird, darbey soll es gelassen werden.

Wann aber über das Alimentations quantum erkant wird, hat die zweyte Instantz bloß quoad effectum devolutivum statt.

§. 68.

Die Findlinge müssen von der Obrigkeit, nicht aber von denen Kirchen wann sie daselbst exponirt worden, ernähret werden.

§. 69.

Damit aber auch der täglich einreissenden Hurerey ein Riegel vorgeschoben werde, so sollen jederzeit der Stuprator sowohl als die Stuprata arbitrarie bestraft werden: Jedoch müssen die Bürger und Bauren nicht an Geld sondern am Leibe mit Gefängniß-Strafe, Hofarbeit, oder, wann die Person schon ein oder mehr mahl zu Fall gekommen, mit dem Halseisen, Spanischem Mantel (et)c. belegt werden.

Wann eine von Adel, oder sonst vornehmen Standes, von einem Domestiquen geschwängert wird, soll dieser auf zwey Jahr zur Festung gebracht werden.

Wann eine von Adel sich schwängern lässet, verliehrt sie den Antheil welchen sie aus denen Lehen zu hoffen hat.

Tit. IV.

Von denen Eh-Pacten oder Ehberedungen.

(De pactis dotalibus.)

§. 1.

Es pflegen vor denen Verlöbnissen mehrenteils einige Beredungen oder Eh-Pacten zwischen denen Braut- oder Ehleuten vorzugehen, welche hauptsächlich den Braut-Schatz, und wie es mit dessen Restitution nach dissolvirter Ehe gehalten werden solle, zum Grunde haben. (Vid. supr. Lib. 2. tit. 1. §. 4.)

§. 2.

Die Eh-Pacten können vor und nach der Verlobung, auch so gar nach der Heyrath errichtet werden, (wiewohl das erstere am sichersten ist, weil beyde Theile, wann die Conditiones einander nicht anstehen, von denen Tractaten abstehen können.) Wann aber das Verlöbniß einmahl öffentlich vollzogen, und die Verfertigung der Eh-Pacten nicht ausdrücklich reservirt worden, kann kein Theil angehalten werden dergleichen Pacta zu errichten, sondern es bleibt ratione successionis conjugum &c. bey dem jure communi.

§. 3.

Es werden die Eh-Pacten mit beyder Theile Einwilligung errichtet, und dergleichen Eh-Beredungen haben wie alle andre Pacta ihre völlige Krafft Rechtens. (Vid. infr. §. 42.) Es wäre dann daß durch dergleichen Pacta denen Ehleuthen eine Anleitung zum sündigen gegeben, oder das Pactum sonst wider die gute Sitten und wider die Gesetze lauffen würde, so seyn die Paciscenten nicht daran gebunden.

Wann also in denen Eh-Pacten der Mann verspricht, daß er sich um seiner Frauen


(1-65) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

Aufführung nicht bekümmern, sie wegen Ehbruchs und Diebstals niemahlen belangen, auch die währendem Ehstand gethane Schenckungen nie revociren wolle (et)c. so seyn dergleichen Pacta an sich ungültig: (Add. art. 1. §. 33.)

§. 4.

Es ist nicht nöthig daß die Eh-Pacten schriftlich errichtet, sondern es ist genug, wann solche in Gegenwart zweyer Zeugen verabredet werden.

§. 5.

Es können auch dergleichen Eh-Beredungen gerichtlich geschehen, da dann keine besondere Zeugen erfodert werden, weil der Richter nebst dem Actuario oder demjenigen welcher dessen Vices vertritt, anstatt der Zeugen seyn.

§. 6.

Gleiche Bewandniß hat es auch, wann dergleichen ohne Zeugen verfertigte Eh-Pacten denen Gerichten insinuirt werden: Welchenfals nicht praecise nöthig ist daß die Braut-Leute selber zugegen seyn, sondern es ist genug wann beyderseits Eltern und Verwandten, welche die Eh-Stiftung mit unterschrieben, die Insinuation verrichten:

Wann aber nur ein Theil die Insinuation bewerckstelliget, so kann dergleichen ohne Zeugen errichtete Eh-Beredung durch des eines Theils Insinuation nicht gültig gemacht werden; Es wäre dann daß die übrigen Interessenten geständig seyn daß die Pacta insinuirter massen verabredet worden.

§. 7.

Dergleichen Eh-Pacten können errichtet werden 1.) zwischen der Braut oder Frauen, und dem Bräutigam oder Ehmann: 2.) zwischen dem Vater, und dem Bräutigam oder Eh-Mann, auch ohne Zuziehung der Tochter wann er derselben aus seinem Vermögen einen Braut-Schatz constituirt: (Wann aber Dos aus der Tochter Vermögen bezahlt werden soll, muß dieselbe consentiren) 3.) Es kann auch ein jeder Fremder, welcher den Dotem hergiebt, demselben durch Eh-Pacten gewisse Conditiones vorschreiben.

§. 8.

Wann dergleichen Eh-Pacten von der künftigen Nachfolge und Succession in dem Vermögen handeln, und solche Worte, welche einen letzten Willen anzeigen, darbey gebraucht werden, erlangen die Contrahenten bloß actionem ex pacto, seu praescriptis verbis: daher braucht es keiner 5. Zeugen, und stehet keinem von beyden Theilen frey die Disposition zu revociren.

§. 9.

Die Obligation welche aus denen Eh-Pacten entstehet, wird eben auf die Art, wie alle andre Verbindungen dissolvirt.

§. 10.

Es ist schon oben angeführt worden daß die Eh-Leute in denen Eh-Pacten (1) wegen des Braut-Schatzes, (2) wegen der Paraphernal-Güther, (3) wegen der Receptitien, (4) wegen des gegen(-)Vermächtniß, (5) wegen des Leibgedings, (6) wegen der Morgengabe, und (7) wegen der Succession der Eh-Leute (et)c. zu disponiren pflegen: von welchen Rechten in denen folgenden Articuln gehandelt werden soll.

Art. I.

Von dem Recht des Braut-Schatzes: wann und wie derselbe zurück gefodert werden kann: was der Maritus davon abzuziehen befugt ist: und wie weit er solchen alieniren könne.

(De jure dotium.)

§. 11.

Hauptsächlich wird in denen Eh-Pacten von dem Braut-Schatz gehandelt: durch den Braut-Schatz verstehen wir das Recht, welches ein Eh-Mann in denenjenigen


(1-66) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

Dingen erlanget die ihm die Ehe-Frau zu Ertragung der Heyraths-Lasten zubringet.

§. 12.

Die Rechtsgelahrte haben den Braut-Schatz getheilet in dotem profectitiam & adventitiam.

§. 13.

Dos Profectitia wird genannt, wann der Vater, als Vater, das ist, aus seinem eigenen Vermögen, seiner Tochter (wann sie der väterlichen Gewalt nicht erlassen,) den Braut-Schatz constituiret; oder wann ein Fremder in Ansehung des Vatern, solchen hergiebt, und diese Intention mit ausgedruckten Worten anführet.

§. 14.

Dos Adventitia wird genannt, wann der Braut-Schatz nicht aus des Vatern Vermögen herfliesset, noch von einem Fremden in Ansehung des Vaters, sondern aus einem fremden Vermögen gutwillig constituirt wird.

§. 15.

Wann also ein Vater oder Vormund aus der Tochter Mitteln, oder die Tochter selbst aus ihrem Vermögen dotem constituirt, bleibt es dos adventitia: welches auch wahr ist, wann schon der Vater Erbe des Constituenten worden; oder der Vater, welcher vor den fremden Caventen cavirt hat, als Fidejussor belanget, und zu Bezahlung des versprochenen Braut-Schatz condemnirt wird.

§. 16.

Ferner kann ein Braut-Schatz entweder aestimato constituirt werden, oder ohne Aestimation.

Aestimato wird dos constituirt entweder demonstrationis seu taxationis, aber venditionis gratia.

Wann also ein taxirtes Guth dergestalt ausdrücklich in dotem gegeben wird, daß der Eh-Mann das taxirte Quantum nach aufgehobener Ehe restituiren solle; oder wann ihm das Guth vor 1000. Rthlr. verschrieben und überliefert wird, so geschiehet die Aestimatio venditionis gratia, und der Maritus wird Dominus des Guths. Er kann solches alieniren, und darf nach aufgehobener Ehe bloß den taxirten Werth restituiren.

Alle andere Aestimationes geschehen nur demonstrationis gratia: Wann also z. E. der Constituente sagt, daß er das Guth, welches 1000. Rthlr. taxirt, oder werth sey, zum Braut-Schatz gebe; so bleibt die Frau Domina naturalis, und er Eh-Mann hat nichts als ein Dominium civile, folglich kann er solches nicht alieniren.

§. 17.

Der Braut-Schatz wird gemeiniglich vor der Heyrath verabredet: Er (= es) kann aber derselbe auch nach der Heyrath constituirt, und um so vielmehr nach der Heyrath vermehrt werden. (vid. §. 22.)

Es gilt aber dieses Augmentum nicht zum Praejuditz derer Creditoren, vielweniger der Legitimae.

Daher die privilegirte Hypothec ratione dieses Augmenti nicht von dem Tag der Heyrath, sondern von dem Tag da das Augmentum verabredet oder überliefert worden, angehet: Wann also der Maritus vor Constituirung des Augmenti seine Güter alienirt hat, kann wegen dieses Augmenti gegen den Possessorem nicht agirt werden.

§. 18.

Es supponirt der Braut-Schatz 1.) eine Heyrath, weil zwar eine Heyrath ohne Braut-Schatz, aber kein Braut-Schatz ohne Heyrath bestehen kann.

Wann also die Heyrath nicht erfolget, und zum Exempel der Bräutigam an seinem Hochzeit-Tage, ehe die Priesterliche Einsegnung erfolget, stirbt, so fallen alle lucra nuptialia hinweg; wann schon die fleischliche Vermischung nach dem Eh-Versprechen erfolget wäre. Vid. supr. pag. 54. §. 26.


(1-67) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

§. 19.

Es erfordert der Braut-Schatz 2.) eine rechtmäßige Heyrath: dahero eine Frau, welche zur lincken Hand getrauet wird, keinen dotem constituiren, noch ein Gegen-Vermächtniß haben kann; worvon der Effect dieser ist, daß zwar dasjenige, was mit dergleichen Beyschläfferin verabredet worden, gehalten werden müsse, aber die Privilegia dotis & donationis propter nuptias derselben nicht angedeyen können.

§. 20.

Es wird auch ferner und 3.) erfodert, daß der Dos ausdrücklich als ein Braut-Schatz constituirt werde; daher kein dos tacite oder stillschweigend constituirt werden kann; sondern es werden in dubio alle der Frauen Güter vor Paraphernal-Güter gehalten: worvon unten weiter gehandelt werden soll.

§. 21.

Wann also eine Frau alle ihr Vermögen dem Eh-Mann zur Administration übergiebt, und demselben den Nutzen davon überlässet, ohne des Braut-Schatzes Meldung zu thun, gehören diese Güter ad paraphernalia.

§. 22.

Wann aber der Braut-Schatz einmahl constituirt ist; so kann er tacite erneuert werden: (vid. §. 17.) daher wann Eheleute von einander geschieden werden, nachhero aber sich wiederum mit einander vereinigen, und wegen des dotis nichts neues pacisciren, so wird der vorige dos renovirt.

§. 23.

Der Braut-Schatz wird entweder von der Braut oder Frauen selbst, oder von dem Vater, oder von einem fremden constituirt.

§. 24.

Es kann also die Braut oder Frau, wann sie Herr von ihrem Vermögen ist, selber einen dotem bestellen: Jedoch muß solches, wann sie unter väterlicher, oder derer Vormünder und Curatoren Gewalt stehet, mit deren Einwilligung geschehen.

Die Vormünder und Curatores müssen den Braut-Schatz nach dem Vermögen der Braut, und des Bräutigams Stand einrichten; und werden, damit alle Gelegenheit zur Restitutione in integrum vermieden bleibe, die Vormünder wohl thun denselben von der ordentlichen Obrigkeit determiniren zu lassen.

Wann die Braut vor der Hochzeit keinen Braut-Schatz verspricht, oder inserirt, kann dieselbe nach der Hochzeit nicht angehalten werden dergleichen zu constituiren, weil eine Heyrath ohne Brautschatz bestehen kann: Und ist der Maritus dem ohngeachtet schuldig sie Standesmäßig zu unterhalten.

§. 25.

Ein Vater ist schuldig seine Tochter auszustatten, wann er auch schon in die Heyrath nicht consentiren wollen, sondern der Consens durch die Obrigkeit supplirt worden.

Es ist dieses auch von solchen Töchtern zu verstehen, welche der väterlichen Gewalt erlassen seyn.

§. 26.

Es höret aber diese väterliche Schuldigkeit auf 1.) wann beyde Braut oder Eheleute dem Braut-Schatz renunciren; ob sie schon nachhero in Armuth gerathen möchten.

2.) Wann eine Tochter vor sich hinlängliche Mittel hat, wormit sie nach dem Stand des Bräutgams ausgesteuret werden kan.

Wann der Vater, welcher seiner Tochter Güter administrirt, schlechterdings einen Braut-Schatz verspricht, und nicht ausdrücklich meldet, daß es aus ihrem Vermögen geschehe, so ist der Vater schuldig solchen aus seinen Mitteln zu entrichten.


(1-68) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

Wann er aus seinem und seiner Tochter Vermögen zugleich den dotem verspricht, so giebt er nur die Hälfte; es wäre dann daß er ein gewisses Quantum, was er von dem Seinigen beytragen wolle, bekennet hätte.

3.) Wann die Tochter etwas begangen, was zu ihrer Enterbung zulänglich ist.

4.) Wann die Tochter zu einer Religion, welche durch den Westphälischen Friedens-Schluß nicht recipirt ist, übertritt: Nicht aber, wann die Tochter mit Verlassung einer recipirten Religion zu einer andern, welche gleichfals recipirt ist, übergehet.

5.) Wann der Vater selber arm, und seiner Familie kaum den nöthigen Unterhalt zu verschaffen im Stande ist.

§. 27.

Wann der Vater rasend, blödsinnig, gefangen, oder abwesend, und dessen Aufenthalt unbekandt ist, muß ein Curator bestellet werden, welcher an des Vaters statt den dotem determiniret: Und bleibt dieser dos profectitia.

§. 28.

Wann des Vaters Güter confisciret werden, fällt die Nothwendigkeit, die Töchter nach dem confiscirten Vermögen und dem Stand des Bräutigams zu dotiren, auf den Fiscum; weil diese Nothwendigkeit auf dem Vermögen haftet, folglich mit dem Vermögen auf den Fiscum transferirt wird.

§. 29.

Wann jemand ein fremdes Kind arrogirt, oder ein Ascendente jemand von seinen Descendenten adoptirt, ist er gleichfals schuldig die Tochter zu dotiren: Und darf der natürliche Vater nicht darzu concurriren; Es wäre dann, daß der angenommene Vater arm sey, und keinen Braut-Schatz geben könne.

§. 30.

Es darf dieser Braut-Schatz nicht nach dem Quanto der Legitimae constituirt, vielweniger kann der Dos als die Legitima angesehen werden; sondern der Tochter stehet frey, wann sie nach des Vatern Tod in der Legitima laedirt zu seyn glaubet, ad Supplementum Legitimae zu agiren, dahingegen sie auch, wann sie in Legitima instituirt worden, dasjenige was sie an Braut-Schatz zu viel empfangen wieder heraus geben muß.

§. 31.

Wann der Vater denen Töchtern einen reichlichen Braut-Schatz gegeben, nachhero aber fallit worden, ist der Eh-Mann unter dem Vorwand, als ob solches in fraudem Creditorum geschehen, nicht schuldig denselben gantz oder zum Theil wieder heraus zu geben: Es müssen aber beyde Eheleute eydlich erhärten, daß ihnen der schlechte Zustand des Vaters nicht bekand gewesen.

Wann aber der Braut-Schatz nur versprochen worden, muß der Eh-Mann nach der Concurs-Ordnung locirt werden.

§. 32.

Wann der Vater und Tochter oder der Schwieger-Sohn, wegen des Dotis nicht einig werden können, muß der Richter das Quantum nach des Vaters Vermögen, Zahl der Kinder, und nach dem Stand des Bräutigams determiniren, wann er schon in der Eh-Stiftung indefinite einen Brautschatz versprochen hat.

Und damit wegen des Ertrag des Vermögens keine Weitläuftigkeit entstehen möge, so soll der Vater von seinem Vermögen die jährliche Einnahme und Ausgabe eydlich specificiren, worbey es lediglich gelassen, und der Richter ex aequo & bono ein gewisses Quantum darnach determiniren muß.

Wann ein oder der andre Theil davon appellirt, kann die Appellation zwar verstattet werden, der Appellante ist aber schuldig interim die Zinsen von dem determinirten Quanto zu bezahlen, oder das Quantum auf Abschlag anzunehmen. Und


(1-69) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

was in der zweyten Instantz erkannt wird, darbey soll es lediglich gelassen, und die dritte Instantz niemahlen verstattet werden.

§. 33.

Wann der Vater arm ist, muß der Groß-Vater väterlicher Seiten den Braut-Schatz hergeben, und wird es damit eben so, wie bey dem Vater gehalten.

Wann aber die Ehe nachhero dissolvirt wird, kann nicht der Vater, sondern bloß der Groß-Vater Dotem repetiren.

§. 34.

Die Mutter ist nicht schuldig die Tochter aus ihrem Vermögen auszustatten: Es wäre dann

1.) Daß die Tochter, nachdem sie 25. Jahr alt worden, ohne Braut-Schatz keinen Mann bekommen kann, jetzo aber eine accaptable Partey sich findet.

2.) Daß die Tochter von einer unerlaubten Secte zu einer derer dreyen im Reich recipirten Religionen übertritt.

Wann also eine Jüdin zur Evangelischen Religion übergehet, muß die Jüdische Mutter ihr einen Braut-Schatz geben, diese Nothwendigkeit cessirt aber in denen oben §. 25. n. 2. 3. und 5. bey dem Vater excipirten Fällen.

Wann der Vater und die Mutter zugleich den Braut-Schatz versprechen, so ist die Mutter blos in subsidium schuldig denselben zu bezahlen.

§. 35.

Am wenigsten ist ein Bruder seine Schwester auszustatten schuldig, ausser was er dieser nach der Lehns-Constitution aus dem Lehn heraus geben muß.

§. 36.

Die Töchter welche aus einer Heyrath zur lincken Hand gezeugt seyn, können keinen Braut-Schatz von ihrem Vater fodern, sondern sie müssen sich mit demjenigen was ihrer Mutter versprochen und von dem Landes-Herrn bestätiget worden, begnügen. Vid. pag. 61. §. 61.

§. 37.

Wie dann auch die Töchter die aus einer Blut-Schande oder Ehebruch gezeugt seyn, von ihrem Vater nichts mehr als die Alimenta fodern können. Es wäre dann, daß die Eltern der Verwandschafft unwissend sich mit einander verheyrathet hätten.

§. 38.

Es kann auch III.) ein Fremder, (worunter auch die Mutter und die Brüder zu rechnen) einen dotem constituiren.

Wann ein Fremder nicht animo donandi dergleichen Braut-Schatz constituirt, kann er gegen den Vater actione negotiorum gestorum, oder de in rem ejus verso agiren.

§. 39.

Der Braut-Schatz kann entweder durch ein blosses Pactum und Versprechen, oder durch einen letzten Willen, oder durch eine würckliche Tradition und Illation constituirt werden.

§. 40.

Wann der Braut-Schatz per Pactum (durch ein Versprechen) constituirt worden, so wird beyder Theile Einwilligung erfodert, und daß der Ehe-Mann den dotem acceptire: dahero die Versprechung, welche per pollicitationem geschicht, künftig null und nichtig seyn soll.

§. 41.

Es können auch dergleichen Ehe-Versprechungen besondere Pacta, entweder incontinenti oder ex intervallo, beygefügt werden.

§. 42.

Ehe und bevor der Braut-Schatz verabredet wird, können die Paciscenten nach ihrem Gefallen Conditiones und Bedingnisse beyfügen wie sie wollen: Wann auch


(1-70) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

schon durch dergleichen Bedingungen die Frauens indotatae bleiben, oder die Conditio dotis verschlimmert würde: (Vid. supr. §. 3.)

Daher gelten a) die Pacta, wordurch die Frau zufrieden ist daß der Maritus wegen des Braut-Schatzes nichts weiter als den dolum praestiren solle: daß der dos weder von ihm noch von seinen Erben zurück gefodert werden solle. (et)c. Es sollen auch

b) Dergleichen Bedingungen gelten, wann schon der Maritus dadurch des Genusses verlustig gehet, als wann der Eh-Mann verspricht, daß die commoda dotis mit zum dote geschlagen werden sollen (et)c.

Ein anders aber ist, wann dergleichen Bedingungen gegen die gute Sitten oder die Gesetze lauffen. Daher gilt kein Pactum wodurch ein Theil sich anheischig macht, daß er niemahls, aus was vor Ursachen es sey, folglich auch nicht wegen Ehbruchs, den dotem revociren wolle (et)c. (d. §. 3.)

§. 43.

Wann der Braut-Schatz einmahl constituirt worden, so können keine Conditiones ohne Bewilligung derer Interessenten beygefüget, noch in der Ehstifftung etwas geändert werden.

Wann also der Vater allein mit dem Marito gehandelt, und den Braut-Schatz verabredet, folglich die Tochter daher ein Recht erlanget hat; so kann weder der Vater, noch der Maritus, ohne der Tochter Willen darunter eine Aenderung machen; wann diese auch schon zu der Tochter und des Braut-Schatzes Vortheil gereichet, weil ex pacto tertii niemand ein Recht erlangen kann.

Wann aber nach aufgehobener Ehe der Vater (welcher mit dem Marito ratione dotis eine Aenderung ohne der Tochter Consens verabredet) den Dotem repetirt, so ist er aus diesem Pacto verbunden.

Dahingegen kann auch die Tochter nichts zum Praejuditz des Vatern oder des Mariti, oder des Fremden, bedingen, wohl aber des Vatern Condition, als dessen natürliches Instrument, verbessern.

Wann aber der Vater nach dissolvirter Ehe mit der Tochter zugleich agiret, wird er ex pacto filiae obligirt.

§. 44.

Wann die Frau aus ihrem Vermögen einen Braut-Schatz constituirt, und nachher eine Aenderung vornehmen will, kann solches ohne des Mariti Einwilligung nicht geschehen.

§. 45.

Wann ein fremder von dem Seinigen den Braut-Schatz hergegeben, kann er ohne Bewilligung beyder Eh-Leute nichts ändern, auch nicht einmahl die Condition der Frauen und des Braut-Schatzes ohne ihr Vorwissen verbessern.

§. 46.

Wann die Zahlung des Braut-Schatzes auf eine gewisse Zeit (z. E. nach 8. Monath) ausgesetzet worden, und die Frau binnen dieser Zeit verstirbt, müssen die Früchte dieses Jahrs, pro rata temporis da die Ehe gewähret, dem Mann zufliessen.

Es verstehet sich aber von selbsten, daß, wann der Eh-Mann ex pacto den Braut-Schatz lucriret, derselbe das Eigenthum darvon erlange.

§. 47.

Wann ein Eh-Mann unter der Hoffnung den Braut-Schatz sofort zu erhalten, eine Quittung, als ob er solchen würcklich erhalten, ausstellet; so stehet ihm und seinen Erben frey binnen Jahr und Tag, von der ausgestellten Quitung anzurechnen, die exceptionem non numeratae dotis zu opponiren.

Es cessirt aber diese Exceptio (1) wann der Mann binnen Jahr und Tag die Exceptionem non numeratae dotis nicht opponirt: (2) Wann der Mann in der


(1-71) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

Quitung dieser Exception renuncirt: oder 3) wann der dos nur versprochen worden, der Mann aber nach einiger Zeit durch eine besondere Quitung bekennet daß ihm derselbe ausgezahlt sey: 4) Wann die Gerichte, oder ein Notarius mit zwey Zeugen attestiren, daß der Braut-Schatz in ihrer Gegenwart sey ausgezahlet worden:

In allen diesen Fällen wird dos, in Ansehung des Mannes und dessen Erben, pro soluta & illata gehalten: ein anders aber ist in Ansehung derer Creditoren; Wann also ein Concurs in des Mannes Gütern entstehet, so wird die Illatio weder durch die Quitung des Mannes, noch durch dessen Confession, noch durch der Frauen Erfüllungs-Eyd erwiesen, sondern die Illatio muß durch gerichtliche Auszahlung und Quitung docirt werden. (Vid. Cod. Frid. P. 4. Tit. 9. §. 79. seq.)

§. 48.

Es kann auch ein Braut-Schatz durch die Tradition und würckliche Einlieferung constituirt worden (!): Solches geschicht, wann dem Mann der Dos tradirt, und von diesem acceptirt wird: Es ist aber auch genug wann die Tradition fingirter Weise geschiehet.

Wann der Braut-Schatz in uncörperlichen Dingen bestehet, als ausstehenden Schulden, geschicht die Tradition durch die Cession der Obligation, und der Schuld. Solchenfals aber erlanget der Maritus kein mehreres Recht als der Cedente gehabt hat.

§. 49.

Es können alle Dinge zum Braut-Schatz gegeben werden welche in Commercio seyn, das ist, welche in denen menschlichen Handlungen einigen Nutzen verschaffen können; sie mögen gegenwärtig oder künftig, beweglich oder unbeweglich, cörperlich oder uncörperlich seyn: daher auch ausstehende Schulden, auch was der Mann der Frauen selbst schuldig ist, item die künftige Erbschaften (et)c. dem Mann in dotem gegeben werden können.

§. 50.

Solchergestalt kann auch eine Frau all ihr Vermögen zum Braut-Schatz hingeben, wann nur die Legitima denenjenigen gelassen wird, welchen solche nach diesem Land-Recht gebühret: weil diesen sonst die querela inofficiosae donationis zu statten kommt.

Es werden aber nur die gegenwärtige Güther (nicht aber welche nach der Constitutione dotis acquirirt werden) zu dem Vermögen, folglich zum Braut-Schatz, gerechnet.

Wie dann auch die Ehe-Frau, wann sie durch diese Constitutionem dotis laedirt ist, per restitutionem in integrum, dem Befinden nach, das Vermögen entweder gantz oder zum Theil zurück fodern kann.

§. 51.

Es kann auch in re ligitiosa ein Braut-Schatz constituirt werden, ohne daß das Vitium litigiosi statt habe.

§. 52.

Der Vater kann auch ein Fideicommiss-Guth worinnen nehmlich die Töchter zu succediren fähig seyn, seiner Tochter mitgeben, weil es in der Familie bleibet: Wann es aber ein Fideicommissum ist worinn bloß die Masculi succediren, so geniesset der Maritus nur die Früchte so lang der Constituente und seine männliche Erben (welche factum patris praestiren müssen) leben, nach deren Absterben fällt das Guth denen Agnaten anheim.

§. 53.

Ferner kann auch von dem Vater in Erbenzins-Gütern (in bonis Emphytevticis) dos constituirt werden, aber nur so lang der Erbenzins-Mann und dessen Erben leben: Nach deren Tod muß das Guth dem Erbenzins-Herren abgetreten werden.

§. 54.

Endlich können auch die Lehn-Güter von dem Vater zum Braut-Schatz gegeben


(1-72) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

werden, wann dieselbe Weiber-Lehn seyn: In denen Mann-Lehnen aber gilt der Braut-Schatz nur so lang der Vasallus und seine männliche Erben leben.

§. 55.

Es braucht auch in allen diesen Fällen weder des Fiduciarii, noch des Zins-Herren, noch des Lehns-Herren Consens: Es wäre dann 1) daß dergleichen Fideicommiss, Erben-Zinß, oder Lehn-Guth aestimato in dotem gegeben werde: oder 2) in der Ehestifftung verabredet wäre, daß der Mann nach dissolvirter Ehe den Dotem lucriren solle.

§. 56.

Wann jemand den ihm zustehenden usumfructum zum Braut-Schatz mitgiebt, ist der Ehmann würcklicher usufructuarius: und das Recht dieses Niesbrauchs wird auf denselben transferirt.

Ein anders ist wann ihm nur die Nutzung und Hebung aus dem usufructu dotis loco verstattet wird.

§. 57.

Es kann auch in einem fremden Ding (in re aliena) ein Braut-Schatz constituirt werden; es erlanget aber der Maritus nichts weiter als conditionem usucapiendi; dergestalt, daß der Maritus die von dem Constituenten bona fide angefangene Possession continuiren, und, wann des Constituenten titulus nicht taugt, eine neue Possession von sich selbsten anfangen, und durch eine Verjährung den Braut-Schatz erlangen könne.

§. 58.

Es kann auch res fungibilis loco dotis gegeben werden; da dann genug ist, wann nach dissolvirter Ehe eadem quantitas, idem genus & eadem bonitas zurück gegeben wird.

Wie dann auch, wann dos aestimato constituirt wird, der Mann nichts mehr schuldig ist als das taxirte Quantum zu restituiren.

§. 59.

Es kann auch res incerta zum Braut-Schatz gegeben werden; Wann zum Exempel indefinite und generaliter ein Braut-Schatz ohne Benennung eines Guths oder eines Quanti versprochen wird.

Es ist aber in diesem Fall ein Unterscheid zu machen, ob ein Vater dergleichen General-Versprechen gethan, oder ein fremder: In dem ersten Fall muß der Richter das Quantum determiniren, wann der Maritus sich mit dem Schwieger-Vater nicht vereinigen kann; die Determination aber geschicht nach Vorschrift des §. 32.

Wann ein Fremder dergleichen General-Versprechen gethan, so kann zwar in vorgemeldtem §. 32. vorgeschriebene Determination nicht pro norma genommen, es aber auch auf das blosse Arbitrium des Versprechers nicht ausgesetzet werden: Sondern der Richter muß judiciren, was ein fremder, der aus gutem Willen sich offerirt, ex aequo & bono herzugeben schuldig sey; weil die Vermuthung ist, daß der Eh-Mann durch die Hoffnung eines zulänglichen Braut-Schatzes zu der Heyrath inducirt worden.

§. 60.

Derjenige welchem ein Braut-Schatz versprochen worden, und dessen Erben, erlangen folgende Actiones:

I. Actionem ex pacto gegen den Versprecher und dessen Erben, daß sie den versprochenen Braut-Schatz nebst Zinsen, Kosten, und Interesse, auch die Conventional-Strafe, wann dergleichen bedungen worden, bezahlen sollen.

Es muß aber der Vater oder Groß-Vater die Zinsen von dem Tag an, da die Hochzeit vollzogen worden; ein Fremder aber alsdann erst, wann er nach Verlauf eines Jahres säumig ist, die Zinsen entrichten.


(1-73) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

Im übrigen ist es eine otieuse Frage, ob diese actio bonae fidei oder stricti juris sey, item ob dieses Negotium ein Pactum oder Contractus sey: Weil künftig alle Versprechungen, sie mögen per modum pacti oder contractus geschehen, vim obligandi haben, und in allen Verbindungen auf Treu und Glauben gesehen werden soll.

Wann der Versprecher dem Marito eine Hypothec verschreibet, so kann dieser auch II.) actione hypothecaria contra quemcunque possessorem agiren, und von diesem den versprochenen Dotem nebst Zinsen, Kosten, und Interesse, auch poenam conventionalem fodern.

Wann dem Marito res aliena zum Braut-Schatz versprochen worden, kann derselbe III.) actione praescriptis verbis agiren, daß ein andres Stück dargegen constituirt werde: Und wann der Constituente wissentlich dergleichen versprochen, kann er auch actione doli ad interesse belanget werden.

Wann IV.) der Braut-Schatz durch einen letzten Willen constituirt worden, haben alle Actiones statt, welche aus einem rechtmäßigen Testament oder Legato folgen.

Wann V.) der Eh-Mann seiner Frauen, deren Vatern, oder einem Fremden Caution bestellet, daß er den Braut-Schatz, welchen sie constituirt, nach geendigter Ehe restituiren wolle, so haben dieselbe und deren Erben actionem ex fidejussu gegen den Caventen und dessen Erben.

§. 61.

Im Fall die Frau, oder der Vater und Groß-Vater, oder der Fremde den versprochenen Dotem nicht entrichten, kann der Mann die Frau dieserwegen nicht dimittiren, oder derselben den nöthigen Unterhalt versagen.

§. 62.

Wann der Vater und Groß-Vater wegen des versprochenen Dotis exequirt werden, muß ihnen das Beneficium Competentiae zu statten kommen.

§. 63.

Schließlich muß der Versprecher des Braut-Schatzes die Gefahr ante traditionem allein auf sich nehmen; wann also dieser verlohren gehet, muß der Versprecher vor den Braut-Schatz und dessen Werth stehen: Wann diese Regul ihren Abfall habe davon soll unten Part. III. LIb. Tit. gehandelt werden.

§. 64.

Bishero haben Wir verordnet, wie es zu halten wann der Braut-Schatz bloß versprochen worden: Wann aber der Braut-Schatz würcklich inferirt, das ist dem Mann übergeben und eingeliefert worden, seyn verschiedene Effectus, sowohl ratione des Mannes als der Frauen, zu beobachten.

§. 65.

Der Ehmann erhält ein Dominium Civile in dem inferirten Braut-Schatz, folglich geniesset der Ehmann

I.) Alle Früchte und Nutzungen welche aus dem Dote und dessen Augmento herrühren, (worunter auch die Nutzungen des gefundenen Schatzes, wie auch die Mineralien &c. begriffen seyn); dahingegen muß er alle auf dem Braut-Schatz hafftende Onera tragen und übernehmen.

II. Muß er die Substantz des Braut-Schatzes, und dessen Augmenti, conserviren; und darbey denjenigen Fleis anwenden, welchen ein jeder fleißiger Haus-Wirth anzuwenden pfleget.

Wann der Maritus noch einen grössern Fleiß in seinen eigenen Sachen zu adhibiren gewohnt ist, muß er auch gleichen Fleiß und Vorsichtigkeit in dem Dote anwenden.


(1-74) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

III. Wann der Dos dem Marito aestimato, und zwar venditionis gratia, überlieffert worden, liegt die Gefahr auf ihm, und wann das aestimirte Guth verunglücket, muß er den Schaden leiden, und nach dissolvirter Ehe dem ohngeacht den Werth der Frauen erstatten; es wäre dann daß dieselbe die Unglücks-Fälle ausdrücklich übernommen hätte.

Wann IV. eine Frau, oder deren Vater, bona fide ein Guth zum Brautschatz gegeben, welches einem andern gehöret, so kann der Maritus gegen beyde nicht de evictione ad id quod interest, sondern bloß zu Constituirung eines andern dotis von gleichem Werth agiren: Wann aber wissentlich dergleichen geschehen, so können die Constituenten auch ad Interesse angehalten werden.

Wann ein fremder rem alienam bona fide zum Brautschatz gibt, kann er, wann Dos evincirt wird, nicht angehalten werden einen andern Brautschatz zu constituiren; es wäre dann daß er solches wissentlich gethan hätte, welchenfals actio de dolo auch gegen den Fremden statt hat.

Im Fall dem Ehmann ein fremdes unbewegliches Guth aestimato, und zwar venditionis gratia, in dotem gegeben, und evincirt wird, darf derjenige welcher den Braut-Schatz constituirt, dem Ehmann bloß den Werth mit denen verfallenen Zinsen erstatten.

V. Dem Marito stehen, als domino Civili, alle Actiones zu: daher kann er stante matrimonio die Possession durch interdicta defendiren, die Sache selbst von einem jeden Besitzer vindiciren, actione furti gegen fremde Diebe, und actione rerum amotarum gegen seine Frau selbst anstellen; nicht weniger de damno injuria dato, Publiciana &c. agiren.

VI. Der Maritus kann den Brautschatz, wann er in beweglichen Dingen bestehet, nach Gefallen veräussern, oder sonst davon disponiren; und ist der Ehmann nach dissolvirter Ehe derselben bloß den erweislichen Werth zu restituiren schuldig.

Was aber die unbewegliche Dotal-Güter betrifft; so ist 1) ein Unterscheid zu machen, ob das Guth aestimato, und zwar venditionis gratia, zum Brautschatz constituirt worden, oder ob keine Aestimation des Dotis beygefügt, oder dieselbe nur demonstrationis causa geschehen sey.

Wann 2) das Dotal-Guth aestimato und zwar venditionis gratia, hingegeben wird; so ist der Maritus plenarius Dominus des Guths, und ist nach aufgehobener Ehe nicht schuldig das Guth, sondern bloß den aestimirten Werth zu restituiren: daher auch der Maritus dergleichen Dotal-Guth nach seinem Gefallen veräussern kann, es wäre dann a) daß der Frauen freygelassen worden, entweder den Werth oder das Guth zurück zu fodern: oder daß b) der Maritus verarmet, und nicht im Stand wäre den Werth zu bezahlen.

Wann aber 3) dem unbeweglichen Guth keine Aestimation beygefügt wird, oder die Aestimation nur demonstrationis causa geschicht; so bleibt die Ehefrau Domina naturalis, und der Maritus ist nicht befugt dergleichen Dotal-Guth zu alieniren.

Welches auch 4) statt hat, wann dergleichen unbewegliche Güter mit Dotal-Geld im Nahmen der Frauen erkaufft seyn.

Es werden also 5) alle Arten von Alienationen bey denen unbeweglichen Dotal-Stücken verboten: daher auch keine Hypothec und keine Servitut darauf constituirt, noch die dem Guth zustehende Dienstbarkeit remittirt werden kann. Es kann auch der Maritus keinesweges zu Aufhebung der Communion agiren, vielweniger einem andern das Guth durch einen letzten Willen vermachen.

Wann also 6) dergleichen Dotal-Guth, (es mag von der Frauen, von dem Vater, oder einem Fremden constituirt seyn) von dem Mann veräussert wird; so ist solche Veräusserung


(1-75) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

null und nichtig, und stehet der Frauen frey, entweder bey Lebzeiten des Ehmanns, oder nach dessen Tod, solches von dem Besitzer zu vindiciren.

Welches auch 7) statt hat, wann schon die Frau zu verschiedenen Zeiten, auch eydlich, consentirt hat; weil die rechtliche Vermuthung ist, daß die Einwilligung metu maritali extorquirt sey.

Wann aber der Frauen Interesse selber erfodert daß das Dotal-Stück veräussert werde, und dieselbe ohne Zwang ihren Consens darzu ertheilt, so muß sie selbst solches gerichtlich anzeigen, die Obrigkeit muß die Umstände wohl erwegen, und wann die Veräusserung bloß des Mannes Schulden zu bezahlen geschehen, oder sonst die Frau um das ihrige gebracht werden solte, die alienation ex officio inhibiren; Ausserdem aber die Veräusserung verstatten, jedoch vorher das Weib anhalten eydlich zu bestärcken, daß sie aus freyen Willen in die Alienation consentiren, und daß sie weder durch Drohungen noch durch harte Worte, noch aus Furcht übel von ihrem Mann tractirt zu werden, eingewilliget habe (et)c.

Wann die Obrigkeit die Veräusserung approbirt, muß das Protocoll nebst dem Decreto der Frauen zugestellet werden, um solches dem Käuffer zu seiner Sicherheit einzuliefern.

Wann der Dos auf des Mannes Güther in das Land- oder Hypothequen-Buch eingeschrieben worden, kann die Hypothec nicht gelöscht werden, wann schon die Frau consentirt, wann nicht vorgemeldtes Protocoll nebst dem gerichtlichen Consens vorgezeigt wird.

Gleiches Recht stehet (8) auch einer Braut zu, welche ein unbewegliches Guth vor der Ehe dem Bräutigam würcklich zum künftigen Braut-Schatz tradirt hat.

Es hat auch (9) diese Vindicatio statt, wann des Mannes Güter confiscirt werden.

Die Frau kann auch (10) gegen den Mann, welcher das Guth veräussert, selber rei vindicationem anstellen, weil er dolo das Guth zu besitzen aufgehört hat: Worvon der Effect dieser ist, daß sie wegen dieses veräusserten Guthes zum Juramento in litem gelassen werden muß.

Wann (11.) die Frau das veräusserte Dotal-Guth vindicirt, kann der Käuffer ad evictionem gegen den Mann, als Verkäuffern, ad omne id quod interest agiren. Es wäre dann, daß der Käuffer die Qualitaet des Guths gewust habe, in welchem Fall der Verkäuffer bloß das Kauff-Pretium zu restituiren schuldig ist.

Es wird aber (12.) dergleichen Alienatio convalidirt

a) Wann der Maritus nach Dissolution der Heyrath den Dotem lucrirt, und derselbe wahrer und völliger Eigenthümer davon wird.

b) Wann die Frau verstorben, und deren Kinder und Erben auch des Mannes Erben werden.

c) Wann die Alienation aus Noth, und zum offenbahren Nutzen der Frauen geschehen, und solches in continenti erwiesen werden kann: als zum Exempel, wann der Frauen Schulden damit bezahlt worden, und keine andere parate Mittel vorhanden gewesen; wann durch Vertauschung ein besseres Guth acquirirt worden (et)c.

§. 66.

Die Ehfrau hingegen welche den Brautschatz dem Mann würcklich inferirt hat, behält das natürliche Eigenthum (dominium naturale) dessen Effectus in folgendem bestehen.

I. Behält die Ehfrau ein dingliches Recht auf diesem Brautschatz, und kann daher nach dissolvirter Ehe, die bewegliche Stücke wann sie bey dem Marito in natura


(1-76) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

vorhanden seyn von denen Erben, und wann der Brautschatz in einem unbeweglichen Ding bestehet, von einem jeden Besitzer vindiciren.

II. Alle Augmenta, Accessiones und Vermehrungen des Dotis, gehören der Frauen jure dominii naturalis gleichfals zu: so daß auch

III. der Schatz welcher in fundo dotali gefunden wird, in so weit der Eigenthümer solchen lucrirt, darunter begriffen ist.

IV. Muß die Frau, als Domina naturalis, den Schaden der an dem Brautschatz Casu oder Culpa levissima mariti geschicht, ertragen.

