(15) Erster Theil.

Erstes Capitel.

Von den Gesetzen.

[1, 1] §. 1. Von dem Regenten erwartet ein jeder Unterthan Schutz und Sicherheit. Dem Regenten liegt also ob, die Rechte der Unterthanen deutlich zu bestimmen und ihre Handlungen so zu leiten, wie es der allgemeine und besondere Wohlstand erfordert. (§. 1.) 2)

[1, 1] §. 2. 3) Darum haben Wir zum Besten Unserer getreuen Unterthanen gegenwärtiges Civilrecht in diesem Gesetzbuche in Ordnung bringen lassen und wollen, daß dasselbe und neben demselben kein anderes in Unseren gesammten deutschen Erblanden hinführo als ein beständiges allgemeines Civilrecht von Jedermann beobachtet werden solle. (Kund. P., Abs. 1.)

 

2) Die am Schlusse der Paragraphe des ersten Theiles unter Klammern beigefügten Zitate bezeichnen die korrespondierenden Stellen des josephinischen bürgerlichen Gesetzbuches, welches auf dem hier zum Abdruck gelangenden Entwurfe beruht.

3) In dem Entwurfe Horten’s war statt des Wortes „Civilrecht“ das Wort „Recht“ gebraucht. Die Aenderung wurde durch die am 18. November 1772 herabgelangte kais. Entschließung aufgetragen. Die Compilations-Commission hatte in der Sitzung vom 15. September 1772 in der Absicht, dadurch die Fortdauer der Giltigkeit der politischen Gesetze zu wahren, folgende Textirung emfpohlen: „Darum haben Wir zum Besten Unserer getreuen Unterthanen gegenwärtiges Recht in diesem Gesetzbuche in Ordnung bringen lassen, und wollen, daß dasselbe in Unseren gesammten deutschen Erblanden hinfüro als ein beständiges allgemeines bürgerliches Recht von Jedermann beobachtet werden, neben demselben aber kein anderes bürgerliches Recht die mindeste Kraft haben solle.“

Bei der Wiedervorlage des Entwurfes im Jahre 1785 wurde die Beschränkung der Wirksamkeit auf die deutschen Erblande mit der Motivirung aufgegeben, daß das Geltungsgebiet nicht im Gesetze selbst bestimmt werden müsse, vielmehr immer vom Gesetzgeber nach seinem Willen normirt werden könne; daneben wurde aber auch auf das „revindicirte“ Galizien Bedacht genommen. Nach der erfolgten Sanctionirung des ersten Theiles des bürgerlichen Gesetzbuches strich der „mit Berichtigung des Styls“ betraute Sonnenfels den §. 2. In Folge dessen wurde diese Bestimmung in das, nach dem kurz vorher erfolgten Tode Horten’s von Keeß entworfene K. M. P. vom 1. November 1786, J. G. S. Nr. 591, mit einer redactionellen Aenderung zugleich aber auch mit der Beschränkung des Geltungsgebietes auf die deutschen Erblande übertragen. Die in der Folge beibehaltene Redeweise, welche es vermeidet, den Gesetzgeber in der ersten Person sprechen zu lassen, ist von Sonnenfels durchgeführt worden.


(16) [1, 1] §. 3. Alle Gesetze, welche Wir entweder aus eigener Bewegung oder sonst erlassen und Unseren Unterthanen durch die gewöhnlichen Wege kund machen, erhalten ihre Bindungskraft ganz allein von der Uns beiwohnenden höchsten Gewalt. Diese Kundmachung soll in jedem Lande solchergestalten geschehen, damit das Gesetz schleunig zu Jedermanns Wissenschaft gelange. Für gegenwärtiges Gesetzbuch haben Wir die Zeit bereits festgestellet, wann dessen Bindungskraft anfangen solle. Alle übrige von Uns in Zukunft ergehende Gesetze, worinnen Wir keine andere Zeitfrist bestimmen, sollen jedesmal von dem Tage der behörigen Kundmachung unnachsichtlich verbinden. (§§. 2, 3.)

[1, 1] §. 4. Von diesem Zeitpunkt an, müssen sich Unsere Unterthanen nach den Gesetzen richten, die Handlungen erhalten davon ihre Giltigkeit und die auf die Uebertretung verhängte Strafen werden verwirket, ohne daß die Unwissenheit oder ein Rechtsirrthum Jemanden zu statten kommen, ihn von der verwirkten Strafe entheben, oder unter diesem Vorwande eine gesetzwidrige Handlung zu Kräften gelangen könne. Uns bleibt jedoch allzeit bevor, bei vorwaltenden besonderen Umständen, Jemanden, der durch Unwissenheit oder Rechtsirrthum des Seinigen verlustig würde, eine außerordentliche Rechtshilfe angedeihen zu lassen. (§. 3.)

[1, 1] §. 5. Ein jeder, der sich in dem Gebiete aufhält, für welches das Gesetz gegeben ist, er sei Unser Unterthan oder ein Fremder, muß sich demselben nachachten. Auch auswärts Befindliche sind schuldig sich nach Unseren Gesetzen zu richten, wenn sie in Unseren Landen Recht suchen oder nehmen. (§. 4.)

[1, 1] §. 6. 7) Dahingegen, wenn sich Unsere Unterthanen in einem fremden Gebiete aufhalten, so wollen Wir ihren nach den dortigen Gesetzen geschlossenen Handlungen

 

7) Die Aufnahme des Satzes: „Es wäre denn - gemacht würde“ war durch die am 18. November 1772 herabgelangte kais. Entschließung angeordnet worden. - Dieser Satz wurde auf Anrathen der Compilations-Commission, welche betonte, daß Ausnahmsbestimmungen die gleiche Gesetzeskraft haben, wie solche Gesetze, welche Regeln aufstellen, im Jahre 1785 wieder gestrichen.


(17) auch in Unseren Landen die rechtliche Wirkung angedeihen lassen, insofern diese Handlungen nur eine persönliche Verbindlichkeit oder bewegliche Sachen betreffen, und vermög Unserer Gesetze weder an sich selbst ungiltig noch Unsere Unterthanen dazu unfähig sind. Doch kann kein hierländig liegendes Gut, noch eine nach Unseren Gesetzen für unbeweglich gehaltene Sache anderst eigenthümlich übertragen oder daran ein Recht bestellet werden, außer auf die durch Unsere Gesetze vorgeschriebene Art; es wäre dann, daß in diesem Gesetzbuche wegen gewisser Fälle eine Ausnahme gemachet würde. Nicht minder bleiben Unsere Unterthanen Unseren Befehlen und den hierland in Ansehung ihrer ergehenden Rechtssprüchen aller Orten unterworfen, wo sie sich immer befinden mögen. (§. 5.)

[1, 1] §. 7. Wenn bei einer Handlung die vorgeschriebene wesentliche Feierlichkeit unterlassen oder die gesetzwidrige Handlung im Gesetze selbst ausdrücklich vernichtet wird, so entstehet daraus gar keine Verbindlichkeit, noch kann andurch das mindeste Recht erworben werden; außer diesem stehen den beschädigten Parteien die am behörigen Orte vorkommende Rechtsmittel offen, wodurch sie die Entkräftung der Handlung oder für den ihnen daraus zugehenden Schaden eine Abhilfe ansuchen können. (§. 6.)

[1, 1] §. 8. Wo Wir eine That für sich, ohne Rücksicht auf einige Umstände gebieten oder verbieten, da hat der Richter nach dem Buchstaben des Gesetzes blos auf die Uebertretung zu sehen; wenn Wir aber nebst der That annoch gewisse Umstände erforderen, so liegt ihm ob, zu untersuchen, ob diese Umstände vorwalten. In beiden Fällen solle derselbe lediglich nach Vorschrift Unserer Gesetze mit der darinnen ausgemessenen Strafe, ohne Gnade, Nachsicht oder Milderung fürgehen; immaßen die Gnade ganz allein bei Uns zu suchen ist, außer wenn Wir dem Richter in gewissen Fällen diese Macht namentlich eingeraumet haben.

[1, 1] §. 9. Wäre aber eine Handlung im Gesetze, zwar für straffällig erkläret, die Strafe aber nicht ausgedrücket, so hat der Richter selbe nach Beschaffenheit der mehr oder minder beschwerenden Umstände zu bestimmen.

[1, 1] §.10. Das Gesetz betrifft nur künftige Handlungen, nicht vergangene oder gegenwärtige Fälle, außer wenn Wir desfalls eine ausdrückliche Vorsehung gemacht haben, oder wenn das spätere Gesetz kein neues Recht einführet, sondern


(18) nur das vorherige Gesetz erläutert. Jene Handlungen, woraus von Zeit zu Zeit neue Verbindlichkeiten erwachsen, obwohl sie vor dem Gesetze vorhergegangen, unterliegen doch in Ansehung dieser Verbindlichkeiten den jedesmaligen Gesetzen. So solle auch eine an sich böse That nicht aus der Ursache ungestraft bleiben, weil vor deren Ausübung keine Strafe darauf gesetzet war; der Richter hat alsdann nach der Schwere des Verbrechens die Strafe auszumessen. (§. 7.)

[1, 1] §. 11. Eine ähnliche Verbindlichkeit, wie die allgemeinen Gesetze, haben auch die Satzungen und Anordnungen, welche nur auf ein gewisses Land oder Ort gerichtet sind, nicht nur, wenn selbe von Uns unmittelbar erlassen oder ausdrücklich bestätiget sind, sondern auch, wo Eines und das Andere ermangelt, doch Unsere besondere Verwilligung vorhanden ist, daß Unsere nachgesetzte Obrigkeiten, Gerichte, Gemeinden, Vorsteher und Mitteln dergleichen Satzungen nach Amtserforderniß und zu Erhaltung guter Ordnung machen mögen; Uns aber bleibt deren Einsicht, Aenderung und Aufhebung zu allen Zeiten vorbehalten. Ohne eine solche besondere Verwilligung können die von einer Gemeinde getroffenen Schlüsse und Verabredungen nicht als Satzungen, sondern als ein freiwilliger Vertrag angesehen und blos allein Jene, so von der Gemeinde sind, auf die im zweiten Theil, ersten Capitel, §. – ausgemessene Art, andurch verbunden werden. (§. 8.)

[1, 1] §. 12. Gegen dieses Unser Gesetz, wie auch gegen diejenigen, so wir bereits erlassen haben oder etwa in Zukunft noch erlassen werden, solle keine widrige Gewohnheit, sie möge in allen Unseren Erblanden allgemein oder nur in ein- und anderem Lande, oder auch in einzelnen Orten eingeführet sein, den mindesten Bestand


(19) haben, sondern Wir wollen hiemit alle vor Einführung dieses Unseres Gesetzes, allschon bestehenden Gewohnheiten gänzlich aufgehoben und abgestellet haben; gleichwie Wir auch die künftig zu allen Zeiten einschleichen mögende ernstgemessen verbieten und als ein strafbares Beginnen erklären. (§. 9.)

[1, 1] §. 13. Auch solle in jenen Fällen keine Gewohnheit zulässig, noch von einer verbindenden Kraft sein, worüber in Unseren Gesetzen nichts geordnet ist; wenn in dergleichen Fällen eine allgemeine und gewisse Anordnung nothwendig oder ersprießlich wird, so ist selbe bei Uns zu suchen. (§. 10.)

[1, 1] §. 14. Nur alsdann mag auf eine Gewohnheit gesehen werden, wenn Unser Gesetz zwar die Hauptsache entscheidet, doch dabei die Umstände dem Ermessen des Richters überläßt, oder sich auf den Landesgebrauch und die bisherige Beobachtung beziehet; in diesen Fällen solle Jenes für Recht gehalten werden, was in einem oder mehreren Landen entweder von Allen oder doch von dem größten Theile freiwillig, öffentlich und langwierig beobachtet worden, insoweit es der Vernunft und der gemeinen Wohlfahrt gemäß ist. (§. 11.)

[1, 1] §. 15. Wir wollen auch bei kleineren Gemeinden und Ortschaften in jener Maß, wie sie Satzungen zu errichten fähig sind, ihre eingeführten löblichen Gebräuche und Gewohnheiten handhaben; doch können sich diese Gewohnheiten nicht weiter erstrecken, als die Satzungen selbst.

[1, 1] §. 16. Wenn jedoch eine solche Gewohnheit verbindlich sein soll, so muß die gleichförmige Beobachtung wenigstens dreimal freiwillig und wissentlich von allen oder vom größeren Theile erfolget, von der Zeit der ersten Ausübung


(20) wenigstens zehen Jahre verflossen, und während dieser Zeit von Niemanden widersprochen, noch sonst was Widriges vorgenommen worden sein. Diese Erfordernissen hat Jener zu erweisen, der sein Recht in der Gewohnheit gründet; dahingegen muß Derjenige das Widerspiel erproben, der sich der Verbindlichkeit eines solchen Herkommens entziehen will. Für oder wider die Gewohnheit ergangene Rechtssprüche erleichtern zwar den Beweis, sind aber nicht nothwendig. (§. 12.)

[1, 1] §. 17. Sachen oder Handlungen, so in eines Jeden freier Willkür beruhen, lassen keine verbindliche Gewohnheit zu; auch kann aus gleichförmigen in gleichen Fällen ergangenen Rechtssprüchen für die künftige Handlungen keine Gewohnheit erwachsen, außer in solchen Fällen, worinnen nach Unserer obigen Ausmessung eine Gewohnheit stattfindet. (§. 13.)

[1, 1] §. 18. Noch weniger solle eine Gewohnheit bestehen, wo es auf die Verfahrungsart bei Gerichten, auf die Gerichtsübungen und Feierlichkeiten ankommt, sondern die Gerechtigkeit solle aller Orten und bei allen Gerichten Jedermänniglich nach Unseren Gesetzen gleichförmig ertheilet werden. Wenn zu Beförderung der Rechtspflege und Abstellung der sich etwa einschleichen mögenden Mißbräuche eine Vorsehung nöthig wird, so ist Uns der Vorfall anzuzeigen.

[1, 1] §. 19. Insoweit Gewohnheiten eingeführet werden können, so werden sie auch durch spätere Gewohnheiten wieder aufgehoben, und alsdann hat Jener, der die Abänderung vorgiebt, selbe zu beweisen. Gleichwie aber alle solche Gewohnheiten ihre ganze Wesenheit und Bindungskraft blos von der Uns beiwohnenden gesetzgebenden Gewalt und Unserer stillschweigenden Bewilligung erhalten, so bleibet Uns allzeit vorbehalten, selbe nach Erforderniß der Umstände zu beschränken und aufzuheben. (§. 14.)

[1, 1] §. 20. Wenn Wir aus Unserer höchsten Machtsvollkommenheit bewogen werden, besondere Begünstigungen, Gnaden und Freiheiten zu ertheilen, so darf Niemand deme entgegen handlen, noch dem von Uns Begnädigten im Genusse dieser Freiheiten eine Hinderniß machen. (§. 15.)

[1, 1] §. 21. Wenn dergleichen Befreiungen auf gewisse Personen lauten, so erstrecken sie sich nicht über diese benannten Personen. Unter diese Gattung sollen auch jene Befreiungen gehören, worinnen zwar von Sachen gehandlet wird, welche jedoch ihrer Natur nach den persönlichen Befreiungen näher beikommen, als da Wir einer gewissen Anzahl Personen oder auch einer Gemeinde den Genuß einer Sache zum Behufe eines jeden Mitgliedes insbesondere ertheileten.

[1, 1] §. 22. Wenn Wir hingegen einigen Orten, Sachen, Handlungen, Aemtern, Würden, Künsten und Gewerben eine Begünstigung verleihen, und dabei mehr auf die Sache, als auf die Personen sehen, wie auch, wenn Wir einer Gemeinde etwas zum gesammten Genusse einraumen, oder wenn Wir zum Vortheile einer besonders begünstigten Gattung Personen etwas anordnen, so kommt die Wirkung dergleichen Befreiungen einem jeden Besitzer der Sache, Nachfolger im Amte, Würde oder Gemeinde, dann auch den Erben und Bürgen zu statten.

[1, 1] §. 23. Alle von Uns oder Unseren Vorfahrern ertheilte Begünstigungen, es sei in Gnaden- oder Rechtssachen, enthalten die Bedingniß in sich, wenn sich die Sache angebrachtermaßen verhält; wenn dahero hervorkäme, daß selbe von Uns durch unwahrhaftes Anbringen, Verschweigung der Wahrheit oder sonstige Arglist erschlichen worden, so solle ein solcher Fall Uns jedesmal zur anderweiten Entschließung angezeiget werden. (§. 16.)


(21) [1, 1] §. 24. Wenn zwei gleich begünstigte Personen in dem Genusse ihrer Befreiung zusammentreffen und eine Begünstigung der anderen hinderlich fällt, so solle Demjenigen, der ohne diese Befreiung einen wesentlichen Schaden erleiden würde, vor dem Andern der Vorzug gebühren, deme der Genuß seiner Begünstigung lediglich einen Gewinn brächte; da es sich aber bei beiden Theilen entweder um Abwendung eines Schadens oder um blosen Gewinn handelte, so ist jene Befreiung überwiegender, welcher Wir in Zusammentreffung mit anderen den Vorzug vor denselben namentlich eingestanden haben. Bei allen anderen Begünstigungen ist die ältere der jüngeren vorzuziehen, wenn nicht die erstere durch die letztere ausdrücklich aufgehoben wird. (§. 17.)

[1, 1] §. 25. Die Dauer einer von Uns ertheilten Befreiung hängt von der Willensmeinung ab, welche Wir desfalls bei derselben Verleihung geäußert haben. So erlöschen die persönlichen Begünstigungen, wenn die Personen sterben oder die Eigenschaft, unter welcher die Befreiung gegeben worden, abgeändert wird; dahingegen hören die sächlichen Befreiungen alsdann auf, wenn die Gemeinde gänzlich aufgelöset, das Amt oder Würde nicht mehr ersetzet wird oder die Sache solchergestalten zu Grunde gehet, daß zu deren Wiederherstellung keine Hoffnung mehr vorhanden ist. (§. 18.)

[1, 1] §. 26. Ein Jeder kann sich der erhaltenen Befreiungen durch ausdrückliche Verzicht oder stillschweigend durch den Nichtgebrauch begeben, außer wenn ihm die freie Schaltung mit seinem Vermögen ermangelt, oder wenn die Begebung zum Nachtheile einer gesammten Gemeinde oder eines Dritten gereichete oder auch, wenn die Befreiung mehr zum gemeinen Besten und zu Aufrechthaltung eines Standes oder Würde als zum Vortheile der Person verliehen worden. (§. 19.)

[1, 1] §. 27. Wenn die Begünstigung in einer blosen willkürlichen, Niemanden nachtheiligen Ausübung bestehet, so ziehet der Nichtgebrauch deren Verlust nicht nach sich. Andere Begünstigungen aber werden ganz oder zum Theile, nachdeme sich derselben ganz oder zum Theil nicht gebraucht worden, auf folgende Art verloren. Wenn die Begünstigung in einer Befugniß bestehet, von Anderen etwas zu forderen oder mit ihrer Beschwerde ein Recht auszuüben, so solle dieselbe durch die von Uns vorgeschriebene Verjährungszeit, wofern während derselben der Gebrauch thunlich gewesen, erloschen sein; wenn hingegen der Begünstigte von einer gemeinen Beschwerde enthoben war, so höret diese Befreiung alsofort auf, wenn derselbe sich dieser Beschwerde dreimal freiwillig, wissentlich und ohne Vorbehalt unterzogen hat. (§. 20.)

[1, 1] §. 28. Uebrigens beruhet es allzeit bei Uns, sowohl jene Befreiungen, welche Wir blos auf Wohlgefallen verliehen, willkürlich zu widerrufen, als auch alle Anderen, wenn davon ein widriger Gebrauch oder Missbrauch gemacht oder selbe durch Veränderung der Umstände unbillig, unerträglich oder gemeinschädlich würden, nach Befund wiederum aufzuheben. (§. 21.)

[1, 1] §. 29. Wenn Wir bei Verleihung einer Freiheit ausdrücklich vorgesehen haben, daß deren Bestätigung von Zeit zu Zeit angesuchet werden solle, oder wenn bei jeweiliger Veränderung der Landesherrschaft zu diesem Ende ein allgemeines Gebot 15) ergehet, so muß sich deme in der anberaumten Frist unter Strafe

 

15) Der Horten’sche Entwurf hatte das Wort „Aufgebot“ gebraucht; dies wurde in der Sitzung der Compilations-Commission vom 13. October 1772 bemängelt, weil dieses Wort für den Fall passe, „wenn das Landvolk zu Ergreifung der Waffen aufgeboten wird“. Die Anwendung des von der Compilations-Commission empfohlenen Wortes „Gebot“ wurde durch die am 18. November 1772 herabgelangte kais. Entscheidung angeordnet.


(22) des gänzlichen Verlustes nachgeachtet werden. Außer diesen Fällen ist die Bestätigung von keiner Nothwendigkeit, obwohl dadurch die Befreiung der Vergessenheit entzogen und der Besitz gesicherter wird. (§. 22.)

[1, 1] §. 30. Keine von diesen Bestätigungen giebt ein neues Recht, wenn die Befreiung bereits erloschen ist, sondern bestärket blos das aus der ersten Befreiung angebührende Recht in jener Maß, als der Befreite sich in dessen Besitze befindet, und dieser weder Unseren, noch eines Anderen Gerechtsamen zuwider ist; außer Wir hätten in der Bestätigung ein Mehreres besonders ausgedrücket oder einer schon erloschenen Befreiung ihre vorige Kraft von Neuen namentlich beigeleget. (§. 23.)

[1, 1] §. 31. Unsere Gesetze sind nach dem wahren und allgemeinen Verstande der Worte zu nehmen. Niemanden ist verstattet sich einer rechtskräftigen Ausdeutung


(23) anzumaßen, noch unter dem Vorwande eines Unterschieds zwischen den Worten und dem Sinne der Gesetze, solche auf einige Weise zu erweitern oder einzuschränken; auch solle kein Richter unter Vorschützung einer von der Schärfe der Rechte unterschiedenen Billigkeit von der klaren Vorschrift Unserer Gesetze im Mindesten abgehen. In jenen Fällen aber, wo Wir ihn in Unseren Gesetzen dahin anweisen, auf Person, Zeit, Ort und andere Umstände zu sehen, da liegt ihm ob, alle solche bei der Handlung vorwaltende Umstände nach der natürlichen Billigkeit zu beurtheilen. (§. 24.)

[1, 1] §. 32. Nicht minder haben sich Alle, besonders die streitenden Theile und ihre Rechtsfreunde aller gekünstelten Auslegung der Gesetze, wie auch aller Ausdeutung, Erweiterung oder Beschränkung derselben durch Gewohnheiten alles Ernstes zu enthalten. Alles dieses solle nicht von der mindesten Erheblichkeit sein, sondern, wenn eine Verdrehung der Worte oder sonstige Arglist hinzukäme, oder wenn eine solche unstatthafte Gewohnheit wider die klare Vorschrift Unserer Gesetze angeführet würde, noch außerdeme nach richterlichen Ermessen mit scharfer Strafe angesehen werden. (§. 25.)

[1, 1] §. 33. Wenn aber dem Richter ein Zweifel vorfiele, ob ein vorkommender Fall in dem Gesetz begriffen sei oder nicht, wenn ihm das Gesetz dunkel schiene oder ganz besondere und sehr erhebliche Bedenken der Beobachtung desselben entgegen stünden, so solle die Belehrung allezeit von Uns gesuchet werden; doch da ein Fall zwar nicht wörtlich in dem Gesetze ausgedrücket, allein in allen Umständen und in der ganzen Beschaffenheit der Sache mit einem anderen ausdrücklich entschiedenen Falle vollkommen gleich wäre, so verstatten Wir dem Richter, einen solchen unentschiedenen Fall nach dem entschiedenen zu beurtheilen. (§. 26.)

[1, 1] §. 34. Die von Uns verliehenen sonderbaren Begünstigungen sind auf gleiche Art nach ihren buchstablichen Inhalte zu nehmen, und wenn sich über deren eigentlichen Sinn erhebliche Anstände äußerten, so ist der Fall Uns zu Unserer Entscheidung vorzulegen. Außer derlei erheblichen Anständen ist überhaupt die Richtschnur zu halten, daß eine jede Befreiung auf das Genaueste auszudeuten, folglich bei vorfallenden Zweifel eine zur Beschwerde eines Anderen gereichende Befreiung mehr für persönlich und zeitlich, als immer während zu achten seie, und wo es auf eine Enthebung von Unseren Gesetzen oder auf den Abbruch des von einem Dritten bereits erworbenen Rechts ankommt, da solle darauf gesehen werden, daß von Unseren Gesetzen so wenig, als es mit einigmäßiger Wirkung der Befreiung geschehen kann, abgegangen und dem Dritten so wenig als möglich geschadet werden. (§. 27.)


(24) Zweites Capitel.

Von den Rechten Unserer Unterthanen überhaupt.

[1, 2] §. 1. Unter dem Schutze und Leitung Unserer Gesetze genießen alle Unsere Unterthanen ohne Ausnahme das Recht der natürlichen Freiheit. Und obwohl diese Freiheit durch die in Unseren Erblanden verschiedentlich eingeführte Unterthänigkeit in einer mehr oder minderen Maß beschränket wird, nachdeme die Unterthanen ihren Herrschaften in Ansehung ihrer Personen und Gründe verbunden sind, so erstrecket sich doch ein solches nicht weiter, als es in den Länderverfassungen gegründet und Unseren Anordnungen gemäß ist. (§. 1.)

[1, 2] §. 2. 2) Unsere von dem Feinde gefangene Unterthanen verlieren das Recht der Freiheit nicht, sondern ihnen bleiben sowohl die gehabte, als auch während der Gefangenschaft weiter anfallende Gerechtsamen bis zu ihrer wann immer erfolgenden Ruckkehr unvermindert aufbehalten; wenn sie aber dennoch auf eine oder andere Art verkürzet worden wären, so solle ihnen, wenn ihnen sonst nichts im Wege stehet, die erforderliche Rechtshilfe verschaffet werden. Nicht minder hat auch Jenes seinen vollkommenen Bestand, was sie während der Gefangenschaft mit ihrem Hab und Gut geordnet haben; wofern nur ihr freier und ungezwungener Willen genugsam erweislich ist, und sie außer der Gefangenschaft zu einer solchen Anordnung fähig gewesen wären. (§. 2.)

[1, 2] §. 3. 3) Alle, die in Unseren Staaten unter Unserer höchsten Gewalt vereiniget leben, sind für Unsere Unterthanen zu halten, und genießen ohne Unterschied

 

2) Im Entwurfe Horten’s war folgende Bestimmung als §. 2 enthalten: „Nur allein wollen Wir die knechtliche Dienstbarkeit in Betreff im Kriege gefangenen Unglaubigen insoweit verstatten, daß so ein Gefangener in das Eigenthum des Ueberwinders gelange, in Allem von dessen Willen abhange und gleich anderen Sachen handelbar seie; doch solle sich die Willkür des Herrn nie auf Leib und Leben, noch auf sonst etwas erstrecken, das den göttlichen, natürlichen und Unseren Gesetzen zuwider wäre.“ Die Compilations-Commission sprach sich in der Sitzung vom 13. October 1772 für die Weglassung dieser Bestimmung aus, weil sie einen zu den casus rariores gehörigen Fall betreffe, vielen Mißverständnissen ausgesetzt wäre und nicht in den Bereich des Privatrechts falle. Wenn der Landesfürt „seine Unterthanen gegen die Feinde auslaufen läßt, auch ihnen zur Aufmunterung das Eigenthum über die erbeuteten Gefangenen versichert“, so werde das Schicksal der Gefangenen „aus dem Inhalt dieser gegebnen Freiheitsbriefe seine Bestimmung erhalten“. Die am 18. Nov. 1772 herabgelangte kais. Entschließung genehmigte die beantragte Streichung nebst einigen redactionellen Aenderungen des jetzigen §. 2. - Dieser handelte ursprünglich nur von Gefangenen, welche die Ungläubigen gemacht hatten, stellte denselben eine außerordentliche Rechtshilfe in Aussicht und nahm an, daß sie insbesondere durch die Verjährung geschädigt werden können. Die Commission bezweifelte, ob gegen solche Gefangene eine Verjährung überhaupt stattfinden könne, und fand für eine außerordentliche Hilfe keinen Raum, da den Gefangenen der ordentliche Rechtsweg offen stehe; sie beantragte die jetzige Stylisirung.

3) Im Entwurfe Horten’s standen nach „höchsten Gewalt“ die Worte: „entweder durch einen beständigen oder zeitweiligen Wohnsitz“. Die Compilations-Commission empfahl in der Sitzung vom 20. October 1772 die Weglassung dieser für die Beurtheilung der Unterthanschaft überflüssigen Stelle. Auf ihren Antrag wurde in dem ersten Satze das Wort „Vorrechte“ durch „Rechte“ ersetzt.

Im Jahre 1785 wurde der zweite Satz als nicht hieher gehörig gestrichen. Die am 21. Februar 1786 herabgelangte kais. Entschließung ordnete die Anfügung eines Zusatzes an, welcher ausspricht, daß Fremde im Inlande an inländisches Gesetz gebunden sind. In


(25) die Unseren Unterthanen für allgemein gebührende Rechte; doch lassen Wir es bei den in den Länderverfassungen gegründeten besonderen Rechten und Vorzügen der Landleute, der Bürger in Städten und Märkten, der Ansässigen und anderer Landesinwohner und bei der Art, wie diese Eigenschaften erworben werden mögen, auch in Zukunft bewenden. Fremde genießen zwar bei Durchreisen oder sonstigem Aufenthalte in Unseren Erblanden den gemeinen Landesschutz, sind aber für keine Inländer zu achten. (§. 3.)

[1, 2] §. 4. 4) Alle Unsere Unterthanen sind in Unseren deutschen Erblanden sowohl erbfähig, als auch zu Erwerbung beweglicher und unbeweglicher Güter befugt;

 

Folge der von der Compilations-Commission, welche die Ueberflüssigkeit dieses Zusatzes betonte, dagegen erhobenen Vorstellung genehmigte die am 31. März 1786 herabgelangte Entschließung die Weglassung dieses Zusatzes. - Bei der Vornahme der Stylberichtigung hatte Sonnenfels auf den Mangel von Bestimmungen darüber, wie man Unterthan wird, aufmerksam gemacht. Er vermißte insbesondere die Aufnahme der dem geltenden Rechte und insbesondere den Anordnungen über die Recrutirung entsprechenden Bestimmung, daß man durch einen zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt Unterthan wird.

Bei Erledigung des Vortrages, mit welchem das Ergebniß der Revision des J. G. B. dem Kaiser vorgelegt worden ist, ist durch die am 29. Obtober 1791 herabgelangte kais. Entschließung angeordnet worden, Bestimmungen darüber aufzunehmen, „welche willkürliche Handlungen dem Fremden die Eigenschaft eines österreichischen Unterthans geben“, - vorher aber sich mit der vereinigten Hofkanzlei in das Einvernehmen zu setzen. Die Hofkanzlei wollte in Beziehung auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft zwischen Geburt und Verleihung unterscheiden und hinsichtlich der letzteren aussprechen, daß das Gesetz die Staatsbürgerschaft Demjenigen verleiht, der 1. darum ansucht, vorausgesetzt, daß er unbescholten und erwerbsfähig ist, 2. ein öffentliches Amt oder Gewerbe antritt, „welchem persönliche Verbindlichkeiten gegen den Staat anhangen“ oder welches ihn in eine Corporation einführt, 3. eine Liegenschaft erwirbt, welche persönliche Anwesenheit erheischt, oder „zu persönlichen Verbindlichkeiten gegen den Staat verpflichtet“, 4. eine Inländerin heirathet, welche eine Liegenschaft oder „sonst einen Erwerbungsweg besitzet, mit welchem solche persönliche Verbindlichkeiten verknüpfet sind“, 5. im Inlande einen freiwilligen Aufenthalt durch zehn Jahre ununterbrochen genommen hat und unbescholten geblieben ist. Die Commission vertrat in dem Vortrage vom 11. Februar 1792 die Ansicht, daß man jeden Fremden, der im Inlande seinen Wohnsitz nimmt, von diesem Augenblicke an als Inländer behandeln solle, unbeschadet der Ausnahmen, die von dieser Regel in Beziehung auf Recrutirung und Auswanderung zu machen wären. Die am 27. März 1792 herabgelangte kais. Entschließung entschied, es sei „die Frage, wer für einen Unterthanen zu halten sei“, nach dem Einrathen der Hofkanzlei „in dem Gesetze selbst genau zu bestimmen“. Dieser Auftrag wurde jedoch in dem zur Begutachtung verschickten Entwurfe vom Jahre 1792 nicht ausgeführt.

4) Zu §§. 4-8. Im Entwurfe Horten’s lautete der Beginn des zweiten Absatzes des §. 4 „Sie können dahero, wenn sie nicht sonst nach der Landesverfassung ausgeschlossen sind, auch ohne in dem betreffenden Erblande die Landesfähigkeit erworben zu haben –“. Die Aenderung wurde auf Anregung Goldegg’s in der Sitzung der Compilations-Commission vom 20. October 1772 beschlossen, weil in Tirol und zum Theile in den Vorlanden jeder Bauer nach der Landesverfassung befähigt ist, landtäfliche Güter zu besitzen, ohne vorher die Landmannschaft erworben zu haben.

Die Compilations-Commission wünschte in der Sitzung vom 20. October 1772 am Schlusse des §. 8 eine ausdrückliche Erwähnung der Verpflichtung zur Entrichtung des Abfahrtsgeldes, damit nicht die irrige Meinung entstehe, daß diese Verpflichtung aufgehoben werden solle. Die am 18. November 1772 herabgelangte kais. Entschließung gestattete aber nicht, des Abfahrtsgeldes ausdrücklich zu gedenken.

In Folge des kais. Auftrages vom 17. Jänner 1782 hatte die Compilations-Commission ein Gutachten über eine gegen das grundherrliche Einstandsrecht gerichtete Denkschrift eines Unbekannten abzugeben. Horten beabsichtigte damals einen Ausspruch der Commission über alle Arten des Einstandsrechtes hervorzurufen; die Mehrheit wollte jedoch über die Erörterung des grundherrlichen Einstandsrechtes nicht hinausgehen, dessen Aufhebung sie als eine Verletzung erworbener Recht und zugleich als eine die Rusticalisirung der Grundstücke für die Zukunft hindernde Maßregel bekämpfte. Horten erachtete, daß das grundherrliche Einstandsrecht der Hebung der Bodencultur sowie der Vermehrung der Bevölkerung hinderlich sei, und daher dem öffentlichen Interesse weichen müsse, woran um so weniger Anstoß zu nehmen sei, als man doch nicht billigen könne, daß der Grundherr in der Lage


(26) sie können dahero nicht nur in jenen Landen, wo sie ohnehin vermöge der Landesverfassung landesfähig sind, sondern auch in anderen Landen, wo sie diese Fähigkeit noch nicht haben, wofern sie nur durch die Landesverfassung nicht ausgeschlossen sind, landschäftliche Güter, Gülten und Rechte außergerichtlich oder durch gerichtliche Versteigerungen an sich bringen, wie auch zu deren natürlichen Besitze gelangen. Allein in diesen letzteren Landen mag ihnen weder das Eigenthum, noch der rechtliche Besitz mittelst Einverleibung des an sich gebrachten Guts in die Landtafel zu Theile werden, insolang sie nicht die Landmannschaft, oder wo es üblich ist, von Uns eine besondere Besitzfreiheit erworben haben. (§§. 4, 5.)

[1, 2] §. 5. Hierzu bestimmen Wir ihnen von Zeit der geschlossenen Handlung eine Zeit von sechs Monat, und während dieser Zeit sollen sie von Niemanden in dem Besitze gestöret werden. Wenn aber diese Zeit fruchtlos verstrichen, so verstatten Wir ihnen zwar noch andere sechs Monate, um während denselben entweder die Landesfähigkeit zu erwerben, oder das Gut an einem anderen Fähigen zu übertragen; doch fängt zu gleicher Zeit in Kauffällen das einem jeden dasigen Landmann, der sich zuerst meldet und zahlungsfähig ist, zustehende Einstand- oder Ablösungsrecht an, vermög dessen derselbe gegen Entrichtung des Kaufschillings und Ersatz desjenigen, was hinein verwendet worden, in das Gut eintreten kann. Dieses Recht hat während diesen sechs Monaten insolang statt, als der Inhaber die Landesfähigkeit nicht erworben, noch das Gut an einen Anderen übertragen hat. (§. 4.)

[1, 2] §. 6. Nach Verstreichung dieser sechs Monate, wenn weder Eines noch das Andere geschehen, solle das Gut alsofort gerichtlich feilgeboten und dem Meistbietenden

 

bleiben solle, den Vortheil, welchen er dem Staate durch eine Rusticalisirung von Grundstücken verschaffte, willkürlich zu zerstören. Ihm schlossen sich nur Froidevo, welcher das Einstandsrecht auf die Fälle, in denen es auf einem Vertrage beruht, einschränken wollte, dann Zencker an, welcher der Aufhebung des Einstandsrechtes in Ansehung der Rusticalgrundstücke, nicht aber in Ansehung der Dominicalgrundstücke zustimmte. Die am 2. Mai 1782 herabgelangte kais. Entschließung erfolgte im Zinne Zenckers. Bei der Vorlage des Entwurfes im Jahre 1785 wurden die §§. 4-8 zwar unverändert gelassen, die Commission sprach sich aber einhellig gegen alle Arten des Einstandsrechtes aus, da dasselbe den Werth der Liegenschaften herabdrücke, und erbat sich die Ermächtigung, die Einstandsrechte aufheben zu dürfen. Diese Ermächtigung wurde durch die am 21. Februar 1786 herabgelangte kais. Entschließung ertheilt; dieselbe hatte zur Folge, daß die §§. 4-8 durch die im a. b. G. B. vom Jahre 1786 enthaltenen §§. 4, 5 ersetzt und die übrigen correspondirenden Stellen entsprechend modificirt worden sind.

Die Aufhebung des Einstandsrechtes bildete nach dem Tode Joseph II. den Gegenstand vieler Beschwerden. Bei der Revision des J. G. B. wurde auf Antrag des Referenten Lewinski in der Sitzung vom 12. Juni 1790 beschlossen, in Beziehung auf die Fähigkeit zum Erwerbe von Immobilien auf die Landesverfassungen zu verweisen und den das Einstandsrecht aufhebenden Satz auszulassen. Man wünschte dadurch den von den Ständen erhobenen Beschwerden gerecht zu werden. Da hiedurch die Aufrechthaltung des Einstandsrechtes, soweit es in den Landesverfassungen begründet war, ausgesprochen wurde, so erachtete man die Lösung der Frage, ob und inwieweit einem vertragsmäßigen Einstandsrechte Raum zu geben sei, der Feststellung der Normen über den Kaufvertrag vorbehalten zu sollen. Später hat die Commission aber ihre Ansicht in Beziehung auf das Einstandsrecht geändert und in dem Vortrage vom 16. Juli 1791 ausgeführt, daß es ungeachtet der Beschwerden der Stände „zur Sicherstellung des Eigenthumes, des Werthes der Güter selbsten, und zur Hintanhaltung unzähliger Streitigkeiten“ nothwendig sei, das Einstandsrecht aufgehoben zu lassen.

In diesem Sinne äußerte sich auch die Commission, als sie eine Beschwerde der n. ö. Stände, welche die Wiederherstellung des grundherrlichen Einstandsrechtes begehrten, zu begutachten hatte. In dem Vortrage vom 12. December 1792 empfahl die Commission die Verwerfung der Beschwerde und gab, abgesehen von den allgemeinen, gegen die Einstandsrechte sprechenden Gründen, insbesondere der Erwägung Ausdruck, daß das Einstandsrecht eine Spannung zwischen Grundherrn und Unterthanen hervorrufe, daß der Grundadel ohnedies zu zahlreich und eine weitere Vermehrung desselben nicht wünschenswerth sei. Die am 22. December 1792 herabgelangte kais. Entschließung genehmigte die Verwerfung de Beschwerde.


(27) überlassen werden, ohne daß das Einstand- oder Ablösungsrecht nach dieser Zeit ferner Platz hätte. Und wenn das Gut Jemanden bleibt, der die Landmannschaft noch nicht erworben hat, so tritt er in eben die erst ausgemessene Verbindlichkeit ein. (§. 4.)

[1, 2] §. 7. Um so minder stehet Unseren Unterthanen etwas im Wege, an einem landschäftlichen Gute das Recht des Unterpfands zu erwerben; doch giebt ihnen dieses Recht nur Sicherheit und Vorzug. Besitz und Eigenthum können sie anderst nicht erlangen, als mit Beobachtung dessen, was Wir bei anderen Uebertragungen vorgeschrieben haben.

[1, 2] §. 8. Auf gleiche Art ist auch in den Fällen fürzugehen, wenn Jemandem durch eine Erbschaft landschäftliche Güter zufallen, und ein solcher muß sich entweder allda, wo die Güter gelegen sind, auf die in §. 5. erwähnte Art zum Besitz fähig machen, oder sein Recht längstens binnen einem Jahre von Zeit des ihm kundgemachten Erbanfalls an einen Landesfähigen übertragen; wenn aber keines von beiden befolget würde oder befolgt werden könnte, so solle nach Verlauf dieses Jahres zur gerichtlichen Versteigerung geschritten und mit dem erlöseten Kaufschillinge weiters, was Rechtens und Unseren anderweiten Anordnungen gemäß ist, vorgekehret werden. (§. 4.)

[1, 2] §. 9. Was Wir bei landschaftlichen Gütern und Rechten vorgeschrieben haben, ist in gleicher Maß auch von bürgerlichen Gründen und den ihnen anklebenden Rechten zu verstehen; es wäre dann, daß die Landesverfassung ein Anderes vermag. 5) (§. 6.)

[1, 2] §. 10. Fremde, wofür in diesen Unseren Erblanden Alle anzusehen sind, welche Unserer Botmäßigkeit nicht unterstehen, können nicht nur bewegliche Sachen, sondern auch, wenn ihnen kein sonstiges Hinderniß entgegen stehet, landschäftliche Güter, Herrlichkeiten und Rechte an sich bringen, jedoch nur auf rechtmäßige Art, keinesweges aber durch Scheinhandlungen oder heimliche Einverständniß 6), weshalben durch die an seinem Orte ausgemessene Bestrafung das Weitere vorgesehen

 

5) Die Aufnahme des letzten Satzes wurde in der Sitzung der Compilations-Commission vom 20. October 1772 von Sinzendorf, Goldegg, Pelser, Zencker, Horten vorgeschlagen und von der am 18. November 1772 herabgelangten kais. Entschließung genehmigt. Hierbei ging man von der Rücksicht auf Vorderösterreich aus, wo Jedermann bürgerliche Grundstücke besitzen dürfe, ohne vorher das Bürgerrecht erworben zu haben, und wo thatsächlich sehr viele Grunstücke sich im Besitze von Personen befinden, die nicht Bürger sind, welche Liegenschaften wegen der beschränkten Vermögensverhältnisse der Bürger sofort bedeutend im Werthe sinken müßten, wenn dieselben nur von Bürgern erworben werden könnten. Bourguignon, Holger, Curti und Nell hielten dagegen dafür, im Interesse der Bürgerschaft sei die in einigen Gebieten bestehende exceptionelle Verkehrsfreiheit für die Zukunft nicht aufrecht zu halten, da sonst zu besorgen wäre, „daß mit der Zeit der Bürgerstand gar aufhöre und die Magistraten ohne Bürgerschaft verbleiben“. Diese Stimmführer wollten mit Ausnahme Curti’s selbst die Notherben verpflichten, das Bürgerrecht zu erwerben und meinten, es könne keinem Anstande unterliegen, die erwähnte Verkehrsfreiheit aufzuheben, „da sie in die Hauptverfassung des Landes nicht einschlage“.

Bei der Revision des J. G. B. wurde am 12. Juni 1790 beschlossen, die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auch auf bäuerliche Liegenschaften auszudehnen, jedoch den von der Aufhebung des Einstandsrechtes handelnden Satz, welcher in §. 6 J. G. B. enthalten ist, aus dem in der Anmerkung zu §§. 4-8 angeführten Gründen auszulassen. In dem Vortrage vom 16. Juli 1791 wurde aber das Weglassen der das Einstandsrecht betreffenden Worte damit motivirt, daß die Aufhebung des Einstandsrechtes schon in der nun auch auf bäuerliche Liegenschaften anzuwendenden Bestimmung zum Ausdruck gelangt sei.

6) Die Aufnahme dieser beschränkten Bestimmung wurde auf Antrag der Compilations-Commission, beschlossen in der Sitzung vom 20. October 1772, durch die am 18. November 1772 herabgelangte kais. Entschließung angeordnet. Die Redaction der Commission unterschied sich von der jetzigen nur dadurch, daß die erstere des Erwerbes „unter verdeckten Namen“ insbesondere gedachte. Die Commission hatte außerdem mit Rücksicht auf


(28) ist; auch sind sie in Betreff der letzteren insolang des Eigenthums, wie auch des rechtlichen Besitzes unfähig, bis sie die Eigenschaft Unseres Unterthans angenommen und in dem betreffenden Erblande die Landmannschaft, oder wo es sich um bürgerliche Gründe handlete, das Bürgerrecht erworben haben, weshalb mit ihnen sowohl in Kauffällen, als da sie an so einem Gut ein Unterpfand hätten, eben so wie mit Unseren Unterthanen zu verfahren ist. (§. 7.)

[1, 2] §. 11. Wenn Fremden in einem Unserer Erblande eine Erbschaft zufällt, so solle es mit ihnen auf die nemliche Art gehalten werden, wie es mit den Inwohnern dieses Unseres Erblandes in ihrem Vaterland gehalten wird, und wenn in einer solchen Verlassenschaft, zu welcher der fremde Erb zu gelangen hat, Güter vorfindig sind, worzu die Landmannschaft oder das Bürgerrecht erfordert wird, so hat abermals alles das statt, was Wir in diesem Falle in Ansehung Unserer Unterthanen festgesetzet haben. (§. 8.)

[1, 2] §. 12. Umsomehr können Fremde andere unbewegliche Güter, zu deren Besitze die Eigenschaft eines Landmanns oder Bürgers nicht nothwendig ist, erwerben, wenn ihnen weder die Landesverfassung, noch die Grundobrigkeit zuwider ist. Ohne die Einwilligung der Grundobrigkeit, wenn sie hierzu durch die Landesverfassung berechtiget ist, haben die über solche Gründe geschlossene Handlungen keine Wirkung 7), sondern die Obrigkeit kann mit denselben nach der Landesverfassung fürgehen. Wenn aber solche Gründe durch die Erbfolge an Jemanden gelangen, so haben sich die Erben den Grundrechten gemäß zu verhalten; widrigens ist die Grundobrigkeit befugt, sich ihres ersterwähnten, in der Landesverfassung gegründeten Rechts zu gebrauchen. (§. 9.)

 

ihren zu §. 9 gestellten Antrag empfohlen, nach „Bürgerrecht“ einzuschalten, „wo ein oder anderes dazu erfordert wird“.

Nach Einführung des J. G. B. ist insbesondere mit Rücksicht auf das zerrissene Territorium der Grafschaft Ortenau in dem Vortrage der vereinigten Hofkanzlei vom 16. April 1789 die Aufrechterhaltung der Bestimmung widerrathen worden, welche den Erwerb von Immobilien nur den Unterthanen und auch diesen nur dann gestattet, wenn sie im Inlande ihren Wohnsitz genommen haben. Hierbei wurde betont, daß diese Bestimmung mit den Verträgen im Widerspruche stehe, welche mit den Nachbarländern geschlossen worden sind, und Retorsionsmaßregeln zur Folge haben werde, die zum überwiegenden Schaden der Inländer ausfallen müßten, da diese mehr Immobilien im Auslande besitzen, als Ausländer im Inlande. Nachdem schon mehrere ähnliche Vorstellungen zurückgewiesen worden waren, wurde als Mittelweg vorgeschlagen, die Anwendbarkeit der in Frage stehenden Regel auf geschlossene Höfe, welche eine Familie ernähren können, zu beschränken, dagegen andere Grundstücke, welche einzeln einen Gegenstand des Verkehres bilden, davon auszunehmen. Die Mehrheit der Compilations-Commission, beherrscht von dem Widerstreben, Immobilien, welche die Grundmacht des Staates bilden, in den Besitz Fremder übergehen zu lassen, widerrieth das Abgeben von der Vorschrift des Gesetzes, und empfahl, gegen Fremde das Einstandsrecht zuzulassen, wogegen nur Sinzendorf einwandte, daß das Einstandsrecht, das man ja ausschloß, weil es als dem Verkehre schädlich erkannt wurde, für alle Fälle hintangehalten werden müsse. Die am 29. April 1789 herabgelangte kais. Entschließung beharrt auf dem Erfordernisse des Wohnsitzes im Inlande für den Erwerb von „selbstwirthschafltichen Realitäten“, fügt jedoch bei, daß die gegenwärtigen Besitzer von Immobilien nicht zu beirren seien, und verwirft die Zulassung des Einstandsrechtes. (O. G. H. F. 106 Nr. 1.)

Bei der Revision des J. G. B. wurde am 12. Juni 1790 beschlossen, die im §. 7 J. G. B. ausgesprochene Forderung, daß Fremde, welche im Inlande eine Liegenschaft erwerben wollen, nicht blos Inländer werden, sondern auch ihren Wohnsitz im Inlande nehmen müssen, fallen zu lassen, indem man mit besonderer Beziehung auf Galizien annahm, daß diese Forderung zu hart wäre und wahrscheinlich unerfüllt bliebe.

7) Diese Stelle lautete im Entwurfe Horten’s: „Ohne die Aufnahme der Grundobrigkeit haben die über solche Gründe geschlossenen Handlungen keinen Fortgang.“ Die Aenderung wurde in Folge der von der Compilations-Commission am 20. October 1772 beschlossenen Anregung durch die am 18. November 1772 herabgelangte kais. Entschließung, welche die auf die Landesverfassung verweisende beschränkende Bestimmung in die von der Commission vorgeschlagene Redaction aufgenommen hat, angeordnet.


(29) [1, 2] §. 13. Wenn Jemanden die Eigenschaft eines Landmanns, Bürgers, eines befreiten oder unbefreiten Landesinwohners angestritten wird, so solle zuförderst über den Besitz dieser Eigenschaft schleunig erkennet werden; doch ist Demjenigen, deme der Besitz abgesprochen worden, nicht verwehret, in dem ordentlichen Weg Rechtens zu erweisen, daß er das angestrittene Recht nach Maßgab der Landesverfassung oder Unserer Verordnungen rechtmäßig erworben habe. Wenn gegentheils der Beklagte im Besitze erhalten worden, so stehet dem Kläger ebenfalls frei, durch förmliche Rechtsverfahrung darzuthun, daß Jener dieses Recht nicht behörig erworben oder wieder verloren habe.

[1, 2] §. 14. Niemand solle jedoch zur Bestreitung einer solchen Eigenschaft zugelassen werden, als deme es entweder von Amtswegen obliegt, oder deme wesentlich daran gelegen ist, daß Jener sich dieser Eigenschaft nicht anmaße.

Drittes Capitel.

Von den Rechten zwischen Mann und Weib.

[1, 3] §. 1. Die Rechte zwischen Mann und Weib gründen sich in dem ehelichen Bande. Und obwohl dieses Band, als ein Sacrament betrachtet, der geistlichen Erkenntniß 1) unterstehet, so erhalten doch die den Eheleuten aus dem Contracte der Ehe gegeneinander zustehende bürgerliche Rechte ihre Wesenheit und Bestimmung blos allein von Unseren landesfürstlichen Gesetzen. (§. 3.)

[1, 3] §. 2. Minderjährige oder großjährige, noch in der Eltern Brod stehende 2) Kinder sind nicht befugt, ohne ihrer Eltern oder des einen noch lebenden Elterntheiles Einwilligung, ein Eheversprechen einzugehen, und ein solches Versprechen, wenn es sonst gleich alle Bündigkeit hätte, ist ganz und gar ungiltig. (§. 5.)

[1, 3] §. 3. Wenn jedoch die Eltern ihre Einwilligung versagen, und die Kinder ihr Ansuchen nach einiger Zwischenzeit noch einige Mal fruchtlos 3) wiederholet,

 

1) In dem Entwurfe Horten’s lautete diese Stelle: „Und obwohl dieses Band in sich betrachtet der geistlichen Gewalt unterstehet“ und es fehlten die später folgenden Worte „aus dem Contracte der Ehe“. Die Compilations-Commission perhorrescirte in der Sitzung vom 20. October 1772 den Ausdruck „geistliche Gewalt“, und empfahl denselben an dieser, so wie an allen folgenden Stellen durch „geistliche Erkenntniß“ zu ersetzen. Die weitere Aenderung der Redaction erfolgte in der Absicht, zu betonen, daß die Ehe nicht blos ein Sacrament, sondern „auch und ebenso wesentlich ein bürgerlicher Contract“ sei, und in dem Bestreben, nicht die Hand zu einer Einschränkung der weltlichen Gerichtsbarkeit zu bieten.

Der Antrag der Commission, so wie alle folgenden Anträge zu diesem Hauptstücke wurden, so weit das Gegentheil nicht ausdrücklich erwähnt ist, durch die am 9. Jänner 1773 herabgelangte kais. Entschließung genehmigt.

2) Die Hinzufügung dieser einschränkenden Worte wurde von der Compilations-Commission in der Sitzung vom 20. Ocotber 1772 beantragt, weil sie dafür hielt, daß „großjährige und außer der Eltern Brod stehende Kinder“, wenn sie ohne vorhergehende Einwilligung der Eltern heirathen, nur einer Verletzung der Ehrerbietung schuldig erkannt werden können, welche Verletzung aber anders behandelt werden müsse, als die ohne Einwilligung der Eltern von einem minderjährigen oder von einem großjährigen, jedoch noch unselbständigen Kinde vorgenommene Eheschließung.

3) Die Einschaltung des Wortes „fruchtlos“ wurde von der Compilations-Commission in der Sitzung vom 20. Ocotber 1772 empfohlen.


(30) oder durch Andere wiederholen lassen, so verstatten Wir ihnen oder ihren Verwandten, oder auch dem Gegentheile, womit die Ehe nicht zugelassen werden will, dessen Eltern oder Vormunde, sich an das Gericht zu wenden, dem der Weigernde untergeben ist. (§. 6.)

[1, 3] §. 4. Das Gericht hat die Eltern schleunig zu vernehmen, und, wenn die Weigerungsursachen erheblich befunden werden, das Gesuch auf eine den Umständen angemessene Art abzuschlagen. Wenn hingegen keine erhebliche Ursache vorgewendet würde, so sind die Eltern durch gütliche Vorstellungen oder auch durch eine anberaumte mäßige Bedenkzeit zur Einwilligung zu vermögen. Allein, wenn auch dieses nicht verfinge, so solle das Gericht von Amtswegen anstatt der Eltern seine Einwilligung ertheilen, und die solchergestalten für sich gegangene Heirath den Kindern an dem, was ihnen von ihren Eltern von Rechtswegen gebühret, zu keinem Nachtheile gereichen. (§. 7.)

[1, 3] §. 5. Wenn im Gegentheil Kinder ohne Einwilligung der Eltern, oder wider deren ausdrückliches Verbot, ohne die Gerichtshilfe anzusuchen, oder wider die gerichtliche Abweisung sich in ein Eheversprechen einließen, so sind die Eltern berechtiget, dergleichen Heirathen auf alle zulässige 4) Art und Weise zu hintertreiben, auch nöthigenfalls eine Abmahnung von der weltlichen an die geistliche Behörde auszuwirken. (§. 8.)

[1, 3] §. 6. Wofern aber die Heirath gleichwohlen vollzogen würde, so sind die beleidigten Eltern von aller Ausstattung oder wie immer Namen habenden Versorgung gänzlich entbunden, und haben noch über dieses das Recht, ein solch ungehorsames Kind in ihrem letzten Willen zu enterben. Doch hat Beides nur alsdann statt, wenn die Ursache der Weigerung vom Gerichte für hinlänglich anerkennet, und insoweit nachher die Heirath nicht begnehmiget und die zugefügte Unbild erlassen worden. Wir wollen auch die im Nothfalle zur unumgänglichen Lebensfristung unentbehrliche Lebensmittel ausgenommen haben, dergestalten, daß selbe dergleichen Kindern nicht nur bei Lebzeiten der Eltern abgereichet, sondern auch, wenn dieser Nothfall fürwährend ist, nach dem Tod durch den letzten Willen angewiesen werden sollen. (§. 12.)

[1, 3] §. 7. Eine solche Winkelheirath solle noch außerdem den beschaffenen Umständen nach desto schärfer bestrafet werden, je ungleicher und verkleinerlicher selbe dem Stande, Ansehen und guten Namen der Eltern ist. Besonders solle diese Strafe gegen den anderen Theil verschärfet werden, wenn ihm die Verführung zu Last fällt, wie nicht minder gegen Jene, welche sich aus Arglist oder Gewinnsucht zur Unterhandlung gebrauchen lassen, oder zu einer solchen Heirath Anlaß, Gelegenheit und Vorschub geben, zumalen, wenn sie der Eltern oder Kinder Dienstleute wären. Wie Wir Uns denn auch sowohl wider die weltliche als geistliche Personen, welche wider Unsere Gesetze sich bei solchen Winkelheirathen wissentlich und freiwillig gebrauchen lassen, die Straf und Ahndung vorbehalten 5). (§. 13.)

[1, 3] §. 8. Vaterlose Kinder sind nebst der Einwilligung der Mutter annoch schuldig, die Einwilligung des Vormunds oder des der Mutter zugegebenen Vormunds anzusuchen. Dieser hat sich zwar von der Gesinnung der Mutter nicht leicht zu entfernen; wenn jedoch ein gegründetes Bedenken vorwaltet, so solle er dasselbe bei der Vormundschaftsgehörde anzeigen, welche sodann benöthigten Falls

 

4) Die Einschaltung des Wortes „zulässige“ wurde von der Compilations-Commission in der Sitzung vom 20. October 1772 empfohlen.

5) Der letzte Satz wurde von der Compilations-Commission in der Sitzung vom 17. November 1772 empfohlen, wobei sie insbesondere die Wirkung dieser Repressivmaßregel auf die Geistlichen im Auge hatte.


(31) die nächste 6) Verwandtschaft zu vernehmen, und nach billigem Befund die weitere Vorsehung zu treffen hat. (§. 10.)

[1, 3] §. 9. Auf eine ähnliche Art, wie Wir erst wegen der Mutter geordnet haben, solle es auch in Ansehung des Vaters alsdann gehalten werden, wenn zwar derselbe lebt, doch das Gericht ihn wegen eines wider ihn unterwaltenden Bedenkens von der Vormundschaft über seine Kinder auszuschließen und ihnen einen anderen Vormund zu bestellen befunden hat. (§. 9.)

[1, 3] §. 10. 7) Großjährige und zugleich außer der Eltern Brod stehende Kinder sind zwar aus natürlicher Ehrerbietung schuldig, zu ihrer Verehelichung die Einwilligung der Eltern anzusuchen; wenn jedoch dieses unterlassen, oder auch ohngeachtet der Weigerung der Eltern die Heirath vollzogen worden, so können die Eltern weder ein solches ahnden, noch auch die Kinder deswegen enterben, außer wenn sie gegen eine solche, ihrem Stande und Ansehen verkleinerlich fallende Heirath die gerichtliche Hilfe angerufen hätten, und die Ursache ihrer Widersetzung vom Gerichte gebilliget worden wäre. (§. 12.)

[1, 3] §. 11. Sind beide Eltern todt, so ist die Einwilligung des Vormundes, obgleich die Anverwandten des Waisen darmit verstanden wären, nicht genug, sondern der Vormund muß annoch die gerichtliche Genehmhaltung ansuchen. Wenn aber derselbe weder selbst einwilligen, noch die Vormundschaftsgehörde angehen wollte, so solle dieses dem Waisen selbst oder Andern auf die oben §. 3 erwähnte Art freistehen, und das Gericht hat, nach vorläufiger Vernehmung des Vormundes und allenfalls auch der Anverwandten das Billigmäßige vorzukehren. (§§. 10, 11.)

[1, 3] §. 12. Wider diese Unsere Anordnung solle kein Eheversprechen eines Minderjährigen bestehen, und Wir wollen dasselbe hiemit ganz und gar entkräften. Gleichwie annebst auf den Fall, daß eine solche Winkelheirath dennoch vollzogen würde, nicht nur alle diesfalls gemachte Verheißungen, Schankungen und wie immer Namen habende Verbindungen ohne alle Kraft und Giltigkeit sein, sondern auch alle in §. 7 ausgemessene Strafen Platz greifen sollen.

[1, 3] §. 13. Jene Personen, denen Wir wegen der gemeinen Wohlfahrt, wegen einer gewissen Eigenschaft, oder wegen anderer Umstände, worinnen sie sich befinden, keine Heirath einzugehen verstatten, sind zwar befugt, sich in ein giltiges Eheversprechen einzulassen, doch muß die Erfüllung desselben insolange aufgeschoben bleiben, als besagte Eigenschaft oder Umstände fürdauern, und solle diesfalls Unseren ergangenen politischen Anordnungen auf das Genaueste nachgelebet werden. (§. 24.)

[1, 3] §. 14. Wenn es sich um die Vollziehung eines Eheversprechens handelt, so gehört die Erkanntniß darüber für den geistlichen Richter, doch beschränket sich

 

6) Die Einschaltung des Wortes „nächste“ wurde von der Compilations-Commisson in der Sitzung vom 20. October 1772 empfohlen.

7) Die Aufnahme dieser Bestimmung wurde von der Compilations-Commission in der Sitzung vom 20. October 1772 aus dem zu §. 2 bemerkten Grunde beantragt.


(32) selbe blos auf die Giltigkeit oder Ungiltigkeit des Eheversprechens und die daraus entspringende Verbindlichkeit zur Ehe. Der geistliche Richter hat aber bei dieser


(33) Erkanntniß auch auf Unsere Gesetze um so gewisser zu sehen, da ansonst der ergangene Spruch nicht die mindeste Kraft haben solle. Dahingegen sollen die mit Rücksicht auf Unsere Gesetze geschöpfte Urtheile gehandhabet und von Unseren weltlichen Gerichten auf jedesmaliges Ansuchen ohnweigerlich vollstrecket werden. (§. 3.)

[1, 3] §. 15. Diese Vollstreckung der von der geistlichen Gehörde ergangenen Urtheile gehöret nicht nur alsdann für Unsere weltliche Gerichte, wenn das geistliche Gericht auf einen Ersatz oder Abfindung erkennet, in welchem Falle blos Unsere weltliche Gerichte den Betrag zu bestimmen haben, sondern Wir wollen denselben auch in allen jenen Fällen die Vollstreckung eingeraumet haben, wo das geistliche Gericht erkennet, daß ein Theil den anderen zu eheligen schuldig seie. Die alsdann von Unseren weltlichen Gerichten vorzukehrende Zwangsmittel bestimmen Wir hiemit und für allgemein auf einen dem Stande des Beklagten angemessenen persönlichen Arrest, welcher nach Beschaffenheit der Umstände von dem weltlichen Gerichte auf einen oder mehrere Monate, längstens aber auf ein Jahr zu verhängen ist, dergestalten, daß nach Verlauf der ausgemessenen Strafzeit der Beklagte nicht weiter, als zur Entschädigung und Genugthuung belanget werden mag. (§. 1.)

[1, 3] §. 16. Umsomehr gehöret nicht nur die Vollstreckung, sondern auch die Erkanntniß alsdann für Unsere weltliche Gerichte, wenn der klagende Theil von der Person des Beklagten ablässt und nur eine Genugthuung verlanget, oder wenn blos wegen Schwächung oder Schwängerung geklaget wird. Wenn sich aber im Verlaufe der Sache auf ein Eheversprechen berufen würde, so sind die Parteien zu Entscheidung dieser Frage sofort an das geistliche Gericht zu verweisen. Doch sind Wir nicht gemeinet, durch Unsere bisherige Anordnungen die von den Parteien in ein- oder andern Falle entweder unter sich, oder auch vor dem geistlichen Gerichte frei und ungezwungen eingegangene Vergleiche zu entkräften, sondern diese sollen allezeit behörig gehandhabet werden. (§. 2.)


(42) [1, 3] §. 17. Wenn die Brautleute Einer dem Andern Geschenke oder Verehrungen machen, es geschehe in Absicht auf die künftige Ehe oder zu Bezeigung der Liebe, und entweder vor dem Eheversprechen, oder bei und nach demselben, so sind diese Schankungen in Dasjenige nicht einzurechnen, was ein Theil dem andern aus der Eheberedniß schuldig ist, wenn nicht ein solches ausdrücklich vorbehalten worden. Und wenn Jemand von solchen Personen, die zur Versorgung des Ehepaars nicht verbunden sind, den Brautleuten vor oder nach der Ehe Geschenke gemacht hätte, so gehören solche beiden Theilen gemeinschaftlich zu, außer wenn aus den Gesinnungen des Schenkenden oder aus der Beschaffenheit der geschenkten Sachen erhellet, daß sie einem Theile besonders zugedacht worden. (§. 81.)

[1, 3] §. 18. Was die Brautleute einander vor dem Eheversprechen geschenkt haben, dieses solle als eine freiwillige, unbedingte und unwiderrufliche Schenkung angesehen und gleich einer andern Schenkung beurtheilet werden, wenn nicht das Beding der künftigen Ehe ausdrücklich hinzugesetzet worden. Was hingegen bei oder nach dem Eheversprechen geschenket wird, dieses ist, wenn nicht die gegentheilige Meinung ausgedrücket worden, blos als eine Versicherung und Unterpfand des künftigen Ehebündnisses zu betrachten. Wenn daher die Ehe durch einen Zufall verhindert oder mit beiderseitiger Einwilligung davon abgegangen wird, so fällt das Geschenkte dem Schenkenden zurück. Wenn hingegen ein Theil wider Willen des andern von dem Eheversprechen abweicht, oder dem andern hinlängliche Ursache giebt, davon abzuweichen, so behält der unschuldige Theil das, was er empfangen, und der schuldige muß noch jenes zurückgeben, was ihm geschenket worden, ohne daß der unschuldige Theil andurch der Befugniß beraubet würde, wegen der nicht erfolgten Ehe die vollständige Genugthuung anzusuchen. (§. 81.)

[1, 3] §. 19. Blose Zusagen und Verheißungen sind allzeit bei Veränderung des Willens widerruflich, außer sie wären wohlbedächtlich mit darüber errichteten Urkunden oder vor Zeugen geschehen, und in diesem Falle solle es damit wie mit den wirklich übergebenen Schankungen gehalten werden. (§. 81.)

[1, 3] §. 20. Wenn Jemand zu einer Ehe auf erlaubte Art behilflich ist, so kann er zwar, wenn ihm ein solches Geschäft eigends aufgetragen worden, die ihm gebührende Schadloshaltung ansuchen; allein außerdem soll weder vor, noch nach erfolgter


(43) Heirath etwas dafür gefordert werden, und obgleich dem Unterhändler etwas versprochen oder gegeben worden, so solle das Versprochene ganz und gar ungiltig sein, und unter keinem Vorwande einige Rechtshilfe dazu ertheilet werden. Das Gegebene aber kann sowohl vor der Heirath, als vom Tage der Heirath an binnen Jahr und Tag zurückgefordert werden; es wäre denn erweislich, daß es auf allen Fall, die Heirath erfolge oder nicht, freiwillig geschenket worden. (§. 40.)

[1, 3] §. 21. Dahingegen stehet demjenigen, was nach erfolgter Heirath für die Unterhandlung aus freiwilliger Erkenntlichkeit und ohne Zunöthigung versprochen, verschrieben oder verehret wird, nicht im Weg, sondern dieses hat alle Rechtsgiltigkeit, die es von Rechtswegen haben kann. Doch hat sich ein solcher Unterhändler aller Arglist und ungeziemenden Absichten zu enthalten, widrigens wird er nicht nur dem hintergangenen Theile für allen Nachtheil verfänglich, sondern ist annoch, nach Beschaffenheit der Umstände, unnachsichtlich zu bestrafen. (§. 41.)

[1, 3] §. 22. 11) Nach ordentlich geschlossener Ehe nehmen die beiderseitigen Rechte und Pflichten alsofort ihren Anfang. (§. 42.)

[1, 3] §. 23. Der Mann erwirbt über das Weib eine Art der Gewalt, welche jedoch nach der Vernunft, Anständigkeit und Billigkeit gemäßiget und den göttlichen, geistlichen und Unseren Gesetzen gleichförmig sein muß; dahingegen liegt ihm ob, das Weib seinem Stande gemäß zu unterhalten und sowohl gerichtlich, als außergerichtlich zu vertreten. (§. 47.)

[1, 3] §. 24. Das Weib erlanget das Recht, den Namen und das Wappen des Mannes zu führen und wird aller seiner Ehren und Vorzüge theilhaftig, des Weibs Schuldigkeit aber ist, dem Wohnsitz des Mannes zu folgen, ihm in seinem Nahrungsstande alle Hilfe zu leisten und ihn in Besorgung des Hauswesens nach ihrem Stande, Kräften und Kündigkeit zu überheben. (§. 49.)

[1, 3] §. 25. Mehrere den Eheleuten gegeneinander zustehende Gerechtsamen werden allda ihre gesetzliche Bestimmung erhalten, wo Wir von den Gegenständen, welche sie betreffen, besonders anordnen; doch sind es nicht nur diese Rechte, so von Unserer landesfürstlichen Gewalt abhangen, sondern auch in den Fällen, welche das Band der Ehe selbst betreffen und unter die geistlichen Gerichte gehören, liegt Unseren Richtern ob, theils die Vollstreckung der von der geistlichen Behörde ergangenen Sprüche zu befördern, theils die damit verknüpften Fragen über weltliche Gegenstände zu entscheiden. (§. 50.)

[1, 3] §. 26. Wenn wegen Giltigkeit einer Ehe die Frage entstehet und das geistliche Gericht die Ehe für ungiltig erkläret, so sollen Unsere Gerichtsstellen auf Erforderniß hilfliche Hand bieten, damit die häusliche Beiwohnung aufgehoben

 

11) Zu §§. 22, 23. Im Entwurfe Horten’s lautete der Eingang des §. 22: „Wenn durch die priesterliche Zusammengebung das Band zwischen Man und Weib geknüpfet worden, so -“. Dagegen sprach sich die Compilations-Commission in der Sitzung vom 17. November 1772 aus dem Grunde aus, weil nach den Beschlüssen des Tridentiner Concils nur die Anwesenheit des ordentlichen Seelsorgers erfordert werde, und die Ehe auch „praesente parocho licet invito“ geschlossen werden könne. - Bei der Berathung vom Jahre 1785 wurden im §. 23 die Worte „und den göttlichen, geistlichen und Unseren Gesetzen gleichförmig“ als überflüssig gestrichen.


(44) und alle verdächtige Gemeinschaft vermieden werde; zugleich höret auch die Verbindlichkeit des Mannes zur Unterhaltung des vermeinten Eheweibs nebst allen beiderseitigen Rechten auf, und Unseren Gerichten stehet es ganz allein zu, über die Ansprüche wegen Vorenthaltung des zugebrachten Vermögens oder wegen des aus Anlaß dieser ungiltigen Ehe erlittenen Nachtheils zu erkennen. (§§. 113, 114.)

[1, 3] §. 27. Würde hingegen das geistliche Gericht die Ehe für giltig erklären, so liegt Unseren Gerichten nöthigen Falls ebenmäßig ob, die Eheleute zur häuslichen Gemeinschaft anzuhalten; nicht minder sollen selbe bei anderen zwischen Eheleuten entstandenen Zwietrachten die entzweite Eheleute allenfalls mit einer den Umständen angemessenen Ahndung zum friedlichen Leben zu vermögen oder die eigenmächtig getrennte zu vereinigen suchen.

[1, 3] §. 28. Wenn aber ein Theil auf die Scheidung von Tisch und Bett berufet und diese von der geistlichen Behörde verwilliget wird, so mag der Geschiedene zur häuslichen Beiwohnung nicht mehr verhalten werden; doch ist Unseren Gerichten unverwehret, zur Aussöhnung alle gütliche Vermittelung anzuwenden. (§. 99 ff.)

[1, 3] §. 29. Nachdem der geistliche Richter erkennet hat, ob und aus wessen Schuld solche Scheidung statt habe, so haben Unsere weltliche Richter dem von dem geistlichen Gerichte hierinnen ergangenen Spruche nachzugehen, und über die weitere Frage, ob der Mann zum ferneren Unterhalte des Weibs verbunden sei, zu erkennen 15). Wo aber derselbe gebühret, da solle wegen dessen Bestimmung, wie auch wegen Erziehung der Kinder und anderen Ansprüche zwischen den geschiedenen Eheleuten zuförderst gütliche Handlung gepflogen und, wenn diese fruchtlos abliefe, im Wege des schleunigen Rechtes verfahren werden; außer, wenn die Ansprüche ein ordentliches Rechtsverfahren erfordern. (§. 109.)

 

15) In dem Entwurfe Horten’s lautete der Eingang: „Ob in einem solchen Scheidungsfalle der Mann zu fernerer Unterhaltung des Weibes verbunden seie, hierinnen haben Unsere Gerichte dem von dem geistlichen Richter ergangenen Spruche nachzugehen.“ Die Aenderung der Redaction wurde von der Compilations-Commission in der Sitzung vom 24. November 1772 aus dem Grunde beschlossen, um jeden Zweifel darüber zu beseitigen, daß über die Verpflichtung zur Erhaltung nur der weltliche Richter zu erkennen habe, und um zu verhüten, daß, wenn sich die Meinung herausbilden sollte, daß das geistliche Gericht hierüber zu entscheiden habe, derartige Streitigkeiten im Rechtszuge an die Nuntiatur gebracht werden.


(45) [1, 3] §. 30. Unter dem Unterhalte wird Alles begriffen, was zur Erhaltung des Lebens und Abwendung der Dürftigkeit gehöret, nicht auch Pracht und überflüssige Gemächlichkeit; die standesmäßige Begräbniß gehöret nur insoweit darunter, als die hinterlassenen Mitteln darzu nicht erklecken.

[1, 3] §. 31. Bei Ausmessung des Unterhalts haben Unsere Gerichte auf den Stand und Würde des Mannes, auf die Kräfte seines Vermögens, auf das zugebrachte Gut und andere Mittel des Weibs, bei unbemittelten Leuten aber auf des Mannes Besoldung oder Gewerb, auf die eigene Nahrungsfähigkeit des Weibs und andere zu erwägen billige Umstände zu sehen; dahingegen kann das, was etwa dem Weibe als ein wittiblicher Unterhalt verschrieben worden, in keine Betrachtung kommen. Vornehmlich aber ist das Augenmerk dahin zu richten, damit weder durch den allzureichlichen Unterhalt das Weib in der Gemüthsentfernung gestärket und der Mann am Vermögen entkräftet, noch auch derselbe durch die ihm unmerklich fallende Abreichung abgehalten werde, zu der von Zeit zu Zeit zu versuchen habenden Vereinigung die Hände zu bieten.

[1, 3] §. 32. Wenn auch außer dem Fall der Ehescheidung wegen Unterhaltung des Eheweibs eine Beschwerde vorkäme, so sollen Unsere Gerichte zu Beobachtung des schuldigen Wohlstandes schleunige Vorsehung treffen, und da gütliche Versuche nichts verfiengen, nöthigen Falls nach den obigen Maßregeln die richterliche Hilfe ertheilen. (§. 41.)

[1, 3] §. 33. Wenn die heirathenden Personen mit ihrem Vermögen frei schalten und walten können, so hängt es von ihrer Willkür ab, ob und was der Bräutigam sich zu einem Heirathsgut bedingen, und was die Braut ihm darzu bestellen wolle; wenn aber die Braut unter der Vormundschaft stehet, so hat der Vormund dasselbe nach ihrem Vermögen und nach der Beschaffenheit der Heirath mit obervormundschaftlicher Gutheißung zu bestellen. Ebenso liegt dem Vater ob, wenn die Tochter ein eigenes, seiner Verwaltung unterstehendes Vermögen hat und entweder mit seinem Willen oder doch mit gerichtlicher Einwilligung heirathet, ihr aus demselben mit Genehmhaltung des Gerichts ein anständiges Heirathsgut auszumessen. (§. 51.)

[1, 3] §. 34. Würde aber Einer oder der Andere die Bestellung eines Heirathsgut verweigeren, so kann dasselbe sowohl vor der Heirath, als auch während der Ehe mit Einwilligung des Weibs gerichtlich angesuchet werden.

[1, 3] §. 35. Doch kann ein aus dem eigenen Vermögen der Braut bestelltes Heirathsgut nur insoweit bestehen, als die Kinder, sie seien aus einer vorigen


(46) oder aus der künftigen Ehe, in dem ihnen gebührenden Pflichttheile nicht verkürzet werden.

[1, 3] §. 36. Wenn die Braut kein eigenes oder kein hinlängliches Vermögen hat, so sind die Eltern und Großeltern nach derjenigen Ordnung, wie sie zum Unterhalte verbunden sind, gehalten, derselben ein geziemendes Heirathsgut zu bestellen oder, soviel als nöthig ist, dazu beizutragen; doch sollen die Großeltern zu einem Heirathsgute für ihre Enkelin anderst nicht verbunden sein, als wenn auch ihre Einwilligung, auf die oben §. 2 angeordnete Art zu dieser Ehe eingeholet worden, obwohl selbe ansonst nicht nothwendig gewesen wäre. (§. 52.)


(47) [1, 3] §. 37. 19) Außer den Ursachen, wodurch die Eltern vom standmäßigen Unterhalte der Kinder befreiet werden, entbinden noch folgende Umstände von der Schuldigkeit zu Bestellung des Heirathsguts, die eigene Mittellosigkeit, wenn andurch der selbst benöthigte Unterhalt geschmäleret oder die Versorgung der anderen Kindern erschweret würde, ein zu dieser oder einer anderen Ehe bereits empfangenes Heirathsgut oder Abfertigung, obschon das Empfangene auch ohne Schuld der Tochter verloren worden wäre, die ausdrückliche Begebung des Heirathsguts bei großjährigen Alter, die entweder von der Tochter auf die Erbschaft Desjenigen, der zum Heirathsgute unmittelbar verbunden ist, oder von diesem auf die Erbschaft der Großeltern, von welchen das Heirathsgut geforderet wird, gethane Verzicht. (§. 53.)

[1, 3] §. 38. Wenn der zu Bestellung des Heirathsguts Verbundene sich dessen weigeret, so solle das Gericht auf Anrufung der Brautleute oder Anderer, denen sich ihrer anzunehmen zustehet, den Weigerenden schleunig vernehmen und durch gütliche Wege zu einem anständigen Heirathsgut zu vermögen suchen, bei fruchtloser Vermittelung aber, und wenn keine hinlängliche Weigerungsursache vorhanden zu sein befunden wird, das Heirathsgut von Amtswegen bestimmen, und den Weigerenden zu dessen wirklicher Bestellung binnen einer anberaumten Frist, nach deren Verlauf aber durch gerichtliche Zwangsmittel anhalten; doch stehet einem jeden sich beschwert glaubenden Theile der Zug an den oberen Richter offen. (§. 54.)

[1, 3] §. 39. Bei dieser Ausmessung ist zuförderst auf den Landesbrauch, Stand, Würde und Wesen der Personen und die Kräfte des Vermögens zu sehen. In Ermanglung eines Landesbrauchs, oder wenn dieser die Kräfte des Vermögens übersteiget, ist sich nach dem Nahrungs-, Gewerbs- oder sonstigen Vermögensstande, nach der Anzahl der noch unversorgten Kinder und anderen Umständen zu richten; doch solle sich darbei aller nachtheiligen Untersuchung des Vermögens enthalten und überhaupt im Wege des schleunigen Rechts fürgegangen werden. (§. 55.)

[1, 3] §. 40. Bei außergerichtlicher und freiwilliger Bestellung des Heirathsguts beruhet der mehr- oder mindere Betrag in der Willkür der Eltern und Großeltern; 21) wenn sich jedoch nach dessen Tode in Ansehung der übrigen Kinder, wegen Uebermäßigkeit dieses Heirathsguts eine Verkürzung an ihrem Pflichtheile zeigte, so sind selbe befugt, den Ersatz dieses Abgangs zuruckzufordern, wie Wir diesfalls im -. Theile - Capitul des Mehreren anordnen. Dahingegen,

 

19) Die Einschaltung des Wortes „standesmäßigen“ wurde von der Compilations-Commission in der Sitzung vom 24. November 1772 beschlossen, um in Einklang mit den Bestimmungen über die Enterbung zu bleiben.

Bei der Revision des J. G. B. nahm die Gesetzgebungscommission an dem Ausdruck „Mittellosigkeit“ in §. 53 Anstoß, indem sie besorgte, daß durch denselben das Bestreben, sich der Verpflichtung zur Bestellung eines Heirathsgutes zu entziehen, in unbilliger Weise unterstützt würde. Nach ihrem Vorschlage sollte diese Verpflichtung erst dann entfallen, wenn durch die Bestellung des Heirathsgutes dem nöthigen Unterhalt für die Eltern oder die übrigen Kinder Abbruch geschehen würde.

21) Im Entwurfe Horten’s hieß es „des Bestellenden“ statt „der Eltern und Großeltern“; diese Aenderung sowie die später folgende Verweisung auf die Bestimmungen über den Pflichttheil wurden von der Compilations-Commission in der Sitzung vom 24. November 1772 beschlossen. - Diese Verweisung wurde im Jahre 1785 gestrichen, weil die Frage, ob ein Pflichttheil durch Bestellung eines Heirathsgutes verkürzt wurde, nach allgemeinen Grundsätzen entschieden werden muß, und weil man den ersten Theil des Gesetzbuches abgesondert zu publiciren beabsichtigte.


(48) wenn ein gar geringes und mit der Wohlanständigkeit nicht übereinkommendes Heirathsgut gegeben werden wollte, und sich darüber nicht geeiniget werden könnte, so ist auf die oben vorgeschriebene Art fürzugehen. (§. 56.)

[1, 3] §. 41. Außer den Eltern und Voreltern ist Niemand zu Bestellung eines Heirathsguts verbunden, wenn er sich nicht darzu verpflichtet hat. So wollen Wir insbesondere in Betreff der Erbfälle bei Landleuten, so sich vor Einführung dieses Unseren Gesatzes ergeben haben, hiemit verordnen, daß die Brüder und Brüderssöhne, welche nach den vorigen Gesetzen, mit Ausschließung ihrer oder ihres Vaters Schwestern allein zur väterlichen oder großväterlichen Erbschaft gelanget sind, auch noch ferner, wie vorhin, zur landesbräuchlichen Ausstattung dieser ihrer für verziehen gehaltenen Schwestern und Muhmen verbunden sein sollen.

[1, 3] §. 42. Ein Heirathsgut kann auch während der Ehe bestellet oder das schon vorhin bestellte vermehret werden; doch ist der Mann, wenn diese Bestellung vor der Heirath nicht geschehen, nicht befugt, das Weib oder ihre Eltern darum gerichtlich zu belangen, außer in dem oben §. 34 berührten Falle. (§. 57.)

[1, 3] §. 43. Sobald die allseitige Theile wegen des bestellenden Heirathsguts miteinander übereingekommen, so hat dieser Heirathsvertrag alsofort seine vollkommene Giltigkeit, wenn schon keine schriftliche Urkunde darüber ausgefertiget worden.

[1, 3] §. 44. Ohne eine nachfolgende wahre und giltige Ehe kann kein Heirathsgut bestehen. Wenn demnach die Ehe mit oder ohne Schuld des einen Theils nicht zu Stande kommt oder hernach für ungiltig erkläret wird 24), so zerfällt zugleich Alles, was wegen des Heirathsguts ausbedungen worden; doch wenn von der einen Seite eine Gefährde oder Schuld unterwaltet, so bleibet dem unschuldigen Theile bevor, die Entschädigung anzusuchen. (§§. 114, 115.)

 

24) Diese Stelle lautete in dem Entwurfe Horten’s: „die vermeinte Eheleute wegen eines vorgewesenen Hindernisses geschieden würden“. Die vorgenommene Aenderung beruht auf dem Antrage der Compilations-Commission und einer am 15. Februar 1773 herabgelangten kais. Entschließung. Ursprünglich beschloß die Commission am 1. December 1772 im ersten Absatze nur von dem Nichtzustandekommen der Ehe zu sprechen, und als zweiten Absatz folgende Bestimmung anzufügen: „Wäre aber die Ehe zuvor geschlossen worden, doch sie würde hernach für ungiltig erkläret, so ist sich nach dem zu achten, was Wir in §. 25 (jetzt 26) angeordnet haben. Wenn jedoch der eine Theil von dem vorhandenen Hindernisse Wissenschaft gehabt hat, so solle die Anordnung dieses §. 25 auch alsdann eintreten, obwohl das Hinderniß so beschaffen wäre, daß es von der geistlichen Behörde nicht gehoben, noch die Ehe auf einige Art hergestellet werden kann.“ Dieser Zusatz entfiel, da die von der Commission vorgeschlagene Ergänzung zu §. 26, auf welche sich dieser Zusatz bezieht, nicht genehmigt worden ist. - Im Jahre 1785 wurden die §§. 43, 44 als selbstverständlich weggelassen.


(49) [1, 3] §. 45. Jene, die ein Heirathsgut zu bestellen schuldig sind, können bei dessen Bestellung ohne Einwilligung des Bräutigams keine wie immer Namen habende Bedingnisse beirucken. Was aber auch mit Einwilligung des Bräutigams ausbedungen wird, kann der Braut zu keiner Verkürzung gereichen, außer sie wäre großjährig und hätte das unter solchen Bedingnissen bestellte Heirathsgut auf Abschlag ihres künftigen Erbtheils oder zu ihrer gänzlichen Abfertigung ausdrücklich angenommen; umsoweniger kann einer minderjährigen Braut, wenn das Heirathsgut aus ihren eigenen Mitteln bestellet wird, durch solche Bedingnisse ein Nachtheil zugezogen werden. Wenn jedoch in einem oder dem anderen Falle der eigene Vortheil der Braut unterwaltete, und dieser ohne Beifügung eines ihr nachtheilig scheinenden Bedingnisses nicht zu erhalten wäre, so solle darüber die gerichtliche Begnehmigung eingeholet werden. (§. 58.)

[1, 3] §. 46. Dahingegen stehet es einem Dritten, der ein Heirathsgut aus freier Willkür bestellet, wie auch einer großjährigen Braut oder Ehegattin frei, nach eigenem Belieben, Bedingnisse und Nebenverträge beizufügen; doch müssen derlei Bedinge gleich bei der Bestellung beigesetzet 25) werden. (§. 59.)

[1, 3] §. 47. Auf gleiche Art können auch die Anfangs beigefügten Bedingnisse zum Schaden Desjenigen, zu dessen Vortheile sie gereichen, nicht mehr abgeänderet werden. Wenn jedoch diese Bedingnisse blos den Vortheil des einen oder beider Eheleute betreffen, so können selbe, insoweit sie Verbindungen zu erlassen fähig sind, sich dieser zugedachten Wohlthat nicht nur alsdann begeben, wenn die Bedinge von ihnen selbst eingegangen worden, sondern auch, wenn selbe von den Eltern, Vormündern oder einem Dritten herrühren. (§. 60.)

[1, 3] §. 48. Vor der Heirath kann das Heirathsgut nicht geforderet werden. Ist eine Erlagsfrist ausbedungen, so muß selbe abgewartet werden; wo aber keine Frist bestimmet worden, da sollen dem Bestellenden, bevor er gerichtlich belanget werden mag, vom Tage der angetretenen Ehe, noch sechs Wochen nachgesehen werden. Nach deren Verlauf kann das Heirathsgut mit allen, von der Erlagsfrist, oder vom Tage der eingegangenen Ehe verfallenen Zinsen oder eingehobenen Nutzungen anbegehret werden. (§. 61.)

[1, 3] §. 49. Doch erstrecket sich der Rechtszwang wider die Eltern und Großeltern nicht weiter, als auf Dasjenige, was sie füglich thun können, ohne sich selbst einem Nothstande auszusetzen; Fremde genießen dieser rechtlichen Wohlthat nur alsdann, wenn sie das Heirathsgut aus bloser Freigebigkeit bestellet haben. (§. 62.)

[1, 3] §. 50. Wenn das Heirathsgut mit einem gegebenen Pfande oder mit einem landtäflich, stadt- oder grundbücherlich bestellten Unterpfande verschrieben worden, so bedarf es keiner besonderen Rechtsforderung, sondern dem Ehemanne stehet nach Verlaufe der oberwähnten Zeit frei, bei fruchtloser gütlicher Ermahnung, die gerichtliche Einschätzung des gegebenen Pfands oder die gerichtliche Einführung

 

25) Im Entwurfe Horten’s lautete dieses Wort „berichtiget“; die Aenderung wurde von der Compilations-Commission am 1. December 1772 beschlossen.


(50) in das verschriebene Unterpfand anzusuchen und sich daran bis zu vollständiger Befriedigung zu halten.

[1, 3] §. 51. 29) Dieser Rechtsforderung solle nicht im Wege stehen, wenn etwa in Hoffnung der künftigen Zahlung der richtige Empfang des Heirathsguts in dem Heirathsbrief schon zum voraus quittiret worden, sondern der Mann ist ohngeachtet dieser voreiligen Bekanntniß befugt, dasselbe zu begehren. Wird diese Forderung binnen Jahr und Tag vom Tage der Verehelichung, das Weib möge indessen gestorben sein oder noch leben, bei Gerichte angebracht, so solle Derjenige, der das Heirathsgut bestellet und die Quittung darüber erhalten hat, die geschehene Zahlung erweisen; nach dieser Zeit hingegen ist der Bestellende von allem Beweise entbunden und dem Kläger liegt ob, sein Vorgeben, daß die Zahlung nicht erfolget sei, rechtsbehörig darzuthun. Wenn aber die Bekanntniß des richtig empfangenen Heirathsguts nicht in dem Heirathsbriefe enthalten, sondern darüber nachhero eine besondere Urkunde ausgestellet worden, so ist sich nach deme zu achten, was Wir von den voraus ausgestellten Quittungen an seinem Orte anordnen.

[1, 3] §. 52. 30) Doch höret diese Forderung alsdann auf, wenn das Heirathsgut, obwohl es nicht wirklich übergeben worden, doch im rechtlichen Verstande für übergeben gehalten wird, oder wenn der Bräutigam oder Ehemann dasselbe der Braut oder Ehegattin zurückgeschenket hat; wofern nur eine solche Schankung entweder aus dem Heirathsbriefe selbst oder auf andere Art rechtsgenüglich erwiesen werden mag, und ihrer Giltigkeit sonst nichts im Wege stehet.

[1, 3] §. 53. Wenn das Heirathsgut im baaren Gelde, in solchen Sachen, die im Handel und Wandel nach Gewicht, Zahl und Maß geschätzet werden, oder in abgetretenen Schuldforderungen bestehet, oder wenn die Sachen, sie seien beweglich oder unbeweglich, worin es bestellet ist, in einem gewissen Werthe angeschlagen worden, so erwirbt der Mann, nach geschehener Uebergabe, daran das volle und unwiderrufliche Eigenthum, mithin hat er allen Aufwand, Gefahr und Schaden zu tragen, und kann damit als mit seinem eigenen Gute frei schalten und walten; gleichwie auch nach aufgelöster Ehe nicht eben Dasjenige, was gegeben worden, sondern eben so viel von gleicher Güte und Eigenschaft oder der angeschlagene Werth zurückgestellet werden muß. (§. 63.)

[1, 3] §. 54. Wir verordnen aber zur Sicherheit des Handels und Wandels, daß hinführo keine Fahrnissen nach ihrer Gestalt und stückweise anderst, als nach

 

29) Die Aufnahme dieser Bestimmung wurde von der Compilations-Commission am 1. December 1772 gegen die Ansicht Horten’s beschlossen, welcher hervorhob, daß es für die Partei, welche geleistet hat, sehr hart sei, wenn sie trotz der ausdrücklichen Empfangsbestätigung vor der Gefahr, daß der Empfang der Leistung bestritten werde, nicht gesichert sei. Die Commission hielt dagegen dafür, daß die Begünstigung der querela, beziehungsweise exceptio non numeratae pecuniae unentbehrlich sei, um Betrügereien zu verhüten, und daß dem Mißbrauch dieser Schutzmittel dadurch vorgebeugt sei, wenn der Empfang in einer abgesonderten Urkunde bestätigt werde. - Im Jahre 1785 wurde §. 51 gestrichen, da man bezweifelte, ob die zur Zeit über die querela und exceptio non numeratae pecuniae überhaupt geltenden Bestimmungen in Zukunft werden beibehalten werden, und da es selbstverständlich sei, daß die über diesen Gegenstand geltenden allgemeinen Normen auch im Streite über die Zuzählung des Heirathsgutes angewendet werden müssen.

30) Die Aufnahme dieser Bestimmung wurde von der Compilations-Commission am 1. December 1772 gegen den Antrag Horten’s beschlossen, welcher sich bemühte darzulegen, daß dieselbe Angesichts der allgemeinen Bestimmungen über traditio brevi manu und über die Erlöschung der Verbindlichkeiten überflüssig sei. - Im Jahre 1785 wurde §. 52 als selbstverständlich gestrichen.


(51) einer gewissen Schätzung zum Heirathsgute gegeben werden sollen. Widrigens sind zwar selbe, wenn sie bei dem Rückfalle des Heirathsguts noch bei dem Manne oder dessen Erben vorhanden sind, in dem Stande, wie sie vorgefunden werden, zurückzugeben; allein kein dritter Besitzer solle deswegen angefochten werden, sondern in diesem Falle, wie auch, wenn diese Sachen, außer der Abnutzung, durch Schuld des Mannes oder seiner Erben zu Schaden gekommen, gebühret nur deren Werth, wie er gerichtlich geschätzet, durch Beweise bestimmet oder in deren Ermanglung beschworen wird. (§. 64.)

[1, 3] §. 55. Wenn hingegen liegende Güter oder darauf haftende Rechte ohne Zuschätzung und Bedingung des Werths zum Heirathsgute bestellet werden, so erwirbt der Mann zwar auch daran das Eigenthum, doch wird dasselbe bei dem Rückfalle des Heirathsguts wieder aufgelöset. (§. 65.)

[1, 3] §. 56. Vermöge dieses Eigenthums hat der Mann während der Ehe nicht nur die Verwaltung, sondern auch den vollen Genuß aller abfallenden Nutzungen; was aber dem Heirathsgute dergestalten zugehet, daß es mit demselben durch die Natur, durch Zufall oder das Recht unzertrennlich vereiniget wird, dieses bleibt bei dem Heirathsgute, obwohl dem Manne auch von diesem Zuwachse die Nutzungen gebühren. (§. 66.)

[1, 3] §. 57. Dahingegen liegt ihm ob, bei seiner Verwaltung, allen Fleiß, Sorgfalt und Vorsicht anzuwenden, wie auch das Heirathsgut und dessen Gerechtsamen gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Umsomehr hat er sich aller Veräußerung und alles Desjenigen zu enthalten, woraus in der Folge eine Schmälerung oder Beschwerung des Heirathsguts entstehen könnte; widrigen Falls ist nicht nur ein solches Beginnen dem Anderen unschädlich, sondern, wenn gleichwohl durch des Mannes Thun oder Unterlassen, das Gut beschädiget, vermindert oder abgewürdiget worden, so hat derselbe oder seine Erben dafür zu haften. (§. 67.)

[1, 3] §. 58. Zufälle aber gereichen dem Manne zu keiner Verantwortung, so wie ihm auch der zu beharrlicher Erhaltung und künftiger mehrerer Benutzung des Heirathsguts erweislich gemachte Aufwand bei dessen Zurückstellung vergütet werden muß. (§. 68.)

[1, 3] §. 59. Wenn das Heirathsgut in einem gleichen Betrage oder Werthe zurückzustellen ist, so stehet es dem Bestellenden frei, deswegen in dem Heirathsbriefe oder auch sonst die Sicherheit auszubedingen; gleichwie Wir aber überhaupt einem zur Versicherung des Heirathsguts bestellten Unterpfande vor anderen Pfandverschreibungen kein vorzügliches Recht einraumen, so solle auch künftighin diese Sicherheit weder durch die allgemeine Verschreibung alles Vermögens, noch durch die Verschreibung eines sonderbaren Guts, sondern blos allein dadurch erworben werden, wenn an einem liegenden Gute oder darauf haftenden Rechte ein sonderbares Unterpfand verschrieben und dieser Heirathsbrief oder die sonstige Versicherungsurkunde in der Landtafel, Stadt- oder Grundbuche, oder wo es nach der Landesverfassung hergebracht ist, bei der Dorfobrigkeit wirklich einverleibet worden. (§. 69.)


(52) [1, 3] §. 60. Umsomehr wollen Wir hiemit das in einigen Ländern dem Heirathsgute eingestanden gewesene stillschweigende Pfandrecht in Zukunft gänzlich abgestellet haben; in Ansehung jener Fälle aber, wo vor Einführung dieses Unseres Gesetzes ein solches stillschweigendes Pfandrecht bereits erworben worden, ist sich nach Unseren allgemeinen, diesfalls im - Theil - Capitel, vorkommenden Anordnungen zu achten.

[1, 3] §. 61. Wenn jedoch das Heirathsgut vom Anfange nicht versicheret worden, so solle es dem Bestellenden in der Folge noch allzeit freistehen, dessen Sicherstellung an dem Vermögen des Mannes oder Desjenigen, der zu dieser Sicherstellung verbunden ist, es sei, daß er dasselbe dazumalen schon gehabt oder erst hernach erworben habe, anzusuchen, und kann der Mann oder ein solcher entweder zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung einer Hypothek angehalten oder, wenn eine allgemeine Hypothek verschrieben ist, an einem vor Gerichte namentlich angezeigten Gute ein gerichtliches Pfandrecht erworben werden; doch giebt die gerichtliche Vormerkung niemals den Vorzug vor jenen Glaubigern, die auf diesem Gut schon vorhero versicheret waren. (§. 70.)

[1, 3] §. 62. Und obwohl ohne diese gerichtliche Einverleibung eines besonderen Unterpfandes das Heirathsgut als eine blose briefliche Forderung anzusehen ist,


(53) so wollen Wir doch dem unversicherten Heirathsgut aus besonderer Begünstigung an den Zahlungsmitteln, so nach Abzahlung aller gerichtlich vorgemerkten Forderungen erübrigen, vor anderen blosen brieflichen oder sonst persönlichen Sprüchen und Forderungen den Vorzug in jener Ordnung verliehen haben, welche Wir bei der Gantordnung festsetzen werden. (§. 71.)

[1, 3] §. 63. Zu Gewinnung dieses Vorzugs muß aber durch untadelhafte Urkunden, Zeugen oder im Falle eines halbständigen Beweises durch eidliche Erhärtung dargethan werden, daß das Heirathsgut dem Manne wirklich zugebracht worden; die alleinige Bekenntniß des Mannes hat zwar wider ihn und seine Erben ihre Kraft, nicht aber wider die Glaubiger, und bei Entstehung alles anderen Beweises kann das Weib blos deswegen zum Eide nicht zugelassen werden. (§. 72.)

[1, 3] §. 64. Wenn die Braut oder Eheleute mit ihrem Vermögen frei schalten und walten können, so beruhet diese Sicherstellung auf ihrer eigenen Willkür; Jene hingegen, unter deren Obsorge minderjährige Weibspersonen stehen, sollen bei deren Verehelichung von Amtswegen auf die Sicherstellung des Heirathsguts fürdenken und dasselbe längstens binnen sechs Wochen von Zeit der Verehelichung behörig vormerken lassen; widrigen Falls haben sie, wenn dasselbe vor erreichter Großjährigkeit der neu Verehelichten gefährdet würde, dafür zu haften. (§. 73.)

[1, 3] §. 65. Diese Versicherung hat vorzüglich an dem eigenen Vermögen des Mannes zu geschehen, entweder von ihm selbst, wenn er die freie Verwaltung hat, oder von seinem Vater oder Vormunde, denen die Besorgung dieses Vermögens oblieget. Letztere können auch durch den Zwang Rechtens dazu verhalten werden, außer wenn die Ehe ohne die väterliche oder gerichtliche Einwilligung vor sich gegangen wäre. (§. 74.)

[1, 3] §. 66. Wenn aber der Mann kein eigenes oder kein hinreichendes Vermögen hätte, so sind die Eltern und Großeltern in jener Maß, wie sie zur Widerlage verbunden sind, das Heirathsgut zu versicheren schuldig, doch nicht weiter, als auf den landesüblichen Betrag, und wenn es ohne ihren merklichen Nachtheil geschehen kann. (§. 75.)

[1, 3] §. 67. Während der Ehe kann das Heirathsgut nicht zurückgeforderet werden, außer wenn der Mann durch sein Verfahren zu einer Scheidung von Tisch und Bett Anlaß gegeben, und alsdann verlieret er auch die Nutzungen; wenn jedoch wegen kundbarer Verschwendung des Mannes oder sonstiger Abnahm seines Vermögens eine dem unversicherten Heirathsgute bevorstehende Benachtheiligung erwiesen werden mag, so kann nicht nur auf die oben §. 61 geordnete Art dessen Sicherstellung, sondern auch, wo diese Sicherstellung aus Mangel liegender Güter nicht geschehen kann, dessen anderweite sichere Anlegung anbegehret werden. (§. 76.)


(54) [1, 3] §. 68. Nicht minder solle das Heirathsgut während der Ehe auch alsdann in Sicherheit gebracht werden, wenn der Mann sein Vermögen verwirket hat, oder wenn dasselbe zu Handen der Glaubiger in gerichtlichen Beschlag gediehen ist; in diesen Fällen bleibet dem Heirathsgute, wenn es behörig versicheret ist, seine Bedeckung vorbehalten, wenn es aber ungesichert ist, so hat dessen Sicherstellung nach Maßgabe des §. 62 an demjenigen Vermögen zu beschehen, was nach Abzahlung der gerichtlich vorgemerkten Glaubigern annoch erübriget.

[1, 3] §. 69. Was Wir bishero wegen des Heirathsguts angeordnet haben, hat in seiner Maß auch bei der, der Braut von dem Bräutigam zu geschehen habenden Widerlage statt, doch kann diese nicht anderst anbegehret werden, als wenn von der anderen Seite ein Heirathsgut zugebracht worden; freiwillig hingegen kann sowohl eine Widerlage ohne Heirathsgut, als ein Heirathsgut ohne Widerlage bestellet werden, und letztere in einem gleichen, größeren oder minderen Betrage als das Heirathsgut bestehen. (§. 77.)

[1, 3] §. 70. Jene Personen, denen in Ansehung der Töchter und Enkelinnen die Bestellung eines Heirathsguts oblieget, sind in Ansehen der Söhne und Enkeln ebenfalls zur Widerlage verbunden, wenn sie begehret wird. Wenn sich aber über den Betrag der Widerlage nicht geeiniget werden könnte, so solle bei der gerichtlichen Ausmessung zwar der Betrag des Heirathsguts zum Grunde geleget werden; doch erstrecket sich die Schuldigkeit zur Widerlage nicht weiter, als auf jenen Betrag, wie das Heirathsgut nach dem Landesgebrauche sein sollte, wenngleich dasselbe sich höher beliefe. (§. 78.)

[1, 3] §. 71. Die Widerlage muß allzeit ausdrücklich bedungen werden, und ist an dem genug, daß sie versprochen oder verschrieben worden. Während der Ehe kann das Weib weder deren Uebergabe forderen, noch auf die Nutzungen einen Anspruch machen, sondern sowohl die Verwaltung als die Benutzung gehöret dem Manne. (§. 79.)

[1, 3] §. 72. 46) In allen Uebrigen, was Wir hier nicht besonders berühret haben, wollen Wir uns ausdrücklich auf alles Jenes berufen, was Wir in ähnlichen Fällen in Ansehung des Heirathsguts bereits festgesetzet haben. (§. 80.)

[1, 3] §. 73. Außer dem Heirathsgute und der Widerlage können die Eheleute sich zwar noch ferner mit Schankungen betreuen, doch nur in der Maß, wenn

 

46) Der Entwurf Horten’s sprach nur in einfacher Zahl. Abgesehen von dieser redactionellen Aenderung verwies die Compilations-Commission am 15. December 1772 hier sowie bei §§. 73 und 92 auf die zu §. 35 erwähnte principielle Erörterung der Frage, ob die Bestellung einer Widerlage einer besonderen Beschränkung unterliegen solle. - Durch einen Zusatz wurde im Jahre 1785 das Vorzugsrecht der Widerlage in Uebereinstimmung mit der Concursordnung auf die Höhe des Heirathsgutes eingeschränkt.


(55) selbe mit Einrechnung des Heirathsguts von Seite des Weibs, und von Seite des Mannes mit Einrechnung der Widerlage und alles dessen, was von ihm dem Weibe verschrieben worden, den Kindern an ihrem Pflichttheile zu keiner Verkürzung gereichen. (§. 81.)

[1, 3] §. 74. Wenn diese Schankungen namentlich zu Vermehrung des Heirathsguts oder der Widerlage geschehen, so sollen sie auch ohne bestellte Hypothek den Vorzug genießen, den Wir oben §. 62 dem Heirathsgute eingestanden haben; sie folgen alsdann auch im Uebrigen der Natur des Heirathsguts oder der Widerlage, und wenn der beschenkte Theil vor dem schenkenden stirbt, so fallen sie an den letzteren wieder zurück. (§. 82.)

[1, 3] §. 75. Alle übrigen Schankungen der Eheleute hingegen sind von anderen Schankungen nicht unterschieden; sie haben also nicht nur vor anderen Forderungen kein Vorrecht, sondern müssen allen Glaubigern des Schenkenden nachstehen, außer wenn bei beweglichen Sachen die Uebergabe geschehen oder zu deren Sicherheit ein gerichtliches Unterpfand bestellet worden, oder wenn bei geschenkten liegenden Gütern und Rechten die gerichtliche Vormerkung hinzugetreten. (§. 81.)

[1, 3] §. 76. Einem jeden Ehegatten bleibt sein Vermögen sowohl, was er vorhero gehabt, als was ihm nachher zukömmt, ganz allein eigen, und kann der andere auf dasselbe keinen Anspruch machen. (§. 83.)

[1, 3] §. 77. Nicht minder gehöret einem jeden Ehegatten die freie Verwaltung seines Vermögens, ohne daß er von dem anderen darinnen beirret werden könne. Dem Manne ist zwar unbenommen, sich der Geschäfte des Weibs und der Verwaltung ihres Vermögens anzunehmen, und er hat in Fällen, die keine besondere Vollmacht erfordern, eine stillschweigende Gewalt und Vollmacht; doch stehet dem Weibe allzeit bevor, der ferneren Verwaltung des Mannes zu widersprechen und sie selbst zu übernehmen. (§. 84.)

[1, 3] §. 78. Wenn aber ein Ehegatte dem andern die Verwaltung seines Vermögens ausdrücklich aufgetragen hat, so solle es bei dem sein unwiderrufliches


(56) Bewenden haben, was durch Urkunden oder Zeugen erwiesen werden mag, und alsdann kann zwar die Verwaltung, wenn sie unbestimmt, doch nicht auf allzeit aufgetragen worden, bei jedesmaligen Belieben widerrufen werden; allein, wenn der Auftrag auf eine gewisse Zeit oder auf beständig geschehen, so findet diese Widerrufung vor der gesetzten Zeit oder im zweiten Falle während der Ehe nicht statt. (§. 85.)

[1, 3] §. 79. Die Verwaltung des weiblichen Vermögens, sie möge dem Manne ausdrücklich oder stillschweigend aufgetragen sein, verbindet ihn zu allem dem, zu was ein anderer Sachwalter verbunden ist; widrigens, wenn das Weib die Schmälerung ihres Vermögens oder eine demselben wegen der üblen Gebahrung ihres Mannes bevorstehende Gefahr zu erweisen vermag, so kann sie den Auftrag auch vor der Zeit widerrufen. (§. 86.)

[1, 3] §. 80. Wenn dem Manne nebst der Verwaltung nicht auch zugleich die Nutznießung überlassen worden, so kann er auf die Früchte keinen Anspruch machen, sondern ist schuldig, selbe ordentlich zu verrechnen. Damit jedoch in solchen Fällen, wo das vom Manne verwaltete Vermögen von dem Weibe selbst oder von ihren Erben zurückbegehret wird, wegen der mittlerweile behobenen Nutzungen zwischen den Eheleuten oder deren Erben keine beschwerliche Strittigkeiten entstehen mögen, so setzen und ordnen Wir hiemit, daß, wenn der Mann sich nicht ausdrücklich zur Verrechnung des verwalteten Vermögens verbunden hat, derselbe oder seine Erben zu nichts mehr, als zur Berechnung und Ausweisung derjenigen Nutzungen verhalten werden solle, welche von dem Tage der geschehenen Widerrufung oder des erfolgten Todes eingehoben worden; wohingegen alle Anforderungen, so wegen der vorherigen Zeit in Ansehung der Verwaltung oder der schon eingehobenen Früchte gebühren könnten, für berichtiget oder für gänzlich erlassen zu achten sind. Wenn aber der Mann an dem Gute selbsten einen Schaden verursachet hätte, so bleibt er dessen allzeit verantwortlich. (§. 87.)

[1, 3] §. 81. Eben so kann sich auch der Mann, wenn ihm gleich die Nutznießung, nicht aber auch die Verwaltung überlassen worden, der Verwaltung wider Willen des Weibs nicht anmaßen. Wenn aber die Nutzungen dem Manne zwar überlassen, doch von dem Weibe eingehoben worden und hernach von dem Manne oder dessen Erben anbegehret werden, so solle sich diese Forderung auf die nämliche Art, wie Wir gleich oben wegen des Weibs angeordnet haben, nicht weiter erstrecken, als auf das, was von Zeit der geschehenen Anforderung weitershin eingehoben worden. (§. 88.)

[1, 3] §. 82. Das Weib wird weder durch die dem Manne aufgetragene Verwaltung, noch auch durch die ihm überlassene Nutznießung an Veräußerung ihrer Sachen verhinderet. Wenn jedoch die Nutznießung an liegenden Gütern dem Manne durch die gerichtliche Vormerkung versicheret worden, so kann die geschehene Veräußerung


(57) zu seinem Nachtheile nicht bestehen; außerdem hat er wegen des ihm zugehenden Schadens nur eine persönliche Forderung gegen das Weib. (§. 89.)

[1, 3] §. 83. Auch in jenen Fällen, wo das Weib ihr Vermögen selbst verwaltet, stehet dem Manne zu, auf ihre Gebahrung Obacht zu haben, um besonders, wenn Kinder da sind, alle Verschwendung und Versplitterung zu verhüten. Nicht nur der Mann, sondern auch die ein- und anderseitigen Verwandten sind alsdann befugt, die gerichtliche Hilfe anzusuchen, und wenn das Angeben wahr befunden wird, so solle das Gericht zuerst das Weib zu einem freiwilligen Auftrage zu vermögen suchen, im Entstehungsfalle aber die Verwaltung dem Manne, oder wenn gegen ihn erhebliche Bedenken vorwalten, einem Anverwandten und bei dessen Ermanglung einem Dritten von Amtswegen auftragen, und übrigens auf die nämliche Art fürgehen, welche wegen solcher Personen, die ihrem eigenen Vermögen vorzustehen unfähig sind, an seinem Orte vorgeschrieben wird. (§. 90.)

[1, 3] §. 84. In allen Fällen, wo der Mann das Vermögen des Weibs verwaltet, und die ihm nicht überlassene Nutzungen zu verrechnen hat, gebühret ihm die Schadloshaltung. Wenn ihm aber die Nutznießung eingestanden worden, und er die Früchte nicht verrechnen darf, so kann er auch wegen des hierin Verwendeten keine Entschädigung ansuchen, außer, wenn er erweiset, daß der nothwendige oder nützliche Aufwand die behobenen Nutzungen überstiegen habe; doch in dem, oben §. 80, entschiedenen Falle mag in Ansehung der Zeit, da Wir den Mann von der Rechnungslegung entbunden haben, unter keinem Vorwande von dessen Entschädigung die Frage sein. (§. 91.)

[1, 3] §. 85. Wenn die Eheleute unter sich eine Gemeinschaft der Güter errichten, so wird andurch an dem Eigenthume des ein- oder anderseitigen Vermögens nichts geänderet; ein Jeder behält darüber die freie Macht und kann dasselbe auch ohne Willen des Anderen veräußern, und das dem anderen Theile zukommende Recht gehet nicht weiter als auf die Hälfte Desjenigen, was an dem der Gemeinschaft unterzogenen Gute, nach Vorsterben des Einen vorhanden sein wird. (§. 92.)

[1, 3] §. 86. Da jedoch die Gemeinschaft sich auf unbewegliche Güter erstreckt, und in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet worden, so kann


(58) der Eine zwar mit der Hälfte, nicht aber mit der ganzen also behafteten Sache ohne des Anderen Einwilligung eine Anordnung machen, und nach dem Tode des Einen gebühret dem Ueberlebenden an der Hälfte alsofort das volle und freie Eigenthum. Wenn aber diese Einverleibung nicht geschehen, so mag die Gemeinschaft zum Nachtheile der auf diese Güter indessen versicherten Glaubiger nicht gereichen. (§. 93.)

[1, 3] §. 87. Wenn eine Gemeinschaft über das beiderseitige Vermögen überhaupt eingegangen und des künftigen Vermögens nicht namentlich gedacht wird, so solle dafür gehalten werden, als ob selbe blos über das gegenwärtige Vermögen errichtet worden. Dahingegen, wenn die Gemeinschaft entweder das künftige Vermögen allein oder auch alles gegenwärtige und künftige unter sich begreift, so gehöret dennoch dasjenige, was künftig ererbet wird, sonst nicht darunter, als wenn davon ausdrücklich Meldung gemacht worden; doch ist Alles, was sich unter dem künftigen Vermögen vorfindet, insolang für erworben und gemeinschaftlich zu halten, bis das Gegentheil erwiesen wird. (§. 94.)

[1, 3] §. 88. Eine Gemeinschaft über das gegenwärtige und künftige Vermögen, mit oder ohne Einschluß der Ererbungen, mag ohne weitere Feierlichkeit eingegangen werden; allein, wenn selbe nur das gegenwärtige oder nur das künftig erwerbende oder das künftige erwerbende und ererbende Vermögen betrifft, so solle sie nicht anders giltig sein, als wenn bei Errichtung der Gemeinschaft über die beiderseitigen Habschaften eine ordentliche und verläßliche Beschreibung mit beider Theile Fertigung verfasset worden. Diese Beschreibung hat die Richtschnur abzugeben, was in die Gemeinschaft gehöre oder nicht, und ohne selbe solle weder ein anderer Beweis zugelassen, noch dem Ueberlebenden aus dieser Gemeinschaft das mindeste Recht erworben, noch auch selbe zur gerichtlichen Vormerkung angenommen werden. (§. 95.)

[1, 3] §. 89. Bei der Theilung des gemeinschaftlichen Vermögens sind vorhero die Schulden sowohl des verstorbenen als auch des überlebenden Theils in Abzug zu bringen. Wenn die Gemeinschaft sich auf alles Vermögen allgemein erstreckte, so sind auch alle Schulden ohne Ausnahme gemeinschaftlich zu bezahlen. Wenn hingegen nur das künftige oder nur das gegenwärtige Vermögen in die Gemeinschaft gehörete, so sind auch nur jene Schulden gemeinschaftlich zu bezahlen, welche von einem oder dem anderen Theile zum Nutzen und Nothdurft eben dieses gemeinschaftlichen Guts gemacht worden; alle übrigen Schulden hingegen sind von dem eigenen Vermögen dessen, der sie gemacht und von dem, was an dem gemeinschaftlichen Gute auf seinen Antheil ausfällt, hintanzufertigen. (§. 96.)

[1, 3] §. 90. Eine solche Gemeinschaft zwischen den Eheleuten wird niemals vermuthet, sondern muß von Demjenigen, der sich darauf berufet, allezeit erwiesen werden. (§. 97.)


(59) [1, 3] §. 91. Wenn die Ehe durch den Tod aufgelöset wird, so fällt nicht nur an das überlebende Weib das Heirathsgut und an den überlebenden Mann die Widerlage wieder zurück, sondern das Weib soll auch die ihr verschriebene Widerlage und der Mann das ihm zugebrachte Heirathsgut unwiderruflich gewinnen; außer wenn wegen des Einen oder des Anderen ausdrücklich bedungen worden, wie es damit nach aufgelöster Ehe gehalten werden soll. (§. 116.)

[1, 3] §. 92. Wenn der Wittib ein Leibgeding, Wittumsrecht oder wittiblicher Unterhalt verschrieben worden, so erhält derselbe von dieser Verschreibung sein Ziel und Maß, insoweit der Pflichttheil der Notherben andurch nicht verkürzet wird. Ist der Wittib etwas, so zur Nothdurft oder Bequemlichkeit des Lebens gehöret, wesentlich angewiesen, so hat sie sich mit dem, was desfalls ausgemessen worden, oder was bei Ermanglung dieser Ausmessung gerichtlich festgesetzet wird, zu begnügen und kann dafür den Betrag am Gelde nicht fordern, und wenn für gewisse Nothwendigkeiten eine bestimmte Summe ausgesetzet worden, so hat es darbei sein Bewenden, diese Summe möge darzu erklecken oder nicht; wenn aber entweder die Sachen oder dafür ein Geldbetrag bestellet worden, so hat die Wittib die Auswahl, wenn nicht das Gegentheil aus der Verschreibung erhellet. (§. 117.)


(60) [1, 3] §. 93. Dieser wittibliche Unterhalt nimmt nach sechs Wochen von des Mannes Tode seinen Anfang. Bis dahin solle die Wittib noch, wie bei dessen Lebzeiten aus der Verlassenschaft erhalten werden; außer wenn es ohne Nachtheil der Glaubiger oder der Notherben nicht geschehen könnte. Ist aber eine Wittib schwanger hinterlassen worden, so genießt sie den Unterhalt aus der Verlassenschaft bis sechs Wochen nach der Niederkunft, und sind von daher ebenfalls ohne Abbruch ihrer Heirathssprüche, alle Unkosten zu bestreiten; es wäre dann, daß selbe sich dieses ihr gebührenden Rechts freiwillig begeben und sich mit ihren Heirathssprüchen begnügen wollte. (§. 118.)

[1, 3] §. 94. Wenn der wittibliche Unterhalt nicht durch gerichtliche Vormerkung auf ein liegendes Gut vorgemerket worden, so genießet er keine Begünstigung, sondern ist als eine solche Schankung zu betrachten, wovon Wir oben §. 75 geordnet haben. (§. 119.)

[1, 3] §. 95. Alle dem einen Ehegatten aus der Verlassenschaft des anderen zukommende Rechte gebühren alsofort, wenn die priesterliche Trauung erfolget ist,


(61) obschon ein Theil vor der wirklichen Beiwohnung verstorben wäre. Wenn die Ehe ungiltig war, doch diese Ungiltigkeit bis zum Tode des einen Theils verborgen geblieben, so schadet es dem Ueberlebenden an seinen erworbenen Gerechtsamen nichts, wenn dieser die Ehe für giltig gehalten; wenn aber die Ehe bei Lebzeiten beider Eheleute für ungiltig erkläret wird, so zerfallen mit derselben auch alle Heirathssprüche. (§. 123.)

[1, 3] §. 96. Der wittibliche Unterhalt besonders höret auf, wenn die Wittib zur neuen Ehe schreitet, außer wenn das Gegentheil in dem Heirathsbriefe bedungen worden. Ueberhaupt aber macht sich ein jeder Ehegatte der ihm von dem Verstorbenen in Heirathsbriefe oder sonst zugedachter Vortheile durch eben jene Ursachen unwürdig, wegen welchen Wir ihn durch Unsere im zweiten Theile nachfolgende Anordnung von dem Antheile ausschließen, der ihm bei Ermanglung eines Heirathsbriefes durch Unsere Gesetze zugetheilet worden wäre. In so einem Falle erhält zwar der Ueberlebende das, was er dem Verstorbenen zugebracht, wieder zurück; allein von dessen Verlassenschaft soll er gänzlich ausgeschlossen sein. (§. 124.)

[1, 3] §. 97. Wenn Dasjenige, was an den überlebenden Ehegatten zurückfällt, in der Verlassenschaft wesentlich vorhanden ist, oder wenn das, was ihm von dem Verstorbenen zufällt, entweder übergeben oder gerichtlich vorgemerket worden, so erwirbt derselbe alsofort daran das volle Eigenthum, und wenn schon diese Vormerkung bei Lebzeiten des Anderen nicht geschehen wäre, so kann sie auch nach dessen Tode angesuchet werden, wenn nur die Urkunde die zur Einverleibung nöthige Erfordernissen hat. (§. 125.)

[1, 3] §. 98. Außer dem hat der Ueberlebende, wenn ihm nicht ein Unterpfand verschrieben und diese Verschreibung vor oder nach dem Tode des Anderen gerichtlich einverleibet worden, blos eine persönliche Rechtsforderung. Diese bleibt ihm auch alsdann bevor, wenn er aus dem verschriebenen Unterpfande seine völlige Befriedigung nicht erhielte, oder wenn ihm in dem, was ihm eigenthümlich zuzufallen hat, aus Anlaß der später geschehenen Vormerkung durch die indessen darauf versicherte Glaubiger ein Nachtheil zugegangen wäre. (§. 126.)

[1, 3] §. 99. Wenn der Mann das Heirathsgut zurückzustellen hat, so solle er nicht weiter belanget werden, als um das, was er ohne in einen Nothstand zu gerathen, zurückstellen kann. Wenn aber der Mann das Heirathsgut gewinnet, so mag er wegen der, während der Ehe vom Weibe eingehobenen Nutzungen keine Forderung stellen, sondern es solle damit auf eben die Art gehalten werden, wie Wir oben in §. 81 festgesetzet haben.


(62) Viertes Capitel.

Von den Rechten zwischen Eltern und Kindern.

[1, 4] §. 1. Die Rechte zwischen Eltern und Kindern entspringen aus der Natur. Jene Rechte, welche Unsere Gesetze denselben insbesondere gegeneinander eingestehen oder näher bestimmen, gründen sich auf die eheliche Erzeugung.

[1, 4] §. 2. Diese wird bei allen Kindern, so während der Ehe empfangen worden, zu Rechte vermuthet und der Mann ist schuldig, wenn er das Gegentheil nicht erweisen kann, selbe für die seinigen zu erkennen. Wenn ein Kind im siebenten Monate nach angetretener Ehe oder im zehenten Monate nach des Mannes Tode oder Abwesenheit geboren wird, so hat es ebenfalls die Vermuthung der ehelichen Geburt für sich. Bei früher oder später Geborenen tritt die Vermuthung wider die eheliche Geburt ein. Wenn jedoch ein Vater ein zu früh oder zu spät geborenes Kind für das seinige anerkennet, so macht dieses wider ihn den vollen Beweis; allein zum Nachtheile eines Dritten kann diese Anerkenntniß nur alsdann gereichen, wenn die Möglichkeit vor Augen liegt oder vom Vater erprobet wird. (§. 1.)

[1, 4] §. 3. 3) Wenn aber der Vater oder ein Anderer dem Kinde wegen der zu frühen oder zu späten Geburt die Kindschaft in Abrede stellet, so sollen alle Umstände genau untersuchet und der Befund der Naturkundigen eingeholet werden, ob die Geburt so frühzeitig oder so spät habe erfolgen können. So in einem als dem anderen Falle ist im außerordentlichen Wege Rechtens vorzugehen.

 

3) Im Entwurfe Horten’s stand an der Spitze des §. 3 folgender Satz: „Wenn dem Vater die eheliche Geburt des Kindes streitig gemacht wird, so hat er diese nach den obigen Grundsätzen zu beweisen.“ Die Compilations-Commission sprach sich in der Sitzung vom 26. Jänner 1773 für die Weglassung dieses Satzes aus, der nur „in casu vindicationis liberorum“, von welchem §. 14 handle, Anwendung finden könne, und überdies gegen die allgemeinen Grundsätze über die Vertheilung der Beweislast verstoße, da er Denjenigen, welcher die Unehelichkeit eines Kindes behauptet, des Beweises dieser Behauptung enthebe.


(64) [1, 4] §. 4. Dem Vater liegt ob, die Kinder zu einem für den Staate nützlichen Stande zu erziehen und selbe, wenn sie nicht ein eigenes Vermögen haben, dessen Einkünfte darzu hinreichen, so lange zu erhalten, bis sie sich selbst ernähren können. Zum Unterhalte gehöret aber alles Dasjenige, was Wir im dritten Capitel, §. 29, festgesetzet haben. Von dieser Schuldigkeit wird der Vater nicht entbunden, wenn gleich ein Kind übel gesittet wäre, oder wenn dasselbe zwar ein eigenes Vermögen oder sonstige Versorgung gehabt, doch selbe wieder verloren hätte. (§. 3.)

[1, 4] §. 5. Wenn aber eine Tochter, es seie mit oder ohne Heirathsgut ausgeheirathet worden, so liegt ihre Unterhaltung zuerst dem Manne, dessen Eltern, und sodann dessen Großeltern ob. Wenn jedoch diese unvermögend sind, so ist zwar der Vater schuldig, einer solchen Tochter den Unterhalt abzureichen, doch nicht nach seinem eigenen Stande, sondern nur nach Nothdurft. (§. 4.)

[1, 4] §. 6. Die Mutter ist ebenfalls verpflichtet, die Kinder mit allem Fleiße zu pflegen, zu warten und zu erziehen. Doch ist sie während der Ehe nicht schuldig, zu deren Unterhalte von ihrem Vermögen etwas beizutragen, außer wenn der Vater darzu nicht im Stande ist. Nach dem Tode des Vaters aber liegt der Mutter eine gleiche Schuldigkeit ob wie dem Vater. (§. 5.)

[1, 4] §. 7. Die Schuldigkeit, den Unterhalt abzureichen, gehet nach Abgang der Eltern auf die Großeltern. Doch sind die Großeltern von väterlicher Seite vorzüglich


(65) darzu verbunden, und den Großeltern von mütterlicher Seite kann die Unterhaltung der Enkeln nur in dem Falle und in jener Maß aufgebürdet werden, wie Wir oben §. 5, wegen der Tochter angeordnet haben. (§. 6.)

[1, 4] §. 8. Eben diejenige Ursachen, wegen welcher die Kinder enterbet werden können, machen sie auch der von ihren Eltern gebührenden standesmäßigen Unterhaltung unwürdig. Wenn sie doch im äußersten Nothfalle den Unterhalt von ihren Eltern ansuchen, so kann ihnen derselbe so viel, als zur blosen Lebensleistung erforderlich ist, nicht verweigeret werden. (§. 7.)

[1, 4] §. 9. Die Kinder ihrerseits sind gleichfalls schuldig, ihren bedürftigen Eltern und weiteren Voreltern nach ihren Kräften beizustehen und sie zu erhalten. (§. 8.)

[1, 4] §. 10. Das was entweder die Eltern zu Ernährung der Kinder oder diese für die Eltern aufgewendet haben, kann nicht mehr zurückgeforderet werden; auch jenes, was über die Schuldigkeit aus natürlicher Neigung abgereichet wird, ist allzeit für geschenkt zu halten, wenn der Ersatz nicht ausdrücklich ausbedungen worden. (§. 9.)

[1, 4] §. 11. Unehelichen Kindern, aus was für einer verbotenen Vermischung sie auch erzeuget worden wären, kann der nothdürftige Unterhalt nicht versaget werden. Diese Schuldigkeit liegt dem Vater nur alsdann ob, wenn er Vater zu sein eingestehet oder der geschehenen Schwächung überwiesen wird und Zeit und Umstände mit der Geburt übereinstimmen; das blose Angeben der geschwächten Weibsperson aber wirkt weder Ueberzeugung, noch Vermuthung. Der durch die eingestandene oder erwiesene 11) Schwächung bezüchtigte Vater kann zwar die darinnen begründete Vermuthung durch einen klaren Gegenbeweis ablehnen; allein bis dahin mag ihm sowohl die Unterhaltung des Kinds, als auch der noch schwangeren Weibsperson und die Bestreitung der Niederkunftsunkosten aufgetragen werden. Doch ist darbei auf das Vermögen der Mutter, eigene Dürftigkeit des Vaters und andere Umstände, so ihn von diesem Unterhalte ganz oder zum Theil entheben, Rücksicht zu nehmen. (§. 10.)

[1, 4] §. 12. In Ermanglung des Vaters ist die Mutter schuldig, diese Kinder zu ernähren; sie folgen der Mutter und werden in Ansehung ihrer den ehelich geborenen 12) gleich gehalten, wo Unsere Gesetze zwischen ihnen keinen Unterschied bestimmen. (§. 14.)

[1, 4] §. 13. Außer dem Unterhalte und dem Antheile, welchen Wir den unehelichen Kindern an seinem Orte an der väterlichen Erbschaft eingestehen, sind sie

 

11) Die Worte „eingestandene oder erwiesene“ wurden in Folge des von der Compilations-Commission am 26. Jänner 1773 gefaßten Beschlusses zur Erreichung größerer Deutlichkeit eingeschaltet.

12) Im Entwurfe Horten’s folgten nach „Geborenen „ die Worte „in Allem“; die Compilations-Commission empfahl in der Sitzung vom 26. Jänner 1773 dieselben auszulassen, weil sie die Diction ungenau machen.


(66) von allen weiteren Gerechtsamen der ehelichen Kinder ausgeschlossen. Wie aber die aus einer an sich ungiltigen, insgemein aber für giltig gehaltenen Ehe erzeugte


(67) Kinder angesehen werden sollen, werden Wir in dem zweiten Theil gesetzgebig ausmessen. (§§. 15 - 17.)

[1, 4] §. 14. Der Vater ist befugt, seine Kinder gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten, wie auch für die ihnen zugefügten Unbilden Genugthuung zu forderen. Er hat das Recht, selbe durch mäßige Züchtungen zu bessern, die flüchtig Gewordene überall zu ergreifen, und die ihm von Anderen Vorenthaltene zurückzuforderen, in welchem Falle, wenn der Vater im Besitze der Vaterschaft ist oder die rechtliche Vermuthung für sich hat, er von allem weiteren Beweise enthoben ist. Wenn er aber sich nicht im Besitze der Vaterschaft befindet und ihm selbe strittig gemacht wird, so muß er sein Recht behörig erweisen. 14) Doch hat der Vater kein Recht, über Leben, Freiheit, Ehre und guten Namen der Kinder, noch kann die ihm zugestandene Züchtigung zum Nachtheil des Leib und der Gesundheit mißbrauchet werden. (§§. 18, 19.)

 

14) Im Entwurfe Horten’s hatte diese Stelle gelautet: „In welchem Falle blos darauf zu sehen ist, ob Jemand im Besitze der Vaterschaft seie, oder die rechtliche Vermuthung für sich habe“. Die in der Sitzung vom 26. Jänner 1773 beantragte Aenderung der Redaction war durch die Weglassung des ersten Satzes des §. 3 veranlaßt.


(68) [1, 4] §. 15. Die Kinder sind dem Vater Ehrerbietung, Gehorsam und eine vollkommene Unterwerfung in seinen Willen schuldig, insoweit seine Befehle nicht wider die Gesetze und gute Sitten laufen. Dahingegen werden sie des väterlichen Namens und Wappens, aller Ehren, Würden und Vorzüge, so nicht auf die Person des Vaters beschränket sind, theilhaftig, und erwerben ein Recht an dessen Vermögen und Erbfolge. (§. 20.)

[1, 4] §. 16. Die Rechte des Vaters sind der Mutter in denen mehresten Punkten gemein, und die Kinder sind ihr die nemliche Ehrerbietung schuldig wie dem Vater. (§. 26.)

[1, 4] §. 17. Besonders aber stehen dem Vater, als einem natürlichen Vormunde über seine Kinder während ihrer Minderjährigkeit alle Rechte zu, die Wir im sechsten Capitel andern Vormündern eingeraumet haben, und die Kinder sind in ihren Handlungen, woraus ihr Vermögen verminderet oder ihre Person verbindlich gemacht werden könnte, anderen Waisen oder Minderjährigen vollkommen gleich zu achten. (§. 21.)

[1, 4] §. 18. Wenn jedoch die Kinder in Geschäften des Vaters auf sein Geheiß, mit dessen Willen oder nachhero erfolgter Beangnehmung sich in eine Handlung eingelassen haben, so bestehet die Verbindlichkeit in Ansehung des Vaters in jener Maß, wie Wir wegen solchen Handlungen im dritten Theile ausführlicher anordnen werden.

[1, 4] §. 19. Durch andere Gelderborgungen der Kinder wird der Vater nicht verbunden, außer wenn er diese Schuld wissentlich übernommen oder auch nur darauf eine Abschlagszahlung geleistet hätte, ohne sich wegen des Ueberrestes ausdrücklich zu verwahren.

[1, 4] §. 20. Zu dergleichen Geldborgungen solle den Kindern der Vorwand nicht helfen, daß es ihnen an gebührendem Unterhalte gebreche; in einem solchen Falle liegt ihnen ob, die Gehörde anzugehen. Wenn jedoch ein Kind sich in der Fremde befindet, so solle der Vater durch die aufgenommene Darlehen insoweit verbunden werden, als selbe zum geziemenden Unterhalte und zu Bestreitung der Reisekosten nothwendig gewesen.

[1, 4] §. 21. Nicht minder hat der Vater das Recht, wenn die Kinder ein eigenes Vermögen haben, dasselbe zu verwalten. Unter dieses Vermögen kann jenes


(69) nicht gerechnet werden, was sich bei ihnen von dem Gute des Vaters befindet, ohne von ihm durch Schankung oder sonst auf eine rechtsbeständige Art an sie übertragen worden zu sein; dieses gehöret dem Vater sammt Allem, was damit erworben wird. (§. 22.)

[1, 4] §. 22. Was hingegen von dem Vater auf eine rechtmäßige Art an die Kinder gelanget ist, was ihnen von Anderen zukommt, oder was sie außer dem Gute und Gewerbe des Vaters selbst gewinnen, dieses gehöret ihnen, als ein wahres eigenes Kindergut, und der Vater hat allzeit darüber die Verwaltung, außer wenn Derjenige, von dem das Gut an die Kinder gediehen ist, den Vater darvon ausgeschlossen hat, oder wenn gegen ihn der gegründete Verdacht einer üblen Gebahrung vorhanden wäre. (§. 22.)

[1, 4] §. 23. Doch solle sich kein Vater der Verwaltung des Kinderguts anmaßen, noch Dasjenige, was er vorgenommen, rechtsgiltig sein, bevor ihm das Gut nicht gerichtlich eingeantwortet worden. Vor dieser Einantwortung solle das Gut, wo es nöthig ist, gerichtlich beschrieben oder doch dessen Beschaffenheit, Werth und Erträgniß zur Sicherheit der Kinder angemerket werden. (§. 23.)

[1, 4] §. 24. Was die Kinder durch Kriegs- und andere Dienste, geistliche Pfründen, Wissenschaften, Künsten und durch ihren eigenen Fleiß erwerben oder wegen ihrer eigenen Verdienste zum Geschenke erhalten, darvon gebühret ihnen nicht nur das Eigenthum, sondern auch alle darvon abfallende Nutzungen. Von jenem aber, was den Kindern von Anderen zukömmt, hat der Vater den völligen Genuß, außer, wenn Derjenige, von dem das Gut an die Kinder gelanget ist, ein Anderes ausdrücklich bedungen, oder wenn den Kindern selbst kein Eigenthum, sondern nur die Nutznießung eines Guts oder eine andere zeitliche oder lebenslängliche


(70) Beihilfe zugewendet worden wäre. Von deme, was der Vater selbst den Kindern geschenket, gebühret ihm der Genuß sonst nicht, als wenn er sich denselben namentlich vorbehalten hat. (§. 24.)

[1, 4] §. 25. Dieser Nutznießung macht sich der Vater alsdann unwürdig, wenn er die Verwaltung des seinen Kindern zugefallenen Guts ohne rechtmäßige Ursache verschmähet, und solle derselbe, wenn das Kind, deme das Gut zugehöret, in der Unvogtbarkeit verstürbe, auch von der Nutznießung derjenigen Antheile ausgeschlossen sein, welche seinen übrigen Kindern als nächsten Erben zufallen.

[1, 4] §. 26. Wenn aber der Vater aus den im §. 22 angeführten Ursachen von der Verwaltung ausgeschlossen worden, so bleibet ihm dennoch die Nutznießung, so wie er gegentheils die Verwaltung behält, wenn ihm gleich die Nutznießung entzohen worden.

[1, 4] §. 27. Wenn der Vater die Verwaltung ohne Nutznießung hat, so ist er wie ein anderer Vormund das Kindergut zu versicheren und darüber jährliche Rechnung zu legen schuldig. Wenn er aber den völligen Genuß hat, so ist er von beiden entbunden; doch hat er sich in allem Uebrigen deme nachzuachten, was den Vormündern wegen Verwaltung des Vermögens vorgeschrieben ist. (§§. 24, 25.)

[1, 4] §. 28. Wenn die Tochter das achtzehente und der Sohn das zwanzigste Jahr zurückgeleget, so höret der dem Vater zugestandene Genuß auf, nicht aber die Verwaltung. Der Vater ist also schuldig, den gegenwärtigen Stand des Kinderguts dem Gerichte getreulich vorzulegen, welches denselben mit der anfänglichen Beschreibung zusammen zu halten und den Vater zum Ersatze des während seiner Nutznießung etwa zugefügten Schadens zu verhalten hat. Von dieser Zeit an hat der Vater die Verwaltung wie ein anderer Vormund fortzusetzen und wird allen vormundschaftlichen Pflichten unterzogen.

[1, 4] §. 29. Diese dem Vater gebührende Vormundschaft ist ihme ohne erhebliche Ursache nicht zu benehmen; wenn er jedoch einer gefließentlichen Benachtheiligung oder großen Verwahrlosung des Kinderguts überzeuget würde, so ist den Kindern ein anderer Vormund zu bestellen und durch denselben sowohl das Vernachlässigte wieder in Ordnung zu bringen, als auch der Ersatz, beschaffenen Umständen nach, von dem Vater gerichtlich einzutreiben. (§. 25.)

[1, 4] §. 30. Wenn ein Sohn vor dem zwanzigsten und eine Tochter vor dem achtzehenten Jahre verheirathet wird, so höret die Nutznießung des Vaters ebenfalls auf, doch nur alsdann, wenn die Heirath mit der väterlichen oder bei deren Ermanglung mit der gerichtlichen Einwilligung vollzohen worden; im widrigen Fall kann der Vater an seinem Rechte nicht beeinträchtiget werden. Bei der Heirath eines unvogtbaren oder minderjährigen Sohnes bleibt die Verwaltung bei dem Vater; allein, wenn die Tochter heirathet, so fällt sie unter die Vormundschaft ihres großjährigen 23) Mannes, wie Wir dieses im sechsten Capitel §. 165 mit Mehreren erklären.

[1, 4] §. 31. Inwieweit aber den verheiratheten oder auch unverheiratheten

 

23) Die Einschaltung des Wortes „großjährigen“ wurde von der Compilations-Commission in der Sitzung vom 26. Jänner 1773 empfohlen, um die Deutung zu vermeiden, daß die Frau, welche einen minderjährigen Mann heirathet, dem Vormunde ihres Mannes unterstellt werde. Der §. 30 wurde in Folge der vom Kaiser im Jahre 1786 angeordneten Aufhebung des väterlichen Fruchtnießungsrechtes gestrichen.


(71) vogtbaren Kindern die Einkünften ihres Vermögens zur eigenen Schaltung zu überlassen seien, und in welchen Fällen ihnen nach erreichter Vogtbarkeit das ganze Vermögen eingeantwortet werden könne, ist aus deme zu entnehmen, was Wir desfalls im sechsten Capitel festsetzen werden.

[1, 4] §. 32. Wenn der Vater wegen Verbrechen des Landes verwiesen oder zur ewigen Gefängniß oder Strafarbeit verurtheilet wird, so verlieret er sowohl die Verwaltung als Nutznießung. Eine zeitliche Abschaffung, Gefängniß und Strafarbeit beraubet den Vater dieser Rechte nur so lang, als die Strafzeit dauret; wenn er aber nach deren Endigung wieder zurückkehret und kein erhebliches Bedenken wieder ihn vorwaltet, so tritt er in seine vorige Rechte wieder ein.

[1, 4] §. 33. Wenn Wir aus landesfürstlicher Macht einem Kinde die Nachsicht des Alters ertheilen, ohne selbe auf gewisse Handlungen zu beschränken, so wird andurch sowohl die etwa noch fürdaurende väterliche Nutznießung, als dessen Vormundschaft beendiget; sonst aber kann sich kein Kind wegen einer eigenen Haushaltung, wegen erhaltener Würde oder unter was immer für einem Vorwande diesen dem Vater gebührenden Rechten entschlagen.

[1, 4] §. 34. Wenn die Nutznießung des Vaters einmal aufgehöret hat, so kehret sie nicht mehr zurück, obschon die unter des Vaters Vormundschaft zurückfallende verwittibte Tochter das achtzehnte Jahr ihres Alters noch nicht erreichet hätte.

[1, 4] §. 35. Außer den hier berührten Rechten sind ihrer noch mehrere, welche Unsere Gesetze dem Vater und Kindern, wie auch der Mutter und Kindern, gegeneinander eingestehen; diese werden Wir allda, wo die betreffenden Gegenstände vorkommen, näher bestimmen. (§. 27.)

[1, 4] §. 36. Und obwohl die unehelichen Kinder keiner solchen Rechte fähig sind, so werden sie doch derselben alsdann theilhaftig, wenn ihre Eltern nachhero einander ehelichen.

[1, 4] §. 37. Diese nachfolgende Ehe löschet die Makel der unechten Geburt gänzlich aus, und die erzeugten Kinder werden den ehelich geborenen nicht nur für ihre Person und in Ansehung ihrer Eltern gleich gemacht, sondern diese Wirkung erstrecket sich auch auf die ganze Verwandtschaft und auf die von einem vorgestorbenen unehelichen Kinde hinterlassene Enkeln. Wo jedoch gewisse Recht durch lebzeitige oder letztwillige vor Einführung dieses Unseres Gesetzes bereits errichtete Anordnungen auf die aus einer vorhergegangenen rechtmäßigen Ehe empfangenen Kinder beschränket sind, da wollen Wir es auch darbei bewenden lassen, so wie auch die den ehelich, obgleich später Geborenen indessen erworbene Rechte der Erstgeburt und andere dergleichen verwandtschaftliche Vorrechte durch die früher erzeugten, aber nachhero rechtmäßig gewordenen Kinder nicht benommen werden.

[1, 4] §. 38. Wenn aber zu jener Zeit, da das Kind empfangen worden, zwischen dessen Vater und Mutter keine giltige Ehe hätte bestehen können, so hat die


(72) nachhero erfolgte Ehe in Ansehung dieses Kindes keine Wirkung, sondern dergleichen Kinder haben die Gerechtsamen der ehelichen Geburt nur von Uns zu erwarten.

[1, 4] §. 39. Die Macht, uneheliche Kinder den rechtmäßigen gleich zu machen, bleibt Uns allein vorbehalten, durch diese Unsere Gnade wird die Makel der unehelichen Geburt getilget und der Begnädigte aller Ehren, Würden und Aemtern, wie auch des Eintritts in allen Zünften und Gewerbe fähig. Hingegen erlanget er die Erbfolge und andere verwandtschaftliche Rechte nur alsdann, wenn Wir dieselbe namentlich mit eingestehen; doch auch in diesem Falle mag Unsere Gnade über den buchstäblichen Inhalt nicht erstrecket werden.

[1, 4] §. 40. Durch die Annehmung an Kindesstatt werden zwar auch einige der bisher erwähnten Rechte erworben, doch wollen Wir darüber folgende Richtschnur festgesetzet haben. 29) Derjenige, so Jemanden an Kindesstatt annehmen will, muß 40 Jahre alt sein, es müssen keine eheleiblichen Kinder besonders männlichen Geschlechts vorhanden sein, auch solle die Annehmung an Kindesstatt dem Wahlkinde zum Vortheile, niemanden Anderen aber zum Nachtheile gereichen. Zu diesem Ende hat der Wahlvater von seinem Vermögen einen gewissen Antheil zu bestimmen, auch zu dessen Sicherstellung sich zu erbieten, welcher dem Wahlkinde als ein Erbtheil zufallen solle, annebst aber auch anzuzeigen, ob er ledig oder verheirathet, wie seine Ehegattin versorget seie, und ob nicht einige Verwandte und in was für einem Grade am Leben seien. (§. 28.)

[1, 4] §. 41. Jener, so an Kindesstatt angenommen werden will, muß, wenn er großjährig ist, ausdrücklich darein willigen. Im minderjährigen Alter muß die Einwilligung des Vaters oder Vormunds hinzutreten; doch solle bei einem Vormunde auch noch die Gutheißung der Vormundschaftsgehörde eingeholet werden. (§. 28.)

[1, 4] §. 42. Bei Personen höheren Standes sind diese Erfordernissen Uns zur Beurtheilung und zu Unserer höchsten Verwilligung vorzulegen; bei den minderen Ständen haben die vorgesetzten Landesstellen nach Prüfung der Umstände ihre Einwilligung zu ertheilen. Außerdeme aber solle keine Annehmung an Kindesstatt die mindeste Kraft und Wirkung haben.

[1, 4] §. 43. Dem Wahlvater liegt ob, das angenommene Kind gleich einem leiblichen nach seinem Stand zu erziehen, zu schützen und zu vertreten und ist dessen leiblicher Vater von allem Beitrage gänzlich enthoben. Die Erziehung kann zwar, wenn das Wahlkind ein eigenes Vermögen hat, aus dessen Einkünften bestritten werden; allein weiter hat der Wahlvater darauf weder bei Lebzeiten, noch nach dem Tode des Wahlkindes einigen Anspruch, sondern ist schuldig, dasselbe während der Minderjährigkeit, wie ein jeder anderer Vormund zu verwalten und zu verrechnen, und wenn das Wahlkind bereits vorhero unter der Vormundschaft gestanden wäre, so muß der gewesene Vormund dieselbe dem Wahlvater abtreten. (§. 29.)

 

29) Im Entwurfe Horten’s war das Alter des Adoptirenden auf 50 Jahre festgesetzt worden. Die Compilations-Commission beschloß in der Sitzung vom 9. Februar 1773, diese Altergrenze auf 40 Jahre herabzusetzen, da auch in diesem Lebensalter „Gebrechlichkeiten und andere Umstände vorhanden sein können, die Jemanden zur Adoption recurriren machen“. Bei dieser Berathung wurde auch von Pelser, Zencker, Bourguignon und Holger beantragt, einen Altersunterschied von mindestens 20 Jahren zwischen Adoptivvater und Adoptivkind zu verlangen, da „die Adoption sich nach der Natur richte“; dagegen bestritten Sinzendorf, Goldegg, Nell, Curti und Horten die Richtigkeit dieses Argumentes, indem sie auf die Altersverhältnisse hinwiesen, die häufig zwischen Schwiegereltern, oder Stiefeltern und Schwieger-, beziehungsweise Stiefkindern bestehen. Sie erachteten eine gesetzliche Beschränkung umsoweniger für nöthig, „da der Adoptans die volle Freiheit hat, Jemanden zu seinem Sohne vorzuwählen, bei deme er die Eigenschaften, so er wünscht, in der größten Maß antrifft“. Die am 19. Februar 1773 herabgelangte kais. Entschließung billigte ausdrücklich die letztere Auffassung.


(73) [1, 4] §. 44. Das Wahlkind wird des wahlväterlichen Namens und Wappens theilhaftig und der ihme bestimmte Antheil kann durch einen letzten Willen sonsten nicht, als wegen solcher Ursachen benommen werden, weswegen auch leibliche Kinder enterbet werden können; auch wird dieser Antheil durch die dem Wahlvater hernach geborene eheleibliche Kinder nur alsdann verminderet, wenn jene dadurch an ihrem Pflichttheile verkürzet werden. Außer diesem Antheile aber hat das Wahlkind auf keinen weiteren Erb- oder Pflichttheil einiges Recht, so wie auch dasselbe sonst keine weitere Geschlechtsrechte erwirbt, als wenn Wir ein solches in der Verwilligungsurkunde ausdrücklich berühret hätten; dahingegen bleibt ihm die Erbfolge nach den leiblichen Eltern und alle Rechte der Blutsverwandtschaft immerhin bevor. (§§. 30, 32.)

[1, 4] §. 45. Weibspersonen können weder Jemanden an Kindesstatt annehmen, noch selbst angenommen werden; wenn Wir jedoch zu einem solchen Vorhaben Unsere höchste Einwilligung ertheilen, so ist sich nach deren Inhalt zu halten. (§. 31.)

[1, 4] §. 46. Diese Unsere Anordnungen erstrecken sich nicht auf Zucht- und Nährkinder, die von Jemanden bloserdings zur Erziehung und Versorgung zu sich genommen werden. Dieses ist Niemanden verwehrt; doch ziehet eine solche Wohlthat weder in Ansehung des Nährvaters, noch des Nährkindes einige rechtliche Wirkung nach sich, sondern beschränket sich blos auf das, was dem Nährkinde freiwillig zugewendet wird.

[1, 4] §. 47. Die bisher in einigen Orten üblich gewesene Einkindschaften wollen Wir für das Künftige gänzlich abgestellet haben, und solle daraus weder eine Gleichheit in der Erbfolge, noch auch einige, wie immer Namen habende Rechtswirkung entstehen. (§. 33.)


(74) Fünftes Capitel.

Von den Rechten der Anverwandten.

[1, 5] §. 1. 1) Durch die Ehen werden Geschlechter fortgepflanzet und mittels derselben alle Diejenige, welche zu einem Geschlechte gehören, durch ein gemeinsames von einerlei Stammvater herrührendes Blutband untereinander verknüpfet, welches sie aller diesem Geschlechte zustehenden Vorrechte theilhaftig macht.

[1, 5] §. 2. Durch die uneheliche Erzeugung werden keine verwandtschaftliche Rechte erworben. Auch die durch Heirath an eine Familie angeschwägerte Ehegatten können auf diese Rechte keinen Anspruch machen, obwohl die Weiber nach der im dritten Capitel enthaltenen Ausmessung für ihre Personen verschiedene Rechte von des Mannes Geschlechte genießen, gleichwie auch überhaupt in einigen besonderen Fällen auf die Schwägerschaft Rücksicht getragen wird.

[1, 5] §. 3. Wenn von der Verwandtschaft die Frage ist, so solle im Wege des schleunigen Rechts verfahren werden, und liegt der Beweis Demjenigen ob, der sein Recht in derselben gründet; dahingegen hat Jener das Widerspiel zu erweisen, der dem Anderen, so im Besitze ist, die Verwandtschaft in Abrede stellet.

[1, 5] §. 4. Wenn es sich von solchen Rechten handlet, welche durch Unsere Gesetze oder durch Familienanordnungen blos auf den Mannsstammen beschränket sind, so ist es nicht genug, daß Derjenige, so diese Rechte in Anspruch nimmt, seine mit dem Andern bestehende Verwandtschaft dadurch erprobe, daß sie Beide von einem gemeinen Stammen entsprossen seien, sondern er muß darthun, daß sowohl Jener, von deme sie Beide abstammen, ein Mann gewesen, als auch, daß die Verwandtschaft von beiden Seiten durch lauter Männer fortgepflanzet worden.

[1, 5] §. 5. Wann diese Rechte ihrer Beschaffenheit nach sich auf die Fähigkeit der Mannspersonen gründen oder lediglich die Fortpflanzung des Geschlechts zum Gegenstand haben, so sind sie blos den Mannspersonen eigen; wenn aber auch Weibspersonen zu deren Genusse und Ausübung fähig sind, so werden auch die von lauter Männern abstammende Töchter derselben theilhaftig, und zwar entweder mit den Männern zugleich oder nur in deren Abgang.

[1, 5] §. 6. Da bei den mehresten verwandtschaftlichen Rechten die Verwandtschaft innerhalb einem gewissen Grade erfordert wird, auch die weiteren Anverwandten durch die näheren ausgeschlossen werden, so hat Derjenige, der in einem solchen Falle vorzüglich zugelassen werden will, besonders zu erproben, daß er mit Jenem, von deme die Frage ist, innerhalb dem erforderten Grade oder zum nächsten verwandt sei.

[1, 5] §. 7. Wir wollen aber in allen solchen, nach Unseren Gesetzen zu entscheiden kommenden Fällen zu Berechnung der Grade folgende Richtschnur vorgeschrieben haben. So viele Erzeugungen gewesen sind, so viel sind Grade, in

 

1) Im Entwurfe Horten’s lautete der §. 1: „Alle jene Rechte, so die aus rechtmäßigen Ehen erzeugte Kinder von ihren Eltern ererben, werden von ihnen an ihre Nachkömmlinge fortgepflanzet und diese von einem gemeinen Stamme entsprossene Nachkommenschaften werden aller jener Gerechtsamen und Vorzüge theilhaftig, die dem Geschlechte eigen sind. Sie genießen ferner unter sich alle der Verwandtschaft anklebende Vorrechte, wie auch die den Verwandten zukommenden Rechtswohlthaten, die Wir diese an den behörigen Orten näher bestimmen.“ Durch die in der Sitzung vom 9. Februar 1773 vorgeschlagene Aenderung der Redaction, glaubte die Compilations-Commission die Deutlichkeit zu fördern. Dieser Antrag, so wie die anderen zu diesem Hauptstücke gestellten Anträge wurden durch die am 7. März 1773 herabgelangte kais. Entschließung genehmigt.


(75) welchen der Abgestammte mit dem Stammvater verwandt ist. Bei den Seitenverwandten sind sowohl von Seiten des Einen als des Anderen die Erzeugungen, durch welche ein Jeder von dem gemeinen Stammen entsproßen ist, auszuweisen, und die Anzahl der beiderseitigen Erzeugungen zusammen genommen bestimmt den Grad, in welchen sie miteinander verwandt sind.

[1, 5] §. 8. Dahingegen solle in Ehesachen und in dem Laster der Blutschande bei den Seitenverwandten die Verwandtschaft folgender Gestalten berechnet und der Grad derselben nicht nach den beiderseitigen Erzeugungen zusammen, sondern nach Anzahl der Erzeugungen beurtheilet werden, durch welche ein jeder Theil insbesondere, oder wenn von einer Seite weniger, von der anderen aber mehr Erzeugungen vorhanden wären, durch welche der entferntere Theil von dem gemeinen Stamme entsprossen ist.

[1, 5] §. 9. Die stärksten Beweise der Verwandtschaft sind Tauf- und Trauungsbücher, Heirathsbriefe und andere aus gerichtlichen oder sonstigen öffentlichen Archiven entnommene Urkunden, nicht weniger Zeugen, wenn sie die Abstammung von Person zu Person auf eine beglaubte Weise aussagen können. Hieher gehöret auch der gemeine Ruf, der Besitz der Vorfahren, der unangefochtene Gebrauch gleichen Namens und Wappens, untadelhafte Stammbücher, Urkunden aus Geschlechtsarchiven oder anderen glaubwürdigen Orten, für die Verwandtschaft ergangene Rechtssprüche, alte Denkmäler und Zuschriften, bewährte Zeit- und Geschichtsbücher, besonders deren Verfasser zu der Zeit, wovon sie schreiben, gelebt haben, und mehr andere Umstände, deren Zulänglichkeit oder Unzulänglichkeit dem richterlichen Ermessen überlassen bleibet.

[1, 5] §. 10. Die Urkunden und Rechtssprüche erstrecken ihre Wirkung nicht nur über jene Personen, welche sie unmittelbar betreffen, sondern über Alle, welche ihr Recht aus der Verwandtschaft Desjenigen herleiten, von deme in den Urkunden oder Rechtssprüchen Erwähnung gemacht wird; auch kommet dieser Beweis einem Dritten zu statten, wenn er die Abstammung von eben den Voreltern erproben kann, durch welche ein Anderer als ein Verwandter erkennet worden. Dahingegen beweisen auch die Urkunden und Rechtssprüche wider die Verwandtschaft, und Alle, welche ihr Recht in der Person Desjenigen gründen, deme sein Verwandtschaftsrecht bereits abgesprochen worden, können damit nicht ferner gehöret werden.

[1, 5] §. 11. Die Rechte der Verwandtschaft, insoweit sie aus dem natürlichen Blutbande herfließen, können durch keine vorgehende Veränderung benommen werden; allein jene Gerechtsamen, die von Unseren Gesetzen oder von menschlicher Willkür abhangen, fordern die Fähigkeit der Person. Niemand kann also der verwandtschaftlichen Vorrechte theilhaftig werden, der die zum Genusse derselben durch Verträge oder letztwillige Anordnungen vorgeschriebene Eigenschaft nicht hat oder der die Bedingnuß nicht erfüllet oder der etwas unternimmt, das bei Verlust des Vorrechts verboten war.

[1, 5] §. 12. 3) Inwieweit aber die verwandtschaftliche Erb- und andere Rechte

 

3) Im Entwurfe Horten’s war der Verlust der verwandtschaftlichen Rechte positiv ausgesprochen worden. Die Compilations-Commission entschied sich aber in der Sitzung vom 9. Februar 1773 für die vorliegende, auf die Strafgesetze verweisende Redaction, weil es sich um einen in das Gebiet des Strafrechtes fallenden Gegenstand handle.


(76) alsdann verloren werden, wenn Jemand der Landmannschaft oder des Bürgerrechts wegen eines Verbrechens verlustig wird, ist aus Unseren peinlichen Rechten des Mehreren zu entnehmen.

Sechstes Capitel.

Von den Rechten der Waisen und anderer sich selbst nicht vorstehen könnenden Personen.

[1, 6] §. 1. Gleichwie die Natur dem Vater die Pflicht aufleget, seine Kinder so lang zu beschützen und ihr Vermögen zu besorgen, bis sie das zur eigenen Besorgung nothwendige Alter erreichet haben, so beruhet der Schutz aller solcher Personen, wenn der Vater eher stirbt, bei Uns, und Wir kommen durch gegenwärtiges Gesetz dem unreifen Alter durch Vormünder, und anderen Gebrechen oder Hindernissen, durch Curatoren zu Hilfe.

[1, 6] §. 2. Wir verstatten aber dem Vater durch seinen letzten Willen den Kindern einen Vormund zu benennen, und wenn derselbe tauglich ist und sonst keine erhebliche Ursachen vorwalten, so solle diese Benennung von Unseren Gerichten allzeit gehandhabet werden, sie möge in einem Testamente oder in einer anderen in ihrer Art zu Rechte bestehenden letztwilligen Anordnung geschehen und die Kinder zu Erben eingesetzt oder enterbet worden sein. (§. 1.)

[1, 6] §. 3. Diese Vormundschaft erstrecket sich nicht nur auf die Personen der Waisen und ihr vom Vater herrührendes Vermögen, sondern auf Alles, was selbe sonst besitzen, und obwohl der Vater nur einigen Kindern oder nur in Ansehung eines Theils des Vermögens einen Vormund benennet hätte, so sollen doch unter dieser väterlichen Anordnung auch die übrigen Kinder, wie auch die übrigen Theile des Vermögens begriffen sein, wenn nicht in Ansehung des Einen oder Anderen eine sonderbare Vorsehung gemacht worden. (§. 2.)

[1, 6] §. 4. Wir wollen zwar auch einem jeden Anderen die Befugniß einraumen, den Waisen in Betreff Desjenigen, was er denselben in einem letzten Willen zugewendet hat, einen Vormund zu bestellen, doch beschränket sich diese Vormundschaft blos auf die Erbschaft oder Vermächtniß, ohne daß das andere Vermögen der Waisen darunter gehörete, obschon von eben diesen Erblassern, außer dem letzten Willen, etwas durch Schankungen an die Kinder gelanget wäre, wenn nicht ein solches bei der Schankung ausdrücklich ausbedungen worden. (§. 3.)


(77) [1, 6] §. 5. So lang noch eine letztwillige Vormundschaft angehoffet wird, oder so lang das Recht eines solchen Vormunds währet, können die Anverwandten, außer in dem einzigen Falle des §. 24 auf dieselbe keinen Anspruch machen; wenn aber kein letztwilliger Vormund benennet worden oder diese Vormundschaft wegen gänzlicher Ungiltigkeit des letzten Willens, wegen Untauglichkeit oder Entschuldigung des Vormunds nicht zu Stande kommet oder nachhero aufhöret, so berufen Wir durch dieses Unser Gesetz dazu die Anverwandten männlichen Geschlechts und unter diesen vorzüglich den Nächsten. (§. 4.)

[1, 6] §. 6. Für den Nächsten ist Jener zu halten, der unter denen, so sich um die Vormundschaft behörig gemeldet haben, oder wenn sich Keiner gemeldet, unter denen, so dem Gerichte bekannt sind, der Nächste ist, obwohl in der That nähere vorhanden wären; doch hat das Gericht diese Anmeldung der Anverwandten nicht länger, als durch vierzehn Tage von der Zeit, als ihm der Todfall bekannt worden, abzuwarten. Nach deren Verlauf, wenn sich kein Tauglicher gemeldet oder die Verwandtschaft nicht hinlänglich erprobet worden, dem in Erfahrung gebrachten nächsten Anverwandten oder in dessen Ermanglung auch einem Fremden die Vormundschaft vorsichtsweis aufzutragen ist. (§. 5.)

[1, 6] §. 7. Durch diesen Auftrag erlöschet das Recht des nächsten Anverwandten nicht, sondern Wir verstatten, wo ein Fremder zum Vormunde bestellet worden, einem jeden Anverwandten, wo aber der Auftrag einem weiteren Anverwandten geschehen, Allen, so näher sind, sich binnen Jahr und Tag von der Zeit des geschehenen Auftrags zu dem ihnen angebührenden Rechte zu melden; hernach aber mag der angestellte Vormund nicht mehr verdrungen werden, ausgenommen, wenn der sich später Anmeldende, solche Ehehaften erwiese, wegen welcher keine Verjährung laufen kann. (§. 6.)

[1, 6] §. 8. Dem Gericht hingegen bleibt zwar bevor, nicht nur während diesem Jahr und Tag, sondern auch nachhero dem in Erfahrung gebrachten tauglichen Anverwandten die Vormundschaft aufzutragen, und den bisherigen Vormund zu entlassen; doch mag dieses nur alsdann geschehen, wenn das Wohl der Waisen eine solche gerichtliche Abänderung ohnumgänglich erforderet. Dahingegen ist der bisherige Vormund allezeit, wann immer ein näherer Anverwandter gefunden wird, befugt, seine Entlassung anzubegehren. (§. 7.)

[1, 6] §. 9. Während dem Jahrgange kann der indessen angestellte Vormund zu Abtretung der Vormundschaft nicht verhalten werden. Wenn jedoch der Eine und


(78) Andere darmit zufrieden, oder noch nichts in den Vormundschaftsgeschäften gehandlet worden, oder das Beste der Waisen die Abtretung ohne Aufschub erforderet, so überlassen Wir dem vernünftigen Ermessen der Gehörde, auch unter dem Jahre zu einer Abänderung zu schreiten, und im diesem Falle wird sowohl die vormundschaftliche Verbindlichkeit, als Belohnung zwischen beiden nach Maß der Zeit vertheilet. (§. 8.)

[1, 6] §. 10. Ein Verwandter, dem die Vormundschaft aufgetragen wird, kann sich derselben nicht aus der Ursache entziehen, daß er nicht der Nächste sei; es sei dann, daß er auf der Stelle einen Näheren nicht weniger Tauglichen anzuzeigen vermöchte. Wenn aber dieser untauglich befunden würde, oder eine rechtmäßige Entschuldigung hätte, so ist der Erstbenennte dem gerichtlichen Auftrage alsofort und ohne weitere Ausflucht Folge zu leisten schuldig. (§. 9.)

[1, 6] §. 11. Wenn aber ein Anverwandter in der anberaumten Zeit keine Entschuldigung beigebracht, oder nachdem selbe als unstatthaft verworfen worden, sich doch noch länger weigeret, die Vormundschaft anzunehmen, so solle ein solcher zur Strafe von der Erbfolge dieses Waisen, wenn er in der Unvogtbarkeit versterben sollte, sie möge ihm nach der rechtlichen Ordnung oder aus einer Nachberufung zufallen, gänzlich ausgeschlossen sein, und annebst alles Dasjenige verlieren, was ihm entweder bei Lebzeiten oder nach dem Tode des Waisen aus dessen Vermögen nur immer für ein Nutzen und Gewinn zugehen kann.

[1, 6] §. 12. Doch erstrecket sich diese Ausschließung von der Erbschaft nicht über die Person dessen, der die Vormundschaft verschmähet hat; seinen Kindern, wenn sie nach ihrem Vater zur Erbfolge des Waisen die Nächsten wären, bleibet ihr Erbrecht ungekränket, obwohl der Vater an dieser auf seine Kinder gediehenen Erbschaft keine Nutznießung fordern kann.

[1, 6] §. 13. Die Anverwandten des Waisen in einem weiteren, als dem zehnten Grade haben zu dessen Vormundschaft kein Recht; Weibspersonen, wenn sie gleich die Nächsten wären, sind gänzlich ausgeschlossen. Nur allein verstatten Wir der Mutter, der Ahnfrau und der Urahnfrau die Vormundschaft, wenn sie freiwillig wollen, anzusuchen; doch von der Verbindlichkeit, selbe wider Willen anzunehmen, sollen sie völlig enthoben sein.


(79) [1, 6] §. 14. Die Mutter, wenn sie großjährig ist, und sich noch im Wittibstande befindet, hat vor Allen auch vor den Großvätern des Waisen den Vorzug, insofern sie die vorgeschriebene Erfordernissen zu leisten im Stande ist; wäre sie aber noch minderjährig, so muß ihr der indessen angestellte Vormund nach erreichter Großjährigkeit die Vormundschaft abtreten. (§. 10.)

[1, 6] §. 15. Hätte aber die Mutter sich bereits wieder verheirathet, oder wäre nach erhaltener Vormundschaft zur neuen Ehe geschritten, so erlöschet alsofort ihr Recht, und sie kann weder die Vormundschaft mehr ansuchen, noch sich derselben weiter anmaßen, sondern ist schuldig, selbe alsogleich abzutreten. Widrigens wird sowohl sie, als ihr Ehemann für allen den Waisen daraus entstandenen Schaden sammt und sonders verfänglich, außer wenn sie vor oder nach ihrer Verehelichung Unsere höchste Bewilligung zu Führung der Vormundschaft erhalten hätte; alsdann kann ihr zwar selbe aufgetragen oder beibelassen werden, doch nicht anderst, als daß ihr Ehemann, wenn sie keine hinlängliche Sicherheit leisten kann, das Waisengut nebst ihr versichere. (§. 12.)

[1, 6] §. 16. Wir wollen aber noch ferner in dem Falle, wo die Mittellosigkeit der Waisen erfordert, der Mutter, ohngeachtet ihrer Verehelichung, die Vormundschaft anzuvertrauen und beizulassen, den Vormundschaftsgehörden die Macht einraumen, auch ohne Unsere vorläufig angesuchte Bewilligung Dasjenige vorzukehren, was den Waisen am vorträglichsten ist. (§. 12.)

[1, 6] §. 17. Wenn bei der Mutter eine kundbare Abneigung wider ihre Kinder oder eine Vernachlässigung derselben, Unwirthschaft oder Verschwendung bemerket wird, so solle sie nicht nur von der Vormundschaft ausgeschlossen, sondern ihr auch dieselbe nach Erforderniß der Umstände wieder benommen werden. (§. 10.)

[1, 6] §. 18. Zur Sicherheit der Waisen solle einer jeden zur Vormundschaft gelangenden Mutter ein Mitvormund zugegeben, und wenn er abgehet, immer wieder ersetzet werden. Diesen kann zwar die Mutter bei Ansuchung der Vormundschaft


(80) vorschlagen; doch beruhet es bei der Vormundschaftsgehörde, ihr zu willfahren oder die Mitvormundschaft einem Anderen, und wo es thunlich ist, Jemanden von der Anverwandtschaft des Waisen aufzutragen. Ein solcher Mitvormund aber ist, wie ein anderer Vormund, diese Mitvormundschaft anzunehmen schuldig und kann sich derselben, wenn er nicht eine von den in §. 41 und den folgenden angeführten Entschuldigungsursachen hat, nicht entziehen. (§. 13.)

[1, 6] §. 19. Die Mutter aber ist und bleibt die wahre Vormünderin und hat allein sowohl die Verwaltung zu besorgen, als die vormundschaftliche Belohnung zu genießen. Nur in jenen Geschäften, zu deren Giltigkeit die Einwilligung der Vormundschaftsgehörde nöthig ist, solle diese anderst nicht ertheilet werden, als wenn sie von dem Mitvormunde zugleich angesuchet oder derselbe über das einseitige Anbringen der Mutter vorhero vernommen worden. (§. 14.)

[1, 6] §. 20. Doch lieget dem Mitvormunde ob, der Mutter nicht nur auf ihr Ersuchen getreulich beizustehen, sondern auch selbst an Hand zu geben, was zum Vortheile der Waisen gereichen kann. Er solle ferner die Vorkehrungen der Mutter sowohl in Ansehung der Waisen selbst, als ihres Vermögens mit Anständigkeit beobachten, und die verspürte Gebrechen der Vormundschaftsgehörde zeitlich beibringen. Dahingegen ist er auch nicht weiter verfänglich, als wenn ihm wegen Vernachlässigung der ersterwähnten Pflichten etwas zu Last fällt. (§. 15.)

[1, 6] §. 21. Wäre ihm aber entweder mit Willen der Mutter oder vom Gerichte die Verwaltung ganz oder zum Theile aufgetragen, so ist er als ein wahrer Vormund zu betrachten; gleichwie auch alsdann die vormundschaftliche Belohnung nach billigmäßigen Befunde der Gehörde zwischen ihm und der Mutter zu vertheilen ist. (§. 14.)

[1, 6] §. 22. Nach der Mutter gelanget die Vormundschaft zuerst auf den väterlichen, hernach auf den mütterlichen Großvater und nach ihnen auf die väterliche, sodann auf die mütterliche Großmutter; gleichergestalten solle bei Ermanglung der Großeltern, die Vormundschaft den Urgroßeltern, und zwar vorzüglich dem väterlichen Großvater des Vaters, nach ihm dem mütterlichen Großvater des Vaters, sodann dem väterlichen, und endlich dem mütterlichen Großvater der Mutter aufgetragen werden, nach diesen folgen die Urahnfrauen in der nemlichen Ordnung. (§. 16.)

[1, 6] §. 23. Bei Abgang aller Voreltern gebühret die Vormundschaft den großjährigen Brüdern, und sodann den weiteren Seitenverwandten ohne Rücksicht, ob sie von väterlicher oder mütterlicher Seite verwandt seien; doch solle unter Mehreren in einem gleichen Grade der Väterliche dem Mütterlichen, und wenn alle von einer


(81) Seite wären, der Aeltere an Jahren dem Jüngeren vorgezogen, die Vormundschaft aber allzeit Einem allein aufgetragen werden. (§. 16.)

[1, 6] §. 24. Auch wollen Wir Unsere obige in §. 14 enthaltene Anordnung auf die Brüder erstrecket haben, dergestalten, daß einem zur Zeit des Todes noch minderjährigem Bruder, wenn er bei erreichter Großjährigkeit die Vormundschaft über die annoch minderjährigen Geschwister begehret, dieselbe abgetreten werden solle, außer wenn ihm wichtige Bedenken entgegenstünden oder der Erblasser das Gegentheil angeordnet hätte. (§. 17.)

[1, 6] §. 25. Wenn das Vermögen der Waisen in solchen Gütern bestehet, worzu der Mannsstamm vorzüglich vor den weiblichen Verwandten berufen ist, da müssen alle Verwandte, die nicht von diesem Geschlechte sind, den männlichen Verwandten weichen. Nur allein wollen Wir die leibliche Mutter, die väterliche Großmutter und die Mutter des väterlichen Großvaters alsdann zulassen, wenn sie nicht durch die mit Unserer höchsten Begnehmigung bei einigen Geschlechtern eingeführte Vormundschaftsordnungen ausdrücklich darvon ausgeschlossen sind. (§. 18.)

[1, 6] §. 26. Hätten aber die Waisen nebst den geschlechtlichen Gütern noch andere freie Erbgüter, zu welchen Einer von der weiblichen Seite der Nächste wäre, so sollen, wenn ein Vermögen von dem anderen leicht abgesonderet werden kann, zweierlei Vormundschaften bestellet, die Personen der Waisen aber unter der geschlechtlichen Vormundschaft belassen werden. Würde hingegen die Abtheilung des Vermögens und die zweifache Vormundschaft für unthunlich oder den Waisen nachtheilig befunden, so solle zwar das beiderseitige Vermögen unter der geschlechtlichen Vormundschaft verbleiben, doch aber zur Vermeidung aller künftigen Strittigkeiten eines vom anderen unvermengt erhalten und über jedes besondere Rechnung geführet werden. (§. 19.)

[1, 6] §. 27. Weder ein letztwillig benennter, noch wegen der Verwandtschaft berufener Vormund erlanget durch diese Unsere Berufung die wirkliche Vormundschaft, sondern sie sind vorhero schuldig, die gerichtliche Bestätigung anzusuchen, und sich allem deme nachzuachten, was Wir in der Folge wegen anderer Vormünder anordnen werden. (§. 20.)

[1, 6] §. 28. Damit aber das Gericht in allen Fällen wegen Bevormundung der Waisen die schleunigste Vorsehung treffen möge, solle dasselbe bei Anlegung der


(82) Sperr von allen Umständen des Verstorbenen, ob und von welchem Alter Kinder vorhanden, ob ein letztwilliger Vormund benennet, ob Verwandte da seien, ob und welche Vormundschaften der Verstorbene gehabt, und dergleichen, genaue Erkundigung einziehen. Wir wollen auch die Mutter, Großeltern und Anverwandten unter eigener Verantwortung hiemit verbinden, den Todesfall des Vaters, besonders, wenn sich derselbe außer der Gerichtsbarkeit der Gehörde ereignete, alsofort bei Gerichte anzuzeigen. (§. 21.)

[1, 6] §. 29. Wenn weder ein Vormund letztwillig benennet worden, noch auch ein Anverwandter vorhanden ist, so müssen die Gerichtsstellen und Obrigkeiten von Amtswegen den Waisen Vormünder bestellen. Diese Bestellung, so wie auch die Bestätigung der Vormünder gehöret jenem Gerichte zu, es möge ein ordentliches oder befreites sein, welchem der Vater zur Zeit seines Absterbens in persönlichen Sprüchen unmittelbar unterworfen gewesen. (§. 22.)

[1, 6] §. 30. Diese Vormundschaft erstrecket sich auf alles Vermögen, was in diesem Erblande befindlich ist, unter was für eine Gerichtsbarkeit dasselbe immer gehörig seie, so daß diesem Vormunde die Verwaltung des Waisenguts aller Orten ohne Hinderniß gestattet werden solle; doch hat derselbe sich deme gemäß zu betragen, was die Eigenschaft des Guts alldorten, wo es liegt, erfordert, ohne daß die Vormundschaftsgehörde der Gerichtsbarkeit des Orts einen Eingriff machen oder zur Veräußerung des allda gelegenen Guts eigenmächtig schreiten könnte. Die darum belangte Gehörde des Orts hat zwar die angesuchte Veräußerung, ohne sich in einige Untersuchung einzulassen, alsofort zu gestatten; doch ist sie auch von aller Verantwortung frei. (§. 23.)