Es wäre dann a) daß der Brautschatz aestimato gegeben worden; oder b) der Ehmann Culpam levem begangen, das ist, nicht denjenigen Fleiß angewandt hätte, welchen ein jeder guter Hauswirth zu adhibiren pflegt.

V. Haben die Frauen wegen dieses Dominii naturalis verschiedene Vorzüge bey entstehenden Concursen.

Dann a) so gehet die Frau, wann der Brautschatz existirt, allen andern Creditoren vor. Vid. Cod. Frid. pag. 292. §. 43. Wann er aber nicht existirt gehöret sie zur vierdten Classe unter die Hypothecarios privilegiatos. ibid. pag. 298. §. 77.

Wann b) dem Ehmann das Ehgeld mit der Condition inferirt wird, daß es zu Erkauffung eines unbeweglichen Guths angewandt werden solle, solches auch würcklich darzu verwandt, und, daß das Guth mit der Frauen Geld erkaufft sey, in das Land-Buch eingetragen worden, hat die Ehfrau eine gleiche Praeferentz. Cod. Frid. pag. 292. §. 44.

Wann also der Mann mit denen Dotal-Geldern in seinem Nahmen ein Guth erkaufft, ohne dem Land-Buch einzutragen, daß solches mit der Frauen Geld erkaufft sey, so hat die Frau bloß eine stillschweigende Hypothec cum personali privilegio in des Mannes Güther. Cod. Fr. pag. 297. §. 69. & §. 77.

c) Dieses Vorzugs-Recht, oder Hypothecam privilegiatam, transferiren die Ehfrauen auch auf ihre Erben in absteigender Linie ibid. §. 85. pag. 299.: Und kann daher keinem fremden cedirt werden. ibid. pag. 300. §. 86.: Sondern die Fremde erlangen bloß diejenige Rechte, welche andre Hypothequen haben. ibid.

In allen diesen Fällen aber wird d) supponirt daß die Ehfrau illationem dotis erwiesen habe: die würckliche Verwendung aber ist dieselbe zu erweisen nicht schuldig. Cod. Frid. pag. 299. §. 78.

Es kann aber der Beweis (in Ansehung der Creditoren) weder durch des Mannes Quitung noch durch der Frauen Erfüllungs-Eyd geführt werden: Sondern wann sie diese Vorzüge geniessen will, muß so wohl der Brautschatz als dessen Augmentum, gerichtlich angezeigt, und die Frau gerichtlich darüber quitirt werden. Cod. Fr. pag. 299. §. 79. 80. 81. 82.

§. 67.

Weil der Brautschatz als eine Beyhülfe gegeben wird um die Lasten der Haushaltung zu ertragen, so folget nothwendig, daß, wann die Ehe nicht erfolget, oder dieselbe aufgehoben und dissolvirt wird, der Dos aufhöre, und zurück gefodert werden könne.

§. 68.

Wann also der Brautschatz vor Vollenziehung der Ehe tradirt worden, die Ehe aber nicht erfolget, so kann derjenige welcher den Dotem tradirt, denselben jure dominii vindiciren, oder, wann er verzehrt ist, condictione sine causa denselben zurück fodern.


(1-77) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

§. 69.

Währender Ehe kann der Brautschatz nicht zurück gefodert werden: Es wäre dann

1.) Daß der Mann anfinge seine Güther und Vermögen zu verschwenden, dergestalt, daß solche jetzo oder künftig zur Restitution des Brautschatzes nicht hinreichend seyn dürften: In diesem Fall muß der Mann diesen entweder zurück geben, oder der Frauen zulängliche Caution bestellen:

Wann aber die Frau gewust daß der Mann vorher mit Schulden beladen, oder mehr zu verzehren gewohnt gewesen als er eingenommen, (et)c. so kann sie den Brautschatz nicht zurück fodern; Jedoch ist sie befugt den Mann zur Caution anzuhalten, oder die Sequestration des Dotis zu bitten.

Damit aber wegen der von der Frauen angegebenen Verschwendung kein Process entstehen möge, so soll ein halber Beweis von Seiten der Frauen genung seyn:

2.) Wann eine Frau zum höchstnöthigen Unterhalt ihrer verarmten Eltern den Dotem, oder einen Theil davon zurück fodert, und solches, ohne daß der Mann und seine Familie Noth leidet, geschehen kann: Worüber allenfals der Richter erkennen muß.

3.) Wann des Mannes Vermögen in stehender Ehe confiscirt wird, ist Fiscus schuldig der Frauen den Brautschatz heraus zu geben.

4.) Wann die Heyrath als null und nichtig aufgehoben wird, so verstehet sich von selbsten, daß der Brautschatz aufhöre und zurück gegeben werden müsse. (Vid. supr. Tit. III. §. 34. in fin.)

§. 70.

Nach aufgehobener Ehe kann den Brautschatz zurück fodern I. die Ehfrau, wann derselbe aus ihrem Vermögen constituirt worden:

§. 71.

Wann II.) der Vater aus seinem Vermögen, oder ein andrer in des Vaters Nahmen einen Brautschatz constituirt hat, so kann der Vater nach aufgehobener Ehe entweder allein, oder im Nahmen seiner Tochter, oder in beyder Nahmen, den Brautschatz repetiren, wann er schon den Rückfall sich nicht reservirt hat.

Wann der Vater den Brautschatz nicht repetiren will, oder darunter säumig ist, kann die Tochter solchen allein zurück fodern.

§. 72.

Wann III. ein Fremder den Brautschatz aus seinem Vermögen hergegeben, so kann auch dieser nach geendigter Ehe solchen repetiren, NB. Wann er den Rückfall sich ausdrücklich vorbehalten hat.

§. 73.

Wann durch des Ehmanns Schuld die Ehe dissolvirt wird, und die Frau aus ihrem Vermögen den Brautschatz constituirt hat, kann die Tochter selbst, oder auch der Vater vor die Tochter, den Dotem, und die donationem propter nuptias fodern: (Conf. Tit. III. §. 38.)

Wann durch der Frauen Schuld die Ehe aufgehoben worden, kann weder sie noch der Vater den Dotem zurück fodern. d. §. 38.

§. 74.

Wann der Vater den Brautschatz aus seinem Vermögen constituirt hat, kann derselbe solchen nach dissolvirter Ehe zurück fodern, wann auch schon die Ehe durch der Frauen Schuld aufgehoben worden: Es wäre dann daß der Vater vor der Ehscheidung verstorben wäre, in welchem Fall der unschuldige Ehmann den Dotem lucrirt.


(1-78) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

§. 75.

Wann ein Fremder den Brautschatz hergegeben, und sich den Rückfall reservirt hat, kann derselbe, oder dessen Erben, den Dotem von dem Mann zurück fodern, wann schon die Frau an der Ehscheidung Schuld ist.

§. 76.

Wann die Ehe wegen eines Ehbruchs dissolvirt wird, so verliehrt der schuldige Theil den Brautschatz nicht wann der andre Theil gleichfals dergleichen begangen hat, und dessen überführt, auch ihm solches nicht vergeben worden:

Ein gleiches hat auch statt, wann der Ehmann die Frau in flagranti ergriffen und dieselbe getödtet hat, weil er sein eigener Richter gewesen.

§. 77.

Es wird der Brautschatz auch mit denen Früchten, welche der Besitzer nach dissolvirter Ehe genossen, repetirt.

Die Früchte des letzten Jahrs werden pro rata getheilet, dergestalt, daß alle Früchte, sie mögen naturales, industriales, oder civiles seyn, zusammen getragen, und nach der Zeit daß der Ehstand gedauret, repartirt werden müssen.

§. 78.

Uberdem ist der Mann und dessen Erben schuldig allen an dem Brautschatz verursachten Schaden zu ersetzen, wann nehmlich der Ehmann den Fleiß nicht angewandt welchen er anzuwenden schuldig gewesen, und welchen ein guter Hauswirth in seinem Vermögen und Handlungen anzuwenden pflegt, welches diligentia media genannt wird. Vid. supr. §. 65.

Wann also entweder Casu fortuito, oder, weil der Ehmann nicht den höchsten Fleiß (diligentiam exactissimam) angewandt, Schaden an dem Brautschatz geschicht, so kann dieser zu Ersetzung des Schadens nicht angehalten werden, es wäre dann daß der Brautschatz aestimato gegeben worden. d. §. 65.

Wann von dem Mann aus Vorsatz (dolo) der Brautschatz verringert worden, stehet der Frau frey solchen Schaden juramento in litem zu bestärcken.

Wann die Frau in mora ist den Dotem zurück zu fodern, und dieser unterdessen Schaden leidet, darff der Mann nur dolum praestiren: Wann aber der Mann in mora restituendi ist, ist derselbe schuldig den höchsten Grad von Fleiß anzuwenden, folglich Culpam levissimam zu praestiren.

§. 79.

Diejenige welche den Brautschatz nach geendigter Ehe zurück fodern, erlangen verschiedene Actiones.

1.) Actionem ex pacto, wann der Rückfall ausdrücklich reservirt worden.

2. Condicitonem ex lege, wann solches nicht geschehen.

3. Actionem hypothecariam: weil derjenige welcher einen Dotem constituirt, in den Güthern des Mannes eine stillschweigende Hypothec erlangt.

4. Actionem emti venditi, wann der Brautschatz aestimato, und zwar venditionis gratia, constituirt wird.

5. Wann die Wittwe nach des Mannes Tod in dem Besitz des Dotis ist, und aus der Possession gesetzt, oder darin turbirt wird, stehen ihr die Remedia possessoria offen.

6. Es kann auch die Frau jure retentionis in denen sämtlichen Güthern ihres Mannes bleiben, bis sie wegen des Brautschatzes und anderer weiblichen Anfoderungen befriediget worden: Sie muß aber alsdann Administrations-Rechnung ablegen: Es wäre dann daß sie die Güther gerichtlich ge- oder verpachtet hätte: In welchem Fall sie nur das Locarium oder Pacht-Geld berechnen darff.


(1-79) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

Es hat aber das jus Retentionis nicht statt, wann der Brautschatz illiquid ist, und die Erben Caution praestiren: Ob aber der Brautschatz liquid, oder die Caution zulänglich sey, darüber muß der Richter erkennen.

§. 80.

Eine Ehfrau kann alle diese Actiones einem dritten cediren.

§. 81.

Wann derjenige welcher den Dotem constituirt hat nach dissolvirter Ehe keine Action anstellet, und darüber verstirbt, so stehet denen Erben frey den Brautschatz zurück zu fodern: Es hat aber dieses bloß bey denen Erben, welche aus des Constituenten Familie herstammen, statt; fremde Erben werden davon ausgeschlossen.

Wann die Ehe durch die Schuld des einen Theils dissolvirt worden, und der unschuldige Theil bey seinem Leben den Dotem nicht zurück fodert, so ist die Vermuthung daß er dem schuldigen Theil solchen geschenckt, und sein Recht remittirt habe:

Könten aber die Erben erweisen, daß der Verstorbene durch einen übereilten Tod (welches alsdann praesumirt wird, wann er nach der würcklichen Scheidung binnen Sechs Monath verstirbt,) verhindert worden, seine Action anzustellen, so können dieselbe dessen Recht verfolgen.

Wie dann auch die Erben, wann der Constituente währendem Process verstorben, denselben fortzusetzen befugt seyn.

§. 82.

Wann also ein Brautschatz zurück fällt, muß solcher, wann er in einem unbeweglichem Guth bestehet, ohnverzüglich zurück gegeben, und solche Restitution unter dem Praetext einiger Melioration nicht aufgehalten werden, (weil der Maritus an dem Guth selbst genugsame Sicherheit hat,) Wann aber der Dos in beweglichen Dingen bestehet, muß derselben Restitution binnen zwey Monathen bewerckstelliget werden.

§. 83.

Es darf aber der Ehmann und dessen Erben den Brautschatz nicht zurück geben, 1) Wann in der Ehstifftung oder sonst verabredet worden, daß nach Absterben der Ehfrauen, der Mann den Brautschatz lucriren solle:

Welches allezeit praesumirt wird, wann ein Fremder den Brautschatz hergibt, und den Rückfall nicht reservirt.

2.) Wann er eine Person, welche sich vor eine Jungfer ausgibt, heyrathet, hernach aber das Gegentheil findet, und die Ehe dieserwegen dissolvirt wird.

3.) Wann der Brautschatz ohne des Mannes Schuld verlohren gehet: Es wäre dann daß der Brautschatz aestimato gegeben worden:

Was aber der Mann vor eine Schuld zu praestiren schuldig sey ist oben §. 65. und §. 79. angeführt worden.

4.) Wann die Ehe durch der Frauen Schuld dissolvirt wird. Vid. Tit. III. §. 38. & supr. 74.

§. 84.

Wann der Ehmann arm, und nicht solvendo ist, kann er auf die Competentz provociren: folgends kann er nicht angehalten werden der Frauen oder ihren Erben mehr heraus zu geben als sein Vermögen zulässet; daher ihm dasjenige was er zu seinen nöthigen Uuterhalt (= Unterhalt) bedarf gelassen werden muß.

Dieses Beneficium kommt auch 1) denen Kindern die aus derselben Ehe gezeugt, und des Vaters Erben seyn, zustatten, nicht aber fremden Erben.

Im Gegentheil kann 2) auch ein Schwieger-Vater, welcher nach versprochenen Brautschatz verarmet, und ein fremder welcher animo donando einen Brautschatz


(1-80) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. I.

versprochen, und nachher ausser den Stand gesetzt wird solchen zu bezahlen, dieses Beneficium competentiae ergreiffen.

Es kann aber 3.) der Mann sich dieses Beneficii nicht gebrauchen, wann der Mann der Frauen Güther entwandt, und dieserwegen Klage angestellet worden; oder wann der Mann alle seine Güther mit der Intention verthut, damit er nicht nöthig habe der Frauen den Brautschatz zu restituiren; oder wann die Frau selbst arm ist und den nothdürftigen Unterhalt nicht hat; oder wann das Dotal-Stück würcklich noch existirt und vindicirt wird.

Wie dann auch 4) der Schwieger-Vater, und ein Fremder, sich dieses Beneficii nicht bedienen können, wann sie mehr versprochen als sie zu geben im Stand gewesen:

§. 85.

Wann der Eh-Mann nach dissolvirter Ehe schuldig erkandt wird den Brautschatz zu restituiren, so kann er die darinn verwandte Kosten abziehen.

§. 86.

Es seyn aber dreyerley Kosten von welchen gefragt werden kann: nothwendige, nützliche, und welche blos zur Lust verwandt werden:

§. 87.

Nothwendige Kosten seyn diejenige, ohne welche der Brautschatz verlohren gehen, oder deteriorirt würde.

Hierzu gehören also nicht diejenige Kosten welche zur blossen Conservation und Reparation angewandt werden: auch nicht was zur Erhaltung des dem Marito zustehenden Nutzen verwandt wird, als Gesinde-Lohn, Process-Kosten (et)c. am wenigsten aber kann der Maritus die Onera welche auf dem Guth hafften, und währender Ehe abgetragen werden müssen, deduciren.

Die nothwendige Kosten kann der Ehmann abziehen, wann schon die Besserung nachhero ohne seine Schuld verlohren gehet.

Wann auch der Ehmann vergißt diese Kosten abzuziehen, und den Brautschatz ohne Deduction zurück giebt, kann er solche dennoch condictione indebiti repetiren.

§. 88.

Nützliche Kosten seyn woraus der Frauen ein erträglicher Nutzen entstehet, als z. E. wann eine Scheune gebauet wird (et)c. ob schon durch Unterlassung dieses Baues das Guth nicht deteriorirt wird.

Wann nach geendigter Ehe darüber ob die Kosten nützlich seyn oder nicht, Streit entstehet, so kann der Ehmann das Dotal-Guth dieserwegen nicht einbehalten, sondern er muß in separato die Sache mit der Frauen oder deren Erben ausmachen.

§. 89.

Wann der Ehmann zu seinem Plaisir Kosten anwendet, kann er sie nicht abziehen, sondern es steht ihm bloß frey solche zurück zu nehmen: Wann nehmlich (a) der Mann einen würcklichen Nutzen daraus haben, und (b) die Wegnehmung ohne Schaden des Guths geschehen kann.

§. 90.

Es erlanget also der Ehmann wegen der verwandten nothwendigen Kosten (1) actionem mandati, wann er mit Bewilligung der Frauen die Kosten verwandt hat: (2) actionem negotiorum gestorum, wann es ohne Bewilligung derselben geschehen. (3) Condictionem indebiti, wann der Ehmann den Dotem zurück gegeben ohne die necessarias impensas abzuziehen. (4) Exceptionem compensationis, wann die Ehfrau oder deren Erben eine Gegenfoderung an ihn haben. (5) Exceptionem retentionis. Vid. §. 79.


(1-81) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. II.

§. 91.

Wegen der nützlichen Kosten erlangt der Ehmann gleichfals (1) Actionem Mandati, wann mit der Frauen Bewilligung, oder wenigstens mit deren Wissen, die Kosten verwandt worden: (2) Actionem negotiorum gestorum, wann die Kosten zum Nutzen des Brautschatz erweislich verwandt worden.

Beyde Actiones cessiren wann diese Kosten eine Kleinigkeit importiren, oder der Nutzen nicht mehr existirt, oder die Kosten so enorm wären daß die Frau solche zu bezahlen nicht im Stande wäre, sondern entweder Schulden machen, oder das Guth gar verkauffen müste: In welchem Fall die Kosten pro voluptuariis zu achten.

Es hat auch wegen dieser Kosten das Jus retentionis nicht statt.

Art. II.

Von der Frauen Paraphernal-Güthern.

§. 92.

Alles was eine Ehfrau, ausser dem Brautschatz, nach vollbrachter Heyrath acquirirt, es sey durch Erbschafft, Vermächtnisse, Schenckungen, (et)c. gehöret zu deren Paraphernal-Güthern.

Es ist dahero oben gesagt worden, daß alles, was die Frau dem Mann nicht ausdrücklich dem Brautschatz constituirt, als Paraphernal-Guth zu achten sey, wann sie auch schon dem Marito die Nutzung und Administration ihres gantzen Vermögens einräumet. Vid. supr. pag. 67. §. 20.

§. 93.

Das Eigenthum dieser Paraphernal-Güther gehöret der Frauen zu, dergestalt, daß sie nach Gefallen davon sowohl unter Lebendigen als Todten davon disponiren kann.

Der Mann hat bloß die Administration und den Niesbrauch dieser Güther, daher derselbe diese Güther nicht verschwenden, vielweniger solche ohne der Frauen Einwilligung veräussern kann.

Es muß aber diese Einwilligung mit ausdrücklichen Worten und schriftlich geschehen, oder die Alienation nachhero schriftlich ratihabirt werden: allermassen keine mündliche Einwilligung, vielweniger aber einige dahin einschlagende Praesumtiones gelten sollen:

§. 94.

Es differiren also die Paraphernal-Güther von denen Dotal-Güthern, (1) daß der Ehmann in denen letztern Dominus Civilis, in denen erstern aber bloß Administrator und Ususfructuarius ist.

2. Daß er die Dotal-Güther, wann sie beweglich seyn, veräussern können, welches aber in denen Paraphernal-Güthern nicht statt hat.

3.) Daß die Frau wegen der Dotal-Güther ein stillschweigendes Pfand von dem Tag der vollzogenen Hochzeit habe; wegen derer Paraphernalien aber fängt die Hypothec erst an von dem Tag da sie dem Mann eingeliefert worden.

Wann also die Paraphernalien nach und nach eingeliefert werden, so fängt die Hypothec auch nur bey einer jeden Lieferung an: und wann der Mann zwischen der Zeit etwas von seinen Güthern veräussert, kann die Frau keine Hypothec daran praetendiren.

§. 95.

Es muß aber die Frau erweisen was sie dem Mann an Paraphernalien inferirt hat; welches in Concursu weder durch Quittungen des Mannes, noch durch der Frauen Juramentum Suppletorium, sondern bloß durch ein gerichtliches Protocoll


(1-82) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. III.

daß dergleichen Paraphernalien gerichtlich ausgezahlt worden, geschehen kann. Cod. Frid. pag. 299. §. 79. seq.

§. 96.

Wann die Ehe dissolvirt wird, kann die Frau (1) per rei vindicationem, folglich jure dominii, die Paraphernal-Güther zurück fodern: (2) wann sie in re fungibili, bestehen, oder das Guth aestimato venditionis gratia in dotem gegeben worden, hat die Frau actionem praescriptis verbis; und (3) Actionem hypothecariam gegen einen jeden Besitzer. (4) Jus retentionis.

§. 97.

Eräugnet (!) sich ein Concurs in des Mannes Güthern, so kann die Frau (1) das Paraphernal-Guth, wann es noch in des Mannes Vermögen existirt, vindiciren. Cod. Frid. pag. 292. §. 45. (2) Wann die Paraphernal-Gelder an ein unbewegliches Stück verwandt, und NB. NB. daß es mit sothanen Geldern erkaufft sey den Land-Buch eingetragen wird, so wird dieses Surrogatum ein Paraphernal-Guth; folglich kann die Frau als Domina sothanes Guth in der ersten Classe zurück fodern. Cod. Frid. pag. 292. §. 44. Wann (3) das Paraphernale weder existirt, noch das davor erkauffte Guth, und daß es mit der Frauen Paraphernalien angekaufft sey, in das Land-Buch eingetragen worden, hat die Frau tacitam hypothecam cum personali privilegio in allen des Mannes Güthern, und muß daher in der vierdten Classe locirt werden. Cod. Frid. pag. 298. §. 77.

§. 98.

Diese Praerogativen kommen auch denen Erben der Frauen in absteigender Linie zustatten: einem andern aber ausser der absteigenden Linie können diese Praerogativen nicht cedirt werden.

Art. III.

Von denen Receptitiis der Frauen.

§. 99.

Ausser denen Dotal- und Paraphernal-Güthern haben die Frauen auch öffters Receptitien-Güther.

Receptitia seyn diejenige Güther, welche die Frau vor der Hochzeit sich zu ihrem Eigenthum und Gebrauch reservirt.

§. 100.

In diesen Stücken behält also die Frau das Eigenthum und die Administration nebst der Nutzung.

Wann sie ihrem Mann die Administration oder den Usumfructum darinn verstattet, erhält sie bloß eine Hypothecam tacitam absque privilegio Cod. Frid. pag. 302. §. 108.

§. 101.

Es muß aber die Frau erweisen was sie dem Mann an Receptitiis eingeliefert habe, welches nicht anders als judicialiter geschehen kann. ibid. pag. 299. §. 79. seq.

§. 102.

Wann die Ehe dissolvirt wird, hat die Frau und deren Erben absteigender Linie wegen dieser Receptitien (1) Rei vindicationem, wann das Guth in natura existirt: (2) Condictionem wider den Ehmann, und dessen Erben, wann es consumirt ist. (3) Actionem hypothecariam gegen alle und jede Besitzer des Guths; item (4) jus retentionis.

§. 103.

Bey sich ereignendem Concurs kann (1) die Frau die Receptitien, wann sie noch in natura existiren, als ihr Eigenthum zurück fodern. Cod. Frid. pag. 292. §. 43. Wann sie (2) nicht mehr vorhanden, muß sie unter diejenigen welche ein stillschweigendes


(1-83) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. III. IV.

Unter-Pfand haben, locirt werden. ibid. pag. 302. & 105. * Es wäre dann daß (3) das Geld zu Erkauffung eines unbeweglichen Guths angewandt, und daß solches mit der Frauen Geld geschehen, dem Land-Buch eingetragen sey. pag. 292. §. 44.

§. 104.

Wann die Frau ausser diesen Geldern in der Haushaltung etwas entübriget, solches gehöret lediglich dem Marito zu.

Wie dann auch alles was währendem Ehstand angekaufft, oder in der Haushaltung angeschafft wird, dem Marito zugehöret, bis die Frau erweiset, daß ein jedes Stück aus ihren Paraphernalien oder Receptitien erkaufft und angeschafft worden.

Art. IV.

Von dem Gegen-Vermächtniß, oder der Wiederlage:

(De donatione propter nuptias.)

§. 105.

Es pflegen die Männer, wann sie einen Brautschatz mit denen Frauen erhalten, diesen ein Gegen-Vermächtniß oder Wiederlage zu verschreiben.

§. 106.

Dieses Gegen-Vermächtniß ist eine Schenckung welche der Mann, oder ein andrer in seinen Namen, der Frauen in Ansehung des Brautschatzes, und zu dessen Sicherheit, thut.

§. 107.

Dergleichen Gegen-Vermächtniß kann mündlich oder schriftlich, ausser und in denen Gerichten, auch durch eine würckliche Einlieferung, constituirt werden.

§. 108.

Und gleichwie der Brautschatz vor oder nach der Heyrath constituirt werden kann, also kann auch die Wiederlage vor oder nach der Heyrath verschrieben werden.

§. 109.

Es muß aber bey der Schenckung selbst deutlich ausgedruckt werden daß dieselbe wegen des Brautschatzes, und als eine Wiederlage geschehe; allermassen diese Schenckung sonst als eine donatio simplex, welche unter Ehleuthen verbothen ist, angesehen werden soll.

§. 110.

Wann in denen Eh-Pacten, oder bey Verabredung des Brautschatzes, keine Wiederlage bedungen worden, kann der Mann nachhero nicht angehalten werden dergleichen zu bestellen, weil ein Brautschatz ohne Wiederlage wohl bestehen kann.

§. 111.

Dergleichen Gegen-Vermächtniß wird constituirt I. von dem Ehmann selbst oder von einem andern in seinem Nahmen: (Vid. §. 2.)

§. 112.

II. Von dem Vater: welcher, wann der Sohn nichts im Vermögen hat, die Wiederlage aus seinem Vermögen constituiren muß, worzu er allenfals gerichtlich angehalten, das Quantum determinirt, und ex officio auf die väterliche Güther versichert werden soll.

Wann der Vater simpliciter, und ohne des Sohns Vermögen Meldung zu thun, das Gegen-Vermächtniß verschreibet, so muß der Vater solches aus seinem eigenen Vermögen bezahlen; wann auch schon der Vater des Sohns Vermögen in Händen hat, und solches administrirt.

 

* In dem Codice Fridericiano Marchico seyn diese Receptitia aus einem blossen Irthum unter die vierte Classe gesetzet worden. pag. 298. §. 77. da sie nach der pag. 302. §. 105. zur fünften Classe gehören.


(1-84) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. IV.

Es hört aber diese Nothwendigkeit, dem Sohn eine Wiederlage zu constituiren, in allen denen Fällen auf, in welchen der Vater von Constituirung des Brautschatzes befreyet ist. Vid. supr. pag. 67. §. 26.

Alles was hier wegen des Vatern statuirt wird, solches hat auch bey dem Gros-Vater väterlicher Seiten statt:

Die Mutter ist gehalten denen Söhnen in denen Fällen ein Gegen-Vermächtniß zu versichern, in welchen sie schuldig ist die Tochter zu dotiren. Vid. supr. pag. 69. §. 34.

§. 113.

III. Es kann auch die Wiederlage von einem Fremden versprochen und constituirt werden: Wann dieser solche nicht animo donandi constituirt, (welches der Vater erweisen muß) kann er actione negotiorum gestorum, oder de in rem verso gegen den Vater agiren, daß er ihn von dem Versprechen loß machen, oder, wann die Wiederlage der Frauen eingeliefert worden, das ausgelegte restituiren solle.

§. 114.

Wann der Vater von dem Seinigen, oder ein Fremder, der Frauen ein Gegen-Vermächtniß versichert, so gilt solches wann auch schon der Mann abwesend ist, und nichts von dem Handel weiß.

§. 115.

Dergleichen Gegen-Vermächtniß kann nur denen rechtmäßigen Ehfrauen constituirt werden: Folglich kann keine Beyschläfferinn, wann sie auch schon zur lincken Hand getraut ist, ein Gegen-Vermächtniß mit seinen Praerogativen praetendiren: Sondern sie muß sich mit demjenigen was ihr Mann ihr versprochen begnügen. (Vid. supr. pag. 61. §. 60.)

§. 116.

Wann der Mann zur zweyten Ehe schreitet, kann er der zweyten Frauen kein grösser Gegen-Vermächtniß constituiren, als was ein Kind erster Ehe (welches die geringste Portion bekommen,) bey der Theilung erhalten hat: und muß dasjenige was sie mehr erhalten, unter die Kinder erster Ehe getheilet werden. Vid. supr. pag. 48. §. 10.

§. 117.

Es ist aber nicht nöthig daß das Gegen-Vermächtniß dem Brautschatz gleich sey, sondern es dependirt dieses lediglich von dem Arbitrio des Constituenten: Es kann auch diese Schenckung die Summe von 500. Ducaten übersteigen, ohne daß nöthig sey, von Seiten des Mannes oder der Frauen, diese Schenckung gerichtlich zu insinuiren.

Wann aber dergleichen Wiederlage in fraudem Creditorum geschicht; oder die Kinder in der Legitima dadurch laedirt seyn, hat die Actio Pauliana und Querela inofficiosae donationis statt.

§. 118.

Die Frau erlanget von dem Gegen-Vermächtniß weder das Eigenthum noch die Administration, sondern das Geschencke bleibt in patrimonio des Constituenten, und dieses Dominium behält der Constituente, wann auch schon der Frauen das Geschenck tradirt, und ihr die Administration davon überlassen worden.

§. 119.

Jedoch erhält die Frau von dem Tag der Heyrath, oder, wann das Gegen-Vermächtniß nach der Heyrath versichert wird, von dem Tag des Versprechens, eine stillschweigende Hypothec in dem übrigen Vermögen ihres Mannes.

Wann also der Mann dieses Gegen-Vermächtniß alienirt, so wird solches Guth mit den Onere hypothecae auf den Besitzer transferirt. Es wäre dann, daß die Frau in die Veräusserung consentirt hätte: Was aber bey sothanen Consens erfodert werde, solches ist oben pag. 75. n. 7. bey Alienation des Brautschatzes angemerckt worden, welches Wir allhier wiederhohlen.


(1-85) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. IV.

Wann bewegliche Dinge zum Gegen-Vermächtniß verschrieben werden, so stehet dem Mann frey solche zu alieniren, und die Frau erlanget bloß Hypothecam tacitam in dessen Vermögen. Vid. Cod. Frid. pag. 302. §. 105.

§. 120.

Wann die Ehe dissolvirt worden, erlanget derjenige welcher das Gegen-Vermächtniß constituirt, alle Actiones welche denen die den Dotem constituirt haben, zustatten kommen. Vid. supr. pag. 78. §. 79.

§. 121.

Es kann also regulariter das Gegen-Vermächtniß währendem Ehstand nicht gefodert werden: Jedoch leidet diese Regul einen Abfall.

1.) Wann der Mann die Wiederlage zu verschwenden anfängt. In diesem Fall kann die Frau den Mann anhalten ihr die Administration des Brautschatzes und der Wiederlage zu überlassen: Sie muß aber alsdann den Mann und die Familie ernähren.

2.) Wann des Mannes Güther confiscirt worden müssen der Frauen Güther, als Brautschatz, Paraphernalien, Receptitien, Wittum, und Morgengabe, wie auch die zur Sicherheit derselben verschriebene Wiederlage, so lang die Frau lebt, zurück gegeben werden.

§. 122.

Wann in des Constituenten Vermögen ein Concurs entstehet wird die Frau, wegen ihres stillschweigenden Unterpfand in der fünften Classe locirt. (Cod. Frid. pag. 302. §. 105.) Es wäre dann daß diese Schenckung dem Land-Buch eingetragen worden, welchenfals sie zur dritten Classe gehöret. C. Fr. pag. 297. §. 69.

§. 123.

Dieses Gegen-Vermächtniß cessirt und hört auf 1.) Wann die Heyrath nicht erfolget:

2.) Wann der Mann vor der priesterlichen Einsegnung verstirbt: Vid. supr. pag. 54. §. 26.

3.) Wann die Ehe vor null und nichtig declarirt wird. Vid. supr. p. 56. §. 34. in fin.

4.) Wann die Ehe durch die Schuld der Frauen geschieden wird. Vid. supr. pag. 58. §. 38.

5.) Wann die Frau in die Veräusserung, nach Anleitung des §. 65. consentirt, so verliehrt sie die Hypothec an diesem Guth, nicht aber in dem übrigen Vermögen des Mannes.

§. 124.

Dieses Gegen-Vermächtniß ist von denen Braut-Geschencken (Sponsalitia largitate,) gantz unterschieden: Braut-Geschencke seyn, wann die Brautleute sich bey der Verlobung einander etwas auf die Hand geben, Ringe wechseln, oder wann sie nach der Verlobung zum Zeichen einer mutuellen Liebe sich untereinander beschencken, es mag in Geld oder Geldes werth bestehen.

Der Unterscheid bestehet also darinn: 1) daß die donatio propter nuptias, (das Gegen-Vermächtniß) auch nach der Hochzeit geschehen kann, die Sponsalitia largitas aber nur vor der Hochzeit: 2.) Jene geschicht zur Sicherheit des Brautschatzes, diese wird als eine Marque der Liebe angesehen: 3) Jene gehöret dem Mann eigenthümlich zu, und die Frau erlanget bloß eine Sicherheit dadurch in Ansehung ihres Brautschatzes: in dieser aber wird der Braut das Eigenthum übertragen, dergestalt daß sie auch ein Dotem darin constituiren kann.

Wann die Braut ihrem Bräutigam zur Bestreitung der Hochzeit-Kosten, zu Bezahlung der Schulden, Fortsetzung seiner Nahrung, und dergleichen, Geld geliehen, oder zu dem Behuff Geld gezahlet, und darunter keine Verschreibung nimmt: So wird sie in concursu Creditorum in der sechsten Classe locirt. Cod. Frid. pag. 305.


(1-86) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. V.

§. 124. Wann sie eine Verschreibung annimmt, gehört sie zur achten Classe unter die Chirographarios. Vid. Cod. Frid. pag. 306. §. 134.

Wann sie aber zu Erkauffung eines Guths ihre Gelder hergibt, das Guth auch angekaufft wird, und der Bräutigam, daß das Guth mit ihrem Geld erkaufft sey, dem Land-Buch eintragen läßt, so wird sie in der ersten Classe locirt. Vid. Cod. Frid. pag. 292. §. 44.

Art. V.

Von dem Leibgeding oder Wittum.

(De dotalitio.)

§. 125.

Es ist durch eine alte Gewohnheit, insonderheit unter denen Adlichen Familien, hergebracht, daß denen Wittwen, an statt des Brautschatzes und Gegen-Vermächtniß, (welche sie sonst nach geendigter Ehe fodern könten,) ein Leibgeding oder Wittum ausgemacht und verschrieben werde.

§. 126.

Dieses Dotalitium oder Leibgeding bestehet gemeiniglich in doppelten Zinsen a 10. pro 100, welche aus dem Brautschatz und Gegen-Vermächtniß der Wittwen, so lang sie lebt und im Wittwen-Stand verharret, gereichet werden; dahingegen der Mann und dessen Erben das Eigenthum des Dotis und der Donationis propter nuptias behalten.

Dergleichen Dotalitium kann auch niedriger und höher verabredet und verschrieben werden: Wann es höher als 10. pro 100. verschrieben wird, und die Creditores dadurch laedirt, oder die Legitima dadurch verkürtzet werden solte, muß das Leibgeding bloß auf die doppelte Zinsen reducirt werden.

Wann in genere ein Leibgeding verabredet wird, und der Mann bey seinem Leben das Quantum nicht determinirt, so müssen allezeit doppelte Zinsen verstanden werden.

§. 127.

Dergleichen Dotalitium kann vor oder nach der Hochzeit, entweder per pactum, oder per traditionem constituirt werden.

§. 128.

Alle diejenige welche einen Brautschatz constituiren, können auch ein Dotalitium ausmachen, und verabreden; folglich nicht allein der Mann selber, sondern auch dessen Vater, und andere fremde Personen. Vid. supr. pag. 67. §. 23. seq.

§. 129.

Es supponirt aber das Leibgeding (1) daß ein Brautschatz constituirt, und derselbe würcklich inferirt sey, (wie aber die Illation erwiesen werden müsse, ist in dem Cod. Frid. pag. 299. §. 78. gezeigt worden.)

Wann also kein Brautschatz inferirt worden, kann die Wittwe kein Leibgeding fodern, wann schon dieselbe den Brautschatz mit samt denen Zinsen denen Erben offerirt.

Wann gar kein Brautschatz versprochen worden, und der Mann dennoch ein Leibgeding ausmacht, so gilt zwar das Vermächtniß vi pacti, es hat aber nicht die Privilegia dotalitii.

§. 130.

Es erfodert dergleichen Leibgeding (2) daß die Ehe durch die priesterliche Copulation vollzogen sey: Wann also der Bräutigam vor der Copulation stirbt, kann die Frau bloß ihren Brautschatz zurück fodern, wann auch schon eine fleischliche Vermischung vorhergegangen. Vid. supr. pag. 54. §. 26.


(1-87) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. V.

§. 131.

Ein Dotalitium kann constituirt werden in beweglichen und unbeweglichen, cörperlichen und uncörperlichen Dingen und Güthern; Folglich auch in Lehn-Güthern: und braucht es keines Consens des Lehns-Herren und der Agnaten. Jedoch stehet nach eröfnetem Lehn beyden, wann sie das Leibgeding aufheben wollen, frey, der Wittwen den inferirten Brautschatz nebst dem Gegen-Vermächtniß NB. eigenthümlich heraus zu geben.

Es ist aber beyder Consens alsdann nöthig, wann (1) gar kein Brautschatz versprochen, oder derselbe nicht inferirt worden: (2) Wann ein Vasallus nicht seinen Töchtern, sondern einer Fremden einen Brautschatz oder Leibgeding verspricht.

§. 132.

Auf Fideicommiss-Güther kann kein Leibgeding constituirt werden, und seyn daher die fideicommissarische Erben nicht schuldig solches der Wittwen zu entrichten: Es wäre dann daß sie zugleich des Constituenten Erben worden.

§. 133.

Wann das Leibgeding in einem unbeweglichen Guth constituirt wird, so erlanget die Wittwe kein Eigenthum an diesem Guth, sondern bloß den Nießbrauch: (Usumfructum) daher alles was bey dem Usufructu Rechtens ist, (ausser der Caution, von welcher die Wittwe befreyet wird) auch bey dem Dotalitio beobachtet werden muß.

Diesem zufolge geniesset dergleichen Wittwe alle Früchte welche der Usufructuarius zu geniessen befugt ist, folglich auch die Hütungen, Mast, Holtzung zur Haushaltung, (nicht aber zum Verkauff,) den Weinkauff, (Laudemium) &c.

Die Fischerey aber, Jagden, Jurisdiction, Jus Patronatus, Zölle, gefundene Schätze, und andre Regalia, insonderheit die Bergwercke, und Mineralien, kann die Wittwe nicht praetendiren. Es wäre dann daß diese Stücke in specie mit verschrieben, oder die General-Clausul, mit allen Herrlichkeiten, mit beygefügt worden.

§. 134.

Es erlanget die Frau aus diesem Dotalitio (1) eine stillschweigende Hypothec, mit welcher ein personale Privilegium verknüpft ist. Daher dieselbe bey entstehendem Concurs in der vierten Classe locirt wird. Cod. Frid. pag. 298. §. 48. Es wäre dann daß sie das Dotalitium eintragen lassen, welchenfals sie zur dritten Classe gehöret. Vid. Cod. Frid. pag. 297. §. 69.

(2) Wann die Frau vor ihren Mann cavirt, kann diese Caution so wenig in dem Dote als Dotalitio bestehen: sondern die Caution ist ipso jure null und nichtig, und braucht es keiner Exception des Scti Vellejani.

(3) Erlangt die Wittwe alle Actiones, welche ihr in Ansehung des Brautschatzes verstattet werden. Vid. supr. pag. 78. §. 79.

(4) Der Wittwen stehet frey ob sie das Leibgeding, oder den Brautschatz nebst dem Gegen-Vermächtniß, wählen wolle: worzu sie zu admittiren ist wann auch schon das Leibgeding mit ihrem Consens verabredet worden.

Wann sie einmahl gewehlet, kann sie davon nicht wieder abgehen.

Wann sie vor der Option stirbt, können die Erben nichts weiter als den Dotem cum Usuris a die mortis zurück fodern:

(5) Denen Erben des Constituenten stehet nicht frey von dem einmahl verabredeten Dotalitio abzugehen; oder, wann dergleichen nicht constituirt worden, der Wittwen wieder ihren Willen ein Leibgeding, an statt des Brautschatzes und Gegen-Vermächtniß, zu obtrudiren.

(6) Es stehet auch gleichfals der Wittwen frey, wann ihr eine Portio statutaria durch die Gesetze vermacht ist, oder wann ihr der Mann in seinem Testament eine gewisse Portion ausgemacht hat, diese zu wehlen, und sich des Dotalitii, oder des Dotis und Donationis propter nuptias zu begeben.


(1-88) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. V. VI.

§. 135.

Das Leibgeding höret auf, und endiget sich (1) mit dem Tod der Wittwen: (2) wann sie zur andern Ehe schreitet, und durch die Eh-Pacta nicht ein anders versehen ist: (3) Wann die Ehe durch ihre Schuld geschieden worden: (4) Wann dieselbe wegen einer Missethat zum Tode condemnirt wird, ob sie schon dieserwegen pardonnirt worden: (5) Wann sie das Guth verwüstet, oder gar veräussert und einem andern cedirt: (6) Wann das Leibgeding z. E. durch Erdbeben (et)c. untergeht: (7) Wann sie dotem & donationem propter nuptias, oder portionem statutariam, oder portionem testamentariam wehlet: Vid. §. praeced. (8) Wann sie in 30 Jahren, oder (9) bey ihrem Leben das Leibgeding nicht gefodert.

Hingegen wird das Leibgeding dadurch nicht geendiget, wann (10) die Wittwe in ein Closter gehet.

Wann (11.) die Wittwe ein liederliches Leben führt, oder gar zu Falle kommt, verliehrt sie das Leibgeding. Es muß aber derselben alsdann ihr Brautschatz zurücke gegeben werden.

§. 136.

Der Wittwen muß das Leibgeding, wann es in einem unbeweglichen Guth bestehet, binnen 4 Wochen nach des Mannes Absterben mit denen fructibus pendentibus, welche die mortis vorhanden gewesen, eingeräumt werden: die fructus Civiles aber werden pro rata temporis zwischen der Wittwen und des Constituenten Erben getheilet.

Wann das Leibgeding aufhöret, wird es wegen der Früchte des letzten Jahres, und denen von der Wittwen verwandten Kosten wie bey dem Dote gehalten. Vid. supr. §. 77. §. 85. seq.

§. 137.

Das Leibgeding wird von dem Gegen-Vermächtniß darinn unterschieden, daß (1) das Gegen-Vermächtniß zur Sicherheit des Dotis constituirt werde; dahingegen das Leibgeding den Dotem aufhebt und absorbirt: (2) daß des Mannes Erben, wann Dos inferirt worden, zwar ein Gegen-Vermächtniß, nicht aber ein Leibgeding zu verschreiben schuldig seyn. 3) Daß die Wittwe wegen des Gegen-Vermächtniß eine schlechte stillschweigende Hypothec, (Cod. Frid. pag. 302. §. 105.) wegen des Leibgedings aber eine Hypothec cum personali privilegio habe. (ibid. pag. 299. §. 78.)

Art. VI.

Von der Morgengabe.

§. 138.

Durch die Morgengabe verstehen Wir dasjenige, was der Mann seiner Frauen den Tag nach der Hochzeit zu ihrem Spiel-Geld zu schencken pflegt: Es mag in Geld oder Geldes Werth bestehen.

Und diese Morgengabe pflegt der Mann seiner Frauen zu geben, wann sie schon vorher Wittwe gewesen: Hingegen gibt die Frau ihrem Mann niehmals die Morgengabe, wann er auch schon ein Junggeselle ist.

§. 139.

Die Morgengabe wird entweder Pacto versprochen, oder würcklich tradirt, beydes kann auch nach der Hochzeit geschehen.

Wann aber in der Ehstifftung keine Morgengabe versprochen worden, ist der Mann nach der Heyrath nicht schuldig dieselbe zu determiniren.

§. 140.

Es können die Morgengabe schencken, (1) der Mann selber aus seinem Vermögen: (2) dessen Vater, welcher schuldig ist, wie den Dotem, also auch diese Morgengabe


(1-89) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. VII. VIII.

zu versichern: (3) ein Fremder, worunter auch die Mutter und Brüder gezehlet werden.

§. 141.

Wann die Morgengabe der Frauen tradirt worden, erlangt sie das Eigenthum davon, und kann nach Gefallen davon disponiren.

Wann ihr die Zinsen davon stipulirt worden, kann sie und ihre Erben das Eigenthum erst nach dissolvirter Heyrath fodern.

§. 142.

Die Frau erlanget wegen dieser Morgengabe eine stillschweigende Hypothec in des Mannes Vermögens (!), von dem Tag an da die Morgengabe verabredet und verschrieben worden:

Es hat aber diese Hypothec kein Personal-Privilegium: daher wird die Frau bey entstehenden Concurs bloß in der fünften Classe locirt. Cod. Frid. pag. 305. Wann aber die Morgengabe in Natura existirt, gehöret sie zur ersten ibid. pag. 202. §. 45. und wann sie nicht existirt aber eingetragen worden, zur dritten Classe (ibid. pag. 207.)

Es kann auch eine Frau mit dieser Morgengabe vor ihren Mann caviren, sie hat aber exceptionem Scti Vellejani.

§. 143.

Die Morgengabe fällt niemahlen auf den Mann und dessen Erben zurück, wann schon die Ehe als null und nichtig declarirt, oder die Ehe sonst durch der Frauen Schuld aufgehoben wird.

Art. VII.

Von der Succession der Ehleuthe aus denen Eh-Pacten.

§. 144.

Ob gleich in denen Römischen Rechten verbothen, daß kein Versprechen von einer künftigen Erbschaft, noch einige Disposition von eines lebenden Succession, gelten solle: so haben Wir doch schon oben Tit. 4. §. 8. verordnet, daß, wann künftig Ehleuthe sich wegen mutueller Succession vergleichen, und in denen Eh-Pacten darüber disponiren, solche Disposition in vim pacti gelten, und niemahls die Kraft eines letzten Willen haben solle, wann auch schon die Worte eines letzten Willens darbey gebraucht worden.

§. 145.

Wir haben dahero auch ferner verordnet, daß, wann die Ehstifftung von denen Interessenten unterschrieben, und vor die ihrige agnoscirt wird, dasjenige was ratione Successionis verabredet worden, seine völlige Krafft haben und behalten solle, und daß auch nicht nöthig sey zwey Zeugen zu adhibiren: als welche bloß auf den Fall, wann ein Theil seine Unterschrifft diffitiren wolte, zum Beweiß dienen würden.

Hieraus folget auch von selbsten, daß keiner von beyden Theilen von dergleichen Disposition abgehen, oder die verabredete Succession durch seinen letzten Willen ändern könne.

Art. VIII.

Von der Portione Statutaria.

§. 146.

Es ist in verschiedenen Unseren Provintzien durch besondere Statuta eingeführet, daß der hinterlassene Ehegatte in die Hälfte des gemeinen (nemlich sowohl des verstorbenen


(1-90) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. VIII.

als noch lebenden Ehegattens) Vermögen succediren: Welches Portio Statutaria genannt wird.

§. 147.

Es hat aber diese Successio in portionem statutariam nur alsdann statt wann keine Ehestiftung und Pacta dotalia vorhanden seyn: dann wann diese existiren, muß sich der überlebende Ehegatte mit demjenigen was ihm darinn verschrieben worden begnügen: Und stehet ihm gar nicht frey zu wehlen, ob er sich an die Ehestiftung halteu (= halten), oder die Portionem Statutariam ergreifen wolle: Es wäre dann, daß die optio ausdrücklich in denen Eh-Pacten reservirt worden.

§. 148.

Im übrigen seyn sowohl die adliche als bürgerliche Ehgatten diese Portionem Statutariam zu fodern befugt.

§. 149.

Es wird aber 1.) supponirt, daß eine wahre und gültige Ehe vorhanden sey: Dahero diejenige welche eine verbotene Heyrath getroffen, oder sich zur lincken Hand trauen lassen, keine Portionem Statutariam praetendiren können:

Es wird 2.) erfodert, daß diese Ehe durch priesterliche Copulation vollzogen sey: daher kann eine Frau Portionem Statutariam fodern: wann schon der Ehgatte gleich nach der Copulation, und vor Beschreitung des Ehbettes verstirbet.

Hingegen können 3) Braut-Leute diese Portion nicht fodern wann einer von ihnen vor der Priesterlichen Copulation verstirbt: Vid. Cod. Frid. pag. 35. §. 2. welches auch statt hat, wann sie sich schon fleischlich vermischet haben. Vid. Cod. Frid. p. 54. §. 26.

§. 150.

Es succedirt also nach diesen Statutis der überlebende Ehgatte in die Hälfte des gemeinen Vermögens, es mag beweglich oder unbeweglich seyn: wann auch schon der hinterbliebene Ehgatte währendem Ehstande weder etwas von seinem Vermögen eingebracht, noch etwas im Vermögen hat.

§. 151.

Weil nun der überlebende sein gantzes Vermögen mit conferiren muß; so gehöret auch unter der Frauen Vermögen ihre Paraphernalien, Receptitien, Braut-Geschencke, Morgengabe (et)c. item Kleider, Schmuck, Leinen, Spaarpfennig (et)c. aber nicht das Gnaden-Jahr.

Der Mann conferirt nebst seinen Vermögen auch die Besoldung so weit dieselbe bey der Frauen Tode verfallen ist: keinesweges aber die Mann-Lehne, noch die Fidei-Commissa Familiae.

Es gehören auch ferner zu dieser Portione statutaria alle ausstehende Schulden, und daher rührende Actiones, wann die Schuld auch schon sub conditione contrahirt worden, und die Condition nach dem Tod erst existirt.

Gleiche Bewandniß hat es auch mit denen Schulden welche extra Territorium ausstehen, weil dieselbe der Person inhaeriren, folglich nach denen Statutis des Orts wo der Ehegatte verstorben, considerirt werden müssen: ein anders aber ist in Gründen welche extra Provinciam belegen seyn, wo die Statuta rei sitae beobachtet werden müssen.

Alle Erbschaften, welche auf den Ehgatten devolvirt worden, gehören zu der Portione Statutaria, wann sie schon noch nicht getheilet seyn: Es stehet auch keinen Ehegatten frey in fraudem dieser statutarischen Portion darauf zu renunciren. Vid. §. 154. seq.

§. 152.

Es verstehet sich aber von selbsten, daß von diesem gemeinen Vermögen zufoderst alle Schulden abgezogen werden müssen, worunter auch das Dienst-Lohn und die


(1-91) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. VIII.

Begräbniß-Kosten des letzt verstorbenen (nicht aber des überlebenden, wann er schon denselben Tag verstirbt) mit begriffen seyn.

Jedoch werden die Spiel-Schulden, und darüber ausgestellte Obligationes und Wechsel, nicht abgezogen.

§. 153.

Der hinterlassene Ehegatte kann also die Hälfte des gemeinen Vermögens fodern, und zu sich nehmen: Die andere Hälfte bekommen des Verstorbenen hinterlassene Kinder und Erben, und in deren Entstehung der Fiscus.

§. 154.

Und weil die Gesetze diese statutarische Portion dem überlebenden Ehgatten zubilligen, so stehet keinem von beyden Theilen frey dieselbe aufzuheben, zu vermindern, oder zu deren Praejuditz etwas zu disponiren.

Daher kann (1) kein Ehegatte sein Vermögen veräussern: Er kann auch (2) sein baares Geld nicht zu Erkauffung eines Mannlehns oder Fideicommissi Familiae anwenden: noch 3) einen Lehn-Stamm in seinen Capitalien constituiren.

Er kann auch 4) diese Portion durch keinen letzten Willen vermindern: Es wäre dann daß der hinterbliebene Ehegatte in das Testament, und diesen darinn enthaltenen Punct wissentlich consentirt, oder das Testament einmahl agnoscirt habe.

Es kann auch 5) die Portio Statutaria durch einen letzten Willen nicht vermehrt werden: dahero, wann dem überlebenden Theil ein Legatum darinn vermacht worden, solches zu der statutarischen Portion mit conferirt werden muß.

Der Ehegatte kann auch 6) keine gewisse Taxe von seinen Güthern machen oder festsetzen, sondern der überlebende Theil kann dem ohngeacht auf eine anderweitige Taxe provociren.

Wir wollen auch 7) keinem Ehegatten verstatten einer Erbschafft die auf ihn devolvirt wird zu renunciren, wann auch schon dergleichen Renunciation zum Favor der Kinder geschicht.

§. 155.

Es hat aber dieses Verboth nur alsdann statt, wann dergleichen Veräusserung in fraudem portionis statutariae, und mit der Intention, den überlebenden Theil entweder gantz oder zum Theil um seine Portion zu bringen, vorgenommen wird.

Dann wann jemand aus Noth, oder zu seinem Nutzen, oder Plaisir, etwas veräussert, oder aus Generosité, oder aus Erkentlichkeit etwas wegschencket, oder die Sache bloß eine Kleinigkeit betrifft, so kann dem Ehegatten die Disposition über sein Vermögen nicht benommen werden: um so weniger, da die Portio Statutaria eigentlich nur von dem Vermögen, welches zur Zeit des Absterbens vorhanden ist, gefodert werden kann.

§. 156.

Damit aber darüber, ob etwas zum Praejuditz der statutarischen Portion veräussert oder sonst disponirt worden, kein Streit entstehen möge, so ordnen und wollen Wir, daß bloß alsdann die Dispositio als in fraudem portionis facta gehalten werden soll, wann derjenige, welcher durch diese Disposition etwas lucrirt, weis oder glaubet, daß der Ehgatte zum Praejuditz sothaner Portion, und mit der Intention solche zu vermindern, dergleichen Disposition gemacht habe: (welches allenfals, und wann kein andrer Beweiß vorhanden, per delationem juramenti ausfündig gemacht werden muß (!).

§. 157.

Wann erwiesen wird, daß die Alienatio &c. in fraudem portionis statutariae geschehen, müssen die Erben die alienirte Stücke mit in computum bringen, als ob


(1-92) Part. I. Lib. II. Tit. IV. Art. VIII.

sie noch würcklich existiren: Sie haben auch keinen Regress gegen diejenige, welchen der Defunctus die Stücke alienirt hat, weil sie als Erben factum defuncti praestiren müssen:

§. 158.

Es folget aus dieser Portione Statutaria keine communio bonorum; folglich haben die Rechte, welche aus dergleichen Communion folgen, hier keine statt.

§. 159.

Es ist auch diese statutarische Portion keine eigentliche Erbschaft, noch Successio in omne jus defuncti, sondern bloß ein lucrum statutarium: daher agiren die Creditores und Legatarii des Defuncti nicht gegen den sogenannten Haeredem Statutarium, sondern allein gegen des Verstorbenen hinterlassene Erben.

§. 160.

Der hinterlassene Ehgatte und dessen Erben erlangen in Ansehung dieser statutarischen Portion, Condictionem ex lege; Wider die Erben des abgelebten Ehgatten; und in deren Entstehung gegen den Fiscum; zu Ablieferung der Helffte des gemeinschaftlichen Vermögens.

§. 161.

Diese Action kann regulariter nicht angestellet werden als nach aufgehobener Ehe. Es leidet aber diese Regul einen Abfall, und die Portio statutaria kann auch währender Ehe gefodert werden.

1. Wann des Manns Güther wegen eines Criminis confiscirt werden: wann es auch schon ein Crimen laesae Majestatis betrifft.

2. Wann ein Ehgatte zum Unterhalt seiner verarmten Eltern die Portion oder einen Theil davon fodert.

3. Wann ein Ehgatte sein Vermögen durchbringt und verschwendet, und zu fürchten ist daß künftig nichts vor die Portionem Statutariam übrig bleiben möchte, so ist der andre befugt Caution zu fodern.

§. 162.

Es muß aber der hinterbliebene Ehgatte nach des andern Absterben binnen 6 Wochen ein Inventarium oder juratam specificationem verfertigen und solches gerichtlich übergeben, und binnen 14 Tagen nachher sich gerichtlich erklähren ob er die Portionem Statutariam ergriffen, folglich haeres statutarius seyn, oder ob er sich bloß an sein Vermögen halten wolle.

Wann er binnen denen 6 Wochen das Inventarium nicht übergibt, oder binnen 14 Tagen nachher sich nicht erklährt, soll er ipso jure pro haerede statutario, jedoch bloß cum beneficio legis & Inventarii gehalten werden. Cod. Frid. pag. 22. §. 3. 4. 5. & 6.

Es müssen aber die Gerichts-Obrigkeiten sowohl in denen Städten, als Dörffern, (jedoch bloß zum Uberfluß) die interessirten Ehgatten erinnern, daß sie binnen 6 Wochen das Inventarium oder juratam Specificationem gerichtlich übergeben, und binnen andern 14 Tagen gerichtlich declariren müssen, ob sie dispositionem statutariam ergreiffen, oder sich bloß an ihr Vermögen halten wollen: (et)c. und daß sie, wann sie eines von beyden versäumen, vor statutarische Erben cum beneficio legis & inventarii gehalten würden, und mit Collation beyderseits Vermögen, nach Abzug der Schulden, die Hälfte annehmen müssen.

Es soll auch dieser Terminus von 6 Wochen und resp. 14 Tagen niemahls und unter keinem Praetext prolongirt, noch gegen dessen Versäumniß restitutio in integrum verstattet werden. Cod. Frid. d. l.

Wann der überlebende Theil binnen diesen Sechs Wochen und resp. 14 Tagen ohne zu wehlen verstirbet, können die Erben in der noch übrigen Zeit annoch optiren: Nach Ablauff der Sechs Wochen und resp. 14 Tage aber werden sie, wann sie nicht optirt, pro haeredibus statutariis gehalten.


(1-93) Part. I. Lib. II. Tit. V.

Wann der hinterbliebene Ehgatte zur zweyten Ehe schreitet ohne mit seinen Kindern Richtigkeit zu machen, so verliehrt der überlebende, ausser denen sonst darauf gesetzten Strafen, (vid. supr. pag. 52. lit. 1.) die Option, und wird solche vielmehr denen Kindern übertragen, ob sie dem überlebenden die Portionem Statutariam verstatten, oder ihm sein Vermögen überlassen wollen.

§. 163.

Schließlich kann keine Portio Statutaria gefodert werden,

1.) Wann Eh-Pacten vorhanden. Vid. supr. §. 147.

2.) Wann ein Ehgatte der Portioni statutariae renunciirt: welches auch

3.) Geschicht wann er optirt, und sein Vermögen zurück fodert. Vid. §. praeced.

4.) Wann durch eines Ehgatten Schuld die Ehe dissolvirt wird. Vid. supr. pag. 58. §. 38.

5.) Wann der Mann seine im Ehbruch ergriffene Frau umbringt. Vid. supr. pag. 78. §. 76.

6.) Wann der Ehgatte den an dem Verstorbenen begangenen Mord nicht verfolget noch vindicirt.

7.) Wann eine Ehfrau binnen 9 Monath nach geschiedener Ehe zur zweyten Ehe schreitet, wann auch schon Unsere Dispensation darzu kommt. Vid. supr. pag. 57. §. 7.

8.) Wann die Ehfrau nach aufgehobener Ehe sich liederlich aufführt, oder sich gar schwängern läßt, so können des Mannes Erben die Portionem statutariam zurück fodern.

9.) Wann der Ehgatte zur zweyten Ehe schreitet ohne mit denen Kindern erster Ehe Richtigkeit zu machen. Vid. supr. pag. 52. lit. 1. & §. praec. in fin.

Tit. V.

Wann der Vater schuldig ist die Kinder vor die Seinige zu erkennen.

(De agnoscendis liberis.)

§. 1.

Es ist als eine General-Regul fest zu setzen, daß in denenjenigen Fällen, worinn ihrer Natur nach keine absolute Gewißheit eingezogen werden kann, diejenige Gewißheit angenommen werden müsse, welche moraliter ausfündig gemacht werden kann.

Aus diesem Grund folget nothwendig, daß wann ein Kind aus einer rechtmäßigen Ehe, in der von der Natur gesetzten Zeit, gebohren wird, der Vater schuldig sey solches als sein Kind zu erkennen und anzunehmen.

§. 2.

Dieses ist auch wahr, wann schon (a) die Ehfrau vor der Ehe sich mit anderen vergangen, auch wol gar ein Kind gezeuget, und der Ehmann beydes nicht gewust hat; Allermassen zwar die Heyrath dieserwegen dissolviret werden kann, das Kind aber, welches währender Ehe zu rechter Zeit gebohren worden, muß der Vater agnosciren. Add. inf. §. 3.

Es ist der Vater auch ferner und (b) das Kind zu agnosciren schuldig, wann schon die Mutter vor oder nach der Geburth, oder in der letzten Todes-Stunde, bekennet daß das Kind aus einem Ehbruch gezeuget sey; wann nur der Ehmann derselben beständig ehlich beygewohnt hat. Es wäre dann daß ausserdem einige verdächtige Umstände angezeigt würden, welche die Warheit des Bekäntniß bestätigen, als z. E. wann


(1-94) Part. I. Lib. II. Tit. V.

sie mit dem angegebenen Ehbrecher einen heimlichen und verdächtigen Umgang gehabt, wann Liebes-Briefe gefunden werden (et)c.

§. 3.

Es wird also darzu, daß der Vater ein Kind zu agnosciren schuldig sey, erfodert (1.) daß das Kind aus einer rechtmäßigen Ehe gebohren sey: Weil die vernünftige Vermuthung ist, daß, wann Eheleute sich verbinden ewig beyeinander zu wohnen, und zwar mit der Intention Kinder zu zeugen, auch würcklich einander ehlich beywohnen (et)c. der Vater dergleichen Kinder nicht verläugnen könne.

Es wird (2.) erfodert, daß die Kinder in der von der Natur gesetzten Zeit gebohren werden: Nun ist der ordinaire Lauf der Natur, daß die Kinder nach der Hochzeit, oder nach des Vaters Tod im neunten oder zehnten Monat gebohren werden. Wann also ein Kind binnen dieser Zeit gebohren wird, so kann der Vater sich nicht entbrechen solches vor das seinige zu agnosciren.

§. 4.

Weil aber diese moralische Gewißheit sich in der That nur auf vernünftige Muthmassungen gründet, so folget nothwendig, daß, wenn stärckere Muthmassungen in contrarium sich hervorthun, und der Ehmann einigen gegründeten Zweifel darbey haben solte, die Sache näher untersuchet werden müsse.

§. 5.

Wann also eine Frau im sechsten, siebenden oder achten Monath nach der Hochzeit niederkommt, muß untersucht werden ob etwas an der Vollkommenheit des Kindes fehle; (welches mit Zuziehung einiger erfahrenen Wehmütter, Chirurgen und Doctoren geschehen muß) ob die Frau vor der Heyrath einen verdächtigen Umgang mit andern Manns-Leuthen gehabt habe (et)c.

Wann sich finden solte daß dergleichen frühzeitig Kind die Vollkommenheit eines im neunten oder zehnten Monath gebohrnen Kindes habe, oder der Mann der Frauen in der ersten Zeit des Ehestandes nicht ehlich beygewohnet (et)c. so ist der Vater das Kind vor das seinige zu agnosciren nicht schuldig.

§. 6.

Gleiche Bewandniß hat es wann eine Frau zwar im neunten oder zehnten Monath nach der Ehescheidung oder nach des Mannes Tod niederkommt, die Verwandten aber erweisen wollen, daß der Mann schon einige Monath vorher seiner Frauen nicht ehlig beygewohnt, oder abwesend oder sonst unfähig gewesen dieselbe fleischlich zu erkennen, so müssen auch diese Umstände zufoderst untersucht werden.

Wann aber auch eine Ehfrau wider den ordentlichen Lauff der Natur im eilften Monath nach der Ehscheidung oder nach des Mannes Tod niederkommen solte: kann dieserwegen das Kind noch zur Zeit nicht vor unehlig gehalten, sondern es muß zufoderst auch in diesem Fall untersucht werden, ob das Kind stärckere Gliedmassen habe, als diejenige die nach dem Lauff der Natur gebohren werden; ob die Frau nach der Scheidung, oder nach des Mannes Tod, einen verdächtigen Umgang mit andern gehabt habe; Item ob der Mann in denen letzten Tagen vor der Ehescheidung oder vor seinem Tod derselben ehlig beygewohnt habe, oder in dem Stande gewesen derselben ehlig beyzuwohnen.

Dann wann sich äussern solte, daß dergleichen spätes Kind die Glieder eines nach dem ordentlichen Lauff der Natur gezeugten Kindes habe; oder wann erwiesen würde, daß die Frau nach der Scheidung, oder nach des Mannes Absterben, einen verdächtigen Umgang mit andern Manns-Leuthen gehabt, oder daß der Mann einige Zeit vor der Scheidung oder vor dem Absterben wegen Kranckheit, Abwesenheit (et)c. derselben nicht ehlich habe beywohnen können: So ist so wenig der Mann, als dessen Erben und Agnaten, dergleichen Kind zu agnosciren schuldig.

Eine grosse Praesumtion gegen ein dergleichen wider den ordentlichen Lauf der Natur gezeugten Kindes ist, wann der Mann ein ansehnliches Vermögen hat, folglich


(1-95) Part. I. Lib. II. Tit. V. VI.

zu befürchten ist, daß die Frau um sothanes Guth zu conserviren, ein fremdes Kind unterschieben wolle.

§. 7.

Es kann auch währender Ehe wegen Agnition des Kindes einiger Zweifel entstehen: Dann wann der Mann nach der Copulation wegen einer geschwinden Kranckheit oder Reise, oder wegen eines habenden Verdachts den Beyschlaff nicht vollzogen, sondern solchen etliche Monath ausgesetzet hätte, und die Frau dennoch im neunten oder zehnten Monath niederkäme: Item wann der Mann 9. oder 10. gantzer Monath abwesend, oder kranck gewesen, und die Frau nach dieser Zeit ein Kind zur Welt bringt, der Mann aber solches nicht agnosciren will, so muß die Untersuchung gleichfalls, wie in dem vorhergehenden §. vorgeschrieben worden, geschehen.

§. 8.

Wann die Eh-Frau eines Ehbruchs überführt wird, ist der Mann nicht schuldig das Kind zu agnosciren, wann er auch schon der Frauen unterdessen ehlich beygewohnet hat.

§. 9.

Wann dieser Agnition wegen ein Process entstehet, ist der Eh-Mann und dessen Erben, wie auch die Agnaten, in allen diesen Fällen währendem Process die Frau nebst dem Kind zu alimentiren, auch die Process-Kosten ohne Caution vorzuschiessen schuldig:

§. 10.

Wann eine Wittwe, welche schwanger ist, in währendem Trauer-Jahr wieder heyrathet, oder auf eine unehlige Art sich vermischet, so gehöret das Kind wann es im neunten oder zehnten Monath nach des Mannes Tod gebohren wird, (und keine verdächtige Umstände darbey vorkommen) dem vorigen Marito: die Frau aber verliehrt alle ihre Lucra nuptialia nebst dem Dote, und fallen dieselbe denen Kindern erster Ehe anheim. Es muß auch die Frau überdem auf einige Jahre ins Zucht-Haus gebracht werden. Vid. supr. pag. 47. §. 7.

Tit. VI.

Von der Schuldigkeit derer Eltern die Kinder, und derer Kinder die Eltern zu ernehren.

§. 1.

Unter denen Vorrechten welche denen Kindern von Natur, in Ansehung derer Eltern, zustehen, ist eines von den vornehmsten, daß die Eltern die Kinder ernehren, das ist, die von ihnen gezeugte Creatur zur Maturitaet bringen müssen. Vid. supr. pag. 27. §. 36. welchen Trieb die Natur selbst denen unvernünftigen Thieren eingeprägt hat.

§. 2.

Hauptsächlich liegt diese Schuldigkeit dem Vater, als dem Haupt der Familie, ob, dergestalt daß, wann die Mutter verhindert wird die Kinder zu stillen, derselbe schuldig ist die Amme zu bezahlen.

§. 3.

Wann der Vater arm und nicht im Stande ist die Kinder zu ernehren, oder wann der Vater verstorben, und die Kinder selbst nichts im Vermögen haben, kann die Mutter sich nicht entbrechen die Kinder zu ernehren. Vid. supr. pag. 32. §. 7.

§. 4.

Wann weder Vater noch Mutter vorhanden, oder dieselbe nicht im Stand seyn ihre Kinder zu ernehren, liegt dem Groß-Vater, und nach ihm der Groß-Mutter väterlichen


(1-96) Part. I. Lib. II. Tit. VI.

Seiten; Und, wann es auch an diesen fehlt, dem Groß-Vater und der Groß-Mutter mütterlichen Seiten ob, die Alimentation der Kinder zu übernehmen.

§. 5.

Wann aber die Kinder nachher vor sich etwas erwerben, können die Groß-Eltern was sie ausgelegt, von ihnen wieder fodern.

§. 6.

Die Schuldigkeit die Kinder zu ernehren erstrecket sich nicht allein auf die Neugebohrne, sondern auch auf die erwachsene Kinder, item auf diejenige die der väterlichen Gewalt erlassen seyn, auch so gar auf die ausgestattete Kinder, wann dieselbe arm und unvermögend seyn.

§. 7.

Wann ein Kind mit Bewilligung der Eltern (sonst aber nicht) geheyrathet hat, und in solche Noth und Armuth geräth, daß es sich und seine Familie nicht ernehren kann, muß nicht allein das Kind, sondern auch dessen Familie von denen oben benannten Personen ernehret werden: Und wann dem Sohn ein Brautschatz eingebracht worden, müssen die Alimenta nach Proportion des Brautschatzes determinirt werden.

§. 8.

Es seyn die Eltern auch schuldig ihre aus einem Ehbruch, Blutschande, oder unehligem Beyschlaff gezeugte Kinder zu ernehren. Vid. supr. pag. 69. §. 37.

§. 9.

Unter denen Alimenten wird in genere alles verstanden was zur Conservation der Kinder nothwendig gehöret, als (1) die Mund-Kost: (2) die nothdürftige, jedoch Standesmäßige Kleidung: (3) die Wohnung vor das Kind und seine Familie: worunter auch das benöthigte Haus- und Küchen-Geräthe, item die höchstnöthige Bedienten, als Ammen (et)c. begriffen seyn: (4) Die Medicamenten bey vorfallenden Kranckheiten: (5) Die Kosten zu Erlernung Lesens, Schreibens, und Rechnens: (6) die Information im Christenthum: (7) Die Begräbniß-Kosten (et)c.

Hingegen dürfen die Eltern (8) zum Studiren nichts beytragen: Sie müssen aber doch bedacht seyn sie zu einem gewissen Metier worbey sie ihr Brod verdienen können zu widmen, und die darzu erfoderte Kosten hergeben.

Es seyn auch (9) die Eltern nicht schuldig ihre gefangene Kinder zu redimiren, und das Löse-Geld vor sie zu bezahlen.

§. 10.

Wann die Eltern und Gros-Eltern denen Kindern die Alimenten reichen, können sie auch nach Proportion des Unterhalts von diesen diejenige Dienste fodern, welche von ihnen nach ihrem Stand geleistet werden können.

§. 11.

Diese Schuldigkeit die Kinder zu ernehren höret auf (1) wann die Kinder selber so viel im Vermögen haben, daß sie daraus ernehrt werden können.

2.) Wann die Eltern selbst so arm seyn daß sie kaum ihr nothdürftiges Auskommen haben.

3.) Wann die Kinder einmal von denen Eltern ausgestattet worden, und dieselbe durch ihr liederliches Leben und Verschwendung das ihrige durchgebracht.

4.) Wann solche Causae vorhanden weswegen Eltern die Kinder enterben können.

5.) Wann die Kinder auf andere Arth ihr Brod verdienen können, als, wann sie zu Kriegs-Diensten tüchtig seyn, oder bey andern Leuthen dienen können, und ihnen dergleichen Conditiones angewiesen werden.

6.) Die verstrichene Alimenta, und zu dem Ende gemachte Schulden, dürfen die Eltern nicht bezahlen.


(1-97) Part. I. Lib. II. Tit. VI.

§. 12.

Im Gegentheil seyn auch die Kinder schuldig ihre verarmte Eltern und Gros-Eltern zu ernehren.

Welches auch statt hat, wann schon die Kinder übel von ihnen tractirt worden; oder die Eltern übel gewirthschafft, und so gar einen Theil von der Kinder Vermögen verzehrt haben; oder wann die Eltern wegen einer Missethat des Landes verwiesen werden.

Nicht aber wann sie in die Acht erklährt worden, oder ein Crimen begehen welches den Tod verdienet, noch wann sie von denen dreyen recipirten Religionen abfallen.

§. 13.

Ausser denen Eltern und Kindern seyn noch verschiedene andere Personen welchen nach der vernünftigen Billigkeit, und durch unsere Gesetze, die Alimenta gereichet werden müssen.

§. 14.

Solchergestalt ist I.) der Ehmann schuldig seine Frau zu ernehren, wann sie auch schon keinen Brautschatz eingebracht, noch den versprochenen eingeliefert hat.

Es liegt ihm auch diese Schuldigkeit ob, wann die Frau ob saevitiam zu entweichen genöthiget wird.

Item wann super saevitia gestritten oder die Frau gar eines adulterii beschuldiget, und darüber Process geführet wird:

Not. unter denen Alimenten werden auch die Process-Kosten begriffen.

Wann aber die Frau durch ein Urthel vor schuldig erkannt wird, darf der Mann die Alimenta nicht weiter reichen, bis die Frau bürgliche und tüchtige Caution bestellet, daß sie, wann sie in denen folgenden Instantzen succumbirt, dem Mann alles was er vorhin vorgeschossen hat und noch weiter vorschiessen wird, restituiren wolle.

§. 15.

Wann der Mann verstorben, müssen dessen Erben die Wittwe ernehren, jedoch wann diese einen Dotem eingebracht, und darüber gestritten wird, können die Erben hiernechst sothane Alimenta von denen Fructibus dotis abziehen.

Wie es aber zu halten wann die Frau nach des Mannes Tod sich vor schwanger ausgiebt, davon soll in dem folgenden Titul gehandelt werden.

§. 16.

Es hört aber diese Schuldigkeit sowohl des Mannes als dessen Erben auf (1) wann die Frau nothdürftige Lebens-Mittel hat: oder (2) der Mann selbst arm ist, und sein täglich Brodt mit der Hand verdienen muß: (3) Wann die Frau im Stande ist auf eine honette und ihrem Stand convenable Art ihr Brod zu verdienen, (4) Wann sie eines Ehbruchs überführt worden, oder den Mann böslich verlassen hat, oder sonst die Ehe durch der Frauen Schuld geschieden worden: (5) Wann sie wegen einer infamen Missethat worauf die Todes-Straffe stehet, condemnirt wird.

§. 17.

Im Gegentheil ist die Frau und deren Erben auch schuldig ihrem Mann, wann er verarmet ist, die Alimenta zu reichen, wann er auch schon den ihm inferirten Brautschatz durchgebracht hat.

Es leidet aber diese Regul in allen denen Fällen ihren Abfall, in welchen der Ehmann von Ernehrung seiner Frauen losgezehlet wird. Vid. §. 16.

§. 18.

Die Schwestere und Brüder, sie mögen Germani, Consanguinei oder Uterini seyn, müssen sich gleichfals, wann sie verarmt seyn, unter einander ernehren: Wann auch schon der Vater den Bruder enterbet, oder derselbe verbothen dem Bruder die Nothdurft zu reichen.


(1-98) Part. I. Lib. II. Tit. VI. VII.

Daher darf niemand seiner Eltern und Groß-Eltern Schwestere und Brüder, oder seine Stief-Eltern ernehren, wann er nicht aus Barmhertzigkeit, oder die Schande von der Familie abzukehren, solches thun will.

Wann ein Bruder geistlich ist, muß er den verarmten Bruder aus denen Früchten seines Beneficii ernehren.

Es hört aber diese Schuldigkeit in allen denen Fällen auf, welche den Vater von Alimentation der Kinder befreyen: Vid. supr. §. 11. und überdem, wann der Bruder oder die Schwester ein liederliches Leben führen.

Es erstrecket sich aber diese Schuldigkeit nicht weiter als auf die Person und deren höchstnöthige Kleidung und Mundkost.

§. 19.

Diese Schuldigkeit kann nicht auf weitere Verwandten, vielweniger aber auf einige verschwägerte Personen extendirt werden.

Am wenigsten aber können die geistliche Väter von ihren Pathen, noch der Lehns-Herr von dem Vasallo, nec vice versa, die Alimenta praetendiren. Eben so wenig als der Patronus von seinen Eingepfarrten, der Lehrmeister von seinem Schüler, der Donante von dem Donatario &c. solche fodern kann. Wiewohl der Donante, welcher in der äussersten Noth sich befindet, wegen des andern Undanckbarkeit, die Schenckung revociren kann.

Tit. VII.

Von der Untersuchung der verdächtigen Schwangerschaft, wann die Frau nach der Scheidung, oder nach des Mannes Tod, sich vor schwanger ausgiebt.

(De ventre inspiciendo, custodiendoque partu: Si mulier ventris nomine in possessionem calumniae causa esse dicatur &c.)

§. 1.

Es ist in dem vorhergehendem Titulo V. gemeldet worden, daß wegen Agnition der Kinder verschiedene Zweifel vorkommen können; es seyn aber hauptsächlich zwey Fälle wo die Geburt verdächtig seyn kann.

1.) Wann die Ehe zwischen zweyen Ehleuten geschieden wird, und die Frau vorgiebt schwanger zu seyn.

2.) Wann die Frau nach des Mannes Tod sich vor schwanger ausgiebt.

In beyden Fällen ist dem Mann sowohl, als dessen Erben und Agnaten, daran gelegen dieserwegen eine Gewißheit zu haben, damit denenselben kein Kind und Erbe unterschoben werde. Daher haben auch die Gesetze verschiedene Praecautiones an die Hand gegeben, und festgesetzet, deren sich der Mann oder dessen Erben und Agnaten gebrauchen können.

§. 2.

Wann also eine Frau, welche von ihren Mann geschieden wird, vorgiebt daß sie von ihm schwanger sey, So muß

1.) Sie, oder ihr Vater, oder ihr Vormund, binnen 30. Tagen nach der Scheidung,


(1-99) Part. I. Lib. II. Tit. VII.

dem geschiedenen Ehe-Mann, oder dessen Vater selbst, oder, wann beyde abwesend seyn, in deren Haus schriftlich, oder durch zwey glaubwürdige Leute, denunciiren daß sie schwanger sey, auch, daß solche Denunciation geschehen, bescheinigen.

Wann 2.) der Mann läugnet, oder zweifelt, daß die Frau schwanger sey, muß er derselben solches schriftlich oder durch zwey Zeugen binnen 30 andern Tagen renunciiren, zugleich aber

3.) Gerichtlich anhalten, daß drey Heb-Ammen ex officio benennet, und denenselben anbefohlen werden möge, die Schwangerschaft auf ihre geleistete Eyde und Pflicht, in Gegenwart einiger von beyden Theilen zu benennenden ehrbaren Frauen, zu untersuchen, (wann nur eine Heb-Amme in loco vorhanden, verstehet sich von selbsten, daß die andere beyde aus der Nachbarschafft hergefodert werden müßen:)

Wann 4.) die sämtliche Heb-Ammen, oder per majora behaupten, daß die Frau schwanger sey, die Frau auch mittelst Eydes erhärtet, daß sie glaube schwanger zu seyn; so ist der Vater schuldig das Kind interim zu agnosciren, und die Mutter zu alimentiren, (unter denen Alimenten werden aber auch die Kosten der Niederkunft begriffen.)

Es stehet ihm aber 5) frey der Frauen bis zu ihrer Niederkunft auf seine Kosten ein Paar Aufseherinnen zuzugeben, welche beständig bey ihr bleiben, Achtung auf sie geben, und insonderheit bey der Niederkunfft gegenwärtig seyn müssen.

Wann 6) die Frau niedergekommen, und der Mann erweisen will, daß das Kind nicht von ihm sey, weil er zum Exempel vor der Scheidung lange abwesend, oder kranck und zum Beyschlaff untüchtig gewesen; so bleibt ihm salvis alimentis solches vorbehalten.

Im Fall 7.) die sämtliche Heb-Ammen, oder per majora, davor halten, daß die Frau nicht schwanger sey; so kann zwar die Frau so schlechterdings die Alimenta nicht praetendiren: Weil aber die Zeichen der Schwangerschaft oft sehr betrieglich seyn; so müssen der Frauen, wann sie eydlich erhält daß sie glaube schwanger zu seyn, und fidejussorische Caution de restituendo bestellet, die Alimenta gereichet, und das Quantum, wann die Parteyen sich nicht in der Güte vereinigen können, gerichtlich determiniret werden.

Es stehet aber solchenfals dem Mann vorbeschriebener massen frey zu seiner Sicherheit Wächter und Aufseher, welche bis zur Niederkunft auf die Frau Achtung geben müssen, zu bestellen.

§. 3.

Wann die Frau binnen 30. Tagen ihre Schwangerschaft nicht denunciirt, oder die Besichtigung nicht zugeben, oder die Wächter nicht admittiren will, ist der Mann nicht schuldig das Kind zu agnosciren, und zu alimentiren.

Weil aber die Frau durch ihre Versäumniß dem Kinde nicht praejudiciren kann, so stehet derselben frey, auch nach denen 30. Tagen, dem Mann die Schwangerschaft zu notificiren; und zwar zu dem Ende, daß der Mann, ob er schon das Kind noch zur Zeit zu agnosciren und solches zu alimentiren nicht schuldig, dennoch zur Besichtigung einige Heb-Ammen, und nachhero Wächter bestellen könne: wann alsdann das Kind zu rechter Zeit gebohren wird, ist der Mann schuldig dasselbe retro, und von Zeit der Scheidung an, vor das Seinige zu agnosciren, und zu alimentiren.

Wann die Frau dem Mann gar nichts denunciirt; so kann dieselbe gleichfals den Mann nicht anhalten ihr und dem Kinde die Alimenta zu reichen, vielweniger dieses als daß Seinige zu erkennen.

Weil aber vorhin schon angeführt worden, daß die Mutter dem Kinde durch ihre Versäumniß zu praejudiciren nicht vermag, so kann das Kind jederzeit per Curatorem den Beweiß, daß die Mutter schwanger gewesen, und zu rechter Zeit nieder gekommen, antreten, und ist der geschiedene Ehmann (wann er reprobando das Gegentheil nicht erweiset,) das Kind zu agnosciren, und demselben retro die Alimenta zu erstatten schuldig.


(1-100) Part. I. Lib. II. Tit. VII.

§. 4.

Im Gegentheil, wann der Mann nach der ihm beschehenen Denunciation binnen andern 30. Tagen nicht schriftlich, oder durch zwey unverwerfliche Zeugen, renunciando die Schwangerschaft abläugnet, seine Zweifel nicht declarirt, oder nachdem er solches gethan, keine Heb-Ammen zur Untersuchung ausbittet, oder wann dieselbe die Schwangerschaft attestiren, keine Aufseher benennet; so muß er das Kind welches binnen 9. oder 10. Monath nach der Scheidung gebohren wird vor das Seinige agnosciren, und alimentiren, bis er erweiset, daß das Kind von ihm nicht gezeuget sey.

§. 5.

In dem andern Fall, wann eine Frau nach ihres Mannes Tod eine Schwangerschaft vorgiebt, ist sie gleichfals schuldig dessen nächsten Erben ihre Schwangerschafft binnen 30. Tagen von dem Absterben des Ehmannes zu rechnen, zu notificiren: Die Erben seyn

a) Gleichfals befugt 3. Heb-Ammen zu Untersuchung der Schwangerschaft auszubitten.