[1, 6] §. 31. Wenn aber die Waisen in mehreren Erblanden liegende Güter haben, so stehet der Gehörde eines jeden Landes zu, über das allda gelegene Gut einen Vormund zu bestellen. Hierzu hat der letztwillig Benennte und der nächste Anverwandte allzeit den Vorzug, wenn er in diesem Erblande darzu tauglich befunden wird, obschon ihm in dem anderen Lande die Vormundschaft nicht aufgetragen worden wäre; hingegen hat der in einem Lande von dem Gerichte bestellte Vormund, auf die Vormundschaft des anderen Landes kein vorzügliches Recht. (§. 24.)

[1, 6] §. 32. Doch solle in allen Fällen, wo die Vormundschaft aus verschiedenen Ländern in der Person Eines Vormunds vereinbaret wird, eine jede als eine besondere Vormundschaft angesehen, die vormundschaftlichen Pflichten besonders geleistet, die Verwaltung abgesonderet geführt, die Rechnung zur Gehörde eines jeden Landes geleget, das Vermögen nicht mit einander vermenget, noch weniger etwas von dem Gute selbsten oder den Ersparnissen, ohne Bewilligung der Stelle, worunter das Gut gehöret, in das andere Land hinausgezogen werden. (§. 25.)

[1, 6] §. 33. Bestünde aber das den Waisen in einem anderen Erblande zugehörige Vermögen nicht in liegenden Gütern, sondern in beweglichen Sachen, so


(83) kann zwar das Gericht, worunter diese befindlich sind, zur Vorsicht einen Vormund ernennen; doch wenn in dem anderen Erblande von der ordentlichen Gehörde ein Vormund bestellet worden, so solle derselbe in Ansehung des beweglichen, auch in einem anderen Erblande vorhandenen Vermögens ohnweigerlich dafür anerkennet, und ihme alles dieses Vermögen überlassen werden, wenn schon dasselbe mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern versicheret wäre und in anderer Betrachtung in diesem Unseren Gesetze für unbeweglich gehalten würde. Mit dieser Ueberlassung wird sowohl die Verwaltung, als der Erlag der Rechnungen an die Gehörde desjenigen Erblandes, wo die liegenden Güter sind, und wenn diese in verschiedenen Ländern gelegen wären, vorzüglich an jene Gehörde übertragen, welcher der Vater persönlich untergeben war. (§. 26.)

[1, 6] §. 34. Von dem wichtigen vormundschaftlichen Amte wollen Wir in Zukunft alle Weibspersonen, ausgenommen jene, welche Wir oben besonders benennet haben, gänzlich entheben. Ferner sind alle Jene darzu untüchtig, die wegen natürlicher Leibs- oder Gemüthsgebrechen, Krankheiten oder wegen des unreifen Alters ihren eigenen Geschäften nicht behörig vorstehen können. Minderjährige bleiben auch alsdann von Vormundschaften ausgeschlossen, obschon sie von Uns die Nachsicht des Alters erhalten hätten, wenn Wir sie nicht besonders zu Vormundschaften fähig erkläret haben; das hohe Alter für sich macht zu keiner Vormundschaft untüchtig, außer wenn andere Schwachheiten hinzustoßen. (§. 28.)

[1, 6] §. 35. 23) Wir wollen auch Jene, welche in Geschäften des gemeinen Wesens abwesend sind, wirkliche Kriegsleute, Unsere wirklichen Räthe und Andere, so in öffentlichen Aemtern und schweren Verrichtungen stehen, von Vormundschaften befreien; doch können diese mit Unserer höchsten Bewilligung sowohl die bereits angetretene fortsetzen, als zu neuen gelangen. (§. 28.)

 

23) Der Entwurf Horten’s enthielt am Schlusse den Satz: „Und wenn ihnen mit Unserem Vorwissen eine Vormundschaft aufgetragen wird, so mögen sie sich mit der Befreiung nicht schützen“. Diesen Satz erachtete die Compilations-Commission in der Sitzung vom 9. März 1773 als überflüssig zu streichen.

Nach dem Vortrage vom Jahre 1785 wurden alle Staatsbeamten mit Berufung auf eine kais. Refolution vom Jahre 1784 von der Dativvormundschaft ausgeschlossen. Löhr, Froidevo, Rüstel wollten diese Ausschließung auch auf die testamentarische Vormundschaft ausdehnen, damit nicht „was einer ganzen Gerichtsstelle nicht erlaubt ist, einem Particularen erlaubt wäre“. Die Mehrheit der Commission meinte dagegen, daß der Ausschluß der Beamten von der Dativvormundschaft vornehmlich zum Zwecke habe, den Mißbräuchen zu steuern, welche daraus folgten, daß die Behörden einträgliche Vormundschaften mit Vorliebe an ihre Mitglieder vergaben; es fehle aber jeder Grund zu einer Besorgniß, wenn ein Beamter durch eine letztwillige Verfügung zur Vormundschaft berufen werde.


(84) [1, 6] §. 36. Wo die Gefahr einer üblen Erziehung vorhanden ist, da findet keine Vormundschaft statt 24); auch hat das Gericht darauf zu sehen, daß der Vormund keiner widrigen Glaubenslehre zugethan sei, und ist in Ansehung anderer Glaubensgenossen der Verfassung des Landes nachzugehen. Sodann solle bei den Vormundschaften, besonders der Waisen höherer Herkunft, auch auf die Gleichheit des Standes gesehen und Niemand von so niederen Stande darzu genommen werden, unter dessen Vormundschaft zu stehen, den Waisen verkleinerlich fiele. (§. 29.)

[1, 6] §. 37. Nicht minder entfernet auch der Verdacht einer üblen Verwaltung von der Vormundschaft. Darinnen sollen kundbare Verschwender, jene, so über ihre Kräften verschuldet sind, und welche in Rechnungsämtern oder anderen Vormundschaften unrichtig befunden worden, nicht zugelassen werden, außer wenn wegen geänderter Umstände keine solche Gefahr mehr zu besorgen wäre; auch schließet Unerfahrenheit und Einfalt alsdann aus, wenn daraus bei den vorwaltenden Umständen ein Schaden der Waisen oder des Vormunds vorhergesehen werden kann. (§. 29.)

[1, 6] §. 38. Einen solchen Verdacht erwecket auch, wenn Jemand gegen die Waisen eine Abneigung zeiget, wenn er in dem letzten Willen von der Vormundschaft ausgeschlossen worden, oder wenn er mit dem Vater der Waisen, bis zu dessen Absterben in schwerer Feindschaft gestanden, außer wenn in diesem letzten Falle die Unversöhnlichkeit blos dem Vater der Waisen beizumessen, der Vormund aber von aller Rachgier entfernet wäre. Auf gleiche Art machet sich Jener verdächtig, der sich durch Gaben, Verkleinerungen, Arglist oder andere unerlaubte Bestrebungen in die Vormundschaft einzudringen suchet, nicht aber, der sich selbst oder durch Andere auf redliche Weise darum anmeldet.

[1, 6] §. 39. Ebenso solle auch Jener, der an den Waisen wegen ihres Guts oder einer namhaften Schuldforderung einen annoch strittigen Anspruch hat, oder gegen welchen den Waisen ein noch unausgemachter beträchtlicher Anspruch oder eine dergleichen Schuldforderung 26) zustehet, zu der Vormundschaft nicht ehender zugelassen werden, bevor nicht der Streit zu Ende gebracht, und im zweiten Falle den Waisen Genügen geleistet oder hinlängliche Sicherheit verschaffet worden. (§. 30.)

[1, 6] §. 40. Wegen richtiger Ansprüche und Schuldforderungen hingegen, besonders, wenn sie gehördlich vorgemerket oder von keiner Erheblichkeit sind, wird

 

24) Der Entwurf Horten’s enthielt an dieser Stelle die exemplificirenden Worte: „als bei Jenen, so eines Verbrechen gerichtlich schuldig befunden worden, so in einem üblen Rufe stehen, oder wegen ihres ärgerlichen Lebens beschrieen sind“. Die Compilations-Commission erachtete in der Sitzung vom 9. März 1773, daß die aufgestellte Regel der Erläuterung durch diese Beispiele nicht bedürfe, und empfahl deren Weglassung.

26) Die Redaction im Entwurfe Horten’s lautete: „ein noch unausgemachter Anspruch oder eine beträchtliche Schuldforderung“. In der Sitzung vom 9. März 1773 sprach sich die Compilations-Commission für die vorgenommene Aenderung der Redaction aus, um eine Gleichstellung mit dem im Eingange des §. 39 behandelten Falle zu erzielen und zu verhüten, daß „ein tauglicher Vormund wegen einer nichts bedeutenden Kleinigkeit von der Vormundschaft hintangehalten werden müßte“.


(85) Niemand von der Vormundschaft ausgeschlossen; doch ist er schuldig, der Sache Beschaffenheit dem Gerichte in der Zeit getreulich anzuzeigen, damit das Nothwendige zum Besten der Waisen vorgekehret werden könne. Würde aber Jemand die ihm an den Waisen, oder den Waisen an ihn gebührende, der Vormundschaftsgehörde damals unbekannte Ansprüche und Schuldforderungen gefließentlich verschweigen und die Vormundschaft antreten, so solle er alles seines verschwiegenen Rechts an den Waisen oder aller ihm gegen die Waisen zu statten kommen mögenden rechtlichen Wohlthaten verlustig sein, und ihm über das die Vormundschaft benommen werden. (§. 30.)

[1, 6] §. 41. Weme von den bisher angeführten Ursachen keine im Wege stehet, der ist zur Vormundschaft tauglich; wenn er jedoch eine rechtmäßige Entschuldigungsursache hat, so mag er zu einer ihm aufgetragenen Vormundschaft wider Willen nicht gezwungen werden. Eine rechtmäßige Entschuldigungsursache aber ist überhaupt, wenn Jemanden aus dieser Vormundschaft eine wahrscheinliche Gefahr und Nachtheil bevorstehet, und solcher nicht ausgiebig vermieden werden kann; gleichwie auch alle jene Ursachen, wegen welchen Jemanden die Vormundschaft nicht aufgetragen werden soll, als eine Entschuldigung angeführet werden können, wenn ein solcher Auftrag dennoch geschehen wäre. (§. 31.)

[1, 6] §. 42. Insbesondere entschuldiget eine nothwendige, entweder wirkliche oder nächst bevorstehende Abwesenheit für die Zeit ihrer Dauer, nicht aber, wenn Jemand blos wegen seiner Bequemlichkeit abwesend wäre, oder gar sich dardurch der Vormundschaft zu entziehen trachtete. (§. 32.)

[1, 6] §. 43. Auch solle ein Vater alsdann entschuldiget sein, wenn er wenigstens fünf unversorgte Kinder hat; Enkeln von einem vorgestorbenen Sohne werden für ein Kind, Enkeln von Töchtern hingegen gar nicht gerechnet, wie dann auch uneheliche oder angenommene Kinder in keine Betrachtung kommen. Das sechzigjährige Alter entschuldiget zwar von neuen Vormundschaften, nicht aber von Fortsetzung der bereits angetretenen. (§. 33.)

[1, 6] §. 44. Wer allschon mit Vormundschaften oder Curateln überhäufet ist oder überhäufet gewesen ist, mag mit mehreren wider Willen nicht beschweret werden; doch solle mehr auf die Wichtigkeit, als auf die Anzahl gesehen werden. Eine einzige Vormundschaft, wenn sie sehr weitläufig ist, entschuldiget von der zweiten; dahingegen, wenn einer auch drei Vormundschaften hätte, die aber von kleinem Umfange oder von kurzer Dauer wären, wird er von Annehmung der vierten nicht befreiet. (§. 33.)


(86) [1, 6] §. 45. Die Mittellosigkeit entschuldiget ebenfalls, wenn Jemand bei Abgang des eigenen Vermögens gezwungen ist, sich und die Seinigen durch ein schweres Gewerb oder tägliche Handarbeit zu ernähren; auch kann die Gehässigkeit in Betrachtung kommen, wenn Jemand von dem Vater der Waisen eine schwere Unbilde erlitten hätte, oder wenn es sich zeiget, daß er von demselben aus blosem Hasse zum Vormunde benennet worden.

[1, 6] §. 46. In allen sowohl Ausschließungs- als Entschuldigungsfällen bleibet deren Beurtheilung dem Richter überlassen, damit weder Jemand unter nichtigen Vorwande von der Vormundschaft entlediget, oder davon ohne erhebliche Ursache ausgeschlossen, noch auch mit seiner allzu großen Beschwerde damit beladen oder durch Bestellung eines untauglichen Vormunds den Waisen Gefahr und Nachtheil zugezogen werde. Nicht minder liegt der Vormundschaftsgehörde ob, wenn sich nach angetretener Vormundschaft Umstände ergeben, so den Vormund entweder von deren Fortsetzung entschuldigen, oder darzu untüchtig machen, auf die nemliche Art fürzugehen, als ob diese Umstände bereits vor Antretung der Vormundschaft vorhanden gewesen, und besonders bei einer den Waisen wegen Untüchtigkeit des Vormunds bevorstehenden Gefahr, auf dessen Abänderung sofort von Amtswegen bedacht zu sein. (§. 34.)

[1, 6] §. 47. Um die Tüchtigkeit des zu bestellenden Vormunds desto zuverlässiger zu beurtheilen, hat die Gehörde von dessen Aufführung, Sitten und Vermögensstande auf eine ihm unnachtheilige Art die nöthige Erkundigung einzuziehen. Einem, der von der Vormundschaft befreiet ist, und sich nicht selbst darum anmeldet, oder einem wissentlichen Untauglichen, wenn schon Einer oder der Andere im letzten Willen benennet oder der nächste Verwandte wäre, solle die Vormundschaft gar nicht aufgetragen, sondern der gerichtliche Auftrag alsofort an den weiteren Anverwandten oder bei dessen Ermanglung an einen Fremden erlassen, doch in demselben wegen des Ersten sich blos auf erhebliche Ursachen bezogen werden. (§. 35.)

[1, 6] §. 48. Fände sich aber der Vorbeigegangene hierdurch beschweret, so ist ihm die Ursache seiner Ausschließung durch einen ordentlichen Bescheid bekannt zu machen, und ihm stehet frei, seine Beschwerde im außerordentlichen Wege Rechtens bei dem höheren Richter anzubringen. Indessen hat es zwar bei der bestellten Vormundschaft sein Bewenden; doch muß ihm dieselbe, wenn ihn der höhere Richter für tauglich anerkennet, abgetreten werden. (§. 35.)

[1, 6] §. 49. Wer hingegen tüchtig ist, dem kann und solle die Vormundschaft unbedenklich aufgetragen werden, ohne sich durch eine vermuthete Entschuldigungsursache abhalten zu lassen. Wäre aber der Vormund einer anderen Gerichtsbarkeit unterworfen, so kann ihm zwar, wenn er durch den letzten Willen oder durch die


(87) Blutsverwandtschaft berufen ist, demohngeachtet der Auftrag von der Vormundschaftsgehörde unmittelbar geschehen; allein, wenn ein solcher von Amtswegen bestellet werden will, so muß dessen ordentlicher Richter angegangen und von diesem ihm der Auftrag zugefertiget werden. In einem so anderen Falle ist der Vormund schuldig, binnen vierzehn Tagen ohne alle Erstreckung entweder seine Entschuldigungsursachen anzubringen oder die Vormundschaft behörig anzutreten. (§. 36.)

[1, 6] §. 50. Die Entschuldigungsursachen müssen, so viele Jemand deren hat, alle auf einmal vorgebracht werden; im Falle aber wegen des entfernten Aufenthalts diese Frist zu kurz wäre, so solle das Gericht gleich in dem Auftrage eine geraumigere Zeit, doch ebenfalls ohne alle Erstreckung bestimmen. (§. 37.)

[1, 6] §. 51. Die Entschuldigung hat bei derjenigen Gehörde zu geschehen, von welcher der Auftrag ergangen. Nur in dem Falle des §. 49 hat ein letztwilliger Vormund und ein Verwandter, bei der Vormundschaftsgehörde blos jene Erklärung abzugeben, ob er die Vormundschaft annehmen oder sich entschuldigen wolle; hingegen liegt ihm ob, seine Entschuldigungsursachen selbst binnen eben den vierzehn Tagen bei seiner eigenen Gehörde anzubringen, und dieser stehet zu, darüber zu erkennen. Doch ist diese Erkenntniß zu beschleunigen, indessen aber von der Vormundschaftsgehörde zur Vorsicht ein anderer Vormund anzustellen.

[1, 6] §. 52. Wenn die Entschuldigungsursachen verworfen werden, so kann der andurch Beschwerte sich im Weg des schleunigen Rechts an den höheren Richter wenden. Wenn aber auch dieser die angeführten Ursachen verwirft, so wird der Sachfällige wegen alles während seiner unbefugten Weigerung den Waisen zugegangenen Schadens verantwortlich, und kann sich der Vormundschaft nicht länger entziehen.

[1, 6] §. 53. In diesem Fall, oder auch wenn sich von der ersten Erkenntniß an den höheren Richter nicht gewendet worden, wie auch, wenn der Vormund sich binnen der obgedachten Frist zu Annehmung der Vormundschaft willfährig erklärte, oder wenn er diese Zeit verstreichen ließe, ohne sich zu erklären, muß er den nächstfolgenden Gerichtstag sich selbst bei der Vormundschaftsgehörde zu Antretung der Vormundschaft und Leistung der Erfordernissen darstellen, und von Zeit der willfährigen Erklärung oder des zu Rechtskräften erwachsenen Auftrags wird der Vormund in Ansehung aller Waisengeschäfte der Vormundschaftsgehörde ohne Ausflucht unterworfen, ohne daß es in Betreff seiner ordentlichen Gerichtsbarkeit einer besonderen Verzicht bedürfe. (§. 38.)

[1, 6] §. 54. Würde aber der Vormund dieser seiner Schuldigkeit nicht nachkommen, so solle ihm hierzu eine achttägige und nach deren fruchtloser Verstreichung noch eine dreitägige Frist anberaumet, anbei auch bei fernerem Ungehorsam den Bemittelten eine empfindliche, unnachsichtlich zu erlegende Geldstrafe, unbemittelten geringen Leuten aber der persönliche Verhaft angedrohet werden. Wenn jedoch


(88) weder diese Bedrohung, noch die wirkliche Eintreibung der verhängten Geldstrafe oder ein wenigstens vierwöchentlicher Verhaft den Ungehorsam nicht beugte, so ist zwar auf die Antretung der Vormundschaft nicht weiter anzudringen, sondern entweder der vorsichtsweise bestellte Vormund zu bestätigen oder ein anderer zu benennen; doch hat der Widerspänstige für allen durch seine Weigerung entstandenen Schaden zu haften. (§. 39.)

[1, 6] §. 55. Bei Waisen vom geringen Stande und Vermögen solle noch schleuniger vorgegangen, und der Vormund auch ohne schriftlichen Auftrag vorgefordert, ihm die Vormundschaft auferleget, seine Entschuldigung zur Stelle angehöret, dieselbe entweder gutgeheißen oder verworfen, sodann er zu Leistung der Erfordernissen angehalten werden, ohne jedoch ihm, wenn er sich beschwert zu sein glaubet, die Verwendung an den oberen Richter zu beschränken.

[1, 6] §. 56. Die vormundschaftlichen Erfordernissen bestehen hauptsächlich in der Versicherung des Waisenguts und der gerichtlichen Angelobung. 35) Beide müssen von einem jeden wahren Vormunde, der die Vormundschaft zu verwalten hat, unnachsichtlich geleistet werden, wenn schon derselbe wohlbemittelt oder angesessen, und des Waisen nächster Blutsverwandter, ja auch der leibliche Vater, oder wenn er im letzten Willen darvon ausdrücklich entbunden worden wäre. (§§. 40, 41.)

[1, 6] §. 57. Ob diese Versicherung blos durch eidliche Angelobung zu leisten, oder ob eine mehrere Sicherstellung vom Vormunde zu forderen seie, dieses überlassen Wir der vernünftigen Beurtheilung der Vormundschaftsgehörden, und Wir wollen denselben hiemit alles Ernstes aufgegeben haben, sich darbei so zu betragen, damit weder die Waisen einer Gefahr ausgesetzt, noch auch taugliche Vormünder von Annehmung der Vormundschaft abgeschrecket werden mögen. (§§. 41, 42.)

[1, 6] §. 58. Auch in dem Fall, wo eine wirkliche Sicherstellung nöthig befunden wird, hat die Gehörde darauf zu sehen, daß diese dem Vormunde so wenig als möglich beschwerlich gemacht werde, es sei durch gerichtliche Vormerkung auf ein liegendes Gut, durch Bürgen oder Verpfändung beweglicher Sachen, wenn nur auf eine oder andere Art die Waisen hinlänglich gesicheret sind.

[1, 6] §. 59. Diese Sicherstellung hat sich auf jenes nicht zu erstrecken, was von der Natur oder durch das Recht ohnehin sicher ist, sondern ist nach deme zu mäßigen, was dem Vormunde von dem Waisengute also zu Handen kommt, daß er dasselbe zu seinem Nutzen verwenden oder verderben lassen könnte; hieher gehören die Fahrnissen, Barschaften und unvorgemerkte Forderungen, ferner die Erträgnisse des Waisenguts.

[1, 6] §. 60. 36) Den Betrag der Sicherstellung hat zwar die Vormundschaftsgehörde zu bestimmen; doch solle die beiläufige Erträgniß von einem Jahre nicht

 

35) Im Entwurfe Horten’s war der Vormundschaftseid gefordert. Die Compilations-Commission empfahl in der Sitzung vom 9. März 1773 von demselben abzusehen, da für die Sicherheit des Mündelgutes in anderer Weise gesorgt werde, da die Eidesleistung, welche bisher in den meisten Ländern nicht gefordert worden ist, zu einer reinen Förmlichkeit herabsinken würde, und weil die Verpflichtung zur Eidesleistung „viele rechtschaffene Vormünder, welche tenerae conscientiae sind“, abschrecken könnte.

Bei der Revision des J. G. B. wurde am 7. Mai 1791 beschlossen, die Bestimmungen des Patentes vom 23. Februar 1791, J. G. S. Nr. 115, über das Gelöbniß des Vormundes an diesr Stelle und in §. 47 J. G. B. aufzunehmen.

36) Der Eingang lautete im Entwurfe Horten’s: „Doch ist an deme genug, wenn beiläufig die Erträgniß von einem Jahre versichert wird. Den Betrag hat zwar die Gehörde zu bestimmen, anbei aber auch darauf zu sehen -“ Die Compilations-Commission hielt in der Sitzung vom 9. März 1773 dafür, daß die Cautionspflicht zu einer empfindlichen und über das Bedürfniß hinausgehenden Last würde, wenn die von einem großen Vermögen entfallenden Einkünfte eines ganzen Jahres versichert werden müßten. In Folge dessen empfahl sie, dem Gerichte freiere Hand zu lassen, und die Einkünfte eines Jahres als Maximum der zu leistenden Caution zu bezeichnen.


(89) überstiegen, zugleich auch darauf gesehen werden, daß weder durch eine allzu genaue Untersuchung die Antretung der Vormundschaft verzögeret, noch die Sicherstellung auf ungefähre und außerordentliche Zufälle, wofür Niemand haften kann, erstrecket werde.

[1, 6] §. 61. Wenn in der Folge die geleistete Sicherheit unzureichend befunden wird, so beruhet es bei der Gehörde, den Vormund zu einer mehreren zu verhalten, so wie ingleichen die sich zeigende Uebermaß ihm zu erlassen.

[1, 6] §. 62. Auf gleiche Art ist insonderheit bei geringen Vormundschaften auf’s schleunigste vorzugehen, und zwar auf alle mögliche Sicherstellung der Waisen zu sehen, doch sich wegen der Verbürgung nicht aufzuhalten, wenn nur die Vormünder sonst taugliche und sicher geachtete Leute sind. 37)

[1, 6] §. 63. Wir ordnen und wollen aber hiemit, daß ein jeder Vormund ohne alle Ausnahme bei der Vormundschaftsgehörde gerichtlich angeloben 38) solle, daß er sich der Waisen getreulich annehmen, sie zu Gottesfurcht und Tugend anführen, nach ihrem Stand zum Nutzen des gemeinen Wesens anleiten, ihr Vermögen gleich dem seinigen besorgen, ihren Nutzen befördern, Schaden abwenden und sich in Allem nach Unseren Gesetzen und Verordnungen, wie es einem treuen und aufrichtigen Vormunde zustehet, verhalten wolle. (§. 40.)

[1, 6] §. 64. Nebst deme solle bei einer jeden Vormundschaft ohne Unterschied, obschon es im Testamente nachgesehen oder gar ausdrücklich verboten worden, vor Antretung derselben eine ordentliche Beschreibung aller und jeder den Waisen zugehörigen Güter und Habschaften, von was für Art und Eigenschaft dieselben immer sein mögen, gerichtlich errichtet, darvon drei gleichlautende Urkunden verfasset, und eine bei den Verlassenschaftsschriften, die zweite bei dem Vormundschafts- oder Waisenbuche aufbehalten, die dritte aber dem Vormunde zugestellet werden. Wenn den Waisen in der Folge etwas zufällt oder etwas hervorkäme, so in der Beschreibung nicht enthalten ist, so ist es nachzutragen, so wie gegentheils ein nachhero sich äußerender Abgang ebenfalls anzumerken ist. Die jährlichen Ersparnissen aber, und die sich aus dem beschriebenen Vermögen ergebende Zuwächse gehören in die Rechnungen. (§. 43.)

[1, 6] §. 65. Einer jeden Gerichtsbarkeit, unter welcher ein Theil des Waisenguts befindlich ist, gebühret dessen Beschreibung, doch sind alle schuldig der Vormundschaftsgehörde

 

37) Der Schluß lautete im Entwurfe Horten’s: „und die eidliche Verstrickung nicht unterlassen wird“. Die Compilations-Commission, welche sich gegen den Vormundschaftseid ausgesprochen hatte, empfahl in der Sitzung vom 9. März 1773 das Wort „Verstrickung“ durch „Versicherung“ zu ersetzen; die am 24. April 1773 herabgelangte kais. Entschließung ordnete die gänzliche Weglassung dieser Stelle an.

38) Im Entwurfe Horten’s war die Ablegung eines körperlichen Eides gefordert worden. Die in der Sitzung der Compilations-Commission vom 9. März 1773 empfohlene Aenderung war eine Folge dessen, daß sich die Commission gegen den Vormundschaftseid ausgesprochen hatte.


(90) auf ihr Ersuchen beglaubte Abschriften darvon zu ertheilen. Wo aber in mehreren Erblanden eine absonderliche Vormundschaft geführet wird, da hat auch in jedem Lande die Beschreibung besonders zu geschehen, in welchen hernach Dasjenige, was aus einem Lande in das andere übertragen wird, jedesmal ab- und zugeschrieben werden muß. (§. 44.)

[1, 6] §. 66. Diese Beschreibung des Waisenguts ist nicht zu verschieben, wenn es sich gleich mit der Vormundschaft verzögerte. Die Gegenwart des Vormunds ist darzu insgemein nicht nothwendig; doch kann ihm nicht verwehret werden, derselben beizuwohnen. (§. 45.)

[1, 6] §. 67. Nach dieser Beschreibung hat die gerichtliche Einantwortung des Waisenguts auf die unten vorgeschriebene Art an dem Vormunde zu geschehen. Wenn in der Folge ein neuer Vormund an des vorigen Stelle tritt, so ist keine neue Beschreibung nöthig, sondern an deme genug, wenn ihm das vorhandene Waisengut, gemäß der letzten Schlußrechnung sammt der ersten Beschreibung übergeben wird. (§. 46.)

[1, 6] §. 68. Zugleich solle auch einem jeden Vormunde bei dem Antritte der Vormundschaft von der Vormundschaftsgehörde eine gerichtliche Beglaubigungsurkunde ertheilet werden, damit er sich dardurch aller Orten behörig ausweisen, selbe, wo es nöthig ist, vormerken lassen und Alles, was die rechtliche Nothdurft erforderet, in Namen der Waisen ohngehindert vorkehren könne. (§. 47.)

[1, 6] §. 69. Damit endlich sowohl die Gerichte von Allem, was während der Vormundschaft vorgegangen, zu allen Zeiten Wissenschaft erlangen, und den Waisen in allen Vorfällen desto behender vorsehen, als auch die Waisen selbst nach erreichter Großjährigkeit alle diesfalls nöthige Nachrichten in beglaubter Form erhalten mögen, so befehlen Wir allen Gerichtsstellen und Obrigkeiten, denen die Bestellung der Vormünder zustehet, ein eigenes Vormundschafts- oder Waisenbuch zu errichten und mit aller Verläßlichkeit fortzuführen. (§. 48.)

[1, 6] §. 70. 43) Bei dem Antritte der Vormundschaft ist hier Alles anzumerken, was dahin gehörig ist, als der Tod des Vaters mit allen aus dem Berichte der zur Sperr abgeordneten Gerichtspersonen hervorkommenden Umständen, die Anzahl, Namen, Geschlecht und Alter der Waisen, ob der Vormund letztwillig benennet, wegen naher Sippschaft berufen oder gerichtlich bestellet, ob ein Mitvormund zugegeben, ob und wie die vormundschaftlichen Erfordernissen geleistet worden, die Zeit der angetretenen Vormundschaft und der Betrag des Waisenguts. Anbei solle die Urkunde, wodurch der eigentliche Betrag des Waisenguts ausgewiesen wird,

 

43) Im Entwurfe Horten’s lautete der Schluß: „mit Beilegung der Urkunden, woraus derselbe zu entnehmen, und der darüber verfaßten Beschreibung“. Die Compilations-Commission empfahl in der Sitzung vom 16. März 1773 sich mit einer „Bemerkung“ der Urkunden im Waisenbuche zu begnügen, da es nicht möglich sei, voluminöse Urkunden dem Waisenbuche beizulegen. Dieser Antrag wurde jedoch nicht genehmigt, worauf die Commission neuerlich vorstellte, daß es physich unmöglich sei, alle Urkunden dem Waisenbuche beizulegen, daß die Originalurkunden dadurch der Gefahr der Beschädigung oder des Verlustes ausgesetzt würden, und daß es nicht zu empfehlen wäre, die Pupillen mit den Kosten für die Anfertigung von Abschriften zu belasten. Die am 24. Mai 1773 herabgelangte kais. Entschließung schrieb die jetzt den Schluß des §. 70 bildende Bestimmung vor. In derselben Entschließung war angeordnet worden, die von Horten gebrauchten Worte „durch die Nähe des Geblüts“ durch „wegen naher Sippschaft“ zu ersetzen.


(91) sammt der darüber verfaßten Beschreibung in dem Waisenbuche in Urschriften beigeleget, oder allda sonst auf glaubwürdige Art einverleibet werden. (§. 48.)

[1, 6] §. 71. Während der Vormundschaft gehören dahin die Erlegung der jährlichen Rechnungen, deren befundene Richtigkeit oder erfolgte Richtigstellung, der jährlich bleibende Vermögensstand, alle vorgefallenen Waisenhandlungen, Verwilligungen, Verordnungen, Auflagen, Bescheide, Schuldzahlungen, Geldanlegungen, Gelderborgungen und Behaftungen, Käufe, Verkäufe und andere derlei Geschäfte mit deutlicher Beziehung auf jenes Ort, wo diesfalls ein Mehreres zu finden sei, ingleichen das den Waisen von anderwärts zugefallene Vermögen mit allen Umständen, auch ob in Ansehung dieses Zuwachses ein anderer Vormund bestellet worden, in welchem Falle diese Vormundschaft abzusonderen und besonders zu führen ist, sodann eine jede mit dem Vormunde vorgehende Aenderung, wie auch die Beigebung eines Curators.

[1, 6] §. 72. Bei dem Ende der Vormundschaft ist der Erlag der Schlußrechnung, die gänzliche Richtigkeitspflegung, die Zeit der erreichten Großjährigkeit, die erfolgte Großjährigkeitserklärung, die von Uns etwa erhaltene Nachsicht des Alters, die Einantwortung des Vermögens und schließlich die gerichtliche Loszählung des Vormunds, wie auch die Hauptquittung und Verzicht des Großjähriggewordenen einzutragen.

[1, 6] §. 73. Die erste hauptsächliche Pflicht eines Vormunds bestehet in guter Erziehung der Waisen. Diesem nach sollen sowohl die Vormünder, als die ihnen vorgesetzten Gehörden bei schwerer Verantwortung und unausbleiblicher Ahndung darob sein, daß die Waisen in Gottesfurcht, Tugenden, Ehrbarkeit, guten Sitten, Wissenschaften, Künsten oder Gewerben nach ihrem Stande und Fähigkeit erzogen,


(92) anbei aber von dem Müßiggange und anderen gefährlichen Abwegen abgehalten werden. Besonders hat der Vormund dahin zu sehen, daß die Ausgelassenheit und Fehler ihrer Jugend durch glimpfliche Ermahnungen, ernsthafte Verweise und mäßige Bestrafungen, vornemlich aber durch Abschneidung übler Gelegenheiten verbesseret werden, und wo dieses nicht verfienge, so liegt ihm ob, dasselbe der Gehörde zeitlich anzuzeigen, um dem Unfuge mit Nachdruck zu steueren und nach Befund der Umstände die Verführer scharf zu bestrafen. (§. 49.)

[1, 6] §. 74. Der Vormund ist schuldig, die Waisen wider die Bedrängnisse Anderer zu schützen, und umsomehr sich selbst von aller übermäßigen Strenge zu enthalten; widrigens hat die Gehörde, sobald sie von einem ungeziemenden Verfahren mit den Waisen Wissenschaft erhält, dasselbe abzustellen und nach Befund zu ahnden.

[1, 6] §. 75. Die Erziehung der Waisen nicht nur in ihrer Kindheit, sondern auch hernach insolang, bis die Vormundschaftsgehörde für nöthig oder nützlich findet, ihnen eine andere Erziehung zu geben, stehet der Mutter zu, obschon sie zur neuen Ehe geschritten wäre, wenn nur sonst kein erhebliches Bedenken dagegen ist. In diesem Falle, oder wenn die Mutter nicht mehr lebt, können die Waisen bei den Großeltern, Verwandten, bei dem Vormunde selbst oder sonst wo nach Gutbefinden der Gehörde erzogen werden; doch liegt dem Vormunde allzeit ob, auf die Erziehung der Waisen sorgfältig Obacht zu tragen, und die wahrgenommenen Gebrechen sogleich der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen. Ueberhaupt ist derselbe in allen die Erziehung der Waisen betreffenden wichtigeren Vorfällen an die Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde gebunden. (§. 50.)

[1, 6] §. 76. Den Aufwand auf die Erziehung hat die Vormundschaftsgehörde den Umständen gemäß dergestalten zu bestimmen, daß weder ein Ueberfluß, noch an der standesmäßigen Nothdurft ein Abgang sei, und obwohl in einem letzten Willen etwas Gewisses darzu festgesetzet wäre, so kann nichtsdestoweniger dasselbe bei befundener Uebermaß eingeschränket und bei dessen Unerklecklichkeit nach Kräften des Vermögens auf ein Mehreres erstrecket werden. Bei der gerichtlichen Ausmessung hat der Vormund zu beruhen; doch bei erforderender Nothdurft oder Nutzen stehet ihm frei, um eine Vermehrung des bestimmten Betrags einzukommen. (§. 51.)

[1, 6] §. 77. Wenn aber die Einkünfte der Waisen zu Bestreitung der jährlichen Ausgaben kaum hinreichen, so solle es der Bescheidenheit des Vormunds überlassen sein, die Sachen so einzurichten, daß, wo nichts ersparet, doch wenigstens das Hauptgut unvermindert erhalten werde. Im Falle hingegen die Einkünfte offenbar unzulänglich sind, und zu Erhaltung der Waisen sonst kein Rath geschaffet werden kann, oder wenn sich eine Gelegenheit zeiget, die Waisen mittelst eines größeren Aufwands in einen beständigen Nahrungsstand zu setzen, alsdann kann auch ein Theil oder das ganze Hauptgut, doch nie ohne die vorläufige Einwilligung der Gehörde, darzu verwendet werden. (§. 52.)

[1, 6] §. 78. Bei unbemittelten Waisen solle der Vormund alle Sorgfalt anwenden, der Dürftigkeit durch erwirkte Beihilfe der Anverwandten, durch Unterbringung in milde Stiftungen oder auf andere Art abzuhelfen, und wenn solche arme Waisen zu dienen bemüssiget sind, oder zur Erlernung einer Kunst oder Gewerbs in die Lehre gegeben werden, so liegt dem Vormunde ob, genau nachzusehen und allem unbilligen Verfahren gegen sie sogleich vorzukommen. Dem Vormunde ist


(93) zwar ebenfalls unverwehrt, dergleichen Waisen zu seinem Dienste zu gebrauchen, doch muß es mit Vorwissen der Gehörde geschehen, und ihnen mit aller Mäßigung begegnet werden. Niemals aber darf er die Waisen, für welche ihm der Unterhalt gezahlet wird, zu seinen Arbeiten anwenden. (§. 53.)

[1, 6] §. 79. Wenn die Waisen an andere Orte in Unseren Erblanden versendet werden wollen, so mag dieses bei Befund der billigen Ursachen mit Bewilligung der Gehörde geschehen; dahingegen solle keine Verschickung der Waisen außer Unseren Erblanden, unter was für einem Vorwande es auch immer wäre, die Wanderschaften der Handwerker allein ausgenommen, bei schwerer Strafe und Ahndung anderst zulässig sein, als wenn Wir darzu besonders Unsere höchste Einwilligung ertheilen. (§. 54.)

[1, 6] §. 80. Die zweite wesentliche Pflicht des Vormunds ist die Verwaltung des Vermögens. Die Waisen selbst sind ohne Vorwissen und Einwilligung des Vormunds nicht befugt, sich für ihre Personen auf einige Art und Weise zu verbinden, noch von ihren Habschaften und Rechten etwas zu veräußeren oder zu beschweren; zu was also ein Waise sich verbunden hat, dieses mag nicht geforderet werden, und wenn er bereits etwas von seinem Vermögen hinweggegeben, so muß dieses sammt Nutzungen, Zinsen, Schaden und Unkosten zurückgestellet werden. Auf gleiche Art, wenn Jemand einem Waisen Geld oder Waaren gegeben, so kann er von ihm nichts mehr zurückforderen, außer wenn das Gegebene annoch vorhanden oder zu des Waisen Nutzen verwendet worden wäre. (§§. 55, 56.)

[1, 6] §. 81. Durch Handlungen, die von beiden Seiten eine Verbindlichkeit nach sich ziehen, wird zwar der andere Theil dem Waisen, der Waise aber jenem nur alsdann verbunden, wenn der Vormund selbe in der Folge genehm hält; dahingegen hat eine zum blosen Nutzen und Gewinn des Waisen gereichende Handlung alsofort, auch ohne Vorwissen des Vormunds ihre vollkommene Giltigkeit. (§. 57.)

[1, 6] §. 82. Und obwohl die Waisen bei Erreichung der Vogtbarkeit aufhören, Waisen zu sein, gleichwie Wir auch diesem Alter mehrere rechtliche Wirkungen beilegen, so solle doch die Verwaltung des Vermögens, nach wie vor, bei dem Vormunde verbleiben und Dasjenige, was Wir von den Verbindungen der Waisen geordnet haben, auch auf die Minderjährigen erstrecket werden.

[1, 6] §. 83. Doch wenn dem Vogtbargewordenen wegen seiner Verehelichung oder sonsten ein Theil der Einkünfte zu seiner freien Verwendung überlassen wird, so hat es bei deme sein gänzliches Bewenden, was ein solcher zu seiner oder der Seinigen Nothdurft kauft, wofern nur die baare Bezahlung erfolget ist. Wenn aber Waaren geborget und diesfalls an den Minderjährigen eine Anforderung gemacht


(94) werden wollte, so solle dem Verkaufer, wo er die Verwendung zu des Minderjährigen Nothdurft oder Nutzen nicht erweisen kann, keine rechtliche Hilfe geleistet, sondern in Allem auf die nemliche Art, wie bei Geldverleihungen, verfahren werden. (§§. 59 - 61.)

[1, 6] §. 84. Wir wollen aber alle dergleichen offenbare und heimliche Geldvorleihungen und die auf Vereitelung dieses Verbots gerichtete Scheinhandlungen, wodurch den Minderjährigen baare Gelder zugewendet, unnütze Waaren aufgedrungen oder zugeschlagen werden, wie ingleichen alle Verbindungen der Minderjährigen, wodurch selbe auf was immer für eine Art entweder ihre eigene Schulden versicheren oder fremde auf sich nehmen, nicht nur hiermit alles Ernstes verboten haben, sondern Wir entkräften auch alle solche Verbindungen und Verschreibungen dergestalten, daß hieraus zu keiner Zeit eine rechtsbeständige Forderung entstehen, und auch in dem Falle, wenn schon nach erreichter Großjährigkeit diese Schuld wirklich anerkennet, deren Bezahlung neuerdings versprochen oder selbe zu einer aufrechten Schuld zugeschlagen worden wäre, diese Anerkennung oder Verschreibung nichtsdestoweniger ganz und gar ungiltig und kraftlos bleiben solle. (§. 58.)

[1, 6] §. 85. Damit sich aber Niemand gelüsten lasse, Minderjährigen, ohne Vorwissen ihrer Väter oder Vormünder heimlich Geld zu leihen oder durch verstellte Handlungen ihnen Geld zu verschaffen, so solle ein solcher nicht nur mit seiner Forderung abgewiesen, sondern noch annebst, es möge bei dem Darlehen ein Betrug unterloffen sein oder nicht, um den nemlichen Betrag der dargeliehenen Summe, wenn es aber ein Unvermöglicher wäre, mit einem nach Beschaffenheit der Umstände abgemessenen Gefängnisse bestrafet werden, und wenn dem Glaubiger entweder während der Minderjährigkeit oder nach erfolgter Großjährigkeit auf ein solches Darlehen etwas bezahlet worden, so ist auch dieses abzuforderen und zu Handen Unserer Kammer einzuziehen. Hätte aber ein Glaubiger sich eines offenbaren Wuchers, der Verführung eines Minderjährigen oder anderer sträflicher Gefährde schuldig gemacht, so solle er über alles dieses annoch nach Maß der mehr oder minder beschwerenden Umstände bestrafet werden. (§. 58.)

[1, 6] §. 86. Wider diese Unsere Anordnung und verhängte Strafe solle Niemanden die vorgebliche Unwissenheit des minderjährigen Alters oder die Verstellung eines sich für großjährig ausgebenden Minderjährigen, oder die gemeine ihn dafür haltende Meinung, oder die vorgespiegelte Einwilligung des Vaters oder Vormunds, oder etwas Anderes, wodurch der Glaubiger hintergangen worden zu sein vorgiebt, schützen können, sondern ein Jeder, der sich mit jungen Leuten in solche Handlungen einlässt, welche die wahrscheinliche Nothdurft übersteigen, ist schuldig, sich vorher wohl zu erkundigen, ob sie bereits für großjährig erkläret worden. Ueberhaupt aber sollen


(95) Unsere nachgesetzte Gerichte und Fiscalen unter eigener Verantwortung darob halten, daß dieser Unserer Satzung, ohne einige Rücksicht der Person, in Allem und Jedem auf das genaueste und strengste nachgelebet werde.

[1, 6] §. 87. Die sich einschuldende Minderjährige hingegen sollen nach erreichter Großjährigkeit um so viel länger, als selbe in Vergleich ihrer jährlichen Einkünften Schulden gemacht, und bis sie nicht bessere Kennzeichen einer guten Wirthschaft geben, oder so lang es Uns gefällig sein wird, nach Maßgab der den Vormundschaftsgehörden desfalls im §. 165 gegebenen Vorschrift, unter der Vormundschaft zu verharren haben, und wenn sie durch falsche Angebung einen Glaubiger hintergangen hätten, so ist ein solches ebenfalls ernstlich zu bestrafen.


(96) [1, 6] §. 88. Der Vormund hat also das Vermögen der Waisen, so wie es ein guter und sorgfältiger Haushalter daselbst insgemein zu thun pfleget, zu verwalten,


(97) sodann alle sowohl gerichtliche als außergerichtliche Geschäfte im Namen und zu Handen der Waisen getreu und fleißig zu besorgen, ohne daß er von Jenen auf einigerlei Art darinnen beirret oder behinderet werden könnte. (§. 55.)

[1, 6] §. 89. Wenn den Waisen eine Erbschaft anfällt, so muß der Vormund bei derselben Antretung das gerichtliche Inventarium ausdrücklich vorbehalten 54), gleichwie derselbe gegentheils in allen Fällen, wo er eine den Waisen angefallene Erbschaft

 

54) In dem Entwurfe Horten’s folgte auf den ersten Satz folgende Stelle: „Nur in dem einzigen Falle, wenn der Erblasser die Errichtung eines Inventariums deutlich verboten und die Waisen blos unter der Bedingniß zu Erben eingesetzet hätte wollen Wir zwar verstatten, daß der Vormund, wenn er glaubet, daß die Waisen bei der so gestalteten Antretung nicht gefährdet sein werden, diese Erbschaft antreten möge, doch solle er vorher seine Ursachen der Vormundschaftsgehörde vorlegen und ihre Begnehmigung darüber einholen“.

Die Compilations-Commission empfahl in der Sitzung vom 16. März 1773 die Weglassung dieser Stelle. Hierbei ging sie von der Erwägung aus, daß die Gewißheit, daß die Antretung einer nicht inventirten Verlassenschaft vortheilhaft wäre, nie zu erlangen sei, weil das nachträgliche Bekanntwerden von Gläubigern nie außerhalb des Bereiches der Möglichkeit liege, daß das Verbot der Inventirung gegen das Gesetz verstoße, und daher dessen Beobachtung nicht mit Wirkung zur Bedingung gemacht werden könne, daß es dieser illegalen Maßnahme gar nicht bedürfe, um die etwa beabsichtigte Geheimhaltung der Vermögensverhältnisse zu erzielen, da dieser Zweck auf legalem Wege erreichbar sei, und daß man im Interesse sowohl des Vormundes als des Mündels die Anordnung der Inventirung als eine ausnahmslose gelten lassen müsse.


(98) auszuschlagen vermeinet, eben diese Begnehmigung der Gehörde zu erwirken hat, und ohne diesem Vorbehalt oder ohne die beigebrachte Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde solle keine von ihm eingereichte Erbserklärung oder Erbsentschlagung von einiger Kraft sein, noch bei einem Gerichte angenommen werden. Im Falle aber dennoch den Waisen andurch ein Schaden zugegangen wäre, oder der Vormund die Einwilligung der Gehörde durch Arglist und ungleiche Vorstellungen erschlichen hätte, so ist er nicht nur zum Ersatze anzuhalten, sondern auch nach Maß seiner Gefährde zu bestrafen. (§. 62.)

[1, 6] §. 90. Wenn die Waisen in Rechtsstrittigkeiten verflochten sind oder in solche verflochten werden, so liegt dem Vormunde ob, alles Nöthige zu besorgen; doch solle er wohl überlegen, auch sich bei Rechtserfahrenen Raths erholen, ob es vorträglicher sei, den richterlichen Ausspruch abzuwarten oder sich mit dem Gegentheile in einen Vergleich einzulassen. Die Vergleichshandlung muß mit Einwilligung der Vormundschaftsgehörde und unter Vermittlung einiger Gerichtspersonen vorgenommen, der Vergleich selbst aber der Vormundschaftsgehörde vorhero zur Begnehmigung vorgeleget werden, widrigens bindet er zwar den Gegentheil, nicht aber die Waisen. Wenn hingegen der Rechtsstritt fortgesetzet und verloren wird, so ist der Vormund außer Verantwortung, ausgenommen, wenn er durch seine Schuld und Verwahrlosung den Waisen einen Nachtheil zugezogen. (§. 65.)

[1, 6] §. 91. Doch mag ein Vormund, besonders in wichtigen Rechtshändeln, wenn er darinnen unerfahren ist und sich aller Verantwortung entladen will, um Beigebung eines Curators anhalten, welcher sodann Alles, worzu er bestellet ist, und wenn die Waisen arm sind, auch ohnentgeltlich zu besorgen und zu verantworten hat.

[1, 6] §. 92. Wenn zwischen dem Vormunde selbsten und den Waisen Rechtsansprüche fürwalten, so ist die Bestellung eines Curators zu Vertretung der Waisen durchaus nothwendig. Dieser hat auf die in §. 90 angeordnete Art vorzugehen, und was der Vormund kraft der richterlichen Erkenntniß oder des geschlossenen Vergleichs den Waisen zu entrichten hat, dieses muß unnachbleiblich erstattet oder hinlänglich versicheret werden; was hingegen dem Vormunde gebühret, dafür kann er sich mit Einwilligung der Gehörde selbst bezahlt machen oder davon Zinsen beziehen. (§. 63.)

[1, 6] §. 93. Ueberhaupt solle den Waisen in allen, sowohl gerichtlichen als außergerichtlichen Vorfällen, wo der Vortheil der Waisen wegen des zugleich unterwaltenden Vortheils des Vormunds außer Acht gelassen werden könnte, ein Curator gegeben und über Alles, was in ihrem Namen geschlossen wird, die Genehmhaltung der Gehörde eingeholet werden, und ohne diese Vorsicht solle kein zwischen dem Vormunde und den Waisen vorkommender Ruf oder Verkauf liegender Güter, beträchtlicher Fahrnissen oder Schuldforderungen der Waisen, noch einige andere Handlung oder Verbindung zur Rechte bestehen. 55)

 

55) Im Entwurfe Horten’s war folgende, auf §. 93 folgende Bestimmung enthalten: „Besonders solle ein Vormund, wenn er Schuldforderungen der Waisen zu erhandeln, oder das gerichtlich zu veräußernde Waisengut an sich zu bringen gedenket, diese seine Gesinnung der Vormundschaftsgehörde zeitlich entdecken und sich auf keinerlei Weise in den Verkauf mischen. Die Vormundschaftsgehörde hat in solchem Falle genau zu untersuchen, ob nicht die Benachtheiligung der Waisen eine Eigennützigkeit des Vormundes unterlaufe, und ihre Einwilligung nicht anderst als bei befundener gänzlicher Ohnschädlichkeit der Waisen zu ertheilen.“

Die Compilations-Commission empfahl in ihrer Sitzung vom 23. März 1773 die Weglassung dieser Bestimmung, weil dieselbe durch §. 93 überflüssig gemacht sei, und „leicht dahin mißdeutet werden könnte, als ob der Vormund in einer gerichtlichen Licitation ohne vorläufige Einwilligung der Gehörde nichts zu kaufen befugt wäre“.

Die am 24. April 1773 herabgelangte kais. Entschließung genehmigte die Weglassung dieser Bestimmung, ordnete jedoch gleichzeitig an, am Schlusse des §. 93 nebst den Fahrnissen auch die Schuldforderungen der Waisen ausdrücklich zu erwähnen.


(99) [1, 6] §. 94. Wenn ein Vormund mehrere Vormundschaften hat und zwischen den verschiedenen Waisen Rechtsstrittigkeit oder andere Handlungen entstehen, worinnen ihr beiderseitiger Vortheil und Schaden verflochten ist, da solle keiner derselben von dem Vormunde vertreten, sondern einem Jeden ein besonderer Curator bestellet werden. (§. 64.)

[1, 6] §. 95. Wenn die zur Besorgung des Vormunds gehörige Waisengeschäfte von minderer Beträchtlichkeit sind, so ist zwar die Einwilligung der Vormundschaftsgehörde zu deren Giltigkeit nicht erforderlich; doch bleibt der Vormund ohne deren Erwirkung der Verantwortung und Schadloshaltung ausgesetzet. Sind aber diese Geschäfte von größerer Wichtigkeit, so sollen selbe ganz und gar kraftlos sein, wenn nicht die Einwilligung der Gehörde darzu eingeholet worden. Hieher gehören die Veräußerung liegender Güter oder anderer bei den Landtafeln, Stadt- oder Grundbüchern versicherter Forderungen, der Ankauf liegender Güter oder kostbarer Fahrnissen, die Einschuldung der Waisen und überhaupt Alles, was zu Verminderung und Schmälerung ihres Guts gereichen kann. (§. 65.)

[1, 6] §. 96. Wenn die Nothdurft oder der Nutzen der Waisen erfordert, ein ihnen zugehöriges liegendes Gut zu verkaufen, so solle dieses anderst nicht geschehen, als durch eine öffentliche Feilbietung. Wenn hingegen für die Waisen ein liegendes Gut angekaufet werden will, so hat der Vormund über dessen Ertragniß, Zugehörungen und Beschwerden einen verläßlichen Anschlag zu verfassen und sammt dem Preise, wie auch dem aus diesem Kaufe für die Waisen entspringenden Nutzen der Vormundschaftsgehörde vorzulegen. Diese hat den angegebenen Nutzen genau zu untersuchen und bei dessen Befund zu dem Kaufe die Einwilligung zu ertheilen, anbei aber entweder die Kaufbedingnisse vorzuschreiben oder sich die Einsicht und Begnehmigung des geschlossenen Kaufs vorzubehalten, auch diesen Vorbehalt in den Kaufbrief einschalten zu lassen. (§. 65.)

[1, 6] §. 97. Wo die Güter und Landwirthschaften insgemein selbst besorget werden, da darf kein Vormund ohne besondere Ursache und Einwilligung der Gehörde selbe verpachten, noch auch die zu verpachten gewöhnliche auf eine längere als die gemeinübliche Zeit in Pacht geben; dahingegen bedarf es bei Verpachtung einzelner Gründen und Wohnungen keiner besonderen Verwilligung, wenn nur die Pachtzeit sich nicht weiter als bis zur erfolgenden Großjährigkeit der Waisen erstrecket und der bedungene Zins gegen den vorherigen nicht merklich herabfällt. (§. 65.)

[1, 6] §. 98. Bei dem beweglichen Waisengute solle gleich bei dessen Beschreibung erwogen werden, was darvon zu veräußern oder für die Waisen aufzubehalten sei, entweder weil es vermög letztwilliger oder anderer Anordnungen aufzubehalten verordnet worden, oder weil es als ein besonderes Denkmal bei dem Geschlechte zu


(100) verbleiben hat, oder auch weil es den Waisen dereinst nützlich sein kann und nicht leicht wieder zu haben ist. Die Beurtheilung dessen kommt den zur Beschreibung abgeordneten Gerichtspersonen, dem Vormunde und Verwandten zu, und wenn die Meinungen verschieden sind, so gebühret die Entscheidung der Vormundschaftsgehörde. (§. 66.)

[1, 6] §. 99. Was aufzubehalten befunden wird, solle soviel möglich gleich von dem Anderen abgesönderet, zugleich aber sowohl das Eine als das Andere von beeidigten Schätzern oder bei deren Ermanglung von andern erfahrnen Männern, so wie sie es eidlich bekräftigen können, geschätzet und die Preise der gerichtlichen Beschreibung beigefüget werden; doch mag diese Schätzung, wenn sie ohne großen Aufwand und Verzögerung nicht alsofort geschehen könnte, auch bis zur wirklichen Veräußerung oder Erbtheilung verschoben werden. (§. 67.)

[1, 6] §. 100. Alles, was aufbehalten werden soll, ist dem Vormunde zur Bewahrung einzuhändigen, oder wenn sich darbei ein Bedenken äußerte, bei Gericht oder an anderen sicheren Orten zu hinterlegen und in diesem Falle dem Vormunde ein Hinterlegungsschein zu geben. Dahingegen solle die Veräußerung der zum Verkaufe bestimmten Sachen entweder allda, wo sie befindlich sind, oder wo sie vortheilhafter verkaufet werden können, mittelst gerichtlicher Feilbietung ohne Zeitverlust und sobald als möglich vorgenommen werden, ausgenommen, wenn es Sachen wären, die mit der Zeit bessere Kaufer finden oder durch längere Aufbehaltung im Werthe steigen werden. Was aber wegen Mangel der Kauflüstigen erliegen bleibt, dessen Verkauf ist dem Vormunde zu überlassen; doch darf er es nur alsdann unter dem Schätzungspreise verkaufen, wenn ihm ein solches ausdrücklich verwilliget oder bei Kleinigkeiten freie Hand gelassen wird. (§. 68.)

[1, 6] §. 101. Von den vorgefundenen oder weiters gelösten Geldern ist dem Vormunde soviel, als er zu den nothwendigen Vormundschaftsausgaben brauchet, einzuhändigen, das Uebrige aber, so wie es eingehet, bei Gericht zu hinterlegen und dem Vormunde über Alles, was verkaufet und davor gelöset worden, ein Verzeichniß zu verabfolgen. (§. 68.)

[1, 6] §. 102. Die Schuldbriefe aller den Waisen zugehörigen oder nachhero angelegten Capitalien, so wie auch die zuruckgestellte Schuldbriefe und erhaltene Quittungen sollen in gerichtliche Verwahrung genommen, davon dem Vormunde zwar Verzeichnisse und Abschriften, die Urschriften selbst aber sonst nicht eingehändiget werden, als wenn es bei den vorfallenden Umständen nöthig befunden wird. (§. 69.)

[1, 6] §. 103. Die in öffentlichen Aemtern oder mit landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Versicherung bei Privaten anliegende Capitalien ist kein Vormund


(101) befugt, ohne wichtige von der Vormundschaftsgehörde dafür anerkannte Ursachen aufzukünden; doch liegt ihm ob, wenn die Zinsen nicht richtig abgeführet werden, bei der zweiten Verfallzeit den ganzen Ruckstand gerichtlich einzutreiben, und wenn sich eine solche Unrichtigkeit öfters ereignet, nach eingeholter Bewilligung der Gehörde auch das Capital zuruckzuforderen.

[1, 6] §. 104. Der Vormund ist schuldig, die von ihm gemachte oder die ihm etwa


(102) von einem Schuldner geschehene Aufkündung der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen, auch anbei mit Rucksicht auf Unsere in §. 108 nachfolgende Anordnung einen


(103) sicheren Ort zur Wiederanlegung vorzuschlagen oder, wenn er keinen ausfindig machen kann, diesen Umstand wenigstens vier Wochen vor der Zahlungszeit zu des Gerichts


(104) Wissenschaft zu bringen, damit durch öffentliche Kundmachung oder auf andere Art der unfruchtbaren Erliegung dieser Gelder vorgebogen werden könne. (§. 70.)


(107) [1, 6] §. 105. Die Vormundschaftsgehörde hat dem Vormunde zu Erhebung des Geldes und Ausstellung der Quittung eine besondere Gewalt zu ertheilen, welche von diesem bei Erhebung des Geldes beigebracht und in der ausgestellten Quittung sich ausdrücklich darauf bezogen werden muß; widrigenfalls eine solche Quittung weder bei Gericht angenommen, noch dem Vormunde das Capital ausgezahlet, sondern dasselbe zu Gerichtshanden erleget werden solle, und hat der Vormund sowohl die Unkosten dieser gerichtlichen Hinterlegung als auch den Schaden wegen der aus seiner Schuld verursachten unfruchtbaren Erliegung des Capitals zu ersetzen. (§. 71.)

[1, 6] §. 106. Wenn in dem Schuldbriefe ein Unterpfand bestellet, aber nicht vorgemerket worden, so ist dasselbe alsofort zur gerichtlichen Einverleibung zu bringen, wäre aber kein Unterpfand verschrieben, so solle ein solches von dem Schuldner anbegehret, oder wenn es nicht erlanget werden kann, die Schuld sobald als möglich eingetrieben, auch bei immittelst bevorstehender Gefahr auf die Sicherheit der Waisen, wie es am füglichsten geschehen kann, fürgedacht und im Uebrigen


(108) wegen Empfang und Quittung des Geldes auf die nämliche Art wie oben §§. 104 und 105 vorgegangen werden. (§. 72.)

[1, 6] §. 107. Unverbriefte Ausstände und Forderungen mag der Vormund auch ohne eine besondere Verwilligung selbst erheben. Strittige Forderungen hat er durch Vergleich oder im Wege Rechtens sicher zu stellen und überhaupt auf alle mögliche Sicherheit fürzudenken, und wenn auch der Vormund diesfalls an seiner Schuldigkeit etwas erwinden ließe, so hat die Vormundschaftsgehörde von Amtswegen darauf Obacht zu tragen. (§. 72.)

[1, 6] §. 108. Die erübrigende Barschaft, die weiters eingegangenen Gelder, heimgezahlte Capitalien oder Ausstände und die Ersparnissen sollen vorzüglich zu Tilgung der Waisenschulden verwendet und vor Allem auf die Befreiung des Waisenguts von den darauf versicherten Haftungen der Bedacht genommen werden. Nach getilgten Schulden ist darauf zu sehen, ob nicht das Waisengut durch Zukaufung nützlicher Grundstücke, Ablösung der darauf haftenden Beschwerden oder auf andere Art verbesseret, ingleichen ob nicht eine außerordentliche Verbesserung in allen Gattungen der Wirthschaft vorgenommen werden könne. Und wenn es sich in einem oder dem anderen Falle von Verwendung wichtiger Summen handlet, so hat der Vormund den darüber gemachten Vorschlag vorhero der Gehörde zur Begnehmigung vorzulegen. (§. 73.)

[1, 6] §. 109. Zu Aufführung neuer oder zu kostbarer Erneuerung alter Wohn- oder Wirthschaftsgebäude hat der Vormund jedesmal einen verlässlichen Ueberschlag der Unkosten beizulegen und den beangnehmten Betrag nicht zu überschreiten. Die Gehörde solle aber zu dergleichen Ausgaben anderst nicht willigen, als wenn die Nothdurft oder der Nutzen offenbar ist oder auch, wenn eine besondere Wohlanständigkeit darbei unterwaltet. Dahingegen liegt die Erhaltung und Herstellung der Gründe und Gebäude im guten Stande dem Vormunde nach dem ordentlichen Wirthschaftstriebe ob, ohne daß es einer sonderbaren Bewilligung bedörfe.

[1, 6] §. 110. Außer derlei Vorfällen sind diese Gelder mit Vorwissen der Gehörde verzinslich anzulegen, und wenn dieses bei Privatleuten geschiehet, darbei allzeit auf eine landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Sicherheit zu sehen, bei dessen Ermanglung der Vormund auf die oben angeordnete Art fürzugehen, widrigens aber für allen den Waisen zugegangenen Schaden zu haften hat. Besonders aber liegt ihm ob, mit den Waisengeldern getreulich zu gebahren, diese mit den seinigen niemals zu vermischen, noch solche unter schärfester Ahndung zu seinem eigenen Gebrauche zu verwenden. (§. 70.)

[1, 6] §. 111. Wenn die Waisen eine Handlung oder anderes Gewerb haben, so solle dessen Fortsetzung im Namen der Waisen nur alsdann zugelassen werden, wenn es für selbe ersprießlich befunden wird. In diesem Falle hat die Vormundschaftsgehörde mit aller Behutsamkeit fürzugehen, damit die Kräfte der Handlung nicht entdecket werden, mithin anstatt der sonst gewöhnlichen Beschreibung den Hauptstand der Handlung durch vertraute Männer unter Angelobung der Verschwiegenheit untersuchen zu lassen und denselben bei Gericht unter dem Gerichtssiegel zu verwahren.

[1, 6] §. 112. Wenn der Vormund wegen Unkündigkeit oder anderer Ursachen außer Stande ist, das Werk selbst zu besorgen, so stehet ihm frei, von dem Gerichte die Beigebung erfahrner Leute anzusuchen, und hat er außer einer von seiner Seite mitunterlaufenden Schuld für selbe nicht zu haften; wo er aber nach seiner eigenen Auswahl Leute darzu bestellet hätte, so wird er auf jene Art verfänglich, wie Wir unten §§. 117 und 118 näher anordnen werden.

[1, 6] §. 113. Keinem, der die Handlung im Namen der Waisen führet, ist erlaubt, daran einen heimlichen Antheil zu nehmen oder die Waisen unter der Hand zu benachtheiligen; dahingegen, wenn er schon vorhero mit in Gesellschaft gestanden


(109) oder nachhero im selbe geräth, so kann er solang darbei beharren, bis die Gehörde eine Absönderung nöthig findet.

[1, 6] §. 114. Wenn sich in der Folge der schlechte Fortgang des Werks entdecket, so ist dasselbe, wenn der Fehler an dem Gewerbe selbst liegt, alsofort, wie es am vortheilshaftesten geschehen kann, an Andere zu überlassen, wenn aber die angestellt gewesene Leute daran Schuld tragen, so hat das Gericht an deren Stelle andere tüchtigere zu benennen.

[1, 6] §. 115) Der Vormund hat für allen Schaden zu haften, der den Waisen aus seiner Schuld oder Verwahrlosung zugehet, und wenn auf ihn eine wahre Gefährde erwiesen wird, so ist er noch annebst der Vormundschaft zu entsetzen und dem Verbrechen gemäß zu bestrafen; doch solle im Zweifelsfalle der schädliche Erfolg mehr einem Versehen als einer Arglist beigemessen werden, mithin es bei dem Ersatze und allenfalls bei Benehmung der Vormundschaft sein Bewenden haben. (§. 74.)

[1, 6] §. 116) Unmerkliche Fehler, die nur durch den ausbündigsten Fleiß vermieden werden können, gereichen dem Vormunde zu keiner Verfänglichkeit. Ueberhaupt hat die Gehörde bei Aufbürdung des Ersatzes auf die Umstände zu sehen, ob nicht der denen Waisen zugefügte Schaden annoch verbesseret werden könne, ob nicht unvorgesehene Zufälle hinzugestoßen, und ob nicht der angegebene Schaden mehr auf muthmaßliche Anschläge als in der Wesenheit gegründet sei; doch solle der Vormund auch in solchen Fällen, wo ihm kein Ersatz auferleget wird, zu mehrerem Fleiße angemahnet, auch ihm nach beschaffenen Umständen die Vernachlässigung seiner Pflicht verhoben werden.

[1, 6] §. 117) Für die Schuld Derjenigen, deren sich der Vormund bei Verwaltung der Waisengeschäfte, besonders bei Wirthschaften und Gewerben, gebrauchet, wird derselbe, wenn er bei ihrer Auswahl alle mögliche Behutsamkeit und Vorsicht angewendet hat, nicht verfänglich, und obwohl er von der Vormundschaftsgehörde über Alles, was einigem Bedenken unterlieget, zur Verantwortung gezogen wird, ohne selbe auf seine Nachgesetzte verweisen zu können, so ist ihm doch unverwehrt, gegen Jene auf die in §. 145 erwähnte Art fürzugehen. (§. 75.)

[1, 6] §. 118. Wenn aber dem Vormunde in der Auswahl und nöthigen Vorsicht eine Schuld beigemessen werden kann, wenn er die Beamte bei befundener Untauglichkeit nicht abgeschaffet, oder wenn er in Eintreibung des von ihnen zu leistenden Ersatzes saumselig gewesen, so hat er allen den Waisen zugegangenen Schaden zu vergüten; doch bleibet ihm die Schadenserholung wider Jene, die den Schaden zugefüget, allzeit bevor. (§. 75.)


(110) [1, 6] §. 119. Wenn ein Erblasser die Vormundschaft zwischen Mehreren vertheilet hat, so hat deren Jeder auf die in §. 57 und den folgenden angeordnete Art nicht mehr zu versichern, noch zu verantworten, als was ihm zur Verwaltung anvertrauet ist. Wenn jedoch Einer das üble Betragen des Anderen wissentlich vertuschet oder dem Gerichte anzuzeigen unterlassen hätte, so mag er auch um das belanget werden, was von Jenem nicht zu erholen ist. Wenn aber mehrere Vormünder ohne Vertheilung der Vormundschaft benennet und gerichtlich bestätiget worden, so haben Alle für Einen und Einer für Alle zu haften, obwohl ihnen frei stehet, die Verwaltung unter sich zu theilen. (§. 76.)

[1, 6] §. 120. Doch sollen sie gleich bei dem Antritte der Vormundschaft Einen von ihnen zum Hauptvormunde erwählen, der bei der Vormundschaftsgehörde das Nöthige besorge, über die ganze Verwaltung die Hauptrechnung führe und gegen Erholung an den Mitvormündern berichtige. Würden sie aber in dieser Auswahl saumig oder uneins sein, so solle es eben dardurch von der getheilten Vormundschaft abkommen und der Tauglichste unter ihnen zum Hauptvormunde gerichtlich bestellet, sodann diesem die Versicherung und Verwaltung ganz allein aufgetragen werden. (§. 76.)

[1, 6] §. 121. Wenn die Mehreren ungetheilt aufgetragene Vormundschaft auch unzertheilt verwaltet worden, so kann ein Jeder um den ganzen Betrag belanget werden, ohne daß er sich auf dessen Theilung berufen könne; doch mag er sich an den Anderen für ihre Antheile erholen. Wenn hingegen die unzertheilt aufgetragene Vormundschaft von den Vormündern unter sich vertheilet worden, da solle der Schuldtragende am ersten zum Ersatze des zugefügten Schadens verhalten und von den Uebrigen nur das, was Jener nicht zu zahlen vermag, zu gleichen Theilen eingetrieben werden. Eben dieses ist auch alsdann zu beobachten, wenn die Verwaltung zwar Allen aufgetragen war, Einige aber sich darvon eigenmächtig entzohen haben. (§. 76.)

[1, 6] §. 122. Auch das Gericht kann alsdann die Vormundschaft unter Mehrere vertheilen, wenn es die Weitläufigkeit oder Zerstreuung des Waisenguts erfordert. In diesem Falle hat zwar ein Jeder, wie Wir oben in Betreff einer vom Erblasser geschehenen Vertheilung angeordnet haben, seinen Antheil ganz allein zu verwalten; doch ist Jener, dem die Personen der Waisen anvertrauet worden, insoweit für den Hauptvormund anzusehen, da ihm allein die Vertretung der Waisen in persönlichen Sprüchen und die Besorgung des den Personen folgenden beweglichen Vermögens oblieget, und ist ein solches im Waisenbuche wohl anzumerken. (§. 76.)

[1, 6] §. 123. Wenn unter mehreren Vormündern die Verwaltung nur Einigen aufgetragen gewesen, so sind Jene, die davon enthoben geblieben, außer dem Falle, da sie sich freiwillig in die Verwaltung eingemischet oder auf die im §. 119 erwähnte Art eines ihnen bekannten Gebrechens mitschuldig gemacht haben, sonst zu nichts verbunden. Wenn dahero der Erblasser zwar Mehrere als Vormünder benennet, doch nur Einem allein die Verwaltung aufträgt, wenn in dem Falle des §. 120 das Gericht durch Benennung eines Hauptvormunds die Uebrigen von der Verwaltung ausschließt oder auch, wenn das Gericht den nächsten Anverwandten mit dem Auftrage der Vormundschaft zwar nicht übergehen wollen, doch aus erheblichen Ursachen die Verwaltung einem Anderen aufzutragen befindet, so sind diese dem Namen nach zwar benennte, doch von der Verwaltung ausgeschlossene Vormünder als bloße Ehrenvormünder anzusehen. Wenn hingegen das Gericht für dienlich erachtet, über Jenen, dem die Verwaltung anvertrauet wird, einen anderen Ehrenvormund zur Oberaufsicht zu bestellen, so ist sich nach dem Inhalte dieses Auftrages zu richten. Ueberhaupt aber sind alle Jene für mitverwaltende Vormünder zu halten, welche die Vormundschaftsrechnung unterschrieben haben, ohne Unterschied, ob ihnen die Verwaltung aufgetragen gewesen oder nicht.


(111) [1, 6] §. 124. Außer den der Mutter und Großmutter zugegebenen Mitvormündern liegt dem Gerichte auch ob, dem Vormunde entweder von Amtswegen oder auf sein Anlangen in Sachen, deren er nicht genug kündig ist, Gehilfen zuzugeben. Diese kann sich das Gericht nöthigenfalls von den Mitteln und Zünften vorschlagen lassen, auch wo sie unter eine fremde Gerichtsbarkeit gehören, selbe darum angehen. Ihre Anstellung solle unter gerichtlicher Angelobung, auch allenfalls geleisteter Bürgschaft mittels einer Beglaubigungsurkunde geschehen, und sie haben die nemliche Verantwortung wie ein Vormund.

[1, 6] §. 125. Wenn die Vormundschaft verzögeret würde, oder in Abwesenheit des Vormunds Geschäfte vorfielen, die einen schleunigen Beistand erforderen, so ist es einem Jeden, besonders den Verwandten zugelassen, die Waisen zu vertreten; doch hat ein solcher das, was im Namen der Waisen vorgenommen worden, sobald als möglich ist, der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen, und muß davor, wie ein wahrer Vormund, Red und Antwort geben. Auf gleiche Art wird auch Jener, der zwar glaubt, Vormund zu sein, in der That aber nicht ist, für alle während seiner vermeinten Vormundschaft verwaltete Geschäfte verfänglich.

[1, 6] §. 126) Wer hingegen wohlwissend, daß er kein Vormund sei, sich fälschlich dafür ausgiebt, oder sich ohne Noth auf was immer vor eine Art in die Waisengeschäfte mischet, hat nicht nur alle Verbindlichkeit eines wahren Vormunds zu erfüllen, sondern anbei allen Schaden, worzu er auch durch das mindeste Versehen Anlaß gegeben, zu ersetzen; dahingegen hat er gegen die Waisen keine Gegenforderung als nur, wenn sie mit seinem Schaden erweislich bereichert würden. Alle seine Handlungen, wenn sie nicht zum offenbaren Nutzen der Waisen gereichen, sind ganz und gar unkräftig, und wenn er durch List und Verstellung Andere hintergangen, so muß er sie entschädigen und ist noch über dieses wegen seiner unbefugten Anmaßung nach den Umständen scharf zu bestrafen.

[1, 6] §. 127) Ein jeder wahrer Vormund muß Rechnung legen. Hievon ist weder der Vater, wenn er die Verwaltung des Kinderguts ohne Nutznießung hat,

 


(112) noch die Mutter befreiet, noch kann ein Vormund durch lebzeitige oder letztwillige Anordnungen darvon entbunden werden. (§. 77.)

[1, 6] §. 128. Die vormundschaftliche Rechnung solle nach Verlauf eines jeden Jahres, nemlich vom Tage der angetretenen Vormundschaft, bis zu dem nemlichen Tage des folgenden Jahres geleget werden. Wenn jedoch bei der Vormundschaft Wirthschafts-, Gewerbs- und andere Rechnungen vorkommen, welche mit dem gemeinen Jahrgange geschlossen zu werden pflegen, so solle der Vormund bis zu Ende des natürlichen Jahrs eine Stuckrechnung legen, und sodann selbe nach dem gemeinen Jahreslauf fortsetzen. (§. 78.)

[1, 6] §. 129. Zur Erlagszeit bestimmen Wir bei den größeren Vormundschaften, wobei besondere Nebenrechnungen vorfallen, nach Endigung des Jahrs oder vom Tage der aufhörenden Vormundschaft drei Monate, bei minder wichtiger Vormundschaften aber sechs Wochen, und solle ein Vormund binnen dieser Zeit auch ohne weitere Erinnerung die Rechnung erlegen. Die Gehörde kann zwar, wenn es aus wichtigen Ursachen und vor Ausgang der Erlagszeit anbegehret wird, im ersten Falle eine Nachfrist auf abermalige drei Monate und im zweiten Falle noch auf sechs Wochen verstatten, allein eine weitere Erstreckung muß bei Uns allein angesuchet werden.

[1, 6] §. 130. Würde aber ein Vormund in Erlegung der Rechnung saumselig sein, so solle er nicht allein der ihm für die Zeit seines Saumsals angebührenden Belohnung verlustig sein, sondern auch durch Geldstrafen und andere rechtliche Zwangsmittel darzu verhalten, auch ihm wohl gar die Vormundschaft abgenommen werden.

[1, 6] §. 131. Die Vormundschaftsrechnung muß ordentlich, deutlich, ohne alle Weitläufigkeit und Verwirrung dergestalten verfasset werden, damit daraus nicht nur die Einnahme und Ausgabe, sondern auch der völlige Vermögens- und Schuldenstand abgenommen werden könne; ein jeder derselben solle besonders vorgelegt, nach seinen verschiedenen Gattungen unter besondere Rubriken gebracht, und in der ersten Rechnung die gerichtliche Beschreibung, in den folgenden aber der Endauszug der vorigen Rechnung zum Grunde genommen werden.

[1, 6] §. 132. Alle diese Rubriken sind am Ende der Rechnung nochmals in einer Hauptanzeige anzumerken, und deren Betrag in einen Hauptbetrag zusammen zu

 


(113) ziehen, so daß andurch eine zweifache Ausgleichung sowohl des völligen in der Rechnung vorkommenden Vermögensstandes gegen den völligen Schuldenstand, als auch dessen, was an einem und dem anderen für die folgende Rechnung verbleibet, gemacht werde, und das reine Vermögen der Waisen von beiden Seiten in einem übereinstimmenden Betrage erscheine.

[1, 6] §. 133. Die besondere in die Vormundschaft einschlagende Wirthschafts-, Handlungs- oder andere Rechnungen sind auf die gewöhnliche Art zu führen, und ist aus denselben nicht mehr in die vormundschaftliche Rechnung einzuziehen, als was daher empfangen oder dahin verwendet worden; doch sollen sie jedesmal beigeleget werden, um den Stand der Wirthschaft oder Handlung daraus zu entnehmen. (§. 79.)

[1, 6] §. 134. Sowohl der Empfang, wenn derselbe aus der Rechnung nicht ohnehin klar erhellet, als auch die Ausgabe, wenn sie nur einen Gulden betragt, muß mit Beilagen bewähret werden; doch können auch mehrere Ausgabsposten zusammengezogen und mit einander bescheiniget werden. Alle diese Beilagen müssen in Urschriften bestehen. Nur jene kann ein Vormund in Abschrift beilegen, deren er zu seiner weiteren Rechtfertigung oder Nachverhalt bedarf; doch ist er schuldig, die Urschriften jedesmal vorzuzeigen.

[1, 6] §. 135. Ueber die Rechnungsbeilagen und die miterlegten besonderen Rechnungen ist ein doppeltes Verzeichniß beizufügen, und darinnen bei jeder Beilage deren Beschaffenheit und die Zeit ihrer Ausstellung ganz kurz zu berühren, auch anbei zu bemerken, ob die Urschrift oder eine gerichtliche oder blose Abschrift beigeleget worden, und wo im letzten Falle die Urschrift befindlich seie. Eines von diesen Verzeichnissen hat unter des Vormunds Fertigung bei Gericht zu verbleiben; das andere aber ist ihm nach befundener Richtigkeit sammt dem Erlagsscheine über die eingebrachte Rechnung unter gerichtlicher Fertigung zuruckzustellen.

[1, 6] §. 136. Die Rechnung selbst muß ebenfalls von dem Vormunde mit Hand und Petschaft gefertiget werden, und hat sammt den Beilagen bei Gericht zu verbleiben. Wenn jedoch der Vormund eine oder andere Urkunde davon nöthig hätte, so ist ihm entweder eine gerichtlich beglaubte Abschrift, oder bei erforderenden Umständen auch die Urschrift gegen Zuruckhaltung einer gerichtlichen Abschrift hinauszugeben.

[1, 6] §. 137. Die Vormundschaftsrechnungen sollen sobald als möglich untersuchet und erlediget, und ein solches auch bei der weitläufigsten Rechnung mit allen darzu gehörigen Nebenrechnungen niemals bis zum Ausgange des Jahres verzögeret werden. Wenn jedoch wegen wichtiger Hindernissen die Erledigung auf das künftige Jahr hinaus verschoben werden müßte, so hat der Vormund nichtsdestoweniger in der obanberaumten Erlagszeit die nächstjährige Rechnung einzubringen, und darinnen das im Schlusse der vorigen Rechnung ausgewiesene Vermögen zum Grunde zu legen. (§. 80.)

[1, 6] §. 138. Die Aufnehmung und Untersuchung der Vormundschaftsrechnungen liegt der Vormundschaftsgehörde oder Denjenigen ob, die eigends darzu aufgestellet sind, auch kann selbe einem Anderen aufgetragen und dieser, wenn er nicht schon in wirklicher Pflicht stehet, eigends in Pflicht genommen, die Untersuchung der beigelegten besonderen Rechnungen aber erfahrenen Männern anvertrauet werden.

[1, 6] §. 139. Wenn die Rechnung nicht behörig eingerichtet, noch alles Nöthige

 


(114) darinnen deutlich ausgewiesen ist, so ist dem Vormunde deren Umfertigung binnen zwei oder höchstens vier Wochen, ohne alle Erstreckung und unter einer Geldstrafe aufzulegen. Wenn aber die Rechnung zu Recht eingerichtet ist, so ist hauptsächlich darauf zu sehen, ob der Vormund sein Amt Unseren Anordnungen und seinen Pflichten gemäß erfüllet, den Nutzen der Waisen in allen Vorfällen beförderet oder selbe in Schaden versetzet habe. Anbei müssen alle Posten genau durchgangen, überrechnet und die Rechnungsfehler, wie auch alle sonstigen Anstände angezeiget werden.

[1, 6] §. 140. Die erheblich befundenen Bedenken sind nach Ordnung der Rechnung auszuziehen und dem Vormund zur Erläuterung zuzustellen. Die Vormundschaftsgehörden sollen die gemachten Bedenken behörig beurtheilen, ob deren Erläuterung durch mündliche Verhandlungen anzuhoffen sei oder nicht. In letzterem Falle ist selbe alsofort auf die unten nächstfolgende Art in ein schriftliches Verfahren einzuleiten. Dahingegen in ersterem Falle solle zuförderst eine mündliche Verfahrung versuchet und darzu eine Tagsatzung bestimmet werden. Bei dieser Tagsatzung hat der Vormund selbst, oder durch einen Bevollmächtigten ohne Ausflucht zu erscheinen. Alles, was allda verhandlet wird, ist behörig zu unterfertigen, und das darüber verfaßte Protokoll dem Vormunde zu seiner Sicherheit und Nachricht hinauszugeben, und, wenn durch die gegebene Erläuterung oder durch den übernommenen Ersatz alle Anstände behoben werden, so ist die Rechnung ohne Aufenthalt zu erledigen.

[1, 6] §. 141. Wenn aber die Anstände von größerer Wichtigkeit sind, oder auch, wenn minder wichtige Anstände durch mündliche Verhandlung in einer oder mehreren Tagsatzungen nicht behoben werden können, über diese allein solle die schriftliche Verfahrung zugelassen werden. Zu diesem Ende sind die noch unbehobenen Anstände dem Vormund als förmliche Rechnungsmängel zuzustellen, und ihm zu deren schriftlichen Erläuterung oder Vergütung des bei jeder Post zugleich ausgesetzten Betrags eine vierwöchentliche Frist ohne Erstreckung, außer wenn diese aus wichtigen Ursachen anbegehret wird, anzuberaumen.

[1, 6] §. 142. Nach Verlauf dieser Zeit ist keine Erläuterung mehr anzunehmen, sondern die Rechnung durch Anweisung des Vormunds zum Ersatz zu erledigen. Wenn aber der Vormund seine Erläuterung behörig beigebracht, und dadurch die Mängel gänzlich oder gar nicht behoben hat, so solle ebenfalls keine weitere Schriftwechslung gestattet, sondern das, was bis dahin verhandlet worden, der Ordnung nach vorgemerket und darüber, was Rechtens ist, erkennet werden.

[1, 6] §. 143. Würden hingegen die Mängel durch die Erläuterung des Vormunds zum Theile und einigermaßen, doch nicht gänzlich behoben, so ist über das Unbehobene eine fernere Bemänglung zu verfassen, und dem Vormunde unter einer abermaligen vierwöchentlichen Frist zur schließlichen Erläuterung zuzustellen, nach deren Einbringung aber die Handlung ohne weiteren Verzug zu beschließen und zur Erledigung der Rechnung zu schreiten.

[1, 6] §. 144. 76) Bei Untersuchung der Wirthschaftsrechnungen ist auf die nemliche

 


(115) Art fürzugehen, und haben Diejenigen, denen diese Untersuchung nach Unser obigen Anordnung anzuvertrauen ist, vorzüglich auf den daraus erhellenden Wirthschaftstrieb zu sehen, und ob nicht die Einnahme erhöhet, die Ausgaben verminderet und die Wirthschaft besser empor gebracht werden könne. Alles dieses solle ohne ohnnöthige Weitläufigkeit gefasset, bei den etwa gefundenen Anständen nicht voreilig auf einen Ersatz angedungen, sondern die Umstände entgegen gehalten, überhaupt die Erheblichkeit oder Unerheblichkeit der gemachten Anstände vorhero von der Vormundschaftsgehörde beurtheilet werden; besonders ist bei den Handlungs- und Gewerbsrechnungen die bereits oben anbefohlene Geheimhaltung genau in Obacht zu nehmen.

[1, 6] §. 145. Wenn dem Vormunde aus den Rechnungen Derjenigen, welche besondere vormundschaftliche Geschäfte besorgen, Mängel zugestellet werden, so ist er befugt, selbe zur Verantwortung zu ziehen, und von ihnen die Erläuterung und schließliche Erläuterung abzuforderen, und wenn das Gericht die Schuld an dem Rechnungsführer allein findet, so ist der Vormund zu nichts, als zu Eintreibung des Ersatzes anzuhalten

[1, 6] §. 146. Was aber solchergestalten von der Vormundschaftsgehörde entschieden worden, dafür hat der Beamte dem Vormunde keine Rechenschaft mehr zu geben, außer es wäre eine bei Gericht nicht vorgekommene Ursache vorhanden; gleichwie auch den Vormündern für sich selbst in Betreff ihrer nachgesetzten Beamten alles jenes unbenommen ist, was Wir den Obrigkeiten gegen ihre unverrechnete Diener einraumen.

[1, 6] §. 147. Die Erledigung der Vormundschaftsrechnung hat durch einen Endauszug, oder durch so viele Endauszüge als Rechnungen sind und durch einen Raitschein zu geschehen. Der Endauszug enthält die gerichtliche Erkenntniß und Verbescheidung über die Rechnung sammt deme, was dem Vormunde zu seinem künftigen Nachverhalt mitzugeben befunden wird. Wenn den Waisen etwas zu ersetzen oder von diesen etwas zu vergüten ist, so muß es deutlich ausgedrücket werden, und wenn diese Posten noch nicht richtig sind, sondern von einer Weisung, von einem unentschiedenen Rechtsstritte, von einem Eide oder anderen Umständen abhangen, so ist in dem Endauszuge diese Bedingniß beizurucken.

[1, 6] §. 148. Durch den Raitschein wird der Vormund von aller weiteren Verantwortung wegen dieser Rechnung entbunden, insoweit dieselbe richtig befunden oder richtig gestellet worden. Zu diesem Ende solle alles Dasjenige, was dem Vormunde in dem Endauszuge auferleget worden, in dem Raitscheine namentlich angeführet werden, vor dessen vollständiger Erfüllung ihn der Raitschein nicht schützen kann. (§. 81.)

[1, 6] §. 149. Der Endauszug hat sowohl in Ansehung des Vormunds, als der anderen Rechnungsführern die Kraft und Wirkung eines richterlichen Urtheils, und muß demselben in den nächstfolgenden Rechnungen oder auch eher, wenn eine kürzere Frist zur Genugthuung anberaumet worden wäre, vollkommen Genüge geleistet werden. Findet sich der Vormund oder ein anderer Rechnungsführer durch diesen Endauszug in einer oder der anderen Post beschweret, so stehet ihm zwar frei, mit deutlicher Bemerkung dieser Posten sich in der an seinem Orte bestimmten Art und Frist an den höheren Richter zu verwenden, doch solle wegen eines solchen genommenen Rechtszuges der Lauf der weiteren Rechnungen nicht verzögeret,


(116) sondern darinnen obangeordnetermaßen der Endauszug zum Grund geleget, bei den unentschiedenen Posten aber der genommene weitere Rechtszug bemerket und die Erkenntniß des oberen Richters vorbehalten werden. (§. 82.)

[1, 6] §. 150. Obwohl aber wider den Endauszug und Raitschein weder von Seiten des Vormunds, noch der Waisen etwas weiter geregelt werden kann, so sollen doch folgende Vorbehaltsfälle davon zu allen Zeiten ausgenommen sein. Erstens, wenn in der Rechnung ein klarer Verstoß geschehen; zweitens, wenn aus Irrthum etwas in dem Vermögensstande ausgelassen worden, was doch dem Vormunde zu Handen gekommen; drittens, wenn er etwas, so er nicht bezahlet, in Ausgabe gebracht, oder etwas, so er bezahlet, in Ausgabe zu bringen unterlassen, oder was er niemals erhalten in Empfang genommen hätte. Dergleichen menschliche Fehler sollen Niemanden zum Schaden, noch dem Anderen zum unrechtmäßigen Vortheile gereichen, sondern einem Jeden das Seinige sammt den davon bezogenen und nicht verzehrten Nutzungen zuruckgestellet werden. Hätte aber ein Vormund etwas wissentlich zuruckgehalten, oder sonst arglistiger Weise an sich gezogen, so ist er nicht nur auf die Art, wie ein jeder unrechtmäßiger Besitzer zum vollkommenen Ersatze und Entschädigung anzuhalten, sondern über das nach Schwere des Verbrechens empfindlich zu bestrafen. (§.81.)

[1, 6] §. 151. Bei den Vormundschaften geringer Leute, wo das Vermögen nicht beträchtlich, noch auch leicht einer Verwirrung unterworfen ist, wollen Wir Unsere bisherige Anordnungen wegen der jährlichen Rechnungen dahin mäßigen, daß zwar der Empfang und die Ausgabe ordentlich verzeichnet, wo es nöthig ist, beleget oder mit glaubwürdigen Aussagen vor Gericht bestätiget, und das zur künftigen Verrechnung verbleibende Vermögen ausgewiesen, doch sich mit einer den Begriff des gemeinen Volks nicht übersteigenden Rechnungsart begnüget und die Erledigung derlei Rechnungen auf die leichteste und schleunigste Art bewirket werden solle. (§. 83.)

[1, 6] §. 152. Der Vormundschaftsgehörde liegt nichtsdestoweniger ob, auf die Sicherheit des Waisenguts und dessen Benutzung möglichstermaßen bedacht zu sein, auch über dessen Stand Erkundigungen einzuziehen oder nöthigenfalls den Augenschein einzunehmen, den Vormund über die entdeckten Gebrechen zur Rede zu stellen und selbe behörig zu verbesseren. Der erhobene Befund ist jedesmal im Waisenbuche genau anzumerken, und dem Vormunde aus demselben ein Auszug in Kraft eines Endauszugs und Raitscheines zu seiner Sicherheit und Nachachtung hinauszugeben. (§. 83.)

[1, 6] §. 153. Die Billigkeit erfordert, getreue und emsige Vormündere wegen


(117) ihres Fleißes und Sorgfalt zu belohnen. Wir wollen aber den in einigen Unserer Erblande eingeführt gewesenen Gebrauch, daß dem Vormunde ein gewisser Antheil der klaren Erträgniß zur Belohnung festgesetzet war, von nun an gänzlich aufgehoben haben; sondern diese Belohnung solle künftighin in Unseren gesammten deutschen Erblanden nach dem billigmäßigen Befunde der Vormundschaftsgehörden bestimmet und von diesen jedesmal nach der klaren Erträgniß des Waisenguts ausgemessen werden. (§. 84.)

[1, 6] §. 154. Unter der klaren Erträgniß ist jenes zu verstehen, was von dem Vermögen der Waisen an Einkünften abgeworfen wird, und nach Abzug aller Steuer und Gaben, Zinsen von Schulden, wittiblicher und anderer Unterhaltsgelder, jährlicher Bestallungen und aller sowohl Gerichts-, nöthigen Reise- und Zehrungs-, wie auch vormundschaftlichen Rechnungsunkosten, als nach dem ordentlichen Wirthschaftstriebe jährlich vorfallenden Ausgaben als ein klarer Nutzen übrig bleibet, es möge solches baar vorhanden oder zur Tilgung der Schulden, Anlegung neuer Capitalien, Erkaufung neuer Gründe oder auf andere unter dem ordentlichen Verwaltungs- und Wirthschaftstrieb nicht gehörige Ausgaben verwendet worden sein.

[1, 6] §. 155. Wie viel dem Vormunde von dieser klaren Erträgniß als eine Belohnung auszuwerfen seie, darinnen haben die Vormundschaftsgehörden auf die Beschaffenheit des Vermögens, auf die bei dessen Verwaltung, bei Erhebung der Einkünfte und bei der Erziehung der Waisen dem Vormunde obliegende mehr oder mindere Mühe und auf andere zu erwägen billige Umstände, das Augenmerk zu richten; doch solle auch bei der beschwerlichsten Vormundschaft der sechste Theil der klaren Erträgniß nicht überschritten und um so minder, wo die Einkünfte nicht zureichen, das Vermögen der Waisen deswegen verminderet werden. (§. 84.)

[1, 6] §. 156. Wäre die ausgeworfene Belohnung in Entgegenhaltung aller oberwähnten Umstände zu gering oder zu übermäßig, so solle im ersteren Falle dem Vormunde und im letzten Fall den Anverwandten der Waisen freistehen, sich desfalls bei dem höheren Richter außerordentlich zu beschweren. (§. 86.)

[1, 6] §. 157. Wenn aber das Vermögen der Waisen so gering ist, daß davon wenig oder gar nichts in jährliche Ersparniß gebracht werden mag, da ist der


(118) Vormund die Vormundschaft indessen ohnentgeltlich zu führen schuldig. Wenn sich jedoch bei dem Ende derselben zeiget, daß in Allem Richtigkeit gepflogen, ein kleiner Zuwachs erübriget oder doch das Vermögen unverminderet erhalten, oder die Waisen durch gute Erziehung und Anleitung in den Stand gesetzet worden, sich selbst ohne Schmälerung ihres Vermögens zu unterhalten, so ist alsdann dem Vormunde eine mäßige Erkenntlichkeit zuzusprechen. (§. 85.)

[1, 6] §. 158. Auch sollen die Vormundschaftsgehörden in den Fällen, wenn fleißige und getreue Vormünder wegen Unzulänglichkeit des Vermögens nach Maß ihrer Bemühungen nicht belohnet werden können, darauf bedacht sein, ihnen auf andere Art eine billige Vergeltung zu verschaffen, und bei sich ereignender Gelegenheit eine oder andere vermöglichere Vormundschaft zuzuwenden, wovon sie sich einer ergiebigeren Belohnung getrösten können.

[1, 6] §. 159. Wenn der Waise stirbt, so hört die Vormundschaft auf; doch hat der Vormund das nachgelassene Vermögen so lang zu verwalten, bis es den rechtmäßigen Erben eingeantwortet werden kann. Wenn diese Erben unter der nemlichen Vormundschaft stehen, so beruhet es bei der Vormundschaftsgehörde, ob das Vermögen getheilet oder ungetheilt in der Gemeinschaft belassen werden solle. Wenn aber einige Erben großjährig sind oder einen anderen Vormund haben, so muß die Theilung ohne Verzug gerichtlich vorgenommen werden.

[1, 6] §. 160. Wenn die Waisen männlichen Geschlechts das 20., Weibspersonen aber das 18. Jahr erfüllet haben, so werden sie vogtbar; doch macht dieses nach Unserer bereits oben enthaltenen Anordnung in der Vormundschaft keine Aenderung, sondern dem Vormunde liegt noch immerfort, sowohl die Verwaltung des


(119) Vermögens, als auch in Ansehung der Personen eben die Wachsamkeit und Sorgfalt ob, die Wir ihm oben in §. 73 eingebunden haben. (§. 88.)

[1, 6] §. 161. Doch können die vogtbar Gewordenen einen letzten Willen errichten. Sie erlangen die Macht, solche Rechte und Gerechtigkeiten auszuüben, welche einem Eigenthümer zustehen, und soferne selbe weder zur Verbindung der Person, noch zur Verminderung des Vermögens, noch auch zur Beirrung der ordentlichen Verwaltung gereichen. Ferner sind sie fähig, öffentliche Dienste und Aemter zu bekleiden, Richter und Zeugen abzugeben, und Andere in und außer Gerichte zu vertreten, obwohl sie deswegen nicht weiter verfänglich werden, als wenn sie mit des Anderen Schaden bereicheret würden, oder wegen des übel versehenen Amts einer Ahndung wider ihre Person verdienten.

[1, 6] §. 162. Zugleich solle der Vormund dahin bedacht sein, sie zur eigenen Besorgung ihres Vermögens geschickt zu machen, ihnen von Allem, was die Beschaffenheit ihres Vermögens mit sich bringt, und was ihnen überhaupt zum Unterrichte und Warnung gereichen kann, dienliche Nachrichten zu geben.

[1, 6] §. 163. Die Verehelichung eines Minderjährigen befreiet ihn von der Vormundschaft nicht; doch ist ihm in diesen Fall, wie auch, wenn er in einem öffentlichen Amte stünde, oder wenn es der Wohlstand aus anderen Ursachen erforderte, die Führung einer eigenen Haushaltung zu verstatten, auch ihm zu diesem Ende eine ergiebigere Summe zu seinem und der Seinigen Unterhalte gerichtlich auszumessen. Wenn aber der Vormund vermerket, daß das Geld unnütz verwendet und die Bezahlung der nothdürftigen Ausgaben unterlassen wird, so hat er dieses sofort anzuzeigen. (§. 87.)

[1, 6] §. 164. Dahingegen fällt eine mit Bewilligung der Gehörde sich verheirathende minderjährige Weibsperson unter die Vormundschaft ihres Mannes, wenn ihm nichts im Wege stehet, und dieser hat selbe mit eben der Verbindlichkeit,


(120) wie ein anderer Vormund fortzuführen, doch ohne einige Belohnung, außer deme, was ihm in Heirathsbrief verschrieben worden. Wäre aber der Mann noch minderjährig, obwohl Wir ihm die Nachsicht des Alters ertheilt hätten, so bleibet das Weib bis zu seiner Großjährigkeit unter der bisherigen Vormundschaft; gleichwie ihr auch alsdann ein anderer Vormund zu bestellen ist, wenn der Mann, unter dessen Vormundschaft sie gestanden, während ihrer Minderjährigkeit verstirbt.

[1, 6] §. 165. Nach zurückgelegten 24. Jahre erreichen die Minderjährigen die Großjährigkeit, und damit wird die Vormundschaft geendet; doch ist an deme nicht genug, sondern sie müssen vom Gerichte für großjährig erkläret und ihnen ihr Vermögen eingeantwortet worden sein. Das Gericht hat diese Erklärung und Einantwortung sogleich zu veranlassen, wenn keine erhebliche Ursachen entgegen stehen. Dergleichen Ursachen sind die gegebenen Kennzeichen einer üblen Wirthschaft und der besorgliche Verfall des Vermögens. In solchem Falle solle der bei der Großjährigkeitserklärung vorwaltende Anstand dem oberen Richter vorgeleget, und von diesem nach befundenen Umständen die Vormundschaft annoch auf eine diensame ermessene Zeit erstrecket, bei höheren Standespersonen aber die Sache Uns unverlängt zu Unserer ferneren Entschließung angezeiget werden. (§. 88.)

[1, 6] §. 166. Wir wollen jedoch von diesem zur Großjährigkeit vorgeschriebenen Alter die Gewerbs- und Handelsleute niederen Standes in Städten und Märkten, wie auch das gemeine Landvolk gnädigst entbunden und hiemit den Vormundschaftsgehörden für allgemein die Macht eingeraumet haben, derlei Minderjährigen, wenn selbe nach erreichten vogtbaren Jahren einer bürgerlichen Handlung, Hantierung oder Gewerbe selbst vorzustehen für fähig befunden werden, auf ihr, ihrer Befreundten oder Vormünder Ansuchen ihr Vermögen einzuantworten; doch solle der Vormund, wenn er nicht selbst darum anhält, allezeit vorhero vernommen, auch annebst die Fähigkeit und der ehrbare Wandel des Minderjährigen genugsam bewähret werden. (§. 89.)

[1, 6] §. 167. Durch diese Einantwortung erreichet die Vormundschaft ihr Ende, und ein solcher erlangt die Fähigkeit zu allen Handlungen und Verbindungen, wozu sonst die Großjährigkeit erforderet wird; nur solle davon die Vormundschaft über die noch minderjährigen Weiber ausgenommen sein. Wenn jedoch die Weiber schon vogtbar sind, und mit gerichtlicher Verwilligung an dem Gewerbe ihres


(121) Mannes Antheil nehmen, so wollen Wir Unsere obige Anordnung auch auf sie erstrecken, dergestalten, daß ihnen ebenfalls ihr Vermögen eingeantwortet, auch ihnen nach dem Tode des Mannes ohngeachtet der Minderjährigkeit zur Fortsetzung des Gewerbes die Vormundschaft über ihre Kinder, doch mit Beigebung eines kundigen Mitvormunds aufgetragen werden könne.

[1, 6] §. 168. Ingleichen wird auch die Vormundschaft nach dem vogtbaren Alter bei solchen Waisen geendet, die kein eigenes, unter einer Verwaltung stehendes Vermögen besitzen, und gleichwie dieselbe alsdann für ihren Unterhalt selbst zu sorgen haben, so sind sie auch zu allen Verbindungen fähig und stehet deren Giltigkeit nichts entgegen.

[1, 6] §. 169. Wenn Wir aus landesfürstlicher Macht Jemanden die Nachsicht des Alters ertheilen, so ist sich nach dem Inhalte dieser Verleihung zu achten, und auf die darinnen vorgeschriebene Art mit der Einantwortung des Vermögens vorzugehen. Diese Einantwortung ist aber überhaupt bei den großjährig Gewordenen, bei den zum eigenen Gewerbe fähig Befundenen oder mit der Nachsicht des Alters Begnädigten solchergestalten nothwendig, daß sie vor deren Erfolgung immerfort zu allen Verbindungen unfähig und Minderjährigen gleich zu achten sind. (§. 89.)

[1, 6] §. 170. Doch hat die Vormundschaftsgehörde in den beiden letzteren Fällen auf das Betragen solcher jungen Leuten noch forthin ein obachtsames Auge


(122) zu tragen und bei wahrgenommener üblen Wirthschaft, entweder selbst die nöthigen Vorkehrung zu treffen, oder im letzten Falle den von der verliehenen Gnade gemachten üblen Gebrauch sofort zu Unserer Wissenschaft zu bringen.

[1, 6] §. 171. Wenn der Vormund einer üblen Verwaltung oder Untreue überwiesen wird, so solle ihm die Vormundschaft alsogleich benommen werden; doch ist der Fall einer wirklichen Untreue keineswegs abzuwarten, sondern ein gegründeter Verdacht ist hinlänglich, um eine Abänderung der Vormundschaft zu treffen. (§. 90.)

[1, 6] §. 172. Einem solchen Verdachte setzet sich nebst deme, was Wir bereits oben in §. 36 und sonsten angeordnet haben, auch Derjenige aus, der nach überkommener Vormundschaft, ohne zu begreifen, woher? kostbarer lebt, der auf Erfordern der Vormundschaftsgehörde außer gegründeten Hindernissen nicht erscheinet, der die ihm zugegebene Beiräthe und Gehilfen nicht behörig um Rath fragt oder denselben eigensinnig verwirft, der die Waisen übel hält, sie zum Bösen verführet, zu ihrer Verführung Anlaß giebt oder sie wissentlich übel gesitteten Leuten anvertrauet, der es ihnen an standesmäßiger Erziehung ermangeln läßt, der die Ausmessung eines genüglichen Unterhalts nicht ansuchet oder durch unwahrhafte Vorstellungen hintertreibt oder den ausgeworfenen Betrag, da er es wohl thun kann, nicht darzu verwendet, der sich in Eigennutz betreten läßt, der einen Theil des Waisenguts der Vormundschaftsgehörde nicht zeitlich oder nicht getreulich anzeiget oder gar anfänglich verleugnet, der dasselbe ohne Einwilligung der Gehörde eigenmächtig veräußeret, beschweret oder vernachlässigt und verderben läßt, der die Steuern und Anlagen darvon nicht entrichtet, sondern zum Schaden der Waisen anwachsen läßt, der damit einen verbotenen oder sehr unsicheren Handel waget, der die Schulden, wo er kann, nicht abzahlet, oder ohne Vorwissen des Gerichts neue machet, und überhaupt, der aus böser Gemüthsart, Arglist oder Fahrlässigkeit etwas thut oder unterläßt, was den vormundschaftlichen Pflichten entgegen läuft.

[1, 6] §. 173. Alle Vormünder ohne Ausnahme können sich verdächtig machen, und dawider kann sie weder das Zutrauen des Erblassers, noch das nahe Blutband, noch der obrigkeitliche Auftrag, noch der gute Ruf und Leumund, noch die geleistete Bürgschaft, noch die kundbare Zahlungsfähigkeit, noch sonst etwas schützen, sondern die Gehörde ist bei einem sich ergebenden Verdachte schuldig, ohne Ansehen der Person mit den zur Sicherheit der Waisen dienlichen Maßregeln fürzugehen. Nicht minder liegt Jenen, welche einen Theil an der Vormundschaft haben, als Mitvormünder, Ehrenvormünder, Beistände, zugegebene Beiräthe und Gehilfen unter eigener Verantwortung ob, die Handlungen des Vormunds zu beobachten, und den vermerkten Unfug oder Gefahr der Gehörde sogleich zu entdecken.


(123) [1, 6] §. 174. Ferner solle nicht nur allen Anverwandten der Waisen, sondern auch einem jeden Anderen zugelassen sein, aus redlichen Antriebe verdächtige Vormünder bei der Gehörde anzugeben. Hierzu ist keine förmliche Anklage nöthig, sondern nur der Verdacht mit allen Umständen anzuzeigen und der Gehörde zur weiteren Untersuchung und Beurtheilung zu überlassen. Würde aber selbe die billige Abhilfe versagen, so kann solche bei dem höheren Richter gesuchet werden.

[1, 6] §. 175. Wenn das Angeben unwahrscheinlich und nicht mit genugsamen Anzeigen begleitet, der Vormund hingegen im guten Ruf und von bekannter Redlichkeit ist, so solle es auf der Stelle unterdrücket, gänzlich verworfen, auch der Angeber, wenn es aus Bosheit herzurühren befunden wird, nachdrücklich bestrafet, anbei aber vermieden werden, daß deswegen zwischen diesem und dem Vormunde keine weitläufige Rechtsführung entstehe.

[1, 6] §. 176. Wenn die Anzeige zwar nicht ungegründet, doch an sich von keiner besonderen Erheblichkeit ist, auch auf dem Verzuge keine Gefahr haftet, so ist die Verwaltung des Vormunds nicht zu unterbrechen, sondern der Sache heimlich nachzuforschen, und der befundene Unfug entweder alsofort abzustellen oder nach beschaffenen Umständen bei Untersuchung der nächsten Rechnung darauf der Bedacht zu nehmen.

[1, 6] §. 177. Dahingegen, wenn das Angeben an sich erheblich und entweder die Anzeigen einer üblen Verwaltung schon offenbar wären, oder von glaubwürdigen Leuten ohne Leichtsinn und unziemliche Absichten angebracht, auch allenfalls durch geheime Nachforschungen oder andere Umstände noch mehr bestärket würden, so solle der Vormund auf das schleunigste zur Rede gestellet, und da er den Verdacht von sich abzuleinen nicht vermöchte, von der Vormundschaft entfernet, über dieselbe aber alsofort eine andere Vorsehung getroffen werden.

[1, 6] §. 178. Doch ist darbei auf eben jene Art, wie in §§. 47, 48 fürzugehen, und der bisherige Vormund ohne Erwähnung des Verdachts blos mit Anführung erheblicher Ursachen dahin abzuweisen, dem neu angestellten Vormunde die Vormundschaft behörig zu übergeben. Nur alsdann sind ihm die Ursachen des Verdachts schriftlich zu bedeuten, wenn er sich an den höheren Richter verwendet. Und wenn derselbe einer wahren Untreu und Gefährde überwiesen wird, so ist mit ihm nach Maßgab Unserer peinlichen Rechte zu verfahren.

[1, 6] §. 179. In diesen, wie auch allen übrigen Fällen, wo der bisherige Vormund vermöge Unserer obigen Anordnungen oder vermög einer von dem Erblasser gemachten Beschränkung oder durch seinen erfolgten Tod aufhöret, ein solcher zu sein, liegt ihm oder dessen Erben ob, die Schlußrechnung in der festgesetzten Zeit zu erlegen und richtig zu stellen. Nicht minder ist er oder seine Erben schuldig, die Verwaltung indessen fortzuführen, bis das Vermögen dem nachfolgenden Vormunde, dem großjährig Gewordenen oder dessen Erben eingeantwortet werden kann; außer wenn dem gewesenen Vormunde die Vormundschaft aus den obangeführten Ursachen von Amtswegen benommen worden wäre. (§. 91.)

[1, 6] §. 180. Die von dem abtretenden Vormunde eingebrachte Schlußrechnung solle allemal mit Zuziehung des antretenden Vormunds oder des großjährig Gewordenen


(124) gerichtlich aufgenommen und erlediget, auch die daraus entstehende gegenseitige Forderungen zwischen eben denselben ausgeführet werden. Wenn aber ein Minderjähriger von Uns die Nachsicht des Alters erhalten hätte oder zu einem bürgerlichen Gewerbe fähig befunden worden wäre, so ist er durch einen eigends zugegebenen Curator oder auch von der Vormundschaftsgehörde selbst zu vertreten. (§. 92.)

[1, 6] §. 181. Die Einantwortung des Vermögens an die aus der Vormundschaft Austretende solle allezeit auf vorläufig gerichtliche Verordnung geschehen und kann auch, wenn schon kein Theil darum anhielte, nach erfolgter Großjährigkeitserklärung von Amtswegen angeordnet werden. Diese Einantwortung ist wegen der noch nicht erlegten Schlußrechnung nicht zu verschieben, sondern kann indessen vorgenommen und nach berichtigter Schlußrechnung das Uebrige nachgetragen werden.

[1, 6] §. 182. Was bereits durch die vorigen Rechnungen behoben ist, was der Vormund dazumal einzubringen wissentlich unterlassen oder was ihm bereits rechtskräftig abgesprochen worden, dieses kommt in die aus der Schlußrechnung erwachsende Sprüche und Gegensprüche nicht mehr ein, sondern der über die Schlußrechnung ausgefertigte Endauszug giebt Ziel und Maß, was ein Theil dem anderen zu erstatten habe.

[1, 6] §. 183. Der großjährig Erklärte kann sich zu Habhaftwerdung Desjenigen, was ihm von seinem Vermögen noch abgehet, gerichtlicher Zwangsmittel und zu Erhaltung des ihm zuerkannten Ersatzes, verursachten Schadens und Unkosten der zu Vollstreckung der Rechtssprüche eingeführten Rechtsmittel bedienen. Der Vormund hingegen ist befugt, zu Erlangung dessen, was ihm in dem Endauszuge zugesprochen worden, oder was er nach erlegter Schlußrechnung annoch zu fordern hat, einen der Forderung angemessenen Theil des verwalteten Vermögens mit Vorwissen des Gerichts zurückzuhalten, oder wenn er dieses unterlassen, dasselbe durch gleichmäßige Rechtsmittel anzusuchen.

[1, 6] §. 184. Wenn die Erben des Vormunds zum Ersatze eines von dem Verstorbenen verursachten Schadens belanget werden, so sollen sie zwar in dem Falle, wo der Verstorbene denselben durch seine Gefährde oder ein grobes Versehen (= eine schwere Schuld) veranlasset hätte, dafür allzeit haften, für ein mittelmäßiges Versehen (= eine leichte Schuld) des Vormunds aber nur alsdann verfänglich werden, wenn die Klage noch bei Lebzeiten des Vormunds erhoben, oder der Mangel schon damals ausgestellt gewesen.


(125) [1, 6] §. 185. Wenn endlich der Ersatz einer von dem Vormunde zugeführten Beschädigung ganz oder zum Theile, weder von ihme noch von dessen Erben, Bürgen oder sonst Jemanden erhalten werden kann, so hat die Vormundschaftsgehörde selbst dafür zu stehen, wenn von ihrer Seite eine Gefährde oder eine schwere Schuld unterloffen ist, als da sie einen untüchtigen Vormund bestellet, Geschenke angenommen, auf keine hinlängliche Sicherheit, wie die Umstände selbe erforderten, gedrungen, den hervorgebrochenen Verdacht nicht untersuchet oder keinen Einhalt gethan, bei einem großen Rückstande nicht auf die Sicherstellung bedacht gewesen oder auf andere Art dem obervormundschaftlichen Amte grob zuwider gehandlet hätte. Bei einer leichten Schuld aber, als da die von Uns vorgeschriebene heilsame Vorsichten nicht mit der erforderlichen Genauigkeit beobachtet worden, solle es auf das Ermessen des höheren Richters ankommen, ob er den Ersatz aufzubürden billig finde. (§. 93.)

[1, 6] §. 186. Dieser Ersatz betrifft nur diejenigen Mitglieder der Vormundschaftsgehörde, welche an dem verursachten Schaden Schuld tragen. Auch ihre Erben werden darzu verbunden, doch auf die nemliche Art, wie Wir oben von den Erben des Vormunds angeordnet haben. Jene Mitglieder hingegen, welche zur Zeit des veranlaßten Schadens nicht zu diesem Mittel gehörten, oder nicht dabei gegenwärtig waren, oder sich dagegen verwahret, oder wenigstens darzu nicht mit eingestimmet haben, werden nicht verfänglich.

[1, 6] §. 187. Hätte aber die Vormundschaftsgehörde selbst in Handhabung des ihr gebührenden richterlichen Amts durch ihre üble Erkanntniß den Waisen einen Nachtheil zugezogen, so hat sie für alles dieses unmittelbar zu haften.

[1, 6] §. 188. Nachdeme das Vermögen eingeantwortet und die gänzliche Richtigkeit hergestellet worden, solle dem gewesenen Vormunde oder dessen Erben eine Hauptverzichtsquittung ausgestellet werden. Dieses liegt nach Verschiedenheit der in §. 180 berührten Fälle dem nachfolgenden Vormunde, dem aus der Vormundschaft Austretenden allein oder zugleich dem ihme beigegebenen Curator ob, und wenn damit länger verweilet wird, so kann auch von Amtswegen darauf gedrungen werden. (§. 94.)

[1, 6] §. 189. Diese Verzicht solle allezeit persönlich vor Gericht und in Beisein des gewesenen Vormunds oder eines eigends Bevollmächtigten geschehen, die Urkunde allda vorgelesen, von dem Quittirenden sich ausdrücklich darzu bekennet, selbe überall, wo es nöthig ist, vorgemerket und sodann dem Vormunde zugestellet werden. Könnte aber der Quittirende aus erheblichen Ursachen persönlich nicht erscheinen, so mag er zwar einen Anderen eigends darzu bevollmächtigen, allein alsdann solle nebst der Verzicht auch die Vollmacht vorgemerket werden.

[1, 6] §. 190. Diese Urkunde solle nicht allein die Bescheinigung und Quittirung des gewesenen Vormunds über die vollständige Uebergabe des Vermögens und über die gänzliche Genugthuung für Alles, was er zu erstatten gehabt, sondern auch eine Loszählung von aller weiteren Verantwortung, eine Verzicht auf alle Ansprüche, und die Ablassung von der bestellten Sicherheit enthalten.

[1, 6] §. 191. Andurch wird der gewesene Vormund in Ansehung aller während der Vormundschaft vorgenommenen Handlungen in vollkommene Sicherheit gesetzet, und kann desfalls weder belanget werden, noch auch Andere belangen; außer er


(126) hätte sich für seine Person zu etwas verbindlich gemacht, und wäre bei Erledigung der Schlußrechnung von dieser Verbindlichkeit nicht enthoben worden, oder er hätte wegen des ihm aufgebürdeten Ersatzes die Wiedererholung an Anderen zu suchen. Nicht minder kommt diese Verzichtsquittung auch allen Denjenigen zu statten, denen wegen der mit dem Vormunde geschlossenen Handlungen daran gelegen ist.

[1, 6] §. 192. Wider eine solche Verzicht solle mit alleiniger Ausnahme der Vorbehaltsfälle unter keinerlei Vorwande etwas zu regen gestattet sein; wie Wir dann auch dagegen, außer obgedachten Vorbehaltsfällen, Niemanden unter dem blosen Vorwande der damaligen Minderjährigkeit eine außerordentliche Rechtshilfe ertheilen wollen. Bei besonderen Umständen jedoch bleibt Uns allzeit vorbehalten, Jemanden, der dadurch erweislich zu Schaden gekommen, aus Unserer landesfürstlichen Machtvollkommenheit zu schützen.

[1, 6] §. 193. Wer einmal auf eine rechtmäßige Art aus der Vormundschfat ausgetreten ist, fällt nicht mehr unter dieselbe zurück. Wenn jedoch Jemand durch Leibs- und Gemüthsgebrechen oder andere Zufälle außer Stande ist, seine Geschäfte behörig zu besorgen, so ist ihm ein Curator zu bestellen. Dergleichen Personen sind alle Blödsinnige, Sinnlose, Unsinnige, Wahn- und Aberwitzige, Rasende, Stumme und Taube und andere fortwierig Preßhafte ohne Unterschied, ob sie durch Zufall oder eigene Schuld in diese Umstände gerathen seien. Würde aber Jemand vor geendeter Vormundschaft mit einer solchen Gebrechlichkeit behaftet, so hat die Vormundschaft bis zu seiner Großjährigkeit zu währen; alsdann wird sie in eine Curatel verwandlet. (§. 95.)

[1, 6] §. 194. Bevor jedoch Jemand der eigenen Verwaltung unfähig erkläret und ihm ein Curator gegeben werden kann, muß die Gemüths- oder Leibsschwachheit von der behörigen Gerichtsbarkeit (= Stelle) wohl untersuchet worden sein. Wenn dahero Jemand, der nur zu gewissen Zeiten in eine Gemüthsschwachheit verfällt, doch von Zeit zu Zeit zu sich kommt, und für die Zeit des ihm zustoßenden Uebels durch Behilfe Anderer das Nöthige anordnen kann 99), oder wenn ein Gebrechlicher gleichwohlen im Stande ist, von dem Zustande seiner Sachen schriftliche oder mündliche Nachrichten einzuziehen und seinen Willen darüber zu erklären, so bedürfen sie keinen Curator, außer wenn sie selbst darum anhielten.

[1, 6] §. 195. Wenn der Blödsinnige zur Vernunft gelanget oder der Gebrechliche geneset, so hat zwar die Curatel ihr Ende; doch solle dieselbe nicht eher aufgehoben werden, als bis die Genesung kundbar oder genugsam erwiesen worden, auch nach dem Urtheile der Aerzte dauerhaft zu sein befunden wird.

[1, 6] §. 196. Uebrigens sind diese Curatoren von den Vormündern nur dem

 

99) „Wenn daher ein Blödsinniger von Zeit zu Zeit zu sich kommt und für die Zeit des ihm zustoßenden Uebels das Nöthige anordnen kann.“


(127) Namen nach unterschieden, und Alles, was Wir bei der Vormundschaft wegen derselben letztwilligen Bestellung, Berufung der Anverwandten, Pflichten, Verwaltung, Rechnung, Belohnung, Abänderung und in mehr anderen Punkten angeordnet haben, ist auch bei diesen Curatelen zu beobachten. (§. 96.)

[1, 6] §. 197. Auch erfordert der gemeine Wohlstand Denjenigen behörige Schranken zu setzen, die durch muthwillige Versplitterung ihres Vermögens sich selbst unfähig machen, dem ihrigen vorzustehen. Doch solle Niemand aus blosen Vermuthungen für einen Verschwender gehalten werden, sondern, wenn bei Jemanden


(128) viel unnützer Aufwand, unmäßige Freigebigkeit, Vernachlässigung der Wirthschaft, Einschuldung und andere Umstände den Verfall seines Vermögens besorgen machen, und entweder von Jenen, denen daran gelegen ist, angebracht oder auch von dem Gericht selbst bemerket würden, so hat dieses die Umstände in geheim zu untersuchen, und wenn dardurch die Anzeigen der Verschwendung bestärket werden, ihn in geheim zu getreuer Bekenntniß seines Vermögens- und Schuldenstandes anzuhalten.

[1, 6] §. 198. Wenn der Verdacht von ihm genüglich abgeleinet oder auch die Unwirthschaft nicht beträchtlich befunden wird, so kann es darbei doch allenfalls mit angehängter ernsthaften Ermahnung sein Bewenden haben. Könnte er aber den Verdacht nicht hinlänglich entkräften, oder wollte seinen Vermögens- und Schuldenstand nicht getreulich entdecken, so ist ihm alsofort eine verläßlichere Anzeige binnen einer kurzen Frist aufzulegen. Zugleich hat das Gericht auf ihn genau Obacht zu geben, auch ihm, ohne länger zuzuwarten, einen vertrauten Mann an die Seite zu stellen, alle üblen Rathgeber und Verführer zu entfernen, und überhaupt solche Maßregeln zu treffen, wodurch der Endzweck erreichet, doch anbei der Wohlstand nicht verletzet werde.

[1, 6] §. 199. Fruchtete aber alles dieses nicht, oder es äußerte sich gleich Anfangs eine Gefahr bei dem Verzuge, so solle ihme ohne Aufschub ein Curator bestellet, diesem die Verwaltung aufgetragen, ein solches gerichtlich kundgemachet und die Nichtigkeit aller mit den Pflegebefohlenen zu Verminderung seines Vermögens von dieser Zeit an eingegangenen Handlungen, sammt der oben in Ansehung der Minderjährigen festgesetzten Bestrafung verhänget werden. Wir wollen jedoch, daß bei höheren Standespersonen ein solcher Vorfall Uns vorhero einberichtet und Unsere höchste Entschließung darüber abgewartet werden solle.

[1, 6] §. 200. Dem bestellten Curator ist das gesammte Vermögen zur Verwaltung einzuantworten, auch ihm die Macht einzuraumen, die nachgesetzten Beamten, obwohl die vornehmeren nur mit gerichtlicher Einwilligung, abzuändern. Doch sollen die zu des Pflegebefohlenen ohnentbehrlichen Gebrauche benöthigte Habschaften auf seine Anzeige nach Ermessen der Gehörde von der Verwaltung des Curators ausgenommen, auch ihm ein gewisser jährlicher Betrag zu seinem Unterhalte ausgeworfen werden. Würde er aber den Curator auf einige Art in der Verwaltung behinderen, so ist dieser von der Gehörde ausgiebig darbei zu schützen.


(129) [1, 6] §. 201. Dergleichen Pflegebefohlene werden in Ansehung ihrer Handlungen und Verbindungen, den Minderjährigen vollkommen gleich geachtet. Nur zu ihrer Verehelichung haben sie die Einwilligung des Curators und des Gerichts nicht nöthig, obwohl der Heirathsbrief die gerichtliche Genehmhaltung erforderet.

[1, 6] §. 202. Bei dieser Curatel solle die Auswahl des Curators, die Nothwendigkeit der gerichtlichen Beschreibung und Angelobung dem gerichtlichen Ermessen vorbehalten sein. In allen Uebrigen sind hier gleichfalls alle bei Vormundschaften vorgeschriebene Maßregeln zu beobachten.

[1, 6] §. 203. Diese Curatel erreichet ihr Ende, wenn der Pflegbefohlene verläßliche Anzeigen einer besseren Wirthschaft giebt. Diese sollen bei Leuten minderen Standes von der Gehörde wohl erwogen, bei Personen höheren Standes aber Uns vorhero berichtet werden, und wenn einem solchen die freie Verwaltung seines Vermögens wiederum eingeraumet wird, so ist es ebenfalls öffentlich kundzumachen.

[1, 6] §. 204. Doch hat die Gehörde auch nach aufgehobener Curatel auf die weitere Aufführung des Entlassenen ein wachsames Auge zu tragen, und darbei vornehmlich darauf zu sehen, daß er weder neue Schulden mache, noch auch die während der Verbote in geheim gemachte bezahle oder auf’s Neue bestätige, bei dessen Wahrnehmung sogleich wieder zu den vorigen Einhaltsmitteln zu schreiten, und besonders gegen diese freventlichen Glaubigere nach aller Strenge Unserer oben in Ansehung der Minderjährigen erlassenen Anordnungen fürzugehen ist; doch erstrecket sich dieses nicht auf die vor dem Verbote oder nach dessen Aufhebung gemachte Schulden, wenn diesen keine Gefährde, Wucher, noch sonst etwas im Wege stehet.

[1, 6] §. 205. Wäre aber Jemands Verschwendung offenbar, und von ihm keine Besserung zu hoffen, auch ein so großer Verfall des Vermögens da, daß die Zahlungsunfähigkeit zu besorgen stehet, so solle einem solchen nicht nur auf die obberührte Art die Verwaltung seines Vermögens benommen, sondern er ohne alle Umwege für einen Verschwender gerichtlich erkläret werden. Ein solcher verlieret nebst der Fähigkeit zu allen Verbindungen, auch die Macht einen letzten Willen zu errichten. Im Falle aber bei hervorbrechender Zahlungsunfähigkeit ein Auflauf der Glaubiger entstehet, so bleibt zwar der Verschwender nach wie vor zu allen Handlungen unfähig; doch kommt es von dieser Gattung der Curatel ab, und ist sich in Allem nach deme zu achten, was Wir wegen solcher Fälle am gehörigen Orte mit Mehreren ausmessen werden.

[1, 6] §. 206. Auch Abwesenden soll alsdann ein Curator gegeben werden, wenn sie entweder keinen Bevollmächtigten zurückgelassen oder dieser außer Stande ist, ihre Geschäfte zu besorgen, und wenn ihnen wegen ihres unbekannten oder allzu weit entfernten Aufenthalts ein Nachtheil bevorstehet. (§. 97.)

[1, 6] §. 207. Dem Curator liegt ob, den Aufenthaltsort des Abwesenden, wo möglich, zu erforschen, und sowohl ihm die Nothwendigkeit wegen seiner Sachen die nöthige Verfügungen zu treffen, behörig vorzustellen, als auch seinen in Erfahrung


(130) gebrachten Aufenthalt dem Gerichte anzuzeigen, um desfalls das Weitere der rechtlichen Ordnung nach fürzukehren. Indessen ist der Curator, wenn er keine rechtmäßige Entschuldigung hat, die Curatel auf sich zu nehmen, auch bei länger fortdauernder Abwesenheit jährliche Rechnung zu legen und mit dem Zurückkehrenden oder Denjenigen, an welche dessen Gut zu gelangen hat, Richtigkeit zu pflegen schuldig. (§. 98.)

[1, 6] §. 208. In diesem, wie auch mehreren dergleichen Fällen, wo die Umstände die Bestellung eines Curators erforderen, wenn die aufgetragene Verwaltung sich über mehrerlei Sachen oder Rechte erstrecket, ist in seiner Maß Alles, wie bei Vormundschaften zu beobachten; in anderen Fällen hingegen, wo ein Curator nur zu einer einzelnen Sache bestellet wird, und keine ordentliche Verrechnung Platz greift, bestehet das Amt des Curators blos darinnen, daß er das ihm anvertraute Geschäft gegen Schadloshaltung und eine billige Belohnung getreu und fleißig verwalte.


(131) Zweiter Theil.

Erstes Capitel.

Von den Sachen, an welchen ein Recht erworben werden kann.

[2, 1] §. 1. Die Bestimmung sowohl der Sachen, woran in Unseren Staaten ein Recht erworben werden kann, als auch der Gattungen solcher Rechte und der Arten, wodurch selbe erworben werden mögen, beruhet ganz allein bei Unserer höchsten gesetzgebenden Gewalt.

[2, 1] §. 2. Ueber jene Sachen, deren Unermeßlichkeit durch keinen Gebrauch erschöpfet oder vermindert werden kann, mag sich Niemand eines ausschließenden Rechts anmaßen. Solche Sachen sind Luft, Wasser, Licht. Doch ist der Eigenthümer eines gewissen Bezirkes oder Behältnisses allerdings befugt, binnen dessen Grenzen Anderen den Gebrauch solcher Sachen zu verwehren.

[2, 1] §. 3. 1) An allen Sachen, die nach Ordnung der christkatholischen Kirche unmittelbar zu dem Gottesdienste gewidmet und geweihet sind, als Kirchen, Capellen, Altäre, Kelche und andere heilige Gefäße kann kein Recht erworben werden, und alle dahin abzielenden Handlungen sind ungiltig. Diese Sachen sind Gott geheiliget, und wenn Jemanden vor der Weihung einiges Recht daran gebühret hätte, so erlöschet solches alsobald, da die Sache geweihet wird. Doch bleibt dem gewesenen Eigenthümer seine Schadloshaltung gegen einen Jeden bevor. Wo hingegen diese Weihung ermanglet, da wird kein Ort oder Sache für Gott geheiligt geachtet, wenn schon Jemand für sich selbe zu andächtigen und gottseligen Gebräuchen gewidmet hätte.

[2, 1] §. 4. Weme gottgeheiligte Sachen zu Handen kommen, der ist schuldig, sobald er es erfahrt, selbe ohnentgeltlich zurückzustellen. Doch mag er sich an

 

1) Bei der Revision des Horten’schen Entwurfes wurde am 4. Dezember 1790 beschlossen, wegen der „neueingeführten Toleranz“ im Allgemeinen von „Religionsgrundsätzen“ statt von der „Ordnung der christkatholischen Kirche“ zu sprechen.


(132) deme, der ihm die Sache veräußeret oder ihn sonst verleitet hat, seines Schadens erholen. Wer sich aber erfrechet, dergleichen Sachen wissentlich an sich zu handlen, der solle noch außer deme eben so wie der Veräußerer nach Beschaffenheit der Umstände bestrafet, und von einem jeden der ganze Betrag des gezahlten oder bedungenen Kaufschillings zu Handen Unserer Kammer abgefordert werden.

[2, 1] §. 5. Nur in großen allgemeinen Nothfällen können auch heilige Gefäße nach vorher behörig veranlaßter Zerbrechung oder sonstiger Verstaltung giltig veräußert und zu weltlichen Gebrauche verwendet werden. In wie weit aber Sachen zu gleichmäßigem geistlichen Gebrauche von einer Kirche zur anderen übertragen werden mögen, und wie es bei deren Abnutzung oder Unbrauchbarkeit zu halten sei, desfalls lassen Wir es bei den geistlichen Rechten bewenden; dahingegen können andere Kirchengeräthschaften, die zwar zur Nothdurft und Zierde dienen, doch nicht geweihet sind, auch in ihrer Gestalt mit Bewilligung der Obern an Weltliche veräußeret werden.

[2, 1] §. 6. Gott geheiligte Orte sollen durch keinen weltlichen Gebrauch verunehret, noch darinnen weltliche Geschäfte verhandlet werden. Besonders ist sich allda von allen gerichtlichen Handlungen, so mit einem Rechtsgetöse vorgenommen werden, und vornemlich von Blutgerichten gänzlich zu enthalten. Freie und redliche Verträge sind jedoch deswegen nicht ungiltig, weilen sie an solchen Orten geschlossen werden; allein gerichtliche Handlungen sind null und nichtig und die Verunehrung des Ortes ist nach Gestalt der Sachen noch besonders zu bestrafen. Bei großen Nothfällen kann sich zwar geweihter Orte und Gebäude auf eine Zeit zu weltlichen Bedürfnissen ohne Verunehrung bedienet werden, doch solle solches außer unverschüblichen Zufällen nicht anders als mit Bewilligung der Gehörde geschehen.

[2, 1] §. 7. Wenn ein Gott geheiligtes Gebäude zerstöret wird und durch einverständliche Erklärung der geistlichen und weltlichen Obrigkeit alle Hoffnung der Wiedererbauung ermanglet, so fallt sowohl der Raum des Gebäudes, als der Bauzeug wieder unter das Privateigenthum, und wird dem Eigenthümer des Grundes eigen, wenn nicht Eines oder das Andere ausdrücklich vorbehalten worden.

[2, 1] §. 8. Unter die Gott geheiligten Orte wollen Wir auch die zu Beerdigung der Todten gewidmeten und von der geistlichen Gehörde dazu geweihten Kirchhöfe oder Gottesäcker zählen. Blos wegen menschlicher Begräbniß aber wird kein Ort verehrungswürdig, noch außer Handel und Wandel gesetzet. Wo jedoch außer geweihten Orten gewisse Plätze zu Begräbnissen bestimmet, oder auch mit einigen Freiheiten begabet sind, da ist sich nach den diesfälligen Anordnungen zu richten; jene Orte hingegen, wo Selbstmörder und andere keiner ehrbaren Begräbniß würdige Uebelthäter eingescharret werden, sind außer aller Achtung.

[2, 1] §. 9. Die Eigenschaft eines zu Begräbniß gewidmeten geweiheten Ortes hindert nicht, daß Jemand für sich und die Seinigen ein besonderes Recht zu einer gewissen Grabstelle erwerben könne. Unsere in Begräbnißsachen erlassenen Verordnungen geben desfalls Ziel und Maß. Bei diesem angebührenden Begräbnißrechte solle Jedermann geschützet, von Niemanden beeinträchtiget, noch weniger das Grabmal


(133) verwüstet oder daran ein Unfug begangen werden; widrigens ist gegen die Schuldigen mit den gewöhnlichen Zwangsmitteln schleunig zu verfahren. Würde aber Jemanden das Begräbnißrecht selbst in Zweifel gezogen, so ist der Verstorbene indessen, und bis zum rechtlichen Austrage der Sache auf der allgemeinen Grabstätte beizusetzen.

[2, 1] §. 10. Dahingegen mögen die geistlichen Güter blos deswegen, weil sie zu Bisthümern, Stiftern, Kirchen, Klöstern und anderen milden Sachen gehören, den Gott geheiligten Sachen nicht beigezählet werden; dergleichen Güter können nach erforderender Nothdurft oder Nutzen allerdings veräußeret werden. Was jedoch die zu Aufrechthaltung der Stiftungen besonders gewidmete wirkliche Stiftungsgüter betrifft, es sei, daß sie in liegenden Gütern, anliegenden Capitalien, unablöslichen Stiftsgeldern oder Zinsen, beständigen Nutzungen oder anderen auf liegenden Gütern haftenden Rechten bestehen, da solle deren Veräußerung sonst keine rechtliche Kraft haben, als wenn Wir dazu Unsere höchste Einwilligung ertheilet haben.

[2, 1] §. 11. Bei Ermanglung dieser Unserer Einwilligung muß das Veräußerte sammt allen behobenen Nutzungen und verursachten Schäden und Unkösten zuruckgestellet werden; doch bleibt Demjenigen, der dergleichen Stiftungsgüter in ohnsträflicher Unwissenheit an sich gebracht, bevor, nicht nur alles Jenes zurückzufordern, was der Kirche oder Stiftung dafür zugekommen ist, sondern auch, wie im §. 4, an Anderen seine Entschädigung zu suchen. Allein, wo eine solche Erhandlung wissentlich ohne Unsere Einwilligung geschehen, da solle sowohl das Kaufgeld auf die im besagten §. 4 angeordnete Art verfallen, als auch Uns wider den Käufer und Verkäufer die gebührende Ahndung annoch vorbehalten sein.

[2, 1] §. 12. Außer deme, was in §. 2 berühret worden, hat in Unseren Staaten keine natürliche Gemeinschaft statt. Auch ist nichts von allem deme, was des Eigenthums fähig ist, herrenlos, sondern Alles gehöret entweder zu dem öffentlichen Eigenthume des Staates oder zu dem Privateigenthume.

[2, 1] §. 13. Alles, was der bei Uns ruhenden höchsten Gewalt des Staates eigen ist, befindet sich in dem öffentlichen Eigenthume, es sei, daß der Gebrauch Uns allein vorbehalten oder von Uns Anderen verliehen oder dem Lande gemein ist; dahin gehören das Meer, die Meerhäfen und Küsten, wie auch die schiffbaren Seen, deren Eigenthum durch Unsere Verleihung oder sonst auf rechtmäßige Art an Andere nicht gelanget ist.

[2, 1] §. 14. Bei dem Meer, Meerhäfen und Küsten ist nichts zu verstatten, was entweder Unseren landesfürstlichen Hoheiten zum Abbruche oder dem gemeinen Besten zum Nachtheile gereichen könnte. Niemanden ist dahero allda der Fischfang, Sammlung des Salzes und anderer Erzeugungen oder Auswürfe des Meeres, noch die Zueignung der entstehenden Inseln zugelassen. Auch solle die Schiffahrt, Anländungen und anderer landesgemeiner Gebrauch durch keinen Bau, Versenkung oder auf andere Art behindert oder beschwerlicher gemacht, sondern das Hinderniß sogleich gehoben, der Benachtheiligte entschädiget, und das Beginnen den Umständen gemäß bestrafet werden. Wenn jedoch Jemanden in Einem und Anderen vermöge der Landesverfassung oder Unserer Anordnungen eine besondere Befugniß zustehet, so wollen Wir ihn dabei schützen und handhaben.

[2, 1] §. 15. Große, beharrliche und schiffbare Ströme und Flüsse gehören in Ansehung der Schiffahrt und des dahin abzielenden Gebrauches ebenfalls zu Unseren Hoheiten, obwohl das Eigenthum nach Verschiedenheit der Länderverfassung nicht allezeit Uns, sondern auch den anliegenden Grundherrn zustehet. Wo das Eigenthum Uns gehöret, da erstrecket sich dasselbe auch auf den Rinnsal oder das


(134) Flußbett, wie auch auf die Ufer, wenn die nächst anstoßenden Gründe von denselben vollständig abgerainet sind. Sind aber diese Gründe nicht abgerainet, so gehören zwar die Ufer insoweit zum öffentlichen Eigenthume, als deren Gebrauch zum Gebrauche des Flusses nothwendig ist; allein außer deme gebühret das Eigenthum allezeit den nächsten Gründen.

[2, 1] §. 16. Wenn hingegen der Fluß den anliegenden Grundherren gehöret, und die Theile zwischen ihnen durch besondere Rainzeichen oder Urkunden bestimmet sind, oder auch selbe sich in der Folge wegen des Eigenthums verglichen hätten, da solle es dabei ohne Widerrede sein Bewenden haben. Sonsten ist der Fluß zwischen ihnen nach Erstreckung ihrer daran stoßenden Gründe gemein, und ihnen stehet frei, denselben gemeinschaftlich zu nutzen oder den Nutzen nach Gefallen unter sich zu vertheilen.

[2, 1] §. 17. Würde aber ein der der andere Theil die Theilung des Flusses anverlangen, so ist einem Jeden nach der Breite seines Grundes, das Ufer, der Rinnsal und der Fluß bis zur Mitte zuzusprechen; doch ist diese Mitte nicht nach dem wirklichen Laufe des Flusses, sondern nach dem ganzen, zwischen den dies- und jenseitigen Gründen befindlichen Zwischenraume, er sei mit Wasser bedeckt oder trocken, zu bestimmen. Wenn von der einen Seite mehrere Herrengründe an den Fluß anstoßen, so ist auch zwischen ihnen nach Maße der Breite ihrer vorwärts gegen den Fluß liegenden Gründe die Theilung vorzunehmen.

[2, 1] §. 18. Dieses Eigenthumsrecht über den Fluß stehet nur Jenen zu, denen das Grundeigenthum der anstoßenden Gründe gebühret; Erbzins- und unterthänige Gründe können sich an dem Fluß nicht das mindeste Recht anmaßen, außer was der gemeine Landesbrauch mit sich bringt oder ihnen durch die Grundbücher und Gewähren verliehen ist.

[2, 1] §. 19. An beharrlichen und schiffbaren Flüssen solle sich ein Jeder von allen deme enthalten, wodurch der landgemeine Gebrauch erschweret oder anderen Gründen Schaden oder Gefahr zugezogen würde. Wir verbieten dahero alle schädliche Vermehrung des Gewässers durch Einleitung mehrerer Flüsse, Bäche, Quellen, Seen, Teiche oder Sümpfe, als allda in den Fluß zu fallen pflegen, besonders, wenn selber dadurch reißender, gefährlicher und den nächst oder tiefer gelegenen Gründen schädlicher würde, wie auch alle Ableitung des Wassers durch Gräben und Wasserleitungen zu Mühlen und anderen Gebrauche, wenn dadurch der Fluß schmäler und seichter würde, endlich alle Errichtung neuer Wasserwehren, Schleusen, Rechen, Pfähle oder andere Werke in die Breite des Flusses, die Bedeckung der Oberfläche des Wassers mit Brücken, Stegen, Fischerzäunen oder Körben, länger aufliegenden Bau- und Brennholze und alles Andere, wodurch nur immer der Fluß zu Jemands Nachtheile aufgehalten, abgetrieben, erhöhet oder eingeschränket würde.

[2, 1] §. 20. Ueberhaupt solle sich Niemand unterfangen, an solchen Flüssen neue Werke eigenmächtig zu errichten, die schon bestehenden zu erweiteren oder etwas daran abzuändern, wenn nicht das Vorhaben vorhero von der behörigen Stelle begnehmet worden. Diese hat dabei vorzüglich auf Unsere Hoheiten und das gemeine Beste zu sehen, auch Jene, denen das Vorhaben schädlich sein könnte, zu vernehmen, und bei befundenen Anstande oder erfolgten Widerspruche sofort mit Zuziehung geschworener Wasserbauverständigen eine Untersuchung an Ort und Stelle zu veranlassen.

[2, 1] §. 21. Wenn Unseren Hoheiten ein Abbruch oder dem landgemeinen Gebrauche des Flusses ein Hinderniß oder auch einem Privaten eine augenscheinliche und unvermeidliche Gefahr bevorstehet, so solle in das Begehren nicht gewilliget werden, obgleich eine Schadloshaltungssicherheit anerboten würde. Dahingegen, wenn die Gefahr des Privaten zwar wahrscheinlich, doch nicht gewiß ist, so kann


(135) das Werk gegen eine hinlängliche Sicherheit verstattet werden; der ungegründete Widerspruch eines übel gesinnten Nachbars aber ist gar nicht zu achten. Bei Verstattung eines solchen Werkes hat die Gehörde jedesmal die Art und Weise oder die Gestalt des Baues deutlich vorzuschreiben; doch kann sich desfalls an die höhere Stelle gewendet werden.

[2, 1] §. 22. Würde aber diesen Unseren Anordnungen zuwider ein dem gemeinen Wesen oder einem Dritten schädliches neues Werk eigenmächtig unternommen, so ist im ersten Falle von Amtswegen und im zweiten Falle auf die angebrachte Beschwerde alsogleich ein Einhaltsbefehl unter einer angemessenen Geldstrafe zu erlassen. Diesem Befehl muß gehorchet werden, und wenn Jemand den vorgehabten Bau fortsetzen will, so muß er die oberwähnte Untersuchung anverlangen, so wie gegentheils, wenn schon bei erlassenen Einhaltsbefehle etwas Neues gebauet ist, Jene diese Untersuchung begehren können, welche sich durch das, was bereits gebauet ist, beschweret glauben. Führe aber Jemand ohngeachtet des Einhaltsbefehls in dem angefangenen Baue fort, so wird die angedrohete Strafe alsobald verwirket, obwohl es sich bei der nachhero vorgenommenen Untersuchung entdeckte, daß das Werk ohnschädlich und der Einhalt aus blosem Muthwillen begehret worden.

[2, 1] §. 23. Wenn jedoch ein neu errichtetes Werk durch drei Jahre und achtzehen Wochen ohne Widerspruch bestanden, so solle es auch weitershin erhalten werden, außer die Verjährung wäre mangelhaft oder das gemeine Beste erforderte dessen Abstellung.

[2, 1] §. 24. Eingegangene alte Werke mag ein Jeder in den vorigen Stand herstellen; wäre aber die Wiederherstellung einem Widerspruche unterworfen, so muß sie binnen drei Jahren und achtzehen Wochen vorgenommen werden, sonst ist der Stand der Sachen verjähret. Dahingegen, wenn wegen veränderter Lage des Ortes die Wiederherstellung der verfallenen Werke ohne Schaden eines Anderen nicht mehr möglich wäre, so kann selbe auch binnen der Verjährungszeit nicht mehr stattfinden, sondern Jener hat den Verlust zu tragen, dem die Werke aus seiner Schuld oder durch Zufall zu Grunde gegangen.

[2, 1] §. 25. Ohne Benachtheiligung eines Andern ist Jedermann befugt, seine Ufer nach der Länge des Flusses zu befestigen, selbe vor Einreißung des Stromes, Ueberschwemmung und Abspülung des Erdreiches oder anderen Schaden zu verwahren, und den Strom in seinem ordentlichen Rinnsale zu erhalten, oder da er daraus getreten, ihn wieder zurückzuleiten, außer wenn von Abänderung des Rinnsals die Verjährungszeit verflossen wäre, und Jemand der Zuruckleitung des Flusses zu widersprechen Ursach hätte.

[2, 1] §. 26. In Bewahrung fremder Gründe ist Niemand schuldig an seinen Ufern Wehren oder Dämme aufzurichten oder herzustellen, wenn er nicht sonst dazu verbunden ist, ebensowenig kann diese Errichtung oder Herstellung auf fremden Ufern oder Gründen von dem Andern ohne Bewilligung des Eigenthümers geschehen; doch solle diese Bewilligung, wenn das Werk dem Herrn des Grundes ohnschädlich ist, und ihme eine vollkommene Schadloshaltung anerboten wird, nicht versaget werden.

[2, 1] §. 27. Wäre aber die denen fremden Gründen bevorstehende Gefahr auch seinen eigenen mit gemein, so hat derselbe nach Maß der ihn betreffenden Gefahr auch zu den gemeinschaftlichen Kosten beizutragen; widrigens stehet Allen, denen daran gelegen ist, frei, die Gehörde um die benöthigte Vorsehung anzugehen. Diese hat zugleich eine Untersuchung zu veranlassen, und wenn das Ansuchen gegründet befunden wird, so sind die Untersuchungskosten von Allen zugleich zu tragen.


(136) [2, 1] §. 28. Bei dieser Untersuchung ist nicht nur die Errichtung der dienlichen Werke zu bestimmen, sondern auch ein Ueberschlag der Kosten zu machen, und die Theilhaber wegen des gemeinsamen Betrages zum gütlichen Einverständnisse zu vermögen; bei dessen Ermanglung hat die Gehörde mit Rücksicht auf die Größe und Erträglichkeit der Gründe und auf die mehr oder mindere Gefahr den Betrag mit Beobachtung aller nur möglichen Gleichheit auszumessen. Findet sich Jemand dadurch beschweret, so mag er zwar die Verbesserung der Ungleichheit bei dem höheren Richter ansuchen, die Vollstreckung der Erkenntniß aber solle deswegen nicht verschoben werden.

[2, 1] §. 29. Kleinere Flüsse, Bäche und andere fließende Wässer sind von anderen eigenthümlichen Sachen nicht unterschieden. Der Herr durch dessen Gründe sie fließen, kann sie zusammenziehen, ihren Lauf ändern, zwingen und leiten, wenn nur andurch Niemanden an seinem Rechte geschadet, noch der landgemeine Gebrauch der Holzflößung oder Schwemmung verhindert wird. Besonders aber sollen die Gehörden genaue Obsichten tragen, damit durch solchen von den Grundherrn unternommene Wasserleitungen und Aenderungen den Unterthanen an ihren steuerbaren Gründen nicht im geringsten geschadet werde.

[2, 1] §. 30. Wenn derlei Wässer zwischen verschiedenen Herrengründen ihren Lauf haben, so sind sie auf eben die Art gemein, wie Wir in §. 16 von größeren Flüssen geordnet haben. Wenn dahero Einer ohne den Anderen etwas vornimmt, wodurch der Lauf des Wassers geänderet oder dem Anderen sonsten ein Nachtheil zugezogen wird, so stehen den Beschwerden die oben §. 20 und in den folgenden festgesetzten Hilfsmittel offen; gleichwie auch in dem Falle, wo ein solches Wasser durch ungefähren Zufall seine Lauf ändert oder zum Schaden eines Anderen einen Ausriß nimmt, der Eigenthümer des Grundes, in welchem der Ausriß geschehen, nach Maßgabe der §§. 26 und 27, entweder mit Jenen gemeine Sache zu machen, oder doch wenigstens die Zuruckleitung des Wassers ohnweigerlich zu gestatten hat. Letzteren Falls ist er nur alsdann befugt die Schadloshaltungssicherheit anzubegehren, wenn an dem vor dem Ausriß gewesenen Stande etwas geänderet oder ein neues Werk aufgeführet wird.

[2, 1] §. 31. Ferner gehören auch die offenen Straßen und Wege zu dem öffentlichen Eigenthume des Staates, vornemlich, wenn sie mit landgemeinen Kosten erbauet werden; außer wo die Verfassung der Länder ein Anderes mit sich bringet. Dergleichen offene Straßen sind die in jedem Lande befindlichen Hauptstraßen, Heerstraßen, Landstraßen, Poststraßen, Handelsstraßen und andere, welche von einem Lande in das andere zu Meerhäfen, Seen, Flüssen, Haupt- oder anderen Städten und Märkten, es sei unmittelbar oder mittelbar durch Eintritt in andere Hauptstraßen führen; dahingegen bleiben die ortschaftlichen Wege, welche von Hauptstraßen zu Schlössern, Dörfern, Flecken und anderen volkreicheren Ortschaften, wie auch zu Kirchen, Gottesäckern, Klöstern, Spitälern führen, in dem Eigenthume Derjenigen, über deren Gründe sie gehen.

[2, 1] §. 32. Wo die Hauptstraßen zu dem Eigenthume des Staates gehören, da erstrecket sich dasselbe auch über das Erdreich, welches sie einnehmen. Wenn Wir aber eine Straße abzuänderen befinden, so kehret der leere Erdraum wieder in das Privateigenthum zurück, worunter er vor Errichtung der Straße gehöret hat, und wenn dieses nicht erwiesen werden kann, so haben die nächst angelegenen Grundherren die Vermuthung für sich. Zinsbare und unterthänige Gründe genießen dieses Recht nicht, sondern in diesem Falle gebühret den Grundherrschaften die Vertheilung.

[2, 1] §. 33. Der Gebrauch aller dieser Straßen und Wege ist landgemein. Bei öffentlichen Straßen ist Niemanden erlaubet, deren durch Unsere Verordnungen oder den Landesgebrauch bestimmte Breite zu schmälern, noch etwas zu thun, was


(137) der Freiheit, Bequemlichkeit oder Sauberkeit der Straßen auf irgend eine Art zuwider wäre. Ortschaftliche können zwar von den Eigenthümern abgeänderet und an andere Orte verleget werden, insoweit Niemanden an seinem ihm zustehenden Rechte geschadet wird; doch muß allemal ein freier Weg zu Jedermanns Gebrauche belassen werden.

[2, 1] §. 34. Einem Jeden ist auf Straßen und Wegen der freie Handel, Fahrt, Gang und Durchzug gestattet, außer wo Wir gewisse Handels- und Zollstraßen vorgeschrieben haben. Zu Behinderung dieser landgemeinen Freiheit solle nichts errichtet oder sonst gethan, noch weniger von Jemanden, wer es auch immer sei, ohne Unsere entweder bereits ertheilte oder noch ferner zu ertheilende besondere Verleihung für den Durchzug etwas gefordert werden. Würde aber Jemand in dem freien Gebrauche der Straßen und Wege widerrechtlich verhindert, so ist diesem nach Maßgabe Unserer in Wegsachen erlassenen Anordnungen alsogleich die Abhilfe zu verschaffen.

[2, 1] §. 35. Wenn wegen der Erhaltung öffentlicher Straßen und Wege in Unseren erstgedachten Verordnungen nichts vorgesehen, noch durch die Landesverfassung bestimmet ist, so liegt selbe den anliegenden Grundobrigkeiten und Ortschaften ob. Nicht minder, wenn die Landstraßen oder ortschaftlichen Wege durch Wolkenbrüche und große Wasserfluthen eingerissen und gänzlich unwandelbar gemacht werden, müssen die Inhaber der anstoßenden Gründe von denselben so viel Raum, als zu einem Fahrwege nöthig ist, insolang hergeben, bis die verdorbene Straße wieder hergestellet ist. Würde aber Jemanden ohne seine Schuld wegen Gefährlichkeit des Weges ein Schaden begegnen, so haben Jene, denen die Erhaltung und Zurichtung obgelegen, für ihre oder ihrer Untergebenen Fahrlässigkeit zu haften.

[2, 1] §. 36. Was Wir von Straßen angeordnet haben, erstrecket sich auch auf Brücken, Wasserfurten und überhaupt auf Alles, was ein Theil des Weges ausmachet und dazu gehörig ist. Alles dieses ist zum Gebrauche frei zu lassen, in brauchbaren Stande zu erhalten, und wenn etwas verdorben, ohne Verschub wieder herzustellen.

[2, 1] §. 37. Privatwege, als Feld- und Holzwege, Wald-, Vieh-, Gartenwege und mehr andere, die zu einzelnen Wohnsitzen, Meierhöfen, Wäldern, Gärten, Aeckern, Wiesen, Teichen und dergleichen führen, und von dannen entweder keinen anderen Ausgang haben oder wieder zu solchen Orten gerichtet sind, gehören nicht nur zu dem Eigenthume dessen, der solche über seine Gründe angeleget, sondern dieser kann sie auch, insofern Niemand an seinem rechtmäßig erworbenen Rechte beeinträchtiget wird, nach Gefallen ändern, wieder aufheben oder versperren. Wer gegen eine solche Versperrung Gewaltthätigkeit verübet, macht sich des Verbrechens einer Gewalt schuldig; doch ist es keine Gewalt, wenn Jemand sich eines solchen Weges gebrauchet, der nicht versperret, noch dabei ein kennbares Zeichen des Vorbehalts vorhanden ist.

[2, 1] §. 38. Endlich gehören alle jene Sachen unter das öffentliche Eigenthum, die Uns allein mit Ausschließung alles Privatgebrauches vorbehalten sind, als Unsere landesfürstlichen Schlösser und Paläste, Festungswerke, Zeughäuser und andere zu Unseren Hoheiten gehörige Gebäude, öffentliche Bildsäulen, Denkmäler, Ländergrenzzeichen und mehr dergleichen. Diese Sachen sind im rechtlichen Verstande heilig, das ist unverletzlich, und werden durch Unsere anderweite Verordnungen wider alle Verunehrung und Thathandlung geschützet.

[2, 1] §. 39. Wenngleich von einigen unter das öffentliche Eigenthum gehörigen Sachen Unseren Städten, Märkten oder anderen Gemeinden der Gebrauch eingeraumet ist, als der Stadtthöre, Ringmauern, Zwinger, öffentlicher Brunnen und anderer Sachen, so als Theile und Zugehörungen dieser Städte und Märkte anzusehen sind, so können sich doch selbe keineswegs über diese Sachen eines


(138) Eigenthums anmaßen; dahingegen was dergleichen Gemeinden durch Unsere Verleihung oder Zulassung eigenthümlich erworben haben, dieses ist in ihrem wahren Eigenthume.

[2, 1] §. 40. Für Gemeinden sind nicht nur Städte, Märkte und andere Ortschaften, sondern auch alle und jede weltliche Versammlungen mehrerer oder wenigerer Personen anzusehen, wenn sie nur rechtmäßig errichtet und von Uns bestätiget sind; doch müssen, um eine Gemeinde auszumachen, wenigstens drei Personen vorhanden sein. Würde aber eine Gemeinde bis auf eine einzige Person vermindert, so bleiben die Rechte der Gemeinde in dieser Person dennoch aufrecht, und wenn Alle abgiengen, so haben Unsere Stellen indessen über ihre Gerechtsamen eine Vorsehung zu treffen, bis Wir damit anders ordnen.

[2, 1] §. 41. Bei jenen von diesen gemeinen Sachen, deren Nutzbarkeit zu den gemeinen Einkünften gewidmet ist, ist auch der Gebrauch der Gemeinde selbst mit Ausschließung einzelner Mitglieder vorbehalten. Bei gemeinen Weiden und Wäldern aber, Steinbrüchen, Lehm- und Sandgruben, Schießstätten, Lustgängen und anderen dergleichen Sachen, ist der Nutzen, Gebrauch oder Bequemlichkeit den einzelnen Mitgliedern nach Maßgabe der eingeführten Ordnung oder Unseren Verleihungen gemein.

[2, 1] §. 42. Doch solle sich bei dem Gebrauche ein Jeder in dem gebührenden Schranken halten, und weder sich selbst dessen anmaßen, wozu er nicht berechtiget ist, noch auch einem Anderen in ebenmäßigen Gebrauche oder in einem ihm etwa gebührenden vorzüglichen Rechte hinderlich sein. Entstünde aber darüber eine Strittigkeit, so ist dieselbe bei der Gemeinde selbst, wenn diese eine Gerichtbarkeit hat, sonst aber bei der der Gemeinde vorgesetzten Stelle auszumachen, und dabei schleunig zu verfahren, wenn nicht die Umstände ein ordentliches rechtliches Verfahren erfordern.

[2, 1] §. 43. Liegende Güter der Gemeinden und darauf haftende Rechte können ohne Unsere höchste Einwilligung nicht veräußeret werden, und aus solchen Handlungen werden die Gemeinden nur für das verbunden, was ihnen wirklich zugekommen oder zu ihrem Nutzen verwendet worden; dagegen ist der unrechtmäßige Besitzer der Gemeinde für allen derselben durch diese Veräußerung zugegangenen Schaden verfänglich, und was von ihm nicht erholet werden mag, dafür haben die unbefugten Veräußerer zu haften, gleichwie diese auch Jenem zur Schadloshaltung verbunden sind, der ein solches Gut unwissend von ihnen erhandlet hat.

[2, 1] §. 44. Bewegliche Sachen der Gemeinde können zwar freilich veräußeret werden; doch sind Jene, denen die Verwaltung anvertrauet ist, den Vormündern gleich zu achten, und nach Maßgabe Unserer Verordnungen, wie auch der ihnen eigends gegebenen Amtsvorschriften zur Rechenschaft verpflichtet.

[2, 1] §. 45. Wenn eine Gemeinde wegen derlei gemeinen Sachen belanget wird oder Andere zu belangen nöthig hat, da solle der Rechtsstritt durch die von derselben darzu geordnete Personen im Namen der ganzen Gemeinde geführet, und die dazu erforderlichen Unkosten aus den gemeinen Einkünften bestritten werden. Aus eben diesen Einkünften sind auch die Sachen selbst in guten Stande zu erhalten oder die verfallenen wiederherzustellen, ohne daß in einem oder dem anderen Falle, und unter was immer vor einem Vorwande ohne Unsere oder der behörigen Obrigkeit Verwilligung, dazu von den einzelnen Mitgliedern eine Beisteuer gefordert werden möge. Außer es beträfe solche Sachen, deren Nutzen und Gebrauch


(139) nicht allen Mitgliedern, sondern nur gewissen Personen der Gemeinde zukommt; alsdann haben diese Letzteren auch ganz allein die Kosten zu tragen.

[2, 1] §. 46. Wo es auf die Einwilligung einer Gemeinde ankommt, da ist sich nach derselben Verfassung zu richten, ob die Einwilligung eines die Gemeinde vorstellenden Ausschusses genug oder die Einstimmung sämmtlicher Mitglieder nothwendig sei. Im letzteren Falle müssen bei sonstiger Ungiltigkeit der Handlung Alle, die das Stimmrecht haben, nach dem bei jeder Gemeinde hergebrachten Gebrauche dazu berufen werden, und wenigstens zwei Drittheile von ihnen gegenwärtig sein. Wenn jedoch von den Mitgliedern einer Gemeinde mehr als ein Drittheil auf zweimaliges Berufen nicht erscheinet, so können die übrigen, obwohl sie nicht zwei Drittheile ausmachen, die Sache beschließen. Die Ausbleibenden aber werden eben so, wie die Anwesenden durch den ausgefallenen Schluß verbunden.

[2, 1] §. 47. 8) Wenn die Sache, warum es sich handlet, die Gemeinde als Gemeinde oder auch den Vortheil einzelner Mitglieder, welchen sie als Mitglieder dieser Gemeinde genießen, anbetrifft, so gelten die mehreren Stimmen und was diese beschlossen, verbindet auch die Uebrigen, obwohl sie deme nicht beigestimmet hätten; dahingegen, wenn es um ein den einzelnen Mitgliedern der Gemeinde, als einzelnen Personen betrachtet, gebührendes Recht oder um die Verbindung ihrer Personen und Habschaften zu thun ist, da mag Keinem durch den Anderen eine Verfänglichkeit zugezogen, sondern was Alle insbesondere betrifft, muß auch von Allen begnehmiget werden.

[2, 1] §. 48. Alle übrigen des Eigenthums fähigen Sachen, welche weder dem Staate vorbehalten, noch einer Gemeinde eingeraumet sind, gehören einzelnen Personen zu; doch hindert dieses nicht, daß nicht solche Sachen auch Mehreren zugleich zugehören könnten, nicht zwar als Mitgliedern einer Gemeinde, sondern als Theilhabern an dieser Sache; worüber Wir im dritten Theile, - Capitel ausführlicher anordnen werden.

[2, 1] §. 49. Alle diese Sachen sind zwar ihrer Natur und Wesenheit nach in zwei Gattungen abgetheilet, daß einige derselben ganz und unverletzt von einer Stelle zur anderen beweget werden können, oder auch durch eigene Kraft sich selbst bewegen, andere aber von ihrer Stelle ganz und unverletzt nicht beweget werden mögen; doch wollen Wir zu deutlicherer Bestimmung, was unter die eine und andere Gattung zu zählen sei, folgende Regel festgesetzet haben.

[2, 1] §. 50. Unter die unbeweglichen Sachen gehören nicht allein liegende Güter

 

8) In dem Entwurfe Hortens lautete der Eingang: „Wenn die Sache, warum es sich handelt, nicht einzelne Mitglieder, sondern die Gemeinde als Gemeinde betrifft, so gelten die mehreren Stimmen, und was diese beschlossen, verbindet auch die Uebrigen, obwohl sie deme nicht beigestimmt hätten. Dahingegen, wenn es um ein allen einzelnen Gliedern gebührendes Recht (et)c.“ Die am 1. October 1773 herabgelangte kais. Entschließung vermißte die nöthige Präcision in der Unterscheidung der Fälle, in welchen Einstimmigkeit erforderlich oder Stimmenmehrheit genügend ist, und ordnete die gegenwärtige Textirung an.


(140) und Gründe, sondern auch Alles, was mit denselben zusammenhängt, es sei von der Natur, als die eingewurzelten Bäume, Graswerk, hangende Früchte und was in dem Grunde eingesäet oder eingepflanzet ist, oder durch menschliche Zuthat, als die auf dem Grunde aufgeführten Gebäude, wie auch der Zeug, so lang das Gebäude bestehet, nicht minder Alles, was bei Gründen oder Gebäuden eingegraben, eingemauert und überhaupt, was erd-, mauer-, niet- oder nagelfest ist, ferner Alles, was zu dem beharrlichen Gebrauche eines Grundes oder Gebäudes dergestalten gewidmet ist, daß selbe ohne diese Zugehörung nicht genutzet werden könnten; außer, wenn etwas durch dieses Unser Gesetz oder durch Vertrag und letzten Willen ausdrücklich ausgenommen wäre. Dergleichen Zugehörungen sind die Unterthanen, das Zug-, Zucht- und anderes Nutzvieh, das Wirthschaftsgeräthe, Braupfannen, Branntweinkessel und was sonst zur Einrichtung des Grundes oder Gebäudes nach dem gewöhnlichen Wirthschaftstriebe nothwendig ist.

[2, 1] §. 51. Durch Verträge und letztwillige Anordnungen können zwar bewegliche Sachen den unbeweglichen gleichgehalten, als Zugehörungen darzu bestimmet und verschiedenen Rechten, so sonst nur den unbeweglichen Sachen eigen sind, unterworfen werden. Allein obwohl die Erben, und die sich vergleichenden Theile dadurch gebunden sind, so wird doch die Eigenschaft der Sache deswegen nicht geändert, sondern diese kann deme ohngeachtet von einem Dritten frei erworben werden; es sei dann, daß er von diesem unterwaltenden Umstande Wissenschaft hätte, oder daß die Sache bei Gericht hinterleget oder in gerichtlichen Beschlag genommen worden.

[2, 1] §. 52. Wenn aber in einem Vertrage oder letzten Willen keine Richtschnur, was für beweglich und unbeweglich zu halten sei, vorgeschrieben, sondern nur überhaupt das bewegliche und unbewegliche Gut genennet worden, so wollen Wir hiermit angeordnet haben, daß folgende Sachen für beweglich gehalten werden sollen.

[2, 1] §. 53. Erstens, alles baare Geld, Gold- und Silbermünzen, sie seien gangbar und zu gewöhnlichen Ausgaben bestimmet oder als ein Schatzgeld besonders aufbehalten, obschon das Geld von verkauften unbeweglichen Gütern eingegangen oder zu deren Ankaufe gewidmet wäre. Wenn dasselbe jedoch von verkauften Fideicommißgütern oder von erhobenen Fideicommißcapitalien herrührete, oder mit Unserer Verwilligung ein Fideicommisse errichtet werden wollte, und die dazu bestimmte Barschaft vorräthig wäre, so solle selbe für unbeweglich gehalten werden.

[2, 1] §. 54. Zweitens, Edelgesteine, Perlen und allerlei Kleinodien, Gold- und Silbergeschirr und anderes Geschmeide, Schaumünzen und Denkpfennige, außer was davon als ein Fideicommißgut bei dem Geschlechte zu verbleiben hat, wenn es noch in seiner Gestalt vorhanden ist.

[2, 1] §. 55. Drittens, Gemälde, Bilder, Uhren und allerlei künstliches Guß-, Schnitz-, Dreh- oder Erdenwerk, Tapezereien, Fürhänge, Hausrath und Einrichtung von Seiden, Leinen, Wolle, Zinn, Kupfer, Holz oder anderen Zeuge, doch mit Rücksicht auf das, was Wir im §. 50 angeordnet haben.

[2, 1] §. 56. Viertens, Bücher, Kunstwerkzeuge, Gewehre und Rüstung von aller


(141) Gattung, Garne und Netze, Jagdhunde und was sonst zur Waidmannschaft gehörig ist, mit der Ausnahme jedoch, wie im §. 50.

[2, 1] §. 57. Fünftens, alle abgenommene und eingesammelte Früchten, das abgemähete Gras, das geschnittene Getreide, es sei noch auf dem Felde befindlich oder schon eingebracht, nicht aber was noch auf dem Felde stehet oder an den Bäumen hängt, obwohl es zeitig wäre; doch ist von dem vorhandenen Getreide so viel als ein Zugehörung bei dem Gute beizulassen, als davon zum Samen, zum Unterhalte der Wirthschaftsbeamten und des Gesindes, wie auch zur Fütterung des Viehes bis zur neuen Ernte oder was an Malz bis zur neuen Malzungszeit erforderlich ist. Und, wenn Jemand zu einem gewissen Betrage des Beilasses verbunden wäre, so hat er in dem Falle, wo das vorhandene Getreide zu allen diesen Erfordernissen nicht erklecket, den Abgang zu ergänzen.

[2, 1] §. 58. Sechstens, alles Vieh und Geflügelwerk, ausgenommen, was zur Bestellung eines Gutes an Zug-, Zucht- und Nutzvieh nöthig ist. Diese Bestellung ist nach jener Anzahl abzumessen, welche nach Genüglichkeit des Futters über Winter gehalten zu werden pfleget.

[2, 1] §. 59. Siebentes, das zum Genusse oder Verkaufe eingesperrte Wild, wie auch in Behaltern oder Absätzlein aufbehaltene Fische, nicht aber das freie Wild, wenngleich solches in Thiergärten oder anderen eingeschränkten Bezirken befindlich wäre, noch auch die Fische in Teichen oder fließenden Wässern.

[2, 1] §. 60. Achtens, alte und junge Weine, Most oder frisch abgelöste Trauben, Obst und überhaupt alle aufbehaltene Eßwaaren, Getränke, Wolle, Federn, Gespunst, Bauzeug, Eisenwerk und alle andere Feilschaften, doch allemal mit Ausnahme dessen, was zur Wirthschaft nothwendig ist.

[2, 1] §. 61. Neuntens, das gefällte Bau- und Brennholz, es sei geschnitten und gespalten oder nicht, nach Abschlage der gegenwärtigen Wirthschaftsnothdurft, ausgebrochene Erze oder Steine und was sonst aus der Erde gebrochen oder gegraben wird. Wenn aber so viel Holz gefället oder so vieles aus der Erde gegraben und gebrochen worden, daß die Wälder, Bergwerke oder Steinbrüche beträchtlich erschöpfet wären, so solle nur so viel davon dem beweglichen Vermögen zugezählet werden, als in jedem Jahrgange am Holze gefället, und am rohenen Zeuge verarbeitet oder verkauft zu werden pfleget. Die Uebermaß hingegen hat bei dem Gute zu verbleiben; doch sind die Ausgrabungsunkösten, der ausgelegte Schlag-, Schneid- und Zimmerlohn wieder zum beweglichen Vermögen zu ersetzen. Bei Windbrüchen ist ebenfalls darauf zu sehen, ob deren Menge den gewöhnlichen Holzschlag übersteige oder nicht.

[2, 1] §. 62. Unkörperliche Dinge, als die Jemanden zustehende Schuldforderungen, Rechtsklagen und andere Gerechtigkeiten gehören zwar auch zu den Sachen. Allein diese sind ihrer Natur nach weder beweglich noch unbeweglich, sondern erhalten ihre ganze Wesenheit von den Gesetzen; doch folgen sie der Natur der Sache, worauf sie sich beziehen, oder welcher sie ankleben. Wir wollen aber, daß, wo es auf die Abtheilung des beweglichen und unbeweglichen Vermögens ankommt, niemals etwas unter dem Vorwande eines wie immer Namen habenden Rechtes oder Gerechtigkeit für eine dritte Gattung der Habschaften ausgedeutet, sondern alle dergleichen sich auf die Sachen beziehende Rechte mit derselben entweder für beweglich oder unbeweglich gehalten werden sollen; außer, wenn einige Rechte durch Vertrag oder letztwillige Anordnungen von dem beweglich- und unbeweglichen Vermögen deutlich ausgenommen wären.

[2, 1] §. 63. Alle Rechte mithin, die Jemanden an einer beweglichen Sache


(142) zustehen, die Sache selbst möge dadurch behaftet werden oder nicht, sind mit diesen ihrem Gegenstande für beweglich zu achten; hingegen können die über unbewegliche Sachen gebührende Rechte nur alsdann für unbeweglich gehalten werden, wenn die Sache selbst dadurch behaftet wird, nemlich, wenn ein solches Recht nach Unserer unten näher folgenden Ausmessung in den Landtafeln, Stadt- oder Grundbüchern behörig einverleibet ist. Wenn jedoch das Recht zwar nicht einverleibet, doch auf die Einverleibung gerichtet ist, oder wenn die Handlung alle zu dieser Einverleibung nöthige Erfordernisse an sich hat, so solle ein solches Recht bedingnißweise und auf diesen erfolgenden Fall für unbeweglich gehalten werden. Hieher gehören die Schuldforderungen, für welche ein liegendes Gut zu einer Hypothek verschrieben ist, wenn dieselbe bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbuche entweder einverleibet sind oder doch einverleibet werden können; dahingegen sind die in den öffentlichen Creditscassen Unseres Staates anliegende Capitalien ohne allen Unterschied für bewegliche Sachen zu halten.


(143) Zweites Capitel.

Von dem Eigenthume.

[2, 2] §. 1. Das vornehmste unter allen Rechten, so Unsere Unterthanen unter dem Schutze Unserer Gesetze genießen, ist das Eigenthum. Wer das Eigenthum einer Sache hat, der kann die Sache nach Belieben gebrauchen, Andere von deren Gebrauche ausschließen, die Gestalt der Sache willkürlich ändern, selbe vermindern, verbrauchen, verzehren oder zernichten, wie auch an einen Anderen übertragen. Er genießet alle aus dieser Sache entspringende Herrlichkeit, Bequemlichkeit und allen davon abfallenden Nutzen. Ihm ganz allein werden alle Früchte eigen, so aus seiner Sache erzeuget werden, obwohl der Samen, womit der Acker besäet, oder das Männlein, von deme das Thier trächtig worden, einem Anderen zugehöret hätte.

[2, 2] §. 2. Gleichwie aber der Eigenthümer in Ansehung dieser ihm zustehenden Gerechtsamen durch Verträge oder letztwillige Anordnungen beschränket werden kann, so sind auch dieselbe der Uns beiwohnenden höchsten Gewalt allerdings untergeben, und es beruhet bei Uns mit allen Sachen und Rechten einzelner Personen so zu ordnen, wie es die Nothdurft oder Nutzen des gemeinen Wesens erfordert. Wenn Wir dahero wegen des gemeinen Wohlstandes Unsere Unterthanen in dem Gebrauche gewisser Sachen beschränken, ihnen einen bestimmten Gebrauch vorschreiben und den widrigen Gebrauch verbieten, oder wenn Wir die Erhaltung gewisser Sachen besonders anbefehlen, so darf Niemand deme entgegen handlen. Eben so, wenn es die Nothdurft erforderte, die Sachen selbst zum Dienste des gemeinen Wesens zu gebrauchen, so mag Niemand über die Verletzung seines Rechtes, über einen ihm zugegangenen Schaden oder entzogenen Nutzen klagen; wo Wir jedoch von selbst bedacht sein werden, das Billigmäßige vorzukehren. Noch weniger solle aus Anlaß einer wegen der gemeinen Wohlfahrt eingezogenen, unnütz gemachten oder abgewürdigten Sache, zwischen dem Eigenthümer und einem Dritten, ein wie immer Namen habender rechtlicher Anspruch zugelassen, sondern das Geschehene einem blosen Zufalle gleich geachtet werden, außer, wenn dieser Anspruch aus einer älteren Ursache herrührte.

[2, 2] §. 3. Wenn die Veräußerung einer Sache durch Unsere Gesetze, durch Verträge oder einen letzten Willen verboten ist, so begreift dieses Verbot nicht nur


(144) solche Handlungen unter sich, wodurch das Eigenthum an einen Anderen wirklich und sogleich übertragen wird, sondern auch Alles, wodurch das Eigenthum geschmälert oder zu dessen Verluste in der Folge der Weg gebahnet wird. Hieher gehören alle beharrliche Beschwerungen der Sache durch Dienstbarkeiten, Verpfändungen und andere Rechte. Dahingegen sind jene Handlungen unverboten, welche, ohne die Sache beharrlich zu behaften, blos auf deren Ueberlassung zu einem zeitlichen Genusse, zu einem bestimmten Gebrauche oder andere Bequemlichkeit abzielen; doch währet das einem Dritten an dieser Sache erworbene Recht nicht länger, als das Recht des Verleihenden, und der Nachfolger im Eigenthume ist sonst nicht an die Handlungen seines Vorfahrers gebunden, als insoweit er sein Recht von demselben ableitet.

[2, 2] §. 4. Welche Personen, obwohl sie das Eigenthum haben, dennoch in Veräußerung ihrer Sachen durch Unsere Gesetze beschränket seien, welche Sachen nicht veräußert werden dürfen, welchergestalten die Veräußerung durch Verträge oder letztwillige Anordnungen verboten werden könne, und inwieweit selbe in einem und dem anderen Falle giltig seie, alles dieses, so wie auch die Fälle, worinnen Jemand, der nicht Eigenthümer ist, dennoch die Sache veräußeren möge, sind aus den verschiedenen Stellen dieses Gesetzbuches, wo diese Gegenstände besonders vorkommen, mit Mehreren zu entnehmen.