Wann b) die Heb-Ammen den Ausspruch vor der Schwangerschaft per majora thun, muß die Frau im Nahmen ihres Kindes in des Vaters Güter immittirt, und zu dem Ende ein Curator bestellet werden, welcher in Gegenwart derer Erben ein Inventarium des väterlichen Vermögens errichten, die Güter administriren, auch der Mutter die nöthigen Alimenta bis zur Niederkunft daraus reichen, aber nichts veräussern muß.

Es stehet aber c) denen Erben frey, einige Wächter weiblichen Geschlechts auf ihre Kosten zu bestellen, welche bis zu der Frauen Niederkunft bey ihr beständig bleiben, und der Geburt beywohnen müssen.

Wann d) die Niederkunft würcklich und zu rechter Zeit erfolget, stehet denen Erben, wann sie rechtmäßige Anzeigen darzu haben, frey weiter zu erweisen, daß das Kind dem Verstorbenen nicht zugehöre.

Solten aber e) die Heb-Ammen per majora der Meinung seyn, daß die Frau nicht schwanger sey; so kann sie keine Immission, wohl aber die nothdürftige Alimenta sub Cautione de restituendo (worzu die Juratoria nicht zureichend ist) fodern.

§. 6.

Die Niederkunft muß in beyden Fällen, wann Aufseher bestellet worden, an keinem verdächtigen Ort, wo etwa verschiedene Ausgänge seyn, geschehen: wann es Nacht ist, müssen wenigstens drey nahe am Bette angestochene Lichter in der Stube vorhanden seyn.

Es stehet auch jedem Theil frey noch ein Paar ehrbahre Frauens zu benennen, welche der Niederkunft beywohnen können.

§. 7.

Wann die Frau oder des verstorbenen Mannes Erben die vorgeschriebene Praecaution versäumen, muß es wie in dem vorhergehenden §. 3. & 4. verordnet worden, gehalten werden.

§. 8.

Es haben dergleichen Frauen um so vielmehr Ursache alle Praecautiones zu gebrauchen, wann des Mannes Vermögen important ist; weil alsdann die Unterschiebung eines Kindes nicht ohne Ursache befürchtet wird.

§. 9.

Wann die Mutter, im Nahmen ihres Kindes, in die Possession des väterlichen Vermögens gesetzet worden, stehet ihr, oder ihrem Vater, nicht frey, dieselbe einem andern zu cediren: allermassen dergleichen cessio ipso jure null und nichtig ist.

Wann also facta cessione hienechst die Erben gewinnen, können sie nicht allein


(1-101) Part. I. Lib. III. Tit. I.

à quocunque possessore die cedirte Stücke, nebst denen genossenen Früchten, vindiciren, sondern es seyn auch die Cedenten schuldig denen Erben allen Schaden und Interesse zu erstatten.

§. 10.

Wann die Frau überwiesen wird, daß sie partum supponirt habe, so verliert sie nicht allein ihren Brautschatz, und andre weibliche Rechte; sondern sie soll auch auf 6. Jahr ins Spinn-Haus gebracht, und derjenige so Rath und That darzu gegeben, mit 3. jähriger Vestungs-Arbeit belegt werden.

§. 11.

Es ist noch ein dritter Casus wo dergleichen Praecautiones nöthig seyn, wann nemlich eine geschiedene Frau, aus Haß gegen ihren Mann, läugnet daß sie schwanger sey: (welches alsdann sich zutragen kann, wann der Mann wider seinen Willen geschieden worden, und wegen seiner Lehn-Güther gerne einen Erben haben wolte): In diesem Fall kann der Mann durch 3. Heb-Ammen die Frau besichtigen lassen, und derselben etliche Wächter und Aufseher weiblichen Geschlechts auf seine Kosten zu geben.

Wann die Heb-Ammen per majora aussagen, daß die Frau nicht schwanger sey, der Mann aber eydlch (= eydlich) erhärtet, daß er glaube daß sie schwanger sey, kann er gleichwohl die Aufseher bestellen, bis daß offenbahr dargethan werden kann, daß keine Schwangerschaft vorhanden sey.

Part. I. Lib. III.

Tit. I.

Was in diesem dritten Buch des ersten Theils verhandelt wird.

§. 1.

Wir haben in dem ersten Buch des ersten Theils von dem Statu Hominum und denen daraus herrührenden Vorrechten und Juribus gehandelt, und daselbst gezeigt, daß derselbe dreyerley sey: Status libertatis, Civitatis, & Familiae.

§. 2.

Nachdem Wir bey dem Statu Familiae angemercket, daß derselbe durch eine rechtmäßige Ehe bestätiget werde, haben Wir in dem zweyten Buch von der Ehe und dahin gehörigen Materien gehandelt.

§. 3.

Weil nun sowohl aus dem Statu familiae, als Civitatis, nothwendig folget, daß die Glieder einer Familie und einer Stadt sich untereinander schützen müssen, und die Vormundschaften daher ihren natürlichen Ursprung haben, so soll die Materie von denen Vormundschafften in diesem dritten Buch verhandelt werden. Und zwar

§. 4.

In dem Tit. II. Von denen Vormundschaften insgemein.

§. 5.

In dem Tit. III. Von der Vormundschafft welche durch des Vatern letzten Willen aufgetragen wird.

§. 6.

In dem Tit. IV. Von der Vormundschafft derer nächsten Bluts-Freunde.


(1-102) Part. I. Lib. III. Tit. I.

§. 7.

In dem Tit. V. Von der Vormundschafft welche von der Obrigkeit jemanden aufgetragen wird.

Und wer um die Bestellung der Vormünder anhalten muß.

§. 8.

In dem Tit. VI. Von Antretung der Vormundschaft: und Verwaltung derer denen Unmündigen zustehenden Güther.

Wo vorläufig gemeldet wird was ein Vormund vor der Antretung zu besorgen habe, nehmlich a) die Obrigkeitliche Confirmation: b) Praestirung des Eydes, und c) Bestellung der Caution: d) Verfertigung des Inventarii.

Hiernechst wird verordnet (1) wie er für die Erziehung des Unmündigen sorgen müsse. Vid. Art. I.

(2) Was er bey Administration des Vermögens beobachten müsse. Vid. Art. II.

(3) Wie bey Ablegung und Abnahme der Vormundschafts-Rechnung zu verfahren. Vid. Art. III.

§. 9.

In dem Tit. VII. Wird von der Authoritaet und Gewalt, welche denen Vormündern bey denen Handlungen derer Unmündigen zustehet, gehandelt. Und

§. 10.

In dem Tit. VIII. Was der Unmündige aus der Handlung des Vormundes vor eine Action contra tertiumerlange: und Wie weit der Unmündige aus der Handlung des Vormundes von einem Tertio belanget werden kann.

§. 11.

In dem Tit. IX. wird gehandelt Vor denen Actionen welche dem Unmündigen gegen die Vormünder und vice versa denen Vormündern gegen die Unmündige zustehen, und zwar

In dem Art. I. von der Actione tutelae directa, welche dem Unmündigen gegen den Vormund, hauptsächlich zu Ablegung der Rechnung, zustehet.

In dem Art. II. wird die Actio tutelae contraria beschrieben, wordurch der Vormund den Unmündigen wegen Vorschuß und Schaden belangen kann.

In dem Art. III. werden vorgemeldte Actiones dem Unmündigen gegen den Protutuorem, (das ist, welcher nicht zum Vormund bestellet worden, aber die Vormundschafft bona fide administrirt) und diesem gegen den Unmündigen verstattet.

In dem Art. IV. wird von der Obligation eines Vormundes, welcher sich fälschlich und dolose vor einen Vormund ausgegeben, gehandelt.

In dem Art. V. wird von denen Erben derer Vormünder gehandelt, und wie weit dieselbe aus derer Vormünder Facto belanget werden können.

In dem Art. VI. wird von denen Bürgen welche die Vormünder bestellen, und von deren Obligation gehandelt.

In dem Art. VII. wird gezeigt, wie die Obrigkeit in subsidium belanget werden kann.


(1-103) Part. I. Lib. III. Tit. II.

§. 12.

In dem Titulo X. Werden die Casus vorgetragen, wann die Vormundschaft aufhöre und geendiget werde.

§. 13.

Worunter auch in dem Titulo XI. gehört Wann der Vormund rechtmäßige Ursachen hat sich zu entschuldigen.

§. 14.

Item in dem Titulo XII. Wann der Vormund als verdächtig angegeben und removirt wird.

§. 15.

Schließlich wird in dem Tit. XIII. gehandelt Von denen Curatoribus derer Minderjährigen, und andern Personen, welche sich selber nicht vorstehen können.

Tit. II.

Von denen Vormundschaften insgemein.

§. 1.

Unter denen Vorrechten, welche ex statu familiae & civitatis herrühren, ist auch die Vormundschaft mit begriffen: dann weil ein Vater schuldig ist vor seiner Kinder Conservation zu sorgen, so haben ihm die Gesetze frey gegeben, durch einen letzten Willen nach seinem Tod seinen unmündigen Kindern einen Vormund zu bestellen; welche Tutela testamentaria genannt wird.

§. 2.

Wann aber der Vater ohne dergleichen Disposition verstorben; so liegt denen nächsten Verwandten jure familiae ob, diejenige Glieder der Familie zu beschützen, die sich wegen ihres Alters selber nicht beschützen können welches tutela legitima genannt wird.

§. 3.

Und wann keine Verwandten verhanden; so muß die Obrigkeit vor die Unmündigen sorgen, weil eben dieserwegen die Menschen sich einer Republic unterworfen, daß alle und jede Glieder derselben, welche sich selber nicht vorstehen können, von der Obrigkeit durch Bestellung eines Vormundes beschützet werden sollen und müssen, und diese Vormundschaft wird tutela dativa genannt.

§. 4.

Die Vormundschaft ist also eine Macht und Gewalt diejenige zu beschützen, welche sich wegen ihres Alters selber zu schützen nicht vermögend sind.

§. 5.

Diese Vormundschaft wird entweder durch einen letzten Willen constituirt, oder denen nächsten Bluts-Freunden aufgetragen, oder von der Obrigkeit bestellet.

Wann die Vormundschaft nicht mit der würcklichen Administration verknüpft ist, so wird der Tutor honorarius genannt, von dessen Amt unten gehandelt werden soll.

§. 6.

Zu Vormünderen können regulariter bestellet werden alle Unterthanen die in unsern Ländern wohnen, und zwar einer oder dem Befinden nach mehrere: Sie können auch darzu gezwungen werden, weil es eine gemeine Last ist, deren sich alle Glieder der Republic unterwerfen müssen.


(1-104) Part. I. Lib. III. Tit. II.

§. 7.

Es seyn aber einige Personen welche (1) gar nicht zu Vormündern bestellet werden können: (2) einige welche nicht ohne unsere, oder obrigkeitliche Bewilligung: (3) einige welche nicht wider ihren Willen bestellet werden.

§. 8.

Es können zu Tutoribus gar nicht genommen werden:

1.) Diejenige, welche ihrer Vernunft beraubt, oder

2.) Stumm und Taub seyn.

3.) Frauens-Leute, ausser der Mutter und denen Groß-Müttern: von welchen unten gehandelt werden soll.

4.) Minderjährige, wann sie auch schon veniam aetatis erhalten, (es wäre denn daß dieselbe von dem Testatore ernennet würden, solchenfalls aber muß die Obrigkeit ad interim einen andern Vormund bestellen:)

Wann die Minores tutores legitimi seyn, und sich erklären die Vormundschaft anzunehmen, können sie zwar bestätiget werden; es muß aber unterdessen, und bis sie Majorenn werden, gleichfals ein andrer Vormund bestellet werden.

5.) Diejenige welche als Durchbringer ihrer Güter, praevia causae cognitione & decreto judicis, declarirt seyn, wenn es auch die leibliche Mutter wäre.

6.) Geistliche Ordens-Personen, welche nichts eigenes haben, können gleichfals keine Vormünder seyn.

7.) Es soll auch ein Armer, welcher sein Brod durch seiner Hände-Arbeit verdienen muß; wie auch ein einfältiger Mensch, oder ein Vagabundus darzu nicht gelassen werden.

8.) Ferner werden alle und jede von Vormundschaften abgehalten, so zu denen Personen die ihnen anbefohlen werden, oder derselben Eltern, grosse Feinschaft und Haß gehabt.

9.) Wie auch diejenige so mit dem Minderjährigen grosse Irrungen, Zwietracht, oder Rechtsfertigung etlcher (= etlicher) ansehnlicher Güther halber gehabt, noch haben, oder künftig bekommen: Wann aber ein Vater im Testament einen solchen zum Vormund ernennt, so muß zu denen Irrungen ein Curator besonders bestellet werden, welcher den Process führen muß.

10.) Diejenige, die dem Pupillo, auch nur ein wenigs, schuldig seyn, oder etwas von dem Pupillo zu fordern haben; Es wäre denn, daß der Vater dergleichen Vormünder, wissentlich daß die Schuld vorhanden, ernannt, und ausdrücklich darbey gesagt hätte, daß er dieses Umstandes unerachtet Vormund seyn soll.

Wann ausser diesem Fall ein Creditor die Tutelam dennoch übernimmt, und mit der Administration sich würcklich bemenget, verlieret er seine Action: und wann ein Debitor solche animmt, verlieret er seine Exception; und müssen beyde als Suspect removirt werden.

11.) Welche nicht zu denen dreyen in dem teutschen Reich recipirten Religionen gehören, mithin keine Socinianer, Quäcker, Herrenhuter (et)c. Wohl aber unter sich.

12.) Auch die Juden können keine Vormundschaft über Christen-Kinder annehmen, wohl aber unter sich: wie auch

13.) Die infame Persohnen, ausser ihres gleichen:

14.) Welche der Vater zu Vormündere zu nehmen verboten hat, wann es auch schon die nächste Verwandten sind.

15.) Wann sich jemand selbst in einem von ihm verfertigten Testament zum Vormund benennet hat.

§. 9.

Einige Vormünder können nicht ohne unsere Special Permission zu Vormunden ernannt noch confirmirt werden.

Als (1.) die Beamten so unsere Güther administriren und verwalten, ingleichen die Renthmeister, Steuer- und Accise-Einnehmer und andre so auf Rechnung sitzen, welches auch auf die Cämmerey-Bedienten bey denen Städten extendirt wird.


(1-105) Part. I. Lib. III. Tit. II.

Wann auch dergleichen Bediente mit unserer Special-Concession eine Vormundschaft übernommen, müssen dieselbe nicht confirmirt, noch ihnen die Administration übertragen werden, bis sie besondere Caution verschaft haben, damit die Unmündigen wegen unserer Cassen(-) praeferenz nichts zu besorgen haben.

(2.) Imgleichen können keine Räthe so in Collegiis sitzen und ihre würckliche Bedienung haben: Item keine Officirer und Soldaten, welche würcklich noch in Kriegs-Dienste stehen, ohne unserer Special-Bewilligung Vormundschaften übernehemen.

Die Magistrats-Personen welche mit denen Cämmereyen nichts zu thun haben, müssen zufoderst von denen Justitz-Collegiis die Permission suchen und erhalten.

(3) Es soll auch kein Stief-Vater seinen Stief-Kindern zum Vormund gegeben werden, wann nicht erhebliche Ursachen vorhanden: welche, und ob die Vormundschaft zu des Pupillen Besten gereiche, die ordentliche Obrigkeit wohl überlegen muß.

§. 10.

Dergleichen von uns immediate bestelter Vormund ist schuldig in Zeit von 4 Wochen, solches bey dem ordentlichen Gericht worunter der Pupill stehet, und, da die Erbschaft unter mehren Jurisdictionen gelegen, bey jedem anzuzeigen, und nach dieser Ordnung praestanda zu praestiren.

§. 11.

Wann jemand, der durch diese unsere Verordnung von der Vormundschaft entweder schlechterdings, oder ohne unsere Bewilligung zufoderst zu erhalten, excludirt ist, dem ohngeacht die Vormundschaft übernimmt, soll er pro falso tutore gehalten werden; und der Magistrat welcher denselben confirmirt in subsidium vor allen Schaden stehen.

§. 12.

Es sollen auch regulariter solche Vormünder bestellet werden, welche unter dem Gerichts-Zwang stehen worunter der Pupillus wohnet.

Wann aber ausser diesen Gerichts-Zwang, jedoch unter unserer Hoheit, wohnende Vormünder ex testamento vel lege admittirt, oder sonst aus erheblichen Ursachen darzu benannt werden, so müssen dieselbe in solchem Fall entweder zulängliche Caution bestellen, oder von ihrer Obrigkeit einen Schein, daß Sie genugsam angesessen, oder sonst sicher seyn, auch worinn die Sicherheit bestehe, beybringen.

Und muß die Obrigkeit die solchen Schein ertheilet, die Vormundschaft in ihr Vormundschafts-Buch und in dem Hypothequen-Buch des Orts, wo der anderweit bestellte Vormund wohnhaft ist, verzeichnen lassen, damit andern Creditoren kein Nachtheil daher erwachse:

Massen wenn solches durch Nachläßigkeit eines oder des andern Gerichts, Magistrats, oder Obrigkeit geschehen möchte, selbige davor stehen, und den Verlust aus eigenen Mitteln ersetzen sollen.

§. 13.

Wann der Pupillus an einem Ort wohnet, in einer andern unserer Provintzen aber Güter hat, darf diesen Gütern kein besonderer Vormund bestellet werden, es wäre denn daß die Güther von grosser Importantz wären, und weit von der Wohnung des Pupillen entfernet seyn; in welchem Fall Wir Uns vorbehalten, nach wohlerwogener Sache, in denen entlegenen Gütern einen besondern Vormund bestellen zu lassen.

Damit aber wegen solcher verschiedenen Jurisdictionen hiernechst keine Confusion entstehe, so lassen Wir es darbey, daß die Obrigkeit jeder Provintz den Vormund bestellet, confirmiren, und vor die Sicherheit des Pupilli sorgen müsse: Und daß dieser besondere Vormund auch seine Rechnung bloß bey dem Provincial-Pupillen-Collegio abzulegen schuldig sey: Es muß aber dieser Vormund die Rechnung demjenigen, welcher der Person zum Vormund bestellet ist, communiciren: dieser muß Notata dargegen


(1-106) Part. I. Lib. III. Tit. II.

verfertigen, und solche der Obrigkeit des Orts wo die Güther gelegen einsenden: Es stehet ihm auch frey jemand zu benennen welcher der Abnahme der Rechnung beywohnen, und die Nothdurft des Pupilli beobachten solle.

§. 14.

Wann einem Fremden und Auswärtigen ex Testamento vel lege die Vormundschaft aufgetragen wird, wollen Wir zwar denselben davon nicht ausschliessen: Er muß sich aber in dem Foro des Pupilli confirmiren lassen, auch in Unserm Land zulängliche Caution bestellen, und sothane Caution in das Hypothequen-Buch eintragen lassen.

§. 15.

Wann die in Unsern Ländern wohnende Unmündige ausser Unsern Ländern Güter haben, so muß zwar der demselben von Uns vorgesetzte Vormund auch diese Güter mit respiciren; Wann aber die Landes(-)Obrigkeit daselbst über die Güter einen besondern Vormund bestellet hat, muß er dahin sehen, daß vor die Caution und Sicherheit des Pupilli bey denen Gerichten des Orts gehörig gesorget, richtige Rechnung jährlich von demselben abgelegt, und die Revenuen zu Unterhaltung des Unmündigen eingeschickt werden.

§. 16.

Im Fall Unsere Unterthanen von auswärtigen Obrigkeiten zu Vormündern bestättiget werden, können Wir, wann Unsere Unterthanen die Vormundschaft (wann sonst dasjenige was wegen Unserer Bedienten und Magistrats-Personen in dem folgenden §. 8. n. 2. & 3. versehen ist, beobachtet wird) übernehmen wollen, solches geschehen lassen.

Es sollen aber in diesem Fall die in Unsern Landen belegene Güter des Vormunds deshalb zur tacita hypotheca (wann etwa bey denen auswärtigen Gerichten, dergleichen tacitae hypothecae ein personale Privilegium haben, und daher denen eingetragenen Hypothequen vorgehen solten) nicht haften, damit nicht andre Creditores, welche von dieser Vormundschaft, und daher nach denen auswärtigen Rechten etwa entstehenden Hypotheca privilegiata, in denen Consens- oder Hypothequen-Büchern nichts finden, aus Unwissenheit nicht in Gefahr kommen.

Daher müssen die Gerichte und Obrigkeiten ausser Landes auf andre Art vor ihrer Unmündigen Sicherheit sorgen, oder die Hypothec an dem Ort wo des Vormundes Güter in Unsern Landen liegen eintragen zu lassen.

Solte jemand von Unsern Unterthanen eine solche fremde Vormundschaft annehmen, und darbey nicht gebührende Treue erweisen; so soll er, wann er ohne Nachtheil andrer Creditoren Satisfaction zu geben nicht vermögend, auf beschehene Imploration als ein Banqueroutier geachtet und bestraft werden.

An welchen Orten Unsere Unterthanen zu Vormundschaften nicht wollen gelassen werden, gegen dieselbe seyn Wir gleiches Recht zu gebrauchen gemeint.

§. 17.

Einige Personen können Vormündere seyn wann sie wollen, sie können aber nicht darzu gezwungen werden: von welchen unten in dem Titul von denen Entschuldigungen derer Vormünder gehandelt werden soll.

§. 18.

Es wird ein Vormund hauptsächlich der Person derer Unmündigen, weil sie sich selber nicht vorstehen können, bestellet: Es erstreckt sich aber auch die Vormundschaft auf derer Unmündigen Vermögen, weil nicht gesagt werden könte, daß vor die Sicherheit derer Unmündigen gesorgt werde, wann nicht auch zugleich deren Vermögen in Sicherheit gesetzt wird.

§. 19.

Wer einmahl einen Vormund erhalten demselben kann kein andrer Vormund bestellet werden: Es wäre dann (1) daß das Vermögen important und in verschiedenen Provintzen belegen wäre: vid. §. 13. oder (2) der Vormund keine zulängliche Caution bestellen könte, und die Obrigkeit daher nöthig findet ihm einen Neben-Vormund zusetzen:


(1-107) Part. I. Lib. III. Tit. III.

oder wann (3) der Vormund die Vormundschafft nicht mit behöriger Sorgfalt verwaltet: oder (4) die Obrigkeit wegen besonderer Umstände nöthig findet einen Interims-Vormund zu bestellen. Vid. infr. Tit. V. §. als z. E. wann der Testator seinem Sohn einen Minorennen , oder seinen Creditorem , oder Debitorem zum Vormund bestellt, oder der Bluts-Freund, welcher die Vormundschafft übernehmen will, minorenn ist; Vid. §. 8. n. 4. oder wann der Vater sub conditione, oder ad certum diem, einen Vormund benennet; oder die in einem Grad stehende Verwandten super proximitate disputiren; oder der Vormund selber mit dem Unmündigen einen Handel treffen will.

§. 20.

Es seyn aber verschiedene Fälle, da einem Unmündigen ein Curator zugegeben wird: als (1) Wann der Vormund auf eine Zeitlang verhindert wird, dem Pupillo vorzustehen: (2) Wann der Mit-Vormund (Contutor) als verdächtig removirt wird: (3) Wann der Vater seinen Creditorem oder Debitorem dem Kind zum Vormund benennet, wird ratione dieser Schuld, wann solche eingeklagt wird, ein besonderer Curator bestellet.

§. 21.

Unmündige werden genannt Knaben die das vierzehnde Jahr, und Mädgens die das zwölfte Jahr noch nicht hinterlegt haben:

Tit. III.

Von der Vormundschafft welche durch des Vatern letzten Willen aufgetragen wird.

(De tutela Testamentaria.)

§. 1.

Es ist ein Vater nicht allein bey seinem Leben schuldig vor seine Kinder zu sorgen, sondern es haben ihm auch die Gesetze Gewalt und Macht gegeben seinen Kindern nach seinem Tod zu prospiciren, und ihnen durch seinen letzten Willen einen oder etliche Vormünder zu setzen. Und diese Macht und Gewalt stehet auch denen Vätern zu, welchen sonst einen zierlichen letzten Willen zu errichten in denen Gesetzen verboten ist.

§. 2.

Es wird aber zu einer solchen testamentarischen Vormundschaft erfodert, daß

1.) der Vater (und nach dessen Tod der Groß-Vater väterlichen Seite) den Vormund bestelle. Allermassen ausser dem Vater keinem (auch nicht der Mutter) erlaubt ist durch einen letzten Willen einen Vormund zu setzen; Es wäre denn, daß der Fremde die Kinder zu Erben einsetzte, oder ihnen sonst etwa hinterliesse, in welchem Fall ihm frey stehet, auch bey des Vatern Leben, zu dessen was denen Unmündigen hinterlassen worden Verwaltung einen besondern Vormund zu bestellen.

2.) Daß der Vater seinen unmündigen Kindern Vormünder setze, worunter auch diejenige, die nach seinem Tod gebohren werden, begriffen seyn: Im Fall aber die Posthumi todt zur Welt kommen, kann der Vormund nicht als Vormund, sondern wegen seiner unterdessen geführten Administration als Negotiorum Gestor angesehen werden.

Wann jemand seinen Kindern oder Söhnen einen Vormund setzet, werden auch die Enckel darunter verstanden.

3.) Daß die unmündige Kinder der väterlichen Gewalt unterworffen seyn:


(1-108) Part. I. Lib. III. Tit. III.

Daher der Vater auch denen von ihm enterbten Kindern dergleichen Vormünder setzen kann, keinesweges aber seinen emancipirten, und natürlichen Kindern, als bloß in so weit der Vater denenselben etwas hinterlassen hat.

4.) Daß die Vormünder durch des Vaters letzten Willen darzu ernannt werden: Es wird also kein zierliches Testament darzu erfordert, sondern es ist genug, wann er in einem blossen schriftlichem Aufsatz, oder auch mündlichen Erklärung, und nahmentlichen Anzeigung welche vor zwey untadelhaften Zeugen geschehen, solches declarirt hat. Vid. infr. §. 7.

§. 3.

Wann eines von diesen Requisitis fehlet, stehet keinem Gerichte frey die väterliche Disposition ratione der Vormundschaft zu confirmiren, und dadurch denen Anverwandten, oder Obrigkeiten ihr Recht zu benehmen.

§. 4.

Es kann aber ein Vater keinen Vormund setzen, welcher durch Unsere Verordnung der Vormundschaft unfähig geachtet worden. Vid. tit. praec. §. 8.

Daher der Vater z. E. keinen Unsinnigen zum Vormund bestellen kann, und wann der Vater dergleichen unsinnigen Menschen zum Vormund ernennet, ist die Benennung null und nichtig, wann er auch schon nachher wieder zu seinem guten Verstand gelanget.

Jedoch können durch eine väterliche Disposition zu Vormündern ernannt werden.

1.) Die Minderjährige. Es muß aber in solchem Fall deren Administration bis zu ihrer Grosjährigkeit (Majorennitaet) ausgesetzet, und unterdessen von der Obrigkeit ein andrer Vormund bestellet werden. Wie denn auch

2.) Diejenige, welche dem Unmündigen etwas vorgeliehen, oder demselben schuldig seyn, von dem Vater zu Vormünder bestellet werden können, wann ihm solches vorher bekannt gewesen, und der Vater solches in seinem letzten Willen ausdrücklich angeführt hat.

§. 5.

Es kann auch ein Vater durch seinen letzten Willen unter einer gewissen Bedingung oder auf einen gewissen Tag Vormünder bestellen.

§. 6.

Es darf dergleichen Vormund keine Caution praestiren; sondern es ist genug daß der Vater ihn vor tüchtig und genugsam sicher hält. Es wäre dann daß nachher sich einige Umstände hervor thäten, warum derselbe zur Caution angehalten werden könte.

§. 7.

Wann der Vater seinem unmündigen Sohn einen Vormund in seinem Testament setzet; oder ein Fremder, welcher einem Unmündigen etwas in seinem Testament vermacht, demselben einen Vormund benennt, so muß derselbe confirmirt werden, wann auch schon das Testament wegen ermanglenden Solennitaeten nicht bestehen kann, und gehen diese Vormünder denen Legitimis billig vor: Vid. supr. §. 2. n. 4. Wann es nur solche Personen seyn welche nicht ipso jure von der Vormundschaft excludirt werden. Vid. §. 4.

Wann es solche Personen seyn, welche ohne Unsere, oder der Obrigkeit, Consens die Vormundschaft nicht annehmen können, müssen dieselbe, ehe und bevor der Consens beygebracht worden, gleichfals nicht confirmirt werden.


(1-109) Part. I. Lib. III. Tit. IV.

Tit. IV.

Von Vormundschaften derer nähesten Bluts-Freunde.

(De tutela Legitima.)

§. 1.

Wann ein Vormund von dem Vater in seinem letzten Willen benennt worden, kann die Tutela legitima keinen Platz haben, wann auch schon a) der Vormund, oder einer derer bestelten Vormünder, nach angetretener Vormundschaft verstirbt, oder b) der Vormund die Vormundschaft anzunehmen sich wegert, oder c) wegen seiner Malversation removirt wird: Massen in diesen Fällen die Obrigkeit anderweitige Vormünder bestellen muß. Vid. Tit. seq. §. 1.

§. 2.

Wann aber der Vater a) keinen Vormund durch einen letzten Willen benennet, oder b) der benannte nicht Tutor seyn kann, oder c) vor dem Vater verstirbt, so seyn die nächste Bluts-Freunde schuldig derer Minderjährigen Vormundschaft zu übernehmen.

§. 3.

Solchergestalt liegt zufoderst dem Vater selbst, theils jure patriae potestatis, theils als nächstem Bluts-Freunde ob, die Administration über seiner Kinder Vermögen (wann ihnen dergleichen durch Erbschaften oder sonst anfält) zu übernehmen, wann ihm auch schon durch eine Disposition der Nutzbrauch dieses Vermögens benommen wäre.

§. 4.

Es braucht auch der Vater, wann er dergleichen Administration übernimmt, keine gerichtliche Confirmation: doch soll er, um mehrerer Richtigkeit willen, bey der Obrigkeit binnen 6 Wochen von der Zeit da denen Kindern z. E. eine Erbschaft angefallen, anzeigen daß er die Verwaltung angenommen, und zugleich eine eidliche Specification des seinen Kindern angefallenen Vermögens gerichtlich übergeben.

Würde er solches versäumen, soll er mit 10 bis 20 Rthlr. Strafe belegt, und dem Befinden nach ihm die Verwaltung der Güter sowohl, als der ihm gebührende Usus fructus entzogen werden: Und soll hierwider keine Restitutio in integrum, oder ein anderes Remedium ex ullo capite verstattet werden.

Es macht sich der Vater, wann er gleich zur andern Ehe schreitet, solcher Verwaltung dadurch nicht verlustig, sondern er soll dieser Veränderung ohngeachtet beständig darbey belassen werden, wann er nur vorher Richtigkeit mit seinen Kindern gemacht hat.

Wann der Vater vor getroffener Richtigkeit zur zweyten Ehe schreitet, so soll demselben die Administration und Nutzung des Vermögens so fort entzogen, auch derselbe über dem noch bestraft werden. Vid. supr. pag. 52. lit. 1.

Solte aber der Vater, er mag zur andern Ehe schreiten oder nicht, anfangen der Kinder-Guth zu verringern, oder zu verschwenden; oder denen Kindern keinen gebührlichen Unterhalt verschaffen, (worauf denen Verwandten, auch der Obrigkeit, acht zu haben, und dieser allenfals ein gewisses Quantum der Alimenten zu determiniren, gebühret) soll er sowol wegen künftiger richtiger Ausantwortung der Kinder Vermögens, als daß er sie an der Unterhaltung keinen Mangel leiden lassen wolle, zulängliche Caution bestellen; auch da er damit nicht aufkommen könte, oder die Gefahr der Delapidation, ungleichen die Uebelhaltung allzu groß und augenscheinlich wäre, die Verwaltung der Kinder Vermögens, auch wohl gar deren Auferziehung, ihm abgenommen, und denen nähesten Anverwandten, oder, nach Gelegenheit der Umstände, hiezu


(1-110) Part. I. Lib. III. Tit. IV.

tüchtig befundenen Fremden, von der Obrigkeit überwiesen werden. Und sollen gegen dergleichen praevia causae cognitione per sententiam gemachte obrigkeitliche Anstalt keine Remedia als quoad effectum devolutivum verstattet, sondern sofort mit der Execution verfahren werden.

§. 5.

Wann die Kinder bey begebender Heyraht (= Heyrath), oder sonst durch Anstellung ihres häuslichen Wesens, sich vom Vater mit dessen Einwilligung absondern, so soll der Vater ihnen besage (!) obbemeldter Specification ihr Eigenthum, wie auch den gelösten Wehrt (!) der etwa verkauften Stücke, nebst richtiger Rechnung ausliefern.

§. 6.

Damit aber die Kinder hierunter destomehr Sicherheit haben mögen, so soll alles und jedes des Vaters Vermögen, von der Zeit an da sich seine Verwaltung angefangen, zum Unterpfand haften.

§. 7.

Es kann auch der Vater das Eigenthum seiner Kinder nicht veräussern, ohne alle diejenige Solennitaeten, welche bey Veräusserung derer Unmündigen Güther erfodert werden, zu adhibiren. Vid. infr. tit. § (= 7).

Wann aber die Kinder des Vaters Erben worden, müssen sie dessen Factum praestiren.

§. 8.

Wann der Vater verstorben und keinen Vormund benannt hat, so mag die leibliche Mutter, wann sie will, sich der Vormundschaft ihrer Kinder annehmen.

§. 9.

Wann Sie die Vormundschaft übernimmt, wird erfodert (a) daß Sie selbst majorennis sey, und das 25te Jahr hinter sich gelegt habe: da sie aber dieses Alter nicht hätte, soll die Obrigkeit einen Interims-Vormund bis zu deren erfolgtem Alter, bestellen: (b) daß solches frey und ungenöthiget aus mütterlicher Liebe und Willfahrigkeit geschehe: (c) daß sie entweder genugsam angesessen, oder in Ermanglung dessen tauglichen Vorstand der Verwaltung halber leiste: (d) oder doch sonst ihrer Treue und Häuslichkeit halber in gutem Ruhm sey: daß sie (e) ein Inventarium über die Verlassenschaft, und was weiter denen Kindern noch zufallen möchte, oder wenigstens eine genaue Specification, wie sie solche erfoderten fals eydlich bestärcken könte, verfertigen lasse: (f) daß Sie der zweyten Ehe renunciire, und verspreche, so ferne sie ja in ein anderweitiges Ehgelöbniß eintreten würde, daß sie die Vormundschaft also fort wieder aufgeben wolle: (g) daß Sie so viel die Vormundschaft betrift aller weiblichen Vorzugs-Gerechtigkeiten, und in specie der Wohlthat des Senatus consulti Vellejani, sich begebe: (welche beyde Puncten derselben jedesmahl deutlich und genugsam erklärt werden müssen:) (h) daß sie weiter verspreche, nicht allein daß ihren unmündigen Kindern anererbte Eigenthum selbst, sondern auch die davon fallende Nutzung, treulich zu verwalten.

Es muß die Mutter zugleich erinnert werden 1) daß Sie, wann Sie das Werck vor sich zu schwer findet, einen oder mehrere Mitvormünder von der Freundschaft, oder in deren Ermangelung andere tüchtige Personen, sich zuordnen lassen müsse, mit derer Rath sie die Administration führen kann:

2) Daß sie, wann sie zur andern Ehe schreiten wolte vorher Richtigkeit mit ihren Kindern treffen müsse, und daß, wann sie solches unterlässet, nicht allein ihr eigenes Vermögen, sondern auch des Mannes gantzes Vermögen denen Pupillen in solidum haffte; weil dieser nicht eher als bis die Richtigkeit mit denen Kindern erster Ehe getroffen, die Heyrath vollziehen muß.

§. 10.

Falls die Mutter die Vormundschafft nicht übernehmen will, oder nicht mehr am Leben ist, mag der Groß-Vater, und nach ihm die Groß-Mutter sowol von dem Vater als von der Mutter, (wann sie sich, wie in dem vorhergehendem von der


(1-111) Part. I. Lib. III. Tit. IV.

Mutter verordnet ist, habilitirt,) zu ihrer Enckel Vormundschafft gelangen: und müssen, wann beyde Groß-Mütter vorhanden, in solchem Fall beyde admittirt werden.

§. 11.

Wann eine Frau die Vormundschaft ihrer Kinder oder Enckel, wegen Antretung andrer Ehe, einmahl verlohren, so soll sie zu der Tutel in ihrem anderweitigen Wittwen-Stand nicht weiter verstattet werden, wann sie schon mit dem andern Mann keine Kinder gezeugt hätte; sondern es muß derjenige, der neben ihr vorhin bestellet worden darbey gelassen, oder, wann es nöthig, ein andrer bestellet werden.

§. 12.

Hiernechst soll sich der Mutter und Gros-Mutter, wie auch des Gros-Vaters mütterlichen Seits, Vormundschafts(-) Verwaltung weiter nicht als auf die Person und das Allodium oder Erbe, mit nichten aber auf die adliche Güther erstrecken, so ex pacto & providentia majorum herrühren, und woran andern ein jus succedendi zustehet; sondern es muß in solchen Fällen die Administration dem nächsten Agnaten aufgetragen werden.

Wann aber keine Agnaten vorhanden, oder der nächste Agnatus weit und über 30 Meile entfernet wäre, oder sonst die Mutter oder Gros-Mutter aus andern bewegenden Ursachen (welche lediglich dem arbitrio judicis überlassen werden) zur Verwaltung sothaner Güther zuzulassen wäre, oder sie selbst sich erklährte einen oder zwey von denen nächsten Agnatis zu admittiren, so wäre sie von der Vormundschaft so viel die Administration dieser Güther betrift, nicht auszuschliessen.

§. 13.

Wann die Mutter oder Groß-Mutter anfangen der Kinder Guth zu verringern, oder zu verschwenden, oder denen Kindern keinen gebührlichen Unterhalt verschaffen, so soll es damit wie oben §. 4. bey dem Vater verordnet, auch mit der Mutter und Gros-Mutter gehalten werden.

§. 14.

So ferne keine Mutter oder Groß-Mutter vorhanden, oder keine die Vormundschaft übernehmen wolte, ist derjenige so der nächste zu dem Erbe des Unmündigen, wann er sonst denen Rechten nach darzu zuläßig ist, und keine zureichende Entschuldigung vorbringt, die Vormundschaft bey Verlust seines Successions-Rechts auf sich zu nehmen schuldig.

§. 15.

Weil die Agnaten vor denen Cognaten ratione Successionis in denen ehmaligen Lehn und Fideicommiss-Güthern ein näheres Recht haben, so werden jene diesen praeferirt, und seyn sie solche Vormundschaft bey gleicher Strafe zu übernehmen schuldig.

§. 16.

Da es sich aber zutragen solte daß mehr Seiten-Verwandte oder Bluts-Freunde in gleichem Grad vorhanden, sollen sie, wann zwey gleich nahe wären, beyde zur Vormundschaft gelassen werden: Wann aber mehr vorhanden, so sollen zwey von der Obrigkeit ausgemacht, und denenselben die Administration überlassen, die übrige aber als tutores honorarii angesehen werden.

§. 17.

Wann einige von diesen Agnatis ausser Unsern Landen wohnen, sollen die gegenwärtige, wann sie praestanda praestiren können, vorgezogen werden.

§. 18.

Bey diesen Vormündern hat das Jus repraesentationis statt, und concurriren daher mit des Verstorbenen Brüdern auch der Brüder Kinder.


(1-112) Part. I. Lib. III. Tit. V.

Tit. V.

Von der Vormundschaft welche von der Obrigkeit aufgetragen wird, und

Wer um die Bestellung der Vormünder anhalten muß.

(De tutoribus datis ab his qui jus dandi habent &c.)

(Qui petant tutores & ubi petantur.)

§. 1.

Wann es sich begiebt, daß jemand ohne testamentarische Verordnung abstirbt, und keine Bluts-Freunde, welche zu Ubernehmung der Vormundschaft tüchtig, vorhanden seyn, so ist die Obrigkeit schuldig davor zu sorgen daß die Unmündige mit tüchtigen Vormündern versorget werden. Vid. pag. 103. §. 3.

§. 2.

Es seyn aber einige Fälle, wo der Obrigkeit oblieget die Vormünder zu bestellen, wann auch schon testamentarische Vormünder durch des Vaters letzten Willen ernennet worden: wann nehmlich a) dieselbe oder einer derselben verstorben, oder b) sich entschuldiget, oder c) Minderjährig ist, oder d) wegen Malversation removirt, oder e) von dem Vater sub conditione vel ad certum diem bestellet worden;

In diesen Fällen soll die Obrigkeit entweder ad interim, oder, wann die väterliche Disposition in totum wegfällt, einen beständigen Vormund bestellen; allermassen die Tutela legitima, wann auch schon Bluts-Freunde vorhanden, keine Statt findet, weil der Vater dadurch, daß er mit Vorbeygehung der Agnaten andre Vormünder bestellet, declarirt, daß er zu denenselben kein Vertrauen habe.

§. 3.

Gleiche Bewandniß hat es, wann auch Bluts-Freunde, welchen sonst die Vormundschaft gebühret, vorhanden seyn, der nächste aber

(a) Noch selbst minderjährig, oder

(b) Durch rechtmäßige Entschuldigung sich davon entledigt hat, oder auch

(c) Als verdächtig davon entsetzet worden, oder

(d) Nachdem er die Administration angetreten mit Tod abgegangen, oder

(e) Die in einem Grad stehende viele Verwandten super proximitate disputiren, oder

(f) Die Mutter ad secunda vota schreitet;

In allen diesen Fällen muß die Obrigkeit gleichfals zutreten, und entweder ad interim, oder wann der Legitimus Tutor nach übernommener Tutel gantz untüchtig gemacht wird, einen beständigen Vormund bestellen.