[2, 2] §. 5. Wir beschützen den Eigenthümer bei den ihm gebührenden Rechten nicht nur alsdann, wenn er sich im rechtlichen Besitze der Sache befindet, durch alle jene Rechtsmittel, deren sich ein Besitzer zu Handhabung und Wiedererlangung des Besitzes gebrauchen kann, sondern auch, wenn er die Sache verloren oder sie ihm von Jemanden vorenthalten würde; so mag er sein Eigenthum gegen einen jeden Besitzer oder Inhaber der Sache, jedoch mit Rücksicht auf den §. 23 geltend machen und diese von ihm zurückfordern.

[2, 2] §. 6. Es möge Jemand die fremde Sache als sein Eigen besitzen oder selbe von einem Anderen in Bestand, zum Gebrauche oder auf dergleichen Art bekommen haben, wofern er nur die Macht hat, selbe zurückzustellen, so kann er von dem Eigenthümer belanget werden; doch kann sich derselbe im letzten Falle von der Klage dadurch entledigen, wenn er Jenen, von deme er die Sache bekommen, namhaft macht. Würde er aber sich, ohne diesen namhaft zu machen oder zur Vertretung anzurufen, in die Rechtsführung einlassen, so ist er Demjenigen, in dessen Namen er die Sache besessen, wenn er sachfällig wird, Rede und Antwort zu geben schuldig.

[2, 2] §. 7. Zwei Fälle sind, worinnen auch Einer, der die Sache nicht besitzet, mit der Eigenthumsklage belanget werden kann. Der erste ist, wenn Jemand, um sich der Klage des Eigenthümers zu entziehen, sich dieser Sache geflissentlich entäußeret hat, es möge vor oder nach erhobener Klage geschehen sein, wofern er nur die Sache fremd zu sein wüßte; doch muß der Kläger sowohl des Beklagten gehabten Besitz, als auch dessen Gefährde erweisen. Diese Gefährde wird bei beweglichen Sachen jedesmal vermuthet, wenn der Beklagte nicht zeigen kann, daß er die Sache auf die von Uns im - Capitel bestimmt rechtmäßige Art erworben habe.

[2, 2] §. 8. In diesem Falle kann der Beklagte sich durch Namhaftmachung des gegenwärtigen Besitzers nicht befreien, sondern dem Eigenthümer stehet frei, ob er den Einen oder den Anderen belangen wolle. Belanget er den gewesenen Besizter, so kann er das, was er von diesem nicht erholet, noch an dem gegenwärtigen


(145) Besitzer ansuchen, wenn dieser der Gefährde theilhaftig war, gleichwie er auch, wenn er den gegenwärtigen Besitzer angegangen, und von selbem die Sache zurückerhalten hätte, oder dieser während der Rechtsführung mit dem gewesenen Besitzer ihm die Sache auszuantworten erbietig wäre, von dem gewesenen Besitzer nicht zwar den Werth der Sache, doch Alles, was bei ihm an Nutzungen oder Zugehörungen zurückgeblieben, abfordern, auch ihn um das belangen kann, um was die Sache in ihrem Werthe verringert worden, wenn er es von Jenem nicht zu erhalten vermag.

[2, 2] §. 9. Der zweite Fall ist, wenn Jemand, der sich in dem Besitze nicht befindet, sich für den Besitzer ausgiebt, und den Eigenthümer zu der Rechtsführung verleitet. Zwar, wenn ein solcher, bevor er sich auf die Klage eingelassen, dieses sein Vorgeben widerrufet, so kann er sich gegen Erstattung der Unkosten entledigen; nachdem er sich aber auf die Klage eingelassen, so findet die Widerrufung nicht mehr statt, außer er könnte binnen der Zeit, da Wir ein solches in der Gerichtsordnung noch gestatten, einen unterlaufenden Irrthum erweisen. Wenn jedoch der wahre Besitzer währenden Rechtsstritte hervorkäme und denselben auf sich nehmen wollte, so ist Ersterer gegen Erstattung aller bis dahin aufgewendeten Unkösten von der Klage zu entlassen.

[2, 2] §. 10. Käme hingegen in einem oder dem anderen Falle der wahre Besitzer erst nach geendigten Rechtsstritte hervor, wo entweder der Eigenthümer von dem Beklagten den Werth schon erhalten, oder doch der rechtliche Spruch schon ergangen ist, so solle dessen Vollziehung deswegen nicht gehindert, sondern Alles eingetrieben werden, was die Eigenthumsklage mit sich bringet. Deme ungeachtet stehet dem Eigenthümer noch frei, die Sache selbst von dem wahren Besitzer anzubegehren; doch wenn er dieselbe erhält, so solle der vorher empfangene Werth, insoweit als solcher seinen erlittenen Schaden übersteigete, ihm nicht zum Gewinnste gereichen, noch auch dem betrüglichen Veräußerer oder dem fälschlichen Vorgeber zurückgestellet, sondern dem gegenwärtigen Besitzer, wenn er ohne Gefährde war, zugetheilet, ansonsten aber zur Strafe der begangenen Gefährde zu Unserer Kammer eingezohen werden.

[2, 2] §. 11. Die Erben des Besitzers können von dem Eigenthümer sonst nicht belanget werden, als wenn sie sich in dem Besitze der angesprochenen Sache befinden, oder etwas davon zu ihren Händen gekommen, oder wenn sie aus einer That des Erblassers dafür zu haften haben.

[2, 2] §. 12. Wer eine Sache aus dem ihm gebührenden Eigenthumsrechte zurückfordert, der muß die Sache, welche er fordert, namentlich und umständlich beschreiben, auch anbei andeuten, ob er die Sache ganz oder was für einen Theil davon ansprüchig mache. Vorzüglich aber hat er zu erweisen, daß er das Eigenthum auf eine von Unseren Gesetzen für hinlänglich anerkannte Art erworben habe. Würde er jedoch mit dem Beweis der von ihm angegebenen Ursach, aus welcher die Sache sein Eigen geworden, nicht aufkommen und deshalben sachfällig werden, so ist ihm nicht verwehret, mit Erweisung einer anderen Ursache eine neue Klage zu erheben.


(146) [2, 2] §. 13. Wenn der Beklagte des Besitzes geständig ist, so bedarf dieser keines weiteren Beweises; wenn er aber den Besitz verneinet, so muß der Kläger denselben in der Folge ebenfalls erweisen. Dahingegen, wenn der Besitz einer solchen Sache, wie sie vom Kläger beschrieben worden, zwar eingestanden, dabei aber vorgeschützet würde, daß es nicht eben dieselbe sei, so solle sich der Beklagte zugleich erbieten, seine Sache zu Behebung des Irrthums dem Kläger vorzuzeigen; widrigenfalls macht er sich verdächtig, und kann nicht nur auf Begehren des Klägers, sondern auch nach Beschaffenheit der Umstände von Amtswegen angehalten werden, die Sache bei Gerichte zu erlegen, und dem Kläger deren Ersehung ohnweigerlich zu gestatten.

[2, 2] §. 14. Mit derlei Gerichtsbefehlen ist auch in allen anderen Fällen vorzugehen, wo der Beklagte den Besitz laugnet, vertuschet und dessen hernach überwiesen wird, oder auch, wo Jemanden außer der Eigenthumsklage daran gelegen wäre, daß ihm eine Sache oder Urkunde vorgezeiget werde, und, wenn die zu Gerichtshanden erlegte Sache wirklich diejenige zu sein befunden wird, welche vom Kläger angegeben worden, so solle dem Beklagten zwar ohnbenommen sein, das ihm daran zustehende Recht der Ordnung nach auszuführen, die Sache selbst aber solle zur Strafe seines Laugnens bis zum Ausgange des Rechtsstrittes in gerichtlichen Beschlage verbleiben.

[2, 2] §. 15. Wenn der Beklagte zur Zeit der erhobenen Klage den Besitz nicht gehabt, während der Rechtsführung aber bis zur Zeit des Urtheils erlanget hätte, so ist er zu deren Zurückstellung zu verhalten, gleichwie er gegentheils, wenn er den Besitz zwar gehabt, doch denselben ohne Gefährde verloren zu haben erweiset, sonst nicht zu haften hat, als auf die Art, wie Wir unten im §§. 17, 18 anordnen.

[2, 2] §. 16. Nachdem der Kläger sein Eigenthum erwiesen, so muß ihm die Sache wieder in seinen Besitz, und zwar dahin, wo selbe ihm entkommen, auf Unkösten des Beklagten und ohne Entgelt zurückgestellet, auch anbei alle Nutzungen, Zugehörungen und was sonst immer den Beklagten in Ansehung der Sache zugekommen, doch die Nutzungen nach der im §. 19 folgenden Ausmessung, übergeben oder ersetzet werden.

[2, 2] §. 17. Wäre aber die Sache nicht mehr vorhanden oder durch einen zugefügten Schaden ganz oder zum Theil unbrauchbar gemacht, in ihrem Werthe verringert und abgewürdiget worden, so solle bei dem Besitzer darauf gesehen werden, ob er die Sache mit wahrer Gefährde und durch Verbrechen an sich gebracht, oder doch selbe fremd zu sein gewußt habe, oder ob er sie ohne Arglist besessen und für sein Eigen gehalten. Ersterer als ein unrechtmäßiger Besitzer hat den Werth der zu Grunde gegangenen Sache und das, um was selbe verringert worden, ohne Unterschied zu ersetzen.

[2, 2] §. 18. Dahingegen wird ein in guter Meinung bestellter Besitzer für den Schaden nicht verfänglich, der sich vor erhobener Klage an der Sache ereignet,


(147) obschon er denselben durch seine Zuthat, doch ohne Gefährde veranlasset hätte. Wenn aber nach erhobener Klage an der Sache ein Schaden geschehen, so hat zwar der Besitzer alsdann dafür zu haften, wenn er denselben durch seine Gefährde, durch seine Schuld oder auch durch seine Zuthat veranlasset hat, nicht auch, wenn der Zufall ohne seine Zuthat erfolget ist, und die Sache dadurch auch bei dem Eigenthümer hätte zu Grunde gehen können.

[2, 2] §. 19. Die Erstattung der Nutzungen ist auf eben den Unterschied zu begründen, ob der Besitzer in guter oder übler Meinung bestellet gewesen. Ersterer macht sich aus dem Besitzrechte alle bis zur Zeit der angestrengten Klage eingesammlete und verzehrte Nutzungen eigen, er möge sie zu seinem eigenen Gebrauche verthan oder an Andere veräußeret haben, und ist desfalls zu keiner Zurückstellung verbunden, obwohl er dadurch bereichert worden wäre. Diejenige aber, welche davon zur Zeit der erhobenen Klage annoch vorhanden und durch die ausgemessene Zeit noch nicht verjähret sind, sammt allen, welche seit dieser Zeit eingegangen, sie mögen verzehret oder noch vorhanden sein, wie auch, welche nach Beschaffenheit der Sachen hätten erhoben werden können, ist er dem Kläger mit der Sache, oder auch alsdann zu erstatten schuldig, wenngleich die Sache ohne seiner Schuld zu Grunde gegangen wäre. Letzterer hingegen muß alle von Zeit der Inhabung eingehobene oder durch seine Schuld und Nachlässigkeit einzuheben unterlassene Nutzungen ohne allen Unterschied ersetzen.

[2, 2] §. 20. Wenn der Werth der Sache zu erstatten ist, da solle derselbe allezeit, wo keine geflissentliche Gefährde fürwaltet, nach der gemeinen Schätzung oder wie der Kläger solchen gewissenhaft beschwören kann, hingegen bei unterlaufender Gefährde, nach der eigenen eidlichen Schätzung, Anständigkeit und Vorliebe des Klägers, jedoch mit vorläufiger Mäßigung des Richters bestimmet werden; eben so sind die verzehrten Nutzungen in dem gemeinen Landpreise anzuschlagen, außer, wenn der Kläger erweisen kann, daß sie höher angebracht worden.

[2, 2] §. 21. Der Eigenthümer ist aber auch seinerseits schuldig, die auf die Sache verwendete Unkösten zu ersetzen, und wollen Wir darüber folgende Richtschnur festgesetzet haben. Dem in guter Meinung bestellten Besitzer müssen alle Auslagen vergütet werden, sowohl welche er auf Erzeugung und Einsammlung der Nutzungen für die Zeit, als er solche dem Eigenthümer zurückzustellen hat, als auch, welche er auf die Sache selbst verwendet hat, wenn sie nothwendig gewesen, oder dem Eigenthümer dadurch ein beharrlicher oder zeitlicher Nutzen verschaffet worden; doch ist bei diesen letzteren der Ersatz nicht nach Maße dessen, was aufgewendet worden, sondern des wirklichen Nutzens zu bestimmen, gleichwie auch der Besitzer jene Unkösten ganz allein zu tragen hat, wovon der Nutzen nur ihm, nicht aber dem Eigenthümer zugekommen. Was zur Pracht und Lust aufgewendet worden, ist zwar der Eigenthümer nicht verbunden zu vergüten, doch stehet dem Besitzer frei, alles dieses, insoweit es ohne Beschädigung der Sache davon abgesöndert werden mag, hinwegzunehmen, gleichwie auch derselbe in den Fällen, wo er einen Ersatz zu fordern befugt ist, nicht ehender zu Räumung des Besitzes verhalten werden mag, als bis dieser Ersatz geschehen.

[2, 2] §. 22. Der unrechtmäßige Besitzer hingegen kann keine anderen Auslagen


(148) zurückfordern, als welche er auf die nothwendige Erhaltung der Sache, dann auf Erzeugung und Einhebung der Nutzungen gemacht hat. Alle übrigen auf die Sache selbst verwendete Unkösten ohne Unterschied, von was für einer Art sie seien, folgen der Sache; doch verstatten Wir ihm deren Hinwegnehmung, wenn sie ohne Beschädigung der Sache geschehen kann, gleichwie auch Jener, der eine fremde Sache mit guter Meinung an sich gebracht und für sein Eigen gehalten, nachhero aber erst, daß sie fremd sei, erkennet hat, alle während der Zeit, da er die Sache für sein Eigen gehalten, gemachte Auslagen in eben jener Maß zurückfordern kann, wie Wir in §. 21 geordnet haben.

[2, 2] §. 23. Wenn der Beklagte erweislich macht, daß er das Eigenthum der angesprochenen Sache auf eine in Unseren Gesetzen begründete rechtmäßige Art erworben habe, so wird eben andurch das Eigenthum des Klägers gänzlich entkräftet, und derselbe kann wider ihn wegen dieser Sache keinen weiteren Anspruch machen; nicht minder ist auch der Beklagte alsdann bei dem Besitze der Sache zu schützen, wenn er entweder von dem Eigenthümer selbst oder von Jemanden, dessen Handlungen der Eigenthümer zu vertreten hat, zum Besitze oder Inhabung der Sache ein wie immer Namen habendes Recht erhalten hätte.

[2, 2] §. 24. Wenn aber auch der Beklagte nichts erweiset, so ist er doch sofort von der Klage loszusprechen, wenn der Kläger seinerseits mit dem Beweise des Eigenthümers nicht aufkommen kann; doch giebt diese Lossprechung dem Beklagten kein mehreres Recht, als er vorhero gehabt, und er bleibet nicht nur dem sich hervorthuenden wahren Eigenthümer verfänglich, sondern der Richter kann auch bei genugsamen Inzichten eines unterwaltenden Verbrechens von Amtswegen gegen ihn verfahren.

[2, 2] §. 25. Wenn es sich ereignet, daß der Eigenthümer bei Zurückforderung seiner Sache von einem Dritten mit einem Anderen zusammenträfe, welcher eben diese Sache wegen des ihm etwa daran zustehenden nutzbaren Eigenthums oder eines anderen Rechtes ansprüchig machte, wovon Wir unten in diesem Theile mit Mehreren handlen werden, so muß der Eigenthümer mit seiner Klage nachstehen und, so lang das dem Anderen an dieser Sache bestellte Recht bestehet, kann Jener deren Ausantwortung zu seinen Händen nicht begehren.

[2, 2] §. 26. Ein Jeder ist fähig das Eigenthum zu erwerben, der durch Unsere Gesetze nicht daran verhindert wird. Jenen, welche aus Mangel des Verstands und Willens durch sich nicht erwerben können, kommen Wir entweder durch die Einwilligung Derjenigen, die Wir zu ihrer Beschützung bestellen, oder auch in solchen Handlungen, die zu ihrem Vortheile gereichen, unmittelbar durch Unser Gesetz zu Hilfe. Auch außer diesen Personen, welche für sich nicht einwilligen können, mag ein Jeder das Eigenthum durch Andere erwerben, wenn die Handlung in seinem Namen vorgenommen worden, und entweder sein Auftrag vorhergegangen oder seine Gutheißung nachgefolget ist.

[2, 2] §. 27. Wenn das Eigenthum einmal rechtmäßig erworben worden, so kann es, so lange die Sache bestehet, auf keine andere Art wieder verloren werden, als wodurch es von einem Anderen erworben wird. Niemand kann sich also des Eigenthums auf eine andere, als Unseren Gesetzen gemäße Art entladen, und wenn Jemand seine Sache hinweggeworfen oder verlassen hätte, so bleibt er dennoch insolange, bis dieselbe von einem Anderen ergriffen und sich zugeeignet wird, auch wider seinen Willen Eigenthümer derselben, und hat für alle Haftungen dieser Sache, wie auch für allen Jemanden dadurch zugefügten Schaden zu stehen.

[2, 2] §. 28. Der Willen, seine Sachen zu verlassen und sich dadurch des Eigenthumes zu entsagen, wird niemals vermuthet, sondern muß von Jenem erwiesen werden, der sich die Sache zueignen will. Wenn aber auch dieser Willen erweislich wäre, so stehet doch einem Jeden die Aenderung dieses Willens so lange frei,


(149) als die Sache noch von keinem Anderen im Besitz genommen worden. Sobald aber ein Anderer dem ehemaligen Eigenthümer vor Aenderung seines Willens zuvorgekommen, so solle derselbe bei seinem an dieser Sache erworbenen Rechte, sowohl wider den vorigen Eigenthümer, als wider Andere, so ihm einen Eintrag thun wollten, geschützet werden.

Drittes Capitel.

Von Erwerbung des Eigenthums durch die Ergreifung einer Sache.

[2, 3] §. 1. Das Recht, welches Uns an den zum öffentlichen Eigenthume gehörigen Sachen zustehet, wie auch das Recht der Privatgüter und Grundbesitzer beschränket sich nicht blos auf diese Sachen, Güter und Gründe selbst, sondern erstrecket sich auf Alles, was unter dem ganzen Umfange des Guts oder Grundes begriffen wird. Hieher gehören wilde Thiere, Meer- oder Flußfische, Vögel, Schalen- und Muschelwerk, wilde Bienen, deren Hönig und Wachs, wilde Baumfrüchte, Harz, Blumen, Kräuter, Wurzeln, Schwämme, Reiserholz, Rohrwerk,


(150) zerstreute, edlere oder gemeinere Erz- und andere Steine, Erdfarben und andere bewegliche oder sich selbst bewegende Kleinigkeiten.

[2, 3] §. 2. Es beruhet also nicht nur bei Uns in Ansehung dergleichen Sachen Unsere gesetzliche Vorsehung zu treffen, und solle desfalls der Landesverfassung, wie auch Unseren in Ansehung der Bergwerke, des Jagens, Fischens, Vogelstellens, Gold- und Silberwaschens und dergleichen besonders erlassenen Verordnungen auf das genaueste nachgelebet werden, sondern auch ein jeder Besitzer eines Guts kann sich des ihm an oberwähnten Sachen gebührenden Eigenthumsrechts frei gebrauchen und Andere davon ausschließen. Wider derlei von den Grundbesitzern getroffene Verfügungen mag sich Niemand mit Fuge Rechtens beschweren, noch deme entgegen handlen, widrigens macht er sich eines Eingriffs in die Rechte des Grundbesitzers schuldig und verfällt in die darauf gesetzte Strafe. Wäre aber der Gebrauch einiger von diesen Sachen entweder durch die Landesverfassung oder Unsere Anordnungen allgemein gestattet, oder auch von Jemanden insbesondere durch Verleihungen, Freiheiten und Verträge rechtmäßig erworben, so kann der Grundbesitzer Niemanden in diesen Gerechtsamen beeinträchtigen.

[2, 3] §. 3. In dem Falle, wo die Sammlung dergleichen Sachen auf die in dem vorigen §. erwähnte Art allgemein gestattet ist, oder wenn Wir nach Unterschied der Orte und Umstände einige von diesen Sachen zum allgemeinen Gebrauche frei lassen, oder auch wenn ein Güterbesitzer sich des an diesen Sachen ihm gebührenden Eigenthumsrechts nicht gebrauchen will, so können selbe aus Unserer und der Grundherren Zulassung von einem Jeden nach Maß dieses Capitels erworben werden. In diesen Fällen genießet Niemand von denen, die den Gebrauch solcher Sachen haben, ein vorzügliches Recht, noch mag der Eine in deme, was Allen freistehet, widerrechtlich gestöret, noch minder ihm Dasjenige, wessen er sich einmal bemächtiget hat, wieder abgenommen werden.

[2, 3] §. 4. Wo nun die Ergreifung oder Sammlung der obangeführten Sachen von Uns oder von den Grundbesitzern entweder offenbar oder stillschweigend gestattet ist, da werden selbe deme eigen, der sie, in der Absicht sich selbe zuzueignen, ergreifet. Diese Absicht wird allzeit vermuthet, wenn der Ergreifende die Sache in seiner Bewahrung behält; dahingegen höret diese Vermuthung auf, sobald er selbe wieder hinwegwirft oder fahren läßt.

[2, 3] §. 5. Die Erblickung allein giebt kein Recht, sondern wer die Sache zuerst entweder durch sich oder durch einen Anderen in seinem Namen körperlich


(151) ergriffen, der hat vor Jenem, der sie zuerst gesehen, den Vorzug. Wenn jedoch Einer dem Anderen, der nicht in seiner Gewalt stehet, die Sache gezeiget, dieser aber selbe zuerst ergriffen hätte, so solle sie zwischen Beiden gemeinschaftlich sein.

[2, 3] §. 6. Für wilde Bienen, deren sich nach Unserer obigen Ausmessung ein Jeder bemächtigen, auch von ihnen Wachs und Hönig sammlen kann, sind nur jene zu halten, welche von entlegenen oder wüsten Orten zufliehen, ohne daß man weiß, ob und von weme sie vorhin gewartet worden; dahingegen befinden sich die in Bienenstöcken verwahrte Bienen in dem Eigenthume Desjenigen, der sie wartet und pfleget. Wer sich also ihres Wachses und Hönigs anmaßet, oder sie selbst entwendet, der begehet einen Diebstahl, und die Ertödtung, Störung oder Vertreibung der Bienen ist auf eben die Art anzusehen und zu bestrafen, wie eine jede andere durch Frevel und Muthwillen zugefügte Beschädigung.

[2, 3] §. 7. Wäre aber Jemand aus seinem Bienenstocke ein Bienenschwarm ausgeflogen, so hat er das Recht, demselben nachzusetzen, ihn, wo er ihn erreicht, zu schöpfen und zurück zu bringen. Diese Befugniß, seinen Bienen auch auf fremden Gründen nachzusetzen, solle zwischen Nachbarn erwiederlich sein. Wenn jedoch der Grund, worinnen der Schwarm sich angesetzet, mit Mauern oder Zäunen umfangen ist, so muß der Grundherr oder Jener, der an seiner Statt auf dem Grunde ist, vorher angegangen werden, und, wenn dieses in der Eile nicht geschehen könnte, so mag zwar der Nachsetzende ohne Gewalt den Grund betreten und den Schwarm schöpfen; doch solle der geschöpfte Schwarm unter den auf die Gewalt ausgesetzten Strafen nicht ehender von dannen getragen werden, bis nicht der Grundherr darum begrüßet worden.

[2, 3] §. 8. Wenn hingegen Jemand seinen ausgeflohenen Bienen nicht nachsetzet, und der Schwarm sich immittelst irgendwo anleget, so kann ihn an freien Orten ein Jeder, und auf fremden Grunde Jener, deme die Benutzung dieses Grundes zustehet, schöpfen; doch solle er ihn nicht ehender als sein Eigen behalten, als wenn der vorige Eigenthümer den Bienen innerhalb vierundzwanzig Stunden nicht nachgesetzet und sie zurückfordert.

[2, 3] §. 9. Auf gleiche Art bleiben zahm gemachte Thiere in dem Eigenthume dessen, deme sie zugehören, und obgleich dieselbe ihm entkommen wären und anderwärts herum irreten, so hat er doch das Recht, ihnen auch auf fremden Gründen, doch allezeit ohne Gewalt und Beschädigung und mit thunlicher Begrüßung des Grundherrn nachzugehen. Wenn ihnen aber gar nicht nachgesetzet, oder das Nachsetzen und der Versuch, sie durch den angewöhnten Ruf, Zeichen oder Lockfraß zur Wiederkehr zu vermögen, vergeblich wird, so solle nach verflossenen sechs Wochen von Zeit des Entkommens dafür gehalten werden, daß sie des Heimkehrens völlig entwöhnet und wieder verwildet seien, so daß sie nach dieser Zeit von Jenem, bei deme sie gefunden werden, nicht mehr abgefordert werden können, außer der vorige


(152) Eigenthümer könnte beweisen, daß der Inhaber während dieser sechs Wochen ihre Ruckkehr geflissentlich verhindert habe.

[2, 3] §. 10. Wer dergleichen Thiere, da er weiß, weme sie zugehören, oder da sie durch angehängte Ringe, Schellen oder andere Zeichen kennbar sind, stehlet, verwundet oder lähmet, der wird nicht nur zum Ersatze des Schadens verbunden, sondern auch nach Beschaffenheit des Unfugs und Muthwillens strafbar. Wenn aber ein solches Thier bei Jemanden von ohngefähr einkäme, so muß er es dem Eigenthümer zurückgeben, oder wenn er ihn nicht weiß, dasselbe entweder von sich lassen oder so lang in seiner Gewahrsame behalten, bis es binnen obiger Zeit zurückbegehret wird; doch ist in diesem Falle der Eigenthümer wegen des darauf gemachten Aufwandes die Schadloshaltung schuldig.

[2, 3] §. 11. Eine ganz andere Bewandtniß hat es mit einheimischen Tauben, Pfauen, Gänsen, Hühnern und anderen Geflügel, welches ordentlicher Weise genähret und genutzet wird, wie auch mit einheimischen größeren und kleineren Viehe, von was für Gattung dasselbe immer sei; dieses, wenn es entflohen ist, muß dem Eigenthümer, wenn er wissend ist, alsobald zur Abholung angezeiget oder ihm, wenn er sich darum meldet, zurückgestellet werden, und ist dabei, wie mit anderen gefundenen Sachen vorzugehen. Wer hingegen dergleichen Vieh oder Geflügel geflissentlich abfängt, abtreibt oder vorenthält, der ist als ein Dieb oder Verhehler fremder Sachen nach Unserer peinlichen Gerichtsordnung zu bestrafen. Wie es aber alsdann zu halten sei, wenn fremdes Vieh an Saaten, Gärten oder sonsten Schaden zugefüget, werden Wir im dritten Theile dieses Gesetzbuches im - Capitel mit Mehreren anordnen.

[2, 3] §. 12. Wenn Wir mit einer fremden Macht Krieg führen, so verfällt Alles, was durch Unsere Waffen von der feindlichen Macht, deren Unterthanen und Soldaten erobert wird, unter Unser höchstes Eigenthum. Die erbeuteten Feldlager, Fahnen, Kriegscassen, Geschütze, Gewehre, Proviant und andere Vorräthe oder feindliche Sachen, so zu Führung des Krieges unmittelbar gewidmet sind, bleiben Uns allzeit vorbehalten. Gleichergestalten beruhet es bei Uns, über die eroberten Ländereien und Gründe Unsere Anordnungen zu erlassen. Was aber andere bewegliche, den feindlichen Unterthanen oder Soldaten insonderheit zugehörige Sachen anbetrifft, da verstatten Wir, daß selbe von Unseren Soldaten oder auch von Unseren übrigen Unterthanen, wenn es zum Abbruche und Entkräftung des Feindes gereichet, nach Maße der von Uns und Unseren Befehlshabern zur Zeit eines Krieges kundgemachten Verfügungen erbeutet, und durch die Erbeutung eigenthümlich erworben werden mögen.

[2, 3] §. 13. Nur alsdann wird an der erbeuteten Sache das Eigenthum erworben, wenn Jemand sie in seine Gewalt und an ein solches Ort bringt, wo er zur selbigen Zeit gegen die feindliche Wiedereroberung gesichert ist. Wenn aber die Beute, bevor sie dahin gebracht wird, ihm wiederum von dem Feinde abgenommen, und von einem Anderen zum zweiten Male erobert würde, so erwirbt der letzte, wenn er sie in Sicherheit gebracht hat, das Eigenthum.


(153) [2, 3] §. 14. Dahingegen wer einige, Unseren Unterthanen zugehörige und ihnen von dem Feinde abgenommene Sachen dem Feinde anwiederum abnimmt oder von ihme während dem Kriege durch was immer für Handlungen an sich bringt, der muß solche dem Eigenthümer zurückstellen; doch kann er von diesem die Schadloshaltung forderen. Wenn aber Jemand derlei Sachen nach geendetem Kriege redlicher Weise an sich gebracht oder auch die während dem Kriege erworbene Sache durch die Verjährungszeit besessen hätte, so solle er wegen des Eigenthums nicht mehr angefochten werden, wenngleich die Erwerbung ganz oder zum Theile gewinnstig gewesen wäre.

[2, 3] §. 15. Wenn Jemanden etwas in einem Aufstande, Meuterei, Auflauf des Volks zu Kriegs- oder Friedenszeiten geraubet wird, so verlieret er dessen Eigenthum nicht, sondern er kann es, wie ein jedes andere gestohlene Gut wieder fordern, und Jene, die sich bei solchen Umständen einer Plünderung schuldig machen oder dazu mitwirken, sind nach Schärfe Unserer peinlichen Gesetze zu bestrafen.

[2, 3] §. 16. Auch wird Niemand seines Eigenthums verlustig, wenn er seine eigenthümliche Sachen unvermerkt durch was immer für einen Zufall verlieret, durch Schiffbruch einbüßet, oder bei einem Sturme in’s Wasser wirft. Wer daher dergleichen verlorne Sachen findet, der kann sich dieselbe, obwohl ihm der Eigenthümer unbekannt wäre, keineswegs zueignen, sondern ist schuldig, allen Fleiß anzuwenden, damit der Eigenthümer von der gefundenen Sache Wissenschaft erhalte; widrigenfalls, wo Jemand die gefundene Sache geflissentlich verhehlen, selbe für die Seinige ausgeben oder bei geschehender Nachfrage verlaugnen würde, so solle er nebst deren Zurückstellung annoch den Umständen gemäß bestrafet werden.

[2, 3] §. 17. Wir wollen aber zur Sicherheit der Eigenthümer hiemit für allgemein angeordnet haben, daß ein Jeder, der etwas findet, so den Werth von zehen Gulden übersteiget, wenn er binnen drei Tägen den Eigenthümer nicht selbst verläßlich erfahren kann, dasselbe nach deren Verlaufe, so bald es sein kann, allda, wo die Sache gefunden worden, dem Gerichte anzeigen solle. Wer dieses unterläßt, der hat nicht nur dem über kurz oder lang sich meldenden Eigenthümer die Sache ohnentgeltlich und ohne Fundlohn zurückzustellen, sondern ladet überdies den Verdacht auf sich, daß er die Sache auf unredliche Art an sich gebracht habe, so daß bei hinzustoßenden anderen hinlänglichen Inzichten wider ihn peinlich verfahren werden kann.

[2, 3] §. 18. Das Gericht hat auf die gemachte Anzeige sofort mit der daselbst üblichen Kundmachung fürzugehen. Inzwischen aber ist die Sache entweder dem Finder, wenn kein Bedenken dagegen ist, zu belassen, oder sonst wo zu getreuer Verwahrung zu hinterlegen, und wenn der hervorkommende Eigenthümer sich zu der gefundenen Sache rechtsgenüglich ausweiset, so ist ihm dieselbe ohne Anstand auszufolgen; doch solle er nicht nur die aufgewendeten Unkosten ersetzen, sondern auch dem Finder, wenn er es begehret, ein mäßiges, nach dem Werthe der Sache und anderen Umständen von dem Richter auszumessendes Fundlohn abreichen.

[2, 3] §. 19. Wo aber der Werth der gefundenen Sache nicht über zehen Gulden beträgt, da wollen Wir zwar den Finder von der gerichtlichen Anzeige und Kundmachung, keineswegs aber von der Schuldigkeit, den Eigenthümer auszuforschen und ihme das Gefundene zurückzugeben, entbunden haben.

[2, 3] §. 20. Wenn die gefundene Sache ohne Verderbniß nicht aufbewahret werden kann, so verstatten Wir bei Sachen von geringen Werthe, daß der Finder selbe zu seinem eigenen Gebrauche und Nutzen verwenden möge, doch mit der Verbindlichkeit,


(154) dem Eigenthümer den erweislichen Werth dafür zu ersetzen. Jene Sachen aber, wo Wir eine gerichtliche Anzeige erfordert haben, sollen öffentlich versteigert und der daraus gelöste Werth gerichtlich hinterleget werden.

[2, 3] §. 21. Wenn jedoch bei geringeren Sachen vom Tage der Findung und bei Sachen vom höheren Werthe vom Tage der gerichtlichen Kundmachung die Verjährungsfrist verflossen ist, und binnen derselben sich Niemand zu deren Eigenthume ausgewiesen hat, so kann im ersten Falle der Finder um diese Sache oder ihren Werth nicht mehr belanget, im zweiten Falle aber solle ihm die Sache oder der Werth auf sein Anhalten gerichtlich zugesprochen, wenn er sich aber binnen einem Jahren nicht darum anmeldet, zu Unserer Kammer eingezogen werden.

[2, 3] §. 22. Was Wir von verlorenen Sachen angeordnet haben, findet auch alsdann statt, wenn Jemand bei einer allgemeinen drohenden Gefahr, oder aus Forcht eines unversehenen Ueberfalles, oder auch wegen besserer Sicherheit und Verwahrung, Geld oder andere Kostbarkeiten oder was es immer sei, an einen geheimen Ort hinterlegt, verbergt oder vergräbt. Dergleichen Sachen bleiben nicht nur in dem Eigenthume dessen, der sie hinterlegt hat, sondern gehen auch auf seine Erben und weitere Nachkommen, und, wenn diese zu erfragen sind, muß ihnen das Gefundene ohnweigerlich zurückgestellet werden; widrigens, wenn Jemand solches Gut, da er dessen Beschaffenheit weiß, gefährlich ausgräbt, oder wenn er es gefunden, für sich behält, so begehet er einen Diebstahl.

[2, 3] §. 23. Wenn hingegen Geld, Gold- und Silbergeschmeide, oder andere durch Länge der Zeit unverderbliche Kostbarkeiten vor so langer Zeit hinterleget, versenket, eingemauert oder vergraben worden, daß der Eigenthümer nach allen Anzeigen längst verstorben und kein Merkmal vorhanden ist, wodurch man in die Erfahrung seiner Erben und Nachkommen gelangen könnte, so ist dieses für einen Schatz zu achten, und Wir wollen dabei zu Vermeidung aller Strittigkeiten in Zukunft folgende Richtschnur vorgeschrieben haben.

[2, 3] §. 24. Niemand, wer der auch sei, solle sich gelüsten lassen, mit ungeziemenden und aberglaubischen Künsten Schätze zu graben, Andere zu derlei sträflichen Unternehmungen zu verleiten, Ort, Gelegenheit und Vorschub dazu zu geben oder wie immer sich eines solchen höchst ärgerlichen Beginnens theilhaftig zu machen, und, wenn auf diese Art, an was für einem Orte es auch sei, etwas gefunden würde, wozu sich kein Eigenthümer gehörig ausweisen kann, so solle es ohne einiger Vergütung des Aufwandes nach Abzug des dem nicht mitbefangenen Eigenthümer zu bleiben habenden Antheils zu Unserer Kammer eingezogen, annebst wider die Uebertreter nach Schärfe Unserer peinlichen Gesetze verfahren werden.

[2, 3] §. 25. Auch ohne unerlaubte Künste ist Niemand befugt, wider Willen des Grundherrn einem Schatze nachzugraben, sondern dieser kann ein solches Unternehmen verbieten, und den Ersatz des ihm in seinem Grunde zugefügten Schadens anbegehren, wo anbei der verübte Unfug, Frevel und Gewalt noch besonders zu bestrafen ist.


(155) [2, 3] §. 26. Mit Bewilligung des Grundherrn oder auf eigenem Grunde ist zwar verstattet einen Schatz zu graben, doch darf dabei weder in der Oberfläche, noch in der Tiefe in einem fremden Grund gefahren 10), keinen Benachbarten auch durch die Grabung auf eigenem Grunde einer Gefahr zugezogen, keinen öffentlichen Gebäuden, Plätzen, Straßen und anderen Werken geschadet, auch das eigene Haus keiner Gefahr des Einsturzes ausgesetzet werden, wenn dadurch Jemanden geschadet, das Ansehen eines Ortes verstellet, oder sonst die öffentliche Bequemlichkeit verhindert würde. Die Obrigkeiten eines jeden Ortes haben hierauf von Amtswegen zu sehen, und die Benachbarten können durch die zu Einstellung neuer Werke geeignete Rechtsmittel ihre Sicherheit und Entschädigung unmittelbar an dem Herrn des Grundes suchen.

[2, 3] §. 27. Ein gefundener Schatz kann nicht für einen Zuwachs oder Nutzen des Grundes gehalten, noch aus dieser Ursache dem Grundeigenthümer einiges Recht dazu erworben werden. Eben so ist die Findung eines Schatzes allezeit ohne Unterschied als ein bloser Zufall anzusehen, deme von Uns gar keine rechtliche Wirkung beigeleget wird, sondern ein Schatz ist ein erbloses Gut und gehöret Uns oder Jenen, welchen Wir zu erblosen Gütern ein besonderes Recht verliehen haben.

[2, 3] §. 28. Wer dahero einen Schatz findet, dieser, wie auch der Herr des Grundes, welcher anbei, wenn er davon Wissenschaft hat, für den ersteren stehen muß, ist schuldig, nach der oben wegen gefundener Sachen enthaltenen Ausmessung denselben binnen drei Tagen dem Gerichte anzuzeigen und einzuliefern. Das Gericht hat den erlegten Schatz ordentlich zu beschreiben und dahin zu sehen, ob etwas aus der Münze, Jahrzahl der Prägung oder aus anderen Umständen entnommen werden könne, wann und von wem dieses Gut hinterleget worden, oder ob dabei die Anzeigen eines solchen Alterthums vorhanden seien, daß die Eigenthümer oder deren Erben nicht mehr entdecket werden mögen.

[2, 3] §. 29. Im ersten Fall ist das Gefundene für keinen Schatz zu achten, sondern damit, wie mit anderen gefundenen Sachen zu verfahren. Würde es aber ein Schatz zu sein befunden, so ist es mit Benennung des Ortes und deutlicher Anzeige, in was derselbe bestehe, und was für Merkmale oder Kennzeichen dabei vorhanden gewesen, öffentlich kund zu machen, und ein Jeder zu Erweisung des etwa daran ererbten Eigenthums fürzuladen. Findet sich Jemand, der diesen Beweis zu Rechte vollführet, so ist ihm der Schatz auszufolgen. Wenn sich aber binnen der Verjährungszeit Niemand gemeldet oder sein Recht nicht hinlänglich erwiesen hätte, so solle der Schatz für ein erbloses Gut erkläret werden.

[2, 3] §. 30. Doch wollen Wir für allgemein festgesetzet haben, daß in dem ersten Falle, wo sich zu dem Schatze ein Eigenthümer ausgewiesen hat, dem Herrn

 

10) Die Textirung dieser Stelle im Entwurfe Hortens lautete: „Doch darf dabei der eigene Grund weder in der Oberfläche, noch in der Tiefe überschritten ….“ Die Aenderung der Redaction wurde durch die am 1. October 1773 herabgelangte kais. Entschließung in der Absicht, größere Klarheit zu erzielen, angeordnet.


(156) des Grundes und dem Finder zusammen die Hälfte des Schatzes nach dem Werthe der gerichtlichen Schätzung zur Belohnung für ihre Mühe und Redlichkeit abgereichet werden solle. In dem Fall aber, wo der Schatz als ein erbloses Gut eingezogen wird, solle derselbe in drei Theile getheilet werden und ein Theil Uns oder Jenem, die nach Maß des §. 27 ein Recht dazu haben, dem Herrn des Grundes aber und dem Finder die zwei übrigen Theile zugehören.

[2, 3] §. 31. Würde sich hingegen Jemand, der einen Schatz gefunden oder auf dessen Grunde er gefunden worden, dieser Unserer Anordnung nicht nachachten, und es äußerten sich genugsame Inzichten eines erhobenen Schatzes, so solle gegen sie von Amtswegen verfahren, und ihnen nicht nur der Schatz abgenommen, sondern sie auch zu Ergänzung dessen, was davon schon verzehret worden, unnachsichtlich verhalten, und über dieses noch nach Beschaffenheit der Umstände bestrafet, dem Angeber aber mit Verschweigung seines Namens derjenige Theil des Schatzes verabfolget werden, welchen Wir oben dem Herrn des Grundes und dem Finder bestimmet haben.

[2, 3] §. 32. Wenn der Schatz wider den Willen des Grundeigenthümers gehoben worden, oder wenn dieser den Schatz selbst gefunden, so gebühret ihm der ganze für den Herrn des Grundes und den Finder zusammen ausgemessene Antheil. Wenn aber derselbe auf fremden Grunde zufällig oder mit Bewilligung des Grundeigenthümers gefunden worden, so gehöret ein Viertel oder ein Drittel dem Grundeigenthümer, es möge einer oder mehrere sein, und das andere Viertel oder Drittel dem Finder oder allen Findern zusammen zu gleichen Theilen. Wird ein Schatz an einem geweiheten oder einer Gemeinde gehörigen Orte gefunden, so bleibt der Antheil des Grundeigenthümers bei dem geweiheten Orte oder der Gemeinde; dahingegen von einem an öffentlichen Orten zufällig oder mit erhaltener Verwilligung erhobenen Schatze solle die ganze Hälfte oder beide Drittel dem Finder gehören, außer, wenn in der gegebenen Verwilligung ein sonstiger Vorbehalt gemacht, oder auch zwischen dem Grundeigenthümer und Finder ein Anderes verglichen worden wäre.

[2, 3] §. 33. Wenn das nutzbare Eigenthum von dem Grundeigenthume abgesöndert ist, so gebühret dieser Antheil Jenem, der das nutzbare Eigenthum hat, nicht aber Einem, dem die blose Nutznießung des Grundes zustehet. Wenn ein Grund verkaufet worden, so gehöret dieser Antheil dem Kaufer, insoweit er die


(157) Gefahr zu tragen hat, obwohl der Grund noch nicht übergeben worden, und wenngleich der Kaufer von diesem verborgenen Schatze Wissenschaft gehabt, und in der Absicht denselben zu heben den Grund gekaufet hätte. Endlich solle bei diesem Antheile nur darauf gesehen werden, wer zur Zeit des erhobenen Schatzes das Eigenthum habe, nicht aber ob dasselbe auflöslich oder widerruflich sei, und weme solches in Zukunft zuzukommen habe.

[2, 3] §. 34. Doch sind Kleinigkeiten, welche nicht wenigstens 200 fl. am Werthe betragen, für keinen Schatz zu halten, sondern mit denselben ist als mit gefundenen Sachen zu verfahren. Wenn sich dahero kein Eigenthümer dazu ausweiset, so haben sie dem Finder zu verbleiben, außer, wenn dieser in fremden Grunde wider den Willen des Grundherrn gegraben oder mit demselben eine Verabredung genommen hätte. Im ersten Falle gehöret das Gefundene dem Grundherrn ganz allein, im zweiten aber hat es bei der Abrede sein Bewenden.

Viertes Capitel.

Von Erwerbung des Eigenthums durch Zuwachs, Vereinbarung und neue Erzeugungen.

[2, 4] §. 1. Wenn zweier Herren Sachen vereinbaret werden, oder eine der anderen zuwächst, oder aus der dem Einen gehörigen Sache von einem Andern eine neue Sache verfertiget wird, so wird dadurch in einigen Fällen das Eigenthum von der einen Seite verloren und von der anderen erworben. Wir wollen aber für alle solche Fälle folgende Regeln vorgeschrieben haben.

[2, 4] §. 2. Wenn man nicht weiß, weme die zugewachsene Sache zugehöret hat, so wird sie Jenem eigen, mit dessen Sache sie sich vereinbaret hat. Wenn also durch die Bewegung eines Flusses oder anderen Wassers unmerkliche Theile Erdreichs von einer Seite abgespület und an die andere angespület werden, so erwirbt


(158) Jener das Eigenthum daran, an dessen Gründen die Anspülung geschehen, oder wenn diese von dem Ufer abgerainet sind, Jener, dessen das Ufer. Wenn hingegen ein ganzes kennbares Stück Erde durch die Gewalt des Stroms abgerissen und an einen anderen Grund angeworfen wird, so verlieret der Herr des Grundes, von welchem es abgerissen worden, nach Maße der unten weiter folgenden Regel dessen Eigenthum nicht ehender, als wenn dasselbe sich mit dem anderen Grunde vollständig vereinbaret hat, oder die Bäume darinnen Wurzel fassen; doch auch alsdann muß der neue Eigenthümer ihn durch den Werth des angewachsenen nutzbaren Erdreichs entschädigen.

[2, 4] §. 3. Eben so gehören die in einem öffentlichen Flusse entstehenden Inseln Denjenigen, die an beiden Seiten des Flusses eigene Gründe haben, außer wo dergleichen Inseln Uns besonders vorbehalten sind. Ist aber der Fluß ein Privateigenthum, so gehöret die Insel Jenem, deme der Fluß gehöret. In allen Fällen jedoch, wo eine Insel zwischen den Eigenthümern der beiderseitigen Gründe zu vertheilen ist, hat die Theilung nach jener Richtschnur zu geschehen, die Wir im ersten Capitel §. 17 in Ansehung des Flusses selbst vorgeschrieben haben, und ist hierbei nur auf den ursprünglichen Stand der Insel zu sehen. Wenn dahero dieselbe ganz in der zu den diesseitigen Gründen gehörigen Hälfte des Flusses entstanden ist, so gehöret Demjenigen, der das Eigenthum daran einmal erworben, auch aller Zuwachs, welcher sich bei dieser Insel nachhero ergiebt, obgleich ein Theil derselben sich nunmehro näher gegen die jenseitigen oder auch ober- und unterhalb gelegene Gründe erstreckete.

[2, 4] §. 4. Dahingegen, wenn durch die Zertheilung des Wassers ein Grund umgeben und zu einer Insel gemacht wird, so bleibet dessen Herrn sein Eigenthum unveränderlich. Wenn aber ein Theil Erdreichs im Flusse hervorkommt und auf der Oberfläche herumschwimmt, so gehöret es insolang zu dem Eigenthume des Flusses, bis es sich entweder mit einem anliegenden Grunde vereinbaret oder durch Anhängung an den Rinnsal eine ordentliche Insel wird, in welchen Fällen es obgeordnetermaßen damit zu halten ist.

[2, 4] §. 5. Wenn ein Fluß für sich selbst, ohne Jemands Zuthat oder Ableitung, seinen vorhin gehabten Gang verläßt, so daß dieser den Namen eines fließenden Wassers verlieret, so kehret zwar der verlassene Rinnsal in das vorige Eigenthum zurück, wenn es erwiesen werden kann. Wo aber dieser Beweis ermanglet, da ist der Rinnsal unter die nächst anstoßende Gründe zu vertheilen, außer diese wären von dem Flußbette abgerainet; alsdann gehöret der ausgetrocknete Rinnsal noch immerfort dem vorigen Eigenthümer des Flusses. Doch sind die anliegenden Gründe nicht um deswillen für abgerainet zu halten, wenn zwischen ihnen und dem Rinnsale die Landstraße ist, wenn nicht eben die Landstraße die Rainen ausmacht.

[2, 4] §. 6. Wenn hingegen der Fluß durch einen gewaltsamen Austritt eine Ueberschwemmung verursachet, so gehet dadurch an den überschwemmten Gründen Niemanden sein Recht verloren, sondern so bald das Wasser wieder zurückweichet, gelanget Alles in seinen vorigen Stand. Wenn aber der Fluß seinen geänderten Lauf beständig hielte, so folgt der neue Rinnsal dem Eigenthume des Flusses, so lange selber seinen Lauf darinnen behält.

[2, 4] §. 7. Den Eigenthümern der Gründe, in welche der Fluß eingebrochen, stehet jedoch frei, sowohl ihre außer dem Flusse befindliche Rainen zu bewahren, als auch die Scheidung der durch den Strom unkennbar gewordenen vorigen Grenzen anzuverlangen. Jener, der die Scheidung begehret, ist für den Kläger und der Andere für den Beklagten anzusehen. Beiden aber liegt ob, ihre vorige Rainen auszuweisen, welche sodann ordentlich zu beschreiben und mit Grenzzeichen an ihren Gründen zu bemerken sind; doch sollen, wo es auf den Beweis derlei vermengter Rainen oder vormaliger Ufer ankommt, keine anderen für wahre Rainen


(159) oder Ufer gehalten werden, als welche wenigstens durch die letzt abgewichenen drei Jahre und achtzehen Wochen ohne Widerspruch bestanden sind.

[2, 4] §. 8. Zu Anbegehrung dieser Grenzscheidung bestimmen Wir die bei liegenden Gütern ausgemessene Verjährungszeit von drei Jahren und achtzehen Wochen von dem Tage an, als der Fluß über die gemeinsamen Rainen zuerst geschritten ist, dieser Austritt möge auf einmal oder nach und nach geschehen sein. Wenn aber binnen dieser Zeit Niemand auf die Scheidung berufen, oder da sich darauf berufen worden, kein Theil die vorigen Rainen rechtsbeständig erwiesen hätte, so solle nicht mehr auf die vorigen Rainen gesehen, noch desfalls ein weiterer Beweis zugelassen, sondern der Fluß selbst für die Rainung gehalten, und dieser neue Rinnsal, wenn er in der Folge wieder vom Flusse verlassen würde, den nächsten Gründen auf die obgeordnete Art zu gleichen Theilen zugesprochen werden.

[2, 4] §. 9. Wer an einem Grunde die Nutznießung oder das nutzbare Eigenthum hat, der hat zwar auch zu Demjenigen ein Recht, was dem Grunde durch die Anspülung zuwächst, keinesweges aber auch zu deme, was durch die Gewalt des Stroms angeworfen wird, noch zu den entstandenen Inseln oder dem verlassenen Rinnsale. Dieses gehöret zu dem Grundeigenthume, außer, wenn Jener zugleich die Nutznießung oder das nutzbare Eigenthum des Flusses hätte, oder wenn ihm Eines oder das Andere besonders eingestanden worden.

[2, 4] §. 10. Wenn aber zweierlei Herren Sachen durch menschliche Zuthat vereiniget werden, so daß man weiß, wem eine jede Sache vor der Vereinigung zugehöret hat, als da fremder Samen gesäet, fremde Pflanzen gepflanzet, aus fremden Bauzeuge ein Gebäu aufgeführet, fremder Zeug beschrieben oder bemalet, zweierlei Herren Sachen mit einander vermischet oder vermenget, oder aus zweierlei Herren Sachen durch die Zusammenfügung ein Ganzes gemacht worden, alsdann ist ferner darauf zu sehen, ob die zwei vereinigten Sachen wieder von einander abgesönderet werden können oder nicht. Bewegliche Sachen werden alsdann für absönderlich gehalten, wenn sie entweder durch die Natur oder Kunst füglich wieder von einander geschieden werden können, oder auch wenn bei vermischten oder vermengten Sachen ein Jeder durch verhältnißmäßige Theilnehmung an dem Ganzen eben Dasjenige wieder zurückerhalten kann, was er vor der Vermischung gehabt. Bei Grund und Boden aber ist alles Jenes für unabsönderlich anzusehen, was im rechtlichen Verstande ein Theil des Grundes wird. Hieher gehöret der Samen, sobald er ausgeworfen worden, Pflanzen und Bäume, sobald sie Wurzel gefasset und alle Gebäude, welche mit dem Grunde unmittelbar oder mittelbar durch Pfeiler, Bögen, Pfähle oder Pürsten zusammenhangen. Bewegliche Gebäude hingegen, die ohne Verletzung von einem Orte an das andere übertragen werden können, wie auch die noch nicht eingewurzelten Pflanzen und Bäume gehören unter die absönderlichen Sachen.

[2, 4] §. 11. Kann die Absönderung füglich geschehen, so behält ein Jeder das Seinige; doch hat Derjenige, ohne dessen Willen die Vereinigung geschehen, auf die Habhaftwerdung seiner Sache ein vorzügliches Recht, und wenn er seine Sache nicht mehr zurücknehmen will, so kann er sie dem Anderen überlassen und an deren Statt, nach dem Unterschiede, ob der Vereinigende die fremde Sache für sein Eigen gehalten oder doch ein Recht zu haben geglaubt, damit so zu handlen, wie er gehandlet hat, oder ob er gewußt, daß er an dieser Sache kein Recht habe, den im


(160) zweiten Capitel §. 20 ausgemessenen Werth fordern. Im Falle einer unterwaltenden Gefährde ist der Vereinigende noch außer deme und allezeit schuldig, allen verursachten Schaden zu ersetzen, so wie er auch nach Beschaffenheit der Gefährde zu bestrafen ist. Könnte aber eine solche Absönderung entweder gar nicht oder nicht ohne merkliche Beschädigung der einen Sache geschehen, so solle Derjenige, dem die vornehmere Sache gehöret hat, auch der Eigenthümer der minder vornehmen Sache werden; doch muß er den gewesenen Eigenthümer entschädigen.

[2, 4] §. 12. Schrift und Malerei ist vornehmer als der Zeug, worauf geschrieben oder gemalet worden, außer wenn die Schrift oder Malerei leicht und ohne Schaden des Schreibers oder Malers wieder ausgebracht werden kann, oder wenn solche Sachen beschrieben oder bemalet worden, die nicht dazu gewidmet sind, sondern deme ohngeachtet ihren Werth und bestimmten Gebrauch behalten. Die Hauptsache, welche durch eine andere ergänzet, verbessert oder ausgezieret wird, ist vornehmer als die Nebensache, wodurch die Ergänzung, Verbesserung oder Auszierung geschehen. Bei vermischten und vermengten Sachen, wenn sie durch die Vermischung ihre vorige Beschaffenheit und Güte verändert haben, oder auch bei anderen Arten der Vereinigung, wo man nicht bestimmen kann, welches die Hauptsache und welches die Nebensache sei, ist die kostbarere Sache für die vornehmere zu halten. Grund und Boden aber ist allezeit vornehmer als Alles, was darauf gesäet, gepflanzet und gebauet worden.

[2, 4] §. 13. Nur der Grund, worauf der Baum gepflanzet ist, bestimmet dessen Eigenthum. Wenn dahero ein in eigenem Boden gepflanzter Baum in den benachbarten Grund Wurzel treibt oder seine Aeste darüber ausbreitet, so wird das Eigenthum nicht verändert; doch ist der Nachbar nicht schuldig, die in oder über seinem Grunde ausgebreiteten Wurzeln und Aeste zu dulden, sondern er kann sie abschneiden oder auch die an den Aesten hangenden Früchte für sich einsammlen. Wenn aber ein Baum auf der Rainung zwischen benachbarten Gründen befindlich ist, so daß man nicht abnehmen kann, auf wessen Grunde der Stamm stehe, so ist ein solcher Baum nach Maße seines über jeden Grund sich erstreckenden Gipfels gemein, und wenn derselbe zufällig ausgerissen oder mit gemeinsamer Einverständniß abgehauen wird, so ist das Holz zwischen diesen Nachbarn gleich zu theilen.

[2, 4] §. 14. Die Entschädigung des gewesenen Eigenthümers ist nach dem Unterschiede zu bestimmen, ob Derjenige, durch dessen Zuthat die Vereinbarung geschehen, die fremde Sache erwerbe, oder ob er seine eigene Sache verliere. Im ersteren Falle muß er dem Anderen eine ähnliche Sache, wie die Seinige war, zurückgeben,


(161) oder wenn dieses nicht sein könnte, oder der gewesene Eigenthümer sich mit dem Werthe begnügen wollte, diesen Werth zahlen, und wenn Jener sich dieser Sache wissentlich angemaßet hat, so wird er annoch auf eben jene Art verfänglich, wie Wir im §. 11 in einem ähnlichen Falle ausgemessen haben. In dem zweiten Falle aber, wenn das Ganze Jenem zufällt, ohne dessen Zuthat die Vereinigung geschehen, hat dieser dem Vereinigenden, wenn derselbe mit Gefährde zu Werk gegangen, nichts zu zahlen, wenn schon die Sache durch die fremde Sache verbesseret oder im Werthe erhöhet worden, und wenn die Sache gegentheils dadurch schlechter worden oder ihm sonst ein Schaden zugegangen wäre, so kann er über die Erhaltung des Ganzen annoch den vollkommenen Ersatz dieses Schadens anfordern. Wenn aber der Vereinigende beide Sachen für sein Eigen oder doch sich zu der mit der fremden Sache vorgenommenen Handlung für berechtiget gehalten, so muß ihm der Andere, der das Ganze erwirbt, so vieles zahlen, als die Sache durch seine Zuthat verbessert worden.

[2, 4] §. 15. Doch kann Derjenige, deme das Ganze eigen wird, zu Behaltung dessen, was ein Anderer mit seiner Sache vereiniget hat, wenn es ihm unnütz oder sonst ungelegen ist, nicht gezwungen werden, sondern ihm stehet frei, ihn zu Absönderung und Hinwegnehmung alles dessen, was nach der Natur abgesöndert werden kann, obwohl es im Verstande Rechtens als unabsönderlich betrachtet wird, anzuhalten. Ueberhaupt aber hat der Eigenthümer der Hauptsache, deme das Ganze ohne seine Zuthat eigen wird, die Auswahl, ob er das Ganze behalten oder Demjenigen, durch dessen Zuthat die Vereinigung geschehen, überlassen und sich mit jener Entschädigung begnügen wolle, welche Wir für den Fall, wo das Ganze dem Vereinigenden zufällt, im §. 14 angeordnet haben.

[2, 4] §. 16. Dahingegen ist auch Jener, der das Eigenthum seiner Sache verlieret, wenn er sich im Besitze des Ganzen befindet, nicht ehender schuldig, selbe auszufolgen, als bis ihm der durch Unser Gesetz ausgemessene Ersatz geschehen, und er kann auch jene Sachen absöndern und hinwegnehmen, weswegen er keinen Ersatz zu hoffen hat, insoweit sie ohne Beschädigung der Hauptsache hinweggenommen werden mögen. Wenn er aber den Besitz verloren, so beruhet nach Maßgab des §. 15 die Wahl bei dem Eigenthümer der Hauptsache, ob er die Sache ablösen oder deren Hinwegnehmung verstatten wolle. Eben so, wenn ein aus fremden Bauzeuge aufgeführtes Gebäu wieder niedergerissen oder zerstöret wird, bevor der Eigenthümer des Bauzeuges seine Entschädigung erhalten, kann er selben wieder zurücknehmen, ohne daß ihm eine Verjährung im Wege stünde; doch ein auf fremden Boden gepflanzter Baum, wenn er gleich nachhero ausgerissen wird, kehret in das vorige Eigenthum nicht mehr zurück.

[2, 4] §. 17. Wenn Jemand aus einer fremden Sache durch seine Arbeit eine neue Sache gestaltet, so solle die neu erzeugte Sache für vornehmer gehalten werden, als die Sache, woraus sie erzeuget worden, und die neue Sache wird Demjenigen eigen, der sie gestaltet hat; doch muß der Eigenthümer der vorigen Sache nach Maßgab des §. 14 entschädiget werden. Wenn aber keine wahre neue Sache erzeuget, sondern blos die in der vorigen Sache bereits erhaltene Gestalt entdecket worden wäre, als da aus fremden Garben Korn gedroschen worden, so behält der vorige Eigenthümer die Sache, oder wenn er selbe in ihrer neuen Gestalt


(162) nicht will, kann er sich eben jener Auswahl gebrauchen, die Wir ihm in §. 15 verstatten.

[2, 4] §. 18. Wenn hingegen ein Dritter zweier Herren Sachen, ohne was Neues daraus zu erzeugen, auf eine von den im §. 10 berührten Arten mit einander vereinbaret, so erlanget er auf keine derselben einen Anspruch, sondern das Eigenthum bleibt nach den oben festgesetzten Regeln bei beiden Herren oder bei einem von ihnen, und der Dritte kann nach Maße seiner guten oder üblen Meinung von einem jeden Herrn um das belanget werden, um was Einer den Anderen belanget haben würde; doch ist er hinwiederum befugt, von Demjenigen, deme die von ihm verbesserte Sache eigen wird, nach Ausweis des §. 14 seine Entschädigung zu fordern. Würden aber zweier Herren Sachen durch einen Zufall dergestalten vermischet, daß sie ihre vorige Beschaffenheit und Güte verlieren, so ist das Ganze nach der obigen Regel Demjenigen zuzusprechen, dessen Sache vom größeren Werthe war, und dieser hat dem Andern so vieles zu vergüten, als durch die Berechnung, was eine jede Sache vor der Vermischung werth gewesen und was das Ganze nunmehro werth sei, auf dessen Antheil ausfällt.

[2, 4] §. 19. Wenn die solchergestalten behaftete Sache von einem der beiden Eigenthümer oder auch von einem Dritten an einen Anderen veräußert und von diesem auf die im sechsten Capitel §. 5 vorgeschriebene Art an sich gebracht worden, so kann er deswegen nicht angefochten werden. Doch bleibt der Veräußerer nach Maße seiner guten oder üblen Meinung auf die im zweiten Capitel §§. 17, 18 ausgemessene Art verantwortlich. Wenn aber der neue Erwerber von diesem Umstande gewußt, und die Sache von einem der beiden Eigenthümer erhalten, so erlangt er kein mehreres Recht daran, als Jener gehabt, von deme er die Sache an sich gebracht; eben so, wenn die Veräußerung von einem Dritten geschehen, hat der Besitzer allen Beiden auf eben jene Art zu haften, wie dieser Dritte ihnen nach Maßgab des §. 18 hätte haften müssen.

[2, 4] §. 20. Alle obigen Regeln beschränken sich nur auf den Fall, wenn Jemand in seinem eigenen Namen aus fremden Zeuge eine neue Sache verfertiget oder eine fremde Sache mit der seinigen vereinbaret. Wenn hingegen ein solches im Namen Desjenigen geschiehet, dem die andere Sache zugehöret, so erwirbt dieser allezeit das Ganze, und wenn der Eigenthümer der fremden Sache in das, was mit derselben geschehen, eingewilliget hat, so ist sich nach der bei dieser Einwilligung gehegten Absicht zu richten.

Fünftes Capitel.

Von Erwerbung des Eigenthums durch willkürliche Uebertragung desselben.

[2, 5] §. 1. Wenn ein Eigenthümer seine Sache an einen Anderen, nach Maßgab Unserer im zweiten Capitel §§. 4 und 26 enthaltenen Anordnung überträgt, so erwirbt dieser letztere alsofort an dieser Sache das Eigenthum. Eine solche Uebertragung


(163) geschiehet nicht dadurch, wenn der Eigenthümer seine Sache verkaufet, vertauschet oder sich auf eine andere Art zu Uebertragung derselben verbindlich machet. Durch dergleichen Handlungen wird nur ein persönliches Recht, die Sache zu fordern, erworben. Nur alsdann wird Jemand Eigenthümer der gekauften oder eingetauschten Sache, wenn dieselbe frei, ohne Gewalt, Furcht, List und Irrthum übergeben und solchergestalten angenommen wird; wo aber ein freier Willen ermanglet, da kann Niemanden etwas erworben werden, obschon die Erwerbung von seiner Seite blos gewinnstig wäre.

[2, 5] §. 2. Nicht durch eine jede Uebergabe wird das Eigenthum übertragen, sondern selbe muß aus einer solchen Ursache geschehen, welche nach Vorschrift Unserer Gesetze auf die Uebertragung des Eigenthums gerichtet ist. Von dieser Art sind alle jene Handlungen, die entweder an sich selbst oder nach der Gesinnung der Handlenden ohne Uebertragung des Eigenthums nicht vollzogen werden können, nicht aber auch, wenn die Sache nur zum Gebrauche, zur Sicherheit übergeben oder ein anderes von dem Eigenthümer unterschiedenes Recht daran bestellet wird. Von allen solchen Handlungen, wie auch von deme, was die Schankungen desfalls in einigen Fällen besonders haben, werden Wir im dritten Theile ausführlicher anordnen.

[2, 5] §. 3. Wenn die Ursache, woraus die Uebergabe geschiehet, auf die künftige Zeit lautet oder mit einer aufschiebenden Bedingniß behaftet ist, so wird durch die Uebergabe das Eigenthum nicht ehender übertragen, als bis die Zeit angekommen oder die Bedingniß erfüllet ist, die Bedingniß möge ausdrücklich dazu gesetzet oder vermöge Unserer Gesetze stillschweigend darunter verstanden sein.

[2, 5] §. 4. Würde aber die Sache von dem Einem aus einer anderen Ursache übergeben, und von dem Anderen aus anderer Ursache angenommen, so ist zu unterscheiden, ob durch die Uebergabe eine vorhero bestandene Verbindlichkeit erfüllet oder eine neue Verbindlichkeit eingegangen werde. Im ersten Falle stehet dieses der Giltigkeit der Uebergabe nicht im Wege, wofern es nur wahr ist, daß die Sache, so übergeben worden, entweder aus der Ursache, aus welcher sie gegeben worden, oder aus der Ursache, aus welcher sie angenommen worden, gebühret habe. Im zweiten Falle hingegen, wenn eine neue Verbindlichkeit eingegangen wird, wo weder der Uebergebende noch der Uebernehmende sich vorher Einer mit des Anderen Gesinnungen vereiniget haben, so giebt die Uebergabe an dieser Sache kein Recht. Wenn jedoch der Uebernehmende nachhero erkläret, daß er die Sache nach Meinung des Uebergebenden annehmen wolle, so gelanget die Uebergabe zu Kräften.

[2, 5] §. 5. Niemand kann eine Sache übergeben, als der sich in dem rechtlichen Besitze derselben befindet. Wenn dahero der Eigenthümer aus diesem Besitze seiner Sache gesetzet ist, so kann er zwar das ihm zustehende Eigenthumsrecht an Jemanden abtreten, die Sache selbst aber nicht übergeben; dahingegen, wenn der Eigenthümer die Sache Jemanden geliehen, vermiethet oder verpfändet hat, so kann er selbe nichtsdestoweniger giltig übergeben, obwohl der Gläubiger oder Pachter sich in deren natürlichen Besitze befindet.

[2, 5] §. 6. Unkörperliche Sachen können zwar mit den körperlichen Sachen, denen sie ankleben, als eine Zugehörung übergeben werden; allein außer diesem findet bei denselben keine wahre Uebergabe statt, sondern, wenn Jemand einem Anderen an seinen eigenen Sachen ein Recht bestellet, so wird dasselbe alsdann für übergeben gehalten, wenn der Erwerbende dieses Recht ausübet und der Bestellende es duldet. Wenn aber Jemand sein ihm an einer fremden Sache gebührendes Recht an einen Anderen übertragen will, so geschiehet es durch die Begebung des Ersten und Abtretung an den Anderen.

[2, 5] §. 7. Die Uebergabe geschiehet bei beweglichen Sachen entweder durch deren leibliche Ueberlieferung aus einer Hand in die andere, oder durch andere


(164) Arten, wenn aus einer That oder sonstigen Kennzeichen der ungezweifelte Wille an Seite des Einen, daß er die Sache übergeben und an Seiten des Anderen, daß er solche übernehmen wolle, hervorleuchtet, als wenn die Sache in dieser Absicht vor Augen geleget und ausgewiesen, oder wenn sie auf Geheiß dessen, deme sie zu übergeben ist, an ein gewisses Ort hingeleget wird, oder wenn der Uebergebende einwilliget, daß der Andere die an einem gewissen Orte befindliche Sache übernehmen möge. Eben so ist es in dem Falle, da die Sache sich vorhero schon in den Händen Desjenigen befindet, deme sie eigenthümlich zu übergeben wäre, an der blosen Erklärung genug, daß dieser selbe als sein Eigen behalten möge, oder auch, wenn die Sache in den Händen dessen, der sie zu übergeben hat, solchergestalten belassen wird, um selbe von nun an nicht mehr in seinem, sondern des Anderen Namen zu besitzen. Nicht minder wird auch alsdann die Sache für übergeben gehalten, wenn die Schlüssel von dem Behältnisse eingehändiget worden, oder wenn dem Kaufer nach geschlossenem Kaufe verstattet wird, die Sache zu bezeichnen, zu versieglen oder eine Wache dazu zu stellen. Vor geschlossenem Kaufe hingegen kann eine solche Bezeichnung oder Versieglung für keine Uebergabe angesehen werden.

[2, 5] §. 8. Unbewegliche Sachen werden zwar ebenfalls übergeben, wenn Einer den Anderen in das Gut einführet und selbst aus dem Besitze weichet, oder die Schlüssel vom Hause, die Kaufbriefe oder andere betreffende Urkunden übergiebt, oder sonst eine auf die Uebergabe abzielende Handlung vornimmt; doch wollen Wir in Zukunft als ein allgemeines Gesetz festgestellet haben, daß bei unbeweglichen Sachen, wie auch bei den auf unbeweglichen Sachen haftenden Rechten keine Uebergabe, kein langer Besitz, kein Erbanfall für sich allein die Uebertragung des Eigenthums, noch auch des rechtlichen Besitzes wirken, sondern hierzu allezeit erforderlich sein solle, daß diese Uebertragung in der Landtafel, in den Stadt- oder Grundbüchern, wo das Gut innen lieget, behörig einverleibet werde.

[2, 5] §. 9. Die Arten, wodurch die Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher bei einer willkürlichen Uebertragung erwirket wird, sind folgende, wenn entweder Derjenige, der an den Anderen ein Gut überträgt oder ihm ein Recht darauf bestellet, durch persönliche Bekenntniß vor Gericht sich dazu bekennet und diese Bekenntniß vorzumerken begehret, oder wenn eine mit den behörigen Feierlichkeiten versehene Urkunde, worinnen die geschlossene Handlung enthalten ist, zur Vormerkung gebracht wird. Ueberhaupt aber hat diese Vormerkung allezeit so zu geschehen, daß daraus sattsam abgenommen werden kann, wann, von wem, aus was für einem Rechte und mit was für Bedingnissen oder anderen Haftungen die Sache oder das Recht an Jemanden gelanget sei.

[2, 5] §. 10. Niemand solle also nach Einführung dieses Unseres Gesetzes für einem wahren und rechtmäßigen Besitzer eines unbeweglichen Gutes gehalten werden, als dessen Eigenthum oder Besitzrecht auf die erstbesagte Art in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket ist, und bevor nicht dieses geschehen, kann ein solcher dieses Gut an niemand Anderen übertragen, sondern die darüber geschlossene Handlung muß ohne Wirkung bleiben, bis des Veräußerers eigenes Recht vorhero festgestellet worden.


(165) [2, 5] §. 11. Jener, auf den das Gut in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern verschrieben und vorgemerket ist, behält dieses sein Recht immerfort, und kann mit dem Gute insolang nach seinem Gefallen ordnen, bis sein Recht bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern wieder aufgelöset und auf einen Anderen übertragen worden. Wenn dahero der Eigenthümer über das Gut verschiedene Anordnungen gemacht hat, so hat jene, welche er früher zur Einverleibung gebracht hat, vor allen später einverleibten Gerechtsamen, wodurch das Gut an einen Anderen gelangen sollte, den Vorzug, wenn schon diese letztere früher erworben, auf die Uebertragung des Eigenthums gerichtet, mit der natürlichen Uebergabe oder mit was immer für einem Vorbehalte, Bedinge und Vorsicht bestärket wären, wofern nur bei der späteren Handlung an Seite des Erwerbenden keine Gefährde unterlaufet; doch bleibet Demjenigen, der mit seinem bereits erworbenen Rechte nachstehen muß, die Erhohlung seines Schadens an deme, der sich ihm verbindlich gemacht hat, allezeit bevor.

[2, 5] §. 12. Wenn Derjenige, von deme das Gut erworben worden, dasselbe entweder selbst durch drei Jahre und achtzehen Wochen mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern ohne Widerspruch besessen hat, oder auch wenn diese Zeit durch den zusammengefügten Besitz mehrerer Vorfahren, von deren Einem das Gut rechtmäßig auf den Anderen gediehen, erreichet werden könne, so solle der neue Erwerber alsofort des Eigenthums vollkommen gesichert sein. Wo aber diese Zeit ermanglet, da kann der neue Erwerber nicht ehender für einen ungezweifelten Eigenthümer gehalten werden, als bis er die an dem Besitze seiner Vorfahren noch abgängige Zeit durch seinen ebenfalls ruhig fortdauernden Besitz erfüllet hat. Bis dahin ist derselbe zwar als ein rechtlicher Besitzer anzusehen, und genießet als ein solcher alle Wirkungen, so aus dem Besitzrechte entspringen; doch kann er von einem Anderen, der an dem Gute ein stärkeres Recht hat als sein Vorfahrer, annoch mit der Eigenthumsklage belanget werden.

Sechstes Capitel.

Von Erwerbung des Eigenthums aus Macht Rechtens.

[2, 6] §. 1. Außer deme, was Wir bereits im vorigen Capitel von der willkürlichen Uebergabe angeordnet haben, sind noch andere Fälle, wo das Eigenthum ohne Uebergabe blos aus Macht Rechtens von Einem auf den Anderen übertragen wird. Dieses geschiehet allezeit, wenn es von einer Seite entweder an dem Willen oder an der Macht, das Eigenthum zu übertragen, ermanglet, und doch die Gerechtigkeit und das gemeine Wohl erfordert, daß dasselbe übertragen werde.

[2, 6] §. 2. Wenn Jemand mit einem Anderen eine auf die eigenthümliche Uebertragung seiner Sache gerichtete Handlung geschlossen, und ihm dennoch die Uebergabe dieser Sache widerrechtlich verweigert, so wird durch den erfolgten richterlichen Spruch, wodurch diesem die Sache zuerkannt wird, sobald derselbe zu Rechtskräften erwachsen, das Eigenthum alsofort ohne weitere Uebergabe übertragen.

[2, 6] §. 3. Doch muß die Sache an sich bestimmet sein. Wenn hingegen dem Kläger ein gewisser Betrag oder auch von einer bestimmten Gattung ein noch unbestimmtes Stück zugesprochen wird, so kann derselbe nicht eher das Eigenthum


(166) erwerben, als bis der Beklagte sich erkläret hat, ob er dieses oder jenes geben wolle. Gleichergestalten, wenn das Eigenthum der eingeklagten Sache dem obsiegenden Theile schon vorhin gebühret hat, so wird durch den richterlichen Spruch blos das ihm vorhero daran zuständige Eigenthum erkläret.

[2, 6] §. 4. Auch alsdann wird das Eigenthum aus Macht Rechtens übertragen, wenn eine mehreren Theilhabern zu unbeschiedenen Theilen gemeinschaftliche Sache oder eine mehreren Miterben angefallene Erbschaft zwischen ihnen gerichtlich getheilet, oder wenn eine Grenzscheidung vorgenommen wird. Durch diese Theilung oder Ausweisung der Theile wird das vorhin Mehreren gemeinschaftlich gewesene Eigenthum an der Sache aufgehoben, und einem Jeden in derjenigen Maße, als ihm für seinen Antheil gebühret, ein besonderes bestimmtes Eigenthum angewiesen. Doch ist in allen Fällen dieses §., wie auch des §. 2 zur steten Richtschnur zu nehmen, daß das Eigenthum unbeweglicher Sachen erst alsdann übertragen werde, wenn der richterliche Spruch nach Unserer Anordnung im vorigen Capitel §. 9 behörig einverleibet worden.

[2, 6] §. 5. Ferner wollen Wir auch wegen der Sicherheit gemeinen Handels und Wandels hiermit für allgemein festgesetzet und verordnet haben, wenn Jemand eine fremde bewegliche Sache in der ungezweifelten und wohl gegründeten Meinung, daß der Veräußerer deren Eigenthümer sei, dergestalten an sich bringet, daß er dagegen etwas von dem Seinigen gegeben oder fahren lassen, welches dem Werthe der Sache beikomme, so solle ein solcher das Eigenthum dieser Sache auf die nemliche Art, als wenn der Veräußerer der wahre Eigenthümer gewesen wäre, alsogleich erwerben.

[2, 6] §. 6. Dieser Erwerbung stehet nichts im Wege, wenn gleich der Veräußerer die Sache fremd zu sein gewußt, oder wenn er dieselbe gar selbst geraubet oder diebischer Weise entwendet hätte. Eine solche unrechtmäßige Innenhabung solle einem dritten unschuldigen Erwerber nicht zu Schaden gereichen, sondern durch die neue untadelhafte Erwerbung gänzlich erloschen sein.

[2, 6] §. 7. Doch ist zu einer solchen untadelhaften Erwerbung die blose Unwissenheit, daß die Sache fremd sei, nicht genug, sondern es müssen dabei solche Umstände zusammentreffen, woraus der Erwerber das Eigenthum des Veräußerers oder wenigstens die Gewalt mit dieser Sache zu schalten und zu walten, vernünftiger und wahrscheinlicher Weise hat vermuthen können. Dergleichen Umstände sind, erstens, wenn es des Veräußerers ordentliches Gewerbe ist, mit solchen Sachen zu handlen oder die ihm zum Verkaufe übergebenen Sachen auszutragen und feil zu bieten; zweitens, wenn derselbe in solchem Vermögensstande ist, daß es von ihm nicht ungewöhnlich scheinen kann, Sachen von dieser Beschaffenheit und Menge eigen zu haben und wiederum hintan zu geben; drittens, wenn wider ihn wegen seines öffentlichen Ansehens und kundbaren guten Namens kein gegründetes Misstrauen sein kann, daß er sich fremder Sachen auf unerlaubte Art anmaßen sollte.

[2, 6] §. 8. Dahingegen ist Niemand gesichert, der außer öffentlichen Marktzeiten von einem fremden unbekannten oder von einem kenntlichen Landlaufer, oder von Jemanden, der kundbarermaßen keine freie Verwaltung seines Vermögens hat,


(167) oder endlich von einem solchen etwas kauft, wider den wegen Ermanglung der im vorigen §. angeführten Umstände ein gegründeter Verdacht fürwalten kann, oder wenn der Verkaufer die Obsorge über fremde Sachen auf sich hat, und aus der Beschaffenheit der Sache geschlossen werden mag, daß selbe nicht ihm, sondern Jenem zugehöre, dessen Gut er verwaltet.

[2, 6] §. 9. Die größte Sicherheit aber solle Jener genießen, der eine öffentlich feil gebotene Sache bei gerichtlichen Versteigerungen oder anderen von Seite des gemeinen Wesens öffentlich oder besonders vorgenommenen Verkäufen erhandlet, außer es wäre mit Hintergehung des Gerichtes etwas nicht dazu Gehöriges dahin gelanget und feil geboten worden, wovon der Käufer gute Wissenschaft gehabt.

[2, 6] §. 10. Diese beide Erfordernissen müssen von Jenem, der sich bei der Sache wider die Ansprüche des vorigen Eigenthümers schützen will, erwiesen werden; doch wollen Wir zur Erprobung der guten und untadelhaften Meinung, womit die Sache erworben worden, sonst keine andere Beweise zulassen, als die Namhaftmachung des Gewährmanns, von dem die Sache verhandlet worden, und dessen rechtliche Ueberführung, im Falle er es in Abrede stellte, oder da die Sache zu Marktzeichen von einem Unbekannten, der nachher nicht mehr zu erforschen wäre, erkaufet worden, das Zeugniß glaubwürdiger Personen, daß diese Sache auf dem Markte öffentlich feil geboten worden. Die Erprobung des um die Sache gepflogenen Handels muß aber so beschaffen sein, daß aus demselben Dasjenige, was für die Sache gegeben oder geleistet worden, abgenommen und zugleich das unverdächtige Betragen des Erwerbers beurtheilet werden könne.

[2, 6] §. 11. Wollte oder könnte hingegen der Besitzer nicht darzeigen, von wem und durch was für eine redliche und entgeltliche Handlung er die Sache an sich gebracht habe, oder es würde befunden, daß die Handlung unstatthaft, verstellet, daß dabei eine außerordentliche Heimlichkeit beobachtet, oder ein sehr geringer Preis unter dem wahren Werthe der Sache bestimmet, oder dieselbe gar ohnentgeltlich erworben worden, oder daß andere bei dem Veräußerer oder bei der Handlung vorwaltende Umstände ihm einen billigen Verdacht hätten erwecken sollen, so ist der vorige Eigenthümer bei seinem ununterbrochenen Eigenthume zu erhalten, und der Beklagte zur Zurückstellung der Sache zu verurtheilen.

[2, 6] §. 12. Wenn eine Sache auf diese vorgeschriebene Art rechtmäßig erworben worden, so ist der neue Eigenthümer nicht nur bei seinem Rechte zu handhaben, wenn er von dem gewesenen Eigenthümer belanget wird, sondern, wenn diesem letzteren die Sache zu Handen kommen wäre, ist jener befugt, selbe von ihm als sein Eigen abzufordern. Wäre aber die Sache in den Händen eines dritten Besitzers, der die vorerwähnte Erfordernissen der rechtmäßigen Erwerbung nicht erweisen könnte, so solle derselbe weder gegen Jenem, der das Eigenthum an dieser Sache aus Macht Rechtens erworben hat, noch auch gegen den ehemaligen Eigenthümer gesichert sein.

[2, 6] §. 13. Der namhaft gemachte und dessen geständige Gewährsmann bleibet Demjenigen, der der Sache verlustiget wird, für den Werth allezeit verfänglich, und kann von Jenem, der die Sache von ihm unmittelbar an sich gebracht hat, wenn


(168) sie diesem abgesprochen wird, aus der Natur der Handlung, von dem vorigen Eigenthümer aber aus einer Folge des Eigenthums belanget werden; doch stehet ihm in diesem letzten Falle frei, sich durch Namhaftmachung seines weiteren Gewährsmannes und Erprobung der mit ihm geschlossenen redlichen Handlung zu schützen, und so weiter, bis man endlich auf einen solchen Veräußerer gelanget, der keine rechtmäßige Erwerbung zu erweisen vermag. Dieser hat sodann dem gewesenen Eigenthümer auf jene Art zu haften, wie Wir im zweiten Capitel nach Maß der vorhandenen oder nicht vorhandenen Gefährde festgesetzet haben.

Siebentes Capitel.

Von Verjährungen.

[2, 7] §. 1. Die Anordnung, so Wir im vorigen Capitel §. 5 erlassen haben, beschränket sich blos auf bewegliche Sachen. Es erfordert aber das gemeine Beste nicht nur bei unbeweglichen Sachen, Rechten und Forderungen, sondern auch bei beweglichen Sachen selbst, bei deren Erwerbung die im vorigen Capitel vorgeschriebene Erfordernissen nicht in voller Maße zusammentreffen, eine weitere Vorsehung, damit die Gewißheit des Eigenthums dereinst hergestellet und der Verewigung der Strittigkeiten vorgebogen werde. Wir wollen also durch gegenwärtiges Gesetz gewisse Zeitfristen bestimmet haben, durch deren Verlauf sowohl erstens das Eigenthum und andere Gerechtsamen an fremden Sachen, wenn Jemand selbe während dieser Zeit ungestört besessen oder ausgeübet hat, erworben, als auch zweitens die Jemanden zustehende Rechte, Forderungen und Rechtsklagen, wenn er sie binnen dieser Zeit nicht ausgeübet oder angebracht hat, verjähret und verschlafen sein sollen.

[2, 7] §. 2. Wir sind aber keinerdings gemeinet, durch die Verjährung die Vorenthaltung fremder Sachen und unrechtmäßige Besitzungen oder ungebührliche Anmaßungen wegen des alleinigen Zeitlaufs zu begünstigen. Wir erfordern dahero zu der ersten Art der Verjährung, wodurch das Eigenthum fremder Sachen oder ein Recht an denselben erworben werde will, folgende Erfordernissen, dergestalten, daß, wo nur eine einzige derselben abgehet, die Verjährung nicht statt haben solle.

[2, 7] §. 3 Erstens muß der Verjährende in der wahren guten Meinung sein, daß die Sache ihm zugehöre, oder er sich dieses Rechtes zu gebrauchen befugt sei; dahingegen, wer die Sache fremd zu sein weiß, oder, da er es wissen könnte, geflissentlich nicht wissen will, der kann sich der Zurückstellung zu keiner Zeit entziehen. Eben so stehet auch einem Verjährenden alles das im Wege, was seine Unwissenheit tadelhaft und sträflich macht, als wenn er Dasjenige nicht zu wissen vorgeben wollte, was er vermöge Unserer Gesetze wissen muß, oder was er selbst gesehen, gehört oder gethan hat.

[2, 7] §. 4. Ein bloser Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erwerbung, er möge vor oder nach derselben hinzustoßen, hindert zwar für sich allein den Lauf der


(169) Verjährung nicht, wenn nicht dem Verjährenwollenden eine Schuld beigemessen werden kann, daß er sich wegen eines ihm bewußten Umstandes, der ihm ein billiges Bedenken hätte erwecken sollen, zu belehren unterlassen habe.

[2, 7] §. 5. Es ist nicht genug, daß Jemand zu der Zeit, da er die Sache an sich gebracht, oder an des Anderen Gute ein Recht auszuüben angefangen, in guter Meinung bestellet gewesen, sondern diese gute Meinung muß die ganze Verjährungszeit hindurch, bis zu deren gänzlicher Erfüllung fortdauern, und wenn der Besitzer auch in dem letzten Augenblicke erfährt, daß die Sache fremd sei, oder daß das Recht ihm nicht gebühre, so verlieret die obschon rechtmäßig angefangene Verjährung alsofort ihre Kräfte. Wenn aber die ganze Verjährungszeit erfüllet ist, so mag von der hernach erhaltenen Wissenschaft, daß die Sache fremd gewesen, keine Frage mehr sein.

[2, 7] §. 6. Zweitens muß eine rechtmäßige Ursache vorhanden sein, aus welcher die Sache auf den Besitzer gediehen oder ihm das Recht bestellet worden. Diese Ursache muß an und für sich zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglich sein, so daß, wenn der Uebergebende oder der Bestellende der wahre Eigenthümer gewesen wäre, der Besitzer andurch das Eigenthum oder das bestellte Recht ungezweifelt erworben hätte. Scheinhandlungen hingegen, verstellte, falsch vorgewendete oder auch irrig vermeinte und blos eingebildete Ursachen sind zur Verjährung nicht zureichend, außer wenn Jemand durch einen gegründeten Irrthum verleitet worden wäre, sicher und ungezweifelt zu glauben, daß er die Sache aus derjenigen rechtmäßigen Ursache, welche doch beiderseits nicht unterwaltet, an sich gebracht habe.

[2, 7] §. 7. Die Rechtmäßigkeit dieser Erwerbungsursache hat allezeit Jener zu erweisen, der sich mit der Verjährung schützen will. Wenn aber diese erwiesen worden, so erwächst daraus die zu Recht bestehende Vermuthung für die untadelhafte Meinung des Besitzers, welche nicht anders als durch Gegenbeweis entkräftet werden kann.

[2, 7] §. 8. Drittens muß der Verjährende durch die ganze Verjährungszeit in ruhigem und ununterbrochenem Besitze sein. An dem natürlichen Besitze der Sache oder deren alleinigen Innenhabung, wegen eines daran gebührenden Rechtes oder anderer Nutzbarkeit, ist es nicht genug, sondern die Sache muß von Jemanden für sich selbst und als sein Eigenthum besessen werden. Welchergestalten aber der Besitz sowohl bei beweglichen als unbeweglichen Sachen, wie auch bei den auf unbeweglichen Gütern haftenden Rechten erlanget werde, ist aus dem - Capitel, §. - und den folgenden zu entnehmen und die Ausnahmen, welche Wir desfalls in Betreff einiger Grundrechte und Dienstbarkeiten von der allgemeinen Regel zu machen befunden, werden bei diesen ihren Gegenständen besonders vorkommen.

[2, 7] §. 9. Die Verjährung ist also durchaus nach dem Besitze abgemessen, und es wird nur soviel verjähret, als besessen worden. Wer dahero ein aus mehreren zusammenhangenden oder geschiedenen Theilen bestehendes Ganzes verjähren will, muß auch alle diese Theile besessen haben.

[2, 7] §. 10. Wenn der Besitz während der Verjährungszeit unterbrochen wird, so wird der Lauf der Verjährung gehemmet. Dieses geschiehet nicht nur alsdann, wenn der Eigenthümer vor vollendeter Verjährungszeit sein Recht auf jene Art, wie Wir im §. 43 und den folgenden das Mehrere anordnen, verwahret, sondern auch, wenn der Verjährende die Sache freiwillig verläßt, oder ihm selbe entwendet, geraubet, oder er von einem Anderen des Besitzes entsetzet wird.


(170) [2, 7] §. 11. Dahingegen ist es keine Unterbrechung des Besitzes, wenn die Sache, es sei durch lebzeitige Handlungen oder durch Erbfolge von einem Besitzer an den anderen gelanget, sondern, wenn der Eine die Sache mit allen zur Verjährung nöthigen Erfordernissen besessen hat, so können seine Nachfolger, wenn auch bei ihnen kein Mangel unterwaltet, die von Jenem angefangene Verjährung mit Zurechnung seiner Besitzzeit fortsetzen und endigen. Dem Erben aber gehet nicht allein jene Zeit zu Guten, da der Erblasser die Sache besessen, sondern auch die ganze Zeit, da die Erbschaft unangetreten gelegen.

[2, 7] §. 12. Wer die Sache freiwillig verlassen hat, und ihrer hernach wieder habhaft wird, der muß die Verjährung von Neuem anfangen. Wenn aber Jemanden die Sache entwendet wird, und er sie hernach unmittelbar von dem unredlichen Besitzer wieder zu Handen bringt, so verlieret er seine vorige Besitzzeit nicht, und auf gleiche Art kann auch der Nachfolger, wenn er die seinem Vorfahren entwendete Sache unmittelbar wieder zurückerhält, dessen Besitzzeit zu der Seinigen hinzurechnen. Dahingegen, wenn ein anderer redlicher Besitzer die Sache in der Zwischenzeit besessen hätte, so ist die Besitzzeit des ersten Besitzers gänzlich verloren, und wenn die Sache gleich von ihm oder von seinem Nachfolger wieder zu Handen gebracht wird, so müssen sie doch die Verjährung von Neuem anfangen. Gleichwie auch überhaupt in allen den Fällen, wo dem Nachfolger die Besitzzeit seines Vorfahrers nicht zu statten kommen kann, ihm allezeit unbenommen bleibet, die Verjährung durch sich selbst anzufangen, wenn in seiner Person kein Mangel unterwaltet.

[2, 7] §. 13. Der Besitz muß allezeit von dem Verjährenden erwiesen werden. Wer aber den rechtmäßigen Anfang desselben und annebst die gegenwärtige Innenhabung der Sache erweiset, oder doch, daß er selbe bei erfüllter Verjährungszeit im Besitze gehabt, von deme wird vermuthet, daß er die ganze Zeit hindurch im Besitze gewesen sei, wenn nicht vom Gegentheile das Widerspiel erprobet wird.

[2, 7] §. 14. Dieses sind die besondere Erfordernissen zu allen jenen Verjährungen, wodurch an fremden Sachen das Eigenthum oder ein anderes Recht erworben wird. Dahingegen bei der zweiten Art der Verjährungen, wodurch nichts Neues erworben, sondern nur die einem Anderen zustehende Rechtsforderung ausgeschlossen und dessen Recht unwirksam gemacht wird, mag weder von einer rechtmäßigen Uebertragungsursache, noch von einem Besitze die Frage sein. Was jedoch die gute Meinung Desjenigen betrifft, der den Anderen von dem ihm gebührenden Rechte ausschließen will, so wird dieselbe bei dieser Art der Verjährung nicht erfordert. Eben dieses solle in Contracten Platz greifen, wenn keiner von beiden Theilen binnen der unten ausgemessenen Zeit seine Verbindlichkeit erfüllet, noch auch auf


(171) die gegenseitige Erfüllung des Contractes gedrungen hat. Dahingegen, wenn ein Theil seine Verbindlichkeit erfüllet, der andere aber die Erfüllung seiner Gegenverbindlichkeit verzögert hat, so solle einen solchen, der diese ihm ohnstrittig obliegende Verbindlichkeit weiß, so wie auch seine Erben, wenn sie diese Verbindlichkeit wissen, kein Zeitlauf schützen.

[2, 7] §. 15. Weder die eine, noch die andere Art der Verjährung hat statt, bevor nicht die vorgeschriebene Zeit verflossen ist. Wegen Berechnung der Zeit aber sollen folgende Regeln beobachtet werden. Ein Augenblick ist ein untheilbarer Zeitpunkt. Wenn etwas zu geschehen hat, das keinen Verzug leidet, so muß dieses im Augenblicke geschehen, und wenn Wir zu einer Erwerbung keinen Zeitraum aussetzen, so geschieht dieselbe augenblicklich.

[2, 7] §. 16. Die Stunden endigen sich bei gerichtlichen Handlungen mit dem Glockenschlage. Wenn es also auf eine Stunde ankommt, so ist das Recht mit dem letzten Schlage der ausgesetzten Stunde verschlafen.

[2, 7] §. 17. Ein Tag solle allezeit für vierundzwanzig Stunden gerechnet werden, mithin die Nacht unter sich begreifen, wenn nicht ein Anders ausgedrückt und der Tag deutlich auf die Zeit von Sonnen-Aufgang bis Untergang beschränket worden. Wenn jedoch Wir Uns des Ausdruckes gebrauchen, binnen Jahr und Tag, so ist dieses für ein Jahr und sechs Wochen zu nehmen.

[2, 7] §. 18. Eine Woche wird für sieben Tage gerechnet. Durch einen Monat aber sollen 30 Tage verstanden werden, außer wenn ein gewisser Monat benennet worden, alsdann sind so viele Tage zu rechnen, als dieser Monat hat. Wenn eine Zeitfrist von mehreren unbenannten Monaten anberaumet ist, so ist bei dem zweiten Monate jedesmal ein Tag über 30 zu rechnen.

[2, 7] §. 19. Ein Jahr bestehet aus 365 Tagen. Wenn aber ein Schaltjahr einfällt, so ist der Schalttag mit dem nächst vorhergehenden für einen Tag zu achten, folglich das Jahr nicht ehender für verflossen zu halten, als bis der Schalttag gleichfalls verstrichen. Wenn hingegen die Zeitrechnung nach Tagen zu geschehen hat, da gilt der Schalttag für einen besonderen Tag.

[2, 7] §. 20. Die zu Verjährungen ausgesetzte Zeit möge in Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren bestehen, so ist dieselbe nur alsdann für vollendet anzusehen, wenn der letzte Tag vollkommen zurückgeleget ist; doch mit Ausnahme jener Klagen und Rechtsforderungen, die binnen einer bestimmten Zeit bei Gericht angebracht werden müssen, wie auch all’ solcher Fälle, wo die Verjährung nicht anders als durch gerichtlichen Widerspruch unterbrochen werden kann. Bei diesen solle der letzte Tag alsdann für vollendet gehalten werden, wenn die zu Einbringung gerichtlicher Eingaben ausgesetzte Stunde verflossen ist.

[2, 7] §. 21. Zur Verjährung beweglicher Sachen bestimmen Wir, von dem Tage der geschehenen Uebergabe an zu rechnen, ein Jahr. Wenn die Erwerbung mit den im vorigen Capitel vorgeschriebenen Erfordernissen geschehen, so bedarf es gar keiner Verjährung; allein, wenn an diesen Erfordernissen ein Mangel unterwaltet, so solle der Besitzer nach Verfließung eines Jahres gesichert sein.

[2, 7] §. 22. Liegende Güter, so wie auch die auf liegenden Gütern haftende Rechte werden von dem Tage an, daß die Einverleibung auf den Besitzer in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher geschehen, innerhalb drei Jahren, achtzehen Wochen verjährt; dahingegen, so lange das Gut oder Recht in der Landtafel, Stadt- oder Grundbuche auf den gegenwärtigen Besitzer noch nicht vorgemerket ist, kann er dasselbe zu keiner Zeit verjähren.

[2, 7] §. 23. Binnen eben dieser Zeit von drei Jahren und achtzehen Wochen, wenn Wir nicht in diesem Gesetzbuche eine besondere Ausnahm gemacht haben, sollen auch alle Jemanden zustehende Rechtsansprüche und Forderungen, welche nicht von einem landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Rechte herrühren


(172) gänzlich verjähret und verschlafen sein, wofern sie während dieser Zeit nicht bei Gericht angebracht worden. Inwieweit aber Dienstbarkeiten durch die Verjährung sowohl erworben, als verloren werden können, werden Wir im - Capitel mit Mehreren erklären.

[2, 7] §. 24. Jedermann kann verjähren, der zum Besitze der Sache oder des Rechtes, welches verjähret werden will, fähig ist. Wer hingegen eine Sache zu besitzen unfähig ist, der kann selbe auch niemals verjähren, und wenn Jemand die Besitzfähigkeit erst nachhero erworben hat, so mag auch die Verjährung erst von dieser Zeit ihren Lauf anfangen.

[2, 7] §. 25. Kinder und andere Pflegbefohlene können nach Maß Unserer im zweiten Capitel §. 26 enthaltenen allgemeinen Anordnung die Verjährung durch ihre Vormünder und Curatoren anfangen. Welchergestalten aber Jemand, der die Verjährung durch sich selbst nicht hätte anfangen können, selbe dennoch fortsetzen könne, ist aus dem - Capitel §. - zu ersehen. Durch Andere, die in Jemands Gewalt befindlich sind, oder einen Auftrag erhalten haben, kann zwar auch die Verjährung angefangen werden, doch fängt eine solche Verjährung erst alsdann an zu laufen, wenn Jener, zu dessen Händen die Sache oder das Recht erworben worden, davon Wissenschaft erhalten hat.

[2, 7] §. 26. Wir wollen jedoch von dieser Unserer allgemeinen Anordnung einige Sachen und Gerechtsamen dergestalten ausnehmen, daß sie zu keiner Zeit verjähret werden mögen; bei anderen wollen Wir zwar die Verjährung gestatten, doch dazu eine längere Zeit erfordern. Unter die erste Gattung gehören alle Sachen, die vermöge des ersten Capitels außer Handel und Wandel gesetzet sind; darum solle auch ein freier Mensch in jenen Landen, wo die persönliche Unterthänigkeit eingeführet ist, durch keinen Zeitlauf unter dieselbe gezogen werden, wenn er sich nicht freiwillig unterworfen hat.

[2, 7] §. 27. Auch Unsere eigentliche Domanialgüter und Gefälle und Alles, was zu Unseren landesfürstlichen Hoheiten gehöret, mag unter keinem Vorwande jemals verjähret werden, aus was immer für einer Ursache auch etwas davon aus den Händen Unserer Kammer gekommen wäre, wenn Wir nicht ausdrücklich ein solches Gut oder Recht an Jemanden überlassen haben. In Ansehung erbloser Güter und anderer Fiscalitäten aber solle die gemeine Verjährungszeit allerdings statt haben, und Unser Fiscus keine besondere Begünstigung genießen.

[2, 7] §. 28. Willkürliche Handlungen, die aus der natürlichen Freiheit von eines Jeden freien Willen abhangen, sind ihrer Natur nach unverjährlich. Wenn dahero Jemand durch noch so lange Zeit seinen Acker nicht gebauet, oder offene Wege und Straßen nicht bewandelt hätte, so verlieret er doch diese Befugniß nicht. Ebenso, wenn Jemand sein Getreide noch so lange Zeit auf einer gewissen Mühle mahlen lassen, oder in einem Gasthause immerfort eingekehret, kann er doch niemals verhindert werden, eine andere Mühle oder Gasthaus vorzuwählen. Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit allen nachbarlichen Dienst- und Freundschaftsbezeugungen, also, wenn Einer dem Anderen aus bloser Freundschaft den Durchgang über seine Gründe, die Viehweide oder das Jagen erlaubet, so mag diese Erlaubniß zu allen Zeiten widerrufen werden.


(173) [2, 7] §. 29. Doch können alle diese Handlungen verjährlich werden, wenn Jemanden die Ausübung solcher willkürlichen Handlungen von einem Anderen verboten wird, und Ersterer durch die ausgemessene Verjährungszeit bei diesem Verbote beruhet, oder gegentheils, wenn der Nachbar die gegebene Erlaubniß widerrufen hätte, und der Andere, des geschehenen Verbotes ohngeachtet, dennoch durch die Verjährungszeit in dem Gebrauche fortführe, ohne daß der Verbietende während dieser Zeit ferner widersprochen hätte.

[2, 7] §. 30. Auch jene Handlungen werden durch keine Verjährung ausgeschlossen, die Jemand durch einen Vertrag oder sonstige besondere Befugniß auszuüben berechtiget ist, als die Gerichtsbarkeit, die Bräu- oder Schankgerechtigkeit, die ohne Bestimmung einiger Zeit vorbehaltene Ablösung der Haftungen eines Guts, außer in solchen Fällen, wo das angebührende Recht durch den Nichtgebrauch von selbsten erlöschet, oder wo durch Unsere Gesetze ein Anderes ausgemessen ist, oder wenn auf die im vorhergehenden §. erwähnte Art das Verbot des einen und das Stillschweigen des anderen Theils hinzutritt. Wenn hingegen durch eine Handlung erst ein gewisses Recht erworben werden will, so unterlieget selbe der Verjährung, wenn sie nicht binnen der durch Unsere Gesetze bestimmten Zeit ausgeübet worden.

[2, 7] §. 31. Ebenso solle auch zu Kriegs- und Sterbezeiten oder bei einem anderen allgemeinen Nothstande, weswegen die Rechte ihren Lauf nicht haben, sodann wider Jene, so durch Entführung, widerrechtliche Anhaltung oder sonstige rechtmäßige Ehehaften zu klagen verhindert werden, wie auch wider eine liegende, noch nicht angetragene Verlassenschaft oder wider ein vergantetes Vermögen, wenn die Vergantung darüber ordentlich kund gemacht worden, so lange diese Ehehaften währen, keine Verjährung laufen.

[2, 7] §. 32. Hieher gehören auch die Güter und Rechte der Waisen, Minderjährigen und anderer pflegbefohlenen Personen, und Wir wollen selbe, insolange wider sie weder eine Verjährung angefangen, noch auch die wider ihren Vorfahrer angefangene fortgesetzet werden könne. Nach aufhörendem Hindernisse aber mag sowohl die Verjährung angefangen, als auch die bereits angefangene durch so


(174) viele Zeit, als derselben zu ihrer Erfüllung annoch abgehet, vollendet werden. Dahingegen genießen die zu Unterhaltung der Armen, Andachtsübungen und anderen gottseligen Werken gehörige Güter, wie auch die Güter der Verschwender keines Vorzugs, sondern in Ansehung ihrer hat es bei den für allgemein ausgesetzten Fristen, wie auch bei dem ununterbrochenen Laufe der Verjährung zu verbleiben.

[2, 7] §. 33. Auch wider Abwesende lauft keine Verjährung. Für abwesend aber ist Jener zu halten, der sich außer dem Lande befindet, wo wider ihn etwas verjähret werden will; doch solle keine andere Abwesenheit wider die Verjährung schützen, als welche durch Unsere Kriegsdienste oder durch andere von Uns oder Unseren nachgesetzten Stellen aufgetragene Verrichtungen veranlasset worden.

[2, 7] §. 34. Entlehnte, gemiethete, hinterlegte und zum Pfande gegebene Sachen können von deme, der sie zu seinen Handen empfangen, niemals verjähret werden. Wenn aber dieser gestorben und seine Erben derlei Sachen für ein dem Verstorbenen eigenthümlich zugehöriges Gut ansehen und besitzen, so mögen sie selbe verjähren. Doch ist es an der zu Verjährung beweglicher Sachen ausgemessenen Zeitfrist nicht genug, sondern sie müssen dieselbe durch die ganze Zeit als ein ererbtes Gut besessen haben, welche zu Verjährung persönlicher Rechtsforderungen in §. 23 vorgeschrieben ist. Wenn jedoch die Erben eines Gläubigers nach dieser Zeit die von dem Verstorbenen an den Schuldner gehabte Schuldforderung in Erfahrung bringen, so mögen sie dieselbe nicht mehr eintreiben, außer wenn sie das empfangene Pfand herauszugeben erbietig sind.

[2, 7] §. 35. Ein Schuldner, der einem Anderen aus was immer für einem Contracte wissentlich etwas schuldig worden, kann diese seine Schuld niemals verjähren;


(175) unwissende Schulden hingegen werden nach drei Jahren achtzehen Wochen verjähret. Was aber Kaufmanns-Auszügel und mehrere derlei Schulden insbesondere anbetrifft, deren Beweis nicht auf einem von dem Schuldner ausgestellten Schuldscheine oder sonstigen Anerkenntniß, sondern auf den Büchern des Gläubigers selbst beruhet, da solle dieser Beweis durch Verlauf eines Jahres ganz entkräftet sein.

[2, 7] §. 36. Wenn eine Schuld in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet ist, so kann sie auch von den Erben des Schuldners nicht verjähret werden; außer diesen aber solle dieselbe nach drei Jahren achtzehen Wochen von dem Absterben des Schuldners, oder im Falle die bedungene Zahlungszeit alsdann noch nicht verfallen wäre, von der Verfallszeit an zu rechnen, wenn die Erben von dieser Schuld nichts wissen, und selbe weder gerichtlich, noch gütlich eingemahnet, doch auch von ihnen durch Abführung der Zinsen oder auf andere Art anerkennet worden, verschlafen sein. Wenn jedoch der Gläubiger ein Pfand in Händen hat, so können die Erben des Schuldners dasselbe nicht anders zurückbegehren, als wenn sie die Schuld zahlen. Wenn sie hingegen das Pfand zurücklassen wollen, so kann der Gläubiger sie mit keiner anderen Rechtsforderung mehr belangen.

[2, 7] §. 37. Wenn aber bei einer Pfandschuld sowohl der Gläubiger, als der Schuldner todt ist, und die beiderseitigen Erben weder von der Schuld, noch von dem Pfande wissen, so hören nach drei Jahren achtzehen Wochen alle Ansprüche auf. Dahingegen, wenn entweder die Erben des Schuldners von der Schuld oder die Erben des Gläubigers von dem Pfande Wissenschaft haben, ist es in Ansehung ihrer eben so zu halten, wie Wir im §. 34 von dem Falle, wo der Gläubiger todt ist, doch der Schuldner noch lebt, und im §. 36 von dem Falle, wo der Schuldner todt ist, doch der Gläubiger noch lebt, angeordnet haben.

[2, 7] §. 38. Gestohlene und geraubte Sachen können zwar, wenn sie an einen dritten unschuldigen Besitzer gelanget sind, von diesen verjähret werden; allein die Erben eines Diebs oder Räubers, wenn sie schon selbe für ein dem Erblasser eigenthümlich gewesenes Gut halten, sollen sie niemals zu verjähren befugt sein.

[2, 7] §. 39. Wider ein zu Rechtskräften erwachsenes Urtheil, wenn es liegende Güter betrifft und in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket ist, kann keine Verjährung laufen. Wenn aber diese Vormerkung nicht geschehen, und der obsiegende Theil binnen drei Jahren achtzehen Wochen stillgeschwiegen, ohne die Vollstreckung dieses Urtheils anzusuchen, so solle dasselbe erloschen sein. Wegen Verjährung der ergriffenen, aber nicht fortgesetzten Execution werden Wir bei Unserer Gerichtsordnung das Nöthige anordnen.

[2, 7] §. 40. Bei jährlichen Renten, Zinsen und anderen jährlich oder in sonstigen ordentlich ausgesetzten Zeitfristen gebührenden Schuldigkeiten wird eine jede Schuldigkeit


(176) insbesondere durch drei Jahre achtzehen Wochen, von der Verfallzeit an zu rechnen, verjähret, wenn während dieser Zeit keine geschehene Einmahnung erwiesen werden kann. Das Recht selbst aber, wenn es nicht durch die oft erwähnte gerichtliche Vormerkung unverjährlich geworden, solle binnen 30 Jahren von Zeit der letzten Abfuhr, oder wenn keine geschehen, von der Verfallzeit der ersteren verschlafen werden; das Recht möge an sich theilbar oder untheilbar sein.

[2, 7] §. 41. Von den gewöhnlichen Arten der Verjährung ist die unfürdenkliche Besitzzeit unterschieden, wenn Jemand eine Sache oder Recht so lang besessen, daß der Anfang über das menschliche Gedächtniß hinausreicht. Wer diese erweiset, der braucht keine Ursache anzugeben, wodurch die Sache an ihn gelanget sei, sondern eine so lange Besitzzeit hat in sich selbst die Wirkung eines vollen Rechtes und Eigenthums; es muß aber in diesem Falle durch tüchtige Zeugen eidlich erhärtet werden, daß sie die Sache so, wie sie angegeben wird, allezeit gesehen, daß sie es auch von ihren Vorfahren niemals anders gehöret, und daß nach dem allgemeinen Rufe und Meinung die Sache sich allezeit so verhalten habe, ohne daß Jemand sich des Gegentheils erinnere.

[2, 7] §. 42. Doch kann auch die unfürdenkliche Besitzzeit wider die Landtafel, Stadt- und Grundbücher nicht die mindeste Kraft haben, wenn darinnen eines Anderen Recht vorgemerket ist. Allein, außer dieser Einverleibung sollen keine anderen, wie immer Namen haben könnende Urkunden wider die erwiesene unfürdenkliche Besitzzeit in Betrachtung gezogen werden, wenn nicht zugleich die Beobachtung des Widerspiels durch Gegenzeugen erwiesen werden mag.

[2, 7] §. 43. Alle Arten der Verjährung mögen nur alsdann zu ihrer rechtlichen Wirkung gelangen, wenn Derjenige, wider den sie angefangen, selbe während der von Uns ausgemessenen Zeit nicht unterbricht, und sein Eigenthum oder das ihm angebührende Recht durch eine dem Rechte des Verjährenden widerstrebende Handlung sicherstellet. Dieses geschiehet bei beweglichen Sachen und solchen Rechten, welche in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht vorgemerket sind, nicht nur durch gerichtliche Einbringung der Klage, sondern auch durch Einmahnung der Schuld, durch einen vor zwei Zeugen gemachten Anspruch und Verwahrung und überhaupt durch Alles, wodurch der Verjährenwollende in die Kenntniß seiner unbefugten Anmaßung versetzet wird.

[2, 7] §. 44. Die Verjährung liegender Güter und landtäflicher, stadt- oder grundbücherlichen Rechte aber sollen auf keine andere Art unterbrochen werden, als wenn der Widerspruch, die Verwahrung oder die sonstige zu diesem Ende vorgenommene Handlung in eben dieser Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern wirklich einverleibet wird.

[2, 7] §. 45. Doch muß sowohl bei beweglichen Sachen binnen sechs Wochen von der Zeit des gemachten Anspruchs, als auch bei liegenden Gütern binnen der in Unserer Gerichtsordnung ausgesetzten Zeit, die Ursache des Widerspruchs mittelst einer ordentlichen Klage bei Gerichte angebracht und rechtsbehörig ausgeführet werden; widrigens, oder auch in dem Falle, wenn der Widerspruch durch richterliches


(177) Urtheil als ungegründet anerkennet und alldorten, wo er vorgemerket war, wieder ausgelöschet würde, hat derselbe keine Wirkung, sondern die Verjährung nimmt ihren Lauf ungehindert fort.

[2, 7] §. 46. Könnte aber Jemand wegen rechtmäßiger Hinderniß binnen der bestimmten Zeit seine Klage nicht einbringen oder sein Recht nicht behörig ausführen, so solle es zwar an der alleinigen Verwahrung seines Rechtes genug sein, doch muß dieselbe bei länger fürdaurenden Hindernissen so oft, als es vor Ablauf der Verjährungszeit nothwendig ist, wiederhohlet und die Klage, sobald als das Hinderniß aufhöret, angebracht und ausgeführet werden.

[2, 7] §. 47. Wenn Zwei oder Mehrere die angesprochene Sache innen haben, oder bei derselben auf andere Art verfangen sind, oder wenn mehrere Mitschuldner in einem Schuldbriefe verschrieben sind, und nur einer derselben wegen der Sache ansprüchig gemacht, oder nur von einem die Schuld gefordert wird, so ist die Verjährung auch sofort wider die Uebrigen unterbrochen; ebenso, wenn der Bürg gemahnet wird, schadet es dem Hauptschuldner und den übrigen Mitbürgern. Dahingegen kommt die Unterbrechung der Verjährung nur Jenen zu statten, welche selbe wirklich unterbrochen, nicht aber Anderen, welche ihr Recht verschlafen haben, wenn sie schon mit dem Unterbrechenden an der Sache einen gleichen Anspruch gehabt hätten.

Achtes Capitel.

Von letztwilligen Anordnungen.

[2, 8] §. 1. Der Eigenthümer kann nicht nur durch lebzeitige Handlungen mit seinem Vermögen schalten und walten, sondern auch eine Anordnung machen, wie es damit nach seinem Tode gehalten werden solle, und wenn Jemand seine letztwillige Anordnung Unseren nachfolgenden Gesetzen gemäß eingerichtet hat, so soll es dabei sein festes Verbleiben haben.

[2, 8] §. 2. Wer noch unvogtbar ist, nemlich Mannspersonen, so das zwanzigste und Weibspersonen, so das achtzehente Jahr, das ist, die erste Stunde des Tages, an welchem sie vor achtzehen oder zwanzig Jahren geboren worden, noch nicht


(178) erreichet haben, der kann keinen letzten Willen errichten, außer wenn Wir Jemanden vor dieser Zeit entweder überhaupt, oder insbesondere um einen letzten Willen zu errichten, die Nachsicht des Alters ertheilet haben.

[2, 8] §. 3. Auch gerichtlich erklärte Verschwender sollen zu Errichtung eines letzten Willens unfähig sein; doch durch die blose Beschränkung in der Verwaltung des Vermögens und durch die Zugebung eines Curators soll diese Befugniß nicht verloren werden. Wir wollen auch den letzten Willen eines gerichtlich erklärten Verschwenders alsdann handhaben, wenn er blos zwischen seinen Kindern und den Nachkömmlingen seiner vorgestorbenen Kinder geordnet hat.

[2, 8] §. 4. Ordensgeistliche, sobald sie die feierlichen Gelübde abgeleget haben, können keinen letzten Willen mehr errichten. Auch wollen Wir jene Ausländer von dieser Befugniß ausschließen, welche aus solchen Landen sind, wo Unseren Unterthanen die Befugniß letztwillig zu ordnen versagt wird. Wegen der unterthänigen Personen lassen Wir es bei den Verfassungen Unserer Erblande bewenden.

[2, 8] §. 5. Missethäter, auf deren Laster die Einziehung des ganzen Vermögens gesetzt ist, werden alsofort nach begangenen Verbrechen zu allen letztwilligen Anordnungen


(179) unfähig, und ihr letzter Willen bleibt unkräftig, wenn sie schon dieses Lasters erst nach ihrem Tode überzeuget würden.

[2, 8] §. 6. Auch andere zum Tode verurtheilte Missethäter, so wie überhaupt alle ehrlosen Leute sollen der Macht, letztwillig zu ordnen, beraubt sein; doch wollen Wir ihnen verstatten, über den vierten Theil ihres Vermögens eine letztwillige Anordnung zu machen. Wenn aber ein solcher Missethäter vor erfolgtem Todesurtheile oder vor der gerichtlich verhängten Ehrlosigkeit verstirbt, so soll sein ganzer letzter Willen bei Kräften bleiben.

[2, 8] §. 7. Selbstmörder, die sich aus bösem Gewissen und Forcht vor der


(180) Strafe oder sonst aus bösem Willen und Vorsatze um das Leben bringen, sind zum Tode verurtheilten Missethätern gleich zu achten. Wenn aber die Unthat nicht vollbracht, oder das böse Gewissen oder der böse Willen nicht erwiesen worden, so schadet es dem letzten Willen nicht. Auch alsdann soll der letzte Willen eines Selbstmörders bestehen, wenn er zwar hernach an der Verwundung, jedoch bußfertig stirbt.

[2, 8] §. 8. Wer letztwillig ordnen will, der muß den dazu erforderlichen Verstand und freien Willen haben. Weme es aber an der gesunden Vernunft gebricht, als einem Rasenden, Blöd- und Unsinnigen, Aberwitzigen, der kann keinen letzten Willen errichten; doch wird die gesunde Vernunft bei Jedermann vermuthet, wo das Gegentheil nicht erwiesen oder gerichtlich entschieden worden.

[2, 8] §. 9. Wenn die Raserei oder der Unsinn des Verstorbenen erwiesen oder sonst bekannt ist, dagegen aber vorgegeben würde, daß er heitere Zwischenstunden gehabt, oder plötzlich zu sich gekommen sei, und in dieser Zwischenzeit einen letzten Willen errichtet habe, so soll doch ein solcher letzter Willen nicht anders bestehen, als wenn der Verstorbene den Tag vor Errichtung des letzten Willens, den Tag der Errichtung und den Tag hernach, mithin dreimal vierundzwanzig Stunden bei Vernunft gewesen, und davon deutliche Kennzeichen gegeben, so daß weder an ihm Merkmale der Sinnlosigkeit verspüret, noch auch aus dem Inhalte des letzten Willens entnommen werden mögen. Wäre aber der Erblasser nach errichtetem letzten Willen vor Verlauf der obbestimmten Zeit verstorben, so soll dieses der Giltigkeit desselben nicht schaden.

[2, 8] §. 10. Wenn hingegen Jemand mit Zugebung eines Curators gerichtlich für einen Unsinnigen erkläret worden, so kann er auch unter dem Vorwande vernünftiger Zwischenstunden nicht anderst letztwillig ordnen, als vor zweien dazu abgeordneten Gerichtspersonen. Diesen soll obliegen, einen oder zween erfahrene Aerzte mit sich zu nehmen, durch selbe den Kranken zu prüfen, ihm vernünftige Fragen vorzulegen, auch ihn insbesondere deutlich darum zu befragen, ob es sein freier Willen sei, letztwillig zu ordnen, oder ob er von Jemanden dazu überredet worden. Alle seine Antworten sollen mit seinen eigenen Worten aufgeschrieben und in dem Gerichtsbuche vorgemerket werden, unter Strafe der Nichtigkeit der ganzen Handlung.

[2, 8] §. 11. Dummheit und Einfalt schadet nicht, wofern Jemand nur so viel


(181) Licht hat, daß er das Wesentliche seines Vorhabens begreift; auch wird der freie Willen durch keine Schwachheit des Leibes, keinen Zufall noch Krankheit, sie möge so heftig und schmerzhaft sein, als sie wolle, verhindert, wenn nur durch deren Gewalt nebst dem Leibe nicht auch das Gemüth angegriffen wird. Würde aber wegen einer solchen plötzlichen Ohnmächtigkeit der Sinne ein Zweifel entstehen, so sollen die angeführten Zeichen nach der gemeinen Erfahrung beurtheilet, oder der Befund der Aerzte darüber eingeholet werden. Wenn jedoch der Kranke von einer solchen Ohnmächtigkeit wieder zu sich gekommen, und einen letzten Willen errichtet hat, so ist blos auf die Zeit der Errichtung zu sehen, und mag die Anordnung des §. 9 dahin nicht gezogen werden.

[2, 8] §. 12. Ebensowenig schadet Trunkenheit, Schwermuth, Traurigkeit, Bestürzung, Zorn oder eine andere Leidenschaft des Gemüths, wenn nicht die völlige Entfernung oder Beraubung der Sinnen zur Zeit des errichteten letzten Willens erweislich ist; auch stehet ein bloser Rath, Anfrage, Erinnerung, Empfehlung, Vorbitte und Zuschmeichlung der Giltigkeit des letzten Willens nicht im Wege.

[2, 8] §. 13. Dahingegen benehmen Zwang, Gewalt und Forcht, listige Ueberredungen, Verstellung, Scherz, Uebereilung und Irrthum den freien Willen; doch muß die eingejagte Forcht widerrechtlich, und so beschaffen sein, daß die Standhaftigkeit eines solchen Menschen, wie der Erblasser war, ihr nicht widerstehen können. In den anderen obberührten Fällen aber muß erwiesen werden, daß der Erblasser bei erkannter List, bei ernsthafter Ueberlegung, besserem Vorbedachte oder bei eingesehenem Irrthum ganz andere Gesinnungen gehabt hätte.

[2, 8] §. 14. An einem blosen Vorhaben, letztwillig zu ordnen, ist es nicht genug, sondern der Willen muß wirklich sein, und annebst deutlich, nemlich schriftlich oder mündlich, nicht aber durch blose Zeichen erkläret werden. Darum können Jene, so von Natur taub und stumm sind, keinen letzten Willen errichten. Wenn jedoch ein Tauber reden kann, oder wenn derselbe, wie auch ein Stummer im Schreiben erfahren ist, so hindert sie nichts, ihren Willen rechtsbeständig zu erklären.

[2, 8] §. 15. Wenn dem Erblasser die Macht letztwillig zu ordnen, oder die gesunde Vernunft abgehet, so ist der letzte Willen ganz und gar ungiltig, und wenn der


(182) Erblasser schon hernach die Befugniß, einen letzten Willen zu errichten, erhielte, oder seiner Sinnen mächtig würde, so gelanget doch der errichtete letzte Willen nicht anderst zu Kräften, als wenn er denselben auf’s Neue auf eine von den unten vorgeschriebenen Arten bestätiget.

[2, 8] §. 16. Würde ein Erblasser nach errichtetem letzten Willen seiner Sinne beraubt, so schadet es dem letzten Willen nicht. Wenn er aber nach errichtetem letzten Willen die Macht letztwillig zu ordnen verlieret, so wird der letzte Willen entkräftet, außer bei einem Ordensgeistlichen, der nach errichtetem letzten Willen die Gelübde ableget. Hätte jedoch ein Erblasser die nach errichtetem letzten Willen verlorne Befugniß zur Zeit seines Todes wieder erhalten, so gelanget der letzte Willen auch ohne eine neue Erklärung wieder zu Kräften.

[2, 8] §. 17. Wenn dem Erblasser der freie Willen in einem Theile seiner letztwilligen Anordnung durch eine von den im §. 13 berührten Ursachen benommen worden, so bleiben die anderen Theile des letzten Willens, bei denen kein Fehler ist, in ihrer Giltigkeit, ebenso, wenn der letzte Willen in einem Theile wegen Dunkelheit oder Zweideutigkeit der Worte nicht hinlänglich erkläret ist, wird dadurch nur jener Theil ungiltig, welcher unverständlich ist; doch soll bei zweifelhaften und dunklen Worten die Anordnung des Erblassers nur alsdann für null und nichtig erkläret werden, wenn dessen Meinung weder durch die eigentliche Bedeutung der Worte, noch durch den Landesbrauch, noch durch die besondere Gewohnheit des Erblassers, noch auch durch die vorhergehende oder nachfolgende Umstände erkläret werden kann.

[2, 8] §. 18. Wenn ein letzter Willen zwar angefangen, doch in seinem ganzen Inhalte nicht vollendet worden, so bestehet derjenige Theil, der bereits vollendet ist, wofern nur dieser Theil an und für sich mit allen von Uns erforderten Beweisen versehen ist.

[2, 8] §. 19. Nicht eine jede Erklärung des Willens soll zu Errichtung eines letzten Willens hinlänglich sein, sondern alle letztwilligen Anordnungen ohne Unterschied, der Erblasser möge darinnen über sein ganzes Vermögen, über einen Theil desselben oder nur über einzelne Sachen geordnet haben, sollen auf eine von den nachfolgenden Arten errichtet werden; widrigens sollen selbe ganz und gar ungiltig sein, ohne daß ihnen ein anderer, wie immer Namen habender Beweis zu statten kommen möge.

[2, 8] §. 20. Wenn Wir mit rechtem Wissen von Jemanden seinen errichteten letzten Willen unmittelbar annehmen oder verstatten, daß er denselben einer von Unseren Hofstellen in einer schriftlichen Urkunde überreiche oder mündlich erkläre, so übertrifft Unsere landesfürstliche Hoheit und Ansehen alle andere Beweise.

[2, 8] §. 21. Nicht minder soll auch jene letztwillige Anordnung ihre vollkommene Rechtsgiltigkeit haben, die der Erblasser vor einem versammelten Gerichte


(183) entweder mündlich erkläret oder in einem schriftlichen Aufsatze überreichet hat; doch muß Derjenige, so seinen letzten Willen auf diese Art errichten will, unumgänglich selbst vor dem Gerichte gegenwärtig sein und kann durch keinen Bevollmächtigten vertreten werden.

[2, 8] §. 22. Wenn der Erblasser seinen letzten Willen mündlich erkläret hat, so soll das Gericht selben alsofort zu Papiere bringen, sodann ihm denselben, oder wenn er dem Gerichte einen schriftlichen Aufsatz überreichet hat, diesen Aufsatz deutlich vorlesen und sein Bekenntniß dazu abnehmen. Nach diesem soll der letzte Willen in einem Umschlage mit dem Gerichtssiegel verwahret, auf der Ueberschrift der Namen des Erblassers und der Tag der Errichtung bemerket, die geschehene Handlung in das Gerichtsbuch eingetragen und die Urkunde allda hinterleget, von dem Inhalte des letzten Willens aber weder auf der Ueberschrift noch in dem Gerichtsbuche die mindeste Meldung gemacht werden.

[2, 8] §. 23. Wäre aber das Gericht zu dieser Zeit, wo Jemand seinen letzten Willen errichten will, nicht versammlet, oder wenn Jemand wegen wichtiger Hindernisse nicht persönlich vor dem Gerichte erscheinen kann, so mag der letzte Willen auch außer der gewöhnlichen Gerichtsstelle vor dem Gerichtsvorsteher und einer Gerichtsperson oder vor zweien von dem Gerichtsvorsteher dazu abgeordneten Gerichtspersonen, nebst einem beeidigten Schreiber errichtet werden; doch soll darüber bei zunächst versammletem Gerichte der Bericht abgestattet und der letzte Willen zur gerichtlichen Vormerkung gebracht werden.

[2, 8] §. 24. Wollte auch Jemand seinen letzten Willen vor Gerichte errichten, und doch dessen Inhalt geheim halten, so verstatten Wir ihm den schriftlichen Aufsatz in einem Umschlage mit seinem Siegel zu verschließen, und so dem Gerichte zu überreichen; doch soll dieser letzte Willen nur alsdann giltig sein, wenn der überreichte Aufsatz von dem Erblasser mit seiner Unterschrift und Petschaft bewähret worden.

[2, 8] §. 25. Die Befugniß, einen letzten Willen aufzunehmen, stehet einem jeden Gerichte zu, welches eine ordentliche Gerichtsbarkeit hat, wenn schon der Erblasser demselben nicht unterworfen ist; doch giebt diese Aufnahme des letzten Willens dem Gerichte kein Recht zu dessen Kundmachung, noch zur Verlassenschaftsabhandlung, sondern selbes ist schuldig, den letzten Willen nach des Erblassers Tode dem dazu befugten Gerichte unversehrt auszufolgen.

[2, 8] §. 26. Unter den außergerichtlich errichteten letztwilligen Anordnungen


(184) wollen Wir jene insbesondere begünstigen, die von dem Erblasser durchaus eigenhändig geschrieben sind. Zu deren Giltigkeit erfordern Wir nichts mehr, als die eigenhändige Unterschrift des Erblassers und dessen Besiegelung.

[2, 8] §. 27. Wollte aber Jemand einen von fremder Hand geschriebenen Aufsatz für seinen letzten Willen erklären, so soll es an seiner alleinigen Unterschrift nicht genug sein, sondern er soll mit eigener Hand bestätigen, daß dieser Aufsatz seinen letzten Willen enthalte, und annebst dasjenige Petschaft beidrücken, dessen er sich in ernsthaften Geschäften zu gebrauchen pflegt. Wäre ihm aber dieses nicht zur Hand, so mag er zwar ein ungewöhnliches oder auch ein fremdes Petschaft beidrücken; allein er soll alsdann mit eigener Hand anmerken, daß er in Ermanglung des gewöhnlichen dieses ungewöhnliche, und wenn es ein fremdes ist, das dem N. N., welcher ausdrücklich zu benennen ist, zugehörige Petschaft gebrauchet habe.

[2, 8] §. 28. Außer einer solchen eigenhändigen Bestätigung soll kein anderer letzter Willen giltig sein, als welcher in Gegenwart zweier Zeugen errichtet worden.


(185) Die Zeugen sollen aber zu diesem Ende eigends berufen, oder wenn sie vorhero mit dem Erblasser versammlet wären, von dieser seiner Absicht deutlich verständiget werden. Sie sollen zugleich, nicht Einer nach dem Anderen, freiwillig und ohngezwungen mit dem Erblasser versammlet sein, so daß sie ihn sehen und hören können. Ferner soll diese ganze Handlung ohnunterbrochen fortgeführet und vollendet, dazwischen aber außer einem kurzen Zwischenfalle keine andere und solche Handlung vorgenommen werden, welche die Aufmerksamkeit des Erblassers oder der Zeugen von diesem Geschäfte abziehen könnte.

[2, 8] §. 29. Will der Erblasser seinen letzten Willen vor den Zeugen geheim halten, so soll er schuldig sein, ihnen den Aufsatz vorzuzeigen und für seinen letzten Willen zu erklären, sodann denselben in ihrer Gegenwart, wenn es nicht schon vorhero geschehen, zu unterschreiben und zu besiegeln oder von Jemanden besiegeln zu lassen. Nachhero soll dieser Aufsatz von den Zeugen gleichfalls in ihrer sämmtlicher und des Erblassers Gegenwart eigenhändig unterschrieben und besiegelt werden; doch stehet dem Erblasser frei, den von ihm unterschriebenen und besiegelten Aufsatz in dem Angesichte der Zeugen in einen Umschlag einzuwicklen und diesen letzteren den Zeugen zu ihrer Fertigung hinzureichen.

[2, 8] §. 30. Die Besiegelung der Zeugen kann von einem im Namen des anderen geschehen, auch kann dazu ein fremdes oder von allen das nemliche Petschaft gebrauchet werden; doch ist ein solches nach Maß des §. 27 eigends anzumerken. Insbesondere aber sollen die Zeugen in jenem Falle, wo ihnen blos der Umschlag des eingewickelten letzten Willens zu ihrer Fertigung gegeben wird, ihre Petschafte auf solche Art darauf drücken, daß die Eröffnung desselben ohne Verletzung ihrer Siegel unmöglich werde.

[2, 8] §. 31. Wäre aber der Erblasser wegen eines Zufalls nicht im Stande, seinen Namen zu unterschreiben, und wollte doch seinen letzten Willen geheim halten, so soll er annoch den dritten Zeugen beiziehen. Dieser soll den von dem Erblasser in Gegenwart sämmtlicher Zeugen eingesehenen und für seinen letzten Willen erklärten Aufsatz auf dessen ausdrückliches Ersuchen mit dessen Namen unterfertigen und dessen Petschaft beidrücken, sodann, daß dieses geschehen, eigenhändig anmerken und seinen eigenen Namen und Petschaft ebenfalls dazu setzen.

[2, 8] §. 32. Dahingegen, wenn Jemand seinen letzten Willen vor den Zeugen nicht geheim halten will, oder in jenen Fällen, wo derselbe vor den Zeugen nicht geheim gehalten werden kann, als da der Erblasser blind oder im Lesen und Schreiben unerfahren wäre, erfordern Wir sonst nichts, als daß derselbe seinen letzten Willen vor zweien Zeugen in einer ihnen wohl verständlichen Sprache mündlich erkläre, oder ein zu diesem Ende verfertigter Aufsatz von ihm oder von einem der Zeugen oder auch von sonsten Jemanden deutlich abgelesen und von


(186) ihm als sein letzter Willen anerkennet werde. Sobald diese Erklärung geschehen, soll ein solcher letzter Willen seine vollkommene Kraft haben.

[2, 8] §. 33. Doch beruhet dieser letzte Willen blos auf dem Glauben der Zeugen, insofern selbe nach des Erblassers Tode noch leben und in ihren Aussagen übereinstimmen. Wäre aber ein solcher Aufsatz auf die obgeordnete Art von dem Erblasser und den Zeugen unterschrieben und besiegelt worden, oder auch, wenn nachhero die Zeugen über den ihnen vorgelesenen Aufsatz ein schriftliches Zeugniß errichtet oder den ihnen mündlich erklärten letzten Willen zu Papiere gebracht und mit ihren Unterschriften und Petschaften bewähret haben, so soll andurch dem letzten Willen der vollkommene Beweis verschaffet werden, wenn schon alle Zeugen vor dem Erblasser verstorben wären.

[2, 8] §. 34. Diese Urkunde mag in Gegenwart aller Zeugen oder nur von einem allein, bei Leben oder nach dem Tode des Erblassers verfasset, und von allen Zeugen zu gleicher Zeit oder von jedem insbesondere zu verschiedenen Zeiten unterfertiget sein, so verändert dieses ihre Wirkung nicht, wofern sie nur von allen Zeugen unterfertiget ist; doch sollen die Zeugen selbe, wo nicht der Erblasser sei in eigene Verwahrung nimmt, bei sich getreulich aufbehalten oder in sichere Verwahrung geben, nach des Erblassers Tode aber der behörigen Gerichtsstelle ohnverzüglich aushändigen.

[2, 8] §. 35. Wenn Jemand einen von fremder Hand geschriebenen Aufsatz für seinen letzten Willen erkläret, so ist es gleichgiltig, von weme derselbe geschrieben sei; doch wollen Wir alle Geistlichen von Verfassung und Schreibung derlei letztwilliger Aufsätze als einem blos weltlichen Gegenstande gänzlich und für allgemein ausgeschlossen haben, und soll ein solcher von einem Geistlichen verfaßte oder geschriebene fremde letzte Willen ganz und gar ungiltig sein.

[2, 8] §. 36. Daß zu dem errichteten letzten Willen die Jahrzahl und der Tag beigesetzet, daß die benannten Summen nicht mit Ziffern, sondern buchstäblich ausgedrücket, und daß, wo der Aufsatz aus mehreren Bögen bestehet, durch alle ein Faden gezogen und die beiden Ende mit versiegelt werden, sind zwar Vorsichtsmittel, doch hangen sie von der Willkür des Erblassers ab.

[2, 8] §. 37. Bei letztwilligen Anordnungen sollen nicht alle jene Zeugen für tauglich anerkennet werden, die sonst überhaupt zum Beweise der Wahrheit tüchtig


(187) sind, sondern nebst Jenen, welche von der Natur dazu unfähig sind, als Vernunft- und Sinnlose, Blinde, Taube und Stumme, oder welche nach Beschaffenheit der Sache ausgeschlossen sind, als ein Schreibens Unerfahrner, im Falle des §. 29, und ein der Sprache des Erblassers Unkundiger, im Falle des §. 32, schließen Wir durch dieses Unser Gesetz annoch Folgende aus, dergestalten, daß ihr Zeugniß, wenn nicht außer ihnen annoch die von Uns erforderten Zeugen oder andere von Uns bestimmte Beweismittel vorhanden sind, zur Giltigkeit des letzten Willens nichts beitragen solle.

[2, 8] §. 38. Nemlich alle ehrlosen Leute, Flüchtlinge, Landstreicher, Ungläubige in dem letzten Willen eines Christen, Weibspersonen, Minderjährige vor zurückgelegtem zwanzigsten Jahre, obschon sie bei erfolgendem Tode des Erblassers dasselbe erfüllet hätten, außer wenn sie von Uns die Nachsicht des Alters erhalten haben, gerichtlich erklärte Verschwender, so lange diese Verschwendungserklärung bestehet, und alle Ordensgeistlichen. Weltgeistliche wollen Wir zwar zum Zeugnisse zulassen, doch müssen sie sich im Erforderungsfalle vor Unsere weltlichen Gerichte stellen.

[2, 8] §. 39. Ferner schließen Wir aus des Erblassers Vater, Großvater, Sohn, Enkel, Mann, Bruder, Stief- und Schwiegervater, Stief- und Schwiegersöhne, ingleichen die in des Erblassers Brod, Sold und Verpflegung stehende Hausgenossen und Dienstboten.


(188) [2, 8] §. 40. Jene, denen in dem letzten Willen ein Erbtheil oder Vermächtniß zugewendet worden, sind zwar in Ansehung der übrigen im letzten Willen enthaltenen Punkte tüchtige Zeugen; doch soll Dasjenige, was ihnen selbst zugewendet worden, sonst keine rechtliche Kraft haben, als wenn der letzte Willen schriftlich errichtet worden, und der Erblasser diesen Punkt insbesondere mit eigener Hand bekräftiget hat. Verehrungen hingegen, welche den Zeugen als Zeugen dargereichet werden, benehmen der Giltigkeit ihres Zeugnisses nichts, wenn sie ihnen gleich im letzten Willen angewiesen worden.

[2, 8] §. 41. Was Wir von Jenen geordnet haben, denen in dem letzten Willen ein Erbtheil oder Vermächtniß zugewendet worden, dieses soll sich auch auf die in ihrem Brod, Sold und Verpflegung stehende Hausgenossen und Dienstboten, dann auf ihre Väter, Großväter, Söhne, Enkeln, Ehegatten, Brüder, Schwäger, Brüder- und Schwestersöhne, Stief- und Schwiegerväter, Stief- und Schwiegersöhne, Vaters- und Mutterbrüder, wie auch auf jene Anverwandten erstrecken, die zu ihrer Erbfolge die nächsten sind; doch soll das Zeugniß eines solchen Hausgenossen oder Anverwandten, auch außer einer von dem Erblasser geschehenen eigenhändigen Bekräftigung, alsdann seine vollständige Giltigkeit haben, wenn der Inhalt des letzten Willens vor den Zeugen geheim gehalten worden, und der Zeuge seine Unwissenheit in Betreff dieses Erbtheils oder Vermächtnisses eidlich erhärten kann.

[2, 8] §. 42. Geistliche oder weltliche Vorsteher der Kirchen und Stiftungen sind in Ansehung dessen, was der Kirche oder Stiftung im letzten Willen zugewendet worden, nur auf die im §. 40 geordnete Art tüchtige Zeugen. Eben dieses soll auch bei den Mitgliedern einer Gemeinde Platz greifen, wenn der Gemeinde ein Erbtheil oder Vermächtniß hinterlassen wird, wobei der Vortheil einzelner Mitglieder insbesondere unterwaltet; dahingegen, wenn der Vortheil einzelner Mitglieder dabei nicht unterwaltet, soll ihrem Zeugnisse nichts im Wege stehen.

[2, 8] §. 43. Wenn ein Zeuge zwar untauglich ist, doch zur Zeit des errichteten letzten Willens durchgehends für tauglich gehalten würde, oder wenn er erst nachhero untauglich worden, wie auch, wenn ein Unsinniger damals erweislichermaßen heitere Zwischenstunden gehabt, oder ein solches sich nachhero aus seiner wohlbedächtlichen Aussage veroffenbarete, so schadet es dem letzten Willen nicht. Ingleichen mag bei den Zeugen der gleiche oder ungleiche Stand unter sich und mit dem Erblasser, auch ob er ihnen bekannt oder gänzlich unbekannt gewesen, in keine Betrachtung kommen.


(189) [2, 8] §. 44. Wir wollen aber alle letztwilligen Anordnungen überhaupt in deme begünstigen, daß, wenn selbe in jener Art, wie sie der Erblasser errichten wollen, nicht bestehen könnten, bei denselben aber alle zu einer anderen Art vorgeschriebene Erfordernissen vorhanden wären, sie auch ohne allen Vorbehalt in derjenigen Art bestehen sollen, zu welcher sie die Erfordernissen haben.

[2, 8] §. 45. Zur Pestzeit, wenn der Erblasser selbst mit dieser Seuche behaftet oder sein Haus damit angestecket ist, sollen alle Jene bei letztwilligen Anordnungen für tüchtige Zeugen angesehen werden, die Wir sonst zum Beweise der Wahrheit zulassen; doch mit Ausnahme Jener, so Wir in §§. 39, 40, 41 und 42 ausgeschlossen haben. Ferner verstatten Wir den Zeugen, daß sie auch in jenem Falle, wo sie vermöge Unserer obigen allgemeinen Anordnungen den letzten Willen in des Erblassers Gegenwart hätten unterfertigen müssen, denselben an einem anderen Orte mit ihren Unterschriften und Petschaften bewähren mögen.

[2, 8] §. 46. Wenn jedoch der Erblasser an der Pest nicht gestorben wäre, so soll der auf vorgedachte Art gemachte letzte Willen nach jener Zeit, wo der freie Handel und Wandel wieder hergestellet wird, nicht länger als noch durch ein Jahr bestehen, außer wenn der Erblasser binnen dieser Zeit in einen solchen Leibs- oder Gemüthszustand verfallen wäre, wo er keinen anderen letzten Willen errichten könnte.

[2, 8] §. 47. Wir wollen die Begünstigung des §. 45 auch auf andere an einer ansteckenden Seuche darnieder liegende Kranke erstrecken, wenn wegen Forcht der Ansteckung die sonst erforderten Zeugen nicht leicht zu haben sind; doch soll nach vorübergegangener Gefahr der Ansteckung, wenn der Erblasser an dieser Seuche nicht stirbt, ein solcher letzter Willen in der im §. 46 vorgeschriebenen Maß nicht länger als noch durch sechs Wochen seine Giltigkeit behalten.

[2, 8] §. 48. Ingleichen wollen Wir die letztwilligen Anordnungen Unserer Unterthanen, so sich entweder in Unseren Diensten oder mit Unserer Erlaubniß, oder wegen ihres Handels und anderer löblichen Geschäften in fremden Landen befinden, alsdann handhaben, wenn selbe nach den Feierlichkeiten des Ortes, wo sie sich aufhalten, errichtet worden, wofern sie nur im Uebrigen Unseren Gesetzen gemäß sind; doch wenn ein solcher in Unsere Länder zurückkehret, so soll der letzte Willen, wenn er nicht mit den von Uns vorgeschriebenen Erfordernissen versehen ist, von diesem Tage an nur noch durch sechs Monate giltig sein, wenn


(190) es nicht erwiesen wird, daß der Erblasser während dieser Zeit an Errichtung eines anderen verhindert gewesen.

[2, 8] §. 49. Den Eheleuten ganz allein verstatten Wir, daß Mann und Weib in einem einzigen Aufsatze eine gemeinschaftliche letztwillige Anordnung errichten mögen; doch bleibt eine solche gemeinschaftliche Anordnung außer deme, was die von Uns erforderten Beweise betrifft, in allen übrigen Betrachtungen ein doppelter letzter Willen. Ein jeder Theil insbesondere muß erklären, daß dieser Aufsatz seinen letzten Willen enthalte. Sie können entweder sich unter einander oder sonst, wenn sie wollen, einen gemeinschaftlichen oder Jeder einen besonderen Erben einsetzen, wie auch besondere Vermächtnisse machen. Gleichwie auch einem jeden Theile die Befugniß, diesen seinen letzten Willen zu widerrufen, nicht nur bei beider Lebzeiten, sondern auch nach des anderen Absterben bevor bleibt, ohne daß die Anordnung des anderen, wenn selbe nicht gleichfalls widerrufen worden, dadurch entkräftet würde.

[2, 8] §. 50. Ohne die von Uns erforderten Beweise soll kein letzter Willen in der Gestalt eines Briefes, Befehls, Zettels oder dergleichen Willensandeutung giltig sein; andere Urkunden hingegen, worauf sich in dem letzten Willen zu


(191) mehrerer Erklärung oder Ausführung bezogen wird, sie mögen in Zetteln, Briefen oder anderen Schriften bestehen, bedörfen keiner besonderen Beweise, sondern sind so anzusehen, als ob sie in dem letzten Willen buchstäblich ausgedrücket wären.


(192) Neuntes Capitel.

Von Jenen, die zu Erbschaften gelangen können, und von den Arten, wie ein Erblasser seinen Willen beschränken kann.

[2, 9] §. 1. Wenn ein Erblasser keine Notherben hat, denen er nach Maß des dreizehenten Capitels einen Theil seines Vermögens zu verlassen schuldig ist, so stehet es ihm frei, sein ganzes Vermögen, weme er will, zuzuwenden, wofern nur dieser durch Unsere Gesetze von der Befugniß zu erben nicht ausgeschlossen wird.

[2, 9] §. 2. Missethäter, die zum Tode verurtheilt worden, oder die ein solches Verbrechen begangen haben, worauf die Einziehung des ganzen Vermögens gesetzt ist, sind gänzlich unfähig zu erben. Die von Unseren Gesetzen zur Strafe verhängte Ehrlosigkeit macht zwar nach Maßgab Unserer peinlichen Gerichtsordnung ebenfalls erbsunfähig; doch verstatten Wir derlei ehrlosen Leuten so viel zu erben, als sie zu ihrem nothdürftigen Unterhalt brauchen.

[2, 9] §. 3. Insbesondere aber sollen jene Personen, die in einer unerlaubten Vertraulichkeit mit einander gelebt haben, Eine von der Erbschaft der Anderen gänzlich ausgeschlossen sein, wenn nicht nachhero eine wirkliche Ehe erfolgt ist; doch soll diese Erbsunfähigkeit nur alsdann statt haben, wenn ein solches Vergehen noch bei Lebzeiten des Erblassers gerichtlich angebracht und erwiesen worden.

[2, 9] §. 4. Ferner soll es auch den unehelichen Eltern, sowohl Vater als Mutter nicht erlaubt sein, in dem Falle, wo sie andere eheliche Kinder haben, ihrem unehelichen Kinde mehr zuzuwenden, als einem ehelichen Kinde. Wenn sie aber keine eheliche Kinder haben, oder diese enterbet zu werden verdienet hätten, so können sie ihren unehelichen Kindern Alles, was sie wollen, zuwenden.


(193) [2, 9] §. 5. Wenn Wir uneheliche Kinder durch Unsere Gnade für rechtmäßig erklären, so erlangen sie die unbeschränkte Erbsfähigkeit in Ansehung ihrer Eltern nur alsdann und insoweit, als Wir ihnen dieselbe in Unserem Gnadenbriefe eingestanden haben.

[2, 9] §. 6. Außer diesem ziehet keine Ehrenmakel, sie möge von eigener That oder von Treibung eines verächtlichen Handwerkes herrühren, noch auch die uneheliche Geburt für sich selbst die Unfähigkeit zu erben nach sich. Umsomehr sind alle unterthänige Personen erbsfähig, ohne daß Dasjenige, was ihnen in einem letzten Willen zugewendet worden, ihren Obrigkeiten zufiele.

[2, 9] §. 7. Einem Ausländer soll nach Maß Unserer im ersten Theile, zweiten Capitel §. 11, bereits festgesetzten allgemeinen Anordnung nur alsdann eine ihm in Unseren deutschen Erblanden zugefallene Erbschaft ausgefolget werden, wenn er darthut, daß die Einwohner desjenigen Landes, wo die Erbschaft liegt, in seinem Vaterlande ebenfalls zu Erbschaften zugelassen werden, oder wenn er noch vor dem Tode des Erblassers in einem von Unseren deutschen Erblanden die Landesfähigkeit erworben hat.

[2, 9] §. 8. Auf die Erbsfähigkeit ist blos in jenem Zeitpunkte zu sehen, wenn Jemanden das Erbrecht anfällt. Wenn dahero Jemand nach geschehenem Erbanfalle wegen einer Missethat erbsunfähig wird, so ziehet das Urtheil den Verlust dessen, was ihm aus dem letzten Willen gebühret, nicht mehr nach sich.

[2, 9] §. 9. Nicht minder wollen Wir auch Jene von Erbschaften ausgeschlossen haben, die sich dessen, was ihnen im letzten Willen zugedacht war, unwürdig gemacht haben. Unwürdig aber macht sich ein Jeder, der sich gegen den Erblasser, es sei vor oder nach dessen Tode gröblich, undankbar erzeiget; nemlich, wenn er den Erblasser, dessen Kinder, Eltern oder Ehegatten boshafter Weise an Ehre, Leib oder Gut beträchtlich verletzet oder zu verletzen trachtet.

[2, 9] §. 10. Wenn der Erblasser dieses undankbare Betragen nicht gewußt, oder wenn er nach demselben nicht mehr gelebt, oder doch nicht mehr im Stande gewesen, seinen letzten Willen abzuändern, so ist es an der blosen Undankbarkeit genug; wenn aber der Erblasser dasselbe gewußt, auch noch nachhero im Stande gewesen, seinen letzten Willen abzuändern, und ihn dennoch nicht abgeänderet hat, so tritt die Vermuthung ein, daß er die Beleidigung nachgelassen und bei seinen vorigen Gesinnungen beharret sei.

[2, 9] §. 11. Außer den Fällen, worüber Wir im achten Capitel, §. 13, und im


(194) fünfzehenten Capitel, §. 2 und den folgenden mit Mehrerem anordnen, macht sich auch Jener dessen, was ihm im letzten Willen zugewendet worden, unwürdig, der den Erblasser durch Verschränkung der Gelegenheit, gefährliche Bedrohungen, oder sonst auf eine listige oder boshafte Art verhindert, diesen letzten Willen abzuändern; außer deme aber soll er noch allen Jenen zum vollständigen Ersatze verbunden sein, denen durch diesen seinen Frevel ein erweislicher Vortheil entgehet. Wenn jedoch einem solchen letzten Willen sonst nichts entgegen stehet, so bleibt er in seinen übrigen Theilen bei Kräften.

[2, 9] §. 12. Ferner soll auch Jenes ganz und gar ungiltig sein, was Derjenige, der eines Anderen letzten Willen schreibt, in demselben sich, seinen Kindern, Eltern, Ehegatten und Geschwistern zugeschrieben hat, obwohl es auf Geheiß des Erblassers geschehen zu sein vorgegeben würde; außer wenn der Erblasser entweder in dem letzten Willen mit seiner eigenen Handschrift oder mündlich vor den Zeugen insbesondere erkläret hat, daß diese Zuschreibung mit seinem Willen geschehen sei.

[2, 9] §. 13. Nicht nur einzelne Personen, sondern auch geistliche und weltliche Stände, Stiftungen, Gemeinden und andere Versammlungen, so von Uns bestätiget oder in Unseren Staaten geduldet sind, können vom Erblasser zu seiner Erbschaft berufen werden, doch mit Ausnahme der geistlichen Orden, welche Wir nach Maß Unserer desfalls bestehenden besonderen Anordnungen von allen Erbschaften gänzlich ausgeschlossen haben wollen.

[2, 9] §. 14. Wenn eine Gemeinde oder andere Versammlung, so ein eigenes Vermögen hat, zur Erbschaft berufen worden, so ist selbe nicht unter die Glieder der Gemeinde zu vertheilen, außer wenn derselben Verfassung eine solche Vertheilung mit sich bringet; doch in diesem Falle haben nur Jene an der Erbschaft einen Antheil, die bei dem Tode des Erblassers Mitglieder der Gemeinde sind.

[2, 9] §. 15. Wenn die Anzahl Derjenigen, so der Erblasser zu seiner Erbschaft berufen hat, so übermäßig ist, daß die Vertheilung unter so viele Menschen ganz unthunlich wäre, so zerfällt diese Anordnung; doch wollen Wir selbe alsdann aufrecht erhalten, wenn sie wegen des gemeinen Bestens oder einer anderen löblichen Betrachtung eine besondere Begünstigung verdienet, als da Soldaten, Gelehrte, Bürger, Künstler, Unterthanen auf einem oder mehreren Gütern, Arme, Gefangene, Kranke, zur Erbschaft berufen worden wären. Würde sich aber in so einem Falle ein Zweifel ergeben, wie der Willen des Erblassers in Erfüllung zu bringen sei, so soll darüber die Entscheidung der Gehörde eingeholet werden.


(195) [2, 9] §. 16. Derjenige, deme vom Erblasser etwas zugewendet wird, muß durch seinen ausgedrückten Namen oder durch andere ungezweifelte Kennzeichen dergestalten bestimmet sein, daß wegen seiner Person kein Irrthum entstehen könne; doch ist es nicht nothwendig, daß diese Bestimmung im letzten Willen ausdrücklich enthalten sei, sondern der Erblasser kann sich auf einen Zettel, Urkunde oder auf einen anderen Umstand beziehen, woraus die Person in der Folge kennbar werden wird.

[2, 9] §. 17. Wenn der Erblasser sich in dem Namen, Eigenschaft oder sonstigen Beschreibung der Person irrete, so benimmt es der Giltigkeit der gemachten Anordnung nichts, wenn nur aus anderen Umständen die Person, welche der Erblasser gemeinet hat, ohngezweifelt erhellet; außer Jener, deme daran gelegen, könnte erweisen, daß Derjenige, in dessen Beschreibung geirret worden, den Erblasser in diesen Irrthum versetzet oder darinnen unterhalten habe.

[2, 9] §. 18. Wenn ein Erblasser seine Kinder, ohne sie mit Namen zu benennen, im letzten Willen berufen hat, so ist dafür zu halten, daß er alle sowohl geborne, als nach dem letzten Willen oder auch nach seinem Tode geboren werdende Kinder, wie auch die von vorgestorbenen Kindern hinterlassenen Nachkömmlinge in jener Maß darunter begriffen habe, in welcher Wir durch Unsere Anordnungen im sechzehenten Capitel selbe zur rechtlichen Erbfolge der Eltern zulassen.

[2, 9] §. 19. Ebenso, wenn Jemand seine nächsten Anverwandten oder auch seine Anverwandten bloserdings, ohne die nächsten zu benennen, berufen hat, soll dafür gehalten werden, daß er nicht alle seine Anverwandten ohne Unterschied, sondern blos jene, die nach der von Uns festgesetzten rechtlichen Erbfolge die nächsten sind, und in eben jener Maß berufen habe, in welcher Wir sie zur rechtlichen Erbfolge zulassen. Wenn er jedoch seinen Willen ausdrücklich dahin erkläret hat, daß alle seine Verwandten zusammen einen Antheil haben sollen, so gebührt auch einem Jeden, der von der Verwandtschaft ist, insoweit Wir die Verwandten zur rechtlichen Erbfolge zulassen, ohne allen Unterschied ein gleicher Antheil, und ist in einem solchen Falle auf eben jene Art vorzugehen, die Wir zu Entdeckung unbekannter Erben im achtzehenten Capitel vorschreiben.

[2, 9] §. 20. Das, was Wir wegen der Anverwandten geordnet haben, soll auch in jenem Falle beobachtet werden, wenn der Erblasser nicht seine eigenen, sondern die Anverwandten einer anderen Person zu seiner Erbschaft berufen hat; dahingegen, wenn er fremde Kinder, das ist, solche Kinder, welche seine Notherben nicht sind, berufen hat, sind blos die Kinder ersten Grades, nicht aber die von vorgestorbenen Kindern hinterlassene Nachkömmlinge berufen.

[2, 9] §. 21. Wenn der Erblasser die Kinder einer benannten Person, ohne sie insbesondere mit Namen zu benennen, zu seiner Erbschaft berufen hat, er möge ihnen allen zusammen überhaupt oder einem jeden insbesondere etwas zugewendet haben, so sind, wenn er nicht das Gegentheil ausgedrücket hat, nur jene Kinder darunter verstanden, die bei dem Tode des Erblassers geboren oder doch empfangen waren.


(196) [2, 9] §. 22. Auch ungebornen Kindern kann die Erbschaft zugewendet werden. Hat der Erblasser seine Gesinnung auf ein von einer benannten Person bereits empfangenes Kind gerichtet, so beschränket sich selbe blos auf dieses Kind, und wenn dasselbe entweder zu der Zeit, wo es der Erblasser vermeinet, nicht empfangen wäre, oder nicht lebendig zur Welt käme, oder im Falle es noch bei Lebzeiten des Erblassers zur Welt gekommen, vor dessen Tode wieder verstorben wäre, so erlöschet die Anordnung des Erblassers, ohne daß die anderen von eben der Person gebornen Kinder auf das, was jenem zugewendet war, einen Anspruch machen mögen. Ist das zur Erbschaft berufene Kind bei dem Tode des Erblassers noch nicht geboren, so ist sein Recht durch einen Curator zu verwahren, und wenn dasselbe lebendig zur Welt kommt, so gebühren ihm auch die vor seiner Geburt eingehobenen Nutzungen.

[2, 9] §. 23. Hätte aber der Erblasser seine Erbschaft einem Kinde zugewendet, welches von einer benannten Person erst in der Zukunft erzeuget oder geboren werden wird, so sind darunter alle jene Kinder begriffen, die von der benannten Person bei dem Tode des Erblassers bereits geboren oder wenigstens empfangen sind, oder in jenem Falle, wo noch keines geboren oder die gebornen vor dem Erblasser wieder verstorben wären, das erste Kind, welches nach seinem Tode geboren wird. Wenn jedoch der Erblasser ausdrücklich das erste Kind benennet hätte, welches von der benannten Person geboren werden würde, so zerfällt die Anordnung des Erblassers, wenn dieses Kind vor dem Erblasser geboren und wieder verstorben ist. Wäre aber bei dem Tode des Erblassers von der benannten Person noch kein Kind vorhanden, so ist mit Demjenigen, was dem zukünftigen Kinde zugewendet worden, indessen auf eben jene Art zu verfahren, wie Wir in dem Falle, wenn ein Erbe unter einer Bedingniß eingesetzet, oder wenn Jemanden ein Vermächtniß unter einer Bedingniß gemacht worden, im zehenten und im zwölften Capitel anordnen.

[2, 9] §. 24. Die Gesinnung des Erblassers, Jemanden etwas zuzuwenden, muß freiwillig und verläßlich sein. Wenn dahero der Erblasser auf Befragen, ob er diesem oder jenem seine Erbschaft zuwenden wolle, selbes blos bejahet, so ist es nicht hinreichend. Ebenso kann auch die Benennung dessen, deme etwas aus der Erbschaft zufallen solle, keinem Dritten überlassen werden; doch kann der Erblasser Jemanden etwas unter einer Bedingniß zuwenden, deren Erfüllung blos von der Willkür eines Dritten abhängt.

[2, 9] §. 25. Es beruhet in der freien Willkür des Erblassers, seinen Willen auf alle ihm beliebige Arten zu beschränken. Wenn ein Erblasser die Ursache ausdrücklich


(197) hinzugesetzet hat, warum er Jemanden etwas zuwende, und diese Ursache falsch zu sein befunden wird, so soll auch Dasjenige ungiltig sein, was aus dieser Ursache zugewendet worden; außer der Erblasser hätte nachhero die Falschheit der Ursache gewußt, und seinen Willen, da er ihn hätte abänderen können, dennoch belassen.

[2, 9] §. 26. Hat der Erblasser geordnet, daß seine Erbschaft Jemanden erst nach einer benannten Zeit zufallen solle, so ist darauf zu sehen, ob die vom Erblasser benannte Zeit gewiß oder ungewiß sei. Ist sie gewiß, so kann zwar Derjenige, der nach dieser Zeit berufen worden, auf die vor dieser Zeit von der Erbschaft eingegangene Nutzungen keinen Anspruch machen, allein das Erbrecht gehet alsogleich auf ihn, und wenn er vor Ankunft der beigefügten Zeit verstirbt, so überträgt er dasselbe auch auf seine Erben; außer der Erblasser hätte deutlich ausgedrückt, daß ihm Dasjenige, wozu er ihn berufen, nur auf den Fall zufallen solle, wenn er nach Verlauf dieser Zeit noch leben würde. Ist aber die Zeit ungewiß, so ist sie einer wahren Bedingniß gleich.

[2, 9] §. 27. Für eine gewisse Zeit ist nicht nur jene zu halten, wo sowohl der Erfolg an sich selbst, als auch der Zeitpunkt, in welchem dieser Erfolg sich ergeben wird, gewiß ist, sondern auch, wenn es zwar gewiß ist, daß die Zeit sich ergeben werde, doch der Zeitpunkt, in welchem sie sich ergeben wird, ungewiß ist, gleichwie auch jene Zeit, wo man zwar den Zeitpunkt weiß, wann sie sich ergeben wird, doch nicht, ob sie sich ergeben werde. In dem letzteren Falle soll es so angesehen werden, als wenn der Erblasser jene Anzahl Jahre, worauf dieser Erfolg sich beziehet, ausdrücklich benennet hätte. Für eine ungewisse Zeit hingegen ist blos jene zu halten, wo es durchaus ungewiß ist, sowohl ob, als auch wann sie sich ergeben wird.

[2, 9] §. 28. Wenn der Erblasser Jemand zu seiner Erbschaft berufen hat, nachdeme


(198) eine ungewisse Zeit erschienen oder nachdeme eine beigefügte Bedingniß erfüllet sein würde, so gehet das Erbrecht nicht eher auf ihn, als bis die Zeit herangekommen oder bis die Bedingniß in Erfüllung gegangen; doch erwirbt er ein bedingtes Recht zu deme, was ihm zugedacht worden, und wenn die Bedingniß von der Beschaffenheit ist, daß sie auch nach seinem Tode erfüllet werden kann, so überträgt er dieses bedingte Recht auf seine Erben, obwohl er vor dem Ausgange der Bedingniß gestorben wäre.

[2, 9] §. 29. Weme etwas nach dem Erfolge einer Bedingniß zugewendet worden, der kann, auch nachdeme die Bedingniß erfüllet worden, die vor erfolgter Bedingniß


(199) davon eingehobene Nutzungen nicht fodern; doch stehet ihme auch vor erfüllter  Bedingniß frei, seine Gerechtsamen wider alle ihm bevorstehenden Benachtheiligungen zu vertheidigen, und die Sicherstellung seines Rechts anzusuchen.

[2, 9] §. 30. Eine Bedingniß muß sich auf einen noch ungewissen künftigen Zufall beziehen, von dessen Erfolge die Anordnung des Erblassers abhangen solle. Vergangene oder gegenwärtige Zufälle machen keine Bedingniß aus, obschon der Erfolg dem Erblasser nicht bekannt gewesen, sondern die gemachte Anordnung ist für ohnbedingt zu halten, und entweder alsogleich giltig oder alsogleich ungiltig, nachdeme der angehängte Zufall sich ereignet hat oder nicht. Auch jene sind für keine wahre Bedingnisse zu halten, welche nach Ausmessung Unserer Gesetze oder aus der Natur der Sache unter der Anordnung des Erblassers stillschweigend begriffen sind, wenn sie schon ausdrücklich hinzugesetzet worden wären.

[2, 9] §. 31. Die Bedingnisse müssen genau und in jener Maß erfüllet werden, wie es der Erblasser gewollt hat. Hängt die Bedingniß von einem blosen Zufalle oder theils von eigener, theils von fremder Willkür ab, so ist es an deme genug, wenn sie sich auch noch bei des Erblassers Leben ergeben hat. Dahingegen, wenn die Erfüllung der Bedingniß ganz allein auf der Willkür dessen, deme sie auferleget worden, beruhet, so muß sie, wenn schon eben Dasselbe bei Lebzeiten des Erblassers geschehen wäre, dennoch nach desselben Tode abermals erfüllet werden; außer die That wäre von der Beschaffenheit, daß dadurch, daß sie einmal geschehen, der Willen des Erblassers gänzlich erreichet worden, oder daß sie, nachdeme sie einmal geschehen, entweder gar nicht oder nicht füglich mehr wiederholet werden könnte.

[2, 9] §. 32. Wenn die Bedingniß blos von einem Zufalle abhängt, so erfordert sie ihren ohnfehlbaren Ausgang, und wenn dieser Zufall sich nicht ergiebt, so zerfällt alles Recht, welches der Erblasser mit dessen Erfolge verknüpft hatte. Wäre jedoch die Erfüllung einer solchen Bedingniß durch einen Dritten arglistiger Weise verhindert worden, so kann Jener, deme dadurch ein Schaden zugehet, sich an demselben wegen seines Verlustes erholen.


(200) [2, 9] §. 33. Wenn hingegen die Bedingniß auf einer von Jemanden vorzunehmenden That beruhet, so muß die That von Jenem, der sie zu vollziehen hat, in der vorgeschriebenen Maß vollzogen werden. Wollte aber dieser sie zwar vollziehen, allein ein Dritter, dessen Einwilligung oder Mitwirkung dazu erfordert wird, wollte dazu nicht einwilligen, oder wenn deren Vollziehung durch einen Zufall oder durch eine von weme immer gemachte Hinderniß unmöglich worden wäre, so soll die Bedingniß für erfüllet gehalten werden; außer wenn von Seite Desjenigen, der die That vollziehen soll, eine Schuld oder Saumsal unterwaltet, oder er durch eine von ihm vorhero vorgenommene That die Unmöglichkeit verursachet hätte.

[2, 9] §. 34. Wofern aber Jener, deme die Vollziehung der That aufgegeben ist, sie nicht vollziehen wollte, so mag Demjenigen, deme unter dieser Bedingniß etwas zugewendet worden, kein Recht erworben werden, und wenn die Vollziehung der That Demjenigen selbst aufgetragen ist, deme der Erblasser etwas unter dieser Bedingniß zugewendet hat, so erlöschet sein ganzes Recht, wenn er sich erkläret, daß er die That nicht vollziehen wolle, oder wenn er nach dem Tode des Erblassers eine solche Handlung vornimmt, wodurch die Vollziehung der ihm aufgegebenen That unmöglich wird, obschon er selbe hernach erfüllen wollte, oder bei veränderten Umständen wieder vollziehen könnte.

[2, 9] §. 35. Wenn Derjenige, der die That verrichten soll, vorhero verstorben, und die That von der Beschaffenheit ist, daß sie dem Willen des Erblassers gemäß von keinem Anderen vollzogen werden kann, so erlöschet alles Recht, welches der Erblasser mit dieser That verknüpfet hatte. Wenn aber der Willen des Erblassers auch durch einen Anderen erfüllet werden kann, und Derjenige, der die That vollziehen sollte, bereits erkläret hat, daß er sie vollziehen wolle, oder wenn er bereits zu deren Vollziehung Anstalten gemacht hat, so schadet sein Tod nicht, obwohl er vor der wirklichen Vollziehung oder vor der gänzlichen Vollendung gestorben wäre.

[2, 9] §. 36. Wenn ein Erblasser seiner Anordnung eine solche Bedingniß beigefüget hat, welche der Natur nach unmöglich ist, oder ohne sträfliche Verletzung Unserer Gesetze und der Sitten nicht vollzogen werden kann, so soll Dasjenige, was Jemanden auf diese Art zugewendet worden, gänzlich ungiltig sein. Wenn hingegen die Erfüllung der Bedingniß zwar durch Unsere Gesetze verhindert wird, doch in sich nichts Sträfliches enthält, oder wenn die Bedingniß lächerlich oder unnütz ist, so soll die Anordnung des Erblassers ebenso bestehen, als ob diese Bedingniß gar nicht hinzugesetzet worden wäre.

[2, 9] §. 37. Für eine solche unnütze Bedingniß soll es gehalten werden, wenn


(201) der Erblasser, ohne daß man eine vernünftige Ursache davon absehen kann, Jenen, deme er etwas zugewendet, von Ergreifung eines sonst zulässigen, dem gemeinen Wesen nützlichen und von Uns gut geheißenen Standes abhalten will.

[2, 9] §. 38. Wenn der Erblasser die Bedingniß verneinend gefasset hat, nemlich, daß seine Anordnung alsdann ihre Kraft haben solle, wenn ein gewisser Fall sich nicht ergeben wird, so ist folgendem Unterschiede nachzugehen. Wenn diese Bedingniß blos von einem Zufalle oder blos von fremder Willkür abhängt, so ist sie einer anderen Bedingniß gleich zu achten; dahingegen, wenn dieser Fall entweder ganz allein auf der Willkür Desjenigen beruhet, deme der Erblasser etwas zugewendet hat, oder doch ohne dessen Mitwirkung sich nicht ergeben kann, so ist es für keine wahre Bedingniß, sondern für eine von jenen Auflagen zu halten, wovon Wir im §. 42 anordnen.

[2, 9] §. 39. Hat der Erblasser seinen letzten Willen folgendermaßen erkläret, daß seine Erbschaft Jemanden nur insolang zufallen solle, bis eine bestimmte Zeit erschienen sein, oder bis dieses oder jenes sich ereignet haben wird, so gehet das Erbrecht alsogleich auf Jenen, deme die Erbschaft auf diese Art zugewendet worden, und selbe muß ihm allsofort, doch gegen Sicherstellung eingeraumet werden, gleichwie ihm auch alle bis zum Erfolge der Zeit oder Bedingniß davon abfallende Nutzungen unwiderruflich gebühren; wenn aber in der Folge die Zeit herankommt oder die Bedingniß sich ereignet, so wird sein Recht aufgelöset, und er muß die Erbschaft Jenen, denen sie gebühret, abtreten. Wenn sich hingegen das Widerspiel von Demjenigen ereignet, wodurch er seines Rechts verlustig werden sollte, so wird sein Erbrecht unauflöslich bestätiget.

[2, 9] §. 40. Stirbt Derjenige, deme die Erbschaft auf diese Art zugewendet worden, vor Ankunft der Zeit oder vor Erfüllung der Bedingniß, so überträgt er sein gehabtes Recht auf seine Erben. Ist die Zeit, bis zu deren Verlauf er berufen ist, nach Maß der im §. 27 festgesetzten Regeln für eine gewisse Zeit zu achten, so behalten die Erben Dasjenige, was ihrem Erblasser zugewendet war, durch den Ueberrest der Zeit auf eben jene Art, auf welche Jener es gehabt hat. Eben dieses hat auch bei einer ungewissen Zeit oder bei einer Bedingniß statt, wofern selbe von der Beschaffenheit ist, daß sie auch nach seinem Tode in Erfüllung gehen kann.

[2, 9] §. 41. Dahingegen, wenn die beigefügte ungewisse Zeit oder die Bedingniß


(202) so beschaffen ist, daß sie sich nach dem Tode Desjenigen, deme etwas bis zu deren Erfolge zugewendet war, nicht mehr ergeben kann, so erwerben seine Erben das, was ihm zugewendet war, unwiderruflich; außer wenn aus dem Inhalte des letzten Willens deutlich entnommen werden mag, daß der Erblasser ihm nicht sowohl das Eigenthum, als nur einen zeitlichen Genuß oder ein anderes persönliches Recht habe zuwenden wollen. In derlei Fällen erlöschet das Recht mit dem Tode Desjenigen, deme es zugewendet war.

[2, 9] §. 42. Wenn endlich der Erblasser seine Anordnung durch eine beigefügte Auflage beschränket hat, das Derjenige, deme er seine Erbschaft zuwendet, nachhero etwas thun oder nicht thun solle, so kann dieser Dasjenige, was ihm zugewendet worden, alsogleich fodern; doch soll er eine hinlängliche Sicherheit bestellen, daß er dem Willen des Erblassers getreu nachkommen wolle. Wenn er aber demselben zuwider handlet, so ist er schuldig, die Erbschaft sammt allen davon eingehobenen Nutzungen zurückzustellen. In allem Uebrigen treffen allhier eben jene Regeln ein, die Wir oben in Ansehung der Bedingnisse festgesetzet haben.

[2, 9] §. 43. Alle Unsere in diesem Capitel gemachte Anordnungen sollen für allgemeine Grundregeln angesehen und nicht nur in jenem Falle beobachtet werden, wenn Jemanden die ganze Erbschaft zugewendet worden, sondern auch, wenn der Erblasser Jemanden einen Theil seiner Erbschaft oder eine Summe Gelds oder einzelne in die Erbschaft gehörige Sachen zugewendet, wie auch, wenn er ihn anstatt eines Anderen zu seiner Erbschaft oder zu einem Vermächtnisse nachberufen hat.

Zehentes Capitel.

Von Erben und nachberufenen Erben. 1)

[2, 10] §. 1. Einem jeden Erblasser stehet frei, in seinem letzten Willen einen oder mehrere Erben einzusetzen oder auch von seinem Vermögen Vermächtnisse zu machen; doch soll bei der Frage, ob Jemand ein Erb sei, oder ob ihm nur ein Vermächtniß zugewendet worden, nicht auf die Worte des letzten Willens, sondern blos auf Dasjenige gesehen werden, was Jemanden zugewendet worden. Hat der Erblasser Jemanden seine ganze Erbschaft, sein ganzes Vermögen oder einen auf das Ganze sich beziehenden Antheil zugewendet, so ist Derjenige, deme ein solcher Antheil zugewendet worden, als ein wahrer Erb anzusehen, obwohl es der Erblasser ein Vermächtniß genennet hätte; dahingegen, wenn Jemanden blos einzelne Sachen oder Summen, oder auch mehrere unter einem allgemeinen Begriffe versammlete Sachen zugewendet worden, so ist dieses ein Vermächtniß, wenn schon der Erblasser gesagt hat, daß er ihn darinnen zum Erben einsetze.

[2, 10] §. 2. Wenn nur ein einziger Erb entweder ausdrücklich im ganzen Vermögen oder doch, ohne daß sein Erbrecht auf einen bestimmten Antheil beschränket worden, eingesetzet ist, so erbet er die ganze Verlassenschaft. Wenn er aber ausdrücklich nur in einem Theile der Verlassenschaft zum Erben eingesetzet worden, so soll er auch niemals etwas Mehreres erben, als wozu er berufen ist. In einem solchen Falle soll allezeit die letztwillige und die rechtliche Erbfolge bei der nemlichen

 

1) Der erste Entwurf Horten’s, welcher 88 Paragraphe zählte, umfaßte auch die jetzt das 11. Hauptstück bildenden Bestimmungen über Fideicommisse.


(203) Verlassenschaft zusammentreffen und alles Dasjenige, worüber der Erblasser nicht geordnet hat, seinen nächsten Anverwandten zufallen. Die Erblasten aber sind zwischen den ein- und anderseitigen Erben nach Maß ihrer Erbtheile zu theilen.

[2, 10] §. 3. Hätte aber der Erblasser Einen unter Mehreren, die ihm nach der rechtlichen Erbfolge die nächsten sind, in einem bestimmten Theile zum Erben eingesetzet und über einen Theil seines Vermögens gar nicht geordnet, so bekommt Jener nebst deme, was ihm in letzten Willen zugewendet worden, auch noch Dasjenige, was ihm nach der rechtlichen Erbfolge gebühret; außer wenn der Erblasser klar ausgedrücket hat, daß er ihm blos den im letzten Willen angewiesenen Theil zuwenden wolle.

[2, 10] §. 4. Wenn ein Erblasser mehrere Erben eingesetzet hat, so erlangt keiner von ihnen ein Recht auf die ganze Verlassenschaft, sondern blos auf jenen Theil, der für ihn von dem Erblasser selbst, oder wo dessen Ausmessung ermanglet, von Unserem Gesetze ausgemessen ist; denn Wir wollen hiemit alles Recht des Zuwachses bei letztwilliger Erbfolge gänzlich aufgehoben haben, und wenn ein Erblasser mehrere Erben eingesetzt hat, diese seine Anordnung aber bei einem oder einigen von ihnen nicht zur Wirkung gelanget, so soll eben Dasjenige beobachtet werden, was Wir für den Fall, wenn ein Erblasser über einen Theil seiner Verlassenschaft gar nicht geordnet hat, im §. 2, vorgeschrieben haben.

[2, 10] §. 5. Der Erblasser kann seine Verlassenschaft zwischen so vielen Erben, als ihm beliebig, vertheilen, und gleiche oder ungleiche, größere oder kleinere Theile machen. Hat derselbe einem jeden Erben seinen gewissen Antheil angewiesen, so bekommt ein Jeder diesen Antheil. Wenn es sich jedoch ereignete, daß die angewiesenen Theile das Verhältniß mit dem Ganzen überstiegen, so soll einem jeden Erben nach Maß seines Antheils so viel abgezogen werden, damit der Willen des Erblassers in dem von ihm angeordneten Verhältnisse erfüllet werde.

[2, 10] §. 6. Wenn aber der Erblasser einigen von den eingesetzten Erben ihre Antheile angewiesen hat und den anderen nicht, so bekommen Erstere die für sie bestimmten Theile, und was nach deren Abzuge übrig bleibet, es sei viel oder wenig, dieses soll unter Diejenigen, welche ohne einen bestimmten Antheil eingesetzet worden, auf die im nachfolgenden §. ausgemessene Art vertheilet werden. Würde jedoch durch die angewiesenen Theile die Verlassenschaft dergestalten erschöpfet, daß für die ohne einen bestimmten Theil eingesetzte Erben nichts übrig bliebe, so soll es von den durch den Erblasser angewiesenen Theilen völlig abkommen und dafür gehalten werden, als ob keinem einzigen Erben ein gewisser Antheil angewiesen worden sei.

[2, 10] §. 7. In allen Fällen, wo der Erblasser mehreren eingesetzten Erben keine Antheile angewiesen hat, soll die Erbschaft unter alle nach Anzahl der Personen gleich vertheilet werden, und obwohl der Erblasser einige von den Erben besonders, andere aber zusammengefügter benennet hätte, so sind doch die zusammengefügten Erben ebenso anzusehen, als ob ein Jeder von ihnen besonders eingesetzet


(204) und benennet worden wäre; außer der Erblasser hätte ausdrücklich erkläret, daß die zusammengefügten miteinander nicht mehr, als der oder die besonders eingesetzten Erben für sich allein erben sollen.

[2, 10] §. 8. Dieses letztere soll auch alsdann vermuthet werden, wenn mehrere Erben, ohne einen jeden insbesondere zu benennen, versammlungsweise unter dem Begriffe einerlei Eigenschaft zusammengefüget und annebst ein oder mehrere Erben besonders benennet worden. In diesen Fällen, wenn nicht der Erblasser klar ausgedrücket hat, daß von den unter einerlei Eigenschaft zusammengefügten Erben ein Jeder mit dem besonders eingesetzten Erben eine gleichen Antheil haben solle, sind sie alle für eine einzige Person anzusehen, und beziehen für ihren Antheil zusammen nicht mehr, als ein einzelner Erb allein. Doch wollen Wir davon jene Fälle ausnehmen, wenn die besonders eingesetzten Erben lauter Fremde, die versammlungsweise benannten Erben aber des Erblassers Anverwandte sind; alsdann soll es bei der Regel bleiben, daß ein Jeder von den benannten Anverwandten so viel bekomme, als einer von den neben ihnen eingesetzten Erben.

[2, 10] §. 9. Dahingegen soll auch in allen jenen Fällen, wo mehrere zusammengefügte Erben entweder durch die ausdrückliche oder durch die vermuthete Willensmeinung des Erblassers nur einen einzigen Antheil zusammen bekommen, dieser Antheil nicht vermindert werden, wenngleich Einer oder Mehrere von ihnen zur Erbschaft nicht gelangeten, sondern es ist dafürzuhalten, daß der Erblasser das, was er Allen zugedacht, auch einem Jeden von ihnen habe zuwenden wollen. Wenn aber einem Jeden von den zusammengefügten Erben ein besonderer Antheil zufällt, so kommt es in Ansehung der erledigt werdenden Theile von diesem Zuwachse ab, und selbe fallen nach Unserer im §. 4 festgesetzten Anordnung den nächsten Anverwandten zu.

[2, 10] §. 10. Wenn der Erblasser in seinem letzten Willen Jemanden erst nach einer bestimmten Zeit oder nach dem Erfolge einer Bedingniß zum Erben eingesetzet und für die Zwischenzeit niemand Anderen berufen hat, oder wenn ein Erblasser den Erben nur bis auf eine bestimmte Zeit oder bis zum Erfolge einer Bedingniß eingesetzet, oder ihn mit einer Auflage beschweret, und für den Fall, was nach herangekommener Zeit oder nach erfolgter Bedingniß oder bei ohnerfüllt bleibender Auflage mit der Erbschaft geschehen solle, keine andere Vorsehung gemacht hat, so ist es in Folge Unserer im §§. 2 und 4 enthaltenen Anordnungen so anzusehen, als ob er auf diesen Fall oder für diese Zeit ausdrücklich seine nächsten Anverwandten berufen hätte, und alle jene Gerechtsamen, die nach Maß des vorigen Capitels Demjenigen gebühret hätten, der auf diesen Fall oder für diese Zeit vom Erblasser ausdrücklich berufen worden wäre, gebühren auch seinen nächsten Anverwandten.

[2, 10] §. 11. Ein jeder Erblasser ist aber befugt, in seinem letzten Willen anstatt des ersten und unmittelbar eingesetzten Erben Jemanden nachzuberufen, welcher auf den Fall, wo der erste nicht zur Erbschaft gelangete, Erb sein solle.

[2, 10] §. 12. Diese Nachberufung wird in einigen Fällen, wenn sie auch im letzten Willen nicht ausdrücklich enthalten ist, aus dessen Worten geschlossen. Derlei Fälle


(205) sind jene, von welchen Wir bereits oben §§. 7 und 8 geordnet haben, wie auch, wenn der Erblasser mehrere Erben sammt und sonders eingesetzet hat.

[2, 10] §. 13. Der nachberufene Erbe bekommt nicht mehr und nicht weniger als Derjenige, an dessen Statt er nachberufen ist. Doch kann er auf die dem ersten Erben außer der Erbseinsetzung zugewendete Vortheile keinen Anspruch machen; außer wenn er ausdrücklich zu allem Demjenigen, was der erste Erbe hätte haben sollen, oder namentlich zu deme, was jenem außer der Erbseinsetzung zugedacht war, nachberufen worden.

[2, 10] §. 14. Wenn mehrere Erben eingesetzt und anstatt ihrer nur Einer nachberufen worden, so fällt ihm ein jeder erledigter Antheil zu, obwohl die übrigen Erben zur Erbschaft gelangeten; außer wenn die zuerst eingesetzten Erben nach Maß des §. 12 auch untereinander wechselweise nachberufen wären. Wenn aber nach einem oder nach mehreren zuerst eingesetzten Erben auch Mehrere überhaupt nachberufen worden, so wird ein jeder erledigter Antheil zwischen den Nachberufenen nach eben jenen Grundsätzen, welche Wir für die zuerst eingesetzten Erben im §. 5 und den folgenden festgestellet haben, vertheilet.

[2, 10] §. 15. Wenn die zuerst eingesetzten Erben auch untereinander nachberufen sind, so gebühren ihnen an dem erledigten Antheile eben jene Theile, wozu sie in der ersten Einsetzung ausdrücklich berufen waren. Wenn aber nebst den zuerst eingesetzten Erben auch noch ein Dritter nachberufen worden, so soll der erledigte Antheil ohne Unterschied, ob die ersten Erben zu gleichen oder ungleichen Theilen eingesetzet waren, zwischen allen Nachberufenen gleich getheilet werden.

[2, 10] §. 16. Die Bedingniß, wenn der zuerst eingesetzte Erb nicht zur Erbschaft gelanget, begreifet alle jene Fälle unter sich, wenn entweder der erste Erb nicht Erb sein will, oder wenn er aus was immer für einer Ursache nicht Erb sein kann. Hätte aber der Erblasser die Nachberufung ausdrücklich nur auf einen von diesen zween Fällen gerichtet, so soll selbe auch blos auf den benannten Fall beschränket, auf den nicht ausgedrückten Fall hingegen niemals erstrecket werden.

[2, 10] §. 17. Wenn der erste Erb nach einer gewissen Zeit zur Erbschaft berufen worden, und derselbe nicht Erb wird, so kann der an dessen Statt nachberufene Erb, wenn er nicht ausdrücklich auch für diese Zwischenzeit berufen worden, die Erbschaft vor dem Verlaufe der bestimmten Zeit nicht begehren, und wenn der erste Erb nur bis auf eine gewisse Zeit oder bis zum Erfolge einer Bedingniß eingesetzet worden, so bleibet das Recht Desjenigen, der an dessen Statt nachberufen worden, wenn nicht der Erblasser ein Anderes gesagt hat, durch eben diese Zeit oder Bedingniß beschränket.

[2, 10] §. 18. Dahingegen, wenn der erste Erb mit der Auflage etwas zu thun oder zu lassen eingesetzt worden, und derselbe den Willen des Erblassers nicht erfüllen will, so ist der Nachberufene, wenn diese Auflage bei ihm nicht ausdrücklich wiederholet worden, an dieselbe nicht gebunden. Eben so, wenn der erste Erb nach dem Erfolge einer Bedingniß eingesetzet, und auf den Fall, wenn er nicht Erb sein würde, ein Anderer nachberufen worden, ist dafürzuhalten, daß der Nachberufene nicht nur auf den Fall, wenn die Bedingniß sich nicht ergeben wird, zur Erbschaft selbst, sondern auch für die Zwischenzeit, da die Bedingniß noch unerfüllet ist, zu den von der Erbschaft abfallenden Nutzungen berufen sei.

[2, 10] §. 19. Umsomehr gebühren dem Nachberufenen alle von der Erbschaft seit


(206) dem Tode des Erblassers eingegangene Nutzungen in jenem Falle, wo der erste Erb ohne alle Bedingniß eingesetzet war, obwohl dieselben während der Zeit, wo es noch ungewiß war, ob der erste Erb, Erb sein würde oder nicht, eingehoben worden.

[2, 10] §. 20. Wenn ein Erblasser mehrere Grade der Nachberufung gemacht und anstatt des zweiten den dritten, anstatt des dritten den vierten oder noch weitere Erben nachberufen hat, so ist der zuletzt Nachberufene nicht nur an die Stelle Desjenigen nachberufen, der ihm unmittelbar vorgehet, sondern auch an die Stelle aller übrigen Erben.

[2, 10] §. 21. Sobald sich der Fall ergiebt, daß der zuerst eingesetzte Erb nicht Erb wird, so gehet der Erbanfall auf den nachberufenen Erben; doch erwirbt er auch vorhero jenes bedingte Recht, wovon Wir im neunten Capitel, §. 28, geordnet haben. Sobald gegentheils die Erbschaft von dem ersten Erben oder auch in jenen Fällen, wo derselbe sein Recht auf seine Erben überträgt, von dessen Erben angetreten wird, so verlieret die Nachberufung ihre Wirkung.

Eilftes Capitel.

Von den Fideicommissen.

[2, 11] §. 1. Wenn ein Erblasser seine Erbschaft ganz oder zum Theile, oder auch einzelne Güter oder andere Sachen dergestalten an Jemanden gelangen läßt, daß sie von diesem nach einer bestimmten Zeit oder nach dessen Tode auf einen Anderen fallen sollen, so ist dieses ein Fideicommiß.

[2, 11] §. 2. Der Willen des Erblassers, ein Fideicommiß zu errichten, muß deutlich sein, und soll aus einer blosen Bitte, aus einem geäußerten Wunsche, aus einem gegebenen Rathe oder aus Muthmaßungen niemals gefolgert werden; auch das alleinige Veräußerungsverbot benimmt die Macht nicht, über Dasjenige, was der Erblassers zu veräußern verboten hat, letztwillig zu ordnen.

[2, 11] §. 3. Eben so, wenn sich ein Zweifel erhebet, ob der Erblasser eine Nachberufung von der im vorigen Capitel berührten Art oder ein Fideicommiß zu machen gesonnen gewesen, als da er den Einen zu seinem ersten Erben und den Anderen zum zweiten Erben berufen, anbei aber nicht ausgedrückt hätte, ob der zweite Erb blos auf den Fall Erb sein solle, wenn der Erste nicht Erb sein würde, oder ob die Erbschaft aus der Hand des ersten Erben auf den zweiten Erben fallen solle, ist allezeit zu urtheilen, daß der Erblasser den zweiten Erben blos auf den Fall berufen habe, wenn der Erste nicht Erb sein würde. Nur in dem einzigen Falle, wenn der erste Erb nur bis auf eine bestimmte Zeit oder bis zum Erfolge einer Bedingniß eingesetzet, und nach ihm ein Anderer zum zweiten Erben nachberufen worden, soll dafür gehalten werden, daß der zweite Erb nach dieser Zeit oder Bedingniß zur Erbschaft berufen worden sei.

[2, 11] §. 4. Die Befugniß in Demjenigen, was aus der Verlassenschaft des Erblassers


(207) an den Erben gelanget, Jemanden nachzuberufen, der Dasselbe nach einer bestimmten Zeit oder nach dessen Tode erhalten solle, stehet Jedermann zu. Bei dieser allgemeinen Befugniß soll es auch in Ansehung der von den Eltern an die Stelle ihrer nachgelassenen Kinder gemachten Nachberufungen sein gänzliches Bewenden haben, und Wir wollen den bishero bestandenen Gebrauch, daß die Eltern ihren unmündigen oder blödsinnigen Kindern auf den Fall, da selbe in der Unmündigkeit oder Blödsinnigkeit versterben würden, in dem sämmtlichen von Kindern, wo immer her zugefallenen Vermögen einen Erben benennen könnten, künftighin gänzlich abgestellet haben.

[2, 11] §. 5. Die nach einem unmündigen Kinde auf den Fall, wenn dasselbe in der Unmündigkeit versterben sollte, gemachte Nachberufung, sie sei von den Eltern oder einem anderen Erblasser gemacht, erlöschet alsofort, wenn das Kind das zu Errichtung eines letzten Willens vorgeschriebene Alter erreichet hat, obwohl dasselbe hernach verstürbe, ohne einen letzten Willen errichtet zu haben. Nicht minder erlöschet auch die nach einem Blödsinnigen gemachte Nachberufung alsdann, wenn derselbe zum vollkommenen Verstande gelanget, obschon er keinen letzten Willen errichtet hätte, wofern er nur nach Maßgab des achten Capitels im Stande gewesen, letztwillig zu ordnen.

[2, 11] §. 6. Wenn Wir Jemanden vor Erreichung der zu einem letzten Willen erforderten Jahre die Nachsicht des Alters verleihen, so soll durch den vor der wahren Vogtbarkeit errichteten letzten Willen die auf die Zeit der Unmündigkeit gemachte Nachberufung nicht aufgehoben sein, sondern ihm nur die Befugniß zustehen, über dasjenige Vermögen letztwillig zu ordnen, welches unter der Nachberufung nicht begriffen ist.

[2, 11] §. 7. Wenn ein Erblasser ein Fideicommiß errichtet, dazu aber keinen gewissen Theil seiner Verlassenschaft bestimmet, sondern den zweiten Erben nur zu Demjenigen nachberufen hat, was nach Absterben des eingesetzten ersten Erben von dieser Verlassenschaft übrig sein würde, so wollen Wir, um allen daher entstehen mögenden Zweifeln vorzukommen, hiemit verordnen, daß die Erbschaft in vier gleiche Theile abgetheilet, ein Theil davon dem Nachberufenen als ein wahres Fideicommiß unvermindert erhalten, alles Uebrige aber dem ersten Erben als ein frei eigenes Gut überlassen, und dem Nachberufenen unter keinem Vorwande auf dasselbe einen Anspruch zu machen gestattet werden solle.

[2, 11] §. 8. Ein Fideicommiß, welches die ganze Erbschaft oder einen Theil derselben betrifft, bestehet sonst nicht, als wenn es in einem rechtsgiltigen letzten Willen gemacht worden. Dahingegen können Fideicommisse in einzelnen Sachen, Gütern oder Summen auch durch lebzeitige Handlungen errichtet werden; doch müssen dabei solche Beweise vorhanden sein, wie Wir sie zu letztwilligen Anordnungen erfordern.


(208) [2, 11] §. 9. Die allgemeine Befugniß, Fideicommisse zu machen, welche Wir im §. 4 eingestanden haben, beschränket sich blos auf einen Grad der Nachberufung, oder wenn auch mehrere Grade gemacht worden, so mag dieses nur insoweit geschehen, damit die Nachberufung, wo nicht bei dem ersten, doch bei dem weiteren Nachberufungen zur Wirkung gelange; sobald aber selbe einmal zu ihrer Wirkung gelanget ist, soll sie alsofort erlöschen.

[2, 11] §. 10. Wenn jedoch Jemand dem Einen die Nutznießung seines Guts auf lebenslang gelassen, den Anderen in dem Eigenthume zum Erben eingesetzet, und nach dessen Tode den Dritten nachberufen hätte, so wollen Wir beide Erbseinsetzungen in der Nutznießung und im Eigenthume zusammen nur für den ersten Grad ansehen, und den Nachberufenen ebenfalls zulassen.

[2, 11] §. 11. Wollte aber Jemand ein Fideicommiß auf mehrere Grade und dergestalten machen, daß die Nachberufung immerfort ihre Wirkung behalte, und


(209) das Fideicommiß von einem Nachberufenen auf den anderen gelange, so soll dieses nicht anderst giltig sein, als wenn er dazu Unsere höchste Einwilligung erhalten hat; widrigens bestehet dasselbe nach Maß des §. 9 nur auf einen Grad.


(210) [2, 11] §. 12. Wer diese Unsere höchste Einwilligung erhalten will, der soll erstens, wenn er Notherben hat, den ihnen gebührenden Pflichttheil ausweisen, zweitens Uns alle Jene deutlich anzeigen, die er zu dem Fideicommisse berufen, wie auch


(211) die Art der Nachfolge, die er darinnen beobachtet haben will, drittens sollen die Güter nach landesbräuchlicher Schätzung den Werth von 400.000 Gulden rheinisch nicht übersteigen.


(212) [2, 11] §. 13. Nur allein wollen Wir die in den öffentlichen Cassen Unserer Staaten, welche Wir dafür schon erkläret haben oder in Zukunft dafür erklären werden, anliegende Gelder dahin begünstigen, daß davon auch ohne Unsere Einwilligung


(213) ein Fideicommiß auf mehrere Grade errichtet werden möge; doch werden derlei Gelder nicht eher mit der Eigenschaft eines Fideicommisses behaftet, als nachdem darüber eine auf das Fideicommiß lautende Urkunde ausgestellet worden.

[2, 11] §. 14. Durch Unsere zu Errichtung eines Fideicommisses gegebene Einwilligung soll Niemand an den Gerechtsamen und Ansprüchen verkürzet werden, die ihm an diesem Gute zustehen, und wenn es sich ereignet, daß das zu einem Fideicommisse gewidmete Gut wegen solcher Ansprüche, wegen verkürzten Pflichttheils oder zu Bezahlung der Schulden, wenn das übrige Vermögen dazu nicht hinreichet, verkauft werden müßte, so ist Dasjenige, was von dem erhaltenen Werthe erübriget, zu einem Fideicommißcapitale anzulegen.

[2, 11] §. 15. Auch wird der Stifter eines Fideicommisses ohngeachtet Unserer dazu erwirkten Einwilligung an dessen Widerrufung nicht gehindert. Wenn jedoch das Fideicommiß in Lebzeiten durch eine ordentliche Verschreibung errichtet worden, so kann es in dem Falle, wenn von Seite des Stifters eine Verbindlichkeit dazu vorhanden war, gar nicht, wenn es aber ohne eine vorherige Verbindlichkeit errichtet worden, nur aus solchen Ursachen aufgehoben werden, weswegen auch andere Schankungen widerrufen werden können.


(214) [2, 11] §. 16. Mit Fideicommissen kann ein Jeder beschweret werden, deme aus der Verlassenschaft des Erblassers etwas mit dieser Auflage auf was immer für eine Art zugewendet worden. Wenn aber der Erstberufene das, was ihm mit diesem Bedinge zugewendet worden, nicht annehmen wollte oder könnte, so gelanget der Nachberufene alsogleich zu dem ihm beschiedenen Theile; doch in dem Falle, wenn der Erstberufene oder ein Jeder, der das Fideicommiß innen hat, oder der in dasselbe eintreten sollte, sich eines solchen Verbrechens schuldig macht, worauf die Einziehung seines Hab und Guts gesetzet ist, tritt Unsere Kammer in das Recht des Verbrechers ein.

[2, 11] §. 17. Wenn Jemand zu einem größeren Betrage nachberufen ist, als dem Erstberufenen aus der Verlassenschaft zugedacht worden, so kann er, wenn nicht der Erstberufene durch freiwillige Annehmung sich dieser Last unterzogen, nichts mehr fodern, als das, was der Erstberufene hätte haben sollen.

[2, 11] §. 18. Wenn ein Erblasser eines von seinen leiblichen Kindern mit einem Fideicommisse beschweret hat, der Nachberufene möge ein Fremder oder eines von des Erblassers Kindern sein, so sollen die Kinder des Erstberufenen, welche er entweder in der Folge erzeugen wird, oder auch welche er bereits erzeuget hat, wenn sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden, dem Nachberufenen vorgehen; doch müssen es eheliche oder durch Unsere Gesetze den ehelichen gleich geachtete Kinder sein. Würden aber diese Kinder vor dem Erstberufenen wieder versterben, oder durch feierliche Ordensgelübde sich einem geistlichen Stande gewidmet haben, oder die Eigenschaft und Fähigkeit, die der Erblasser bei den Nachberufenen erfordert hat, nicht besitzen, so soll die Nachberufung bei ihren Kräften verbleiben.

[2, 11] §. 19. Wenn der Nachberufene durch die von dem Erstberufenen nachgelassene Kinder einmal ausgeschlossen worden, so bleibt er allzeit ausgeschlossen, und das ganze Fideicommiß ist aufgehoben. Dahingegen soll in geschlechtlichen Fideicommissen, wovon Wir unten im §. 41 mit Mehreren anordnen, dafürgehalten werden, daß die Kinder des Erstberufenen, denen der Nachberufene nachstehen muß, vorzüglich berufen seien, nach deren Abgange aber dem ausdrücklich Nachberufenen sein Recht vorbehalten bleibe.

[2, 11] §. 20. Hat der Erblasser eine Zeit bestimmet, wann der Erstberufene das Fideicommiß dem Nachberufenen zurückstellen solle, so muß diese befolget werden. Wenn aber keine Zeit benennet worden, so bleibt der Erstberufene lebenslang in dem Besitze des Fideicommisses. In beiden Fällen gebühren ihm alle Nutzungen, welche von dem Fideicommisse sowohl vor angetretener Erbschaft als nachhero bis zur Zeit der Zuruckstellung eingehoben worden.

[2, 11] §. 21. Doch liegt ihm ob, sich in Behebung der Nutzungen so zu betragen, daß das Fideicommiß in beständig nutzbarem Stande verbleibe, besonders aber in jenen Stücken, die von einem erschöpflichen Nutzen sind, als Waldungen, Steinbrüche, Erzgruben und dergleichen behörige Maß zu halten; widrigens soll er die Uebermaß nach Unserer bereits oben im ersten Capitel, §. 61, enthaltenen Anordnung dem Fideicommisse beizulassen oder den Werth davon zu ersetzen, schuldig sein.


(215) [2, 11] §. 22. Hätte aber der Erblasser geordnet, daß sämmtliche Nutzungen oder ein Theil derselben dem Nachberufenen ebenfalls zukommen, oder dem Fideicommisse zugeschlagen werden sollen, so muß der Erstberufene sich deme nachachten, gleichwie er auch auf die durch seine Mitwirkung oder durch einen Zufall bei dem Fideicommisse sich ergebende Zugänge außer den ihm davon gebührenden Nutzungen keinen Anspruch machen kann.

[2, 11] §. 23. So wie der erstberufene Erb die Nutzungen gewinnet, so muß er auch die gewöhnlichen Wirthschaftsausgaben und die zu beharrlicher Erhaltung des Fideicommisses ordentlicher Weise nothwendige Auslagen aus dem Seinigen bestreiten, allen Schaden davon abwenden und den durch seine Gefährde oder Schuld verursachten Nachtheil vergüten. Hätte er aber das Fideicommiß durch nützlich gemachten Aufwand verbessert, so muß der Nachfolger selben in jener Maß ersetzen, welche Wir oben im zweiten Capitel, §. 21, vorgeschrieben haben.

[2, 11] §. 24. Wir wollen aber, daß bei einem jeden Fideicommisse, bevor der erstberufene Erb zu dessen Besitze gelassen wird, über Alles, was dazu gehöret, ein gerichtliches Inventarium errichtet, alle zu dem Fideicommisse gewidmete bewegliche Sachen gerichtlich geschätzet und ihr Werth in das Inventarium eingetragen werden solle. Hätte aber der Erblasser ausdrücklich das Gegentheil angeordnet, so soll doch der Erstberufene schuldig sein, in Gegenwart zweier untadelhafter Zeugen eine verläßliche Beschreibung aller Fideicommißstücke zu verfassen und selbe unter seiner und der Zeugen Fertigung bei Gerichte zu erlegen. Dem Gerichte aber bleibet auf dem Fall, wenn diese Beschreibung unrichtig befunden würde, noch allzeit bevor eine gerichtliche Beschreibung vorzunehmen.

[2, 11] §. 25. Dieses Inventarium soll jedesmal die Richtschnur sein, nach welcher die Uebergebung des Fideicommisses an den Nachberufenen zu geschehen hat. Wenn von deme, was darinnen bemerkt ist, etwas abgehet, so müssen es die Erben des Vorfahrers ersetzen, wenn sie nicht erweisen können, daß es ohne dessen Schuld hinweggekommen, zu Grunde gegangen oder durch den ordentlichen Gebrauch abgenutzt worden sei. Wenn hingegen der Nachberufene etwas, wovon das Inventarium keine Meldung macht, fodern will, so liegt ihm der Beweis ob, daß dasselbe zu dem Fideicommisse gehöre, und annebst zu Handen des Vorfahrers wirklich gediehen, oder von ihm, da er es wohl hätte thun können, zu dem Fideicommisse herbeizubringen vernachlässiget worden seie.

[2, 11] §. 26. Wenn Fideicommißcapitalien vorhanden sind, so sollen die Schuldbriefe in gerichtlicher Verwahrung behalten werden; außerdeme ist der Erb insgemein zu keiner Sicherstellung verbunden, wenn sie nicht von dem Erblasser ausdrücklich auferleget worden. Wären aber in diesem letzteren Falle die Vermögensumstände des zu dem Fideicommisse Berufenen so beschaffen, daß er die vom Erblasser erfoderte Sicherstellung nicht aufbringen könnte, so soll er, wenn er sonst eines guten Wandels und von ihm keine Gefahr zu beförchten ist, indessen und bis er in den Stand kommt, die Auflagen zu erfüllen, gegen seine eidliche Angelobung zu dem Besitze des Fideicommisses zugelassen werden. Könnte ihm hingegen die eigene Verwaltung ohne eine gegründete Beisorge nicht anvertrauet werden, so soll das Gericht, wenn der Erblasser für diesen Fall keine Vorsehung gemacht hat, über das Fideicommiß einen Curator bestellen, und ihm die Nutzungen verabfolgen.

[2, 11] §. 27. Was zu einem Fideicommisse gehöret, ist seiner Natur nach unveräußerlich,


(216) und kann ohne Beobachtung Unserer nachfolgenden Anordnungen weder veräußert, noch auch auf was immer für eine Art beschweret werden; doch mag ein jeder Inhaber des Fideicommisses mit den ihm zugehörigen Nutzungen für die Zeit seines Genusses frei schalten und walten.

[2, 11] §. 28. Hätte aber der Stifter des Fideicommisses selbst einige Fälle benennet, worinnen dessen Beschwerung oder die Veräußerung eines Theils desselben gestattet sein solle, so soll doch jedesmal bei Strafe der Nichtigkeit der Handlung, nach vorläufiger Vernehmung der gesammten Anwarter die richterliche Erkenntniß vorhergehen, ob der verstattete Fall wirklich vorhanden sei, ob die Maß nicht überschritten werde, und wenn der Stifter zugleich die Wiederbefreiung oder Ergänzung des Fideicommisses angeordnet hat, ob die dazu vorgeschlagenen Mittel hinlänglich sein.

[2, 11] §. 29. Die Veräußerung liegender Güter oder der auf liegenden Gütern haftenden Rechte, wie auch der in öffentlichen Cassen oder bei Privatleuten anliegenden Fideicommißcapitalien, wenn die Eigenschaft eines Fideicommisses auf denselben bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern oder bei der betreffenden Casse behörig vorgemerket worden, ist ganz und gar ungiltig; dahingegen, wenn andere bewegliche zu einem Fideicommisse gehörige Sachen veräußert worden, so mag deren Besitzer, wenn er selbe ohne diese Eigenschaft zu wissen an sich gebracht, deswegen nicht angefochten werden.

[2, 11] §. 30. Wenn ein Schuldner ein Fideicommißcapital aufkündet, so soll der Inhaber des Fideicommisses in der Zeit einen Ort zu sicherer Wiederanlegung ausfindig machen, und darüber die gerichtliche Begnehmigung einholen; widrigenfalls mag sich der Schuldner nicht anderst, als durch gerichtliche Erlegung der Schuld befreien.

[2, 11] §. 31. Die Beschwerung oder Veräußerung eines Fideicommisses soll niemals anderst als mit gerichtlicher Einwilligung geschehen; das Gericht soll aber niemals dazu einwilligen, als wenn eine unausweichliche Nothdurft vorhanden ist, oder dem Fideicommisse dadurch ein augenscheinlicher Nutzen verschaffet werden kann, und nachdeme vorhero alle Anwarter darüber vernommen worden. Fände sich ein oder der andere Theil durch die richterliche Erkanntniß beschweret, so stehet ihm bevor, sich an den oberen Richter zu wenden.

[2, 11] §. 32. Die Nothdurft zu einer zeitlichen Beschwerung waltet alsdann vor, wenn das Fideicommiß durch gänzlichen Misswachs, allgemeinen Viehumfall, große Feuersbrünste, Ueberschwemmungen, Wetterschäden, feindliche Verheerungen und dergleichen Zufälle solchergestalten zerrüttet worden, daß dessen Wiederherstellung aus den eigenen Kräften des Fideicommisses nicht erschwungen werden kann, oder wenn die Wohlfahrt des Staates von den Besitzern liegender Güter außerordentliche Anlagen oder Darlehen erfodert, welche aus den Einkünften des Fideicommisses nicht füglich bestritten werden können.

[2, 11] §. 33. Bei geschlechtlichen Fideicommissen wollen Wir diesen Fall der Nothdurft auch auf die Versicherung des Heirathbriefes und der darinnen enthaltenen mäßigen Gegenverschreibungen für die Ehegattinnen der Fideicommißinhaber erstrecken, wenn der Stifter desfalls keine Vorsehung gemacht hat, und dem Inhaber frei eigene Güter dazu ermanglen; doch soll das Fideicommiß nur zur Aushilfe für Dasjenige haften, was aus dem über kurz oder lang dem Fideicommißinhaber zufallenden frei eigenen Vermögen nicht erholet werden mag.


(217) [2, 11] §. 34. Der Nutzen muß in einer offenbaren Verbesserung des Fideicommisses bestehen, als da ein minder einträgliches Gut gegen ein vortheilhafteres vertauschet oder gegen dessen Ankaufung verkaufet, oder ein von dem Fideicommisse abgekommenes nutzbares Stück wieder eingelöset, oder ein Capital zum Ankaufe eines liegendes Guts verwendet, oder hingegen ein liegendes Gut in ein Fideicommißcapital mit Nutzen verwandlet werden kann.

[2, 11] §. 35. Das Gericht soll bei der Einwilligung zu Beschwerung eines Fideicommisses jedesmal nach der Billigkeit Fristen ausmessen, um dasselbe wieder zu befreien, und wenn der Inhaber diese vorgeschriebenen Fristen nicht einhält, so mag er auf Anlangen deren, welchen daran gelegen ist, durch rechtliche Zwangsmittel dazu angehalten werden, würde er aber vor Tilgung der während seiner Inhabung verfallenen Fristen versterben, so gereichet es den auf dem Fideicommisse versicherten Gläubigern zu keinem Nachtheile; doch ist der Nachfolger befugt für die von seinem Vorfahrer abzuführen gewesene Rückstände sich an dessen nachgelassenen frei eigenen Vermögen zu halten.

[2, 11] §. 36. Dem Anwarter eines Fideicommisses stehet frei, auf das Betragen des Inhabers Acht zu haben, allem besorglichen Schaden des Fideicommisses vorzukommen, und bei einem bereits zugefügten Schaden auf dessen Ersatz anzudringen. Nicht minder ist er berechtiget, das, was widerrechtlich veräußert worden, von dem Besitzer zurückzufodern, oder in dem Falle, wo der Besitzer deswegen nicht angefochten werden kann, den Veräußerer zur Ergänzung des Fideicommisses anzuhalten, oder auch das Veräußerte selbst einzulösen.

[2, 11] §. 37. Der unbefugte Veräußerer soll aber in allen diesen Fällen nebst Vergütung alles von dem Anwarter zur Wiederherstellung des Fideicommisses gemachten Aufwandes annoch zur Strafe den Genuß dessen, was er veräußeret hat, gänzlich verlieren, und derselbe dem Anwarter, der die Ergänzung des Fideicommisses auf eine oder andere Art bewirket hat, obwohl er der nächste nicht wäre, alsofort für die ganze Zeit, da der Veräußerer das Fideicommiß innen hat, eingeraumet werden.

[2, 11] §. 38. Wäre aber die Nachberufung unter einer Bedingniß geschehen, so stehet zwar dem Anwarter nach Maß dessen, was Wir im neunten Capitel, §§. 28, 29, geordnet haben, auch vor erfüllter Bedingniß das Recht zu, allem Nachtheile des Fideicommisses vorzubeugen; allein im Falle einer bereits geschehenen Beschädigung oder Veräußerung kann er nur den Inhaber zu einer hinlänglichen Sicherstellung anhalten.

[2, 11] §. 39. Vor der gesetzten Zeit kann kein Anwarter das Fideicommiß fodern. Ist aber diese Zeit herangekommen, so muß ihm dasselbe mit allem deme, was nach Ausweis des §. 24 dazu gehöret, wie auch mit allen von dieser Zeit eingehobenen Nutzungen von dem Erstberufenen abgetreten, oder wenn das Fideicommiß durch dessen Tod erlediget worden, gerichtlich eingeantwortet werden.

[2, 11] §. 40. Nachdeme der Anwarter das Fideicommiß überkommen, so wird er auch in gleicher Maß für die Erblasten und Erbsfoderungen verfänglich. Wenn derselbe von dem Erblasser mit keiner weiteren Zuruckstellung beschweret, oder wenn von den weiteren Nachberufenen keiner mehr vorhanden, noch anzuhoffen ist, so höret bei ihm die Eigenschaft des Fideicommisses auf, und er kann damit als mit seinem frei eigenen Gute schalten und walten. Dahingegen, wenn mehrere Grade der Nachberufung gemacht sind, so ist er in Ansehung dieser ferneren Nachberufenen ebenso anzusehen, als ob er der erstberufene Erb wäre, und er tritt


(218) sowohl in alle Befugnisse als Verbindlichkeiten ein, welche Wir in dem Vorhergehenden für den erstberufenen Erben ausgemessen haben.

[2, 11] §. 41. Wenn ein Fideicommiß in mehreren Graden bestehet, und die Absicht des Stifters dahin gehet, daß dieses Gut immerfort bei seinem Geschlechte verbleiben solle, so ist dieses ein geschlechtliches Fideicommiß oder ein Stammgut. Bei diesen wollen Wir nebst Unseren bereits oben erlassenen Anordnungen noch insbesondere folgende Regeln festsetzen.

[2, 11] §. 42. Unsere Einwilligung zur Errichtung eines solchen Fideicommisses soll entweder von dem Stifter selbst noch bei Lebzeiten angesuchet, oder wenigstens sein Erb in seinem letzten Willen dazu verhalten werden; würde aber der Erb dieser Auflage nicht nachkommen, so stehet es den Nachberufenen frei, auf dessen Unkosten Uns anzugehen.

[2, 11] §. 43. Wenn der Erblasser in dem Falle, wo er dem Erben die Erwirkung Unserer Einwilligung aufgetragen, die Grade der Nachberufung oder die Ordnung der Erbfolge bereits selbst gemacht hat, so bestehet das Fideicommiß auch in Ermanglung Unserer Einwilligung gleichwohl auf einen Grad; hat aber der Erblasser die Einrichtung der Nachfolge dem Erben überlassen, so ist das ganze Fideicommiß, wenn Wir Unsere Einwilligung dazu versagen, null und nichtig.

[2, 11] §. 44. Bei Bestimmung der Nachfolge in diesen Fideicommißgütern ist kein Stifter an die von Uns vorgeschriebene gemeine Erbfolgsordnung gebunden, sondern er kann die Ordnung der Nachfolge nach seiner blosen Willkür bestimmen.

[2, 11] §. 45. Wenn der Stifter die Nachfolge nach Ordnung der Erstgeburt festgesetzet hat, so gehet dieselbe von dem Erstgebornen, er möge vor oder nach erlangten Besitze des Fideicommisses sterben, alsofort auf den von ihm erzeugten Erstgebornen und so weiter auf die männlichen Nachkömmlinge des zuerst berufenen Erstgebornen fort, so lange Einer davon vorhanden ist; stirbt aber der Erstgeborne ohne männliche Erben, oder wenn dessen Linie in der Folge erlöschet, so tritt diejenige Linie ein, die nach der erloschenen die nächste ist, und welcher in dieser Linie der Erstgeborne ist, der gelanget zur Nachfolge.

[2, 11] §. 46. Wenn eine Hauptlinie sich in mehrere Nebenlinien zertheilet hat, und nach Erlöschung einer Linie die Frage entstehet, welche von den noch übrigen Nebenlinien das nächste Recht zur Nachfolge habe, so ist von dem letzten Inhaber des Fideicommisses bis zu Demjenigen von seinen Voreltern hinauf zu steigen, unter welchem die letztere Untertheilung der Linie angefangen hat, und welche Linie mit Beziehung auf diesen Stammvater der erloschenen Linie nach dem Vorrechte der Geburt die nächste ist, diese hat auch das nächste Recht zur Nachfolge.

[2, 11] §. 47. Hätte aber der Stifter zu dem Fideicommisse Denjenigen vorzüglich berufen, der der Aelteste von dem Geschlechte ist, so wird dabei nicht auf die Nähe der Linie, sondern blos auf das Alter an Jahren und den Zeitpunkt der früheren Geburt gesehen, und die Nachfolge gehet allzeit auf Denjenigen, der zur Zeit des erledigten Fideicommisses von dem Geschlechte der Aelteste ist.

[2, 11] §. 48. Wenn endlich der Stifter je und allzeit den nächsten Anverwandten von seinem Namen und Stamme zum Fideicommisse berufen hat, so gelangen Jene zur Nachfolge, welche ihm nach Ordnung der gemeinen Erbfolge die nächsten sind, und wenn der Stifter der Zertheilung des Fideicommisses durch keine andere


(219) Vorsehung vorgebogen hat, so wird dasselbe zwischen Mehreren, die ein gleiches Recht dazu haben, nach Vorschrift der gemeinen Erbfolge getheilet.

[2, 11] §. 49. Zu geschlechtlichen Fideicommissen werden nur die männlichen Nachkömmlinge zugelassen; die Töchter und weiblichen Nachkömmlinge der Söhne haben kein Recht zur Nachfolge. Eben so können auch in dem Falle, wenn die männlichen Nachkömmlinge des Stifters erloschen sind, dessen Voreltern und Seitenverwandte, obwohl sie von seinem Namen und Stamme wären, auf das Fideicommiß keinen Anspruch machen, wenn sie nicht ausdrücklich dazu berufen sind.

[2, 11] §. 50. 15) Wenn aber ein Stifter nach Ausgang seines Mannesstammes seine weiblichen Nachkömmlinge zum Fideicommisse berufen, ohne daß er bei ihnen eine gewisse Art der Nachfolge vorgeschrieben hätte, so sollen sie in eben der Ordnung folgen, die der Stifter bei seinen männlichen Nachkommen festgesetzet hat. Eben so, wenn der Stifter nach Ausgang seines Geschlechts ein anderes Geschlecht, ohne demselben eine Ordnung der Nachfolge vorzuschreiben, berufen hat, soll die bei seinem eigenen Geschlechte bestimmte Ordnung auch die Richtschnur für das nachberufene Geschlecht sein.

[2, 11] §. 51. Wer immer zu einem geschlechtlichen Fideicommisse berufen ist, der kann nicht anderst zur Nachfolge gelangen, als wenn er dazu fähig ist. Unfähig sind aber nicht nur Jene, welche Wir von der Erbfolge überhaupt ausgeschlossen haben, sondern ein jeder Stifter ist befugt, die Nachfolge noch insbesondere an Bedingnissen zu beschränken, oder dazu einen gewissen Stand oder gewisse Eigenschaften zu erfodern. Wegen unehelicher Kinder jedoch, wie auch jener, die nur aus einer giltig vermeinten Ehe erzeuget, oder die durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig geworden sind, hat es bei Unseren allgemeinen Anordnungen sein Bewenden.

[2, 11] §. 52. Wenn ein neuer Besitzer zum Fideicommisse gelanget, so gehören alle zur Zeit des Todes eingehobenen Nutzungen dem Vorfahrer, dahingegen die zu dieser Zeit noch hangenden Früchte dem Nachfolger. Ein Jeder, der zu dem Fideicommisse gelanget, erhält von den Erben des Vorfahrers alles Dasjenige, was nach Ausweis des ersten Capitels, §. 56 und der folgenden, zu einer wohl eingerichteten Wirthschaft nothwendig ist; dahingegen können seine Erben dereinst bei Abtretung des Fideicommisses wegen des auf die noch hangenden Früchte verwendeten Samens und anderer auf deren Erzeugung gemachten Auslagen keinen Ersatz anfodern.

[2, 11] §. 53. Bei ausständigen Zinsen, Pachtgeldern, Frohndiensten und Roboten macht der Sterbetag des Inhabers den Abschnitt. Was bis dahin verfallen war, gehöret den Erben des Vorfahrers, was weiter verfällt, gehört dem Nachfolger. Bei Erbzinsen, Veränderungsgebühren und sogenannten Pfundgeldern ist bloserdings auf derselben Verfallzeit zu sehen, und sie gehören deme ganz zu, unter dessen Inhabung sie verfallen sind. So werden auch die Bestandgelder von Aeckern, Weinbergen und anderen Dingen, die nicht alle Tage, sondern nur zu einer gewissen Jahreszeit genutzet werden, nicht getheilet, sondern Demjenigen gebühret der ganzjährige Zins, unter dessen Inhabung die Früchte, wofür der Zins bezahlet wird, eingesammlet worden.

[2, 11] §. 54. Wäre aber ein aus mehreren Stücken, von welchen einige alle Tage, andere aber nur zu gewisser Zeit ihren Nutzen abwerfen, bestehendes Ganzes in

 

15) Aus den Anmerkungen Horten’s erhellt, daß in dem von der Compilations-Commission bereits angenommenen Entwurfe die Ordnung für die Succession der weiblichen Descendenz nicht bestimmt war. Horten beschränkte sich darauf, Formulirungen vorzuschlagen, je nachdem die Töchter des letzten Besitzers oder des ersten Erwerbers zur Succession gelangen sollen.


(220) Bestand gegeben, und der Zins dafür überhaupt bedungen worden, ohne daß dabei die Stücke besonders angeschlagen wären, oder sonst abgenommen werden könnte, wie viel für eine und die andere Gattung gebühre, so soll es bei der ersten Regel bleiben, und der Zins nach Maß der beiderseitigen Besitzzeit getheilet werden.

[2, 11] §. 55. Wenn Pacht- und Bestandgelder vorhinein bezahlet worden, und diese frühere Bezahlung sich in dem gemeinen Gebrauche gründet, so mag der Nachfolger desfalls weder an die Zahler, noch auch an die Erben des Vorfahrers eine Foderung stellen. Wenn hingegen die frühere Bezahlung blos aus einem mit dem Vorfahrer getroffenen Vertrage herrühret, so bleiben die Zahler dem Nachfolger ebenso verbunden, als ob die Zahlung nicht geschehen wäre; doch mögen sie sich an den Erben des Vorfahrers erholen.

[2, 11] §. 56. Wenn der Inhaber eines geschlechtlichen Fideicommisses in einen Rechtsstritt verwickelt wird, und dieser Stritt bloserdings das Recht des dermaligen Inhabers betrifft, so muß er selben ganz allein ausführen und die Unkosten aus dem Seinigen bestreiten. Wenn aber das Recht mehrerer oder sämmtlicher Fideicommißanwarter unterwaltet, so sollen allezeit alle Jene, die es betrifft, belanget werden, und alsdann haben diese Anwarter die durch ihre Dazwischenkunft veranlaßte Unkosten aus dem Ihrigen zu tragen.

[2, 11] §. 57. Dahingegen, wenn ein Theil des Fideicommisses demselben entzogen worden wäre, und der Inhaber des Fideicommisses oder der nächste Anwarter diesen Theil auf eigene Gefahr und Unkosten zu dem Fideicommisse zuruckgebracht hat, so sind ihm oder seinen Erben die ausgelegten Unkosten zu ersetzen, obschon das Fideicommiß durch diesen Abzug vermindert würde.

[2, 11] §. 58. In allen jenen Fällen, wo die künftige Nachkommenschaft durch die obwaltende Handlung in ihren Gerechtsamen beeinträchtiget werden könnte, soll dieselbe durch einen eigends bestellten Curator vertreten werden; widrigens soll eine jede Veräußerung, Verzicht, Urtheil oder andere ein geschlechtliches Fideicommiß betreffende Handlung in Ansehung ihrer ganz und gar ungiltig sein.

[2, 11] §. 59. Wenn ein Fideicommißgut ganz oder zum Theile ohne Schuld des Inhabers zu Grunde gehet, so erlöschet auch das Fideicommiß ganz oder zum Theile; hätte aber der Inhaber wegen seiner unterwaltenden Schuld den Werth dessen, was zu Grunde gegangen, zu ersetzen, so bleibt die Eigenschaft des Fideicommisses in diesem Werthe.

[2, 11] §. 60. Einem jeden Fideicommißanwarter, wenn er die freie Schaltung mit seinem Vermögen hat, stehet frei, sich des ihm angebührenden Rechtes entweder ausdrücklich oder stillschweigend durch Einwilligung in eine Handlung, welche den Verlust seines Rechtes nach sich ziehet, zu begeben; doch schadet dieser Verzicht nur ihm, nicht aber seinen Kindern, wenn nicht der Anordnung des §. 58 nachgelebet worden. Ebenso, wenn ein Anwarter zur Nachfolge unfähig ist, oder sich dazu unwürdig machet, werden seine Kinder deswegen nicht ausgeschlossen, wofern nur selbe für ihre Person dazu fähig und würdig sind.


(221) Zwölftes Capitel.

Von Vermächtnissen.

[2, 12] §. 1. Vermächtnisse erfordern einen letzten Willen. Nur in dem einzigen Fall soll ein Vermächtniß außer einem förmlichen letzten Willen bestehen, wenn der Erblasser dessen Abstattung auch ohne Zeugen seinem Erben in’s Angesicht aufgetragen hat.

[2, 12] §. 2. Ist ein Vermächtniß in die Willkür dessen, der dasselbe abstatten solle, gestellet worden, so ist es ungiltig. Wäre aber nicht das Vermächtniß, sondern nur die Zeit der Abstattung seiner Willkür überlassen worden, so kann er zwar, so lang er lebt, dazu nicht verhalten werden; doch nach seinem Tode müssen seine Erben es ohne Verzug entrichten.

[2, 12] §. 3. Wenn das Vermächtniß in die Willkür dessen gestellet worden, deme es zukommen soll, und dieser eher stirbt, als er sich erkläret hat, daß er es annehmen wolle, so erlöschet das Vermächtniß.

[2, 12] §. 4. Nicht minder ist auch das Vermächtniß ungiltig, welches in die Willkür eines Dritten gestellet worden, doch mit Ausnahme des Falls, den Wir im neunten Capitel am Ende des §. 24 berühret haben. So bestehet auch das Vermächtniß, wenn blos die Auswahl unter mehreren Sachen oder die Beurtheilung der Umstände, nach welchen der Betrag oder die Zeit und Art der Abführung auszumessen ist, einem Dritten aufgetragen worden, und wenn dieser Dritte den Auftrag nicht erfüllen wollte oder könnte, so soll der Richter das Billige vorkehren.

[2, 12] §. 5. Wenn mit dem Vermächtnisse Niemand namentlich beschweret worden, so betrifft diese Last allezeit den Erben oder unter mehreren Erben einen jeden nach Maß seines Erbtheils; dahingegen, wenn Derjenige, deme das Vermächtniß zugedacht worden, dasselbe nicht annehmen will, oder wegen was immer für einer Ursache dazu nicht gelangen kann, so gereichet es Demjenigen zum Nutzen, der das Vermächtniß abzustatten gehabt hätte.

[2, 12] §. 6. Wenn die Vermächtnisse, womit Jemand beschweret worden, mehr betragen als das, was ihm der Erblasser zugewendet hat, so bestehen die Vermächtnisse nur nach Maß des Empfangenen, und wenn ein solcher, der mit Vermächtnissen beschweret ist, das, was ihm aus der Verlassenschaft zugedacht ist, nicht annehmen will, oder dazu nicht gelangen kann, so müssen die darauf angewiesenen Vermächtnisse in der obberührten Maß aus der übrigen Verlassenschaft entrichtet werden. Wäre aber Jemand mit einem Vermächtnisse beschweret, deme aus der Verlassenschaft gar kein Vortheil zugehet, so ist der Erb nicht schuldig, dasselbe abzustatten.

[2, 12] §. 7. Wenn Einem unter mehreren Erben ein Vermächtniß gemacht worden, so kann er von seinen Miterben nicht das ganze Vermächtniß, sondern nur jene Antheile fodern, welche nach Maß ihrer Erbtheile auf sie ausfallen.

[2, 12] §. 8. Wenn mehreren Personen zusammen eine Sache, Summe oder ein Recht vermacht worden, und eine von ihnen zu dem beschiedenen Antheile nicht gelangte, so fällt der erledigte Antheil nach Unseren im zehnten Capitel, §. 4, festgestellten Grundsätzen nicht den anderen zu eben dieser Sache Berufenen zu, sondern bleibet bei Demjenigen, der mit der Abstattung dieses Vermächtnisses beschweret ist; doch wollen Wir von dieser Regel eben jene Fälle ausnehmen, welche Wir im erwähnten zehnten Capitel davon ausgenommen haben.


(222) [2, 12] §. 9. 1) Alle, sowohl Sachen, als Werke können vermacht werden; doch müssen die Werke solche sein, welche Jenem, deme sie vermacht worden, zum Nutzen oder Bequemlichkeit gereichen, und wenn Jener, der das Werk leisten sollte, dasselbe nicht leisten kann oder nicht will, so muß er den Werth davor erlegen, damit dasselbe von einem Anderen auf die vom Erblasser geordnete Art geleistet werden könne.

[2, 12] §. 10. Vermachte Sachen müssen in der Natur ihr wirkliches oder doch anzuhoffendes Dasein haben und handelbar sein; widrigens gebühret nicht einmal deren Werth. Wenn jedoch die Sache nur in Ansehung des Erblassers oder dessen, der sie zu entrichten hat, unhandelbar ist, so hat das Vermächtniß seine volle Kraft; ist aber die Sache in Ansehung Desjenigen unhandelbar, deme sie vermacht worden, so muß ihm der Werth entrichtet werden.

[2, 12] §. 11. Die vermachte Sache muß gewiß und durch ihren Namen oder andere Umstände hinlänglich bestimmt sein, so daß man sie erkennen könne. Wäre aber die Sache zwar bekannt, doch mit einem falschen Namen benennet, oder durch eine irrige Beschreibung bezeichnet, so schadet es dem Vermächtnisse nicht; woferne nur der Erblasser eine solche Sache, wie die unter einer irrigen Beschreibung vermacht ist, wirklich nachgelassen, und über dieselbe unter ihren wahren Namen keine andere Anordnung gemacht hat.

[2, 12] §. 12. Wenn ein Erblasser an mehreren Stellen seines letzten Willens oder in verschiedenen letztwilligen Anordnungen Jemanden eine bestimmte Sache wiederholter vermacht hat, so gebühret die Sache nur einmal. Wenn aber einerlei Betrag wiederholter vermacht worden, so gebühret der Betrag ebenso oft, als er vermacht worden.

[2, 12] §. 13. Wenn die vermachte Sache dem Erblasser nur zum Theile eigen ist, oder wenn ihm daran nur das Erbzins- oder ein anderes Recht gebühret, so wird nur Dasjenige für vermacht gehalten, was ihm daran eigen war. Ebenso, wann die Sache Jemanden verschrieben, verpfändet oder mit anderen Haftungen befangen, oder den Ansprüchen eines Dritten unterworfen ist, gehet selbe mit allen Haftungen und Ansprüchen auf Denjenigen, deme sie vermacht worden, und dieser muß die Sache auf seine Unkösten befreien oder den Rechtsstritt ausmachen.

[2, 12] §. 14. Ist die vermachte Sache Demjenigen bereits zugehörig, deme sie vermacht worden, so ist das Vermächtniß ungiltig, und wenn er selbe gleich hernach veräußeret hätte, so kommt es doch nicht zu Kräften; dahingegen, wenn er die vermachte Sache erst nachhero erworben hat, so erlöschet das Vermächtniß nur insoweit, als er die Sache durch eine unentgeltliche Ursache an sich gebracht.

[2, 12] §. 15. Wenn die vermachte Sache Demjenigen zugehöret, der mit dem Vermächtnisse beschweret worden, so bestehet dasselbe nach Ausmessung des §. 6 allezeit; doch kann einer unter mehreren Erben, dessen Sache vermacht worden, deren Werth in Anschlag bringen, und von seinen Miterben verhältnißmäßig zuruckfodern.

[2, 12] §. 16. Wäre aber eine ganz fremde Sache vermacht worden, so soll das Vermächtniß nur alsdann giltig sein, wenn der Erblasser die Einlösung dieser Sache anbefohlen hat, und alsdann soll Jener, der das Vermächtniß abzustatten hat, schuldig sein, die Sache, oder wenn sie um keinen billigen Preis zu haben ist, den Werth zu entrichten.

 

1) Aus den Anmerkungen Horten’s erhellt, daß in dem früher von der Compilations-Commission angenommenen Entwurfe das Legiren von Sachen, die nur zur Bequemlichkeit gereichen, nicht berücksichtigt, und daß dem Legatar nur die Vergütung des ihm entgangenen „ohnfehlbaren Nutzens“ zugesagt war. Horten berief sich zur Begründung der von ihm vorgeschlagenen Aenderungen auf die Bestimmungen der Gerichtsordnung über die Execution zur Erzwingung der Leistung einer bestimmten Sache.


(223) [2, 12] §. 17. Wenn eine bestimmte Sache nach ihrer Gestalt vermacht ist, so gebühren auch alle Zugehörungen der Sache. Unter den Zugehörungen wird Alles verstanden, was wegen seines Zusammenhanges oder wegen beharrlicher Verwendung zu der Sache, entweder nach der Natur oder nach der allgemeinen Gewohnheit oder nach der besonderen Widmung des Erblassers einen Theil davon ausmacht.

[2, 12] §. 18. Ist ein Gut oder ein Grund überhaupt vermacht worden, so begreifen die Zugehörungen nebst deme, was Wir im ersten Capitel, §. 50 und den folgenden, festgesetzet haben, alle dem Gute anklebende Gerechtigkeiten, wie auch alle jene Stücke, welche nach Ausweis der Grundbücher und Urbarien dazu gehören, oder von dem Erblasser als eine dazu bestimmte Zugehörung angeschaffet worden. Ist aber ein Gut mit aller Zugehörung und Einrichtung vermacht, so gehöret auch jenes dazu, was der Erblasser zu seinem täglichen Gebrauche an Viehe, Getreide, Geräthschaften und Einrichtung dahin gebracht, doch nicht was zum Verkaufe oder zur Aufbewahrung allda befindlich ist, oder was blos zu einem zeitlichen Gebrauche oder von ungefähr dahin gebracht worden. Wenn endlich ein Grund vermacht worden, wie er liegt und stehet, so ist Alles ohne Ausnahme darunter verstanden, was sich aus was immer für einer Ursache und Absicht allda befindet.

[2, 12] §. 19. Wenn die vermachte Sache vom Erblasser nachhero ganz oder zum Theile vernichtet und zerstöret, freiwillig oder nothgedrungen veräußeret, verpfändet oder mit anderen Haftungen beschweret wird, so gereichet es dem Vermächtnisse zum Schaden, obwohl anstatt der veräußerten Sache eine ähnliche eingetauschet oder erkaufet worden wäre; dahingegen, wenn der Erblasser die vermachte Sache von ihren Haftungen befreiet, die zerstörte Sache wieder hergestellet, bei derselben obgleich mit vielen Unkosten, Verbesserungen gemacht oder mehr Gerechtsamen daran erworben hat, so gereichet es dem Vermächtnisse zum Vortheile.

[2, 12] §. 20. Ebenso, wenn die vermachte Sache vom Erblasser, oder doch mit dessen Wissen, in eine andere Gestalt verwandlet worden, wird das Vermächtniß entkräftet, wenn schon die vorige Gestalt wieder hergestellet werden könnte. Wenn hingegen die Verwandlung ohne Wissen des Erblassers geschehen, so bestehet das Vermächtniß, obwohl die Wiederherstellung der Sache in ihren vorigen Stand nicht mehr möglich wäre.

[2, 12] §. 21. Wenn Jemanden eine bei einem Dritten ausstehende Schuldforderung vermacht worden, so gebühren ihm auch die bei dem Tode des Erblassers vertagte Zinsen, und wenn dem Schuldner die Uebertragung der Schuld angekündiget worden, so zahlet er dem Erben auf seine Gefahr. Die Schuldforderung wird aber allezeit für vermacht gehalten, der Erblasser möge die Schuld überhaupt oder namentlich die schuldige Summe oder den Schuldschein vermacht haben.

[2, 12] §. 22. Dieses Vermächtniß erlöschet ganz oder zum Theile, wenn die Schuld vom Erblasser ganz oder zum Theile eingetrieben, an einen Anderen abgetreten, vom Schuldner freiwillig zuruckgezahlet oder auf andere Art getilget worden wäre, obschon der Erblasser die erhobene Summe wieder anderstwo angeleget hätte; dahingegen schadet es dem Vermächtnisse nicht, wenn der Erblasser vor wirklicher Zahlung der Schuld gestorben ist, oder wenn das Vermächtniß überhaupt auf eine gewisse Summe lautet, zu deren Zahlung aber nur eine ausständige Schuld angewiesen worden.

[2, 12] §. 23. Wenn der Glaubiger seinem Schuldner die Schuld erläßt, so wird er davon vollständig befreiet. Hätte Jemand allen seinen Schuldnern die Schuld erlassen, so sind auch Jene darunter begriffen, die erst nach dem letzten Willen seine Schuldner worden sind.

[2, 12] §. 24. Die Schuld wird jedesmal für erlassen gehalten, wenn der Erblasser die Schuldverschreibung vermacht oder die Zuruckstellung des Schuldscheines oder


(224) die Ausstellung einer Quittung anbefiehlt; nicht aber, wenn er blos die Bürgschaft erlassen oder die Zuruckstellung des Pfands anbefohlen hat. Ebenso, wenn Jemand das Gut des Erblassers verwaltet hat, und im letzten Willen von der Verrechnungsschuldigkeit entbunden worden, kann er sich der Zuruckstellung des ihm anvertrauten Guts und was er sonst herauszugeben hat, nicht entziehen.

[2, 12] §. 25. Wenn die Befreiung von der Schuld nur auf eine benannte Zeit lautet, so entbindet selbe den Schuldner zwar von jenen Zinsen, die wegen Saumsals zu zahlen gewesen wären, nicht aber von jenen, die vermöge der Schuldverschreibung gebühren.

[2, 12] §. 26. Wenn mehrere Mitschuldner für eine Schuld haften, und der Erblasser entweder die Schuld überhaupt erlassen, oder den von allen gefertigten Schuldschein Einem von ihnen zuruckstellen, oder über die Schuld eine Quittung auszufertigen anbefohlen hat, so werden alle befreiet. Hätte aber der Erblasser Einem von mehreren Mitschuldnern diese Schuld vermacht, so wird er nicht nur für seinen Antheil frei, sondern er kann auch von den übrigen ihre Antheile einfodern.

[2, 12] §. 27. Würde Jemanden die Befreiung von einer Schuld vermacht, die er nicht schuldig ist, oder wenn er die Schuld nachhero dem Erblasser gezahlet hat, so ist das Vermächtniß ohne Wirkung. Was er aber nach des Erblassers Tode dem Erben aus Unwissenheit gezahlet hat, das mag er zuruckfodern.

[2, 12] §. 28. Wenn ein Schuldner seinem Glaubiger das, was er ihm schuldig ist, vermacht, so hat das Vermächtniß keine Wirkung, als nur insoweit dem Glaubiger in Ansehung der größeren Summe, der Zeit, der Zahlungsart oder anderer Umstände ein Vortheil verschaffet wird. Hat der Erblasser eine Summe ausgedrückt, die er dem Glaubiger schuldig zu sein bekennet, so bestehet das Vermächtniß, wenn auch die Schuld nicht bewiesen werden könnte. Wenn aber keine Summe ausgedrückt ist, oder wenn es erwiesen wird, daß der Erblasser die benannte Summe zwar schuldig gewesen, selbe aber hernach bezahlet habe, so zerfällt das Vermächtniß.

[2, 12] §. 29. Doch mag ein von dem Schuldner seinem Glaubiger gemachtes Vermächtniß nur alsdann auf die Schuld angerechnet werden, wenn es in dem letzten Willen deutlich gesagt ist; widrigens ist der Glaubiger befugt, sowohl das Vermächtniß, als die Schuld einzufodern, wenn schon die vermachte Summe der Schuld vollkommen gleich wäre, außer wenn die Schuld blos aus Freigebigkeit und gutem Willen herrühret, oder wenn es eine dem Erblasser von Unseren Gesetzen auferlegte Schuldigkeit ist.

[2, 12] §. 30. Wenn ein Mann seinem Weibe das ihm zugebrachte Heirathgut vermacht, so hat das Vermächtniß in jenem Falle, wo das Heirathgut vermöge des Heirathbriefes den Erben des Mannes zugefallen wäre, seine volle Kraft. Wäre aber der Ruckfall des Heirathguts an einen Dritten bedungen worden, so kann weder diesem durch ein solches Vermächtniß ein Nachtheil zugezogen, noch auch den Erben des Mannes die doppelte Entrichtung des Heirathguts aufgebürdet werden.

[2, 12] §. 31. Doch wollen Wir dem Vermächtnisse des Heirathguts auch alsdann, wenn dasselbe vermöge des Heirathbriefs dem Weibe ohnehin zugefallen wäre, folgende Rechtswirkungen belassen. Alle zum Nachtheile des Weibes im Heirathbriefe enthaltene Bedingnisse sollen dadurch gänzlich aufgehoben, und das Weib von allen Forderungen wegen der bei dem Heirathgute gemachten Verbesserungen befreiet sein. Hat der Mann im letzten Willen einen gewissen Betrag benennet, so gebühret dieser Betrag, obwohl die Erben des Mannes erweisen wollten, daß weniger oder auch nichts zugebracht worden. Wäre hingegen das zugebrachte Heirathgut überhaupt vermacht worden, so gebühret Dasjenige, was der Heirathbrief


(225) ausweiset, ohne daß das Weib die wirkliche Zubringung zu erweisen brauchte. Wenn jedoch in diesem Falle die Erben des Mannes erweisen, daß weniger, als der Heirathbrief besagt, zugebracht worden, so bestehet das Vermächtniß nur in der zugebrachten Summe, und wenn es erwiesen wird, daß nichts zugebracht worden, oder wenn kein Heirathbrief vorhanden ist, noch auch das Weib sonst beweisen kann, wie viel sie zugebracht habe, so ist das Vermächtniß ungiltig; doch ist in allen jenen Fällen, wo das Heirathgut vermöge des Heirathbriefes dem Weibe ohnehin zugefallen wäre, in Betreff des Vermächtnisses eben die Richtschnur zu beobachten, welche Wir im §. 29 vorgeschrieben haben.

[2, 12] §. 32. Wenn das Weib dem Manne das verschriebene Heirathgut vermacht, so hat das Vermächtniß nur alsdann eine Wirkung, wenn die Zuruckstellung des Heirathguts an die Erben des Weibes bedungen, oder wenn dasselbe nicht wirklich zugebracht worden, und wenn schon der Mann das Heirathgut dem Weibe in oder nach dem Heirathbriefe zuruckgeschenket, so können doch ihre Erben sich der Auszahlung des Vermächtnisses nicht entziehen.

[2, 12] §. 33. Würde aber einer anderen Person ein Heirathgut oder etwas zur Ausstattung vermacht, so führet es die stillschweigende Bedingniß mit sich, wenn diese Person sich wirklich verehelichen wird. Vor dieser Zeit gebühret es nicht, und wenn die Person vor ihrer Verehelichung stirbt, so haben ihre Erben nichts zu fodern; außer wenn nicht das Vermächtniß, sondern nur dessen Erlag bis auf die Zeit der Verehelichung verschoben, oder wenn das Heirathgut einer Notherbin vermacht worden, die ihren Pflichttheil noch nicht empfangen. Wir wollen aber, daß das Vermächtniß eines mäßigen Heirathguts auch auf den Fall verstanden werden solle, wenn diese Person durch feierliche Gelübde sich dem Klosterleben widmet.

[2, 12] §. 34. Wenn Sachen, die in Zahl, Maß und Gewicht bestehen, oder wenn eine Sache als ein unbestimmtes Stück von einer gewissen Gattung vermacht worden, so muß die Gattung sowohl, als die Anzahl oder der Betrag dergestalten bestimmet sein, daß man wissen könne, was und wie viel vermacht worden. Ist der Betrag ausgedrückt, auch die Gattung entweder von der Natur oder durch den gemeinen Gebrauch bestimmet, als ein Pferd, ein Joch Acker, zehen Metzen Weizen, so gebühret das Vermächtniß, wenn schon der Erblasser nichts von derlei Sachen hinterlassen hätte; außer er hätte gesagt, eines von meinen Pferden, zehn Metzen von meinem Weizen.

[2, 12] §. 35. Hätte aber der Erblasser entweder in Ansehung der Gattung oder des Betrags sich so unbestimmt ausgedrückt, daß man nicht wissen kann, was oder wie viel vermacht worden, als da er Jemanden ein Thier oder Wein, Getreide vermacht hätte, ohne ein Maß zu benennen, so ist das Vermächtniß ungiltig. Wenn jedoch der unbestimmte Ausdruck durch die Beziehung auf die Verlassenschaft eine hinlängliche Bestimmung erhalten kann, so ist das Vermächtniß nur alsdann giltig, wenn der Erblasser Sachen von dieser Gattung nachgelassen hat; also wenn der Erblasser Jemanden ein Haus, einen Grund vermacht hat, gebühret eines von seinen Häusern oder Gründen. Hat er Jemanden den Wein oder das Getreide vermacht, so begreift das Vermächtniß allen Wein oder alles Getreide, so in der Verlassenschaft ist, und wenn er den Wein von einem benannten Gewächse vermacht hat, so ist aller Wein von diesem Gewächse darunter verstanden. Wäre aber kein Wein von dem benannten Gewächse vorhanden, so ist Unserer Anordnung im §. 11 nachzugehen.

[2, 12] §. 36. Wenn mehrere Sachen von der vermachten Gattung, oder wenn ein größerer Betrag, als vermacht worden, in der Verlassenschaft vorhanden ist, so hat Jener die Auswahl, deme das Vermächtniß gebühret. Wären aber keine solche Sachen in der Verlassenschaft vorhanden, so daß sie erst vom Erben angeschaffet werden müssen, oder wenn der Erblasser die Worte an den Erben gerichtet


(226) hat, daß er eine Sache oder einen Betrag von dieser Gattung abstatten solle, so gebühret dem Erben die Auswahl. Würde jedoch im ersten Falle die Auswahl von Jenem, der zu wählen hat, verzögeret, so soll das Gericht auf des Erben Anlagen eine Frist dazu bestimmen, und wenn diese verstrichen ist, wird das Wahlrecht verloren.

[2, 12] §. 37. Wenn der Erblasser in Betreff der vermachten Sachen sich auf einen Ort bezogen, wo selbe befindlich sind, so sind folgende Fälle zu unterscheiden. Hat er die Sache oder den Betrag zugleich benennet, als da er hundert Gulden, welche im Kasten sind, vermacht hat, so gebühren hundert Gulden, wenn sie schon nicht im Kasten gefunden würden; außer wenn die Beziehung auf das Ort zugleich eine von der künftigen Zeit abhangenden Bedingniß in sich schließet, als da zwanzig Metzen von demjenigen Weizen vermacht worden, der auf einem benannten Grunde im nächsten Jahre wachsen würde. In diesem Falle, wenn auf dem benannten Grunde weniger gewachsen, gebühret nichts mehr, als was gewachsen.

[2, 12] §. 38. Hat der Erblasser zwar die Gattung, doch nicht den Betrag benennet, als da er Jemanden alles Geld vermacht hat, was im Kasten gefunden werden wird, so gebühret nicht mehr, als sich im Kasten findet. Hat er aber weder die Gattung, noch den Betrag benennet, sondern Alles, was sich im Kasten befinden wird, vermacht, so gebühret auch Alles, was sich bei dem Tode des Erblassers in diesem Kasten befindet; doch sollen die etwa im Kasten aufbewahrte Kaufbriefe, Bestand- und andere derlei Contracte, so sich nicht auf eine ausstehende Schuldfoderung beziehen, allezeit ausgenommen sein.

[2, 12] §. 39. Wenn ein Behältniß vermacht worden, ohne von deme, was darinnen ist, Meldung zu machen, so ist darauf zu sehen, ob das Behältniß für sich von einigem Gebrauche sei oder nicht. Im ersten Falle, als da ein besonderer Keller, Weingefäße oder ein Kasten vermacht worden, ist das, was darinnen ist, unter dem Vermächtnisse nicht begriffen; im letzten Falle aber, als da ein in des Erblassers Hause befindlicher Keller, ein Zimmer, Cabinet oder anderer Theil eines Ganzen vermacht worden, ist das Vermächtniß von deme zu verstehen, was allda befindlich ist.

[2, 12] §. 40. Wenn das Behältniß mit dem, was darinnen ist, vermacht worden, ist das Behältniß ebenfalls mit vermacht, außer wenn es nach Maß des vorigen §. ein Theil eines Ganzen ist. Ist aber das, was im Behältnisse enthalten ist, ohne Benennung des Behältnisses vermacht worden, so gehöret das Behältniß nicht unter das Vermächtniß, außer in dem Falle, wenn das Behältniß eine Zugehörung des darinnen Enthaltenen ist, und wenn der ganze in einem solchen Behältnisse enthaltene Betrag überhaupt vermacht worden.

[2, 12] §. 41. Wenn alle ausstehende Schulden und Foderungen vermacht worden, so gehöret Alles darunter, was der Erblasser aus was immer für einer persönlichen Verbindung zu fodern hat, es möge bedingt oder unbedingt, verfallen oder noch nicht verfallen sein; doch sind alle vom Erblasser hinterlegte, verpfändete, zum Gebrauche geliehene und vermiethete Sachen, wie auch jenes, was ein Dritter wegen einer geführten Verwaltung in die Verlassenschaft zu ersetzen hat, darunter nicht verstanden.

[2, 12] §. 42. Unter das vermachte Getreide gehören alle Arten des Getreides, sie mögen in Körnern oder noch im Geströhe sein, nicht aber das bei dem Tode des Erblassers noch nicht geschnittene Getreide, noch auch das Mehl und das Malz.

[2, 12] §. 43. Unter die vermachten Weine gehören alle sowohl einheimische als ausländische Weine, wie auch die Fässer, Krüge und Flaschen, worinnen der Wein sich befindet; doch erstrecket sich das Vermächtniß nicht auf die noch hangenden Trauben, auf den Most unter der Presse, auf Essig, Meth und dergleichen Getränke, noch auch auf die leeren Fässer, wenn schon die Weine sammt den Gefäßen


(227) vermacht worden; außer wenn nebst den Weinen auch insbesondere alle vorhandenen Gefäße vermacht wären. Unter den alten Wein gehöret auch der Wein vom vorletzten Jahre, und unter dem jungen neuen Weine wird blos der Wein vom letzten Jahre verstanden.

[2, 12] §. 44. Wenn der Speis- und Kellervorrath vermacht worden, so gebühret Alles, was der Erblasser an Eß- und Trinkwaaren gesammlet hat, es möge an einem oder an mehreren Orten vertheilet sein, sammt den Gefäßen und Geschirren, worinnen es aufbehalten wird.

[2, 12] §. 45. Unter dem vermachten Hausgeräthe wird Alles verstanden, was zur gemeinen Einrichtung eines Hauses gehöret und zum täglichen Gebrauche, es seie zur Nothdurft, Bequemlichkeit oder Lust angeschaffet worden, als alle Zimmereinrichtung, alles Kuchengeräthe, Tischzeug sammt der gewöhnlichen Tafeleinrichtung, Bettstätte sammt dem gewöhnlichen Bettgewande, Wägen, Sänften, Pferdegeschirre und Alles, was zum Stall gehöret; dahingegen mögen kostbare Spaliere, Teppiche, Decken und Ueberzüge, die nur zuweilen zur Zierde gebrauchet werden, Bilder und Gemälde, die entweder als Kunststücke einzeln ausgehangen oder zusammen in Galerien oder Cabineten verwahret werden, goldene und silberne Geschirre, welche nicht zum täglichen Gebrauche bestimmet sind, Ringe, Schmuck und Juwelen, silberne Nachtzeuge, Sackuhren, Tabatièren, Kleider und Leibeswäsche sammt ihren Kästen, Bücher und Bücherschränke, Pferde und anderes Vieh, Früchten, Wein und andere Eß- und Trinkvorräthe, Gewehr, Handwerkszeug und Alles, was zum beständigen Gebrauche des Hauses gehöret, nicht darunter begriffen werden.

[2, 12] §. 46. Das vermachte Gold- und Silberwerk begreift alles Gold und Silber, wie auch das vergoldete Silber unter sich, es möge roh oder verarbeitet und zu was immer für einen Gebrauche gewidmet sein; dahingegen gehöret das, was nur vergoldet oder versilbert ist, oder was nur zur Zierde einen Beisatz von Gold oder Silber hat, baares Geld, Schaumünzen, Schmuck, Ringe und Juwelen nicht darunter, obwohl sie in Gold oder Silber gefasset wären. Wenn jedoch Tabatièren und andere goldene und silberne Gefäße mit Edelgesteinen oder Münzen versetzt sind, so gehören auch diese unter das vermachte Gold- und Silberwerk, wenn sie schon füglich davon abgesönderet werden könnten. Wäre aber Jemanden ohne Benennung einiger Stücke nur überhaupt Silber nach einem bestimmten Gewichte vermacht worden, so ist es genug, wenn ihm so viel Silber oder der Werth, was dasselbe nach der Probe des Ortes beträgt, an Gelde gegeben wird.

[2, 12] §. 47. Unter dem vermachten baaren Gelde oder der Barschaft ist alles baare Geld ohne Unterschied begriffen, welches bei dem Tode des Erblassers zu seiner Verlassenschaft gehörig ist, keinesweges aber ausstehende Schulden, Schau- und andere seltene Münzen, die man gewöhnlicher Weise nicht für baares Geld zu halten pfleget.

[2, 12] §. 48. Unter den vermachten Schmuck gehören alle Perlen und Edelgesteine, sie mögen ledig oder gefasset sein, wie auch alles Gold- und Silbergeschmeide, was um sich zu schmücken gebraucht wird, nicht aber Petschier- und Trauringe. Wenn die Juwelen allein vermacht sind, so werden nur Perlen und Edelgesteine darunter verstanden.

[2, 12] §. 49. Unter die vermachten Kleider oder Garderobe gehöret Alles, was der Erblasser zu seiner Kleidung gebrauchet oder gewidmet hat, obwohl es zur Zeit seines Todes erst zugeschnitten wäre; doch ist Wäsche, Spitzen und weißes Zeug, Degen und Stock, wie auch das noch im ganzen Stücke befindliche Tuch oder Zeug nicht darunter begriffen. Ueberhaupt aber soll bei allen diesen Vermächtnissen, welche einen allgemeinen Begriff mehrerer Sachen in sich enthalten, darauf gesehen werden, was unter dem gebrauchten Ausdrucke nach der Gewohnheit


(228) des Landes verstanden werde, und vorzüglich was der Erblasser darunter zu verstehen pflegte.

[2, 12] §. 50. Wenn der Erblasser Jemanden an seinem ganzen Vermögen oder an einem Gute insbesondere die Nutznießung, in einem Hause die Wohnung oder ein anderes Recht vermacht hat, so begreifet dieses Vermächtniß alle jene Gerechtsamen in sich, die Wir für dergleichen Rechte an seinem Orte ausmessen.

[2, 12] §. 51. Die Nutznießung des ganzen Vermögens ist nur von jenem Vermögen zu verstehen, das nach Abzahlung sämmtlicher Schulden und Abstattung sämmtlicher Vermächtnisse erübriget; auch müssen die Zinsen bis zu gänzlicher Tilgung der Schulden aus den Nutzungen bezahlet werden. Wenn dem Einen ein Gut und dem Anderen die Nutznießung dieses Guts vermacht worden, so gebühret letzterem die Nutznießung allein. Wenn Jemanden die Nutznießung eines Hauses mit Allem, was darinnen ist, vermacht worden, so wird nur jenes darunter verstanden, was als eine Zugehörung zum Hause gehöret oder zum Gebrauche gewidmet ist.

[2, 12] §. 52. Wären aber Jemanden die jährlichen Einkünfte eines Guts vermacht, so ist dieses keine Nutznießung, sondern der Erbe hat das Gut zu besorgen, und die nach Abzug der Unkösten erübrigenden Nutzungen alljährlich abzureichen. Die Wohnung auf dem Gute ist unter diesem Vermächtnisse nicht begriffen; wenn aber selbe bei Lebzeiten des Erblassers einige Einkünfte getragen hat, so müssen auch diese verrechnet werden.

[2, 12] §. 53. Ist Jemanden von den Einkünften eines Guts alljährlich nur ein gewisser Betrag vermacht worden, so gebühret derselbe auch in jenem Jahre, worinnen weniger erzeuget würde; doch kann sich der Erbe von diesem Vermächtnisse entledigen, wenn er Jenem, deme ein gewisser Betrag der Einkünfte abzureichen ist, das ganze Gut zu eigener Verwaltung einraumet. Im Uebrigen gehöret das Vermächtniß jährlicher Einkünfte unter jene, von welchen Wir im §. 57 anordnen.

[2, 12] §. 54. Wenn ein Erblasser, der mehrere Häuser hat, Jemanden die Wohnung überhaupt, ohne ein Haus zu benennen, vermacht hat, so wird jenes Haus verstanden, worinnen er zur Zeit seines Todes seine Wohnung hatte. Hat der Erblasser gesagt, er vermache ihm die Wohnung in einem von seinen Häusern, so ist dem §. 36 nachzugehen. Wenn hingegen ein Erblasser, der keine Häuser nachgelassen, Jemanden eine Wohnung vermacht hat, so ist der Erbe schuldig, ihme eine seinem Stande gemäße Wohnung zu verschaffen, oder wenn der Erblasser den jährlichen Zinsbetrag ausgemessen hat, ihm denselben in den gewöhnlichen Fristen zu entrichten.

[2, 12] §. 55. Unter dem Vermächtnisse der Wohnung ist keine Einrichtung verstanden. Wäre aber eine Wohnung mit aller behörigen Einrichtung vermacht worden, so gebühret jene Einrichtung, die bei dem Tode des Erblassers daselbst befindlich war, oder wenn etwas daran mangelte, oder die Wohnung nicht eingerichtet wäre, so muß der Erbe die nöthige Einrichtung nach dem Stande des Bewohnenden anschaffen.

[2, 12] §. 56. Eine Grunddienstbarkeit wird auch stillschweigend für vermacht gehalten, wenn das Jemanden zugewendete Vermächtniß ohne eine solche Dienstbarkeit ganz und gar unnütz wäre. In dem Falle aber, wo der Erblasser Jemanden auf seinem Grunde ausdrücklich eine Dienstbarkeit vermacht hat, ist selbe nur alsdann für eine Grunddienstbarkeit zu halten, wenn Jener, deme sie vermacht worden, einen benachbarten Grund hat, zu dessen Vortheile selbe gereichen solle; widrigens ist selbe nur für ein persönliches Recht zu halten und erlöschet mit der Person. Inwieweit Jemanden auf fremden Grunde eine Dienstbarkeit vermacht werden könne, ist nach der Ausmessung des §§. 15 und 16 zu entscheiden.


(229) [2, 12] §. 57. Wenn der Erblasser Jemanden in gewissen zuruckkehrenden Fristen, als alle Jahre, alle Monate, Wochen oder Tage, oder auch ein Jahr um das andere etwas Bestimmtes abzureichen befohlen hat, so sind dieses mehrere Vermächtnisse, und ein jedes gebühret nur alsdann, wenn die zur Zahlung vorgeschriebene Fristen erlebet werden. Es ist aber genug, wenn nur der Anfang erlebt wird, und das Vermächtniß gebühret in dem ersten Augenblicke der herangekommenen Frist; außer wenn Demjenigen, der das Vermächtniß erhält, vorhero etwas zu erfüllen auferleget wäre. Dahingegen ist es kein jährliches Vermächtniß, wenn Jemanden eine benannte Summe überhaupt vermacht und nur deren Zahlung in gewisse Fristen abgetheilet worden, sondern das Recht wird auch für die nicht erlebte Zahlungsfristen auf die Erben übertragen.

[2, 12] §. 58. Wenn ein jährliches Vermächtniß für eine Gemeinde, Stiftung, Kirche, Haus oder anderen Grund gewidmet, und weder auf eine Zeit, noch andere Umstände beschränket worden, so dauert es immer fort. Hätte aber der Erblasser dasselbe zu einem gewissen Ziel und Ende gewidmet, dessen Erfüllung in der Folge nicht mehr thunlich wäre, so soll es nach obrigkeitlichem Ermessen zu einem anderen löblichen Gebrauche verwendet werden.

[2, 12] §. 59. Wenn Jemanden der Unterhalt überhaupt vermacht worden, so ist Alles darunter begriffen, was zu Erhaltung des Lebens nöthig ist, als Kost, Kleidung, Wohnung, Holz, Licht, das nöthige Hausgeräthe, Arzneien und standesmäßige Bedienung, nicht aber Pferde und Wagen, noch die Begräbnißunkosten. Hat der Erblasser bei seinen Lebzeiten den Unterhalt bereits abgereichet, so ist das Vergangene auch die Richtschnur für das Zukünftige; doch muß der Unterhalt allezeit nach Maß des Alters und der zunehmenden Bedürfnisse billigmäßig vermehret werden. Der Unterricht in Künsten und Wissenschaften ist nur alsdann unter dem Unterhalte verstanden, wenn ihn der Erblasser bereits angefangen, oder wenn er diese Person standesmäßig erziehen zu lassen schuldig wäre.

[2, 12] §. 60. Lautete aber das Vermächtniß dahin, daß Jemands Auferziehung aus der Verlassenschaft bestritten werden solle, so erstrecket es sich nebst dem Unterhalte auch auf alle Unterweisungen, die dem Stande und Berufe der Person gemäß sind; doch höret dieses Vermächtniß auf, wenn die Person in einen nahrungsfähigen Stand gesetzet ist. Hätte jedoch der Erblasser zugleich die Versorgung dieser Person anbefohlen, so dauert der Unterhalt bis zu einer erfolgten standesmäßigen und hinlänglichen Versorgung immer fort.

[2, 12] §. 61. Das Vermächtniß der täglichen Kost begreifet nur Speise und Trank unter sich, und wenn die Kost bei Jemanden angewiesen ist, so muß sich mit dessen Kost begnüget werden. Hätte aber der Erblasser Jemanden zu kleiden anbefohlen, so soll dieses nicht von fortwährender Anschaffung der benöthigten Kleidungen, sondern von einer einzigen Kleidung verstanden werden.

[2, 12] §. 62. Das Vermächtniß des Unterhalts und der täglichen Kost dauert lebenslänglich, obwohl es einem Kinde vermacht worden wäre. Wenn aber Eines oder das Andere auf eine Zeit beschränket worden, und der Tod früher erfolgte, so höret es auch vor der Zeit auf. Hat der Erblasser ein solches Vermächtniß bis auf die Zeit der Großjährigkeit erstrecket, so erlöschet es blos mit dem letzten Augenblicke des erfüllten vierundzwanzigsten Jahres, obschon von Uns die Nachsicht des Alters ertheilet worden wäre.

[2, 12] §. 63. Alle vorstehende, von Uns in Betreff der Vermächtnisse nach ihren verschiedenen Arten festgesetzte Regeln sollen nur alsdann Platz greifen, wenn der Erblasser nicht ein Anderes geordnet hat. Einem jeden Erblasser aber stehet frei, die natürliche Bedeutung der Worte und die von Uns dem Vermächtnisse gegebene Wirkung durch was immer für Zusätze und Beziehungen zu beschränken oder zu erweitern.


(230) [2, 12] §. 64. Das aus dem Vermächtnisse entspringende Recht wird in dem Augenblicke erworben, da der Erblasser gestorben ist. Wenn aber Jener, deme das Vermächtniß zugedacht ist, den Erblasser nicht überlebet hat, so erlöschet das Vermächtniß; außer wenn der Erblasser gesagt hat, er vermache es ihm für sich und seine Erben.

[2, 12] §. 65. Auch alsdann erlöschet das Vermächtniß nicht, obwohl jener, deme es zugewendet worden, vorhero gestorben wäre, wenn es nicht in Ansehung der Person, sondern eines bekleideten Amtes oder einer aufgehabten Würde vermacht worden. Wenn sich aber darüber ein Zweifel ereignete, so soll darauf gesehen werden, ob der Erblasser die Würde allein oder auch den Namen der diese Würde bekleidenden Person ausgedrücket habe. Im ersten Falle ist dafür zu halten, daß das Vermächtniß auch dem Nachfolger im Amte gebühre; im letzten Falle hingegen, daß es blos der benannten Person zugedacht gewesen.

[2, 12] §. 66. Doch kann kein Vermächtniß eher gefodert werden, als nachdeme die Erbschaft angetreten worden. Hat der Erblasser Zeit und Ort bestimmet, wann und wo die Abstattung geschehen solle, so ist dessen Willen zu befolgen; widrigens ist das Vermächtniß an jenem Orte zu entrichten, wo die Verlassenschaft liegt, oder wenn selbe an verschiedenen Orten vertheilet wäre und eine bestimmte Sache vermacht ist, allda, wo die vermachte Sache zur Zeit des Todes befindlich ist.

[2, 12] §. 67. 2) Wegen der Zeit aber wollen Wir folgende Richtschnur vorgeschrieben haben. Wenn der Erblasser seine eigene in der Verlassenschaft vorhandene Sachen vermacht, wenn er ein ihm zuständiges Recht an Jemanden übertragen, wenn er Jemanden an seinen eigenen Sachen ein Recht bestellet, wenn er Jemanden in gewissen zurückkehrenden Fristen bestimmte Einkünften oder auch den unbestimmten Unterhalt vermacht hat, so muß das Vermächtniß alsofort entrichtet werden, oder doch sobald dessen Abstattung der Natur nach möglich ist. Alle übrigen Vermächtnisse hingegen, wie auch, wenn eine bestimmte Summe Geldes überhaupt vermacht worden, soll der Erbe nicht eher, als nach Jahr und Tag von dem Tode des Erblassers abzustatten schuldig sein.

[2, 12] §. 68. Wo ein Vermächtniß alsogleich abzustatten ist, da müssen auch die davon seit dem Tode des Erblassers eingehobenen Nutzungen mit entrichtet werden; allein wo der Erblasser eine Zeit bestimmt hat, oder wo Wir die Zeit der Abstattung festgesetzet haben, da mögen weder Nutzungen, noch Zinsen gefodert werden, als von jener Zeit, da der Erbe noch nachhero in deren Abstattung saumselig gewesen ist.

[2, 12] §. 69. Wenn ein Vermächtniß Jemanden mit Beifügung einer Bedingniß verlassen worden, so gebühren die Nutzungen davon bis zur Erfüllung der Bedingniß Jenem, der dasselbe abzustatten hat; Derjenige aber, deme das Vermächtniß gemacht worden, erwirbt daran jene Gerechtsamen, welche Wir im neunten Capitel, §§. 28 und 29, ausgemessen haben. Wird die Bedingniß vor der im §. 67 festgesetzten Frist erfüllet, so muß diese abgewartet werden; doch soll in dem Falle, wo es auf eine von der einen oder anderen Seite vorzunehmende Auswahl ankommt, selbe wegen noch nicht erfüllter Bedingniß nicht verzögeret werden.

[2, 12] §. 70. Wenn die vermachte Sache gewiß, dem Erblasser eigen und allschon vorhanden ist, so erwirbt Jener, deme sie vermacht worden, deren Eigenthum, und zwar bei beweglichen Sachen alsogleich, da der Erblasser gestorben oder die Bedingniß erfüllet worden, bei unbeweglichen Sachen aber nur alsdann, wenn er des Besitzes fähig ist, und wenn vorhero der betreffende Absatz des letzten Willens

 

2) Aus den Anmerkungen Horten’s erhellt, daß sich in dem früher von der Commission angenommenen Entwurfe diese Bestimmung nur auf individuell bestimmte Sachen, keineswegs aber auf solche Sachen erstreckte, die nach Zahl, Maß und Gewicht bestimmt worden sind.


(231) in der Landtafel, Stadt- oder Grundbuche einverleibet worden. Nicht minder wird auch ein an einem liegenden Gute vermachtes Recht alsofort für bestellt gehalten, so bald die erstgedachte Vormerkung geschehen.

[2, 12] §.71. Doch soll Niemand, bei Strafe des Vermächtnisses verlustigt zu werden, den Besitz der vermachten Sachen eigenmächtig ergreifen, sondern wo sie ihm nicht gutwillig übergeben werden, bei beweglichen Sachen die Einantwortung und bei unbeweglichen die Einführung gerichtlich ansuchen. Würde aber der Erbe oder ein Dritter ihm die vermachte Sache wegen eines vorgeblichen Rechtsanspruches vorenthalten oder ihn in der Ausübung des vermachten Rechtes hindern, so mag er die zu Behauptung des Eigenthums und anderer Rechte eingeführte Rechtsmittel anstrengen.

[2, 12] §. 72. Alle übrigen Vermächtnisse geben Jenem, deme sie gebühren, nur einen persönlichen Anspruch wider den, der selbe zu entrichten hat, und Wir wollen die stillschweigende Hypothek, wodurch bishero alle zur Verlassenschaft gehörigen Sachen zur Sicherheit der Vermächtnisse behaftet wurden, nach Maß Unserer an seinem Orte folgenden allgemeinen Anordnung gänzlich aufgehoben haben; ebenso soll auch in Zukunft die Einverleibung eines letzten Willens in die Landtafel, Stadt- und Grundbücher für sich allein den Vermächtnissen, wie auch den im letzten Willen namhaft gemachten Schulden keine Hypothek verschaffen.

[2, 12] §. 73. 3) Doch verstatten Wir einem Jeden, deme ein Vermächtniß zugewendet, wie auch den unbedeckten Glaubigern, deren Foderungen im letzten Willen namhaft gemacht worden sind, ein in die Verlassenschaft gehöriges liegendes Gut auszuwählen, und durch die gerichtliche Vormerkung desjenigen Absatzes, wodurch das Vermächtniß oder die Zahlung der Schuld angewiesen wird, sich an diesem Gute eine Hypothek zu erwerben. Wäre aber in der Verlassenschaft kein zu dieser Versicherung hinlängliches liegendes Gut vorhanden, so haben Wir doch durch Unsere allgemeine Anordnung im achtzehenten Capitel, §§. 25 und 31, für ihre Sicherheit gesorget.

[2, 12] §. 74. Die Vermächtnisse gebühren von dem reinen Vermögen, das nach hinreichender Bedeckung aller vom Erblasser hinterlassenen Schulden erübriget; einem Glaubiger mag also weder durch die obgleich frühere Vormerkung eines Vermächtnisses auf einem liegenden Gute, noch auch durch die vom Erben vor hintangefertigten Schulden bezahlte Vermächtnisse ein Nachtheil zugezogen werden.

[2, 12] §.75. Wenn Jemand sich des ihm zugedachten Vermächtnisses entschlägt, so wird das ihm angefallene Recht dergestalten wieder aufgelöset, als ob es niemals an ihn übergangen wäre; doch ist Niemand befugt, einerlei Vermächtnisse zum Theile anzunehmen und zum Theile fahren zu lassen, oder auch aus mehreren von einem Erblasser herrührenden Vermächtnissen das Eine zu behalten und das Andere auszuschlagen.

[2, 12] §. 76. Wenn die vermachte Sache, es sei bei Lebzeiten oder nach dem Tode des Erblassers ganz oder zum Theile zu Grunde gegangen, oder wenn sie von einem Dritten aus einer noch von den Lebzeiten des Erblassers herrührenden Ursache ansprüchig gemacht wird, und diese Sache nach ihrer Gestalt vermacht worden, so gereichet es Demjenigen, deme sie vermacht worden, zum Schaden; doch gebühret ihm Alles, was von der Sache noch übrig ist, wenn es gleich nur eine Zugehörung derselben wäre. Auch stehen ihm alle Rechtsforderungen zu, die dem Erblasser wider den, der an dem Untergange der Sache Schuld trägt, oder

 

3) Horten erhob in seinen Anmerkungen Bedenken gegen das jedem Legatar oder Gläubiger eingeräumte Recht auf bücherliche Sicherstellung, aber nur aus dem Grunde, weil ihm die Ertheilung dieser Sicherstellung dann, wenn der Erbe bereit ist zu leisten, überflüssig schien.


(232) der ihm die Gewähr zu leisten hat, zugestanden wären; gleichwie auch der Erb, wenn er zu dem Untergange der Sache durch Gefährde oder Schuld Anlaß gegeben, oder wenn er in Abstattung des Vermächtnisses saumselig gewesen und die Sache bei Jenem, deme sie vermacht worden, durch eben den Zufall nicht zu Grunde gegangen wäre, für denselben nach Maß des zweiten Capitels, §. 20, allezeit zu haften hat.

[2, 12] §. 77. Wenn hingegen das Vermächtniß auf eine unbestimmte Sache von einer gewissen Gattung oder auf eine unter mehreren Sachen wechselweise lautete, so wird der Erb von Entrichtung des Vermächtnisses nicht befreiet, so lang nur eine einzige von den vermachten Sachen übrig ist; noch auch kann er sich der Gewährleistung entziehen, wenn er eine dem Rechte eines Dritten verfangene Sache abgestattet oder zur Auswahl vorgeleget hat.

[2, 12] §. 78. Welchergestalten ein Erblasser die gemachten Vermächtnisse widerrufen könne, ist aus deme, was Wir im vierzehenten Capitel anordnen, zu ersehen, und welchergestalten der Willen, das Vermächtniß zu benehmen, aus einer von dem Erblasser bei der vermachten Sache vorgenommenen Handlung zu schließen sei, haben Wir bei den verschiedenen Arten der Vermächtnisse insbesondere berühret.

[2, 12] §. 79. Der Erblasser kann so viele Vermächtnisse machen, als er will, wenn schon sein ganzes Vermögen dadurch erschöpfet würde. Wollte aber kein Erb in so einem Falle die Erbschaft antreten, so sollen die Vermächtnisse dennoch durch die vom Erblasser ernannten Vollstrecker oder bei deren Ermanglung durch einen gerichtlich aufgestellten Curator abgestattet, und alles Dasjenige, welches dem Erben durch die letztwillige oder durch die rechtliche Erbfolge zugefallen sein würde, als ein erbloses Gut eingezogen werden.

[2, 12] §. 80. Ueberhaupt sollen die Vermächtnisse allezeit als selbständige Anordnungen angesehen werden, und von dem Bestand oder Unbestand der Erbseinsetzung keineswegs abhangen. Wenn dahero der letztwillig eingesetzte Erb aus was immer für einer Ursache nicht Erb sein könnte oder nicht wollte, sollen die Vermächtnisse dennoch bestehen, wenn ihnen für sich selbst nichts im Wege stehet, außer in jenen Fällen, wo Wir selbe sammt der Erbeinsetzung für null und nichtig erklären.

Dreizehentes Capitel.

Von dem Pflichttheile der Notherben.

[2, 13] §. 1. Die Befugniß, mit seinem Vermögen auf eine von den im zehenten, elften und zwölften Capitel berührten Arten willkürlich zu ordnen, wird alsdann beschränket, wenn Jemand Kinder oder Eltern nachläßt. Diese sind seine Notherben und er ist schuldig, ihnen von seiner Verlassenschaft denjenigen Theil zuzuwenden, den Wir durch dieses Unser Gesetz ausmessen.

[2, 13] §. 2. 1) Dieser Pflichttheil gebühret vorzüglich und zum ersten den vom Erblasser abstammenden ehelichen, oder durch Unsere Gesetze den ehelich geborenen gleichgeachteten Kindern, nach deren Tode aber den von ihnen nachgelassenen Abkömmlingen, und Wir wollen denselben hiemit ohne Unterschied der Anzahl und des

 

1) In einer vorliegenden Ausarbeitung Horten’s wird als Pflichttheil der Descendenten nur die Hälfte des Nachlasses bestimmt.


(233) Geschlechts der Kinder für allgemein auf drei Viertel des gesammten frei vererblichen Vermögens bestimmet haben.

[2, 13] §. 3. Die Hälfte des Vermögens soll allen Kindern zu gleichen Theilen zugehören, und nach deren Tode zwischen den von ihnen nachgelassenen Enkeln und weiteren Nachkömmlingen auf eben jene Art getheilet werden, auf welche bei der rechtlichen Erbfolge nach Maß Unserer im sechzehenten Capitel nachfolgenden Anordnungen zwischen ihnen die ganze Erbschaft vertheilet wird. Ueber das dritte Viertel hingegen soll dem Erblasser die freie Befugniß zustehen, selbes zwischen seinen Kindern oder den Nachkömmlingen seiner vorgestorbenen Kinder zu vertheilen, oder Einem von ihnen insbesondere zuzuwenden. Hätte er aber über dieses Viertel keine besondere Anordnung gemacht, so wird dasselbe eben so, wie die obgedachte Hälfte des Vermögens vertheilet.

[2, 13] §. 4. Nur allein bei Personen Herren- und Ritterstandes, welche in einem Unserer deutschen Erblande das Recht der Landmannschaft erworben haben, wollen Wir wegen Vertheilung dieser drei Viertel folgende Regeln festsetzen. Wenn ein Landmann einen oder mehrere Söhne nebst einer oder mehreren Töchtern hinterläßt, so sollen diese drei Viertel in zwei gleiche Theile getheilet werden, und eine Hälfte den Söhnen allein, die andere Hälfte aber den Söhnen und Töchtern zusammen nach Anzahl der Personen zu gleichen Theilen zugehören. Wenn von einem vorgestorbenen Sohne Enkeln und Enkelinnen, oder Enkelinnen allein vorhanden sind, so sind in Ansehung ihrer eben jene Regeln zu beobachten, welche Wir für diese Fälle im sechzehenten Capitel, §§. 26 und 27, vorgeschrieben haben.

[2, 13] §. 5. Wenn ein Landmann blos Söhne hinterläßt, so sollen die drei Viertel zwischen ihnen in gleiche Theile getheilet werden. Wäre aber ein Sohn gestorben und hätte männliche und weibliche Nachkömmlinge, oder blos weibliche Nachkömmlinge nachgelassen, so sollen die drei Viertel ebenso, als ob der Erblasser Söhne und Töchter nachgelassen hätte, in zwei gleiche Theile getheilet und bei deren Untertheilung zwischen den Nachkömmlingen des vorgestorbenen Sohnes den obberührten §§. 26 und 27 nachgegangen werden.

[2, 13] §. 6. Wenn endlich ein Landmann bloserdings Töchter oder deren Nachkömmlinge hinterlassen hat, oder wenn er zwar Söhne gehabt, doch diese vor ihm gestorben sind, und von ihnen kein einziger männlicher Nachkömmling vorhanden


(234) ist, so soll dem Vater über das dritte Viertel des Pflichttheiles eben jene Befugniß, wie einem anderen Erblasser zustehen.

[2, 13] §. 7. Durch diesen den Töchtern und Enkelinnen der Landleute eigends zugewendeten Pflichttheil sollen selbe von der väterlichen und großväterlichen Erbschaft gänzlich abgefertiget sein, und mögen künftighin weder von den Söhnen und Enkeln eine standesmäßige Unterhaltung und Ausstattung fodern, noch auch bei etwas ausgehendem Mannesstamme zu dieser Erbschaft sich eines Rückschreitungsrechtes anmaßen, sondern ein jeder von dem Mannesstamme soll den auf ihn gediehenen Erbtheil als ein frei vererbliches Vermögen besitzen.

[2, 13] §. 8. Wenn Jemand, der schon Kinder hat, in einem Unserer deutschen Erblande die Landmannschaft erwirbt, so sollen Unsere vorstehenden Anordnungen, auch bei den vor erworbener Landmannschaft erzeugten Kindern beobachtet werden; wenn jedoch einem oder anderen von diesen Kindern vor erhaltener Landmannschaft durch rechtsbeständige Verschreibungen bereits ein Recht erworben worden wäre, so mag ihm dieses durch die nachhero erlangte Landmannschaft nicht geschmäleret werden.

[2, 13] §. 9. Das, was Wir im §. 4 und den folgenden besonders geordnet haben, betrifft blos wirkliche Landleute und wo der Erblasser männlichen Geschlechtes ist; dahingegen, wenn schon der Erblasser vom Herren- oder Ritterstande nicht aber zugleich Landmann ist, oder wenn nicht ein Landmann, sondern die Ehegattin eines Landmannes gestorben ist, so hat es ohne Ausnahme bei der allgemeinen Anordnung des §§. 2 und 3 sein Bewenden.

[2, 13] §. 10. Wenn ein Erblasser keine Kinder, noch einige Nachkommenschaft nachgelassen, alsdann gebühret dessen Vater und Mutter ein Pflichttheil, und Wir wollen denselben ohne Unterschied zwischen Landleuten und anderen Ständen, für einen jeden der Eltern auf den sechsten Theil des gesammten frei vererblichen Vermögens bestimmen. Ist einer von den Eltern gestorben, so gebühret dem Ueberlebenden nicht mehr, als eben der sechste Theil, der ihm vorhero gebühret hat. Sind aber beide Eltern todt, so mögen weder die Geschwister, noch die Großeltern, noch einige sonstige Verwandten einen Pflichttheil fodern.

[2, 13] §. 11. Um den Pflichttheil zu bestimmen, soll Alles und Jedes, was der Erblasser zur Zeit seines Todes am frei vererblichen Vermögen nachgelassen hat, nach gerichtlicher Schätzung zu Gelde angeschlagen werden, nicht nur was in der Verlassenschaft wirklich vorhanden, sondern auch Alles, was der Erblasser aus einigerlei Ursache, es sei an einen Dritten oder an den eingesetzten Erben rechtmäßig zu fodern hat. Hieher gehören Erbschaften, so ihm noch in seinem Leben, obgleich ohne sein Wissen, zugefallen, Rechtsstrittigkeiten, so er anhängig gemacht, wodurch ihm nach seinem Tode etwas zugesprochen worden, das, was die Notherben einzubringen haben, und alle Zuwächse, so die Verlassenschaft erhält, wofern nur die Ursache des Zuwachses noch von seinen Lebzeiten herrühret.


(235) [2, 13] §. 12. Wenn jedoch die dem Erblasser zustehenden Ansprüche noch zweifelhaft oder die Forderungen uneinbringlich sind, wenn der anzuhoffende Zuwachs noch ungewiß, oder wenn eine Sache mit einer zeitlichen Haftung beschweret ist, so ist dieser Antheil des Vermögens derzeit in keinen Anschlag zu bringen, sondern der Pflichttheil gebühret erst alsdann davon, wenn etwas wirklich eingegangen oder die zeitliche Haftung der Sache aufgehöret hat.

[2, 13] §. 13. Lehen und Fideicommißgüter, welche den Kindern durch die Anordnung der Voreltern oder eines Dritten zufallen, so wie alles fremde Gut oder was der Erblasser mit der Verbindlichkeit zur Zurückstellung besessen hat, mag in keinen Anschlag des Vermögens kommen. Dahingegen gehören veräußerliche Lehen, wie auch erkaufte Erbzinsgründe unter das Vermögen, und wenn der Erblasser etwas von seinem frei vererblichen Vermögen zu Erkaufung eines neuen Lehens für seine Söhne verwendet hat, so muß das, was zu dessen Erkaufung verwendet worden, ebenfalls in den Anschlag des Vermögens gebracht werden, ohne Unterschied, ob der Vater oder die Söhne mit diesem neuen Lehen zuerst belehnet worden seien.

[2, 13] §. 14. 4) Hätte ein Erblasser ein seinen Söhnen zugehöriges oder durch seinen Tod an sie gelangendes Fideicommiß oder Lehen oder ein anderes einem Kinde eigenthümlich zugehöriges Gut, außer den von demselben behobenen Einkünften annoch mit Schmälerung seines frei vererblichen Vermögens namhaft verbesseret und anbei anbefohlen, daß diese Verbesserungen Demjenigen, der das Gut erhalten wird, in seinen Pflichttheil eingerechnet werden sollen, so muß Jenes, was von dem frei vererblichen Vermögen dahin verwendet worden, in den Anschlag des Vermögens gebracht werden; doch mit dem Unterschiede, wenn die Verbesserung mehr beträgt, als der Aufwand, so ist nur der Aufwand, wenn aber der Aufwand die Verbesserung übersteigt, so ist nur der wirklich verschaffte Nutzen zu Capital gerechnet, in Anschlag zu bringen. Dahingegen in jenen Fällen, wo die gemachten Verbesserungen Demjenigen, der das Gut erhält, nicht in den Pflichttheil eingerechnet werden, mag auch der desfalls gemachte Aufwand in keinen Anschlag des Vermögens kommen.

[2, 13] §. 15. Wenn sich bei dem Vermögen ein Zuwachs ergiebt, dessen Ursache nicht von den Lebzeiten des Erblassers herrühret, so macht der Zeitpunkt, in welchem sich der Zuwachs ergiebt, den Unterschied. Geschiehet es noch vor Richtigstellung des Pflichttheils, so kommt er in den Anschlag des Vermögens und vergrößert den Pflichttheil. Ist aber der Pflichttheil zur Zeit des erfolgten Zuwachses schon berichtiget, so gereichet er Demjenigen ganz allein zum Vortheile, deme das Gut, wobei sich der Zuwachs ergeben hat, zugefallen ist.

[2, 13] §. 16. Von diesem in Anschlag gebrachten Vermögen müssen vorzüglich die darauf haftenden Schulden in Abzug gebracht werden, nicht nur, welche ein Dritter, sondern auch, welche die eingesetzten Erben oder auch die Notherben selbst an der Verlassenschaft zu fodern haben, sodann sind auch die Begräbnißunkösten abzuziehen, insoweit sie dem Stande und Vermögen des Erblassers gemäß sind, und den durch Unsere anderweite Anordnungen vorgeschriebenen Betrag nicht überschreiten.

[2, 13] §. 17. 5) Wenn strittige und zweifelhafte Schuldposten in der Verlassenschaft vorhanden sind, so soll für dieselben ebenfalls so viel in Abzug gebracht

 

4) Horten erhob in seinen Anmerkungen Bedenken gegen die angeordnete Einrechnung in den Pflichttheil, weil die Melioration einen Bestandtheil des gebundenen Vermögens bildet, der Pflichttheil aber frei „ab omni onere“ bleiben soll.

5) Horten empfahl in seinen Anmerkungen eine Bestimmung, welche die Kosten der für die Nachlaßmasse zu führenden Activ- und Passivprocesse Allen verhältnißmäßig auferlegt, „welche von der Sache einen Nutzen haben“, weil er besorgte, daß die übrigen Bestimmungen


(236) werden, als zu ihrer Bezahlung, wenn sie für richtig anerkennet werden sollten, nothwendig ist; würden sie aber hernach unrichtig zu sein befunden, so muß von dem desfalls in Abzug gebrachten Betrage, so viel davon nach Abzuge der Unkosten annoch erübriget, der Pflichttheil ebenfalls entrichtet werden.

[2, 13] §. 18. Unter den Schulden wollen Wir auch Dasjenige verstanden haben, was dem nachgelassenen Ehegatten des Erblassers vermöge des Heirathbriefes aus dessen Verlassenschaft eigenthümlich zufällt. Wenn aber kein Heirathbrief errichtet worden, so soll derjenige Antheil, den Wir nach Maß Unserer im sechzehenten Capitel, §. 42, enthaltenen Anordnung für den überlebenden Ehegatten von der Verlassenschaft bestimmet haben, ebenfalls noch vor dem Pflichttheile in Abzug gebracht werden.

[2, 13] §. 19. Das nach Abschlagung oberwähnter Kosten erübrigende reine Vermögen ist der Maßstab, nach welchem der den Notherben gebührende Pflichttheil auszumessen ist, und alle übrigen von dem Erblasser angewiesenen Erbtheile und Vermächtnisse, obschon sie zu milden Sachen gewidmet wären, wie auch die von ihm auf den Todfall gemachten Schankungen müssen demselben nachstehen, oder wenn der Pflichttheil dadurch verkürzet würde, zu dessen Ergänzung in der unten im §. 42 vorgeschriebenen Maß beitragen.

[2, 13] §. 20. Doch ist Derjenige, der den Pflichttheil fodert, in denselben Alles einzurechnen schuldig, was ihm aus der Verlassenschaft durch letztwillige Handlungen des Erblassers, oder durch die Anordnung Unserer Gesetze bereits zugekommen ist oder noch unfehlbar zukommen wird. Hieher gehöret Dasjenige, was ihm unter einer zufälligen Bedingniß vermacht worden, wenn die Bedingniß schon erfüllet worden, das, was ihm durch die Nachberufung zu Theil wird, und was ihm von Demjenigen, worüber der Erblasser nicht geordnet hat, oder wo dessen gemachte Anordnung in der Folge unwirksam wird, durch die rechtliche Erbfolge zufällt. Dahingegen mögen die vom Erblasser gestifteten Fideicommisse, welche der Notherb einem Anderen zurückzustellen schuldig ist, wie auch Jenes, was der Erblasser ihm mit sonst einer angehängten Beschwerde zugewendet oder was er ihm vorzüglich vermacht hat, nicht in den Pflichttheil eingerechnet werden.

[2, 13] §. 21. Auch soll alles Jenes, was der Notherb von dem Erblasser durch lebzeitige Handlungen vorempfangen hat, ihm sonst nicht in dem Pflichttheil eingerechnet werden, als wenn der Erblasser es ausdrücklich anbefohlen hat. Wenn es aber auch ausdrücklich anbefohlen worden, so sollen doch jene Auslagen, welche der Erblasser aus Pflicht auf den Notherben zu verwenden schuldig gewesen, nicht darunter begriffen sein, nemlich die Erziehungs-, Unterhaltungs- und Heilungsunkösten, so lang die Kinder in der Eltern Verpflegung stehen und keine eigene Einkünfte haben, wie auch die auf ein verstorbenes Kind ausgelegte Begräbnißunkösten, wenn von demselben Enkeln vorhanden sind, die den Pflichttheil ganz oder zum Theile zu fodern haben. Auf gleiche Art sollen auch die von der vorempfangenen Sache bei Lebzeiten des Erblassers eingehobene Nutzungen, wie auch die einem Kinde zur Führung einer eigenen Haushaltung von den Eltern gegebenen jährlichen Beiträge von der Einrechnung in den Pflichttheil gänzlich befreiet sein.

[2, 13] §. 22. 6) Wenn Dasjenige, was der Notherb in den Pflichttheil einzurechnen

 

nicht ausreichen würden, um den Erben von der Last, die ganzen Kosten allein zu tragen, zu befreien, und daß in Folge dessen der Erbe ein zu geringes Interesse an der Proceßführung hätte.

6) In seinen Anmerkungen hatte Horten die Nothwendigkeit betont, die Anfechtung der einem Kinde bei Lebzeiten des Erblassers gemachten Zuwendung zuzulassen, durch welche der Pflichttheil der Geschwister, welche zur Zeit der Zuwendung am Leben waren, verkürzt würde.


(237) hat, mehr beträgt, als der Pflichttheil, so ist er nicht schuldig etwas davon zurückzustellen, außer es wäre so viel, daß die anderen Notherben dadurch an ihrem Pflichttheile verkürzet würden. Was jedoch Jenes anbetrifft, das der Notherb durch lebzeitige Handlungen erhalten hat, desfalls ist Unseren allgemeinen Anordnungen nachzugehen.

[2, 13] §. 23. Es ist nicht nöthig, daß ein Jeder, deme der Pflichttheil gebühret, im letzten Willen namentlich genennet werde, sondern es ist an deme genug, wenn den Kindern oder den Eltern überhaupt der Pflichttheil angewiesen wird. Unter den Kindern werden sodann alle Jene verstanden, die Wir im neunten Capitel, §. 18, darunter begriffen haben.

[2, 13] §. 24. Der Pflichttheil kann als ein Erbtheil, Vermächtniß oder unter was immer für einem Namen verlassen werden; doch ist er allzeit als ein wahrer Erbtheil anzusehen, und wenn schon der Erblasser einem Notherben einen bestimmten Erbtheil oder eine gewisse Sache oder Summe zu seinem Pflichttheile angewiesen hat, so muß ihm doch das, um was der Pflichttheil nach der oben vorgeschriebenen Berechnung höher ausfällt, ergänzet werden. Wenn hingegen der angewiesene Erbtheil oder die Sache mehr beträgt, als der ausfallende Pflichttheil, so bestehet der Ueberrest in der Art, als ob er einem Fremden zugewendet worden wäre.

[2, 13] §. 25. Der Pflichttheil kann weder vermindert, noch auch durch Bedingnisse, Auflagen oder andere dergleichen Zusätze beschränket werden, sondern diese gelten nur in Ansehung dessen, was den Notherben außer dem Pflichttheile zugewendet worden. Nur alsdann muß der Notherb sich der dem Pflichttheile angehängten Beschwerde unterziehen, wenn ihm ein Mehreres, als der Pflichttheil unter der Bedingniß verlassen worden, wenn er sich dieser Beschwerde nachachten würde, und er den ganzen Betrag beziehen will.

[2, 13] §. 26. Kein Erblasser ist befugt, seinen Notherben den ihnen gebührenden Pflichttheil zu entziehen. Würde sich jedoch ein Notherb durch sein pflichtwidriges Betragen dieser Vorsorge Unseres Gesetzes unwürdig machen, so geben Wir dem Erblasser die Macht, selben durch dessen Enterbung von seiner Verlassenschaft auszuschließen. Es soll aber nicht in der Willkür eines Erblassers beruhen, seine Notherben wegen eines jeden ihm mißfälligen Betragens zu enterben, sondern Wir wollen die Ursachen dazu folgendermaßen bestimmet haben.

[2, 13] §. 27. 7) Gemeinschaftliche Ursachen, warum sowohl Kinder von ihren Eltern, als Eltern von ihren Kindern enterbet werden können, sind: Wenn der Notherb den Erblasser einer Missethat beschuldiget und ihn deswegen bei Gerichte angiebt oder sich wider ihn in einer peinlichen Verfahrung freiwillig als ein Anwalt gebrauchen läßt oder zum Zeugen anbietet; außer es wären solche Verbrechen, welche auch Kinder wider ihre Eltern oder Eltern wider ihre Kinder anzubringen schuldig sind. Wenn der Notherb dem Erblasser gefährlicher Weise nach dem Leben gestanden, obwohl es bei der blosen Bestrebung geblieben wäre. Wenn der Notherb den Erblasser in Armuth, Elend, Blödsinnigkeit oder in einer Krankheit, wenn diese gleich ansteckend, ja auch die Pest wäre, hilflos verläßt und verabsäumet und ihn nicht, insoweit es sein Vermögen zuläßt, mit dem benöthigten Unterhalte versiehet oder durch Andere pflegen und warten läßt. Wenn er ihm durch boshafte Verrathung, Angebung oder sonstige Veranlassung am Leibe, Ehre und Gut großen Schaden verursachet hat. Wenn er ihn aus der feindlichen Gefangenschaft, da er dazu aus seinem eigenen oder des in die Gefangenschaft Gerathenen hinterlassenen

 

7) Aus den Anmerkungen Horten’s erhellt, daß der in „boshafter Verrathung und Angebung“ liegende Enterbungsgrund in dem früher von der Compilations-Commission angenommenen Entwurfe nur als Grund zur Enterbung der Descendenten behandelt worden ist.


(238) Vermögen im Stande gewesen, nicht erlöset hat. Wenn er ihn durch Gewalt oder Arglist verhindert hat, einen letzten Willen zu errichten oder den errichteten abzuänderen und der Erblasser gleichwohl damit zu Stande kommt. Wenn er mit des Erblassers Ehegatten oder Ehegattin Blutschande getrieben.

[2, 13] §. 28. Besondere Ursachen, warum Kinder von ihren Eltern enterbet werden können, sind folgende: Wenn sie an die Eltern freventlich Hand angeleget, sie geschlagen, misshandelt oder darzu eingerathen, behilflich gewesen oder die Mißhandlung ihrer Eltern, wo sie es hätten thun können, nicht abgewendet oder auch die Eltern in der Zeit nicht davor gewarnet haben. Nicht minder, wenn sie aus Bosheit und Muthwillen auf ihre Eltern zu schlagen, zu hauen, zu stechen oder zu schießen gedrohet haben. Wenn sie der Eltern Ehre und guten Namen mit harten Schmäh- und Schimpfworten angetastet, ihnen übel nachgeredet, sie verläumdet oder auf sie gescholten und gefluchet haben. Inwieweit ein Kind wegen einer wider der Eltern Willen getroffenen Heirath enterbet werden könne, ist aus dem ersten Theile, dritten Capitel, §§. 6 und 10, zu ersehen.

[2, 13] §. 29. Insbesondere soll auch den Kindern die Befugniß zustehen, ihren Vater zu enterben, wenn er ihrer Mutter nach dem Leben gestanden und ihre Mutter, wenn sie ihrem Vater nach dem Leben gestanden.

[2, 13] §. 30. Die Enterbung kann nicht anders, als in einem rechtsgiltigen letzten Willen geschehen, und wenn der letzte Willen wegen einer anderen Ursache ungiltig ist oder in der Folge kraftlos wird, so zerfällt auch die Enterbung. Sie muß ferner deutlich sein und der Enterbte solchergestalten benennet werden, daß man ihn erkennen und den Willen des Erblassers, ihn von seiner Erbschaft auszuschließen, klar abnehmen möge; widrigens findet jenes statt, was Wir im §. 36 anordnen.

[2, 13] §. 31. Die Ursache der Enterbung muß deutlich hinzugesetzt, auch deren Wahrheit von dem eingesetzten Erben erwiesen werden; wenn aber keine Ursache ausgedrücket worden, obwohl der eingesetzte Erb eine erweisen wollte, oder wenn die ausgedrückte Ursache nicht rechtmäßig oder nicht erweislich wäre, obwohl der Erb eine andere erweisen wollte, so mag derselbe mit diesem Beweise nicht gehöret werden, sondern der enterbte Notherb ist befugt, wider diesen letzten Willen die Klage der Unpflichtmäßigkeit zu erheben. Könnte jedoch bei dem Enterbten nicht einmal die Fähigkeit vermuthet werden, die Enterbung durch die ausgedrückte Ursache verdienet zu haben, so soll die Enterbung nicht für eine Enterbung, sondern für eine Uebergehung gehalten und dem §. 36 nachgegangen werden.

[2, 13] §. 32. Durch die Klage der Unpflichtmäßigkeit wird die Erbseinsetzung sammt Allem, was derselben anhängt, entkräftet und der Enterbte tritt in alle Rechte des Erben ein. Die Vermächtnisse hingegen bleiben aufrecht; außer wenn der Notherb von dem eingesetzten Erben nicht so viel erhielte, als sein Pflichttheil beträgt. In diesem Falle muß derselbe aus den Vermächtnissen ergänzet werden.

[2, 13] §. 33. Wenn mehrere Notherben enterbet worden, so gebühret einem Jeden eine besondere Klage, ohne daß der Sieg des Einen dem Anderen nutzen, noch dessen Sachfälligkeit dem Anderen schaden könnte, sondern ein jeder erhält durch diese Klage nicht mehr als jenen Betrag, der ihm, wenn alle Enterbten zugleich zur rechtlichen Erbfolge gelanget wären, für seinen Antheil gebühret hätte, und das Uebrige bleibt bei dem eingesetzten Erben. Wer aber zur Zeit, da der Erblasser stirbt, kein Notherb war, dem kann durch die Verzicht oder Sachfälligkeit des Notherben niemals der Weg zu dieser Klage gebahnet werden.

[2, 13] §. 34. Wenn schon der Erblasser dem enterbten Notherben ein Vermächtniß gemacht, so kann er doch die Klage der Unpflichtmäßigkeit erheben. Wenn er jedoch das Vermächtniß anverlangt oder ohne Vorbehalt annimmt, so verlieret er die Befugniß zur Klage. Ebenso, wenn er die Klage der Unpflichtmäßigkeit erhoben,


(239) selbe aber ungegründet befunden worden wäre, soll er auch das ihm im letzten Willen zugedachte Vermächtniß verlieren; außer er wäre vor erfolgtem richterlichen Urtheile von der Klage abgestanden. Hätte aber Jemand einen Anderen von Amtswegen zu vertreten, so schadet ihm das, was er in fremdem Namen gethan, an seinem eigenen Rechte nicht.

[2, 13] §. 35. Die Enterbung wird nicht aufgehoben, wenngleich zwischen dem Erblasser und Enterbten nachhero eine Versöhnung erfolget oder die zugefügte Beleidigung erlassen worden, oder wenn Beide hernach in einem Hause, oder sonst in guter Vertraulichkeit gelebt haben, sondern der Erblasser muß sich entweder schriftlich oder vor zweien Zeugen mündlich erklären, daß er die Enterbung aufhebe; wäre jedoch der Enterbte vor dem Erblasser gestorben und hätte Kinder hinterlassen, so soll die Enterbung andurch aufgehoben sein, und den nachgelassenen Enkeln an der großväterlichen oder großmütterlichen Erbschaft eben jenes Recht bevorbleiben, welches sie gehabt hätten, wenn ihr Vater oder ihre Mutter nicht verdienet hätte, enterbt zu werden.

[2, 13] §. 36. Hätte aber ein Erblasser über sein ganzes Vermögen eine letztwillige Anordnung gemacht, und in derselben seinen Notherben, oder wenn er deren mehrere hat, auch nur einen einzigen derselben ohne von ihm einige Meldung zu machen, gänzlich übergangen, oder obwohl er seiner gedacht, ihn doch weder namentlich enterbet, noch auch ihm etwas zugewendet, so soll der ganze letzte Willen in allen seinen Punkten null und nichtig sein.

[2, 13] §. 37. Auf gleiche Art soll auch ein solcher letzter Willen in der Folge ganz und gar zerrüttet werden, wenn dem Erblasser nach dessen Errichtung, es sei noch bei seinem Leben oder nach seinem Tode, ein eheliches Kind geboren wird, dessen er in dem letzten Willen weder insbesondere, noch auch überhaupt gedacht hat. Doch muß das Kind nach Maß Unserer im ersten Theile, vierten Capitels festgestellten Grundsätze zu rechter Zeit geboren sein; widrigens wird der letzte Willen sonst nicht zerrüttet, als wenn der Erblasser das Kind für das Seinige anerkennet hat. Diese Anerkennung soll aber in jenem Falle, wo das Kind zu früh geboren wird, der Erblasser aber zur Zeit dieser Geburt bereits gestorben ist, auch aus deme geschlossen werden, wenn ihm zur Zeit der Verehelichung die Schwangerschaft der Mutter bekannt gewesen.

[2, 13] §. 38. Was Wir von der nachherigen Geburt eines ehelichen Kindes geordnet haben, soll auch in allen jenen Fällen Platz greifen, wenn Jemand, der zur Zeit des errichteten letzten Willens kein Notherb war, nachhero bei dem Tode des Erblassers dessen Notherb worden ist, als da ein uneheliches Kind durch die nachgefolgte Ehe ehelich gemacht wird, oder da des Erblassers Kind nach dem letzten Willen ohnbeerbet gestorben wäre, der Vater des Erblassers aber zur Zeit seines Todes noch lebte.

[2, 13] §. 39. Dahingegen, wenn dem Erblasser nach errichtetem letzten Willen ein Kind stirbt und Enkeln hinterläßt, sollen diese, obwohl ihrer für ihre Person in dem letzten Willen nicht gedacht worden, denselben nicht zerrütten, sondern Alles, was ihrem Vater oder Mutter in demselben zugedacht war, soll ihnen eben so zufallen, als wenn dieser ihr Vater oder Mutter den Erblasser überlebt hätte. Wäre aber ihrem vorgestorbenen Vater oder Mutter in dem letzten Willen nichts zugedacht gewesen, so sollen die nachgelassenen Enkeln denselben eben so zerrütten, als wenn ihr Vater oder Mutter zu der Zeit, da der letzte Willen errichtet worden, bereits gestorben gewesen wäre.

[2, 13] §. 40. Wir wollen aber alle solche letztwillige Anordnungen, welche wegen Uebergehung der Notherben entweder vom Anfange ungiltig waren oder hernach ungiltig worden sind, in ihrem ganzen Inhalte alsdann aufrecht erhalten, wenn Jener, der wider den letzten Willen die Klage der Nichtigkeit hatte, entweder vor


(240) dem Erblasser gestorben ist, oder sich seines Erbtheils durch ordentliche Verzicht begeben, oder nach dessen Tode sich der Erbschaft entschlagen hat.

[2, 13] §. 41. Wenn hingegen der Erblasser in dem letzten Willen, worinnen er die Notherben übergangen, nicht über sein ganzes Vermögen, sondern nur über einzelne Sachen oder nur über einen Theil seiner Verlassenschaft geordnet, oder wenn er seinen Notherben, ohne sie zu enterben, ein Vermächtniß gemacht oder sie zu Erben eingesetzet hat, so soll der letzte Willen über Dasjenige, was den Notherben zugewendet worden, oder was ihnen durch die rechtliche Erbfolge zufällt, möge auch noch so wenig sein, allezeit seine rechtliche Kraft behalten und den Notherben bloserdings die Befugniß zustehen, die Ergänzung dessen, was ihnen an ihrem Pflichttheile noch abgehet, anzusuchen.

[2, 13] §. 42. Der verkürzte Pflichttheil muß vorzüglich von den eingesetzten Erben ergänzet werden; wenn aber die Ergänzung durch die vom Erblasser angewiesenen Erbtheile nicht geschehen kann, oder wenn der Pflichttheil blos durch die gemachten Vermächtnisse verkürzet worden, so müssen auch diese zu dessen Ergänzung beitragen.

[2, 13] §. 43. Wenn ein Erblasser den dritten Theil des Pflichttheils in jenen Fällen, worinnen er denselben zwischen seinen Kindern willkürlich austheilen kann, Einem unter ihnen zugewendet hat, so können die Andern, wofern sie nur den von der Hälfte des Vermögens auf sie ausfallenden Antheil haben, über keine Verkürzung klagen. Hätte aber der Erblasser einigen von seinen Kindern zwar mehr, als was von der Hälfte auf selbe ausfällt, zugewendet, doch nicht den ganzen von seiner Willkür abhangenden dritten Theil, so gebühret jenen Kindern, die etwa an dem von der Hälfte des Vermögens auf sie ausfallenden Antheile verkürzet worden, vorzüglich dessen Ergänzung. Wenn aber diese Ergänzung geschehen, oder wenn kein Kind an diesem Antheile verkürzet war, so haben alle Kinder ohne Rücksicht, ob ihnen bereits von dem Erblasser etwas von dem dritten Theile zugewendet worden oder nicht, an demjenigen Ueberreste dieses dritten Theiles, welcher keinem Kinde insbesondere zugewendet worden, ein gleiches Recht.

[2, 13] §. 44. Alle diese den Notherben nach Verschiedenheit der Fälle eingeraumten Rechtsmittel hören alsdann auf, wenn sie auf den Pflichttheil Verzicht gethan haben. Doch muß die Verzicht entweder auf die ganze Erbschaft oder namentlich auf den Pflichttheil lauten; widrigens schadet es einem Kinde nicht, wenn es schon bei Lebzeiten des Erblassers etwas zu seiner Abfertigung erhalten hätte.

[2, 13] §. 45. Ebenso begiebt sich der Notherb durch eine stillschweigende Verzicht des ihm zustehenden Rechtsmittels, wenn er drei Jahre und achtzehen Wochen verstreichen läßt, ohne sich dessen zu gebrauchen. Dahingegen, wenn er binnen dieser Zeit stirbt, so können seine Erben noch eben jene Klage erheben, die er zu erheben befugt war.

[2, 13] §. 46. In dem Falle, wo der Notherb wider den letzten Willen die Klage der Nichtigkeit oder der Unpflichtmäßigkeit erheben kann, wird eine stillschweigende Verzicht auch aus deme geschlossen, wenn er den letzten Willen auf rechtsbeständige Art für giltig oder den darinnen eingesetzten Erben für einen wahren rechtmäßigen Erben anerkennet. In jenem Falle hingegen, wo der Notherb blos die Ergänzung des verkürzten Pflichttheils anzusuchen befugt ist, wird diese Befugniß nicht verloren, wenn er schon das, was ihm in letztem Willen vermachet ist, anverlangt, oder ohne Vorbehalt annimmt, oder den Willen des Erblassers in anderen Punkten anerkennet; wäre jedoch der Notherb zum Erben eingesetzt worden, so kann er nur alsdann wegen Verkürzung des Pflichttheils eine Klage erheben, wenn er bei Antretung der Erbschaft sich der den Erben im siebzehenten Capitel, §. 16, eingestandenen Wohlthat bedienet hat.

[2, 13] §. 47. Die Verzicht, sie möge ausdrücklich oder stillschweigend sein, schadet dem Notherben nicht, wenn er aus was immer für einer Ursache Verbindungen


(241) einzugehen unfähig ist; auch nutzt die Verzicht eines unter mehreren Notherben dem anderen nicht, sondern einem jeden gebühret nur so viel zum Pflichttheile, als ihm gebühret hätte, wenn alle ohne Verzicht zur Theilung gelanget wären.

[2, 13] §. 48. Unehelichen Kindern und unehelichen Eltern gebühret kein Pflichttheil; nur allein wollen Wir einem unehelichen Kinde, oder wenn ihrer mehrere sind, allen zusammen, aus was für einem verbotenen Beischlafe sie auch erzeuget seien, von der Verlassenschaft ihrer Mutter einen Theil ausmessen, doch dergestalten, daß, wenn die Mutter einem unehelichen Kinde im letzten Willen etwas zugewendet hat, dieses in denselben eingerechnet werden solle.

[2, 13] §. 49. Wenn die Erblasserin keine ehelichen Kinder nachgelassen hat, so soll ihren unehelichen Kindern der sechste Theil ihres Vermögens zufallen. Wären jedoch die Eltern der Erblasserin noch im Leben, so gebühret diesem deme ohngeachtet derjenige Pflichttheil, den Wir ihnen in §. 10 bestimmet haben. Sind aber eheliche Kinder vorhanden, so sollen die unehelichen Kinder nicht mehr, als den zwölften Theil des Vermögens erhalten; doch soll der den ehelichen Kindern zum Pflichttheile ausgemessene Antheil durch diesen zwölften Theil nicht geschmäleret werden, und in dem Falle, wo ein uneheliches Kind mit vielen ehelichen Kindern zusammentrifft, soll in Ansehung dieses zwölften Theils eben jene Beschränkung Platz greifen, die Wir im neunten Capitel, §. 4, festgesetzet haben.

[2, 13] §. 50. Uebrigens soll ein uneheliches Kind dieses ihm beschiedenen Antheils aus eben jenen Ursachen verlustigt werden, durch welche eheliche Kinder nach Maß der §§. 27 und 28 sich des Pflichttheils unwürdig machen.

Vierzehentes Capitel.

Von Widerrufung letztwilliger Anordnungen.

[2, 14] §. 1. Alle letztwilligen Anordnungen ohne Ausnahme, von was für einer Gattung und mit was für Feierlichkeiten sie auch gemacht seien, können von dem Erblasser, wofern er den darzu erforderten Verstand und freien Willen hat, bis zum letzten Augenblicke des Lebens widerrufen und abgeändert werden, wenn er sich schon dieser Freiheit ausdrücklich begeben oder auch mit noch so bündigen Ausdrücken erklärt hätte, daß eine jede Abänderung und Widerrufung dieses letzten Willens ungiltig sein solle. Wenn jedoch Jemand einem Anderen durch eine Handlung unter Lebenden an seinem Vermögen ein Recht eingeraumet hat, so mag er ihm dieses durch keine letztwillige Anordnung schmälern.

[2, 14] §. 2. Wenn Jemand einen errichteten letzten Willen oder eine einzelne in seinem letzten Willen gemachte Anordnung durch eine widrige Erklärung widerrufen will, so muß dieses auf eine von jenen Arten geschehen, die Wir in achten Capitel zu Errichtung eines letzten Willens vorgeschrieben haben.

[2, 14] §. 3. Wenn der Erblasser den von ihm schriftlich errichteten letzten Willen oder auch die über seine mündliche Erklärung von den Zeugen verfaßte Urkunde zerreißt, auslöschet, durchstreichet oder sonst vernichtet, so ist der letzte Willen für widerrufen zu halten, obschon das Ausgelöschte oder Durchstrichene noch lesbar wäre; dahingegen, wenn unter mehreren mit den erforderten Beweisen versehenen gleichlautenden Aufsätzen eines letzten Willens einige vernichtet, wenn ein verschlossen gewesener letzter Willen entsiegelt oder eröffnet, oder wenn er von Jenem, bei deme er hinterleget war, abgefordert worden, so mag daraus keine Aenderung des Willens geschlossen werden.


(242) [2, 14] §. 4. Die Absicht, den letzten Willen zu widerrufen, wird allzeit vermuthet, wenn ein ausgelöschter, durchstrichener oder zerrissener Aufsatz gefunden wird; könnten aber Jene, denen daran gelegen ist, erweisen, daß die Auslöschung, Zerreißung oder Vertilgung nicht mit Willen und Vorsatz des Erblassers, sondern durch ungefähren Zufall oder fremde Bosheit geschehen sei, so bestehet der letzte Willen in seinem ganzen Inhalt, insoweit entweder dieser annoch lesbar ist oder durch glaubwürdige Zeugen oder auf andere rechtsbeständige Art erprobet werden kann.

[2, 14] §. 5. Wenn ein letzter Willen von dem Erblasser zerrissen oder durchschnitten worden ist, so ist die ganze Anordnung widerrufen. Durch die Auslöschung oder Durchstreichung aber wird nur alsdann der ganze letzte Willen für widerrufen gehalten, wenn entweder der ganze Inhalt desselben oder die Unterschrift des Erblassers oder der Zeugen ausgelöschet oder durchstrichen worden; widrigens ist nur so viel für widerrufen zu halten, als ausgelöschet oder durchstrichen worden.

[2, 14] §. 6. Wenn anstatt des Ausgelöschten oder Durchstrichenen etwas Anderes darüber oder auf der Seite geschrieben worden, und dieses Zugeschriebene entweder des Erblassers eigene Handschrift ist, oder durch dessen eigenhändige Anmerkung oder durch die erforderliche Anzahl Zeugen bestätiget wird, so hat es eben die Kraft, als ob es dem letzten Willen von Anfange eingeschaltet gewesen wäre, wenn aber der Zusatz von fremder Hand und weder auf die eine noch andere Art bestätiget worden, so ist er nicht nur ungiltig, sondern erweckt annebst die Vermuthung, daß auch die Auslöschung oder Durchstreichung ohne Wissen und Willen des Erblassers geschehen sei.

[2, 14] §. 7. Hätte ein Erblasser in seinem letzten Willen Jemanden etwas zugewendet und deme die Endursache beigesetzet, warum er ihm dieses zuwenden wolle, so wird durch Widerrufung dieser Endursache auch Dasjenige für widerrufen gehalten, was Jemanden deswegen zugedacht war. Dahingegen, wenn die beigefügte Auflage keine Endursache enthielt, so schadet es Demjenigen, deme etwas mit dieser Auflage zugewendet war, nicht, wenn selbe hernach erlassen wird; außer es erhellete, daß der Erblasser Jenen, deme er die Auflage gemacht, bloserdings für den Vollstrecker seines in der Folge geänderten Willens habe gebrauchen wollen.

[2, 14] §. 8. Wenn Dasjenige, was Jemanden ohne Bedingnuß zugewendet war, nachhero auf einen Anderen unter einer Bedingnuß übertragen worden, so ist dafür zu halten, daß dasselbe dem Ersten nur bei dem Erfolge dieser Bedingnuß benommen sei; dahingegen, wenn dem Ersten etwas unter einer Bedingnuß oder mit einer Auflage zugewendet war, diese aber bei dessen Uebertragung an einem Anderen nicht wiederholet worden, so ist der Letztere an dieselbe nicht gebunden.

[2, 14] §. 9. Wenn Jemand nach einer bereits errichteten letztwilligen Anordnung eine andere errichtet und darinnen die erste ausdrücklich widerrufet, so ist diese, sie möge mit noch so vielen Feierlichkeiten errichtet worden sein, andurch gänzlich aufgehoben, wofern nur die letzte Anordnung in ihrer Art rechtsgiltig ist; wäre aber die letztere Anordnung gleich vom Anfange null und nichtig, so behält die erste Anordnung ihre vollständige Giltigkeit.

[2, 14] §. 10. Dahingegen, wenn die letztere Anordnung vom Anfange rechtsgiltig gewesen, in der Folge aber ihre Giltigkeit verloren hätte, oder sonst nicht zur Wirkung gelanget wäre, so bleibt der widerrufene letzte Willen dennoch entkräftet; außer der Erblasser hätte denselben auf’s Neue feierlich bestätiget, oder diese seine Meinung könnte aus anderen untrüglichen Kennzeichen geschlossen werden, als da er die spätere Anordnung zerrissen, die frühere aber unversehrt belassen hätte.

[2, 14] §. 11. So soll auch die erste letztwillige Anordnung, ohngeachtet sie widerrufen worden, dennoch zu Rechte bestehen, wenn der Erblasser die Endursache, warum er selbe widerrufen, in der späteren ausgedrücket hätte und diese nachhero


(243) falsch zu sein befunden würde; außer es könnte erwiesen werden, daß er nachhero die Falschheit der ausgedrückten Ursache gewußt und es dennoch bei seinem abgeänderten Willen belassen habe.

[2, 14] §. 12. Hätte aber ein Erblasser in der späteren letztwilligen Anordnung die vorhero errichtete, oder da er vorhero bereits mehrere errichtet hätte, einige unter denselben nicht ausdrücklich widerrufen, so bestehen selbe alle zusammen; doch in jenen Punkten, in welchen eine Anordnung der anderen gerade entgegen stehet, hat die letztere Willensmeinung den Vorzug. Wäre hingegen der Widerspruch nicht offenbar, als da in der ersten Anordnung ein Anderer und in der letzten Anordnung wiederum ein Anderer zum Erben eingesetzet worden, ohne daß dabei ausgedrückt wäre, daß der Erste von der Erbschaft ausgeschlossen sein, oder daß der Letztere ganz allein die Erbschaften halten solle, so müssen beide Anordnungen durch gemeinschaftliche Zulassung Derjenigen, so darinnen berufen sind, dergestalten vereiniget werden, damit keine in einem einzigen Punkte unwirksam werde.

[2, 14] §. 13. Alles, was Wir in §§. 9, 10, 11, 12 geordnet haben, soll auch in jenem Falle Platz greifen, wenn Jemand nicht den ganzen vorhero errichteten letzten Willen, sondern nur einzelne darinnen gemachte Anordnungen widerrufet oder abändert, als da er dem Einen ein Vermächtniß benommen und dem Anderen zugewendet, oder anstatt der vorhin vermachten Sache eine andere vermachet, oder anstatt dessen, dem er die Abstattung des Vermächtnisses aufgetragen, einen Anderen mit desselben Abstattung beschweret, oder sonst in der Art und Weise, wie die erste Anordnung gefasset war, eine Abänderung gemachet hat.

Fünfzehentes Capitel.

Von Kundmachung letztwilliger Anordnungen.

[2, 15] §. 1. Sobald der Erblasser gestorben ist, solle dessen letzter Willen dem Gerichte getreulich eingeantwortet und daselbst hinterleget werden. Es soll aber einem jeden Gerichte, unter dessen Gerichtsbarkeit Jemand verstirbt, von Amtswegen obliegen, sogleich nach dem Todesfall sich bei den Hausleuten und an anderen dienlichen Orten zu erkundigen, ob ein letzter Willen vorhanden seie, auch selbst bei Vornehmung der Sperr unter den Briefschaften des Verstorbenen nachzusuchen, und wenn ein letzter Willen gefunden wird, denselben zu erheben, oder da wider Jemanden gegründete Anzeigen hervorkämen, daß er einen letzten Willen in Handen habe, ihn zu dessen Auslieferung durch rechtliche Zwangsmitteln anzuhalten.

[2, 15] §. 2. Wer einen letzten Willen in Handen hat, und denselben durch sechs Wochen von dem Tage an, daß ihm der Tod des Erblassers zu Ohren gekommen, ohne erhebliche Hinderniß dem Gerichte zu übergeben, wissentlich unterlassen hat, der soll alles dessen, was ihm in dieser oder einer anderen letztwilligen Anordnung dieses Erblassers zugedacht war, oder was ihm aus dessen Erbschaft nach der rechtlichen Erbfolge zugefallen wäre, verlustiget sein oder sonst mit einer anderen Strafe nach Gestalt der Sache unnachlässig beleget, und zum Ersatze aller der darunter leidenden Theilen verursachten Schäden und Unkösten verurtheilet werden.

§. 3. Würde aber Jemand einen fremden letzten Willen auf Befragen des Gerichtes in Händen zu haben laugnen, oder sonst boshafterweise vertuschen, oder


(244) gar vorsetzlich zerreißen, oder auf andere Art vertilgen, so soll er außer deme, was Wir im vorigen §. geordnet haben, nach Verschiedenheit der Fälle annoch folgenden Strafen unterliegen. In jenen Fällen, wo der vertuschte letzte Willen entweder unversehrt zum Vorscheine kommt, oder doch Jene, denen etwas daraus gebühret, nach Maß Unserer im vierzehenten Capitel, §. 4, enthaltenen Anordnung aus der Verlassenschaft ihre vollkommene Befriedigung erhalten, soll der Verbrecher so viel, als der von ihm abgelaugnete, vertuschte oder vertilgte Betrag ausmacht, zu Handen Unserer Kammer als eine Strafe erlegen; dahingegen, wenn man nicht weiß, weme durch den verübten Frevel ein Nachtheil zugegangen, oder wenn den Benachtheiligten nach Maß des besagten §. 4 ihre vollkommene Befriedigung nicht verschaffet werden kann, sie mögen aus dem eigenen Vermögen des Verbrechers ihre Entschädigung erhalten haben oder nicht, soll derselbe nach der Schärfe Unserer peinlichen Gerichtsordnung bestrafet werden.

[2, 15] §. 4. Wenn der Erblasser seinen letzten Willen nur mündlich vor Zeugen erkläret hat, so lieget diesen ebenfalls ob, denselben alsofort nach dem Tode des Erblassers dem Gerichte ausführlich anzuzeigen, wo im widrigen Falle wider sie ebenfalls rechtliche Zwangsmittel vorzukehren, wie auch in dem Falle, wo sie einer vorgehabten Vertuschung dieses letzten Willens überwiesen werden, nach Beschaffenheit der Umstände gleiche Strafen zu verhängen sind.

[2, 15] §. 5. Die Erhebung des letzten Willens stehet demjenigen Gerichte zu, deme der Verstorbene zur Zeit seines Todes für seine Person untergeben war, und wenn Jemand für seine Person in mehreren Ländern oder Orten dem alldortigen Gerichte untergeben ist, dem Gerichte desjenigen Landes oder Ortes, worunter derselbe gefunden wird. Wenn aber Jemand in einem Lande oder an einem Orte, dessen Gerichtsbarkeit er für seine Person gar nicht untergeben ist, mit Tode abgehet, und allda ein letzter Willen gefunden wird, so gehöret dessen Erhebung demjenigen Gerichte zu, deme der Erblasser in diesem Lande oder an diesem Orte seinem Stande nach untergeben gewesen wäre.

[2, 15] §. 6. Die Kundmachung des letzten Willens stehet aber demjenigen Gerichte zu, welches zu dessen Erhebung berechtiget ist; doch giebt die Erhebung und Kundmachung eines letzten Willens demjenigen Gerichte, welches dieselbe vorgenommen hat, keineswegs die Befugniß, sich in die Verlassenschaftsabhandlung einzumischen, wenn diese ihm nicht sonst zustehet, sondern in diesem Falle soll dasselbe den kundgemachten letzten Willen der vorgesetzten Landesstelle zuschicken, und diese soll ihn von Amtswegen weiter zu jenem Gerichte befördern, deme nach Ausmessung des achtzehenten Capitels die Verlassenschaftsabhandlung gebühret.

[2, 15] §. 7. Niemand soll sich unter schwerer Strafe anmaßen, einen verschlossenen letzten Willen eigenmächtig zu eröffnen, sondern derselbe soll ganz und verschlossen dem Gerichte übergeben, und allda in Gegenwart wenigstens zweier Gerichtspersonen alsofort eröffnet werden.

[2, 15] §. 8. Bei der Eröffnung ist darauf zu sehen, damit der letzte Willen auf keinerlei Art beschädiget oder unlesbar gemacht werde, wenn sich jedoch etwas solches ereignete, so ist Dasjenige, was und wie es geschehen, im Gerichtsprotokolle deutlich anzumerken.

[2, 15] §. 9. Wenn von einem Erblasser mehrere letztwillige Anordnungen hervorkommen, oder wenn der letzte Willen sich auf Zettel oder andere Beilagen beziehet, so muß deren Anzahl dem Gerichtsprotokolle einverleibet werden und im Falle selbe noch nicht erhoben werden, soll das Gericht auf deren Erhebung bald möglichst bedacht sein.

[2, 15] §. 10. Die Vorrufung der Zeugen zu Anerkennung und Bewehrung ihrer Unterschriften und Petschafte ist nicht nöthig; doch stehet einem Jeden, deme daran gelegen ist, frei, die Zeugen eidlich abhören zu lassen. Den Zeugen soll aber ihre Vorladung vor das Gericht niemals zum Nachtheil gereichen, sondern, wenn sie


(245) auf die Veranlassung des Gerichtes vorgeladen werden, sind ihnen ihre Versaumnisse, wie auch alle Unkösten aus der Verlassenschaft, widrigens aber von Jenem, welcher sie abhören läßt, zu ersetzen.

[2, 15] §. 11. Die Kundmachung des letzten Willens soll alsofort nach dessen Eröffnung geschehen; nemlich der ganze letzte Willen sammt allen Zetteln und Beilagen, so demselben beigefüget sind, oder worauf sich in demselben bezogen wird, soll von Worte zu Worte deutlich und wohlverständlich abgelesen werden.

[2, 15] §. 12. Könnte jedoch dieses wegen der vorwaltenden Umstände nicht alsogleich geschehen, so soll doch dem Erben seine Erbseinsetzung, wie auch Jenen, denen die Sorge wegen der Begräbniß obliegt, das, was der Erblasser desfalls geordnet hat, zu wissen gemacht, die gänzliche Kundmachung aber sobald als möglich vorgenommen, und weder wegen der noch nicht bezahlten Gerichtsgebühren, noch auch unter einem sonstigen Vorwande weiter hinaus verschoben werden. Wäre aber ein letzter Willen bereits von einem anderen Gerichte erhoben und kundgemacht worden, so mag er von jenem Gerichte, welchem er hernach zugeschicket wird, nicht nochmals kundgemacht werden.

[2, 15] §. 13. Wenn von einem Erblasser mehrere letztwillige Anordnungen vorkommen, so müssen sie alle kundgemacht werden; außer wenn es blos verschiedene Aufsätze eines letzten Willens von ganz gleichem Inhalte sind, oder wenn sie zwar von verschiedenem Inhalte sind, doch der frühere durch den späteren deutlich aufgehoben worden. In diesen Fällen sind zwar sämmtliche Aufsätze bei dem Gerichte aufzubewahren; doch ist es genug, wenn nur einer von den gleichlautenden Aufsätzen und im letzten Falle der spätere letzte Willen kundgemacht wird. Nach geschehener Kundmachung aber stehet Jedermann auf geziemendes Ansuchen frei, den letzten Willen einzusehen und Abschriften davon zu nehmen.

[2, 15] §. 14. Das Gericht soll jedoch vor der Kundmachung wohl untersuchen, ob nicht der letzte Willen mit einem solchen sichtbaren Mangel behaftet sei, wodurch derselbe ganz und gar entkräftet wird; ein solcher Mangel ist, wenn der Aufsatz zerrissen, durchschnitten, dessen ganzer Inhalt ausgelöschet, oder wenn dabei eine von jenen Erfodernissen verabsäumet worden, welche Wir im achten Capitel zur Giltigkeit letztwilliger Anordnungen vorgeschrieben haben. In allen diesen Fällen soll der letzte Willen nicht kundgemacht, und ein solches mit deutlicher Anführung der Ursachen Jenen, denen daran gelegen, erinneret werden; doch bleibet diesen unverwehret, sowohl den letzten Willen einzusehen und Abschriften davon zu erheben, als auch ihr Recht wider Jene, so bei ermanglenden letzten Willen an die Erbschaft Ansprüche machen, rechtsbehörig auszuführen. Hätte aber der Richter einen solchen letzten Willen dennoch kundgemacht, so soll er in dem Falle, wenn derselbe hernach wegen eines sichtbaren Mangels für ungiltig erkläret würde, nicht nur für die Kundmachung nichts zu fordern befugt, sondern auch die etwa dafür schon abgenommenen Gerichtsgebühren zuruckzustellen schuldig sein.

[2, 15] §. 15. Wenn in einer letztwilligen Anordnung etwas zu Jemands Beschimpfung, Schmähung oder Beleidigung enthalten ist, oder Flüche und Verwünschungen darinnen vorkommen, so soll dasselbe nicht öffentlich abgelesen, sondern mit Linien unterstrichen und eben dasselbe auch bei den hinausgegebenen Abschriften, wie auch bei der Einverleibung des letzten Willens beobachtet werden. Die Enterbungsursachen nothwendiger Erben jedoch müssen so stehen bleiben, wie sie vom Erblasser gefasset worden.

[2, 15] §. 16. Ein jeder letzter Willen soll alsofort nach dessen Kundmachung mit allen seinen Theilen und mit Bemerkung des Tages in die dazu gewidmeten Gerichtsbücher von Wort zu Wort eingetragen werden, und in allen jenen Orten, wo diese Einverleibung in besondere Bücher anhero nicht gebräuchlich war, sollen künftighin eigene Bücher dazu gehalten werden.


(246) [2, 15] §. 17. Nach sechs Wochen von dem Tage der geschehenen Einverleibung, wenn binnen denselben der letzte Willen nicht angefochten worden, soll dem Erben die Erbschaft eingeantwortet werden; doch bleibt von eben dem Tage der geschehenen Einverleibung einem Jeden, der wider die Giltigkeit des letzten Willens einen Widerspruch zu erregen vermeinet, sein Recht durch drei Jahre achtzehen Wochen bevor. Wenn hingegen diese drei Jahre achtzehen Wochen verflossen sind, so erwächst die letztwillige Anordnung in ihre volle Rechtskräfte, und soll hernach wider Niemanden, der etwas aus derselben bezohen hat, mehr ein Widerspruch gestattet werden; doch mit Ausnahme des einzigen Falls, wenn Jemand sich der Erbschaft oder des Vermächtnisses durch ein begangenes Verbrechen unwürdig gemacht, und dieses Verbrechen solchergestalten beschaffen ist, daß er deswegen peinlich bestrafet werden kann. Alsdann soll Dasjenige, was er aus dem letzten Willen bezohen, ebenso lang widerrufen werden können, als die Anfertigung dieses Verbrechens nach Ausmessung Unserer peinlichen Gerichtsordnung Platz greifet.

Sechzehentes Capitel.

Von der rechtlichen Erbfolge.

[2, 16] §. 1. In allen Fällen, wenn Jemand gestorben ist, ohne einen letzten Willen errichtet zu haben, oder wenn er in seinem letzten Willen nur über einen


(247) Theil seiner Verlassenschaft geordnet hat, oder wenn der letzte Willen null und nichtig ist, oder wenn derselbe in der Folge ganz oder zum Theile unwirksam wird,


(249) soll die Erbschaft ganz oder zum Theile den nächsten Anverwandten des Erblassers zufallen, nemlich Denjenigen, die ihm zur Zeit seines Todes die Nächsten sind.


(250) [2, 16] §. 2. Unsere nachfolgenden Anordnungen sollen bei allen Erbschaften die Richtschnur abgeben, die in Unseren deutschen Erblanden erlediget werden. Wenn dahero erbsfähige Ausländer oder auch zu Unseren anderweiten Staaten gehörige Unterthanen zu einer solchen Erbschaft zu gelangen suchen, so soll sie Demjenigen zugesprochen werden, der nach diesem Unseren Gesetze der Nächste ist, obwohl er nach den Gesetzen seines Vaterlandes nicht der Nächste wäre, oder auch von dem allda gelegenen Theile der Erbschaft ausgeschlossen würde.

[2, 16] §. 3. Für die nächsten Anverwandten sollen allezeit Jene gehalten werden, die mit dem Erblasser durch die nächste Linie verwandt sind. Zur ersten Linie


(251) gehören Jene, welche sich unter dem Erblasser, als ihrem Stamme, vereinigen, nemlich seine Kinder und weitere Nachkömmlinge. Zur zweiten Linie gehören Vater und Mutter sammt Jenen, so sich mit dem Erblasser unter Vater und Mutter vereinigen, nemlich seine Geschwister und deren Nachkömmlinge. Zur dritten Linie gehören die Großeltern sammt den Geschwistern der Eltern und deren Nachkömmlingen. Zur vierten Linie gehören des Erblassers Urgroßeltern sammt ihren Nachkömmlingen. Zur fünften Linie gehören des Erblassers zweite Urgroßeltern sammt Jenen, die von denselben abstammen. Zur sechsten Linie gehören des Erblassers dritte Urgroßeltern sammt Jenen, die von denselben entsprossen sind.

[2, 16] §. 4. Wenn ein Erblasser Kinder nachläßt, so gebühret diesen die ganze Erbschaft, sie mögen männlichen oder weiblichen Geschlechts sein, und bei dem Tode des Erblassers bereits geboren sein oder hernach erst geboren werden. Sind mehrere Kinder vorhanden, so theilen selbe die Erbschaft ohne allen Unterschied nach der Anzahl ihrer Personen in gleiche Theile; Enklen von noch lebenden Kindern und Urenklen von noch lebenden Enklen haben kein Recht zur Erbfolge.

[2, 16] §. 5. Wenn aber ein Kind des Erblassers vor ihm gestorben ist und von demselben Enklen vorhanden sind, so wird der Antheil, der auf das vorgestorbene Kind ausgefallen wäre, unter die von demselben nachgelassenen Enklen gleich getheilet, und wenn von diesen Enklen ebenfalls einer gestorben ist und Urenklen nachgelassen hat, so wird der Antheil, der dem verstorbenen Enkel gebühret hätte, unter die von demselben nachgelassenen Urenklen wiederum gleich getheilet; ebenso soll es auch gehalten werden, wenn es sich ereignet, daß von einem Erblasser noch entferntere Nachkömmlinge vorhanden wären.

[2, 16] §. 6. Diese Theilungsart soll nicht nur alsdann beobachtet werden, wenn Enklen von vorgestorbenen Kindern mit noch lebenden Kindern oder sonst weitere Nachkömmlinge mit näheren Nachkömmlingen des Erblassers zusammentreffen, sondern auch, wenn die Erbschaft blos zwischen Enklen von verschiedenen Kindern oder zwischen Urenklen von verschiedenen Enklen zu vertheilen ist, dergestalten, daß die von einem jeden Kinde nachgelassenen Enklen und die von einem jeden Enkel nachgelassenen Urenklen, ihrer mögen viel oder wenig sein, niemals mehr und niemals weniger erhalten sollen, als was das vorgestorbene Kind oder der vorgestorbene Enkel, wenn er lebte, erhalten hätte.

[2, 16] §. 7. Wenn Niemand vorhanden ist, der vom Erblasser selbst abstammet, alsdann sollen Jene als die Nächsten zur Erbschaft gelangen, die mit dem Erblasser durch die zweite Linie verwandt sind, nemlich seine beiden Eltern und Jene, so von seinen Eltern abstammen. Leben beide Eltern des Erblassers noch, so gebühret diesen die ganze Erbschaft und selbe wird zwischen ihnen in zwei gleiche Theile getheilet; wenn aber einer von den Eltern gestorben ist, so treten die von demselben nachgelassenen Kindern und deren Nachkömmlinge in sein Recht ein, und diejenige Hälfte, so dem verstorbenen Elterntheile gebühret hätte, wird zwischen dessen Kinder und deren Nachkömmlingen nach eben jenen Grundsätzen getheilet, nach welchen in §§. 4, 5, 6 zwischen den Kindern und weiteren Nachkömmlingen des Erblassers die ganze Erbschaft getheilet wird.


(252) [2, 16] §. 8. Sind beide Eltern des Erblassers gestorben, so wird die Hälfte, so dem Vater, wenn er lebte, gebühret hätte, zwischen seinen hinterlassenen Kindern und deren Nachkömmlingen, und die Hälfte, so der Mutter, wenn sie lebte, gebühret hätte, zwischen ihren Kindern und deren Nachkömmlingen nach Maß der §§. 4, 5, 6 getheilet. Sind keine anderen Kinder vorhanden, als welche von des Erblassers Vater und Mutter miteinander erzeuget worden oder deren Nachkömmlinge, so theilen sie sowohl die väterliche, als die mütterliche Hälfte unter sich; wenn aber nebst ihnen auch noch vom Vater oder von der Mutter oder von beiden Eltern aus einer anderen Ehe Kinder vorhanden sind, so haben die vom Vater und von der Mutter miteinander erzeugte Kinder oder deren Nachkömmlinge, sowohl an der väterlichen als an der mütterlichen Hälfte den ihnen gebührenden Antheil.

[2, 16] §. 9. Hätte aber einer von den vorgestorbenen Eltern des Erblassers weder Kinder, noch auch einige Nachkömmlinge nachgelassen, alsdann bekommt der andere Elterntheil, wenn er noch lebt, die ganze Erbschaft, oder wenn derselbe ebenfalls gestorben ist, so wird die ganze Erbschaft zwischen seinen Kindern und weiteren Nachkömmlingen nach den oben festgesetzten Grundsätzen getheilet.

[2, 16] §. 10. Wenn weder die Eltern des Erblassers mehr leben, noch auch von Einem oder dem Anderen ein einziger Nachkömmling vorhanden ist, alsdann berufen Wir zur Erbfolge die dritte Linie, nemlich des Erblassers Großeltern und Jene, so von diesen seinen Großeltern abstammen; in diesem Falle wird die Erbschaft in zwei gleiche Theile getheilet, ein Theil gebühret den Eltern des Vaters und ihren Nachkömmlingen, der andere Theil den Eltern der Mutter und ihren Nachkömmlingen.

[2, 16] §. 11. Eine jede von diesen Hälften wird zwischen den Großeltern dieser Seite, wenn sie beide noch leben, gleich getheilet. Wenn aber einer oder auch beide Großeltern gestorben sind, so wird die auf diese Seite ausgefallene Hälfte zwischen den Kindern und weiteren Nachkömmlingen dieser Großeltern nach eben jenen Grundsätzen getheilet, nach welchen zwischen den Kindern und Nachkömmlingen von des Erblassers Eltern die ganze Erbschaft getheilet wird.

[2, 16] §. 12. Wären aber entweder von der väterlichen oder von der mütterlichen Seite beide Großeltern gestorben, auch weder von dem Großvater, noch von der Großmutter einige Nachkömmlinge vorhanden, alsdann gebühret den von der anderen Seite noch lebenden Großeltern oder nach deren Tode den von denselben nachgelassenen Kindern und weiteren Nachkömmlingen die ganze Erbschaft.

[2, 16] §. 13. Wenn die dritte Linie gänzlich erloschen ist, so berufen Wir zur Erbfolge die vierte Linie. Zu dieser Linie gehören die Eltern des väterlichen Großvaters und ihre Nachkömmlinge, die Eltern der väterlichen Großmutter und ihre Nachkömmlinge, die Eltern des mütterlichen Großvaters und ihre Nachkömmlinge, und die Eltern der mütterlichen Großmutter sammt ihren Nachkömmlingen.

[2, 16] §. 14. Wenn von allen diesen Seiten Anverwandte vorhanden sind, so wird die Erbschaft zwischen diesen vier Stämmen in vier gleiche Theile getheilet, und ein jeder Theil zwischen den zu diesem Stamme gehörigen Personen, nach eben jenen Reguln untergetheilet, nach welchen zwischen den Eltern des Erblassers und ihren Nachkömmlingen die ganze Erbschaft getheilet wird.

[2, 16] §. 15. Ist einer von den zu dieser Linie gehörigen Stämmen erloschen, so fällt dessen Antheil nicht allen übrigen Stämmen zu, sondern, wenn der erloschene Stamm von der väterlichen Seite ist, so gebühret dem anderen Stamme von der väterlichen Seite die ganze Hälfte, und wenn der erloschene Stamm von der mütterlichen Seite ist, so fällt dem anderen Stamme von der mütterlichen Seite die ganze Hälfte zu; wären aber beide Stämme von der väterlichen oder von der mütterlichen Seite erloschen, so bekommen die beiden Stämme von der anderen Seite oder auch der einzige von dieser Seite noch erübrigende Stamm, wenn der andere erloschen ist, die ganze Erbschaft.


(253) [2, 16] §. 16. Wenn auch von der vierten Linie kein Anverwandter vorhanden ist, alsdann soll die Erbfolge der fünften Linie gebühren, nemlich Jenen, so sich mit dem Erblasser unter seinen zweiten Urgroßeltern vereinigen. Zu dieser Linie gehöret der Stamm der väterlichen Großeltern des väterlichen Großvaters, der Stamm der mütterlichen Großeltern des väterlichen Großvaters, der Stamm der väterlichen Großeltern der väterlichen Großmutter, der Stamm der mütterlichen Großeltern der väterlichen Großmutter, der Stamm der väterlichen Großeltern des mütterlichen Großvaters, der Stamm der mütterlichen Großeltern des mütterlichen Großvaters, der Stamm der väterlichen Großeltern der mütterlichen Großmutter und der Stamm der mütterlichen Großeltern der mütterlichen Großmutter.

[2, 16] §. 17. Einem jeden von diesen Stämmen gebühret ein gleiches Erbrecht, und wenn von einem jeden Stamme Anverwandte zum Vorschein kommen, so wird die Erbschaft zwischen ihnen in acht gleiche Theile getheilet, und ein jeder Theil zwischen den zu diesem Stamme gehörigen Personen nach Maß dessen, was Wir in den vorigen Linien geordnet haben, weiter untergetheilet.

[2, 16] §. 18. Wenn ein Stamm erloschen ist, so fällt Dasjenige, was den väterlichen Großeltern eines Großvaters oder einer Großmutter gebühret hätte, dem Stamme der mütterlichen Großeltern eben dieses Großvaters oder dieser Großmutter zu, und was den mütterlichen Großeltern eines Großvaters oder einer Großmutter gebühret hätte, dieses fällt dem Stamme der väterlichen Großeltern eben dieses Großvaters oder dieser Großmutter zu. Wenn beide Stämme eines Großvaters oder einer Großmutter erloschen sind, so bleiben die Antheile, so zu der väterlichen Seite des Erblassers gehören, bei den noch übrigen Stämmen von der väterlichen Seite und die Antheile, so zu der mütterlichen Seite des Erblassers gehören, bei den noch übrigen Stämmen von der mütterlichen Seite; wenn aber von allen vier Stämmen der väterlichen Seite oder von allen vier Stämmen der mütterlichen Seite Niemand mehr vorhanden ist, so bekommen die von der anderen Seite vorhandenen Stämme die ganze Erbschaft.

[2, 16] §. 19. Wenn endlich auch aus der fünften Linie kein Anverwandter des Erblassers vorhanden ist, alsdann berufen Wir zur Erbfolge die sechste Linie, nemlich Jene, die sich mit dem Erblasser unter seinen dritten Urgroßeltern vereinigen. Zu dieser Linie gehören sechzehen Stämme, nemlich die Stämme derjenigen Eltern, wovon die Stammeltern der fünften Linie entsprossen sind, und wenn es sich ergiebt, daß von einem jeden dieser Stämme Anverwandte vorhanden wären, so wird die Erbschaft in sechzehen gleiche Stammtheile getheilet, und ein jeder Stammtheil zwischen den zu diesem Stamme gehörigen Anverwandten nach den oft geordneten Regeln untergetheilet.

[2, 16] §. 20. Kommen aber von einigen Stämmen keine Anverwandte zum Vorschein, so fallen deren Antheile allezeit denjenigen Stämmen zu, die nach Maß der §§. 15 und 18 mit den erloschenen Stämmen in der nächsten Verbindung stehen, und wenn nur von einem einzigen Stamme Anverwandte vorhanden sind, so bekommen diese die ganze Erbschaft.

[2, 16] §. 21. Wenn Jemand mit dem Erblasser von mehr als einer Seite verwandt ist, so genießet er von einer jeden Seite dasjenige Erbrecht, welches ihm als einem Anverwandten von dieser Seite insbesondere betrachtet zukommt.


(254) [2, 16] §. 22. Auf die obgedachte sechste Linie wollen Wir das Recht der verwandtschaftlichen Erbfolge in Betreff des frei vererblichen Vermögens beschränket haben. Wer mit dem Erblasser nicht anderst als durch die siebente oder eine weiteren Linie verwandt ist, der mag auf dessen Erbschaft keinen Anspruch machen.

[2, 16] §. 23. Wenn kein Anverwandter des Erblassers binnen der oberwähnten sechs Linien vorhanden ist, so wollen Wir dessen hinterlassenen Ehegatten zur Erbfolge zulassen. Wenn aber auch kein Ehegatte des Erblassers vorhanden ist, so ist die Verlassenschaft als ein erbloses Gut zu betrachten, und zu Handen Unserer Kammer oder Derjenigen einzuziehen, denen Wir zur Einziehung erbloser Güter ein Recht verliehen haben.

[2, 16] §. 24. Für jene Personen Herren- und Ritterstandes, so in einem Unserer deutschen Erblande das Recht der Landmannschaft erworben, wollen Wir folgende besondere Erbfolgsordnung festgesetzet haben, und zwar solle selbe nicht nur in Ansehung derjenigen Güter, welche in dem Lande liegen, wo Jemand die Landmannschaft hat, sondern auch in Ansehung seiner übrigen Güter, sie seien landtäflich, stadt- oder grundbücherlich, wie auch seines beweglichen Vermögens beobachtet werden; auch soll nicht darauf gesehen werden, ob er in dem Lande, wo er die Landmannschaft gehabt, gewohnet habe und gestorben seie, sondern bloserdings, ob er in einem Unserer deutschen Erblande Landmann gewesen seie.

[2, 16] §. 25. Wenn ein Landmann gestorben ist und Söhne und Töchter hinterlassen


(255) hat, so soll die Erbschaft in zwei gleiche Theile getheilet werden, und die eine Hälfte, als die Familienhälfte, blos den Söhnen zufallen, die andere Hälfte aber den Söhnen und Töchtern zu gleichen Theilen zugehören.

[2, 16] §. 26. Diese Theilung der Erbschaft in zwei gleiche Theile soll auch jedesmal geschehen, wenn ein Sohn des Erblassers vor ihm gestorben ist, und entweder Enklen und Enklinnen oder Enklinnen allein nachgelassen hat. Sind von dem vorgestorbenen Sohne Enklen und Enklinnnen vorhanden, so fällt der Antheil, welcher ihm von der Familienhälfte gebühret hat, blos den von ihm nachgelassenen Enklen zu; derjenige Antheil hingegen, welcher von der gemeinschaftlichen Hälfte


(256) auf ihn ausgefallen wäre, gehöret den von ihm nachgelassenen Enklen und Enklinnen zu gleichen Theilen. Auf eine gleiche Art ist auch alsdann vorzugehen, wenn ein von einem vorgestorbenen Sohne erzeugter Enkel gestorben ist und von ihm Urenklen und Urenklinnen vorhanden sind.

[2, 16] §. 27. Hätte aber der vorgestorbene Sohn oder der von einem vorgestorbenen Sohne erzeugte Enkel keine andere, als weibliche Nachkömmlinge hinterlassen, so treten diese bloserdings in das Recht ein, welches der vorgestorbene Sohn oder Enkel an der gemeinschaftlichen Hälfte gehabt hat; das Recht hingegen, welches er an der Familienhälfte gehabt hat, fällt den anderen männlichen Nachkömmlingen des Erblassers zu.

[2, 16] §. 28. Wenn aber ein Landmann, weder einen Sohn, noch auch von einem vorgestorbenen Sohne männliche Nachkömmlinge hinterlassen hat, alsdann wird die ganze Erbschaft zwischen seinen Töchtern und deren Nachkömmlingen, wie auch zwischen den weiblichen Nachkömmlingen der Söhne nach den Regeln der gemeinen Erbfolge getheilet.

[2, 16] §. 29. Wenn ein Landmann keine Nachkömmlinge hinterläßt und die zweite Linie zur Erbfolge gelanget, so soll die Erbschaft abermals in zwei gleiche Theile getheilet werden; die Familienhälfte gehöret dem Vater allein und nach des Vaters Tode den von ihm erzeugten Söhnen, nachgelassenen Enklen und weiteren männlichen Nachkömmlingen; die andere Hälfte wird zwischen Vater und Mutter gleich getheilet und nach der Eltern Tode zwischen deren Nachkömmlingen nach den Regeln der gemeinen Erbfolge weiter untergetheilet.

[2, 16] §. 30. Wenn einer von des Erblassers Vaters Söhnen gestorben ist, und Enklen und Enklinnen oder Enklinnen allein nachgelassen hat, oder wenn einer von diesen Enklen gestorben ist und von ihm Urenklen und Urenklinnen oder Urenklinnen allein vorhanden sind, so erlangen diese Enklinnen und Urenklinnen kein größeres Recht, als was Wir den Enklinnen und Urenklinnen des Erblassers selbst in §§. 26 und 27 eingeraumet haben.

[2, 16] §. 31. Wäre aber der Vater des Erblassers bereits gestorben, auch von ihm weder ein Sohn, noch auch von vorgestorbenen Söhnen ein einziger männlicher Nachkömmling vorhanden, so wird die ganze Erbschaft zwischen der Mutter oder deren Nachkömmlingen und zwischen den weiblichen Nachkömmlingen des Vaters nach den Regeln der gemeinen Erbfolge getheilet.

[2, 16] §. 32. Dieses vorzügliche Recht der männlichen Anverwandten soll auch in eben der Maß, wie Wir es bei der ersten und zweiten Linie festgesetzet haben, bei der Erbfolge der weiteren Linien Platz greifen; bei der Erbfolge der dritten Linie gebühret es dem väterlichen Großvater und dessen männlichen Nachkömmlingen, bei der Erbfolge der vierten Linie dem Vater des väterlichen Großvaters und dessen männlichen Nachkömmlingen, bei der Erbfolge der fünften Linie dem väterlichen Großvater des väterlichen Großvaters und dessen männlichen Nachkömmlingen, bei der Erbfolge der sechsten Linie dem väterlichen Urgroßvater des väterlichen Großvaters und dessen männlichen Nachkömmlingen. Wenn aber in der zur Erbfolge berufenen Linie kein männlicher Anverwandter vorhanden ist, so kommt es von der Familienhälfte gänzlich ab, und die ganze Erbschaft wird zwischen den Anverwandten dieser Linie nach den Regeln der gemeinen Erbfolge vertheilet.

[2, 16] §. 33. In allem Uebrigen, wovon Wir hier keine besondere Erwähnung gemacht haben, sollen auch bei der Erbfolge der Landleute die Grundsätze der gemeinen Erbfolge beobachtet werden, gleichwie es auch überhaupt in dem Falle, wenn es sich nicht von der Erbschaft eines Landmannes, sondern der Ehegattin oder Tochter eines Landmannes handlet, bei der gemeinen Erbfolge sein gänzliches Bewenden hat, ohne daß ihre männlichen Anverwandten vor den weiblichen den mindesten Vorzug fodern könnten.


(257) [2, 16] §. 34. Wie es aber mit den Erbschaften anderer Personen Herren- und Ritterstandes, die das Recht der Landmannschaft in einem Unserer deutschen Erblanden nicht haben, zu halten sei, imgleichen was die vor oder nach erworbener Landmannschaft erzeugte Kinder anbetrifft, und welchergestalten die Söhne von den ihnen nach den vorigen Gesetzen gegen die Töchter obgelegenen Verbindlichkeiten entbunden seien, desfalls wollen Wir Uns auf jenes ausdrücklich bezogen haben, was Wir in Ansehung des Pflichttheiles bereits im dreizehenten Capitel angeordnet haben.

[2, 16] §. 35. Das Recht der Erbfolge hat blos zwischen ehelichen Verwandten statt. Wer also zur Erbfolge eines Anderen gelangen will, der muß darthun, wenn er ein Nachkömmling des Erblasser ist, daß er durch lauter eheliche Erzeugungen von dem Erblasser abstamme, wenn er einer von den Voreltern des Erblassers ist, daß der Erblasser durch lauter eheliche Erzeugungen von ihm abstamme, wenn sie aber beide von gemeinschaftlichen Stammeltern entsprossen sind, daß sowohl er, als auch der Erblasser durch lauter eheliche Erzeugungen von diesen gemeinschaftlichen Stammeltern abstammen.

[2, 16] §. 36. Wenn eine Ehe für giltig gehalten wurde, doch in sich ungiltig war, so sind die daraus erzeugten Kinder sammt ihren Nachkömmlingen den aus einer wahren Ehe erzeugten Kindern in Ansehung der ganzen verwandtschaftlichen Erbfolge und anderer verwandtschaftlichen Gerechtsamen vollkommen gleich zu halten,


(258) und dieses nicht nur alsdann, wenn die vermeinte Ehe zur Zeit des Erbanfalls noch für giltig gehalten wurde, sondern auch, wenn sie damals schon als ungiltig erkläret war. Eben dieses haben Wir in Ansehung unehelich geborener, doch durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gewordener Kinder bereits im ersten Theile, vierten Capitels, §. 37, festgesetzet.