Jedoch, daß in diesen Fällen die nachfolgende Bluts-Freunde, woferne sie Alters halber und sonst tüchtig, auch die Vormundschafts-Verwaltung praetendiren, nicht übergangen werden: Es wäre dann, daß die Obrigkeit erhebliche Umstände finde mit Ubergehung der Anverwandten fremde Vormünder zu bestellen; weil sie bey Bevormündung mehr auf der Unmündigen Nutzen, als die Ordnung des Geblüts sehen muß.

§. 4.

Es kann aber eine jede Obrigkeit des Orts, welche die Nieder-Gerichte hat, oder verwaltet, und worunter des Pupillen Eltern beständig gewohnet; oder woferne dieselbe sich an keinem Ort mit wesentlicher Wohnung niedergelassen hätten, die Obrigkeit darunter Pupillus zur Zeit des Sterbe-Falls sich befindet, einen oder mehr Vormündere bestellen, welche sodann des Pupillen Güter zu verwalten haben.


(1-113) Part. I. Lib. III. Tit. V.

1.) Wann die Eltern an zweyen Orten ein Domicilium, oder wesentliche Wohnung haben, so hat die Praeventio statt, und soll derjenige Tutor seyn, welchem zuerst das Tutorium in forma ist expedirt worden.

2.) Wann ein Unmündiger in einer andern Stadt oder Provintz Unserer Lande einen grossen Theil seines Vermögens hat, so ist die Obrigkeit des Orts befugt, wann sie es wegen Entfernung des Vormundes, oder sonst aus erheblichen Ursachen dem Unmündigen vorträglich zu seyn erachtet, einen Neben-Vormund zu bestellen.

3.) Daferne aber der Unmündige ausser unsern Landen, in einem fremden Territorio, unbewegliche Güter besitzet, müssen die Vormünder davor sorgen, daß, wann die Obrigkeit daselbst sie nicht agnosciren will, demselben wegen dieser Güter ein besonderer Vormund von dem Magistrat des Orts bestellet werde.

§. 4.

So auch Unmündige von ihren Eltern ohne Verwandten und ohne Vermögen hinterlassen werden, soll ihnen doch von Obrigkeits wegen zeitig, und wenigstens in 4 Wochen Bevormundung wiederfahren; und solchen gantz armen Kindern ex officio ein Vormund, der auf ihre Erzieh- und Unterbringung Aufsicht haben möge, gesetzet werden: Es ist aber dieser Vormund denen Unmündigen von seinem Vermögen den Unterhalt zu schaffen nicht schuldig, sondern es muß die Obrigkeit, so den Vormund zu bestellen hat, für den Unterhalt behörige Sorge tragen.

§. 5.

Es sollen von der Obrigkeit keine Vormünder bestellet werden welche inhabil seyn, oder sich durch verbotene Wege eindringen und einschleichen, oder welche von denen verstorbenen Eltern verworfen worden.

§. 6.

Weil die Obrigkeit nicht allezeit erfähret wann dergleichen Pupillen vorhanden seyn, so ist nöthig zu wissen wer um Bestellung eines Vormundes anzuhalten schuldig sey.

§. 7.

Es ist aber zufoderst die Mutter, oder, wann die nicht mehr vorhanden, der Groß-Vater väterlichen Seiten, und nach diesem die Groß-Mutter väterlichen Seiten, oder wann auch diese verstorben, der Groß-Vater und nach ihm die Groß-Mutter mütterlichen Seiten, verbunden daß sie entweder, wie schon oben §.    versehen, ihres unmündigen Kindes Vormundschaft über sich nehme, und sich deswegen bey der Obrigkeit bey Verlust der zustehenden Legitimae Tutelae, angebe; oder aber, wann sie rechtmäßige Ursachen sich zu entschuldigen hat, ein, zwey oder mehr tüchtige Vormünder binnen 6 Wochen vorschlage, und bitte daß einer davon zum Vormunde bestätiget werden möge.

§. 8.

Es ist auch nicht genug, wann sie bey der Obrigkeit ein und andermahl dieserwegen Ansuchung gethan; sondern, woferne derjenige Vormund welchen sie vorgeschlagen sich entschuldiget, oder von der Obrigkeit als untüchtig verworfen wird, so müssen sie um Anordnung eines andern sofort wieder anhalten.

§. 9.

Wann die Mutter oder Groß-Mutter binnen drey Monat nach des Vaters Tode unterliessen einen Vormund vorzuschlagen, und der Sohn oder Enckel nach dieser Zeit in seinen unmündigen Jahren verstürbe, sollen dieselbe derhalben der ganzen Erbschaft verlustig seyn, und solche des Pupillen nächsten Freunden zufallen: Gestalt die Unwissenheit des Rechts, oder ihre Einfalt sie nicht entschuldiget. Wäre aber die Mutter noch minderjährig möchte sie in Ansehung ihres Alters der Erbschaft nicht verlustig gehalten, doch, wann sichs finden solte daß es boshafter weise unterlassen, nach Befinden gestrafet werden.

§. 10.

Denen übrigen Anverwandten und Schwägern lieget gleichfals ob, wann keine Mutter oder Gros-Eltern vorhanden, und sie selbst die Vormundschaft abzulehnen rechtmäßige Ursache haben, daß sie bey zeiten Vormünder vor ihre Waysen und Befreundte suchen und vorschlagen müssen.


(1-114) Part. I. Lib. III. Tit. V.

Und zwar so viel die Bluts-Freunde anbelanget, sind diejenige, welche die nächste in gradu und zugegen seynd, schuldig, bey Vermeidung willkührlicher Bestrafung, binnen 4 Wochen, und wann es sodann nicht geschehen, binnen anderer 6 wöchentlichen Frist, (von der Zeit an, da entweder mit dem Absterben des Vaters oder der Mutter die Kinder der Eltern los werden,) bey der Obrigkeit um die Verordnung der Vormünder anzuhalten, bey Verlust des halben Erb-Rechts an des minderjährigen Verlassenschaft, wann dieser in seinen unmündigen Jahren versterben solte; welche Helfte alsdann auf die andre nächste Freunde verfallen soll;

Wenn nun solchergestalt die nächste Freunde solches verabsäumet haben; so müssen die in gradu folgende bey gleicher Strafe, oder Verlust ihres halben Erb-Rechts, binnen anderweitige 4 oder längstens 6 Wochen es suchen, und so weiter.

§. 11.

Es kann auch ein jeder Mitbürger derselben Stadt um Bestellung eines Vormundes Ansuchung thun, insonderheit wann er ein Interesse bey der Sachen hat: Solcher gestalt kann ein Creditor der mit dem Unmündigen im Process stehet, und andre, welche mit dem Pupillo etwas auszumachen und zu reguliren haben, darum anhalten.

§. 12.

Schließlich kann auch der unmündige selbst Vormünder ausbitten, und sich dieserwegen bey der Obrigkeit melden.

§. 13.

Wann niemand um Bestellung dergleichen Vormünder anhält, muß die Obrigkeit vor sich und Amts wegen daran seyn, daß die Unmündigen fordersamst mit Vormünderen versehen werden: Es kann aber die Obrigkeit keinen Vormund unter einem gewissen Beding, oder auf einem gewissen Tag setzen.

§. 14.

Weil denen Unmündigen alles daran gelegen daß für die Sicherheit der Verlassenschaft gesorget werde, so müssen diejenige welche Vormünder seyn wollen, oder solche vorzuschlagen schuldig seyn äussersten Fleisses besorget seyn, damit von denen in die Erbschaft gehörigen beweglichen Stücken nichts veruntreuet werden, auch um schleunige Versiegelung dererjenigen Sachen, welche verschlossen und verwahret werden können, bey denen Obrigkeiten und Gerichts-Herren anhalten, welches auch ohnweigerlich zu Wercke gestellet werden soll.

Gestalten auch bey Unseren Bedienten, die nicht unter der Jurisdiction jedes Orts Obrigkeiten stehen, wie auch bey denen von der Ritterschaft auf dem Lande, wann sie auch gleich nicht auf ihren Gütern wohnen, oder versterben, durch einen Notarium die Versiegelung verrichten zu lassen gedachten Obrigkeiten frey bleiben soll.

§. 15.

Und damit desfals denen Unmündigen desto mehr prospiciret werde, so müssen 1.) des verstorbenen Haus-Genossen, (wann die hinterlassene Mutter und andere Anverwandte bey Absterben des Erblassers, so Unmündige hinter sich verläst, nicht gegenwärtig,) sofort solches bey denen Gerichten, worunter die Verstorbenen gehörig, anzeigen, welche dann die Versiegelung durch eine Gerichts-Person oder Notarium sogleich zu veranstalten, und die im Sterbe-Hause gewesene Personen, sonderlich wann nicht alle behörige Praecaution genommen worden, ernstlich zu vermahnen haben nichts so zur Erbschaft gehöret zu verschweigen, oder, da hiernächst sich finden würde daß etwas verheelet sey, ernster Bestrafung zu gewärtigen.

2.) Und muß im übrigen solche Versiegelung, sie werde gesuchet oder ex officio veranlasset, um ein geringes geschehen, auch durch einiges Einwenden nicht hintertrieben, und wann solche verrichtet, zu rechter Zeit mit der Inventur gebührend verfahren werden.


(1-115) Part. I. Lib. III. Tit. V.

3.) Wann aber ein Vater oder Mutter, item ein Gros-Vater oder Gros-Mutter vorhanden, und selbige sich zu einer Specification, und auf hiernächst bedürfenden Fall, zu deren eidlichen Bestärckung gerichtlich erbieten, kann solche Versiegelung sowohl, als die Inventur unterlassen, und was vorgegangen, nebst den Ursachen warum Obsignatio nicht geschehen oder inventiret worden, protocolliret werden.

§. 16.

Wann jemand etwas zu Bestellung eines Vormundes verwandt hat, kann er solches actione negotiorum gestorum wieder fodern; Es wäre dann, daß jemand sich offerirt hätte solches umsonst zu besorgen.

§. 17.

Da Wir auch bekannter massen ratione derer Eximirten ein Pupillen-Collegium angeordnet haben, so haben Wir demselben ausdrücklich mitgegeben, daß es nicht darauf warten müsse, bis sich die Vormünder melden, oder bis diejenige, welche Vormünder zu bitten schuldig seyn, dieselbe vorschlagen, sondern so bald ihnen kund gemacht wird, daß jemand mit Hinterlassung ohnmündiger Kinder verstorben, oder daß blödsinnige und verrückte Personen vorhanden seyn, welche sich selber nicht vorstehen können, muß das Pupillen-Collegium ex officio vor die Obsignation und Bestätigung oder Bestellung der Vormünder sorgen.

§. 18.

Damit aber das Pupillen-Collegium zeitige Nachricht hiervon erhalten möge, so befehlen Wir (1) allen welche entweder durch die väterliche Disposition, oder als Verwandten, die Vormundschaft übernehmen sollen, binnen 4 Wochen von erhaltener Nachricht des Todes der eximirten Person bey 20. Rthlr. Strafe dem Pupillen-Collegio anzuzeigen, daß derselbe mit Hinterlassung unmündiger Kinder verstorben sey.

2. Alle diejenige welche schuldig seyn Vormünder zu bitten und vorzuschlagen, müssen in gleicher Zeit, und bey gleicher Straffe, das Absterben des Eximirten dem Collegio melden.

3.) Die Notarii und Secretarii, welche zur Obsignation einer solchen eximirten Verlassenschaft, oder zu Aufnehmung des Inventarii gebraucht werden, seyn gleichfals verbunden dem Collegio Nachricht zu ertheilen, daß der Verstorbene mündige (= unmündige)Kinder hinterlassen habe.

4. Wann Eximirte unter einer andern Jurisdiction versterben, und die Obrigkeit des Orts erfährt daß derselbe unmündige Kinder hinterlassen, muß er solches gleichfals anzeigen: Wie dann auch

5.) Die Fiscaele jedes Orts sich darnach erkundigen, und, wann sie dergleichen Fälle in Erfahrung bringen, davon berichten sollen.

Hauptsächlich aber und (6) müssen die Prediger in denen Städten und auf denen adlichen Dörfern, wann dergleichen eximirte Personen mit Hinterlassung unmündiger Kinder versterben, höchstens 4 Wochen nach dem Begräbnis bey 5 Rthlr. Straffe dem Pupillen-Collegio solches notificiren, und insonderheit, wie viel Kinder vorhanden, wer die nächste Anverwandten seyn, und wo sie wohnen, anzeigen.

Damit aber 7.) niemand, insonderheit aber die Prediger, Magistraete, und Fiscaele sich mit der Unwissenheit dieser Verordnung entschuldigen können; so muß das Pupillen-Collegium alle viertel Jahr durch den Intelligentz-Zettul folgende Nachricht bekandt machen lassen:

Daß zur Sicherheit derer Unmündigen, und anderer die sich selber nicht vorstehen können, kund gemacht würde, daß die Tutores testamentarii und Legitimi, nicht weniger diejenige welche Vormünder vor dergleichen Unmündige zu bitten schuldig, binnen 4 Wochen nach erhaltener Nachricht von der deferirten Tutel oder von des Eximirten Tod; Item die Notarii und Secretarii, welche die Obsignation in dergleichen Fällen verrichten, oder


(1-116) Part. I. Lib. III. Tit. V.

Inventaria conscribiren binnen 8 Tagen, nach beschehener Requisition, hauptsächlich aber die Prediger jedes Orts binnen 14 Tagen nach der Begräbniß, und zwar alle bey Vermeidung der gesetzten Straffe, von dem Absterben einer eximirten Person dem Pupillen-Collegio Nachricht geben, und zugleich, wie viel unmündige Kinder dieselbe hinterlassen, und wer die nächste Anverwandten seyn, auch wo sie wohnen, anzeigen sollen.

§. 19.

Wann nun das Pupillen-Collegium auf eine oder andere Art erfährt, daß ein Sterb-Fall geschehen wobey eine Vormundschaft nöthig sey, so soll der Tag des Absterbens sofort in ein besonderes Buch verzeichnet, und im Fall der Obsignation halber nicht Ansuchung geschehen, sofort Nachfrage gehalten, und allenfals ex officio hierinn die Nothdurft verfüget werden.

Wann nicht zu besorgen, daß der Aufschub gefährlich, noch eine Interims-Verfügung nöthig sey, muß die Zeit, so zu Suchung der Vormundschaft hierinn verstattet ist, abgewartet werden.

Wenn die Constitutio des Vormundes entweder auf beschehenes Ansuchen, oder, im Fall der Säumniß, ex officio geschehen, muß solches ebenfals in vorbesagtes Buch eingetragen, und der Vormund, wenn er säumig, seiner Schuldigkeit ernstlich erinnert, und nach Befinden Ahndung wider ihn vorgenommen werden.

Was dieserhalb gesucht und verordnet wird, oder nach und nach solcher Vormundschafft halber vorkommt, vornemlich, ob und wie die Rechnung abgeleget, und was in residuo geblieben, auch wo die Baarschaft untergebracht, oder in Verwahrung kommen sey (et)c. Solches ist gleichfals in vorerwehntes Buch zu notiren, damit man alles in der Kürtze zusammen sehen, und bedürfenden Falls zu denen besonders zu heftenden Vormundschafts-Actis recurriren könne.

Solte auch in dem Fall, da unmündige Erben verhanden, sich ein Testament oder letzter Wille finden; so muß solches von dem Vormunde gleichfalls gemeldet, und in das Buch verzeichnet werden.

Welches Buch dann auch ferner so einzurichten ist, daß man nicht allein daraus kürtzlich sehen könne, wie dasjenige, so in dieser Ordnung vorgeschrieben, observiret sey, sondern man auch finden möge, was ein jeder für Vormundschaften über sich habe? ob er Administration führe? oder nur honorarius sey? ob er von der Unmündigen Gelder und Vermögen viel in Händen habe oder nicht?

Daferne aber der Pupillus in andern Jurisdictionen belegene Güter hat, da die Rechnung besonders abgeleget werden muß. So ist genug, daß notiret werde, bey welchem Gerichte hievon Nachricht zu finden sey.

Schließlich sollen einem jeden, so den Vormund zum Debitore oder Caventen hat, oder dazu bekommen soll, auf solche Weise, (wie aus den Hypothequen-Büchern geschiehet) mit Bemerckung derer vorgemeldten Haupt-Umstände, auf Begehren Attestata ertheilet werden, damit sich ein jeder darnach richten, und zu seiner Versicherung benöthigte Mesures nehmen; die Vormündere durch Haltung guter Richtigkeit ihren Credit desto fester stellen; Unsere fiscalische Bediente aber, (die sich genau hierin zu informiren haben,) ob der Ordnung gemäß verfahren sey sehen, und widrigenfals, wie ihnen hiermit ausdrücklich anbefohlen wird, ihr Amt thun können.


(1-117) Part. I. Lib. III. Tit. VI.

Tit. VI.

Von Antretung der Vormundschaft, Erziehung der unmündigen Kinder, und Verwaltung derer Pupillen-Güther.

(De Administratione Tutorum, & ubi Pupillus morari vel educari debeat &c.)

§. 1.

Ehe und bevor ein Vormund die Vormundschaft antreten, und die Güter administriren kann, ist er schuldig Erstlich obrigkeitliche Confirmation zu suchen, wann auch schon der Vormund von dem Vater, oder einem anderen im Testament verordnet worden.

§. 2.

Diese Confirmation oder Bestätigung muß bey der Obrigkeit, worunter er ohnmittelbar gehört, gesucht werden: Wie dann zu solchem Ende ein jeder der durch einen letzten Willen zum Vormund benennet ist binnen 4 Wochen von Zeit des publicirten und ihm notificirten Testaments; derjenige aber dessen nächster Anverwandter gestorben binnen 4 Wochen von der Zeit an da er den Tod erfahren, bey der Obrigkeit einkommen, und um die Confirmation gehörige Ansuchung thun muß.

§. 3.

Welches auch die Mutter und Groß-Mutter observiren, und sich in der gesetzten Zeit zur Uebernehmung der Vormundschaft, und Praestirung dessen, was ihnen dieser Ordnung nach obliegt, gerichtlich erklären, und zu ihrer Legitimation ein Attest nehmen müssen.

§. 4.

Wir behalten Uns aber vor in gewissen Fällen, da wir es nötig finden, sonderlich wann die zubestellende Vormünder ohne Unser Erlaubniß Vormundschaften zu übernehmen nicht befugt seyn, die Confirmation immediate zu ertheilen, und die Tutoria ausfertigen zu lassen.

Es soll aber ein dergleichen von Uns bestellte Vormund in Zeit von 4 Wochen solches bey dem Competenten-Gerichte, und, da die Erbschaft unter mehrer Jurisdictionen gelegen, bey jedem anzeigen; auch jährliche Rechnung vor denenselben ablegen: Wann er sich dessen wegern solte, müssen die Gerichte immediate an Uns berichten, und Unsere nähere Resolution erwarten.

§. 5.

Solte aber ein Vormund vor der Bestätigung (ausser denen Fällen wo die Sache keinen Aufschub leidet, und welche er hiernechst bey der Obrigkeit anzuzeigen hat) der Administration sich anmassen, soll der Actus nicht allein null und nichtig seyn, sondern er muß auch Unserm Fisco in 10. Rthlr. Strafe verfallen; und, wann es dolose geschicht, mit härterer Strafe belegt werden.

Daher kann auch kein Vormund vor der Confirmation etwas gerichtlich handeln, noch etwas von ihm bey denen Gerichten angenommen werden, sondern er muß sich zufoderst durch die Production des Tutorii legitimiren. Es wäre dann daß er von demselben Richter confirmirt worden, welchenfals es keiner Production des Tutorii gebrauchet.

§. 6.

Wann der Vormund im Gegentheil säumig ist die Vormundschafft anzutreten, die Confirmation in der gesetzten Zeit zu suchen, praestanda zu praestiren (et)c. ist er schuldig dem Unmündigen allen Schaden, welchen er durch die Versäumniß leidet, zu ersetzen.

§. 7.

Zweytens soll bey der Bestätigung einem jeden Vormund folgender Vormundschaffts-Eyd vorgeleget werden, und muß der Vormund vermittelst eines Handschlags


(1-118) Part. I. Lib. III. Tit. VI.

versprechen demjenigen so darinn enthalten, so viel es auf den Zustand seines Pupillen sich appliciren läßt, überall treulich und fleißig nachzukommen.

Notula Juramenti.

So auch einen Curatori vorgehalten werden kann, nur daß an statt des Worts Kindes und Pupillen, minderjährig gesetzt, und der Curator nicht angehalten werde, sich zu verbinden, daß er vor des minderjährigen Person und Auferziehung sorgen wolle.

„Ich N. N. schwere zu Gott dem Allmächtigen einen wahren cörperlichen Eyd, daß, nachdem ich dem N. N. zu einem Vormund bestätiget worden, ich meines Pflegbefohlenen Kindes Person und Güter getreulich versehen, und verwahren, auch vor dessen Auferziehung möglichste gute Vorsorge tragen wolle, die liegende Güter (so die verhanden sind) ohne Erlaubniß der Obrigkeit nicht veräussern, sondern in ihrem Wesen erhalten, das Kind und seine Güter inn- und ausserhalb des Gerichts vertreten, und dasjenige so dem Kind zu Nutz und Besten kommen kann, nicht unterlassen noch versäumen, seine Haab und Güter treulich beschreiben, ein Inventarium darüber aufrichten, und alljährlich zu gewöhnlicher und rechter Zeit Rechnung thun, und dazu längstens in 2. Monaten nach Ablauff des Jahres mit Uberlieferung der Rechnung, einen Terminum oder Commissarium ausbitten, auch was ich an Baarschaft dem Pupillo zugehörig, nach und nach in Vorrath bekommen, mit zur Stelle bringen, und bis es mit richterlichen Vorbewust zu des Unmündigen Nutzen untergebracht werden kann, unter dem gerichtlichen Siegel verwahrlich behalten, oder nach obrigkeitlichen Ermessen im Gerichte, bis sich zu Unterbringung Gelegenheit zeiget, niederlegen, auch weder durch mich selbst, noch durch andere Mittels-Personen, solche Haab und Güter kauffen, hingegen was von des Kindes Gütern in meine Gewalt und Gewahrsam kommen, zu seiner Zeit dem Kinde, vermittelst richtiger Rechnung, wieder zustellen, und folgen lassen, und allenthalben getreulich, ehrlich und aufrichtig, wie einem ehrlichen und treuen Biedermann und Vormund oblieget, und wohl anstehet, damit handeln will; So wahr mit Gott helfe durch seinen Sohn Jesum Christum (et)c.“

Die Mutter und Groß-Mutter, wann sie natürliche Vormünderinne seyn wollen, müssen überdem einige besondere praestanda praestiren. Vid. supr. pag. 110. §. 9.

§. 8.

Drittens müssen die Vormünder tüchtige Caution bestellen: folglich sollen bloß solche Vormünder angenommen und confirmirt werden welche angesessen seyn, oder sonst tüchtige Caution praestiren können.

Solte man aber ungesessene (= unangesessene) Leute, oder solche die mit keiner Caution aufkommen können, aus Noth und in Mangel andrer, zur Vormundschafft nehmen müssen, so hat die Obrigkeit zufoderst Nachricht von des Vormundes Wandel und Wirthschafft einzuhohlen: Wann nun dergleichen Leuthe ihres redlichen und aufrichtigen Wandels genugsam Zeugniß haben, so können sie ohne Caution zu Vormündern bestellet werden:

Wie dann auch die Vormünder welche der Vater durch seinen letzten Willen benennet, regulariter von der Caution befreyet seyn sollen.

§. 9.

Viertens soll der Vormund ehe und bevor er der Unmündigen Vermögen in seine Verwahrung und Verwaltung nimmt, von allen Gütern, liegenden und fahrenden, Schulden, Brief und Register (et)c. ein vollständiges Inventarium ordentlich, deutlich und unterschiedentlich nach dem in der Beylag sub N. 1. abgedrucktem Formular, durch Gerichts-Personen, oder wenigstens durch einen Notarium in Beyseyn unpartheyischer redlicher Personen verfertigen lassen; oder eine ordentliche Specification alles Vermögens, wie er solche allenfals eydlich zu erhärten sich getrauet, vor sich verfertigen: wofern


(1-119) Part. I. Lib. III. Tit. VI. Art. I.

er nach Ablauff 4. Wochen von Zeit der Bestättigung solches ohne erhebliche Verhinderung unterlässet, soll er mit 50. Rthlr. oder anderer proportionirlicher Straffe bestraffet werden; Es wäre dann, daß Sterbens- oder Kriegs-Läuffe solches verhindern, welchenfals doch der Obrigkeit solches anzuzeigen, und inzwischen alles verwahrlich verschlossen, und versiegelt zu behalten ist.

Würde er aber gar kein Inventarium oder Specificationem bonorum machen, soll er nicht allein mit Verlust seines ehrlichen Nahmens von der Vormundschafft entsetzet, sondern der Pupille oder Minderjährige hiernechst mit dem Juramento in litem (und zwar ohne Richterliche Moderation) wider ihn zugelassen, und wenn er nicht solvendo, er als ein öffentlicher Banqueroutier nach Innhalt des wider solche Leute publicirten Edicts angesehen, und zur Strafe gezogen werden.

§. 10.

Es soll auch der Vater wann er der Kinder-Guth administrirt, und die Mutter wann sie Vormünderinn ist, von Verfertigung eines Inventarii oder Edirung einer eydlichen Specification nicht befreyet seyn: und ob gleich der Erblasser die Inventur verboten, oder daß die Specification eydlich zu bestärcken nicht nöthig sey, declarirt, auch so gar die Kinder, wann sie dergleichen fodern würden ad legitimam usque enterbet hätten: so müssen doch die Vormündere, (die Eltern und Groß-Eltern nicht ausgeschlossen) nichts destoweniger vor sich die Güter beschreiben und verzeichnen, wie sie solche Verzeichniß bedürfenden Falls eydlich zu erhalten sich getrauen, und jederzeit damit gefast seyn.

Es ist diese Vorsicht zur Sicherheit derer Pupillen absolut nöthig, damit eines theils denen Eltern alle Gelegenheit benommen werden denen Unmündigen oder Minderjährigen ihr Vermögen zu unterschlagen oder durchzubringen; andern theils, damit die Kinder auf den Fall, da die Eltern zur zweyten Ehe schreiten, gewiß wissen mögen, was ihnen zustehet; weil denen Eltern, wann sie mit der Specification bis dahin anstehen wolten, ein vieles entfallen, und dadurch denen Kindern praejudiciret werden könte; hauptsächlich und dritten theils aber, weil ohne dergleichen Inventarium keine Rechnung jährlich abgenommen werden könte, worvon doch niemand befreyet werden kann noch soll.

§. 11.

Wann nun ein Vormund dieses alles erfüllet, folglich die Vormundschaft angetreten, so kann er die Administration übernehmen: welche hauptsächlich in Erziehung der Kinder, (Vid. Art. I.) und nachdem in Verwaltung des Vermögens bestehet. (Vid. Art. II.)

Art. I.

Von Erziehung der Unmündigen.

§. 12.

Es ist im Anfang dieser Materie (Vid. pag. 105. §. 18.) angemercket worden, daß die Vormünder hauptsächlich der Person gegeben werden: dahero vor die Erziehung derer Unmündigen um desto mehr gesorget werden muß, je mehr dem Publico an der Kinderzucht gelegen ist.

§. 13.

Es ist aber zufoderst fest zu setzen, daß bey Erziehung der Kinder vor allen Dingen auf dasjenige reflectirt werden muß, was der Vater wegen Erziehung der Kinder in seinem letzten Willen disponirt hat.

§. 14.

Wann der Vater nichts disponirt hat, muß die Mutter vor die Erziehung der Kinder sorgen, so lang sie im Wittwen-Stand bleibt.

§. 15.

Wann die Mutter zur zweyten Ehe schreitet, stehet es in der Obrigkeit Willkühr, ob dieselbe die Kinder bey der Mutter lassen, oder anderswo unterbringen wolle.


(1-120) Part. I. Lib. III. Tit. VI. Art. I.

§. 16.

Wann die Mutter verstorben, oder dieselbe sich mit Erziehung der Kinder aus rechtmäßigen Ursachen nicht bemengen will, oder sonst bedencklich ist derselben die Erziehung zu überlassen; so muß der Gros-Vater, und nach ihm die Gros-Mutter väterlicher Seiten (et)c. die Erziehung der Kinder auf gleiche Weise übernehmen.

In beyden Fällen kann die Obrigkeit die Eltern, welche sich wegern die Erziehung zu übernehmen, zwingen die Kinder zu sich zu nehmen, und vor deren Erziehung zu sorgen.

§. 17.

Wann keine Eltern vorhanden seyn, oder dieselbe die Erziehung aus rechtmäßigen Ursachen depreciren, oder dieselbe ihnen nicht anvertrauet werden kann, müssen die andre Vormünder, sie mögen Testamentarii, legitimi, oder dativi seyn, fleißig darauf sehen, daß ihre Waysen an solche Orte und Ende hingebracht werden, wo man versichert ist daß man sich ihrer treulich annehmen werde.

§. 18.

Wann jemand, der zum Erben eingesetzt, oder welchem ein Legatum vermacht, zugleich aber auch die Erziehung der Kinder aufgetragen wird, solche zu übernehmen bedencken hat, so verlieret er die Erbschaft und das Legatum.

§. 19.

Es müssen die Vormünder hauptsächlich dahin sehen, daß die Unmündige mit nothdürftiger Kost und Kleidung versehen werden, welches nach Proportion ihres Vermögens eingerichtet, und darunter folgende Ordnung beobachtet werden muß.

1.) Wann der Vater ein Quantum, welches zur Erziehung der Kinder angewandt werden soll, determinirt hat; So muß der Vormund sich darnach achten, wann aber das Quantum zu hoch, oder zu Erziehung der Kinder nicht zureichend, muß solches ex aequo & bono von der Obrigkeit determinirt werden.

2.) Wann der Vater kein gewisses Quantum determinirt hat, und die Obrigkeit bey Abnahme der Rechnung findet daß der Vormund zu viel oder zu wenig verwandt, und zum Exempel keine Lehrmeister (et)c. gehalten; So liegt demselben ob das Quantum nach dem Zustand des Vermögens ex officio zu determiniren, und solches entweder zu mindern, oder zu erhöhen; auch, wann das Vermögen nicht zureichet, und der Unmündige nach seinem Stand eine bessere Erziehung haben muß, dem Vormund zu erlauben daß er nach Proportion des Vermögens Capitalien darzu aufnehmen möge, welche alsdann dem Vormund in der Rechnung passirt werden sollen.

§. 20.

Wann die Kinder arm seyn, und folglich nichts vorhanden woraus die Erziehungs-Kosten zu nehmen, können die Vormünder nicht angehalten werden dieselbe ex propriis zu ernehren und zu erziehen: sondern sie müssen solches der Obrigkeit melden, und deren Rath, wie ihnen bey solchem Mangel zu helfen, erfodern: da dann der Obrigkeit obliegt vor deren Unterbringung in die Hospitäler, Waysenhäuser (et)c. zu sorgen, oder andere christliche Vorsorge für sie zu tragen, wie sie es gegen Gott und Uns zu verantworten sich getrauen.

§. 21.

Auch sollen die Vormündere ihre anbefohlene Unmündige zu rechter Zeit in die Schule thun, und dahin fleißig anhalten, daß sie solche nicht verabsäumen, oder eigenwillig gar verlassen; imgleichen bey der Hauszucht in der Gottseligkeit, Gebet, und Catechismo, und sonderlich Lesung der Heil. Schrift sie wohl üben, und fleißig beobachten daß sie zu rechter Zeit und geschickt das H. Abendmahl empfangen, und nachgehends dasselbe nicht versäumen.

§. 22.

Wann Unmündige feine Ingenia haben, und bey denen Schul-Examinibus sich findet daß sie ins künftige im Studiren etwas sonderliches vor andern ausrichten


(1-121) Part. I. Lib. III. Tit. VI. Art. II.

möchten, sollen dieselbe von denen Vormündern beständig dabey gelassen, und davon mit nichten abgezogen, sondern ihnen, wann es ihr Erbtheil ertragen mag, die Kosten darzu gereichet, allenfals der Obrigkeit Rath und Verordnung darüber erfodert werden.

Es müssen aber dergleichen Waysen, wann sie die gehörige Jahre erreichet, auf Universitäten in Unsere Landen geschicket, und denen Professoribus recommandirt werden; welche dann auf dieselbe ein besonderes Aufsehen zu haben hiermit angewiesen werden: wie dann auch die Vormünder, so viel es sich weiter thun läst, ein wachsames Auge haben müssen, damit ihre Pflegbefohlene, unter dem Schein denen Studiis obzuliegen, nicht etwa dem Müßiggang nachhängen, und sich auf die schlimme Seite legen.

§. 23.

Diejenige aber so hierzu nicht geschickt oder vermögend sein, können nach Beschaffenheit ihres Standes und Vermögens zu andern Professionen angeführet; oder in Dienst gegeben werden, wie solches in dem von Unsers hochseligsten Herrn Groß-Vatern Majestät am 25. August. 1708. ausgelassenen Edict, so am Ende dieses Buchs sub No. 2. gedrucket, verordnet ist.

§. 24.

Die Waysen weiblichen Geschlechts belangend, sollen von denen Vormündern zum Christenthum und tugendsamen Leben, auch nach Standes-Gelegenheit zur Haushaltung, und andern weiblichen nützlichen Geschäften und Arbeit, und was sonst anständig, angehalten werden.

Art. II.

Von Verwaltung des Vermögens derer Unmündigen.

§. 25.

Es kann nicht gesagt werden daß des Unmündigen Person versorgt sey, wann der Vormund nicht auch vor dessen Vermögen sorget, und wann solches nicht gehörig administrirt wird.

§. 26.

Wann viele Vormünder seyn pfleget darüber sehr gestritten zu werden, wem die Administration anzuvertrauen sey? Wir wollen daher ein vor allemal fest setzen wie es künftig damit gehalten werden solle:

Wann (1) alle Vormünder zusammen die Administration übernehmen wollen, kann ihnen solches nicht geweigert werden, sie müssen aber zulängliche und gemeinschaftliche Caution bestellen, weil singuli in solidum vor die andre stehen müssen.

Es stehet auch (2) diesen Vormündern frey die Administration unter sich zu theilen: die Caution aber muß von allen bestellet werden, weil alsdann gleichfals ein jeder in solidum hafftet.

Wann (3) einer von diesen Vormündern bedencklich findet mit denen andern die Administration und Verantwortung zu übernehmen, oder zu theilen, so kann er sich allein zur Administration gegen zulängliche Caution offeriren: Und muß alsdann die Obrigkeit die Umstände wohl untersuchen, und dem Befinden nach die übrige von der Administration abweisen.

Im Fall mehrere seyn, welche sich zu der alleinigen Administration und zur Caution offeriren, muß die Obrigkeit den tüchtigsten daraus wehlen:

Es kann auch die Obrigkeit (4) die Administration entweder auf der Vormünder Verlangen, oder ex officio theilen. (Es mögen die Tutores Testamentarii, oder Legitimi seyn) In welchem Fall aber die übrige keinesweges vor die Administration hafften.


(1-122) Part. I. Lib. III. Tit. VI. Art. II.

Jedoch müssen (5) diese übrige als honorarii auf die Conduite des administrirenden Vormunds Achtung geben, und wann sie an dessen Administration etwas auszusetzen finden, denselben als verdächtig accusiren.

Wann (6) in dem Testament, oder von der Obrigkeit, einer als Tutor honorarius ernennet und bestellet worden, darf derselbe weder einen Eyd noch Caution praestiren, noch ein Inventarium verfertigen, auch mit der Administration sich nicht bemengen.

Er muß sich aber confirmiren lassen, auch, wie vorhin gemeldet, auf die Conduite des administrirenden Vormunds Achtung geben.

Es stehet diesen Honorariis auch frey der Abnahme der jährlichen Rechnung beyzuwohnen, und Monita darbey zu machen, gestalten dieselbe von dem Pupillen-Amt jederzeit adcitirt werden sollen.

§. 27.

Der administrirende Vormund kan alles ohne Concurrentz des Unmündigen thun, handeln, und verrichten, auch von dem Vermögen des Unmündigen disponiren, dahingegen haften diesem alle des Vormundes Güter zur stillschweigenden Hypothec. Vid. pag. 136. §. 9 n. 6. & pag. 152. n. 14.

Weil aber demselben obliegt den Unmündigen zu schützen, folglich vor dessen Nutzen und Bestes zu sorgen, so verstehet sich von selbsten, daß dessen Disposition in gewisse Gräntzen eingeschlossen sey.

§. 28.

Diesemnach muß der Vormund die Häuser und Gebäude in guten wesentlichen Stand erhalten, auch die Güter dergestalt verwalten damit sie nicht geringert werden; zu welchem Ende auch solche, wann er es nützlich zu seyn vermeinet, verpachten, zugleich aber fleißig Achtung geben muß, daß die Pächter die Güter im rechtem Bau und Wesen erhalten, und diese nicht ausgemergelt werden.

Was jährlich aus solchen Gütern einkommt, es sey an Geld, Frucht, Bier, Heu, Stroh (et)c. das sollen sie, die Vormündere, von Jahr zu Jahren, item was sie auf solche Güter, auch ihre Pflege-Kinder selbst, sie zu unterhalten, aufwenden und auslegen, genau verzeichnen und aufschreiben, oder aufschreiben lassen, damit sie nach Ablauf des Jahrs ihren Pfleg-Kindern gute und aufrichtige Rechnung darüber thun können.

Die Vormünder sollen die fahrende Haab, als Kleider, unnöthigen und überflüßigen Hausrath, zugleich auch das Getreide, Bier, Obst (et)c. zu rechter Zeit und zu der Kinder Besten und Nutzen zu verkauffen und zu Gelde zu machen, Macht haben: Doch daß sie was verkaufft, auch wie viel daraus an Geld gelöst worden, eigentlich verzeichnen und aufschreiben.

Das baar vorhandene oder einkommende Geld müssen sie sofort sicher auszuleihen, und auf Zinsen zu geben suchen; und wann sich keine sichere Gelegenheit findet, das Quantum in die Intelligentz-Zettel setzen lassen, zugleich aber auch der Obrigkeit Nachricht davon geben, damit die Steril liegende Gelder versiegelt, und entweder dem Vormund wieder zurück gegeben, oder dem Befinden nach bey der Obrigkeit deponirt werden mögen.

Die Obrigkeit muß auch selbst allen Fleiß anwenden die Gelder auf Zinsen auszubringen, und zu dem Ende, wann auch nur 100 Rthlr. vorhanden, das Capital durch die Intelligentz-Zettul a 5 pro 100 ausbieten; zugleich auch solches durch einen Anschlag-Zettul am Rahthaus (!), oder dem Gericht, ohnentgeldlich zur Wissenschaft bringen.

Wann sich binnen 6 Monat (nachdem das Capital alle Monat einmal kund gemacht worden) keiner findet, welcher die Gelder a 5 pro 100 annehmen will, so soll denen Vormünder frey stehen die Gelder a 4 1/2 oder a 4 pro 100 jedoch nur auf ein Jahr auszuthun, und unterdessen alle Monat mit der Anzeige in dem Intelligentz-Blat continuiren, daß nemlich nach Ablauf des Jahrs dieses Capital a 5 pro 100 ausgethan werden solle.

Wann die Vormünder oder die Obrigkeiten hierunter säumig seyn, und die Gelder


(1-123) Part. I. Lib. III. Tit. VI. Art. II.

durch ihre Schuld liegen bleiben, müssen sie den dadurch verursachten Schaden ersetzen.

§. 29.

Der Vormund muß auch dafür sorgen, daß wegen der ausstehenden Schulden denen Unmündigen ihre völlige Sicherheit geschaffet werde, und zu dem Ende die Obligationes und bestellte Caution wohl examiniren.

Wann die ausgeliehene Gelder nicht sicher stehen, ist der Vormund schuldig solche aufzukündigen, und beyzutreiben: Der Debitor kann sich auch nicht entbrechen dem Vormund das Capital auszuzahlen.

Es muß aber die Auszahlung, wann der Schuldner völlig gesichert seyn will, gerichtlich, und gegen gerichtliche Quitung geschehen: Welches auch, wann der Schuldner das Geld nicht länger haben will, und sich zu dessen Auszahlung offerirt, beobachtet werden muß.

Im Fall der Vormund durch seine Versäumniß Ursache ist, daß die Beytreibung schwerer gemacht, oder die Schuld gar inexigible worden, so muß er auf den ersten Fall das Capital auf seine Kosten beytreiben, in dem letztern Fall aber die Schuld den Unmündigen bezahlen, und seinen Regress gegen den Schuldner nehmen.

Es kann aber dem Vormund nichts imputirt werden, wann zu der Zeit da er die Vormundschaft übernommen, oder da er die Gelder ausgeliehen, oder da er die Action instituirt, der Debitor genugsam angesessen gewesen, ob er schon nachgehends ohn versehens im Abgang seiner Nahrung und Vermögens gerathen, der Vormund aber keiner Versäumung nach diesem Abgang überführt werden kann.

§. 30.

Wann der Vormund selber das Geld gegen die gewöhnliche Zinsen an sich nehmen will, so muß er solches bey der Obrigkeit suchen: Welche dem Befinden nach, und wann binnen 6 Monat, nachdem das Capital in dem Intelligentz-Zettul monatlich ausgebohten worden, sich niemand findet, demselben gegen zulängliche Caution das Capital anvertrauen kann.

§. 31.

Ferner muß der Vormund dafür sorgen, daß, wann der Unmündige Schulden hat, solche so viel möglich abgetragen und getilget werden. Zu welchem Ende er zufoderst diejenige welche am beschwerlichsten seyn und causam graviorem haben bezahlen muß.

§. 32.

Wann der Vormund Capitalien liegen oder ausstehen hat, und unbewegliche nützliche Güther sicher ankaufen kann, muß er solches mit Vorwissen der Obrigkeit nicht unterlassen.

§. 33.

Zu der Administration derer Vormünder gehöret auch die Macht Processe zum Nutzen der Unmündigen zu führen, Actiones anzustellen, Actores zu benennen, gegen die Urthel zu appelliren (et)c. allermassen dieselbe, wann sie solches unterlassen, vor allen Schaden stehen müssen.

Jedoch wann sie muthwilliger Weise, und ohne genugsamen Grund, dergleichen Processe anfangen oder fortsetzen, müssen sie allen Schaden und Kosten ersetzen.

Es müssen also die Vormünder, wann sie die Rechte nicht verstehen, oder die Sache zweifelhaftig ist, von vernünftigen Advocaten ein Gutachten darüber einhohlen ehe sie den Process anfangen oder denselben fortsetzen. Und wann der Advocat wider die Acta und offenbahre Rechte den Process angerathen oder geführt, soll derselbe dafür responsable seyn.

Im übrigen kann kein Vormund über ein streitiges Ding transigiren, ohne vorher der Obrigkeit die Umstände vorzutragen, und deren Consens zu erhalten.


(1-124) Part. I. Lib. III. Tit. VI. Art. II.

§. 34.

Ein jeder Vormund ist schuldig bey seiner Administration culpam levem zu praestiren, das ist, denjenigen Fleiß anzuwenden welchen ein jeder guter Haushalter in seinen Geschäften anzuwenden pflegt.

Wann aber ein Vormund sich von freyen Stücken zum Vormund offerirt, oder dieselbe mit Geld an sich ziehet, oder seine Mit-Vormünder excludirt, so muß er culpam levissimam praestiren, das ist, einen solchen Fleiß anwenden welchen der klügste und allerfleißigste Haus-Vater anwenden kann, und muß: worvon unten in dem Titul de actione tutelae directa weiter gehandelt wird.

§. 35.

Die Tutores honorarii, welche keine Administration haben dennoch aber auf die conduite der administrirenden Vormünder Achtung geben müssen, dürfen nur dolum & latam culpam praestiren: und werden also nur obligirt wann sie aus böslichem Vorsatz, oder durch eine unverantwortliche Nachläßigkeit, unterlassen des administrirenden Vormundes notorische üble Wirtschaft der Obrigkeit anzuzeigen.

§. 36.

Unter die Administration derer Vormünder gehöret auch die Veräusserung derer Mobilien, welche nicht wohl conservirt werden können, oder keine Zinsen bringen; keinesweges aber die Veräusserung derer denen Unmündigen zustehenden liegenden und unbeweglichen Güter.

§. 37.

Es soll also ein Vormund keine Macht haben ein liegendes Guth oder Hauß, Hoff, Garten, Acker, Wiesen (et)c. wie gering es auch sey, zu verkauffen, zu versetzen, oder zu beschweren.

Unter die liegende Güther rechnen Wir auch die Erb-Rechte, Stadt oder Feld-Dienstbarkeiten, und andre Dinge so denen Immobilibus verglichen werden.

Nicht weniger die kostbare Mobilien, als Jouvelen und andre Kostbarkeiten.

§. 38.

Welches Verboth auch bey einem Vater, welcher legitimus Administrator seiner Kinder Güter ist, statt hat. Vid. supr. pag. 109. §. 3. & 4.

Weil aber der Zustand des Unmündigen so wol, als der Güter selbst, öfters dergestalt beschaffen ist daß die Alienation nothwendig geschehen muß, so wollen Wir denen Vormündern unter folgenden Requisitis die Alienation verstatten.

§. 39.

Erstlich wird erfodert daß eine wichtige Ursache der Veräusserung vorhanden seyn müsse: z. E. wann die Schuldner des Unmündigen auf die Bezahlung dringen, und nichts ausser denen Immobilien zur Bezahlung vorhanden ist, auch Geld auf Zinsen zu nehmen entweder schwer oder dem Pupillo nicht zuträglich ist (et)c. Item, wann des Unmündigen Geschwistern ein Brautschatz, Gegenvermächtniß, Leibgeding (et)c. ausgemacht werden muß (et)c. Wann zu des Unmündigen Equipagen, Studien, Reisen (et)c. dergleichen Veräusserung erfodert wird.

Item, wann die Güther mehr zu unterhalten kosten als sie einbringen. Insonderheit wann die Kinder jung, folglich in langer Zeit nicht im Stande seyn die Güther selber zu verwalten, oder zu verwahren.

Ferner, wann die Stücke sich durch die Verwahrung nicht erhalten lassen wollen, oder wann kostbare Jouvelen, Silber-Werck (et)c. vorhanden seyn, welche keine Zinsen tragen.

Es muß auch ein Vormund wohl überlegen, ob nicht besser sey, wegen des zeitigen schlechten Preises der Güter die Veräusserung auf eine bessere Zeit auszusetzen, das Gut antichretice jemand zu übergeben, oder solches wiederkäuflich zu alieniren.


(1-125) Part. I. Lib. III. Tit. VI. Art. II.

§. 40.

Zweytens kann dergleichen Veräusserung nicht ohne gerichtliche Untersuchung geschehen: Die Obrigkeit muß aber nicht allein darauf sehen ob die Alienation dem Unmündigen nützlich, sondern ob sie auch nothwendig sey: Es ist also nicht genung, wann der Vormund durch den Verkauff eines Guths die Einkünfte des Unmündigen vermehren kann, sondern das Gerichte muß zugleich untersuchen, ob der Pupillus ausserdem, ohne Schulden zu machen, zu leben habe:

Zu dem Ende muß der Vormund das Inventarium der Güther, nebst der letzten Vormundschafts-Rechnung, der Obrigkeit vorlegen, es können auch, wann diese es nöthig findet, die nächste Agnaten oder Verwandten adcitirt werden.

Wann der Vater in seinem letzten Willen den Verkauff eines dergleichen liegenden Guths pure verordnet hätte, so braucht es keiner Untersuchung, sondernes (= sondern es) ist genug wann das Guth rechtlich subhastirt wird.

§. 41.

Wann die Obrigkeit die Sache wohl und genau überlegt, und die nächste Verwandten darüber vernommen hat, muß sie drittens ein Decretum de alienando ertheilen: In welchem nicht allein die Nützlichkeit sondern auch die Rationes der Nothwendigkeit angeführt werden sollen.

Not. Dergleichen Untersuchung und Decret kann sowohl in foro domicilii als foro rei sitae gesucht und ertheilet werden.

Wann also ein Vormund ohne gerichtliche Untersuchung und darauf erfolgtes Decretum de alienando zur Alienation schreitet, ist solche nicht allein null und nichtig, sondern der Vormund ist schuldig dem Käuffer, wann ihm das Guth abgenommen wird, alles Interesse zu erstatten:

§. 42.

Vierdtens wird erfodert, daß dergleichen Guth öffentlich angeschlagen und subhafstirt werde.

Welches auch nöthig ist wann schon jemand ein ansehnliches Geboth, unter der Condition daß das Guth nicht angeschlagen werden solle, gethan hat, weil der Käuffer nimmermehr sicher darbey seyn würde.

§. 43.

Wann eines von diesen Requisitis fehlet, ist die gantze Alienation in Ansehung des Unmündigen (nicht aber ratione der Käuffer [et]c.) null und nichtig: und braucht es dieserwegen keiner Restitution in integrum. Dem Pupillo stehet also frey das Guth cum fructibus perceptis & percipiendis zu vindiciren, weil es dem Besitzer an einem rechtmäßigen Titul fehlet. Es darf auch der Pupillus das Pretium nicht restituiren, als in so weit er dadurch locupletior worden, und das Pretium in dessen Nutzen verwandt ist.

Wann das Guth verwüstet ist kann der Unmündige den Schaden juramento in litem erhärten, und solches Quantum aus denen paratesten Mitteln des Käuffers, oder des Vormundes oder des administrirenden Vaters, (Vid. supr. Tit. 4. §. 3. & 4.) fodern.

§. 44.

Es leidet aber diese Regul einen Abfall, und dergleichen ohne die vorgemeldte Solennitaeten beschehene Veräusserung subsistirt.

1.) Wann des Unmündigen Vater die Veräusserung im Testament befohlen.

2.) Wann der Vormund ein wiederkäufliches Guth nach verflossener Zeit dem Domino wieder zurück giebt.

3.) Wann unter vielen Cohaereden einer majorenn ist, und zur Theilung provocirt.

4. Wann der Unmündige des Vormunds Erbe worden.


(1-126) Part. I. Lib. III. Tit. VI. Art. II.

5.) Wann der Unmündige nachdem er majorenn worden die Veräusserung ratihabirt, oder

6.) Binnen 4. Jahren nicht contradicirt; Er mag von dem Kauff Wissenschaft haben oder nicht: weil er, so bald er majorenn worden, aus dem Inventario und Vormundschafts-Rechnungen die Nachricht einziehen kann.

7.) Der Regress gegen den Vormund aber währet 30 Jahr.

Wann der Besitzer affirmirt daß alle Solennitaeten adhibirt worden, der Unmündige aber solches leugnet, muß der Besitzer sein Vorgeben erweisen.

§. 45.

Wann jemand nicht darüber klaget daß die vorangeführte Solennitaeten nicht seyn adhibirt worden, sondern daß die von dem Vormund angeführte Causae alienationis falsch und irrig, oder er sonst im Kauff laedirt wäre, so subsistirt zwar der Handel; wann aber der Unmündige sein Vorgeben erweiset, so kann er binnen 4 Jahr von Zeit der Majorennitaet restitutionem in integrum gegen den Handel fodern; nach Ablauff der 4. Jahre aber hat keine weitere Action gegen den Besitzer statt, wann auch schon der Majorennis von dem Kauff nichts erfahren hat.

Unterdessen bleibet ihm doch sein Recht gegen den Vormund, wann dieser falsas causas allegirt, oder das Guth zu wolfeil verkauft hat, wie vorhin 30 Jahr offen.

§. 46.

Kein Vormund (wann er auch nur honorarius ist) ist befugt das geringste von des Unmündigen Güthern, sie mögen beweglich oder unbeweglich seyn, weder selbst, noch durch andre, auch nicht mit Einwilligung des Mit-Vormundes, an sich zu kauffen.

Es wäre dann (1) daß ein Vormund diejenige bewegliche Sachen, welche nicht behalten werden können, und von denen Gerichten nach Anleitung Unsers Codicis Fridericiani öffentlich feil gebothen worden, aber keinen andern Käuffer finden, mit Bewilligung des Contutoris, (wann er auch nur honorarius wäre) oder des Richters an sich nehmen wolte.

Wann der Vormund bey dem Gericht ein mehrers bietet als ein Fremder, muß dieser wann er eben dasjenige geben will, vorgezogen werden.

Wann (2) ein unbewegliches Guth subhatirt wird, es mag solches wegen einer nothwendigen Veräusserung, oder gar in concursu Creditorum geschehen, so kann der Vormund nicht mit darauf bieten:

Jedoch stehet ihm frey, wann das letzte Geboth geschehen, und niemand mehr bietet, ein mehres zu offeriren: welches entweder der vorige Licitante suppliren oder dem Vormund das Guth überlassen muß: der Vormund aber ist alsdann schuldig das Geld baar zu bezahlen, und bey der Obrigkeit zu deponiren.

Würde (3) ein Vormund ausser diesen excipirten Fällen etwas von des Unmündigen Vermögen kauffen, soll er demselben duplum pretii erstatten.

§. 47.

Ob zwar die Vormundschaften unter die Onera publica gehören, folglich ohne Entgeld übernommen werden müssen, Wir auch von denen welche honoratioris conditionis, und sonst von Gott gesegnet seyn, die Vermuthung haben daß sie aus Christlicher Liebe, ohne Absicht und Interesse, diese Last übernehmen werden, um so vielmehr, da sich auch nach ihrem Tod, wann sie unmündige Kinder hinterlassen, eben dergleichen Charité hoffen und vermuthen können (et)c.

Weil aber nicht geläugnet werden kann, daß bey dergleichen Vormundschaften viele Arbeit und Verantwortung vorkommt, denen Unmündigen auch selbst daran gelegen daß ihr Vermögen gegen ein geringes Honorarium in Sicherheit gesetzet, und durch eine gute Administration conservirt werde, so seyn Wir zufrieden, daß denen Vormündern, welche solches verlangen, vor ihre Bemühung ein jährliches Honorarium gereichet werde.


(1-127) Part. I. Lib. III. Tit. VI. Art. III.

Es muß aber die Obrigkeit bey Abnahme einer jeden Rechnung nach Proportion der Mühe, und des Vermögens, das Quantum determiniren: Jedoch dergestalt, daß, wann der Bestand zum Unterhalt des Unmündigen nicht zureicht, dem Vormund auch kein Honorarium zugebilliget werden könne.

Art. III.

Von Ablegung und Abnahme der Vormundschafts-Rechnung.

§. 48.

Alle und jede Vormünder (wie auch der Vater welcher seines Sohns Güther administrirt) seyn schuldig jährlich (von dem Tage der confirmirten Vormundschaft anzurechnen) Rechnung ihrer geführten Vormundschaft nach dem sub N. 3. vorgeschriebenem und hiebey gedrucktem Formular abzulegen.

Wie es, wann viele Vormünder vorhanden seyn, mit Ablegung der Rechnung zu halten, davon soll unten §. 51. weiter gehandelt werden.

§. 49.

Wann der Vater, oder derjenige welcher einem Unmündigen etwas vermacht, in ihrem letzten Willen verbothen, daß der Vormund keine Rechnung ablegen solle, so kann doch solches Verboth den Vormund nicht befreyen die jährliche Rechnung wie andre Vormünder abzulegen; und wann schon denen Kindern bey Strafe der Enterbung usque ad legitimam untersagt wird auf Abnahme der Rechnung zu dringen, so soll diese Disposition keine Kraft haben, weil der Richter ex officio darauf bestehen muß.

§. 50.

Wann aber der Testator dieserwegen beydes verbothen damit das Vermögen nicht kund werde, oder wann auch denen Pupillen selbst daran gelegen, daß die Vires haereditatis nicht propalirt werden, so müssen die Obrigkeiten, und andre Bedienten so mit dem Pupillen-Wesen zu thun haben, auf ihren geleisteten Eyd dahin sehen, daß vor und nach abgenommener Vormundschafts-Rechnung sowohl das Inventarium, als die Rechnungen, und sämtliche Acta, jederzeit sorgfältig verschlossen und verwahrlich beygeleget werden.

§. 51.

Der Vormund muß, bey 10 Rthlr. irremissibler Strafe, binnen 6 Wochen nach abgelaufenem Jahr die Rechnung ohn erfodert der Obrigkeit zufertigen.

Wann viele Vormünder zugleich administriren, muß eine gemeinschaftliche Rechnung eingeschicket werden.

Welches auch geschehen soll wann schon die Vormünder die Vormundschaft ununter (= unter) sich privata authoritate getheilt haben.

Wann aber die Theilung von dem Testatore, oder mit Bewilligung der Obrigkeit geschehen, so muß ein jeder seine Rechnung besonders einrichten und übergeben.

Wann der Vormund binnen 6 Wochen die Rechnung nicht einschickt, noch einen Terminum zu deren Abnahme ausbittet, muß die Obrigkeit ex officio, mit Vorbehaltung der verwürckten Strafe, Terminum ansetzen.

§. 52.

Wann ein Vormund mit einer schweren Kranckheit befallen ist, oder Krieges- oder Sterbens-Läufte einfallen, oder derselbe sonst verhindert wird zur gesetzten Zeit die Rechnung abzulegen, und daher um Dilation bittet, so soll zwar so lang die Verhinderung dauret mit Abnahme der Rechnung nachgesehen, wann aber dergleichen Vormund eine starcke Einnahme oder Vorschuß in Händen hat, oder sich einiger Verdacht bey dem Vorzug hervorthäte, muß die Obrigkeit ex officio die Manualien sich vorzeigen,


(1-128) Part. I. Lib. III. Tit. VI. Art. III.

den Bestand nachsehen lassen, und denselben versiegelt zurück geben, oder ad depositum nehmen.

Es muß aber niemahls, und unter keinem Praetext, in denen vorangeführten Fällen die Rechnung über 2 Jahre ausgesetzet, sondern mit dem Ende des zweyten Jahrs die gedoppelte Rechnung zugleich abgenommen werden.

§. 53.

Wann die Vormundschaft gering, und der Vormund von dem Ort des Gerichts weit entsessen, kann die Abnahme der Rechnung zu Ersparung der Kosten wohl in das zweyte Jahr ausgesetzet werden, jedoch muß der Vormund solches nicht vor sich thun, sondern die jährliche Rechnung einschicken, da dann die Obrigkeit entweder auf des Vormundes Ansuchen, oder ex officio das benöthigte verordnen, und, wann Geld vorrätig, die vorher vorgeschriebene Vorsicht gebrauchen muß.

§. 54.

Die Obrigkeit bey welcher die Rechnung übergeben wird muß dieselbe wohl examiniren, notata ex officio darüber machen, Defecte ziehen (et)c. und dieselbe dem Vormund zur Beantwortung zufertigen, zugleich aber auch Terminum zur Justification und Abnahme der Rechnung ansetzen.

Es stehet auch der Obrigkeit frey, wann Sie es nöthig findet, denen nächsten Verwandten die Rechnung zu communiciren: auch die Manualien, oder das Buch worinn der Vormund die tägliche Einnahme und Ausgabe in Ansehung des Pupillen verzeichnet, (und worunter seine eigene nicht verzeichnet werden müssen) von diesem abzufodern.

Wann der Vormund dergleichen Manualien nicht vorzeigen will, muß er als Suspectus removirt, und der neue Vormund zugelassen werden gegen den Vormund nomine pupilli in litem zu schweren.

Im Fall der Vormund vorgiebt daß die Manualien abhanden gekommen, muß er sich eydlich purgiren, daß er dergleichen zwar gemacht, dieselbe aber abhanden gekommen; daß er auch nicht wisse wo sie seyn, noch solche gefährlicher weise abhanden gebracht habe.

Es erweisen aber dergleichen Manualien nur gegen den Vormund, nicht aber vor ihn.

Wann der Vormund die Notata und Defecten nicht in continenti justificiren kann, und er daher deren Supplirung auferlegt wird, stehet ihm zwar frey von dem Erkäntniß zu appelliren: wann aber bey dem Vormund keine offenbahre Sicherheit ist, kann die Obrigkeit denselben anhalten entweder tüchtige Caution zu bestellen, oder das Quantum, oder das Ding zu deponiren, und hiernechst die Appellation auszuführen.

§. 55.

Die Rechnung muß vor der Obrigkeit welche den Vormund confirmirt hat abgelegt werden.

Wann Sie aber nöthig finden solte zu Erspahrung der Kosten, oder weil der Vormund kranck ist (et)c. einem Benachbarten zu committiren die Manualien in loco nachzusehen, oder die Rechnung selbst aldort abzunehmen, den Bestand zu untersuchen, solchen zu versiegeln, oder gar ad depositum zu nehmen (et)c. So muß der Vormund bey 100 Ducaten, oder Gefängniß-Strafe, sich unter keinem Praetext dessen entziehen, sondern dem Commissario alles bona fide vorlegen, und die Rechnung justificiren.

Wann der Vormund bey Einsendung der Rechnung selbst bitten solte, daß die Rechnung in loco abgenommen werden möchte, so muß die Obrigkeit wohl erwegen, was das kürtzeste und sicherste, auch dem Pupillo am wenigsten beschwerlich sey.

§. 56.

Es pflegen sich einige Vormünder bey Uns immediate zu melden, und um besondere Commissarios zu Ablegung der Vormundschafts-Rechnungen auszubitten:


(1-129) Part. I. Lib. III. Tit. VII.

Nun seyn Wir zwar nicht Willens dergleichen zu accordiren; wann Wir aber wegen besonderer Umstände solches verstatten solten, muß der Commissarius alles dasjenige beobachten, was denen Gerichten und Pupillen-Collegiis bey Abnahme der Rechnung vorgeschrieben worden: allermassen derselbe wann der Unmündige finita tutela vel cura eine Laesion, welche ihm durch eine illegale Abnahme der Rechnung zugezogen worden, erweiset, in solidum davor stehen muß.

§. 57.

Was in der Rechnung verzeichnet werden soll, ist unten Tit. VI. Art. III. umständlich beschrieben, unter was vor Rubriquen aber ein jedes gebracht werden muß ergiebt sich aus dem in der Beylage sub N. 3. angeführtem Schemate.

§. 58.

Wann sich nach abgelegter Vormundschafts-Rechnung ein Bestand finden solte, muß die Obrigkeit so viel als zu Fortsetzung der Vormundschaft höchst nöthig ist dem Vormund in Händen lassen, daß (!) übrige aber versiegeln, und dem Vormund wieder zurück geben, oder solches ad depositum nehmen; unterdessen aber durch den Intelligentz-Zettul kund machen daß Kinder-Gelder gegen 5 pro 100 ausgethan werden solten.

§. 59.

Schließlich verstehet sich von selbsten, daß, wann der Vormund in mora ist die Rechnung abzulegen, oder den Bestand abzuliefern, er die Zinsen von dem Geld was er in Händen hat bezahlen müsse: wann er auch schon das Quantum durch das Intelligentz-Blat ausbieten lassen.

§. 60.

Wie es mit Abnahme der Vormundschafts-Rechnung NB. finita tutela zu halten davon soll unten tit. IX. §. 6. gehandelt werden.

Tit. VII.

Von der Auctoritaet welche ein Vormund in denen Handlungen, die der Unmündige selber verrichtet, interponiren muß.

(De auctoritate tutorum.)

§. 1.

Es ist in dem vorhergehenden Titul §. 27. gesagt worden, daß ein Vormund alles allein thun, verrichten, und handeln; folglich von des Unmündigen Güthern und Vermögen, ohne des Unmündigen Einwilligung, nach der ihm gegebenen Vorschrifft disponiren könne.

Weil aber gleichwohl der Unmündige, wann er die Kindheit überstiegen, einige Handlungen auszuüben fähig ist, so haben dieselbe auch ihre Gültigkeit wann der Vormund seine Authoritaet darzu ertheilet.

§. 2.

Die Auctoritaet ist also eine von dem Vormund (und wann viele administrirende Vormünder seyn, von allen) beschehene Approbation der von dem Pupillo selbst getroffenen Handlung, wordurch der unvollkommene Verstand und Beurtheilung des Unmündigen supplirt wird.


(1-130) Part. I. Lib. III. Tit. VII.

§. 3.

Es wird aber hiebey erfodert 1) daß der Vormund ein wahrer Vormund sey: daher die Honorarii, Protutores, und falsche Tutores, keine Autoritaet interponiren können.

2) Daß das Negotium extrajudiciale sey, weil keine gerichtliche Handlungen des Unmündigen ohne Autoritaet des Vormundes gültig seyn. Vid. §. 7.

3.) Daß der Unmündige die Grentzen der Kindheit überschritten habe, das ist über sieben Jahr, und, wann es ein Mägdchen ist, über 6. Jahr alt sey; weil die Kinder (das ist die unter 6. und resp. 7. Jahr seyn) gar kein Judicium discretivum haben, folgends gar nichts, auch nicht tutore autore, thun oder handeln können.

4.) Daß der Vormund bey dem Negotio selber gegenwärtig sey. (massen nicht genung ist abwesend seinen Consens zu ertheilen, oder nachhero den Actum zu ratihabiren) Er muß auch

5.) Eine vollkommene Wissenschaft haben von dem Negotio, und

6.) Seine Autoritaet pure und ohne einigen Beding, und zwar

7.) Incontinenti, und mit ausdrücklichen Worten interponiren.

Diese Autoritas tutorum differirt von dem Consensu Curatorum darinn, daß wann ein Minorennis contrahirt, nicht nöthig sey daß der Curator gegenwärtig sey, er kann auch sub conditione, und tacité seinen Consens ertheilen.

§. 4.

Wann dergleichen Handlungen von dem Unmündigen ohne des Vormundes Auctoritaet verrichtet, und geschlossen werden, seyn diese Actus ipso jure null und nichtig.

Es kann also der Unmündige weder etwas veräussern, noch aus dergleichen Handlung belangt werden, aber auch selbst kein Recht daraus erlangen. Dahero der Pupillus nicht einmahl eine Erbschaft, wann sie auch schon lucrativ ist, ohne des Vormundes Autoritaet antreten kann.

Es leidet aber diese Regul einen Abfall 1.) Wann dergleichen Pupillus sich mit Praejuditz eines Tertii bereichert, und z. E. indebite Geld gehoben. 2) Wann der Unmündige nach dem 10 1/2 Jahr, und, wann es ein Mädgen ist, nach dem 9ten Jahr betrüglicher Weise einem andern Schaden zufüget.

§. 5.

Ob nun zwar der Pupillus selbst aus dergleichen Handlungen nicht verbunden ist, so bleibet doch (1) der andere so mit ihm gehandelt, und z. E. ihm ein Geschencke versprochen, oder einen vortheilhaften Tausch, Kauf (et)c. mit ihm verabredet, in nexu: Jedoch muß der Unmündige alsdann auch dasjenige was er versprochen hat halten. Und wann 2) der Unmündige einen Bürgen gestellet, so kann dieser nicht opponiren daß der Vormund seine Autoritaet nicht interponirt habe, sondern er ist ex fidejussione verbunden.

§. 6.

Ein Vormund ist nicht schuldig seine Autoritaet zu interponiren: wann aber gleichwohl eine Handlung notorie zum Nutzen des Pupilli gereichen solte, und der Vormund die Gelegenheit unterliesse, so bleibt er davor responsable: Unterdessen stehet dem Unmündigen selbst, oder dessen Verwandten, oder andern, frey, dieses der Obrigkeit anzuzeigen, welche dem Befinden nach die Autoritaet suppliren, und den Handel schliessen kann und muß.

§. 7.

Des Vormundes Voll-Wort und Beystand ist hauptsächlich nöthig da ein Unmündiger in Gerichten zu thun hat, und entweder Klage anstellet, oder von andern belanget wird. Vid. §. 3. n. 2.

Hätte er aber keinen Vormund, so muß die Obrigkeit, ob auch gleich der Gegentheil


(1-131) Part. I. Lib. III. Tit. VII. VIII.

darum nicht bittet, ihme jemanden ex officio verordnen, und bevor solches geschehen in der Sache nicht decidiren.

§. 8.

Wann ein Vormund mit seinem Unmündigen selber etwas zu verhandeln hat, muß der Mit- oder Neben-Vormund seine Auctoritaet interponiren: oder es muß, wann kein Mit-Vormund vorhanden, ein besonderer Tutor zu diesem Actu bestellet werden.

Würde der Vormund von dem Pupillen, ohne Interposition einer dergleichen Authoritaet, ob schon durch einen dritten, und unter verdecktem Nahmen, etwas an sich handeln, muß er nicht allein das erhandelte Guth restituiren, sondern überdem Duplum des Werths dem Unmündigen erstatten: Welches auch statt haben soll wann schon des Unmündigen Güther sub hasta verkaufft werden, weil ein Vormund allen Verdacht, als ob er nach des Unmündigen Güther trachte, vermeiden muß.

Es werden aber einige Fälle ausgenommen, worvon von Tit. praeced. §. 35. gehandelt worden.

§. 9.

Aus dergleichen Autore tutore beschehenen Handlungen acquirirt der Unmündige sowohl die Possession als das Dominium des erhandelten Dinges.

Es kann auch aus dergleichen Handlung nicht der Tutor agiren und belangt werden, sondern der Unmündige selbst. Vid. Tit. seq. §. 4.

§. 10.

Wann der Unmündige durch diesen Handel laedirt worden, so steht ihm frey, ob er actione tutelae gegen den Vormund der seine Autoritaet interponirt agiren, oder gegen den Handel selbst restitutionem in integrum suchen wolle. Add. tit. seq. §. 6.

Tit. VIII.

Wie weit 1) der Unmündige aus des Vormundes Handlung acquirire: und 2) was er vor eine Action gegen denjenigen welcher mit dem Vormund gehandelt, erlange, und wie weit er 3.) aus diesem Handel belanget werden könne:

(Quando ex facto tutoris pupillus agere vel conveniri possit.)

§. 1.

Ob schon aus eines Tertii Handlung regulariter niemand weder etwas acquiriren noch daraus agiren, vielweniger daher belanget werden kann; so hat doch diese Regul unter andern einen Abfall, wann ein Vormund im Nahmen seines Unmündigen etwas thut, handelt, oder schliesset.

Es kommen also drey Fragen vor:

1.) Ob und wann der Unmündige aus des Vormundes Handlung acquirire?

2.) Ob und wie weit der Unmündige aus des Vormundes Handlung gegen denjenigen, der mit dem Vormund gehandelt agiren, oder von demselben belangt werden könne.

3.) Ob und wie weit der Vormund und der Unmündige gegen einander agiren können.


(1-132) Part. I. Lib. III. Tit. VIII.

§. 2.

Was die erste Frage betrift, so ist ohnstreitig, daß der Unmündige die Possession, welche der Vormund im Nahmen des Pupillen ergreifet, acquirire.

Wann auch der Vormund im Nahmen des Unmündigen etwas kauft (et)c. so erlanget dieser das Eigenthum der Sache aus der Handlung des Vormundes.

Gleiche Bewandniß hat es wann der Vormund im Nahmen des Unmündigen Geld lehnet (et)c. so acquirirt dieser das Eigenthum des gelehnten Geldes.

§. 3.

Ein anders ist, wann der Vormund in seinem Nahmen die Possession eines Dinges, welches dem Pupillo destinirt gewesen, ergreifet, oder wann er mit des Pupillen Geld etwas in seinem Nahmen erkauft (et)c. solchenfals erlanget der Vormund zwar das Dominium; jedoch hat in diesem Fall der Unmündige zu seiner Zeit die Wahl, ob er das in Possession genommene oder gekaufte (et)c. Guth, cum fructibus perceptis & percipiendis von dem Vormund actione utili vindiciren, oder sein Capital nebst 12. pro 100. Interesse zurück fodern wolle.

§. 4.

Die zweyte Frage anbetreffend, so ist ein Unterscheid zu machen ob der Unmündige selber gehandelt, und der Vormund bloß seine Autoritaet interponirt habe; oder ob der Vormund allein im Nahmen des Pupilli gehandelt habe.

In dem ersten Fall kann der Pupillus selber agiren, und belangt werden, dergestalt, daß auch das Juramentum in litem gegen denselben praestirt werden kann. Vid. Tit. praeced. §.

In dem andern Fall aber, wann der Vormund allein im Nahmen des Unmündigen etwas handelt oder schliesset, muß der Tutor allein agiren, und allein belangt werden: beydes aber geschicht Tutorie (= Tutorio) nomine, und ratione officii, dergestalt, daß die Actio judicati nur gegen den Pupillen angestellet, und die Execution nicht in des Vormundes, sondern allein in des Unmündigen Güther gesucht werden kann.

§. 5.

Hieraus ergiebt sich von selbsten, daß, wann die Vormundschaft geendiget ist, nicht mehr der Vormund, sondern der Pupillus und dessen Curator agiren und belangt werden können und müssen.

Es wäre dann 1.) daß der Vormund in dem nomine des Unmündigen getroffenem Handel einen dolum begangen, und denjenigen mit dem er gehandelt betrogen hätte: In welchem Fall der Vormund auch nach geendigter Vormundschaft in nexu bleibet.

Wann aber der Unmündige von diesem dolo profitirt hätte, (welches derjenige so dergleichen vorgiebt erweisen muß) so kann auch der Unmündige in so weit er sich daraus bereichert, belanget werden.

2.) Wann der Vormund sich zum Bürgen bey der Handlung angegeben, und der Pupillus finita tutela die rescission des Handels suchet, oder der Unmündige nicht im Stande ist das Versprochene zu halten, so bleibt der Vormund auch nach geendigter Vormundschaft verbunden.

3.) Wann der Vormund in seinem Nahmen mit des Pupilli Geldern handelt, muß derselbe nach geendigter Vormundschaft die Gelder baar erlegen, und seinen Regress gegen den Schuldner nehmen: wann er Gelder in seinem Nahmen aufgenommen, muß der Vormund finita tutela belanget werden, ob er schon die Gelder in des Pupilli Nutzen verwandt hat.

Jedoch stehet so wohl dem Creditori als dem Vormund frey, im Fall der Unmündige durch diesen Handel bereichert worden, gegen denselben re in rem verso zu agiren: Es müssen aber beyde versionem erweisen.

Wann ein Vormund zwar den Handel in seinem Nahmen schliesset, auch vor sich und seine Erben sich verbindet, aber seines Vormundschaftlichen Amts in der Obligation Meldung thut; so muß finita tutela der Unmündige selber belanget werden.


(1-133) Part. I. Lib. III. Tit. IX. Art. I.

§. 6.

Wann der Unmündige aus der Handlung des Vormundes laedirt zu seyn vermeinet, und sich getrauet solches zu erweisen; so hat er die Wahl, ob er das Remedium restitutionis in integrum gegen den dritten ergreifen, oder aber seinen Regress gegen den Tutorem nehmen wolle. Add. tit. 7. &. 10.

§. 7.

Von der dritten Frage soll in dem folgenden Titul gehandelt werden.

Tit. IX.

Von denen Actionen welche denen Unmündigen gegen die Vormünder, deren Erben und Caventen; item gegen die Magistraete; auch vice versa, denen Vormündern gegen die Unmündige zustehen.

§. 1.

Aus dergleichen Vormundschaft erlangt der Unmündige eine Action:

1.) Gegen einen wahren Vormund, daß er richtige Rechnung ablegen, und allen verursachten Schaden ersetzen müsse (welche Actio directa tutelae genannt wird) Vid. Art. I.

2.) Dahingegen 2) der Vormund befugt ist, alles dasjenige was er zu des Unmündigen Nutzen verwandt, und ihm in Ansehung der geführten Administration erstattet werden muß, zurück zu fodern: (welche Actio tutelae contraria genannt wird) Vid. Art. II.

3.) Erlangt der Unmündige eine Action gegen einen Vormund welcher nicht legaliter zum Vormund bestellet ist, jedoch aus guter Absicht die Beschützung des Pupilli übernommen: (welche Actio protutelae genannt wird) Vid. Art. III. Item

4.) Gegen einen Vormund welcher sich betrieglicher Weise für einen Vormund ausgegeben; und daher noch mehr und weiter als ein wahrer Vormund verbunden ist: (welche Actio quod falso tutore auctore gestum genannt wird.) Vid. Art. IV.

(5.) Gegen die Erben derer Vormünder, wann sie ex facto ihrer Erblassere belanget werden (welche Actio de haeredibus tutorum conveniendis genannt wird.) Vid. Art. V.

6.) Gegen die Bürgen, welche für den Vormund cavirt, oder diejenige welche den Vormund als tüchtig laudirt und angegeben haben. (welche Actio de fidejussoribus & nominatoribus genannt wird.) Vid. Art. VI.

Welche Actiones nach der Ordnung beschrieben werden sollen.

Art. I.

Von der Actione tutelae directa.

§. 2.

Die Unmündige und deren Erben erlangen nach geendigter Vormundschaft eine Actionem tutelae directam gegen den Vormund: Durch welche dieser angehalten


(1-134) Part. I. Lib. III. Tit. IX. Art. I.

wird, Rechnung von seiner Verwaltung abzulegen, und allen durch seine Versäumniß und Schuld verursachten Schaden zu ersetzen.

§. 3.

Diese Action ist in der natürlichen Billigkeit gegründet, weil derjenige welchem ein fremdes Vermögen mit Obrigkeitlicher Autoritaet anvertrauet worden, sich nicht mit des Eigenthümers Schaden bereichern, noch durch seine Versäumniß dem Eigenthümer einen Verlust zuziehen kann.

§. 4.

Es erlanget also diese Action nicht allein der Unmündige selbst unter der Aufsicht des Curatoris, sondern auch dessen Erben.

§. 5.

Es hat diese Actio statt gegen den Vormund welcher die Administration des Unmündigen Vermögens geführet hat.

I. Wann viele Vormünder (entweder weil sie durch einen letzten Willen bestellet worden, oder weil viele Bluts-Freunde in gleichem Grad concurrirt [et]c.) die Vormundschaft zugleich geführt und administrirt haben, so müssen sie auch zugleich die Rechnung ablegen, und singuli in solidum vor allen Schaden stehen: und hat so wenig das beneficium ordinis als divisionis statt, sondern der Bezahler muß seinen Regress gegen die übrige in separato suchen.

Welches auch II. statt hat, wann diese Vormünder unter sich privata auctoritate die Administration getheilt haben.

Es wäre dann daß in diesen beyden Fällen einer den andern als verdächtig angegeben hätte: Massen alsdann derselbe NB. von Zeit der Accusation an vor den Schaden, welcher culpa des anderen Vormundes verursachet worden, zu stehen nicht verbunden ist.

Wann III. Einer allein sich offerirt gegen Caution die Administration zu übernehmen, so kann dieser allein actione tutelae belangt werden: er legt also allein die Rechnung ab, und stehet allein vor allen Schaden.

Die übrige aber werden bloß als Tutores honorarii angesehen. Von welchen unten §.    gehandelt wird.

Wann aber IV. die Obrigkeit die Theilung der Administration approbirt, oder solche ex Officio veranlasset, so muß ein jeder eine besondere Rechnung führen, und darf er bloß für seinen Antheil der Administration stehen.

Weil aber ein jeder in Ansehung des Contutoris als Tutor honorarius angesehen wird, so muß ein jeder auf des andern Administration Achtung geben, und dieselbe als verdächtig accusiren.

Wann er solches versäummt, hat die Actio tutelae auch gegen den Tutorem honorarium stat. (Confer. Tit.    §.    )

§. 6.

Wann also die Vormundschaft geendiget ist, kann der Vormund durch diese Action angehalten werden die noch restirende Administrations-Rechnung abzulegen: Worbey folgender massen verfahren werden muß.

Erstlich muß der Vormund (er mag Testamentarius, Legitimus, oder Dativus seyn, oder als Vater und Legitimus Administrator des Unmündigen Güter administriren) binnen 6 Wochen nach geendigten Vormundschaft bey 10. bis 100. Rthlr. Strafe das Inventarium, und die Schluß-Rechnung (bey welcher ein richtiger Extract aller zeitwährender Vormundschaft geführten Rechnungen, nebst einer accuraten Specification der Activ- und Passiv-Schulden befindlich seyn muß) bey denen Gerichten wo er confirmirt worden, übergeben, und sowol communicationem an den Unmündigen und dessen Curatorem, als Terminum zur Abnahme der Rechnung bitten.


(1-135) Part. I. Lib. III. Tit. IX. Art. I.

Zweytens, muß der Vormund den Vorrath an baaren Geld, Getreyde, oder andere Mobilien und Moventien, nebst denen liegenden Gründen, dem Unmündigen und dessen Curatori in Zeit von 2. Monathen nach erlangter Mündigkeit überliefern: Und sich sodann gerichtlich, auf Vorzeigung wie alles überliefert worden, quitiren lassen. Dahingegen

Drittens, der Mündige und dessen Curator schuldig ist den erweislichen nöthigen und nutzbahren Vorschuß dem abgehenden Vormund ohnverzüglich gut zu thun.

Wann Viertens einige Posten zweifelhaftig seyn, muß die Sache zum gerichtlichen Austrag verwiesen werden. Der Curator aber muß dem Befinden nach sorgen daß der gewesene Vormund unterdessen das Ding oder das Quantum deponire, oder Caution praestire.

Not. Wie es mit Ablegung der jährlichen Vormundschafts-Rechnung zu halten, davon ist oben pag. 127. §. 48. & seq. gehandelt worden.

§. 7.

Wann der Vormund durch seine Administration dem Unmündigen einigen Schaden verursachet, so ist zu unterscheiden was er vor eine Culpam zu praestiren, das ist, was er vor einen Fleiß anzuwenden schuldig gewesen.

Regulariter muß ein Vormund culpam levem praestiren, das ist, den Fleis anwenden welchen ein jeder guter Hauswirth in seinem Haus anzuwenden pfleget: Wann also z. E. der Vormund das Kauff-Pretium derer verkaufften Unmündigen Güther bey dem Käuffer stehen, und die Schuld nicht eintragen lassen, und der Unmündige dieserwegen von andern Creditoribus posterioribus excludirt wird, muß der Vormund davor stehen.

Wann der Vormund sich von freyen Stücken zur Vormundschaft offerirt, da er solche nach denen Rechten anzunehmen nicht verbunden gewesen, muß er auch Culpam levissimam praestiren, das ist, solchen Fleiß anwenden, welche der klügste und vollkommenste Hauswirth anzuwenden pfleget.

Es muß also ein Vormund um desto mehr den Schaden ersetzen wann solcher ex lata culpa des Vormundes herrühret, das ist, wann der Vormund nicht denjenigen Fleiß anwendet, welchen auch die schlechte Hauswirthe anzuwenden pflegen: wann z. E. der Vormund die offenbahr unsicher stehende Schulden nicht bey Zeiten aufgekündiget hat: Wann er ohne sich nach dem Zustand des Debitoris zu informiren Geld auf einen Wechsel geliehen, folglich keine zulängliche Sicherheit genommen.

Am allermeisten aber muß er Dolum praestiren, das ist, wegen alles desjenigen was er betrüglicher Weise zum Schaden des Pupilli gethan und gehandelt, dem Unmündigen gerecht werden, und demselben alles Interesse erstatten, welches mediante juramento in litem von dem Mündigen und dessen Curatore erhärtet werden kann.

Casum fortuitum oder Unglücks-Fälle ist derselbe zu praestiren nicht schuldig. Wie dann auch kein Vormund schuldig ist seines Vorfahren Facta zu praestiren, oder davor zu stehen.

§. 8.