[2, 16] §. 37. Wenn Wir ein uneheliches Kind aus besonderer Gnade für rechtmäßig erkläret haben, so ist sich Unserer Anordnung im besagten vierten Capitel, §. 39, nachzuachten; in jenen Fällen aber, wo Wir einem solchen Kinde zu der Erbfolge eines Elterntheiles ein Recht verliehen haben, da soll dieser Elterntheil, wenn das Kind vor ihm stirbt, zu dessen Erbfolge ebenfalls zugelassen werden.

[2, 16] §. 38. Alle übrigen unehelichen Kinder haben kein Recht zur Erbfolge; doch wollen Wir ihnen von der Verlassenschaft ihrer Mutter eben denjenigen sechsten oder zwölften Theil zuwenden, den Wir für sie am Ende des dreizehenten Capitels mit Mehreren bestimmet haben. Imgleichen soll auch der unehelichen Mutter, wenn sie noch lebt und arm ist, und wenn das verstorbene uneheliche Kind weder eheliche Nachkömmlinge hinterlassen, noch auch einen letzten Willen errichtet hat, aus dessen Verlassenschaft der sechste Theil, oder wenn dieser zu ihren Bedürfnissen nicht hinreichet, auch ein Mehreres zu ihrem Unterhalte abgereichet werden.

[2, 16] §. 39. Das, was Wir im neunten Capitel von der Erbsunfähigkeit und den Ursachen geordnet haben, aus welchen Jemand sich der Erbschaft unwürdig


(259) macht, erstrecket sich auch auf die rechtliche Erbfolge der Anverwandten; dahingegen sind die im dreizehenten Capitel berührten Enterbungsursachen nicht hinlänglich, die Kinder von der rechtlichen Erbfolge ihrer Eltern oder die Eltern von der rechtlichen Erbfolge ihrer Kinder auszuschließen, sondern nur alsdann, wenn die im besagten neunten Capitel, §. 9, berührten Umstände dazustoßen.

[2, 16] §. 40. 12) Insbesondere aber soll ein jeder Anverwandter des ihm nach der rechtlichen Erbfolge gebührenden Antheils verlustigt werden, wenn er den Erblasser durch List, Gewalt oder eine andere unerlaubte Art verhindert hat, einen letzten Willen zu errichten oder gegentheils, wenn er ihn durch eben eine solche unerlaubte Art zur Errichtung eines letzten Willens gebracht hat, ferner, wenn er den Erblasser verhindert, einen bereits errichteten letzten Willen abzuändern, oder wenn er einen ihm zu Handen gekommenen letzten Willen vertuschet oder unterdrücket, wesfalls Unseren Anordnungen im neunten Capitel, §. 11, dann im fünfzehenten Capitel, §. 23, nachzugehen ist. Welchergestalten auch einige Anverwandte in Betreff der ihnen obgelegenen Vormundschaft sich der Erbschaft unwürdig machen, ist aus Unseren desfalls im ersten Theile, sechsten Capitel, §§. 10, 11, enthaltenen Anordnungen zu entnehmen.

[2, 16] §. 41. Wir wollen aber zur allgemeinen Regel vorgeschrieben haben, daß, wenn der Erblasser oder die Erblasserin einen mit keinem Heirathsbriefe versehenen Ehegatten hinterläßt, diesem allezeit von der Verlassenschaft ein bestimmter Antheil

 

12) Aus den Anmerkungen Horten’s erhellt, daß in dem früher von der Compilations-Commission angenommenen Entwurfe auch die Mutter, welche nach ihrer Wiederverehelichung die von derselben über die Kinder erster Ehe geführte Vormundschaft nicht niedergelegt hat, mit dem Verluste des Erbrechtes bedroht war, welche Strafe Horten für zu hart hielt, da für die Sicherheit der Kinder in einem solchen Falle durch die allgemeinen gesetzlichen Anordnungen hinreichend gesorgt sei, und da die zu ahndende Handlung in einer bloßen Nachlässigkeit bestehen könne.


(260) zulassen solle, und dieses ohne Unterschied, die Erbschaft möge letztwillig eingesetzten Erben oder nach der rechtlichen Erbfolge den Kindern, Eltern oder anderen Verwandten zufallen.

[2, 16] §. 42. Diesen Antheil bestimmen Wir in dem Falle, wo der Erblasser keine Kinder nachgelassen hat, auf den vierten Theil des gesammten frei vererblichen Vermögens; wenn aber Kinder vorhanden sind, so soll das frei vererbliche Vermögen in zwei gleiche Theile getheilet werden, und dem überlebenden Ehegatten von der einen Hälfte jener Antheil gebühren, der auf ihn, wenn diese Hälfte zwischen ihm und den vorhandenen Kindern in gleiche Theile getheilet würde, ausfällt.

[2, 16] §. 43. Dieser Antheil gebühret einem jeden Ehegatten, er möge Mann oder Weib, reich oder arm, hohen oder niederen Standes sein, und soll demselben allezeit eigenthümlich zufallen; doch ist in Betreff der Ehe demjenigen nachzugehen, was Wir im ersten Theile, dritten Capitel, §. 95, festgesetzet haben.

[2, 16] §. 44. Wenn ein Heirathsbrief errichtet worden, so höret diese Vorsorge Unseres Gesetzes auf, und der überlebende Ehegatte mag außer dem im §. 23 berührten Falle auf die Erbschaft des Vorgestorbenen keinen Anspruch machen. Wenn jedoch eine nachgelassene Wittib in dem Heirathsbriefe so wenig begünstiget wäre, daß sie weder dadurch noch auch aus eigenem Vermögen die dem Stande ihres Ehegatten gemäße Unterhaltung bestreiten könnte, so soll derselben so viel, als dazu noch erfoderlich ist, aus der Verlassenschaft als ein jährlicher Beitrag ausgeworfen und damit so lang, als die Nothwendigkeit dieses Beitrages dauret, fortgefahren werden; doch soll sich dieser Beitrag niemals so hoch erstrecken, daß die Wittib mit Einrechnung dessen, was ihr aus dem Heirathsbrief zukommt, mehr erhalte, als was sie erhalten haben würde, wenn kein Heirathsbrief errichtet worden wäre.

[2, 16] §. 45. Würde aber ein Ehegatte vorgeben, daß kein Heirathsbrief errichtet oder mit beiderseitigem Einverständniß wieder aufgehoben worden, wo jedoch ein erheblicher Verdacht vorwaltet, daß ein Heirathsbrief vorhanden sei, so soll er zu dem oben ausgemessenen Antheil nicht anderst zugelassen werden, als wenn er sein Vorgeben eidlich bestätiget.

[2, 16] §. 46. Dieser Antheil gebühret von dem nach Maßgab des dreizehenten Capitel, §. 11 und der folgenden, ausfindig gemachten reinen Vermögen; doch ist in dessen Betrag Alles einzurechnen, was dem Ueberlebenden von dem Verstorbenen durch letztwillige, wie auch durch lebzeitige Handlungen zugewendet worden, doch mit Ausnahme mäßiger Geschenke und was der Erblasser sonst von dieser Einrechnung befreiet hat. Was ihm aber nach Einrechnung dessen an dem ihm gebührenden Antheile noch abgehet, dieses muß auf die in Betreff des Pflichttheils im dreizehenten Capitel vorgeschriebene Art ergänzet werden, ohngeachtet der Erblasser in seinem letzten Willen das Gegentheil angeordnet hätte.

[2, 16] §. 47. Dieses Antheiles macht sich ein Ehegatte nur alsdann verlustig, wenn er dem Verstorbenen eine schwere Unbild zugefüget hat; nemlich, wenn er ihm nach dem Leben gestrebet oder ihn gar umgebracht hat, wenn er ihm an seinem


(261) Vermögen boshafter Weise einen namhaften Schaden verursachet hat, wenn er ihn wegen eines halsgerichtlichen Verbrechen fälschlich angegeben hat, wenn er ihn in Noth und Elende, da er es thun kann, am Nothwendigen Mangel leiden lassen, wenn er ohne rechtmäßig anerkannte Ursache von ihm entwichen ist, oder ihn von sich gestoßen, oder durch sein hartes und boshaftes Verfahren zur Trennung Anlaß gegeben hat, wenn er einen Ehebruch begangen hat und deswegen noch bei Lebzeiten des Verstorbenen gerichtlich 14) angefertiget worden ist.

[2, 16] §. 48. Wenn der beleidigte Ehegatte die ihm zugefügte Unbild nicht gewußt oder doch nicht mehr im Stande gewesen, sie zu ahnden, so hat es bei dieser Ausschließung ohne Ausnahme sein Bewenden; wenn er sie aber gewußt, und seine Lebenszeit ihm verstattet hat, selbe zu Gemüthe zu ziehen, er sie aber ganz gleichgiltig angesehen oder doch nach bezeigter Empfindlichkeit sich mit dem anderen Theile wieder ausgesöhnet hat, so soll die Beleidigung für erlassen geachtet werden 15), und die Ausschließung nicht mehr Platz greifen.

Siebenzehentes Capitel.

Von dem Erbrechte und dessen Erwerbung.

[2, 17] §. 1. Wenn Jemanden von einem Erblasser einzelne Sachen oder Summen zugewendet worden, so beschränket sich sein Recht blos auf diese Sachen oder Summen, wie Wir darüber im zwölften Capitel mit Mehrerem geordnet haben. Wenn aber Jemand durch eine letztwillige Anordnung des Erblassers in der ganzen Erbschaft oder einem Theile derselben zum Erben eingesetzet worden, oder wenn Jemanden durch die rechtliche Erbfolge eine Erbschaft ganz oder zum Theile zufällt, so tritt er nach Maß seines Erbtheils in alle Gerechtsamen und Verbindlichkeiten ein, welche dem Erblasser wider Andere oder einem Anderen wider den Erblasser zustünden, außer jenen, welche mit dessen Person erloschen sind; nicht minder wird er auch für alle Vermächtnisse und was der Erblasser in seinem letzten Willen sonst geordnet hat, verfänglich.

[2, 17] §. 2. In allen im vorigen §. berührten Fällen gehet der Anfall des Erbrechts auf Denjenigen, deme etwas aus der Verlassenschaft zufällt, in dem Augenblicke, da der Erblasser stirbt. Gleichwie aber der Erbanfall in Ansehung dessen, so aus einer letztwilligen Anordnung herrühret, nach Maß des neunten Capitels durch die beigefügten Bedingnisse bis zu deren Erfolg verhindert wird, so wird auch der Erbanfall aus der rechtlichen Erbfolge in Ansehung der nächsten Anverwandten jedesmal verhindert, so oft es wegen der in Zweifel gezogenen Giltigkeit eines letzten Willens oder wegen einer anderen Ursache ungewiß ist, ob oder über was die letztwillige Anordnung in der Folge unwirksam sein werde; doch erwerben die nächsten Anverwandten in allen solchen Fällen eben dasjenige bedingte Recht zur Erbschaft, welches Wir in besagtem neunten Capitel, §. 28, Jenen eingeraumet haben, denen durch einen letzten Willen etwas zugewendet worden.

 

14) Horten empfahl in seinen Anmerkungen unter Hinweisung auf §. 48, von dem Erfordernisse der gerichtlichen Verfolgung abzusehen.

15) Horten erhob in seinen Anmerkungen Bedenken dagegen, daß man eine stillschweigende Verzeihung dann als genügend ansehe, wenn der überlebende Ehegatte von dem Bezuge seines gesetzlichen Antheiles ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.


(262) [2, 17] §. 3. Weme aus der Verlassenschaft einzelne Sachen oder Summen gebühren, der erwirbt das Recht dazu alsofort nach dem Erbanfalle auch ohne eine ausdrückliche Erklärung; weme aber die ganze Erbschaft oder ein Theil derselben gebühret, der kann sich dieses ihm zugefallene Erbrecht auf keine andere Art eigen machen, als durch die wirkliche Antretung der Erbschaft.

[2, 17] §. 4. Die Antretung der Erbschaft soll aus keinen wie immer Namen habenden Handlungen des Erben gefolgert werden, sondern sie muß durch eine von dem Erben bei dem Gerichte eingebrachte ausdrückliche Erklärung geschehen, daß er die ihm zugefallene Erbschaft annehmen wolle; auch soll in der Art der Erbserklärung zwischen nothwendigen und willkürlichen Erben kein Unterschied beobachtet werden.

[2, 17] §. 5. Die Erbserklärung muß bei derjenigen Gerichtsstelle, der die Verlassenschaftsabhandlung zustehet, und in jenen Fällen, wo die Verlassenschaftsabhandlung mehreren Gerichtsstellen zustehet, bei einer jeden besonders eingereichet werden; wären aber einige in die Verlassenschaft gehörige Sachen unter einer anderen Gerichtsbarkeit befindlich, ohne daß jedoch daselbst eine besondere Verlassenschaftsabhandlung statt hätte, so ist es genug, wenn die bei dem Abhandlungsgerichte eingereichte Erbserklärung mit einer von diesem Gerichte gefertigten Urkunde allda beigebracht und behörig vorgemerket wird.

[2, 17] §. 6. Wenn es dem Erben an der Befugniß, Verbindungen einzugehen, gebricht, so muß die Erbserklärung durch Jene geschehen, unter deren Obsorge der Erb stehet. Wollte aber ein Erb, der selbst Macht und Willen hat, die Erbschaft anzutreten, seine Erbserklärung durch einen Anderen einbringen, so muß dieser mit einer eigends darauf ausgestellten Vollmacht versehen sein, und selbe der von ihm eingereichten Erbserklärung beilegen; doch mag die Ausfertigung und Zustellung einer solchen Vollmacht keinesweges für eine Antretung der Erbschaft gehalten werden, wenn nicht von dem Bevollmächtigten die wirkliche Erbserklärung erfolget.

[2, 17] §. 7. Vor dem Erbanfalle findet die Erbserklärung nicht statt; wenn aber der Erbanfall durch keine von den im §. 2 angeführten Umständen verhindert wird, so kann sie bei der rechtlichen Erbfolge alsofort nach dem Tode des Erblassers und bei der letztwilligen Erbfolge gleich nach kundgemachten letzten Willen geschehen. Zu was für einer Zeit aber auch die Erbschaft angetreten werde, so wird dieser Zeitpunkt allezeit auf die Zeit, da der Erblasser gestorben ist, zurückgezogen, und Alles, um was die Erbschaft binnen dieser Zeit zugenommen hat, gereichet dem Erben zum Vortheile; doch mit Ausnahme jener Fälle, worinnen zu den mittlerweiligen Nutzungen entweder von dem Erblasser oder durch Unsere Gesetze ein Anderer berufen ist.

[2, 17] §. 8. Die Erbserklärung muß alle Umstände, so sich auf die angefallene Erbschaft beziehen, deutlich enthalten, nemlich wessen Verlassenschaft es sei, ob dieselbe ganz oder zum Theile aus letztem Willen oder nach der rechtlichen Erbfolge angefallen sei, und wo das Erbrecht auf dem Beweise der Verwandtschaft beruhet, muß derselbe zugleich beigebracht, oder wo dieses nicht alsofort geschehen könnte, mit Anführung der Ursachen zu dessen Nachtrag eine Frist angesuchet werden.

[2, 17] §. 9. Will hingegen der Erb die Erbschaft nicht annehmen, so stehet es ihm frei, sich derselben durch eine ausdrückliche, bei dem Gerichte eingereichte Erklärung zu entschlagen; diese Freiheit stehet nicht nur den willkürlich Berufenen, sondern auch den Notherben zu, und kein Erblasser kann sie dem Erben benehmen.

[2, 17] §. 10. Wenn der Erb sich der Erbschaft entschlägt, so erlöschet sein gehabtes Erbrecht alsofort, und er kann weder selbst auf diese Erbschaft mehr einen Anspruch machen, noch auch auf seine Erben einiges Recht übertragen, sondern der Erbanfall gehet bei der letztwilligen Erbfolge alsogleich auf die nachberufenen Erben, oder wenn Niemand nachberufen worden, auf die nächsten Anverwandten des Erblassers, bei der rechtlichen Erbfolge aber auf die weiteren Anverwandten.


(263) [2, 17] §. 11. Ist der nächste Anverwandte in dem letzten Willen zum Erben eingesetzet worden, so soll es nicht in seiner Willkür stehen, die Erbschaft als letztwilliger Erb auszuschlagen, und nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge anzutreten, sondern wenn er dieselbe nach dem letzten Willen nicht antreten will, soll er auch von der rechtlichen Erbfolge ausgeschlossen sein, und an seiner statt, wenn kein Nachberufener da ist, Derjenige, so nach ihm der Nächste ist, zugelassen werden.

[2, 17] §. 12. Niemand kann eine Erbschaft zum Theile annehmen und zum Theile ausschlagen, sondern die ganze Erbschaft muß entweder angetreten oder ausgeschlagen werden, wenn dahero Notherben sich der Erbschaft, zu welcher sie berufen sind, entschlagen, so verlieren sie auch den Pflichttheil; doch behalten die Kinder Dasjenige, was sie von ihren Eltern bei Lebzeiten empfangen haben, gleichwie ihnen auch alles Jenes bleibt, wozu sie nicht durch den Willen des Erblassers, sondern durch die Anordnungen der Voreltern oder anderer Stifter berufen worden.

[2, 17] §. 13. Wir verstatten aber einem jeden Erben eine hinlängliche Bedenkzeit, um binnen derselben zu überlegen, ob er die Erbschaft annehmen oder sich derselben entschlagen wolle. Diese Bedenkzeit bestimmen Wir, wenn der Erb in dem Lande, wo die Erbschaft liegt, anwesend ist, auf drei Monate, wenn er aber außer diesem Lande abwesend ist, auf sechs Monate von dem Tage zu rechnen, da der Erblasser gestorben ist, oder im Falle der Erb durch eine letztwillige Anordnung berufen worden, von dem Tage an, da dieselbe kundgemacht worden. Wenn jedoch solche erhebliche Hindernisse vorwalten, daß der Erb binnen dieser anberaumten Zeit sich nicht erklären könnte, so verstatten Wir zwar weiters, daß derselbe eine Erstreckung ansuchen möge; allein dieses soll vor dem Verlauf der Bedenkzeit und mit Beilegung der Ursachen geschehen, und das Gericht soll diese Erstreckung niemals auf eine längere Zeit als auf sechs Wochen von dem Verlauf der obbestimmten Bedenkzeit verwilligen.

[2, 17] §. 14. Wenn der Erb unter einer Bedingniß eingesetzet worden, so fängt die Bedenkzeit erst von dem Tage an, da die Bedingniß erfüllet worden, wenn die Erbschaft von Mehreren ansprüchig gemacht wird, so lauft die Bedenkzeit erst von dem Tage, da der richterliche Spruch zu Rechtskräften erwachsen ist, wenn der zuerst eingesetzte Erb oder der nächste Anverwandte sich der Erbschaft entschlägt, so fängt die Bedenkzeit des nachberufenen Erben oder des weiteren Anverwandten erst von dem Tage an, da der Erstere sich der Erbschaft entschlagen hat, und wenn der Erb unbekannt, oder zwar bekannt, doch, ob er am Leben oder wo er sich aufhalte, unbekannt ist, so lauft gar keine Bedenkzeit, sondern alsdann ist sich nach Demjenigen zu achten, was Wir darüber im folgenden Capitel, §. 33 und den weiters nachfolgenden anordnen.

[2, 17] §. 15. Würde aber ein Erb die anberaumte Bedenkzeit verstreichen lassen, ohne binnen derselben die Erbschaft angetreten, noch auch darzu eine Erstreckung angesuchet zu haben, so soll er ebenso, als ob er sich der Erbschaft ausdrücklich entschlagen hätte, von derselben ganz und gar ausgeschlossen sein; außer er könnte erweisen, daß diese Zeit ohne sein Verschulden verstrichen seie. Gleichergestalten soll auch der Saumsal eines Vormunds dem minderjährigen Erben nicht schaden, sondern, wenn das Gericht bei der Verlassenschaftsabhandlung findet, daß er dadurch gefährdet worden, soll dasselbe ihm einen anderen Vormund oder Curator bestellen, und diesem soll, der verflossenen Bedenkzeit ohngeachtet, noch frei stehen, die Erbschaft im Namen des minderjährigen Erben anzutreten.

[2, 17] §. 16. Zu noch größerer Sicherheit des Erben verstatten Wir ihm noch weiter, daß er bei Antretung der Erbschaft die Errichtung eines gerichtlichen Inventariums anbegehren könne; dieses soll einem jeden Erben freistehen, und wenn es schon der Erblasser verboten hätte, so ist doch ein solches Verbot für null und nichtig anzusehen.


(264) [2, 17] §. 17. Wenn der Erb sich dieser Rechtswohlthat gebrauchet, so sollen die beiderseitigen Ansprüche und Forderungen sowohl, welche dem Erben wider den Erblasser, als auch welche dem Erblasser wider den Erben gebühreten, aufrecht erhalten werden. Der Erb soll befugt sein, alle Unkösten, so auf die standesmäßige Begräbniß des Erblassers, Kundmachung des letzten Willens, Erbserklärung, Errichtung des gerichtlichen Inventariums, Vertretung und Verwaltung der Erbschaft aufgewendet worden, noch vor den Schulden abzuziehen, und wenn etwas aus der Verlassenschaft ohne seine Schuld verloren wird oder zu Grunde gehet, soll er dafür nicht zu haften haben.

[2, 17] §. 18. Ferner soll es dem Erben in dem Falle, wenn sich vor Einantwortung der Erbschaft eine überhäufte Schuldenlast hervorthut, noch alle Zeit freistehen, sich derselben zu begeben und selbe den Gläubigern zu überlassen. Ist ihm aber die Erbschaft eingeantwortet worden, so soll er zu Bezahlung der Schulden und anderer Erblasten nicht weiter verbindlich werden, als sich die Kräften der Erbschaft erstrecken, und wenn ihm nicht bei der Einantwortung eine Zahlungsordnung vorgeschrieben worden, so kann er die Schulden, wie sie angemeldet worden, und nach deren Befriedigung auch die Vermächtnisse ohnbedenklich hinausbezahlen, ohne daß er, wenn die Erbschaft erschöpfet ist, von den nachhero hervorkommenden Gläubigern weiter angefochten werden könnte.

[2, 17] §. 19. Doch muß die Errichtung des gerichtlichen Inventariums alsogleich bei der Erbserklärung, und in jenen Fällen, wo mehrere Erbserklärungen einzureichen sind, bei einer jeden derselben anbegehrt werden. Ein jeder Erb soll sich aber in seiner Erbserklärung ausdrücklich erklären, ob er sich dieser Rechtswohlthat bedienen wolle oder nicht; im letzten Falle hat er sich deren für allezeit begeben, und kann weder deren Abgang mit einer außergerichtlich verfaßten Beschreibung, sie mag so glaubwürdig sein, als sie wolle, mehr ersetzen, noch auch mag ihm ein nach Maßgab des folgenden Capitels von dem Gerichte von Amtswegen errichtetes Inventarium zum Vortheile gereichen.

[2, 17] §. 20. Wenn der Erb vor dem Erblasser gestorben ist, so überträgt er auf seine Erben nicht das mindeste Recht; doch mit Ausnahme dessen, was Wir für den Fall, wenn der Erblasser seine leiblichen Kinder zu Erben eingesetzet hat, und diese vor ihm gestorben sind, im dreizehenten Capitel, §. 39, geordnet haben.

[2, 17] §. 21. Wenn sich ein Zweifel erhebet, ob der Erb den Erblasser überlebet habe oder nicht, so muß dieses von Denjenigen erwiesen werden, die von dem Ueberleben des Erben einen Vortheil ziehen wollen. Wenn dahero der Erblasser und der Erb oder zwei Personen, die untereinander das Erbrecht gehabt hätten, zusammen in einem gemeinschaftlichen Unglücke zu Grunde gehen, und von dem Erben des Einen oder des Anderen nicht dargethan werden mag, wer den Anderen überlebet habe, so soll für allgemein gehalten werden, daß Beide zugleich und in einem Augenblicke gestorben seien, mithin den Erben des Einen an der Erbschaft des Anderen nicht das mindeste Recht gebühren.

[2, 17] §. 22. Wenn hingegen der Erb nach dem Erblasser während der Bedenkzeit oder auch noch vor deren Anfange verstirbt, er möge von dem ihm zugefallenen Erbrechte gewußt haben oder nicht, so überträgt er alles dasjenige Recht, was er zur Zeit seines Todes an dieser Erbschaft gehabt hat, auf seine Erben ohne Unterschied, ob sie ihm nach der rechtlichen Erbfolge die nächsten oder willkürlich eingesetzet worden seien.

[2, 17] §. 23. Doch müssen die Erben des Erben binnen der in §§. 13, 14 vorgeschriebenen Bedenkzeit, oder wenn selbe bei Lebzeiten des verstorbenen Erben bereits zu laufen angefangen hat, binnen der davon noch übrigen Frist die Erbschaft antreten; widrigens findet bei ihnen eben Dasjenige statt, was Wir im §. 15 angeordnet haben.


(265) [2, 17] §. 24. Diese Uebertragung auf die Erben höret alsdann auf, wenn der Erblasser die Erben des Erben namentlich ausgeschlossen, oder nach dessen Tode einen Anderen zur Erbschaft berufen hat, wie auch wenn das Erbrecht des verstorbenen Erben seiner Natur nach mit dessen Person erloschen ist.

[2, 17] §. 25. Kein Erb ist befugt, vor der Einantwortung der Erbschaft Schulden einzutreiben, Zahlungen anzunehmen oder andere dem Erblasser zuständig gewesene Gerechtsamen auszuüben; wenn aber die Einantwortung der Erbschaft an den Erben in Gemäßheit des folgenden Capitels geschehen, so wird er dadurch in den Besitz und Genuß aller Erbvortheile gesetzt, und insoweit er vom Erblasser nicht beschränket worden, erwirbt er alle Gerechtsamen, Ansprüche und Forderungen, die demselben gebühret haben.

[2, 17] §. 26. Wenn das Erbrecht zwischen Mehreren strittig ist, so gebühret Einem wider den Anderen die Erbsfoderung; doch greift diese nur aldann Platz, wenn Jemand dem Erben die Erbschaft ganz oder zum Theile als ein vermeintlicher Erb vorenthält oder sich des Besitzes der Erbschaft angemaßet hat, wie auch wider deren Erben oder Jene, auf welche von einem solchen der Besitz der Erbschaft übertragen worden. Dahingegen, wenn Jemand ohne dem Erben das Erbrecht strittig zu machen, einzelne in die Verlassenschaft gehörige Sachen aus einer anderen Ursache in Besitz hat, so mag der Erb wider ihn blos jene Rechtsmittel anstrengen, welche zur Habhaftwerdung dieser Sachen insbesondere geeignet sind.

[2, 17] §. 27. Wer die Erbsfoderung anstrenget, der muß das ihm angefallene oder von dem Erben auf ihn übertragene Erbrecht, und annebst den Besitz des Beklagten erweisen, wenn dieser ihn in Abrede stellet; übrigens was den Ersatz dessen, so immittelst von der Erbschaft abgekommen, die von der Erbschaft eingehobenen Nutzungen, den auf dieselbe gemachten Aufwand, wie auch jene Fälle anbetrifft, wo Jemand, der die Erbschaft nicht besitzet, mit dieser Rechtsklage belanget werden kann, desfalls ist bei derselben alles Dasjenige zu beobachten, was Wir in ähnlichen Fällen oben im zweiten Capitel bei der Eigenthumsklage festgesetzet haben.

[2, 17] §. 28. Wenn die Erbschaft zu der Zeit, da sie von Einem dem Anderen strittig gemacht wird, noch von Niemanden angetreten, oder zwar angetreten, doch ihm noch nicht eingeantwortet worden, so soll das Gericht in der Sache nicht weiter vorgehen, sondern vorhero die Parteien untereinander über die zur Erprobung ihres Erbrechtes beigebrachten Beweise vernehmen, dabei schleunig verfahren, was Rechtens ist, erkennen, und im Uebrigen auf die im folgenden Capitel, §. 27, vorgeschriebene Art zu Werke gehen.

[2, 17] §. 29. Wenn aber die Erbsfoderung erst alsdann angebracht wird, nachdeme die Erbschaft schon Jemanden eingeantwortet worden, so bleibt der Beklagte bis zum Ausgange des Rechtsstritts im Besitze und Genusse der Erbschaft; doch ist er bis dahin nicht befugt, etwas davon eigenmächtig zu veräußeren, und in dem Falle, da der Beklagte die Erbschaft ohne ein gerichtliches Inventarium angetreten hat, stehet dem Kläger frei, denselben zu einer verläßlichen Beschreibung der gesammten Erbschaft und zu deren eidlicher Bestärkung anzuhalten, wobei ihm noch außerdeme der Beweis unbenommen bleibt, daß ein Mehreres, als angegeben worden, vorhanden gewesen seie.

[2, 17] §. 30. Ebenso kann der Kläger die von Jenen, so in die Erbschaft etwas schuldig sind, an den Beklagten zu leistende Zahlungen gerichtlich verbieten, und wenn der Beklagte die Schuld eintreiben oder der Schuldner sich derselben entledigen will, so muß sie gerichtlich erleget werden. Jene hingegen, die an der Erbschaft etwas zu fodern haben, sind nicht schuldig, den Ausgang des Rechtsstritts abzuwarten.

[2, 17] §. 31. Wenn der Kläger während dem Rechtsstritte die Gefahr einer Versplitterung der Erbschaft zu erweisen vermag, so muß ihn der Beklagte sicherstellen,


(266) oder wenn er dieses nicht könnte oder nicht wollte, so ist über die Erbschaft ein Curator zu bestellen, und auf eben die im folgenden Capitel, §. 28, festgesetzte Art vorzugehen. Wäre aber bereits etwas zur Erbschaft Gehöriges veräußeret worden und der Kläger wollte sich wegen dessen an dem dermaligen Besitzer halten, so mag er zwar auch bei noch unentschiedener Erbsfoderung wider ihn die Eigenthumsklage vorsichtsweise einbringen; doch soll die Ausführung dieser Klage bis zur Entscheidung des Hauptstritts verschoben bleiben.

[2, 17] §. 32. Wenn die Erbschaft unter mehreren Gerichtsbarkeiten gelegen ist, unter welchen aber nach Maß Unserer im folgenden Capitel gegebenen Regel die Verlassenschaftsabhandlung nur einem Gerichte gebühret, so ist der Stritt nur bei diesem letzteren Gerichte auszuführen; wenn jedoch die Erbsfoderung erst alsdann angebracht wird, wo dem Anderen die Erbschaft bereits eingeantwortet worden, so soll der Kläger seine erhobene Klage bei allen Gerichten, worunter etwas von der Erbschaft gelegen ist, erinneren.

[2, 17] §. 33. In jenen Fällen hingegen, wo nach Maß des folgenden Capitels die Verlassenschaftsabhandlung mehreren Gerichten zustehet, hat der Kläger die Auswahl, wo er seine Gerechtsamen ausführen wolle, und der von diesem Gerichte ergangene Spruch hat auch bei allen übrigen Gerichten seine vollständige Kraft; doch muß der Kläger sich bei den anderen Gerichten des bereits anhängig gemachten Rechtsstritts halber ausweisen, und nach ergangenem Spruche dessen Vormerkung bei allen Gerichten, wo ein Theil der Verlassenschaft liegt, ordnungsmäßig bewirken.

[2, 17] §. 34. 1) Die Erbsfoderung dauert durch drei Jahre, achtzehen Wochen, und diese sind in dem Falle, wo eine letztwillige Anordnung angefochten wird, von dem Tage an, da selbe einverleibet worden, in dem Falle der rechtlichen Erbfolge aber von dem Tage der einverleibten Erbserklärung an zu rechnen; was jedoch das Erbrecht eines unbekannten oder abwesenden Erben anbelangt, desfalls ist Unseren im folgenden Capitel enthaltenen Anordnungen nachzugehen.

Achtzehentes Capitel.

Von Verlassenschaftsabhandlungen.

[2, 18] §. 1. Kein Erb, er möge durch eine letztwillige Anordnung oder durch die rechtliche Erbfolge zur Erbschaft berufen sein, ist befugt, sich eigenmächtig in deren Besitz zu setzen, sondern sie soll ihm vor dem behörigen Gerichte nach vorhero gepflogener Abhandlung eingeantwortet werden.

[2, 18] §. 2. Die Verlassenschaftsabhandlung stehet blos demjenigen Gerichte zu, deme der Erblasser für seine Person untergeben war, und diese Abhandlung erstrecket sich über alles in diesem Lande, obgleich unter einer anderen Gerichtsbarkeit gelegene bewegliche und unbewegliche Vermögen, wie auch über das in einem anderen Erblande

 

1) Horten hebt in seinen Anmerkungen hervor, daß in dem von der Compilations-Commission angenommenen Entwurfe Eintragungen in die zu Erwerbungen dinglicher Rechte an Immobilien bestimmten Bücher angeordnet waren, während jetzt nur Eintragungen in die bei Gericht zur Evidenzhaltung zu führenden Bücher gemeint sind. Er zweifelt darum, ob es angemessen sei, die Verjährungszeit von dem Tage der jetzt angeordneten Eintragung laufen zu lassen, ohne jedoch eine Aenderung vorzuschlagen.


(267) befindliche bewegliche Vermögen. Wenn aber ein Erblasser außer jenem Lande, dessen Gerichtsbarkeit er für seine Person unterworfen war, noch in einem anderen Erblande unbewegliche Güter oder unbeweglichen Gütern gleichgeachtete Rechte besessen hat, so stehet in diesem Erblande demjenigen Gerichte, deme der Erblasser allda seinem Stande nach unterworfen gewesen wäre, über alles in diesem Erblande, obgleich unter einer anderen Gerichtsbarkeit befindliche bewegliche und unbewegliche Vermögen eine besondere Verlassenschaftsabhandlung zu.

[2, 18] §. 3. Capitalien, so auf unbeweglichen Gütern bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket sind, werden nur alsdann unbeweglichen Gütern gleichgehalten, wenn der Erblasser in diesem Lande die Landmannschaft oder das Bürgerrecht gehabt hat. Dahingegen giebt die blose Landmannschaft in einem Lande oder das allda gehabte Bürgerrecht, wenn der Besitz unbeweglicher Güter, Rechte oder auf unbeweglichen Gütern vorgemerkter Capitalien ermanglet, gleichwie auch der blose Besitz solcher Capitalien, wenn der Erblasser in diesem Lande die Landmannschaft oder das Bürgerrecht nicht gehabt hat, dem Gerichte dieses Landes keine Befugniß zu einer besonderen Verlassenschaftsabhandlung.

[2, 18] §. 4. In allen obberührten Fällen bleiben jedoch einem jeden Gerichte, unter welchem einige in die Verlassenschaft gehörige Sachen befindlich sind, ohngeachtet der einem anderen Gerichte zustehenden Verlassenschaftsabhandlung alle jene Handlungen bevor, so sich auf diese Sachen insbesondere beziehen, wie Wir dieses bei mehreren derlei Handlungen besonders berühren werden.

[2, 18] §. 5. Sobald Jemand gestorben ist, soll das Gericht, deme die Verlassenschaftsabhandlung zustehet, dessen Verlassenschaft in die gerichtliche Sperr nehmen. Ist die Verlassenschaft in mehreren Ländern oder unter mehreren Gerichtsbarkeiten eben desselben Landes vertheilet, so soll das Gericht, unter welchem der Erblasser gestorben ist, dessen erfolgtes Ableben den anderen Gerichtsstellen, worunter die allda gelegenen Theile der Verlassenschaft gehören, zu gleichmäßiger Vorkehrung alsofort zu wissen machen. Wäre aber Jemand unter einem Gerichte gestorben, dessen Gerichtsbarkeit er gar nicht untergeben ist, so gebühret diesem zwar die Befugniß das daselbst vorgefundene Vermögen des Erblassers in die Sperr zu nehmen; allein im Uebrigen hat dasselbe sich der im fünfzehenten Capitel, §. 6, enthaltenen Vorschriften nachzuachten.

[2, 18] §. 6. Die Sperr soll allezeit in Gegenwart der Hausleute, wenn deren einige allda befindlich sind, wenn aber deren keine vorhanden sind, von zwei geschwornen Gerichtspersonen oder bei deren Ermanglung mit Zuziehung zweier Zeugen vorgenommen werden. Die dazu Abgeordneten haben sich nicht nur deme, was Wir im fünfzehenten Capitel wegen Erhebung eines letzten Willens und im ersten Theile, sechsten Capitel, §. 28, wegen minderjähriger Kinder angeordnet haben, auf’s Genaueste nachzuachten, sondern sollen sich auch um die An- oder Abwesenheit und den Aufenthaltsort abwesender Kinder, oder anderer Erben erkundigen, und alles dieses den nächsten Gerichtstag dem versammleten Gerichte umständlich anzeigen. Das Gericht aber hat sowohl die vorgenommene Sperr im Gerichtsbuche vorzumerken, als auch dahin zu sehen, damit einem abwesenden Erben, dessen Aufenthaltsort bewußt ist, der Todesfall des Erblassers zu wissen gemacht werde, und im Erfordernißfalle ihme selbst zuzuschreiben, wie auch ansonsten alle jene Vorkehrungen zu treffen, welche den vorwaltenden Umständen nach nothwendig sind.

[2, 18] §. 7. Unter die gerichtliche Sperr ist Alles zu nehmen, was nach Ermessen des Gerichtes zur Sicherheit der Erbschaft nothwendig ist, insoweit es seiner Natur nach eine Sperr leidet. Was jedoch zur Begräbnuß der Verstorbenen, zum Unterhalte Derjenigen, die er zu ernähren schuldig war, oder zur Fortführung des gewöhnlichen Wirthschaftstriebs nothwendig ist, dieses ist Jenen, welchen die Besorgung des Einen und Anderen obliegt, in Handen zu lassen; doch mag das Gericht,


(268) wenn es die Sicherheit der Erbschaft erfodert, über derlei Sachen eine ordenltiche Beschreibung errichten.

[2, 18] §. 8. Die angelegte Sperr ist ohne erhebliche Ursache nicht eher, als bei der Einantwortung der Erbschaft zu eröffnen, und wenn unter dieser Zeit Ein- und Anderes, so unter der Sperr ist, herauszunehmen wäre, so soll bei der Eröffnung und Wiederanlegung der Sperr mit eben jener Vorsicht vorgegangen werden, wie Wir oben vorgeschrieben haben.

[2, 18] §. 9. Würde sich aber die Antretung der Erbschaft länger hinaus verziehen, so soll das Gericht, wenn unter der Sperr solche Sachen befindlich sind, die sich ohne Schaden oder Abwürdigung nicht aufbehalten lassen, ohne die Antretung der Erbschaft abzuwarten, dergleichen Sachen ordentlich beschreiben, schätzen lassen und dem Meistbietenden verkaufen, das daraus gelöste Geld aber in Verwahrung nehmen, und bei vorzusehenden längeren Verzuge verzinslich anlegen.

[2, 18] §. 10. Wenn der Erb auf die im vorigen Capitel vorgeschriebene Art seine Erbserklärung einreichet, so soll das Gericht selbe in dem Gerichtsbuche vormerken; wird die Erbserklärung im Namen des Erben durch einen Anderen eingebracht, so muß dessen Vollmacht ebenfalls vorgemerket werden.

[2, 18] §. 11. Ebenso, wenn der Erb sich der Erbschaft ausdrücklich entschlägt, ist die Entschlagung in dem Gerichtsbuche vorzumerken, nicht minder, wenn der Erb die von Uns anberaumte Bedenkzeit stillschweigend verstreichen läßt, soll er auf Anlangen Derjenigen, denen nach seiner Entschlagung die Erbschaft angefallen ist, gerichtlich für ausgeschlossen erkläret werden.

[2, 18] §. 12. Wenn der Erb in seiner Erbserklärung die gerichtliche Inventur anverlanget, so soll das Gericht dieselbe alsogleich, und zwar allezeit durch zwei geschworene Gerichtspersonen vornehmen, und wenn ein Theil der Verlassenschaft unter eine andere Gerichtsbarkeit gehöret, dieses Gericht zu deren gleichmäßiger Vornehmung behörig angehen.

[2, 18] §. 13. Die zu Vornehmung der Inventur abgeordneten Gerichtspersonen sollen sich dabei mit allem Fleiße, Achtsamkeit und Redlichkeit betragen, die Inventur nicht durch längere Zeit als nöthig ist, verzögern und nichts von allem deme, was in die Verlassenschaft gehörig, unter was immer für einem Vorwande geflissentlich auslassen. Insbesondere aber sollen dieselben sich alles Eigennutzes enthalten, und unter schärfester Ahndung sich nicht unterstehen, sich etwas aus der Verlassenschaft, was es auch immer seie, anzueignen, wenn es auch gleich gegen Bezahlung des geschätzen Werthes oder auf Abschlage der Gerichtsgebühren genommen werden wollte.

[2, 18] §. 14. Die Beschreibung ist mit aller möglichen Verläßlichkeit zu verfassen, und darinnen Alles, was in die Verlassenschaft gehöret, klar und deutlich anzumerken, nemlich alle liegenden und fahrenden Güter, alle dem Erblasser wider Andere zustehenden Ansprüche und Foderungen, alle bis dahin in Erfahrung gebrachten Schulden und Haftungen, sie mögen versichert oder unversichert, verbrieft oder unverbrieft sein, wie auch alle fremden Sachen, so sich in der Verlassenschaft vorfinden, nebst allen Urkunden, Rechnungen, Quittungen und anderen Schriften, so von einigen Nutzen sein mögen.

[2, 18] §. 15. Bei den Fahrnissen ist deren Gestalt, Gattung, Gewicht, Zahl und Maß getreulich beizurücken, auch bei einer jeden Sache durch beeidigte und zu diesem Ende eigends darzugezogene erfahrene Leute deren Werth zu bestimmen und mit anzusetzen, und bei den in der Verlassenschaft vorgefundenen fremden Sachen muß bemerket werden, was es mit denselben für eine Beschaffenheit habe.

[2, 18] §. 16. Wenn wider die Wittib, Erben oder sonst Jemanden ein gegründeter Verdacht vorhanden ist, daß sie etwas, so in die Verlassenschaft gehörig, zurückhalten oder vertuschen, so mag ihnen auf Anlangen derjenigen, welchen daran gelegen ist, der Offenbarungseid aufgetragen werden.


(269) [2, 18] §. 17. Hätte hingegen der Erb die Erbschaft angetreten, ohne die gerichtliche Inventur anzuverlangen, so kann das Gericht dieselbe nicht vornehmen. Nur allein in folgenden Fällen sollen die Gerichte von Amtswegen und unter eigener Haftung ein gerichtliches Inventarium errichten. Erstens, wenn die Erben oder auch nur Einer unter ihnen wegen des unreifen Alters oder anderer Ursachen der freien Schaltung mit seinem Vermögen beraubet ist. Zweitens, wenn der Erb oder Einer unter mehreren Erben abwesend und sein Aufenthalt nicht bekannt ist, oder da derselbe bekannt wäre, doch seine Zurückkunft nicht sobald angehoffet werden kann. Drittens, wenn die Verlassenschaft mit Schulden überhäufet oder durch Vermächtnisse erschöpft ist, und von den Gläubigern oder von Jenen, denen die Vermächtnisse gebühren, die Inventur anverlanget wird. Viertens, wenn Kinder oder Eltern ihren Pflichttheil oder der hinterlassene Ehegatt den ihm gebührenden Antheil gerichtlich anfoderen oder über dessen Verkürzung klagen. Fünftens, wenn dem Erben das Erbrecht strittig gemacht wird, und die Sache sich länger hinaus verziehet.

[2, 18] §. 18. Doch kann der Erb in den drei letzten Fällen die gerichtliche Inventur dadurch vermeiden, wenn er eine mit allen Denjenigen, die an der Verlassenschaft Ansprüche machen, getroffene vollständige Abfindung oder ihre Einwilligung darzeiget, daß ihm die Erbschaft ohne die gerichtliche Inventur eingeantwortet werden möge.

[2, 18] §. 19. Bei Errichtung des Inventariums ist weder die Gegenwart des Erben, noch Jener, die an der Verlassenschaft Foderungen haben, nothwendig; doch soll weder dem Einem, noch dem Anderen, noch denen, welchen die Erben und Gläubiger vertreten, noch auch sonst Jemanden, deme daran gelegen ist, der Zutritt darzu verwehret sein.

[2, 18] §. 20. Sobald das Inventarium zu Stande gebracht worden, ist ein solches in dem Gerichtsbuche anzumerken, das Inventarium selbst aber bei Gerichte aufzubewahren. Ist ein Theil der Verlassenschaft unter anderen Gerichtsbarkeiten gelegen, so sollen die von derlei Gerichten verfaßten besonderen Inventarien dem Abhandlungsgerichte zugeschicket und allda sammt dem Hauptinventarium aufbewahret werden. Dem Erben ist von dem Gerichte eine Abschrift davon zuzustellen und einem Jeden, deme daran gelegen ist, stehet ebenfalls frei, eine Abschrift davon zu begehren.

[2, 18] §. 21. Nach vollbrachter Inventur soll das Gericht vorzüglich auf die Tilgung oder Bedeckung der gerichtlich bekannt gewordenen Schulden den Bedacht nehmen. Wenn es sich zeiget, daß die Verlassenschaft zu derer Tilgung nicht hinreichend sein werde, so soll eine förmliche Vergantung ausgeschrieben werden; wenn aber die Verlassenschaft hinreichend befunden wird, so ist mit dem Erben wegen Befriedigung der Gläubiger eine Behandlung zu pflegen.

[2, 18] §. 22. Dem Erben, wie auch einem Jeden, deme daran gelegen ist, stehet frei, eine öffentliche Zusammenberufung der Gläubiger zu begehren. Wenn aber auch dieses nicht anbegehret wird, so soll doch dem Gerichte in jenem Falle, wenn der Erblasser allda fremd war, oder wegen seines Gewerbes oder obgehabten Verwaltungen oder wegen einer anderen Ursache verborgene Schulden mit Grunde vermuthet werden können, von Amtswegen obliegen, das Absterben des Erblassers nach der in jedem Lande hergebrachten Gewohnheit noch vor Auszahlung der angemeldeten Schulden und Vermächtnisse öffentlich kund zu machen, und Alle, die an dessen Verlassenschaft Foderungen haben, unter einer sechswöchentlichen oder auch nach Beschaffenheit der Umstände längeren, doch niemals Jahr und Tag überschreitenden Frist vorzuladen.

[2, 18] §. 23. Ist die anberaumte Frist verstrichen, so soll das Gericht mit den Gläubigern, so sich angemeldet haben, Richtigkeit pflegen und die Verlassenschaftsabhandlung beschließen. Kämen aber nachhero noch mehrere Gläubiger hervor, so


(270) mögen diese zwar Dasjenige, was von der Erbschaft oder von den Vermächtnissen bei Jenen, so sie erhalten haben, noch übrig ist, zurückfoderen; allein die vorhero befriedigten Glaubiger können von ihnen nicht mehr angefochten werden.

[2, 18] §. 24. Wenn der Erblasser nebst seinem frei eigenen Vermögen auch Fideicommiß- oder Lehengüter besessen hat, so soll das Gericht alsofort bedacht sein, selbe, und zwar erstere nach Ausmessung dessen, was Wir darüber im eilften Capitel geordnet haben, letztere aber nach den an jedem Orte üblichen Lehenrechten und Gewohnheiten von dem freien Vermögen abzusöndern.

[2, 18] §. 25. Wenn Notherben oder ein unversorgter Ehegatt vorhanden sind, so hat das Gericht den ihnen durch Unsere Gesetze bestimmten Antheil auszumessen, und auf dessen Sicherstellung fürzudenken, und wenn der Erblasser Vermächtnisse gemacht hat, so soll das Gericht jene, welche ohnverweilt abzustatten sind, alsofort berichtigen, jene aber, deren Entrichtung sich weiter hinaus verziehet, von dem Erben hinlänglich versichern lassen.

[2, 18] §. 26. Nicht minder soll das Gericht bedacht sein, daß auch alles Jenes, was der Erblasser sonst geordnet hat, und unmittelbar Niemanden zum Vortheile gereichet, behörig erfüllet werde, und wenn der Erb in Einem oder Anderen saumselig wäre, so soll das Gericht entweder die von dem Erblasser ernannten Vollstrecker seines letzten Willens zur Betreibung des Erben anhalten oder bei deren Ermanglung einen Curator bestellen, der die Erfüllung des letzten Willens bewirke.

[2, 18] §. 27. Wenn sich in Betreff des Erbrechts ein Rechtsstritt erhoben hat, so ist die Erbschaft bis zu dessen Ausgange in gerichtlichen Beschlage zu halten. Inzwischen aber und besonders, wenn der Rechtsstritt sich länger hinaus verziehet, soll das Gericht dennoch mit der Verlassenschaftsabhandlung vorgehen, über die Verlassenschaft einen Curator bestellen, das Strittige von dem Unstrittigen absöndern, letzteres Denjenigen, welchen es gebühret, verabfolgen lassen, ersteres hingegen in gerichtlicher Verwahrung behalten, und die vorhandenen Barschaften nach Maßgab Unserer anderweiten Verordnungen verzinslich anlegen.

[2, 18] §. 28. Während dem Rechtsstritte hat der angestellte Curator die Verlassenschaft in Allem zu vertreten, die dem Erblasser zugestandenen Sprüche und Foderungen einzutreiben, und allen Jenen, welche an der Verlassenschaft Foderungen stellen, Rede und Antwort zu geben; doch muß er sich im letzten Falle mit beiden wegen des Erbrechts im Stritte verfangenen Parteien einvernehmen.

[2, 18] §. 29. Wenn das Recht eines noch ungebornen Erben unterwaltet, so muß dessen Antheil, außer jenem Falle, von welchem Wir im neunten Capitel, §. 23, geordnet haben, ebenfalls gerichtlich aufbewahret werden. Gebühret dem ungebornen Erben ganz allein das nächste Recht zur Erbschaft, oder wenn er zwar nur einen Theil der Erbschaft zu fodern hat, doch sein Erbrecht so beschaffen ist, daß die Antheile aller übrigen Miterben von der mehr oder minderen Anzahl der ungebornen Erben abhangen, so muß die ganze Erbschaft in gerichtlichen Beschlag genommen werden; dahingegen, wenn die Anzahl der ungebornen Erben nicht auf die Antheile aller übrigen Erben einen Einfluß hat, so sind alle jene Antheile, welche von der mehr- oder minderen Anzahl der ungebornen Erben unabhängig sind, zu entrichten, und entweder der auf den Ungebornen ausfallende Antheil allein oder alle Antheile Derjenigen aufzubehalten, deren Bestimmung erst von der Anzahl, oder bei Landleuten von dem Geschlechte der ungebornen Erben abhängt.

[2, 18] §. 30. Die Schwangerschaft derjenigen Person, von welcher der ungeborne Erb geboren werden soll, muß jedoch bei Ermanglung sichtbarer Zeichen, oder wenn sonst darüber ein Zweifel erreget würde, durch geschworene Hebammen bewähret werden. Wenn diese in ihren Meinungen nicht übereinstimmen, so ist mehr für als wider die Schwangerschaft zu urtheilen; doch hat das Gericht, wenn die Hoffnung der Geburt nicht noch eher verschwindet, niemals länger zu warten,


(271) als bis die Zeit verflossen ist, wo der Erb, wenn er zur Zeit des auf ihn übergangenen Erbrechts empfangen gewesen wäre, hätte müssen geboren werden, nach deren Verlauf aber die Erbschaft oder den zurückgehaltenen Antheil den anderen Erben einzuantworten.

[2, 18] §. 31. Die Einantwortung der Erbschaft an den Erben soll nicht eher geschehen, als nachdeme das Gericht alle Unsere bisherigen Anordnungen in Erfüllung gesetzt hat. Wenn aber auch Niemand vorhanden wäre, von deme die Einantwortung der Erbschaft widersprochen würde, so sollen doch im Falle der letztwilligen Erbfolge allezeit die im fünfzehenten Capitel, §. 17, vorgeschriebenen sechs Wochen abgewartet werden 1).

[2, 18] §. 32. Die geschehene Einantwortung der Erbschaft muß überall, wo unbewegliche, in die Erbschaft gehörige Güter vorhanden sind, vorgemerket werden, und wenn ein Theil der Erbschaft sich unter einem anderen Gerichte befindet, so ist dasselbe, wenn der Erb die ihm von dem Abhandlungsgerichte geschehene Einantwortung der Erbschaftsrechte behörig darthut, ohnweigerlich schuldig, ihm die allda befindlichen beweglichen Sachen zu verabfolgen, wie auch ihn, wofern er des Besitzes fähig ist, bei den daselbst gelegenen unbeweglichen Sachen durch behörige Vormerkung an das Eigenthum zu bringen.

[2, 18] §. 33. Insolang während der Bedenkzeit noch kein Erb die Erbschaft angetreten hat, soll das Gericht mit der Verlassenschaftsabhandlung bis zu deren Verlauf warten; es wäre dann, daß die hervorbrechende Schuldenlast, der Nutzen der Waisen, die kundbare längere Abwesenheit des Erben, oder sonst eine wichtige Ursache selbe früher vorzunehmen erfoderte. In diesen Fällen, sowie auch überhaupt alsdann, wenn die Bedenkzeit verstrichen, ohne daß sich ein Erb hervorgethan, noch auch wer der Erb seie, bekannt ist, soll das Gericht alsofort über die Verlassenschaft einen Curator bestellen, ein Inventarium errichten, nach Beschaffenheit der Umstände die Fahrnissen gerichtlich verkaufen, und jene, so unter einer anderen Gerichtsbarkeit befindlich sind, durch dieses Gericht verkaufen lassen, das Geld verzinslich anlegen, und mit der weiteren Verlassenschaftsabhandlung obgeordnetermaßen vorgehen. Zu gleicher Zeit sollen alle Jene, so an dieser Verlassenschaft ein Erbrecht zu haben vermeinen, durch ein öffentliches Edict vorgeladen werden.

[2, 18] §. 34. Wir wollen aber einem unbekannten Erben von der Ausfertigung dieser öffentlichen Vorladung an zu rechnen, eine Zeitfrist von zehen Jahren bestimmet haben; binnen dieser Frist soll die Verlassenschaft immerfort unter der Curatel belassen, und wenn sich indessen ein Erb hervorthut, demselben oder dessen Erben nach Maß des §. 37 ausgefolget werden.

[2, 18] §. 35. Wenn zwei Jahre verflossen sind, und binnen denselben sich kein Erb hervorgethan, so soll die öffentliche Vorladung wiederholet, und eben dieses auch in der Folge von zwei zu zwei Jahren beobachtet werden. Wenn aber alle zehen Jahre verflossen sind, und Niemand sich gemeldet oder sein Erbrecht nicht behörig erwiesen hat, so soll die Verlassenschaft als ein erbloses Gut eingezogen werden; doch wollen Wir dem unbekannten Erben und seinen eheleiblichen Kindern auch noch nahero eben die Begünstigung angedeihen lassen, welche Wir im §. 41 einem abwesenden Erben eingestehen.

 

1) Aus den Anmerkungen Horten’s erhellt, daß die Compilations-Commission früher beschlossen hatte, von der im letzten Satze ausgesprochenen Fristbestimmung Umgang zu nehmen. Horten empfahl die Wiederaufnahme derselben mit Rücksicht auf die Möglichkeit, daß eine Verheimlichung einer letzten Willenserklärung versucht werde, und weil die Unterlassung der Herausgabe einer letzten Willenserklärung erst nach dem fruchtlosen Verstreichen einer Frist von sechs Wochen geahndet werde.


(272) [2, 18] §. 36. Ware aber der Erb zwar bekannt, doch ob er noch lebe, und wo er sich aufhalte, unbekannt, so soll das Gericht ihn gleichergestalten durch öffentliche und von zwei zu zwei Jahren wiederholte Kundmachung der ihm zugefallenen Erbschaft vorladen. Sind andere Erben vorhanden, welche mit dem Abwesenden ein gleiches Erbrecht haben, so ist mit denselben die Erbtheilung vorzunehmen; alles Dasjenige aber, was dem Abwesenden gebührt, ist Jenen, welchen dasselbe bei Abgange des Abwesenden zugefallen sein würde, gegen hinlänglicher Sicherheit einzuraumen, oder wenn diese keine Sicherheit leisten könnten oder wollten, einem eigends aufgestellten Curator zur Besorgung anzuvertrauen.

[2, 18] §. 37. Sowohl in dem einen als anderen Falle sind von der geschehenen ersten Vorladung des Abwesenden ebenfalls zehen Jahre abzuwarten, und wenn derselbe binnen dieser Zeit zurückkommt, und wenn nach seinem indessen erfolgten Ableben seine Erben sich melden, und ihr Erbrecht, wie auch, daß der verstorbene Abwesende den Erblasser überlebt habe, behörig erweisen, so muß ihnen dieser Erbtheil sammt allen davon eingehobenen Nutzungen ordentlich verrechnet und getreulich ausgefolget werden.

[2, 18] §. 38. Würde aber der Abwesende zwar nicht selbst zurückkommen, doch binnen dieser Zeit sein Aufenthalt in Erfahrung gebracht werden, so soll das Gericht ihn auf Anlangen Jener, denen daran gelegen ist, zur Ausführung seiner Erbsprüche besonders vorladen, ihm dazu eine nach Maß seiner Entfernung und anderer Umstände abgemessene Frist anberaumen mit der Warnung, daß, wo er sich binnen derselben nicht melden würde, sein Stillschweigen für eine Entschlagung der Erbschaft angesehen werden solle, und ihm diese Verfügung durch das dortige Gericht eigends kundmachen lassen; doch soll diese Frist außer ganz sonderbaren Hindernissen, die ihn an dem Orte seines Aufenthalts zurückhalten, über Jahr und Tag sich nicht erstrecken.

[2, 18] §. 39. Wenn die anberaumte Frist verstrichen und binnen derselben der Abwesende weder selbst, noch durch einen Bevollmächtigten erschienen, noch auch sein Ausbleiben rechtmäßig entschuldigen könnte, das Gericht aber anbei versichert ist, daß ihm die geschehene Vorladung richtig kundgemacht worden, so ist in Folge der ihm gegebenen Warnung sein Erbtheil dem nächsten Erben des Erblassers zuzusprechen und einzuantworten oder die geleistete Sicherheit zu erlassen.

[2, 18] §. 40. Eben dieses ist auch alsdann zu befolgen, wenn die nächsten Erben des Erblassers binnen den zehen Jahren erproben, daß der Abwesende bereits vor dem Erblasser gestorben gewesen seie, wie nicht minder in jenem Falle, wenn die zehen Jahre verstrichen, ohne daß der Abwesende hervorgekommen oder von demselben eine sichere Nachricht zu erhalten gewesen wäre.

[2, 18] §. 41. Wenn jedoch auch nach Verstreichung dieser zehen Jahren der Abwesende selbst oder seine eheleiblichen Kinder oder deren Nachkömmlinge zurückkämen und erweisen könnten, daß sie diese Zeit verstreichen lassen, ohne daß ihnen ein Saumsal zur Last falle, so soll ihnen das Recht noch immerfort bevor bleiben, ihren Erbtheil von Jenen, denen er eingeantwortet worden, oder deren Erben, so viel sich noch davon entweder wesentlich oder in dem dafür zugekommenen Werthe in ihren Händen befindet, zurückzufoderen; allein auf die von ihnen nach der gerichtlichen Zusprechung behobene und verzehrte Nutzungen, wie auch wider einen Dritten, der etwas nach dieser Zeit rechtmäßig an sich gebracht hat, mögen sie keinen Anspruch machen.

[2, 18] §. 42. 2) Wofern es sich aber nicht von dem einem Abwesenden zugefallenen

 

2) Horten vermißte laut seiner Anmerkungen eine nähere Bestimmung über die vorzunehmende Wiederholung der Kundmachung, so wie über den Zeitpunkt, in welchem die erste Kundmachung zu erfolgen hat.


(273) Erbtheile, sondern von dem ihm bereits vor seiner Abwesenheit vollkommen zugehörig gewesenen Vermögen selbst handelte, so ist zwar mit der Sicherstellung seines Vermögens, mit seiner öffentlichen Vorladung und deren Wiederholung auf die obgeordnete Art vorzugehen; doch soll derselbe, wenn nicht seine Erben von seinem Tode zuverlässige Nachricht beibringen, nicht eher für verstorben gehalten, noch sein Vermögen seinen Erben ohne hinlängliche Sicherheit eingeantwortet werden, als wenn er durch dreißig Jahre abwesend gewesen ist. Wenn aber auch diese Zeit verstrichen, und sein Vermögen seinen Erben eingeantwortet worden, so soll ihm und seinen ehelichen Kindern dennoch eben diejenige Rechtswohlthat offen bleiben, die Wir ihnen im vorigen §. eingestanden haben.

Neunzehentes Capitel.

Von Theilung der Erbschaft.

[2, 19] §. 1. Wenn eine Erbschaft mehreren Erben zugefallen ist, so beruhet es in ihrer Willkür, ob sie dieselbe unter sich theilen oder in der Gemeinschaft bleiben


(274) wollen. Sind die Erben oder einige derselben noch minderjährig oder sonst der eigenen Verwaltung unfähig, so wollen Wir dem Ermessen des Richters die Bestimmung


(275) überlassen, ob es nach den Umständen und nach der Beschaffenheit der Erbschaft nützlicher seie, selbe unter den Erben zu theilen oder ungetheilet verwalten zu lassen.


(276) [2, 19] §. 2. Einem jeden Erben stehet zu allen Zeiten frei, die Theilung der Erbschaft anzuverlangen, wenn schon alle zusammen vom Anfange die Gemeinschaft


(277) beliebet hätten und noch solang dabei verharret wären; doch ist hierinnen Demjenigen nachzugehen, was Wir im dritten Theile von der Theilung eines gemeinschaftlichen Guts mit Mehrerem anordnen.


(278) [2, 19] §. 3. Wenn ein Erb oder mehrere von ihnen vor der Theilung die Erbschaft ganz oder zum Theile verwaltet haben, so erwachsen daraus jene Verbindlichkeiten,


(279) welche aus der Verwaltung eines jeden gemeinschaftlichen Guts entstehen, und Wir im dritten Theile umständlicher berühren; doch soll die anverlangte


(280) Theilung weder wegen dieser allseitigen Gebührnissen, noch auch unter sonst einem wie immer Namen habenden Vorwande verweigeret werden. Nach vollzogener Theilung aber stehet einem Jeden frei, derlei Gegenforderungen wider den Miterben anzubringen, und sich bis zu deren Austrag an dessen Antheile der vorgeschriebenen Ordnung nach zu halten.

[2, 19] §. 4. Wer die Theilung der Erbschaft anverlanget, dessen Erbrecht muß vorhero richtig sein, und wo ihme dasselbe angestritten worden wäre, so muß dieser Stritt vorhero ausgemacht werden. Wenn aber nur Einem unter den Erben sein Erbrecht in Zweifel gezogen wird, so sind die anderen Erben nach Maß dessen, was Wir bereits im Vorhergehenden geordnet haben, nicht schuldig, mit der Theilung bis zu dem Ausgange des Stritts zu warten.

[2, 19] §. 5. Jener, der die Theilung der Erbschaft anverlangt, erkennet Denjenigen, von deme er selbe anverlanget, eben dadurch für seinen Miterben, wenn er sich wider dessen anmaßliches Erbrecht nicht ausdrücklich verwahret; wenn jedoch Jemand während der oder auch nach schon vollbrachter Theilung durch neue, vorhin nicht gehabte Zweifel seinen Irrthum darthun kann, so bleibet ihme unverwehrt, des Anderen Erbrecht noch insolang anzustreiten, als dasselbe nicht zu seinen vollen Rechtskräften erwachsen ist.

[2, 19] §. 6. Wenn Einer von den Erben sich nicht zur Erbtheilung bequemen will, so bedarf der Andere, der selbe anverlangt, keine besondere Rechtsfoderung anzustrengen, sondern nur die richterliche Hilfe anzurufen, und der Richter soll sämmtlichen Erben zur Vornehmung der Theilung von dem Tage der zugestellten Auflage eine Frist von sechs Wochen bestimmen. Wenn jedoch die Erbschaft sehr zerstreuet, verwirret oder die Miterben sonst rechtserhebliche Ursachen hätten, warum sie binnen dieser Zeit zur Erbtheilung nicht gefaßt sein können, und mit deren Vorlegung eine Erstreckung ansuchen, mag der Richter die erste Frist noch auf andere sechs Wochen verlängeren.

[2, 19] §. 7. Würde aber Einer von den Miterben dieser gerichtlichen Auflage kein Genüge leisten, oder sich bei der Theilung saumselig erzeigen, so ist er durch rechtliche


(281) Zwangsmitteln darzu anzuhalten; wenn aber auch diese nichts verfingen, so soll die Theilung von Amtswegen vorgenommen werden.

[2, 19] §. 8. Wenn sämmtliche Erben oder auch nur Einer unter ihnen abwesend ist, und Niemanden zu seiner Vertretung bestellet hat, wenn die Erben oder einer unter ihnen in der Verwaltung seines Vermögens beschränket ist, oder wenn die Erben in Betreff der Theilung sich untereinander nicht vergleichen können, so soll selbe allezeit gerichtlich, nemlich mit Beistimmung und Vermittelung einiger dazu abgeordneter Gerichtspersonen geschehen. Außer diesen Fällen stehet es blos bei den Erben, ob sie die Theilung gerichtlich oder durch ihr selbst eigenes gutwilliges Einvernehmen außergerichtlich vornehmen wollen.

[2, 19] §. 9. In die Theilung ist Alles zu bringen, was der Erblasser, es sei an liegenden oder fahrenden Gute, an Ansprüchen und Forderungen, an Rechten und Gerechtigkeiten hinterlassen hat. Der Anschlag aller dieser Sachen soll aber nicht überhaupt, noch nach eines oder des anderen Erben Gutdünken, sondern entweder durch gemeinschaftliche Einverständniß sämmtlicher Erben oder nach der Schätzung erfahrener Leute gemacht werden.

[2, 19] §. 10. Bei der Theilung selbst ist auch in Ansehung der in der Erbschaft befindlichen Erbstücke zwischen den Erben, so viel es die Beschaffenheit der Erbschaft zuläßt, alle nur mögliche Gleichheit zu beobachten. Untheilbare Sachen sind Demjenigen zu überlassen, der das Meiste dafür anbietet; wenn Keiner mehr, als der Andere dafür anbietet, so soll Jener den Vorzug haben, der den größten Theil an der Erbschaft hat, und wenn alle Erben gleiche Theile haben, so ist durch das Loos zu entscheiden, weme selbe zufallen solle. Würde aber keiner von den Erben diese Sachen übernehmen wollen, oder wenn Derjenige, der selbe übernehmen will, für den Betrag, welchen er den anderen Erben herauszugeben hat, keine annehmliche Sicherheit leisten könnte oder wollte, so ist selbe gerichtlich an den Meistbietenden zu verkaufen, und das dafür erhaltene Geld unter die Erben auszutheilen.

[2, 19] §. 11. Wenn jedoch die Erbschaft eines Landmannes zwischen dessen Söhnen und Töchtern, oder zwischen den männlichen und weiblichen Anverwandten, oder zwischen den männlichen Anverwandten und Fremden zu vertheilen ist, so wollen Wir die Anverwandten, so vom männlichen Stamme und zugleich männlichen Geschlechts sind, überhaupt in deme begünstigen, daß sie die Erbtheile der weiblichen Anverwandten oder der fremden Miterben mit Gelde abführen, die liegenden Güter aber in dem Werthe, den sie zur Zeit der Theilung haben, oder im Falle einer von den weiblichen oder fremden Erben ein Mehreres dafür anböte, wenn sie eben dieses dafür geben, für sich behalten mögen.

[2, 19] §. 12. Die Urkunden, welche ein Gut insbesondere betreffen, sind Demjenigen auszufolgen, deme das Gut zugefallen ist; gemeinsame Urkunden hingegen, wenn die Erben sich darüber nicht gutwillig vergleichen, sind Demjenigen, der den größten Theil an der Erbschaft hat, oder da Alle gleiche Theile hätten, dem Aeltesten an Jahren, und wenn dieser nicht im Lande verbliebe, oder sonst erhebliche Bedenken wider ihn vorwalteten, dem Nächsten im Alter in Verwahrung zu geben. Nur die Familienurkunden sollen allezeit bei Demjenigen, der vom männlichen Stamme der Aelteste ist, oder im Falle eines wider denselben vorhandenen Bedenkens, bei Jenem, der nach ihm der Aelteste ist, ohne Rücksicht, ob er Erb sei oder nicht, aufbewahret werden.

[2, 19] §. 13. Doch solle in allen diesen Fällen der Inhaber gemeinschaftlicher Urkunden schuldig sein, einem jeden Erben, ein mit seiner Hand und Petschaft gefertigtes Verzeichniß derselben zuzustellen, auch ihnen allezeit, wenn sie es verlangen, doch auf ihre Unkosten, eine jeder Urkunde die anverlangte Urkunde selbst zum nöthigen Gebrauche auszufolgen.


(282) [2, 19] §. 14. Wenn eine Erbschaft blos zwischen Kindern oder Kindskindern des Erblassers zu vertheilen ist, und sie sich nicht durch gemeinsame Einverständniß verglichen haben, was einem jeden zufallen solle, soll der älteste Sohn oder die älteste Tochter so viele Theile machen, als Erben sind, die jüngeren Geschwister aber, vom jüngsten anzufangen, die Auswahl haben, und der Aeltere sich mit dem übrig bleibenden Theile zu begnügen, schuldig sein.

[2, 19] §. 15. Wenn eines von des Erblassers Kindern vor dem Erblasser oder auch zur Zeit der Theilung gestorben ist, so gebühret dessen hinterlassenen Kindern ohne Rücksicht auf ihr eigenes Alter in Legung der Theile oder in der Auswahl eben das Recht, welches ihrem Vater oder ihrer Mutter gebühret hätte; der Stammtheil aber, welcher auf die Kindskinder zusammen ausfällt, ist zwischen denselben ebenfalls auf die im §. 14 berührte Art zu vertheilen.

[2, 19] §. 16. Sind die nachgelassenen Kinder oder Kindskinder noch minderjährig, so stehet das Recht sowohl die Theile zu legen, als auch zu wählen, ihren Vormündern zu; doch müssen diese in beiden Fällen darzu die Begnehmigung der Vormundschaftsgehörde einholen. Wären aber alle oder mehrere Erben unter einer Vormundschaft, so mag der Vormund bei der Theilung nur einen einzigen vertreten.

[2, 19] §. 17. Wenn der Aeltere in Legung der Theile saumig ist, so soll ihm der Richter eine nach den Umständen abgemessene Frist geben und nach deren Verfließung die Theile von Amtswegen bestimmen; hätte aber der Aeltere die Theile so mangelhaft und ungleich gemacht, daß die jüngeren Geschwister daraus Schaden zu befahren hätten, so soll der Richter auf ihr Anrufen den Aelteren schleunig vernehmen, und den vorgekommenen Beschwerden der Billigkeit nach abhelfen.

[2, 19] §. 18. Wenn hingegen einer von den jüngeren Geschwistern in der Auswahl eines Theiles saumselig ist, so soll ihm ebenfalls von dem Richter eine den Umständen gemäße Frist, doch niemals über sechs Wochen gegeben werden, und wenn er binnen dieser Zeit nicht wählet, so verlieret er das Wahlrecht und muß sich mit demjenigen Theile begnügen, den ihm die anderen, so in der Zeit gewählet, übrig lassen.

[2, 19] §. 19. Wenn mehrere Kindskinder zu einem Stamme gehören, und diese sich der Theilung halber, es sei in Legung der Theile, wo ihnen diese gebühret, oder in der Auswahl ihres Antheils untereinander nicht vergleichen könnten, so müssen sie binnen der ihnen bestimmten Frist die richterliche Entscheidung einholen; widrigens ist mit ihnen nach Maß der §§. 17 und 18 vorzugehen.

[2, 19] §. 20. Von dieser Regel des §. 14 wollen Wir in jenem Falle eine Ausnahme machen, wenn der Erblasser höheren Standes und in einem Unserer Erblande Landmann war, und dessen Erbschaft zwischen Söhnen und Töchtern zu vertheilen ist; alsdann soll den Töchtern, wie auch den von vorgestorbenen Söhnen nachgelassenen Enklinnen weder das Recht, die Theile zu legen, noch die Auswahl gebühren, sondern der Aelteste unter den Söhnen oder die von demselben nachgelassenen Enkeln sollen sowohl die männlichen als die weiblichen Stammtheile legen, und die Töchter mit deme zufrieden sein, was ihnen durch gemeinsame Einverständniß der Söhne zu ihrem Antheile angewiesen wird, wofern es nur richtig und sicher ist.

[2, 19] §. 21. Außer deme, was Wir im vorigen §. berühret haben, sind im Uebrigen die bei Erbtheilungen der Kinder für allgemein vorgeschriebenen Regeln auch bei der Erbschaft eines Landmannes zu beobachten, und wenn die Ehegattin eines Landmannes gestorben ist, so hat es ohne alle Ausnahme bei diesen allgemeinen Regeln sein Bewenden.

[2, 19] §. 22. Wenn die hinterlassene Witwe mit des Erblassers Kindern zu gleichen Theilen erbet, so soll ihr weder die Theilung zu machen, noch die Auswahl eines Theiles gebühren, sondern sie muß sich mit dem ihr richtig und sicher angewiesenen Theile befriedigen. Wenn hingegen ein Witwer mit seines Weibs Kindern oder


(283) Kindskindern zu einem gleichen Theile ihrer Erbschaft gelanget, so soll ihm zwar alsdann die Theile zu machen gebühren, wenn alle Kinder auch seine leiblichen Kinder sind; allein, wenn alle oder auch nur einige darunter seine Stiefkinder sind, so ist es mit ihm ebenso zu halten, wie mit einer Witwe.

[2, 19] §. 23. Wenn eine Erbschaft nicht zwischen Kindern und Kindskindern, sondern zwischen anderen Verwandten des Erblassers oder auch fremden Erben zu vertheilen ist, oder auch wenn neben den Kindern ein Dritter zum Erben eingesetzet worden, soll es von der im §. 14 berührten Theilungsart abkommen, und blos in der Erben Willkür beruhen, wie sie sich wegen der Theilung vergleichen wollen. Könnten sie aber desfalls nicht übereinkommen, so soll das Gericht zwischen ihnen einen gütlichen Vergleich zu bewirken trachten, widrigenfalls aber die Theile ausmessen und durch das Loos wählen lassen.

[2, 19] §. 24. Ueber die vollbrachte Theilung sollen ordentliche Urkunden errichtet und von allen Erben mit Hand und Petschaft gefertiget werden. Wenn diese Urkunden liegende Güter oder auf liegenden Gütern haftende Rechte betreffen, so sind sie in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, wohin die abgetheilten Güter gehören, einzutragen; auf gleiche Art müssen auch in dem Falle, wo die Erben sich nicht haben einverstehen können, die vom Gerichte geschehenen Ausmessungen der Theile, sobald sie zu Rechtskräften erwachsen, behörigen Orts vorgemerket werden.

[2, 19] §. 25. Nach geschehener Theilung höret die Gemeinschaft in den getheilten Gütern auf, und ein jeder Erb wird vollkommener Eigenthümer seines Antheils; doch werden die Glaubiger und Andere, so an der Erbschaft etwas zu foderen haben, durch die von den Erben unter sich verglichene Uebernahme der Schulden und anderen Erblasten nicht verbunden, wenn sie nicht in diesen Vertrag ausdrücklich eingewilliget haben, sondern ihnen stehet bevor, einen jeden Erben nach Maß seines Erbtheils zu belangen, oder wenn ein Glaubiger auf einem liegenden Gute vorgemerket ist, die ganze Schuld von dem Eigenthümer dieses Guts anzufodern, wenn schon ein anderer Erb die Tilgung dieser Schuld übernommen hätte.

[2, 19] §. 26. Dahingegen mag auch ein unversicherter Glaubiger dadurch, daß er auf einem liegenden Gute zur Zahlung angewiesen worden, obwohl die Theilungsurkunde auf diesem Gute einverleibet wäre, an demselben keine Hypothek erwerben, wenn sie ihm nicht ausdrücklich bestellet worden.

[2, 19] §. 27. Wenn eines von den zugetheilten Gütern ganz oder zum Theile von einem Dritten ansprüchig gemacht wird, so müssen die Erben, im Falle sie sich nicht ausdrücklich eines Anderen verglichen haben, einander schirmen und schadlos halten. Hätte aber der Erblasser selbst die Theilung der Güter zwischen seinen Erben gemacht, so höret diese Verbindlichkeit auf; außer wenn durch die hervorkommenden Ansprüche ein Notherb an seinem Pflichttheile verkürzet würde.

[2, 19] §. 28. Wenn ein Erb in der Theilung merklich benachtheiliget worden, so stehet ihm frei, seine Beschwerde dagegen anzubringen und eine Verbesserung der unterwaltenden Ungleichheit anzusuchen. Ist die Theilung durch gütliche Einverständniß der Erben geschehen, so mag sie nur alsdann angefochten werden, wenn eine gegründete Ursache zur Aufhebung des Vergleiches vorhanden ist, und alsdann muß die Beschwerde dagegen binnen drei Monaten von dem Tage der geschlossenen Theilung, oder wenn liegende Güter oder derlei Rechte mitvertheilet worden, vom Tage der einverleibten Theilungsurkunde zu rechnen, angebracht werden. Wenn hingegen die Theile durch richterliche Erkenntniß ausgemessen worden, so kann der Beschwerde nicht anderst als durch einen an den oberen Richter in der darzu ausgesetzten Frist genommenen Rechtszug abgeholfen werden. Sind diese Fristen verflossen, oder wenn im Falle einer richterlichen Ausmessung die Erben auch noch vor deren Verlauf sich der richterlichen Erkenntniß gutwillig gefüget, oder um die


(284) Theile gelooset haben, so kommt die Theilung alsofort zu ihren vollkommenen Rechtskräften.

[2, 19] §. 29. Doch beschränken sich diese vorgeschriebenen Fristen blos auf das, was in die Theilung eingekommen ist; was aber noch nicht getheilet, sondern mit allseitiger Einverständniß in fernerer Gemeinschaft belassen worden ist, dessen Theilung kann noch allezeit über kurz oder lang angesuchet werden. Ebenso, wenn etwas von Jenem, der die Theile geleget hat, verschwiegen oder aus Unwissenheit übergangen worden, oder sonst erst hernach hervorkäme, bleibt den anderen Erben ihr Recht daran insolang bevor, als den Gegentheil keine rechtmäßige Verjährung schützet. Ingleichen dauert die im §. 27 vorgesehene Verbindlichkeit zur Gewährleistung wider die Ansprüche eines Dritten ebenso lang, als diese Ansprüche selbst.

Zwanzigstes Capitel.

Von Einbringung des vorempfangenen Guts.

[2, 20] §. 1. Wenn Kinder die Erbschaft ihrer Eltern nach der rechtlichen Erbfolge unter sich theilen, so muß ein jedes von ihnen Dasjenige, was es von diesem Elterntheile bei dessen Lebzeiten empfangen, als ein allen Erben gemeinschaftliches Gute mit in die Theilung bringen.

[2, 20] §. 2. Dieser Einbringung kann sich kein Kind entziehen, wenn selbe nicht von dem Erblasser auf eine rechtsbeglaubte Art ausdrücklich erlassen worden, oder eine solche Erlassung durch eine von dem Erblasser vorgenommene Handlung ohngezweifelt entnommen werden mag, als da er einem von seinen Kindern aus der beigesetzten Ursache etwas vorzüglich vermachet hätte, weil er auf das andere Kind bereits Vieles verwendet hat.

[2, 20] §. 3. Bei der letztwilligen Erbfolge hingegen soll die Einbringung des vorempfangenen Gutes allzeit für erlassen angesehen werden, wenn sie nicht ausdrücklich anbefohlen worden; wenn jedoch im Falle der letztwilligen Erbfolge die anbefohlene Einbringung und im Falle der rechtlichen Erbfolge deren Nachlassung namentlich auf gewisse Sachen oder Summen beschränket worden, so mag sie nicht auf ein Mehreres ausgedehnet werden.

[2, 20] §. 4. Die Schuldigkeit, das vorempfangene Gut einzubringen, liegt nur den Kindern und den an die Stelle der Kinder eintretenden Kindskindern ob. Die Kindskinder müssen aber sowohl Dasjenige einbringen, was sie selbst, als auch was ihr vorgestorbener Vater oder Mutter von dem Erblasser empfangen haben, obwohl von diesem nichts auf sie gelanget wäre.

[2, 20] §. 5. 1) Dahingegen, wenn ein Kind oder ein Kindskind sich der Erbschaft des dermaligen Erblassers entschlägt, so mag dasselbe zur Einbringung des Vorempfangenen nicht verhalten werden.

 

1) Horten verwies in seinen Anmerkungen auf diejenigen Fälle, in denen die Verfügungen unter Lebenden, durch welche einem Kind etwas zugewendet wird, wegen der Verletzung des Pflichttheiles der Geschwister der Anfechtung unterliegen müssen. An einer anderen Stelle hatte er die Ansicht vertreten, daß Alles, was ein Kind durch Verfügungen unter Lebenden erhalten hat, zu dem beim Tode des Erblassers vorhandenen Nachlasse hinzugerechnet werden müsse, wenn die Berechnung eines Pflichttheiles stattzufinden habe, und daß von dieser Regel weder im Falle der ausdrücklichen Nachsicht der Collationspflicht, noch dann abgegangen werden dürfe, wenn das collationspflichtige Kind auf seinen Erbtheil verzichtet.


(285) [2, 20] §. 6. Eltern, Seitenverwandte, Eheleute und Fremde sind zu keiner Einbringung verbunden, gleichwie ihnen auch nichts eingebracht wird; und wenn schon der Erblasser einen Fremden mit seinen Kindern zur Erbschaft berufen, und diesen die Einbringung des Vorempfangenen anbefohlen hat, so mag doch dieses dem fremden Erben nicht zum Nutzen gereichen, wenn es nicht ausdrücklich gesagt worden.

[2, 20] §. 7. Jene Posten, von denen Wir im dreizehenten Capitel, §. 21, geordnet haben, daß sie, obwohl der Erblasser deren Einrechnung anbefohlen, doch niemals in den Pflichttheil eingerechnet werden mögen, sollen auch von der Einbringung in die gemeine Theilung befreiet sein, wenn der Erblasser nicht in Ansehung dieser Posten insbesondere ausdrücklich das Gegentheil angeordnet hat; durch die ausdrückliche Anordnung des Erblassers aber können die Kinder auch zur Einbringung aller obangeführter Posten verhalten werden, insolang durch selbe ihr Pflichttheil nicht geschmälert wird.

[2, 20] §. 8. Wenn die Eltern in den einem Kind zugehörigen Gütern Verbesserungen gemacht haben, so ist dieser Aufwand, wenn den Eltern die Nutznießung dieser Güter gebührete, und der Aufwand die von dem Gute behobenen Einkünfte nicht übersteiget, für erlassen anzusehen; dahingegen, wenn die Eltern die blose Verwaltung dieser Güter ohne Nutznießung gehabt, oder wenn der Aufwand die behobenen Nutzungen übersteiget, so soll derselbe nach dem im dreizehenten Capitel, §. 14, festgesetzten Unterschiede mit in die Theilung gebracht werden.

[2, 20] §. 9. Wer etwas einzubringen hat, der muß dasselbe allezeit in jenem Werthe einbringen, den die Sache zu der Zeit gehabt hat, da sie ihm gegeben worden; nur in dem einzigen Falle soll er befugt sein, die Sache selbst einzubringen, wenn selbe noch in eben dem Stande, wie sie ihm gegeben worden, vorhanden ist, nach dieser Zeit aber im Werthe verringert worden.

[2, 20] §. 10. Auch jenes muß eingebracht werden, was ein Kind in seiner Minderjährigkeit von dem Erblasser empfangen hat, obwohl dasselbe während seiner Minderjährigkeit mit oder ohne seine Schuld zu Grunde gegangen oder von ihm verthan worden wäre.

[2, 20] §. 11. Von der vorempfangenen Sache werden blos jene Nutzungen eingebracht, die davon nach des Erblassers Tode eingehoben worden, nicht aber, welche noch bei des Erblassers Leben eingehoben worden; dahingegen mögen auch die bei dem Leben des Erblassers auf die Sache verwendeten Ausgaben nicht in Anschlag gebracht werden, außer wenn selbe die gesammten davon behobenen Nutzungen überstiegen. Nicht minder muß Derjenige, so die Sache vorempfangen, alle von ihm gemachten Einschuldungen allein tragen; jene Haftungen und Schulden aber, welche schon zu der Zeit, als sie ihm gegeben worden, einem Dritten darauf gebühret haben, müssen von allen Miterben nach Maß ihrer Erbtheile getragen werden.

[2, 20] §. 12. Das, was einzubringen ist, muß noch vor der Theilung in den Anschlag des Vermögens gebracht werden. Wenn dahero Derjenige, so die Theilung anverlangt, selbst etwas einzubringen hat, sind die Anderen nicht eher schuldig die Theilung vorzunehmen, als bis die Einbringung geschehen; wenn hingegen Derjenige, der um die Theilung belanget wird, etwas einzubringen hat, so stehet den anderen Erben frei, ihn noch vor der Theilung durch Anrufung des richterlichen Amts dazu zu verhalten.

[2, 20] §. 13. Wollten jedoch in einem oder dem anderen Falle die Miterben mit Vorbehalt dessen, was einzubringen ist, die Theilung vornehmen, oder wenn das, was eingebracht werden muß, noch nicht in’s Klare gesetzet ist, so mögen sie sich an dem Erbtheile Desjenigen, der etwas einzubringen hat, bis zum Austrage der Sache halten, oder von ihm eine andere Sicherheit begehren.


(286) [2, 20] §. 14. Wäre aber auch ein Erb ohne Einbringung des Vorempfangenen und ohne, daß die übrigen Erben sich ihr Recht ausdrücklich vorbehalten hätten, zur Theilung zugelassen worden, so kann er doch hernach von ihnen noch immerfort binnen der im vorigen Capitel, §. 29, nach Verschiedenheit der Fälle festgesetzten Zeit dazu angehalten werden.

[2, 20] §. 15. Wenn man weiß, daß Einer von den Erben etwas einzubringen habe, aber nicht was und wie viel, und dieses auf keine andere Art erwiesen werden kann, so sind die anderen Erben befugt, ihm zu dessen Offenbarung einen körperlichen Eid aufzutragen, und diesen muß er bei Verluste seines Erbtheils schwören.

Einundzwanzigstes Capitel.

Von dem Besitze.

[2, 21] §. 1. Gleichwie das Eigenthum alle bisher erwähnten Rechtswirkungen verleihet, so hat auch der Besitz, in sich betrachtet, seine besonderen Gerechtsamen. Ein Besitzer ist zwar ein Jeder, der eine Sache in der Absicht selbe für sich zu behalten innen hat; allein wir geben dem Besitze nur alsdann einige Rechtswirkung, wenn er aus einer rechtmäßigen Ursache und auf die von Unseren Gesetzen vorgeschriebene Art erworben worden.

[2, 21] §. 2. Den Besitz kann ein Jeder erwerben, der nach Maß des zweiten Capitels, §. 26, zur Erwerbung des Eigenthums fähig ist; doch wird der Besitz sonst nicht erworben, als wenn der Willen und die Absicht, die Sache sich eigen zu machen, durch eine leibliche That ausgedrücket wird. Dieses geschiehet bei beweglichen Sachen durch deren Ergreifung, bei unbeweglichen aber, wenn sie in dieser Absicht betreten werden.

[2, 21] §. 3. Doch ist es nicht nothwendig alle Theile oder alle zu einem liegenden Gute gehörigen Gründe zu betreten, sondern es ist an der Betretung eines Theils genug, wofern nur die Absicht auf die Zueignung des Ganzen gerichtet ist, und die übrigen Theile von dem Besitze eines Anderen ledig sind; eben so ist es auch zum Besitze eines aus mehreren selbstständigen Stücken bestehenden Ganzen, als einer Heerde Vieh, an Ergreifung eines Stückes genug, wenn nur die übrigen an eben dem Orte zugleich befindlich sind, und der Ergreifende die Macht hat, alle in seine Gewahrsam zu bringen.

[2, 21] §. 4. Der Besitz wird aber auch durch alle jene Arten erworben, durch welche nach Unserer im fünften Capitel, §. 7, enthaltenen Ausmessung die Uebergabe geschehen kann, sobald nemlich die Sache von Jenem, deme sie übergeben worden, wirklich übernommen wird, oder von dessen Seite eine andere Handlung hinzutritt, woraus der Willen, die Sache zu übernehmen, geschlossen werden mag.

[2, 21] §. 5. Wenn die Sache mit Bewilligung Desjenigen, deme sie zu übergeben ist, in den Händen dessen, der sie zu übergeben hat, belassen wird, so erwirbt Ersterer nicht nur alsdann den Besitz, wann Letzterer sich ausdrücklich erkläret, daß er in Zukunft die Sache in des Anderen Namen besitzen wolle, sondern auch, wann ihm ohne eine solche Erklärung die Sache pacht-, entlehnungs-, verwaltungs- oder hinterlegungsweise, oder auf eine andere, zum Besitze im eigenen Namen nicht hinlängliche Art in Händen belassen wird. In allen diesen Fällen hat ein solcher Inhaber an der Sache fernerhin kein mehreres Recht, als was die Handlung, aus welcher er die Sache behält, mit sich bringt.


(287) [2, 21] §. 6. Wenn der Besitz eines liegenden Gutes erworben wird, und diesem Gute einige Rechte und Gerechtigkeiten ankleben, so werden auch diese alsofort mit in Besitz genommen, da der Besitz des Gutes erlanget wird. Wenn aber von einem Rechte an fremden Sachen die Rede ist, so ist darauf zu sehen, ob die Sachen beweglich oder unbeweglich seien. Sind sie beweglich, so wird der Besitz dieses Rechtes durch deren Einantwortung erworben; sind sie aber unbeweglich, so ist auf die Beschaffenheit des Rechtes, welches Jemand an diesen Sachen erwerben will, zu sehen, ob er andurch die Befugniß erhalte, auf dem dienstbaren Grunde etwas zu thun, was er sonst nicht zu thun befugt wäre, oder ob der Eigenthümer des fremden Grundes in Demjenigen, was ihm nach der natürlichen Freiheit zustünde, beschränket werde. Bei den Gerechtigkeiten erster Art wird der Besitz durch die Einführung in den dienstbaren Grund, durch den Gebrauch des Rechtes und durch die Ausübung der dahin abzielenden Handlungen erworben; bei den Gerechtigkeiten letzter Art hingegen kann der Besitz nicht anderst erlanget werden, als durch ein Verbot oder Widerspruch Desjenigen, der dieses Recht erwerben will, und durch die Beruhung des anderen Theiles bei diesem Verbote.

[2, 21] §. 7. Doch mag durch ein- und andere auf einem fremden Grunde vorgenommene Handlungen allein der Besitz eines solchen Rechtes, wenn ihn der Gegentheil widerspricht, nicht erprobet werden, besonders wenn diese Handlungen mit Gewalt durchgesetzt, mit heimlicher List erschlichen oder blos aus guten Willen des Gegners verstattet worden sind; sondern es muß nach Verschiedenheit der ansprüchig gemachten Dienstbarkeiten entweder ein angemessener Zeitraum oder eine öftere dem Gegentheile bewußte und durch dessen Widerspruch und Gegenverwahrung nicht gestörte Ausübung hinzutreten.

[2, 21] §. 8. Die Ursache, aus welcher an Jemanden der Besitz übertragen werden mag, muß eine solche sein, wie Wir sie im fünften Capitel, §§. 2 und 3, zur Uebertragung des Eigenthums erfodert haben. Wenn also Jemanden die Sache anvertrauet, verpachtet oder sonst deren Inhabung verstattet worden, so mag ein solcher für keinen wahren Besitzer gehalten werden; auch ein Dieb und Rauber, obwohl er die entfremdete Sache für seine eigene hält, genießt die Rechte eines Besitzers nicht. Wenn aber der Eigenthümer Jemanden an seiner Sache ein Recht bestellet, und zu dessen Sicherheit oder Ausübung den Besitz eingeräumet hat, so hat ein solcher zwar den Besitz der Sache und genießet auch die Rechte eines Besitzers, insoweit sie zur Sicherheit und Ausübung des ihm bestellten Rechtes nothwendig sind; allein im Uebrigen bleibet der Besitz dieser Sache bei dem Eigenthümer.

[2, 21] §. 9. Bei beweglichen Sachen erwirbt der Besitzer alsofort auch den rechtlichen Besitz, wenn er auf vorbesagte Art und aus einer rechtmäßigen Ursache den natürlichen Besitz der Sache erworben hat; allein bei liegenden Gütern und bei den auf liegenden Gütern haftenden Rechten kann in Folge Unserer in oberwähntem fünften Capitel, §. 8, enthaltenen allgemeinen Anordnung Niemand für einen rechtlichen Besitzer gehalten werden, als wenn die an ihn geschehene Uebertragung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet worden. Wer dahero nach eines jeden Landes Verfassung die Landtafel-, Stadt- oder Grundbücherfähigkeit nicht hat, der ist auch von dem rechtlichen Besitze liegender Güter und derlei Rechte ausgeschlossen.

[2, 21] §. 10. Niemand, auch nicht der Eigenthümer selbst, ist befugt, sich in dem Besitz der Sache mit Gewalt einzudringen, sondern wenn ein Anderer sich in dem Besitze dieser Sache befindet, und die Besitznehmung nicht zulassen will, so muß allezeit die gerichtliche Hilfe angesuchet werden. Bei beweglichen Sachen ist hierzu nichts Anderes nöthig als die Ursache, woraus die Besitzeinräumung anbegehret wird, zu erweisen; bei liegenden Gütern hingegen muß diese Ursache vorhero in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet sein.


(288) [2, 21] §. 11. Wenn aber bei beweglichen Sachen die zur Einraumung des Besitzes angebrachte Ursache strittig ist, oder der Gegentheil sonst erhebliche Einwendungen wider das Ansuchen des Klägers hat, so mag er nicht eher zur Räumung des Besitzes verhalten werden, als bis der Stritt entschieden ist, und wenn bei einem liegenden Gute der Kläger entweder mit keiner auf die behörige Vormerkung gerichteten Urkunde versehen ist, oder deren Einverleibung durch eine ältere zum Behufe des Gegentheils bereits einverleibte Ursache verhindert wird, so bleibt ihm sonst nichts übrig, als den ordentlichen Weg Rechtens zu ergreifen. Wenn hingegen die Erwerbungsursache des Klägers einverleibet ist, und demselben die gerichtliche Einführung verwilliget worden, so bleiben dem Gegentheile dennoch alle ihm dagegen zukommenden Rechtsbehelfe unbenommen.

[2, 21] §. 12. Aus welcher Ursache Jemand zu dem Besitze einer Sache gelanget ist, nach dieser ist auch sein fernerer Besitz abzumessen, und Niemand kann diese Ursache für sich eigenmächtig in eine andere verwandeln, wenn nicht eine neue Handlung dazwischen kommt, aus welcher das Ende des vorigen, und der Anfang des neuen Besitzes hergeleitet werden mag.

[2, 21] §. 13. Wenn der Besitz einmal auf eine rechtmäßige Art erworben worden, so dauert derselbe und die daraus entspringenden Gerechtsamen immerfort, bis die Sache aus einer rechtmäßigen Ursache entweder von dem Besitzer selbst, oder von Unseren Gesetzen an einen Anderen übertragen worden. Bei unbeweglichen Sachen aber währet der rechtliche Besitz insolang, bis die auf den Besitzer lautende landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Verschreibung ausgelöschet und die an einen Anderen geschehene Uebertragung allda auf gleiche Art einverleibet worden.

[2, 21] §. 14. Doch ist auch zur Erhaltung des natürlichen Besitzes keine stete leibliche Inhabung nothwendig, sondern es ist an dem Willen insolang genug, als die Sache von dem ausschließenden Besitze eines Anderen frei ist, und der Besitzer die Befugniß behält, seinen Besitz, wenn er will, durch leibliche Thaten auszuüben; sobald aber dem Besitzer die Befugniß, seinen Besitz willkürlich auszuüben, benommen wird, oder wenn er seinen Willen zu erkennen giebt, daß er die Sache nicht mehr besitzen wolle, so gehet der natürliche Besitz verloren.

[2, 21] §. 15. Ersteres geschiehet, wenn er die Sache durch Zufall, Fahrlässigkeit oder Raub und Diebstahl aus seiner Bewahrung verlieret, oder bei liegenden Gütern, wenn er oder Jene, welche selbe in seinem Namen innen haben, von einem Anderen aus dem Besitze gesetzt werden, und er andurch der Freiheit beraubet wird, selbe nach Willkür zu betreten. Letzteres aber geschiehet, wenn er den Besitz einem Anderen einräumt, die Sache, in der Absicht sich derselben zu entäußern, hinwegwirft, oder sonst aus seiner Bewahrung entläßt, oder wenn er von dem Grunde, in der Absicht sich des Besitzes zu entschlagen, austritt, und solchen öd und ungebauet liegen läßt. Wenn jedoch Jene, so die Sache in Namen des Besitzers innen haben, selbe aus Fahrlässigkeit oder Gefährde verlassen, so gehet der Besitz nicht eher verloren, als wenn diese Sache von einem Anderen wirklich ergriffen oder der Besitz sonst sich zugeeignet worden.

[2, 21] §. 16. Wer eine Sache rechtmäßig im Besitze hat, der wird insolang für deren wahren Eigenthümer gehalten, bis ein Anderer das ihm daran zustehende Eigenthum erprobet hat. Bevor also die Sache von Jemanden ansprüchig gemacht wird, kann er selbe nach Gefallen benützen, damit schalten und walten, und in jenen Fällen, wo das Eigenthum liegender Güter von einer Bürgschaft befreiet, wird auch der Besitzer eines solchen Guts davon enthoben.

[2, 21] §. 17. Wenn aber Jemand hervorkommt, der diese Sache ansprüchig macht, so ist der Besitzer nicht schuldig, die Ursache, aus welcher er den Besitz erworben, zu erproben, noch auch einen anderen Beweis zu führen, sondern es ist an deme genug, daß bewegliche Sachen sich in seiner Bewahrung befinden, liegende Güter aber bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf ihn vorgemerket seien; doch


(289) wollen Wir von dieser Regel bei beweglichen Sachen alsdann eine Ausnahme machen, wenn die Person des Inhabers, oder die Sache selbst mit einem rechtmäßigen Verdachte der Entfremdung befangen ist; gleichwie auch dem Kläger jedesmal bevor bleibet, in dem Falle, wo die Gefahr einer Veräußerung, Verringerung oder Abödung vorhanden ist, den Besitzer zu einer hinlänglichen Sicherstellung anzuhalten.

[2, 21] §. 18. Wie es weiter in einer solchen zwischen dem Eigenthümer und dem Besitzer obschwebenden Strittsache in Ansehung des Untergangs der Sache, der davon eingehobenen Nutzungen und der darauf verwendeten Unkosten zu halten sei, wie auch welchergestalten der Besitzer durch seinen Besitz das Eigenthum selbst erwerbe, ist aus deme zu entnehmen, was Wir diesfalls oben im zweiten, fünften und sechsten Capitel angeordnet haben. Gleichwie aber in dem Falle, wo der Besitzer die Sache dem wahren Eigenthümer ausantworten muß, alle Rechte, so er einem Anderen an derselben bestellet hat, gänzlich zerfallen, so kommen selbe gegentheils zu vollkommenen Kräften, wenn er nachhero das Eigenthum der Sache verjähret.

[2, 21] §. 19. Nicht minder stehet einem Besitzer die Befugniß zu, sich wider alle eigenmächtige Anmaßungen und Beeinträchtigungen eines Dritten zu vertheidigen, auch Gewalt mit Gewalt abzutreiben, insofern die Maß der erlaubten Nothwehr nicht überschritten wird. Wenn er aber wider derlei Anmaßungen und Vergewaltigungen die gerichtliche Hilfe ansuchen wollte, so soll er auf seine diesfalls eingereichte Klage als rechtmäßiger Besitzer erkläret, der Störer hingegen nebst einer nach Maß seines Unfugs abgemessenen Bestrafung, für das Vergangene zum Ersatze, und für das Künftige zur Sicherstellung angehalten werden.

[2, 21] §. 20. Zur Sicherheit des Besitzes gehöret insbesondere die Sicherheit der Grenzen, wodurch liegende Gründe von einander geschieden werden, und wenn zwischen mehreren Besitzern liegender Gründe wegen der Grenzen Irrungen entstehen, so ist ein Jeder von ihnen befugt, das Gericht anzugehen. In so einem Falle ist zwar Jener für den Kläger anzusehen, der zuerst den Richter angegangen; allein ein Jeder von ihnen ist schuldig, den Anspruch, den er an den Anderen stellet, behörig zu erweisen.

[2, 21] §. 21. In Grenzstrittigkeiten soll schleunig verfahren werden. Vor Allem aber soll das Gericht in Gegenwart beider Theile, und wo es nöthig ist, mit Zuziehung eines geschwornen Landmessers den Augenschein einnehmen, dabei das strittige Erdreich, mit Bemerkung der etwa vorgefundenen Grenzzeichen abmessen, die Ansprüche beider Theile anhören, und mit deren Gegeneinanderhaltung, so viel möglich, einen gütlichen Vergleich zu bewirken trachten. Wenn dieser zu Stande kommt, so sind in dessen Folge an den strittigen Orten die verfallenen oder verrückten Grenzzeichen zu erneuern oder neue auszusetzen, sodann ist darüber eine Urkunde mit deutlicher Beschreibung des Grenzzuges von Orte zu Orte unter beider Theilen Fertigung zu errichten und diese alldorten, wo die abgemarkten Gründe innen liegen, einzuverleiben.

[2, 21] §. 22. Wenn hingegen kein Vergleich zu Stande gebracht wird, und die Strittsache so beschaffen ist, daß sie nicht an Ort und Stelle entschieden werden mag, so soll von dem Landmesser über das strittige Erdreich ein ordentlicher Riß verfertiget, darinnen die von beiden Theilen angegebenen Grenzen mit besonderer Anzeige der vorgefundenen Grenzzeichen deutlich bemerket, das strittige von dem unstrittigen Erdreiche mit Farben unterschieden, und von dem Landmesser sowohl, als den streitenden Theilen unterfertiget, dann von den abgeordneten Gerichtspersonen, nebst dem von den streitenden Theilen ebenfalls unterschriebenen Protokolle über das, was verhandelt worden, an das Gericht eingeschicket werden.

[2, 21] §. 23. Wenn andurch die Sache hinlänglich aufgekläret ist, so hat das Gericht ohne weiters, was Recht ist, zu sprechen. Wäre hingegen die Sache noch


(290) nicht genug vorbereitet, um ohne weitere Beweise mit einem endlichen Ausspruche entschieden zu werden, so soll das Gericht den Besitz eines Jeden, wie weit sich derselbe bis auf weitere Erkenntniß zu erstrecken habe, mit deutlicher Bestimmung der Grenzen ausmessen, und die streitenden Theile zu einem ordentlichen Rechtsverfahren anweisen.

[2, 21] §. 24. Inwieweit alsdann Einer oder der Andere seine angegebenen Grenzen erweiset, insoweit ist er auch durch richterlichen Spruch dabei zu handhaben; wo sodann der Gegentheil zur Wiederherstellung der aus seiner Schuld verfallenen oder von ihm geflissentlich verrückten Grenzen, ferner nach Maßgabe des zweiten Capitels, §. 19, zur Zurückstellung der zur Ungebühr eingehobenen Nutzungen und zu Erstattung der verursachten Schäden und Unkosten, wie auch bei erprobten gewaltsamen und boshaften Thathandlungen zu der an seinem Orte ausgesetzten Strafe zu verurtheilen, und endlich nach diesem Ausspruche die Ausmarkung vorzunehmen ist.

[2, 21] §. 25. Wenn aber kein Theil seine angegebenen Grenzen erweisen könnte, oder die alte Lage so unordentlich eingerichtet wäre, daß daraus noch fernere Irrungen zu besorgen stünden, so soll das Gericht befugt sein, nach Gutbefund des geschwornen Landmessers neue und richtigere Grenzen zu bestimmen, und so viel es die Lage und Beschaffenheit des strittigen Erdreichs zuläßt, von einem Grenzzeichen bis zum anderen in gerader Linie fortzugehen; doch hat dasselbe dabei alle nur mögliche Gleichheit zu beobachten, und Keinem von dem strittigen Erdreiche mehr, als dem Anderen zuzueignen, oder wo dem einen Grunde durch den Grenzzug nothwendig etwas entzogen werden müßte, demselben das Entzogene entweder in einem billigen Werthe oder an einem anderen Orte durch Zumarkung eines gleichen Stückes Erdreiches ersetzen zu lassen.

[2, 21] §. 26. Bei einer gerichtlichen Ausmessung der Grenzen, wenn nicht ein Theil durch seine Schuld oder Gefährde dazu Anlaß gegeben, haben alle Theile, deren Gründe dabei abgemarkt werden, die Unkosten zu tragen, und der Beitrag ist nach Maß des einem Jeden an diesen Gründen von jener Seite, wo die Ausmarkung geschiehet, gebührenden mehr- oder minderen Antheils zu bestimmen. Die Setzung der Mark- und Grenzzeichen selbst aber soll niemals anderst, als mit Vorladung aller dabei verfangenen Theile, und in Gegenwart mehrerer eigends dazu berufener alter und junger Leute vorgenommen werden.

[2, 21] §. 27. Niemand ist berechtigt, für sich allein an seinen Gründen eine neue Ausmarkung vorzunehmen, oder auch nur ein verfallenes oder verrücktes Grenzzeichen zu erneuern, sondern er ist schuldig der mitangrenzenden Nachbarn Einwilligung einzuholen, und selbe dazu zu berufen; widrigens hat eine solche eigenmächtig erschlichene Thathandlung nicht die mindeste rechtliche Wirkung, und wenn Jemanden andurch an seinem Grunde und Boden Eintrag geschehen, so stehen ihm dagegen alle Rechtsmittel offen.

[2, 21] §. 28. Wenn die Grenzen der Gründe in Bergen und Felsen, Flüssen und Bächen, Bäumen und Landstraßen, oder anderen dergleichen natürlichen Zeichen bestehen, so machen selbe nur alsdann einen Beweis aus, wenn es sich aus alten Schriften, oder durch die Aussage untadelhafter Zeugen veroffenbaret, daß die Grenzen sich bis dahin erstrecken, oder wenn ein solches durch ältere ohne Störung und Widerrede ausgeübte Besitzgerechtsamen bewähret wird.

[2, 21] §. 29. Wenn hingegen die Grenzzeichen eigends mit Menschenhänden gemacht sind, so gelten sie für einen Beweis, wofern nur die Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, daß sie nicht von ungefähr oder erst neuerlich, und in einer anderen Absicht, sondern einzig und allein zur Andeutung der Grenzen bestimmet worden. Diese Wahrscheinlichkeit ist bei Steinen alsdann vorhanden, wenn sie nicht in ihrem rohen Wesen, sondern als Grenzzeichen gestaltet, aufrecht stehend, mit eingehauenen Wappen oder anderen Zeichen, oder auch mit anderen darunter oder daneben eingegrabenen


(291) Sachen in der Erde wohl und also befestiget vorgefunden werden, daß die Erde und das Gras herum nicht zusammengewachsen. Pfähle und Säulen erfodern ein Gleiches. Bei gezeichneten Bäumen muß das Zeichen nicht frisch eingeschnitten oder eingeätzet, sondern in dem Baume schon eingewachsen sein; bei aufgeworfenen Gräben, Rainen und Erdhaufen aber muß durch Zeugen erwiesen werden, daß über Menschengedenken andurch zweierlei Gründe geschieden worden.

[2, 21] §. 30. Bei Grenzirrungen, wo kein Theil einen älteren ruhigen Besitz für sich anführen kann, sind auch unvollkommene Beweise hinlänglich, als der von alten Zeiten her bestehende Ruf, daß es also und nicht anderst gewesen, alte zwischen fremden Personen errichtete Urkunden, worinnen von den strittigen Grenzen zufällige Meldung gemacht wird, und dergleichen wahrscheinliche Vermuthungen mehr; wenn hingegen ein Theil einen älteren ruhigen Besitz, bevor er von dem anderen darinnen gestöret worden, erproben mag, da haben dagegen keine andere, als vollkommene Beweise statt.

[2, 21] §. 31. Ueberhaupt aber können die Zeugen bei Grenzirrungen nicht nur, wie in anderen Beweisfällen, über ihre eigene Wissenschaft, daß sie die Grenzzeichen an dem strittigen Orte selbst gesehen, oder daß dieser oder jener Theil seinen Besitz bis an die angezeigte Stelle durch vielfältige Handlungen ausgeübet habe, sondern auch über das, was sie von Anderen sagen gehöret, verführet werden; doch ist im letzten Falle nothwendig, daß sie das, was sie bezeugen, von glaubwürdigen Leuten, und zwar von mehreren einstimmig, so und nicht anderst gehöret haben, auch muß ihre Aussage solche Zeiten betreffen, die das menschliche Alter übersteigen.

[2, 21] §. 32. Die Zeugen sollen aber nicht lediglich über die ihnen vorgelegten Fragstücke oder auch blos über den aufgenommenen Riß abgehöret werden, sondern ihnen soll jedesmal vorhero an dem strittigen Orte selbst Alles, worauf der Stritt ankommt, und worüber ihr Zeugniß gefodert wird, klar und deutlich erkläret werden.

[2, 21] §. 33. Wenn die Grenzen eines Grundes in derjenigen Urkunde, wodurch der Grund auf den Besitzer gediehen, ausdrücklich bestimmet und mit dieser Urkunde behörig einverleibet sind, so mag der Besitzer nach drei Jahren achtzehen Wochen, wenn bei ihm alle zur rechtmäßigen Verjährung vorgeschriebenen Erfordernissen vorhanden sind, desfalls nicht weiter angefochten werden; wenn aber die Grenzen bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht einverleibet sind, so wird der Besitzer nur alsdann gesichert, wenn er auf die obgeordnete Art durch den Verlauf von dreißig Jahren im Besitze gewesen.

[2, 21] §. 34. Der Besitzer ist nicht nur befugt, sich wider die wirklichen Beeinträchtigungen eines Anderen zu schützen, sondern auch den seinem Grunde aus dem Beginnen eines Anderen bevorstehenden Schaden in Zeiten abzuwenden. Wenn demnach Jemand ein neues Werk oder einen neuen Bau aufführet, oder ein altes Werk oder einen schon bestehenden Bau niederreißet, woraus ein Anderer Schaden zu befahren hat, so stehet diesem das Recht zu, darauf zu dringen, daß diese ihm nachtheilige Neuerung alsobald eingestellet werde.

[2, 21] §. 35. In Städten und Märkten, wo die Gerichte in der Nähe sind, soll eine solche Untersagung und Verbot eines neuen Werks nicht anderst einige Wirkung haben, als wenn sie gerichtlich geschiehet. Auf dem Lande hingegen wollen Wir wegen Entlegenheit der Gerichte auch eine außergerichtliche Warnung vor dem weiteren Bau verstatten; doch soll sie in Gegenwart zweier Zeugen geschehen, die eines untadelhaften Wandels, auch dem Warnenden weder verwandt, noch untergeben sind.

[2, 21] §. 36. Es ist aber nicht nothwendig, daß das Verbot oder die Warnung dem Besitzer selbst bedeutet werde, sondern, wo dieser nicht gegenwärtig wäre, ist es auch an einer den Bauleuten, Arbeitern oder seinem Hausgesinde, Beamten


(292) und Bedienten gemachten Anzeige genug, und soll dawider keinerlei Entschuldigung einer Unwissenheit statt haben.

[2, 21] §. 37. Ein Jeder, dem ein solches Verbot oder eine solche Warnung geschiehet, ist schuldig, von der ferneren Arbeit alsogleich bis zum Austrage der Sache abzulassen; widrigens muß er Alles, was nachhero gemacht oder gebauet worden, auf eigene Unkosten niederreißen, und Alles in den Stand, wie es zur Zeit des Verbots oder der Warnung gewesen, wieder herstellen. Dahingegen liegt dem klagenden Theile ob, bei einem gerichtlich geschehenen Verbote, gleich den nächstfolgenden Gerichtstag, und bei einer außergerichtlichen Warnung binnen vierzehen Tagen seine Beschwerde wider den neuen Bau bei Gerichte anzubringen.

[2, 21] §. 38. Ein solches Verbot findet keine Statt, wenn die Sache noch auf blosen Muthmaßungen beruhet, und der Bau weder angefangen, noch auch die nöthigen Bauerfodernissen an Ort und Stelle herbeigeschaffet oder sonst dazu einige Anstalten gemacht worden; gleichwie gegentheils, wenn das Werk bereits vollendet ist, und bei dessen Aufführung weder gewaltsamer, noch heimlicher oder gefährlicher Weise vorgegangen worden, ohne daß der Andere während dieser Zeit, da er es hätte thun können, dieser Neuerung widersprochen, Niemand zu dessen Niederreißung mehr verhalten werden kann, wenn schon dem Anderen dadurch ein offenbarer Schaden zugehet.

[2, 21] §. 39. Nicht nur der Eigenthümer, sondern ein Jeder, deme an dem Grunde ein Recht gebühret, kann ein zur Schmälerung dieses Rechtes gereichendes neues Werk einstellen; selbst wider den Eigenthümer kann Jemand sich dieses Rechtsmittels gebrauchen, wenn ihm an dem Grunde ein Recht bestellet worden, und die Ausübung dieses Rechtes durch das vom Eigenthümer aufgeführte neue Werk verhindert würde. Dahingegen bedarf der Eigenthümer eines Grundes dieses Rechtsmittels nicht, wenn ein Fremder auf diesem seinen Grunde eigenmächtig ein neues Werk aufführen wollte, sondern er kann sich nach Maß des §. 16 selbst schützen; wenn er jedoch dazu die richterliche Hilfe ansuchen wollte oder müßte, so wird er andurch seines Besitzrechtes nicht verlustig.

[2, 21] §. 40. Wenn der fremde Grund, worauf gebauet wird, Mehreren zugehöret, so wird durch das dem Einen geschehene Verbot der Bau auch den Uebrigen untersaget; ebenso wenn der Grund, zu dessen Nachtheile ein neues Werk aufgeführet wird, zwischen Mehreren gemeinschaftlich ist, gereichet das von dem Einen gemachte Verbot auch den Uebrigen zum Nutzen. In fremden Namen aber kann diese Einstellung außer Jenen, denen es von Amtswegen oblieget, oder die dazu eigends bevollmächtiget sind, sonst von Niemanden geschehen, als wenn er auf Erfordern wegen erfolgender Gutheißung eine hinlängliche Sicherheit leistet.

[2, 21] §. 41. Wenn Jemand wider ein solches neues Werk seine Beschwerde einbringet, so soll das Gericht sogleich den Augenschein einnehmen lassen, und einen gütlichen Vergleich versuchen; wo aber der Kläger auf der Einstellung des Werkes bestehet, so ist das Verbot alsogleich zu verfügen, und beide Theile auf den nächstfolgenden Gerichtstag vorzuladen.

[2, 21] §. 42. An diesem Tage soll das Gericht, wenn kein Theil sich auf weitere Beweise berufet, ohne alle Aufzüge mit der rechtlichen Erkanntniß fürgehen; würde sich aber von einem oder dem anderen Theile auf weitere Beweise bezogen, so ist dazu eine kurze Frist zu gestatten. Dahingegen, wenn der Kläger an dem bestimmten Tage nicht erscheinet, oder sich sonst im Verlaufe des Rechtshandels saumselig erweiset, ohne eine rechtserhebliche Entschuldigung beizubringen, so soll das Verbot wieder aufgehoben, und dem Beklagten die ohngehinderte Fortsetzung des Baues verstattet werden.

[2, 21] §. 43. Wenn dieser Rechtshandel sich in die Länge verziehet, und dem Beklagten wegen Unterbleibung des Baues ein großer Nachtheil bevorstehet, so kann ihm gegen hinlängliche Sicherheit, daß er den Bau, wenn der Spruch wider ihn


(293) ausfallen sollte, auf seine Unkosten wieder niederreißen wolle, dessen Aufführung gestattet werden; außer wenn der Kläger einen ihm dadurch alsogleich zugehenden namhaften Schaden darzuthun vermag, wofür er durch die nachherige Niederreißung nicht entschädiget würde.

[2, 21] §. 44. Wenn das neue Werk von dem Gerichte entweder an sich ganz unschädlich befunden wird, oder dasselbe in seiner vorigen Maß und Gestalt verbleibet, ohne daß daran in der Höhe, Tiefe oder Breite etwas geändert worden, so ist der Kläger schuldig, dem Beklagten alle durch die unbefugte Einstellung verursachten Schäden und Unkosten zu ersetzen; hätte hingegen der Beklagte vor Austrag der Sache mit dem Baue fortgefahren, und derselbe würde hernach unschädlich befunden, so mag er zwar zu dessen Niederreißung nicht verhalten, doch wegen Verachtung des gerichtlichen Verbotes zur Strafe gezogen werden.

[2, 21] §. 45. Auf eine ähnliche Art kann sich auch alsdann der Besitzer für Schaden bewahren, wenn ein fremdes, bereits stehendes Werk zu seinem Nachtheile einzustürzen drohet, oder seinem Grunde sonst eine daraus vorzusehende Beschädigung bevorstehet; in diesem Falle soll der Besitzer des schadhaften Gebäudes, nach erhobenem Befunde der angezeigten Gefahr, entweder zu deren ohnverzüglicher Abstellung, oder zu einer anständigen Sicherheit für den erfolgen mögenden Schaden ohnnachsichtlich verhalten werden.

[2, 21] §. 46. Wenn ein Besitzer seinen Besitz unrechtmäßiger Weise verloren hat, so gebühren ihm zu dessen Wiedererlangung nach Verschiedenheit der Umstände verschiedene Rechtsmittel. Wenn die Sache sich noch in den Händen Desjenigen befindet, der sie dem Besitzer gestohlen oder geraubt hat, oder wenn Jener noch im Besitze des Grundes ist, der den Besitzer aus dem Besitze dieses Grundes oder von dem Gebrauche seines ihm daran zustehenden Rechtes verdrungen, entsetzet und vertrieben, oder wenn der dermalige Inhaber die That befohlen, angerathen, gutgeheißen, oder auf was immer für eine Art dazu hilfliche Hand geleistet hat, oder wenn er die Sache wissentlich verhehlet und vorenthält, so soll der entsetzte Besitzer, wenn er sowohl seinen Besitz, als die erfolgte Entsetzung, und daß der Beklagte daran Theil genommen, rechtsbehörig erwiesen, alsogleich und auf’s Schleunigste wieder in den vorigen Besitz eingesetzet, auch ihm alle Nutzungen, Schäden und Unkosten, oder wenn die Sache nicht mehr vorhanden wäre, der Werth derselben mit den Zinsen vom Tage der Entfremdung oder Entsetzung erstattet werden.

[2, 21] §. 47. Doch leidet diese Wiedereinsetzung in den vorigen Besitz in folgenden Fällen eine Ausnahme, wenn der Beklagte sein Eigenthum an der Sache alsogleich durch überzeugende Beweise darthun kann. Wenn hingegen die Erprobung des Eigenthums erst von einer weiteren Beweisführung abhängt, so wird durch dessen Einwendung die Wiedererstattung nicht aufgehalten, ferner wenn der entsetzte Besitzer ein kundbarer Dieb und Rauber oder sonst in einem gegründeten Verdachte befangen wäre, den er sogleich nicht ablehnen könnte, oder wenn vor Entscheidung dieser Klage ein Dritter sich meldet, der an dieser Sache das Eigenthum oder sonst ein Recht zu haben vorgiebt und erweisen will. In diesen beiden letzten Fällen soll die Sache bis zum Austrage des Stritts in gerichtlichen Beschlag genommen werden.

[2, 21] §. 48. Wenn aber die Sache sich in den Händen eines Dritten befindet, der an der Entwendung oder Entsetzung keinen Theil hat, sondern dieselbe entweder zufällig oder von Jemanden aus einer zur Uebertragung des Besitzes hinlänglichen Ursache an sich gebracht, so ist die Sache, wenn dieser letztere daran bereits das Eigenthum aus Macht Rechtens erworben hat, für den ersten Besitzer verloren; wenn hingegen der neue Besitzer das Eigenthum noch nicht erworben hat, so kann der vorige Besitzer wider ihn die Eigenthumsklage erheben.


(294) [2, 21] §. 49. Könnte aber auch der vorige Besitzer sein Eigenthum auf keine rechtsbeständige Art erproben, so wollen Wir ihm doch, wenn er den rechtmäßig erworbenen Besitz dieser Sache darthut, eine der Eigenthumsklage in ihrer Wirkung ähnliche Forderung eingestehen, damit er als Besitzer der Sache erkläret, und selbe ihm sammt allen Nutzungen zurückgestellet werde; allein diese Forderung soll nur alsdann Platz greifen, wenn der vorige Besitzer an dieser Sache ein stärkeres, der gegenwärtige Inhaber aber ein schwächeres Recht hat.

[2, 21] §. 50. Jener, deme ein Gut bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern verschrieben worden, hat ein stärkeres Recht als der Andere, dessen Verschreibung nicht alldorten einverleibet ist; außer einer solchen Einverleibung hat sowohl bei beweglichen als unbeweglichen Sachen Jener, deme die Sache rechtmäßig übergeben worden, vor einem Anderen den Vorzug, deme sie nicht übergeben worden. Ist die Sache Beiden übergeben worden und es zeiget sich, daß die Uebergabe von eben demselben Besitzer an Beide geschehen, so hat Jener den Vorzug, deme die Sache zuerst übergeben worden; außer wenn die Sache von diesem in der Zwischenzeit auf’s Neue auf den ersten Besitzer gelanget ist. Wenn aber die Uebergabe an Beide von zwei verschiedenen Besitzern geschehen, so hat Jener, der seinen Gewährsmann und eine rechtmäßige Erwerbungsursache darzeigen kann, vor dem Anderen den Vorzug, der nur Eines oder das Andere zu erweisen vermag, und wenn Einer eine rechtmäßige Erwerbungsursache erweiset, der Andere aber nicht, so muß dieser Letztere weichen. Wenn endlich die Beweise von beiden Theilen gleich sind, so ist jener bei dem Besitze zu schützen, der sich wirklich darinnen befindet.

Zweiundzwanzigstes Capitel.

Von dem Erbzinsrechte und dem Rechte der Oberfläche.

[2, 22] §. 1. Gleichwie ein Eigenthümer nach Maß des zweiten Capitels die Sache veräußern, und das volle Eigenthum an Andere übertragen kann, so stehet ihm auch frei, mit Beibehaltung des Eigenthums, einem Anderen an der Sache ein Recht zu bestellen, und Wir beschützen einen Jeden nicht minder bei den an fremden Sachen erworbenen Rechten, als bei jenen, die ihm an seinen eigenthümlichen Sachen gebühren.

[2, 22] §. 2. Die gewöhnlicheren Gattungen der an fremden Sachen angebühren mögenden Rechte sind jene, worüber Wir in dem gegenwärtigen und in den folgenden Capiteln anordnen werden; doch sind Wir andurch nicht gemeinet, andere Gattungen solcher Rechte auszuschließen und abzustellen, sondern Wir wollen auch alle anderen hier nicht berührten Grundrechte, welche nach den verschiedenen Länderverfassungen an einigen Orten hergebracht sind, bei ihrer Kraft belassen, und überhaupt stehet es einem jeden Eigenthümer frei, sein Gut mit was immer für einer Last zu behaften, wofern selbe nur in Unseren Gesetzen nicht verboten ist, und bei liegenden Gütern Unserer ofterwähnten im fünften Capitel, §. 8, enthaltenen allgemeinen Anordnung nachgelebet wird.

[2, 22] §. 3. Wenn der Eigenthümer Jemanden an seinem Grunde das Erbzinsrecht bestellet, so wird andurch an den Erbzinsmann das nutzbare Eigenthum dieses Grundes übertragen; doch behält der Eigenthümer das Grundeigenthum dieses Grundes sammt allen davon abhangenden Gerechtsamen.

[2, 22] §. 4. Das Erbzinsrecht, so wie alle diese an fremden Sachen angebührenden Rechte kann durch Verträge, letzten Willen oder die Verjährung erworben werden.


(295) Der Grund selbst wird aber in allen diesen Fällen nicht eher damit behaftet, als bis dasselbe auf die oft geordnete Art behörig einverleibet worden; doch wollen Wir davon in Ansehung einer vor Einführung dieses Unseres Gesetzes bereits erfüllten oder doch angefangenen und nachhero ohnunterbrochen vollendeten Verjährung nach Maß Unserer im dreiundzwanzigsten Capitel, §. 9, folgenden Anordnung eine Ausnahme machen.

[2, 22] §. 5. Was aber die weiteren Eigenschaften des Erbzinsrechtes, die daraus für den Erbzinsmann entspringenden Gerechtsamen, die dem Grundeigenthümer verbleibenden Befugnisse, die beiderseitigen Verbindlichkeiten, die Erlöschung dieses Rechts und mehr dahin gehörige Gegenstände anbetrifft, desfalls wollen Wir im dritten Theile, –. Capitel, bei dem Erbzinscontracte weitläufiger anordnen.

[2, 22] §. 6. Dem Erbzinsrechte kommt das Recht der Oberfläche (das Platzrecht oder Bodenzinsrecht) zum nächsten bei; doch giebt dieses Recht Demjenigen, deme es bestellet worden, nicht das nutzbare Eigenthum des ganzen Grunds und Bodens, sondern nur an deme, was über der Erde ist, insoweit dasselbe mit Grund und Boden einen festen Zusammenhang hat, und vermöge Unserer im ersten Capitel, §. 50, enthaltenen Ausmessung für unbeweglich gehalten wird.

[2, 22] §. 7. Durch die blose Pachtung eines Grundes wird kein solches den Grund selbst behaftendes Recht erworben; außer wenn es bei der Pachtung ausdrücklich ausbedungen worden, daß dem Pächter für die Zeit der Pachtung das Recht der Oberfläche gebühren solle, und wenn dieses Beding auf dem Grund behörig einverleibet worden.

[2, 22] §. 8. Die Bestellung dieses Rechts kann sowohl ohnentgeltlich als entgeltlich geschehen, und im letzten Falle kann entweder überhaupt etwas dafür entrichtet, oder die Abreichung eines jährlichen Bodenzinses (Grundzinses) für den Gebrauch und Genuß des Grundes ausbedungen werden. Ein solcher Bodenzins haftet aber auf eine ähnliche Art auf dem Grunde, wie der Erbzins.

[2, 22] §. 9. Wenn dieses Recht bei der Verleihung nicht ausdrücklich auf eine Zeit oder auf gewisse benannte Personen beschränket worden, so ist es allezeit für immerwährend, und so wohl für frei vererblich, als für frei veräußerlich zu halten.

[2, 22] §. 10. Jener, deme dieses Recht bestellet worden, kann die Oberfläche des Grundes nach Gefallen brauchen und nützen, darein bauen, säen und pflanzen; ihm kommen alle aus dem nutzbaren Eigenthume fließende Rechtsmittel sowohl wider einen Dritten, als wider den Grundeigenthümer selbst zu statten, und er kann sich im Besitze nicht weniger, als der Grundeigenthümer schützen.

[2, 22] §. 11. Ferner hat er volle Macht, insoweit nicht bei der Bestellung ein Anderes ausbedungen worden, mit der Oberfläche zu schalten und zu walten, selbe Anderen in Bestand zu geben, oder auf was immer für Art zu überlassen, sein Recht zu verpfänden und frei zu veräußern, ohne daß er dazu die Einwilligung des Grundeigenthümers einzuholen schuldig wäre, gleichwie auch Jener, an den die Veräußerung geschiehet, weder den Grundeigenthümer um die Erneuerung des Contracts anzugehen, noch demselben für seine Aufnahme etwas zu bezahlen verbunden ist.

[2, 22] §. 12. Dahingegen liegt ihm ob, alle von dem Grunde gebührenden Steuern und Anlagen abzuführen, die Oberfläche mit den darauf befindlichen Gebäuden auf seine eigenen Unkosten in gutem Baue zu erhalten, und selbe nach Erlöschung seines Rechts in demjenigen Stande, in welchem sie ihm übergeben worden, wieder zurückzustellen.

[2, 22] §. 13. Der Grundeigenthümer aber behält nicht nur das Grundeigenthum und die daraus entspringenden Rechte, sondern ihm bleiben auch alle Nutzungen und Vortheile eigen, welche von dem Grunde unter der Erde erhoben werden; nicht minder ist er befugt, Jenen, deme er das Recht der Oberfläche bestellet hat, zur Erfüllung alles dessen anzuhalten, wozu derselbe sich verbunden hat.


(296) [2, 22] §. 14. Dieses Recht erlöschet außer den im §. 9 berührten Fällen und außer einer erfolgenden Vereinigung des Grundeigenthums mit dem nutzbaren Eigenthum sonst nicht, als wenn die Sache, worauf dasselbe haftet, ganz und gar zu Grunde gehet, ohne daß ein Theil davon übrig bleibet; dahingegen wird dieses Recht wegen des, obgleich durch viele Jahre nicht bezahlten Grundzinses nicht verwirket.

[2, 22] §. 15. Wenn dieses Recht durch Verlauf der Zeit oder durch Abgang der Personen, auf welche es verliehen worden, geendiget wird, so gehöret Alles, was sich auf diesem Grunde eingebauet, eingesäet und eingepflanzet befindet, aus dem Grundrechte dem Grundeigenthümer; zugleich erlöschen auch alle Rechte, welche der vorige Inhaber nach Maßgabe des §. 11 während seines Rechts einen Anderen daran bestellet hatte.

Dreiundzwanzigstes Capitel.

Von Dienstbarkeiten überhaupt.

[2, 23] §. 1. Unter die Rechte, so an fremden Sachen angebühren können, gehören die Dienstbarkeiten. Eine Dienstbarkeit aber ist jedesmal vorhanden, wenn der Eigenthümer sich verbindlich gemacht hat, in dem Seinigen zum Nutzen eines Anderen etwas zu leiden, zu unterlassen oder zu thun, was er nach der natürlichen Freiheit zu leiden, zu unterlassen oder zu thun nicht schuldig wäre; dahingegen, wenn der Eigenthümer Jemanden aus Freundschaft und guten Willen etwas thut, erlaubt oder unterläßt, so mag dieser daraus niemals eine Dienstbarkeit folgern.

[2, 23] §. 2. Unter dem Nutzen wird nicht nur der gegenwärtige, sondern auch der künftige Vortheil, wie auch alles Dasjenige begriffen, was Jemanden eine Lust oder Bequemlichkeit verschaffen kann; was aber weder dermalen, noch auch in der Zukunft Jemanden zum Nutzen, Lust oder Bequemlichkeit gereichen mag, darinnen kann keine Dienstbarkeit bestehen.

[2, 23] §. 3. Wenn die Dienstbarkeit zum Nutzen eines anderen Grundes gereichet, so ist es eine Grunddienstbarkeit, wenn aber dieselbe zum Vortheile einer Person bestellet worden, so ist es eine persönliche Dienstbarkeit. Unter diese letztere Gattung gehören zwar ihrer Natur nach nur jene drei, von welchen wir im folgenden Capitel anordnen werden; allein durch ein Beding oder die Bestellungsart können auch alle Grunddienstbarkeiten persönlich werden, wenn sie nicht zum Nutzen eines Grundes, sondern einer Person bestellet worden, und wenn es zweifelhaft wäre, ob eine Dienstbarkeit zum Nutzen des Grundes oder einer Person bestellet worden, so soll selbe allzeit für persönlich gehalten werden.

[2, 23] §. 4. Wer das freie und uneingeschränkte, alleinige, vollkommene und unwiderrufliche Eigenthum eines Grundes hat, der kann auf demselben nach Belieben eine Dienstbarkeit bestellen; wer hingegen in der freien Schaltung mit seinem Vermögen überhaupt oder mit diesem Grunde insbesondere beschränket ist, oder wer das Eigenthum des Grundes mit einem Anderen gemeinschaftlich hat, der kann denselben nicht dienstbar machen. Hat der Grundeigenthümer an Jemanden das nutzbare Eigenthum oder ein sonstiges Recht an diesem Grunde übertragen, so kann er auf demselben, nur insoweit eine Dienstbarkeit bestellen, als selbe diesem Rechte nicht zum Nachtheile gereichet, und wenn Jemand nur das zeitliche Eigenthum eines Grundes hat, so ist die von ihm bestellte Dienstbarkeit von keiner


(297) längeren Dauer, als sein Eigenthum. Ebenso kann auch zwar von Jemanden, der das nutzbare Eigenthum oder ein anderes Recht an der Sache hat, eine Dienstbarkeit bestellet werden; doch nur, wenn dadurch dem Grundeigenthümer an seinen Rechten nicht geschadet wird, und diese Dienstbarkeit erlöschet mit dem Rechte Desjenigen, der sie bestellet hat.

[2, 23] §. 5. Dahingegen kann Niemand, der an einem Grunde kein Recht hat, denselben mit einer Dienstbarkeit beschweren; auch stehet diese Befugniß keinem Richter zu, außer in dem einzigen Falle, wo eine Erbschaft oder ein anderes gemeinschaftliches Gut gerichtlich zu theilen ist, und die Theilung anderergestalten nicht zu Stande gebracht, oder der dem Einen zugefallene Antheil ohne eine auf dem Antheile des Anderen bestellte Dienstbarkeit nicht genutzet werden könnte.

[2, 23] §. 6. Einem Jeden kann eine Dienstbarkeit bestellet werden, der des Rechts, welches durch die Dienstbarkeit erworben wird, fähig ist, und wenn die Dienstbarkeit zum Nutzen eines Grundes abzielet, einem Jeden, der an diesem Grunde das vollkommene oder unvollkommene, unwiderrufliche oder widerrufliche Eigenthum oder ein sonstiges Recht hat; nicht minder kann auch Jemand nach Maßgabe Unserer Anordnung im zweiten Capitel, §. 26, für Andere eine Dienstbarkeit erwerben.

[2, 23] §. 7. Eine Dienstbarkeit möge nach Einführung dieses Unseres Gesetzes durch lebzeitige oder letztwillige Handlungen bestellet werden, so wirket sie bis zu der erfolgenden Einverleibung auf den dienstbaren Grund blos eine persönliche Verbindlichkeit dessen, der selbe bestellet hat, für sich und seine Erben, dieselbe zu dulden, ohne daß ein dritter Besitzer, an den der Grund gelanget, andurch verfänglich werden mag.

[2, 23] §. 8. Doch wollen Wir von dieser Nothwendigkeit der Einverleibung jene Grunddienstbarkeiten und andere Grundrechte ausgenommen haben, die über Menschengedenken alt sind, oder doch vor Einführung dieses Unseres Gesetzes schon durch rechtmäßige Bestellung oder vollständig erfüllte Verjährung erworben worden, wie auch jene, deren Verjährungszeit vor diesem eingeführten Gesetze in solchen Orten, wo nach den vorigen Landesgesetzen zu deren Bestellung keine Einverleibung erfoderlich war, bereits ihren Anfang genommen und hernach, ohne daß die Verjährung unterbrochen worden wäre, vollständig erfüllet worden; derlei Rechte sollen auch nach diesem Unseren Gesetze, obwohl sie nicht einverleibet wären, für wahre, den Grund selbst behaftende Rechte gehalten werden.

[2, 23] §. 9. Dahingegen, wenn eine Dienstbarkeit vor Einführung dieses Unseren Gesetzes zwar ausgeübet, doch noch nicht verjähret worden, und vom Besitzer des dienstbaren Grundes widersprochen wird, so kann selbe ohne landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Verschreibung nicht zu Kräften gelangen, und um so mehr soll nach diesem Unseren Gesetze bei Dienstbarkeiten die ordentliche Verjährung nicht statt haben, noch diese ihren Lauf eher anfangen, als von dem Tage der in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher geschehenen Einverleibung.

[2, 23] §. 10. Wenn jedoch Jemand einem Anderen die Ausübung einer Dienstbarkeit auf seinem Grunde, ohne selbe zu unterbrechen, durch dreißig Jahre gestattet hat, so wollen Wir einem so langen Zeitraume folgende Rechtswirkungen belassen. Jene Hausdienstbarkeiten, welche aus einem von dem Nachbar aufgeführten neuen Gebäude entstehen, und wo die Dienstbarkeit von dem Gebäude selbst ohne menschliche Zuthat ausgeübet wird, sollen durch diesen Zeitlauf, wenn der Herr des dienstbaren Grundes selbe gewußt und so lang geduldet hat, alsofort auf diesem Grunde bestellet sein.

[2, 23] §. 11. Bei allen übrigen Dienstbarkeiten hingegen soll der Grund, ohngeachtet einer dreißigjährigen Ausübung, dennoch nicht behaftet werden; doch soll Demjenigen, deme eine so lange Ausübung verstattet worden, andurch das Recht erwachsen, daß er diesen Besitzer des dienstbaren Grundes, und seine Erben zur


(298) landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Bestellung der Dienstbarkeit verhalten könne. Wäre aber der dienstbare Grund vor der wirklichen Einverleibung an einen dritten Besitzer gelanget, so mag derselbe andurch sonst nicht verfänglich werden, als wenn er die wider seinen Vorfahrer angefangene Verjährung, ohne sie zu unterbrechen, wider sich erfüllen lassen, oder die Dienstbarkeit ausdrücklich auf sich genommen hat.

[2, 23] §. 12. Zu dergleichen Verjährungen bedarf es keiner besonderen Erwerbungsursache, sonder es ist an deme genug, daß der Besitzer des dienstbaren Grundes durch dreißig Jahre etwas geduldet oder gethan, was er zu dulden oder zu thun nicht schuldig war, oder daß der Andere dem Besitzer des dienstbaren Grundes etwas, was ihm sonst zu thun freigestanden wäre, verboten, und er durch dreißig Jahre ohne Widerrede bei diesem Verbote beruhet habe.

[2, 23] §. 13. Die Einverleibung einer Dienstbarkeit muß allezeit auf den dienstbaren Grund geschehen, wenn derselbe in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern inlieget; wenn aber derselbe allda nicht inlieget, so ist die Dienstbarkeit auf den herrschenden Grund vorzumerken, und zwar soll diese Einverleibung in jenen Landen, wo selbe bis anhero nicht nothwendig war, jedesmal mit Vorwissen des Besitzers des dienstbaren Grundes vorgenommen werden.

[2, 23] §. 14. Wem eine Dienstbarkeit ordentlich bestellet worden, der erwirbt dadurch die Befugniß, das ihm an dem dienstbaren Grunde verstattete Recht in seiner ganzen Maß auszuüben, auch stehet ihm frei alles Dasjenige zu thun, ohne welches die Dienstbarkeit nicht füglich genutzet werden kann; doch darf er die Maß in dem Gebrauche nicht überschreiten, noch die Dienstbarkeit mehr erschweren oder erweitern, noch auch den Gebrauch an Andere überlassen, wenn es bei der Bestellung nicht ausdrücklich vorgesehen worden.

[2, 23] §. 15. Wenn Jemand in dem Gebrauche der ihm bestellten Dienstbarkeit gestöret wird, so mag er sich mit allen zur Handhabung des Besitzes angebührenden Rechtsmitteln schützen; würde aber das Recht der Dienstbarkeit selbst angestritten, so kann er wider den Besitzer des dienstbaren Grundes und wider einen Jeden, der ihn in seinem Rechte störet, die Rechtsfoderung anstrengen, damit der Richter erkenne, daß ihm die Dienstbarkeit angebühre, und der unbefugte Störer zur Einstellung aller ferneren Störung, wie auch zum Ersatze aller durch seine bisherigen Störungen verursachten Schäden und Unkosten verhalten werde.

[2, 23] §. 16. Doch muß der Kläger erweisen, daß ihm oder seinem Grunde diese Dienstbarkeit rechtmäßig bestellet worden, und daß ihn der Beklagte darinnen widerrechtlich gestöret habe; bei einer Grunddienstbarkeit liegt ihm annebst, wenn er sich nicht im Besitze des herrschenden Grundes befindet, der Beweis ob, daß ihm an diesem Grunde ein solches Recht zustehe, welches durch die Störung in der diesem Grunde angebührenden Dienstbarkeit geschmälert werde.

[2, 23] §. 17. Wäre jedoch nicht sowohl das Recht der Dienstbarkeit selbst, als die Art und Weise des Gebrauchs strittig, so hat der Richter die rechte Maß des Gebrauchs nach Inhalt der Verschreibung oder nach der Natur einer jeden Dienstbarkeit zu bestimmen, und nach befundener Erforderniß entweder den einen Theil, daß er die vorgeschriebene Maß nicht überschreite, oder den anderen, daß er jenen in der Ausübung seines Rechts nicht störe, durch abgeforderte hinlängliche Sicherheit oder angedrohte Geldstrafen anzuhalten.

[2, 23] §. 18. Wenn im Gegentheile einem an sich freien Grunde eine Dienstbarkeit angemuthet, oder die daran bestehende Dienstbarkeit widerrechtlich erweitert werden wollte, so kommt dem Eigenthümer des Grundes oder Jenen, welchen daran ein Recht zustehet, wider Denjenigen, der sich der Dienstbarkeit zur Ungebühr anmaßet oder selbe eigenmächtig erweitert, die Rechtsklage zu, damit der Grund von dieser Dienstbarkeit frei erkläret, oder deren Gebrauch in die behörigen Schranken gesetzt,


(299) und der Beklagte nebst Erstattung aller Schäden und Unkosten von aller weiteren unbefugten Anmaßung obgeordnetermaßen abgehalten werde.

[2, 23] §. 19. Doch ist diese Rechtsforderung nur alsdann nothwendig, wenn entweder die Dienstbarkeit noch in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf dem Grund zur Ungebühr vorgemerket ist, oder der Andere sich in dem wirklichen Besitze und Gebrauche einer ihm niemals zugestandenen oder nach der Zeit erloschenen Dienstbarkeit befindet; außer deme mag ein jeder Besitzer eines freien Grundes sich wider die Anmaßungen eines Dritten mit allen zur Behauptung des Besitzes hergebrachten Rechtsmitteln schützen, und sich selbst wider alle Gewalt vertheidigen.

[2, 23] §. 20. Nicht nur persönliche, sondern auch Grunddienstbarkeiten können durch Zeit, Bedingnisse oder auf alle beliebige Arten beschränket werden, und wenn die Zeit herankommt oder der Fall sich ereignet, bis auf welchen die Dauer der Dienstbarkeit beschränket war, so erlöschet selbe alsofort.

[2, 23] §. 21. Nicht minder erlöschet die Dienstbarkeit, wenn das Recht des Herrschenden und des Dienenden in einer Person vereiniget wird. Dieses geschiehet bei persönlichen Dienstbarkeiten, wenn Derjenige, dem die Dienstbarkeit gebühret, das Eigenthum des Grundes, auf welchem die Dienstbarkeit bestellet ist, erwirbt; bei Grunddienstbarkeiten aber, wenn entweder der Herr des herrschenden Grundes den dienenden oder der Herr des dienenden Grundes den herrschenden Grund erwirbt, und obwohl hernach ein oder der andere Grund wiederum veräußert würde, so bleibt die Dienstbarkeit dennoch erloschen, wenn sie bei der Veräußerung nicht neuerdings bestellet wird.

[2, 23] §. 22. Doch müssen die beiderseitigen Rechte ganz und unwiderruflich in einer Person vereiniget und die neue Erwerbung des ein- oder anderen Grundes auf demselben behörig vorgemerket worden sein. Wenn hingegen nur ein Theil des herrschenden oder des dienenden Grundes erworben worden, so dauert die Dienstbarkeit auf demjenigen Theile, so noch einem Anderen zugehöret, immerfort, und wenn das erworbene Eigenthum widerruflich ist, so ruhet zwar die Dienstbarkeit insolang, als dieses Eigenthum dauert; allein nach dessen Auflösung wird sie wieder in den vorigen Stand hergestellet. Ebenso bleibet auch der dienstbare Grund ohngeachtet der erfolgten Vereinigung noch immer mit der Dienstbarkeit behaftet, insolang der erworbene Grund bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf den neuen Erwerber nicht einverleibet worden.

[2, 23] §. 23. Auch alsdann erlöschet die Dienstbarkeit, wenn der herrschende oder der dienende Grund solchergestalten zu Grunde gehet, daß nichts davon erübriget; sonst klebet die Dienstbarkeit auch dem mindesten Theile an, und wenn ein zerstörtes Gebäu, deme die Dienstbarkeit gebühret, oder welches dem anderen dienstbar ist, auch nach noch so langer Zeit wieder aufgebauet wird, oder wann die vertrocknete Quelle wieder aufquillt, oder wenn der überschwemmte Grund wieder vom Wasser befreiet wird, so gelanget die Dienstbarkeit auf’s Neue zu Kräften.

[2, 23] §. 24. Ferner wird auch die Dienstbarkeit aufgehoben, wenn Jener, deme oder dessen Grunde sie gebühret, selbe entweder ausdrücklich erläßt, oder auf dem dienenden Grunde wissentlich und ohne Einwendung etwas solches bauen oder geschehen läßt, wodurch der Gebrauch der Dienstbarkeit für allezeit ausgeschlossen wird; in diesem Falle wird die Dienstbarkeit alsogleich verloren, wenn sie gleich auf dem dienstbaren Grunde noch wirklich einverleibet wäre.

[2, 23] §. 25. Durch den blosen Nichtgebrauch gehet eine landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkte Dienstbarkeit niemals verloren, so lang nichts, was dieselbe tilgen könnte, in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einkommt; doch kann die Art und Weise des Gebrauches andurch abgeändert, oder auch ein Theil des dienstbaren Grundes befreiet werden, wenn in der Verschreibung weder die


(300) Maß des Gebrauches, noch wie weit die Dienstbarkeit sich zu erstrecken haben, namentlich enthalten ist.

[2, 23] §. 26. Jene Dienstbarkeiten hingegen, welche mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht verschrieben sind, erlöschen dadurch, wenn sich ihrer durch dreißig Jahre nicht gebrauchet worden; doch ziehet der Nichtgebrauch nur alsdann den Verlust der Dienstbarkeit nach sich, wenn Derjenige, deme sie gebühret, während obgedachter Zeit im Stande gewesen, sich ihrer zu gebrauchen, und durch keinen länger anhaltenden Nothfall oder andere rechtmäßige Hindernisse daran verhindert werden. Unter dem Nichtgebrauche wird aber nicht allein die Unterlassung der Ausübung, sondern auch der widrige Gebrauch verstanden, nemlich wenn die Dienstbarkeit nicht in der vorgeschriebenen Maß oder nach ihrer Natur und Wesenheit ausgeübet wird.

[2, 23] §. 27. Wenn es sich aber nicht von einem blosen Nichtgebrauche handelt, sondern wenn von Seite des Besitzers des dienstbaren Grundes ein ausdrückliches Verbot oder eine förmliche Weigerung geschehen, so soll die Dienstbarkeit, wenn sie nicht in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket ist, nach drei Jahren und achtzehen Wochen, wenn Derjenige, deme selbe gebühret, binnen dieser Zeit ohne Widerrede dabei beruhet hat, alsofort erloschen sein. Wäre aber die Dienstbarkeit behörig vorgemerket, so erlöschet sie zwar auch in diesem Falle nicht; doch soll der Besitzer des dienstbaren Grundes andurch die Befugniß erwerben, Denjenigen, der es bei seinem Verbote oder bei seiner Weigerung so lang bewenden lassen, um die Auslöschung der annoch vorgemerkten Dienstbarkeit zu belangen. Wenn hingegen der herrschende Grund vor der bewirkten Auslöschung an einen Dritten veräußert worden wäre, so kann diesem die Verfänglichkeit des vorigen Besitzers nicht schaden.

[2, 23] §. 28. Alles, was Wir vom §. 24 an bis hieher geordnet haben, greift nur alsdann Platz, wenn Derjenige, der sich der Dienstbarkeit begiebt, ein vollkommener und uneingeschränkter Eigenthümer des herrschenden Grundes ist, und wenn er die freie Macht hat, sein Recht zu vergeben; widrigens, und wo die erste von diesen Erfordernissen ermangelt, da kann seine Nachsicht zwar ihme, doch keinem Anderen, wo aber die zweite ermangelt, da kann sie auch ihm selbst nicht zum Nachtheile gereichen.

Vierundzwanzigstes Capitel.

Von persönlichen Dienstbarkeiten.

[2, 24] §. 1. Die erste und vorzüglichste unter den persönlichen Dienstbarkeiten ist die Nutznießung (Nießbrauch, Fruchtgenuß, Leibgeding). Wenn diese bestellet worden, der erwirbt andurch die Befugniß, die Sache zu gebrauchen und zu genießen, insoweit dadurch deren Wesen nicht geschmälert und vermindert wird.

[2, 24] §. 2. Die Nutznießung kann an allen Sachen bestellet werden, welche in Handel und Wandel sind, wofern sie nur durch den Gebrauch nicht verthan und verzehret werden; widrigens, wenn an solchen Sachen, die durch den Gebrauch verzehret werden, eine Nutznießung bestellet würde, so ist die Handlung nach dem Unterschiede, ob die Zurückstellung an Sachen von eben dieser Gattung oder in einem angeschlagnen Werth bedungen worden, entweder ein Darlehen oder ein Verkauf. Im Falle aber Jemanden die Nutznießung des gesammten Vermögens vermachet worden, und unter diesem solche Sachen befindlich wären, die ohne Verzehrung


(301) nicht gebraucht werden können, so sollen sie gerichtlich versteigert, das Geld angelegt, und die davon abfallende Zinsen dem Nutznießer überlassen werden.

[2, 24] §. 3. Wenn Jemanden die Nutznießung eines Rechts bestellet worden, so bestehet sie in der Ausübung dieses Rechts und in dem Genusse der damit verknüpften Vortheile, und wenn Jemand die Nutznießung eines Capitals hat, so gehören ihm lediglich die davon gebührenden Zinsen.

[2, 24] §. 4. Wenn die Nutznießung durch eine Handlung unter Lebenden, es sei an beweglichen oder unbeweglichen Sachen, bestellet worden, und der Bestellende wegen einer zu leistenden Sicherstellung nichts ausbedungen hat, so ist der Nutznießer dazu nicht verbunden. Wo aber eine Sicherstellung auferleget worden, da muß selbe auf die vorgeschriebene Art geleistet werden. Wenn hingegen Jemanden die Nutznießung durch letzten Willen vermacht, und vom Erblasser eine Sicherstellung aufgegeben worden, so wollen Wir diese Auflage auf eben jene Art mäßigen, wie Wir im eilften Capitel, §. 26, von Fideicommissen geordnet haben, und wenn der Erblasser die Nutznießung an beweglichen Sachen bestellet hat, ohne dem Nutznießer eine Sicherstellung aufzulegen, so sollen doch diese Sachen zur Sicherheit Desjenigen, deme sie zurückgestellet werden müssen, vor der Ausantwortung allezeit gerichtlich beschrieben und geschätzet werden.

[2, 24] §. 5. Dem Eigenthümer stehet aber allezeit frei, in dem Falle, wo er eine dem Gute aus der üblen Verwaltung des Nutznießers bevorstehende Gefahr erweisen kann, denselben zum Ersatze des bereits zugefügten Schadens und zur Sicherstellung für das Künftige anzuhalten, und wenn das Eine und Andere von ihm nicht erhalten werden kann, so ist ihm die Verwaltung zu benehmen, und einem Curator anzuvertrauen, aus den eingegangenen Einkünften aber vorzüglich der zugefügte Schaden zu ersetzen.

[2, 24] §. 6. Wer die Nutznießung eines Guts hat, der hat das Recht, das Gut sowohl zu seiner Nothdurft und Nutzen, als zur Lust und Bequemlichkeit zu gebrauchen, folglich alle wie immer Namen habende Nutzungen zu genießen, diese mögen in Früchten, Zinsen, Pachtgeldern, Zöllen, Zehenten, Renten, Fischfang, Waidwerk, Forst- und Waldnutzen, Steinbrüchen oder Ausbeuten aus den, es sei vor oder nach bestellter Nutznießung entdeckten, Bergwerken bestehen; ebenso ist er auch befugt, die Gerichtsbarkeit, das Verleihungsrecht der Pfarren, das Jagd- und Forstrecht und überhaupt alle dem Gute anklebenden Gerechtigkeiten auszuüben.

[2, 24] §. 7. Auch stehet ihm frei, diese ihm zustehende Befugnisse durch Andere auszuüben, und die Benutzung des Guts, ganz oder zum Theile, für die Zeit seines fortdauernden Rechts auf was immer für eine entgeltliche oder unentgeltliche Art an Andere zu überlassen; das Recht der Nutznießung selbst aber darf er an Niemanden abtreten.

[2, 24] §. 8. Nicht minder ist er berechtiget, Alles zu thun, ohne welches er sein Recht nicht ausüben kann, als Scheuren und Speicher und andere nöthige Wirthschaftsgebäude zu errichten, wie auch Alles zu veranstalten, wodurch das Recht des Eigenthümers nicht geschmälert, der Nutzen des Guts aber vermehret wird. Dahingegen ist er nicht befugt, das Gut in seiner Gestalt und Wesenheit zu ändern, oder dasselbe zu einem anderen Gebrauche zu verwenden, als wozu es von dem Eigenthümer genützet worden, oder seiner natürlichen Beschaffenheit nach genützet werden mag. Er kann also wider Willen des Eigenthümers keine Aecker in Wiesen, noch Wiesen in Aecker verwandeln, Wälder aushauen, Teiche austrocknen, außer den nöthigen Wirthschaftsgebäuden andere Wohn- oder Lustgebäude aufführen, einen vorgefundenen, noch unvollkommenen Bau ausbauen, oder ein schon gebautes Haus ändern; widrigens wird er dem Eigenthümer für allen, dem Grunde dadurch zugegangenen Schaden verfänglich, und wo diesem das neue Gebäude oder die veränderte Gestalt des alten nicht anständig ist, so kann er


(302) ihn oder seine Erben nach geendigter Nutznießung anhalten, die vorige Gestalt auf ihre eigene Unkosten wieder herzustellen.

[2, 24] §. 9. Dem Nutznießer liegt ob, das Gut im guten Stande zu erhalten, allen gebührenden Fleiß dabei anzuwenden, und so viel bei ihm stehet, allen Schaden zu verhüten. Er muß also Aecker, Gärten und Weinberge behörig bestellen, die baufällige Gebäude herstellen, das beigelassene Vieh in seiner Anzahl erhalten, den Abgang aus dem Zuwachse ergänzen, die umgestandenen Fruchtbäume mit anderen von gleicher oder doch gleich nutzbarer Art ersetzen, und sich demjenigen nachachten, was wir im eilften Capitel, §. 21, von Fideicommissen geordnet haben. Wo aber die ganze Heerde Vieh durch Seuche oder einen andern Zufall umkäme, oder Obstbäume durch Gewalt des Windes ausgerissen oder abgebrochen würden, so wird er dafür nicht verfänglich.

[2, 24] §. 10. Ferner ist der Nutznießer schuldig, alle zu Erhaltung des Guts in baulichem Stande, zu Herstellung der baufälligen Gebäude und sonst zum gewöhnlichen Wirthschaftsbetriebe erforderliche Unkosten aus dem Seinigen zu bestreiten, wie auch alle darauf haftende oder nach der Zeit demselben auferlegte Abgaben und alle davon gebührende ordentliche und außerordentliche Steuer und Anlagen zu tragen; außer es würden bei vorfallender Staatserforderniß so große Abgaben oder Darlehen gefodert, welche den jährlichen Nutzen größtentheils erschöpfen oder gar überstiegen. Diese hat der Eigenthümer zu entrichten, der Nutznießer aber von der abgestatteten Summe die Zinsen zu bezahlen.

[2, 24] §. 11. Wenn auf dem Gute Schulden haften, so beschränket sich die Nutznießung blos auf das, was nach Abzug der Schulden und der davon gebührenden Zinsen erübriget. Der Nutznießer hat also nicht allein die Zinsen zu zahlen, sondern auch, wenn der Gläubiger auf die Bezahlung des Capitals dringet, so muß er ihm verstatten, so viel von dem Gute selbst zu veräußern, als zu seiner Befriedigung nöthig ist.

[2, 24] §. 12. Wenn die Nutznießung des Guts von einem Dritten ansprüchig gemacht wird, so fällt dem Nutznießer die Vertheidigung seines Rechts ganz allein zur Last; wenn hingegen das Eigenthum des Guts in Zweifel gezogen wird, so muß der Eigenthümer den Rechtsstreit auf seine Unkosten ausführen, ohne daß ihm der Nutznießer einigen Ersatz zu leisten verbunden wäre.

[2, 24] §. 13. Der Eigenthümer ist schuldig, Alles zu verstatten, ohne welches das Gut nicht genutzet werden kann, und Alles zu vermeiden und hinwegzuräumen, wodurch der Nutznießer in dem Gebrauche seines Rechts verhindert würde. Doch stehet dem Eigenthümer frei, das Eigenthum des Guts auch ohne Einwilligung des Nutznießers zu veräußern und zu verpfänden; allein während der Nutznießung ist weder der Käufer befugt, sich des Genusses anzumaßen, noch auch der Gläubiger, sich wegen Bezahlung der Schuld oder wegen der Zinsen an dem Gute zu halten.

[2, 24] §. 14. Das Recht der Nutznießung erlöschet seiner Natur und Eigenschaft nach durch das Absterben Desjenigen, dem selbe verliehen worden, obschon er eher verstorben wäre, als die Zeit, auf welche die Nutznießung beschränket war, verflossen ist. Wäre aber die Nutznießung einer Gemeinde ohne Beifügung einiger Zeit bestellet worden, so dauert sie immerfort, so lang die Gemeinde bestehet.

[2, 24] §. 15. Wenn die Nutznießung ausdrücklich auch den Erben verliehen worden, so gelangen auch diese dazu; doch soll die Berufung der Erben, wenn nicht ein Anderes gesagt worden, allezeit nur von den ersten Erben verstanden werden. Wollte aber Jemand zu der Nutznießung mehrere Grade der Nachberufung machen, welche alle zu ihrer Wirksamkeit kommen sollen, so soll er sich deme nachachten, was Wir desfalls von Fideicommissen geordnet haben.

[2, 24] §. 16. Wenn der Nutznießer durch Ablegung feierlicher Ordensgelübde des Besitzes zeitlicher Güter unfähig wird, so ist eben so vorzugehen, als ob er natürlich gestorben wäre. Wenn er aber ein Verbrechen begehet, worauf die Einziehung


(303) der Güter zu Handen unserer Kammer gesetzt ist, so tritt Unsere Kammer für die Zeit, da ihm die Nutznießung noch gebühret hätte, in sein Recht ein.

[2, 24] §. 17. Wenn der Nutznießer deme kein Genügen leistet, was ihm in Ansehung der Nutznießung auferleget worden, wenn er durch seine üble Verwaltung dem Gute einen solchen Schaden zufüget, zu dessen Ersatze die gesammten Einkünfte eines Jahres nicht zureichen, er auch denselben aus andern Mitteln zu vergüten außer Stande ist, oder wenn er das Recht der Nutznießung an Jemanden, der in der Verleihung nicht mitbegriffen ist, überläßt und abtritt, so soll die Nutznießung verwirket sein.

[2, 24] §. 18. Sobald die Nutznießung geendiget ist, muß der Nutznießer oder seine Erben das Gut sammt allen Zugehörungen in Beilässen in dem Stande, in welchem es angetreten worden, dem Eigenthümer zurückstellen, und Alles, um was dasselbe durch die Schuld des Nutznießers verringert oder beschädiget worden, vergüten; doch haben sie bei beweglichen Sachen für deren durch einen mäßigen Gebrauch gewöhnliche Abnützung nicht zu haften.

[2, 24] §. 19. Die zur Zeit der geendigten Nutznießung noch hangenden Früchte gehören dem Eigenthümer; doch ist er schuldig, dem Nutznießer oder dessen Erben die in dem letzten Jahrgange auf die Bestellung der Aecker, Gärten und Weinberge und auf den sonstigen Wirthschaftsbetrieb ausgelegte nöthige Unkosten, insoweit selbe nicht von dem Gute selbsten, sondern mit eigenem Aufwande bestritten worden, zu ersetzen. Was aber zu dieser Zeit an Früchten und Nutzungen bereits von dem Erdboden abgesöndert ist, obwohl es noch nicht wirklich eingebracht wäre, gehöret dem Nutznießer oder dessen Erben. Wegen ausständiger Zinsen, Pachtgelder, Frohndiensten und dergleichen ist eben jene Richtschnur zu beobachten, die Wir darüber bei Fideicommissen festgesetzet haben.

[2, 24] §. 20. Von den auf das Gut selbst verwendeten Kosten hat der Eigenthümer nur jene zu vergüten, welche zu beharrlicher Erhaltung des Guts nothwendig gewesen. Was hingegen der Nutznießer nur zur zeitweiligen Pflegung und Erhaltung des Guts, zu seinem mehreren Nutzen oder zur Lust aufgewendet hat, deswegen mag er keinen Ersatz fodern, sondern ihm oder seinen Erben stehet blos frei, das, was füglich von dem Gute abgesöndert werden kann, mit sich hinwegzunehmen.

[2, 24] §. 21. Die zweite persönliche Dienstbarkeit ist, wenn Jemand den Gebrauch einer Sache hat. Wem diese Dienstbarkeit bestellet worden, der erlangt die Befugniß, sich der Sache zu seiner täglichen Nothdurft zu gebrauchen. Allein alle Nutzungen der Sache, welche er entweder gar nicht, oder nicht in der vorhandenen Menge zu seiner täglichen Nothdurft bedarf, gehören dem Eigenthümer.

[2, 24] §. 22. Wer den Gebrauch einer Heerde hat, der kann von der Milch Butter und Käse, so viel als seine Nothdurft erfordert, und von dem Dunge so viel, als er für seine Gründe bedarf, gebrauchen; das Uebrige aber, sowie die Kälber, Lämmer, Wolle und Felle gehöret dem Eigenthümer. Hat Jemand den Gebrauch von Zugvieh, so kann er sich ihrer sowohl zum Pflügen, als zu seinem anders nöthigen Fuhrwesen gebrauchen; doch darf er die Pferde, die blos zum Reiten gehören, nicht zum Zuge anwenden. Wer den Gebrauch eines Gartens hat, der kann nicht nur Alles, was darinnen wächst, zur täglichen Nothdurft herausnehmen, und davon für den Winter einen Vorrath sammlen, sondern auch das Gartengebäu bewohnen, und den Garten zur Lust genießen. Wer den Gebrauch eines Hauses hat, der kann sich auch aller dazu gehörigen Gerechtigkeiten und Nutzbarkeiten, als der Bräugerechtigkeit, des Gartens und der Grundstücke, wenn diese Zugehörungen des Hauses sind, zu seiner Nothdurft bedienen. Wer aber den Gebrauch eines ganzen Guts hat, der kann nebst der Wohnung auf demselben von allen Nutzungen so vieles nehmen, als er zu seiner Haushaltung nöthig hat.


(304) [2, 24] §. 23. Die Maß des Gebrauchs ist nach dem Stande Desjenigen, deme derselbe verliehen worden, abzumessen, und erstrecket sich nicht nur auf Weib und Kinder, sondern auch auf das nöthige Hausgesinde. Wird die Bedürfniß nach der Zeit vergrößert oder vermindert, so nimmt die Befugniß zum Gebrauche in gleicher Maß zu oder ab; doch darf Niemand den Gebrauch nach eigenem Belieben durch Aufnehmung mehrerer Dienstboten, als sein Stand erfordert, durch Kostgänger oder durch Unterhaltung solcher Personen, denen er den Unterhalt abzureichen nicht verbunden ist, vermehren.

[2, 24] §. 24. Dahingegen wird auch der Gebrauch nicht gemindert, wenn gleich Jemand andere Mittel hat, von welchen er sich seine Bedürfnisse anschaffen könnte, oder wenngleich ein Anderer ihm bereits eine vollkommen ähnliche Dienstbarkeit bestellet hätte; sondern der Gebrauch ist allezeit so auszumessen, als ob Derjenige, deme er gebühret, seine Nothwendigkeiten einzig und allein von da herzuholen bemüssiget wäre.

[2, 24] §. 25. Die Nutzungen, welche Jemand zu seinem Gebrauche erhält, kann er entweder selbst verzehren oder an Andere verkaufen und verschenken. Doch darf er weder von deme, was über seine Nothdurft erübriget, etwas an Andere überlassen, noch den Gebrauch selbst auf was immer für Weise abtreten, oder mit Andern theilen; außer wenn dieses dem Eigenthümer ganz und gar unschädlich ist, oder der Gebrauchende anderergestalten von der Sache keinen Nutzen haben könnte. So kann Derjenige, deme der Gebrauch eines Hauses zustehet, wenn er es selbst bewohnet, auch einen Andern, es sei entgeltlich oder unentgeltlich, zu sich in die Wohnung nehmen, nicht aber auch die Wohnung, wenn er sie selbst nicht bezogen, an Andere vermiethen oder umsonst überlassen; ebenso kann ein Fuhrmann, wenn ihm von Jemandem wissentlich, daß er das Fuhrwesen treibe, der Gebrauch eines Zugpferdes verstattet wird, dasselbe an Andere verdingen.

[2, 24] §. 26. Der Gebrauchende hat aber in Erhaltung und Pflegung der Sache oder des Guts, woran ihm der Gebrauch gebühret, eben die Verbindlichkeit, wie ein Nutznießer; doch liegen die Steuern, Anlagen und andere auf dem Gute haftende Beschwerden, sowie die Ausbauung der Gründe und die Erhaltung der Gebäue in baulichem Stande nicht ihm, sondern dem Eigenthümer ob, deme alle übrige Nutzungen zugehen. Wenn jedoch der Gebrauch den ganzen Nutzen des Guts erschöpfet, oder dem Eigenthümer von dessen jährlicher Erträgniß nicht so viel zukommt, wovon er diese Lasten bestreiten könnte, so muß der Gebrauchende im ersten Falle den ganzen Aufwand, und im zweiten Falle denjenigen Theil des Aufwands tragen, um welchen die Lasten den dem Eigenthümer zugehenden Nutzen übersteigen.

[2, 24] §. 27. In allem Uebrigen, was Wir hier nicht besonders berühret haben, kommt der Gebrauch mit der Nutznießung überein. Wenn aber darüber ein Zweifel entstünde, ob das Jemanden bestellte Recht für einen Gebrauch oder für eine Nutznießung zu halten sei, so soll auf die Worte gesehen werden, ob dasselbe in der Bestellung ein Gebrauch oder eine Nutznießung (Nießbrauch, Fruchtgenuß, Leibgeding) benennet worden; dahingegen soll durch den Beisatz, zu seiner Nothdurft, oder zur täglichen Nothdurft, die aus der Natur der bestellten Dienstbarkeit angebührende Gerechtigkeit nicht vermindert, noch auch selbe wegen Auslassung dieser Worte in ihrer Art erweitert werden.

[2, 24] §. 28. Die dritte der persönlichen Dienstbarkeiten ist das Jemanden an einem Hause bestellte Recht der häuslichen Wohnung. Dieses Recht begreifet alle Vortheile unter sich, die aus der benannten Wohnung gezogen werden mögen; dahingegen erstrecket sich dasselbe nicht auf die dem Hause anklebende Gerechtigkeiten und Zugehörungen, noch auf jene Theile des Hauses, die nicht zur Wohnung, sondern zu einem andern Gebrauche bestimmet sind.


(305) [2, 24] §. 29. Wer dieses Recht hat, dem stehet frei, die Wohnung in eben der Maß, wie sie ihm gebühret, an Andere zu vermiethen, oder auf andere Art zu überlassen, wenn er sie gleich selbst nicht mitbewohnet; doch ist er nicht befugt, das Haus zu einem andern Gebrauche als zur Wohnung anzuwenden, noch auch einem Andern zu einem sonstigen Gebrauche zu überlassen.

[2, 24] §. 30. Auch ist er nicht berechtiget, an dem Hause einige Aenderungen vorzunehmen, etwas Neues zu bauen, das Angefangene zu vollenden, Thüren und Fenster zu vergrößern, oder sonst etwas ab- oder einzubrechen, obschon das Haus andurch verbessert würde, und wenn er etwas dergleichen unternommen, so kann bei Endigung seines Rechts nicht nur dafür kein Ersatz anverlanget werden, sondern er und seine Erben sind schuldig, auf Verlangen des Eigenthümers Alles wieder in den vorigen Stand herzustellen. Dahingegen, was er ohne wesentliche Aenderung des Hauses zur Zierde oder zu mehrerer Bequemlichkeit hinein verwendet, als, da er neue Oefen setzen, Winterfenster machen oder Zimmer austäfeln ließe, alles dieses hat ihm der Eigenthümer entweder zu vergüten, oder dessen Hinwegnehmung zu verstatten.

[2, 24] §. 31. Wenn Jemandem die Wohnung in einem Hause ohnbeschränket bestellet worden, so begreift die Dienstbarkeit das ganze Haus; wenn sie aber auf einen Theil des Hauses oder auf eine benannte Wohnung beschränket worden, so kann Jener, deme diese Wohnung verliehen ist, keine größere Wohnung fodern, wenn schon seine Bedürfniß nach der Zeit zugenommen hätte.

[2, 24] §. 32. Der Eigenthümer darf nichts thun, wodurch der Inwohner in dem Genusse des ihm zustehenden Rechts gehindert würde; doch kann dieser dem Eigenthümer die Nachsicht im Hause und die Aufstellung eines Hausmeisters oder Hausaufsehers nicht verwehren, wenn schon vorhin einer im Hause gewohnet hat. Auf gleiche Art ist er schuldig, die vorfallende nöthige Ausbesserungen ohnweigerlich zu gestatten, und wenn es die Noth erfodert, auch für die Zeit, daß selbe vorgenommen werden, die Wohnung zu räumen.

[2, 24] §. 33. Die Erhaltung des Hauses im Dach und Fach und die Entrichtung der darauf haftenden Steuern, Anlagen und anderer Lasten liegt dem Eigenthümer ob, außer in dem Falle, den Wir am Ende des §. 10 berühret haben, und in allem Uebrigen sind bei dieser Dienstbarkeit eben die Grundsätze zu befolgen, die Wir in Ansehung der Nutznießung festgesetzet haben.

Fünfundzwanzigstes Capitel.

Von Grunddienstbarkeiten.

[2, 25] §. 1. Ohne zwei verschiedene Gründe kann keine Grunddienstbarkeit bestehen; beide Gründe müssen anbei so gelegen sein, daß dem einen von dem anderen ohngehindert ein Nutzen zugehen möge. Wären aber beide Gründe von einander entfernt, so bestehet die Dienstbarkeit blos insolang, als der Eigenthümer des zwischen ihnen gelegenen Grundes nichts thut, was den Gebrauch der Dienstbarkeit verhindert.

[2, 25] §. 2. Nicht nur die Dienstbarkeit klebt dem dienenden, sondern auch das Recht, die Dienstbarkeit auszuüben, dem herrschenden Grunde unzertrennlich an, und der Eigenthümer des herrschenden Grundes ist nicht befugt, die Ausübung der Dienstbarkeit, noch weniger das Recht selbst an einen Anderen zu überlassen, wenn


(306) er ihm nicht auch den Grund überläßt. Ebenso, wenn der Eigenthümer des herrschenden Grundes denselben mit ausdrücklichem Vorbehalt der gebührenden Dienstbarkeit veräußert, so erlöscht dieselbe sowohl in Ansehung des Käufers als des Verkäufers; außer wenn sie mit Einverständniß des Eigenthümers des dienstbaren Grundes in eine persönliche Dienstbarkeit verwandlet worden.

[2, 25] §. 3. Wenn bei der Bestellung kein Bezirk ausgemessen worden, auf welchen sich die Dienstbarkeit erstrecken solle, so wird der dienstbare Grund in seinem ganzen Umfange damit behaftet, und der Besitzer des herrschenden Grundes kann sie an allen Orten ausüben. Erhält er dienstbare Grund durch Anwurf des Erdreichs einen Zuwachs, so wird auch die Dienstbarkeit bis dahin erweitert, nicht aber auch auf andere Gründe, so hernach zu dem dienstbaren Grunde erworben worden.

[2, 25] §. 4. Wenn hingegen die Bedürfniß des herrschenden Grundes durch Zuwachs des Erdreichs, Erwerbung mehrerer Gründe, oder durch andere zur Zeit der Bestellung nicht vorhanden gewesene Ursachen vergrößert wird, so wird doch die Dienstbarkeit über die Maß, welche der herrschende Grund seinem damaligen Stande nach erfodert hat, nicht vergrößert. Würde aber ein Theil des herrschenden Grundes, oder von mehreren Gründen, welchen zusammen eine Dienstbarkeit gebühret, einer verkauft, so kann der neue Besitzer sich der Dienstbarkeit ebenfalls gebrauchen, wenn nur die vorige Maß nicht überschritten, noch die Ausübung der Dienstbarkeit wegen mehrerer Besitzer beschwerlicher gemacht wird.

[2, 25] §. 5. Dem Besitzer des dienstbaren Grundes ist unverwehret, sich auf diesem Grunde der Befugniß, welche dem herrschenden Grunde als eine Dienstbarkeit zukommt, ebenfalls mit zu gebrauchen, oder auch eben diese Dienstbarkeit mehreren Anderen zu bestellen, wofern nur durch das Eine oder Andere Derjenige, deme diese Dienstbarkeit zum ersten gebühret hat, nicht in seinem Rechte beeinträchtiget wird. Umsomehr stehet ihm frei, den dienstbaren Grund mit der darauf haftenden Dienstbarkeit zu veräußern.

[2, 25] §. 6. Der Besitzer des herrschenden Grundes muß sich im Gebrauche der Dienstbarkeit leidentlich und so betragen, daß sie dem dienstbaren Grunde so wenig als möglich zur Beschwerde gereiche, und wenn über die Maß des Gebrauchs ein Zweifel entstehet, so ist die Dienstbarkeit überhaupt so auszudeuten, wie sie dem Besitzer des dienstbaren Grundes am wenigsten schädlich wird.

[2, 25] §. 7. Wenn eine Dienstbarkeit einem Hause oder Wohngebäude zum Nutzen gereichet, so ist es eine Hausdienstbarkeit; wenn aber der Nutzen der Dienstbarkeit einem Acker, Felde oder Landgute zugehet, so ist es eine Felddienstbarkeit. Die gemeineren Arten sowohl der einen, als der anderen Gattung werden Wir dahier berühren und ihre Gerechtsamen bestimmen. Allein auch außer diesen kann über Alles eine Dienstbarkeit bestellet werden, was nur immer einem Hause, oder einem Landgute nach den vorhandenen Umständen zum Nutzen gereichen mag; doch sollen alle solche hier nicht berührte Dienstbarkeiten nach eben jenen Grundsätzen beurtheilet werden, welche Wir dahier festsetzen.