Wann der Unmündige nach geendigter Vormundschaft finden solte, daß bey der jährlichen Abnahme der Rechnungen ihm zu nahe geschehen, daß die jährliche Rechnungen offenbahr unrichtig; daß der Vormund nicht alles in die Rechnung gebracht; daß er z. E. die angerechnete kostbahre Reise entweder gar nicht, oder nicht zum alleinigen Nutzen des Unmündigen gethan; daß er den angegebenen jährlichen Unterhalt nicht bekommen; daß ihm kein Hofmeister oder Bedienter, oder doch nicht allein gehalten worden (et)c. So stehet ihm oder dessen Curatori frey Actionem tutelae gegen den Vormund, ohngeacht dieser gerichtlich quittirt worden, annoch anzustellen, und entweder seine Defecten zu erweisen, oder den Eyd zu deferiren. Es beruhet aber auch in dessen Arbitrio, gegen die Gerichte, welche über alle und jede Umstände keine Monita gemacht, sondern alles passiren lassen, sofort die Action anzustellen.


(1-136) Part. I. Lib. III. Tit. IX. Art. I. II.

§. 9.

Ausser dieser Actione tutelae directa haben die Unmündige noch verschiedene andre Actiones gegen die Vormünder: als

1.) Actionem de dolo: wann der Vormund den Unmündigen vorsetzlich und betrüglicher Weise in Schaden gesetzet hat; solchenfals muß er den Schaden gedoppelt erstatten, und kann der folgende Curator, oder der Minor selbst, den Schaden Juramento in litem erhärten.

2.) Actionem furti: wann er vorsetzlicher Weise von dem Inventario und des Unmündigen Gütern etwas entwendet hat.

3.) Wann der Vormund etwas eingenommen welches er vorsetzlich an sich behalten, und nicht in die Rechnung gebracht hat, (welche Actio de rationibus distrahendis genannt wird) muß er gleichfals duplum erstatten.

Not. In beyden vorstehenden Actionen ist das simplum unter dem duplo begriffen: Daher wann der Unmündige durch die Actionem tutelae das simplum schon erhalten, so kann er durch diese beyde Actiones nicht das gantze duplum, sondern nur so viel als das simplum austrägt loco poenae fodern.

4.) Actionem ex lege Aquilia: wann der Vordmund (= Vormund) corpore vel in corpus dem Pupillo Schaden gethan.

5.) Actionem injuriarum: Wann der Vormund etwas in contumeliam des Unmündigen gethan hat.

6.) Actionem hypothecariam: Dann da der Unmündige ein stillschweigendes Pfand in des Vormundes Güther hat, so kann der Unmündige nicht allein gegen den Vormund, sondern auch contra quoscunque possessores dieser Güter, welche nicht ein jus potius haben, agiren.

§. 10.

Alle diese Actiones können auch die Erben des Unmündigen gegen den Vormund und dessen Erben anstellen: wiewohl die letztere nicht das duplum sondern bloß das simplum zu bezahlen schuldig seyn: Es wäre dann daß lis schon darüber contestirt worden.

§. 11.

Wann der Vormund nach geendigter Vormundschaft die Curatel continuirt, haben alle diese Actiones erst statt wann die Curatel geendiget ist.

Art. II.

Von der Actione tutelae Contraria, welche dem Vormund gegen den Unmündigen zustehet.

§. 12.

Weil auch billig ist daß ein ehrlicher Vormund, wegen seiner wohlgeführten Administration ohne Schaden bleibe, so erlanget derselbe und seine Erben nach geendigter Vormundschaft aus seiner Administration Actionem tutelae Contrariam, wider den Unmündigen und dessen Erben, wordurch er alles dasjenige was ihm in Ansehung seiner geführten Vormundschaft mangelt, fodern kann.

§. 13.

Es beruhet diese Action in der natürlichen Billigkeit, weil der Unmündige sich mit des Vormunds Schaden nicht bereichern kann, und diesem seine dem Pupillo geleistete Dienste nicht zur Last gereichen können.

§. 14.

Es kann also der Vormund vermöge dieser Action fodern, alles was er zu Erziehung der Kinder, vor deren Nahrung, Lehrmeister, item in genere was er zu deren


(1-137) Part. I. Lib. III. Tit. IX. Art. II. III.

Bestes, von dem Seinigen ausgegeben und angewandt hat, obschon die Besserung ohne des Vormundes Schuld verlohren gegangen, und nicht mehr existirt.

Wann er sich vor den Unmündigen zum Bürgen gesetzet, kann er durch diese Action agiren daß der Unmündige ihn von der Caution liberiren müsse.

Wann auch der Vormund als Advocat die Schriften in Process-Sachen verfertiget, oder demselben sonst durch seine Arbeit, welche zu dem Vormundschafts-Amt nicht gehöret, Vortheil gestiftet, kann er auch dieses mit in Rechnung bringen.

§. 15.

Sein Honorarium aber kann der Vormund nicht durch diese Action fodern, sondern solches muß die Obrigkeit, wann sie dieserwegen implorirt wird, vi officii determiniren: es wäre dann daß der Testator, oder der Magistrat, demselben ein jährliches Honorarium in dem Testament, oder bey der Confirmation, ausgemacht hätten, solchenfals hat die actio tutelae contraria statt.

§. 16.

Es müssen aber dem Vormund nicht allein das ausgelegte Capital, sondern auch die Zinsen gut gethan werden: Es wäre dann daß der Pupillus Gelder liegen gehabt, woraus die Ausgaben hätten genommen werden können.

§. 17.

Der Vormund muß nicht mehr ausgeben als der Unmündige einzunehmen hat, wann auch schon der Vater im Testament ein höheres Quantum zu dessen Ausgabe destinirt hätte: wann aber die Einnahme zur Standesmäßigen Erziehung nicht zureichet, und der Vormund, (insonderheit wann die Mutter Vormünderin ist, und unverheyrathet bleibet,) ein mehreres zum offenbahren Nutzen anwendet, muß dem Vormund solches gleichfals erstattet werden.

§. 18.

Es hat auch diese Action gegen den Unmündigen statt, wann schon der Vormund als verdächtig removirt worden; oder ein jährliches Salarium erhalten; oder der Unmündige gegen denselben de rationibus distrahendis agirt; das ist, vorgiebt als ob der Vormund nicht alles in die Rechnung gebracht habe, wann solches nicht in continenti und liquido erwiesen wird.

§. 19.

Es kann auch ein Protutor, und ein Falsus Tutor diese Action anstellen.

§. 20.

Wann der Pupillus dem Vormund nicht occasione der Administration, sonder ex alia causa etwas schuldig ist, kann dieser solches nicht actione tutelae, sondern actione ordinaria fodern.

§. 21.

Der Vormund kann diese Action gleichfals nicht als nach geendigter Vormundschaft anstellen.

Wann aber ein Vormund nur ad certum actum bestellet wird, so kann derselbe wann der Actus zu Ende ist, gegen den Unmündigen agiren.

Art. III.

Wie gegen diejenige welche nicht ordentlich zu Vormündern bestellet seyn, jedoch bona fide dem Unmündigen vorstehen, agirt werde.

(De Protutore.)

§. 22.

Wann ein Vormund weder von dem Testatore noch von dem Magistrat bestellet worden, auch kein Bluts-Freund ist, jedoch bona fide vermeynet daß er verwandt, oder im Testament benennet sey, so wird derselbe Protutor genannt.


(1-138) Part. I. Lib. III. Tit. IX. Art. III. IV.

Welches auch also zu halten, wann jemand weiß daß er nicht Tutor sey, aber aus guter Absicht, und zu des Pupilli Besten, sich seiner annimmt.

§. 23.

Diese Protutores differiren von denen Negotiorum gestoribus, daß diese nicht weiter als aus dem Negotio, und in so weit sie solches geriret, obligirt werden; dahingegen der Protutor vor die gantze Vormundschaft stehen muß. Vid. §. seq. 28.

§. 24.

Aus dergleichen Protutorum Facto wird der Unmündige nicht obligirt, und kann auch aus dessen Handlung nicht belanget werden:

Wann auch der Unmündige selbst Autore Protutore etwas gehandelt, ist solches Negotium null und nichtig.

Es wäre dann daß der Unmündige in beyden Fällen sich bereichert hätte, welchenfals derselbe in Quantum locupletior factus est belangt werden kann.

In Ansehung dessen aber, welcher mit dem Unmündigen gehandelt hat, wie auch in Ansehung des von dem Unmündigen bestellten Bürgen, bestehet die gantze Handlung als wann ein wahrer Tutor darbey intervenirt wäre.

§. 25.

Der Protutor selbst ist eben wie ein wahrer Vormund verbunden, und muß alles, was ein wahrer Vormund zu thun schuldig, auch seiner Seits beobachten.

Und weil dergleichen Protutores ultro die Administration übernehmen, müssen sie nicht allein culpam levem, sondern auch levissimam praestiren, das ist denjenigen Fleis anwenden, welchen der klügste Haus-Vater anzuwenden pflegt.

§. 26.

Alle Actiones, welche dem Unmündigen gegen den wahren Vormund gegeben werden, haben auch gegen den Protutorem statt. (Vid. supr. Art. I.)

Diese Actio protutelae &c. kann auch währender Vormundschaft angestellet werden, worinn dieselbe von der Actione tutelae differiret. (Vid. supr. §. 6.)

§. 27.

Wann jemand sich als Vormund eines der schon mündig ist gerirt, hat die Actio protutelae nicht statt, sondern actio negotiorum gestorum.

§. 28.

Ein Protutor kann regulariter ratione der gantzen Vormundschaft belangt werden, und ist daher schlechterdings de neglectis zu respondiren schuldig: vid. §. 23. Es wäre dann daß er, so bald er erfahren daß er nicht Vormund sey, oder wann er nicht weiter administriren wolte, solches gerichtlich anzeigte, und um Bestellung eines ordentlichen Vormundes anhielte: In welchem Fall er bloß von der Zeit seiner Administration, und nicht weiter als ratione der Handlungen die er nomine Pupilli gepflogen, oder in welchen er seine Autoritaet interponirt, und was mit denenselben eine Connexion hat, in Anspruch genommen werden kann.

Art. IV.

Von denen, welche sich fälschlich und dolose für Vormünder ausgeben.

(De falso tutore.)

§. 29.

Wann jemand dolose, und um den Unmündigen oder andre zu betriegen, sich für einen Vormund ausgiebt, im Nahmen des Unmündigen handelt, oder seine Autoritaet


(1-139) Part. I. Lib. III. Tit. IX. Art. IV.

bey der Handlung des Unmündigen interponirt; so wird dieser Betrieger falsus tutor genannt.

§. 30.

Dergleichen falsi tutores seyn auch diejenige, welche nach denen Rechten gar keine Vormünder, oder doch nicht ohne Unsere oder obrigkeitliche Bewilligung, seyn können, und sich dennoch confirmiren lassen. Oder welche nicht im Stande seyn ihre Autoritaet zu interponiren, und solches dennoch thun: als z. E. wann derjenige, der bloß zu einem Actu, oder nur über die Güter einer andern Provintz zum Vormund bestellet ist, ausser diesen Fällen nomine des Unmündigen handelt, oder seine Autoritaet interponirt.

§. 31.

Alles was dergleichen falsche Vormünder thun und handeln ist ipso jure null und nichtig: Daher kann der Unmündige weder aus des Vormundes, noch aus seiner eigenen unter der Autoritaet des falsi tutoris gepflogenen Handlung, agiren, oder belanget werden.

§. 32.

Hingegen erlanget der Unmündige alle Actiones gegen den falschen Vormund, welche gegen den wahren Vormund statt haben. Vid. supr. Art. I.

§. 33.

Wann derjenige, welcher bona fide mit dem Pupillo und dessen vorgegebenem Tutore gehandelt, dadurch einen Schaden leidet, so hat derselbe Actionem in factum, vermöge welcher er den betrüglichen Vormund anhalten kann allen sothanen Schaden zu ersetzen, es steht ihm auch frey den Schaden juramento in litem zu bestärcken.

§. 34.

Wann viele falsche Vormünder gehandelt, oder den Handel autorisirt haben, muß ein jeder vor den Schaden in solidum stehen: Wann aber einer bezahlt, werden die übrige dadurch in Ansehung des Unmündigen liberirt: derjenige aber welcher bezahlt hat seinen Regress an die übrige falses (= falsos) tutores pro rata.

Im Fall aber nebst dem falso Tutore ein wahrer und confirmirter Tutor den Handel mit schließt, ist der gantze Actus gültig.

§. 35.

Diese Actio in factum wird auch denen Erben des Klägers, und gegen die Erben des Beklagten gegeben: weil keine Ursache angeführt werden kann warum der Kläger nicht aus des Betrügers Güthern folglich von dessen Erben sein rechtliches Interesse fodern kann.

§. 36.

Es kann auch ein solcher betrüglicher Vormund nach Proportion des Betrugs arbitrarie bestrafft werden.

§. 37.

Diese Actio in factum endiget sich nicht anders als nach 30. Jahren.

§. 38.

Wann sich auch zutragen solte, daß ein Fremder jemanden glauben machte daß er würcklich Vormund sey, und daher diesen inducirt seine Autoritaet zu interponiren, so kann derjenige so bona fide mit dem Pupillen und dessen Vormund handelt, actione in factum utili gegen den Inducenten ad interesse agiren.

§. 39.

Wann einer der bona fide mit dem falso Tutore handelt, dadurch ein Recht verliehrt, und etwas versäumt; als wann jemand sein Eigenthum von dem Pupillo vindicirt, oder eine Temporal-Action anstellet, und beyde Actiones währendem nichtigen Process praescribirt werden, so verstehet sich von selbsten, daß demselben alle vorige Jura vorbehalten werden, und es dieserwegen keiner Restitution in integrum (wie doch in denen Römischen Rechten versehen war) gebrauche.

Wann derjenige, der mit einem solchen Vormund handelt, gewust hat daß der Vormund kein rechter Vormund sey, und bey der angeführten Gelegenheit sich an seinem


(1-140) Part. I. Lib. III. Tit. IX. Art. V.

Recht versäumet, hat er kein Remedium, ausser wann er selbst noch minor ist, alsdann kann er ob lubricum aetatis restitutionem bitten.

Art. V.

Von denen Erben derer Vormünder, und wie weit dieselbe aus derer Vormünder facto obligirt seyn.

(De haeredibus tutorum conveniendis.)

§. 40.

Alle Actiones, welche gegen die Vormünder statt haben, können auch gegen deren Erben angestellet werden.

Welches auch seine Richtigkeit hat, wann schon der Vormund, nachdem er ex officio bestellet worden, die Administration nicht antreten wollen, oder die angetretene ohne legale Ursache deserirt hat.

§. 41.

Es seyn also die Erben schuldig nach Absterben des Vormundes die Rechnung abzulegen, und de neglectis defuncti zu stehen.

Welches letztere aber nur dahin zu verstehen, wann durch des verstorbenen Vormundes dolum oder latam culpam etwas versäumt, und dadurch dem Unmündigen ein Schaden zugezogen worden; nicht aber, wann solches ex levi culpa geschehen, das ist, wann der Verstorbene nicht eben den Fleiß angewandt hat, welchen ein jeder guter Hauswirth anzuwenden pfleget.

Es wäre dann (a) daß mit dem Verstorbenen der Process schon angefangen, und lis contestirt worden, in welchem Fall die Erben auch ex levi culpa tutoris gehalten seyn: oder (b.) daß der Verstorbene etwas von des Unmündigen Vermögen angegriffen, und zu seinem Gebrauch verwendet, folglich sein Vermögen dadurch einmahl vermehret hätte, ob schon nichts davon auf die Erben gekommen.

§. 42.

Es kann auch der Erbe des Vormundes in einigen Fällen ex facto proprio, actione tutelae utili, belanget werden: als

1.) Wann derselbe majorenn ist, und dasjenige was der Verstorbene angefangen, nicht vollführet und in Stand setzet.

2.) Wann er das vorräthige Geld des Pupilli, welches der verstorbene Vormund gesammlet, verzehret.

3.) Wann der Erbe das dem Defuncto versprochene, oder von diesem ausgeliehene Geld einfodert, und nicht berechnet.

4.) Wann der Erbe etwas aus des Pupilli Vermögen besitzet. In welchem Fall dem Pupillo auch rei vindicatio zustehet.

Not. Wann die Erben ex facto proprio belanget werden, müssen sie auch levem culpam praestiren, und das juramentum in litem hat gegen dieselbe statt.

§. 43.

Wann die Erben des Vormundes, wie sie schuldig (Vid. pag. 143. §. 3. n. 3.) das Absterben des Vormundes nicht gerichtlich anzeigen, noch sich zu Ablegung der Rechnung offeriren, noch um Bestellung eines andern Vormundes bitten, sondern die Administration ohne Noth continuiren und fortsetzen, sollen sie als falsi tutores angesehen werden. Es wäre dann daß die Erben selbst minorennes wären, weil ihnen alsdann restitutio in integrum zu statten kömmt.


(1-141) Part. I. Lib. III. Tit. IX. Art. VI.

Art. VI.

Von denen Bürgen derer Vormünder: Item, von denen welche einen Vormund vorschlagen, oder den Bürgen als tüchtig affirmiren.

(De fidejussoribus, nominatoribus, & affirmatoribus conveniendis.)

§. 44.

Es ist oben verordnet, daß die Vormünder schuldig seyn sollen tüchtige Caution zu bestellen: welches regulariter durch Bürgen geschehen muß.

§. 45.

Wann also der Vormund einen Bürgen stellet, muß dessen Consens entweder schriftlich ad Acta gegeben, oder, wann er gegenwärtig ist, ad protocollum notirt werden.

Es ist daher nicht genug wann ein Bürge im Gericht gegenwärtig ist, und mit ansiehet daß sein Nahme als Bürge in das Protocoll eingetragen wird; sondern der Richter muß, um allen Process zu vermeiden, dessen ausdrücklichen Consens erfodern, oder vor allen Schaden in solidum stehen.

§. 46.

Es werden auch diejenige vor Bürgen gehalten, 1) welche einen Vormund entweder selbst, oder durch einen andern vorschlagen, weil kein Vormund, wann er nicht tüchtig ist, vorgeschlagen werden soll.

2.) Diejenige welche den zu bestellenden Vormund als tüchtig angeben und affirmiren.

Wann die Mutter einen Vormund vorschlägt, oder solchen, wann er von andern vorgeschlagen worden, als tüchtig affirmirt, kann sie wegen des ihr zustehenden beneficii SCti Vellejani nicht obligirt werden: Es wäre dann daß der Vormund auf ihre fahr confirmirt worden, in welchem Fall die exceptio Scti Vellejani cessirt.

§. 47.

Wann also der Vormund dem Unmündigen nach geendigter Vormundschaft etwas schuldig bleibt, und nicht solvendo ist, kann der Bürge aus dieser Action, de fidejussoribus conveniendis, belanget werden.

Wann viele Caventen von einem Vormund bestellet worden, oder, wann viele Vormünder seyn, und ein jeder einen besondern Caventen bestellet, so kann ein jeder Bürge in solidum ex administratione tutorum belanget werden, und hat die exceptio divisionis nicht statt.

Es wäre dann (1) daß die Caventen ein gewisses Quantum, wofür sie caviret, benannt hätten: oder (2) die Vormundschaft von der Obrigkeit oder mit derer Bewilligung getheilt wäre, welchenfals dieselbe von einem jeden Tutore nach Proportion die Caution bestellen lassen muß.

Diejenige welche sich nicht ausdrücklich verbürgen, sondern nur den Vormund vorschlagen, oder denselben als tüchtig affirmiren, können nicht eher belangt werden, bis die administrirende Vormünder, deren Erben, und fidejussores expressi, exequirt worden.

§. 48.

Es seyn aber die Bürgen nicht weiter schuldig für den Vormund zu haften, als so lang die Vormundschaft währet, und folglich bloß ratione der Handlungen die der Vormund als Vormund verrichtet.


(1-142) Part. I. Lib. III. Tit. IX. Art. VII.

Wann also der Vormund nach geendigter Vormundschaft ohne Noth, aus freyen Stücken, die Administration continuirt, ist der Bürge dafür zu stehen nicht schuldig; sondern die Obrigkeit muß neue Caution, wann der Vormund die Curatel fortsetzen will, bestellen lassen.

Art. VII.

Wie die Obrigkeit in subsidium belanget werden könne.

(De Magistratibus conveniendis.)

§. 49.

Wann ein Unmündiger dasjenige was ihm der Vormund schuldig bleibt (a) weder von dem Tutore, Protutore, und falso tutore, und deren Erben; noch (b) von dem Bürgen, Nominatore, und Affirmatore und deren Erben; noch (c) von denen welche in fraudem minoris etwas autoritate tutoris &c. an sich gehandelt haben, und actione pauliana belanget werden müssen, wider erhalten kann, so stehet ihm frey seinen Regress gegen die Obrigkeit, wann sie etwas bey Bestellung der Vormundschaft versäumt hat, zu nehmen, und gegen dieselbe actionem tutelae subsidiariam anzustellen.

Woraus dann erhellet, daß die Tutores honorarii, ehe und bevor der Magistrat excutirt worden, nicht belanget werden können.

§. 50.

Es hat also diese Actio statt gegen diejenige Obrigkeiten welche dem Unmündigen keinen, oder nicht bey Zeiten, oder keinen tüchtigen Vormund bestellet, oder nicht vor die tüchtige Caution gesorget, oder die jährliche Rechnung nicht abgenommen, (et)c. und in genere denjenigen Fleiß nicht anwendet haben, welchen gemeiniglich die Richter anzuwenden pflegen: Wann nehmlich dadurch dem Unmündigen ein Schaden zugezogen worden.

Wann die Obrigkeit vorgibt, daß sie die behörige Vorsicht gebraucht, muß sie solches erweisen.

§. 51.

Wann die Obrigkeit aus vielen Personen bestehet, kann gegen einen jeden welcher bey dem Actu, wordurch der Unmündige laedirt worden, gegenwärtig gewesen, pro rata agirt werden. Es wäre dann daß einer allein die Administration geführt hätte, solchenfals kann dieser in solidum belangt werden: welches auch wann das Collegium oder einer davon dolose hierunter gehandelt, statt hat: Es verstehet sich auch von selbsten, daß in dem letzteren Fall gegen dergleichen Obrigkeit das Juramentum in litem statt habe.

§. 52.

Es kann aber dem Magistrat nichts imputirt werden, wann der Cavente zur Zeit der Confirmation solvendo gewesen; oder derjenige, welcher keine Caution aufbringen können, zu der Zeit den Ruhm eines ehrlichen Mannes und guten Wirths gehabt hat: Es wäre dann daß währender Vormundschaft beydes sich geändert, und die Obrigkeit leicht Nachricht davon hätte erhalten können.

§. 53.

Es hat der Pupillus keine stillschweigende Hypothec in der Obrigkeit ihrem Vermögen, folglich auch keine Praeferentz vor andern Creditoribus bey entstehendem Concurs.

§. 54.

Durch diese Action wird die Obrigkeit angehalten allen Schaden zu ersetzen, welchen der Unmündige durch des Vormundes Schuld gelitten; folglich kann dieser alles fodern, was er von dem Vormund actione tutelae hätte fodern können.


(1-143) Part. I. Lib. III. Tit. X.

§. 55.

Wann die Obrigkeit verstorben, können derselben Erben belangt werden; jedoch nur ex dolo & lata culpa defuncti, nicht aber ex levi ejus culpa, das ist, wann der Magistrat nur dasjenige versäumet, was die Obrigkeit gemeiniglich zu beobachten pflegt.

Tit. X.

In welchen Fällen die Vormundschaft aufhöre.

(Quibus modis tutela finiatur.)

§. 1.

Die Vormundschaft endiget sich I. wann die unmündige Knaben ihr 14tes, und die Mägdlein ihr 12tes Jahr völlig zurück gelegt haben.

§. 2.

II. Wann der Unmündige stirbt: Es muß aber der Vormund die Administration so lang beybehalten, bis sich die Erben gemeldet: Und wird er der Verantwortung nicht eher erlassen, bis er nach abgelegter Rechnung die Quittung der gepflogenen Verwaltung von denenselben erlanget.

Es hört auch die Vormundschaft auf, wann der Unmündige von einem andern arrogirt und in dessen väterliche Gewalt gesetzet wird.

III. Wann der Vormund stirbt: Es müssen aber solchenfals dessen testamentarische Erben binnen 4. Wochen, von der Zeit da ihnen des Vormundes Absterben bekannt worden, den Tod ihres Erblassers der Obrigkeit anzeigen, um Bestellung eines andern Vormunds, oder Interims-Curatoris, und um Ansetzung eines Termini zur Abnahme der Rechnung bitten. (Vid. Vit. [= Tit.] praeced. §.    )

Wann die Erben zerstreuet oder unbekannt seyn, muß die Obrigkeit ex officio jemand bestellen, welcher unterdessen dafür Sorge trage daß dem Unmündigen kein Schade zuwachse.

Im Fall keine solche Erben vorhanden, müssen die nächste Verwandten des Unmündigen, oder die Obrigkeit, vor die Administration und Bestellung eines andern Vormundes, oder Curatoris, Abnahme der Rechnung (et)c. sorgen.

IV. Wann der Vormund in die Acht erklähret wird, oder das Stadt- und Bürger-Recht wegen einer Missethat verliehret, oder wann er desertirt, des Landes verwiesen, oder ewig zur Festung oder ins Zuchthaus condemnirt wird.

V. Wann die Condition existirt, oder die Zeit verlaufen ist, mit welcher oder auf welche ein Vormund denen Unmündigen durch ein Testament oder Codicil (dann die Obrigkeit kann dergleichen Condition und Zeit nicht setzet [!]) verordnet worden.

Welchenfals entweder der bisherige, wann er continuiren will und sonst kein Bedencken darbey ist, bleiben, oder ein andrer Vormund von der Obrigkeit bestellt werden muß.

VI. Wann der Vormund rechtmäßige Ursache hat sich zu entschuldigen: oder VII. als verdächtig removirt wird. Von welchen beyden Fällen in denen folgenden Tituln gehandelt werden soll.

VIII. Wann eine Mutter zur zweyten Ehe schreitet, fällt die Vormundschaft auf die nächste Freunde: Wann dergleichen nicht vorhanden, muß sie in der oben festgesetzten Zeit andre Vormünder benennen, welche die Obrigkeit dem Befinden nach bestätigen, allenfals ex officio andre Vormünder bestellen muß.


(1-144) Part. I. Lib. III. Tit. X.

Es wird aber auch der Obrigkeit Gutachten überlassen, ob sie die Mutter, wann sie Rechnung abgelegt und sich mit denen Kindern abgefunden, gegen genugsame Sicherheit bey der Vormundschaft lassen wolle.

IX. Wann der Vormund rasend, oder blödsinnig ist, oder sonst in einen Zustand verfällt daß er seinen eigenen Sachen nicht vorstehen kann: item wann er vor einen Verschwender declarirt wird.

X. Wann ein Vormund nur ad certum actum gegeben wird, hat finito Actu auch die Vormundschafft ein Ende.

Wann aber ein Vormund nur zu einem gewissen Actu gegeben werde, solches ist oben Tit. II. §. 19. angemercket worden.

§. 3.

Wann der Vater oder die Obrigkeit mehrere Vormünder bestellet hat, und einer davon stirbt, muß die Obrigkeit untersuchen ob es nöthig sey den Platz wieder zu besetzen, oder ob dem andern die Administration allein zu überlassen sey.

§. 4.

Wann nach geendigter Vormundschaft der Vormund die Curatel zu übernehmen Bedencken hat, (dann solche zu übernehmen kann er nicht gezwungen werden) muß er den Unmündigen beyzeiten bedeuten, daß er einen Curatorem suchen, und um dessen Bestellung gerichtlich anhalten müsse.

Wann der Unmündige solches nicht thut muß der Vormund wenigstens 4 Wochen vor geendigter Vormundschafft, bey 10. bis 50. Rthlr. Strafe, bey der Obrigkeit 1) anzeigen daß seine Vormundschaft zum Ende lauffe, und 2) bitten daß dem bisherigen Pupillo ein Curator bestellet werden möge. Worzu er (3) die nächste tüchtige Verwandten, oder, wann keine vorhanden, einen oder ein Paar andre ehrliche Leute in Vorschlag bringen muß. Vid. Tit. 13. §. 9. n. 3.

So bald 4) ein Curator bestellet worden, muß er demselben die Schluß-Rechnung, nebst dem Inventario (in welchem ein richtiger Extract aller Zeit währender VorVormundschafft [= Vormundschaft] geführten Rechnungen, nebst einer accuraten Specification der Activ- und Passiv-Schulden, befindlich seyn muß) communiciren. 5.) Terminum zur Abnahme der Rechnung bitten: Unterdessen 6) dem Curatori allen Vorrath an baarem Geld, Getreydig oder andern Mobilien und Moventien nach dessen Confirmation extradiren, und 6)  (= 7.) sich nach abgelegter Rechnung, auf Vorzeigung wie alles überliefert sey, gerichtlich quitiren lassen.

Dahingegen 7) (= 8.) der Minor und dessen Curator schuldig den erweislichen nöthigen nnd (= und) nützlichen Vorschuß (welcher bey Abnahme der Rechnung determinirt werden muß) dem Vormund ohnverzüglich gut zu thun:

Wann 8) (= 9.) die Vormundschafft auf andere Art als pubertate geendiget wird, und daher nicht ein Curator, sondern ein neuer Vormund bestellet werden muß, So ist der vorige Vormund, oder welche sonst nach unserer Ordnung Vormünder vorzuschlagen schuldig seyn, schuldig darum gehörig anzuhalten, worauf es dann mit Ablegung der Rechnung, auch Quittung, und Extradirung des Vermögens eben so gehalten werden soll.

§. 5.

Wann der Vormund binnen 4 Wochen nach geendigter Vormundschaft nicht denuo um Bestellung eines Curatoris anhält, wird er pro Curatore legitimo gehalten, und hat keine weitere Excusation statt; es braucht auch keiner weiteren Confirmation: jedoch muß die Caution aufs neue regulirt werden. Vid. Tit. 13. §. 9. n. 3.


(1-145) Part. I. Lib. III. Tit. XI.

Tit. XI.

Von Abwendung der Vormundschaft, und Entschuldigung derer Vormünder.

(De excusatione tutorum.)

§. 1.

Die Vormundschaft ist ein onus publicum, dessen sich, ausser der Mutter und Groß-Mutter, niemand entschlagen kann, sondern es müssen diejenige, welche sich die Vormundschaft zu übernehmen weigern, durch Zwangs-Mittel darzu angehalten werden.

Es wäre dann daß der Vormund, welcher durch ein Testament, oder von der Obrigkeit benannt, oder Geblütswegen eine Vormundschaft zu übernehmen schuldig ist, rechtmäßige Ursache anführen könte sich von dieser Last zu entbinden.

§. 2.

Es ist aber voraus zu setzen, daß hie nicht die Frage sey von denen, welche entweder gar nicht, oder nicht ohne Unsere Bewilligung, Vormünder seyn können; (und welche Wir oben pag. 104. §. 8. & 9. benannt haben) weil dergleichen Leute keine Entschuldigung nöthig haben, sondern, wann sie sich auch nicht entschuldigen, von keiner Obrigkeit confirmirt werden können.

§. 3.

Es seyn aber einige Ursachen welche den Vormund von einer anzutretenden Vormundschaft entschuldigen: Einige, welche ihn auch von der schon angetretenen dispensiren.

§. 4.

Die Ursachen welche von der anzutretenden Vormundschaft entschuldigen, seyn

I. Wann jemand 5. lebendige ehlige Kinder hat (worunter aber die Enckel nicht gerechnet werden können): Unter die lebendige Kinder werden auch diejenige gerechnet, welche in Unsern Diensten in einer Rencontre oder Bataille ihr Leben verlohren.

Wann nach übernommener Vormundschaft das 5te Kind gezeuget wird, kann der Vormund sich dieserwegen nicht entschuldigen.

II. Wann die benandte Vormünder unter 25. oder über 70 Jahr alt seyn.

III. Alle Geistliche welche würcklich mit einer Seelen-Cur beladen seyn: Es wäre dann daß es eines Priesters Kind betreffe.

IV. Die auf Unsern Universitaeten und Gymnasiis salarirte, und würcklich lehrende ordentliche Professores: (welches Privilegium also auf die Professores extraordinarios, und Doctores legentes, nicht extendirt werden kann) es wäre dann daß ihnen die Vormundschaft über ihrer Collegen Kinder aufgetragen werde.

V. Alle Schul-Collegen welche in öffentlichen Schulen die Zeit zur Information der Jugend anwenden müssen.

VI. Wann jemand, insonderheit in Herrschaftlichen Affairen, lange abwesend ist, und ungewiß ist wann er wieder kommen werde: (welches auch auf diejenige Bedienten extendirt wird, welche z. e. einem Gesandten zugegeben, oder von ihm angenommen werden.)

VII. Wann jemand extra forum domicilii zum Vormund durch ein Testament benennet, oder als nächster Agnatus lege darzu beruffen wird.

VIII. Wann der zu bestellende Vormund weder lesen noch schreiben kann: item wann er dasjenige Negotium was er administriren soll nicht verstehet, als wann z. E.


(1-146) Part. I. Lib. III. Tit. XI.

ein Gelahrter denen Kindern eines Kaufmanns, der einen grossen und weitläuftigen Handel führet, vorgesetzet werden soll.

IX. Wann jemand schon mit dreyen Vormundschaften beladen ist.

Es wird aber erfodert daß die drey Vormundschaften wahre und würckliche Vormundschaften seyn, welche eine Administration erfodern, und worüber eine ordentliche Rechnung geführt wird.

Wann also eine oder zwey von diesen Vormundschaften arme Kinder betrifft, welche wenig oder nichts im Vermögen haben; oder, wann die Revenues in blosser Einnahme der Zinsen (et)c. bestehen, so kann sich der Vormund nicht entbrechen die vierdte Vormundschaft zu übernehmen: Welches auch statt hat wann jemand blos drey Tutelas honorarias über sich genommen; oder eine von denen dreyen Vormundschaften bald zu Ende gehet.

Unter die drey Vormundschafften werden auch gerechnet, wann der Vater seiner Kinder erkleckliches Vermögen administriret.

Solte sich aber finden, daß eine oder zwey Vormundschaften so wichtig und weitläuftig seyn daß der Vormund genugsam damit zu thun hat, (welches er durch Production des Inventarii und der Rechnung bescheinigen muß) kann derselbe nicht angehalten werden die zweyte oder dritte zu übernehmen.

X. Kaufleute welche einen grossen Handel treiben, folglich mit ihrer eigenen Administration und Rechnungen zu thun haben: ausser wann die Vormundschaft andrer Kaufleute Kinder betrifft.

XI. Schiffer, welche Waaren von einem Ort zum andern fahren, und nicht beständig an einem Ort gegenwärtig seyn.

XII. Wann jemand ein solches Leibes Gebrechen an sich hätte, daß er seinen eigenen Schaden vorzustehen gehindert wird: als wann er blind, stumm, taub, oder mit einer langwierigen Kranckheit, oder mit der schweren Noth befallen, oder mit dem Aussatz behaftet ist.

XIII. Wann der Unmündige 10. Meilwegs von des Vormunds Domicilio entfernet ist.

XIV. Wann ein Vormund bloß ad certum actum, oder ad tempus, oder einer gewissen Sache, zum Vormund bestellet wird.

XV. Wann jemand lang in Herrschaftlichen Verrichtungen abwesend gewesen, kann derselbe bey seiner Zurückkunft sich in dem ersten Jahr, aber nicht weiter, entschuldigen.

§. 5.

Wann wegen dieser Ursachen einige Contradiction und Streit entstehen solte, muß der Richter darüber erkennen, und der Fiscus den Pupillum vertreten.

§. 6.

Es kann sich aber 1) derjenige nicht entschuldigen welcher dem Defuncto versprochen, oder nach dessen Tod einmahl declarirt hat, die Vormundschaft anzunehmen: wie dann auch 2) ein Sohn welcher von seinem Vater zum Vomund (= Vormund) benennet wird, ohne alle Entschuldigung die Vormundschaft annehmen muß.

Wann 3) der Testator demjenigen welchen er zum Vormund seiner Kinder benannt ein Legatum vermacht, und derselbe das Legatum annimmt, kann dieser sich weiter nicht entschuldigen.

Not. Wann er aber vor Annehmung des Legati sich entschuldiget, muß er zwar damit gehört werden, er verliert aber alsdann das Legatum.


(1-147) Part. I. Lib. III. Tit. XI. XII.

§. 7.

Wann auch jemand würcklich eine Vormundschaft angetreten hat, so kann er sich davon loß machen, folglich hat die Vormundschaft ein Ende.

I. Wann er in Herrschaftlichen Affairen verreiset, und allem Vermuthen nach Jahr und Tag ausbleiben dürfte.

II. Wann der Vormund auf Befehl des Landes-Herrn, oder mit dessen Einwilligung (wann er nemlich weiß daß er Vormund ist,) sein Domicilium mutirt.

III. Wann der Vormund in einen solchen Stand geräth, daß er seinen eigenen Sachen nicht vorstehen kann. Vid. §. 9. n. 12.

IV. Wann sich ein solcher Casus eräugnet, welcher den Vormund entweder gar unfähig macht eine Vormundschaft zu übernehmen, oder ohne Unsere oder Obrigkeitliche Bewilligung solche anzutreten. Vid. pag. 104. §. 8. & 9. So muß er, wann er nicht pro falso tutore will gehalten werden, binnen 14 Tagen solches gerichtlich anzeigen, und um seine Dimission, und Bestellung eines andern Vormundes anhalten, oder wann Unsere Bewilligung nöthig ist, solche beyschaffen.

§. 8.

Es stehet keinen Vormund frey bloß davon, daß er zum Vormund benennet worden, zu appelliren; sondern er muß die Causas excusationis bey demjenigen Richter welche ihn zum Vormund benennet binnen 4 Wochen, von der Zeit da er solches erfahren, oder in dem Termino in welchem er ad praestandum praestanda citirt worden, vorstellen.

§. 9.

Alle Entschuldigungs-Ursachen müssen auf einmahl vorgebracht, und nachher (auch nicht in der Appellations-Instantz) keine andre mehr angenommen werden.

§. 10.

Wann der Richter die Ursachen zureichend findet, wird der benante Vormund dimittirt; und müssen diejenige, welche schuldig seyn Vormünder zu bitten oder zu bestellen, andre tüchtige Subjecta vorschlagen oder bestellen.

§. 11.

Wann die Ursachen von der Obrigkeit unerheblich gefunden werden, und der Vormund per sententiam condemnirt wird die Vormundschaft zu übernehmen, soll ihm zwar die Appellation verstattet, und unterdessen ein Curator, wann es nöthig, bestellet werden; Wann aber Confirmatoria erfolget, ist der Vormund schuldig a tempore delatae tutelae vor allen aus dessen Verzögerung entstandenen Schaden, und so gar auch vor das Factum Curatoris, zu stehen.

§. 12.

Es muß über die Causas excusationis niemahls schriftlich verfahren, sondern sie müssen wann sie zu weitläuftig seyn solche in Termino vorzutragen, loco oralis von 3 zu 3 Tagen verwiesen werden.

§. 13.

Es soll in dergleichen Entschuldigungs-Sachen niemahls die dritte Instantz verstattet werden, die beyde Urthel mögen conform seyn oder nicht.

Tit. XII.

Von verdächtigen Vormündern und deren Remotion.

(De suspectis tutoribus.)

§. 1.

Es wird die Vormundschaft auch geendiget, wann der Vormund als verdächtig angeklagt, und durch Urthel und Recht von der Vormundschaft removirt wird.


(1-148) Part. I. Lib. III. Tit. XII.

§. 2.

Es werden aber diejenige Vormünder vor verdächtig gehalten, welche die Persohn des Unmündigen, und dessen Vermögen, nicht nach Eyd und Pflichten beschützen, und ihr Amt nicht mit allem Fleiß und Treue abwarten: Als z. e. wann sie vor des Unmündigen Erziehung und Nahrung nicht sorgen; wann sie einer angefallenen lucrativen Erbschaft renunciren; wann sie etwas dolose oder mit Betrug von des Pupillen Güthern unterschlagen oder entfremden; wann sie desselben Güther ohne Erkänntniß und Decret zu alieniren, zu beschweren oder zu verändern sich unterstehen; desgleichen wann sie kein Inventarium verfertigen; ohne Confirmation die Vormundschaft antreten, (et)c.

Wann der Vormund bloß in Armuth geräth, kann er dieserwegen nicht removirt, sondern es muß denselben ein andrer Vormund adjungirt werden: Es wäre dann daß die Obrigkeit zum Besten und Sicherheit des Pupilli ein anders disponirte.

§. 3.

Es stehet einem jeden frey dergleichen Vormünder als verdächtig anzuklagen oder zu denunciren; und sollen auch die Weibs-Leute, nicht weniger minderjährige, ja auch selbst ein removirter Vormund gegen die gegenwärtige Tutores nicht ausgeschlossen werden.

§. 4.

Hingegen seyn etliche Personen schuldig die Vormünder als verdächtig anzuklagen: als (a) die Contutores, (b) die Tutores honorarii, (c) wann solches niemand thut, die Obrigkeit ex officio, (d) die fiscalische Bedienten, wann sie Nachricht von dergleichen üblen Administration erhalten.

§. 5.

Es können als verdächtig accusirt werden alle Vormünder, sie mögen Testamentarii, Legitimi oder Dativi seyn.

§. 6.

Der Richter muß die causas suspicionis wohl überlegen, den Vormund summariter mit seiner Verantwortung vernehmen, und dem Befinden nach denselben sofort von der Administration suspendiren, oder ihm einen Curatorem adjungiren, welches letztere bey denen Legitimis Tutoribus, wann die indicia nicht gar zu starck seyn, geschehen soll: Und hat von dergleichen Interims-Verordnung kein Remedium statt.

§. 7.

Wann nach gehaltener Untersuchung sich finden sollte, daß der Vormund bloß levem culpam begangen, daß ist denjenigen Fleiß nicht angewandt welchen gute Hauswirthe gemeiniglich anzuwenden pflegen, so kann derselbe nicht als verdächtig removirt werden, sondern er muß actione tutelae zu Ersetzung des Schadens angehalten werden.

Wann aber der Vormund per latam culpam dem Unmündigen übel vorstehet, das ist, wann er dasjenige bey seiner Administration versäumet, was auch die schlechte Haushalter zu beobachten pflegen, so kann er dieserwegen removirt werden.