[2, 25] §. 8. Unter die Hausdienstbarkeiten gehöret erstens, wenn ein Gebäu die Last des benachbarten Gebäudes tragen muß. Hier ist der Herr des dienstbaren Gebäudes schuldig, dasselbe nicht nur allezeit in tragbaren Stande zu erhalten, sondern auch, wenn es baufällig wird, auf seine eigene Unkosten wieder herzustellen; dahingegen muß der Herr des anderen Gebäudes dasselbe während der Herstellung des dienstbaren Gebäudes auf seine Unkosten unterstützen.

[2, 25] §. 9. Dem Herrn des dienstbaren Gebäudes stehet jedoch frei, sich durch die gänzliche Ueberlassung des dienstbaren Gebäudes an den Anderen von dessen Herstellung zu entledigen. Wollte er sich aber weder zu Einem, noch zum Anderen verstehen, und es wäre eine Gefahr des Einsturzes vorhanden, so mag der Herr des herrschenden Gebäudes die nothwendige Ausbesserung auf des Anderen Unkosten selbst vornehmen, oder wenn er das dienstbare Gebäu lieber eingehen lassen will,


(307) so schadet es ihm, wann dasselbe über kurz oder lang wieder aufgebauet wird, an seinem Rechte nicht.

[2, 25] §. 10. Eine ähnliche Dienstbarkeit ist, wenn Jemand das Recht hat, die Träme und Balken seines Gebäudes in ein anderes Gebäu einzuschieben und darinnen ruhen zu lassen; doch hat hier der Herr des herrschenden Gebäudes die Ausbesserungs- und Herstellungsunkosten, so viel als zur Befestigung des Trams und zum Behufe seines Gebäudes nöthig ist, selbst zu tragen. Wenn aber die dienstbare Mauer ganz zusammen fiele, so muß der Eigenthümer derselben sie ebenso, wie Wir bei der vorherigen Dienstbarkeit geordnet haben, wieder herstellen oder abtreten.

[2, 25] §. 11. Außer einer solchen bestellten Dienstbarkeit darf Niemand auf ein fremdes Gebäu Lasten legen, oder in fremde Mauren Träme und Balken einschieben, sondern wer neben einem anderen Gebäude bauen will, der muß neben dessen Mauer zum Behufe seines Gebäudes eine eigene Mauer aufführen.

[2, 25] §. 12. Wenn sich aber wegen einer zwischen zweien Häusern stehenden Mauer der Zweifel erhöbe, wem selbe zugehörig sei, so soll bei ermanglenden anderen Beweisen auf solche Kennzeichen gesehen werden, die wahrscheinlicher Weise von keinem Anderen als dem Eigenthümer herrühren können. Derlei Kennzeichen sind, wenn von einer Seite der Mauer alte In- und Aufschriften, gemalete oder eingehauene Wappen und Namen der vorigen Besitzer, Wandpfeiler, Erker, Wetterdächer, eingemauerte Rauchfänge, Schläuche, Rinnen, eiserne Ringe, Tragsteine, Mauerlöcher, Blindfenster, Schwibbögen oder gar ganze durch die Mauer gehende und von dieser Seite die Oeffnung habende Fenster befindlich sind, ferner wenn die Ziegel von einer Seite herabhangen, oder wenn die Balken und Träme des einen Gebäudes schon vorlängst in die Mauer eingelassen oder darauf geleget worden, vornehmlich aber, wenn die strittige Mauer mit der unstrittigen des einen Gebäudes zusammenhängt und mit derselben von gleicher Höhe, Tiefe und Dicke ist.

[2, 25] §. 13. Wären aber solche Kennzeichen von beiden Seiten vorhanden, so ist durch geschworne Bauverständige genau zu untersuchen, ob die Mauer ganz oder zusammengesetzt sei, und wenn sie ganz zu sein befunden wird, so ist sie für gemeinschaftlich zu halten, und die beiden Eigenthümer der aneinander stoßenden Häuser haben sowohl den Vortheil davon zu genießen, als die damit verknüpften Lasten gemeinschaftlich zu tragen, gleichwie auch Keiner wider Willen des Anderen etwas daran ändern oder selbe zu einem anderen, als dem bisherigen Gebrauche anwenden oder sonst etwas thun darf, was derselben nachtheilig wäre.

[2, 25] §. 14. Auch alsdann ist die Bestellung einer Dienstbarkeit nothwendig, wenn Jemand über seines Nachbars Grund einen Erker, ein Wetterdach oder ein anderes Ausgebäu hinausreichen will. Ohne diese Dienstbarkeit ist Niemand schuldig, einen Theil eines fremden Gebäudes oder etwas von einem fremden Gebäude Hervorragendes, was es auch immer sei, über seinem Grunde zu leiden.

[2, 25] §. 15. Nicht minder erfodert es eine Dienstbarkeit, wenn ein Nachbar den Anderen verbindlich machen will, nicht höher zu bauen; außer deme kann ein Jeder, insofern er nicht durch eine vorhandene Bauordnung daran beschränket wird, auf seinem Grunde und Boden so hoch bauen, als er will, und wenn schon dem benachbarten Gebäude andurch ein Vortheil oder eine Bequemlichkeit entzogen würde, so mag doch dessen Besitzer sich desjenigen Rechtsmittels nicht bedienen, was Wir im einundzwanzigsten Capitel, §. 34, zur Hintanhaltung einer wesentlichen Beschädigung eingeraumet haben. Wenn es jedoch erweislich wäre, daß der neue Bau ohne einigen daraus anzuhoffenden Nutzen oder Bequemlichkeit einzig und allein zur Bekränkung des Nachbars unternommen werde, so soll ein solcher Neidbau nicht geduldet werden.


(308) [2, 25] §. 16. Niemanden ist erlaubet, nicht nur in einer fremden, sondern auch in seiner eigenthümlichen Mauer gegen seines Nachbars Hof oder Garten Fenster zu bauen oder die vorhin bestandenen Fenster zu vergrößern; widrigens kann der Nachbar nicht nur deren Vermauerung oder Wiederherstellung in den vorigen Stand gerichtlich ansuchen, sondern auch selbe eigenmächtig verfinstern, oder wie sonst immer vermachen und verlegen.

[2, 25] §. 17. Hat aber der Nachbar sich verpflichtet, dergleichen Fenster gegen seinen Grund zu leiden, so darf er weder bauen, noch sonst etwas thun, wodurch der Andere in seiner erworbenen Gerechtigkeit benachtheiliget würde; dahingegen liegt dem Eigenthümer dieser Fenster allezeit ob, selbe wider alle Gefahr, so dem dienstbaren Grunde wegen dieser Fenster zugehen könnte, wohl zu verwahren, und wenn ein Schaden geschehen, dessen Abwendung in seiner Macht gewesen, so muß er dafür haften.

[2, 25] §. 18. Durch diese Dienstbarkeit wird kein mehreres Recht erworben, als was in der Bestellung zugesagt worden; wenn dahero die Fenster mit ausdrücklicher Beschränkung auf den alleinigen Einfall des Lichts erlaubt worden, so müssen sie dergestalten von dem Boden erhöhet werden, daß Niemand sich der Aussicht bedienen könne, und in diesem Falle kann auch dem Nachbar nicht verwehret werden, auf dieser Seite zu bauen, wofern nur sein Gebäu nicht bis an die Fenster reichet.

[2, 25] §. 19. Wenn hingegen Jemanden das Recht, in des Nachbars Grund Fenster zu haben, ohne Beschränkung verstattet worden, so können selbe nicht nur zum Einfalle des Lichts, sondern auch zur Aussicht gerichtet werden, und in diesem Falle, gleichwie auch in allen anderen Fällen, wo der Nachbar sich gegen Jemanden verbindlich gemacht hat, ihm die Aussicht entweder auf ein gewisses benanntes Ort oder überhaupt auf alle herumliegenden Gegenden nicht zu benehmen, kann derselbe nichts thun, wodurch diese Aussicht benommen oder auch nur in ihrer Freiheit und Annehmlichkeit vermindert würde.

[2, 25] §. 20. Auch ist Niemand befugt, die Dachtropfen von seinem Hause auf des Nachbars Grund fallen zu lassen, das Regenwasser dahin abzuleiten, oder mit diesem Wasser auf seinem Grunde etwas vorzunehmen, wodurch der Nachbar beschädiget würde. Wenn aber der Nachbar seinen Grund zu Einem oder dem Anderen verbindlich gemacht hat, so muß er den Abfall oder die Ableitung des Regenwassers ohngehindert verstatten; doch ist dem Herrn des herrschenden Gebäudes nicht erlaubt, das Dach oder die Rinnen in des Nachbars Grund weiter hinaus zu erstrecken, noch auch außer dem Regenwasser andere Unsauberkeiten dahin abzuführen oder die Beschwerde des dienstbaren Grundes auf andere Art zu vermehren. Besonders aber ist er schuldig, durch zeitliche Abwerfung und Hinwegräumung des Schnees der Beschädigung des dienstbaren Grundes durch das angehäufte Gewässer vorzukommen.

[2, 25] §. 21. Wenn die Rinnen auf einer gemeinschaftlichen Mauer oder zwischen beiden Dächern liegen, so haben beide Theile die Unkosten zu deren Legung und Ausbesserung gleich zu tragen; sonst fällt dem dienstbaren Grunde nichts davon zur Last. Die Röhr- und Wasserkästen aber, worinnen das abfallende Wasser gesammlet wird, wie auch die Röhren zu dessen Ableitung muß Jener besorgen, in dessen Grunde sie geleget sind.

[2, 25] §. 22. Hätte hingegen Jemand von seinem Nachbar die Gerechtigkeit erworben, daß dieser ihm die Sammlung und Abführung des Regenwassers zum Nutzen seines Grundes gestatten müsse, so kann ihm der Herr des dienstbaren Gebäudes dieses Regenwasser nicht vorenthalten, noch dasselbe zu seinem eigenen Gebrauche verwenden. In diesem Falle hat Derjenige, deme das Wasser zu Nutzen kommt, alle Rinnen, Röhren und Wasserkästen allein zu besorgen.


(309) [2, 25] §. 23. Ferner ist Niemand, ohne eine ihm eigends bestellte Dienstbarkeit berechtiget, den Rauch aus seinem Hause in des Nachbars Rauchfang zu leiten, oder seinen Rauchfang durch des Nachbars Mauer oder in dessen Grund zu führen. Den Rauch von den gemeinen Herdstätten, wie auch von der gewöhnlichen Beheizung, der durch die ordentlichen Rauchfänge seinen Ausgang hat, ist ein jeder Nachbar, auch ohne Bestellung einer Dienstbarkeit, von dem Anderen zu ertragen bemüssiget, nicht aber auch einen außerordentlichen Rauch aus Röhren, Löchern und anderen ungeziemenden Oeffnungen, noch auch von Bräuhäusern, Backöfen und derlei Handwerken, allda wo selbe vorhin nicht gewesen; außer in jenen Orten, wo ein solches von der Obrigkeit auf vorläufige Anzeige auch ohne Vernehmung der Nachbarschaft verstattet zu werden pfleget.

[2, 25] §. 24. Gleichergestalten darf Niemand nahe an des Nachbars Haus oder Grund neue Senk- oder Mistgruben anlegen, wenn selbe nicht von dem benachbarten Grunde so weit entfernet und anbei so gut vermauret sind, daß aller daher rührenden Beschädigung und Ungemächlichkeit vorgebogen wird; umsoweniger ist er befugt, derlei Gruben auf fremden Grunde zu haben, oder auf des Nachbars Grund Mist, Unrath oder andere Unsauberkeiten zu legen, zu werfen oder auszugießen, wenn ihm nicht Eines oder das Andere durch eine besondere Dienstbarkeit verstattet worden.

[2, 25] §. 25. Unter die gemeineren Felddienstbarkeiten gehöret erstens, wenn Jemand das Recht hat, über einen fremden Grund einen Fußsteig, die Viehtrift oder einen Weg zu haben. Ohne eine solche bestellte Dienstbarkeit ist Niemand gehalten, einem Anderen den Durchgang über seinen Grund und Boden zu verstatten, wenn nicht eine solche Ursache unterwaltet, wegen welcher die unschädliche Betretung des nachbarlichen Grundes auf vorläufige Begrüßung der Billigkeit nach nicht versaget werden kann.

[2, 25] §. 26. Wer über einen fremden Grund das Recht eines Fußsteigs, Stegs oder des Durchgangs hat, der kann sich dessen zu Fuß und zu Pferde oder auch in einem Tragsessel, nicht aber mit einem Wagen gebrauchen. Dieser Durchgang gebühret nicht nur ihm, sondern auch seinen Hausgenossen, Dienst- und Arbeitsleuten, wie auch Fremden, wenn diese ihn besuchen oder in seinem Geleite gehen.

[2, 25] §. 27. Wer das Recht des Viehtriebs hat, der kann seine Pferde, Rinder, Schafe und Schweine, nicht aber auch das Federvieh über den dienstbaren Grund treiben, ingleichen kann er sich dieses Grundes auch ohne Vieh zum blosen Durchgange bedienen; doch darf er sich keines Fuhrwerks gebrauchen, Bäume oder andere Lasten führen, schleifen oder etwas tragen lassen, wodurch der dienstbare Grund beschädiget würde, auch stehet ihm nicht zu, sein Vieh daselbst zu hüten oder ruhen zu lassen. Was jedoch das Vieh während dem Triebe von dem Grase genießet, darüber mag keine Beschwerde geführet werden, wenn nur der ordentliche Trieb gehalten, und das Vieh von den Aeckern, Wiesen und Gärten behörig abgekehret wird.

[2, 25] §. 28. Wem aber das Recht eingestanden worden, über des Nachbars Grund einen Weg zu haben, der kann darüber fahren, Lasten führen und schleifen lassen, wie dann auch diese Dienstbarkeit, sowohl den Viehtrieb, als den Durchgang in sich schließet; doch muß ein Jeder, dem eine von diesen drei Dienstbarkeiten bestellet worden, sich allem Demjenigen nachachten, was durch Unsere anderweite Verordnungen wegen Bewandlung öffentlicher Wege und Straßen vorgeschrieben ist.

[2, 25] §. 29. Ein Fahrweg muß in der Höhe so viel Raum haben, daß mit hoch beladenen Wägen, oder mit dem in der Bestellung besonders bestimmten Fuhrwerke ohne Hinderniß darauf gefahren werden könne; der Durchgang aber, wie auch der Viehtrieb erfodern nur die gemeine Höhe eines Mannes. Die Breite sowohl des Einen, als der Anderen ist allezeit nach dem Landesbrauche und nach Erforderniß des üblichen Fuhrwerks auszumessen.


(310) [2, 25] §. 30. Wem eine von den oberwähnten Dienstbarkeiten gebühret, der kann Brücken und Stege bauen, den Weg ausbessern und Alles vorkehren, was zu freier und bequemer Ausübung seines Rechtes nöthig ist. Würde aber der Gebrauch der Dienstbarkeit an dem Orte des dienstbaren Grundes, wo selbe bis dahin ausgeübet worden, durch Ueberschwemmung oder andere Zufälle verhindert, oder der Weg gar unwandelbar, so ist der Herr des dienstbaren Grundes schuldig, bis zur Wiederherstellung des vorigen Weges einen anderen gelegenen Ort dazu anzuweisen; außer wenn die Dienstbarkeit auf einen gewissen Bezirk des dienstbaren Grundes beschränket worden, und dieser ganze Bezirk unwandelbar wäre.

[2, 25] §. 31. Unter diese Dienstbarkeiten gehöret auch das Recht, aus einem fremden Brunnen oder Bache Wasser zu schöpfen. Wer dieses Recht hat, der hat auch den freien Zugang zum Bache oder zum Brunnen; doch darf er weder das Wasser durch Röhren oder Rinnen auf seinen Grund leiten, noch auf des Nachbars Grunde sich eines Fuhrwerks bedienen, wenn es nicht eigends verstattet worden, oder aus der Größe der in der Bestellung benannten Gefäße geschlossen werden mag.

[2, 25] §. 32. Ferner gehöret auch das Recht der Wasserleitung hieher, nemlich wenn Jemand die Befugniß hat, das Wasser von des Nachbars Grunde oder durch denselben zur Nothdurft seines Grundes herzuzuleiten, oder aber, wenn er befugt ist, das überflüssige Wasser von seinem Grunde durch des Nachbars Grund abzuleiten. Wem eine oder die andere Dienstbarkeit gebühret, dem lieget auch ob, die benöthigten Rinnen, Röhren, Gräben und Dämme machen und ausbessern zu lassen, und der Herr des dienstbaren Grundes kann weder den Arbeitsleuten den Durchgang, noch die Zufuhr der nöthigen Geräthschaften verwehren.

[2, 25] §. 33. Doch darf Derjenige, der das Recht hat, fremdes Wasser auf seinen Grund herzuzuleiten, diese Leitung nicht zum Behufe fremder Gründe oder auch seiner anderen Gründe, denen diese Dienstbarkeit nicht bestellet worden, gebrauchen; obwohl ihm frei stehet, das auf seinem Grunde geleitete Wasser von dannen wiederum abzuleiten, wenn nur andurch die Maß der ihm gebührenden Dienstbarkeit nicht überschritten wird. Ebenso darf Derjenige, der das Recht hat, das Wasser von seinem Grunde durch des Nachbars Grund abzuleiten, blos jenes Wasser abführen, welches sich aus natürlichen Ursachen auf seinem Grunde sammlet; keineswegs aber ist er befugt, zur Erschwerung der Dienstbarkeit, das Wasser aus anderen Gründen zu sammlen. Ueberhaupt aber ist die Maß dieser Dienstbarkeit nach dem bisherigen ungestörten Gebrauche, und wo dieser zweifelhaft ist, nach der Billigkeit mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des einen und auf die mindere Beschwerde des anderen Grundes zu bestimmen.

[2, 25] §. 34. Eine ähnliche Dienstbarkeit ist alsdann nothwendig, wenn Jemand das durch seinen natürlichen Lauf aus einem fremden Grunde in den seinigen abfließende Wasser unverändert erhalten und dessen Abgrabung oder Ableitung zuvorkommen will; außer deme ist ein Jeder befugt, die auf seinem Grunde und Boden entspringenden Quellen, obschon sie noch so lange Zeit in des Nachbars Grund geflossen, nach Gefallen abzugraben, anderst wohin zu leiten, auszutrocknen und zu verstopfen, wenn nicht das gemeine Beste deren unveränderten Lauf erheischet.

[2, 25] §. 35. Ingleichen ist es eine Felddienstbarkeit, wenn Jemanden das Recht gegeben worden, sein Vieh auf fremden Grunde zu weiden. Dieses Recht erstrecket sich auf alles Vieh, was heerdeweis getrieben wird; doch sind in waldigen Gegenden die Ziegen allezeit ausgenommen. Die Anzahl des Viehes ist entweder nach deme zu bestimmen, was zur Zeit der Bestellung wirklich vorhanden gewesen, oder was nach dem damaligen Stande des herrschenden Grundes füglich ausgehalten werden können. Ist aber dieses Recht durch Verjährung erworben worden, so beschränket es sich blos auf die Gattung und Anzahl, welche damals vorhanden gewesen.


(311) [2, 25] §. 36. Das Recht der Weide gebühret an allen Orten, wo der Eigenthümer des dienstbaren Grundes sein Vieh zu hüten pfleget; die Maß und Zeit ist nach dem Landesgebrauche auszumessen. Auf Frucht tragenden Gründen aber soll die Weide niemals als nach Einsammlung der Früchte verstattet werden; bis dahin stehet dem Eigenthümer frei, selbe mit Zäunen oder auf sonstige Art zu verwahren.

[2, 25] §. 37. Wer das Recht der Weide auf fremden Gründen hat, der darf dasselbe auf keinerlei Weise an Andere überlassen, noch auch fremdes Vieh auf dem dienstbaren Grunde hüten; umsoweniger aber ist er befugt, das Gras abzumähen, oder den dienstbaren Grund zu einem anderen Gebrauche als zur Weide anzuwenden.

[2, 25] §. 38. Der Herr des dienstbaren Grundes hingegen kann denselben weder zu Aeckern, Wiesen, Gärten, Teichen machen; außer wenn er andere eben so wohl gelegene Felder zur Weide liegen läßt, noch auch sonst etwas thun, wodurch das dem Anderen gebührende Recht geschmälert oder verhindert würde. Sein eigenes Vieh aber kann er allezeit mit dahin treiben, wenn nicht der Andere seinen ausschließenden Gebrauch zu erweisen vermag. Wenn jedoch die Weide für beider Herren Vieh nicht zureichete, so soll das Gericht die Anzahl, die ein Jeder allda zu weiden hat, nach Zulänglichkeit des Grundes ausmessen.

[2, 25] §. 39. Wenn mehrere Nachbarn mit allseitiger Einverständniß ihr Vieh auf ihren Gründen gemeinschaftlich weiden, so kann daraus keine Dienstbarkeit gefolget werden, sondern ein Jeder ist berechtigt, auch nach noch so langer Zeit fremdes Vieh von seinen Gründen auszuschließen, wenn nicht eine rechtmäßig bestellte oder verjährte Dienstbarkeit erwiesen werden kann, oder die ohnausweichliche Nothdurft wegen vermischter Lage der Gründe eine gemeinschaftliche Weide erfodert.

[2, 25] §. 40. Doch darf in allen diesen Gattungen der gemeinschaftlichen Weide Keiner dem Andern mit übermäßigem oder ungesundem Viehe beschwerlich fallen; widrigens mag der Eigenthümer des Grundes, oder wer sonst zur Weide mitberechtiget ist, nicht nur das überzählige oder schadhafte Vieh abtreiben, sondern auch den Ersatz des an seinem Viehe andurch zugefügten Schadens anfodern.

[2, 25] §. 41. Was endlich die Dienstbarkeit, wodurch ein Gut dem anderen zur Leistung gewisser Frohndienste verbunden ist, die Zwang- und Bannrechte, vermöge welcher ein Gut oder eine Gemeinde sich verbindlich gemacht hat, gewisse Bedürfnisse nirgends anderst woher, als von dem herrschenden Gute zu nehmen, das Zehendrecht auf fremden Gründen und viele andere Dienstbarkeiten anbelangt, so ist dabei die Art, Maß und Zeit aus dem Vertrage zu entnehmen, oder aus dem steten und ohnunterbrochenem Gebrauche zu entscheiden, oder nach der Gewohnheit des Landes zu bestimmen.

[2, 25] §. 42. Alle Eigenschaften, so Wir in dem vorigen und in dem gegenwärtigen Capitel bei den verschiedenen darinnen besonders berührten Dienstbarkeiten festgesetzet haben, sind nur von jenem Falle zu verstehen, wenn bei der Bestellung nicht ein Anderes ausbedungen worden. Durch einen solchen ausdrücklichen Vertrag aber kann ein Jeder sowohl einen Theil der Last vermindern, zu welcher ihn die bestellte Dienstbarkeit ihrer Natur nach verbunden hätte, als auch sich eine größere Last aufbürden, als ihm sonst obgelegen wäre.


(312) Sechsundzwanzigstes Capitel.

Vom Pfandrechte.

[2, 26] §. 1. Das letzte der an fremden Sachen gebührenden Rechte ist das Pfandrecht. Dieses Recht hat ein Gläubiger an derjenigen Sache, woran ihm zur Sicherheit seiner Forderung entweder von dem Schuldner selbst, oder von einem Andern für den Schuldner ein Pfand (eine Hypothek) bestellet worden; doch erwirbt er das Pfandrecht nicht eher, als bis die Sache, wenn sie beweglich ist, wirklich übergeben, oder bis die Pfandverschreibung auf ein liegendes Gut bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet worden.

[2, 26] §. 2. Welchergestalten dem Gläubiger in einigen Fällen durch gerichtliche Verordnung ein Pfandrecht bestellet werde, ist aus Unserer Gerichtsordnung zu ersehen. Was aber jene Fälle anbetrifft, in welchen dem Gläubiger durch die vorherigen Gesetze an dem Gute des Schuldners ein stillschweigendes Pfandrecht gegeben würde, so wollen Wir ein solches stillschweigendes Pfandrecht hiemit gänzlich aufgehoben haben; nur allein soll dasselbe künftighin noch in folgenden zweien Fällen bestehen.

[2, 26] §. 3. Erstens soll ein jeder Grund für die ausständigen Steuern und Landesanlagen, für die davon zu entrichtenden Erb- und Grundzinsen, wie auch für die davon gebührende Lehenwaare oder sogenannte Ehrungen mit einem stillschweigenden Pfandrechte behaftet sein; doch soll sich dasselbe blos auf denjenigen Grund, auf welchen die erstgedachten Lasten haften, nicht aber auch auf einen andern Grund erstrecken, obwohl er dem nämlichen Eigenthümer zugehörig wäre.

[2, 26] §. 4. Zweitens soll einem Verpachter (Bestandgeber) für den schuldigen Bestandzins, imgleichen für die an dem in Pacht gegebenen Gute zugefügten Beschädigungen, wenn ihm dafür kein ausdrückliches Unterpfand bestellet worden, oder dasselbe unzulänglich ist, an allem deme ein stillschweigendes Unterpfand gebühren, was der Pachter (Bestandmann) in das gepachtete Gut, Haus, Wohnung, Boden, Keller, Gewölb hineingebracht, und ihm eigenthümlich zugehöret, wie auch an allen Früchten und Vorräthen, so von diesem Gute erzeuget worden, so viel von Einem und dem Andern zur Zeit der angelegten gerichtlichen Sperr allda befindlich ist.

[2, 26] §. 5. Dahingegen wird jenes unter dieser stillschweigenden Hypothek nicht begriffen, was der Pachter von den allda vorhandenen Sachen schon vorhin veräußert hat, obschon es noch unter seinen übrigen Sachen allda vorgefunden würde, ferner, was er vorher hinweggebracht, obschon es ihm noch zugehörte, und umsoweniger alles das, was nicht dem Pachter, sondern einem Dritten, oder auch seinem Weibe, Kindern und Hausgenossen, oder Jemanden, der von ihm ohnentgeltlich in die gemeinschaftliche Wohnung genommen worden, zugehöret. Auch soll sich diese Hypothek nicht auf Schuld- und Wechselbriefe, noch auch auf andere Urkunden erstrecken, welche zum Beweise einer Forderung oder eines sonstigen Rechts gehören.

[2, 26] §. 6. Hätte aber der Pachter das gepachtete Gut, Haus oder Wohnung wieder an einen Andern ganz oder zum Theile in Bestand verlassen, so werden die dahin gebrachten Sachen des Afterpachters nicht nur dem zweiten, sondern auch dem ersten Verpachter mit einer stillschweigenden Hypothek verfangen, doch, außer einem von dem Afterpachter selbst an dem Gute verursachten Schaden, für keinen höheren Betrag, als welcher bei dem Afterpachter annoch ausständig ist.

[2, 26] §. 7. Der Verpachter ist zwar befugt, bei wahrgenommener Gefährde alle Verschleppung, Vertuschung und öffentliche oder heimliche Hinwegtragung der Fahrnissen


(313) auf alle thunliche Art zu verwehren; allein weiter darf er nicht eigenmächtig vorgehen, noch sich bei ermangelnder Zahlung aus den vorgefundenen Habschaften selbst bezahlt machen, sondern er ist schuldig, sich allem deme nachzuachten, was Wir wegen Veräußerung anderer Pfänder im dritten Theile, siebenten Capitel, anordnen.

[2, 26] §. 8. Wenn das Pfandrecht an einer Sache erworben worden, so behaftet es die Sache, und gehet mit derselben auf einen jeden Besitzer; doch hat der Gläubiger bei einer auf unbeweglichen Gütern verschriebenen Hypothek zu Verfolgung dieses seines Rechts keiner besonderen Rechtsfoderung nöthig, sondern er kann sich bis zu seiner Befriedigung auf eine ganz gleiche Art an dem verschriebenen Gute halten, ohne Rücksicht, ob dasselbe sich in den Händen seines Schuldners, oder eines Dritten befinde.

[2, 26] §. 9. Wenn aber dem Gläubiger eine bewegliche Sache zum Pfande gegeben worden, und dieselbe ihm wider seinen Willen aus den Händen gekommen wäre oder widerrechtlich vorenthalten würde, so gebühret ihm wider einen jeden Inhaber, wie auch wider den Eigenthümer selbst die Rechtsfoderung zur Ausfolgung der verpfändeten Sache sammt allen Zugehörungen; die vom Beklagten mittlerweile behobenen Nutzungen können jedoch nur alsdann abgefodert werden, wenn sie entweder mit verpfändet worden, oder das Pfand sonst zur Sicherheit des Gläubigers nicht zureichet.

[2, 26] §. 10. Bei dieser Rechtsfoderung muß der Kläger das ihm gebührende Pfandrecht und den Besitz des Beklagten erweisen. Wenn jedoch der Beklagte sich des Besitzes geflissentlich entäußert, oder sich für den Besitzer der Sache fälschlich ausgegeben hätte, so hat alles jenes statt, was wir oben im zweiten Capitel, §. 7 und den folgenden, festgesetzet haben, und wenn die Sache während dem Rechtsstritte zu Grunde gegangen oder deren Besitz sonst verloren worden wäre, so ist abermals nach eben jenen Grundsätzen vorzugehen, die Wir in ersterwähntem Capitel, §. 17, 18 und 20, vorgeschrieben haben.

[2, 26] §. 11. In den Fällen, wo der Beklagte zu Erstattung des Werths verhalten wird, ist dem Kläger davon nichts mehr zu verabfolgen, als was seine Schuldfoderung mit Zinsen, Schäden und Unkosten beträgt; das Uebrige ist so lang in gerichtlichem Beschlage zu halten, bis der Eigenthümer sich darum meldet, und wenn der Beklagte der Eigenthümer selbst ist, oder wenn derselbe mit dem Eigenthümer wegen des Ueberrestes ein Einverständniß getroffen hätte, so mag ihm nichts mehr als die Befriedigung des Gläubigers auferleget werden.

[2, 26] §. 12. Der Beklagte hingegen kann sich wider die von dem Gläubiger angebrachte Rechtsfoderung durch alle jene Einwendungen schützen, durch welche er erweisen kann, daß dem Kläger entweder an dieser Sache kein Pfandrecht habe bestellet werden können, oder daß dasselbe wieder erloschen sei. Von diesen Fällen, wie auch von mehreren Befugnissen, so dem Gläubiger aus dem Pfandrechte erwachsen, und von allen übrigen hier einschlagenden Fragen werden wir im dritten Theile, siebenten Capitel, weitläufiger anordnen.


(314) Dritter Theil.

Erstes Capitel.

Von Verträgen und den daraus entstehenden Verbindungen überhaupt.

[3, 1] §. 1. Nicht die Pflichten und Schuldigkeiten, wozu ein Jeder nach seinem Stande durch Unsere Gesetze unmittelbar verbunden ist, sondern die persönlichen Verbindungen, wozu Jemand durch seine eigene Zuthat mitwirket, machen den Gegenstand Unserer künftigen Anordnungen aus.

[3, 1] §. 2. Eine der hauptsächlichsten Quellen der Verbindungen sind die Verträge. Verträge einzugehen und nicht einzugehen stehet Jedermann frei, allein wenn Jemand einen Vertrag eingegangen hat, so ist er schuldig, denselben zu erfüllen, und Jenem, deme er sich dadurch verbindlich gemacht hat, erwächst ein Recht daraus, ihn zu dessen Erfüllung anzuhalten.

[3, 1] §. 3. Niemand kann sich durch einen Vertrag zu etwas verbindlich machen, deme es an Vernunft und Kenntniß dessen, was gehandlet wird, gebricht, nemlich Kinder, Blödsinnige, Wahnwitzige, wie auch übermäßig Berauschte; wenn jedoch Jemand den Gebrauch seines Verstandes durch einen Zufall verloren hat, so bleiben die vorhero bei gesunder Vernunft eingegangenen Verbindungen bei Kräften, insoweit der erfolgte Zufall an deren Erfüllung nicht hinderlich ist.

[3, 1] §. 4. Ebenso, wenn der Wahnwitz oder die Blödsinnigkeit nicht beständig anhält, sondern zu Zeiten den Gebrauch des Verstandes gestattet, stehet den bei solchen heiteren Stunden getroffenen Verbindungen nichts im Wege; außer wenn ein solcher Wahnwitziger mit einem ihm gerichtlich zugegebenen Curator versehen ist.

[3, 1] §. 5. Wer eine eingegangene Verbindung wegen eines zufälligen Wahnwitzes oder wegen übermäßiger Trunkenheit entkräften will, der muß erweisen, daß selbe in der Sinnlosigkeit oder im Rausche eingegangen worden; wenn jedoch auch etwas während dem Wahnwitze oder Rausche verabredet worden, so gelanget es doch vollständig zu Kräften, wenn es nachhero bei gesunder Vernunft beangenehmet wird.

[3, 1] §. 6. Welchergestalten Minderjährige und Andere, so der freien Schaltung mit ihrem Vermögen beraubt sind, wie auch Jene, so an gewissen Sachen nur ein beschränktes Eigenthum haben, in Betreff dieser Sachen Verträge eingehen und nicht eingehen können, haben Wir an den behörigen Orten bereits bestimmet. Wir wollen aber nebst deme, was Wir wegen Veräußerung der Stiftungs- und gemeinen Güter im zweiten Theile, ersten Capitel, §. 10 und 43, geordnet haben, noch für allgemein festsetzen, daß Unsere landesfürstlichen Städte und Märkte, wie


(315) auch die Vorsteher anderer Gemeinden und milden Stiftungen auch in allen jenen Fällen, wo es auf die Begebung eines der Gemeinde oder Stiftung zustehenden Rechts, auf die Einschuldung oder auf eine sonstige der Gemeinde oder Stiftung für beständig zugehende Schuldigkeit ankommt, nicht befugt sein sollen, ohne Unser höchste Einsicht und Bestätigung einen Vertrag zu schließen; doch lassen Wir es in Ansehung unterthäniger Städte, Märkte und anderer Gemeinden bei der Verfassung eines jeden Landes bewenden.

[3, 1] §. 7. Mehrere Beschränkungen in Ansehung einiger Personen, welche entweder in gewisser Maß, oder eine gewisse Art von Verbindungen einzugehen verhindert werden, sind aus Unseren in den folgenden Capiteln enthaltenen Anordnungen zu entnehmen; außer diesen aber kann ein Jeder, er sei Mann oder Weib, sich nach Gefallen verbinden, wenn er gleich blind, stumm oder mit einem sonstigen Gebrechen behaftet ist, wofern er nur einwilligen, und seine Einwilligung durch deutliche Zeichen ausdrücken kann.

[3, 1] §. 8. An der Einwilligung des einen Theils ist es nicht genug, sondern auch der andere Theil muß einwilligen und dieses nicht nur alsdann, wenn ein jeder Theil sich gegen den Anderen zu etwas verbindlich macht, sondern auch, wenn der eine Theil, ohne sich im mindesten verbindlich zu machen, blos das ihm aus der Verbindung des Anderen zukommende Recht erwerben will.

[3, 1] §. 9. Aus der Handlung eines Anderen kann weder Jemand verbindlich gemacht, noch auch Jemanden ein Recht erworben werden, wenn nicht Jener, der den Vertrag in des Anderen Namen eingegangen, entweder durch Unsere Gesetze oder durch einen ihm eigends gemachten Auftrag zu dieser Handlung bevollmächtiget ist, oder wenn nicht Derjenige, in dessen Namen von einem Anderen etwas vorgenommen worden, dasselbe nachhero gutgeheißen hat. So hat auch Niemand für den durch die Handlungen eines Anderen Jemanden zugezogenen Schaden zu haften, wenn schon derselbe seiner Gewalt oder Obsorge übergeben wäre; außer wenn er durch einen solchen zum Nachtheile eines Anderen etwas geschehen läßt, was zu verhüten in seiner Macht gestanden, oder wenn er etwas zu verrichten anbefiehlt, was zu des Anderen Schaden ausschlägt, oder wenn er sich zu seinen Verrichtungen wissentlich böser Leute bedienet.

[3, 1] §. 10. Die Einwilligung möge durch deutliche Kennzeichen ausgedrücket oder stillschweigend zu erkennen gegeben werden, so ist sie hinreichend. Geschiehet es durch Worte, so müssen diese klar, deutlich und auf die vorseiende Handlung gerichtet sein, es schadet aber nichts, wenn schon ein Theil der Sprache des Anderen nicht kundig ist, wofern nur dem Einen der Sinn und Verstand der anderseitigen Aeußerung getreulich verdolmetschet oder dessen Einwilligung durch andere Kennzeichen an Tag geleget wird.

[3, 1] §. 11. Durch einen Brief oder Zettel mag nur alsdann ein Vertrag für geschlossen gehalten werden, wenn die Schrift oder wenigstens die Unterschrift ungezweiflet von der Hand Desjenigen ist, der seine Einwilligung dadurch erkläret. Ist die Einwilligung des einen Theils, an den das Schreiben gerichtet ist, bereits vorhergegangen, so erlanget der Vertrag alsofort seine rechtsbeständige Giltigkeit, sobald der andere Theil das Schreiben erlassen, obschon zur Zeit, da er dasselbe überkommt, der Briefsteller oder auch Jener, an den der Brief gestellet ist, verstorben wäre, wenn nur dieser Letztere bis zu jener Zeit, da der Brief erlassen worden, gelebt hat und in den vorherigen Gesinnungen geblieben ist. Wenn hingegen dieser Letztere vorhero noch nicht eingewilliget hat, so gelanget der Vertrag erst alsdann zu seiner Kraft, wenn zu der Zeit, da der Brief ankommt, sowohl der Briefsteller, als Jener, an den derselbe gestellet ist, noch leben, wenn der Erstere seine Gesinnung bis dahin nicht widerrufen hat, und wenn der Letztere ebenfalls seine Einwilligung von sich giebt.


(316) [3, 1] §. 12. Urkunden und schriftliche Aufsätze gehören nicht zur Wesenheit des geschlossenen Vertrags, sondern dieser bestehet, sobald beide Theile sich über die Sache selbst geeiniget haben, und dieses nicht nur, wenn der Vertrag eine bewegliche Sache betrifft, sondern auch, wenn er auf die Veräußerung, Uebertragung und Behaftung liegender Güter und auf liegenden Gütern haftender Rechte gerichtet ist. Die Einverleibung eines solchen Vertrages in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher gehöret nur zu dessen Vollziehung, und ein jeder Theil ist befugt, den Anderen zu dieser Einverleibung gerichtlich anzuhalten.

[3, 1] §. 13. Wenn jedoch die Handlung vor Ausfertigung des schriftlichen Aufsatzes blos in unverfänglichen Berednissen und Vorbereitungen des Vertrags bestanden, oder wenn beide Theile ausdrücklich dahin übereinkommen sind, daß sie sich nicht anderst als schriftlich gegeneinander verbinden wollen, so kommt der Vertrag erst durch Errichtung des schriftlichen Aufsatzes zu Stande, und bis dahin stehet jedem Theile frei, gegen Zurückstellung dessen, was er etwas von dem Anderen in Absicht auf den vorgewiesenen Vertrag bereits empfangen, von der Handlung abzugehen.

[3, 1] §. 14. Urkunden, so von den Contrahenten blos unter sich errichtet werden, erfodern keine besondere Feierlichkeit, wenn sie nur die Handlung deutlich ausdrücken und von dem Aussteller eigenhändig unterschrieben sind; bei jenen, so von öffentlichen Notarien errichtet werden, ist die an seinem Orte vorgeschriebene Form zu beobachten. Welchergestalten aber die zu der Einverleibung liegender Güter gehörige Urkunden einzurichten seien, da wollen Wir es zwar in Ansehung der Einverleibung in die Grundbücher außer deme, was Wir im zweiten Theile, fünften Capitel, §. 9, für allgemein geordnet haben, und bei einigen verbindlichen Handlungen in der Folge noch besonders anordnen werden, im Uebrigen nach eines jeden Landes Verfassung bei der bisherigen Beobachtung bewenden lassen.

[3, 1] §. 15. Dahingegen sollen alle Urkunden, so zur Einverleibung in die Landtafel oder Stadtbücher gebracht werden, für allgemein mit folgenden Erfodernissen versehen sein. Erstens soll die Befugniß, daß die Einverleibung dieser Urkunden auch ohne Beisein des einen oder anderen Theils geschehen möge, ausdrücklich darinnen enthalten sein. Zweitens soll die Urkunde von beiden Theilen eigenhändig unterschrieben und ihr Petschaft beigedrücket sein. Drittens soll selbe annoch von zween Zeugen mit Hand und Petschaft gefertiget sein; doch ist die Gegenwart der Zeugen bei Schließung des Vertrages, oder auch bei Ausfertigung der Urkunde nicht nothwendig, wofern sie nur sonst von der Seite Desjenigen, der durch die Urkunde verbindlich gemacht wird, zuverlässig wissen, daß der Vertrag so, wie die Urkunde besagt, geschlossen worden sei.

[3, 1] §. 16. Wenn eine von diesen Erfodernissen ermanglet, so soll die Urkunde nicht eher einverleibet werden, als bis das Abgängige nachgetragen worden; wenn aber eine Urkunde, welche alle übrigen Erfodernissen hat, bloserdings die Befugniß der anzusuchenden Einverleibung nicht in sich enthält, und dieser Abgang von den Contrahenten nicht mehr ersetzet werden kann, so soll die Einverleibung nicht anderst, als mit Unserer Bewilligung vorgenommen werden. Wäre hingegen diese Befugniß zwar beigefüget, doch nicht dabei ausgedrücket, daß die Einverleibung auch ohne Beisein des einen oder anderen Theils geschehen möge, so soll das Gericht auf Anlangen Desjenigen, der die Einverleibung ansuchet, den Anderen vernehmen, und wenn er in die Einverleibung nicht willigen will, nach befundenen Bestand oder Unbestand der von ihm vorgebrachten Weigerungsursachen die Einverleibung entweder abschlagen oder vollziehen.

[3, 1] §. 17. Wenn die Einwilligung in einen Vertrag durch mündliche Botschaft erkläret wird, so ist ebenfalls der Unterschied zu machen, ob Derjenige, an den der Bote geschickt wird, vorhero eingewilliget habe oder nicht. Im ersten Falle erhält der Vertrag alsofort seine Kraft, da dem Boten die Ueberbringung der Einwilligung


(317) aufgegeben worden; im zweiten Falle aber gelanget der Vertrag an jenem Orte zu seiner Bündigkeit, wo der Bote Demjenigen, an den er abgeschicket worden, seinen Auftrag eröffnet, und dieser seine gleichmäßige Einwilligung zu erkennen giebt, wie Wir darüber im Falle des §. 12 mit Mehreren geordnet haben.

[3, 1] §. 18. Würde aber hernach entweder die Richtigkeit des Auftrags selbst, oder dessen Inhalt widersprochen, so muß derselbe durch Vorzeigung des schriftlichen Auftrags, oder wenn keiner vorhanden ist, durch die Aussage des Botens, wenn ihm sonst nichts Erhebliches im Wege stehet, und wenigstens noch eines tüchtigen Zeugens oder auf andere rechtsbeständige Art erwiesen werden; hätte hingegen der Bote nicht getreulich gehandlet, und andurch einen oder den anderen Theil in Schaden versetzet, so muß er demselben dafür haften.

[3, 1] §. 19. Durch einen Handschlag wird die Einwilligung ebenso rechtsgiltig ausgedrückt, als durch Worte und Schriften; aus dem blosen Deuten aber, es geschehe mit dem Kopfe, Augen oder Händen kann die Einwilligung anderst nicht gefolgert werden, als wenn die Umstände die Vermuthung machen, daß bei dem Deutenden eine ernstliche Einwilligung vorhanden sei, und er selbe durch sein Deuten zu erkennen geben wolle.

[3, 1] §. 20. Wenn aber auch die Einwilligung durch keines von allen in Handel und Wandel gewöhnlichen Zeichen ausgedrücket würde, so ist doch eine stillschweigende Einwilligung von gleicher Kraft und Wirkung, wenn nemlich entweder aus dem blosen Stillschweigen oder aus einer auf die Handlung gerichteten That eine wahre Einwilligung geschlossen werden kann.

[3, 1] §. 21. Bei dem blosen Stillschweigen ist der Unterschied zu machen, ob die Handlung lediglich zum Vortheile des Schweigenden gerichtet sei, oder ob derselbe durch diese Handlung verbindlich gemacht oder ihme ein Recht entzogen werde. Bei den Handlungen erster Art gilt sein Stillschweigen alsofort für eine Einwilligung, da er von deme, was gehandlet worden, Wissenschaft erhält, und deme nicht widerspricht; bei den Handlungen letzter Art hingegen mag das Stillschweigen sonst nicht für eine Einwilligung gehalten werden, als in jenen Fällen, worinnen Wir nach Maß Unserer nachfolgenden Anordnungen dasselbe für eine Einwilligung ausdeuten.

[3, 1] §. 22. Aus einer That kann nur alsdann eine Einwilligung geschlossen werden, wenn die That so beschaffen ist, daß sie, wenn sie nicht als ein Kennzeichen der Einwilligung angesehen würde, durchaus ohne alle Wirkung wäre, oder wenn Unsere Gesetze dieser That die Kraft der Einwilligung beilegen. Wir werden in den folgenden Capiteln mehrere solche Thaten insbesondere berühren.

[3, 1] §. 23. Ueberhaupt aber ist die Unterschrift einer Urkunde oder anderen Schrift als ein Geständniß, Beangenehmung und Einwilligung in alles Dasjenige anzusehen, was darinnen zum Nachtheile des Unterschreibenden enthalten ist; doch höret diese Vermuthung auf, wenn Jemand eine Schrift als Vormund, Sachwalter oder sonst in fremdem Namen unterschreibt, ferner, wenn sein Recht darinnen ausdrücklich verwahret wird, wie auch, wenn er erweisen kann, daß der Inhalt der Schrift ihm unbekannt gewesen. Wenn er jedoch blos aus seiner Schuld den Inhalt nicht gewußt, so mag er sich mit dieser Unwissenheit wider einen Dritten, der andurch an seinem Rechte verkürzet würde, nicht schützen.

[3, 1] §. 24. Umsoweniger mag die Unterschrift dem Unterschreibenden alsdann schaden, wenn ihm erst nachhero ein Recht zufällt, woran zur Zeit der Unterschrift nicht gedacht worden; ebenso kann auch die alleinige Annehmung einer Schrift Niemanden zu einer Verfänglichkeit gereichen, außer in solchen Fällen, wo das blose Stillschweigen für eine Einwilligung genommen wird, oder wo Unsere Gesetze einen ausdrücklichen Widerspruch erfodern.

[3, 1] §. 25. Sobald beide Contrahenten ihre Einwilligung gegeben haben, so hat der Vertrag alsofort seine vollkommene Bündigkeit, und kein Theil kann ohne des


(318) Anderen Einwilligung davon abweichen; doch mag weder die ausdrückliche, noch die stillschweigende Einwilligung eine Verbindlichkeit wirken, wenn sie nicht von aller Forcht und Gewalt, Irrthume, Verstellung, Betrug und Gefährde frei ist. Von der Forcht und Gewalt werden Wir im – Capitel besonders handlen.

[3, 1] §. 26. Wenn der Irrthum von der Beschaffenheit ist, daß der Einwilligende bei Entdeckung seines Irrthums niemals in die Handlung eingewilliget haben würde, so wird die ganze Handlung entkräftet. Wenn hingegen des eingesehenen Irrthums ohngeachtet, die Handlung zwar nicht unterblieben, doch die Einwilligung auf eine andere Art erfolget sein würde, so bestehet die Handlung an sich; doch muß die aus dem Irrthume entsprungene Ungleichheit verbessert, und der dadurch Leidende verhältnißmäßig entschädiget werden, außer wenn derselbe den Mangel leicht hätte einsehen können.

[3, 1] §. 27. Ein Irrthum von der ersten Gattung ist alsdann vorhanden, wenn in dem Vertrage selbst geirret wird, da ein Jeder von den Contrahenten eine ganz unterschiedene Handlung einzugehen vermeinet, ferner, wenn in der Sache selbst geirret wird, so daß der eine Contrahent den Vertrag über eine von der Meinung des anderen Contrahenten ganz verschiedene Sache hat eingehen wollen.

[3, 1] §. 28. Wenn aber der Irrthum nicht in der Sache selbst, sondern in der Wesenheit der Sache beruhet, als da ein Gefäß für Gold gehalten wird, welches nur von Kupfer ist, oder zwar einen wenigen Zusatz von Gold hat, doch daß es für kein Gold gehalten werden mag, oder gegentheils, da ein goldenes Gefäß für vergoldetes Kupfer gehalten würde, so ist zu unterscheiden, ob der Irrthum dem Irrenden zum Nachtheile, oder zum Vortheile gereiche; im ersten Falle wird die Handlung entkräftet, im zweiten Falle hingegen stehet ihrer Giltigkeit nichts im Wege.

[3, 1] §. 29. Ein Irrthum von der zweiten Gattung ist, wenn zwar die Sache größtentheils die dafür gehaltene Wesenheit hat, ein geringer Theil aber von einer anderen Beschaffenheit ist, so daß sie deme ungeachtet noch immer für das angesehen werden kann, wofür sie gehalten worden, oder wenn die Sache von einer schlechteren Eigenschaft befunden wird, oder wenn der Irrthum nicht die Hauptsache, sondern nur Nebensachen betrifft.

[3, 1] §. 30. Wenn in der Person dessen, womit der Vertrag geschlossen worden, ein Irrthum unterläuft, so schadet es dem Vertrage sonst nicht, als wenn der Irrende erweisen kann, daß er denselben mit Niemanden, als mit Demjenigen habe schließen wollen, für welchen er den Anderen fälschlich gehalten hat; um so minder ist es der Giltigkeit der Handlung hinderlich, wenn der Irrthum nicht in der Person, sondern nur in einer Eigenschaft derselben oder im Namen gewesen. Auch macht der Irrthum in der Bewegursache, wodurch Jemand den Vertrag zu schließen bewogen worden, nichts zur Sache, außer wenn diese Bewegursache ausdrücklich als eine Bedingniß der Einwilligung hinzugesetzet worden.

[3, 1] §. 31. Wenn die Contrahenten durch falschen Schein und Vorspieglung sich stellen, als ob sie das vorgespiegelte Geschäft miteinander schließen, in der That aber nichts handlen wollen, so kann durch eine solche Handlung weder den Contrahenten, noch einem Dritten ein Recht erworben, noch auch ein Nachtheil zugezogen werden; wäre jedoch eine solche Scheinhandlung in der Absicht einem Dritten zu schaden vorgespieglet worden, auch dessen wirkliche Verkürzung erfolget, oder wenn ein Contrahent zur Hintergehung des Anderen sich einer Verstellung bedienet, so ist es ein Betrug, und macht die daran Theilhabenden sowohl zum Ersatze des verursachten Schadens als zur Strafe verfänglich.

[3, 1] §. 32. Wenn aber die vorgebliche Handlung aus der Ursache vorgespiegelt worden wäre, um unter diesem Deckmantel eine andere ganz verschiedene Verbindung einzugehen, so wollen Wir doch auch eine solche Handlung, obwohl sie noch so ernstlich gemeinet gewesen, für allgemein und durchaus entkräftet haben,


(319) so daß darauf bei keinem Gerichte die mindeste Rücksicht genommen, sondern das Gut, worüber eine solche Scheinhandlung getroffen worden, zu Unserer Kammer eingezogen, und noch über das ein jeder Uebertreter dieses Gesetzes, nach Beschaffenheit der Umstände und der dabei gebrauchten Arglist, auch mit einer körperlichen Strafe beleget werden solle.

[3, 1] §. 33. Wenn ein Contrahent den anderen durch vorsetzlichen Betrug und Gefährde in Schaden versetzet hat, so kommt dem Betrogenen die Auswahl zu, ob er die gänzliche Vernichtung der Handlung anbegehren oder dabei beharren, und blos die Vergütung des ihm zugefügten Schadens ansuchen wolle; wenn es jedoch ausdrücklich bedungen worden, daß wegen eines verübten Betrugs die Handlung nicht sofort null und nichtig seie, sondern sich mit dem Ersatze des Schadens begnüget werden solle, so hat es bei diesem Vertrage sein Bewenden.

[3, 1] §. 34. Dahingegen ist der Vertrag, wodurch die Contrahenten übereingekommen wären, daß es ihnen erlaubt sein solle, bei der vorwaltenden Handlung einander zu betrügen, wie auch eine auf den Betrug gethane ausdrückliche Verzicht ganz und gar ohne Kraft; umsoweniger wird der Beweis eines verübten Betrugs verschränket, wenn schon der Beisatz, daß Alles getreulich und ohne Gefährde geschlossen worden, der Handlung deutlich beigerückt wäre. Einen schon begangenen Betrug aber können die Contrahenten bei Schließung der Handlung einander allerdings erlassen.

[3, 1] §. 35. Wer eine Handlung durch vorgeschützten Irrthum, Verstellung, Betrug oder eingejagte Forcht entkräften will, der muß sein Vorgeben erweisen, gleichwie gegentheils, wenn Jemand nach anerkannten Irrthum, nach eingesehenen Betruge oder nachdem er von aller Gewalt und Forcht gesichert ist, die vorgegangene Handlung wissentlich und wohlbedächtlich entweder mündlich oder schriftlich, oder auch durch eine auf die Vollziehung dieser Handlung abzielende That beangenehmet, ohne sich dabei den Ersatz des zugefügten Schadens vorzubehalten, eine solche Handlung ihre vollkommene Giltigkeit erlanget, und wegen des erlittenen Schadens keine Einwendung mehr zuzulassen ist; doch mag der Schuldige andurch der Strafe nicht entgehen.

[3, 1] §. 36. Wenn die Contrahenten ihre Einwilligung auf den Erfolg eines künftigen ungewissen Zufalls beschränket haben, so wird vor dem Erfolge dieses Zufalls weder dem Einen eine Verbindlichkeit zugezogen, noch dem Anderen, es sei an der Sache selbst oder an den davon abfallenden Nutzungen, ein Recht erworben; doch ist auch während der Ungewißheit, ob dieser Zufall sich ergeben werde oder nicht, kein Theil befugt, ohne Willen des anderen von dieser Handlung abzuweichen, und sowohl die bedingte Verbindlichkeit, als das bedingte Recht wird auf die Erben übertragen, wie dann auch dieses bedingte Recht frei veräußert, und bei vorhandener Gefahr an dem Vermögen des Schuldners dessen Sicherstellung angesuchet werden mag.

[3, 1] §. 37. Wenn eine Bedingniß der Natur nach unmöglich ist, oder den Gesetzen und guten Sitten widerstrebet, so soll die ganze Handlung für null und nichtig gehalten werden; alle übrigen Bedingnisse, sie mögen von einem Zufalle, oder von einer vorzunehmenden That, oder von beiden abhangen, behalten ihre Wirksamkeit, und die geschlossene Handlung gelanget sonst nicht zu ihrer Kraft, als wenn der Zufall sich auf die bedungene Art ergeben hat, oder wenn die vorzunehmende That auf die vorgeschriebene Weise verrichtet worden.

[3, 1] §. 38. Würde jedoch die Erfüllung einer Bedingniß, die ganz oder zum Theile von einer vorgeschriebenen That abhängt, durch Denjenigen, der selbe beigesetzet hat, verhindert, so ist sie für erfüllet zu halten, und wenn die Erfüllung einer solchen Bedingniß durch die Gefährde oder Schuld eines Dritten verhindert würde, so muß dieser den dadurch verursachten Schaden ersetzen.


(320) [3, 1] §. 39. Sobald die Bedingniß erfüllet worden, so erhält die Handlung ihre völlige Kraft und kann ohne weiteren Verzug auf deren Vollziehung gedrungen werden; wenn hingegen die Bedingniß ohnerfüllet bleibet, und alle Hoffnung ihrer künftigen Erfüllung verschwindet, so zerfällt auch die ganze Handlung.

[3, 1] §. 40. Wenn die Contrahenten etwas als eine Bedingniß hinzugesetzet haben, was entweder aus der Natur der Sache, oder durch die Anordnung Unserer Gesetze unter der Handlung stillschweigend begriffen ist, so wird andurch nicht die Bündigkeit, sondern nur die Vollziehung der Handlung verschoben. Eben dieses greifet auch alsdann Platz, wenn die Contrahenten eine Zeitfrist beigerücket haben, nach deren Verlauf die Verbindung ihre Wirkung haben solle, nicht nur, wenn die beigerückte Zeitfrist gewiß ist, daß und auch wann sie sich ergeben werde, sondern auch, wenn es gewiß ist, daß die Zeit sich ergeben werde, ungewiß aber, wann sie sich ergeben werde.

[3, 1] §. 41. Was aber jene Zeitfristen anbetrifft, von denen man den Zeitpunkt weiß, wann sie sich ergeben werden, nicht aber, ob sie sich ergeben werden, da soll nach Maß der desfalls im zweiten Theile, neunten Capitel, §. 27, gegebenen Richtschnur ebenmäßig dafürgehalten werden, daß die Verbindlichkeit alsogleich eingegangen, und nur die Erfüllung derselben bis nach Verlauf derjenigen Jahre, auf welche die beigesetzte Zeit sich beziehet, verschoben worden sei; wenn nicht ausdrücklich hinzugesetzet worden, daß die Verbindung nur alsdann ihre Kraft haben solle, wenn Derjenige, zu dessen Person der Zusatz gemacht worden, die beigefügte Zeit erleben werde.

[3, 1] §. 42. Hätten hingegen die Contrahenten sich dahin geeiniget, daß die Handlung zwar geschlossen, doch bei dem Erfolge eines dazu gesetzten Zufalls oder einer geschehenden That wieder aufgelöset werden solle, so gelangt die Handlung alsogleich zu ihrer völligen Kraft und derjenige Contrahent, deme vermöge dieser Handlung eine Sache zuzukommen hat, erwirbt daran alle Gerechtsamen, so die Natur der geschlossenen Handlung mit sich bringt; wenn aber in der Folge die Bedingniß in Erfüllung gehet, so wird sowohl die Handlung, als das ganze an der Sache erworbene Recht wieder aufgelöset, und dieselbe muß in demjenigen Stande, in welchem sie empfangen worden, zurückgestellet werden.

[3, 1] §. 43. Wenn die Bedingniß dahin lautet, daß bei deren Erfolge die Handlung solchergestalten aufgelöset werden solle, als ob sie niemals geschlossen worden wäre, so müssen nebst der Sache auch alle davon behobenen Nutzungen zurückgestellet werden. Wenn hingegen der Rückfall der Sache blos von der Zeit der erfüllten Bedingniß bedungen worden, so bleiben die vor Erfüllung der Bedingniß davon eingehobenen Nutzungen bei dem Besitzer; bei entstehenden Zweifel aber, ob der Rückfall auf diese oder jene Art bedungen worden, ist er allezeit von der letzten Art zu verstehen.

[3, 1] §. 44. Alles dieses trifft auch alsdann ein, wenn die Contrahenten der Verbindung eine Zeitfrist zu dem Ende beigerücket haben, daß die Verbindung durch diese Zeit bestehen, nach deren Verlaufe aber aufgehoben sein solle; wäre aber eine solche Zeitfrist beigerücket worden, wo man den Zeitpunkt weiß, wann sie sich ergeben werde, nicht aber, ob sie sich ergeben werde, so soll auch dahier, wie im Falle des §. 41, geurtheilet werden, daß die Contrahenten ihre Verbindung blos auf die Anzahl Jahre, worauf sich die beigerückte Zeit beziehet, beschränket haben, wenn es nicht deutlich hinzugesetzet worden, daß die Verbindung auf den Fall, wenn die Zeitfrist nicht erlebt werden würde, für beständig fortdauren solle.

[3, 1] §. 45. Beigerückte Zahlungsfristen, wodurch die Entrichtung Desjenigen, wozu Jemand sich verbunden hat, in gewisse Fristen eingetheilet wird, haben auf die Verbindung selbst keinen Einfluß, sondern diese gelangt alsogleich und für alle


(321) Fristen zu ihrer Kraft; doch kann der auf eine jede Frist ausfallende Betrag nicht eher gefodert werden, als mit dem Ende dieser Frist.

[3, 1] §. 46. Wenn Mehrere sich gegen Jemanden in einerlei Handlung und zu einerlei Sache oder Sinne verbinden, so ist die Verbindung zwischen ihnen getheilet, und der Glaubiger ist nicht befugt, von Einem allein die ganze Schuld einzufodern, sondern er muß einen Jeden um seinen Antheil belangen; lautete hingegen die Verbindung mehrerer Mitschuldner ausdrücklich dahin, daß sie sammt und sonders mit ungeschiedener und gesammter Hand, oder Einer für Alle und Alle für Einen, für die ganze Schuld haften wollen, so hat der Glaubiger die Auswahl, ob er einen Jeden um seinen Antheil, oder Einen um einen größeren Antheil, oder auch einen Einzigen um die ganze Schuld belangen wolle.

[3, 1] §. 47. Wenn der Glaubiger in diesem letzten Falle Einen von mehreren Mitschuldnern um die ganze Schuld belanget hat, so verlieret er die Befugniß nicht, Dasjenige, was er von diesem nicht erhält, von den übrigen nachzuholen. Ebenso, wenn der Glaubiger von Einem dieser Mitschuldner einen Theil der Schuld angenommen, bleibt dieser deme ohngeachtet auch noch zu dem Ueberreste verbunden, wenn ihn der Glaubiger nicht eigends davon befreiet hat; doch kann der Glaubiger die Schuld nur einmal einfodern, und wenn er sie einmal ganz empfangen, so kann er wegen derselben an Keinen von den Mitschuldnern mehr einen Anspruch machen.

[3, 1] §. 48. Ein Mitschuldner mit ungeschiedener Hand, der von dem Glaubiger um die ganze Schuld, oder um einen größeren Antheil, als auf ihn ausfällt, belanget wird, kann weder die Vorladung und Vertretung der übrigen Mitschuldner, noch die Vertheilung der eingeklagten Schuld anbegehren; doch kann er nach bezahlter Schuld Dasjenige, was er mehr als seinen Antheil bezahlt hat, von den übrigen Mitschuldnern nach Maß der zwischen ihnen vorhandenen Verbindung, oder bei deren Ermanglung zu gleichen Theilen zurückfodern.

[3, 1] §. 49. Wenn jedoch der Mitschuldner dem Glaubiger mehr bezahlet hat, als ihm gebührete, oder wenn er unnöthige Schäden und Unkosten verursachet hat, so sind die Uebrigen nicht schuldig, ihm davon etwas zu ersetzen. Wenn im Gegentheile die Schuld mit Wenigeren getilget worden, als was dem Glaubiger gebührete, so ist der Beitrag der übrigen Mitschuldner nicht nach Größe der Schuld, sondern nach Maß dessen, was wirklich bezahlet worden, zu bestimmen; außer der Glaubiger hätte dem einen Mitschuldner seine Ansprüche eigends zu dem Ende abgetreten, um selbe von dem übrigen einzutreiben.

[3, 1] §. 50. Auf gleiche Art kann sich auch Einer gegen Mehrere in einerlei Handlung und zu einerlei Sache oder Summe verbinden, und alsdann kann er von einem Jeden nur um den auf ihn ausfallenden Antheil belanget werden. Hätte er sich aber gegen Mehrere sammt und sonders verbunden, so ist ein jeder Glaubiger befugt, die ganze Schuld zu fodern; doch ist derselbe schuldig, den anderen Mitglaubigern die auf selbe ausfallenden Antheile herauszugeben, ohne daß der gemeinschaftliche Schuldner, nachdeme er Einem von ihnen die ganze Schuld bezahlet, von dem Anderen mehr belanget werden könnte.

[3, 1] §. 51. Ueber Alles, was in Handel und Wandel ist, mag ein Vertrag eingegangen werden, insofern Wir nicht bei Einem und Anderen eine Ausnahme machen. Sachen, die ganz und gar unhandelbar sind, können kein Gegenstand eines Vertrages sein; über jene Sachen aber, die nur in gewisser Maß, entweder wegen ihrer eigenen Beschaffenheit, oder in Ansehung gewisser Personen unhandelbar sind, ist nicht verwehret, auf andere von Unseren Gesetzen unverbotene Art Verträge einzugehen.

[3, 1] §. 52. Ueber unmögliche Dinge bestehet keine Verbindlichkeit; doch entkräftet eine scheinbare Unmöglichkeit die Handlung nicht, wenn selbe in Ernst gemeinet, und die unmöglich geschienene Sache nachhero möglich wird. Zur Giltigkeit


(322) der Handlung ist es aber genug, wenn die Sache zur Zeit der Verbindung möglich ist, wenn schon deren Leistung hernach unmöglich wird. Rühret diese Unmöglichkeit von einem Zufalle her, so wird die Verbindung dadurch aufgehoben; allein wenn Einer von den Contrahenten durch seine Schuld dazu Anlaß gegeben, so muß er dem Anderen für die verlorene Sache, wie auch für den verursachten Schaden haften.

[3, 1] §. 53. Für unmögliche Dinge sind auch alle jene Handlungen zu halten, die wider Unsere Gesetze, die guten Sitten und die Ehrbarkeit laufen. Wer sich in einen solchen Vertrag einläßt, der wird dadurch nicht verbunden; doch begehet er ein Verbrechen und wird nach Maß desselben der Strafe unterworfen.

[3, 1] §. 54. Auch kann über fremdes Thun und Lassen kein Vertrag geschlossen werden, und wird andurch weder der Fremde, noch der Verheißende verfänglich. Wenn jedoch dieser sich ausdrücklich anheischig gemacht hat, den Dritten zu solchem Thun und Lassen zu vermögen, so ist er schuldig, allen möglichen Fleiß dazu anzuwenden, und wenn er es daran ermangeln läßt, so muß er dem Anderen für seinen Schaden haften; wenn er aber alle Mühe angewendet hat und der Erfolg damit nicht übereinstimmet, so wird er zu nichts weiter verbunden, außer er wäre für den Erfolg auf seine eigene Gefahr gestanden, oder der Dritte wäre seiner Gewalt untergeben.

[3, 1] §. 55. Wenn ein Vertrag auf die Uebertragung einer Sache gerichtet ist, und diese Sache zur Zeit des geschlossenen Vertrags nicht mehr vorhanden wäre, so ist die ganze Handlung null und nichtig, und Alles ist wieder in denjenigen Stand herzustellen, als ob niemals über diese Sache ein Vertrag eingegangen worden wäre, und dieses ohne Unterschied, ob der Untergang der Sache einem oder beiden Theilen bekannt oder unbekannt gewesen sei. Wenn jedoch der Vertrag ausdrücklich dahin lautete, daß auf den Fall, da die Sache in Verlust gerathen wäre, deren Werth oder ein gewisses Strafgeld entrichtet werden solle, so bestehet derselbe zwar, doch soll der Richter darauf sehen, ob Jener, der sich den Werth, oder das Strafgeld ausbedungen, durch die Beschaffenheit der Handlung selbst, oder auf andere Art darzeigen könne, daß ihm an der Ueberkommung dieser Sache etwas gelegen gewesen, oder ob nicht eine Scheinhandlung darunter verstecket sei.

[3, 1] §. 56. Wäre aber die Sache zur Zeit des darüber eingegangenen Vertrags nur zum Theile untergegangen oder verdorben, doch so, daß ihre Gestalt und Wesenheit merklich dadurch geändert worden, so hat Jener, deme diese Sache zukommen sollte, die Auswahl, ob er von dem Vertrage abgehen oder dabei beharren wolle. Im letzteren Falle jedoch muß das, was für die Sache gegeben oder verheißen worden, nach Maß des verminderten Werthes herabgesetzet werden; außer er hätte zur Zeit des geschlossenen Vertrages diese mit der Sache vorgegangene Veränderung wohl gewußt, in welchem Falle er den Vertrag nach seinem ganzen Inhalte zu erfüllen schuldig ist.

[3, 1] §. 57. Dahingegen wird durch einen Zufall, der nur einen geringen Theil der Sache betroffen hat, ohne ihre Gestalt und Beschaffenheit merklich zu ändern, die darüber geschlossene Handlung nicht entkräftet; doch hat in diesem Falle wegen Verminderung des Preises eben Dasjenige statt, was Wir im vorigen §. geordnet haben.

[3, 1] §. 58. Wenn Jemand über eben dieselbe Sache mit zweien Personen verschiedene Verträge eingegangen hat, so ist darauf zu sehen, ob die einem Jeden an dieser Sache eingestandenen Gerechtsamen ohne Beeinträchtigung des Einen oder des Anderen miteinander bestehen können oder nicht. Im ersten Falle bestehen alle beide Verträge; im letzteren Falle hingegen hat Jener den Vorzug, der das stärkere Recht an der Sache hat.

[3, 1] §. 59. Sind beide Verträge auf die Uebertragung des Eigenthums, oder eines anderen die Sache selbst behaftenden Rechts gerichtet, so hat bei beweglichen


(323) Sachen Jener ein stärkeres Recht, deme dieselbe zuerst übergeben worden, und bei unbeweglichen Sachen Jener, dessen Erwerbung früher in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet worden, wenn schon der Vertrag mit ihm später geschlossen worden wäre; hätte jedoch ein solcher von dem mit einem Anderen über diese Sache bereits eingegangenen Vertrage Wissenschaft gehabt, so soll ihn weder die früher erwirkte Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, noch die erhaltene frühere Uebergabe der Sache schützen, sondern er dem Anderen nachzustehen schuldig sein, und nebst deme noch mit einer seinem Betruge gemäßen Strafe beleget werden.

[3, 1] §. 60. Wenn einer von den eingegangenen Verträgen auf die Uebertragung des Eigenthums, oder eines anderen die Sache selbst behaftenden Rechts gerichtet ist, und der andere nicht, so hat der erstere den Vorzug; wenn aber beide Verträge zwar auf die Uebertragung eines die Sache selbst behaftenden Rechts gerichtet sind, doch bei beweglichen Sachen dieselbe noch Keinem übergeben, oder bei unbeweglichen Sachen die geschehene Erwerbung noch von keiner Seite in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet worden, oder wenn keiner von beiden Verträgen auf die Uebertragung eines die Sache selbst behaftenden Rechts gerichtet ist, so gebührt Jenem der Vorzug, mit deme der Vertrag zum Ersten geschlossen worden, doch verlieret derselbe diesen Vorzug, wenn er den mit dem Anderen geschlossenen späteren Vertrag wissentlich und ohne Widerspruch vollziehen läßt.

[3, 1] §. 61. In allen obgedachten Fällen ist Derjenige, der über eine Sache mit Zweien einen Vertrag eingegangen, Jenem, der dem Anderen nachstehen muß, nicht nur alles Dasjenige, was er von ihm empfangen hat, zuruckzustellen, sondern auch ihn vollkommen zu entschädigen schuldig, und annebst noch nach Maß der dabei unterwaltenden Gefährde und des wirklich verursachten Schaden zu bestrafen.

[3, 1] §. 62. Wenn Jemand durch Irrthum eine ihm schon vorhero zugehörige Sache durch einen Vertrag an sich gebracht hat, so ist die ganze Handlung null und nichtig. Wenn aber die Sache vorhero nur zum Theile oder mit beschränktem Rechte sein eigen war, und er durch den Vertrag mehrere Theile, oder größere Gerechtsamen daran erwirbt, so bestehet die Handlung; doch ist Dasjenige, was für die Sache versprochen oder gegeben worden, nach Maß desjenigen Rechts, was durch den geschlossenen Vertrag wirklich erworben wird, verhältnißmäßig herabzusetzen.

[3, 1] §. 63. Wir wollen aber alle Veräußerungen einer in wirklichen Rechtsstritte befangenen Sache, nemlich deren Eigenthum von einem Anderen angesprochen wird, und worüber die gerichtliche Vorladung dem Beklagten bereits zugekommen ist, für allgemein verboten haben, und in dem Falle, wo die veräußerte strittige Sache durch den folgenden Rechtsspruch dem Beklagten zugesprochen würde, soll selbe zu Handen Unserer Kammer eingezogen, oder wenn die Sache nicht mehr vorhanden wäre, gleichwie auch in dem Falle, wo selbe seinem Gegentheil zugesprochen würde, deren gerichtlich geschätzer Werth als eine Strafe von ihm eingetrieben werden.

[3, 1] §. 64. Nebst deme soll auch Derjenige, der eine solche Sache wissentlich, daß sie strittig sei, an sich gebracht, dieselbe sogleich ohnentgeltlich zu Gerichtshanden auszufolgen schuldig sein, und was er dafür gegeben oder versprochen, dieses soll Unserer Kammer anheim fallen. Hätte aber Jemand eine strittige Sache ohnwissend und redlicher Weise an sich gebracht, so kann er, wenn die Sache beweglich ist, nach Maß Unserer allgemeinen Grundsätze nicht mehr belanget werden. Ist es aber eine unbewegliche Sache, so ist zwar die Veräußerung ungiltig; doch stehet ihm bevor, an dem Veräußerer seine Entschädigung zu suchen.

[3, 1] §. 65. Ferner wollen Wir auch alle Verträge, so über die Erbschaft eines noch lebenden Dritten geschlossen werden, wie auch alle über die eigene Erbschaft


(324) getroffenen Erbvereinigungen, sie mögen auf die Erwerbung oder Verzicht der Erbschaft lauten, wenn nicht darüber Unsere höchste Einwilligung erhalten worden, für gänzlich kraftlos und ungiltig erkläret haben. Wer aber diese Unsere höchste Einwilligung erwirken will, der soll Uns jedesmal die umständliche Beschaffenheit der Sache mit verläßlicher Anzeige sowohl des Betrags einer solchen Erbschaft, als der vorhandenen Erbsanwarter, und der Bedingnisse, unter welchen die Erbvereinigung errichtet werden will, vorlegen.

[3, 1] §. 66. Doch wollen Wir von diesem allgemeinen Verbot folgende Fälle ausgenommen haben, erstens, wenn der Vertrag über die Erbschaft einer ungewissen Person eingegangen wird, zweitens, wenn Eheleute sich über ihre künftige wechselseitige Erbfolge vereinigen, drittens, wenn Kinder oder Enklen nach der von Vater, Mutter, Großvater, Großmutter erhaltenen Abfertigung, auf deren weitere Erbfolge Verzicht thun.

[3, 1] §. 67. Nicht minder sollen auch alle Verträge ungiltig sein, wodurch ein Rechtsfreund oder Anwalt sich in Betreff der Sache, die er bei Gerichte führet, mit seiner Partei in eine Gemeinschaft oder Gesellschaft einläßt, oder auf den Fall, wenn der Rechtsstritt gewonnen würde, sich von dieser Sache einen gewissen Antheil, oder sonst eine bestimmte Belohnung vorhinein ausbedinget.

[3, 1] §. 68. Endlich wollen Wir auch alle Wetten, Spielschulden und die darüber errichteten Verträge gänzlich entkräften, und soll darauf von keinem Gerichte einige Hilfe ertheilet werden; wenn jedoch Jemand eine solche Schuld freiwillig gezahlet hätte, so soll er nicht mehr befugt sein, das Bezahlte zuruckzufodern. Ueberhaupt aber sollen alle jene Verträge ungiltig sein, welche Wir nach Verschiedenheit der Personen und Handlungen in diesem Unseren Gesetzbuche verbieten.

[3, 1] §. 69. Das Recht, welches Jemand aus einem Vertrage erwirbt, gehet auch auf seine Erben, wenn es nicht seiner Natur nach mit der Person Desjenigen, der es erworben hat, erlöschet. Eben so werden auch die Erben durch die vom Erblasser eingegangenen Verträge verbunden, wenn schon von ihnen in dem Vertrage keine Meldung gemacht worden, außer in einigen besonderen Fällen, die Wir an ihrem Orte berühren werden, wie auch, wenn die Schuldigkeit in dem Vertrage ausdrücklich auf die Person dessen, der sich verbindlich gemacht hat, beschränket worden; doch in diesem Falle werden die Erben blos von der Leistung des Künftigen, nicht auch von Demjenigen entlediget, was der Erblasser bei seinen Lebzeiten zu leisten schuldig war.

[3, 1] §. 70. Wer sich durch einen Vertrag zu etwas verbindlich macht, der muß diese Verbindlichkeit nach Vorschrift des Vertrags erfüllen; wer sich dahero verbunden hat, eine Sache zu geben, oder eine That zu verrichten, der kann sich durch den Werth der Sache oder der That nicht entledigen, so lang die Sache oder die That selbst in seinem Vermögen stehet. Hätte er aber diese seine Verbindlichkeit zur gesetzten Zeit nicht erfüllet, so kommt dem anderen Contrahenten die Auswahl zu, ob er noch auf die Sache oder die That selbst dringen wolle oder nicht; im letzteren Falle hat eben Dasjenige statt, was Wir im §. 73 anordnen werden.

[3, 1] §. 71. Wenn Jemand sich verbunden hat, ein unbestimmtes Stück von einer gewissen Gattung, oder wechselweise diese oder jene Sache zu geben, so hat er die Wahl, welche er geben wolle; außer wenn selbe dem anderen Contrahenten ausdrücklich eingeraumet worden, oder wenn die Verbindung vorzüglich auf die eine Sache lautete, die andere aber nur zur Sicherheit des Glaubigers beigerücket worden, daß auf den Fall, wenn die erste Sache nicht entrichtet werden könnte, die zweite entrichtet werden solle.

[3, 1] §. 72. Doch kann in zweibändigen Verträgen, nemlich in jenen, wodurch ein jeder Theil sich gegen den Anderen verbindlich macht, kein Theil den Anderen zur


(325) Erfüllung des Vertrags belangen, wenn er seinerseits denselben nicht bereits erfüllet hat; außer es wäre in dem Vertrage deutlich vorgesehen, welcher Theil mit dessen Erfüllung den Anfang zu machen habe. Wenn jedoch in diesem Falle wegen der geänderten Umstände des anderen Contrahenten eine Gefahr vorhanden wäre, daß dieser seine Gegenverbindlichkeit nicht erfüllen werde, so ist Ersterer befugt, desfalls eine hinlängliche Sicherheit anzusuchen, und bis zu deren Leistung mit der Erfüllung des Vertrags innenzuhalten.

[3, 1] §. 73. Wenn Jemand die ihm obliegende Verbindlichkeit durch seine Schuld nicht mehr erfüllen kann, so ist er schuldig, dem anderen Contrahenten sowohl den ihm dadurch entgangenen Nutzen, als den ihm zugezogenen Schaden zu ersetzen; in zweibändigen Verträgen, wenn der eine Contrahent seine Verbindlichkeit erfüllet hat, der Andere aber den Vertrag seinerseits durch seine Schuld nicht erfüllen könnte, oder nicht erfüllen wollte, soll dem Ersten noch außer deme die Auswahl zustehen, ob er bei dem Vertrage beharren, und den Anderen um seine Entschädigung belangen, oder ob er von dem ganzen Vertrage abgehen, und das, was er dem anderen Contrahenten gegeben hat, von demselben wieder zurückfodern solle.

[3, 1] §. 74. Ein Contrahent ist aber schuldig dem Anderen nicht nur alsdann den Schaden zu ersetzen, wenn er durch seine Schuld seine Verbindlichkeit nicht erfüllen kann, sondern auch jedesmal, wenn er den Anderen durch seine Schuld wie immer in Schaden versetzet hat; für eine Schuld wird aber alles jenes gehalten, was entweder aus geflissentlicher Gefährde und wissentlich, daß dem Anderen daraus ein Schaden zugehen würde, oder auch aus Mangel des gebührenden Fleißes durch blose Nachlässigkeit und Unvorsichtigkeit zu des Anderen Schaden gethan oder unterlassen worden.

[3, 1] §. 75. Für das, was aus Gefährde geschiehet, wird ein Contrahent nach Maß des §. 34 allezeit verfänglich. Wegen des auf die Sache zu wendenden Fleißes und Sorgfalt aber beruhet es in der Willkür der Contrahenten, zu was für einem besondern Fleiße Jemand sich verbindlich machen wolle, und wenn desfalls nichts ausdrücklich ausbedungen worden, so soll ohne allem Unterschied und für allgemein dafür gehalten werden, daß ein Contrahent blos zu einer solchen Obachtsamkeit und Sorgfalt verbunden sei, wie man selbe von einem Menschen von dieses Contrahenten Stande, Ueberlegung und Erfahrung erwarten könnte.

[3, 1] §. 76. Dahingegen ist kein Contrahent für einen Zufall zu haften schuldig, sondern wenn eine fremde, bei Jemanden befindliche Sache durch einen Zufall zu Grunde gehet, oder beschädiget wird, so muß der Eigenthümer den Schaden tragen. Zufälle sind aber alle jene Begebenheiten, die entweder von einer höheren Gewalt herrühren und durch keinen menschlichen Widerstand hätten verhütet werden können, oder auch, welche zwar, wenn dieser Erfolg vorzusehen gewesen wäre, hätten abgewendet werden können, wo aber der Erfolg nicht vorzusehen war; hieher gehören auch alle Beschädigungen, so aus der That eines Dritten entstehen, wofern nur der Contrahent nach Maß des §. 9 die That dieses Dritten nicht zu verantworten hat.

[3, 1] §. 77. In Ansehung eines jeden Contrahenten insbesondere werden auch alle durch die That oder Unterlassung dieses Contrahenten veranlaßte Beschädigungen für einen Zufall gehalten, welche zwar von einem Menschen von größerem Fleiße, Einsicht und Erfahrung würden verhütet worden sein, wo aber die begangene Nachlässigkeit nach Ausmessung des §. 75 diesem Contrahenten nicht als eine Schuld angerechnet werden kann.

[3, 1] §. 78. Für den Eigenthümer wird bei jenen Verträgen, so auf die Uebertragung des Eigenthums gerichtet sind, auch Derjenige gehalten, deme die Sache vermöge des geschlossenen Vertrags zu seinem Eigenthum hätte übergeben werden


(326) sollen, obwohl die wirkliche Uebergabe noch nicht geschehen ist; doch dieses nur alsdann, wenn die Handlung ohne von dem Erfolge einer Bedingniß abzuhangen, bereits ihre vollkommene Giltigkeit erreichet hat, und wenn es eine bestimmte Sache betrifft. Wenn hingegen Jemand vermöge des Vertrags eine unter mehreren Sachen wechselweise oder ein unbestimmtes Stück von einer gewissen Gattung, oder einen gewissen Betrag von solchen Sachen, die in Zahl, Maß oder Gewichte bestehen, zu fodern hat, so wird der Schuldner nicht befreiet, wenn schon einige von diesen Sachen durch einen Zufall zu Grunde gehen.

[3, 1] §. 79. Die Regel, daß der Eigenthümer den an seiner Sache durch einen Zufall verursachten Schaden tragen müsse, leidet alsdann eine Ausnahme, wenn der andere Contrahent, bei welchem die Sache zu Grunde gegangen, durch eine solche Nachlässigkeit oder Unvorsichtigkeit, wofür er nach Maß des §. 75 zu haften schuldig ist, zu dem Zufalle Anlaß gegeben, oder wenn er den durch einen Zufall an der Sache verursachten Schaden hätte abwenden können, dieses aber durch eine eben solche Nachlässigkeit verabsaumet hat, wie auch, wenn er die Sache durch seinen Saumsal dem Eigenthümer über die Gebühr vorenthalten hat; außer der Zufall wäre von einer solchen Beschaffenheit, daß dadurch die Sache auch bei dem Eigenthümer zu Grunde gegangen sein würde, oder er hätte sich von dem Saumsale wieder gereiniget, wie Wir darüber im achtzehenten Capitel, §. –, mit Mehreren anordnen.

[3, 1] §. 80. Nicht minder macht sich auch ein Contrahent für die an der Sache des anderen Contrahenten sich ereignenden Zufälle jedesmal verfänglich, wenn er diese Sache ausdrücklich auf seine Gefahr übernommen, oder sie sich ergeben mögenden Zufälle zu tragen sich anheischig gemacht hat, und in diesem Falle, wenn nicht die Verbindlichkeit deutlich auf gewisse Zufälle beschränket worden, hat derselbe für alle Zufälle ohne Ausnahme zu haften; dahingegen ziehet der alleinig beigefügte Schätzungspreis diese Verbindlichkeit nicht nach sich, sondern nur alsdann, wenn dabei ausdrücklich ausbedungen worden, daß der Contrahent entweder die Sache oder den bedungenen Werth entrichten solle.

[3, 1] §. 81. Wenn der Contrahent, der eine Sache vermöge des Vertrags zu geben oder zurückzustellen schuldig ist, vorgiebt, daß selbe durch einen Zufall zu Grunde gegangen sei, so muß er erweisen, daß der Zufall sich ergeben habe. Wenn aber der Zufall offenkundig oder erwiesen ist, und der Eigenthümer der Sache den anderen Contrahenten beschuldiget, daß er durch seine Schuld den Untergang der Sache, oder deren Beschädigung veranlasset habe, so liegt dem Eigenthümer der Sache ebenfalls ob, dieses sein Vorgeben zu erweisen, außer bei jenen Zufällen, die gemeiniglich aus einer vorhergehenden Schuld herrühren, bei welchen derjenige Contrahent, bei deme die Sache zu Grunde gegangen, auch noch zu erweisen hat, daß der Zufall sich ohne seine Schuld ergeben habe.

[3, 1] §. 82. Außer der allgemeinen Erfoderniß aller Verträge, nemlich der beiderseitigen Einwilligung, haben jene Verträge, welchen Wir wegen ihres öfteren Gebrauchs im gemeinen Leben einen eigenen Namen, und ihre besondere Gestalt beigeleget haben, noch ihre besonderen Erfodernissen, und diese können von den Contrahenten durch keine Nebenverträge abgeändert werden; wenn dahero ein solcher Contract geschlossen, anbei aber etwas ausbedungen wird, was wider die Wesenheit dieses Contractes streitet, so kann die Handlung nicht mehr für den Contract angesehen werden, dessen Namen sie führet, sondern sie nimmt die Gestalt eines anderen Geschäftes an, mit welchem der dazu gesetzte Nebenvertrag vereinbarlich ist.

[3, 1] §. 83. Dahingegen stehet es den Contrahenten frei, bei einem jeden Contracte über alles Dasjenige Nebenverträge zu errichten, wodurch das Wesentliche des Contractes nicht abgeändert wird; sie können also nicht nur solche Nebensachen,


(327) die von der blosen Willkür der Contrahenten abhangen, und ohne ausdrückliche Erwähnung nicht unter dem Contracte begriffen werden, hinzusetzen, sondern auch gewisse Eigenschaften des Contractes, die Wir, wenn nicht ein Anderes ausbedungen worden, unter dem Begriffe der verschiedenen Contracte mitverbinden, hinweglassen und abändern.

[3, 1] §. 84. Alle vor einem Contracte gemachten Vorschläge, Berednissen und Nebenverträge, wodurch die Contrahenten auf den Fall, da sie in der Hauptsache übereinkommen würden, sich über gewisse Punkte vergleichen, erhalten ihre Kraft und Wirkung erst von dem Erfolge des Contractes, und wenn derselbe nicht zu Stande kommt, so zerfallen sie ebenfalls. Jene Nebenverträge, welche mit einem Contracte zugleich geschlossen werden, sind als ein Theil des Contractes anzusehen, und haben die nemliche Rechtswirkung, wofern nur nach Maß des §. 82 der Contract durch diese Nebenverträge nicht wesentlich abgeänderet wird; bei den Verträgen aber, die nach bereits geschlossenem Contracte demselben hinzugefüget werden, kommt es auf ihre Beschaffenheit und die Absicht der Contrahenten an, ob sie als ein Theil des Contracts oder als eine besondere Handlung anzusehen seien.

[3, 1] §. 85. Bei Ausdeutung der Verträge sind die Worte, wenn nicht ein Anderes deutlich erhellet, allezeit in derjenigen Bedeutung zu nehmen, die ihnen insgemein in Handel und Wandel beigeleget wird; wären es aber besondere im gemeinen Handel und Wandel nicht gebräuchliche Kunstwörter, so ist bei vorfallenden Zweifel deren wahre Bedeutung durch unpartheiische Kunstverständige zu bestimmen.

[3, 1] §. 86. Wenn jedoch die Worte so beschaffen wären, daß sie in ihrer gemeinsten Bedeutung gar keine Wirkung haben würden, wohingegen sie in einer weniger gemeinen Bedeutung eine gute Wirkung haben, so sind sie in einem solchen Verstande zu nehmen, worinnen sie die wahrscheinlicher Weise abgezielte Wirkung haben mögen; ebenso ist auch alsdann von der gemeineren Bedeutung der Worte abzugehen, wenn selbe etwas wider den Wohlstand Streitendes nach sich ziehen würde.

[3, 1] §. 87. Wären aber die Worte so zweifelhaft, daß der wahre Sinn der Contrahenten daraus nicht abgenommen werden könnte, so sind selbe so auszudeuten, wie sie der Natur und Eigenschaft der geschlossenen Handlung gemäß sind; könnte aber die Dunkelheit andurch nicht gehoben werden, so ist dahin zu sehen, ob nicht die Meinung der Contrahenten aus dem Landesbrauche, aus der Beschaffenheit der Sache, aus dem Stande und Eigenschaft der Contrahenten, und anderen mit der Handlung verknüpften Nebendingen bestimmet werden könne.

[3, 1] §. 88. Ueberhaupt ist bei Verträgen vornehmlich auf Treu und Glauben, und mehr auf die Billigkeit als auf die trockenen Worte zu sehen, auch die Ausdeutung allezeit eher dahin zu machen, daß der Vertrag aufrecht erhalten werde, als daß er zerfalle; wenn endlich die Klarheit und Gewißheit auf keinerlei Art hergestellet werden kann, alsdann sind die Worte wider Denjenigen auszudeuten, in dessen Macht es gestanden, sich verständlicher auszudrücken.


(328) Zweites Capitel.

Von Vergleichen.

[3, 2] §. 1. Ein Vergleich wird nur alsdann geschlossen, wenn sich über eine zweifelhafte und strittige Sache dergestalten vereiniget wird, daß der Eine die ihm zustehenden Rechtsansprüche fahren läßt, und der Andere etwas dagegen verspricht, giebt oder thut. Wenn eine Sache nicht strittig ist, oder wenn die strittigen Rechtsansprüche ohnentgeltlich erlassen werden, so ist es kein Vergleich.

[3, 2] §. 2. Wenn ein Vergleich über eine einzige Strittigkeit geschlossen worden, so mag er auf andere Strittigkeiten nicht erstrecket werden; wenn aber auch ein Vergleich über alle einem Theile wider den andern zustehende Ansprüche und Forderungen eingegangen worden, so mögen doch jene Ansprüche, die erst hernach zu gebühren angefangen, oder die aus einer zur Zeit des Vergleichs noch unbekannt gewesenen Ursache herrühren, nicht darunter begriffen werden.

[3, 2] §. 3. Wenn ein Vergleich zwar über mehrere Strittigkeiten, welche jedoch alle von einerlei Gattung sind, und alle aus einer Ursache herrühren, getroffen worden, so erstrecket er sich auf alle aus dieser Ursache entstehenden Rechtsansprüche, wenn schon einige erst nach Schließung des Vergleichs hervorkämen; außer wenn die erst künftig in Erfahrung gebrachten Foderungen ausdrücklich ausgenommen worden, oder wenn ein erweislicher Irrthum oder eine geflissentliche Gefährde des andern Theils dabei vorhanden gewesen.

[3, 2] §. 4. Ein Vergleich möge gerichtlich oder außergerichtlich geschlossen sein, so hat er seine vollkommene Giltigkeit, insofern er von Jenem, der sich darauf bezieht, rechtsbehörig erwiesen werden mag.

[3, 2] §. 5. Wenn die strittige Sache Mehreren zugehöret, oder wenn an dem vorhandenen Rechtsstritte Mehrere einen Antheil haben, so kann ein Jeder für seinen Antheil einen Vergleich schließen, wofern nur die Sache füglich getheilet werden kann, und durch den von Einem geschlossenen Vergleich dem andern Mitgenossen kein Schaden zugehet; widrigens hat der Vergleich zwar in Ansehung dessen, der sich verglichen hat, seine Wirkung, doch schadet er den Mitgenossen an ihren Rechten nicht.

[3, 2] §. 6. Ueber Strittigkeiten, so aus einem letzten Willen herrühren, soll kein Vergleich giltig sein, bevor nicht die letztwillige Anordnung gerichtlich kundgemacht worden. Auch soll kein Vergleich über künftige Nahrungsmittel und Unterhaltsgelder, sie mögen aus einem letzten Willen, Vertrage oder aus bloser Zusage gebühren, wenn derselbe zur Schmälerung, Verminderung oder gar zur Erlassung derlei Nahrungsmittel abzielet, zu Rechte bestehen, wenn nicht die richterliche Erkenntniß vorhergegangen; doch verstatten Wir einer Wittib, über ihren wittiblichen Unterhalt auch mit dessen Verminderung und Erlassung einen Vergleich zu errichten.

[3, 2] §. 7. Auch über Verbrechen können Vergleiche getroffen werden; doch erstrecket sich die Kraft eines solchen Vergleichs blos auf die dem Beleidigten gebührende besondere Genugthuung, nicht aber auf die öffentliche Genugthuung, sondern dem Richter liegt noch immerfort ob, wider den Verbrecher nach Ordnung Unserer peinlichen Gerichtsordnung zu verfahren. Auch kann sich der beleidigte Theil selbst, ohngeachtet des getroffenen Vergleichs, nicht entziehen, auf Erfodern des Gerichts die Gewißheit der Missethat zu bewähren.

[3, 2] §. 8. Nur in dem einzigen Falle soll ein Verbrechen durch den darüber getroffenen Vergleich für gänzlich erloschen gehalten werden, wenn der Vergleich Uns vorgeleget, und von Uns ohne einigen Vorbehalt bestätiget worden ist. Ueberhaupt


(329) aber soll Demjenigen, der sich wegen einer ihm angeschuldeten Missethat verglichen hat, deswegen an seiner Ehre und guten Namen kein Nachtheil zuwachsen.

[3, 2] §. 9. Wenn ein Vergleich über die Hauptsache zu Stande gekommen, so kann wegen der bis dahin schuldigen Zinsen und anderen Nebengebührnissen, wenn sie nicht besonders vorbehalten worden, keine weitere Foderung gemacht werden. Dahingegen werden die für die Hauptsumme haftenden Pfänder und Bürgschaften durch den getroffenen Vergleich nicht aufgehoben, wenn sie nicht ausdrücklich erlassen worden; doch schadet es dem Bürgen nicht, wenn der Schuldner sich in dem Vergleiche zu etwas Mehreren verbindet, als wofür der Bürg gut gestanden.

[3, 2] §. 10. Die Streittigkeiten, worüber ein Vergleich eingegangen worden, werden dadurch ebenso vollkommen aufgehoben, als durch ein rechtskräftiges Urtheil; wenn dahero Jemand wegen einer bereits verglichenen Sache auf’s Neue belanget wird, so ist er nicht schuldig, sich auf die Klage mehr einzulassen, und wenn in einem Rechtsstritte von einem Theile sich auf einen geschlossenen Vergleich berufen wird, soll allezeit darüber schleunig erkennet werden.

[3, 2] §. 11. Doch ist ein jeder Theil Dasjenige, zu was er sich im Vergleiche anheischig gemacht hat, zu erfüllen gehalten, und kann dazu durch rechtliche Mittel gezwungen werden. Würde aber ein Theil die aus dem Vergleiche gebührende Schuldigkeit zur gesetzten Zeit nicht erfüllen, so muß er dem andern allen wegen dieser Verzögerung erlittenen Schaden ersetzen; keineswegs aber soll Derjenige, der den Vergleich bereits erfüllet hat, befugt sein, wegen der von dem anderen Theile nicht erfolgten Erfüllung auch seinerseits von dem Vergleiche abzugehen, wenn nicht in dem Vergleiche ausdrücklich ausbedungen worden, daß in dem Falle, wo der eine Theil denselben nicht halten würde, auch der andere Theil nicht mehr daran gebunden sein solle.

[3, 2] §. 12. Es stehet aber auch den sich vergleichenden Theilen frei, sich dahin zu verbinden, daß Jener, der den Vergleich nicht erfüllen würde, alles Dasjenige, was ihm darinnen erlassen worden, vollständig bezahlen, von dem anderen Theile hingegen, der den Vergleich erfüllet hat, nicht mehr zu fodern berechtiget sein solle, als was dieser vermöge des Vergleichs zu geben schuldig ist. Ferner kann auch Dasjenige, was im Falle eines Saumsals anstatt des andurch verursachten Schadens gezahlet werden solle, vorhinein bestimmet worden; doch soll ein solches Strafgeld den Betrag, den Wir im neunten Capitel ausmessen werden, nicht übersteigen.

[3, 2] §. 13. Dahingegen soll jener Vertrag, daß Dasjenige, was von einem Theile auf Abschlag der verglichenen Schuldigkeit bezahlet worden, bei einem in der weiteren Abführung sich ereignenden Verzuge verfallen sein solle, ganz und gar ungiltig sein, und dem andern Theil über das, was verglichen worden, nichts mehr gebühren, als der Ersatz des wirklichen Schadens, und wenn ein solcher Vertrag bei verglichenen Geldsummen hinzugesetzet worden wäre, so ist der Vergleich für eine wucherliche Handlung anzusehen.

[3, 2] §. 14. Alles, was nach Maß des vorigen Capitels die Einwilligung benimmt, entkräftet auch einen eingegangenen Vergleich. Doch ist in Ansehung eines unterwaltenden Irrthums folgender Unterscheid zu machen. Wenn in den Rechtsansprüchen selbst, oder in der Sache, so von dem einen Theile ansprüchig gemacht wird, oder in jener Sache, welche zur Vergeltung der von dem anderen Theile erlassenen Rechtsansprüche gegeben oder versprochen worden, oder in der ganzen Wesenheit der einen oder der andern Sache geirret wird, so ist der Vergleich ungiltig. Hieher gehöret auch, wenn ein Rechnungsverstoß unterwaltet, wofern nicht über diesen Rechnungsverstoß selbst wegen Dunkelheit und Verwirrung der Rechnung der Vergleich eingegangen worden.

[3, 2] §. 15. Wenn hingegen der Irrthum darinnen beruhet, daß die durch den Vergleich erlassenen Rechtsansprüche von dem anderen Theile für wohl gegründet


(330) gehalten würden, hernach aber durch neu vorgefundene Urkunden oder andere Beweise deren Ungrund dargethan wird, oder daß Derjenige, der sich durch den Vergleich seiner gehabten Rechtsansprüche begeben, selbe für sehr zweifelhaft hielte, hernach aber durch neu vorgefundene Urkunden oder andere Beweise findet, daß sie wohl gegründet gewesen, so stehet dieses der Giltigkeit des Vergleiches nicht im Wege; außer wenn jene Urkunden, worüber der Vergleich geschlossen worden, nachhero falsch zu sein befunden würden, oder wenn die hernach vorgefundenen Urkunden so beschaffen wären, daß daraus ein neuer nicht vorgesehener Rechtsanspruch entstünde.

[3, 2] §. 16. So soll auch kein Vergleich wegen vorgeblicher übermäßigen Verkürzung widerrufen werden können, wenn nicht diese Verkürzung aus einem unterwaltenden wesentlichen Irrthum entstanden ist.

Drittes Capitel.

Von Zusagen und Schankungen.

[3, 3] §. 1. Wenn Jemand, ohne dazu verbunden zu sein, aus bloser Freigebigkeit einem Andern etwas zu geben oder zu thun verspricht, so ist er schuldig, diese seine Zusage zu erfüllen; könnte er jedoch erweisen, daß das Versprechen aus Scherz, Unbedachtsamkeit oder Uebereilung geschehen sei, so mag er zu dessen Erfüllung nicht verhalten werden.

[3, 3] §. 2. Wenn das Versprechen auf die künftige Zeit oder auf den Erfolg einer Bedingniß lautete, so ist darauf zu sehen, ob es blos eine Vertröstung und Neigung, etwas nach dieser Zeit oder nach dem Erfolge dieser Bedingniß geben oder thun zu wollen enthalte, oder ob der Versprechende sich schon dermalen habe verbinden wollen, und die Zeit oder Bedingniß nur als eine Frist, wo er sein Versprechen erfüllen wolle, beigerücket habe. Im ersten Falle kann er seinen Sinn vor oder auch nach der bestimmten Zeit ändern; im letzten Falle hingegen hat das Versprechen seine vollkommene Kraft.

[3, 3] §. 3. Doch entstehet die Verbindlichkeit dessen, der etwas versprochen, erst alsdann, wenn das Versprechen von Jenem, dem es geschehen, nach Maß des ersten Capitels angenommen wird. Wäre aber Derjenige, dem das Versprechen geschiehet, nicht fähig, seine Einwilligung auszudrücken, so bestehet die Handlung in Folge dessen, was Wir im ersten Theile, sechsten Capitel, §. 81, festgestellet haben, auch ohne die Einwilligung dessen, der ihn zu vertreten hat.

[3, 3] §. 4. So soll auch jenes Versprechen alsofort und ohne alle Annehmung seine rechtliche Kraft haben, wodurch Jemand etwas zur Ehre Gottes, zum Besten des gemeinen Wesens oder zum Nutzen milder Sachen angelobet; doch soll der ernstliche Willen sich zu etwas solchen verbindlich zu machen, nur alsdann geschlossen werden, wenn das Versprechen entweder bei Gerichte, oder vor den Vorstehern des gemeinen Wesens, oder der milden Sachen geschehen ist, oder wenn der Anfang gemacht wird, das Versprechen wirklich zu erfüllen.

[3, 3] §. 5. Wenn etwas wegen einer künftigen Ursache versprochen oder gegeben wird, damit der Andere etwas dafür gebe oder thue, so ist es nicht als eine freiwillige Zusage oder als ein anderer Vertrag anzusehen; wenn aber etwas zur Vergeltung geleisteter Dienste versprochen oder gegeben wird, so kommt die Handlung einem freiwilligen Versprechen oder einer wahren Schenkung bald mehr, bald weniger


(331) bei, nachdeme die Verdienste beschaffen gewesen, daß dafür mit Recht eine Gegenerkenntlichkeit gefodert werden mögen oder nicht.

[3, 3] §. 6. Der Willen, sich zu etwas freiwillig zu verbinden, oder seine Sache zu verschenken, wird außer jenen Fällen, worinnen Wir in diesem Gesetzbuche ein solches ausdrücklich festsetzen, niemals vermuthet, sondern muß allzeit rechtsbeständig erwiesen werden; ebenso mag auch weder anstatt dessen, was versprochen worden, etwas Anderes gefodert, noch das Versprechen auf etwas, was darinnen nicht namentlich enthalten ist, ausgedeutet werden.

[3, 3] §. 7. Ein Jeder, der mit seinem Vermögen frei zu schalten und zu walten befugt ist, kann davon nach seinem Gefallen verschenken; doch soll Niemanden erlaubt sein, ohne Unsere höchste Einwilligung eine solche Schankung zu machen, wodurch er entweder einer einzigen Person oder mehreren Personen zusammen sein ganzes Vermögen verschenket, welches Wir auch auf mehrere einzelne, zu verschiedenen Zeiten gemachte Schankungen erstrecket haben wollen, wofern selbe auf die nemliche Person gerichtet sind.

[3, 3] §. 8. Wer diese Unsere höchste Bestätigung ansuchet, der soll Uns verläßlich ausweisen, daß sein Vermögen frei und unbehaftet sei, daß Niemanden nach seinem Tode ein Pflichttheil davon gebühre, oder daß derselbe mit der Schankung zufrieden sei, und daß er sich so Vieles vorbehalte, als er zu seinem standesmäßigen Unterhalte bedarf. Wenn Wir jedoch auch eine solche Schankung bestätiget haben, so soll sie doch den Glaubigern des Schenkenden niemals zum Nachtheile gereichen, sondern ihnen eben jene Befugniß zustehen, wovon Wir im §. 12 und 13 anordnen.

[3, 3] §. 9. Auch soll die Schankung des gesammten Vermögens sich blos auf jenes Vermögen erstrecken, das der Schenkende zur Zeit der Schankung entweder eigenthümlich besitzt oder rechtmäßig zu fodern hat; was er hingegen erst hernach erwirbt, dieses mag, wofern es nicht namentlich ausgedrücket worden, nicht darunter begriffen werden.

[3, 3] §. 10. Wenn Derjenige, der einem Andern etwas aus freiem Willen zu geben oder zu thun versprochen hat, sein Versprechen zu gesetzter Zeit nicht erfüllet, so ist Jener, dem das Versprechen geschehen, befugt, ihn durch den Weg Rechtens dazu anzuhalten; allein er soll nicht berechtiget sein, wegen dieses Saumsals von einer versprochenen Summe Geldes einige Zinsen, noch auch die von einer andern versprochenen Sache indessen eingehobene Nutzungen zu fodern, wenn sie nicht ausdrücklich mit versprochen worden.

[3, 3] §. 11. Wenn Jemand etwas ohnbedingt und ein- für allemal zu geben versprochen hat, und vor der Erfüllung seines Versprechens gestorben ist, so sind seine Erben schuldig, das Versprochene zu leisten. Hätte hingegen Jemand etwas in bestimmten wiederkommenden Fristen abzureichen versprochen, oder seinem Versprechen eine Bedingniß beigesetzet, welche erst nach seinem Tode in Erfüllung gienge, so sind seine Erben dazu nicht verbunden; außer wenn er das Versprechen auf seinem Gute versichern lassen, oder wenn dasselbe ausdrücklich auf die Erben erstrecket worden, oder wenn die beigefügte Bedingniß wörtlich auf den Tod des Versprechenden lautete.

[3, 3] §. 12. Durch die Uebergabe der geschenkten Sache wird auf Denjenigen, dem sie geschenket worden, alles jenes Recht übertragen, welches der Schenkende an dieser Sache hatte; doch bleiben einem Dritten seine Ansprüche an dieser Sache unbenommen, und der Schenkende ist nicht schuldig, Jenem, dem er die Sache geschenket hat, die Gewähr zu leisten; es wäre denn, daß Jemand wissentlich eine fremde Sache geschenket, und der Andere, dem diese Beschaffenheit unbekannt war, andurch in Schaden und Unkosten versetzet worden, oder daß der Schenkende die Leistung der Gewähr ausdrücklich versprochen hätte, oder daß die geschenkte Sache zum Heirathgute gegeben worden.


(332) [3, 3] §. 13. Wenn jedoch auch die geschenkte Sache nicht insbesondere behaftet war, so soll doch jenen Glaubigern des Schenkenden, denen er schon zur Zeit der Schenkung schuldig war, das Recht bevor bleiben, in dem Falle, wo sie ihre völlige Befriedigung von dem Schuldner nicht zu erholen vermögen, die von ihm verschenkten Sachen in Anspruch zu nehmen; doch nur alsdann, wenn sie zu erweisen im Stande sind, daß das Vermögen des Schuldners schon zur Zeit der Schankung zu ihrer gänzlichen Befriedigung nicht hinlänglich gewesen.

[3, 3] §. 14. Wenn es sich auch ereignete, daß Derjenige, der einem Andern entweder auf einmal oder nach und nach einen beträchtlichen Theil seines Vermögens geschenket hat, nachhero in solche Dürftigkeit geriethe, daß er seinen nothdürftigen Unterhalt nicht hätte, so soll Derjenige, deme er die Schankung gemacht hat, schuldig sein, ihm nach Maß der Erträgniß des geschenkten Gutes den Unterhalt abzureichen; doch soll sich dieses auf mehrere kleine Schankungen, wenn sie verschiedenen Personen gemacht worden, nicht erstrecken, obwohl dadurch das Vermögen erschöpft worden wäre.

[3, 3] §. 15. Und so mehr soll Demjenigen, der einen Theil seines Vermögens verschenket, doch denselben noch nicht übergeben hat, in dem Falle, wo er das Versprochene nicht gänzlich zu leisten vermag, ohne selbst in einen Nothstand zu gerathen, die Rechtswohlthat zu statten kommen, daß er zu nichts mehr verhalten werden möge, als was er füglich leisten kann, und ihm ist von dem geschenkten Gute so viel zum lebenslänglichen Genusse zu lassen, als er zu seinem Unterhalte bedarf; doch ist auch an diesem Theile des Vermögens Demjenigen, deme das Geschenk gemacht worden, das Eigenthum zu versichern.

[3, 3] §. 16. Diese dem Schenkenden im §. 14 und 15 eingestandene Befugnisse greifen nur alsdann Platz, wenn das Versprochene oder bereits übergebene Geschenk aus seiner blosen Freigebigkeit herrühret. Wenn hingegen dasselbe ganz oder zum Theile einen ihm bereits zugegangenen oder noch anzuhoffenden Vortheil zum Grunde hat, so ist es, insoweit dessen Betrag mit dem Werthe dieser Sache übereinstimmte, als eine jede andere aus einem Vertrage gebührende Schuldigkeit anzusehen.

[3, 3] §. 17. Ferner soll der Schenkende befugt sein, die gemachte Schankung, sie möge durch die Uebergabe der geschenkten Sache bereits vollzogen sein oder nicht, alsdann zu widerrufen, wenn Derjenige, deme er die Schankung gemacht hat, sich nachhero gegen ihn einer großen Undankbarkeit schuldig macht. Für eine solche Undankbarkeit soll aber blos gehalten werden, wenn Derjenige, deme die Schankung gemacht worden, dem Schenkenden an seinem Vermögen boshafter Weise einen merklichen Schaden zufüget, wenn er ihn an seiner Ehre antastet, ihn verkleinert und verleumdet, oder wenn er ihn an seinem Leibe vorsätzlicher Weise verletzet, vergewaltiget, gefangen hält, ihm eine Lebensgefahr zuziehet oder gar selbst seinem Leben gefährlich nachstellet.

[3, 3] §. 18. Wenn die Schankung zur Zeit der begangenen Undankbarkeit durch die Uebergabe der Sache noch nicht vollzogen war, so soll das durch die Schankung erworbene Recht andurch entkräftet werden, und wenn die geschenkte Sache wann immer gefodert werden will, so kann der Schenkende sich mit Einwendung der begangenen Undankbarkeit schützen; wenn hingegen die Sache bereits übergeben worden, so soll Derjenige, der diese Schankung wegen bezeigter Undankbarkeit widerrufen will, schuldig sein, seine Klage binnen einem Jahre von Zeit der begangenen Undankbarkeit gerichtlich anzubringen. Nach verflossenem Jahre soll er damit nicht mehr gehöret werden; außer wenn er die Unbild nicht eher gewußt oder sonst außer Stande gewesen, selbe eher zu ahnden.

[3, 3] §. 19. Wir wollen auch diese Befugniß, die durch die Uebergabe der Sache bereits vollzogene Schankung wegen erfolgter Undankbarkeit zu widerrufen, blos auf die Person des Schenkenden beschränket haben, und wenn er stirbt, ohne die


(333) Widerrufungsklage erhoben zu haben, so sollen seine Erben nicht mehr befugt sein, selbe anzustrengen; wenn jedoch der Erblasser die Schankung im letzten Willen oder sonst auf eine rechtsbeständige Art widerrufen hat, oder wenn er in der ihm zugezogenen Gefahr umgekommen oder durch Blödsinnigkeit oder Krankheit nicht im Stande gewesen, die Schankung zu widerrufen, so soll seinen Erben nach seinem Tode noch eben das Recht gebühren, welches ihm gebühret hat.

[3, 3] §. 20. Auch soll die Befugniß, eine bereits vollzogene Schankung wegen nachheriger Undankbarkeit zu widerrufen, dem Schenkenden blos wider die Person Desjenigen zustehen, der die Schankung empfangen hat, und wenn derselbe eher gestorben wäre, als diese Klage wider ihn erhoben worden, so sollen seine Erben wegen seines Verbrechens nicht mehr gestrafet werden; dahingegen hat ein auf die Widerrufung der Schankung wegen künftiger Undankbarkeit vorhinein gethaner Verzicht nicht die mindeste Kraft.

[3, 3] §. 21. Wenn eine Schankung wegen begangener Undankbarkeit widerrufen wird, so ist der Beklagte schuldig, die Sache, oder wenn er die Sache nach begangener Undankbarkeit veräußert hätte, deren Werth nebst allen von der Sache eingehobenen und zur Zeit der eingebrachten Klage bei ihm vorhandenen Nutzen zurückzustellen; doch muß der Kläger ihm allen jenen Aufwand ersetzen, den er aus seinem eigenen Vermögen zu beharrlicher Erhaltung oder mehrerer Benutzung der Sache gemacht hat, insoweit dem Kläger andurch ein Vortheil zugehet.

[3, 3] §. 22. Was hingegen die vor erhobener Klage bereits verthane oder verzehrte Nutzungen anbetrifft, so kann der Beklagte deswegen nicht angefochten werden. Ebenso wenn er die Sache vor der begangenen Undankbarkeit ganz oder zum Theile veräußert, verpfändet oder sonst beschweret hat, ist er nicht schuldig, desfalls einigen Ersatz zu leisten; außer es würde dargethan, daß er in der Absicht, die Undankbarkeit zu begehen, die geschenkte Sache geflissentlich veräußert oder beschweret habe.

[3, 3] §. 23. Wenn Jemanden etwas unter der Bedingniß geschenkt worden, daß er dagegen etwas thun solle, und er diese Bedingniß nicht erfüllet, so stehet dem Schenkenden ebenfalls frei, die Schankung zu widerrufen; doch ist diese Widerrufung weder auf die im §. 18 vorgeschriebene Frist, noch auf die Lebzeiten des Einen oder Anderen beschränket. Hätte jedoch in diesem Falle Derjenige, der das Geschenk empfangen hat, bereits angefangen, die Bedingniß zu erfüllen oder sonst Mühe und Unkosten darauf gewendet, so muß er, wofern er aus einer erheblichen Ursache davon abgestanden ist, entschädiget werden, nicht aber auch, wenn er ohne erhebliche Ursache davon abgestanden ist.

[3, 3] §. 24. Dahingegen mag eine unter einer Bedingniß gemachte Schankung, wenn diese Bedingniß erfüllet worden oder erfüllet werden will, gleichwie auch eine zur Vergeltung geleisteter Dienste abgereichte Belohnung wegen einer nachherigen Undankbarkeit, selbe möge so groß sein, als sie wolle, nicht mehr widerrufen werden.

[3, 3] §. 25. Auch soll eine rechtsgiltig gemachte Schankung wegen dessen, daß dem Schenkenden nachhero eheliche Kinder geboren worden seien, keineswegs widerrufen werden können, wenn nicht dieses bei der Schankung ausdrücklich ausbedungen worden; wo aber diese Bedingniß hinzugesetzet worden, da erstrecket sie sich auch auf die vor der Schankung erzeugte uneheliche, nachhero aber durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gemachte Kinder, wie auch auf die Nachkömmlinge der vor Widerrufung der Schankung gestorbenen Kinder.

[3, 3] §. 26. Wären aber die nach der Schankung erzeugten Kinder ohne Nachkömmlinge zu hinterlassen wieder verstorben, bevor die Schankung widerrufen worden, so kann dieselbe, wofern sie bereits durch die Uebergabe, oder bei unbeweglichen Sachen durch die Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher bestärket worden, nicht mehr widerrufen werden; wenn hingegen die Schankung auf einem blosen Versprechen beruhet, so ist dieses mit der Geburt der


(334) Kinder erloschen, und kommt auch nach deren Absterben ohne eine wiederholte Erneuerung nicht wieder zu Kräften.

[3, 3] §. 27. Wenn eine Schankung aus dieser Ursache widerrufen wird, so ist in Ansehung der Sache und der von der Zeit der Schankung eingehobenen Nutzungen dem ersten Capitel, §. 42, 43, nachzugehen; doch ist Derjenige, dem die Sache geschenket worden, befugt, in jenem Falle, wo er alle eingehobenen Nutzungen zurückstellen muß, den Ersatz aller auf die Sache, es sei zur zeitlichen oder beharrlichen Erhaltung oder Benutzung gemachten Unkosten anzuverlangen. In dem Falle aber, wo die eingehobenen Nutzungen bei ihm verbleiben, kann er blos die Vergütung des auf die Sache selbst zu ihrer beharrlichen Erhaltung oder mehreren Benutzung gemachten Aufwandes zurückfodern.

[3, 3] §. 28. Die Befugniß, die geschenkte Sache zu widerrufen, stehet nicht nur dem Schenkenden selbst zu, sondern auch nach seinem Tode seinen Kindern, wegen welcher die Bedingniß beigerücket worden; außer wenn der Schenkende vor oder nach der Geburt der Kinder auf das Recht, die Schankung zu widerrufen, namentlich Verzicht gethan, oder wenn die Kinder nach dem Absterben des Schenkenden drei Jahre und achtzehn Wochen vorbeigehen lassen, ohne die Schankung zu widerrufen.

[3, 3] §. 29. Wenn Derjenige, der eine Sache unter dieser Bedingniß geschenkt bekommen, selbe vorhero veräußert oder sonst beschweret hätte, so hat es bei der im ersten Capitel, §. 63, festgesetzten Regel sein Bewenden; doch wollen Wir dem Schenkenden verstatten, daß er bei vorhandener nächster Hoffnung, Kinder zu bekommen, das verschenkte Gut vorsichtsweise mit gerichtlichen Kummer und Verbot belegen möge.

[3, 3] §. 30. Das, was Wir bishero geordnet haben, betrifft nur die Schankungen unter Lebenden. Von diesen sind die auf den Todesfall des Schenkenden gerichteten Zusagen und Schankungen wesentlich unterschieden; doch ist nicht eine jede Schankung, deren Vollziehung bis nach dem Tode des Schenkenden verschoben wird, sondern nur jene für eine Schankung auf den Todesfall zu halten, wenn der Willen zu schenken, selbst ausdrücklich auf den Tod des Schenkenden gerichtet ist, und die Schankung bloserdings in Betrachtung der Sterblichkeit überhaupt oder einer dem Schenkenden bevorstehenden Gefahr insbesondere gemacht wird. Wenn es aber zweifelhaft ist, von welcher Gattung die Schankung sei, so ist selbe allezeit für eine Schankung unter Lebenden zu halten.

[3, 3] §. 31. Eine Schankung auf den Todesfall kann von dem Schenkenden bis zum Tode willkürlich widerrufen werden, wenn sie schon von Jenem, deme sie gemacht worden, angenommen, oder auch wenn ihm schon die geschenkte Sache übergeben worden wäre; wäre aber eine unbewegliche Sache auf diese Art geschenket worden, so soll die Schankung, so lang der Schenkende lebt, in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher nicht einverleibet werden.

[3, 3] §. 32. Die Widerrufung einer auf den Todesfall gemachten Schankung geschiehet nicht nur, wenn der Schenkende hernach ausdrücklich erkläret, daß er die Schankung widerrufen haben wolle, oder wenn er hernach über die geschenkte Sache entweder unter Lebenden oder in seinem letzten Willen eine andere Anordnung macht, sondern auch durch alle jene Handlungen, wodurch die Vermächtnisse nach der verschiedenen Art und Eigenschaft der vermachten Sachen widerrufen werden.

[3, 3] §. 33. Wenn der Schenkende stirbt, ohne die Schankung widerrufen zu haben, so gelanget dieselbe zu ihrer rechtlichen Kraft, und stehet es deren Giltigkeit nicht im Wege, wenn sie schon bei Lebzeiten des Schenkenden nicht angenommen worden. Ist eine bestimmte Sache geschenket worden, so erwirbt Jener, deme sie geschenkt worden, alsofort an derselben das unauflösliche Eigenthum; bestehet aber die Schankung in einer noch unbestimmten Sache oder in einem gewissen Betrage von einer benannten Gattung, so stehen ihm zu Erlangung dieser Sache eben jene


(335) Rechtsmittel offen, welche Wir zur Erlangung eines Vermächtnisses von derlei Sachen an seinem Orte gegeben haben.

[3, 3] §. 34. Doch bleibet die auf den Todesfall geschenkte Sache allen Ansprüchen Derjenigen unterworfen, die an dem Schenkenden etwas zu fodern haben, nicht nur, wenn er ihnen schon zur Zeit der gemachten Schankung schuldig war, sondern auch, wenn er ihnen erst nachhero schuldig geworden ist.

[3, 3] §. 35. Auch erlöschet eine auf den Todesfall gemachte Schankung, wenn Derjenige, deme die Sache geschenket worden, vor dem Schenkenden gestorben ist; außer in jenen Fällen, wo auch ein Vermächtniß auf die Erben übertragen wird. Wenn eine Sache Mehreren geschenkt worden, und Einer von ihnen vor dem Schenkenden verstorben ist, so hat in Ansehung des Ueberlebenden ebenfalls alles Dasjenige statt, was Wir bei letztwilligen Anordnungen in Betreff des Zuwachses festgesetzet haben.

[3, 3] §. 36. Wenn ein Zweifel entstehet, ob der Schenkende oder Jener, dem die Sache geschenket worden, zuerst gestorben sei, so ist der Unterschied zu beobachten, ob die Sache Demjenigen, deme sie geschenket worden, von dem Schenkenden bereits übergeben worden sei oder nicht. Im ersten Falle müssen die Erben des Schenkenden erweisen, daß der Andere vor dem Schenkenden gestorben sei; im letzten Falle aber liegt den Erben Desjenigen, deme die Schankung gemacht worden, der Beweis ob, daß er den Schenkenden überlebt habe.

[3, 3] §. 37. Insbesondere wird aber auch jene Schankung, welche nicht aus Betrachtung der Sterblichkeit überhaupt, sondern mit Beziehung auf eine besondere Gefahr gemacht worden, alsdann entkräftet, wenn der Schenkende diese Gefahr überstanden hat, obwohl derselbe hernach gestorben wäre, ohne die Schankung widerrufen zu haben.

Viertes Capitel.

Von Darlehenscontracte.

[3, 4] §. 1. Wenn Jemand einem Anderen bewegliche Sachen, die in gemeinem Handel und Wandel nicht nach ihrer Gestalt, sondern nach ihrem Betrage an Gewichte, Zahl oder Maß geschätzet werden, mit der Bedingniß giebt, daß er diese Sachen zu seinem Gebrauche verwenden und hernach ihm ebensoviel von der nemlichen Gattung zurückstellen solle, so ist dieses ein Darlehenscontract.

[3, 4] §. 2. Doch kann auch über solche Dinge, die sonst in Handel und Wandel nach ihrer Gestalt und stückweise geschätzet werden, ein Darlehenscontract bestehen, wenn sie von der Beschaffenheit sind, daß mehrere Sachen von eben derselben Gattung entweder durch die Natur oder Kunst hervorgebracht werden; wofern nur die Contrahenten dahin übereinkommen, daß nicht die nemliche Sache, welche geliehen worden, sondern eine von der nemlichen Gattung zuruckgestellet werden solle.

[3, 4] §. 3. Wenn Jemand sich verbindlich macht, einem Anderen ein Darlehen zu geben, so ist dieses kein Darlehenscontract, sondern nur ein Vertrag, woraus Derjenige, der das Darlehen versprochen hat, verbunden wird, dasselbe zu geben; Jener hingegen, welchem das Darlehen versprochen worden, wird zu dessen Annehmung nicht verbunden, außer wenn er dasselbe annehmen zu wollen sich ausdrücklich erkläret hat, und wenn dem Anderen dadurch, wenn es nicht angenommen würde, ein Schaden bevorstünde.


(336) [3, 4] §. 4. Ein Darlehenscontract wird nur dazumalen geschlossen, wenn die Sache, welche geliehen werden will, dem Anderen wirklich übergeben wird; es ist aber nicht nothwendig, daß die Sache körperlich übergeben werde, sondern auch jene Arten der Uebergabe, welche Wir im zweiten Theile, fünften Capitel, §. 7, berühret haben, sind dazu hinlänglich, wofern nur Derjenige, der das Darlehen erhalten soll, die Sache entweder schon in Händen hat, oder hernach in seine Hände bekommt.

[3, 4] §. 5. Wenn dahero Jemandem Waaren zum Verkaufe mit dem Bedinge behändiget werden, oder wenn Jemandem der Schuldschein über eine bei einem Dritten ausständige Foderung zu dem Ende gegeben wird, daß er das für die Waaren gelösete Geld oder die eingetriebene Summe als ein Darlehen behalten solle, so wird er nur alsdann zur Zurückzahlung des Darlehens verbunden, wenn er die Waaren um den angeschlagenen Preis wirklich verkaufet, oder die bei dem Dritten ausständig gewesene Summe wirklich erhoben hat; wenn aber die Waaren um den angeschlagenen Preis nicht an Mann gebracht würden, oder wenn die ausständige Schuld nicht eingetrieben werden könnte, so wird er bloserdings zur Zurückstellung der Waaren oder des Schuldscheines verbunden.

[3, 4] §. 6. Hätte hingegen Jemand einem Anderen eine bei einem Dritten ausstehende richtige Foderung zu seinem Eigenthume abgetreten und dabei ausbedungen, daß er den dafür bestimmten Werth als ein Darlehen behalten solle, so wird der Uebernehmer dieser Schuldfoderung nach Maß dessen, was Wir über diesen Fall im dreiundzwanzigsten Capitel mit Mehreren anordnen werden, zur Rückzahlung des ganzen Darlehens verbunden, er möge wenig oder auch gar nichts von der übernommenen Schuld eingebracht haben; wenn jedoch in so einem Falle und hauptsächlich bei übergebenen Waaren eine wucherliche Handlung unterliefe, so ist Unsern weiter unten desfalls enthaltenen weitläufigeren Anordnungen nachzugehen.

[3, 4] §. 7. Wenn Jemand, der nach deme, was Wir im ersten Capitel, §. 6, berühret haben, nicht befugt ist, ein Darlehen zu geben oder zu nehmen, einem Anderen an Gelde oder anderen Sachen ein Darlehen vorgestrecket hat, so ist es kein Darlehenscontract, sondern Jener, der das Dargeliehene empfangen hat, muß dasselbe, wenn es noch bei ihm vorhanden ist, alsofort wieder hergeben; hätte er es aber bereits zu seinem Gebrauche verwendet, so kann er zu allen Zeiten, und ohne Rücksicht auf die wegen der Rückzahlung mit dem Darleiher verabredeten Bedingnisse zur Zurückstellung des empfangenen Betrages sammt Zinsen, Schäden und Unkosten belanget werden.

[3, 4] §. 8. Wenn die Vorsteher Unserer Städte und Märkte, wie auch einer milden Stiftung Unserer im ersterwähnten ersten Capitel, §. 6, enthaltenen allgemeinen Anordnungen zuwider, ohne Unsere höchste Bewilligung ein Darlehen aufgenommen haben, so haben sie für ihre Personen dafür allezeit zu haften; dahingegen soll die Gemeinde oder Stiftung sonst niemals dadurch verbunden werden, als in dem Falle einer sich plötzlich ereignenden dringenden Bedürfniß, oder eines unvorgesehenen, für die Gemeinde oder Stiftung zu erreichenden offenbaren Vortheiles, wo die Zeit nicht verstattete vorhero Unsere Einwilligung einzuholen, und wenn zugleich erwiesen werden kann, daß das Darlehen wirklich zur Nothdurft oder zum Nutzen der Gemeinde oder der Stiftung verwendet worden.

[3, 4] §. 9. Wäre aber Unsere höchste Einwilligung zur Aufnehmung eines solchen Darlehens vorhero angesuchet und erwirket worden, so ist Derjenige, der das Geld hergeliehen hat, auf alle Fälle gesichert, und wenn das Darlehen nicht zum Nutzen der Gemeinde oder der Stiftung verwendet worden wäre, so hat die Gemeinde oder Stiftung ihre Entschädigung blos an ihren Vorstehern zu suchen.

[3, 4] §. 10. Wenn Jemand fremdes Geld oder Gut ohne Wissen und Willen des Eigenthümers ausleihet und Derjenige, deme es ausgeliehen wird, weiß, daß


(337) es fremd sei, so ist der Contract null und nichtig, und der Eigenthümer ist befugt, sowohl wider den Ausleiher, als wider Jenen, der sein Geld oder Gut empfangen hat, ohne Rücksicht, ob dasselbe bei ihm noch vorhanden, oder schon verthan sei, sich derjenigen Gerechtsamen zu gebrauchen, welche Wir im zweiten Theile, zweiten Capitel, dem Eigenthümer eingeräumet haben, und Alles, was er entweder an dem dargeliehenen Gute oder an Zinsen, Schäden und Unkosten von dem Einen nicht erhält, von dem Anderen zu erholen.

[3, 4] §. 11. Wenn aber Derjenige, der das Darlehen empfangen hat, in der ohngezweifelten Meinung gewesen, daß das Dargeliehene des Darleihers eigenthümliches Gut sei, so kann sich zwar der Eigenthümer wider den Darleiher der im vorigen §. erwähnten Gerechtsamen bedienen; allein wenn er sein Gut von Demjenigen, der es als ein Darlehen empfangen, zurückfodern will, so soll er an alle von diesem mit dem Darleiher getroffenen Verabredungen gebunden, auch von ihm nicht mehr zurückzufodern berechtiget sein, als was er dem Darleiher noch schuldig ist.

[3, 4] §. 12. Wer ein Darlehen empfangen hat, der erwirbt das Eigenthum der dargeliehenen Sache, und wird verpflichtet dem Glaubiger den nemlichen Betrag, welchen er empfangen, zurückzuzahlen, und dieses auch in jenem Falle, wenn schon die dargeliehenen Sachen bei ihm durch was immer für einen Zufall zu Grunde gegangen wären, ohne daß er etwas davon zu seinem Gebrauche verwendet hätte.

[3, 4] §. 13. Der Schuldner muß die geliehenen Sachen in der nemlichen Gattung zurückzahlen, und er ist nicht befugt, dem Glaubiger Sachen von einer unterschiedenen Gattung aufzudringen; bei geliehenen Geldern aber, wenn es nicht eigends ausbedungen worden, daß die Rückzahlung in einer gewissen benannten Gattung der Münze geschehen solle, ist der Schuldner nicht an die Gattungen der empfangenen Münze gebunden, sondern er thut genug, wenn er den empfangenen Betrag auch in einer anderen guten und gangbaren Münzgattung abzahlet.

[3, 4] §. 14. Was jedoch die Schiedmünzen anbetrifft, so kann kein Glaubiger verhalten werden, davon einen größeren Betrag anzunehmen, als den Wir in Unseren politischen Anordnungen festgesetzet haben; außer wenn der Schuldner erweiset, daß er bei Empfang des Darlehens einen größeren Betrag an Schiedmünze anzunehmen bemüssiget gewesen, in welchem Falle der Glaubiger ebensoviel an derlei Schiedmünzen anzunehmen schuldig sein soll.

[3, 4] §. 15. Nicht minder muß der Schuldner den empfangenen Betrag in der nemlichen Güte zurückstellen, doch ist hierinnen zwischen dargeliehenem Gelde und anderen Sachen ein Unterschied zu machen. Bei der Rückzahlung dargeliehener Gelder ist sowohl auf die innerliche Güte, als auf den äußerlichen Werth des Geldes zu sehen, wie Wir im fünfundzwanzigsten Capitel mit Mehreren erklären werden; bei allen übrigen Sachen aber ist blos auf ihre innerliche Güte und Beschaffenheit zu sehen, ob diese derjenigen, welche die zum Darlehen empfangene Sache gehabt, gleichkomme oder nicht.

[3, 4] §. 16. Dahingegen mag bei allen diesen Sachen der äußerliche Werth in keine Betrachtung gezogen werden; wenn also die dargeliehene Sache zur Zeit der Rückzahlung mehr als noch einmal so hoch am Werthe wäre, als sie zur Zeit des Darlehens gewesen, so gereichet es einzig dem Glaubiger zum Nutzen, und wenn die dargeliehene Sache zur Zeit der Rückzahlung mehr als über die Hälfte desjenigen Werths herabgefallen, den sie zur Zeit des Darlehens gehabt, so muß der Glaubiger den Schaden tragen.

[3, 4] §. 17. Zu welcher Zeit, und an welchem Orte der Schuldner die geliehene Sache zurückzuzahlen schuldig sei, ist aus Unserer im fünfundzwanzigsten Capitel folgenden allgemeinen Anordnung zu entnehmen, und wie in jenem Falle vorzugehen sei, wenn der schuldige Betrag nicht mehr zurückgestellt werden könnte,


(338) oder der Glaubiger durch die ungebührlich verzögerte Zahlung in Schäden und Unkosten versetzet worden wäre, werden Wir im achtzehenten Capitel ausmessen.

[3, 4] §. 18. Wer Jemanden zur Zurückzahlung eines Darlehens belangen will, der muß das demselben gemachte Darlehensrecht behörig erweisen. Hat der Schuldner einen Wechsel ausgestellt, so ist Unserer Wechselordnung nachzugehen; hat aber der Glaubiger eine andere von dem Schuldner ihm gegebene Schuldverschreibung in Händen, so beweiset selbe sonst nicht, als wenn sie auf die in Unserer Gerichtsordnung vorgeschriebene Art eingerichtet ist.

[3, 4] §. 19. Wenn ein Schuldner nach Ersehung seiner Handschrift dieselbe abzuleugnen sich erfrechet, und hernach, daß es seine Handschrift sei, überwiesen wird, so soll er über Entrichtung der Schuld annoch zur Strafe Unserer Kammer in den ganzen Betrag der abgelaugneten Schuld verfallen sein, oder wenn er nicht so viel im Vermögen hat, mit einem nach Befunde des Richters ausgemessenen Arreste bestrafet werden.

[3, 4] §. 20. Wenn eine Schuldverschreibung sich auf eine vorhergehende Urkunde beziehet, so ist der Glaubiger schuldig auf Verlangen des Schuldners die erste Urkunde vorzuzeigen; außer wenn die vorherige Schuld in der späteren Verschreibung erneuert, oder die Vorzeigung der ersten Urkunde darinnen ausdrücklich erlassen worden, oder die Ursache, aus welcher die Schuld herrühret, auf andere Art erwiesen werden könnte.

[3, 4] §. 21. Die Beidruckung des Petschaftes ist zur Giltigkeit einer Schuldverschreibung nicht erfoderlich. Wenn jedoch das Petschaft des Schuldners beigedrucket worden, so erwächst daraus auch umsomehr die rechtliche Vermuthung für die Richtigkeit der Unterschrift; gleichwie im Gegentheile, wenn ein fremdes Petschaft beigedruckt, und dabei mit des Schuldners eigener Hand nicht angemerket ist, daß er in Ermangelung seines eigenen Petschafts ein fremdes beigedrucket habe, andurch die für die Richtigkeit der Unterschrift streitende Vermuthung vermindert wird.

[3, 4] §. 22. Wenn jedoch eine Schuldverschreibung zur Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher gelangen soll, so erfodert selbe, außer den allgemeinen Erfodernissen, welche Wir für alle derlei Urkunden im ersten Capitel, §§. 14, 15, 16, vorgeschrieben haben, daß ein besonderes Unterpfand an einem liegenden Gute des Schuldners namentlich darinnen verschrieben werde, wie Wir darüber im siebenten Capitel mit Mehreren anordnen werden.

[3, 4] §. 23. Wenn ein Schuldbrief durch Zufall zu Grunde gehet, oder verloren wird, so erlöschet die Schuld nicht, wofern nur der Glaubiger selbe auf andere Art erweisen kann, und er ist berechtiget von dem Schuldner sowohl die Bezahlung der Schuld, als auch in dem Fall, wo die Verfallzeit der Schuld noch nicht gekommen ist, einen neuen Schuldbrief abzufodern; doch ist er in diesem Falle schuldig, demselben die schriftliche Versicherung zu geben, daß der erste Schuldbrief ganz entkräftet, und falls er auch zum Vorschein kommen würde, der Schuldner zu dessen Zahlung nicht mehr verbunden sein solle.

[3, 4] §. 24. Wäre auch der verlorne Schuldbrief dem Schuldner selbst in die Hände gerathen, so schadet es dem Glaubiger nicht; doch muß er alsdann sowohl die Richtigkeit der Schuld darthun, als auch, daß er den Schuldbrief zufälliger Weise verloren habe.

[3, 4] §. 25. Wenn der Schuldbrief in den Händen eines Dritten befindlich ist, und dieser dem Schuldner die Inhabung des Schuldbriefes, wie auch sein auf diese Schuld erworbenes Recht zu wissen gemacht hat, so ist derselbe nicht mehr befugt, die Schuld seinem ersten Glaubiger zu bezahlen; hätte aber der Inhaber des Schuldbriefes dem Schuldner zwar dessen Inhabung zu wissen gemacht, ohne jedoch die Ursache darzuthun, aus welcher derselbe auf ihn gediehen, so ist der Schuldner weder dem Inhaber des Schuldbriefs noch seinem Glaubiger eher etwas zu zahlen befugt, als bis es durch richterliche Erkenntniß entschieden ist, weme die


(339) Zahlung zu leisten sei, und wenn er vorhero dem Einen oder dem Anderen die Schuld abführet, so thut er es auf seine Gefahr.

[3, 4] §. 26. Insolang hingegen der Inhaber des Schuldbriefes dem Schuldner keine Nachricht davon gegeben, hat es bei der Anordnung des §. 23 sein Bewenden, und wenn nach bezahlter Schuld der Schuldbrief über kurz oder lang in den Händen eines Dritten zum Vorschein käme, so hat derselbe seine Schadloshaltung blos an Demjenigen zu suchen, von welchem er den Schuldbrief an sich gebracht hat; außer er könnte erweisen, daß der Schuldner der wider ihn ausgeübten Gefährde theilhaftig gewesen.

[3, 4] §. 27. Würde aber Jemand in der Hoffnung, das ihm versprochene Darlehen zu erhalten, einen Schuldbrief vorhinein von sich geben, ohne das Geld hernach empfangen zu haben, so verstatten Wir ihm eine zweimonatliche Frist, um binnen derselben wider den Inhaber seines Schuldbriefes die Einwendung zu machen, daß er das Darlehen nicht empfangen habe, und diese Einwendung wollen Wir in deme besonders begünstigen, daß dem Inhaber des Schuldbriefs, wider welchen diese Einwendung gemacht wird, der Beweis obliegen solle, das in demselben enthaltene Geld dem Schuldner wirklich zugezählet zu haben.

[3, 4] §. 28. Diese Einwendung soll dem Schuldner nicht allein in jenem Falle gebühren, wenn er von dem Inhaber des Schuldbriefes binnen zweien Monaten zur Zurückzahlung des Darlehens belanget wird, sondern wenn er auch binnen dieser Zeit von dem Inhaber seines Schuldbriefs nicht belanget würde, soll er befugt sein, diese Einwendung selbst klagbar anzubringen.

[3, 4] §. 29. Wenn Derjenige, der einen solchen Schuldbrief ausgestellet hat, binnen diesen zweien Monaten verstürbe, so soll die Befugniß, die erstgedachte Einwendung zu machen, seinen Erben von dem Tage des ausgestellten Schuldbriefs an zu rechnen, durch ein ganzes Jahr gebühren. Wenn aber der Aussteller des Schuldbriefs oder seine Erben wegen Abwesenheit oder anderer wichtigen Ursachen binnen dieser ihnen ausgemessenen Zeit wider den Inhaber des Schuldbriefs keine Klage erheben könnten, so verstatten Wir ihnen mit Erweisung der vorwaltenden Hindernisse bei Gerichte eine Verwahrung ihrer Gerechtsamen einzubringen; doch muß diese Verwahrung vor Verlaufe der oben ausgemessenen Frist eingebracht werden, und ihre Wirkung soll sich nicht länger als auf vier Wochen von dem Verlaufe dieser Frist erstrecken.

[3, 4] §. 30. Sowohl die erstgedachte Verwahrung, als die Klage selbst ist bei jenem Gerichte anzubringen, deme der Aussteller des Schuldbriefs für seine Person unterworfen ist, und der Inhaber des Schuldbriefs ist daselbst auf eben jene Art Rede und Antwort zu geben schuldig, als ob er den Aussteller zur Zahlung der in dem Schuldbriefe enthaltenen Schuld allda belanget hätte.

[3, 4] §. 31. Kann der Inhaber des Schuldbriefs die geschehene Zuzählung der darinnen enthaltenen Summe nicht erweisen, so ist er zur Zurückstellung des Schuldbriefes und Erstattung aller Schäden und Unkosten zu verhalten; wenn er hingegen die geschehene Zuzählung der in dem Schuldbrief verschriebenen Summe rechtsbehörig erweiset, so soll ihm nebst Erstattung der verursachten Schäden und Unkosten der Verfallzeit der Schuld zu deren Eintreibung die schleunigste Rechtshilfe ertheilet werden, und wenn der Schuldner einer Gefährde überzeuget wird so soll er eben derjenigen Strafe unterliegen, die Wir im §. 19 verhänget haben,

[3, 4] §. 32. Wenn aber die zwei Monate oder das Jahr verstrichen, und binnen dieser Zeit weder geklaget, noch eine Verwahrung eingebracht worden, oder da eine Verwahrung eingebracht worden, die wirkliche Klage binnen vier Wochen nicht anhängig gemacht worden wäre, so soll diese begünstigte Einwendung gänzlich erloschen sein. Nach dieser Zeit stehet dem beklagten Schuldner zwar frei, die Einwendung zu machen, daß er Dasjenige, was er in dem Schuldbriefe empfangen


(340) zu haben bekennet, nicht empfangen habe; allein ihm lieget alsdann ob, die Wahrheit dieser seiner Einwendung zu erweisen.

[3, 4] §. 33. Umsoweniger greift dieses von Uns eingestandene rechtliche Hilfsmittel alsdann Platz, wenn der Schuldner nach ausgestelltem Schuldbriefe in einer besonderen Urkunde das Darlehen wirklich empfangen zu haben bekennet, oder auf eine andere Art die Schuld eingestanden hat, als da er nachhero Zinsen davon gezahlet, oder dem Glaubiger ein Pfand dafür eingehändiget hätte, wie auch, wenn er nachhero auf die Einwendung des nicht wirklich empfangenen Darlehens eine besondere Verzicht gethan; dahingegen, wenn eine solche Eingeständniß oder Verzicht in dem Schuldbriefe selbst enthalten ist, oder auch mit dem Schuldbriefe zu gleicher Zeit ausgestellet worden, bringet sie Demjenigen, der sie ausgestellet hat, nicht den mindesten Nachtheil.

[3, 4] §. 34. Ueberhaupt aber wollen Wir dieses rechtliche Hilfsmittel blos auf solche Schuldbriefe beschränket haben, welche über ein auf die Zeit des Schuldbriefs sich beziehendes Darlehen ausgestellet worden; wenn hingegen von einem älteren Darlehen die Rede ist, welches Jemand in dem Schuldbriefe empfangen zu haben bekennet, oder wenn die Urkunde über eine aus einem anderen Contracte schuldig gewordene Summe ausgestellet worden, so hat es außer jenen Fällen, die Wir in diesem Gesetzbuche an ihrem Orte berühren, bei der im ersten Capitel, §. 23, festgesetzten Regel sein unabänderliches Verbleiben.

[3, 4] §. 35. Wir verstatten aber einem jeden Darleiher, daß er sich von dem Entlehner für den Gebrauch des dargeliehenen Betrags mäßige Zinsen oder


(341) Interessen ausbedingen möge; doch soll ein jeder Darleiher schuldig sein, sich sowohl in Betreff der Interessen als in Ansehung des Darlehens selbst von allem


(342) Wucher zu enthalten, und unter den im §. 53 und den folgenden ausgesetzten Strafen sich Unseren nachfolgenden Anordnungen nachzuachten.


(343) [3, 4] §. 36. Die Interessen sollen allezeit von der nemlichen Art und Gattung sein, von welcher die Hauptschuld ist, als Geld von Gelde, Getreide von Getreide;


(344) widrigenfalls, und obwohl dem Glaubiger nicht verwehret ist, anstatt der bedungenen Interessen auch Sachen von verschiedener Art anzunehmen, insoweit deren


(345) Werth den erlaubten Betrag der Interessen nicht übersteiget, so soll doch der Vertrag, wodurch gleich Anfangs anstatt der Interessen andere von der Hauptschuld


(346) unterschiedene Sachen zu geben bedungen worden, null und nichtig sein, und für wucherlich gehalten werden.

[3, 4] §. 37. Die bedungenen Interessen bestimmen Wir hiemit für allgemein auf jährliche sechs vom Hundert dergestalten, daß Niemand unter was immer für einem erdenklichen Vorwande höhere Interessen zu bedingen oder zu nehmen befugt sein wolle; nur allein wollen Wir von dieser Regel bei jenen Geschäften, so zwischen Kauf- und Handelsleuten untereinander geschlossen worden, eine Ausnahme machen, und sollen derlei Geschäfte bloserdings nach den an jedem Orte bestehenden Kaufmanns- und Wechselordnungen beurtheilet werden.

[3, 4] §. 38. Die Interessen mögen in ganze, halbe oder Vierteljahre, Monate, Wochen oder Tage eingetheilet sein, so soll die in vorigen §. gesetzte Regel ohnverändert beobachtet werden, und Niemanden mehr an Interessen zu nehmen erlaubet sein, als was, wenn selbe jährlich auf sechs vom Hundert gerechnet werden, nach Maß der geliehenen Summe und der Zeit, wofür die Interessen zu bezahlen sind, verhältnißmäßig ausfällt.

[3, 4] §. 39. Unter dem Wucher wollen Wir eine jede Handlung verstanden haben, was für ein Namen oder Gestalt derselben auch immer gegeben werden möge, wobei der Darleiher entweder offenbar oder unter einem falschen Deckmantel und auf eine wie immer ersonnene Art, außer den von dem Darlehen zu nehmen erlaubten Interessen sich annoch mit Benachtheiligung des Entlehners einen weiteren Gewinn zu verschaffen trachtet.


(347) [3, 4] §. 40. Eine wucherliche Handlung ist es also, wenn Jemand sich höhere Interessen als jährlich sechs vom Hundert ausbedungen hat, obwohl er sie noch nicht angenommen hätte, wie auch wenn Jemand höhere Interessen als jährlich sechs vom Hundert angenommen hat, obwohl er sie sich nicht ausbedungen hätte. Auch ist es ein Wucher, wenn Jemand die nach dem Gebrauche des Darlehens erst gebührenden Interessen vorhinein von dem Capitale abziehet, und umsomehr, wenn er ohne sich der desfalls im achtzehenten Capitel, §. 29, enthaltenen Vorschrift nachzuachten, die Interessen zum Capitale schlägt und von denselben wieder Interessen bedungen oder angenommen hat.

[3, 4] §. 41. Ferner ist es Wucher, wenn der Darleiher außer den erlaubten Interessen unter was immer für einem Vorwande von dem Entlehner sich ein Mehreres, es seie Geld oder Geldeswerth zurückzuzahlen bedungen, oder angenommen hat, als von ihm wirklich gegeben worden; hieher gehört, wenn er sich entweder für die Abreichung des Darlehens eine Belohnung, oder wegen der nicht zu rechten Zeit eingehaltenen Zahlung ein Strafgeld oder auch wegen längerer Nachfristung über die Verfallzeit eine Erkenntlichkeit ausbedungen oder angenommen hat, obwohl der Schuldner selbst ihm zur Abwendung der Execution freiwillig etwas angeboten hätte.

[3, 4] §. 42. Nicht minder soll auch das Beding für wucherlich gehalten werden, wodurch der Entlehner außer den von der entlehnten Summe gebührenden Interessen annoch die Entrichtung der Vermögenssteuer, oder einer anderen von dem Capitale oder den Interessen abzustatten kommenden Abgabe, welche dem Darleiher obgelegen wäre, auf sich nimmt, wofern diese Abgabe mit Einbegriff der bedungenen Interessen den sonst erlaubten Betrag der Interessen übersteiget und diese Uebermaß schon zur Zeit des eingegangenen Bedings vorhanden war. Wäre aber zu dieser Zeit die Uebermaß noch nicht vorhanden gewesen, so bestehet das Beding nur nach dem erlaubten Betrage der Interessen; für Dasjenige hingegen, um was nachhero die Abgaben den erlaubten Betrag der Interessen übersteigen, ist es ungiltig, und wird erst alsdann wucherlich, wenn der Darleiher auch diese Uebermaß von dem Entlehner, ohne ihm selbe von den Interessen abzurechnen, entrichten läßt.

[3, 4] §. 43. Umsomehr ist es ein Wucher, wenn der Darleiher sich eine größere Summe, als er wirklich zugezählet, verschreiben läßt, wenn er die Münzen in einem höheren Werthe, als sie zur Zeit des Darlehens gangbar gewesen, ausgeliehen, oder wenn er bei nicht eingehaltener Zahlung sich die Heimfälligkeit des gegebenen Unterpfandes ausbedungen hat; ebenso ist auch jene Handlung für wucherlich anzusehen, wenn der Darleiher dem Entlehner eine zur Zeit des Darlehens schon unrichtige, oder uneintreibliche, oder nicht anderst als mit großem Verluste einzubringen mögliche Foderung in das Darlehen anstatt baarem Gelde, eingerechnet, und eine Verschreibung auf die ganze Summe, als ob selbe in baarem Gelde bestanden, angenommen hat.

[3, 4] §. 44. Und obwohl es dem Darleiher einer anderen Sache erlaubt ist die Güte der Sache, welche ihm wieder gegeben werden solle, sich vorhinein auszubedingen, wenn gleich selbe die Güte der geliehenen Sache übertrifft, so ist doch auch dieses in jenem Falle eine wucherliche Handlung, wenn die zurückbedungene Sache schon zur Zeit des Contracts in ihrer innerlichen Güte und in einem gewissen keiner Veränderung unterliegenden Werthe so viel an Gelde beträgt, daß sie den Betrag der dargeliehenen Sache, wenn diese ebenfalls zu Gelde angeschlagen würde, sammt dem davon zu nehmen erlaubten Interesse übersteiget.

[3, 4] §. 45. Ingleichen ist es ein Wucher, wenn ein Darlehen unter dem Namen und Gestalt einer anderen Handlung versteckt, und der dabei unterwaltende Wucher bemäntelt wird. Dieses geschiehet nicht nur alsdann, wenn dem Entlehner anstatt baaren Geldes Waaren geborgt, und diese von demselben, um baares Geld zu bekommen, dem Verkaufer alsofort wieder unmittelbar oder mittelbar um einen


(348) minderen Preis verkaufet werden, sondern auch in allen jenen Kaufhandlungen, wobei der Verkaufer unter Vorspiegelung eines anderen eingegangenen Bedings oder Contracts entweder in dem Besitze der verkauften Sache verbleibet, oder die Befugniß, selbe anwiederum auszulösen, sich vorbehält, oder wo dem Kaufer das Recht eingeräumet wird, die Sache wiederum heimzusagen, wofern aus der Beschaffenheit der Personen, aus dem Verhältnisse des Preises gegen die dafür gegebene Sache und anderen Umständen erhellet, daß in der That nichts als ein bloser Darlehenscontract geschlossen, und der ganze Kauf nur eine zur Versteckung des Wuchers gebrauchte Scheinhandlung sei.

[3, 4] §. 46. Wir wollen aber überhaupt festsetzen, daß alle jene Handlungen, worinnen Jemand einem Anderen solche Waaren borget, die er nicht selbst verfertigt oder führet, oder auch deren der Verkaufer zu seinem Gebrauche nicht benöthigt ist, oder deren Vertrag so groß und übermäßig ist, daß der Kaufer selbe vernünftiger Weise nicht verbrauchen mag, oder die in einem viel höheren Preise, als sie damals insgemein gegolten, angeschlagen worden, oder endlich deren Betrag und Preis gar nicht angesetzet worden, für derlei Scheinhandlungen und für wucherlich gehalten werden sollen, wenn der Verkaufer deren Rechtmäßigkeit nicht darthun kann.

[3, 4] §. 47. Nebst deme wollen Wir hiemit für allgemein anordnen, daß es niemals erlaubt sein solle, in der nemlichen Schuldverschreibung Geld und andere Sachen zu vermischen, oder in der Verschreibung etwas Anderes oder etwas Mehreres anzusetzen, als darauf wirklich gegeben worden, und es soll eine jede Verschreibung, worinnen entweder etwas Anderes, oder etwas Mehreres einkommt, als was wirklich gegeben worden, gleichwie auch eine jede Verschreibung, worinnen Geld und andere Sachen vermischt werden, und umsomehr eine jede nur auf baares Geld lautende Schuldverschreibung, wenn darauf nicht lauter baares Geld, sondern ganz oder zum Theile Waaren gegeben worden, es möge in der Verschreibung von den zugeschlagenen Waaren Meldung gemacht werden, oder nicht, alsofort und ohne alle Untersuchung, ob diese Zuschläge dem Schuldner schädlich seien, oder nicht, für wucherlich gehalten werden.

[3, 4] §. 48. Würde auch Jemand, um diese Unsere Anordnung zu hintergehen, zur Verhehlung der bei dem geschlossenen Contracte einkommenden wucherlichen Zuschläge über denselben mehrere Verschreibungen errichten, so sollen alle diese Verschreibungen zusammen, wenn es erwiesen werden kann, daß sie zwischen den nemlichen Personen, und an dem nemlichen Tage geschlossen worden, obwohl alle oder einer darunter auf einen erdichteten Namen, oder auf einen anderen Tag falsch gesetzet worden wäre, für wucherlich gehalten, und mit den nachhero berührten Strafen angesehen werden.

[3, 4] §. 49. Könnte es aber nicht erwiesen werden, daß die zwischen den nemlichen Personen eingegangenen, und in verschiedenen Verschreibungen enthaltenen, zum Theile wucherlichen Handlungen in einem Tage geschlossen worden, so sollen die nachbenannten Strafen über die wahrhaft wucherlich befundenen Handlungen verhänget, auf die annebst geschlossenen aufrechten Handlungen aber nicht erstrecket werden. In dem Falle jedoch, wo eine unter mehreren von dem nemlichen Schuldner an den nemlichen Glaubiger, obschon an verschiedenen Tagen ausgestellten Verschreibungen wucherlich zu sein entdecket wird, ist auch in Ansehung der übrigen die rechtliche Vermuthung vorhanden, daß selbe nur erdichtet und mit jener von gleicher Beschaffenheit seien, wenn nicht von dem Glaubiger das Gegentheil erwiesen werden kann.

[3, 4] §. 50. Wer dahero Jemanden nebst einem Darlehen an baarem Gelde entweder zugleich oder hernach vor zurückgezahlten Gelde, Waaren oder andere Sachen borgen will, oder wer Jemanden nach geborgten Waaren vor deren Zahlung ein Darlehen an baarem Gelde reichen, und allen Verdacht einer wucherlichen


(349) Handlung von sich ablehnen, auch sich von dem ersterforderten Beweise des Gegentheils befreien will, der soll sich nicht nur mit verschiedenen Verschreibungen zu versehen, sondern auch diese Verschreibungen entweder vor Gerichte zu machen, oder von glaubwürdigen Zeugen mitunterfertigen zu lassen, und so in einem als anderen Falle die geborgten Waaren oder Sachen mit getreulicher Anzeige ihres Betrages und Preises wohl zu beschreiben schuldig sein.

[3, 4] §. 51. Die Anordnung des §. 50 soll sich auch auf Kauf- und Handelsleute in allen jenen Geschäften, so von ihnen mit einem Anderen, der kein Kauf- und Handelsmann ist, geschlossen werden, und insbesondere auf solche Auszügel, worinnen nebst geborgten Waaren auch geliehenes baares Geld einkommt, erstrecken. Wenn jedoch ein Kauf- oder Handelsmann Jemanden nebst geborgten Waaren auch ein Darlehen an baarem Gelde geben will, so soll es, insolang der Werth der Waaren sich nicht über hundert Gulden belauft, an deme genug sein, wenn er außer der für das Darlehen erhaltenen besonderen Verschreibung, die geborgten Waaren ordentlich in seine Bücher eingetragen hat; wenn aber der Preis der Waaren hundert Gulden übersteiget, so soll er ebenfalls seine Rechnung entweder durch glaubwürdige Zeugen fertigen, oder vor Gerichte errichten lassen.

[3, 4] §. 52. Wenn auch Jemand, um eine wucherliche Handlung zu bemänteln, eine ältere wucherliche Schuld mittels eines neuen Darlehens in eine Summe zusammenziehen wollte, so soll doch andurch die Makel des auf der älteren Schuld haftenden Wuchers nicht ausgelöschet, sondern nebst derselben auch die neue, obschon für sich nicht wucherliche Schuld mit gleicher Strafe beleget werden.

[3, 4] §. 53. Alles, was vermöge einer auf was immer für Art geschlossenen wucherlichen, oder nach Vorschrift Unserer vorstehenden Anordnungen für wucherlich anzusehenden Handlung Jemanden geliehen oder zu leihen bedungen worden, es möge in Gelde oder Waaren bestehen, soll Unserer Kammer verfallen sein. Wenn also der Darleiher Dasjenige, zu dessen Zuzählung er sich durch einen solchen wucherlichen Contract anheischig gemacht, dem Entlehner entweder gar nicht, oder zum Theile noch nicht zugezählet hat, oder wenn derselbe darauf Interessen empfangen, oder wenn er von dem Entlehner oder von einem Dritten, deme er diese Schuld abgetreten, entweder einen Theil oder auch die ganze Schuld bereits zurückerhalten, so muß er alles dieses zu Handen Unserer Kammer erlegen.

[3, 4] §. 54. Hat der Entlehner das Darlehen erhalten, so soll derselbe alles Dasjenige, was er sonst, wenn keine wucherliche Handlung unterwaltete, zurückzuzahlen verbunden wäre, sammt den davon ausständigen Interessen nicht dem Darleiher oder einem Anderen in gleichen Wucher befangenen Uebernehmer der Schuld, sondern Unserer Kammer zahlen; in dem Falle jedoch, wo derselbe dem Darleiher bereits davon wucherliche Interessen gezahlet hätte, mag er das, was den Betrag der rechtmäßigen Interessen übersteiget, von dem Capitale abschlagen.

[3, 4] §. 55. Desgleichen, wenn der Entlehner von dem Darleiher Waaren empfangen hat, soll er Dasjenige, was davon noch vorräthig ist, an Unsere Kammer ausfolgen, dann für jene, welche bereits verkauft worden, das dafür gelöste Geld, für die verschenkte und verbrauchte, den geschätzten billigen Werth, und für die Jemanden zum Pfande gegebene, den darauf erhaltenen Pfandschilling erlegen, wo annebst in dem letzten Falle Unsere Kammer in das Recht des Pfandgebers einzutreten, und die versetzten Waaren gegen Zurückstellung des darauf vorgestreckten Geldes einzulösen befugt sein soll.

[3, 4] §. 56. Was jedoch Minderjährige, unter väterlicher Gewalt stehende, und andere Pflegbefohlene anbetrifft, so soll es auch in dem Falle, wo selbe ein wucherliches Darlehen empfangen hätten, bei Unserer im ersten Theile, sechsten Capitel, §§. 83, 84, 85, festgesetzten allgemeinen Anordnung sein Bewenden haben, folglich Unserer Kammer von der Seite des Entlehners nur so viel heimfallen, als derselbe


(350) nach der dortigen Ausmessung dem Darleiher, wenn er sich keiner wucherlichen Handlung schuldig gemacht hätte, zurückzuzahlen verbunden gewesen wäre.

[3, 4] §. 57. Ferner sollen auch die Unterhändler, die falschen Namensträger, die wissentlich hinzugetretenen Bürgen alles Dasjenige, was sie für ihre Unterhandlung, Namenstragung oder Bürgschaft bekommen haben, an Unsere Kammer abgeben, und wenn Jemand eine wucherliche Schuld wissentlich übernommen hat, so soll sowohl Dasjenige, was er von dem Darleiher für diese Uebernahme bekommen, als was er demselben für die abgetretene Schuld gegeben, wie auch was er etwa von dem Schuldner bereits eingetrieben hat, Uns verfallen sein.

[3, 4] §. 58. Würde aber der Uebernehmer einer wucherlichen Schuld vorgeben, daß er von dem unterwaltenden Wucher nichts gewußt habe, so soll er in dem Falle, wenn er sich nicht durch seine Handlungsbücher, unverdächtige Zeugen, oder gerichtliche Bestätigung ausweisen kann, daß er dabei aufrecht gehandelt habe, sich durch einen körperlichen Eid von dem Verdachte des Wuchers zu befreien schuldig sein, und wenn er auf diese Art den Verdacht von sich abgelehnet hat, so soll ihm zwar seine Foderung bei dem Schuldner für den rechtmäßig gebührenden Betrag unbenommen sein; doch muß er Dasjenige, was er dem Darleiher noch auf die abgetretene Schuld zu zahlen hätte, an Unsere Kammer erlegen, und wenn er mehr für diese Schuld gezahlet, als er dagegen von dem Schuldner einzunehmen hat, so mag er sich wegen seines Schadens an Jenem, der ihm die Schuld abgetreten hat, wieder erholen.

[3, 4] §. 59. Nebst deme aber sind sowohl der Darleiher als der Entlehner, wenn dieser es nicht vor seiner gerichtlichen Belangung bei Gerichte anzeiget, wie auch die Unterhändler, falsche Namensträger, wissentlich mitverflochtene Bürgen und Uebernehmer einer solchen Schuld mit allen denjenigen Strafen ohnnachsichtlich zu belegen, die Wir in Unserer peinlichen Gerichtsordnung auf wucherliche Handlungen ausgesetzet haben.

[3, 4] §. 60. Dahingegen wollen Wir, daß einem Jeden, der eine wucherliche Handlung angeben wird, wenn es schon der Entlehner, Unterhändler oder sonst an dem wucherlichen Geschäfte Theilhabender selbst wäre, zur Vergeltung von dem verwirkten Betrage, wenn derselbe sich nicht über die Summe von viertausend Gulden erstrecket, die Hälfte, wenn aber der verwirkte Betrag sich über viertausend Gulden belauft, das Drittel abgereichet, und dabei sein Namen je und allezeit verschwiegen gehalten werden solle.

Fünftes Capitel.

Vom Leihungscontracte.

[3, 5] §. 1. Wenn Jemand einem Andern eine Sache zu seinem Gebrauche giebt, daß er nach geendigtem Gebrauche eben diese Sache zurückstellen solle, und Derjenige, der die Sache solchergestalten giebt, sich nichts dafür zur Vergeltung ausbedinget, so ist dieses ein Leihungscontract.

[3, 5] §. 2. Wenn schon Derjenige, der die Sache zu seinem Gebrauche erhält, dagegen etwas zur Erkenntlichkeit verheißt oder giebt, so wird doch dadurch der Contract nicht geändert; wenn aber für den verstatteten Gebrauch selbst eine bestimmte Vergeltung ausbedungen wird, so ist es ein Miethungscontract.

[3, 5] §. 3. Alle, sowohl bewegliche als unbewegliche Sachen können ausgeliehen werden, wofern sie nur so beschaffen sind, daß sie durch denjenigen Gebrauch, zu


(351) welchem sie geliehen werden, nicht verzehret werden, sondern nachhero in ihrer unverminderten Gestalt wieder zurückgestellet werden können; darum können auch solche Sachen, welche sonst durch ihren ordentlichen Gebrauch verzehret werden, zu einem außerordentlichen Gebrauche ausgeliehen werden, wenn dabei ausdrücklich ausbedungen wird, daß eben diejenigen Sachen, welche geliehen worden, in ihrer unverletzten Gestalt wieder zurückgestellet werden sollen.

[3, 5] §. 4. Wenn Jemand eine fremde Sache, woran ihm einiges Recht zustehet, ausgeliehen hat, so kann der Eigenthümer dieselbe, so lang des Ausleihers Recht nicht erloschen ist, nicht zurückfodern. Würde aber Jemand eine fremde Sache, woran ihm kein Recht zustehet, wider den Willen des Eigenthümers ausleihen, so stehet diesem letzteren frei, selbe ohne Unterschied, ob Derjenige, der sie empfangen hat, gewußt habe, daß sie fremd sei oder nicht, alsogleich zurückzufodern.

[3, 5] §. 5. Doch ist der Ausleiher einer fremden Sache den Entlehner in dem Falle, wo die Sache von dem Eigenthümer vor vollendetem Gebrauche zurückgefodert worden wäre, schadlos zu halten schuldig, wenn dieser entweder zur Zeit der Leihung nicht gewußt, daß die Sache fremd sei, oder da er die Beschaffenheit der Sache gewußt, wenn er auf den Fall, da dieselbe vor vollendetem Gebrauche von dem Eigenthümer zurückgefodert werden würde, sich die Schadloshaltung ausbedungen hat.

[3, 5] §. 6. Wenn aber der Eigenthümer der geliehenen Sache während der Zeit, daß der Entlehner diese Sache zu seinem Gebrauche innen hat, nicht hervorkömmt, so ist der Entlehner schuldig, die Sache dem Ausleiher nach Maß des Contractes zurückzustellen.

[3, 5] §. 7. Wenn eine Sache Jemanden bittweise und zu einem unbestimmten Gebrauche überlassen, auch keine gewisse Zeit dazu gesetzet worden, wie lang diese Vergünstigung währen solle, so kann dieselbe allzeit und nach der blosen Willkür Desjenigen, der die Sache solchergestalten überlassen hat, widerrufen werden; wenn hingegen eine Sache auf eine ausdrücklich benannte Zeit ausgeliehen worden, so ist der Ausleiher nicht befugt, selbe vor Verlauf dieser Zeit zurückzufodern.

[3, 5] §. 8. Wäre aber zwar keine Zeit bestimmt, die Sache jedoch zu einem solchen Gebrauche ausgeliehen worden, der eine Zeitfrist erfodert, so ist allzeit dafür zu halten, daß sie auf eine so lange Zeit geliehen sei, als der bestimmte Gebrauch erfodert; entstünde aber darüber ein Zweifel, so hat der Richter nach Beschaffenheit der Umstände die zur Vollendung des Gebrauches nöthige Zeit auszumessen.

[3, 5] §. 9. Wenn jedoch der Ausleiher aus einem zur Zeit der Ausleihung nicht vorgesehenen Zufalle der ausgeliehenen Sache selbst ohnumgänglich benöthiget wäre, und durch deren längere Entbehrung einen Schaden zu befahren hätte, so ist er befugt, die Sache auch vor Verlauf der bestimmten Zeit zurückzufodern. Eben dieses soll ihm auch in jenem Falle frei stehen, wenn er erweisen kann, daß die Sache bei dem Entlehner in Gefahr sei, zu verderben oder zu Grunde zu gehen, oder daß derselbe von der Sache einen andern Gebrauch mache, als zu welchem sie ihm geliehen worden.

[3, 5] §. 10. Würde aber der Ausleiher außer den erstberührten Fällen die geliehene Sache vor vollendetem Gebrauche zurückfodern, oder den Entlehner in dem ihm verstatteten Gebrauche geflissentlich hindern, so ist er schuldig, demselben eine durch richterliches Ermessen, dem vor der Zeit entzohenen oder gestörtem Gebrauche gemäß bestimmte Schadloshaltung zu leisten.

[3, 5] §. 11. Wenn die festgesetzte oder die zum Gebrauche hinlängliche Zeit verstrichen, so muß der Entlehner die geliehene Sache sofort zurückstellen, wenn er schon durch einen Zufall binnen dieser Zeit verhindert worden wäre, von der Sache den abgezielten Gebrauch zu machen oder das Angefangene zu vollenden.

[3, 5] §. 12. Wenn der Darleiher die Sache zurückfodert, so liegt ihm der Beweis ob, daß er dem Beklagten die Sache geliehen habe; annebst muß er auch


(352) außer den im §. 9 ausgenommenen Fällen darthun, daß die Zeit der Ausleihung bereits verlaufen oder daß der Gebrauch, wozu er die Sache geliehen, bereits gemacht worden sei.

[3, 5] §. 13. Ist eine Sache Mehreren zusammen geliehen worden und der Ausleiher weiß, in wessen Händen sie befindlich sei, so kann er nur diesen zu deren Zurückstellung belangen; wenn er es aber nicht weiß, oder wenn die Klage auf den Ersatz des an der ausgeliehenen Sache verursachten Schadens oder anderer Nebengebührnisse gerichtet ist, so sind die Fälle, in welchen er einen Jeden von ihnen um den ganzen Ersatz belangen kann, und in welchen er einen Jeden, blos um seinen Antheil zu belangen befugt ist, nach jenem Unterschiede zu entscheiden, den Wir im ersten Capitel, §. 45 und den folgenden festgesetzet haben.

[3, 5] §. 14. Wenn jedoch in einem Falle, wo der Ausleiher nach Maß des erstgedachten §. 45 einen Jeden um seinen Antheil zu belangen schuldig wäre, Einer unter ihnen ganz allein an dem Untergange oder Verderben der Sache schuld ist, so stehet dem Ausleiher frei, mit Erweisung dieser seiner Schuld von ihm den ganzen Ersatz einzutreiben. Wollte aber der Ausleiher einen Jeden um seinen Antheil belangen, so können die Andern sich der ihnen für ihre Antheile obliegenden Verbindlichkeit nicht entziehen, und haben blos an dem Schuldigen ihre Entschädigung zu suchen.

[3, 5] §. 15. Die ausgeliehene Sache muß an dem bestimmten Orte, oder wenn keiner bestimmt worden, an demjenigen Orte, wo sie geliehen worden, auf Unkosten des Entlehners zurückgestellet werden; zugleich ist derselbe schuldig, auch alle von der Sache eingehobenen Nutzungen zurückzustellen, wenn sie ihm nicht in dem Contracte ausdrücklich überlassen worden.

[3, 5] §. 16. Wenn der Entlehner die Sache dem Ausleiher ungebührlich vorenthält, oder wenn er überwiesen wird, daß er sie zu einem anderen Gebrauche angewendet habe, als zu welchem sie ihm geliehen worden, so hat derselbe nicht nur für alle dem Ausleiher dadurch zugegangene Schäden und Unkösten zu haften, sondern, wenn sich auch kein Schaden ergeben hätte, soll er schuldig sein, demselben eine, nach der Zeit der Vorenthaltung oder nach der Beschaffenheit des von der Sache gemachten contractwidrigen Gebrauches abgemessene, billige Vergeltung zu leisten.

[3, 5] §. 17. Wenn durch des Entlehners Schuld oder Saumsal die Sache zu Grunde gegangen oder an derselben ein Schaden geschehen, und dieser Schaden von der Beschaffenheit ist, daß die Sache andurch ganz und gar unnütz worden wäre, so kann dem Ausleiher weder die gänzlich verdorbene, noch eine andere, obschon der ausgeliehenen ganz gleich kommende Sache wider seinen Willen aufgedrungen werden, sondern der Entlehner ist schuldig, nach der unten im §. 20 und 21 folgenden Ausmessung den Werth der Sache sammt den davon gebührenden Zinsen zu entrichten.

[3, 5] §. 18. Wenn aber die Sache zwar beschädiget worden, doch ohngeachtet dieser Beschädigung noch zu gebrauchen ist, so kann der Ausleiher sich nicht entschlagen, dieselbe zurückzunehmen; doch ist der Entlehner verbunden, ihm so viel darauf zu geben, als die Sache durch die zugefügte Beschädigung nach gerichtlicher Schätzung an ihrem Werthe verringert worden, oder wenn die Beschädigung durch die Kunst wieder verbessert werden kann, die Sache auf seine Unkosten wieder in jenen Stand herzustellen, in welchem sie vor der Beschädigung gewesen.

[3, 5] §. 19. Wir wollen jedoch verordnet haben, daß, wenn an der entlehnten Sache ein Schaden zugefüget worden, und dieser Schaden dem Ausleiher zur Zeit der Zurückstellung bewußt ist, derselbe aber die Sache zurückgenommen hätte, ohne sich wegen des Ersatzes dieses Schadens ausdrücklich zu verwahren, er hernach mit dessen Anfoderung nicht mehr gehöret, sondern eine solche ohne Vorbehalt beschehene


(353) Uebernahme der beschädigten Sache für eine stillschweigende Verzicht auf den verursachten Schaden gehalten werden solle.

[3, 5] §. 20. Wenn die Sache durch Gefährde oder Nachlässigkeit des Entlehners zu Grunde gegangen, verloren oder in fremde Hände gerathen ist, so ist auf den Unterschied zu sehen, ob der Entlehner selbst die Sache betrügerischer Weise vernichtet oder veräußert habe, oder ob sie ihm ohne seine Gefährde aus bloser Nachlässigkeit entwendet worden, oder zu Grunde gegangen. Im ersten Falle soll er schuldig sein, den Werth der Sache, wie der Ausleiher selbe nach seiner eigenen Vorliebe eidlich schätzen wird, zu ersetzen; im zweiten Falle aber hat er den Werth nach seinem wahren Betrage, wie der Ausleiher denselben beschwören oder auf andere Art erweisen kann, zu erstatten.

[3, 5] §. 21. Nicht minder ist in diesem Falle in Ansehung der zu entrichtenden Zinsen dem ersterwähnten Unterschiede nachzugehen. Im Falle einer dem Entlehner zur Last fallenden Nachlässigkeit sind selbe blos von der Zeit an, da die Sache zurückzustellen gewesen wäre, im Falle einer ausgeübten Gefährde aber von dem Tage der begangenen Gefährde an, zu entrichten.

[3, 5] §. 22. Wenn es sich auch ergäbe, daß der Ausleiher die entwendete Sache, nachdeme er von dem Entlehner bereits deren Werth erhalten, in Folge seines an dieser Sache vorhin gehabten Eigenthumsrechtes wieder zu Handen brächte, so soll er schuldig sein, dem Entlehner nach Abzug seiner Unkosten entweder die Sache zu verabfolgen oder den von ihm erhaltenen Werth der Sache zurückzustellen.

[3, 5] §. 23. Wenn aber an der entlehnten Sache von ohngefähr und ohne Schuld des Entlehners ein Schaden geschiehet, oder auch wenn dieser Schaden von dem Gebrauche selbst, zu welchem die Sache geliehen worden, herrühret, ohne daß dabei die behörige Maß überschritten worden wäre, so wird der Entlehner dafür nicht verfänglich, außer in jenen Fällen, so Wir oben §. 16 und im ersten Capitel, §§. 80, 81, berühret haben.

[3, 5] §. 24. Doch liegt dem Entlehner ob, bei bevorstehender Gefahr des Verlustes, wenn die entlehnte Sache gerettet werden kann, dieselbe auch mit Hintanlassung seiner eigenen Sache zu retten; widrigens wenn er seine eigene Sache gerettet und die entlehnte Sache hätte zu Grunde gehen lassen, muß er dem Ausleiher derselben Werth ersetzen. Dahingegen mag er von dem Ausleiher wegen seiner zu Rettung der entlehnten hintangelassenen Sache keine Entschädigung fodern.

[3, 5] §. 25. Wenn die entlehnte Sache bei einem Dritten, deme deren Ueberlieferung aufgetragen worden, in Verlust geräth, zu Schaden kömmt oder demselben entwendet wird, und der Ausleiher diesem Dritten die Sache anzuvertrauen anbefohlen, so hat der Entlehner für den Schaden nicht zu haften. Wenn aber der Entlehner die Sache Jemanden nach seiner eigenen Auswahl mitgegeben, so muß er den andurch verursachten Schaden tragen; außer wenn er erweisen kann, daß die von ihm getroffene Wahl ganz sicher und verläßlich gewesen, und der erfolgte widrige Zufall nicht habe vorgesehen werden können.

[3, 5] §. 26. Der Ausleiher ist aber außer deme, was Wir bereits oben in diesem Capitel verschiedentlich berühret haben, den Entlehner jedesmal schadlos zu halten schuldig, wenn er ihm wissentlich eine mangelhafte Sache geliehen hat, und der Entlehner andurch in Schaden versetzet worden ist.

[3, 5] §. 27. So ist auch der Ausleiher schuldig, dem Entlehner alle außerordentlichen Unkosten zu ersetzen, welche er zur nothwendigen Erhaltung der Sache aufgewendet hat; dahingegen muß der Entlehner die nach einer jeden Sache Natur und Eigenschaft zu deren gegenwärtiger Erhaltung nothwendigen Auslagen aus dem Seinigen bestreiten. Inwieweit aber der von dem Entlehner zu Verbesserung der Sache gemachte Aufwand von dem Ausleiher ersetzet werden müsse, werden Wir durch Unsere im siebzehenten Capitel folgende allgemeine Anordnung bestimmen.