Im Fall er aber dolo, das ist, aus Vorsatz und Boßheit übel wirthschaftet, so muß er nicht allein removirt werden, sondern er ist auch ipso jure vor infam zu achten, und muß überdem arbitrarie bestraft werden; Es wäre dann daß der Vormund ein Anverwandter gewesen, welchenfals derselbe mit der infamia und der Strafe zu verschonen.

§. 8.

Wann der per sententiam constituirte Vormund sich der Vormundschaft nicht unterziehen will, oder, wann er aus Boßheit wider die Wahrheit vorgiebt, daß der Unmündige nichts habe worvon er unterhalten werden könne, und daher nicht für den Unterhalt des Unmündigen sorget (et)c. so soll dieser in des Vormundes Güther immittirt, daraus gratis ernehret, und zu dem Ende ihm ein Curator constituirt werden: welcher unterdessen auf die Person und das Vermögen des Pupilli Achtung geben, dasjenige was nicht conservirt werden kann verkaufen soll (et)c. und bleibt der widerspenstige Vormund dem ohngeacht in nexu.

Wann die Obrigkeit nöthig findet diesen wiederspenstigen Vormund zu removiren,


(1-149) Part. I. Lib. III. Tit. XII. XIII.

und einen andern zu bestellen, soll ihr solches frey stehen, und muß es alsdann mit ihm, wie mit andern dolo remotis gehalten werden.

§. 9.

Damit aber ein jeder wissen möge ob der Remotus infam sey oder nicht, so soll jederzeit die Ursache, warum jemand der Vormundschaft entsetzet sey, der Sententz mit einverleibt werden.

Da es aber nicht geschicht, wird praesumirt daß die Remotio mehr ex lata culpa als aus Bosheit, Vorsatz und Untreue geschehen sey; daher soll ihm die Remotion an seinem Ehren, Güthern und Nahmen nicht schädlich seyn.

§. 10.

Diese Accusatio muß bey denen ordentlichen Gerichten, wo die Confirmatio geschehen, angestellet werden, wann schon denenselben die Criminal-Jurisdiction nicht zustehet.

§. 11.

Es höret diese Accusatio suspecti auf 1) wann währender Inquisition die Vormundschaft zu Ende gehet, oder 2) der Vormund vor dem Urthel verstirbt. In beyden Fällen aber bleiben dem Unmündigen finita tutela die Actiones tutelae vorbehalten.

Tit. XIII.

Von der Curatel der Unmündigen, und andrer die sich selber nicht vorstehen können.

(De Curatoribus & Cura.)

§. 1.

Wann ein Unmündiger seine mündige Jahre erreichet, das ist, wann das Mägdgen 12. und die Knaben 14. Jahr alt worden, so hat die Vormundschaft ein Ende. Vid. Tit. X. §. 1.

Es kann aber der Mündige dieserwegen nicht selber die Administration seiner Güther übernehmen, sondern es muß ihm, so lang er die 25. Jahr nicht zurück gelegt, ein Curator bestellet werden.

§. 2.

Es muß aber nicht allein denen Minderjährigen ein Curator bestellet werden, sondern es seyn auch einige Fälle, wo denen majorennen Curatores zu bestellen nöthig ist, als

1.) Wann ein Mensch blödsinnig oder seiner Sinnen beraubt wird.

2.) Wann jemand durch Urthel und Recht, oder decreto principis, pro prodigo declarirt wird: Welchenfals derselbe die Administration sofort verlieret, wann er auch schon von dem Urthel appelliret.

3.) Denenjenigen welche durch einen Zufall taub und stumm werden.

4.) Wann jemand lange Zeit abwesend, und dessen Aufenthalt unbekant ist.

5.) Wann eine Erbschaft sich eröfnet, der Erbe aber noch zur Zeit unbekant, oder derselbe sich noch nicht declarirt hat.

6.) Wann ein Concurs entstehet, muß der Massae bonorum ein Curator bestellet werden.

Es seyn auch einige Fälle, wo auch denen Unmündigen, welche mit einem Vormund versehen seyn, ein Curator muß bestellet werden.


(1-150) Part. I. Lib. III. Tit. XIII.

Ausser denen oben Tit. II. §. 19. angeführten Fällen ist solches nöthig 1) wann der Vormund währender Vormundschaft Creditor oder Debitor des Pupilli wird, oder 2) Wann der Vater seinen Creditoren oder Debitorem dem Sohn zum Vormund bestellet. In beyden Fällen wird wegen dieser Schuld ein besonderer Curator verordnet.

§. 4.

Es wird auch öfters denen Unmündigen und Minderjährigen, welche unter der väterlichen Gewalt stehen ein Curator zugegeben, als:

1.) Wann der Vater zur zweyten Ehe schreitet, und mit seinen Kindern Richtigkeit machen will. Vid. pag. 51. §. 24.

2.) Wann der Vater rasend, blödsinnig, oder pro prodigo declarirt, und demselben ein Curator gesetzet wird, muß dieser auch der minderjährigen Kinder Jura respiciren.

3.) Wann ein Fremder dergleichen Kindern etwas vermacht, kann er in der Disposition zugleich denenselben einen Curatorem bestellen. Vid. pag. 107. §. 2.

4.) Wann der Vater mit derer Kinder Eigenthum und Vermögen übel haushält.

5.) Wann der Vater mit der Kinder Vermögen nichts zu thun haben will, muß er dafür sorgen daß denenselben ein Curator bestellet werde.

§. 5.

Der Ehmann ist kein ehliger Curator von seiner Frauen, wann sie auch schon minorenn ist, sondern sie bleibet unter der Direction ihres ordentlichen Curatoris.

Wann sie 25. Jahr erreichet, kann sie ohne Consens ihres Ehmannes völlig von dem Ihrigen disponiren.

§. 6.

Die Curatel ist eine Macht und Gewalt die Güther desjenigen, welcher wegen seines Alters, oder andrer oben angeführten Ursachen, seinem Vermögen nicht vorstehen kann, zu administriren und zu curiren.

Ob nun zwar die Curatel hauptsächlich nur wegen der Güther des Minderjährigen constituirt wird, so ist er doch zugleich auch schuldig auf die Person Achtung zu geben, und vor deren Erziehung zu sorgen, daher auch keiner ohne des Curatoris Consens heyrathen kann.

§. 7.

Es fliesset die Curatel eben als wie die Tutel aus der Vernunft und natürlichen Billigkeit. Vid. pag. 103. §. 1. 2. 3.

§. 8.

Die Curatores werden, eben wie die Tutores, entweder (a) durch einen letzten Willen benennet, oder es müssen (b) die nächste Bluts-Freunde die Curatel übernehmen, oder die Obrigkeit muß (c) dieselbe bestellen. Vid. supr. Tit. 3. 4. & 5. Daher die Curatel, eben wie die Tutel, dreyfach ist, Testamentaria, Legitima, und Dativa.

§. 9.

Alles was bey denen Vormundschaften recht ist, gilt auch bey denen Curatoren, daher können I.) alle diejenige welche entweder gar nicht, oder nicht ohne Unsere oder Obrigkeitliche Einwilligung eine Vormundschaft übernehmen können, auch keine Curatel übernehmen. Vid. pag. 104. §. 8. 9.

II.) Wegen auswärtigen oder ausser der Jurisdiction wohnenden Curatorum muß es wie bey dergleichen Vormündern verordnet ist gehalten werden. Vid. pag. 105. §. 12. seq.

III.) Alle diejenige, welche um einen Vormund anhalten müssen, seyn auch schuldig um einen Curatorem anzuhalten: hauptsächlich aber liegt dem gewesenen Vormund ob, wann die Vormundschaft zu Ende gehet, den Unmündigen bey Zeiten zu erinnern daß er nach geendigter Vormundschaft selbst einen Vormund ausbitten müsse. Wann


(1-151) Part. I. Lib. III. Tit. XIII.

der Unmündige solches nicht thut muß der Vormund gleich nach geendigter Vormundschaft gerichtlich kund machen, daß er die Curatel nicht continuiren wolle, und zugleich bitten, daß dem nunmehro Minderjährigen ein Curator bestellet werde, auch zu dem Ende entweder die nächste Agnatos, oder, wann dergleichen nicht vorhanden, ein Paar andre ehrliche Leuthe vorschlagen. Vid. pag. 144. §. 4.

Not. Wann der Vormund nichts declarirt, sondern die Curatel continuirt, braucht es keine anderweitige Confirmation. Die Caution aber muß aufs neue regulirt werden. Vid. pag. 144. §. 5.

IV.) Alles was die Vormünder vor Antretung der Vormundschaft zu praestiren schuldig seyn, darzu seyn auch die Curatores verbunden. Vid. pag. 117. §. 1. seq.

V.) Die Curatores müssen, eben wie die Tutores, vor die Erziehung der Kinder, und Administration der Güther, sorgen und jährlich Rechnung ablegen. Vid. pag. 119. art. 1. pag. 121. Art. 2. pag. 177. Art. 3.

VI.) Gleichwie die Tutores alles allein und ohne Einwilligung des Pupilli thun und verrichten können, also auch die Curatores. Vid. pag. 122. §. 27.

Not. Wann die Minderjährige selbst etwas disponiren, interponirt der Curator nicht autoritatem, sondern gibt bloß seinen Consens darzu, folglich supplirt er nicht den Verstand, sondern nur lubricum aetatis. Vid. pag. 130. §. 3.

VII.) Der Minor kann ex facto Curatoris, eben wie der Pupillus ex facto Tutoris acquiriren, agiren und belanget werden. Vid. supr. Tit. VII.

VIII.) Alle Actiones welche dem Pupillo wider den Tutorem, Protutorem, falsum tutorem, deren Bürgen, und aller dieser Leute Erben, und endlich gegen die Obrigkeit, & vice versa verstattet werden haben auch gegen die Curatores statt. Vid. supr. Tit. IX.

IX.) Die Curatel wird auf eben die Art wie die Vormundschaft geendiget, ausser daß die erstere mit dem letzten Tag des 25. Jahres aufhöret.

X.) Es wird die Curatel überdem auf eine besondere Art geendiget: wann nemlich ein Minderjähriger veniam aetatis erhält.

Hierzu wird aber erfodert a) daß die Manns-Person 20 Jahr, und die Frauen-Person 18 Jahr zurück gelegt habe.

Sie müssen b) ein Attest von ihrer Obrigkeit beybringen, daß sie von guten Verstand und Wandel, folglich im Stand seyn sich selbst vorzustehen:

Zu welchem Ende c) die Obrigkeit sowohl bey dem Curatore als dessen nächsten Verwandten genaue Erkundigung einziehen, und die schriftliche Attestata beylegen muß. Wann

d.) Die Person in Diensten stehet, muß sie auch von dessen commandirenden Officier, oder von ihrer Herrschaft ein Zeugniß von ihrer guten Wirthschaft beybringen.

Wann e) der Minderjährige veniam aetatis erhält, kann derselbe alles in- und ausserhalb Gerichts ohne Curatore verrichten thun und lassen. Ausser daß er seine Immobilia nicht veräussern kann, ohne alle die Solennitaeten zu adhibiren welche bey Veräusserung der Unmündigen Güther nöthig seyn: allermassen die Curatel ratione der unbeweglichen Güther nach wie vor subsistirt.

Wann f) ein Minor durch die erhaltene veniam aetatis laedirt worden, kann er zwar restitutionem in integrum dargegen suchen, und zu dem Ende um die Continuation des vorigen, oder Bestellung eines neuen Curatoris Ansuchung thun: Es müssen aber die von ihm qua majore geschlossene Handlungen und Actus in ihrer Kraft


(1-152) Part. I. Lib. III. Tit. XIII.

bleiben, damit derjenige welcher bona fide mit einem der von uns pro majori declarirt worden, gehandelt hat, nicht autoritate publica verkürtzet werde.

Wann g) derjenige der veniam aetatis erhalten gegen die Actus, welche von dem Minore consensu Curatoris, oder von dem Curatore allein gerirt worden, wegen erweislicher Laesion restitutionem in integrum suchen will, muß er solches binnen 4 Jahren a tempore impetratae veniae suchen: Wann er aber wider die erhaltene veniam selbst in integrum restituirt wird, fangen die 4 Jahre erst von dem Ende des 25ten Jahrs an zu lauffen.

Weil Wir auch h) durch ein besonderes Edict die von Adel männlichen und weiblichen Geschlechts, wann sie das zwantzigste Jahr erreichet, vor majorenn erklährt haben, so können sie diesen Terminum nicht verkürtzen, noch vor dem zwanzigsten Jahr weiter veniam aetatis bitten.

Es gehet aber auch dieses Beneficium nicht auf die unbewegliche Güther, massen ratione dieser die Curatel auch bey denen Adlichen nach wie vor subsistirt.

XI.) Der Curator kann aus eben denen Ursachen sich von der Curatel excusiren, welche denen Vormündern zu statten kommen. Vid. Tit. XI.

Ausser diesen Ursachen aber ist noch eine justa a cura excusandi causa, wann derjenige, welcher Tutor gewesen, sich weigert die Curatel zu continuiren. Vid. pag. 144. §. 4.

XII.) Es kann auch ein Curator aus eben denen Ursachen von der Curatel removirt werden, welche zur Remotion des Vormundes zureichend seyn: Vid. Tit. XII. und ist etwas besonders, daß der Curandus selber, jedoch mit Approbation seiner nächsten Freunde den Curatorem als verdächtig accusiren kann, welches dem Pupillo nicht erlaubt ist.

XIII.) Gleichwie ein Tutor wann er verhindert wird, einen Actorem auf seine Gefahr bestellen kann, welcher im Nahmen des Vormundes handelt, also stehet diese Freyheit auch dem Curatori zu. Vid. pag. 123. §. 33.

XIV.) Gleichwie auch ferner das gantze Vermögen des Vormundes dem Unmündigen, wann es nicht eingetragen ist, zur stillschweigenden Hypothec haftet, vid. pag. 136. §. 9. n. 6. also hat es mit des Curatoris Vermögen gleiche Bewandtniß.

§. 10.

Wann der Curandus großjährig, das ist 25 Jahr, oder, wann es einer von Adel ist, 20 Jahr alt worden, folglich die Curatel geendiget ist, muß der Curator (1) binnen 4 Wochen demselben die Schluß-Rechnung (worbey nicht allein das Inventarium, sondern auch ein richtiger Extract aller währender Vormundschaft geführten Rechnungen, nebst einer accuraten Specification der Activ- und Passiv-Schulden befindlich seyn muß) communiciren, (2) Terminum zur Abnahme der Rechnung mit ihm verabreden, oder gerichtlich suchen: Worauf dann (3) wie oben bey den Vormundschaftlichen Rechnung verordnet ist verfahren werden muß. Vid. pag. 142. §. 4.

Wann aber die Curatel auf andre Weise, als durch die Majorennitaet, geendiget wird, so muß der abgehende Curator und dessen Erben nicht dem Curando, sondern dem neuen Curatori die Rechnung ablegen, und das Vermögen überliefern.

d. §. 4. n. 8.

Ende des ersten Theils.


(1-153) Beylagen.

Beylagen ad Libr. III.

No. 1.

ad pag. 118. §. 9.

Forma, wie ungefähr die Inventaria zu stellen.

Inventarium aller liegenden und fahrenden Haab- und Güter, was weyland N. N. nach seinen Absterben hinterlassen, und seinen Kindern N. N. N. N. zu ihren gebührenden Theil worden, deren geordneten Vormündern N. uud (= und) N. geliefert, durch N. in Beyseyn N. N. der Kinder nähesten Anverwandten, geschehen auf N. Tag, Anno

Und 1. an liegenden Gründen und Gild-Briefen.

Unter diesem Titul gehören Hauß, Hoff, Acker, Mühlen, Gärten, Wiesen, Teiche, Wein-Gärten, Kohten, Pfannen oder Sool-Güter, samt deren Eigenthum, und dergleichen, jedes mit seinen Zubehörungen, auch Kauff- und andern Briefen, solche Stücke besagend, und darauf die Gild-Briefe mit ihren Haupt-Summen und jährlichen Zinsen zu verzeichnen.

2. An Fährniß, Geld und Baarschaft.

Hierunter alle Baarschaft an Gold und Silber in specie zu mercken, und wie hoch eines jeden Werth angeschlagen.

3. An Gold, Kleinodien, Ringen und Silber-Geschirr.

Nota: Alles Gold- und Silber-Geschirr ist von Stück zu Stück zu wägen, und das Gewicht nebst der Güte aufzuschreiben.

4. An Zinnen, Meßing, und Kupfern Gefäß.

Nota: Dieses alles soll, neben der Beschreibung gewogen werden. An Kleidern, Betten und deren Zugehör, Leinen und andern Gewandt, auch allerhand Haußrath ingemein.

Und wo zu Zeiten die Verlassenschaft etwas ansehnlich, als da man Kelter, Geschirr, auch Anzahl Fassung hat, sollen darüber sonderliche Titul gemacht, und wie solches im Keller auf denen Lägern, auch der sonderbare Hausrath von Gemachen zu Gemachen beschrieben werden, desgleichen wo Pferde, Rind- Schweine- Schaaf- und ander Vieh, oder auch Wagen und Geschirr vorhanden, deren jedes besonders zu verzeichnen.

5. An Wein, Bier, Korn, Weitzen, Gersten und Hafer.

Nota: Ein jedes unter seinem Titul zu setzen, so wol auch was vom Heu, Stroh, Fleisch, Speck, Butter, Käse und dergleichen Küchen-Speise und andern Dingen vorhanden seyn mag.


(1-154) Beylagen.

6. An aussenstehenden Schulden.

Ist zu verzeichnen, was bey der Inventirung oder der Theilung fürkommt und angebracht wird, oder sich sonsten befindet, das denen Pflege-Kindern an Activ-Schulden zuerkant, wie, wo und bey wem das aussenstehe? Wann auch wissentliche Passiv-Schulden vorhanden, sollen dieselben gleichfals zu dem Inventario mit aufgezeichnet werden.

No. 2.

ad pag. 121. §. 23.

Edict wider den Mißbrauch des Studirens.

Nachdem Se. Königl. Majest. in Preussen (et)c. (et)c. Unser allergnädigster König und Herr erwogen, was gestalt bereits von vielen Zeiten her geklaget worden, daß die Studia in allen Facultäten dadurch in Abgang und fast in Verachtung gerathen, weilen ein jeder bis auf Handwercker und Bauren seine Söhne ohne Unterscheid der Ingeniorum und Capacität studiren und auf Universitäten und hohen Schulen sumptibus publicis unterhalten lassen will, da doch dem Publico und gemeinen Wesen vielmehr daran gelegen, wann dergleichen zu denen Studiis unfähige Ingenia bey Manufacturen, Handwerckern und der Militz, ja gar bey dem Ackerbau nach eines jeden Condition und natürlicher Zuneigung angewendet, und sie dergestalt ihres Lebens Unterhalt zu verdienen unterwiesen würden. Als seynd Se. Königl. Majestät aus Landesväterlicher treuer Vorsorge veranlasset worden, dahin bedacht zu seyn, welchergestalt solchen Inconvenientzien remediret, die Studia in vorigen Werth gebracht und das Commodum publicum befordert werden möge, zu welchem Ende Se. Königl. Majest. hiermit und Kraft dieses verordnen, auch zugleich allen und jeden Magistraeten in Städten und fürnemlich denenjenigen, sowol Geistlichen als Weltlichen welchen die Aufsicht der Schulen anvertrauet ist, allergnädigst und ernstlich anbefehlen, auf die Jugend in selbigen fleißig acht zu haben, solche selbsten zum öftern zu visitiren, unter denen Ingeniis welche zu denen Studiis sich wohl anlassen und von ihrer Fähigkeit gute Proben geben, einen Selectum zu machen, und diesen zwar in ihren Zweck beforderlich zu seyn, diejenigen aber, welche entweder wegen Stupidität, Trägheit oder Mangel des Lustes und Triebes, oder auch andern Ursachen zum Studiren unfähig seynd, in Zeiten davon ab- und zu Erlernung einer Manufactur, Handwercks oder andern redlichen Profession anzuweisen, selbige auch nicht weiter als fürnehmlich in dem wahren Christenthum und Fundament der Gottesfurcht, dann auch im Lesen, Schreiben und Rechnen unterweisen und informiren zu lassen, damit nicht, wie es sich wol zuträget, Schüler von 20. bis 30. Jahren dem Publico und ihnen selbst zur Last, und den Informatoren zur Verkleinerung erfunden werden mögen. Hieran geschiehet Unser ernstlicher Wille und Meynung. Signatum Charlottenburg, den 25. Augusti 1708.

L. S. Friderich.

Graf v. Wartenberg.


(1-155) Beylagen ad Lib. III.

No. 3.

Ad pag. 127. §. 48.

Zweyten Jahres.

Vormundschafts-Rechnung, über N. N. nachgelassenen Sohnes Vermögen.

von Anno    bis wieder dahin Anno    geführet durch N. N.

Extract Inventarii

Was bey Schliessung voriger Rechnung noch vorhanden gewesen und zum weitern Fuß dienen muß.

Thlr. | Gr. | Pf. | 1. Capitalia so ausstehen.

1000 | - | - | (a) Laut Obligation von N. N. dat. den .. Nov. Anno … à 5. pro Cent

100 | - | - | (b) vor verkauften Pacht Rocken an N. bevorstehende Ostern fällig

19 | 12 | - | (c) Bey N. wegen empfangener …. laut des Erblassers Handels-Buchs.

250 | - | - | (d) Capital, bey N. laut Obligation von …. zu 5 pro 100.

1000 | - | - | (e) bey N. N. de dato zu 6 pro Cent.

3000 | - | - | (f) bey N. N. von dato zu 5. pro Cent.

2000 | - | - | (g) nebst 15. jährigen Zinsen à 5 pro Cent laut Obligation von N. de dato …… so im Concurs-Process stehen.

7369 | 12 | - | Summa

2. An Immobilien.

(a) … Huffen Landes wovon jährlich 4 Winsp. Rocken fallen.

(b) Das Guth zu N. so verpachtet jährlich zu 600. Thlr.

(c) Das dem Curando voraus vermachte Haus zu … so vermiethet vor 50. Thl.

(d) Noch ein Haus belegen zn (= zu) ….. so aber in schlechten Stande und nur jährlich Miethe getragen 15. Thlr. (Hat jetzo nicht können vermiethet werden.)

(e) Vermöge Erbtheilung von … soll Curandus zu …. haben 2 Huffen Landes und eine Wiese, so aber erst müssen ausgeleihet werden.

An Mobilien,

So zu verkauffen ist bey Schluß voriger Rechnung nichts geblieben.


(1-156) Beylagen ad Lib. III.

Soll einkommen. | Einnahme an Bestand mit Retardaten des vorigen Jahres. | Ist einkommen. | Bleibt Rest.

Thl. | gr. | pf. |    | Thl. | gr. | pf. | Thl. | gr. | pf.

100 | - | - | an baaren Bestande. | 100 | - | - | - | - | -

7369 | - | - | an ausstehenden Capitalien.

an gangbahren Zinsen.

an Korn-Pacht.

an Pacht vom Gute.

an Haus-Miethe.

Anno

Einnahme an ausgestandenen Capitalien und andern Activ-Schulden.

Thl. | gr. | pf. |    | Thl. | gr. | pf. | Thl. | gr. | pf.

1000 | - | - | Vermöge an des Pfleg-befohlenen Erblasser ausgestellten Obligation de dato den - - Nov. Anno - - - hat der Debitor N. N. in termino, besage der unter der Obligation No. - - - verzeichneten Quittung, bezahlet das Capital - - | 1000 | - | - | - | - | -

50 | - | - | Für jährige Zinsen à 5. pro Cent weshalben bis solche noch bezahlet, die Obligation zurück genommen. | - | - | - | 50 | - | -

100 | - | - | Für im vorigen Jahre verkaufften Pacht-Roggen, der Winsp. zu 25. Thlr. in abgehandelten Zahlungs-Termin, Ostern dieses Jahres, vermöge des Schuldners N. N. drüber ausgestelleten …. lichen Scheins, und dessen drunter befindlichen eigenhändigen Unterschrifft über die Zurückgebung des Originals bey geschehener Zahlung. De dato … rub. n. … | 100 | - | - | - | - | -

19 | 12 | - | Von N. N. den - - - für empfangene ….. besage des Erblassers Handels-Buch von anno … fol. - - | 19 | 12 | - | - | - | -

1169 | 12 | - |    | 1119 | 12 | - | 50 | - | -


(1-157) Beylagen ad Lib. III.

Anno

Soll einkommen. | Einnahme an Zinsen von Capitalien so ausstehen. | Ist einkommen. | Bleibt Rest.

Thl. | gr. | pf. |    | Thl. | gr. | pf. | Thl. | gr. | pf.

12 | 12 | - | Von 250. Thlr. Capital, so der Erblasser an N. N. laut Obligation rub. N. - - - - den - - - gegen 5. pro Cent zinsbar ausgeliehen, und unter denen guten Activ-Schulden, diesem Curando N. N. bey der Theilung den - - - Anno - - - rub. N. - - zugefallen - - - | - | - | - | 12 | 12 | -

60 | - | - | Von 1000. Thlr. Capital so im abgewichenen Jahre, mit Consens des Magistrats zu N. N. gegen 6. pro Cent zinßbar auf 3. Jahr an N. N. laut Gerichtl. Obligation von - - rub. No. - - ausgeliehen, ist in Termino bezahlet. | 60 | - | - | - | - | -

150 | - | - | Von 3000. Thlr. Capital so gleichfals mit Consens an N. N. auf dessen Lehn-Gut N. N. vermöge Obligation, von - - - mit Lehns-Herrn Consens vom - - - rub. Nris. - - - gegen 5. pro Cent zinßbar ausgethan. | 150 | - | - | - | - | -

222 | 12 | - |    | 210 | - | - | 12 | 12 | -

Anno

Einnahme-Geld für verkauftes Pacht-Korn.

Thl. | gr. | pf. |    | Thl. | gr. | pf. | Thl. | gr. | pf.

    | - | - | Für 4. Winsp. Roggen als die Helffte von der vermöge Erb-Register von N. N. jährlich fallenden und beyden Brüdern in gleichen Theilen zustehenden Pacht, so nach Marckt gedungenen Preiß besage Contract Marckt-Buchs zu N. N. den 20. Novembr. verkaufft. | 64 | - | - | - | - | -

64 | - | - |    | 64 | - | - | - | - | -


(1-158) Beylagen. ad Lib. III.

Anno

Soll einkommen. | Einnahme Arrende-Gelder und Hauß-Miethe. | Ist einkommen. | Bleibt Rest.

Thl. | gr. | pf. |    | Thl. | gr. | pf. | Thl. | gr. | pf.

600 | - | - | Die Helfte an jähriger Arrende des Guts N. von - - - bis - - vermöge Contracts de dato - - Anno - - hat der Pachter N. N. in Termino den - - - bezahlt | 300 | - | - | 300 | - | -

50 | - | - | An Hauß-Miethe, aus den diesem Curando von den verstorbenen Vater praelegirten Häusern vermöge Contracts von - - - - Anno - - - ist von N. N. für dieses Jahr gezahlet. | 50 | - | - | - | - | -

650 | - | - |    | 350 | - | - | 300 | - | -

Anno

Einnahme-Geld für verkaufte Mobilien.

Thl. | gr. | pf. |    | Thl. | gr. | pf. | Thl. | gr. | pf.

Weil alles was an Mobilien nicht nützlich verrechnet und erhalten werden können, bey der Theilung an den Meistbietenden verkaufft, und in vorige Jahres-Rechnung das dem Curando davon gefallene Antheil in Rechnung gebracht, ist in diesem Jahr unter diesen Titul nichts in Einnahme zu bringen - - - -

An Pretiosis so auf vorhergegangenes Decretum de alienando auch beschehene Tax- und Subhastation gerichtlich verkaufft.

Anno

Einnahme insgemein.

Thl. | gr. | pf. |    | Thl. | gr. | pf. | Thl. | gr. | pf.

4 | - | - | Für eine Mandel Bretter, so übrig blieben, als der Boden im Hause eingeleget worden, und den - - Januarii von N. N. verkaufft. | 4 | - | - | - | - | -

Unter diesen Titul gehören, was nicht all in 1. Jahr eingehoben werden kann, was aber alljährlich erhoben werden soll und kann, muß jedes in einen besondern Titul gebracht werden.


(1-159) Beylagen ad Lib. III.

Anno

Soll bezahlet werden. | Ausgabe. | Sind bezahlt. | Rest.

Thl. | gr. | pf. |    | Thl. | gr. | pf. | Thl. | gr. | pf.

5 | - | - | Den 10. April wegen des nun zu Gelde geschlagenen auf den Guthe N. haftenden einen Lehn-Pferdes für 3. Monath zu N. des Pfleg-Befohlnen Antheil sub N. 1. - | 5 | - | - | - | - | -

5 | - | - | Den 6. Jul. eben so viel besage N. 2. - | 5 | - | - | - | - | -

5 | - | - | Den 30. Sept. nochmahls sub N. 3. | 5 | - | - | - | - | -

5 | - | - | Den 24. Dec. für die letzten 3. Monat, sub N. 4. | 5 | - | - | - | - | -

2 | - | - | An Fandschoß von der Hufe in 3. Quartalen dieses Jahrs laut Quittungen N. 5. 6. 7. - - - | 2 | - | - | - | - | -

An Passiv-Schulden, so alle zu specificiren, als:

315 | - | - | (a) An N. N. 300. Rthl. Capital und Interesse à 5. pro Cent vor ein Jahr - | 315 | - | - | - | - | -

448 | - | - | (b) An N. N. 400 Thlr. Capital und Interesse von 2. Jahr a 6 pro Cent - - | 448 | - | - | - | - | -

212 | - | - | (c) An N. N. 200 Thlr. Capital und Interesse vor 1. Jahr a 6 pro Cent - - |    |    | 212 | - | -

100 | - | - | Fixa und Besoldung - - | 100 | - | - | - | - | -

50 | - | - | Kost-Geld vor den Unmündigen jährl. - | 50 | - | - | - | - | -

20 | - | - | Auf die Kleidung desselben, nemlich Ein Kleid - - - | - | - | - | 20 |    |   

8 | - | - | An Schul-Geld - - - | 8 | - | - | - | - | -

2 | - | - | An Artzeney - - - - - | - | - | - | 2 |    |   

3 | 16 | 6 | Bücher - - - - | 3 | 16 | 6 | - | - | -

20 | - | - | Professori - - - - - | 20 | - | - | - | - | -

Wann aber ein Curandus auf Universitäten oder der Reise, succediret an statt vorstehenden von Kost-Geld biß hieher nur ein Titul in der Rechnung. e. g.

Ausgabe an Reise-Geldern oder Universitaets-Kosten.

50 | - | - | An Bau-Kosten - - - | 50 | - | - | - | - | -

10 | - | - | Gemeine Ausgabe - - - - | 10 | - | - | - | - | -

6 | - | - | Ausgabe-Geld zu belegten Capitalien - - | 6 | - | - | - | - | -

1266 | 16 | 6 | Summa Summa | 1032 | 16 | 6 | 234 | - | -


(1-160) Beylagen ad Lib. III.

Wann dergestalt die Rechnung eingerichtet, muß am Ende eine summarische Wiederholung aller Titel der Einnahme und Ausgabe gemacht, geschlossen und der Bestand gezogen, oder wenn mehr ausgegeben als eingenommen der Vorschuß angezeiget, und mit Jahr und Tages-Benennung wann die Rechnung geschlossen vom Rechnungs-Führer dieselbe unterschrieben werden.

Nach Abzug der Ausgaben bleibt Bestand.

Thl. | gr. | pf.

1. Baar.

2. An ausständigen Capitalien.

3. An Interessen, wobey jeder Post zu specificiren ist.

4. An Pensionen und Revenüen von Immobilibus, so gleichfals wenn verschiedene Immobilia seyn specifice zu setzen.


(1-161) Addenda et Errata.

Addenda et Errata.

I. Bey dem Corpore Juris Fridericiano.

II. Bey dem Codice Fridericiano.

Es sind die bishero publicirte Constitutiones, nemlich der Codex Fridericianus, und das Corpus Juris Fridericianum mit solcher Eile aus der Presse genommen worden, daß man weder die Errata zu corrigiren noch einige Contradictiones, welche währendem Druck eingeschlichen, zu ändern Zeit gehabt: Dahero solche auf Ordre des Herrn Groß-Cantzlers von Cocceji Excellence nachgedruckt werden mussen.

Addenda et Errata.

I. Bey dem Corpore Juris Fridericiano.

In der Vorrede pag. 6. §. 13. lin. 3. pro Römische Recht, lege, Römische Reich.

pag. 14. lin. 11. pro 51. lege 50.

In der Sciographia 3tes Buch pro §. VI. lege §. IV.

Pag. 6. §. 18. pro compententiae, lege, competentiae.

Pag. 7. §. 25. pro der Actus, lege, die Actus.

§. 26. pro besitzen, lege, befinden.

Pag. 9. §. 4. lin. 1. pro zweytens, lege, drittens.

Pag. 15. (*) pro agnatorium, lege, agnatorum.

Pag. 16. n. 6. not. 2. pro 6) lege b).

Pag. 19. n. 1. §. 8. pro vorher gezeugten, lege, nachher gezeugten.

Pag. 21. N. VIII. lin. 2. pro Er ist nicht mehr suus haeres seines vorigen Vaters, lege, er succedirt demselben und andern Gliedern der Familie nicht mehr ab intestato.

Ibid. N. IX. lin. 10. post Ascendenten, adde, oder Agnaten: lin. 14. pro ein Descendent von dem Groß-Vater, lege, jemand von einem Ascendenten oder Verwandten,

Pag. 23. §. 13. pro ob er aus, lege, ob es aus.

Pag. 24. §. 16. pro actionem exhibendum, lege, actionem ad exhibendum.

Pag. 30. §. 58. pro adventutii, lege, adventitii.

Pag. 45. §. 40. pro ein Minor von der, lege, ein Minor von dem

Pag. 48. §. 7 pro Platz greiffen, lege, Platz finden.

Pag. 52. n. k. pro oder es soll, lege, oder er soll.

Pag. 54. §. 27. lin. 10. pro Pfingsten, lege, Ostern.

Pag. 57. §. 35. n. VI. pro ex capitae, lege, ex capite.

Pag. 66. §. 17. pro Er kann aber, lege, es kann aber.

Pag. 102. §. 10. lin. 2. post actione, adde contra tertium: ibid. lin. 3. post Vormundes lege von einem Tertio.

Pag. 104. §. 8. in fine, ade,

14.) Welche der Vater zu Vormündere zu nehmen verboten hat, wann es auch schon die nächste Verwandten sind.


(1-162) Addenda et Errata.

15.) Wann sich jemand selbst in einem von ihm verfertigtem Testament zum Vormund benennet hat.

Pag. 107. princ. lin. 4. post Minorennen, adde, oder seinen Creditorem, oder Debitorem.

Pag. 110. §. 7. lin. 3. pro §. lege 7.

Pag. 115. §. 18. n. 3. pro mündige, lege, unmündige.

Pag. 117. Rubr. post Vormundschaft, adde, Erziehung der unmündigen Kinder.

Pag. 118. §. 8. lin. 4. pro ungesessene, lege, unangesessene.

Pag. 122. §. 27. lin. 2. post disponiren, adde, dahingegen haften diesem alle des Vormundes Güter zur stillschweigenden Hypothec. Vid. pag. 136. §. 9. n. 6. & pag. 152. n. 14.

Pag. 129. §. 60. lin. 2. pro Tit. X. lege Tit. IX. §. 6.

Pag. 132. §. 4. lin. 9. pro tutorie, lege, tutorio.

Pag. 139. §. 34. lin. 4. pro falses lege, falsos.

Pag. 144. §. 4. lin. 17. pro 6. lege 7. &c.

Addenda et Errata.

II. Bey dem Codice Fridericiano.

Pag. 80. §. 8. lin. 7. pro Tit. 39. §. 5. lege, Tit. 40. §. 10.

Pag. 82. §. 5. lin. fin. pro Tit.    §.    lege Part. 4. tit. 5.

Pag. 83. §. 17. lin. ante pen. pro Geistliche und andre Kirchen-Bedienten, lege, von denen von Adel und andern Privatis bestellte Kirchen-Bedienten, als Schulmeister, Küster (et)c.

Pag. 94. §. 34. deleatur linea penultima & ultima, & substituantur sequentia.

Wann der Appellant seine Justifications-Schrift übergeben, muß der Praesident dieselbe nebst denen Acten (welche vorher ex officio eingeschickt werden müssen) dem ersten Senat ohne weiteres Verfahren distribuiren.

Findet der Senat daß die Gravamina ungegründet und ex actis primae instantiae sich erledigen, so muß Sententia a qua pure confirmirt werden.

Wann aber die gravamina altioris indaginis seyn, oder die Sententz per majora reformirt werden müste, in solchem Fall muß die Justifications-Schrift dem Appellato durch ein Interlocut communicirt werden, cum mandato, loco oralis von 8 zu 8, oder von 14. zu 14. Tagen, wann aber schriftlich vorhin gehandelt worden, vom 3. zu 3. oder von 4. zu 4. Wochen weiter zu verfahren, und duplicando zu schliessen: Worauf Acta zum Spruch vorgelegt werden.

Wann jemand durch dieses zweyte Urtel gravirt wird, und die Sache sich zur dritten Instantz qualificirt, gehet die Revisio an den dritten Senat: und wird in dieser Instantz excipiendo geschlossen.

Pag. 108. §. 7. pag. 109. §. 10. deleantur die erste 7 Linien, & substituantur sequentia.

Nach dieser Litis-Contestation keine Exceptiones, es seyn dilatoriae, peremtoriae, oder litis finitae weiter opponirt werden, es wäre dann daß solche erst nach der Kriegs-Befestigung zu des Beklagten Wissenschaft gelanget oder von neuem entstanden: welches der Beklagte jedesmahl eydlich erhärten muß.

Wolte aber jemand die exceptiones litis ingressum impedientes & litis finitae vor die Litis-Contestation opponiren, stehet ihm solches frey: wann sie aber in dem darüber angesetztem Termino nicht in continenti erwiesen und daher verworfen werden, so soll dawieder kein Remedium statt haben, es kan aber


(1-163) Addenda et Errata.

Beklagte solche bey der Litis-Contestation unter denen exceptionibus peremtoriis mit an- und ausführen.

Daferne aber der Beklagte sothane Exceptiones genugsam ausgeführt hätte, muß derselbe von der Instantz absolvirt und zugleich erkannt werden, daß er auf die Klage sich einzulassen nicht schuldig sey.

Pag. 109. §. 10. deleatur der gantze §.

Pag. 112. §. 31. deleantur die erste 10. Linien.

Pag. 118. princ. lin. 1. post Beklagte, addatur und Wiederkläger.

Ibid. §. 5. lin. 1. post Beklagter, addatur und Wiederkläger.

Ibid. §. 8. lin. 1. pro Kläger, lege, Wiederkläger.

& post und, adde, und Wiederbeklagte.

Ibid. §. 10. lin. 1. post Kläger, adde, und Wiederbeklagte.

Ibid. §. 11. lin. 1. pro causa actoris liquida, lege, des Klägers und Wiederbeklagten clar und liquid.

Pag. 119. §. 11. in fin. addatur: Wann also der Beklagte und Wiederkläger ad separatum verwiesen wird, so ist ein Unterscheid zu machen, ob der Kläger und Wiederbeklagte Unser Unterthan oder ein Fremder sey? Ersterenfals verstehet sich von selbsten, daß der Wiederkläger das separatum in des Wiederbeklagten foro ordinario anstellen müsse. Auf den andern Fall muß der Kläger und Wiederbeklagte das separatum vor eben demselben Richter anstellen, weil dieser den Richter gegen sich nicht recusiren kann welchen er vor sich angenommen.

Pag. 119. §. 13. lin. 1. post daß der, adde, Kläger und

Ibid. lin. 3. post welche dem, adde, Wiederkläger und Beklagtem.

Ibid. §. 18. deleantur lin. 4. & seq. & substituantur sequentia.

Wann der Wiederbeklagte die von dem Beklagten und Wiederklägern gefoderte Caution bestellet, muß diesem in den Bescheid, wordurch die Caution angenommen wird, eine praeclusivische Frist von 14. Tagen festgesetzt werden, binnen welcher er auf die Wiederklage litem contestiren muß: Wann er solches nicht thut, kann er nach deren Verlauf mit seinen Exceptionen nicht weiter gehört, noch der Wiederkläger per modum separati processus von ihm, weder in diesem noch in einem andern Foro, belanget werden.

Pag. 131. §. 6. lin. 1. deleatur, aus was vor Ursache es immer wolle. lin. 3. in fin. addatur, Es wäre dann daß solche Ursachen vorhanden wären, welche die Fortsetzung des Processes an sich ohnmöglich machen: als wann ein Officier auf Werbung abwesend und dessen Auffenthalt unbekandt ist (et)c.

Pag. 171. princ. lin. 4. post schuldig ist, addatur, und ist der Deferente nicht schuldig das Juramentum malitiae abzuschweren. Vid. pag. 123. §. 3.

Pag. 172. §. 21. lin. 2. pro eben der Zeit, lege, 14. Tage a die relationis.

Pag. 292. §. 44. pro Tit. lege, Tit. XXXVIII. §. 22.

Pag. 292. §. 44. post Ehgeld, adde, wie auch das Paraphernal- oder Receptitien-Gut.

Pag. 297. §. 69. n. 2. post paraphernal, adde, und Receptitien Ibid. n. 3. in fine, addatur, und würcklich damit angeschaft worden. Vid. §. 43. seq.

Pag. 298. §. 77. lin. fin. dele, und die Receptitien.

Pag. 307. §. 145. lin. 4. pro sententiae, lege, judicati. Vid. pag. 170. §. 12.

Ibid. lin. 6. pro der Sententz, lege, a die judicati. Vid. pag. 135. §. 2.