(354) [3, 5] §. 28. Der Entlehner kann diese ihm gebührende Entschädigung entweder durch eine besondere Klage ansuchen, wenn er dem Ausleiher die Sache bereits zurückgestellet hat, oder auch wider die Hauptfoderung des Klägers als eine Einrede anbringen; doch soll er nach zurückgestellter Sache wegen dieser Nebengebührnisse nicht anderst eine besondere Klage zu erheben befugt sein, als wenn er sich deswegen auf eben jene Art, wie Wir im §. 19 von dem Ausleiher geordnet haben, den Ersatz ausdrücklich vorbehalten hat.

[3, 5] §. 29. Wenn er aber seine Foderung wider die Hauptfoderung des Ausleihers als eine Gegenklage oder Einrede anbringt, so mag er nicht eher zur Zurückstellung der Sache verhalten werden, als bis er vom Kläger entschädiget worden, und in dem Falle, wo er den Werth der Sache zu ersetzen hat, stehet ihm frei, Dasjenige, was ihm als eine Entschädigung gebühret, davon abzuziehen.

[3, 5] §. 30. Dahingegen kann der Entlehner wegen einer andern aus diesem Contracte nicht herrührenden Foderung, wenn sie schon klar und ungezweifelt wäre, Ersatz des Werthes ankommt und bei der dem Entlehner wider den Ausleiher zustehenden Foderung alle jene Eigenschaften vorhanden sind, welche Wir nach Maß des fünfundzwanzigsten Capitel zu einer Gegenvergeltung erfodern, so kann er sich des Rechts der Gegenvergeltung gebrauchen.

Sechstes Capitel.

Vom Hinterlegungscontracte.

[3, 6] §. 1. Wenn Jemanden eine bewegliche Sache zu dem Ende übergeben wird, daß er dieselbe ohnentgeltlich in seine Verwahrung nehmen, und Demjenigen, der sie ihm übergiebt, auf jedesmaliges Begehren wieder zurückstellen solle, so ist dieses ein Hinterlegungscontract.

[3, 6] §. 2. Würde Derjenige, der die Aufbewahrung der Sache über sich nimmt, sich dafür einen bestimmten Lohn ausbedingen, so ist es ein Miethungscontract; dahingegen macht das, was von dem Hinterlegenden aus bloser Freigebigkeit versprochen oder gegeben wird, in der Wesenheit des Hinterlegungscontractes keine Veränderung.

[3, 6] §. 3. Jener, dem eine Sache, um selbe aufzubewahren, übergeben wird, ist nicht befugt, selbe zu seinem Gebrauche anzuwenden. Würde ihm aber von dem Hinterleger der Gebrauch der Sache ausdrücklich verstattet, so ist die Handlung, nachdeme die Sache, deren Gebrauch verstattet wird, beschaffen ist, ein Darlehens- oder ein Leihungscontract.

[3, 6] §. 4. Der Hinterlegungscontract kommt nur dazumahlen zu Stande, wenn die Sache in der Absicht, selbe Jemandem zur Verwahrung anzuvertrauen, wirklich übergeben und angenommen wird; doch ist die ausdrückliche Einwilligung beider Theile nicht nothwendig, sondern wenn Jemand seine Sache in des Andern Wohnung zurückläßt, oder sie ihm dahin überschicket mit der Erklärung, daß er sie im zur Aufbewahrung anvertrauen wolle, und der Andere weder dieser Erklärung widerspricht, noch auch die Sache alsofort zurückgiebt, so gilt sein Stillschweigen für eine Einwilligung.

[3, 6] §. 5. Dahingegen, wenn Jemand seine Sache in des Anderen Wohnung, obschon mit dessen Wissen und Stillschweigen zurückläßt, ohne dabei zu erklären,


(355) daß er sie bei ihm zur Aufbewahrung zurücklassen wolle, so ist es kein Hinterlegungscontract, und der Andere hat für den Verlust und Beschädigung dieser Sache, wenn er nicht durch seine Gefährde oder eigene Zuthat dazu Anlaß gegeben, nicht zu haften; außer Derjenige, bei dem etwas zurückgelassen wird, wäre vermöge seines Gewerbs verpflichtet, auf Alles, was in seine Gewahrsam gebracht wird, obacht zu tragen, wovon Wir im neunzehnten Capitel mit Mehreren anordnen werden.

[3, 6] §. 6. Wenn eine Sache bis auf eine bestimmte Zeit in Verwahrung gegeben worden, so wird zwar Derjenige, der die Aufbewahrung der Sache übernimmt, dadurch verbunden, doch stehet es dem Hinterleger frei, selbe auch vor dieser Zeit zurückzufodern. Wenn es sich jedoch ergäbe, daß Derjenige, der die Aufbewahrung der Sache auf sich genommen, aus einem zur Zeit der Hinterlegung nicht vorgesehenen Zufalle den Ort, wo er selbe aufbewahret, zu seiner eigenen Nothdurft brauchte, oder wenn er darthun kann, daß wegen Beschädigung des Orts, oder wegen einer anderen Ursache die hinterlegte Sache bei ihm in Gefahr sei, zu verderben oder verloren zu gehen, oder wenn seine Umstände sich dergestalten änderten, daß er die Sache nicht mehr wie vorhero aufbewahren könnte, so kann er die ihm anvertraute Sache auch vor Verlauf der bestimmten Zeit zurückstellen, oder wenn der Hinterleger sich weigerte, selbe anzunehmen, auf dessen Unkosten in gerichtliche Verwahrung übergeben.

[3, 6] §. 7. Wäre aber keine Zeit bestimmet worden, so ist der Uebernehmer der Sache schuldig, selbe so lang aufzubewahren, bis sie der Hinterleger abfodert; doch ist derselbe nicht nur aus den im vorigen §. berührten Ursachen befugt, ihm die Sache vor der Abfoderung zurückzustellen, sondern auch jedesmal, wenn er darthun kann, daß er dieselbe bereits so lange aufbewahret habe, als er zur Zeit der Hinterlegung Ursache gehabt zu vermuthen, daß ihm deren Aufbewahrung aufgetragen werden wollen.

[3, 6] §. 8. Wer eine Sache hinterleget hat, der ist befugt, selbe allezeit nach Gefallen zurückzufodern; wenn er sie jedoch in einem solchen Augenblicke zurückfoderte, wo Derjenige, deme deren Aufbewahrung anvertrauet war, vorsähe, daß davon zum Nachtheile eines Dritten ein widerrechtlicher Gebrauch gemacht werden würde, so ist er schuldig, ihm die Verabfolgung zu versagen, widrigens soll er für allen daraus entstandenen Schaden zu haften haben.

[3, 6] §. 9. Wenn eine fremde Sache im Namen des Eigenthümers hinterleget worden, so stehet das Recht, selbe zurückzufodern, blos dem Eigenthümer zu. Wenn aber Jemand eine fremde Sache in seinem eigenen Namen hinterleget hat, es möge mit oder ohne Wissen und Willen des Eigenthümers geschehen sein, so muß sie Demjenigen zurückgestellet werden, der sie hinterleget hat, und Derjenige, bei deme er die Sache hinterleget hat, ist nicht befugt, ihm dieselbe unter dem Vorwande, daß sie ihm nicht zugehöre, vorzuenthalten; außer wenn der Eigenthümer der hinterlegten Sache vor geschehener Zurückstellung hervorkäme und dieselbe mit Beweisung seines Rechtes abfoderte.

[3, 6] §. 10. Umsoweniger kann Jener, deme eine Sache aufzubewahren anvertraut worden, zu deren Zurückstellung verhalten werden, wenn er darthun kann, daß die Sache ihm selbst zugehöre, er möge es zur Zeit der Hinterlegung gewußt, oder erst nachhero in Erfahrung gebracht haben; wenn jedoch Demjenigen, der die Sache hinterleget hat, an derselben ein Recht gebühret, so muß ihm die Sache von dem Eigenthümer zurückgestellet werden.

[3, 6] §. 11. Ueberhaupt aber ist Derjenige, dem eine Sache zur Aufbewahrung anvertraut worden, in dem Falle, wo wegen des Eigenthums dieser Sache ein Streit entstehet, nicht schuldig, selbe bis zum Ausgange des Streites in seiner Verwahrung zu behalten, sondern ihm stehet frei, selbe zu Gerichtshanden zu erlegen.


(356) [3, 6] §. 12. Wenn Jemand eine bei ihm hinterlegte Sache wiederum einem Anderen zur Aufbewahrung anvertrauet hätte, so haben sie alle Beide das Recht, selbe zurückzufodern, und der Inhaber der Sache ist schuldig, sie Jenem zurückzustellen, der sie zum ersten abfodert. Wenn jedoch der erste Hinterleger hervorkommt und die Sache als Eigenthümer ansprüchig macht, so muß er sein ihm daran zustehendes Eigenthum erproben; wenn er hingegen die Sache als eine ihm aus dem Hinterlegungscontracte gebührende Schuldigkeit zurückfodert, so liegt ihm der Beweis ob, daß Derjenige, deme er diese Sache zur Aufbewahrung anvertrauet, dieselbe bei dem dermaligen Inhaber weiters hinterleget habe.

[3, 6] §. 13. Wenn Mehrere zusammen eine Sache hinterleget haben, und dabei nicht ausdrücklich bedungen worden, daß dieselbe einem Jeden insbesondere ganz zurückgestellet werden möge, oder wenn Derjenige, der die Sache hinterleget hat, gestorben ist, und mehrere Erben nachgelassen hat, so kann ein Jeder nur seinen Antheil fodern; wenn jedoch die Sache untheilbar ist, so ist Derjenige, in dessen Aufbewahrung sich die Sache befindet, berechtigt, selbe auch Einem unter ihnen, doch gegen hinlängliche Sicherheit ganz auszufolgen.

[3, 6] §. 14. Wäre hingegen die Sache theilbar, so wird Derjenige, bei deme selbe hinterleget worden, von dem Anspruche der Uebrigen nicht befreiet, wenn er Einem unter ihnen, obschon gegen hinlängliche Sicherheit, die ganze Sache ausgefolget hat, außer die Uebrigen wollten sich an Denjenigen halten, der das Ganze erhoben hat.

[3, 6] §. 15. Wenn in so einem Falle die von Mehreren hinterlegte Sache sich in einem versperrten Behältnisse befindet, und Einer von ihnen in Abwesenheit der Anderen den ihm gebührenden Antheil verlanget, so ist Derjenige, der die Aufbewahrung der Sache übernommen hat, nicht befugt, ihm die Eröffnung des Behältnisses anders, als gegen deme zu gestatten, daß selbe entweder gerichtlich oder vor zweien untadelhaften Zeugen geschehe, und das Behältniß nach Herausnehmung des ihm gebührenden Antheils auf gleiche Art wieder versperret werde; widrigenfalls kann er dem Verdachte einer zum Nachtheile der Abwesenden vorgegangenen Gefährde nicht entgehen.

[3, 6] §. 16. Wenn unter mehreren Theilhabern an der hinterlegten Sache Einer seinen Antheil erhoben hat, und der Ueberrest hernach bei Demjenigen, deme die Sache zur Verwahrung anvertrauet worden, zu Grunde gehet, so ist Jener, der seinen Antheil erhoben hat, nicht schuldig, den übrigen Theilhabern etwas davon mitzutheilen.

[3, 6] §. 17. Wenn eine Sache Mehreren zusammen in ihre Verwahrung gegeben worden, oder wenn Derjenige, deme die Sache anvertrauet worden, mehrere Erben nachgelassen hat, so sind bei der Frage, welcher unter ihnen wegen Zurückstellung der Sache belanget werden könne, eben jene Regeln zu befolgen, die Wir im fünften Capitel, §. 13 und 14, vorgeschrieben haben.

[3, 6] §. 18. Wenn die Sache, welche hinterleget wird, Zugehörungen hat, so sind auch diese in dem Hinterlegungscontracte mitbegriffen, und wenn die Sache hernach einen Zuwachs erhalten oder Nutzungen davon eingehoben worden, so muß alles dieses mit der Sache zurückgestellet werden.

[3, 6] §. 19. Wenn bei Jemanden ein Behältniß hinterleget worden, so sind auch alle Sachen, so darinnen sind, in seine Verwahrung übergeben, obwohl sie ihm nicht Stück für Stück vorgezeiget worden; wenn jedoch in diesem Falle Derjenige, deme das Behältniß anvertrauet war, dasselbe in eben dem Stande, worinnen er es empfangen, ganz unverletzt zurückstellet, so ist er nicht schuldig, wegen der darinnen gewesenen Sachen insbesondere Red und Antwort zu geben; außer der Hinterleger könnte erweisen, daß die abgängigen Sachen zur Zeit der Hinterlegung im Behältnisse gewesen, und daß sie durch die Gefährde oder Schuld dessen, deme dasselbe anvertrauet war, daraus entwendet worden seien.


(357) [3, 6] §. 20. Wäre hingegen das Behältniß zur Zeit der Zurückstellung sichtbarlich verändert, verletzt, die Siegel davon abgerissen, oder sonst ein Kennzeichen verübter Gewalt daran wahrzunehmen, und der Bewahrer des Behältnisses könnte den auf ihn fallenden Verdacht durch Erprobung eines ungefähren Zufalls, wodurch diese Veränderung sich ergeben, nicht von sich ablehnen, so ist der Hinterleger in Ansehung der abgängigen Sachen, sowohl was ihren Betrag, als was ihren Werth anbelangt, zur eidlichen Erhärtung zuzulassen, und Derjenige, deme das Behältniß anvertrauet war, zu deren Ersatze zu verurtheilen.

[3, 6] §. 21. Die hinterlegte Sache muß an demjenigen Orte, das im Contracte benennet worden, oder wenn keines benennet worden, an jenem Orte zurückgestellet werden, wo sie hinterleget worden; doch muß der Hinterleger alle Unkosten, so die Ueberbringung der Sache erfodert, ganz allein tragen.

[3, 6] §. 22. Wenn Derjenige, deme die Sache zur Aufbewahrung anvertrauet worden, selbe dem Hinterleger auf sein Begehren nicht zurückstellet, so muß er ihm alle wegen dieser Vorenthaltung erlittene Schäden vergüten; wenn er aber den hinterlegten Betrag zu seinem eigenen Gebrauche verzehret oder sonst verwendet hätte, oder wenn die Sache durch seine Gefährde, Schuld oder Saumsal zu Grunde gegangen, beschädiget worden oder in fremde Hände gerathen wäre, so muß er dem Hinterleger desfalls den gebührenden Ersatz leisten, und Wir wollen Uns auf Dasjenige ausdrücklich berufen, was Wir für alle diese Fälle und insbesondere für den Fall, wenn die Sache mit einer wissentlichen Beschädigung ohne Vorbehalt zurückgenommen worden ist, in Ansehung einer entlehnten Sache im vorigen Capitel von §. 17 bis 22 weitläufiger geordnet haben.

[3, 6] §. 23. Hätte aber Jener, deme die Sache anvertrauet war, aus der hinterlegten Barschaft oder für den aus der hinterlegten Sache gelöseten Werth sich ein liegendes oder fahrendes Gut angeschaffet, so kann sich der Hinterleger daran weder des Eigenthums, noch auch eines anderen Rechtes anmaßen; doch stehet ihm frei, sich nach Maßgabe Unserer Gerichtsordnung durch gerichtliche Behaftung des angeschafften Gutes insolang zu bewahren, bis er vollständig befriediget worden.

[3, 6] §. 24. Wenn Jemand eine wegen bevorstehender Feuers- oder Wassersnoth oder eines anderen plötzlichen Unfalls ihm anvertraute Sache boshafter Weise ableugnet und dessen hernach überführet wird, so soll er nebst Erstattung der hinterlegten Sache und aller Schäden und Unkosten annoch zur Strafe den ganzen Werth der Sache entrichten, oder wenn die Sache schon verthan wäre, in deren zweifachen Werth, wie ihn der Kläger beschwören wird, verurtheilet und diese Strafe dem Kläger zugetheilet werden. Wäre aber Jener, deme das Gut anvertrauet war, bereits gestorben, so soll diese Strafe wider seine Erben sonst nicht Platz greifen, als wenn sie ihrerseits sich einer Gefährde schuldig gemacht haben, oder die Klage allschon wider ihren Erblasser erhoben und von ihm die Hinterlegung geleugnet worden wäre.

[3, 6] §. 25. Nebst deme wollen Wir für allgemein angeordnet haben, daß ein Jeder, der wegen geflissentlicher Veruntreuung des hinterlegten Gutes durch richterlichen Spruch verurtheilet wird, wenn von der Veruntreuung in dem Urtheile ausdrücklich Meldung gemacht worden, für einen ehrlosen Menschen gehalten werden solle.

[3, 6] §. 26. Wenn die hinterlegte Sache ohne Schuld dessen, bei deme sie hinterleget war, durch einen ohngefähren Zufall zu Grunde gehet, beschädiget oder verloren wird, so hat er nicht dafür zu haften, auch ist er nicht schuldig, bei einer plötzlichen Gefahr die hinterlegte Sache mit Hintanlassung seiner eigenen zu retten, sondern wenn er auch alle seine Sachen gerettet und die hinterlegte Sache zu Grunde gegangen wäre, so wird er deswegen nicht verfänglich; außer wenn der Hinterleger erweisen kann, daß nebst seinen eigenen auch die hinterlegte Sache füglich hätte gerettet werden können.


(358) [3, 6] §. 27. Hätte aber Derjenige, deme die Sache anvertrauet war, bei einer solchen plötzlichen Gefahr wegen der ihm bekannten Kostbarkeit der hinterlegten Sache dieselbe vorzüglich und mit Hintanlassung seiner eigenen Sache von minderen Werthe gerettet, so ist der Hinterleger schuldig, ihm den Werth seiner Sachen, so viel er deren wegen der hinterlegten Sache zu Grunde gehen lassen, zu ersetzen.

[3, 6] §. 28. Doch wird der Aufbewahrer des hinterlegten Gutes für die an demselben sich ergebenden Zufälle, außer jenen Fällen, die Wir im ersten Capitel, §. 80, 81, angeführet haben, auch jedesmal alsdann verfänglich, wenn er wider Wissen und Willen des Hinterlegers sich des Gebrauches der Sache angemaßet hat, und dieses nicht nur, wenn die Sache unter dem wirklichen Gebrauche, oder aus einem durch diesen Gebrauch veranlaßten Zufalle zu Grunde gehet, sondern auch, wenn dieselbe nach geendigtem Gebrauche durch einen ganz anderen Zufall beschädiget worden oder zu Grunde gegangen wäre.

[3, 6] §. 29. Ebenso wenn eine Summe Geldes oder ein anderer Betrag bei Jemanden auf dessen eigenes Ersuchen mit dem Bedinge hinterleget wird, daß bei einer ihm vorfallenden Bedürfniß das Eigenthum der hinterlegten Sache auf ihn übertragen sein solle, so hat derselbe für alle sich ergebenden Zufälle zu haften, wenn schon der Fall nicht erfolgt wäre, auf welchen die Uebertragung des Eigenthums ausbedungen war.

[3, 6] §. 30. Wenn Derjenige, deme eine Sache zur Aufbewahrung anvertrauet worden, selbe einem Anderen weiter zur Aufbewahrung anvertrauet hätte und die Sache bei diesem Letzteren aus dessen Schuld zu Grunde gegangen wäre, so muß Derjenige, bei deme die Sache zuerst hinterleget war, dem ersten Hinterleger, und Derjenige, bei deme die Sache zu Grunde gegangen, dem zweiten Hinterleger dafür haften; wäre aber die Sache bei dem Letzteren durch einen Zufall zu Grunde gegangen, so wird nach Maßgabe Unserer obigen Anordnungen weder der Eine noch der Andere verfänglich, außer in dem Falle, wenn Demjenigen, deme die Sache zuerst anvertrauet worden, eben dieses als eine Schuld angedeutet werden kann, daß er die Sache Jenem, bei deme sie zu Grunde gegangen, in weitere Verwahrung gegeben habe.

[3, 6] §. 31. Wenn Jemand, es sei wissentlich oder unwissentlich, eine mangelhafte Sache bei einem Anderen hinterleget, und dieser dadurch einen Schaden erlitten hat, ohne daß ihm wegen verabsäumter Abwendung dieses Schadens eine Schuld beigemessen werden kann, so muß ihn der Hinterleger ersetzen, und wenn Derjenige, deme die Sache anvertrauet war, auf dieselbe Unkosten zu verwenden bemüssiget gewesen, sie mögen auf die beharrliche oder blos auf die gegenwärtige Erhaltung der Sache abzielen, so müssen sie vom Hinterleger vergütet werden.

[3, 6] §. 32. Außer dieser Entschädigung aber kann Derjenige, deme die Sache in Verwahrung gegeben worden, wegen deren Aufbewahrung keine Foderung stellen, und wenn dem Hinterleger mit Verweigerung der Zurückstellung etwas, wozu er weder aus einem vorhergehenden Bedinge, noch aus der Natur des Contractes verbunden ist, dafür abgenöthiget würde, so stehet ihm nachhero frei, das zur Ungebühr Bezahlte wieder zurückzufodern, obwohl er vor Ausantwortung der Sache sich dieser Rückfoderung ausdrücklich zu begeben verleitet worden wäre.

[3, 6] §. 33. In Ansehung der nach Maß des §. 31 gebührenden Entschädigung stehen Demjenigen, deme eine Sache zur Bewahrung anvertrauet war, eben jene Gerechtsamen zu, wie dem Entlehner einer fremden Sache, und soll desfalls alles Jenes beobachtet werden, was Wir darüber im vorigen Capitel, §. 28 und 29, geordnet haben; was aber andere, nicht aus diesem Contracte herrührende, ihm wider den Hinterleger gebührende Foderungen betrifft, so soll er außer dem Falle, wenn die Sache ausdrücklich zur Sicherheit seiner Foderung bei ihm hinterleget worden wäre, niemals befugt sein, selbe wegen seiner Foderung dem Hinterleger


(359) vorzuenthalten, noch auch in dem Falle, wo er den Werth der Sache zu entrichten schuldig ist, sich des Rechts der Gegenvergeltung anzumaßen.

[3, 6] §. 34. Doch stehet dem Inhaber der ihm anvertrauten Sache, wenn ihm wider den Hinterleger eine Foderung gebühret, frei, in jenen Fällen, wo Wir es nach Vorschrift Unserer Gerichtsordnung verstatten, die hinterlegte Sache mit einem gerichtlichen Verbote zu belegen; allein ein solches Verbot soll nicht eher verwilliget werden, als bis die Sache vorhero zu Gerichtshanden erleget worden.

Siebentes Capitel.

Von Pfandcontracten.

[3, 7] §. 1. Wenn der Schuldner oder ein Dritter im Namen des Schuldners dem Glaubiger eine bewegliche Sache mit dem Bedinge übergiebt, daß er selbe zur Sicherheit seiner Foderung behalten, nach getilgter Schuld aber wieder zurückstellen solle, oder wenn der Schuldner oder ein Dritter dem Glaubiger ein liegendes Gut zu dem Ende verschreibet, daß dasselbe ihm für seine Befriedigung haften, nach erhaltener Befriedigung aber von dieser Haftung wieder befreiet werden solle, so ist dieses ein Pfandcontract.

[3, 7] §. 2. Der Pfandcontract setzet allezeit eine Schuld oder sonstige Verbindlichkeit voraus, zu deren Sicherheit das Unterpfand bestellet wird; doch muß es eine zulässige und von Unseren Gesetzen nicht verbotene Verbindlichkeit sein, widrigenfalls ist der Pfandcontract ohne alle Wirkung, und wo Wir auf jene Verbindung, für welche das Unterpfand bestellet wird, eine Strafe verhänget haben, da soll Derjenige, der für eine solche Verbindlichkeit ein Pfand giebt, ebenmäßig gestrafet werden.

[3, 7] §. 3. Wenn dahero Jemand für eine von einem Minderjährigen gemachte Schuld ein Pfand bestellet würde, so soll der Glaubiger an der zum Pfande gegebenen Sache nicht das mindeste Recht erwerben, sondern dieselbe in Folge Unserer im ersten Theile, sechsten Capitel, §. 85, enthaltenen Anordnung Unserer Kammer verfallen sein.

[3, 7] §. 4. Dahingegen ist es zu Bestellung eines Unterpfands nicht nothwendig, daß die Hauptverbindlichkeit zur Zeit des bestellten Unterpfands bereits vollständig vorhanden sei, sondern es ist auch an einer noch unerwiesenen, noch nicht berichtigten, von einer Bedingniß abhangenden oder erst in der Zukunft zu Stande kommen sollenden Verbindlichkeit genug.

[3, 7] §. 5. In derlei Fällen gelanget jedoch der geschlossene Pfandcontract erst alsdann zu seiner vollen Wirksamkeit, wenn die Verbindlichkeit erwiesen, deren Richtigkeit durch gerichtliche Erkanntniß entschieden, die Bedingniß erfüllet oder die Handlung, woraus die Verbindlichkeit erwächst, wirklich eingegangen worden; wenn aber dieser Zeitpunkt erschienen, so wird er auf die Zeit des übergebenen oder verschriebenen Unterpfands zurückgezogen, und der Glaubiger genießet daran eben jene Gerechtsamen, als ob die Verbindlichkeit, wegen welcher das Unterpfand bestellet worden, schon dazumalen ihre vollständige Richtigkeit gehabt hätte.

[3, 7] §. 6. So lang die Sache, wenn sie beweglich ist, dem Glaubiger nicht übergeben, oder so lang die Verschreibung des liegenden Guts nicht auf eine von den im zweiten Theile, fünften Capitel, §. 9, festgesetzten Arten bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbuche einverleibet worden, ist der Pfandcontract noch nicht geschlossen; wenn jedoch Jemand sich mit dem Glaubiger dahin geeiniget hat, daß er


(360) ihm an einer beweglichen oder unbeweglichen Sache ein Pfand bestellen wolle, so ist der Glaubiger befugt, ihn zur Erfüllung dieses Vertrags anzuhalten.

[3, 7] §. 7. Kein Glaubiger ist berechtiget, das Pfand, dessen Einhändigung ihm vom Schuldner versprochen worden, wider dessen Willen hinwegzunehmen; noch weniger mag er in dem Falle, wo ihm kein Pfand versprochen worden, von dem Vermögen Desjenigen, der ihm mit einer Verbindlichkeit verstricket ist, sich eine Sache eigenmächtig als ein Pfand zueignen, außer jenen Fällen, wo Wir eine eigenmächtige Pfändung ausdrücklich zulassen. Würde aber Jemand dieser Unserer Anordnung zuwider handlen, so soll er nicht nur nach Maß seines begangenen Verbrechens bestrafet werden, sondern auch für allen Schaden, so sich an der eigenmächtig ergriffenen Sache auch durch blosen Zufall ergeben hätte, zu haften haben.

[3, 7] §. 8. Jedermann kann ein Pfand bestellen, der mit der zum Pfande gegebenen Sache die freie Schaltung und Waltung hat; doch soll keine Weibsperson befugt sein, für eine fremde Schuld etwas von ihren Vermögen zu einem Pfande zu geben oder zu verschreiben, außer wenn dabei Jenes beobachtet worden, was Wir dazu erfodern, und in dem nachfolgenden Capitel mit Mehreren bestimmen werden.

[3, 7] §. 9. Wenn Jemand ein liegendes Gut zum Unterpfande verschreibet, so mag eine solche Verschreibung nach Maß Unserer im zweiten Theile, fünften Capitel, §. 8 und den folgenden enthaltenen allgemeinen Anordnung bei keinem Gerichte angenommen oder einverleibet werden, bevor nicht das eigene Recht des Verschreibenden in der Landtafel, Stadt- oder Grundbuche behörig einverleibet ist. Hätte aber Jemand ein liegendes Gut zu einer Zeit als ein Unterpfand verschrieben, wo er dazu noch nicht befugt war, nachhero aber die Befugniß erhalten, so soll die Pfandverschreibung zu Kräften kommen und ihrer Einverleibung nichts im Wege stehen, außer in jenen Fällen, wo eine solche Pfandverschreibung schon zur Zeit der Ausstellung durch eine besondere Anordnung Unserer Gesetze durchaus entkräftet worden ist.

[3, 7] §. 10. Einem jeden Glaubiger kann ein Pfand bestellet werden; wenn jedoch Jemanden ein liegendes Gut zum Unterpfande verschrieben worden, so hat sein andurch erworbenes Recht nur alsdann seine vollständige Wirkung, wenn er vermög der Landesverfassung zum Besitze liegender Güter eine uneingeschränkte Fähigkeit hat. Ist der Glaubiger zwar zum Besitze liegender Güter fähig, doch nicht befugt, deren mehrere zu erwerben, so beschränket sich sein Recht an dem zum Unterpfande verschriebenen Gute dahin, daß er zu dessen Besitze gelangen könne; allein das unwiderrufliche Eigenthum desselben mag er nicht erwerben, sondern ein jeder anderer Landesfähiger ist berechtiget, ihm das Gut zu allen Zeiten gegen Erstattung der Summe, für welche es ihm zugeschätzet worden, wieder abzulösen. Ist aber der Glaubiger zum Besitze des verschriebenen Guts unfähig, so erlanget er daran nach Maß Unserer desfalls im ersten Theile, zweiten Capitel, §§. 7 und 10, enthaltenen mehreren Ausmessung nichts als seine Sicherheit und den Vorzug vor späteren Glaubigern.

[3, 7] §. 11. Wenn Jemand eine fremde Sache in seinem Namen ohne Wissen und Willen des Eigenthümers zum Pfande giebt, der Glaubiger aber in der ungezweifelten Meinung war, daß diese Sache dem Schuldner eigenthümlich zugehöre, so wollen Wir die im zweiten Theile, sechsten Capitel, §. 5 und den folgenden festgestellten Grundsätze auch hieher erstrecket haben, und soll der Glaubiger an dieser Sache ebenso das Pfandrecht erwerben, als ob sie dem Schuldner eigenthümlich zugehöret hätte; doch stehet dem Eigenthümer der Sache frei, wegen dessen, was er zu Auslösung seiner Sache zu zahlen bemüssiget ist, seine Entschädigung an Demjenigen zu suchen, der die Sache unbefugter Weise verpfändet hat.

[3, 7] §. 12. Wenn aber der Glaubiger weiß, daß die Sache Demjenigen, der sie ihm zu einem Pfande giebt, nicht zugehöre, so erwirbt er an derselben kein Recht,


(361) sondern muß sie dem Eigenthümer ohnentgeltlich zurückstellen; so lang aber der Eigenthümer nicht hervorkömmt, ist er befugt, selbe sowohl von dem Schuldner als auch in dem Falle, wo sie ihm entwendet worden, bei einem jeden unrechtmäßigen Besitzer zurückzufodern.

[3, 7] §. 13. Hätte jedoch der Eigenthümer der Sache in deren Verpfändung eingewilliget, so bestehet das Pfandrecht des Glaubigers in voller Maß; es ist aber dazu keine ausdrückliche Einwilligung von Nöthen, sondern wann der Eigenthümer gegenwärtig ist, die vorseiende Handlung weiß, und der Uebergabe seiner Sache zu einem Pfande, da er es thun könnte, nicht widerspricht, so gilt sein Stillschweigen für eine Einwilligung.

[3, 7] §. 14. Auch erwirbt der Glaubiger alsdann an der ihm verpfändeten fremden Sache in der Folge das Pfandrecht, wenn Derjenige, der ihm die Sache zum Pfande gegeben, nachhero deren Eigenthümer wird; wenn jedoch zur Zeit dieses erworbenen Eigenthums einem Anderen bereits an dieser Sache ein Recht gebühret, welches mit dem Pfandrechte des obbesagten Glaubigers nicht vereinbarlich ist, so gehet dieser dem Glaubiger vor.

[3, 7] §. 15. Auf gleiche Art kommt das Pfandrecht des Glaubigers an der ihm verpfändeten fremden Sache hernach zu Kräften, wenn der Eigenthümer der Sache, bevor er dieselbe vermöge seines Eigenthumsrechts von dem Glaubiger abgefodert, die Zahlung derjenigen Schuld, wofür seine Sache verpfändet worden, übernimmt oder dafür Bürge wird; wenn aber der Schuldner stirbt, und der Eigenthümer der verpfändeten Sache zu dessen Erbschaft gelanget, so erwirbt der Glaubiger, bei deme die Sache versetzet worden, nur alsdann an derselben das Pfandrecht, wenn der Eigenthümer die Erbschaft des Schuldners ohne Errichtung eines Inventars angetreten hat.

[3, 7] §. 16. Das, was Wir im §. 11 geordnet haben, greift umsomehr Platz, wenn Derjenige, der eine fremde Sache verpfändet, an derselben ein Recht hat, der Glaubiger aber vermeinet, daß die Sache ihm gänzlich zugehöre; wenn hingegen der Glaubiger, dem die Sache verpfändet wird, die Beschaffenheit der Sache weiß, so bestehet sein Pfandrecht blos nach Maß des dem Schuldner an der Sache gebührenden Rechts. Wenn dahero ein Glaubiger die ihm zum Pfande gegebene Sache weiters bei einem Anderen verpfändet, so kann die Sache bei dem zweiten Glaubiger weder für eine größere Summe, noch unter härteren Bedingnissen haften, als sie bei dem ersten Glaubiger gehaftet hat.

[3, 7] §. 17. Doch soll Derjenige, deme eine bei Jemanden verpfändete Sache von diesem neuerdings zum Pfande gegeben wird, schuldig sein, das von ihm an dieser Sache erworbene Pfandrecht dem ersten Schuldner entweder durch eine geschworene Gerichtsperson oder sonst auf eine glaubwürdige Art zu wissen zu machen; ist dieses geschehen, so wird der erste Schuldner für die Summe, welche er seinem Glaubiger noch schuldig ist, dem zweiten Glaubiger verbindlich, und wenn er seinem Glaubiger nachhero zahlet, so thut er es auf seine Gefahr.

[3, 7] §. 18. Hätte aber der zweite Glaubiger, sein erworbenes Recht dem ersten Schuldner zu wissen zu machen, verabsäumet, so soll er nicht befugt sein, wegen dessen, was der erste Schuldner seinem Glaubiger nachhero und bis zur erhaltenen Wissenschaft der neuen Verpfändung auf Abschlag der Schuld gezahlt hat, sich an dem Pfande zu halten, und wenn diese erste Schuld bereits ganz getilget worden wäre, so muß er das Pfand ohnentgeltlich zurückstellen.

[3, 7] §. 19. Wenn Jemanden eine in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibte Schuldverschreibung zum Pfande gegeben wird, so kann er daran nicht anderst ein Pfandrecht erwerben, als wenn entweder diese neuerliche Verpfändung allda, wo die Schuldverschreibung einverleibet ist, ebenfalls einverleibet worden, oder wenn er ein gerichtliches Verbot an den Aussteller der Schuldverschreibung


(362) dahin auswirket, daß er Demjenigen, dem er diese Schuldverschreibung ausgestellet hat, keine Zahlung leisten solle.

[3, 7] §. 20. Wofern er aber weder Eines noch das Andere vorgekehret, und Derjenige, der ihm die Schuldverschreibung in Versatz gegeben, diese Foderung an einen Anderen abgetreten oder über die empfangene Zahlung dem Schuldner eine Quittung ausgestellet, oder diesem die Schuld erlassen hätte, auch diese Abtretung, Quittung oder Erlassung allda, wo die Schuldverschreibung einverleibet ist, bereits einverleibet wäre, so kann der Inhaber dieser Schuldverschreibung wider Denjenigen, der dieselbe ausgestellet hat, keinen weiteren Anspruch machen.

[3, 7] §. 21. Wenn hingegen die zum Pfande gegebene Schuldverschreibung irgendwo einverleibet ist, so thut der Glaubiger genug, wenn er sein an dieser Schuldverschreibung erworbenes Recht, Demjenigen, der die Schuldverschreibung ausgestellet hat, auch außergerichtlich zu wissen macht, und Wir wollen uns desfalls auf Dasjenige berufen, was Wir im vierten Capitel, §§. 28 und 29, bereits geordnet haben.

[3, 7] §. 22. Wenn eine Sache zum Unterpfande gegeben worden, die aus mehreren bald zu-, bald abnehmenden Theilen bestehet, so sind auch jene Theile mit verpfändet, die zur Ergänzung der entgangenen Theile wieder nachgeschaffet worden; ebenso, wenn die zum Pfande gegebene Sache Zugehörungen hat, erstrecket sich das Pfandrecht auch auf alle diese Zugehörungen, sie mögen zur Zeit der Verpfändung allschon dabei gewesen oder erst nachhero dazu gekommen sein.

[3, 7] §. 23. Bei einem zum Unterpfande verschriebenen liegenden Gute jedoch sind nur die wahrhaft unbeweglichen Zugehörungen unter der Pfandschaft begriffen; was aber die von dem Gute eingehobenen Nutzungen, wie auch die auf dem Gute befindlichen Fahrnissen betrifft, obwohl es solche wären, die nach Unserer Anordnung im zweiten Theile, ersten Capitel, §. 50, sonst mit dem Gute für unbeweglich gehalten werden, so hat der Glaubiger an denselben kein Recht, außer an deme, was davon zu der Zeit, da er auf das verschriebene Gut die Execution verführet, daselbst wirklich vorhanden, und von dem Schuldner weder an einen Anderen veräußert, noch auch Jemandem bereits insbesondere verpfändet worden ist.

[3, 7] §. 24. Wenn in der Wesenheit der verpfändeten Sache geirret wird, als da dem Glaubiger ein kupfernes Geschirr für ein goldenes zum Pfande gegeben würde, so bestehet das Pfandrecht auch an der durch Irrthum empfangenen Sache; doch stehet dem Glaubiger die Befugniß zu, den Schuldner zu Bestellung eines anderen der Schuld angemessenen Pfandes anzuhalten, und wenn derselbe bei der zuerst zum Pfande gegebenen Sache betrügerisch zu Werke gegangen, so ist er annoch nach Beschaffenheit der Umstände zu bestrafen.

[3, 7] §. 25. Hätte hingegen Jemand seinem Glaubiger durch Irrthum eine Sache von so hohem Werthe zum Pfande gegeben, daß dieselbe Alles, was der Glaubiger zu seiner hinlänglichen Sicherheit fodern kann, um sehr Vieles übersteiget, so soll er befugt sein, diese Sache von dem Glaubiger gegen Uebergebung eines anderen zu dessen vollständiger Sicherheit zureichenden Unterpfandes zurückzufodern.

[3, 7] §. 26. Wenn ein Schuldner seinem Glaubiger sein gesammtes Hab und Gut zu einer allgemeinen Hypothek verschrieben hätte, ohne dabei ein besonderes bewegliches oder unbewegliches Gut ausdrücklich zu benennen, welches zur Sicherheit der Schuldfoderung vorzüglich haften solle, so soll eine solche Verschreibung nach diesem Unseren Gesetze weder das bewegliche noch unbewegliche Vermögen des Schuldners behaften, auch bei keiner Landtafel, Stadt- oder Grundbuche zur Einverleibung angenommen, sondern bloserdings für einen gemeinen Schuldbrief angesehen werden.

[3, 7] §. 27. Wäre aber bei einer allgemeinen Hypothek auch eine besondere bewegliche Sache zur Sicherheit des Glaubigers verpfändet worden, so ist derselbe


(363) nicht nur berechtiget, die Aushändigung dieser Sache anzuverlangen, sondern Wir wollen ihm auch in dem Falle, wenn er mit dieser Sache nicht hinlänglich bedecket zu sein glaubet, die Befugniß einräumen, daß er dem Gerichte andere bewegliche Sachen des Schuldners namhaft machen und die Erstreckung der ihm bestellten allgemeinen Hypothek auf diese Sachen ansuchen möge; doch erwirbt er an keiner einzigen von diesen Sachen das Pfandrecht eher, als bis selbe in gerichtlichen Beschlag genommen oder ihm vom Schuldner eingehändiget worden.

[3, 7] §. 28. Ebenso wenn in der allgemeinen Verschreibung auch ein benanntes liegendes Gut des Schuldners zur Sicherheit des Glaubigers insbesondere verschrieben worden, mag diese Verschreibung nicht nur auf dem benannten Gute einverleibet werden, sondern dem Glaubiger soll in dem Falle, wenn er an dem ihm insbesondere verschriebenen Gute seine vollständige Sicherheit nicht zu haben vermeinte, die Macht zustehen, die Erstreckung der ihm verschriebenen allgemeinen Hypothek sowohl auf andere bewegliche Sachen des Schuldners, als auch auf ein anderes demselben zugehöriges liegendes Gut anzusuchen.

[3, 7] §. 29. Wenn er jedoch sein Ansuchen auf ein unbewegliches Gut des Schuldners richtet, so muß es ein solches sein, welches unter eben derjenigen Gerichtsbarkeit gelegen ist, worunter das besonders verschriebene Gut lieget, und wo die Verschreibung bereits einverleibet ist, und wenn diese Erstreckung der allgemeinen Hypothek auf das namhaft gemachte Gut von dem Gerichte verwilliget worden, so soll dem Glaubiger von dem Tage der auf diesem Gute vollzogenen wirklichen Einverleibung an demselben das Pfandrecht und der Vorzug vor allen auf demselben später einverleibten anderen Glaubigern gebühren.

[3, 7] §. 30. Würde aber ein Glaubiger die Erstreckung der allgemeinen Hypothek auf ein anderes bewegliches oder unbewegliches Gut des Schuldners gerichtlich anzubegehren unterlassen, so soll er in Ansehung dessen, was er aus den ihm insbesondere eingehändigten Fahrnissen, oder aus dem ihm insbesondere verschriebenen Gute nicht zu erholen vermag, an dem übrigen Vermögen des Schuldners vor anderen gemeinen Glaubigern kein Vorrecht genießen.

[3, 7] §. 31. Diese Erstreckung der Hypothek von einem Gute auf das andere soll blos die Wirkung der neben einer besonderen annoch verschriebenen allgemeinen Hypothek sein. Wenn aber einem Glaubiger blos an einem liegenden Gute des Schuldners eine besondere Hypothek bestellet worden, so kann diese ohne eine abermalige Einwilligung des Schuldners auf kein anderes Gut erstrecket werden, und wenn der Schuldner den ihm zugehörigen Theil eines ihm mit einem Anderen gemeinschaftlichen Gutes zum Unterpfande verschrieben, nachhero aber auch den anderen Theil dieses Guts erworben hätte, so gebühret dem Glaubiger an diesem letzten Theile kein Pfandrecht.

[3, 7] §. 32. Ein Glaubiger, deme eine bewegliche Sache zum Unterpfande übergeben, oder deme ein liegendes Gut zum Unterpfande verschrieben worden, erwirbt daran nicht nur jene Gerechtsamen, so Wir im zweiten Theile, sechsundzwanzigsten Capitel, berühret haben, sondern er erhält andurch, nebst der ihm wider dem Schuldner zustehenden persönlichen Foderung, annoch die Befugniß, daß er sich an der ihm verpfändeten Sache halten, und seine Befriedigung von derselben erholen möge.

[3, 7] §. 33. Doch liegt dem Glaubiger ob, wenn die Erhaltung der verpfändeten Sache einen Aufwand erfodert, denselben gegen künftigen Ersatz aufzuwenden, oder wenigstens die zudringende Bedürfniß dem Schuldner in der Zeit zu erinnern; widrigens hat er für allen daher entstandenen Schaden zu haften.

[3, 7] §. 34. Auch ist der Glaubiger nicht befugt, sich wider Wissen und Willen Desjenigen, der ihm das Pfand gegeben, des Gebrauchs der verpfändeten Sache anzumaßen; widrigens ist er schuldig, allen durch den Gebrauch oder auch durch einen Zufall, wozu der Gebrauch Anlaß gegeben, an der verpfändeten Sache


(364) geschehenen Schaden zu ersetzen, und in dem Falle, wenn ihm durch diesen Gebrauch ein Nutzen zugegangen, auch denselben zu erstatten.

[3, 7] §. 35. Umsoweniger ist der Glaubiger berechtiget, die verpfändete Sache, insolang der Schuldner in Abführung der Schuld nicht saumselig ist, zu veräußern; hätte er sie aber veräußert, und Derjenige, an den sie veräußert worden, hätte ihre Beschaffenheit gewußt, so soll dem Schuldner freistehen, selbe von dem Besitzer gegen Erlag der Schuld zurückzufodern. Wenn aber Derjenige, an den die Sache veräußert worden, die Eigenschaft derselben nicht gewußt, oder wenn die Sache bei ihm nicht mehr vorhanden wäre, so soll der Glaubiger schuldig sein, dem Schuldner den Werth der Sache sammt den davon gebührenden Zinsen, nach der für diesen Fall im fünften Capitel, §§. 20, 21, enthaltenen Ausmessung zu ersetzen.

[3, 7] §. 36. Wenn aber der Schuldner in der bedungenen Zeit die versprochene Zahlung nicht leistet, so erwächst dem Glaubiger das Recht, sich durch Veräußerung des ihm gegebenen Unterpfands zahlhaft zu machen. Wir verordnen aber, daß kein Glaubiger jemals befugt sein solle, die ihm zum Unterpfande gegebene Sache, sie möge beweglich oder unbeweglich sein, eigenthümlich und außergerichtlich zu verkaufen, sondern eine solche Veräußerung soll allezeit gerichtlich und auf nachfolgende Art geschehen.

[3, 7] §. 37. Zuförderst soll der Glaubiger dem Schuldner durch eine Gerichtsperson die Erinnerung machen lassen, daß er das Pfand auslösen, oder bei längerer Verzögerung dessen Veräußerung gewärtig sein solle. Wenn nun der Schuldner innerhalb 14 Tagen von dieser ihm zugekommenen gerichtlichen Erinnerung den Glaubiger nicht befriediget, so soll diesem freistehen, nach Bescheinigung der dem Schuldner gemachten Erinnerung die gerichtliche Schätzung der verpfändeten Sache anzuverlangen, und das Gericht soll selbe nach Vorschrift Unserer Gerichtsordnung vornehmen.

[3, 7] §. 38. Wenn binnen 14 Tagen von der zu erheben gewesenen Schätzung weder der Schuldner noch der Glaubiger die Feilbietung des geschätzten Guts angesuchet hat, noch auch andere Glaubiger hervorkämen, die sich wider dessen Ueberlassung an den klagenden Glaubiger setzten, so ist derselbe schuldig, das Gut um den geschätzten Preis zu übernehmen, und der Schuldner muß es ihm um diesen überlassen.

[3, 7] §. 39. Die übrigen Glaubiger des Schuldners sind nur alsdann befugt, sich der Ueberlassung des verpfändeten Guts an den veräußernden Glaubiger zu widersetzen, wenn sie von dem Ueberreste, den derselbe nach Abzug seiner Foderung herauszugeben hat, ihre Befriedigung zu suchen berechtiget sind, und selber dazu nicht hinreichet.

[3, 7] §. 40. Wenn von Einem oder dem Anderen die Feilbietung des verpfändeten Guts anverlanget worden ist, so soll dasselbe auf die in Unserer Gerichtsordnung festgesetzte Art verkaufet werden; dem Schuldner bleibet jedoch unverwehret, das verpfändete Gut sowohl während dieser gerichtlichen Vorkehrungen immerfort auszulösen, als auch bei dessen Versteigerung selbst wieder als Meistbietender an sich zu bringen, und in diesem Falle hat derselbe, wenn sich kein anderer Glaubiger gemeldet hat, nicht mehr als den Betrag der Schuld, wofür die Sache verpfändet war, sammt den bis dahin aufgelaufenen Gerichtsunkosten zu erlegen.

[3, 7] §. 41. Wenn der Schuldner abwesend, und sein Aufenthalt nicht zu erforschen, oder rechtsflüchtig, oder dergestalten verschuldet gestorben ist, daß Niemand sich seiner Verlassenschaft annehmen will, so kann der Glaubiger auch ohne eine vorläufige Erinnerung zur Veräußerung des Unterpfands schreiten; in diesem Falle soll das Gericht zu Vertretung des Schuldners einen Curator aufstellen, und den vom verkauften Unterpfande nach Bezahlung des Glaubigers und der Gerichtsunkosten sich ergebenden Ueberrest zum Besten der anderen Glaubiger, oder wenn deren keiner


(365) sonst hervorgekommen wäre, bis auf Anmelden des Schuldners in gerichtliche Verwahrung nehmen.

[3, 7] §. 42. Wie es jedoch in dem Falle zu halten sei, wenn über das Vermögen des Schuldners ein Concurs eröffnet worden, und inwieweit die mit einem Unterpfande bedeckten Glaubiger alsdann vor den Uebrigen einen Vorzug haben, ist aus Demjenigen zu ersehen, was Wir desfalls in Unserer Gerichtsordnung bei dem Concursprocesse anordnen.

[3, 7] §. 43. Würde aber ein Glaubiger, ohne sich dieser Unserer Anordnung nach zu achten, die ihm zum Unterpfande gegebene Sache eigenmächtig veräußern, so soll es ebenso gehalten werden, wie Wir von dem Falle, wo die verpfändete Sache ohne einen dem Schuldner zur Last fallenden Saumsal von dem Glaubiger veräußert worden, im §. 35 geordnet haben, und wenn schon der Schuldner dem Glaubiger auf den Fall, wo er mit der Zahlung nicht einhalten würde, die freie und eigenmächtige Veräußerung des Unterpfandes entweder nach eigener Willkür, oder auch für einen bestimmten Preis ausdrücklich gestattet hätte, so wollen Wir doch ein solches Beding ganz und gar entkräftet haben.

[3, 7] §. 44. Ueberhaupt sollen bei Pfandcontracten alle jene Bedinge null und nichtig sein, welche entweder der Wesenheit des Contracts zuwider sind, oder wodurch dem Glaubiger ein Mehreres, als er an der Hauptsumme und den landesüblichen Interessen zu fodern hat, zugewendet oder verheißen wird; sie mögen in dem Contract selbst enthalten sein, oder erst nach der Zeit eingegangen werden.

[3, 7] §. 45. Hieher gehöret vornehmlich, wenn der Schuldner mit dem Glaubiger dahin übereinkommt, daß die verpfändete Sache, wenn sie innerhalb der bestimmten Zeit nicht ausgelöset würde, gegen das darauf geliehene Geld dem Glaubiger verfallen oder verwirket sein solle. In diesem Falle, und in allen solchen Bedingen, wodurch eine wucherliche Handlung bemäntelt wird, soll außer der Nichtigkeit der Handlung annoch wider den Glaubiger, der ein solches Beding eingegangen, mit der Strafe des Wuchers ohnnachsichtlich verfahren werden.

[3, 7] §. 46. Wäre hingegen das Beding dahin gefasset, daß der Glaubiger bei nicht erfolgender Zahlung das Unterpfand um einen billigen Preis behalten möge, oder daß der Schuldner ihm dasselbe käuflich oder an Zahlungsstatt überlassen solle, so ist es unverboten; doch soll der Glaubiger ebenfalls unter Strafe des Wuchers nicht befugt sein, sich das Pfand anderst als nach dessen vorhergehender gerichtlichen Schätzung zuzueignen. Auch mag dieses Beding nur insoweit zu seiner Wirkung gelangen, als sich keine anderen Glaubiger hervorthun; widrigens erlöschet es von selbsten, und ist mit Veräußerung eines solchen Pfandes, wie mit einem jeden anderen zu verfahren.

[3, 7] §. 47. Auch stehet jenem Bedinge nichts im Wege, wenn der Schuldner bei Verschreibung eines liegenden Guts sich dahin verbindet, daß der Glaubiger dasselbe bei entstehender Zahlung eigenmächtig in Besitz nehmen möge; doch hat es nur alsdann seine Wirkung, wenn der Schuldner ihm den Besitz gutwillig abtritt. Würde er aber denselben zu raumen sich weigern, so kann der Glaubiger nicht anderst als der rechtlichen Ordnung gemäß dazu gelangen, und wenn er dem zuwider den Schuldner mit Gewalt daraus verdrungen hätte, so verfällt er in die auf verübte Gewalt an seinem Orte ausgesetzten Strafen.

[3, 7] §. 48. Eben dieses soll auch in jenem Falle Platz greifen, wenn der Schuldner in der Verschreibung oder auch hernach den rechtlichen Besitz des zum Unterpfande verschriebenen Gutes dergestalten an den Glaubiger überträgt, daß er dasselbe entweder von nun an oder nach der Verfallzeit nicht mehr in seinem, sondern des Glaubigers Namen besitzen zu wollen sich erkläret; doch hat dieses, wie auch das im vorigen §. berührte Beding, wenn es in der Landtafel, Stadt- oder den Grundbüchern einverleibet worden, noch insbesondere die Wirkung, daß der Schuldner das


(366) verschriebene Gut, insolang es von dieser Haftung nicht befreiet worden, an Niemanden zu veräußern befugt sei.

[3, 7] §. 49. Wenn der Schuldner mit dem Glaubiger dahin übereingekommen ist, daß die Pfandschaft unauflöslich sein solle, so wird der Glaubiger andurch verbunden, daß er, so lang ihm die Zinsen von der Hauptschuld richtig abgeführet worden, weder auf die Bezahlung dieser Schuld dringen, noch das Pfand veräußern möge; in Ansehung des Schuldners hingegen ist dieses Beding ohne Wirkung, und wenn er schon auf die Auslösung des Pfandes ausdrücklich Verzicht gethan, so stehet es ihm doch allezeit frei, dasselbe gegen Entrichtung der Schuld wieder einzulösen.

[3, 7] §. 50. Was aber jenes Beding anbetrifft, daß der Glaubiger anstatt der Zinsen die ihm verpfändete Sache zu nutzen und zu gebrauchen befugt sein solle, so wollen Wir demselben zwar, wenn eine bewegliche Sache verpfändet worden, seine Kraft belassen; allein bei einem zum Unterpfande verschriebenen liegenden Gute soll dasselbe nicht anders als nach vorhergehender richterlicher Erkenntniß giltig sein. Unsere Richter sollen aber ein solches Beding nicht anders als bei vorwaltenden erheblichen Ursachen gestatten.

[3, 7] §. 51. Dieses Beding soll bei beweglichen Sachen auch alsdann unter der vorgenommenen Handlung stillschweigend verstanden sein, wenn Jemand seinem Glaubiger für ein ihm ohne bedungene Zinsen gegebenes Darlehen eine an sich nutzbare, oder fruchtbringende, oder auch sonst brauchbare Sache verpfändet, ohne sich die Nutzungen davon vorzubehalten, oder auch den Gebrauch derselben ausdrücklich oder durch Versperrung oder Versiegelung zu verbieten.

[3, 7] §. 52. Bei einem zum Unterpfande verschriebenen liegenden Gute hingegen, wenn schon dem Glaubiger der Besitz dieses Guts eingeraumet worden, soll derselbe doch sonst nicht befugt sein, einen Theil der von dem Gute abfallenden Einkünfte sich für die Zinsen anzurechnen, als wenn von dem Darlehen ausdrücklich Zinsen bedungen worden, oder wegen nicht zur rechten Zeit geleisteter Zahlung entrichtet werden müssen.

[3, 7] §. 53. Das Beding möge aber ausdrücklich oder stillschweigend, über bewegliche oder unbewegliche Sachen eingegangen werden, so soll der Glaubiger unter den in §. 45 berührten Strafen niemals befugt sein, von den eingegangenen Nutzungen, sie mögen in gewissen oder ungewissen Einkünften bestehen, sich für die ihm gebührenden Zinsen unter was immer für einem Vorwande mehr auszubedingen, oder auch sich nachhero zuzueignen, als was die landesüblichen Zinsen betragen; den Ueberschuß der jährlichen Einkünfte ist derselbe schuldig, sich auf Abschlag der schuldigen Hauptsumme anzurechnen.

[3, 7] §. 54. Ein jeder Glaubiger, deme auf diese Art die Benutzung der verpfändeten Sache eingeraumet wird, soll dahero über die behobene Nutzungen Rechnung legen, und wenn ihm gleich diese Verrechnung der Einkünfte von dem Schuldner ausdrücklich erlassen worden wäre, so soll doch diese Erlassung nicht die mindeste Kraft haben; die Rechnung soll aber also gefasset sein, daß darinnen jedes Jahr, nach Abschlag der aufgewendeten Auslagen, die reine Erträgniß bestimmet, von dieser zuvorderst der gebührende Betrag der Zinsen abgezogen, sodann der Ueberrest der Erträgniß von der schuldigen Hauptsumme abgerechnet, und auf diese Art mit jährlicher Verminderung der Hauptsumme, von Jahr zu Jahr bis zu gänzlicher Tilgung der Schuld fortgefahren werde.

[3, 7] §. 55. Der Glaubiger ist schuldig, auch jene Einkünfte in Empfang zu bringen, die aus der zur Nutzung überlassenen Sache hätte eingehoben werden können, die er aber durch seine Schuld vernachlässiget hat. Würde sich aber wegen der Erträgniß ein Zweifel ergeben, so ist derselbe bei liegenden Gütern aus den vorigen Rechnungen wenigstens von drei Jahren her, da der Schuldner das Gut


(367) in seinem Besitze gehabt, und bei beweglichen Sachen durch die Art und Weise, wie der Schuldner selbst die Sache zu benutzen gewohnet war, zu entscheiden.

[3, 7] §. 56. Wenn die Schuld getilget ist, wofür das Pfand bestellet worden, so erlöschet auch das Pfandrecht an der zum Unterpfande gegebenen Sache; wenn jedoch ein liegendes Gut zum Unterpfande verschrieben worden, so bleibet dasselbe, obschon die Schuld getilget wäre, dennoch immerfort behaftet, insolang die in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibte Verschreibung daselbst nicht wieder ausgelöschet worden.

[3, 7] §. 57. Doch stehet dem Schuldner frei, nach getilgter Schuld den Glaubiger zu einer landtaflichen, stadt- oder grundbücherlichen Quittung zu verhalten, und wenn er wegen dieser auf dem Gute noch vorgemerkten Haftung über kurz oder lang angegangen wird, so kann er sich mit der Einrede der bereits getilgten Schuld schützen.

[3, 7] §. 58. Einem jeden Schuldner stehet die Befugniß zu, die zum Unterpfande gegebene Sache nach seiner Willkür immerfort auszulösen, und dieses Recht kann ihm durch keinen Zeitlauf benommen werden; inwieweit jedoch eine zum Pfande gegebene Sache von den Erben des Glaubigers verjähret werden könne, ist aus Unseren Anordnungen im zweiten Theile, siebentem Capitel, zu entnehmen.

[3, 7] §. 59. Zu Befreiung der verpfändeten Sache von dem Pfandrechte ist es nicht genug, wenn die Hauptschuld allein getilget worden, sondern das Pfandrecht haftet so lang auf der Sache, bis der Glaubiger auch wegen der Zinsen und aller verursachten Schäden und Unkosten befriediget worden.

[3, 7] §. 60. Wenn ein liegendes Gut zum Unterpfande verschrieben worden, so hat dasselbe blos für jene Schuld, so darauf behörig vorgemerket ist, und für Dasjenige zu haften, was mit der vorgemerkten Schuld nach der Natur des geschlossenen Contracts zusammenhängt; wenn hingegen eine bewegliche Sache zum Pfande gegeben worden, und der Glaubiger außer derjenigen Schuld, wofür die Sache verpfändet worden, noch eine andere Foderung an den Schuldner hat, so soll er befugt sein, ohngeachtet der getilgten Pfandschuld die verpfändete Sache insolang in seinen Händen zu behalten, bis er auch wegen dieser Foderung befriediget worden.

[3, 7] §. 61. Doch höret diese Befugniß auf, wenn es ausdrücklich ausbedungen worden, daß die zum Pfand gegebene Sache für die Schuld, wofür sie gegeben worden, ganz allein haften, auf die andere Schuld aber nicht erstrecket werden solle; ebenso, wenn Jemand seine Sache für eine benannte Schuld eines Dritten zum Pfande gegeben, mag die verpfändete Sache wegen einer anderen dem Glaubiger wider eben diesen Dritten gebührenden Foderung nicht zurückbehalten werden.

[3, 7] §. 62. Wenn eine Sache nur auf eine gewisse Zeit zum Pfande gegeben, oder wenn ein liegendes Gut nur auf eine gewisse Zeit zur Hypothek verschrieben worden, so erlöschet das Pfandrecht nach Verlauf dieser Zeit, wenn schon die Schuld, für welche das Unterpfand bestellet worden, noch nicht getilget wäre; wofern jedoch der Glaubiger vor dem Verlaufe dieser Zeit zur gerichtlichen Veräußerung des Unterpfands zu schreiten angefangen hätte, so bleibet sein Pfandrecht bis zur vollständigen Tilgung der Schuld bei Kräften, obwohl indessen die bestimmte Zeit verflossen wäre.

[3, 7] §. 63. Es stehet aber auch dem Glaubiger frei, sich des ihm zustehenden Pfandrechts entweder ausdrücklich oder stillschweigend durch eine dahin abzielende That zu begeben; doch wird durch diese Erlassung des Pfandrechts die Schuld selbst, für welche das Pfand bestellet war, nicht nachgelassen.

[3, 7] §. 64. Eine solche That ist bei einer beweglichen Sache, wenn der Glaubiger dieselbe dem Schuldner, ohne daß eine andere Absicht dabei ausgedrücket worden, noch auch vermuthet werden mag, zurückstellet, wie auch wenn er ohne Vorbehalt seines Pfandrechts einwilliget, daß der Schuldner die verpfändete Sache veräußern möge.


(368) [3, 7] §. 65. Die blose Wissenschaft der Veräußerung schadet dem Glaubiger nicht, wenn er schon dazu stillschwiege; wenn jedoch die Veräußerung in seiner Gegenwart geschehen, und er von seinem Pfandrechte keine Meldung gemacht, oder wenn er für die in seiner Gegenwart verkaufte Sache den Kaufschilling ohne Widerrede an den Schuldner hätte auszahlen lassen, oder wenn er die Veräußerungsurkunde mit unterschrieben, oder wenn er sonst eine That vorgenommen, woraus seine Einwilligung nothwendig gefolgert werden müßte, so ist es so anzusehen, als ob er in die Veräußerung der Sache ausdrücklich eingewilliget hätte.

[3, 7] §. 66. Durch die Einwilligung in die Veräußerung der Sache verlieret der Glaubiger nur alsdann sein Pfandrecht, wenn die Veräußerung wirklich erfolget, wenn sie auf die von ihm bewilligte Art vor sich gehet, und wenn die von ihm dazu gesetzten Bedingnisse beobachtet werden; wenn dahero derselbe sich ausbedungen, daß von dem erhaltenen Werthe der Sache ihm vorzüglich seine Bezahlung geleistet werden solle, so erlöschet sein Pfandrecht nicht eher, als bis er diese Bezahlung erhalten hat, und wenn er blos in den Verkauf der Sache eingewilliget hat, so schadet es ihm an seinem Rechte nicht, wenn der Schuldner die Sache verschenket.

[3, 7] §. 67. Dahingegen wenn der Glaubiger in die Verschenkung der verpfändeten Sache eingewilliget, so verlieret er sein Pfandrecht, auch wenn die Sache verkaufet worden; außer wenn die verwilligte Verschenkung blos auf eine benannte Person beschränket, und die Sache einem Anderen verkaufet worden wäre. Wenn aber der Glaubiger einwilliget, daß der Schuldner die Sache bei einem Dritten neuerdings verpfänden möge, so hat er sich seines Pfandrechts nicht nur in Ansehung dieses Dritten, sondern ohnbeschränket begeben.

[3, 7] §. 68. Wenn es sich in der Folge ereignet, daß die mit Einwilligung des Glaubigers veräußerte oder verpfändete Sache dem Schuldner aus was immer für einer Ursache wieder zu Handen käme, bevor die Foderung des ersten Glaubigers getilget worden, so lebt doch dessen vorhin an der Sache gehabtes Pfandrecht nicht mehr auf.

[3, 7] §. 69. In allen diesen Fällen, wo die verpfändete Sache von dem Schuldner veräußert worden, mag jedoch von der Einwilligung des Glaubigers nur alsdann eine Frage sein, wenn Derjenige, an den die Sache veräußert worden, die Beschaffenheit derselben weiß; wenn hingegen die verpfändete Sache an Jemanden veräußert wird, der dieser Haftung unwissend, sie für eine dem Veräußerer mit ohnbeschränktem Rechte zugehörige Sache hält, so erlöschet das dem Glaubiger daran zugestandene Pfandrecht in Folge Unserer im zweiten Theile, sechsten Capitel, festgestellten Grundsätze alsofort, wenn schon die Veräußerung ohne Wissen und Willen des Glaubigers geschehen, oder gar die Sache demselben von dem Schuldner durch Betrug und Arglist entzogen worden wäre. Wenn jedoch in so einem Falle die Sache hernach vor Tilgung der Schuld dem Schuldner wieder in die Hände geräth, es möge aus seinem vorherigen Eigenthum, oder aus einem neuerdings an der Sache erworbenen Rechte herrühren, so soll dem Glaubiger das daran gehabte Pfandrecht wieder wie vor der Veräußerung gebühren.

[3, 7] §. 70. Wenn ein liegendes Gut zum Unterpfande verschrieben worden, so erlöschet das Recht des Glaubigers nicht, wenn er schon in die Veräußerung dieses Guts ausdrücklich eingewilliget, oder wenn er auch die in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibte Veräußerungsurkunde selbst ohne allen Vorbehalt unterschrieben hätte; wenn jedoch in der zur Einverleibung gelangten Urkunde andere ihm nachgebende Glaubiger auf den Kaufschilling angewiesen worden, und er dieselbe ohne Vorbehalt seines Rechts unterschrieben hätte, so hat er sich desselben begeben, wenn er nicht binnen der Verjährungszeit darthun kann, daß er durch einen Irrthum oder Verstoß zur Unterschrift verleitet worden.

[3, 7] §. 71. Die von einem Glaubiger geschehene Erlassung der ihm auf einem liegenden Gute verschriebenen Hypothek hat nicht eher ihre vollständige Wirkung,


(369) als bis sie auf dem Gute behörig einverleibet worden; doch ist der Schuldner befugt, den Glaubiger nach erlassener Hypothek dahin anzuhalten, daß er sich alldorten, wo die Verschreibung des Guts vorgemerkt ist, zu dieser Erlassung persönlich bekenne, oder darüber eine solche Urkunde ausstelle, so daselbst einverleibet werden möge.

[3, 7] §. 72. Wenn das Recht Desjenigen, der dem Glaubiger das Unterpfand bestellet hat, an der verpfändeten Sache aus einer vor dieser Behaftung der Sache vorgewesenen Ursache erlöschet, und die Sache beweglich ist, so schadet es dem Glaubiger an seinem erworbenen Rechte sonst nicht, als wenn ihm der einem Dritten an der Sache gebührende Anspruch zur Zeit der Verpfändung bewußt gewesen; wenn hingegen eine unbewegliche Sache oder ein auf einer unbeweglichen Sache haftendes Recht zur Hypothek verschrieben worden, und das Recht des Verschreibenden hernach aus einer vorherigen Ursache entkräftet wird, so zerfällt auch das Recht des Glaubigers ohne allem Unterschied, wenn er schon in der wirklichen Veräußerung des Guts begriffen, oder gar schon in dessen Besitze befindlich ist.

[3, 7] §. 73. Wenn schon die zum Unterpfande gegebene Sache großentheils zu Grunde gehet, so bestehet das Pfandrecht des Glaubigers doch in den noch übrigen Theilen, insolang nur das Mindeste von der Sache noch übrig ist, so dem Glaubiger einige Sicherheit verschaffen kann; wäre aber die Sache ganz und gar zu Grunde gegangen, so bleibt der Schuldner deme ohngeachtet dem Glaubiger zu Entrichtung derjenigen Schuld verbunden, zu deren Sicherheit das Pfand bestellet war.

[3, 7] §. 74. Nach getilgter Schuld, oder nach sonst aufgelöstem Pfandrechte ist der Glaubiger schuldig, die Sache sammt allen davon behobenen Nutzungen, wenn ihm nicht selbe nach Vorschrift Unserer obigen Anordnungen überlassen worden, zurückzustellen. Diese Befugniß die Sache zurückzufodern kommt aber nicht nur Demjenigen zu, der die Sache zum Pfande gegeben, sondern auch einem Jeden, auf den er sein Recht an dieser Sache übertragen hat; ebenso kann auch ein Jeder, in dessen Hände die verpfändete Sache gelanget ist, zu deren Zurückstellung angegangen werden, wenn er nicht zeigen kann, daß er auf eine in Unseren Gesetzen begründete Art das Eigenthum oder ein anderes von dem Rechte des Klägers unabhängiges Recht an dieser Sache erworben habe.

[3, 7] §. 75. Wenn der Glaubiger die Zurückstellung der Sache widerrechtlich verweigert, so muß er alle zu deren Erhaltung aufgewendete Unkosten ersetzen, und wenn die Sache durch seine Gefährde, Schuld oder Saumsal in fremde Hände gekommen, zu Grunde gegangen oder sonst beschädiget worden, so ist er zur vollständigen Schadloshaltung des Schuldners verbunden; in allen diesen Fällen sollen aber eben jene Regeln beobachtet werden, die Wir dafür in Ansehung einer entlehnten Sache im fünften Capitel, §§. 17, 18, 19, 20, 21, 22, festgestellet haben.

[3, 7] §. 76. Wäre aber die verpfändete Sache durch blosen Zufall zu Grunde gegangen oder beschädiget worden, so wird der Glaubiger außer den Fällen, so Wir im ersten Capitel, §§. 80, 81, und in dem gegenwärtigen Capitel, §§. 7 und 34, insbesondere berühret haben, dafür nicht verfänglich; wenn auch in einer plötzlichen Gefahr die verpfändete und des Glaubigers eigene Sache nicht zugleich gerettet werden könnten, so soll dahier eben Dasjenige Platz greifen, was Wir für diesen Fall in Betreff einer hinterlegten Sache im sechsten Capitel, §§. 26, 27, angeordnet haben.

[3, 7] §. 77. Der Glaubiger kann die Sache Demjenigen, der sie ihm zum Pfande gegeben, unter dem Vorwande nicht vorenthalten, daß er nicht der Eigenthümer sei, wenn sich der wahre Eigenthümer der Sache nicht gemeldet hat; doch ist derselbe nebst dem Falle, den Wir bereits im §. 60 berühret haben, auch noch


(370) alsdann befugt, die Zurückstellung der Sache zu verweigern, wenn er selbst nach geschehener Verfügung deren Eigenthum oder ein anderes Recht daran erworben hätte.

[3, 7] §. 78. Auch stehet dem Glaubiger jedesmal das Recht zu, die Sache bis zu seiner erfolgten Entschädigung zurückzubehalten, wenn ihm der Schuldner wegen der verpfändeten Sache zu einer Entschädigung verbunden ist; zu dieser Entschädigung aber ist derselbe sowohl wegen einer zum Pfande gegebenen mangelhaften Sache, als auch wegen des auf die Sache gemachten nothwendigen Aufwandes auf eben jene Art verbunden, wie Wir von Jemanden, der seine Sache einem Anderen zur Verwahrung anvertrauet hat, im sechsten Capitel, §. 31, festgesetzet haben.

[3, 7] §. 79. Hätte aber der Glaubiger auf die Sache nicht aus Nothwendigkeit, sondern zu deren mehrerer Nutzbarkeit einigen Aufwand gemacht, ohne daß der Schuldner dazu eingewilliget, oder denselben gutgeheißen hätte, so soll der Richter auf die Beschaffenheit des gemachten Aufwands, die Umstände des Schuldners, und die natürliche Billigkeit sehen, damit in dem Falle, wo der Glaubiger einen mäßigen Aufwand aus guter Meinung gemacht, auch der dem Schuldner dadurch für die Zukunft zugehende Nutzen klar erweislich ist, der Glaubiger durch Verweigerung des billigen Ersatzes nicht verkürzet, dahingegen in dem Falle, wo bei der Sache kostbare und den Umständen des Schuldners nicht angemessene Verbesserungen vorgenommen worden, derselbe keineswegs mit Aufrechnung eines beträchtlichen Aufwandes gekränket, und zum allerwenigsten ihm die Auslösung der verpfändeten Sache andurch dergestalten erschweret werde, daß er deswegen die Sache hintanzulassen bemüssiget wäre.

[3, 7] §. 80. Dem Glaubiger stehet aber das Recht zu, wegen der ihm in obgedachten Fällen gebührenden Entschädigung, auch nach zurückgestellter Sache eine besondere Klage zu erheben; doch soll er damit sonst nicht gehöret werden, als wenn er auf die bei dem Ausleihungs- und Hinterlegungscontracte in den vorherigen Capiteln bereits geordnete Art, bei Zurückstellung der Sache sich den ihm gebührenden Ersatz ausdrücklich vorbehalten hat.

Achtes Capitel.

Von Bürgschaften.

[3, 8] §. 1. Wenn Jemand eine fremde Verbindlichkeit zu mehrerer Sicherheit des Glaubigers dergestalten auf sich nimmt, daß der Hauptschuldner zu der ihm obliegenden Verbindlichkeit verbunden bleiben solle, er aber zugleich für diese Verbindlichkeit haften wolle, so ist dieses eine Bürgschaft.

[3, 8] §. 2. Nicht nur die trockenen Worte, wenn Jemand für einen Anderen Bürgschaft leistet, sondern alle jene Worte ziehen diese Verbindlichkeit nach sich, woraus der Wille, für den Anderen Bürge zu werden, deutlich erhellet; derlei Worte sind, wenn Jemand dem Glaubiger eines Anderen verspricht, daß derselbe an seiner Foderung nichts verlieren solle, daß er es gut machen, oder das Geld schaffen, oder dafür stehen, oder Mann dafür sein wolle, oder daß er es auf seine Gefahr nehme, oder daß er sein Wort gebe, daß die Zahlung richtig erfolgen werde, und dergleichen mehrere.

[3, 8] §. 3. Dahingegen macht der lediglich geäußerte Willen, sich in Zukunft für Jemanden zu verbürgen, Niemanden verfänglich, so lang die Bürgschaft nicht wirklich


(371) übernommen worden; ebenso, wenn Jemand bloserdings versprochen hat, dafür zu sorgen, daß der Glaubiger seine Befriedigung erhalte, wird er zu nichts weiter verbunden, als daß er, um die Bezahlung der Schuld zu erwirken, allen seinen Fleiß anwende, ohne daß er den mit seiner Bestrebung nicht übereinstimmenden Ausgang zu verantworten hätte. Noch weniger hat Jemand für die Schuld eines Anderen zu haften, wenn er den Schuldner lobt, oder von ihm rühmet, daß er ein ehrlicher, wohlhabender Mann sei, und daß ihm getrauet werden könne; außer wenn er durch eine solche Versicherung den treuherzigen Glaubiger betrügerischer Weise hintergangen hätte.

[3, 8] §. 4. Auch mag Niemand deswegen für einen Bürgen gehalten werden, weil er die Urkunde, worinnen der Schuldner sich zur Schuld bekennet, mit unterschrieben hat, wenn nicht entweder in dem Inhalte der Verschreibung von der übernommenen Bürgschaft Meldung gemacht wird, oder er bei der Unterschrift die Eigenschaft eines Bürgen ausgedrücket hat. Wenn aber aus dem Inhalte der Verschreibung zwar erhellet, daß Jemand die Bezahlung der darin enthaltenen Schuld mit auf sich nehme, doch daraus nicht deutlich entnommen werden mag, ob er als Bürge oder als Mitschuldner dafür haften wolle, so ist im Zweifelsfalle allezeit dafür zu halten, daß er sich als ein Mitschuldner mit geschiedener Hand dazu verbindlich gemacht habe.

[3, 8] §. 5. Wenn ein Bürge sich gegen den Glaubiger dergestalten verbindet, daß er auf allen Fall, wenn der Glaubiger von dem Schuldner nicht befriediget würde, für die Schuld haften wolle, so ist er ein Hauptbürge oder ein Bürge im eigentlichen Verstande. Wenn er sich aber nur insoweit verbindet, daß er für Dasjenige gutstehen wolle, was der Glaubiger von dem Schuldner, und wo ein Hauptbürge bestellet worden, auch von diesem nicht würde erholen können, so ist er ein Schadlosbürge. Wenn endlich Jemand sich nicht gegen den Glaubiger, sondern gegen den Hauptbürgen oder Schadlosbürgen dahin verbindet, daß dieser Dasjenige, was er für den Hauptschuldner zu zahlen bemüssiget sein würde, an ihm wieder erholen solle, so ist er ein Rückbürge.

[3, 8] §. 6. Doch muß Derjenige, der sich blos als ein Schadlosbürge verbinden will, ein solches, oder daß er nur auf den Fall haften wolle, da der Glaubiger von dem Schuldner seine Befriedigung nicht erhalten könnte, deutlich ausdrücken; widrigenfalls, und wenn er nur gesagt, daß, wenn der Schuldner nicht zahlet, er zahlen wolle, oder wenn sonst aus dem Inhalt der Bürgschaft nicht erkennet werden mag, ob er sich als ein Hauptbürge, oder ein Schadlosbürge habe verbinden wollen, ist er allezeit für einen Hauptbürgen anzusehen.

[3, 8] §. 7. Außer Jenen, welche vermöge Unserer allgemeinen Anordnungen nicht befugt sind, eine Verbindung einzugehen, wollen Wir in Ansehung der Weibspersonen annoch insbesondere anordnen, daß keine derselben, sie sei verheirathet oder unverheirathet, die Macht haben solle, sich für einen Anderen, es möge ihr Ehemann, oder sonst wer immer sein, rechtskräftig zu verbürgen, und dieses ohne Unterschied, ob die Verbindung blos auf die persönliche Verbürgung des Weibes, oder auch auf die Verpfändung oder Verschreibung ihres Vermögens gerichtet sei.

[3, 8] §. 8. Diese Unsere Anordnung wollen Wir auch auf jene Fälle erstrecket haben, wenn ein Weib die Schuld eines Anderen, als alleinige Selbstschuldnerin zu bezahlen übernimmt, oder wenn auf ihr Geheiß Jemand einem Dritten Geld vorstrecket, oder wenn sie sonst auf was immer für eine Art sich zu Bezahlung einer fremden Schuld verbindlich macht.

[3, 8] §. 9. Wenn ein Weib sich mit einem Anderen in einer sie Beide gemeinschaftlich betreffenden Sache zur Mitschuldnerin bestellet hat, so gilt zwar die Verschreibung für den dem Weibe an der Sache zustehenden Antheil; doch kann sie, wenn schon die Verschreibung dahin lautete, daß sie mit ungeschiedener Hand und sammt und sonders dafür haften wollen, um keinen höheren Betrag, als der


(372) auf ihren Antheil ausfällt, belanget werden. Hätte sich aber ein Weib mit ihrem Ehemann in einerlei Verschreibung als Mitschuldnerin erkläret, sie möge sich mit ungeschiedener oder geschiedener Hand verbunden haben, so soll sie durch eine solche Verschreibung ganz und gar nicht verfänglich werden.

[3, 8] §. 10. Wollte sich aber ein Weib dieser von uns eingestandenen Rechtswohlthat durch eine ausdrückliche Verzicht begeben, so soll es ihr freistehen; doch soll dazu eine alleinige Verzicht nicht hinlänglich sein, wenn ihr nicht vor der Verzicht diese von Uns dem weiblichen Geschlechte eingeräumte Gerechtigkeit bedächtlich beigebracht und sie von der Beschaffenheit derjenigen Verbindlichkeit, so sie sich durch ihre Verzicht aufzubürden gedenket, wohl verständiget worden.

[3, 8] §. 11. Wo diese vorhergehende Erinnerung der weiblichen Gerechtigkeit ermangelt, da soll die von einem Weibe geleistete Verzicht ohne alle Kraft sein, und wenn schon die Verzicht auf das weibliche Recht in einer Verschreibung ausdrücklich enthalten wäre, so mag doch eine solche Verschreibung nirgendwo zur Einverleibung angenommen werden. Wenn auch ein Weib sich mit dem Abgange dieser von Uns erfoderten vorherigen Erinnerung nicht schützen würde, so soll doch der Richter von Amtswegen den Bedacht darauf nehmen.

[3, 8] §. 12. Diese Erinnerung soll allzeit vor Gericht und an der ordentlichen Gerichtsstelle in persönlicher Gegenwart des Weibes geschehen, und mag dazu anstatt ihrer kein wie immer Bevollmächtigter zugelassen werden; wäre aber das Weib wegen Krankheit oder anderer wichtiger Ursachen nicht im Stande, vor Gerichte zu erscheinen, so sollen zwei Gerichtspersonen nebst einem Schreiber zu diesem Ende in ihrer Behausung abgeordnet werden. In dem einen Falle aber sowohl, als in dem anderen ist eine solche vorgenommene Handlung und die darauf von dem Weibe geleistete Verzicht allzeit in die Gerichtsbücher einzutragen.

[3, 8] §. 13. Wenn es um eine solche Verbürgung zu thun ist, wobei das Weib ein liegendes Gut oder ein auf einem liegenden Gute haftendes Recht für eine fremde Schuld verschreiben will, so muß die Erinnerung vor jenem Gerichte geschehen, worunter das Gut liegt, und die in deren Folge gethane Verzicht des Weibes muß sammt der Verschreibung in der Landtafel oder in den Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket werden; wäre jedoch zu dieser Zeit das Weib außer dem Orte desjenigen Gerichtsstandes, worunter das Gut gelegen ist, abwesend, so mag die Erinnerung und Verzicht auch bei dem Gerichte ihres damaligen Aufenthalts vorgenommen und von diesem nach vorläufiger Eintragung in das dortige Gerichtsbuch demjenigen Gerichte, worunter das Gut gehöret, durch ein rechtliches Zuschreiben zu fernerer Vorkehrung mitgetheilet werden.

[3, 8] §. 14. Wenn es hingegen blos auf eine persönliche Verbindung des Weibes für einen Anderen ankommt, so beruhet es auf der Willkür des Weibes, das Gericht, deme sie nach dem Stande ihres Mannes, oder ihrem eigenen Stande oder wegen ihres Aufenthals untergeben ist, anzugehen, oder auch sich freiwillig vor einem ganz fremden Gerichte zu stellen, und daselbst die behörige Verzicht zu leisten.

[3, 8] §. 15. Doch soll diese von Uns dem weiblichen Geschlechte eingeräumte Rechtswohlthat alsdann nicht Platz greifen, wenn ein Weib sich einer unerlaubten Scheinhandlung gebrauchet, oder durch Betrug und Arglist den Glaubiger zu einem Darlehen verleitet hat, als, da sie ihre eigenen Sachen unter dem Vorwande, daß sie dem Schuldner zugehörig seien, bei dessen Glaubiger verpfändet.

[3, 8] §. 16. Wenn aber auch von Seite des Weibes kein Betrug unterwaltet, so soll doch diese Rechtswohlthat Unseren im zweiten Theil, sechsten Capitel, §. 6 und den folgenden festgestellten Grundsätzen nicht zum Abbruche gereichen. Wenn also das Weib eine ihr zugehörige bewegliche Sache Jemanden gegeben hätte, um selbe für sich zu verpfänden, oder auch, wenn Jemand eine einem Weibe zugehörige Sache wider ihren Willen für seine Schuld zum Pfande gegeben, der Glaubiger aber weder gewußt, noch vermuthen können, daß diese Sache einem


(373) Weibe zugehöre, so kann das Weib das von dem Glaubiger erworbene Pfandrecht unter dem Vorwande ihrer weiblichen Gerechtigkeit nicht entkräften; hingegen hätte der Glaubiger gewußt, oder wegen Beschaffenheit der Sache einen Verdacht schöpfen sollen, daß die zum Pfande gebrachte Sache einem Weibe zugehöre, so stehet ihr die Berufung auf ihre weiblichen Gerechtsamen offen.

[3, 8] §. 17. Ferner soll auch ein Weib jedesmal durch eine übernommene Bürgschaft verbunden werden, wenn der Glaubiger darthun kann, daß das Geld zu des Weibes Nutzen verwendet worden, oder daß sie wenigstens durch ihre Bürgschaft keinen Schaden erleide; solche Fälle sind, wenn das Weib das geliehene Geld, wofür sie gut gestanden, zu ihren Handen empfangen, obwohl sie es hernach einem Anderen geliehen oder geschenket hätte, wenn des Weibes Schulden damit bezahlet oder Sachen zu ihrem Gebrauche davon angeschaffet worden, wenn das Weib an der Sache, zu deren Nutzen das Geld entlehnet worden, einen Antheil, oder künftig einen sicheren Gewinn daraus zu hoffen hat.

[3, 8] §. 18. Hieher gehöret auch, wenn ein Weib für ihren Glaubiger gutgestanden, oder für denselben eine Zahlung zu leisten übernommen, wie auch, wenn ein Weib wegen der geleisteten Bürgschaft Geld empfangen, oder andere Geschenke angenommen hat. Doch wird sie im ersten Falle nur insoweit aus ihrer Bürgschaft verbindlich, als die Summe, für welche sie die Zahlung übernommen hat, die Schuld, welche der Glaubiger an ihr zu fodern hat, nicht übersteiget, und insofern sie andurch von dessen Foderung befreiet wird; im letzten Falle aber hat sie blos nach Maß Desjenigen zu haften, was sie empfangen hat.

[3, 8] §. 19. Auch sollen jene Weiber nicht befugt sein, in Ansehung ihrer auf sich genommenen Bürgschaften sich auf diese dem weiblichen Geschlechte eingestandene Befreiung zu berufen, welche entweder für sich allein oder gemeinschaftlich mit einem Anderen, es möge ein Fremder oder ihr Ehemann sein, in ihrem eigenen Namen und auf eigenen Gewinn und Verlust ein Gewerb oder einen Kaufhandel treiben, wofern sie in dieser Eigenschaft eine fremde Schuld verbürgen.

[3, 8] §. 20. Ingleichen, wenn ein Weib diejenige Summe, für welche sie gutgestanden, oder deren Zahlung sie auf eine andere Art auf sich genommen, hernach freiwillig und ohne allen Zwang, Furcht oder listige Ueberredung bezahlet, so mag sie das Bezahlte nicht mehr zurückfodern; wenn sie hingegen aus Furcht des angedroheten Gerichtszwanges oder sonst durch Zudringlichkeit oder List zur Zahlung verleitet worden, so soll sie vermöge dieser ihr zustehenden Rechtswohlthat befugt sein, das ungebührliche Bezahlte zurückzufodern.

[3, 8] §. 21. Umsoweniger soll aber diese Rechtswohlthat einem Weibe alsdann zu statten kommen, wenn sie ohne die Verbindlichkeit eines Anderen vorhero auf sich genommen zu haben, sie demselben, es möge ihr Ehemann oder ein Fremder sein, die wirkliche Zahlung leistet, oder selbe bei ihrem Schuldner anweiset, oder eine ihr zuständige Foderung an Zahlungsstatt abtritt.

[3, 8] §. 22. Ueberhaupt soll sich diese Rechtswohlthat bloserdings auf jene Fälle beschränken, wenn ein Weib eine fremde Verbindlichkeit dergestalten auf sich nimmt, daß sie dem Glaubiger für Dasjenige, was ihm der Hauptschuldner schuldig ist, Sicherheit verheißt; wenn hingegen ein Weib einen anderen, was immer für einen Namen habenden Contract geschlossen, oder wenn sie Jemanden wegen einer von ihm vorzunehmenden That, woraus er in der Folge einem Anderen verbindlich werden wird, die Schadloshaltung verspricht, oder wenn sie sonst entweder aus eigener Einwilligung, oder aus ihrer Schuld für die Handlung eines Anderen zu haften schuldig ist, so hat diese Verbindlichkeit des Weibes wie eine jede andere ihre vollkommene Kraft.

[3, 8] §. 23. Diese Rechtswohlthat soll auch des Weibs Erben zu statten kommen; außer wenn die Erblasserin ihnen die Bezahlung dieser Schuld in ihrem letzten


(374) Willen anbefohlen, oder wenn die Erben sich freiwillig, und ungezwungen zur Zahlung verstanden hätten. Wenn aber die Erben des Weibs die Richtigkeit der Schuld auf eine andere Art anerkennet, oder dieselbe aus Furcht des angedroheten Gerichtszwanges geleistet hätten, oder wenn sie, da sie um die Zahlung gerichtlich belanget würden, sich mit dieser Einrede zu schützen unterließen, so schadet es ihnen sonst nicht, als wenn sie großjährig und männlichen Geschlechts sind; bei minderjährigen oder weiblichen Erben hingegen soll die Anordnung des §. 20 Platz greifen, und Wir wollen dem Richter eben jene Verbindlichkeit auferlegen, die Wir ihm im §. 11 in Ansehung des Weibs selbsten auferleget haben.

[3, 8] §. 24. Wenn das Weib von der auf sich genommenen Verbindlichkeit entlediget wird, so bleiben dem Glaubiger seine wider den Hauptschuldner gehabten Ansprüche bei vollkommener Kraft, oder wenn er dieselben aufgegeben hätte, so wird Alles wiederum in einen solchen Stand versetzet, als ob das Weib niemals die Schuld auf sich genommen hätte; wenn jedoch der Glaubiger für diese Schuld vorhero mit anderen Bürgen, oder mit einem Unterpfande bedecket war, und er diese Sicherheit wegen der von dem Weibe auf sich genommenen Bürgschaft entlassen hat, so werden diese Gerechtsamen nicht mehr ergänzet.

[3, 8] §. 25. Wenn sich noch ein Anderer neben dem Weibe als Hauptbürge verbunden hat, so bleibt seine Bürgschaft bei Kräften; doch hat er blos für seinen Antheil zu haften, außer wenn er sich ausdrücklich mit ungeschiedener Hand für die ganze Schuld verbunden hätte. Hat Jemand sich neben dem Weibe als Schadlosbürge verpflichtet, so wird er auf eben die Art wie ein anderer Schadlosbürge verfänglich. Wenn aber Jemand sich blos zur Entschädigung des Weibs als Rückbürge anheischig gemacht, so kann er in dem Falle, wo das Weib mit Einwendung ihrer weiblichen Gerechtigkeit die Zahlung verweigert, von dem Glaubiger nicht angegangen werden; wenn hingegen das Weib, ohne sich ihres Rechtes zu bedienen, gutwillig zahlet, so ist er schuldig, ihr die versprochene Entschädigung zu leisten.

[3, 8] §. 26. Für eine jede Verbindlichkeit können Bürgen bestellet werden, wenn aber diese Verbindlichkeit erst von der künftigen Zeit abhängt, so hängt auch die Bürgschaft von eben dieser Zeit ab, und wenn die Verbindlichkeit, für welche der Bürge gutstehet, durch Unsere Gesetze entkräftet oder bestrafet wird, so ist auch die Bürgschaft ungiltig, und der Bürge soll eben derjenigen Strafe unterliegen, wie Jener, der sich in die verbotene Hauptverbindlichkeit eingelassen hat, wie Wir über diese Fälle im vorigen Capitel, §§. 2, 3, 4 und 5, mit Mehreren angeordnet haben.

[3, 8] §. 27. Auch in peinlichen Sachen können für die dem beschädigten Theile gebührende Genugthuung Bürgen gestellet werden; inwieweit aber in jenen Fällen, wo es auf eine zur öffentlichen Genugthuung gereichende Strafe ankömmt, eine Bürgschaft zugelassen werden möge, ist aus Unserer peinlichen Gerichtsordnung zu entnehmen.

[3, 8] §. 28. Wenn Jemand sich verpflichtet hat, Bürgen zu stellen, und in dieser Verbindung nicht eine besondere Art der Verbürgung angelobet worden, so muß der Glaubiger sich mit persönlicher Bürgschaft begnügen, wenn sie nur genugsam sicher ist, und wenn über die Zulänglichkeit der Bürgschaft ein Streit entstünde, so soll der Richter sogleich ohne Gestattung eines rechtlichen Verfahrens deren Beschaffenheit untersuchen und darüber auf das schleunigste erkennen.

[3, 8] §. 29. Wenn aber auch in der Verbindung ausbedungen worden, daß Jemand mehrere Bürgen stellen solle, oder wenn unter mehreren Schuldnern ein Jeder zur Stellung eines Bürgen verpflichtet ist, so ist doch der Glaubiger schuldig sich mit einem einzigen Bürgen zu befriedigen, wenn nur die ganze Summe andurch hinlänglich bedecket wird.

[3, 8] §. 30. Wenn ein Bürge dem Glaubiger nebst Verstrickung seiner Person auch noch ein liegendes Gut verschreibet, so muß diese Urkunde mit allen im ersten


(375) Capitel, §§. 14, 15, 16, berührten Erfodernissen versehen sein, und dieses nicht nur alsdann, wenn über die Bürgschaft eine besondere Urkunde errichtet worden, sondern wenn auch der Bürge sich in der nemlichen Schuldverschreibung mit dem Hauptschuldner verschrieben hätte, so muß der Beisatz, daß diese Urkunde auch ohne Beisein des einen und anderen Theile einverleibet werden möge, obschon derselbe von Seite des Schuldners bereits darin enthalten wäre, doch noch auch von Seite des Bürgen besonders wiederholet werden.

[3, 8] §. 31. Ein Bürge kann sich zwar zu einer minderen, niemals aber zu einer größeren Summe verbinden, als wozu der Hauptschuldner verbunden ist. Würde aber ein Bürge aus erweislichem Irrthume zu einem größeren Betrage, als die Hauptschuld ausmacht, sich verbunden haben, so gilt die Bürgschaft nur nach dem Betrage der Hauptschuld; wenn hingegen eine wucherliche Absicht dabei vorwaltet, so unterliegt die Handlung allen darauf ausgesetzten Strafen.

[3, 8] §. 32. Auch stehet es der Bürgschaft nicht im Wege, wenn der Bürge sich in der Art der Verbindung fester, oder in der Art der Betreibung ausgiebiger und schleuniger verbindet, als der Hauptschuldner verbunden gewesen; doch wollen Wir dabei sowohl von Seite der Bürgen, als des Schuldners alle ehrenrührige Zusätze, wie auch die Verbindungen zum Einlager, zur Geiselschaft und dergleichen unter der Strafe der Nichtigkeit der Handlung ganz und gar verboten haben.

[3, 8] §. 33. Wenn ein Bürge entweder ausdrücklich für die ganze Schuld, oder auch überhaupt gut gestanden, so hat er für die ganze Schuld mit allen nicht nur zur Zeit der geleisteten Bürgschaft schon verfallenen, sondern auch bis zum Tage der Zahlung noch weiter anwachsenden Nebengebührnissen zu haften. Wenn jedoch die Zahlung der Hauptschuld auf eine gewisse Zeit festgesetzet ist, und der Glaubiger hernach dem Schuldner eine weitere Zahlungsfrist verstattet hat, so wird der Bürge, wenn er in die Erstreckung der Zahlungszeit nicht eingewilliget hat, für die von der ersten Verfallzeit laufenden weiteren Zinsen nicht verfänglich; dahingegen hat es in dem Falle, wo der Hauptschuldner ohne Bestimmung einer Zeit verbunden ist, bei der im Anfange dieses §. gesetzten Regel sein Bewenden, wenn schon der Glaubiger dem Schuldner auch ohne Einwilligung des Bürgen Zahlungsfristen gegeben hätte.

[3, 8] §. 34. Auf gleiche Art hat Jener, der sich für die ganze Schuld, oder auch überhaupt als Schadlosbürge verbunden hat, dem Glaubiger für alles Dasjenige zu haften, was er an Capitale, Zinsen und Unkosten von dem Hauptbürgen, wo einer bestellet ist, und von dem Schuldner nicht zu erholen vermag, und ein Rückbürge wird dem Hauptbürgen oder dem Schadlosbürgen ebenfalls für den ganzen Betrag verfänglich, welchen derselbe dem Glaubiger hat zahlen müssen.

[3, 8] §. 35. Wenn aber ein Hauptbürge, ein Schadlosbürge oder ein Rückbürge seine Bürgschaft ausdrücklich auf eine gewisse Summe beschränket hat, so kann er zu nichts weiter, als blos zu dieser Summe und dem Ersatze der zu deren Eintreibung aus seiner Schuld aufgegangenen Gerichtsunkosten verhalten werden.

[3, 8] §. 36. Wenn mehrere Bürgen für einerlei Schuld gutgestanden sind, so haben sie nach Maß der im ersten Capitel, §. 47 und den folgenden festgesetzten allgemeinen Regeln zu haften; wollte aber Einer von mehreren Bürgen, der vermöge erstbesagten Regeln blos für seinen Antheil zu haften hat, freiwillig die ganze Schuld abführen, so stehet ihm wider die Mitbürgen eben jenes Recht offen, welches nach Unserer unten im §. 48 folgenden Anordnung Einem unter mehreren Bürgen alsdann gebühret, wenn er zur Zahlung der ganzen Schuld verpflichtet ist.

[3, 8] §. 37. Wir wollen aber für den Fall, wenn ein Glaubiger bei nicht erfolgender Zahlung die Schuld gerichtlich einzutreiben bemüssiget ist, folgende Ordnung vorgeschrieben haben. Wenn dem Glaubiger nebst der Bürgschaft auch noch von dem Hauptschuldner an einem beweglichen oder unbeweglichen Gute ein Unterpfand


(376) bestellet worden, so soll er seine Befriedigung zum ersten durch die Veräußerung seines Unterpfandes suchen, und vorhero nicht befugt sein, den Bürgen anzugehen; außer wenn er an der Veräußerung des Unterpfands durch rechtmäßige Ehehaften gehindert würde.

[3, 8] §. 38. Wenn aber nebst der Bürgschaft kein Unterpfand bestellet worden, oder wenn der Glaubiger aus dem veräußerten Unterpfande seine vollkommene Befriedigung nicht erhalten hätte, oder wenn er aus erheblichen Ursachen an der Veräußerung seines Unterpfands gehindert würde, so soll derselbe, wenn er sich des ihm wider den Bürgen zustehenden Rechts gebrauchen will, allezeit schuldig sein, den Bürgen vor dem Hauptschuldner zu belangen, und dieser soll sich dawider auf keinerlei Art schützen können; wenn aber der Glaubiger aus dem Vermögen des Bürgen nicht vollständig bezahlet werden könnte, so bleibet ihm der Hauptschuldner für das Abgängige noch allezeit verbunden.

[3, 8] §. 39. Würde hingegen der Glaubiger den Hauptschuldner vor dem Bürgen, um die Zahlung derjenigen Summe, wofür der Bürge gutgestanden, gerichtlich belangen, so soll der Bürge andurch, wenn nicht ein Anderes ausdrücklich bedungen worden, alsogleich von seiner Bürgschaft befreiet sein; wenn aber der Glaubiger den Hauptschuldner um die Bezahlung außergerichtlich angehet, oder auch einen Theil der Schuld von ihm einhebt, oder ein Pfand von ihm annimmt, oder sich auf dessen Gute versichern läßt, so ist es ihm an dem ihm wider den Bürgen zustehenden Rechte ohnnachtheilig.

[3, 8] §. 40. Den Schadlosbürgen aber ist der Glaubiger nicht eher berechtiget anzugehen, als bis er darzeigen kann, daß er weder von dem Schuldner, noch von dem Hauptbürgen, da einer mitbestellet worden wäre, seine vollkommene Befriedigung habe erhalten können; doch ist ihm ohnverwehret, bei vorfallender Gefahr auf allen Fall auch an dem Vermögen des Schadlosbürgen seine Sicherheit zu suchen.

[3, 8] §. 41. Wider einen Rückbürgen hat der Glaubiger niemals einen Anspruch, sondern dieser hat blos dem Hauptbürgen oder dem Schadlosbürgen für Dasjenige zu haften, was sie für den Schuldner bezahlet haben; wenn sich jedoch dieser Fall ergiebt, so wollen Wir die im §§. 38 und 39 vorgeschriebene Ordnung auch hieher erstrecket haben, und soll Derjenige, der für den Schuldner gezahlet hat, den Rückbürgen allzeit vor dem Hauptschuldner anzugehen schuldig, widrigenfalls aber der Rückbürge von der ihm obliegenden Verbindlichkeit entlediget sein.

[3, 8] §. 42. Der Bürge ist aber befugt, in einigen Fällen von dem Glaubiger und wiederum in einigen Fällen von dem Schuldner die Befreiung von der Bürgschaft anzubegehren. Von dem Glaubiger kann er es alsdann begehren, wenn er sich zu etwas in der Bürgschaft anheischig gemacht, und dasselbe bereits erfüllet hat, als da er dem Kläger angelobet hätte, den Beklagten vor Gericht zu stellen; würde er aber seine Entledigung von der Bürgschaft in diesem Falle nicht begehren, so bleibet er in der Verbindlichkeit den Beklagten auch noch fernerhin vor Gericht zu stellen.

[3, 8] §. 43. Wenn auch der Glaubiger nach verstrichener Zahlungszeit den Bürgen, oder da es ein Schadlosbürge wäre, den Schuldner um die Zahlung anzugehen geflissentlich verzögert, oder die bereits erhobene Klage auszuführen unterläßt, dem Bürgen aber entweder eine rechtserhebliche Einwendung zustehet, wodurch er sich von der eingegangenen Verbindlichkeit zu befreien getrauet, oder er bei längerer Verzögerung des Glaubigers einen Schaden zu befahren hat, so soll er das Recht haben, bei demjenigen Gerichte, deme er unterworfen, oder wo der Rechtsstritt mit dem Schuldner, oder den Mitbürgen bereits anhängig ist, den Glaubiger zu belangen, damit demselben zur Einreichung oder Betreibung seiner Klage eine nach Beschaffenheit der Umstände abgemessene Frist gegeben, oder im widrigen Falle der Bürge von seiner Verbindlichkeit entlediget werde.


(377) [3, 8] §. 44. Findet das Gericht das Ansuchen des Bürgen gegründet, so soll dasselbe die von ihm gebetene Verfügung an den Glaubiger erlassen, und wenn derselbe diese Frist verstreichen läßt, ohne dem gerichtlichen Auftrage nachzukommen, oder bei vorwaltenden erheblichen Hindernissen eine Erstreckung anzusuchen, so soll der Bürge von seiner Bürgschaft alsofort befreiet sein.

[3, 8] §. 45. Von dem Schuldner kann der Bürge die Befreiung in folgenden Fällen anbegehren; wenn der Schuldner sich gegen den Bürgen verbindlich gemacht hat, ihn nach Verlauf einer gewissen Zeit von der Bürgschaft zu entledigen, oder wenn der Schuldner nach bedungener Verfallzeit über ein Jahr verstreichen läßt, ohne den Glaubiger zu befriedigen, oder auch wenn das Vermögen des Schuldners nach geleisteter Bürgschaft durch Verschwendung oder Unglücksfälle abnimmt, oder gar wider den Schuldner ein gegründeter Verdacht obwaltet, daß er sich dem Gerichtsstande entziehen wolle.

[3, 8] §. 46. Wenn der Bürge einen von diesen Umständen erwiesen hat, so soll das Gericht den Schuldner zur Bestellung einer anderen Sicherheit verhalten, und im Weigerungsfalle dem Bürgen zu deren Ausfindigmachung nach Vorschrift Unserer Gerichtsordnung die Execution verwilligen; über die aufgebrachte Sicherheit aber soll der Glaubiger schleunig vernommen, und wenn derselbe sich damit begnüget, oder, im Falle er etwas dawider einwendete, selbe durch richterlichen Befund für zureichend erkennet werden würde, der Bürge von der Bürgschaft ledig gesprochen werden.

[3, 8] §. 47. Dem Bürgen stehet aber auch in dem Falle, wenn er vom Gerichte zur Zahlung für den Schuldner verurtheilet worden, oder durch die wirklich ergriffene Execution dazu angehalten wird, noch vor Leistung der Zahlung frei, den Schuldner zur Herbeischaffung der nöthigen Zahlungsmittel anzugehen; doch mag andurch der Glaubiger in der wider den Bürgen ergriffenen Execution auf keine Weise aufgehalten werden.

[3, 8] §. 48. Wenn ein Bürge noch vor Veräußerung des dem Glaubiger von dem Schuldner gegebenen Unterpfandes sich gutwillig zur Zahlung einverstehet, oder wenn derselbe wegen der dem Glaubiger bei Veräußerung dieses Unterpfandes aufstoßenden rechtserheblichen Hindernissen auch vorhero die Zahlung leisten muß, oder wenn Einer von mehreren mit ungeschiedener Hand verbundenen Bürgen um die ganze Schuld belanget wird, der Glaubiger aber von den anderen Bürgen Pfänder, oder sonst eine Bedeckung in Händen hat, so kann der um die Zahlung angegangene Bürge zu derselben nicht eher verhalten werden, als bis ihm der Glaubiger alle an dem Vermögen des Schuldners, oder der Mitbürgen ihm zustehenden Ansprüche abgetreten hat.

[3, 8] §. 49. Diese Abtretung kann sowohl vor als nach geleisteter Zahlung anbegehret werden, doch muß sie vor ausgestellter Quittung geschehen; wenn aber der Glaubiger bereits quittiret, und der Bürge die Quittung ohne Vorbehalt angenommen, oder da es um ein dem Glaubiger an einem liegenden Gute zugestandenes Recht zu thun wäre, wenn die Quittung des Glaubigers auf demselben bereits einverleibt worden, so kann das bereits vollständig erloschene Recht des Glaubigers von ihm an Niemanden mehr abgetreten werden.

[3, 8] §. 50. Wenn aber der Glaubiger an dem Gute des Schuldners oder der Mitbürgen keine besondere Bedeckung gehabt, so hat der zahlende Bürge zur Erhaltung der ihm von dem Schuldner oder von den Mitbürgen gebührenden Entschädigung außer dem im §. 58 vorkommenden Falle nicht nöthig, daß der Glaubiger ihm seine gehabten Ansprüche abtrete. In allen Fällen jedoch, wo Einer unter mehreren Bürgen die ganze Schuld gezahlet hat, soll derselbe Unserer im §§. 38 und 39 gegebenen Vorschrift gemäß schuldig sein, seine Mitbürgen vor dem Hauptschuldner anzugehen.


(378) [3, 8] §. 51. Nachdem der Glaubiger von dem Bürgen befriediget worden, wird der Schuldner demselben für alles Dasjenige, was ihm wegen der Bürgschaft an seinem Vermögen entgangen, zur Entschädigung verbunden; der Bürge ist also befugt, Alles, was er sowohl am Capitale, als Zinsen und Unkosten für den Schuldner bezahlet hat, in eine Summe zusammenzuziehen, und dieselbe sammt den von dieser ganzen Summe von dem Tage der geschehenen Zahlung laufenden landesüblichen Zinsen von dem Schuldner zurückzufodern.

[3, 8] §. 52. Dem Bürgen liegt aber der Beweis ob, daß er dem Glaubiger entweder wirklich gezahlet, oder mit demselben in Ansehung der Schuld ein anderes Einverständniß getroffen habe, wodurch der Schuldner von dessen Anfoderung befreiet worden sei; wenn jedoch der Glaubiger dem Bürgen die Schuld ganz oder zum Theile geschenket hätte, so mag derselbe in Ansehung dessen, was ihm geschenket worden, seine Foderung an den Schuldner auf keine mehrere Nebengebührnissen erstrecken, als welche der Glaubiger selbst von dem Schuldner anzufodern berechtiget gewesen wäre.

[3, 8] §. 53. Doch beschränket sich dieses Recht des Bürgen, seine Entschädigung für das Bezahlte von dem Schuldner anzusuchen, blos dahin, wenn der Schuldner dasselbe dem Glaubiger noch wirklich schuldig war; der Bürge soll dahero verbunden sein, wenn ihn der Glaubiger um die Zahlung angehet, dieses dem Schuldner, bevor er die Zahlung leistet, zu wissen zu machen, oder wenn er von dem Glaubiger gerichtlich belanget wird, den Schuldner, bevor er sich auf die Klage einläßt, zur Vertretung vorzuladen.

[3, 8] §. 54. Wenn nun der Schuldner in einem oder dem anderen Falle wider den Anspruch des Glaubigers nichts einwendet, oder wenn derselbe auf die geschehene Vorladung sich gar nicht vor Gericht stellet, so kann der Bürge ohne weiters zahlen, und der Schuldner muß ihn entschädigen, wenn er auch eine noch so erhebliche Einwendung wider die Foderung des Glaubigers gehabt hätte.

[3, 8] §. 55. Wenn hingegen der Bürge diese vorläufige Erinnerung oder Vorladung des Schuldners verabsäumet, und sich auf seine Gefahr auf die Klage des Glaubigers eingelassen, oder die Zahlung geleistet hätte, der Schuldner aber hernach darzuthun vermag, daß der Anspruch des Glaubigers durch eine ihm dawider gebührende rechtsbeständige Einrede hätte entkräftet werden können, diese aber vorzubringen von dem Bürgen unterlassen worden, so ist er ihm zu keiner Schadloshaltung verbunden.

[3, 8] §. 56. Eben dieses hat auch in jenem Falle statt, wenn der Bürge zwar die dem Schuldner zustehende rechtserhebliche Einwendung gemacht, doch derselben ohngeachtet zur Zahlung verurtheilet worden, und er wider diesen Spruch sich an den oberen Richter zu wenden unterlassen hat; wenn aber der Bürge den Schuldner zur Vertretung vorgeladen, und derselbe entweder nicht erschienen, oder da er erschienen, wider das ergangene Urtheil den Zug an den oberen Richter zu nehmen, unterlassen hatte, so mag dieses dem Bürgen nicht schaden.

[3, 8] §. 57. Wenn auch der Bürge aus Irrthum mehr als die Schuld beträgt gezahlet, oder durch seine eigene Schuld mehrere Unkösten veranlasset hat, ist der Schuldner nicht verbunden, ihm das zu viel Bezahlte, oder diese Unkosten zu ersetzen; umsoweniger kann der Schuldner alsdann von dem Bürgen zu einer Entschädigung angegangen werden, wenn der Bürge blos aus seiner eigenen Schuld und Nachlässigkeit sachfällig worden.

[3, 8] §. 58. Das Recht von dem Schuldner seine Schadloshaltung anzusuchen, kommt aber dem Bürgen überhaupt nur alsdann zu, wenn er entweder mit dessen ausdrücklicher oder stillschweigender oder wenigstens mit dessen durch Unsere Gesetze vermutheten Einwilligung die Bürgschaft für ihn übernommen hat; wer hingegen für Jemanden wider dessen ausdrückliches Verbot Bürgschaft leistet, der kann wider denselben wegen einer Schadloshaltung keinen Anspruch machen.


(379) [3, 8] §. 59. Doch stehet einem solchen die Befugniß zu, auf die im §. 49 vorgeschriebene Art sich von dem Glaubiger dessen Ansprüche an den Schuldner abtreten zu lassen, um diese wider denselben geltend zu machen; allein in diesem Falle stehen ihm alle jene Einwendungen im Wege, die dem Glaubiger im Wege gestanden wären, und ihm gebühret an Zinsen und anderen Nebengebührnissen nicht mehr, als dem Glaubiger gebühret hätte.

[3, 8] §. 60. Nicht minder höret dieser Anspruch des Bürgen an den Schuldner zu seiner Entschädigung jedesmal auf, wenn er dieselbe dem Schuldner ausdrücklich oder stillschweigend erlassen hat; eine solche stillschweigende Erlassung soll aber insbesondere in jenem Falle geschlossen werden, wenn der Bürge in seinem letzten Willen dem Glaubiger diejenige Summe, wofür er Bürgschaft geleistet, vermachet, ohne seinen Erben das Recht, selbe vom Schuldner zurückzufodern, dabei vorzubehalten.

[3, 8] §. 61. Eine jede Bürgschaft höret alsdann auf, wenn die Hauptschuld getilget, oder die Verbindlichkeit, womit der Schuldner dem Glaubiger verstricket war, auf was immer für eine Art aufgehoben worden; in welchen Fällen aber durch eine zwischen dem Glaubiger und dem Schuldner vorgenommene Erneuerung der Schuld, oder durch die von dem Glaubiger an einen Anderen geschehene Abtretung seiner Foderung die Bürgschaft erlösche, oder nicht erlösche, ist aus Unseren im vierundzwanzigsten Capitel nachfolgenden Anordnungen zu entnehmen.

[3, 8] §. 62. Wenn auch ein Bürge sich ausdrücklich erkläret hat, daß er nur bis auf eine gewisse Zeit gutstehen wolle, so wird er nach Verlaufe der bestimmten Zeit alsofort befreiet, wenn schon die Hauptschuld alsdann noch nicht getilget wäre; außer der Glaubiger hätte noch vor Verfließung dieser Zeit den Bürgen, oder wenn er ein Schadlosbürge ist, den Schuldner um die Zahlung gerichtlich belanget.

[3, 8] §. 63. Auch soll eine blose persönliche Bürgschaft, wo der Glaubiger von dem Bürgen weder Pfänder in Händen hat, noch auch auf einem liegenden Gute des Bürgen versichert ist, nach dem Tode des Bürgen gänzlich erloschen sein, wenn der Glaubiger von dem Tage, da der Bürge gestorben ist, oder wenn die Zahlungszeit erst nach seinem Tode verfallen wäre, von dieser Zeit an zu rechnen durch drei Jahre weder die Erben gerichtlich belanget, noch an dem Vermögen des verstorbenen Bürgen seine Sicherstellung angesuchet, noch auch die Bürgschaft binnen dieser Zeit von den Erben durch ihre eigene Zuthat anerkennet worden.

[3, 8] §. 64. Endlich erlöschet auch die Verbindlichkeit, wodurch der Bürge dem Glaubiger verstricket war, alsdann, wenn das Recht des Glaubigers und die Verbindlichkeit des Bürgen vermischet wird, nemlich wenn der Bürge des Glaubigers, oder der Glaubiger des Bürgen Erbe wird, und imgleichen wird die dem Bürgen wider den Hauptschuldner zustehende Befugniß, seine Entschädigung anzusuchen, alsdann aufgehoben, wenn die Hauptverbindlichkeit des Schuldners und die Nebenverbindlichkeit des Bürgen vermischet wird, nemlich wenn der Bürge zu des Schuldners, oder der Schuldner zu des Bürgen Erbschaft gelanget.

[3, 8] §. 65. In allen diesen Fällen wird aber die Verbindlichkeit blos nach Maß des erworbenen Erbrechts aufgehoben. Wenn dahero nebst dem Bürgen noch andere Erben des Glaubigers vorhanden sind, so bleibt der Bürge ihnen für ihre Erbtheile mit der Bürgschaft behaftet, und wenn nebst dem Glaubiger noch mehrere Erben zu des Bürgen Erbschaft gelangen, bleiben diese Miterben dem Glaubiger nach Maß ihrer Erbtheile durch die Bürgschaft verbunden; ebenso, wenn der Schuldner nebst dem Bürgen noch andere Erben nachgelassen hat, bleiben ihm dieselben nach gezahlter Schuld für ihre Antheile zur Entschädigung verbunden, und wenn der Bürge nebst dem Schuldner noch andere Erben zu seiner Verlassenschaft berufen hat, so gebühret diesen Miterben, wenn die verbürgte Schuld aus der Verlassenschaft gezahlet worden, nach Maß ihrer Erbtheile von dem Schuldner die Schadloshaltung.


(380) [3, 8] §. 66. Auch hat diese Vermischung der beiderseitigen Gerechtsamen, wenn es dabei auf einen dem Erben selbst bevorstehenden Schaden ankommt, nach Maß Unserer im zweiten Theile, siebenzehnten Capitel, festgestellten Grundsätze nur alsdann statt, wenn die Erbschaft ohne ein gerichtliches Inventarium angetreten worden; wenn es sich hingegen von dem Nachtheile eines Dritten handelt, so kann ihm diese Vermischung, wenn auch gleich die Erbschaft, ohne ein gerichtliches Inventarium zu errichten, angetreten worden, niemals zum Schaden gereichen.

Neuntes Capitel.

Vom Kaufe und Verkaufe.

[3, 9] §. 1. Wenn Jemand sich mit einem Anderen dahin vereiniget, daß er ihm eine gewisse Sache eigenthümlich überlassen wolle, und der Andere ihm dagegen einen bestimmten Preis zahlen solle, so ist dieses von Seite des Ersteren ein Verkauf und von Seite des Letzteren ein Kauf.

[3, 9] §. 2. Ein jeder Verkauf ist eine Veräußerung, und ein jeder Kauf eine Erwerbung des Eigenthums; wenn dahero der Verkaufer sich das Eigenthum der Sache ausdrücklich vorbehält, oder der Kaufer nur den Genuß oder Gebrauch dieser Sache an sich bringen will, so ist es kein Kauf und Verkauf.

[3, 9] §. 3. Alle Sachen, welche handelbar sind, liegende und fahrende, gegenwärtige und künftige, einzelne und mehrere zusammen, Foderungen und alle wie immer Namen habende Gerechtsamen können gekauft und verkauft werden; doch werden Wir von Foderungen im vierundzwanzigsten Capitel besonders anordnen, und in Ansehung solcher Gerechtsamen, die einer Person oder einem Grunde unzertrennlich ankleben, ist Demjenigen nachzugehen, was Wir darüber im zweiten Theile, dreiundzwanzigsten Capitel und den folgenden festgestellet haben.

[3, 9] §. 4. Doch muß die Sache, welche verkaufet wird, entweder an sich selbst gewiß und bestimmt sein, oder durch Beziehung auf Ort, Zeit, Eigenschaft, Betrag, Zahl, Gewicht oder Maß ihre vollkommene Bestimmung erhalten können; wo sowohl die eine als die andere Art der Bestimmung ermangelt, da mag kein Kauf und Verkauf zu Stande kommen.

[3, 9] §. 5. Auch muß die Sache, welche gekauft und verkauft wird, entweder wirklich vorhanden sein, oder doch möglicher Weise angehoffet werden können; so kann Jemand die auf einem Grunde künftig wachsenden Früchte, das Wild, so auf einer Jagd gefället werden wird, die Ausbeute, so aus einem Bergwerke eingebracht werden wird, die Fische oder Vögel, so Jemand fangen wird und dergleichen kaufen.

[3, 9] §. 6. In allen diesen Fällen bestehet der Kauf auf die Art, wie er geschlossen worden, es möge auch noch so wenig gewachsen, gefället, eingebracht oder gefangen worden sein. Wofern aber gar nicht gewachsen, gefället, eingebracht oder gefangen worden wäre, so zerfällt auch der geschlossene Kauf; außer Jemand hätte die noch in der Saat oder Blüthe stehenden Früchte in jenem Stande, in welchem sie sich zur Zeit des Kaufes befinden, überhaupt, oder auch die blose Hoffnung der künftigen Erträgniß oder Ereigniß gekauft.

[3, 9] §. 7. Ein solcher auf blose Hoffnung geschlossener Kauf soll jedoch außer jenen Fällen, wo dieses in dem Contracte deutlich ausgedrücket, oder wo die Sache von der Beschaffenheit ist, daß sie keine andere Auslegung zuläßt, als, da Jemand


(381) ein Loos aus einer Lotterie gekauft hätte, sonst niemals vermuthet werden, als wenn der ganze für die künftige Sache zu geben bedungene Betrag, ohne allen Vorbehalt vorhinein bezahlet, oder wenn das zu geben Versprochene nicht als ein Preis der künftigen Sache, sondern als eine Belohnung für die That und Bemühung des anderen Theiles, wodurch etwas zu erlangen gehoffet wird, bedungen worden.

[3, 9] §. 8. Es möge aber die zukünftige Sache oder auch die blose Hoffnung gekauft worden sein, so gebühret dem Kaufer um den bedungenen Preis Alles, was behandelt worden, wenn es gleich den Kaufpreis noch so hoch überstiege, wofern es nur von der nemlichen Gattung und Beschaffenheit ist, worauf die Absicht der Contrahenten gerichtet gewesen; würde hingegen etwas von einer ganz unterschiedenen Art eingebracht, so kann der Kaufer darauf keinen Anspruch machen.

[3, 9] §. 9. Wenn eine fremde bewegliche Sache ohne Einwilligung des Eigenthümers verkauft wird, und der Kaufer weiß, daß sie fremd sei, so ist der Kauf null und nichtig, und der Verkaufer ist dem Kaufer keine Entschädigung zu leisten schuldig; außer wenn die nachherige Einwilligung des Eigenthümers angehoffet, und auf den Fall, da derselbe nicht einwilligen würde, die Entschädigung ausdrücklich bedungen worden. Wenn jedoch der Eigenthümer seine Sache wissentlich verkaufen läßt, und deme nicht widerspricht, so erwirbt der Kaufer das Eigenthum ebenso, als ob der Eigenthümer in den Verkauf dieser Sache ausdrücklich eingewilliget hätte, und derselbe hat seine Entschädigung blos an dem Verkaufer zu suchen.

[3, 9] §. 10. Eben dieses trifft nach Maß Unserer im zweiten Theile, sechsten Capitel, §. 5 und den folgenden festgestellten Grundsätze auch alsdann ein, wenn Jemand eine fremde Sache unwissend und in der ungezweifelten Meinung, daß sie dem Verkaufer zugehöre, gekaufet hat; in Ansehung unbeweglicher Sachen aber giebt Unsere im zweiten Theile, fünften Capitel, §. 8 und den folgenden enthaltene Anordnung die allgemeine Richtschnur ab.

[3, 9] §. 11. Wenn eine Sache Mehreren zusammen in ungetheilter Gemeinschaft zugehöret, so kann ein Jeder seinen Antheil verkaufen, würde aber die ganze gemeinschaftliche Sache von Einem unter ihnen verkaufet, so schadet es den Anderen an ihren Gerechtsamen sonst nicht, als insofern die von einem Dritten geschehene Veräußerung einer ganz fremden Sache nach Unserer obigen Ausmessung dem Eigenthümer schadet.

[3, 9] §. 12. Wenn der Verkaufer nur das widerrufliche Eigenthum der Sache oder ein mit seiner Person erlöschendes Recht an derselben hat, wenn einem Dritten an dieser Sache ein Recht gebühret, oder wenn der Verkaufer sonst in Veräußerung dieser Sache, es sei durch eine letztwillige Anordnung, oder durch eine Handlung unter Lebenden beschränket wird, und der Kaufer diese Beschaffenheit der Sache weiß, so bestehet der Kauf blos nach Maß des dem Verkaufer zustehenden Rechts.

[3, 9] §. 13. Wenn aber der Verkaufer eine Sache, woran er nur ein beschränktes Recht hat, als ob sie ihm mit unbeschränktem Eigenthume zugehörte, einem der vorhandenen Beschränkung unwissenden Kaufer verkaufet, und die Sache entweder beweglich ist, oder da es eine unbewegliche Sache wäre, wenn der bedungene Rückfall, das Veräußerungsverbot, oder die sonstige Beschränkung des Verkaufers auf derselben nicht einverleibet ist, so kann der Kaufer bei einer unbeweglichen Sache nach geschehener Uebergabe, und bei einer unbeweglichen Sache, nachdeme die von ihm geschehene Erwerbung auf derselben behörig einverleibet worden, von Niemanden angefochten werden; ist hingegen die letztwillige oder lebzeitige Anordnung, wodurch der Verkaufer an seinem Rechte beschränket wird, auf einer unbeweglichen Sache behörig vorgemerket, so mag der Verkauf dieser Sache zum Nachtheile Desjenigen, zu dessen Nutzen die Beschränkung des Verkaufers abzielet, keineswegs bestehen.


(382) [3, 9] §. 14. Außer jenen Sachen, welche wegen einer in diesem Unseren Gesetzbuche ihnen beigelegten Eigenschaft entweder ganz und gar unhandelbar sind, oder sonst nicht willkürlich verkaufet werden mögen, wollen Wir annoch den Kauf und Verkauf solcher Bücher, worinnen etwas wider die Religion, den Staat und gute Sitten enthalten ist, wie auch aller Montursstücke und des Gewehrs von Ausreißern aus Unseren Kriegsdiensten unter den in Unseren anderweiten Anordnungen darauf ausgesetzten Strafen gänzlich verboten haben.

[3, 9] §. 15. Alle Unsere nachgesetzten Obrigkeiten sind aber nicht allein befugt, den Kauf und Verkauf auch anderer Sachen, wenn es die Wohlfahrt des gemeinen Wesens, oder die Abwendung eines gemeinschädlichen Uebels also erfodert, nach Beschaffenheit der Umstände, entweder überhaupt, oder in gewisser Maß zu verbieten, sondern ihnen soll auch in jenen Fällen, wo sie durch Unsere politischen Anordnungen dahin angewiesen sind, von Amtswegen obliegen, die behörigen Vorkehrungen zu treffen.

[3, 9] §. 16. Insbesondere sollen Unsere Obrigkeiten ein obachtsames Auge darauf haben, damit die zur menschlichen Nothdurft unentbehrlichen Sachen nicht von Einem oder Mehreren in Gesellschaft zu dem Ende aufgekaufet werden, um damit den Handel allein zu treiben und dieselben nach Willkür vertheuren zu können, und umsomehr sollen sie darob sein, damit nicht Jemand, es sei eine einzelne Person oder eine Gesellschaft, in Ansehung gewisser Waaren sich allein eines ausschließenden Verkaufs anmaße; außer wenn Wir Jemanden aus besonderen Ursachen eine solche Vergünstigung gegeben haben, oder wenn Jemand durch ein seiner Person, oder seinem Hause anklebendes Gewerbe oder Hantierung zu dem Rechte, mit gewissen Sache einen ausschließenden Handel zu treiben, besonders berechtiget ist.

[3, 9] §. 17. Unter diesem Verbote eines ausschließenden Verkaufs wollen Wir auch jene Einverständnisse begriffen, und für ganz und gar ungiltig erkläret haben, wodurch mehrere einerlei Gewerbe treibende Personen, selbst in Betreff jener Waaren, zu deren ausschließendem Verkaufe sie mit Rücksicht auf Andere, so dieses Gewerb nicht treiben, berechtiget sind, untereinander eigenmächtig die Verabredung pflegen, daß Keiner unter ihnen diese Waaren in einem geringeren Preise, als der Andere verkaufen solle.

[3, 9] §. 18. Derjenige Preis, welchen der Kaufer für die Sache zu geben verheißet, muß allzeit in baarem Gelde bestimmet werden, und wenn es gleich Anfangs bei dem Contracte bedungen worden, daß für die verkaufte Sache eine andere Sache gegeben werden solle, so ist es kein Kauf, obwohl die dagegen zu geben versprochene Sache in einem gewissen Werthe angeschlagen worden wäre; dahingegen bleibt es ein wahrer Kauf, wenn der Verkaufer nachhero anstatt des bedungenen Kaufgeldes eine andere Sache anzunehmen einwilliget.

[3, 9] §. 19. Wenn aber bei der Handlung zum Theile ein gewisses Kaufgeld, und zum Theile eine andere Sache versprochen worden, und aus dem Inhalte des Contracts die Willensmeinung der Contrahenten, ob sie einen Kauf oder einen Tausch haben schließen wollen, nicht deutlich entnommen werden kann, so ist auf die Verhältnisse des Werthes zwischen dem bedungenen Gelde und der nebst dem Gelde zu geben versprochenen Sache zu sehen, ob die Sache mehr für eine Zugabe des Geldes, oder das Geld mehr für eine Zugabe der Sache angesehen werden könne; im ersten Falle ist die Handlung für einen Kauf, und im zweiten Falle für einen Tausch zu halten. Könnte aber der Zweifel aus diesem nicht entschieden werden, so ist die Handlung allezeit eher für einen Kauf, als für einen Tausch auszudeuten.

[3, 9] §. 20. Das Kaufgeld muß wahrhaftig versprochen, und nicht blos zum Scheine vorgewendet werden; widrigens ist Unserer allgemeinen Anordnung im ersten Capitel, §§. 31, 32, nachzugehen. Doch soll diese Unsere Anordnung einem


(383) solchen Kaufe, wodurch eine Sache Jemanden aus Freundschaft und schankungsweise um einen geringen, und dem Werthe der Sache nicht beikommenden Preis hintangelassen wird, nicht im Wege stehen; allein ein solcher Freundschaftskauf mag nur alsdann rechtskräftig sein, wenn die Umstände so beschaffen sind, daß auch die Schankung hätte bestehen können.

[3, 9] §. 21. Auch muß das Kaufgeld entweder an sich selbst, oder durch verläßliche Beziehung auf andere Umstände, woraus dessen Gewißheit hergeholet werden könne, bestimmet sein; könnte aber die Gewißheit des Preises auf keine Art erforschet werden, so ist auch der Kauf nicht für geschlossen anzusehen. Wenn dahero Jemand eine Sache um eben den Preis verkaufet, um welchen er sie erkaufet hat, und es zeigte sich, daß er die Sache nicht erkaufet habe, oder wenn Jemand für eine Sache so viel Geld zu geben verspricht, als sich in einem angezeigten Kasten befinden würde, und in diesem Kasten fände sich kein Geld, so ist auch der Kauf ungiltig; ebenso bestehet auch der Kauf nicht, wenn eine Sache um den Preis verkaufet worden, wie sie ein Dritter schätzen würde, wofern dieser Dritte weder durch Benennung seiner Person, noch durch Andeutung einer anderen ihm zukommenden Eigenschaft kennbar gemacht worden, oder wofern derselbe hernach die Sache nicht schätzen wollte, oder nicht schätzen könnte.

[3, 9] §. 22. Wenn in einem von den erstberührten Fällen dem Kaufer die Sache bereits übergeben worden, und der Kauf hernach nicht zu Stande kommt, so muß er dieselbe dem Verkaufer, wenn sie sich wegen des Preises nicht neuerdings vereinigen, zurückstellen; hätte er selbe aber bereits verthan, so ist er schuldig, dem Verkaufer jenen Preis dafür zu geben, wie derselbe die Sache durch den Eid der Wahrheit schätzen wird.

[3, 9] §. 23. Auch kann die Bestimmung des Preises der Willkür des Kaufers nicht überlassen werden, sondern der Kauf ist insolang unkräftig, bis die beiderseitige Vereinigung wegen des Preises erfolget ist; dahingegen stehet es dem Kaufe nicht im Wege, wenn der Preis der Sache der Willkür des Verkaufers anheimgestellet wird, und auf diese Art soll ein jeder Kauf betrachtet werden, wenn Waaren, ohne solche vorhero zu behandlen, gekaufet worden sind.

[3, 9] §. 24. Würde jedoch in so einem Falle der Verkaufer den Preis übermäßig ansetzen, oder wenn in dem Falle, wo die Bestimmung des Preises einem Dritten überlassen worden, dieser die Sache allzu hoch oder allzu gering schätzet, daß eine offenbare Verkürzung des einen oder anderen Theiles daraus erhellete, so soll dem andurch beschwerten Theile frei stehen, den Richter zu dem Ende anzugehen, damit das Kaufgeld auf einen billigen Betrag herabgesetzet oder erhöhet werde.

[3, 9] §. 25. Ferner muß das bedungene Kaufgeld billig sein, und dessen Verhältniß mit dem wahren Werthe der Sache übereinstimmen. Ist der Preis einer Sache durch obrigkeitliche Anordnung festgesetzet, so kann derselbe von dem Verkaufer ohne ausdrückliche Einwilligung des Kaufers nicht erhöhet, noch auch von dem Kaufer ohne die Einwilligung des Verkaufers vermindert werden, sondern eine jede Uebermaß, gleichwie ein jeder Abzug ist unbillig, und der andurch verkürzte Theil ist berechtiget, den Ersatz seines Schadens, er möge viel oder wenig betragen, durch Angehung der Behörde zu begehren.

[3, 9] §. 26. Wenn hingegen der Preis einer Sache durch keine Anordnung bestimmet ist, sondern blos von dem gewöhnlichen Anschlage abhänget, wie die Sachen von Kennern ihrer Beschaffenheit und Eigenschaft im Handel und Wandel geschätzet zu werden pfleget, so leidet er sowohl eine Vermehrung, als eine Verminderung, und eine jede solche Sache kann wegen Verschiedenheit der Umstände und der Unmöglichkeit, die genaueste Gleichheit zwischen dem Werthe und dem Preise einer Sache herzustellen, in dem geringsten, in dem mittleren und in dem


(384) höchsten Anschlage gekauft und verkaufet werden, ohne daß ein oder der andere Theil sich über die Unbilligkeit des Preises beschweren könnte.

[3, 9] §. 27. Wofern aber die Grenzen des höchsten oder des geringsten Anschlages überschritten werden, so ist der Preis unbillig. Wir sind jedoch zur Vermeidung unzähliger Strittigkeiten und einer Zerrüttung im Handel und Wandel nicht gemeinet, jedesmal, wenn der Kaufer oder Verkaufer sich über eine Unbilligkeit beschweren zu können glaubet, den geschlossenen Contract zu entkräften, oder dem verkürzten Theile sonst eine rechtliche Hilfe angedeihen zu lassen, sondern Wir wollen ihm nur alsdann, wenn die Verkürzung übermäßig ist, durch jenes Rechtsmittel Hilfe leisten, wovon Wir im §. 189 und den folgenden mit Mehrerem anordnen werden.

[3, 9] §. 28. Sobald der Verkaufer mit dem Kaufer übereingekommen, daß er ihm die Sache um ein gewisses Kaufgeld überlassen, und dieser selbe um das bedungene Kaufgeld übernehmen wolle, ist der Kauf geschlossen, und ein jeder Theil ist schuldig, seine Verbindlichkeit zu erfüllen, oder wenn er sie nicht gutwillig erfüllen wollte, kann er auf Anlangen des anderen Contrahenten durch gerichtliche Hilfe dazu verhalten werden. Auch kann kein Theil ohne Einwilligung des Anderen von dem Kaufe mehr abweichen, noch sich wegen der von dem Anderen nicht erfüllten Verbindlichkeit seiner Verbindlichkeit entziehen, noch auch sich durch Anbietung der Entschädigung, oder sonst unter was immer für einem Vorwande von dieser Verbindlichkeit befreien; außer wenn eine in Unseren nachfolgenden Anordnungen gegründete Ursache dazu vorhanden ist.

[3, 9] §. 29. Diese beiderseitige Verbindlichkeit hat auch in jenem Falle statt, wenn ein unbestimmtes Stück von einer gewissen Gattung, oder wenn ein gewisser Betrag von solchen Sachen, die in Zahl, Maß und Gewichte bestehen, verkaufet worden, obwohl die Bestimmung des Stückes, oder die Zuzählung, Zumessung oder Zuwägung noch nicht geschehen wäre; wenn jedoch Eß- oder Trinkwaaren mit Vorbehalt der künftigen Verkostung gekaufet worden, behält der Kaufer die Befugniß, wenn sie ihm bei der Verkostung nicht anständig sind, von dem Kaufe abzugehen, und dieses auch in jenem Falle, wenn schon die Fässer von ihm gezeichnet worden wären.

[3, 9] §. 30. Die Verbindlichkeit des Verkaufers bestehet in deme, daß er dem Kaufer nach der im zweiten Theile, fünften Capitel, §. 5 und den folgenden enthaltenen Ausmessung die Sache übergebe. Befindet sich ein Anderer im rechtlichen Besitze der Sache, als da ein Glaubiger des Verkaufers durch einen von den im siebenten Capitel, §§. 47, 48, berührten Verträgen, oder durch den Weg der gerichtlichen Execution den Besitz der Sache erlanget hätte, so kann der Verkaufer seine Verbindlichkeit gegen den Kaufer nicht erfüllen, wenn nicht die Sache von dieser Haftung befreiet worden, oder der Glaubiger gutwillig aus dem Besitze weichet.

[3, 9] §. 31. Wenn Sachen nach dem Abschlage oder nach ihrem Betrage an der Zahl, Maß oder Gewicht verkaufet worden, so muß der Verkaufer den behandelten Betrag liefern, und wenn sich daran ein Abgang äußerte, so ist der Kaufer befugt, dessen Nachtrag zu begehren, oder den Kaufpreis verhältnißmäßig zu vermindern; findet sich hingegen ein Ueberschuß, so bleibt er dem Verkaufer, oder der Kaufer ist schuldig das Kaufgeld verhältnißmäßig zu erhöhen.

[3, 9] §. 32. Dieses hat nicht nur alsdann statt, wenn das Kaufgeld ausdrücklich auf einen jeden Theil des behandelten Betrags gerichtet ist, sondern auch, wenn zwar für den ganzen Betrag nur ein Kaufpreis überhaupt bedungen worden, doch anbei erhellet, daß die Absicht der Contrahenten gewesen, den Preis nicht nach dem Augenscheine, sondern nach dem angezeigten Betrage zu bestimmen; derlei Käufe sind, wenn um einen für das Ganze bedungenen Preis ein Faß mit


(385) 20 Eimer Wein, ein Stück von 30 Ellen Tuch, eine Heerde von 100 Schafen gekaufet wird.

[3, 9] §. 33. Wenn hingegen mehrere Sachen zusammen überhaupt oder nach dem Augenscheine verkaufet werden, und entweder von dem Betrage derselben gar keine Meldung gemacht worden, oder obwohl davon eine Meldung gemacht worden, doch dabei abzunehmen ist, daß die Absicht der Contrahenten mehr gewesen, den Kauf nach dem Augenscheine, als mit Rücksicht auf den Betrag zu schließen, so hat der Verkaufer für den sich zeigenden Abgang nicht zu haften, gleichwie er auch bei einem sich äußernden Ueberschusse den Kaufer zu keiner Erhöhung des Kaufgeldes anhalten kann.

[3, 9] §. 34. Entstünde aber ein Zweifel darüber, ob ein Kauf nach dem Augenscheine oder nach dem Anschlage geschlossen sei, so ist bei beweglichen Sachen dafür zu halten, daß selbe nach dem Anschlage gekauft worden. Wenn hingegen dieser Zweifel bei einem Kaufe unbeweglicher Sachen vorfällt, als da ein Acker nach seinen ausgewiesenen Rainen und Grenzen verkaufet, zugleich aber auch die Anzahl der Joche oder Hufen, so er enthält, bemerket worden, ohne daß dabei abgenommen werden könnte, ob die Absicht der Contrahenten auf den Augenschein oder auf die Maß gerichtet gewesen, so ist zu urtheilen, daß der Kauf nach dem Augenscheine geschlossen worden.

[3, 9] §. 35. In allen jenen Fällen, wo der Kaufpreis wegen eines sich zeigenden Abgangs vermindert, oder wegen eines Ueberschusses erhöhet werden muß, ist darauf zu sehen, ob für die verschiedenen Theile des Ganzen, nach ihrer verschiedenen Güte oder Beschaffenheit auch ein verschiedener Preis bestimmet, oder ob entweder für das Ganze überhaupt nur ein Preis, oder auch für alle Theile desselben ohne Unterschied ein gleicher Preis behandlet worden. In dem ersten Falle ist der Preis nach jener Eigenschaft zu erhöhen oder zu vermindern, von welcher die überflüssigen Theile sind, oder die abgängigen hätten sein sollen, in dem zweiten Falle hingegen mag bei der Erhöhung oder Verminderung des Preises auf die Güte und Eigenschaft der überflüssigen oder abgängigen Theile keine Rücksicht genommen werden.

[3, 9] §. 36. Die Abmessung und Abwägung der verkauften Sachen, wenn desfalls von den Contrahenten nichts Anderes bedungen worden, muß allzeit nach jener Maß oder jenem Gewichte geschehen, welches an dem Orte, wo die Sachen dem Kaufer zu übergeben sind, üblich ist, und wenn es sich zutrüge, daß in der Zwischenzeit zwischen dem Contracte und der Uebergabe, Maß oder Gewicht verändert würde, so ist allzeit auf die Maß und das Gewicht zu sehen, so zur Zeit des Contracts üblich gewesen.

[3, 9] §. 37. Dem Verkaufer liegt ferner ob, die verkaufte Sache in der gehörigen Eigenschaft, in welcher sie verkaufet worden, und frei von allen Mängeln und Haftungen zu übergeben. Für welche Eigenschaften der Verkaufer gut stehen müsse, und was bei dem Mangel dieser Eigenschaften dem Kaufer für Rechtsmittel gebühren, werden Wir unten im §. 213 und den folgenden insbesondere anordnen.

[3, 9] §. 38. Wenn der verkaufte Grund mit Dienstbarkeiten behaftet, oder Jemanden zinsbar ist, der Verkaufer ihn aber in dem Contracte für frei ausgegeben hat, so muß derselbe ohne Unterschied, ob er diese Haftungen gewußt habe oder nicht, den Kaufer schadlos halten. Hat aber der Verkaufer den Grund nicht als einen freien Grund verkauft, so ist er dem Kaufer keine Entschädigung schuldig; außer wenn die Haftungen der Sache so beschaffen sind, daß sie ohne eine besondere Anzeige weder durch eingenommenen Augenschein des verkauften Grundes, noch auch durch Einsicht der Landtafel, Stadt- oder Grundbücher leichtlich haben in Erfahrung gebracht werden können.

[3, 9] §. 39. Die Steuern aber kleben dem Grunde unabsönderlich an, und wenn schon der Verkaufer die Versteuerung des Grundes ausdrücklich auf sich genommen


(386) hätte, so muß doch der Kaufer für alle gewöhnliche und neu angelegte, laufende und vor dem Kaufe zu entrichten gewesene Steuern haften; doch ist derselbe befugt, die bis zum Tage des geschlossenen Kaufs von dem Grunde zu entrichten gewesenen Steuern von dem Kaufpreise abzuziehen oder von dem Verkaufer zurückzufodern, wenn nicht in dem Contracte eine längere oder kürzere Frist ausbedungen worden, bis zu deren Verlaufe die Bezahlung der Steuern dem Verkaufer obliegen solle.

[3, 9] §. 40. Obwohl auch der Verkaufer den Grund für frei von allen wie immer Namen habenden Haftungen ausgegeben hätte, so sind doch die Steuern darunter nicht begriffen; wenn jedoch der Verkaufer den Grund namentlich für steuerfrei verkaufet hätte, und es fände sich, daß derselbe nicht steuerfrei sei, so hat der Verkaufer den Kaufer nach Maß der zur Zeit des Kaufs dem Grunde bereits obliegenden Steuern schadlos zu halten.

[3, 9] §. 41. Wenn eine bewegliche Sache erkaufet worden, und selbe Jemanden verpfändet ist, der Kaufer aber diese Beschaffenheit gewußt hat, so ist der Verkaufer ihm zu nichts verbunden; außer wenn er versprochen hat, die Sache zu befreien. Hat aber der Kaufer die Verpfändung der Sache nicht gewußt, so muß der Verkaufer, wenn der Glaubiger nach verkaufter Sache vor deren Uebergabe hervorkommt, und sein Recht an der Sache geltend macht, den Kaufer schadlos halten; kommt hingegen der Glaubiger erst nach geschehener Uebergabe hervor, so bedarf der Kaufer in Folge Unserer oft berührten Grundsätze keine Entschädigung.

[3, 9] §. 42. Wenn aber ein Jemanden zum Unterpfande verschriebenes liegendes Gut verkaufet worden, und der Kaufer diese Haftung nicht nebst dem Kaufpreise ausdrücklich auf sich genommen hat, so ist er berechtiget, entweder von dem Kaufpreise so viel, als die Schuld beträgt, zurückzuhalten, oder den dem Glaubiger gebührenden Betrag hinauszuzahlen, und denselben von dem Kaufpreise abzuziehen, oder wenn er das ganze Kaufgeld bereits entrichtet hat, von dem Verkaufer zurückzufodern, oder wenn er weder den Glaubiger bezahlen, noch auch diese Haftung übernehmen will, den Verkaufer zur Befreiung des Guts anzuhalten.

[3, 9] §. 43. Die Uebergabe der verkauften Sache an den Kaufer muß überhaupt so beschaffen sein, daß dadurch auf denselben die Befugniß übertragen werde, die verkaufte Sache von Jedermann ohngehindert als sein eigenes Gut halten und besitzen zu mögen; widrigens ist ihm der Verkaufer nach der unten im §. 79 und den folgenden enthaltenen Ausmessung zur Gewährleistung verbunden.

[3, 9] §. 44. Der Verkaufer ist aber schuldig, nebst der Sache auch die davon abgefallenen Nutzungen dem Kaufer zu übergeben. Ist es insbesondere ausbedungen worden, welche Nutzungen dem Verkaufer verbleiben, und welche dem Kaufer zukommen sollen, so ist diesem Vertrage nachzugehen; wenn aber wegen der Nutzungen nichts ausgemacht worden, so wollen Wir darüber folgende Regeln festgesetzet haben.

[3, 9] §. 45. Auf jene Nutzungen, so bereits vor dem eingegangenen Contracte von der verkauften Sache erzeuget worden, welche auch vor dem eingegangenen Contracte bereits eingehoben worden, kann der Kaufer keinen Anspruch machen. Unter diese Gattung der Nutzungen gehören auch jene Zinsen, Pachtgelder, Frohndienste und dergleichen, welche bereits vor dem geschlossenen Kaufe ganz verfallen, obwohl zu dieser Zeit noch ausständig waren.

[3, 9] §. 46. Dahingegen gebühren dem Kaufer alle Nutzungen, so von der verkauften Sache nach geschlossenem Kauf erzeuget worden, obwohl der Verkaufer selbe noch vor der Uebergabe eingehoben hätte; doch ist derselbe befugt, den Ersatz der auf diese Nutzungen gemachten Auslagen von dem Kaufer zurückzuverlangen. Zu diesen Nutzungen sind auch jene Zinsen, Pachtgelder und dergleichen zu zählen, wo die Zeit, wofür die Zinsen oder Pachtgelder bedungen worden, nach eingegangenem Contracte angefangen hat, und vor geschehener Uebergabe ganz verstrichen ist.

[3, 9] §. 47. Was aber die vor dem geschlossenen Kaufe erzeugte, doch zu dieser Zeit noch nicht eingehobene Nutzungen betrifft, wenn dieses solche Nutzungen sind,


(387) welche entweder von der Natur allein, oder von der Natur mit hinzutretendem menschlichen Fleiße hervorgebracht worden, so gehören sie ebenfalls dem Kaufer; wenn jedoch der Verkaufer nach geschlossenem Kaufe auf diese Nutzungen annoch Unkosten verwendet hat, so muß sie der Kaufer ersetzen.

[3, 9] §. 48. Bei jenen Nutzungen hingegen, welche blos durch menschlichen Fleiß, und aus einem über die Sache eingegangenen Vertrage herrühren, als Zinsen, Pachtgelder, Lohn für ausgelehnte Sachen und dergleichen, ist auf die Beschaffenheit derjenigen Sache zu sehen, wofür der Zins, Pacht oder Lohn bedungen worden, ob der Gebrauch dieser Sache alle Tage gleich fortwähre, oder ob die Nutzungen von dieser Sache nur zu einer gewissen Jahreszeit eingehoben werden. Ist diese Sache von der ersteren Art, so ist der dafür bedungene Zins oder Lohn zwischen dem Kaufer und Verkaufer dergestalt zu theilen, daß der Verkaufer davon den vom Anfange der Frist bis zum Tage des Verkaufs, und der Kaufer den vom Tage des Verkaufs bis zum Verlaufe der Frist ausfallenden verhältnißmäßigen Betrag erhalte.

[3, 9] §. 49. Ist aber die Sache von der zweiten Art, so ist darauf zu sehen, ob der Kauf vor derjenigen Jahreszeit, wo die von der verpachteten Sache abfallenden Nutzungen pflegen eingehoben zu werden, geschlossen worden, und alsdann gebühret dem Kaufer der ganze Betrag des für die Sache bedungenen Zinses, oder ob diese Jahreszeit vor dem geschlossenen Kaufe bereits vorüber sei, und alsdann gehöret der ganze Zins dem Verkaufer, obwohl er zur Zeit des Kaufs noch nicht bezahlet wäre.

[3, 9] §. 50. Wäre aber ein aus verschiedenen Theilen, wovon einige alle Tage, und andere nur zu einer gewissen Jahreszeit Nutzen bringen, bestehendes Ganzes in Pacht gegeben, und der Pachtzins überhaupt für das Ganze bedungen worden, so daß man nicht unterscheiden könnte, wie hoch jeder Theil insbesondere angeschlagen worden, so soll der ganze Zins ohne Unterschied nach der im §. 48 gegebenen Vorschrift zwischen dem Kaufer und Verkaufer getheilet werden.

[3, 9] §. 51. Es soll auch in diesen festgesetzten Regeln keine Veränderung machen, wenn in einem von den obigen Fällen dem Verkaufer der ganze Betrag des Zinses oder Pachtgeldes vorhinein abgeführet worden wäre, sondern derselbe ist schuldig, dem Kaufer nach dem oben bemerkten Unterschiede den ganzen Betrag, oder den für denselben ausfallenden Antheil hinauszubezahlen.

[3, 9] §. 52. Wenn die verkaufte Sache Zugehörungen hat, so ist ebenfalls vorzüglich darauf zu sehen, was diesfalls zwischen den Contrahenten ausbedungen worden. Ist aber darüber in dem Contracte nichts verabredet worden, so gehöret Dasjenige, was der verkauften Sache nach geschlossenem Kaufe neuerdings zugewachsen ist, dem Kaufer ohne Unterschied; bei jenen Zugehörungen hingegen, die zur Zeit des Contracts bei der Sache schon vorhanden waren, sollen folgende Maßregeln beobachtet werden.

[3, 9] §. 53. Wenn ein aus mehreren Theilen bestehendes Ganzes verkauft worden, so sind alle Theile, so dieses Ganze ausmachen, für verkauft zu halten; auch sind alle Gerechtigkeiten, so dem verkauften Grunde ankleben, alle demselben gebührenden Dienstbarkeiten, Alles, was erd-, mauer-, niet- und nagelfest ist, und Alles, was mit der verkauften Sache einen solchen Zusammenhang hat, daß es als eine dazu gewidmete Zugehörung betrachtet werden muß, unter dem Kaufe begriffen, obwohl davon in dem Contracte keine Meldung gemacht worden wäre.

[3, 9] §. 54. Der alleinige Zusammenhang aber macht keine Sache zu einer Zugehörung der anderen, wenn sie nicht von dem Besitzer zu dem beständigen Gebrauche dieser Sache gewidmet, oder durch die allgemeine Gewohnheit für eine Zugehörung gehalten wird; so ist mit dem Pferde auch der Zaum verkauft, nicht aber der Sattel und das übrige Zeug, und bei einem verkauften Gute sind die Fische in Teichen, die Meierpferde und das übrige nutzbare Vieh mit verkauft,


(388) nicht aber auch die Fische in Behältern und die herrschaftlichen Pferde in den Ställen.

[3, 9] §. 55. Umsoweniger sind jene Sachen bei einem verkauften Gute unter dem Kaufe begriffen, welche von dem Verkaufer bereits vor dem Kaufe entweder zum eigenen Gebrauche oder zum Verkaufe von Grund und Boden abgesöndert worden. Hieher gehöret das gefällte Holz in Waldungen, wie auch die Windbrüche, ausgebrochene Steine, Erze und andere Erzeugnisse der Erde aus Steinbrüchen, Erzgruben und dergleichen; doch ist der Verkaufer schuldig, dem Kaufer von allen diesen, wie auch von den übrigen bereits eingehobenen Nutzungen so vieles beizulassen, als nach dem Landesgebrauche zu einer eingerichteten Wirthschaft nothwendig ist.

[3, 9] §. 56. Wenn das in einem Behältnisse Enthaltene verkaufet worden, so ist das Behältniß nicht für mitverkaufet zu halten; ebenso, wenn ein Behältniß verkaufet worden, ist Dasjenige, was zur Zeit des Kaufs in diesem Behältnisse aufbewahret wird, nicht mitverkauft, wenn nicht aus dem Betrage des Kaufgeldes, oder aus anderen Umständen deutlich erhellet, daß die Absicht des Kaufers vorzüglich auf das, was in dem Behältnisse enthalten ist, gerichtet gewesen.

[3, 9] §. 57. Außer den in §§. 53 und 54 gesetzten Regeln kann es auch aus dem Betrage des Kaufgeldes, der Lage der Sachen und durch die Einsicht der Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, der Handfesten, Urbarien oder Steuerbücher dargethan werden, ob eine Sache eine Zugehörung der verkauften Sache sei; überhaupt aber, wenn wegen der Zugehörungen zwischen dem Kaufer und Verkaufer ein Streit entstehet, so liegt dem Kaufer der Beweis ob.

[3, 9] §. 58. Die zu der verkauften Sache gehörigen Urkunden müssen dem Kaufer gleichfalls zugestellet werden; doch kann der Verkaufer zu seiner Nothdurft Abschriften davon behalten. Könnte aber derselbe eine billige Ursache darzeigen, warum er die Urkunde zu seinem Gebrauche nöthig habe, so kann er sie zwar, so lang seine Nothdurft fortdauret, behalten; doch ist er schuldig, nach dessen Vollendung selbe dem Kaufer zu verabfolgen, oder auch noch eher denselben, da es die Noth erfoderte, zu seinem Gebrauche zuzustellen.

[3, 9] §. 59. Der Verkaufer ist jedoch nicht eher verbunden, dem Kaufer die verkaufte Sache zu übergeben, als bis dieser ihm das Kaufgeld gezahlet, oder er dasselbe dem Kaufer geborget hat. Hätte aber der Verkaufer die Sache übergeben, ohne daß ihm das Kaufgeld gezahlet, oder von ihm dem Kaufer geborget worden wäre, so soll, wenn es eine bewegliche Sache ist, deren Eigenthum, der geschehenen Uebergabe ohngeachtet, an den Kaufer nicht übertragen werden, sondern dem Verkaufer das Recht zustehen, diese Sache, so lang sie noch bei dem Kaufer vorhanden ist, als sein Eigenthum zurückzufodern; wider einen dritten rechtmäßigen Besitzer aber, an welchen der Kaufer diese Sache veräußert oder verpfändet hat, mag der Verkaufer nur insoweit eine Foderung stellen, als derselbe dem ersten Kaufer noch etwas an dem Kaufgelde herauszugeben hat, oder insoweit der Werth der Sache den Betrag der Summe, wofür sie verpfändet ist, übersteiget.

[3, 9] §. 60. Bei unbeweglichen Sachen hingegen erwirbt zwar der Kaufer das Eigenthum, sobald der Kaufcontract in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet worden, doch soll der Verkaufer nicht eher schuldig sein, aus dem natürlichen Besitze des verkauften Guts zu weichen, als bis ihm das Kaufgeld erleget worden, oder er dasselbe dem Kaufer geborget hat. Wäre er aber auch vorhero aus dem natürlichen Besitze gewichen, und hätte annebst versäumet, sich wegen des noch nicht bezahlten Kaufgeldes an dem verkauften Gute mit einer ausdrücklichen Pfandverschreibung vorzusehen, so bleibet ihm nichts übrig, als den Kaufer durch eine persönliche Rechtsfoderung zu Erfüllung seiner Verbindlichkeit anzuhalten.


(389) [3, 9] §. 61. Entstünde aber eine Frage darüber, ob der Verkaufer dem Kaufer das Kaufgeld geborget habe, oder nicht, so soll eine solche Borgung, wenn sie nicht durch ausdrückliche oder andere dahin gerichtete Worte geschehen, als da der Verkaufer gesagt hätte, das Kaufgeld sei in guten Händen, oder sei bei dem Kaufer gut aufgehoben, oder die Zahlung habe keine Eile, oder der Kaufer solle ihn nur nach seiner Bequemlichkeit zahlen und dergleichen, bloserdings in folgenden zweien Fällen vermuthet werden; erstens, wenn der Verkaufer dem Kaufer Zahlungsfristen verstattet, oder einen Theil des Kaufgeldes ohne Vorbehalt von ihm angenommen hat, und zweitens, wenn er die unter angehoffter baarer Bezahlung dem Kaufer verabfolgte Sachen binnen den nächsten acht Tagen von dem Tage der Uebergabe an zu rechnen nicht zurückgefodert, oder, da er dieselbe auf sein Verlangen nicht zurückerhalten können, wenn er sich binnen dieser Zeit durch angesuchte gerichtliche Hilfe nicht verwahret hat.

[3, 9] §. 62. Wenn der Verkaufer aus seiner Schuld dem Kaufer die verkaufte Sache nicht übergeben kann, so ist er schuldig, demselben das empfangene Kaufgeld sammt den von der Zeit an, daß die verkaufte Sache hätte übergeben werden sollen, davon gebührenden landesüblichen Zinsen zurückzustellen, auch demselben allen wegen des unerfüllt gebliebenen Kaufs verursachten Schaden und entzogenen Gewinn zu ersetzen. In dem Falle, wo von Seite des Verkaufers eine geflissentliche Gefährde unterwaltet, soll derselbe dem Kaufer anstatt des ihm zugefügten Schadens und entgangenen Gewinnes allezeit und ohne, daß der Kaufer nöthig hätte, einen Beweis zu führen, den achten Theil des gedungenen Kaufgeldes ersetzen, und wenn der Kaufer darthun kann, daß der ihm verursachte Schaden und entzogene Gewinn mehr als diesen achten Theil betrage, auch zu Vergütung dieser Uebermaß verhalten, nebstdeme aber nach Maß der verübten Gefährde annoch nach richterlichen Ermessen bestrafet werden.

[3, 9] §. 63. Wenn auch der Verkaufer die verkaufte Sache zwar übergeben hätte, die Leistung der übrigen contractmäßigen Schuldigkeiten von ihm aber verzögert würde, so ist der Kaufer berechtiget, sich an dem noch nicht ausgezahlten Kaufgelde zu halten, und dasselbe, wenn die Verfallzeit zu dessen Zahlung bereits vorhanden ist, in gerichtliche Verwahrung zu geben, oder wenn er es erst nach einer bestimmten Frist zu zahlen hat, zu seiner Sicherheit mit einem gerichtlichen Verbote zu belegen.

[3, 9] §. 64. Bei einem verkauften liegenden Gute hat der Kaufer, wenn er einen auf die Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher gerichteten Contract in Händen hat, zur Erlangung des verkauften Guts keiner besonderen Rechtsfoderung nothwendig, sondern ihm stehet frei, durch Einverleibung des Contracts sowohl das Eigenthum als den rechtlichen Besitz des Guts zu erwerben; und wenn sodann der Verkaufer nicht gutwillig aus dem natürlichen Besitze weichen will, so ist ihm auf Vorzeigung des einverleibten Contracts alsofort schleunige Rechtshilfe zu ertheilen.

[3, 9] §. 65. Wenn aber der Kauf über ein liegendes Gut zwar geschlossen, doch ein auf die behörige Einverleibung gerichteter Contract noch nicht ausgefertiget worden, oder wenn es auf die Leistung der übrigen contractmäßigen Schuldigkeiten ankommt, und der Kaufer, da er das Kaufgeld bereits gänzlich hinausbezahlet hat, oder mit dem noch in seinen Händen befindlichem Rückstande nicht hinlänglich bedecket ist, sich des ihm im §. 63 eingestandenen Hilfsmittels nicht bedienen kann, so muß er ebenso, wie der Kaufer einer beweglichen Sache überhaupt, den Verkaufer durch den ordentlichen Weg Rechtens zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit angehen.

[3, 9] §. 66. Die Verbindlichkeit des Kaufers hingegen bestehet darinnen, daß er dem Verkaufer das für die Sache versprochene Kaufgeld sammt den davon bedungenen,


(390) oder wenn keine bedungen worden, von dem Tage der Verfallzeit, oder wenn auch keine Zahlungszeit bestimmet worden wäre, von dem Tage der gerichtlichen Belangung verwirkten Zinsen bezahle, und annebst alles jene erfülle, wozu er sich in dem Contracte anheischig gemacht hat.

[3, 9] §. 67. Wenn der Kaufer den bedungenen Kaufpreis mit fremdem Gelde gezahlet, und der Verkaufer dasselbe wissentlich, daß es fremd sei, angenommen hat, so muß er es dem Eigenthümer zurückstellen, und der Kaufer bleibet in der Verbindlichkeit, ihm den Kaufpreis mit anderem Gelde zu ersetzen; hat hingegen der Verkaufer nicht gewußt, daß das Geld fremd sei, so kann es von ihm nicht mehr zurückgefodert werden.

[3, 9] §. 68. Dem gewesenen Eigenthümer des Geldes stehet aber frei, nebst der ihm von Demjenigen, der ihm sein Geld entwendet hat, gebührenden Entschädigung auch sich an der von seinem Gelde erkauften Sache zu halten, insolang selbe noch in den Händen des Verkaufers, des Kaufers, oder eines Anderen, der an der Gefährde Theil hat, befindlich ist. Wenn jedoch die Sache sich noch in den Händen des Verkaufers befindet, so muß der Eigenthümer des dafür gezahlten Geldes demselben das etwa zum Theile noch ausständige Kaufgeld vollends zahlen; ein dritter rechtmäßiger Besitzer der Sache hingegen kann von dem Eigenthümer des Geldes nur insoweit angegangen werden, als er dem ersten Kaufer darauf noch etwas herauszugeben hat.

[3, 9] §. 69. Der Verkaufer kann aber nicht eher das Kaufgeld von dem Kaufer mit Fuge fodern, als bis er seinerseits Alles vollzogen hat, oder doch zu vollziehen bereit ist, zu dessen Leistung er sich in dem Contracte verbunden hat; widrigenfalls, und wenn entweder der Verkaufer die Sache noch nicht nach der oben ausgemessenen Vorschrift übergeben hat, oder wenn ein Dritter die Sache bereits ansprüchig gemacht, und der Kaufer in Gefahr wäre, dieselbe zu verlieren, oder wenn eine rechtliche Ursache vorhanden ist, wegen welcher der Kaufer die Aufhebung des Contracts oder eine Verminderung des Kaufpreises anfodern kann, ist derselbe befugt, den Kaufpreis innenzuhalten, oder von dem Verkaufer eine hinlängliche Sicherheit anzubegehren.

[3, 9] §. 70. In allen diesen Fällen jedoch, wo Wir dem Kaufer die Zurückhaltung des Kaufpreises verstatten, wird derselbe von der oben im §. 66 ausgemessenen Verzinsungsschuldigkeit nicht befreiet, und ist annebst schuldig, den Verkaufer wegen des ihm nach Austrage der Sache gebührenden Kaufgelds sicher zu stellen, oder bei Ermangelung dieser Sicherstellung das Kaufgeld indessen zu sicherer verzinslicher Ausleihung bei Gerichte zu hinterlegen.

[3, 9] §. 71. Wenn die verkaufte Sache, nachdeme der darüber geschlossene Contract seine vollständige Richtigkeit erlanget hat, vor der Uebergabe ohne Schuld des Verkaufers zu Grunde gehet, entwendet oder beschädiget wird, so hat der Kaufer den Schaden zu tragen, und er muß das bedungene Kaufgeld ebenso zahlen, als ob ihm die Sache in ihrem zur Zeit des Kaufs gehabten Werthe wäre übergeben worden; doch tritt der Kaufer andurch in das Recht des Verkaufers ein, und kann die entwendete Sache von einem jeden unrechtmäßigen Besitzer zurückfodern, gleichwie auch von Demjenigen, durch dessen Zuthat oder Schuld die Sache zu Grunde gegangen oder beschädiget worden, den Ersatz seines erlittenen Schadens anbegehren.

[3, 9] §. 72. Diese Regel greifet auch in jenen Fällen Platz, wenn schon der Verkaufer sich das Eigenthum der Sache bis nach Bezahlung des Kaufgelds vorbehalten, oder wenn er die Heimfälligkeit der Sache auf einen gewissen Fall ausbedungen hätte, oder wenn zur Uebergabe der Sache oder zur Zahlung des Kaufgelds eine gewisse, noch nicht herangekommene Frist bestimmet worden wäre.

[3, 9] §. 73. Dahingegen leidet diese Regel außer den im ersten Capitel, §§. 79, 80, berührten Fällen und dem unten im §. 218 vorkommenden Falle


(391) auch noch in folgenden Fällen eine Ausnahme, erstens, wenn der Kauf unter einer Bedingniß geschlossen, und die Sache vor dem Ausgange der Bedingniß zu Grunde gegangen oder beschädiget worden; wäre aber die Sache nur zum Theile verdorben, oder in ihrem Werthe verringert worden, so hat die im ersten Capitel, §§. 56, 57, enthaltene Ausmessung statt.

[3, 9] §. 74. Zweitens, wenn ein Pferd aus dem Stalle, ein Schaf aus der Heerde oder sonst eine Sache nicht stückweise, sondern nach der Gattung verkaufet worden; wenn jedoch alle Pferde im Stalle, oder die ganze Heerde zu Grunde gegangen, oder wenn der Verkaufer dem Kaufer das Stück angewiesen, wodurch er seine Verbindlichkeit erfüllen wolle, und es nur bei dem Kaufer gestanden, dasselbe hinwegzunehmen, oder wenn der Kaufer sich mit Genehmhaltung des Verkaufers ein Stück gewählet und bezeichnet, oder wenn es aus anderen Umständen erhellet, daß die Handlung auf ein gewisses Stück geschlossen worden, so hat es bei der Regel des §. 71 sein Bewenden.

[3, 9] §. 75. Drittens, wenn eine unter mehreren Sachen wechselweise verkaufet worden, und eine derselben vor der erfolgten Auswahl, diese möge dem Verkaufer, oder dem Kaufer gebühren, zu Grunde gegangen wäre; wenn aber, nachdem die Auswahl geschehen ist, und in dem Falle, wo selbe dem Verkaufer gebühret hat, nachdem dieses dem Kaufer zu wissen gemacht worden, hernach die ausgewählte Sache zu Grunde gehet, so hat der Kaufer den Schaden zu tragen, und wenn beide Sachen vor der Auswahl zu Grunde gegangen, so muß der Kaufer das Kaufgeld für diejenige entrichten, welche zuletzt zu Grunde gegangen.

[3, 9] §. 76. Viertens, wenn Sachen, die in Maß, Zahl oder Gewichte bestehen, nach ihrem Betrage verkaufet worden, und sich vor der Abmessung, Abwägung oder Abzählung daran ein Schaden ergiebt, wenn schon die Sachen von dem Kaufer bezeichnet worden wären; wenn jedoch die verkauften Sachen noch vor der Abmessung, Abzählung oder Abwägung dem Kaufer übergeben worden wären, oder wenn der Kaufer die zur Abmessung, Abzählung oder Abwägung angesetzte, oder ihm von dem Verkaufer erinnerte Zeit verabsäumet hätte, so gereicht ihm der nachherige Zufall zum Schaden.

[3, 9] §. 77. Wenn Eß- und Trinkwaaren mit Vorbehalt der künftigen Verkostung gekaufet, und durch die erfolgte Verkostung von dem Kaufer beangenehmet worden, nachhero aber deren innerliche Güte vermindert wird, oder die Sachen gar verderben, so hat der Kaufer den Schaden zu tragen; wenn jedoch der Kauf dieser Sachen auch noch nach dem Betrage geschlossen worden, so hat der geschehenen Verkostung ohngeachtet der Verkaufer noch immer nach Maß des vorigen §. für den zufälligen Untergang, Entwendung und andere Beschädigungen dieser Sachen zu haften.

[3, 9] §. 78. So soll auch der Kaufer in jenem Falle von der Bezahlung des Kaufgeldes befreiet, und wenn er dasselbe bereits bezahlet hätte, zu dessen Zurückfoderung befugt sein, wenn es sich ereignete, daß die verkaufte Sache noch vor geschehener Uebergabe von Uns zur Nothdurft oder zum Nutzen des gemeinen Wesens eingezogen würde.

[3, 9] §. 79. Nachdeme dem Kaufer von dem Verkaufer die verkaufte Sache übergeben, und dem Verkaufer von dem Kaufer der bedungene Kaufpreis gezahlet worden, ist der Contract vollzogen; wenn es sich aber ergäbe, daß nachhero ein Dritter hervorkäme, und wegen eines demselben an der verkauften Sache zustehenden Rechts diese dem Kaufer durch richterlichen Ausspruch ganz oder zum Theile entzogen würde, so bleibet der Verkaufer in der Verbindlichkeit ihm diesen Schaden zu ersetzen.

[3, 9] §. 80. Wenn jedoch bald nach dem Contracte von einem Dritten an der erkauften Sache eine klare und unwidersprechliche Rechtsfoderung gereget würde,


(392) so soll der Kaufer den wirklichen Fall, da ihm die Sache durch richterlichen Ausspruch entzogen würde, abzuwarten nicht schuldig, sondern dem Verkaufer die Sache alsofort, und auf eben jene Art zurückzustellen befugt sein, wie Wir von dem Falle, wo die verkaufte Sache mit einem heimlichen Mangel behaftet ist, im §. 219, anordnen.

[3, 9] §. 81. Diese Verbindlichkeit zur Gewährleistung liegt blos jenem Verkaufer ob, von deme die angestrittene Sache unmittelbar auf den Besitzer gediehen ist. Wenn eine Sache in fremdem Namen verkaufet worden, so kann nur Jener zur Gewährleistung belanget werden, in dessen Namen die Sache verkaufet worden; außer wenn Derjenige, der die Sache in eines Anderen Namen verkaufet hat, die Gewährleistung ausdrücklich auf sich genommen hat, oder in einer Gefährde bestellet gewesen.

[3, 9] §. 82. Wer zur Gewährleistung verbunden ist, der ist umsoweniger befugt, das verkaufte Gut wegen eines nach geschlossenem Kaufe hervorkommenden, oder von wem immer erworbenen Anspruchs selbst anzustreiten; würde aber der Verkaufer dennoch an dasselbe einen Anspruch machen, so soll dem Kaufer die Auswahl gebühren, ob er sich mit der Einrede des geschlossenen Kaufes schützen, oder ob er die Sache gegen der ihm gebührenden vollkommenen Entschädigung fahren lassen wolle.

[3, 9] §. 83. Dieses erstrecket sich auch auf den Gewährsbürgen, wenn einer bestellet worden, und wenn derselbe einen obschon zur Zeit der geleisteten Bürgschaft nicht vorgesehenen gegründeten Anspruch an das verkaufte Gut, dessen Gewähr er verbürget hat, überkäme, so muß er sich blos an den Verkaufer des Guts halten. Wenn jedoch unter mehreren bestellten Gewährsbürgen einer insbesondere an dem veräußerten Gute einen rechtmäßigen Anspruch erworben hätte, so kann er denselben wider den Kaufer ausführen; doch bleibet er in der Verbindlichkeit, gegen der ihm wider den Verkaufer anzusuchen bevorstehenden Entschädigung, dem Kaufer den erlittenen Schaden für jenen Antheil, für welchen er die Bürgschaft übernommen, zu ersetzen.

[3, 9] §. 84. Das, was Wir in den zwei bevorstehenden §§. von dem Verkaufer und dem Gewährsbürgen angeordnet haben, greift auch bei allen Denjenigen Platz, auf welche dieser Anspruch an das verkaufte Gut durch Erbfall oder durch eine Handlung unter Lebenden von ihnen gelanget ist; wenn aber die Erben des Verkaufers oder des Gewährsbürgen aus ihrer eigenen Person einen Anspruch an das verkaufte Gut haben, so ist ihnen unverwehret, denselben wider den Kaufer geltend zu machen, mit der Verbindlichkeit, ihn nach Kräften der Erbschaft zu entschädigen.

[3, 9] §. 85. Die Gewährleistung kann in allen jenen Fällen gefodert werden, wenn die verkaufte Sache ganz oder zum Theile, oder ein solches Recht an derselben angestritten wird, ohne welches der Kaufer zu dem vollen Eigenthume nicht gelangen kann; hieher gehöret das, was Wir im §. 38 von Dienstbarkeiten und anderen derlei Haftungen geordnet haben. Dahingegen hat der Verkaufer für die währender Zeit seines Besitzes dem verkauften Grunde von dem nachbarlichen Grunde geleistete Dienstbarkeiten nicht zu stehen, wenn er sie nicht ausdrücklich mitverkaufet hat.

[3, 9] §. 86. Auch ist der Kaufer nicht befugt, bei einem blos nach dem Augenscheine in seinen Rainen und Grenzen verkauften Gute die Gewährleistung alsdann anzusuchen, wenn die Rainen und Grenzen nachhero angestritten werden; außer wenn der Verkaufer selbe ordentlich ausgewiesen hätte, oder auch ein Anschlag verfasset worden wäre, worauf der Contract geschlossen worden.

[3, 9] §. 87. Die Verbindlichkeit zur Gewährleistung schließet allezeit die Verbindlichkeit in sich, den Kaufer wider die von einem Dritten in Betreff des verkauften


(393) Guts bei Gerichte angebrachte Ansprüche auf eigene Unkosten zu vertreten; doch ist der Verkaufer nicht schuldig, selbst zu klagen, außer in dem einzigen Falle, wenn die Vertheidigung des Kaufers auf keine andere Art als durch eine selbst angebrachte Klage bewirket werden kann, als da ein Dritter wegen seines vorgeblichen Anspruches an dem verkauften Gute den Kaufer nur außergerichtlich durch Thathandlungen in seinem Besitze beunruhigte.

[3, 9] §. 88. Der Kaufer soll aber gehalten sein, wenn wegen des erkauften Guts wider ihn von einem Dritten eine Klage erhoben wird, oder wenn zwar kein Rechtsstritt wegen des erkauften Guts erreget, sondern von einem Dritten wegen einer auf demselben haftenden, und an dem Kaufgelde nicht ausgewiesenen Foderung auf das Gut die Execution geführet wird, dieses binnen vierzehn Tagen von der ihm zugekommenen Vorladung vor Gerichte, oder von dem erwirkten ersten Grade der Execution dem Verkaufer gerichtlich anzukünden, und ihn zu seiner Vertretung vorzuladen.

[3, 9] §. 89. Wenn der Verkaufer eine rechtserhebliche Ursache hat, warum er von der Verbindlichkeit den Kaufer zu vertreten enthoben zu sein vermeinte, so soll er schuldig sein, dieselbe binnen den nächsten vierzehn Tagen von der ihm zugestellten Ankündigung bei jenem Gerichte, wo die Sache anhänglich ist, einzubringen, und das Gericht soll über deren Bestand oder Unbestand auf das schleunigste erkennen.

[3, 9] §. 90. Doch soll die Rechtssache zwischen dem Dritten und dem Kaufer indessen, und bis diese gerichtliche Erkanntniß erfolget, ihren ohnausgesetzten Fortgang haben, und der Kaufer nach Vorschrift Unserer Gerichtsordnung das Gut auf Gefahr des Verkaufers nach Möglichkeit wider die Ansprüche des Dritten vertheidigen; sobald aber der Gewährsmann die Vertheidigung des Kaufers auf sich genommen, ist derselbe von aller weiteren Rechtsführung enthoben.

[3, 9] §. 91. Dem Verkaufer stehet aber eben die Befugniß zu wie dem letzten Kaufer, daß er den wider das Gut erhobenen Anspruch seinem Gewährsmann, wenn er einen hat, ankündige, und dessen Vertretung anbegehre, und dieses so immerfort, bis man auf Denjenigen von den vorigen Besitzern gelanget, von dessen Besitzzeit der Anspruch des Dritten herrühret.

[3, 9] §. 92. Würde hingegen der Verkaufer, ohne eine gegründete Ursache beizubringen, warum er von der Gewährleistung befreiet zu sein glaubte, den Kaufer in Vertheidigung des Guts hilflos lassen, so muß zwar der Kaufer den Rechtsstritt, so gut er kann, fortsetzen, der Gewährsmann aber bleibet in der Verbindlichkeit, nicht nur dem Kaufer, wenn er sachfällig wird, die vollkommene Entschädigung zu leisten, sondern auch ihm in dem Falle, wenn er obsieget, die auf den Rechtsstritt ausgelegten Unkosten, wenn nicht deren Ersatz in der richterlichen Erkanntniß dem sachfälligen Theile auferleget worden, zu vergüten.

[3, 9] §. 93. Dem Gewährsmanne bleibet jedoch unverwehret, so lang die in Unserer Gerichtsordnung zur Beweisführung vorgeschriebene Zeit fortdauret, in den Rechtsstritt einzutreten, und die Vertheidigung der Sache in demjenigen Stande, in welchen sie sich zur Zeit seines Eintrittes befindet, auf sich zu nehmen; nachdeme aber die beiderseitigen Verhandlungen geschlossen sind, kann der Gewährsmann nicht mehr zugelassen werden.

[3, 9] §. 94. Der Verkaufer ist aber dem Kaufer nur in jenem Falle zur Entschädigung verbunden, wenn dieser das erkaufte Gut durch richterlichen Spruch verlieret; wenn dahero der Kaufer das Gut vor erfolgtem Urtheile freiwillig hingegeben, oder sich mit dem Kläger darüber verglichen, oder demselben willkürlich den entscheidenden Eid aufgetragen, oder die Sache durch willkürlich erwählte Schiedsrichter entscheiden lassen, mag er wegen des Verlustes der Sache an den Verkaufer keine Foderung stellen.


(394) [3, 9] §. 95. Wenn ein Gut von Uns eingezogen wird, und diese Einziehung sich in einem älteren, Uns vor dem Verkaufe an diesem Gute zugestandenen Rechtsanspruche gründet, so muß der Verkaufer dem Kaufer die Gewähr leisten. Wenn hingegen bei erfodernder gemeinsamen Wohlfahrt des Staates, und aus Unserer landesfürstlichen Macht ein Grund eingezogen wird, so ist der Verkaufer nach Maß dessen, was Wir im zweiten Theile, zweiten Capitel, §. 2, geordnet haben, zu keiner Gewährleistung verbunden; außer wenn er die Gewährleistung auf diesen Fall ausdrücklich zugesagt, oder wenn er, da ihm vor dem Verkaufe die bevorstehende Einziehung des Grundes bewußt gewesen, bei dem Verkaufe mit geflissentlicher Gefährde zu Werke gegangen wäre.

[3, 9] §. 96. Ueberhaupt hat die Gewährleistung nur allein in jenen Fällen statt, wenn das verkaufte Gut dem Kaufer aus einer vor seinem Besitze vorhergegangenen Ursache abgesprochen wird, und wenn annebst diese Ursache aus einer solchen Handlung herrühret, wodurch der letzte oder einer von den vorherigen Besitzern das Gut einem Dritten verfänglich geblieben ist, als da der Verkaufer das Gut selbst von einem Anderen erkaufet, und dieser sich daran das Einstandrecht vorbehalten hätte.

[3, 9] §. 97. Wenn hingegen die Ursache, aus welcher der Kaufer des Guts verlustiget wird, aus einer dem Gute ohne Schuld des Verkaufers oder eines vorherigen Besitzers anklebenden Eigenschaft herrühret, als da dasselbe von Jemanden aus einem durch Unsere Gesetze eingeführten Einstandrechte an sich gezogen wird, so ist der Verkaufer zu keiner Gewährleistung verbunden, wenn er nicht das Gut von einer solchen Eigenschaft frei zu sein gewähret, oder auf einen solchen sich ergebenden Fall, die Gewährleistung namentlich angelobet hätte.

[3, 9] §. 98. Wenn auch der Kaufer das gekaufte Gut nicht sowohl wegen des dem Kläger daran zustehenden stärkeren Rechtes, als aus seiner eigenen Schuld verlieret, so kann er vom Verkaufer keine Entschädigung anverlangen. Derlei Fälle sind, wenn er dem Verkaufer die Schuldigkeit zur Gewährleistung ausdrücklich erlassen, oder demselben die wider ihn erhobene Rechtsklage nicht angekündigt, wenn er vor dem Kaufe wohl gewußt, daß das Gut fremd oder behaftet sei, oder wenn er zur Klage selbst Anlaß gegeben hätte, ferner, wenn er in dem Falle, wo der zur Vertretung vorgeladene Verkaufer sich dazu nicht verstehen wollen, eine ihm wohlbekannte Einrede, wodurch der Anspruch des Klägers hätte entkräftet werden können, wider die Klage einzuwenden unterlassen, oder die in Unserer Gerichtsordnung vorgeschriebenen Fristen verstreichen lassen, oder sonst in dem Verlaufe der Sache Dasjenige, was die rechtliche Ordnung erfodert, vorzukehren verabsäumet, und andurch den Verlust der Sache verursachet hätte.

[3, 9] §. 99. Hieher gehöret auch der Fall, wenn ein Glaubiger auf das verkaufte Gut die Execution führet, und wenn schon der Verkaufer nach der ihm geschehenen Ankündigung binnen der obbestimmten Frist weder etwas Erhebliches wider die Foderung des Glaubigers eingewendet, noch auch das Gut von dieser Haftung befreiet hätte, so verlieret der Kaufer das Gut demnach aus seiner Schuld, wenn es in seiner Macht gestanden, die weitere Execution abzuwenden, und er es auf den letzten Grad der Execution ankommen lassen. Die Abwendung der weiteren Execution stehet aber alsdann in des Kaufers Macht, wenn er von dem bedungenen Kaufpreis noch so viele Gelder in Händen hat, welche zur Befriedigung des Glaubigers hinreichend sind; außer wenn diese Gelder zur Sicherheit für einige besonders ausgedrückte Gewährsfälle, oder zu einer sonstigen Verwendung bestimmet wären.

[3, 9] §. 100. Wenn alle obigen zur Gewährleistung vorgeschriebenen Erfodernisse zusammentreffen, und der Kaufer das Gut verloren, so ist der Gewährsmann schuldig, demselben den empfangenen Kaufpreis zurückzugeben, und ihm allen wegen


(395) Verlust der Sache erlittenen Schaden und entzogenen Nutzen, wie auch die durch den Rechtsstritt ihm verursachten Gerichtsschäden und Unkosten zu ersetzen, und wenn der Verkaufer gewußt hat, daß die verkaufte Sachen den Ansprüchen eines Dritten unterliege, so soll eben jenes Platz greifen, was Wir im §. 62 geordnet haben.

[3, 9] §. 101. Hätte aber der Kaufer nur einen Theil des Guts verloren, so hat er die Auswahl, ob er den übrigen Theil behalten, und sich mit Zurückstellung des auf den verlornen Theil ausfallenden Kaufpreises begnügen, oder ob er auch den übrigen Theil dem Verkaufer zurückschlagen, und den ganzen Kaufpreis zurückverlangen wolle.

[3, 9] §. 102. Wenn die Gewährleistung in dem Contracte besonders ausbedungen, und auf den Fall, wo der Kaufer des Guts verlustiget werden würde, ein gewisser Betrag festgesetzet worden, der demselben anstatt des ihm durch den Verlust der Sache zugehenden Schadens und entfallenden Gewinnes gezahlet werden solle, so hat es bei diesem Bedinge sein Bewenden; doch soll dieser Betrag sich niemals höher erstrecken, als auf den achten Theil des Kaufpreises, und wenn schon ein höherer Betrag bedungen worden, so soll doch der Kaufer nicht mehr als diesen achten Theil anzufodern befugt sein.

[3, 9] §. 103. Wenn der Kaufer das Kaufgeld oder sonst etwas, das er dem Verkaufer aus dem Contracte zu leisten schuldig wäre, annoch in Händen hat, oder wenn bei der besonders ausbedungenen Gewährleistung gewisse Gewährsgelder dem Kaufer in Händen gelassen, oder ihm auf den Fall, wenn er des Guts verlustiget werden würde, eine Hypothek verschrieben worden, so kann er sich der rechtlichen Ordnung nach daran halten; widrigenfalls muß er durch eine persönliche, wider den Verkaufer angebrachte Rechtsfoderung seine Entschädigung suchen.

[3, 9] §. 104. Die Verbindlichkeit zur Gewährleistung, welche aus der Natur der Handlung entstehet, dauret so lange, als das Gut bei dem Kaufer nach Unseren im zweiten Theile, siebenten Capitel, desfalls festgestellten Grundsätzen nicht verjähret ist. Wenn aber binnen dieser Zeit der Gewährsfall sich ergeben hat, so ist der Kaufer ebenfalls schuldig, binnen der vorgeschriebnen Verjährungszeit, von dem Tage des in seine Rechtskräfte erwachsenen Urtheils an zu rechnen, den Verkaufer zu seiner Entschädigung zu belangen; widrigens mag er damit nicht mehr gehöret werden.

[3, 9] §. 105. Hätten aber die Contrahenten die Gewährleistung insbesondere ausbedungen, so wollen Wir diese Verbindlichkeit auf drei Jahre, achtzehen Wochen beschränket haben, dergestalten, daß nach deren Verlaufe die dem Kaufer bestellte Hypothek erloschen, und der Verkaufer die in den Händen des Kaufers zurückgelassenen Gewährsgelder von ihm abzufodern befugt sein solle, wenn nicht in dem Contracte eine kürzere oder längere Frist bestimmet worden, wie lang die Hypothek zu haften habe, und diese Gelder erliegen sollen.

[3, 9] §. 106. Wenn jedoch binnen diesen drei Jahren und achtzehen Wochen, oder binnen der in dem Contracte festgesetzten Zeit, der über das Gut erhobene Rechtsstritt noch nicht geendiget, oder da er geendiget, die wirkliche Gewährsfoderung schon vor dem Verlaufe dieser Zeit anhängig gemacht worden wäre, so dauret das dem Kaufer an den Gewährsgeldern und an der verschriebenen Hypothek erworbene Recht auch noch nachhero fort.

[3, 9] §. 107. Wir sind auch nicht gemeinet, durch diese Unsere Beschränkung der insbesondere bedungenen Gewährleistung den Kaufer in jenem Falle hilflos zu lassen, wo zu Verjährung eines Guts eine längere als die Zeit von drei Jahren achtzehen Wochen erfoderlich ist, sondern in so einem Falle soll nach Erlöschung der bedungenen, die aus der Natur der Handlung gebührende Gewährleistung


(396) noch allezeit Platz greifen; außer wenn die Contrahenten die Gewährleistung solchergestalten auf eine gewisse Zeit beschränket haben, daß der Verkaufer nachhero zu derselben ganz und gar nicht mehr verbunden sein solle.

[3, 9] §. 108. Es beruhet aber in der Willkür der Contrahenten, dem Kaufe auch noch andere Verträge beizufügen, es sei, daß andurch der vorseiende oder der schon geschlossene Kauf noch mehr bestätiget wird, oder daß einer oder der andere Contrahent sich eine Befugniß vorbehält, die ihm nach der im §. 28 bestimmten Eigenschaft dieses Contracts ohne einen besonderen Vertrag nicht zugestanden wäre.

[3, 9] §. 109. Unter die auf die Bestätigung des Contracts gerichteten Verträge gehöret das Haftgeld, welches noch vor geschlossenem Contracte von einem Contrahenten dem anderen zum Zeugnisse des festen Willens und Vorsatzes, den Contract zu schließen, gegeben wird, und obwohl dasselbe gemeiniglich von dem Kaufer dem Verkaufer entrichtet wird, so kann doch auch der Kaufer sich von dem Verkaufer ein Haftgeld ausbedingen.

[3, 9] §. 110. Wenn derjenige Theil, so sich zu einem Haftgelde verpflichtet hat, dessen Entrichtung verzögeret, so kann der andere Theil dasselbe auch noch vor Schließung des Contracts von ihm fodern; wenn aber das Haftgeld gegeben worden, so ist wegen dessen nachheriger Verwendung vornehmlich auf jenes zu sehen, was die Contrahenten desfalls unter sich verabredet haben, und wo nichts verabredet worden, sollen folgende Regeln dabei beobachtet werden.

[3, 9] §. 111. Kommt der Contract hernach zu Stande, so soll dasselbe allezeit in das Kaufgeld, oder in die andern aus dem Contracte zu leisten schuldigen Gebührnisse eingerechnet werden; wenn aber der Contract nicht zu Stande kommt, und dieses entweder von einem Zufalle herrühret, oder die Handlung mit beiderseitiger Einverständniß abgebrochen wird, so ist das Haftgeld Demjenigen, der es gegeben, wieder zurückzustellen. Wenn hingegen der Contract aus Schuld des einen oder anderen Theiles nicht zu Stande käme, oder von einem Theile wider Willen des anderen abgebrochen würde, so soll der schuldige Theil, wenn es Derjenige ist, der das Haftgeld gegeben, dasselbe verlieren, und wenn es Derjenige ist, der das Haftgeld empfangen, dem anderen Theile nebst dessen Zurückstellung noch den nemlichen Betrag zu einer Strafe erlegen.

[3, 9] §. 112. Das Haftgeld kann in baarem Gelde, oder auch in anderen Sachen in einem größeren oder kleineren Betrage bestehen; doch soll Dasjenige, was bei Zerschlagung des Contracts der eine Theil gewinnt, und der andere verlieret, den achten Theil des Werthes jener Sache, von deren Kauf die Frage ist, nicht übersteigen. Wenn aber das gegebene Haftgeld mehr beträgt, und der Contract durch die Schuld Desjenigen, der dasselbe gegeben, nicht zu Stande kommt, so ist ihm die Uebermaß zurückzustellen; gleichwie in dem Falle, wo der Contract durch die Schuld des anderen Theiles abgebrochen wird, das ganze Haftgeld zurückzustellen, und der daneben zu entrichtende Strafbetrag nach diesem achten Theile abzumessen ist.

[3, 9] §. 113. Dahingegen wollen Wir die an einigen Orten auf Unkosten des Kaufers, des Verkaufers oder beider Theile anzustellen gewöhnliche Gastereien und Zechen, oder den sogenannten Weinkauf gänzlich abgestellet haben, und wenn schon etwas dergleichen ausbedungen worden, so soll doch ein solches Beding gänzlich ohne Kraft sein, auch darauf keine rechtliche Hilfe ertheilet, sondern ein solcher Aufwand für eine freiwillige unter die contractmäßigen Gebührnisse keineswegs gehörige Ausgabe angesehen werden.

[3, 9] §. 114. Unter diese Gattung der Verträge gehöret ferner der Reukauf, oder das Reugeld, wenn nemlich bei Schließung des Contracts ein Theil ein gewisses Geld erleget, oder auf den Fall zu erlegen verspricht, wenn er von dem Contracte ohne rechtmäßige Ursache abweichen würde.


(397) [3, 9] §. 115. Wenn ein Reugeld gegeben oder bedungen worden, so erwirbt Derjenige, der dasselbe gegeben oder sich dazu verpflichtet hat, andurch die Auswahl, ob er bei dem Contracte beharren oder mit Verlust des Reugeldes davon abgehen wolle; doch dauret diese Freiheit der Reue nur insolang, als der Contract weder von einer noch der anderen Seite erfüllet, oder auch zu dessen Erfüllung der Anfang gemacht worden.

[3, 9] §. 116. Niemals aber soll ein solcher Vertrag gestattet sein, wodurch Jemand nebst der contractmäßigen Schuldigkeit sich auch noch zu einem Strafgelde als zu einem Zwangs- und Betreibungsmittel auf den Fall verbindet, wenn er seine Verbindlichkeit nicht zu rechter Zeit erfüllen würde, sondern in einem solchen Falle soll dem andern Theile blos die Auswahl zustehen, ob er mit Zurücklassung des Strafgeldes auf die Erfüllung des Contracts andringen, oder ob er sich mit dem Strafgelde begnügen, und von aller weiteren Foderung abstehen wolle.

[3, 9] §. 117. Doch ist Dasjenige, was bei Schließung eines Contracts von einem Theile dem anderen als ein Angeld gegeben wird, nur alsdann für ein Reugeld anzusehen, wenn dieses ausdrücklich dabei gesagt worden; widrigenfalls soll es allezeit für eine zu mehrerer Bekräftigung des geschlossenen Contracts gegebene Versicherung gehalten werden, auch dem gebenden Theile keineswegs freistehen, mit dessen Verluste von dem Contracte abzugehen. Es möge aber als ein Reugeld oder als ein Angeld gegeben worden sein, so ist dasselbe allezeit, wenn der Contract zu seiner Erfüllung gebracht wird, in die contractmäßige Gebühr einzurechnen; außer wenn in dem Contracte insbesondere bestimmet worden, zu was für einem Gebrauche es verwendet werden solle.

[3, 9] §. 118. Weder das Reugeld noch das in dem Falle des §. 116 bedungene Strafgeld wird verwirket, wenn Derjenige, der dasselbe gegeben oder sich dazu verbindlich gemacht, eine rechtmäßige Ursache hat, vom Contracte abzuweichen, oder wenn der Contract mit beiderseitiger Einwilligung durch Zufall oder durch die Schuld des anderen Theiles abgebrochen wird; wenn aber auch das Eine oder das Andere durch die Schuld Desjenigen, der sich dazu verpflichtet hat, verwirket würde, so wollen Wir doch dessen Betrag ebenfalls auf den achten Theil des Werthes beschränket und die Uebermaß für ungiltig erkläret haben.

[3, 9] §. 119. Es stehet auch dem Verkaufer frei seine Sache mit dem Bedinge zu verkaufen, daß ihm die Befugniß vorbehalten bleiben solle, die verkaufte Sache gegen Zurückstellung des Kaufgeldes wieder an sich zu lösen, und wenn diese Befugniß nicht auf eine gewisse Zeit beschränket worden, so stehet dem Verkaufer zu allen Zeiten die Macht zu, die Sache wieder einzulösen, so lang dieselbe sich in den Händen des Kaufers oder seiner Erben befindet.

[3, 9] §. 120. Nicht nur der Verkaufer und seine Erben, sondern auch ein jeder Andere, deme der Verkaufer dieses Recht abgetreten hat, ist befugt, die mit dem Bedinge des Wiederkaufs verkaufte Sache wieder einzulösen, und wenn Mehrere zusammen die ihnen gemeinschaftlich zugehörige Sache, doch ein Jeder seinen Theil insbesondere mit diesem Vorbehalte verkaufet haben, so stehet auch einem Jeden insbesondere die Befugniß zu, seinen Theil wieder einzulösen.

[3, 9] §. 121. Hätten aber Mehrere zusammen mit gesammter Hand eine obschon an sich theilbare Sache verkaufet und sich Allen zusammen ohne Benennung des einem Jeden zukommenden Antheiles das Recht des Wiederkaufes vorbehalten, oder wenn der Verkaufer mehrere Erben nachgelassen hat, und Einer von ihnen nur seinen Theil einlösen wollte, so ist der Kaufer nicht schuldig, den Kauf zu theilen; wenn hingegen Einer unter ihnen gegen Anbietung des ganzen Kaufgelds die verkaufte Sache ganz einlösen wollte, und die Anderen sich nicht meldeten, so ist der Kaufer gehalten, gegen eine von dem Einlösenden für die Theile der Uebrigen gestellte hinlängliche Sicherheit ihm die Sache zu verabfolgen, ohne daß er von den Uebrigen weiter angefochten werden könnte.


(398) [3, 9] §. 122. Der Verkaufer ist schuldig bei der Wiedereinlösung dem Kaufer das nemliche Kaufgeld, welches er für die Sache empfangen, und auf die nemliche Art und Weise, wie er es empfangen, zurückzustellen, wenn nicht das auf den Fall des Wiederkaufes zu bezahlende Kaufgeld und die Art, auf welche es bezahlet werden solle, in dem Contracte bereits vorhinein festgestellet worden; annebst liegt ihm ob, dem Kaufer alle wegen des Kaufes gehabte, wie auch auf die beharrliche Erhaltung und Verbesserung der Sache aufgewendete Unkosten zu vergüten, und wenn sich währendem Besitze des Kaufers an der Sache ein Zuwachs ergeben hätte, dessen Werth zu ersetzen.

[3, 9] §. 123. Der Kaufer aber ist verbunden, die Sache in eben dem Stande, und mit eben den An- und Zugehörungen, wie sie ihm übergeben worden, zurückzustellen, und nebst derselben alle Nutzungen, so nach angemeldetem Wiederkaufe von der Sache erzeuget worden, obwohl er dieselbe noch vor Zurückstellung der Sache eingehoben hätte, zu ersetzen; jene Nutzungen hingegen, welche noch vor angemeldetem Wiederkaufe von der Sache sowohl erzeuget, als auch eingehoben worden, verbleiben bei dem Kaufer.

[3, 9] §. 124. Was aber die zwar vor angemeldetem Wiederkaufe bereits erzeugte, doch zu dieser Zeit noch nicht eingehobene Nutzungen betrifft, so ist darauf zu sehen, ob dem Kaufer in dem ersten Kaufe die Sache mit den davon noch nicht eingehobenen Nutzungen übergeben worden, oder nicht. Im ersten Falle muß der Kaufer die Sache ebenfalls sammt den noch nicht eingehobenen Nutzungen zurückstellen; im zweiten Falle aber sind diese Nutzungen zwischen dem Kaufer und Verkaufer gleich zu theilen, wenn diesfalls nichts Anderes vorgesehen worden.

[3, 9] §. 125. Wenn die wiederkäufliche Sache, nachdem der Verkaufer sich bereits zu deren Wiedereinlösung gemeldet hat, durch einen Zufall vernichtet oder sonst beschädiget wird, so ist der Verkaufer das dafür bedungene Kaufgeld ebenso zu erlegen schuldig, wie Wir oben vom Kaufer geordnet haben. Hätte aber der Kaufer durch Saumsal oder Schuld zu dem Verluste oder zur Beschädigung der Sache Anlaß gegeben, es möge vor oder nach angemeldetem Wiederkaufe geschehen sein, so muß er dem Verkaufer für allen demselben daraus erwachsenden Schaden und entgehenden Nutzen haften, und wenn der Kaufer durch eine geflissentliche Gefährde den Untergang der Sache verursachet hat, so soll der Verkaufer allezeit, wenn er nicht einen noch größeren Schaden oder entgangenen Nutzen darthun kann, für denselben den achten Theil des bedungenen Kaufgeldes zu fodern befugt sein.

[3, 9] §. 126. Eben dieses soll auch alsdann Platz greifen, wenn der Kaufer die dem Wiederkaufe unterliegende Sache an einen Dritten veräußert hat, und dieser Dritte nach Maß der oben im §. 13 gegebenen Regel von dem Verkaufer nicht mehr angefochten werden kann; in jenem Falle hingegen, wo dem Verkaufer ohngeachtet der geschehenen Veräußerung die Befugniß bevorbleibet, auch von dem dritten Besitzer die Sache zurückzufodern, soll derselbe die Auswahl haben, ob er sich dieses Rechts gegen den dritten Besitzer gebrauchen, und das Gut um den mit dem ersten Kaufer bedungenen Preis einlösen, oder ob er blos von dem ersten Kaufer den ersterwähnten achten Theil einfodern wolle.

[3, 9] §. 127. Doch soll dem Verkaufer dieses sein Recht des Wiederkaufes wider den dritten Besitzer nicht willkürlich und zu allen Zeiten offen stehen, sondern Wir verstatten dem neuen Kaufer, daß er die auf ihn geschehene Uebertragung vor oder nach geschlossenem Kaufe dem Verkaufer ankünden, und ihn zur Ausführung seines Rechts vorladen möge, und wenn dieses geschehen, so soll der erste Verkaufer mit dem Wiederkaufe wider den neuen Besitzer nicht länger gehöret werden, als wenn er denselben, da er sich im Lande befindet, binnen sechs Wochen, und wenn er sich außer dem Lande aufhielte, binnen drei Monaten von dem Tage der ihm zugekommenen Ankündigung angemeldet hat; wenn aber auch der neue Kaufer


(399) dem ersten Verkaufer diese Ankündigung zu machen unterlassen hätte, so soll doch von dem Tage an, da der geschlossene neue Contract in die Landtafel, Stadt- und Grundbücher einverleibet worden, wider den ersten Verkaufer die ordentliche Verjährung zu laufen anfangen, und nach deren Vollendung sein Recht des Wiederkaufes gänzlich erloschen sein.

[3, 9] §. 128. Das, was Wir im vorigen §. geordnet haben, soll aber blos in jenem Falle die Richtschnur abgeben, wenn der erste Verkaufer sich das Recht des Wiederkaufes ohne Beschränkung auf einige Zeit vorbehalten hat. Ist das Recht des Wiederkaufes auf eine Zeit beschränket, und diese Beschränkung dergestalten gefasset worden, daß der Verkaufer nach Verstreichung der beigefügten Zeit erst befugt sein solle, die Sache wieder einzulösen, so kann demselben dieses sein Recht weder durch die früher geschehene Veräußerung der Sache, noch auch durch die von dem neuen Kaufer ihm gemachte frühere Ankündigung geschmälert werden, sondern die oberwähnte sechswochentliche und dreimonatliche Frist, wie auch die ordentliche Verjährungszeit nimmt nicht eher ihren Anfang, als von dem Tage, da der Verkaufer sich des ihm zustehenden Rechts hat gebrauchen können.

[3, 9] §. 129. Wenn hingegen die dem Wiederkaufe beigefügte Beschränkung dahin lautet, daß dem Verkaufer dieses Recht nicht länger, als bis auf eine gewisse Zeit zustehen solle, so bleibet demselben dieses sein Recht durch die ganze bestimmte Zeit bevor, und dieses ohne Unterschied, ob die beigefügte Zeit länger oder kürzer als die ordentliche Verjährungszeit, und ob ihm von dem neuen Kaufer eine Ankündigung des geschlossenen Kaufes gemacht worden sei oder nicht.

[3, 9] §. 130. Wenn das Beding des Wiederkaufes auf dem verkauften Gute behörig einverleibet ist, und der Kaufer dasselbe währender Zeit seines Besitzes mit Dienstbarkeiten beschweret oder Jemanden zum Unterpfande verschrieben hat, so erlöschen bei der durch den Wiederkauf geschehenen Einlösung des Guts alle Dienstbarkeiten, und für die auf dem Gute haftende Schulden wird der Verkaufer nicht weiter verfänglich als nach Maß des auf den Fall des Wiederkaufes bedungenen Kaufgeldes. Wenn hingegen das Beding des Wiederkaufes auf dem Gute nicht einverleibet ist, so gehet dasselbe mit allen seinen Haftungen an den Verkaufer zurück; doch ist ihm unbenommen, das Gut fahren zu lassen, und für den ihm zugegangenen Schaden auf die im §. 126 geordnete Art an dem Kaufer seine Entschädigung zu suchen.

[3, 9] §. 131. Es sollen aber Unsere Richter bei einem solchen vorkommenden Bedinge jedesmal von Amtswegen genau untersuchen, ob nicht eine Scheinhandlung darunter verborgen sei, oder eine wucherliche Absicht dadurch bemäntelt werden wolle, und bei dessen Wahrnehmung mit den darauf ausgesetzten Strafen ohne Nachsicht vorgehen, auch zu dessen gewisserer Vorbeugung nicht eher die Einverleibung eines Contracts, worinnen derlei Dinge vorkommen, verwilligen, als bis derselbe aufrecht und rechtsgiltig befunden worden.

[3, 9] §. 132. Von eben dieser Art und Eigenschaft ist das Beding, wodurch der Kaufer sich die Befugniß vorbehält, die gekaufte Sache dem Verkaufer wieder zurückzustellen, und daß dieser selbe zurückzunehmen schuldig sein solle; wenn sich jedoch wegen Dunkelheit des beigefügten Bedings ein Zweifel erhoben, ob dadurch dem Verkaufer die Befugniß der Wiedereinlösung, oder dem Kaufer die Befugniß der Zurückstellung oder sowohl dem Verkaufer die Befugniß der Wiedereinlösung, als dem Kaufer die Befugniß der Zurückstellung vorbehalten worden, so ist das Beding allezeit auf den alleinigen Vortheil des Verkaufers auszudeuten, und nach den im §. 119 und folgenden festgesetzten Regeln zu beurtheilen.

[3, 9] §. 133. Das Beding, wodurch der Kaufer sich das Recht vorbehalten, dem Verkaufer die Sache wieder zurückzustellen, hat mit dem Bedinge des §. 119 alles jenes gemein, was Wir darüber in den folgenden §§. geordnet haben; nur mit


(400) der einzigen Ausnahme, daß dieses dem Kaufer zustehende Recht alsofort erlösche, wenn er die Sache an einen Dritten veräußert, oder mit einer Dienstbarkeit oder anderen immer währenden Haftung beschweret, und daß, wenn er das Gut zum Unterpfande verschrieben, oder demselben eine andere zeitliche Last aufgebürdet hat, sich des ihm wider den Verkaufer zustehenden Rechts nicht eher gebrauchen könne, als bis er das Gut von dieser Haftung wieder befreiet hat.

[3, 9] §. 134. Nicht minder ist der Verkaufer befugt, sich an der verkauften Sache das Einstandrecht (den Vorkauf, Näherkauf, Einspruch, die Nähergeltung, Losung) vorzubehalten, nemlich, daß der Kaufer, im Falle er die erkaufte Sache wieder verkaufen wollte, schuldig sein solle, ihm dieselbe vorzüglich zu verkaufen.

[3, 9] §. 135. Wenn bei diesem Vertrage nicht besonders bestimmet worden, was für ein Kaufgeld und mit welchen Bedingnissen von dem Verkaufer auf den Fall des Einstands für die Sache gegeben werden solle, so hat derselbe allezeit den Verstand, daß der Verkaufer jedesmal den Vorzug vor einem dritten Kaufer haben solle, wenn er das nemliche Kaufgeld, und unter den nemlichen Bedingnissen dafür geben will, was, und wie der dritte Kaufer dazu erbietig ist.

[3, 9] §. 136. Wenn dieser Vertrag eingegangen worden, so liegt dem Kaufer die Verbindlichkeit ob, wenn er die gekaufte Sache wieder verkaufen will, diesen vorhandenen Verkauf dem ersten Verkaufer anzukünden, und wenn bei dem ersten Verkaufe wegen des auf den Fall des Einstands zu erlegenden Kaufgeldes nichts Besonderes festgesetzet worden, so muß dem Verkaufer zugleich der Betrag des mit einem Dritten behandelten Kaufpreises, sammt den übrigen Bedingnissen des Verkaufes angekündet werden.

[3, 9] §. 137. Der erste Verkaufer soll aber schuldig sein, bei einer beweglichen Sache noch an eben dem Tage, da ihm die Ankündigung zugekommen, und bei einem liegenden Gute binnen vierzehen Tagen sich zu erklären, ob er sich des Einstandrechtes gebrauchen wolle oder nicht, und im Falle er sich dessen gebrauchen will, Dasjenige, was bei dem ersten Verkaufe auf den Fall des Einstands wegen des Kaufgeldes bereits bestimmet worden, behörig zu erfüllen, oder wenn nichts bestimmet worden, das von einem Dritten angebotene Kaufgeld auf eben die Art, wie derselbe sich dazu verbindlich gemacht hat, entweder alsogleich zu erlegen oder zu dessen Erlegung in den verabredeten Fristen sich anheischig zu machen.

[3, 9] §. 138. Würde hingegen der erste Verkaufer auf die ihm gemachte Ankündigung sich erklären, daß er sich seines Rechts nicht bedienen wolle, oder wenn er sich in der bestimmten Zeit gar nicht erkläret, oder wenn er seine auf den Fall des Einstands in dem ersten Contracte gemachten Versprechungen nicht erfüllen, oder die mit dem neuen Kaufer behandelten Bedingnisse nicht eingehen will, so soll der ehemalige Kaufer befugt sein, die Sache auf die dem Verkaufer angekündigte Art, wann und an wen er immer will zu veräußern, ohne daß wegen des Einstands ein weiterer Anspruch gemachet werden möge.

[3, 9] §. 139. Wofern aber der ehemalige Kaufer diese Ankündigung zu machen unterlassen, oder ohne die von Uns ausgemessene Zeit der Erklärung abzuwarten, den Kauf mit dem Dritten geschlossen hätte, soll derselbe schuldig sein, Demjenigen, deme das Einstandrecht gebühret hat, zu seiner Entschädigung auf die im §. 62 näher bestimmte Art den achten Theil des für die Sache erhaltenen, oder bei dem ersten Contracte auf den Fall des Einstands bedungenen Kaufpreises zu erlegen.

[3, 9] §. 140. Eben dieser achte Theil soll dem ersten Verkaufer auch in jenem Falle zu einer Entschädigung gebühren, wenn der erste Kaufer zu dessen Nachtheile blos eine Scheinhandlung vorgespiegelt, oder bei demselben zur Abwendung des Einstands falsche Bedingnisse des mit einem Dritten geschlossenen Kaufes vorgewendet hätte, wo annebst in diesem Falle auch die auf Scheinhandlungen und Betrug ausgesetzten Strafen über alle Diejenigen, so daran Theil genommen, zu verhängen sind.


(401) [3, 9] §. 141. In welchen Fällen aber der erste Verkaufer nach geschehener Veräußerung der dem Einstande unterworfenen Sache sich dieses seines Rechtes wider den neuen Besitzer gebrauchen könne oder nicht, ist nach dem im §. 13 festgestellten Unterschiede zu entscheiden; wo er sich aber des Einstandrechts wider den dritten Besitzer bedienen kann, da soll er nicht befugt sein, zugleich wider den unbefugten Veräußerer wegen des obberührten achten Theiles eine Foderung zu stellen, sondern ihm soll die Auswahl zustehen, ob er Einen oder den Anderen belangen wolle.

[3, 9] §. 142. Auch soll dem ersten Verkaufer in jenen Fällen, wo ihm nach Maß des §. 13 sein Einstandrecht wider den dritten Besitzer bevorbleibet, dennoch diese Befugniß durch keine längere Zeit zustehen, als, wenn er im Lande gegenwärtig ist, durch sechs Wochen, und wenn er außer diesem Lande abwesend ist, durch drei Monate von dem Tage, da der mit dem zweiten Kaufer geschlossene Contract zur Einverleibung gelanget ist, und binnen dieser Zeit soll er gehalten sein, sowohl den Einstand gerichtlich anzumelden, als auch die obgeordnetermaßen ihm obliegende weitere Verbindlichkeit zu erfüllen.

[3, 9] §. 143. Dieses Recht des Einstands wird von dem Verkaufer nicht allein auf seine Erben, sondern auch auf einen Jeden übertragen, an den er dasselbe abgetreten hat; außer es wäre ausdrücklich bei dem ersten Verkaufe ausbedungen worden, daß es bloserdings dem Verkaufer und keinem Andern eingestanden sein solle.

[3, 9] §. 144. Das Einstandrecht tritt nicht nur bei einem Verkaufe der mit diesem Bedinge erkauften Sache, sondern auch bei allen solchen Handlungen ein, wo diese Sache um einen gewissen Werth an Gelde angeschlagen und hintangelassen wird; dahingegen kann dasselbe, wenn es nicht ausdrücklich weiter erstrecket worden, in allen jenen Veräußerungsfällen, wo für die Sache entweder gar kein Preis oder doch kein in baarem Gelde bestimmter Preis bedungen worden, nicht Platz greifen.

[3, 9] §. 145. Auch wird das Einstandrecht verloren, wenn Derjenige, der sich dasselbe vorbehalten hat, entweder darauf ausdrücklich Verzicht thut, oder in die Veräußerung dieser Sache an einen Dritten durch Unterschreibung des Contracts, oder durch sonst eine Zuthat einwilliget; die alleinige Wissenschaft der vorwaltenden Veräußerung aber, und sein Stillschweigen dazu schadet ihm an seinem Rechte nichts.

[3, 9] §. 146. Das, was Wir bishero von dem aus einem Vertrage herrührenden Einstandrechte geordnet haben, soll auch alsdann die Richtschnur abgeben, wenn ein Erblasser in seinem letzten Willen in Betreff seiner nachgelassenen Sachen auf den Fall, wenn selbe von Demjenigen, dem er sie zugewendet, veräußert werden sollten, Jemanden das Einstandrecht verliehen hat.

[3, 9] §. 147. Wir wollen aber auch durch dieses Unser Gesetz einigen Personen das Recht einräumen, daß, wenn gewisse Sachen zum Verkaufe kommen, und sie Dasjenige, was ein Dritter dafür geben will, ebenfalls zu geben erbötig sind, sie vor dem Dritten den Vorzug haben sollen. Wir wollen aber dieses Recht auf die in diesem Unserem Gesetzbuche benannte Personen dergestalt beschränket haben, daß es außer diesen Niemanden gebühren solle, was immer für ein Gebrauch oder Gewohnheit auch dafür angezogen werden möge.

[3, 9] §. 148. Dieses Recht gebühret dem Kaufer in dem Falle des §. 184, dem Erbzinsherrn in Betreff des Erbzinsgrundes, und einem gemeinschaftlichen Besitzer in Betreff des seinem Mitbesitzer an der Sache zugehörenden Antheiles in jener Maß, wie Wir darüber im vierzehenten und zwanzigsten Capitel mit Mehrerem anordnen werden.

[3, 9] §. 149. Ferner soll auch dem Eigenthümer eines verkauften Grundes alsdann das Einstandrecht gebühren, wenn das für diesen Grund bedungene Kaufgeld dergestalten getheilet worden, daß der Kaufer in verschiedenen wiederkommenden


(402) Fristen jedesmal einen Theil davon unverzinslich bezahlen solle, und der Verkaufer hernach die auf das Kaufgeld noch rückständigen Fristgelder an einen Dritten um eine Summe Geldes verhandlen will; außer wenn diese Ablösung um das von einem Dritten geschehene Anbot dem Eigenthümer des Grundes vorhero angeboten und von ihm ausgeschlagen worden.

[3, 9] §. 150. Insbesondere aber wollen Wir den Anverwandten des Veräußerers jedesmal das Einstandrecht einräumen, wenn ein solches liegendes Gut, welches von dem gemeinschaftlichen Stammvater, oder von der gemeinschaftlichen Stammmutter herrühret, oder ein sogenanntes Stammgut veräußert wird; keineswegs aber soll die Verwandtschaft mit dem Veräußerer allein ein Recht zum Einstande geben, wenn nicht der Anverwandte von jenen Stammeltern in gerader Linie abstammet, von welchen das auf den Veräußerer gelangte Gut erworben worden ist.

[3, 9] §. 151. Nur jenes Gut mag für ein Stammgut gehalten werden, welches wenigstens von den väterlichen oder von den mütterlichen Großeltern sowohl des Veräußerers, als des Anverwandten herrühret. Ist das Gut von dem Vater des Veräußerers zuerst erworben worden, so gebühret dem Enkel des ersten Erwerbers kein Einstandrecht, und wenn der Enkel das von seinem Großvater zuerst erworbene Gut veräußert, so kann der noch lebende Sohn des ersten Erwerbers sich ebenfalls des Einstandrechts nicht gebrauchen.

[3, 9] §. 152. Ferner muß das Gut von den Großeltern des Veräußerers ohnunterbrochen in der Familie geblieben, und auf den Veräußerer gediehen sein. Wenn dahero der Großvater des Veräußerers das Gut an einen Fremden verkaufet und der Vater des Veräußerers dasselbe hernach neuerdings erkaufet hätte, so mag es für kein Stammgut mehr gehalten werden; wenn hingegen das Gut vom Urgroßvater des Veräußerers verkaufet, von dessen Großvater aber wieder erkaufet worden, so hat es in Ansehung der von dem letzten Erwerber abstammenden Nachkömmlinge die Eigenschaft eines Stammguts von Neuem erhalten.

[3, 9] §. 153. Imgleichen wird diese Eigenschaft durch die zwischen Brüdern und Schwestern vorgenommene Erbtheilungen, wie auch durch die zwischen den Nachkömmlingen des ersten Erwerbers von Einem an den Andern vorgegangene Veräußerung niemals verloren; für eine solche von einem Nachkömmlinge des ersten Erwerbers an den Andern vorgegangene Veräußerung ist es aber allezeit zu halten, wenn ein Stammgut zwar unmittelbar einem Fremden verkaufet, doch von dem nächsten Verwandten vermöge des verwandtschaftlichen Einstandrechts wieder eingelöset worden.

[3, 9] §. 154. Unter Mehreren von dem ersten Erwerber des Guts abstammenden Verwandten gebühret der Einstand Demjenigen, der mit dem Veräußerer zum nächsten verwandt ist; für den Nächsten ist aber allezeit Jener anzusehen, der zur Erbfolge des Veräußerers der Nächste wäre, er möge männlichen oder weiblichen Geschlechts sein.

[3, 9] §. 155. Sind mehrere Anverwandte vorhanden, denen zur Erbfolge des Veräußerers ein gleiches Recht gebühret, so sind auch Alle, wenn sie sich behörig anmelden, zum Einstande zuzulassen. Wenn sich aber nur Einer von ihnen meldet, so ist er ganz allein berechtiget, das Gut gegen Erlegung des ganzen Kaufgeldes an sich zu lösen; wollte er hingegen nur den auf ihn ausfallenden Theil des Guts einlösen, so kann der Kaufer keineswegs dazu verhalten werden.

[3, 9] §. 156. Wenn aber der nächste Anverwandte sich entweder nicht meldete, oder des ihm gebührenden Rechts zum Vortheile der weiteren Anverwandten ausdrücklich begeben hätte, so sind diese zum Einstande zuzulassen; doch hat unter denselben wiederum Derjenige allezeit ein vorzügliches und ausschließendes Recht, der bei Abgang des nächsten Verwandten zur Erbfolge des Veräußerers das nächste Recht gehabt haben würde, und wenn schon der nächste Anverwandte sich seines


(403) Rechts zu Gunst eines entfernteren Anverwandten begeben hätte, so kann er doch dadurch dem zwischen ihnen befindlichen näheren Anverwandten an seinem Rechte nicht schaden.

[3, 9] §. 157. Dieses Einstandrecht gebühret dem nächsten Anverwandten nicht nur alsdann, wenn das Gut an einen Fremden, sondern auch, wenn dasselbe an einen weiteren, obgleich von dem ersten Erwerber abstammenden Anverwandten veräußert wird; dahingegen, wenn das Gut an Einen unter mehreren Anverwandten, die zum Einstande ein gleiches Recht haben, verkaufet wird, so können die Anderen wider denselben sich des Einstandrechts nicht anmaßen.

[3, 9] §. 158. Wenn der zum Einstande berechtigte Anverwandte binnen der dazu bestimmten Zeit verstirbt und fremde Erben nachläßt, so fällt dieses Recht nicht ihnen, sondern den weiteren Verwandten des Veräußerers zu; wenn jedoch der verstorbene nächste Anverwandte bereits den Einstand angemeldet und annebst alle vorgeschriebene Erfodernisse erfüllet hätte, so ist der Einstand für gänzlich vollzogen zu halten.

[3, 9] §. 159. Umsoweniger ist ein Anverwandter befugt, das ihm gebührende Einstandrecht durch eine Handlung unter Lebenden an einen Fremden rechtsgiltig abzutreten; für Fremde sind aber Alle zu halten, welche nicht von dem ersten Erwerber des Guts abstammen, wenn sie schon mit dem Veräußerer, oder mit dem das Einstandrecht habenden Anverwandten von einer anderen Seite auch noch so nahe verwandt wären.

[3, 9] §. 160. Wenn auch ein Anverwandter sich des Einstands nicht für sich, und zu seinem eigenen Nutzen, sondern zum Vortheile eines Fremden gebrauchen, oder auch sonst zu Benachtheiligung des Kaufers mit Arglist und Gefährde dabei zu Werke gehen würde, so ist das Gut dem ersten Kaufer wieder auszuantworten, und der Anverwandte soll nicht nur alle dem einen und andern Theile durch den freventlich angemeldeten Einstand verursachte Schäden und Unkösten zu ersetzen schuldig, sondern auch das von ihm, oder von einem Dritten unter seinem Namen für das Gut angebotene Kaufgeld Unserer Kammer verfallen sein.

[3, 9] §. 161. Wir wollen aber zu Ausübung des verwandtschaftlichen Einstandrechts folgende Fristen ausgemessen haben. Wenn der Veräußerer das Gut dem Anverwandten vor geschlossenem Kaufe um den nemlichen Preis und mit den nemlichen Bedingnissen, wie er es an einen Fremden verkaufen will, anbietet, so soll der Anverwandte, wenn er sich des Einstandrechts gebrauchen will, binnen den nächsten vierzehen Tagen von dem Tage der geschehenen Anbietung sich erklären, daß er die nemlichen Bedingnisse des Kaufs erfüllen wolle, auch binnen dieser Zeit von dem Kaufgelde ebenso vieles erlegen, als der fremde Kaufer zu erlegen sich angetragen hat; würde er hingegen allem diesem nicht nachkommen, so soll außer dem Falle einer vom Verkaufer verübten Gefährde, wovon Wir im §. 164 mit Mehrerem anordnen werden, nach Verlauf der vierzehn Tage, sein Einstandrecht gänzlich erloschen sein.

[3, 9] §. 162. Doch sind Wir nicht gesinnet, den Verkaufer eines Stammguts zu dieser vorherigen Anbietung zu verbinden, noch ihn wegen deren Unterlassung in etwas verfänglich zu machen, sondern einem jeden Anverwandten soll selbst obliegen, seine Gerechtsamen in Obacht zu nehmen, und Wir bestimmen ihm dazu von dem Tage, da der mit einem Dritten über das Gut geschlossene Contract zur Einverleibung gelanget ist, wenn er im Lande ist, vier Wochen, wenn er außer dem Lande ist, drei Monate.

[3, 9] §. 163. Binnen dieser Zeit muß der Anverwandte den Einstand gerichtlich anmelden, das ihm dazu gebührende Recht behörig darthun, das vom Kaufer bereits bezahlte Kaufgeld, oder die daran verfallene Frist baar erlegen, und in alle übrigen zwischen dem Kaufer und Verkaufer getroffene Verabredungen eintreten


(404) zu wollen, sich erklären; würde er aber Eines und das Andere nicht behörig befolgen, so ist er mit seinem Gesuche abzuweisen.

[3, 9] §. 164. Könnte jedoch der Anverwandte binnen der ausgemessenen Zeit, oder auch nach deren Verlaufe darthun, daß der für das Gut bedungene Kaufpreis oder die übrigen von dem Verkaufer mit dem Kaufer verabredeten Bedingnisse anderst beschaffen gewesen, als sie angegeben worden, oder daß dabei eine auf seine Verkürzung angesehene Scheinhandlung vorgegangen sei, so soll ihm allezeit freistehen, das Gut gegen Erlag und Erfüllung Desjenigen, was für das Gut wahrhaft gegeben und weiters verabredet worden, an sich zu lösen, und dieser Betrag soll Unserer Kammer verfallen sein.

[3, 9] §. 165. Wenn mehrere Anverwandte das Einstandrecht ausüben wollen, so müssen sie sich Alle, ohne Unterschied, ob sie näher oder weiter verwandt seien, binnen obbestimmter Frist melden, und das ihnen gebührende Einstandrecht erweisen. Der Richter soll aber schleunig erkennen, welcher von ihnen nach der oben im §. 154 angegebenen Vorschrift ein vorzügliches Recht dazu habe, und diesem liegt nach erfolgter Erkanntniß ob, die im §. 163 berührten weiteren Erfodernissen zu erfüllen.

[3, 9] §. 166. Hätte aber Einer von den weiteren Anverwandten binnen der vorgeschriebenen Zeit sich behörig zu melden verabsäumet, so bleibet er von dem Einstande ausgeschlossen, wenn schon der nähere Anverwandte, der sich binnen der Zeit gemeldet, hernach wieder davon abließe, oder wegen ohnerfüllt gelassenen Bedingnissen des Kaufs zurückstehen müßte.

[3, 9] §. 167. Einem jeden Anverwandten stehet aber frei, obwohl er den Einstand angemeldet hätte, gegen Ersatz der dem Gegentheile andurch verursachten Schäden und Unkosten von demselben insolang abzulassen, als ihm das Gut nicht überantwortet, oder der richterliche Spruch, wodurch ihm das Einstandrecht zuerkannt wird, nicht in seine Rechtskräfte erwachsen ist; bis dahin bleibet der Kaufer sowohl, als der Verkaufer noch immerfort an die durch den Kaufcontract übernommene Verbindlichkeit gebunden.

[3, 9] §. 168. Wenn aber der Anverwandte das Gut übernimmt, so ist der Kaufer schuldig, ihm dasselbe in demjenigen Stande, in welchem es ihm übergeben worden, mit allen von Zeit des angemeldeten Einstands davon eingehobenen Nutzungen abzutreten; dahingegen ist der Anverwandte schuldig, dem Kaufer alle des Kaufs halber gehabte Unkosten, wie auch die etwa immittelst zu beharrlicher Erhaltung und Verbesserung des Guts aufgewendete Auslagen zu ersetzen.

[3, 9] §. 169. Hätte auch der Kaufer das Gut während der Einstandzeit weiter verkaufet oder sonst auf was immer für eine Art an einen Anderen veräußert, so schadet es dem Anverwandten an seinem Rechte nicht, sondern er kann dasselbe binnen der behörigen von dem ersten Verkaufe gerechneten Zeit wider einen jeden Besitzer des Guts gegen Erlegung des bei dem ersten Kaufe bedungenen Werths geltend machen.

[3, 9] §. 170. Das anverwandtliche Einstandrecht hat bloserdings bei jenen Veräußerungsarten statt, bei welchen das von dem Verkaufer sich vorbehaltene Einstandrecht nach Ausmessung des §. 144 ausgeübet werden kann; bei einer gerichtlichen Feilbietung eines Stammguts aber kann das Einstandrecht nur insolang angemeldet werden, als dem Eigenthümer dieses Guts selbsten dessen Einlösung freistehet.

[3, 9] §. 171. Nicht minder wird dieses Einstandrecht ebenso durch Verzicht und Einwilligung in die Veräußerung des Stammguts verloren, wie Wir im §. 145 vom ausbedungenen Einstandrechte geordnet haben; doch schadet die Verzicht des einen Anverwandten dem Anderen nicht, obwohl er der Sohn oder Erbe Desjenigen wäre, der die Verzicht geleistet hat, wofern er sich nur in der Zeit meldet und sonst ein Recht dazu hat.


(405) [3, 9] §. 172. Wenn auch ein Anverwandter in die Veräußerung eines Stammguts an einen weiteren von dem ersten Erwerber abstammenden Anverwandten einwilliget, oder wenn er ihm gar das Gut selbst verkaufet hätte, so kann er deme ohngeachtet in dem Falle, wo dieser Anverwandte das Gut hernach weiter an einen Fremden verkaufen wollte, noch immer vor diesem fremden Kaufer den Vorzug fodern.

[3, 9] §. 173. Wenn der über das Stammgut mit einem Fremden geschlossene Kauf noch vor Einverleibung des Contracts aufgehoben wird, so höret auch das Einstandrecht auf; wofern aber der Contract einmal einverleibet, und der Einstand gerichtlich angemeldet worden, können die Contrahenten zum Nachtheile dessen, der den Einstand angemeldet hat, von dem Kaufe nicht mehr abweichen, obwohl sie ausdrücklich übereingekommen wären, daß auf den Fall des Einstands der Kauf null und nichtig sein solle.

[3, 9] §. 174. Bei dem Verkaufe einer Sache kann auch das Beding beigefüget werden, daß, wenn der Kaufer zu gesetzter Zeit das Kaufgeld nicht bezahlen würde, die Sache dem Verkaufer wieder anheim gefallen sein solle, und alsdann erwirbt der Verkaufer die Befugniß, daß er bei nicht erfolgender Bezahlung des Kaufgelds alsogleich die Wiedereinantwortung der Sache sammt den von dem Tage des Contracts davon eingehobenen Nutzungen fodern könne; hätte jedoch der Kaufer einen Theil des Kaufgelds bereits bezahlet, so ist der Verkaufer schuldig, ihm denselben sammt den von dem Tage des Empfangs davon gebührenden Zinsen zurückzustellen.

[3, 9] §. 175. Nachdem die Zeit zu Erlegung des Kaufgelds verflossen, so hilft es dem Kaufer nichts mehr, wenn er auch nachhero dasselbe oder den davon noch rückständigen Theil zu erlegen bereit wäre, und wenn ein Haftgeld gegeben, oder auf den Fall der nicht behörig erfüllten contractmäßigen Verbindlichkeit ein Strafgeld bedungen worden wäre, so wird auch dieses vom Kaufer verwirket.

[3, 9] §. 176. Doch stehet dem Verkaufer auch nach der Verfallzeit noch immer die Auswahl zu, ob er von dem Contracte abgehen, oder dabei beharren wolle. Wenn er aber die Zurückfoderung der Sache gewählet, so ist er nicht mehr befugt, die Erfüllung des Contracts anzubegehren, wenn sich der Kaufer nicht gutwillig dazu einverstehet; wenn er hingegen nachhero das vom Kaufer angebotene rückständige Kaufgeld angenommen, oder denselben darum belanget, oder sonst sich erkläret hätte, daß er bei dem Contracte beharren wolle, so kann er auf den Rückfall der Sache nicht mehr dringen.

[3, 9] §. 177. Dieses Beding kann auch noch dahin erstrecket werden, daß der Kaufer nebst dem Rückfalle der Sache noch Dasjenige ersetzen solle, um was der Verkaufer die Sache hernach wohlfeiler verkaufen würde; doch bestehet es alsdann nur insoweit, als dieser Ersatz mit Einbegriff des vom Kaufer verwirkten Haft- und Strafgeldes den achten Theil des bedungenen Werthes nicht übersteiget.

[3, 9] §. 178. Imgleichen kann der Verkaufer durch einen insbesondere beigefügten Vertrag sich die Befugniß vorbehalten, daß er binnen einer bestimmten Zeit sich um einen besseren Kaufer umsehen, und wenn er einen gefunden hat, demselben die Sache vorzüglich überlassen möge. Ist dieser Vertrag so gefasset worden, daß, wenn binnen der gesetzten Zeit kein besserer Kaufer gefunden würde, alsdann erst der Kauf geschlossen sein solle, so ist es eine verschiebende Bedingniß; lautet er hingegen, daß, wenn binnen der bestimmten Zeit ein besserer Kaufer gefunden würde, alsdann der gegenwärtige Kauf gänzlich aufgehoben sein solle, so ist es eine auflösende Bedingniß.

[3, 9] §. 179. Wenn der Vertrag auf die letztere Art gefasset, und die verkaufte Sache beweglich, oder zwar unbeweglich, doch die beigefügte Bedingniß in dem Contracte selbst nicht enthalten ist, so erwirbt der Kaufer durch die ihm geschehene


(406) Uebergabe oder durch die Einverleibung des Contracts das Eigenthum der Sache; wenn jedoch hernach ein besserer Kaufer gefunden wird, so wird sein gehabtes Eigenthum dergestalten wieder aufgelöset, als ob er es niemalen erworben hätte.

[3, 9] §. 180. Wenn der Kaufer diese Sache während der bestimmten Zeit an einen Dritten veräußert hat, und die Sache entweder beweglich, oder die dazu gesetzte Bedingniß in dem Contracte nicht enthalten ist, so ist Demjenigen nachzugehen, was Wir oben im §. 12 und 13 geordnet haben; wenn hingegen diese Bedingniß bei dem Verkaufe einer unbeweglichen Sache in dem darüber geschlossenen Contracte beigerücket worden, so wollen Wir, daß ein solcher Contract bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht eher zur Einverleibung angenommen werden solle, als bis derselbe nach Verlauf der bestimmten Zeit zu einer unwiderruflichen Verbindlichkeit erwachsen ist.

[3, 9] §. 181. Wäre jedoch in diesem Falle das solchergestalten verkaufte Gut dem Kaufer übergeben worden, so erwirbt er ebenso wie in den Fällen des §. 179 alle vom Tage des Contracts davon abfallende Nutzungen. Nach aufgelösetem Contracte aber muß er nebst der Sache auch die davon behobene Nutzungen zurückstellen; wohingegen der Verkaufer ihm das Kaufgeld sammt den von dem Tage der Zahlung davon gebührenden Zinsen zu ersetzen, und annebst die auf die Sache verwendete nothwendige Auslagen, wie auch alle des Kaufs halber gehabte Unkosten zu vergüten schuldig ist.

[3, 9] §. 182. Wenn die mit einem solchen Vorbehalte verkaufte Sache, sie möge beweglich oder unbeweglich sein, währender beigefügten Zeit bei dem Kaufer zu Grunde gehet oder beschädiget wird, so hat er wie ein anderer Kaufer den Schaden zu tragen; wegen dessen aber, was etwa von einem Dritten mehr für die Sache angeboten worden, kann der Verkaufer nur alsdann an ihn eine Foderung machen, wenn er durch seine Schuld oder Gefährde an dem Untergange oder an der Beschädigung der Sache Ursache gewesen.

[3, 9] §. 183. Für einen besseren Kaufer ist nicht nur Jener zu halten, der für die Sache eine größere Summe Geldes anbietet, sondern auch der die Bezahlung in kürzeren Fristen verspricht, oder der die Erlegung des Kaufgelds an einem bequemeren Orte verheißet oder überhaupt, der dabei solche Bedingnisse eingehet, wovon der Verkaufer einen mehreren Nutzen hat, als von deme, was bei dem ersten Kaufe verabredet worden.

[3, 9] §. 184. Durch das alleinige von dem neuen Kaufer gemachte Anbot jedoch wird der erste Kauf nicht aufgelöset, sondern nur, wenn dasselbe von dem Verkaufer angenommen, und binnen der bestimmten Zeit dem ersten Kaufer zu wissen gemacht worden; würde aber dieser das Nemliche geben, oder die nemlichen Bedingnisse eingehen wollen, wozu ein Dritter sich erboten hat, und dasselbe auf die erhaltene Nachricht alsogleich erklären, so soll er vor dem neuen Kaufer den Vorzug behalten.

[3, 9] §. 185. Dem Verkaufer stehet aber allezeit frei, das ihm gemachte neue Anbot auszuschlagen, und es bei dem ersten Kaufe bewenden zu lassen; außer wenn die Bedingniß zum Vortheile des ersten Kaufers beigesetzet worden wäre, oder sonst das Recht eines Dritten darunter leiden würde.

[3, 9] §. 186. Wenn die Zeit verflossen ist, und während derselben entweder kein besserer Kaufer gefunden, oder von dem Verkaufer nicht angenommen worden, so erwirbt der erste Kaufer an der Sache, wenn sie ihm bereits übergeben worden, sammt den von dem Tage des Contracts davon abgefallenen Nutzungen das unwiderrufliche Eigenthum; wenn ihm aber die Sache noch nicht übergeben war, so muß sie ihm sammt allen ersterwähnten Nutzungen übergeben werden.

[3, 9] §. 187. Wäre hingegen dieser bei dem Verkaufe einer Sache gemachte Vorbehalt als eine aufschiebende Bedingniß gefasset worden, so erwirbt der Kaufer,


(407) wenn ihm schon die Sache vor Verlauf der bestimmten Zeit übergeben worden wäre, weder deren Eigenthum, noch auch kann er, wenn der Kauf hernach zu seiner Kraft gelanget, auf die vor Erfüllung der Bedingniß von der Sache abgefallene Nutzungen einen Anspruch machen, und wenn die Sache binnen dieser Zeit zu Grunde gehet, so gehet sie dem Verkaufer zu Grunde; in allem Uebrigen aber hat Dasjenige, was Wir für den Fall geordnet haben, wo der Vertrag als eine auflösende Bedingniß gefasset ist, auch in dem Falle statt, wo er als eine aufschiebende Bedingniß beigesetzet worden.

[3, 9] §. 188. Die Regel, welche Wir am Ende des §. 180 festgesetzet haben, soll nicht nur in dem Falle beobachtet werden, wovon Wir im vorigen §. gehandlet haben, sondern alle Verträge überhaupt, wodurch der Verkaufer einer unbeweglichen Sache sich an derselben entweder bis zu vollständiger Zahlung des Kaufgelds oder bis zu einer gewissen Zeit das Eigenthum vorbehält, sollen niemals einverleibet werden, als bis der gemachte Vorbehalt durch Bezahlung des Kaufgelds, oder durch Verlauf der Zeit erloschen ist.

[3, 9] §. 189. Außer jenen Arten, wodurch nach Ausmessung Unserer im ersten Capitel enthaltenen allgemeinen Anordnungen alle Verträge überhaupt entkräftet werden, wollen Wir dem Kaufer sowohl, als dem Verkaufer auch noch alsdann ein rechtliches Hilfsmittel eingestehen, wenn Einer oder der Andere bei dem Kaufe oder Verkaufe verkürzet worden ist. Wenn der Preis einer Sache durch obrigkeitliche Satzung festgestellet ist, so soll dem verkürzten Theile nach Maß des §. 25 allezeit Hilfe geleistet werden; bei jenen Sachen hingegen, deren Preis von der willkürlichen Bestimmung der Contrahenten abhängt, wollen Wir, doch mit Ausnahme des besonderen im §. 24 berührten Falles, wegen einer erlittenen Verkürzung sonst keine Klage zulassen, als wenn dabei folgende zwei Erfordernissen zusammentreffen.

[3, 9] §. 190. Erstens soll der klagende Theil darthun, daß er über die Hälfte des wahren Werths der Sache verkürzet worden sei. Eine solche Verkürzung ist bei dem Kaufer alsdann vorhanden, wenn er eine Sache, die nicht hundert Gulden werth ist, um zweihundert Gulden erkaufet hat; bei dem Verkaufer aber, wenn er eine Sache, die mehr als zweihundert Gulden werth ist, um hundert Gulden verkaufet hat.

[3, 9] §. 191. Zweitens wollen Wir zwar bei unbeweglichen Sachen nichts mehr erfodern, als daß der klagende Theil über die Hälfte des wahren Werthes verkürzet worden sei; allein bei beweglichen Sachen soll der Verkaufer wegen einer erlittenen Verkürzung sonst nicht mit einer Klage gehöret werden, als wenn der wahre Werth der verkauften Sache sich wenigstens auf hundert Gulden rheinisch belaufet, und der Kaufer sonst nicht, als wenn derjenige Betrag, den er für die Sache über deren wahren Werth gegeben, sich wenigstens auf hundert Gulden rheinisch erstrecket.

[3, 9] §. 192. Doch ist der Unterschied zu machen, ob die erlittene Verkürzung aus einer geflissentlichen Gefährde des einen Contrahenten, und aus dessen Vorsatze den Andern zu betrügen, oder aus einer übertriebenen Klugheit im Handel herrühre. Kann der verkürzte Theil eine geflissentliche Gefährde des Gegentheils erweisen, so bedarf er dieses Hilfsmittels nicht, sondern es hat ohne Rücksicht auf die im §. 190 und 191 vorgeschriebene Erfodernissen bei der im ersten Capitel, §. 32, gesetzten allgemeinen Regel sein Bewenden; rühret aber die Verkürzung blos aus einer übertriebenen Klugheit im Handel her, so muß der verkürzte Theil sich des gegenwärtigen Hilfsmittels gebrauchen.

[3, 9] §. 193. Wir verstatten also dem über die Hälfte des Werthes verkürzten Kaufer und Verkaufer entweder durch eine besondere Klage, wenn er den Contract bereits erfüllet hat, oder durch eine Einwendung, wenn er von dem andern Theile zur Erfüllung des Contracts belanget wird, den Gegentheil dahin anzuhalten,


(408) daß derselbe die Ungleichheit in Gelde ersetzen, oder Dasjenige, was er empfangen, zurückgeben, und Dasjenige, was er gegeben, zurücknehmen solle.

[3, 9] §. 194. Wird diese Rechtshilfe von dem verkürzten Theile durch eine besondere Klage gesucht, so muß selbe, wenn es ein liegendes Gut betrifft, allezeit bei jenem Gerichte angebracht werden, unter dessen Gerichtsbarkeit das Gut gelegen ist. Bei einer beweglichen Sache hingegen ist die Klage vor jenem Gerichte anzustrengen, deme der Beklagte untergeben ist; außer es beträfe solche Sachen, worüber Wir die Erkanntniß einer gewissen Gerichtsstelle mit Ausschließung aller übrigen eingeraumet haben.

[3, 9] §. 195. Die Verkürzung muß aus dem Verhältnisse des wahren Werthes der Sache mit Demjenigen, was dafür gegeben, oder zu geben bedungen worden, erprobet werden. Dem verkürzten Theile liegt also ob, den Betrag des für die Sache bedungenen Kaufgelds durch ordentliche Beweismittel, den Werth der Sache aber durch deren gerichtliche Schätzung zu erweisen. Zu diesem Ende soll derselbe schuldig sein, gleich bei Einreichung der Klage oder Vorschützung der Einwendung die gerichtliche Schätzung der Sache anzuverlangen, und das Gericht soll selbe, wenn der Gegentheil nichts Erhebliches dagegen vorbringen könnte, ohnverweilt auf die in Unserer Gerichtsordnung vorgeschriebene Art vornehmen.

[3, 9] §. 196. Bei dieser Schätzung soll aber keineswegs auf die besondere Neigung und Anständigkeit des einen oder des anderen Contrahenten gesehen, noch der höchste oder der niedrigste Anschlag in Betrachtung gezogen, sondern der mittlere Anschlag zu Grunde geleget, und anbei auf alle der Sache anklebende Eigenschaften, wodurch deren Werth vermehret wird, gleichwie auch auf alle Lasten und Unbequemlichkeiten, wodurch der Werth der Sache vermindert wird, behörige Rücksicht getragen werden.

[3, 9] §. 197. Auch ist bei der Schätzung bloserdings auf jenen Preis zu sehen, den die Sache an dem Orte, wo der Contract geschlossen worden, und zu jener Zeit, da der Contract geschlossen worden, gehabt hat. Wenn dahero eine Sache, obgleich durch zufällige und plötzliche Ursachen über die Hälfte ihres Werthes herabgefallen, oder über ihren wahren Werth mehr als doppelt im Preise gestiegen wäre, so kann Derjenige, der die Sache zu einer solchen Zeit so hoch gekaufet, oder so niedrig verkaufet hat, sich über keine Verkürzung beklagen, und noch weniger kann darüber geklaget werden, wenn die in ihrem wahren Werthe gekaufte oder verkaufte Sache gleich hernach durch derlei plötzliche Ursachen so hoch gestiegen oder so tief gefallen wäre.

[3, 9] §. 198. Die Regel des vorigen §. hat auch bei dem innerlichen Werthe der Sache statt, und wenn dieselbe nach geschlossener Handlung durch Unglücksfälle, oder wegen ihrer eigenen Beschaffenheit ihren Werth verloren, oder wenn sie im Gegentheile durch erhaltene Zuwächse, neu entdeckte fruchtbringende Eigenschaften, oder aus anderen Ursachen einen höheren Werth erhalten hätte, so kann dieses in keine Betrachtung kommen.

[3, 9] §. 199. Wenn mehrere Sachen zusammen in Pausch und Bogen verkaufet worden, so hat das Gericht nicht darauf zu sehen, ob einige Sachen unter der Hälfte ihres wahren Werthes, oder über ihren doppelten Werth angesetzet worden, sondern eine Verkürzung über die Hälfte des wahren Werthes ist nur alsdann vorhanden, wenn der für alle Sachen zusammen bedungene Kaufpreis den wahren Werth aller Sachen zusammen genommen nicht zur Hälfte erreichet, oder mehr als doppelt übersteiget.

[3, 9] §. 200. Ist eine Verkürzung über die Hälfte des wahren Werthes erprobet worden, so ist der Beklagte zu Ersetzung dieses dem anderen Contrahenten verursachten Schadens anzuhalten; ihm gebühret aber die Auswahl, ob er bei dem Contracte verharren, und den verkürzten Theil in Gelde schadlos halten, oder


(409) ob er mit Zurückstellung des Empfangenen und Zurücknehmung des Gegebenen von dem Contracte abgehen wolle.

[3, 9] §. 201. Diese Auswahl kann dem Beklagten nicht benommen werden, wenn schon der Kläger seine Klage blos auf Eines von Beiden gestellet hätte; außer es wäre bei Schließung des Contracts bereits festgesetzet worden, wie es auf diesen Fall gehalten werden solle, oder die Sache wäre in einen solchen Zustand versetzet, daß nur Eines von Beiden in Erfüllung gebracht werden könnte.

[3, 9] §. 202. Wählet der Beklagte die Vergütung der Ungleichheit, so muß er, wenn es der Kaufer ist, so vieles an Gelde nachtragen, als die gerichtliche Schätzung ausweiset, und wenn es der Verkaufer ist, so vieles zurückstellen, als er über den gerichtlich geschätzten Werth für die Sache empfangen hat; sowohl in einem als dem andern Falle aber ist er schuldig, die hinausbezahlte Summe von dem Tage der erhobenen Klage an zu verzinsen.

[3, 9] §. 203. Wählet hingegen der Beklagte die Aufhebung des ganzen Contracts, so wird die Handlung in einen solchen Stand versetzet, als ob sie niemals geschlossen worden wäre. Der Verkaufer muß also das Kaufgeld mit allen von der Zeit des Empfangs davon verfallenen Zinsen, und der Kaufer die Sache mit allen davon behobenen Nutzungen, Zuwächsen und Zubehörungen zurückstellen. Die auf den Kauf, und sowohl auf die Einverleibung, als auf die Auslöschung des Contracts aufgegangene Unkosten aber fallen demjenigen Theile, der den Andern verkürzet hat, allezeit zur Last.

[3, 9] §. 204. Der Kaufer ist jedoch berechtiget die von dem Grunde bezahlten Steuern und andere Haftungen von den Nutzungen der Sache abzuziehen, und wenn diese nicht hinreichen, deren Vergütung von dem Verkaufer zu fodern; gleichwie gegentheils der Verkaufer die von dem Kaufer durch seine Schuld einzuheben unterlassene Nutzungen von den Zinsen des Kaufgelds, und wenn diese nicht zureichen, von dem Kaufgelde selbst abzunehmen befugt ist.

[3, 9] §. 205. Wenn der Verkaufer der verkürzte Theil ist, der Kaufer aber die Sache während seines Besitzes verpfändet, oder sonst beschweret hat, so kann der Verkaufer nicht verhalten werden, die Sache mit diesen Haftungen zu übernehmen, sondern der Kaufer ist schuldig, sie davon zu befreien, oder wenn er dieses nicht wollte, der Verkaufer jedoch die Befreiung der Sache durch Zurückhaltung des Kaufgelds selbst erwirken könnte, so soll es ihm freistehen, von demselben, soviel als die Haftung beträgt, zurückzuhalten.

[3, 9] §. 206. Könnte aber die Sache auch auf diese Art nicht befreiet werden, oder wenn der Kaufer die Sache an einen Dritten veräußert, oder sonst zu derselben Untergange durch seine Schuld oder Saumsal Anlaß gegeben hätte, so soll derselbe das Recht der Auswahl verlieren, und der Verkaufer lediglich auf die Ergänzung des rechten Werths anzudringen befugt sein, insoweit er denselben durch andere rechtsbeständige Proben darzuthun vermag.

[3, 9] §. 207. Wenn hingegen der Kaufer der verkürzte Theil ist, und die Sache indessen veräußert, oder verpfändet hat, so schadet es ihm nicht, wofern er nur dem Verkaufer auf den Fall, da dieser die Zurückstellung der Sache begehren würde, dieselbe ohnbeschwert zurückzugeben im Stande ist; könnte er aber dieses nicht, oder die Sache wäre durch seine Schuld oder Saumsal zu Grunde gegangen, so mag er an den Verkaufer keinen weiteren Anspruch machen.

[3, 9] §. 208. Wäre aber die Sache ohne Schuld des Besitzers ganz zufälliger Weise zu Grunde gegangen, so kann der Kaufer, wenn er der verkürzte Theil ist, deme ohngeachtet von dem Verkaufer die für die Sache bezahlte Uebermaß zurückfodern; wenn hingegen der Verkaufer der verkürzte Theil ist, so kann er wider den Kaufer wegen der Verkürzung keine Klage mehr führen.

[3, 9] §. 209. Die Klage wegen übermäßiger Verkürzung soll, wenn es um ein liegendes Gut zu thun ist, innerhalb drei Jahren von dem Tage, da der Contract


(410) zur Einverleibung gelanget ist, und wenn es eine bewegliche Sache ist, innerhalb sechs Wochen von dem Tage, da die Sache übergeben worden, angebracht werden; nach dem Verlaufe dieser Zeit soll selbe, wenn sie gleich als eine Einrede angebracht werden wollte, gänzlich erloschen sein.

[3, 9] §. 210. Bei gerichtlich geschlossenen Käufen, und bei jenen Käufen, wovon Wir im §. 5 und den folgenden geordnet haben, findet keine Klage wegen einer Verkürzung statt, noch auch in dem Falle, wo Jemand verpflichtet ist, eine Sache so und nicht anderst zu kaufen oder zu verkaufen, als da ein Erblasser seine Erben dahin verbunden hätte, einer benannten Person eine gewisse Sache in diesem und keinem höheren Werthe zu verkaufen, oder von einer benannten Person eine Sache in einem bestimmten, und nicht niedrigeren Preise zu erkaufen.

[3, 9] §. 211. Wenn auch Jemand zur Zeit des Contracts den wahren Werth einer Sache gewußt hat, und dieses vom Gegentheile erwiesen werden kann, so mag er, obschon er diese Sache um einen mehr als doppelt höheren Preis gekaufet hat oder unter der Hälfte ihres Werthes verkaufet hat, über keine Verkürzung klagen, sondern es soll dafür gehalten werden, daß er die Uebermaß habe verschenken wollen; außer wenn Jemand durch einen Nothfall gezwungen, seine Sache soweit unter ihrem wahren Werthe zu verkaufen bemüssiget gewesen ist.

[3, 9] §. 212. Durch eine gethane Verzicht wird diese Klage nur alsdann aufgehoben, wenn die Verzicht ausdrücklich auf diese Klage lautet; dahingegen wenn der verkürzte Theil durch eine allgemeine Verzicht sich aller ihm zukommen mögenden Rechtswohlthaten begeben hätte, so wird andurch diese Klage nicht ausgeschlossen.

[3, 9] §. 213. Wir wollen auch dem Kaufer noch in jenen Fällen eine rechtliche Hilfe angedeihen lassen, wenn die erkaufte Sache mit unvorgesehenen heimlichen Mängeln dergestalten behaftet ist, daß andurch deren Gebrauch oder Genuß ganz oder zum Theile verhindert wird; es muß aber ein Mangel einer natürlichen oder solchen Eigenschaft sein, welche der Verkaufer in dem Contracte ausdrücklich gewähret hat.

[3, 9] §. 214. Nicht nur jene Eigenschaften der verkauften Sache sind für ausdrücklich gewähret anzusehen, wovon der Verkaufer sich ausdrücklich erkläret hat, daß er dafür stehen wolle, sondern auch, wenn der Kauf auf die mit einer gewissen Eigenschaft benannte Sache geschlossen, oder wenn diese Eigenschaft in dem Inhalte des Contracts oder in einer anderen Schrift, worauf sich der Contract beziehet, ausgedrücket worden. Wenn hingegen der Verkaufer seine Sache blos lobt und herausstreichet, um sie desto besser an Mann zu bringen, so ist er nicht schuldig, für die angerühmten Eigenschaften zu stehen.

[3, 9] §. 215. Wenn die gekaufte Sache mit einem Mangel einer natürlichen Eigenschaft behaftet, und dieser Mangel dergestalten verborgen gewesen, daß er auch durch genaue Untersuchung der Sache nicht hat entdecket werden können, so wird der Verkaufer allezeit dafür verfänglich, wenn er sich gleich ausdrücklich verwahret hätte, daß er für keinen Mangel stehen wolle; wäre hingegen der Mangel offenbar, oder durch den Augenschein ganz leicht zu erforschen gewesen, so hat der Kaufer seiner eigenen Schuld zuzuschreiben, daß er die mit diesem Mangel behaftete Sache gekaufet habe.

[3, 9] §. 216. Wenn aber ein Mangel zwar nicht offenbar, doch auch nicht so verborgen ist, daß er nicht durch genaue Besichtigung der Sache hätte entdeckt werden können, so hat der Verkaufer ebenfalls nicht dafür zu stehen; hätte jedoch derselbe sich zu Hintergehung des Kaufers arglistiger und unerlaubter Kunstgriffe bedienet, oder den Kaufer versichert, daß die Sache von diesem Mangel frei sei, so muß er dafür haften, wenn schon von Seite des Kaufers ein Mangel der gebührenden Vorsicht mit unterliese.

[3, 9] §. 217. Auch muß der Mangel von solcher Wichtigkeit und Beharrlichkeit sein, daß er entweder gar nicht, oder nicht anderst, als mit vieler Beschwerlichkeit


(411) und großem Aufwande verbessert werden kann; wegen geringer zeitlicher Mängel hingegen, welche entweder für sich selbst wieder vergehen, oder von welchen die Sache mit leichter Mühe befreiet werden kann, mag der Verkaufer nicht angefochten werden.

[3, 9] §. 218. Dem Kaufer liegt aber der Beweis ob, daß die Sache schon zur Zeit des Contracts mit diesem Mangel behaftet gewesen. Wenn jedoch der Mangel gleich nach dem Contracte bemerket würde, oder wenn ein erkauftes Vieh binnen drei Tagen nach geschlossenem Kaufe, es sei vor oder nach geschehener Uebergabe, umstünde, und dieses durch die nachherige Besichtigung von einem verborgenen Mangel herzurühren befunden würde, so tritt die Vermuthung ein, daß selbes schon zur Zeit des Contracts damit behaftet gewesen, wenn der Verkaufer nicht das Gegentheil zu erweisen vermag.

[3, 9] §. 219. Wenn der Mangel die ganze Sache unbrauchbar macht, oder sonst von der Beschaffenheit ist, daß der Kaufer, wenn er ihn vorgesehen hätte, die Sache niemals gekaufet haben würde, so ist derselbe befugt, die gänzliche Aufhebung des Contracts anzubegehren. Wenn aber der Mangel den Gebrauch der Sache nur zum Theile hindert, und der Kaufer, wenn er diesen Mangel gewußt, die Sache zwar gekaufet, doch nicht soviel dafür gegeben hätte, so hat er das Recht, die Verminderung des Kaufgelds auf jenen Betrag anzuverlangen, den er für diese Sache mit Vorwissen des Fehlers gegeben haben würde.

[3, 9] §. 220. Wenn der Kaufer auf die gänzliche Vernichtung des Contracts dringet, so muß er dem Verkaufer die Sache mit allen Nutzungen, Zuwächsen und Zugehörungen zurückstellen. Der Verkaufer hingegen ist schuldig, ihm das Kaufgeld sammt den von dem Tage des Empfangs verfallenen Zinsen zurückzugeben, die auf die beharrliche Erhaltung der Sache gemachten Auslagen zu vergüten, und alle gehabten Schäden und Unkosten zu ersetzen.

[3, 9] §. 221. Könnte der Kaufer erweisen, daß der an der Sache befindliche Mangel dem Verkaufer vor dem Verkaufe wohl bewußt gewesen, so soll er berechtiget sein, von demselben, ohne wegen des ihm zugegangenen Schadens einen Beweis zu führen, blos zu seiner Entschädigung den achten Theil des für die Sache bedungenen Kaufgelds zu fodern; wäre ihm aber durch die mangelhafte Sache ein so großer Schaden zugegangen, daß derselbe diesen achten Theil überstiege, so bleibt ihm bevor, mit dessen Erweisung den ganzen Ersatz anzuverlangen.

[3, 9] §. 222. Sind mehrere Sachen zusammen für einen überhaupt bedungenen Preis gekaufet worden, so können selbe, wenn auch nur eine einzige Sache darunter mangelhaft wäre, alle zusammen zurückgestellet werden; ist aber der Preis auf ein jedes Stück insbesondere ausgesetzet, so ist der Kaufer blos befugt, das Mangelhafte zurückzustellen.

[3, 9] §. 223. Wären aber mehrere Sachen zusammen in Pausch und Bogen, und so wie sie liegen und stehen, verkaufet worden, so ist dafür zu halten, daß das Gute mit dem Schlechten und Mangelhaften habe angebracht werden wollen, und Eines mit dem Anderen ersetzet worden sei. Der Kaufer mag also sonst nicht mit einer Klage gehöret werden, als wenn der Verkaufer eine gewisse Eigenschaft aller Stücke ausdrücklich gewähret hat, und diese dabei nicht vorhanden ist.

[3, 9] §. 224. Wenn die mangelhafte Sache von dem Kaufer während seiner Besitzzeit verpfändet, oder sonst behaftet worden, so ist der Verkaufer nicht eher schuldig, selbe zurückzunehmen, oder das Kaufgeld herauszugeben, als bis der Kaufer selbe von dieser Haftung wieder gänzlich befreiet hat.

[3, 9] §. 225. Dringet hingegen der Kaufer auf die Verminderung des Kaufgelds, so ist der Verkaufer verbunden, ihm so viel, als die Sache wegen des dabei gefundenen Mangels nach dem Verhältnisse des dafür bedungenen Preises von dem Gerichte geringer geschätzet werden wird, sammt den von dem Tage des Empfangs davon laufenden Zinsen zurückzustellen, oder wenn das Kaufgeld noch in den


(412) Händen des Kaufers wäre, sich mit dem gerichtlich geschätzten Werthe der Sache zu begnügen, und annebst alle Schäden und Unkosten zu ersetzen.

[3, 9] §. 226. Wenn es sich von einer unbeweglichen Sache handlet, und der Mangel von der Beschaffenheit ist, daß der Kaufer die Vernichtung des ganzen Contracts ansuchen könnte, so stehet ihm die Auswahl zu, ob er sich dieses Rechts gebrauchen, oder blos auf eine Herabsetzung des Kaufpreises dringen wolle; wenn er jedoch dieses Letztere wählet, so hat der Verkaufer abermals die Auswahl, ob er nicht lieber das ganze Kaufgeld zurückstellen, und die verkaufte Sache wieder übernehmen wolle.

[3, 9] §. 227. Wenn hingegen der bei einer unbeweglichen Sache vorgefundene Mangel nur einen Theil derselben unbrauchbar macht, so kann weder der Kaufer auf die gänzliche Vernichtung des Contracts dringen, noch auch der Verkaufer anstatt der dem Kaufer gebührenden Uebermaße des Kaufgelds die Zurückstellung der Sache anverlangen.

[3, 9] §. 228. Bei beweglichen Sachen aber soll es allezeit und ohne Unterschied, der Mangel möge die Sache ganz oder zum Theile unbrauchbar machen, in der Willkür des Kaufers beruhen, ob er die Vernichtung des Contracts oder die Herabsetzung des Kaufgelds ansuchen wolle; wenn er aber die Herabsetzung des Kaufgelds ansuchet, so soll es auch für allgemein in der Willkür des Verkaufers beruhen, ob er nicht lieber von dem ganzen Contracte abgehen wolle.

[3, 9] §. 229. Die Klage möge aber auf Eines oder das Andere gerichtet sein, so soll der Kaufer einer unbeweglichen Sache damit nicht länger gehöret werden, als wenn er sie binnen einem Jahre von dem Tage, da der Contract einverleibet worden, anbringt, und bei beweglichen Sachen soll die Befugniß, diese Klage zu erheben, nicht länger dauern, als durch acht Tage von dem Tage der geschehenen Uebergabe.

[3, 9] §. 230. Wenn jedoch der Kaufer dem Verkaufer eine bewegliche Sache bereits außergerichtlich zurückgegeben, und dieser selbe zurückgenommen hätte, ohne dabei ausdrücklich zu erklären, daß es in keiner andern Absicht geschehe, als um die Sache vor Schaden und Untergange zu bewahren, oder da er sich auch solchergestalten erkläret hätte, wenn er nicht dem Kaufer binnen den nächsten acht Tagen die Sache gerichtlich oder außergerichtlich zurückstellet, so ist die Vermuthung wider ihn, daß er in die Aufhebung des Contracts gewilliget habe, und der Kaufer kann auch nach Verfließung der obbestimmten Frist die Zurückstellung des Kaufpreises sammt den von dem Tage der zurückgestellten Sache laufenden Zinsen anbegehren.

[3, 9] §. 231. Beide Klagen hören aber auf, wenn der Kaufer sich derselben ausdrücklich verziehen hat, wie auch, wenn die Sache bei ihm mit oder ohne seine Schuld, doch durch einen andern Zufall, als durch ihren heimlichen Mangel zu Grunde gegangen wäre; wie es aber im Falle einer vom Kaufer indessen geschehenen Veräußerung zu halten, und bei welchem Gerichte diese Klagen anzubringen seien, desfalls soll eben jenes beobachtet werden, was Wir im Falle einer übermäßigen Verkürzung im §. 194 und 207 festgesetzet haben.

[3, 9] §. 232. Wenn der Kaufcontract dergestalten dunkel gefasset ist, daß das Wesentliche des Cotracts selbst nicht daraus entnommen werden kann, als da man nicht entscheiden könnte, welche Sache verkaufet, oder was für ein Kaufgeld dafür bedungen worden, so soll keine Auslegung des vermutheten Willens der Contrahenten zugelassen, sondern der Contract null und nichtig sein; wenn aber die Dunkelheit nicht die wesentlichen Erfordernisse des Contracts betrifft, so ist die Auslegung nach jenen Regeln zu machen, die Wir am Ende des ersten Capitels vorgeschrieben haben.


(413) Zehentes Capitel.

Vom Tauschcontracte.

[3, 10] §. 1. Wenn Jemand mit einem Andern dahin übereinkommt, daß er ihm eine gewisse Sache eigenthümlich überlassen wolle, und der Andere ihm dagegen eine andere Sache eigenthümlich überlassen solle, so ist dieses ein Tauschcontract.

[3, 10] §. 2. Dem Tauschcontracte stehet es nicht im Wege, wenn schon ein Contrahent nebst der Sache dem Andern auch noch eine Zulage an Geld zu geben sich verbindet, wofern nur die Hauptabsicht der Contrahenten dahingehet, daß eine Sache für die andere gegeben werden solle.

[3, 10] §. 3. Ein jeder von den Contrahenten ist in Ansehung derjenigen Sache, die er dem Andern zu geben verspricht, für einen Verkaufer, und in Ansehung derjenigen Sache, die der andere Contrahent ihm zu geben verheißet, für einen Kaufer anzusehen. Einem jeden Contrahenten liegen also gegen den Andern in Ansehung jener Sache, die er demselben geben muß, alle jene Verbindlichkeiten ob, die nach Ausmessung desse, was Wir im vorigen Capitel geordnet haben, einem Verkaufer obliegen; dahingegen erwirbt ein jeder Contrahent in Ansehung jener Sache, die ihm der Andere zu geben schuldig ist, alle jene Gerechtsamen, die nach Ausmessung des vorigen Capitels einem Kaufer gebühren, und wenn nebst der Sache auch noch eine Zulage an Geld bedungen worden, so nimmt selbe alle Eigenschaften an, die Wir im vorigen Capitel dem Kaufgelde beigeleget haben.

[3, 10] §. 4. Wenn die vertauschte Sache nach geschlossenem Contracte vor erfolgter Uebergabe durch Zufall zu Grunde gehet, so hat alles Dasjenige statt, was Wir in Ansehung einer verkauften Sache im vorigen Capitel, §§. 71 bis 78, festgesetzet haben, und wenn Derjenige, der die Sache zu übergeben schuldig ist, diese seine Verbindlichkeit durch seine Schuld oder Gefährde nicht erfüllen kann, so ist sowohl wegen Zurückstellung des Empfangenen, als wegen der dem andern Theile gebührenden Entschädigung der Anordnung des vorigen Capitels, §. 62, nachzugehen.

[3, 10] §. 5. Auch können bei einem Tauschcontracte alle jene Verträge hinzugefüget werden, welche bei einem Kaufe und Verkaufe zulässig sind, und bei einem jeden derselben soll eben jenes in der behörigen Maß beobachtet werden, was Wir dabei im vorigen Capitel geordnet haben.

[3, 10] §. 6. Wenn auch die eingetauschte Sache mit einem heimlichen Mangel einer natürlichen oder von dem andern Contrahenten ausdrücklich gewährten Eigenschaft behaftet ist, so hat Derjenige, der diese Sache erhalten, das Recht, auf die im vorigen Capitel geordnete Art die Aufhebung des Contracts anzubegehren, und alsdann muß er die mangelhafte, der andere Contrahent aber die dagegen empfangene Sache mit allen Zugehörungen und davon behobenen Nutzungen zurückstellen, und wenn einer oder der andere Theil nebst der Sache auch noch eine Zulage an Geld erhalten, so muß er auch von diesem Gelde die vom Tage des Empfangs gebührende Zinsen entrichten.

[3, 10] §. 7. Es ist aber nicht nothwendig, daß die durch den Tausch hinweggegebene und die dagegen eingetauschte Sache von einem gleichen Werthe seien, sondern es ist dafür zu halten, daß einer oder der andere Contrahent durch eine vorzügliche auf des Anderen Sache geworfene Neigung bewogen worden sei, zu deren Erlangung die seinige hinzugeben.

[3, 10] §. 8. Wenn jedoch bei den gegeneinander vertauschten Sachen das gleiche Verhältniß des Werthes als eine Bedingniß der Handlung deutlich hinzugesetzet worden, oder wenn die beiderseitigen Sachen in einem gewissen Werthe angeschlagen, oder wenn nicht von beiden Seiten blos Sache gegen Sache vertauschet, sondern


(414) von einer oder der andern Seite nebst der Sache auch noch eine Zulage an Geld bedungen worden, so ist zu urtheilen, daß die Contrahenten ihr Augenmerk vorzüglich auf einen gleichen Werth zwischen der vertauschten und eingetauschten Sache gerichtet haben.

[3, 10] §. 9. Ist der getroffene Tausch von dieser letzteren Art, so stehet Demjenigen, der dabei über die Hälfte des wahren Werthes verkürzet worden, eben jenes Rechtsmittel offen, womit Wir einem solchergestalten verkürzten Kaufer nach Maß des vorigen Capitels zu Hilfe kommen; bei einem Tausche von der ersten Art hingegen kann wegen einer Verkürzung keine Klage geführet werden, außer bei einem zugleich vorwaltenden Betruge oder Irrthum, in welchen Fällen Unsere allgemeine Anordnungen im ersten Capitel Platz greifen.

[3, 10] §. 10. Wenn ein Contrahent dem Andern die Sache übergeben hat, so erwirbt dieser allezeit das Eigenthum derselben, und mag dabei auf den im vorigen Capitel, §. 59, gemachten Unterschied, ob die Verbindlichkeit des andern Contrahenten bereits erfüllet oder noch unerfüllet sei, und ob demselben desfalls geborget worden oder nicht, keine Rücksicht genommen werden; in allem Uebrigen aber, auch was Wir oben nicht besonders berühret haben, ist dieser Contract nach den bei dem Kaufe und Verkaufe im vorigen Capitel festgestellten Grundsätzen zu beurtheilen.

Eilftes Capitel.

Vom Schätzungscontracte.

[3, 11] §. 1. Wenn Jemand einem Andern eine Sache in einem bestimmten Preise und mit dem Bedinge zum Verkaufe übergiebt, daß er entweder diese Sache unverletzt und unschadhaft zurückstellen, oder den bestimmten Preis dafür bezahlen solle, und wenn der Andere diese Sache mit einem solchen Bedinge übernimmt, so ist es ein Schätzungscontract.

[3, 11] §. 2. Wenn eine Sache Jemanden ohne Bestimmung eines Preises gegeben wird, um selbe um einen billigen Preis, oder so gut er sie an Mann bringen kann, zu verkaufen, oder wenn ihm die Sache zwar um einen geschätzten Preis zum Verkaufe gegeben wird, die Schätzung aber blos deswegen geschiehet, damit der Uebernehmende wissen möge, um was für einen Preis er die Sache weggeben könne, so ist es kein Schätzungscontract, und dieses ohne Unterschied, ob dem Uebernehmenden für seine Bemühung ein gewisser Lohn, oder ein Antheil an dem Kaufgelde, oder ein Theil des Ueberschusses, um welchen er die Sache über den geschätzten Preis höher anbringen wird, oder auch gar nichts versprochen worden.

[3, 11] §. 3. Umsoweniger ist es ein Schätzungscontract, wenn die Schätzung entweder blos als eine Vorbereitung und in der Absicht einen andern Contract zu schließen, oder auch zu dem Ende vorgenommen wird, damit der Werth der Sache auf den Fall, wo es auf dessen Ersatz ankommt, keinem Zweifel unterliegen möge, oder wenn die Sache zwar um einen gewissen Preis zum Verkaufe angeschlagen, allein um eben diesen geschätzten Preis dem Uebernehmenden alsogleich überlassen wird.

[3, 11] §. 4. Auch macht die alleinige Einwilligung in den Schätzungscontract Niemanden verbindlich, sondern obwohl beide Contrahenten sich vereiniget hätten, daß der Eine die Sache auf die im §. 1 berührte Art übergeben, und der Andere selbe auf diese Art übernehmen wolle, so kann doch ein jeder Theil davon abweichen, insolang die Sache nicht wirklich übergeben, oder der Werth dafür erleget worden.


(415) [3, 11] §. 5. Sobald aber die Sache übergeben worden, so wird der Uebernehmende andurch verbunden, die Sache selbst zurückzustellen, oder den bei der Uebergabe festgesetzten Preis dafür zu zahlen, und wenn die Sache nachhero bei dem Uebernehmenden, obgleich durch blosen Zufall, zu Grunde gegangen oder beschädiget worden, so gereichet es ihm zum Schaden, und er ist schuldig, dem andern Contrahenten den bestimmten Preis für die Sache zu entrichten.

[3, 11] §. 6. Wenn aber die Sache bei dem Uebernehmenden noch unverletzt vorhanden ist, so kommt ihm die Auswahl zu, ob er die Sache selbst zurückstellen, oder den dafür bedungenen Preis entrichten wolle, und Derjenige, der ihm die Sache zum Verkaufe gegeben hat, muß sich mit Einem oder den Andern begnügen.

[3, 11] §. 7. Wählet der Uebernehmende die Zurückstellung der Sache, so muß er nebst derselben auch alle davon eingehobene Nutzungen ersetzen. Dahingegen wenn er auf die zum Verkaufe übernommene Sache einigen Aufwand gemachet, oder ihm dadurch ein Schaden zugefüget worden, so ist Derjenige, der die Sache zum Verkaufe gegeben hat, ihm denselben zu vergüten schuldig; doch soll in diesem Falle alles jenes beobachtet werden, was Wir im fünften Capitel, §§. 27, 28, 29, in Betreff der Art und Weise, wie dem Entlehner einer fremden Sache die ihm gebührende Entschädigung anzusuchen obliegen solle, geordnet haben.

[3, 11] §. 8. Wählet aber der Uebernehmende die Zahlung des bestimmten Preises, so gebühren ihm alle von der Sache seit der an ihn geschehenen Uebergabe abgefallene Nutzungen, gleichwie auch Dasjenige, um was er die Sache höher verkaufet hat; doch ist er in diesem Falle nicht befugt, wegen des auf die Sache gemachten Aufwandes, und wegen der durch die Sache erlittenen Beschädigungen an den andern Contrahenten einen Anspruch zu machen.

[3, 11] §. 9. Durch die Uebergabe der Sache wird deren Eigenthum auf den Uebernehmenden nicht übertragen, als wenn derselbe den dafür bedungenen Preis gezahlet, oder der andere Contrahent ihm denselben geborget hat; bis dahin stehet Demjenigen, der die Sache übertragen hat, eben jene Befugniß zu, die wir im neunten Capitel, §. 59, dem Verkaufer in einem ähnlichen Falle eingeraumet haben.

[3, 11] §. 10. Doch ist Derjenige, der eine Sache zum Verkaufe übergeben hat, nicht eher befugt, den Uebernehmer dieser Sache zu deren Zurückstellung, oder zur Entrichtung des bedungenen Preises zu belangen, als nachdeme die Zeit, auf welche ihm die Sache zum Verkaufe gegeben worden, verstrichen ist, und wenn keine Zeit bestimmet worden, so wollen Wir, daß dem Uebernehmer allezeit wenigstens eine Frist von drei Tagen nach der Uebergabe verstattet werden solle, um einen anständigen Kaufer ausfinden zu können; könnte jedoch der Uebergeber eine unvermeidliche Gefahr einer ihm bevorstehenden Verkürzung darthun, so soll ihm freistehen, die Sache noch an eben dem Tage, an welchem sie übergeben worden, zurückzufodern.

[3, 11] §. 11. Dadurch, daß dem Uebernehmenden für seine Bemühung ein Lohn versprochen worden, wird die Wesenheit des Schätzungscontracts nicht geändert. Wenn aber der Uebernehmende sich ausdrücklich erkläret hat, daß er für die Gefahr der Sache nicht stehen wolle, oder wenn der Uebergeber sich Dasjenige, was über den geschätzten Preis für die Sache gelöset werden wird, vorbehalten hat, so ist es kein Schätzungscontract, sondern in diesem, gleichwie auch in den oben im §. 2, 3 berührten Fällen nimmt die Handlung die Eigenschaft desjenigen Geschäfts an, welchem sie zum nächsten beikommt.

[3, 11] §. 12. Entstünde aber ein Zweifel darüber, ob der Anschlag des Werths in der Absicht einen Schätzungscontract zu schließen, oder aus einer anderen Ursache geschehen sei, so ist darauf zu sehen, ob der Uebernehmende sich anheischig gemacht habe, blos den bestimmten Werth zu zahlen, so daß der ganze Ueberschuß des für die Sache gelösten Betrages ihm verbleiben solle, oder ob derselbe außer dem


(416) Schätzungspreise auch noch den Ueberschuß ganz oder zum Theile zu entrichten verbunden sei. Im ersten Falle ist es für einen wahren Schätzungscontract zu halten, im letzteren Falle aber nicht, und die Sache bleibt auch nach der Uebergabe auf des Uebergebers Gefahr, wenn nicht der Uebernehmer selbe ausdrücklich auf sich genommen hat.

Zwölftes Capitel.

Von Mieth-, Pacht-, Bestand- oder Dingungscontracte.

[3, 12] §. 1. Wenn Jemand mit einem Andern übereinkommt, daß er ihm den Gebrauch seiner Sache überlassen, oder daß er ihm persönliche Dienste und Arbeiten leisten wolle, und der Andere dafür einen gewissen Zins oder Lohn bezahlen solle, so ist dieses ein Miethungscontract.

[3, 12] §. 2. Der Lohn, so für den Gebrauch der vermietheten Sache, oder für die Leistung der Arbeiten versprochen wird, muß in baarem Gelde bestehen. Würde aber etwas Anderes, als baares Geld zu geben bedungen, so ist es ein anderes Geschäft, dem es zum nächsten beikommt; doch bleibet es ein Miethungscontract, wenn der Lohn theils in baarem Gelde, theils in anderen Sachen ausgemessen worden, oder wenn in der Folge anstatt des bedungenen baaren Geldes eine andere Sache gegeben wird, wofern es nur erhellet, daß die Contrahenten einen Miethungscontract zu schließen gesinnet gewesen.

[3, 12] §. 3. Ferner muß der Lohn entweder in sich, oder durch Beziehung auf andere Umstände bestimmt sein; auch kann dessen Bestimmung dem Urtheile eines Dritten, oder der Willkür des Vermiethers sowohl, als des Miethers überlassen werden. Wenn jedoch in einem solchen Falle der Lohn allzu hoch oder allzu gering angesetzt wurde, so soll der verkürzte Theil zu dessen billigmäßiger Erhöhung oder Erniedrigung die Behörde ebenso anzugehen befugt sein, wie Wir im neunten Capitel, §. 24, dem bei einem Kaufe, und Verkaufe verkürzten Theile eingestanden haben.

[3, 12] §. 4. Wenn der Lohn für den Gebrauch einer Sache, oder für eine gewisse Arbeit durch obrigkeitliche Anordnung festgesetzt ist, so kann weder ein Mehreres dafür gefodert, noch ein geringerer Betrag dafür gegeben werden, wenn nicht aus freiem Willen entweder von einem Theile ein Mehreres gegeben, oder von dem andern Theile sich mit einem minderen Lohne begnüget wird, sondern der unbillig beschwerte Theil ist berechtiget, nach Maß des neunten Capitels, §. 25, die Zurückstellung dessen, was zu viel, oder den Ersatz dessen, was zu wenig bezahlet worden, anzubegehren.

[3, 12] §. 5. In jenen Fällen hingegen, wo die Bestimmung des Lohns bloserdings von dem freien Willen der Contrahenten abhängt, kann kein Theil sich wegen einer Verkürzung beklagen, wenn schon der bedungene Lohn den Werth des verstatteten Gebrauchs, oder der übernommenen Arbeit noch so hoch überstiege, oder nicht zur Hälfte erreichete.

[3, 12] §. 6. Unter die erste Art dieses Contracts wodurch der Gebrauch einer Sache überlassen wird, gehören alle Handlungen, wenn bewegliche Sachen für Geld ausgeliehen, wenn Häuser, Wohnungen, Keller, und dergleichen vermiethet, wenn liegende Güter, Gründe, abfallende Renten und andere Einkünfte verpachtet, wenn Mühlen, Meiereien, Wein- und Bierschank, und andere gewinnstige Gewerbe in Bestand verlassen werden. Jener, der den Gebrauch der Sache verstattet, ist der


(417) Vermiether, Verpachter, Bestandgeber, Jener, der den Zins dafür zahlt, der Miether, Pächter, Bestandmann.

[3, 12] §. 7. Durch die Vermiethung oder Verpachtung einer Sache wird weder deren Eigenthum, noch der Besitz, noch ein anderes die Sache behaftendes Recht, sondern blos die Befugniß, sich der Sache zu gebrauchen, auf den Miether übertragen, wenn schon die Miethung auf eine noch so lange Zeit eingegangen worden wäre. Wenn aber eine Sache Jemanden auf immerwährende Zeiten gegen einen jährlichen Zins zu benutzen übergeben worden, so ist es kein Miethungscontract mehr.

[3, 12] §. 8. Ebenso höret auch der Contract alsdann auf, ein Miethungscontract zu sein, wenn es dabei ausdrücklich ausbedungen worden, daß der Miether die Sache eigenthümlich erwerben, und nach geendigter Miethzeit eine andere Sache von eben der Gattung zurückstellen solle. Dahingegen wird durch das alleinige Beding, daß der Miether, wenn die gemiethete Sache zu Grunde gehen sollte, eine andere von der nemlichen Gattung zurückstellen solle, oder wenn der Miether bei einer gewissen Anzahl in Bestand genommenen nutzbaren Viehes sich anheischig macht, nach geendigter Pachtzeit die völlige Anzahl ohne Abgang wieder zu liefern, das Eigenthum nicht übertragen, und die Handlung bleibt eine wahre Miethung.

[3, 12] §. 9. Alle Sachen, welche ohne Verringerung ihrer Wesenheit einen Gebrauch oder Genuß verstatten, können vermiethet werden, sie mögen beweglich oder unbeweglich, körperlich oder unkörperlich sein. Auch können Grunddienstbarkeiten gegen gewisse Zinse miethweise erworben werden; wenn aber eine Grunddienstbarkeit bereits bestellet ist, so ist der Eigenthümer des herrschenden Grundes nicht befugt, selbe ohne den Grund selbst zu vermiethen.

[3, 12] §. 10. Nicht nur Derjenige, deme an einer fremden Sache ein solches Recht gebühret, welches die Sache selbst behaftet, kann die Sache vermiehten, sondern auch Jener, deme eine Sache selbsten vermiethet worden, ist berechtiget, selbe weiter in Bestand zu verlassen; außer der Vermiether einer Sache hätte sich dabei ausdrücklich ausbedungen, daß kein Afterbestand zulässig sein solle.

[3, 12] §. 11. Sobald aber das Recht des Aftervermiethers erlöschet, so erlöschet auch das Recht des Afterbestandmannes, und er ist schuldig die Sache Demjenigen, der in das Recht des Aftervermiethers eintritt, alsofort zurückzustellen; wenn jedoch die Zeit, für welche er die Sache gemiethet, noch nicht verflossen ist, und er von dem Aftervermiether durch Betrug und Arglist zu dieser Miethe verleitet worden, so bleibet ihm bevor, an demselben wegen des früher abgebrochenen Contracts seine Entschädigung zu suchen.

[3, 12] §. 12. Wenn Jemand eine Sache, woran ihm ganz und gar kein Recht zustehet, ohne Einwilligung des Eigenthümers vermiethet, so bestehet der Contract nur insolang, als der Eigenthümer seine Sache nicht wieder zurückfodert; auf sein Verlangen aber muß sie ihm allezeit zurückgestellet werden, die Miethzeit möge verflossen sein, oder nicht.

[3, 12] §. 13. Hat der Miether dieser Sache gewußt, daß dem Vermiether an derselben kein Recht zustehe, so ist er schuldig, dem Eigenthümer für die Zeit seiner Inhabung den bedungenen Zins zu bezahlen, obschon er selben dem Vermiether bereits abgeführet hätte; wenn er hingegen die Sache in der ungezweifelten Meinung gemiethet, daß dem Vermiether das Recht gebühre, diese Sache zu vermiethen, so kann der von ihm bereits bezahlte Zins durch den Eigenthümer nicht nochmals gefodert werden, und ihm stehet wider den Vermiether in Betreff seiner Entschädigung eben das Recht zu, welches Wir ihm im Falle des §. 11 eingeraumet haben.

[3, 12] §. 14. Inwieweit aber der Vermiether einer fremden Sache den bereits eingehobenen Zins zu behalten, und den für die verflossene Zeit verfallenen Zins einzuheben befugt sei, oder inwieweit der Eigenthümer der Sache den bereits bezahlten Zins von dem Vermiether, und den noch ausständigen Zins von dem


(418) Miether abfodern könne, ist nach den allgemeinen Grundsätzen, welche Nutzungen dem Eigenthümer gebühren, und welche bei dem Besitzer verbleiben, zu entscheiden.

[3, 12] §. 15. Wenn hingegen der Eigenthümer einer Sache in deren von einem Andern geschehene Vermiethung eingewilliget hat, so ist es ebenso, als ob der Eigenthümer selbst die Sache vermiethet hätte; ist die Einwilligung überhaupt, und ohne alle Beschränkung gegeben worden, so bestehet der Contract nach seinem ganzen Inhalte, außerdeme aber nur in jener Maß, als der Eigenthümer eingewilliget hat.

[3, 12] §. 16. Niemanden kann seine eigene Sache in Bestand verlassen werden; außer der Vermiether dieser Sache hätte an derselben ein solches Recht erworben, vermöge dessen er befugt ist, die Sache zu gebrauchen oder zu genießen.

[3, 12] §. 17. Bei einem Miethungscontracte kann ein Haftgeld oder ein Reugeld bedungen, auch sonst eine jede zulässige Bedingniß beigefüget werden, insoferne sie der Wesenheit dieses Contracts nicht zuwider ist, und die Contrahenten werden durch derlei Nebenverträge ebenso verbunden, wie durch den Contract selbsten.

[3, 12] §. 18. Insbesondere aber wollen Wir in Ansehung Unserer landesfürstlichen, wie auch der obrigkeitlichen Städte und Märkte, dann der Kirchen, Spitäler und anderer zum Unterhalte der Armuth gewidmeten milden Stiftungen die allgemeine Anordnung machen, daß, wenn selbe einige ihnen zugehörige liegende Güter, Rechte oder andere Gefälle, deren Beträgniß bald steiget, bald fällt, verpachten wollen, diese Verpachtung nicht anderst, als auf nachfolgende Art geschehen solle.

[3, 12] §. 19. Vorzüglich soll über die Erträgniß dieser Güter oder Gefälle aus den Rechnungen von sechs Jahren ein standhafter Anschlag verfasset, dieser mit vorläufiger Bestätigung der Behörde zum Grunde des festzusetzenden Pachtgelds genommen, und den Pachtlustigen zu ihrer Einsicht hinausgegeben, auch denselben auf ihr Verlangen die Ersehung in den Rechnungen selbst verstattet werden.

[3, 12] §. 20. Die vorseiende Verpachtung soll allezeit nach vorhergegangener öffentlichen Kundmachung mittelst einer gerichtlichen Versteigerung vorgenommen, und wenn mehrere Pachtlustige dabei gegenwärtig sind, auch der Anbot sich über den Anschlag erstrecket, oder demselben wenigstens gleich ist, ein Mehreres aber nicht angehoffet werden kann, mit dem Meistbietenden der Contract geschlossen, doch darüber von der Behörde die Beangenehmung eingeholet werden.

[3, 12] §. 21. Wenn sich aber an dem bestimmten Tage nur Ein Pachtlustiger einfände, oder wenn unter mehreren Pachtlustigen Keiner eine dem Anschlage gleichkommende Summe anböte, so soll gar nichts geschlossen, sondern die Anzeige an die Behörde erstattet, und von dieser nach genauer Erwägung aller vorwaltenden Umstände, und ob die Erträgniß durch eine gutbestellte eigene Verwaltung nicht höher, als auf den angebotenen Pachtbetrag hinaufgebracht werden könne, Dasjenige vorgekehret werden, was für das Räthlichste angesehen wird.

[3, 12] §. 22. Ueberhaupt soll der Pachtcontract niemals länger, als auf sechs Jahre, und gegen deme, daß der Pachter das bedungene Pachtgeld wenigstens alle Vierteljahre vorhinein abzuführen sich anheischig mache, wie auch gegen eine von demselben gestellte hinlängliche Sicherheit geschlossen werden, daß er nach geendigter Pachtzeit das Gut in eben demjenigen Stande, in welchem es ihm übergeben worden, und mit eben dem Beilasse, den er empfangen, wieder zurückstellen wolle; dieser Beilaß soll aber entweder in dem Contracte deutlich ausgedrücket, oder darüber im Anfange der Pachtung gleich bei der Uebergabe eine genaue Beschreibung verfasset werden.

[3, 12] §. 23. Der Vermiether einer Sache ist schuldig, die vermiethete Sache dem Miether mit allen jenen Zugehörungen zu übergeben, die zu dem Gebrauche der Sache ohnumgänglich nöthig sind; bei Verpachtungen liegender Güter jedoch ist der Verpachter dem Pachter weder den Samen zum Anbau noch die zum Ackerbau


(419) nöthigen Geräthschaften, noch auch sonst was an Zugehörungen zu übergeben schuldig, als was in dem Contracte ausdrücklich ausbedungen worden.

[3, 12] §. 24. Umsoweniger wird die Gerichtsbarkeit, das Verleihungsrecht der Pfarren, die Jagdgerechtigkeit oder ein anderes dem verpachteten Gute anklebendes Recht an den Pachter übertragen; außer wenn ihm ein solches Recht namentlich überlassen, oder ein Gut mit allen Rechten und Gerechtigkeiten, wie es der Eigenthümer selbst besessen verpachtet worden.

[3, 12] §. 25. Der Vermiether muß die Sache in einem solchen Stande übergeben, daß der Miether dieselbe zu dem bestimmten Gebrauche anwenden könne; bei einer vermietheten Wohnung liegt also dem Vermiether ob, die mangelhaften Fenster, Thüren und Oefen in brauchbaren Stand herzustellen.

[3, 12] §. 26. Ferner ist der Vermiether schuldig, den Miether in dem Gebrauche oder Genusse der Sache ungestört zu belassen. Würde aber der Miether in diesem Gebrauche oder Genusse durch die Schuld oder Zuthat des Vermiethers verhindert, als da die vermiethete Sache fremd wäre, und deren Gebrauch nachhero dem Miether durch den Eigenthümer entzogen würde, oder da der Vermiether den Miether durch Veräußerung der Sache aus der Miethe setzte, oder ihn von dem Gebrauche der Sache durch Gewalt abhielte, oder ihn, ohne eine von den unten im §. 70 und den folgenden vorkommenden rechtmäßigen Ursachen zu haben, vor geendigter Miethzeit hinaustriebe, oder die dem Miether von einem Dritten gemachte Hindernissen, wo er es thun könnte, nicht abstellete, so muß er demselben nicht nur den für die noch übrige Zeit gebührenden Zins nachlassen, oder wo er ihn bereits empfangen hätte, wieder zurückstellen, sondern auch allen wegen des nicht gehaltenen Contracts ihm zugegangenen Schaden und entzogenen Nutzen nebst den verursachten Gerichtsunkosten ersetzen.

[3, 12] §. 27. Wir wollen aber hiemit für allgemein festsetzen, daß der Vermiether dem Miether in allen obberührten Fällen zu seiner Entschädigung so vieles zahlen solle, als der Miether dem Vermiether für die Zeit, wo ihm vermöge des Contracts der Gebrauch der Sache gebühret hätte, an bedungenem Zinse zu entrichten verbunden gewesen wäre.

[3, 12] §. 28. Auch lieget dem Vermiether ob, dem Miether allen Schaden zu vergüten, der demselben aus einer Gefährde oder Schuld des Vermiethers durch die vermiethete Sache widerfahren ist. Für eine Schuld wird es aber allezeit gehalten, wenn der Vermiether den Mangel der Sache entweder gewußt hat, oder denselben hätte wissen sollen, als da er die vermiethete Sache eine lange Zeit vorhero besessen, oder ein Gewerbe damit getrieben, oder ihm seiner Hantierung nach die Beschaffenheit der Sache hätte bekannt sein sollen.

[3, 12] §. 29. Kann der Miether die Schuld des Vermiethers erweisen, so gebühret ihm nebst gänzlichem Nachlasse des bedungenen oder Wiedererstattung des bereits bezahlten Zinses, der Ersatz des ihm verursachten Schadens in jener Maß, wie er denselben erproben, oder bei Ermanglung eines anderen Beweises durch den Eid der Wahrheit beschwören kann; wofern aber der Miether keine Schuld des Vermiethers erweisen könnte, der verursachte Schaden jedoch seine Richtigkeit hätte, so gebühret demselben blos der Nachlaß oder die Zurückstellung des bedungenen Zinses.

[3, 12] §. 30. Für jenen Schaden hingegen, den der Miether nicht durch die üble Beschaffenheit der gemietheten Sache, sondern durch einen ungefähren Zufall erleidet, als da ihm seine Sachen aus der gemietheten Wohnung gestohlen würden, wird der Vermiether nicht im Mindesten verfänglich; außer wenn derselbe sich dabei einer Nachlässigkeit schuldig gemacht, oder für dergleichen Schäden stehen zu wolle, ausdrücklich zugesagt, oder sonst zu Bewahrung der in dem vermietheten Orte aufbehaltenen Sachen verbunden wäre.


(420) [3, 12] §. 31. Jene Auslagen, welche der Miether auf die gemiethete Sache blos zu deren gegenwärtiger Erhaltung gemacht hat, und welche für den Vermiether nach geendigtem Contracte keinen Nutzen zurücklassen, können von ihme nicht zurückgefodert werden; wenn er aber auf die beharrliche Erhaltung der gemietheten Sache etwas verwendet, oder dieselbe mit seinem Aufwande verbessert hat, so gebühret ihm dessen Ersatz in jener Maß, wie Wir darüber im achtzehenten Capitel mit Mehrerem anordnen werden.

[3, 12] §. 32. Dahingegen bestehet die Verbindlichkeit des Miethers in deme, daß er den bedungenen Zins in der gesetzten Zeit richtig zahle. Ist aber zu Abführung des Zinses keine gewisse Zeit bestimmet worden, so ist auf den Landesbrauch zu sehen, und wenn dieser nichts Gewisses besaget, so gebühret der Zins insgemein nach vollendetem Gebrauche oder nach Ausgang der Miethzeit.

[3, 12] §. 33. Wenn ein Gut oder Haus, ohne zur Zahlung des Zinses eine Zeit zu bestimmen, auf mehrere Jahre in Bestand verlassen, und der Zins für ein jedes Jahr insbesondere ausgemessen worden, so muß die Zahlung des Zinses zu Ende eines jeden Jahres geschehen; ist aber für alle Jahre zusammen nur ein einziger Zinsbetrag bedungen worden, so kann derselbe nicht eher, als nach Verlaufe der ganzen Pachtzeit gefodert werden.

[3, 12] §. 34. Wenn der Miether den Zins in der gehörigen Zeit nicht zahlet, und der Vermiether denselben gerichtlich einzutreiben bemüssiget ist, so muß der Miether von dem Tage der gerichtlichen Belangung davon die landesüblichen Zinsen zahlen, und dem Vermiether annebst alle verursachten Gerichtsunkosten ersetzen.

[3, 12] §. 35. Ferner ist der Miether schuldig, sich im Gebrauche der gemietheten Sache als einen guten Hausvater zu betragen, und allen derselben bevorstehenden Schaden, so viel in seinen Kräften stehet, sorgfältig zu verhüten; widrigens muß er alle der Sache durch seine Schuld oder Nachlässigkeit zugefügte Beschädigungen ersetzen.

[3, 12] §. 36. Der Miether wird aber nur für jenen Schaden verfänglich, den er durch seine eigene Schuld veranlasset oder abzuwenden verabsaumet hat. Für den durch seine Dienstleute oder einen Dritten verursachten Schaden hingegen hat er nicht zu haften; außer wenn er sich ausdrücklich dafür verbunden hat, oder wenn seine Schuld zugleich mit unterwaltet, als da er verdächtige Leute in das gemiethete Haus eingenommen, oder da er seinen Dienstleuten wider den sonstigen Gebrauch etwas zu verrichten befohlen hätte, woraus der Schaden erfolget ist, oder auch sich wissentlich böser oder nachlässiger Leute bedienet, die andurch Andern zu schaden gewohnt sind.

[3, 12] §. 37. Nach geendigter Miethung liegt dem Miether ob, die Sache ohnverletzt und ohnverringert wieder zurückzustellen. Wäre sie aber durch seine Schuld zu Grunde gegangen, verloren oder von ihm veräußert worden, so muß er deren Werth sammt den davon gebührenden Zinsen in jener Maß ersetzen, wie Wir darüber im fünften Capitel, §§. 20, 21, 22, mit Mehrerem geordnet haben.

[3, 12] §. 38. Dieser Zurückstellung der gemietheten Sache kann sich der Miether nicht einmal unter Vorschützung des ihm gehörenden Eigenthums der Sache entziehen, außer wenn er sein Eigenthum alsogleich klar erweisen könnte; wenn es jedoch eine bewegliche Sache betrifft, und der Vermiether keine hinlängliche Sicherheit aufzuzeigen vermag, so soll die Sache bis zum Ausgange des Rechtsstritts in gerichtlichen Beschlag genommen werden.

[3, 12] §. 39. Wenn sich an der gemietheten Sache ein Zufall ergiebt, wodurch dieselbe ganz oder zum Theile zu Grunde gehet, so hat der Vermiether den Schaden zu tragen, und in diesem Falle, gleich wie auch jedesmal, wenn die gemiethete Sache unbrauchbar gemacht, oder der Miether durch einen andern bei der Sache vorgegangenen Zufall selbe zu gebrauchen verhindert wird, ist derselbe an dem


(421) bedungenen Zinse nicht schuldig, ein Mehreres zu entrichten, als was auf die Zeit des gehabten Gebrauches oder Genusses, oder auf den noch übrigen brauchbaren Theil der Sache ausfällt.

[3, 12] §. 40. Wenn jedoch der Miether aus seiner eigenen Schuld die gemiethete Sache nicht gebrauchen könnte, oder wenn sich von Seite des Miethers eine zufällige Ursache ergiebt, wodurch derselbe an dem Gebrauche der Sache verhindert wird, so ist er verbunden, den Zins für die ganze Zeit zu entrichten, da die Miethung noch fortzudauern gehabt hätte.

[3, 12] §. 41. Auch leidet die Regel, daß der Vermiether den Untergang der Sache zu tragen habe, außer den im ersten Capitel, §§. 80 und 81, berührten Fällen auch noch alsdann eine Ausnahme, wenn der Contract mit einem solchen Bedinge geschlossen worden, wovon Wir oben im §. 8 geordnet haben, und überhaupt, wenn die gemiethete Sache von der Beschaffenheit ist, daß sie ihrer Natur nach einen Zuwachs oder eine Abnahme leidet, als eine Heerde Vieh, ist der Pachter schuldig, den während der Pachtzeit sich ergebenden Abgang aus dem während dieser Zeit erhaltenen Zuwachse wieder zu ersetzen; außer der Abgang wäre so beträchtlich, daß er durch den währender Pachtzeit erhaltenen Zuwachs nicht ersetzet werden könnte, in welchem Falle der Verpachter den Schaden zu leiden hat.

[3, 12] §. 42. Wenn der Pachter eines fruchtbringenden Guts durch ein ausdrückliches Beding die Gefahr auf sich genommen hat, so wird er dennoch für den Untergang der gepachteten Sache nur alsdann verfänglich, wenn das Beding deutlich dahin lautet, daß er für den Untergang, oder die Verderbung der Sache haften wolle; wenn hingegen der Pachter sich blos zur Tragung aller sich ereignen mögenden Unfällen anheischig gemacht hat, so ist dieses ganz allein von jenen Unfällen zu verstehen, die sich an den Früchten ergeben werden.

[3, 12] §. 43. Wenn sich bei einem gepachteten Grunde oder Landgute an den Früchten ein Unfall ergiebt, so sind folgende Maßregeln zu beobachten. Sind die Früchte zur Zeit des sich ereignenden Unfalls bereits von dem Grunde eingesammelt, und in die gewöhnlichen Behältnisse eingebracht worden, so muß der Pachter allen nachhero durch einen Zufall sich daran ergebenden Schaden tragen.

[3, 12] §. 44. Wenn hingegen der Unfall sich zu einer solchen Zeit ergiebt, wo die Früchte entweder noch an dem Grunde hangen, oder obwohl sie von dem Grunde abgesöndert wären, doch noch nicht in die gehörigen Behältnisse gebracht worden sind, so ist auf die Natur des Unfalls zu sehen. Ist es ein solcher Unfall, der aus einem innerlichen Mangel, oder aus der schlechten Beschaffenheit des Grunds herrühret, so gereichet derselbe dem Pachter ganz allein zum Schaden; wenn jedoch der Verpachter in dem Anschlage eine bessere Beschaffenheit des Grunds oder eine ergiebigere Benutzung, als von demselben jemals zu gewarten ist, ausdrücklich gewähret hat, so ist er schuldig, das Pachtgeld nach Maß der minderen Erträgniß nachzulassen.

[3, 12] §. 45. Bei jenen Unfällen, welche zwar von einer äußerlichen Ursache herrühren, denen jedoch der gepachtete Grund wegen seiner Lage, oder anderer natürlicher Ursachen ordentlicher Weise ausgesetzet ist, hat der Pachter ebenfalls sich selbst zuzuschreiben, daß er einen solchen Grund gepachtet habe, und umsomehr muß der Pachter den Schaden tragen, wenn er den Unfall durch seine Schuld veranlasset hat, als da er etwas gethan, was gute Wirthe in der Gegend des gepachteten Grunds unterlassen haben würden, oder da er etwas verabsäumet hat, was insgemein bei dem Wirthschaftstriebe nach Beschaffenheit der Lage und Eigenschaft des Grunds beobachtet zu werden pfleget.

[3, 12] §. 46. Was aber die durch Schauer, Hagel, ungemeine Ergießungen der Gewässer, große Dürre und Auswitterung, schädliche Würmer, feindliche Einfälle und Verheerungen und andere dergleichen außerordentliche Unfälle verursachte Schäden


(422) betrifft, so soll der Pachter befugt sein, deswegen von dem Verpachter einen Nachlaß des Pachtgeldes zu fodern; wofern jedoch der Schaden groß und unleidlich ist.

[3, 12] §. 47. Für einen großen und unleidlichen Schaden soll nur jener gehalten werden, wenn die ganze aus dem gepachteten Gute erhobene Nutzung nicht die Hälfte der sonstigen Erträgniß erreichet, und wenn zugleich der Werth Desjenigen, was von dem Gute eingehoben worden, nicht bis zur Hälfte des bedungenen Pachtgelds hinaufsteiget; dahingegen wenn der verursachte Schaden nicht so groß ist, daß er die Hälfte der sonstigen Benutzung erreichete, oder wenn zwar weniger an Nutzungen, als die Hälfte der sonstigen Erträgniß eingehoben worden, deren Werth aber sich zu dieser Zeit auf die Hälfte des Pachtgelds erstrecket, oder wenn gegentheils der Werth der eingehobenen Nutzungen zwar die Hälfte des Pachtgelds nicht erreichet, die eingegangenen Nutzungen jedoch die Hälfte der sonstigen Erträgniß ausmachen, die eingegangenen Nutzungen jedoch die Hälfte der sonstigen Erträgniß ausmachen, mag kein Nachlaß des Pachtgeldes gefodert werden.

[3, 12] §. 48. Bei der Schätzung des Schadens soll einerseits die mindere Erträgniß weder nach der höchsten Benutzung eines fruchtbaren Jahres, noch auch nach der geringsten Erträgniß eines Mißjahrs, sondern, wo der Contract über einen ordentlich verfaßten Anschlag geschlossen worden, aus dem Verhältnisse mit dem Anschlage, oder bei Ermanglung eines Anschlags aus der Entgegenhaltung mit dem aus den Rechnungen von dem nächst vorhergegangenen drei Jahren gezogenen Mittel, oder wo auch diese nicht zu haben wären, durch drei unpartheiische Wirthschaftskundige geschätzet, und andererseits der Werth der eingegangenen Nutzungen allezeit nach dem zur Zeit der Einsammlung in der dasigen Gegend marktgängigen Preise bestimmet werden.

[3, 12] §. 49. Auch ist bei dieser Schätzung nicht auf die mindere Ergiebigkeit einer Gattung von Früchten allein, sondern auf die gesammte aus dem gepachteten Gute gezogene Nutzungen zu sehen, und wenn der Pachter von einer Gattung Früchte wenig oder gar nichts, an andern Früchten hingegen so vieles erhalten hätte, daß die Hälfte der sonstigen Erträgniß erreichet wird, so kann derselbe sich über keinen unleidlichen Schaden beschweren.

[3, 12] §. 50. Wenn in eben demselben Contracte für mehrere Gründe zusammen oder für einen Grund auf mehrere Jahre ein Pachtzins bedungen worden, obwohl derselbe für jeden Grund, oder für jedes Jahr besonders ausgemessen wäre, so ist die mindere Erträgniß des einen Jahrs oder Grunds mit der Fruchtbarkeit des andern zu vergelten, und dem Pachter gebühret nur alsdann ein Nachlaß, wenn die durch alle Pachtjahre, oder von allen gepachteten Gründen zusammen eingehobene Nutzungen weder in ihren Betrage die Hälfte des Anschlags, noch in ihrem Werthe die Hälfte des für alle Jahre, oder für alle Gründe ausgesetzten Pachtgelds erreichen.

[3, 12] §. 51. Wenn hingegen ein Pachtcontract durch mehrere Jahre erneuert, oder über mehrere Gründe besondere Contracte eingegangen, und das Pachtgeld für einen jeden Grund besonders abgetheilet worden, so ist blos auf die mindere Erträgniß des einen Jahrs oder Grunds zu sehen, und diese mag mit der Fruchtbarkeit der anderen Gründe, oder der vorhergegangenen oder nachfolgenden Jahre nicht vergolten werden.

[3, 12] §. 52. Der Pachter soll aber in einem solchen Falle, wo er wegen Misswachses oder anderer Beschädigungen einen Nachlaß des Pachtgelds fodern zu können vermeinet, dieses, sobald der Befund des Schadens erhoben werden kann, dem Verpachter zeitlich, und so lang die Früchte noch auf dem Felde befindlich sind, zu dem Ende bedeuten, damit derselbe der Besichtigung und Schätzung des Schadens beiwohne. Der Verpachter möge aber in der gesetzten Zeit dabei erscheinen oder nicht, so soll der Pachter nicht schuldig sein, mit Einsammlung der Früchte länger zu warten, sondern der Schaden soll, wenn das Gericht, unter


(423) welches der Grund gehöret, in der Nähe ist, durch zwei Gerichtspersonen, und im widrigen Falle durch drei untadelhafte benachbarte Wirthschaftserfahrene besichtiget und geschätzet werden.

[3, 12] §. 53. Der Nachlaß soll allezeit nach Maß des geschätzten Schadens geschehen. Beträgt der Schaden nicht viel über die Hälfte der sonstigen Benutzung, so ist auch nur die Hälfte des Pachtschillings, beträgt er ein weit Mehreres, so ist auch nach billigen Ermessen ein größerer Theil des Pachtgelds, und wenn gar nichts eingehoben worden, so ist der ganze Pachtschilling nachzusehen.

[3, 12] §. 54. Wollte sich aber der Verpachter zu keinen Nachlasse gutwillig einverstehen, so soll der Pachter denselben längstens bis zu der nächstfolgenden Abfuhrszeit des Pachtzinses gerichtlich ansuchen; nach Verlaufe dieser Zeit, oder wenn derselbe mit Vernachlässigung der wegen Besichtigung und Schätzung des Schadens im §. 52 enthaltenen Vorschrift die Feldfrüchte eingeführet hätte, mag er wegen eines vorgeblichen Schadens nicht mehr gehöret werden.

[3, 12] §. 55. Wenn ein Grund oder Gut Jemanden dergestalten zur Benutzung gegeben worden, daß dem Eigenthümer die Hälfte, ein Drittel oder ein anderer auf das Ganze sich beziehender Antheil der Nutzungen entrichtet werden solle, so kann wegen zufälliger Schäden kein Nachlaß gefodert werden; dahingegen wenn anstatt des Pachtgelds ein bestimmter Betrag an Getreide oder andern Früchten bedungen worden, so ist bei diesem Contracte eben Dasjenige zu beobachten, was Wir bei einen Pachtcontracte wegen eines Nachlasses bishero geordnet haben.

[3, 12] §. 56. Wenn ein Pachter einige Zufälle auf sich genommen, oder auf den wegen gewisser Zufälle ihm gebühren mögenden Nachlaß des Pachtgelds Verzicht geleistet hat, so kann er wegen der durch derlei Zufälle erlittenen Beschädigungen an den Verpachter keinen Anspruch machen; wenn er sich hingegen ohne Beschränkung für alle Zufälle verfänglich gemacht, oder die Verzicht überhaupt auf allen, aus was immer für Ursachen ihm gebühren mögenden Nachlaß lautet, so muß er auch alle Unfälle tragen, sie mögen noch so ungewöhnlich, oder noch so wenig vorherzusehen gewesen sein.

[3, 12] §. 57. Wenn eine Sache, sie seie beweglich oder unbeweglich, zu einem gewissen zeitlichen Gebrauche oder auf eine bestimmte Zeit, diese möge kurz oder lang sein, vermiethet worden, so erlöschet nach vollendetem Gebrauche oder nach verflossener Zeit die Miethung von selbsten, ohne daß ein- oder andererseits eine Aufkündung von Nöthen wäre, wenn selbe nicht in dem Contracte ausdrücklich ausbedungen worden.

[3, 12] §. 58. Wäre aber eine Sache auf eine unbestimmte Zeit vermiethet, und dabei die ein- oder anderseitige Aufkündung bedungen worden, so währet der Contract so lange, bis die Miethung von einem oder dem andern Theile aufgekündet wird; wenn aber auch keine Aufkündung ausbedungen worden, so ist doch diese Befugniß allezeit stillschweigend darunter verstanden.

[3, 12] §. 59. Bei unbeweglichen Sachen stehet es jedoch keineswegs in des einen oder des andern Contrahenten Belieben, den Contract zu allen Zeiten abzubrechen, sondern ein Jeder von ihnen ist schuldig, bei verpachteten Landwirthschaften, Gründen, Gefällen oder Gewerben durch ein ganzes Jahr, bei vermietheten Häusern, Wohnungen und dergleichen in Städten und Märkten aber durch die nach eines jeden Landes Gebrauche zu Abbrechung derlei Miethungen eingeführte Zeit bei dem Contracte zu beharren.

[3, 12] §. 60. Die Aufkündung beruhet in deme, daß ein Theil dem Andern seinen Willen zu wissen mache, nach Verlaufe der ersterwähnten Zeit von der Miethung abzugehen. Dieses muß aber allezeit vor dem Ende der Zeit geschehen, und wenn nicht in dem Contracte eine Frist bestimmet worden, wann die Aufkündung geschehen solle, so muß selbe binnen der nach Landesgebrauche üblichen Zeit vorgenommen


(424) werden; widrigenfalls kann der andere Theil zur Annehmung einer ihm zur Unzeit gemachten Aufkündung nicht verhalten werden.

[3, 12] §. 61. Wenn derjenige Theil, dem die Miethung aufgekündet wird, gegründete Ursachen zu haben vermeinet, warum er die Aufkündung nicht anzunehmen schuldig sei, so soll er diese Ursachen, wenn nicht in einem oder andern Orte eine kürzere Frist dazu bestimmet ist, längstens binnen vier Wochen bei Gerichte anbringen, und das Gericht soll mit deren Untersuchung auf das schleunigste verfahren.

[3, 12] §. 62. Wenn die Aufkündung zu Rechte geschehen, so erwirbt ein jeder Theil die Befugniß, nach Verlaufe der im §. 59 berührten Zeit von dem Contracte abzugehen. Würde aber die in dem Contracte, oder durch den Landesgebrauch festgesetzte Zeit verstreichen, ohne daß eine behörige Aufkündung erfolget wäre, so ist dafür zu halten, daß die Miethung von beiden Theilen durch eine stillschweigende Einwilligung erneuert worden sei; obschon von einem oder dem andern Theile der Willen von dem Contracte abzuweichen auf was immer für eine Art und Weise geäußert worden wäre.

[3, 12] §. 63. Eine solche stillschweigende Erneuerung der Miethung hat auch in allen jenen Fällen Platz, wenn eine Sache zu einem gewissen Gebrauche oder auf eine bestimmte Zeit vermiethet, doch nach geendigtem Gebrauche, oder nach verflossener Miethungszeit der Miether die Sache zu gebrauchen fortfährt, und dieses von dem Vermiether wissentlich gestattet wird, ferner auch in jenem Falle, wenn bei einer auf eine unbestimmte Zeit geschehenen Miethung die behörige Aufkündung zwar erfolget ist, doch deme ohngeachtet der Miether nach verflossener Miethungszeit dabei beharret und von dem Vermiether dabei belassen wird.

[3, 12] §. 64. In dem letzteren Falle soll aber eine stillschweigende Erneuerung der Miethung nur aus deme gefolgert werden, wenn der Miether oder Pachter nach Verfließung der ihm nach Inhalt des Contracts oder nach dem Landesgebrauche zustehenden Räumungszeit von dem Vermiether noch durch vierzehn Tage bei der Miethung wissentlich und ohne Widerrede belassen wird.

[3, 12] §. 65. Die Wirkung der erneuerten Miethung ist nach den verschiedenen Arten der Miethung unterschieden. Bei jenen Miethungen, wo eine Sache nur zu einem zeitlichen Gebrauche, oder auf eine bestimmte Zeit ohne bedungene Aufkündung vermiethet worden, erstrecket sie sich bloserdings auf jene Zeit, durch welche der Miether sich über die in dem Contracte bestimmte Zeit des Gebrauchs der Sache angemaßet hat, und er ist schuldig, den bedungenen Lohn nach Maß der überschrittenen Miethzeit verhältnißmäßig zu erhöhen; zu längerer Fortsetzung der Miethung aber kann weder er den Vermiether anhalten, noch dazu von dem Vermiether angehalten werden.

[3, 12] §. 66. Bei jenen Miethungen und Pachtungen hingegen, wo entweder eine Aufkündung ausdrücklich bedungen worden, oder wo selbe nach der Natur der Handlung erfodert wird, erstrecket sich die erneuerte Miethung auch auf die zukünftige Zeit, und der Miether ist schuldig, bei der Miethung nach dem im §. 59 bemerkten Unterschiede abermals durch ein Jahr, oder durch die im Lande gebräuchliche Zeit zu beharren, so wie ihn der Vermiether durch diese Zeit dabei belassen muß. Nach Verlaufe dieser Zeit stehet zwar beiden Theilen von Neuem frei, mittels behöriger Aufkündung von dem Contracte abzugehen; wo aber diese nicht geschiehet, so wird der Contract abermals auf eben diese Zeit erneuert.

[3, 12] §. 67. Auf eine längere, als die erstberührte Zeit wird die erneuerte Miethung niemals erstrecket, wenn schon der erste Contract auf eine längere Zeit geschlossen worden wäre; außer es wäre in demselben deutlich vorgesehen worden, daß, wenn die Miethung nach Verlaufe der contractmäßigen Zeit stillschweigend verlängert würde, der Contract auf eben jene Zeit, auf welche er Anfangs geschlossen worden, erneuert sein solle.


(425) [3, 12] §. 68. Im Uebrigen aber bleibt der vorige Contract in seinem ganzen Inhalte und in allen seinen Punkten sammt den dabei besonders eingegangenen Nebenverträgen bei vollkommenen Kräften, und wenn ein Theil dem Andern zur Sicherheit ein Unterpfand bestellet hat, so erstrecket sich dasselbe auch ohne neue Bestellung auf die erneuerte Miethung; dahingegen wenn ein Dritter bei dem ersten Contracte ein Unterpfand bestellet, oder sich sonst zu etwas verbindlich gemacht hat, kann diese Verbindlichkeit durch die von den Contrahenten erneuerte Miethung ohne dessen ausdrückliche Einwilligung nicht verlängert werden.

[3, 12] §. 69. Bevor der Gebrauch, wozu die Sache vermiethet worden, vollendet, oder bevor die Zeit, auf welche die Miethung lautet, verflossen ist, oder vor geschehener Aufkündung kann kein Theil ohne Einwilligung des Andern von dem Contracte abweichen; außer er hätte dazu eine rechtmäßige Ursache. Die Ursachen, warum der Vermiether oder Verpachter den Miether oder Pachter vor geendigter Zeit auch ohne vorhergegangener Aufkündung aus der Pachtung herauszutreiben befugt ist, sind folgende:

[3, 12] §. 70. Erstens wegen unterlassener Zahlung des bedungenen Zinses; dieses hat aber nur alsdann statt, wenn der Contract auf mehrere Jahre geschlossen, der Zins aber für jedes Jahr bedungen worden, und der Pachter mit dessen Entrichtung von dem Tage an, da er ihn hätte entrichten sollen, durch ein ganzes Jahr zurückbleibet.

[3, 12] §. 71. Dem Vermiether oder Verpachter ist nebstdeme aber unverwehret, wenn kürzere Zahlungsfristen verabredet, oder die Abführung des Zinses vorhinein bedungen worden, auch noch unter dieser Jahrszeit die Sicherstellung des rückständigen Zinses anzusuchen, wie auch nach der Verfallzeit sich bei der Ermanglung oder Unzulänglichkeit der erhaltenen Sicherheit des ihm im zweiten Theile, sechsundzwanzigsten Capitel eingeraumten stillschweigenden Pfandrechts zu gebrauchen.

[3, 12] §. 72. Zweitens stehet dem Vermiether das Recht zu, den Miether vor geendigter Miethzeit und ohne Aufkündung zur Raumung der Wohnung anzuhalten, wenn es die Nothdurft erfodert, das Haus zu bauen oder auszubessern, und dieser Bau ohne Raumung der vermietheten Wohnung nicht füglich geschehen kann; wäre hingegen der Bau oder die Ausbesserung des Hauses nicht nothwendig, so kann der Miether zur Raumung der gemietheten Wohnung nicht verhalten werden.

[3, 12] §. 73. Wenn aber auch die Wohnung geraumet worden, so bleibet der Vermiether dennoch in der Verbindlichkeit, in dem Falle wann der Bau währender Zeit, für welche die Wohnung vermiethet worden, vollendet würde, den Miether auf dessen Verlangen wieder um den vorhin bedungenen Zins einzunehmen und bis zum Ausgange der contractmäßigen Zeit in der Miethe zu behalten; dahingegen kann der einmal hinausgetriebene Miether hernach zur Fortsetzung der Miethe nicht mehr gezwungen werden.

[3, 12] §. 74. Dieses Recht hat der Vermiether oder Verpachter drittens, wann der Miether oder Pachter von der Sache einen üblen Gebrauch macht, als da er auf dem gepachteten Gute die Waldungen abtriebe, die Teiche austrocknete, oder sonst etwas zu großem Schaden des Wirthschaftsbetriebes unternähme, oder da er in dem gemietheten Hause die Mauern untergrübe oder sonst etwas vornähme, wodurch der Einsturz oder ein anderer beträchtlicher Schaden des Hauses veranlaßt werden könnte, gleichwie auch, wann er liederliches Gesind darinnen aufnimmt, oder wann er selbst darinen ein ärgerliches Leben führet.

[3, 12] §. 75. In diesem Falle stehet aber dem Verpachter oder Vermiether noch außerdeme das Recht zu, daß, wenn er das Haus oder das Gut für die noch übrige Zeit des Contracts entweder gar nicht wieder, oder doch nicht wieder um eben den Zins vermiethen oder verpachten könnte, er den ganzen Zins für die


(426) Zeit, wo der Contract noch zu dauern gehabt hätte, oder doch so viel, als er weniger an Zins dafür bekommt, von dem Miether oder Pachter anfodern möge.

[3, 12] §. 76. Der Vermiether oder Verpachter ist jedoch bei Strafe gewaltsamer Handlungen nicht befugt, in allen diesen Fällen den Miether oder Pachter, wenn er sich zur Raumung nicht gutwillig verstehet, eigenmächtig hinauszutreiben; sondern ihm liegt ob, die gerichtliche Hilfe anzusuchen, und das Gericht soll ihm, wenn er eine von den obberührten Ursachen erwiesen hat, auf die in §. 85 geordnete Art die angesuchte Hilfe leisten.

[3, 12] §. 77. Von Seite des Miethers oder Pachters ist eine rechtmäßige Ursache, von dem Contracte auch vor der bestimmen Zeit abzuweichen, jedesmal vorhanden, wenn ohne seine Veranlassung der Gebrauch der Sache mit oder ohne Schuld des Vermiethers oder Verpachters verhindert wird. Hieher gehöret, wenn die Wohnung wegen Feindesgefahr oder ansteckender Seuche unsicher gemacht, wenn das Haus baufällig wird, wenn das nothwendige Licht durch ein von dem Nachbar aufgeführtes Gebäu benommen wurde, und der Vermiether dawider keine Abhilfe verschaffte.

[3, 12] §. 78. Dauret die dem Miether in dem Gebrauche der Sache gemachte Hinderniß über die Zeit des Contracts hinaus, so wird der Contract völlig abgebrochen, und der Miether hat blos nach Maß des gehabten Gebrauchs den Zins zu bezahlen. Wenn hingegen die Hinderniß währender contractmäßigen Miethzeit wieder gehoben werden kann, so bleibet der Miether verbunden, nachdeme selbe gehoben ist, den Contract fortzusetzen, und er ist nur befugt, von dem bedungenen Zinse den auf jene Zeit ausfallenden Betrag abzuziehen, durch welche er in dem Gebrauche der Sache verhindert gewesen.

[3, 12] §. 79. Wofern es jedoch in der Macht des Vermiethers gestanden, die Hindernisse alsogleich abzustellen, und er sich auf das von dem Vermiether an ihn gemachte Ansuchen dazu nicht verstehen wollen, so mag der Miether zur Fortsetzung des Contracts nicht mehr verhalten werden, wenn schon der Vermiether hernach noch vor Ausgange der Miethzeit die Sache wieder in brauchbaren Stand hergestellet hätte.

[3, 12] §. 80. Doch soll der Miether oder Pachter, sowohl in einem als dem andern Falle schuldig sein, wenn die vorgefallene Hinderniß von der Beschaffenheit ist, daß daraus bei verzögerter Abhilfe ein noch größerer Schaden geschehen könnte, dieses dem Vermiether oder Verpachter, und woferne es die Umstände zulassen, noch vor Verlassung der Miethe zu melden; widrigens, wenn er diese Meldung, da er sie hätte machen können, zu machen unterlassen hat, und dem Vermiether andurch ein Schaden zugegangen ist, deme er bei zeitlich erhaltener Nachricht hätte vorkommen können, muß er dem Vermiether für allen daher erlittenen Schaden haften.

[3, 12] §. 81. Dahingegen ist der Miether nicht berechtiget, wegen einer jeden ihm im Gebrauche der Sache zugehenden Unbequemlichkeit die Miethe abzubrechen. Wenn also der Vermiether das Haus ausbessern will, die Ausbesserung aber ohne Raumung der vermietheten Wohnung geschehen kann, ist der Miether schuldig, in derselben zu beharren, wofern ihm nur andurch keine beträchtliche Hinderniß verursachet wird.

[3, 12] §. 82. Wenn auch der Miether, ohngeachtet er eine rechtmäßige Ursache hätte, von dem Contracte abzuweichen, dennoch bei der Miethe beharrete, so kann er an dem bedungenen Zinse keinen Nachlaß fodern. Wenn jedoch nur ein Theil der gemietheten Wohnung unbrauchbar gemacht worden und der Miether währender Wiederherstellung dieses Theils in der übrigen Wohnung verbleibet, so gebühret ihm für die Zeit des behinderten Gebrauchs der Nachlaß des Zinses insoweit, als davon auf den unbrauchbar gewesenen Theil nach einem billigen Anschlage ausfällt.


(427) [3, 12] §. 83. Alle Ursachen, welche nach Unseren bisherigen Anordnungen dem Vermiether sowohl, als dem Miether ein Recht geben, vor der bedungenen Zeit von dem Contracte abzuweichen, bestehen auch alsdann, wenn schon die Contrahenten sich durch ein ausdrückliches Beding gegen einander verbindlich gemacht hätten, daß sie aus keinerlei Ursache von dem Contracte abweichen wollen.

[3, 12] §. 84. Nach geendigter Miethzeit, wenn der Contract nicht weiter verlängert worden, ist der Miether alsofort schuldig, die gemiethete Wohnung oder das gepachtete Gut zu raumen, und Alles wieder in denjenigen Stand herzustellen, wie es bei seinem Antritte gewesen; doch wollen Wir ihm die nach eines jeden Landes Gebrauche übliche Zeit eingestehen, um binnen derselben seine Fahrnissen gemächlich fortzubringen, und gegen deme, daß er längstens in der Hälfte dieser Zeit dem Nachfolger in der Wohnung ein dienliches Ort zu Hinbringen seiner Fahrnissen einzuraumen verbunden sein solle.

[3, 12] §. 85. Würde aber der gewesene Miether nach dem letzten Tage der vergünstigten Ausziehungszeit sich annoch in der Wohnung betreten lassen, so soll dem Vermiether auf sein Anrufen die schleunigste Rechtshilfe ertheilet, und von dem Gerichte der Miether ohne allen Verzug und ohne Rücksicht auf den ihm andurch widerfahren mögenden Schaden mit Hinwegschaffung aller seiner Fahrnissen zur Wohnung hinausgewiesen werden.

[3, 12] §. 86. Durch das Absterben des Vermiethers oder des Miethers wird der Contract nicht aufgehoben, sondern sowohl die Erben des Miethers, als des Vermiethers, wie auch Jene, denen das Eigenthum oder die Nutznießung der Sache von dem Vermiether vermacht worden, müssen bei dem Contracte beharren; außer die Miethe wäre nur auf Lebenszeit oder auf Wohlgefallen des einen oder des andern Theils eingegangen worden, oder das Recht des Vermiethers wäre durch seinen Tod erloschen, oder wenn nach dem Tode des Miethers binnen der zu Antretung der Erbschaft ausgesetzten Zeit kein Erb ausfindig gemacht werden könnte, oder wenn dessen Verlassenschaft mit einem solchen Schuldenlaste behaftet wäre, daß Niemand sich derselben annehmen wollte.

[3, 12] §. 87. Wofern aber währender Miethzeit das Eigenthum oder die Nutznießung des Hauses oder Guts von einem Dritten erworben wurde, es möge durch eine von dem Vermiether vorgenommene willkürliche Handlung unter Lebenden, als durch Verkauf, Tausch, Schenkung, oder aus Macht Rechtens, als durch richterlichen Spruch, Erlöschung der Nutznießung, oder andere willkürliche oder nothwendige Uebertragungen geschehen sein, so ist weder der neue Besitzer, noch der Miether schuldig, den Contract fortzusetzen, sondern einem jeden Theile stehet frei, nach vorhergegangener landesbräuchlichen Aufkündung davon abzugehen.

[3, 12] §. 88. Wenn jedoch der Miether von dem neuen Besitzer vor der contractmäßigen Zeit wider seinen Willen aus der Miethe verdrungen wird, und der Vermiether entweder die Sache durch willkürliche Uebertragung an einen Dritten überlassen, oder die ihm wohlbewußte Eigenschaft der Sache, wegen welcher selbe noch vor Endigung des Contracts aus Macht Rechtens einem Andern zugefallen ist, dem Miether geflissentlich verschwiegen hätte, so ist dieser befugt, den Vermiether zum Ersatze des ihm wegen des vor der Zeit abgebrochenen Contracts zugegangenen Schadens nach Ausmessung des §. 27 anzuhalten. Wenn hingegen die vermiethete Sache aus Macht Rechtens an einen Andern übertragen worden, und die Ursache dieser Uebertragung entweder offenkundig oder dem Vermiether selbsten zur Zeit des Contracts nicht bekannt gewesen, so kann der Miether außer der Nachlassung oder Zurückfoderung des für die noch übrige Zeit gebührenden Zinses keine andere Foderung stellen.

[3, 12] §. 89. Wenn auch die vermiethete Sache an Jemanden mit dem ausdrücklichen Bedinge überlassen wird, daß er den Miether durch die Zeit des Contracts in der Miethe belassen solle, oder wenn derselbe stillschweigend durch angenommene


(428) Anweisung der Zinsen darein gewilliget, oder wenn er von dem Miether für die Zeit seines Besitzes, ohne vorhero aufgekündet zu haben, den Zins angenommen hat, so ist er schuldig, bei dem von seinem Vorgänger geschlossenen Contracte zu beharren.

[3, 12] §. 90. Wenn ein Gut von Unserer Kammer an Jemanden auf was immer für Weise veräußert wird, da soll das Beding, das er bei den von Unserer Kammer in Ansehung dieses Guts geschlossenen Pachtcontracten beharren müsse, wenn es schon nicht ausgedrücket wäre, allezeit darunter verstanden sein. Auch ist ein jeder Glaubiger, wenn er zum Besitze eines ihm zum Unterpfande verschriebenen Hauses oder Guts gelanget, an die von dem Schuldner vorhero eingegangene Pachtcontracte insolange gebunden, als er das Eigenthum nicht erworben hat, und umsomehr hat es bei allen von dem Schuldner in Vermiethung seiner und in Miethung fremder Sachen eingegangenen Contracten in jenem Falle sein Bewenden, wenn sein Vermögen noch bei seinen Lebzeiten bei einem Auflaufe der Glaubiger in gerichtlichen Beschlag genommen wird.

[3, 12] §. 91. Unter die zweite Art dieses Contracts, wodurch persönliche Dienste und Arbeiten für Geld geleistet werden, gehören alle jene Geschäfte, wenn Jemand für einen Andern die Ausführung und Herstellung eines gewissen Werks übernimmt, oder wenn Jemand sich zu Leistung unbestimmter persönlicher Dienste verdinget.

[3, 12] §. 92. Im ersten Falle ist Jener, der gegen den versprochenen Lohn das Werk auszuführen übernimmt, zu gleicher Zeit als ein Verdinger der Arbeit und als ein Dinger des Werks, Jener hingegen als ein Dinger der Arbeit, und als ein Verdinger des Werks anzusehen, der das Werk gegen einen bestimmten Lohn auszuführen giebt; im zweiten Falle aber ist Derjenige allezeit der Verdinger, der sich zu Leistung der Dienste und Arbeiten anheischig macht, und Derjenige der Dinger, der den Lohn zahlet.

[3, 12] §. 93. Alle Dienste und Arbeiten, die nicht wider die Ehrbarkeit und Unsere Gesetze laufen und um Geld geschätzet werden mögen, können gedungen und verdungen werden; wenn aber Jemand einen Andern zu einer unerlaubten Handlung dinget, oder Jemand sich zu Ausführung einer unerlaubten Handlung verdinget, so ist der Contract ungiltig, und Beide sind nach Beschaffenheit des Verbrechens zu bestrafen.

[3, 12] §. 94. Unter die Dienste und Arbeiten, die um Geld geschätzet werden mögen, sollen jene Verrichtungen, welche nicht durch körperliche Wirksamkeit, sondern durch die Kräfte des Verstands und Geistes ausgeübet werden, nicht gehören, und wenn über die Leistung derlei Dienste ein Contract geschlossen worden, so soll er nicht für einen Dingungscontract, noch die dafür bedungene Vergeltung für einen Liedlohn gehalten, sondern beides nach den im sechszehenten Capitel enthaltenen Regeln beurtheilet werden.

[3, 12] §. 95. Wer sich zu einer Arbeit verdungen hat, der kann diese Arbeit auch durch einen Andern verrichten, wenn der Dinger den eigenen Fleiß und die Zuthat des Verdingers nicht besonders gewählet hat, oder dieses aus der Beschaffenheit der gedungenen Arbeit erhellet; fremde Dienste und Arbeiten können aber nur alsdann verdungen werden, wenn dem Verdinger ein Recht zustehet, von Demjenigen, dessen Arbeiten er verdungen hat, derlei Dienste zu fodern.

[3, 12] §. 96. Bei der übernommenen Ausführung oder Herstellung eines gewissen Werks macht es keinen Unterschied, ob der Lohn dafür überhaupt bedungen, oder nach der Zeit, oder andern Umständen abgemessen, oder auch vorhinein gar nicht bestimmet worden; doch ist es nur alsdann ein Dingungscontract, wenn Derjenige, der das Werk machen läßt, den Zeug dazu ganz oder zum Theil hergiebt. Wenn hingegen der ganze Zeug, woraus das Werk verfertiget wird, Demjenigen zugehöret, der dasselbe zu verfertigen übernommen hat, so ist es ein Kauf.


(429) [3, 12] §. 97. Wer sich bei einem Andern zu Leistung persönlicher Dienste verdungen, oder wer ein bestimmtes Werk für einen Andern auszuführen übernommen hat, der ist schuldig, die versprochenen Dienste zu leisten, oder das Werk nach Maß der getroffenen Abrede herzustellen; würde er aber durch einen Zufall an Leistung der Dienste oder an Vollendung des Werks gehindert, so gebühret ihm der Lohn blos nach Maß der bereits verfertigten Arbeit oder der geleisteten Dienste.

[3, 12] §. 98. Wenn jedoch Derjenige, der die Arbeit gedungen, oder der das Werk verdungen hat, durch seine Schuld die Leistung der gedungenen Dienste, oder die Vollendung des verdungenen Werks verhindert hat, so ist er schuldig den ganzen bedungenen Lohn ebenso zu entrichten, als ob die Dienste der Abrede nach geleistet, oder das Werk gänzlich verfertiget worden; außer er könnte erweisen, daß der Uebernehmer des Werks, oder der Verdinger der Arbeit unter der Zeit einen andern ebenso einträglichen Verdienst erworben habe.

[3, 12] §. 99. Wenn hingegen Derjenige, der sich zu Leistung der Dienste oder zu Ausführung des Werks anheischig gemacht hat, durch seine Schuld die Dienste nicht leistet, oder die Vollendung des Werks verabsäumet, so mag er auch für die bereits geleistete Dienste oder für die bereits verfertigte Arbeit nicht fodern, und wenn er bereits etwas empfangen hat, so muß er dasselbe zurückgeben, gleichwie er noch außerdeme dem andern Theile allen durch die verabsäumte Dienstleistung oder durch die unterbliebene Vollendung des Werks erlittenen Schaden zu ersetzen verbunden ist.

[3, 12] §. 100. Wer sich zu persönlichen Diensten verdungen, oder ein gewisses Werk zu verfertigen übernommen hat, der muß in diesen Diensten, oder in Verfertigung des übernommenen Werks, wie auch in Bewahrung des ihm übergebenen Zeugs allen jenen Fleiß und Sorgfalt anwenden, den die Hantierung, Kunst und Gewerb, wozu sich Jemand bekennet, insgemein, und die Beschaffenheit der Dienstleistung, oder die Eigenschaft des übernommenen Werks insbesondere erfodert, und wofern durch seine Nachlässigkeit oder durch Unerfahrenheit in der Dienstleistung oder in dem Werke ein Schaden geschehen, oder die Sache verwahrloset oder beschädiget worden, so muß er dafür haften.

[3, 12] §. 101. Wenn der Zeug, woraus das Werk verfertiget werden sollte, ohne Schuld Desjenigen, deme derselbe zu diesem Ende gegeben worden, zu Grunde gehet oder entwendet wird, so hat er für diesen Schaden nicht zu stehen; außer in dem im ersten Capitel §§. 80, 81, berührten Fällen, wie auch alsdann, wenn der Zeug von der Beschaffenheit ist, und dem Werkmeister solchergestalten gegeben worden, daß er nicht eben aus deme, was gegeben worden insbesondere, sondern aus einem Zeuge von ähnlicher Art und Eigenschaft das bedungene Werk verfertigen solle.

[3, 12] §. 102. Wenn das übernommene Werk, nachdeme es ganz oder zum Theile verfertiget worden, durch einen ungefähren Zufall zu Grunde gehet, so muß Derjenige für den das Werk verfertiget worden, den Schaden tragen, und dem Werkmeister gebühret über das der bedungene Lohn für die bereits vollendete Arbeit; wenn hingegen das verfertigte Werk nachhero wegen mangelbarer Arbeit zu Grunde gehet, oder zu dem bestimmten Gebrauche untauglich wird, so muß der Werkmeister dem Eigenthümer des Werks den erlittenen Schaden ersetzen.

[3, 12] §. 103. Wofern jedoch der Mangel des Werks bei dessen Uebernahme entweder offenbar oder durch behörige Untersuchung leicht zu entdecken gewesen wäre, und der Eigenthümer die Sache ohne Vorbehalt übernommen hat, so wird der Werkmeister von dem Ersatze des nachherigen Schadens befreiet; außer er hätte den bei der Sache vorhandenen Fehler durch beträchtliche Kunstgriffe verstecket, oder den Eigenthümer versichert, daß die Sache ohne Mangel sei.


(430) [3, 12] §. 104. Bei persönlichen Diensten und Arbeiten ist in Ansehung des bedungenen Lohnes, vornehmlich auf die deswegen getroffene Abrede, dann auf den Landesbrauch zu sehen. Wenn aber weder etwas verabredet worden, noch durch den Landesbrauch bestimmet wird, so gebühret der Lohn erst nach vollendeter Dienstleistung; außer wenn die Dienste auf mehrere Fristen gedungen und der Lohn für eine jede Frist besonders ausgemessen worden, alsdann kann derselbe nach dem Ende einer jeden Frist gefodert werden.

[3, 12] §. 105. Imgleichen gebühret der für die Herstellung eines gewissen Werks bedungene Lohn, wenn deswegen nichts Anderes verabredet worden, erst nach Vollendung des Werks; wenn jedoch der Lohn nach Maß der verfertigten Arbeit oder mit Beziehung auf gewisse Fristen bestimmet worden, so kann er, insoweit er verdienet worden, gefodert werden. Wenn aber auch der Lohn für die Herstellung des ganzen Werks überhaupt bedungen wäre, die Arbeit jedoch sich auf eine längere Zeit hinausziehet, oder der Arbeiter bei kundbarer Gebrechung der Mittel das übernommene Werk auszuführen außer Stande ist, so ist er befugt, den bedungenen Lohn nach Maß der verfertigten Arbeit nach und nach anzuverlangen.

[3, 12] §. 106. Um so minder ist der Werkmeister in dem Falle, wo die Verfertigung des übernommenen Werks beträchtliche Auslagen erfodert, wenn er sich zu deren Bestreitung nicht ausdrücklich verbunden hat, selbe aus seinem Vermögen herzuschießen schuldig, obschon deren Betrag unter der Summe des verabredeten Lohns mitbegriffen wäre.

[3, 12] §. 107. Wenn der Dinger der Arbeit den bedungenen Lohn in der gebührenden Zeit nicht zahlet, so hat eben Dasjenige statt, was Wir oben im §. 34 geordnet haben, und wenn es sich von der Ausführung eines gewissen Werks handelt, so hat der Verdinger dieses Werks noch außerdeme sich selbst beizumessen, wenn wegen Vorenthaltung des Lohns das Werk nicht behörig zu Stande kommt.

[3, 12] §. 108. Wenn es sich ereignete, daß die Verfertigung des Werks durch einen unvorhergesehenen Zufall viel beschwerlicher gemacht würde, oder mehr Mühe und Arbeit erfoderte, als bei dem anfänglichen Zustande der Sache dazu nothwendig gewesen, so ist der Arbeiter berechtiget, nach Maß der vermehrten Arbeit auch eine billigmäßige Erhöhung des bedungenen Lohns anzubegehren.

[3, 12] §. 109. Nachdeme das verdungene Werk vollendet worden, so höret der Contract auf. Wäre aber von dem Verdinger des Werks eine Zeit bestimmet worden, binnen welcher dasselbe vollendet werden sollte, so wird durch deren Verlauf der Dinger des Werks nicht befreiet, sondern er ist schuldig das Werk noch nachhero auszuführen; dahingegen mag der Verdinger des Werks nach Verfließung der ausgemessenen Zeit nicht gezwungen werden länger nachzuwarten.

[3, 12] §. 110. Wie es jedoch in dem Falle, wo zu Verfertigung des Werks eine Zeit bestimmet und binnen derselben das Werk nicht zu Stande gebracht worden, mit der Bezahlung des dafür bedungenen Lohns und dem Ersatze des andurch verursachten Schadens zu halten sei, ist nach eben jenem Unterschiede zu entscheiden, welchen Wir in Ansehung der unterbliebenen Ausführung eines verdungenen Werks im §. 97, 98 und 99 überhaupt festgesetzet haben.

[3, 12] §. 111. Ebenso, wenn unbestimmte Dienste und Arbeiten auf eine bestimmte Zeit verdungen worden, dauret der Contract bis zum Verlaufe der bestimmten Zeit; ist aber keine Zeit bestimmet worden, so dauret der Contract so lang, bis ein Theil dem Andern seinen Willen, von demselben zurückzutreten, andeutet. Weder in einem noch dem andern Falle ist eine Aufkündung von Nöthen, wenn sie nicht besonders ausbedungen worden. Wenn jedoch in dem Falle, wo Dienste und Arbeiten auf eine bestimmte Zeit verdungen worden, diese Dienste und Arbeiten auch nach verflossener Zeit geleistet und von dem andern Theile


(431) angenommen worden, so wird der Contract andurch auf eben jene Art erneuert, wie Wir oben im §. 65 geordnet haben.

[3, 12] §. 112. Sowohl die Verdingung unbestimmter persönlicher Dienste, als eines bestimmten Werks höret auf, wenn entweder Derjenige, der die Arbeit gedungen, oder der seine Dienste verdungen, mit Tod abgehet; außer wenn der Contract ausdrücklich auf die Erben lautet. Wegen Bezahlung des verdienten Lohns hat es jedoch bei den Anordnungen des §. 97, 98 und 99 sein Bewenden.

Dreizehentes Capitel.

Von Dienstleuten insbesondere.

[3, 13] §. 1. Das, was Wir im vorigen Capitel von Verdingung persönlicher Dienste und Arbeiten geordnet haben, trifft insbesondere bei Dienstleuten ein. Für Dienstleute sind aber alle Jene zu halten, die sich dergestalten in einen Dienst verdingen, daß sie andurch ein Mitglied von der häuslichen Gesellschaft ihres Herrn werden; die dagegen bedungene Belohnung möge im Gelde oder anderen Sachen bestehen.

[3, 13] §. 2. Wir wollen aber unter diesen Unsern wegen der Dienstleute erlassenen Anordnungen auch Jene begriffen haben, die sich nicht zu einer körperlichen Arbeit, sondern zu solchen Verrichtungen in Dienste begeben, die vornehmlich durch die Kräfte des Verstands und Witzes ausgeübet werden; wofern sie sich nur einem einzigen solchen Dienste allein gewidmet haben.

[3, 13] §. 3. Ein jeder Diener ist schuldig, seinem Herrn geziemende Ehrerbietung und Gehorsam zu bezeigen, sich in dem Dienste ehrlich, fromm und getreu aufzuführen, des Herrn Nutzen zu befördern, dessen Schaden abzuwenden, und den ihm anvertrauten Dienst mit allem erforderlichen Fleiße zu verrichten.

[3, 13] §. 4. Unehrerbietung, Ungehorsam in billigen Sachen, Widersetzlichkeit und dergleichen Unfug, der unmittelbar wider den Herrn oder die Seinigen lauft, ist derselbe befugt, nicht nur scharf zu verweisen, sondern auch nach Gestalt der Sachen mit mäßiger Züchtigung zu ahnden, und wenn dieses nicht fruchtete, den widerspenstigen Diener vor Endigung der Dienstzeit zu entlassen, auch eine empfindlichere Strafe desselben bei Gerichte anzusuchen.

[3, 13] §. 5. Was einem frommen und redlichen Lebenswandel zuwiderlauft, ist kein Herr schuldig, an seinen Dienstleuten zu leiden, sondern er kann mit allem Ernste auf dessen Abstellung dringen. Doch ist er nicht berechtiget, namhafte, wider die guten Sitten und Polizeiordnung streitende Verbrechen selbst zu bestrafen; wohl aber stehet ihm frei, den Thäter alsogleich aus seinem Dienste abzuschaffen.

[3, 13] §. 6. Wenn ein Diener im Dienste eine Untreue begehet, so kann der Herr selbe, insoferne es eine Kleinigkeit betrifft, selbst ahnden und bestrafen; im Falle aber die Untreue beträchtlich wäre, oder gar ein Hausdiebstahl begangen worden, so gehöret die Bestrafung nach Ausmessung Unserer peinlichen Gerichtsordnung dem ordentlichen Gerichte.

[3, 13] §. 7. Auch außer seinem Dienste ist ein Diener schuldig, seines Herrn Nutzen, so viel er kann, zu befördern und dessen Schaden zu verhüten; hätte er aber dieses geflissentlich unterlassen, so kann es nicht nur von dem Herrn geahndet, sondern auch nach Beschaffenheit der Umstände vom Gerichte bestrafet werden.


(432) [3, 13] §. 8. Wenn ein Diener währender Dienstzeit sich seinem Herrn entzogen hätte, oder von einem Anderen abwendig gemacht worden wäre, so ist der Herr befugt, den flüchtigen Diener aller Orten in Anspruch zu nehmen, und Denjenigen, der ihn abwendig gemacht hat, oder ihm wissentlich einen Aufenthalt giebt, unter einer nach richterlichen Befunde bestimmten Geldstrafe zu dessen Ausfolgung, wie auch zum Ersatze der Dienstversäumniß und aller verursachten Schäden und Unkösten zu belangen.

[3, 13] §. 9. In diesem Falle hat das Gericht ohne alle Weitläufigkeit zu verfahren, und vor Allem, wenn die noch fortdauernde Dienstzeit außer Zweifel ist, sich der Person des entwichenen Dieners mittels Bürgschaft, oder eidlicher Verstrickung, auch nach beschaffenen Umständen mittels dessen Handfestmachung zu versichern, sodann auf Befund, daß er sich seinem Herrn widerrechtlich entzogen habe, auf dessen Stellung in seinen Dienst zu erkennen, und selbe durch die behörigen Zwangsmittel zu bewirken.

[3, 13] §. 10. Von dieser Erkanntniß soll kein weiterer Rechtszug gestattet sein. Wenn jedoch der entwichene Diener genugsame Ursache, den Dienst zu verlassen, oder ein Anderer ein stärkeres Recht an ihn zu haben vermeinte, so soll so Einem, als dem Andern nach vorheriger Stellung des Dieners unverwehret sein, ihre Gerechtsamen bei eben demselben Gerichte auszuführen.

[3, 13] §. 11. Der Herr seinerseits ist verbunden, seinen Dienstleuten alles Dasjenige zu reichen, was ihnen bedungen worden, und er ist nicht befugt einen derselben vor dem Ausgange der bestimmten Zeit ohne erhebliche Ursache wider dessen Willen des Dienstes zu entlassen.

[3, 13] §. 12. Wenn wegen des abzurechnenden Lohns oder Gehalts nichts Gewisses bedungen, sondern dessen Ausmessung dem Herrn überlassen worden, so hat dieser das Recht zu seiner Zeit einen ihm billig scheinenden Lohn auszuwerfen; wenn hingegen der Herr dem Diener gestattet hat, einen Lohn, den er verdient zu haben glaubet, anzubegehren, so mag dieser einen billigen Lohn bestimmen.

[3, 13] §. 13. Wofern jedoch in ein oder dem andern Falle, der Herr und der Diener darinnen nicht übereinkommen könnten, oder wenn deswegen zwischen ihnen gar nichts verabredet worden, so tritt das Ermessen des Richters ein, und dieser soll vornehmlich darauf sehen, was an diesem Orte für dergleichen Dienste an Liedlohn oder Gehalt insgemein gereichet zu werden pfleget.

[3, 13] §. 14. Wenn einem Diener ein gewisser Lohn für ein Jahr bedungen, oder auch ohne Beding mit dessen Zufriedenheit abgereichet worden, und er nach Verfließung des Jahrs länger in Diensten bleibet, ohne weiter einen Lohn zu bedingen, so lauft auch für die folgende Zeit der dem erstjährigen Lohne angemessene Betrag fort; ebenso wenn ein neuer Diener von gleicher Fähigkeit an die Stelle des vorigen eintritt, ohne wegen des Lohns oder Gehalts etwas auszubedingen, ist dafür zu halten, daß der Herr, und der neue Diener sich auf das, was dem vorigen Diener abgereichet worden, stillschweigend verglichen haben.

[3, 13] §. 15. In Liedlohnstrittigkeiten soll schleunig und außerordentlich verfahren, und wenn eine unbillige Vorenthaltung oder Verkürzung des verdienten Liedlohns hervorkäme, mit allem Ernste darauf gedrungen werden, damit Dienstleute ohne Verschub zu dem Ihrigen gelangen, und annebst den Ersatz aller Schäden und Unkösten erhalten.

[3, 13] §. 16. Zu Vorenthaltung des verdienten Liedlohnes mag dem Herrn die Einwendung, daß der Diener auf eine Zeit seinem Dienste nicht abgewartet, daß während seinem Dienste ein Schaden geschehen, daß dessen Arbeit sich vermindert habe, keineswegs berechtigen, wenn nemlich der Diener nur auf eine kurze Zeit durch Krankheit oder einen andern Zufall seinen Dienst zu verrichten verhindert worden, wenn es nicht erwiesen werden kann, daß der Diener durch seine Nachlässigkeit


(433) an dem geschehenen Schaden Schuld trage, und wenn der Lohn nicht nach Menge der Arbeit, sondern nach der Dienstzeit verglichen worden.

[3, 13] §. 17. Dahingegen ist ein Herr nicht schuldig, bei einer länger anhaltenden Krankheit des Dieners dessen Lohn fortzuzahlen; außer wenn derselbe einen andern zu dieser Dienstleistung Tauglichen und dem Herrn Annehmlichen für die Zeit seiner Krankheit anstatt seiner bestellet.

[3, 13] §. 18. In Krankheitsfällen liegt zwar dem Herrn ob, für die Wiedergenesung der Dienstleute zu sorgen, und ihnen in ihren Bedürfnissen nach Thunlichkeit beizuspringen; wo er aber Unkosten darauf verwendet hätte, kann er selbe zurückfodern, und bei erfolgten Tode eines Dieners ist er befugt, die vorgeschossenen Begräbnißunkosten aus dessen Verlassenschaft anzuverlangen.

[3, 13] §. 19. Wenn ein Diener vor der Zeit wider Willen des Herrn aus dem Dienste tritt, so ist der Herr nicht schuldig, ihm den Lohn ausfolgen zu lassen, sondern er kann sich wegen des Ersatzes, den ihm der Diener nach Maß des §. 8 zu leisten hat, an denselben halten; außer wenn ein hartes und unbilliges Verfahren des Herrn den Diener vor der Zeit zu Verlassung des Dienstes bemüssiget hätte.

[3, 13] §. 20. Ferner ist ein Herr schuldig, seinen Diener zu schützen, ihn wider unbillige Anmaßungen zu vertheidigen, ihm den wegen des Dienstes an seinen Sachen erlittenen Schaden, insoferne der Dienst unmittelbar an diesem Schaden Ursache ist, zu ersetzen, auch, wenn der Diener in einer ihm aufgetragenen gefährlichen Verrichtung, oder sonst auf Veranlassung des Herrn an Leibe und Gliedern beschädiget würde, ihme desfalls Genugthuung zu leisten, und soll der Richter in allen dergleichen Fällen dahin sehen, daß der sich beschwerende Diener nach Maß der aus der That selbst sich ergebenden Billigkeit klaglos gestellet werde.

[3, 13] §. 21. Ueberhaupt aber soll in Betreff der Untreue und Bosheit der Dienstleute, ihrer sträflichen Fahrlässigkeit, unzeitigen Dienstverlassung, übermäßigen Lohnerpressung, Muthwillen, Liederlichkeit und anderer ungebührlichen Aufführung, sowie auch in Ansehung alles harten und unbilligen Verfahrens der Herrn wider ihrer Dienstleute, Unseren im jedem Lande desfalls besonders bestehenden Polizeiordnungen und wohl hergebrachten Gewohnheiten auf das genaueste nachgelebt werden.

[3, 13] §. 22. Jene Diener und Beamte, denen von ihren Herrn die Besorgung eines Guts, einer Landwirthschaft, einer Handlung, eines Gewerbs, Hauses oder eines andern die Verrechnung erfodernden Geschäfts anvertrauet worden, haben die besondere Pflicht auf sich, nicht nur das ihnen anvertraute Amt mit gebührender Treue und Sorgfalt zu verwalten, sondern auch darüber ordentliche Rechnung zu legen.

[3, 13] §. 23. Ein solcher Diener und Beamter ist zu jenem Fleiße verbunden, welchen gute, emsige und sorgfältige Wirthe anzuwenden pflegen. Wenn er dahero ohne Befehl etwas unternimmt, was ein guter Wirth nicht unternommen haben würde, wenn er gegentheils etwas vorzukehren, oder dem Herrn in der Zeit anzuzeigen unterläßt, was ein guter Wirth nicht unterlassen hätte, wenn er ein auch nur zufälliges, doch von einem fleißigen Wirthschafter vorzusehen und abzuwenden gewesenes Unglück nicht verhütet, oder wenn er einen durch die Unachtsamkeit anderer ihm untergebener Dienstleute verursachten Schaden, deme er bevorkommen kann, nicht hintanhält, so hat er dafür zu haften.

[3, 13] §. 24. Nicht minder muß er den durch seine Unverträglichkeit, oder durch fälschliche Verkleinerung anderer Dienstleute, durch seine allzu große Nachsicht, oder durch sein bedenkliches Verständniß mit den Andern dem Herrn verursachten Schaden ersetzen; besonders macht er sich alsdann verfänglich, wenn eine Warnung oder ein sonderbarer Befehl von dem Herrn vorhergegangen, deme er nicht nachgelebet hat. Ueberhaupt aber hat der Richter in Bestimmung des zu leistenden Ersatzes


(434) die Umstände zu betrachten, und nach denselben die dadurch beschwerte oder verminderte Schuld des Dieners zu beurtheilen.

[3, 13] §. 25. Wirthschaftsbeamte insonderheit, wenn sie den Unterthanen und dem Landvolke vorgesetzet sind, wenn ihnen die Aufsicht über Städte, Märkte, Dorfschaften, Gemeinden, Gotteshäuser und Stiftungen aufgetragen ist, oder wenn sie die obrigkeitliche Gerichtsbarkeit, und was überhaupt in die Rechtspflege einschlägt, zu besorgen haben, sind an alle diejenige Verordnungen gebunden, die Wir zum gemeinen Besten und Aufrechterhaltung der Unterthanen erlassen haben. Den Herrn stehet also zwar frei, ihren Beamten diensame Maßregeln zur Beobachtung vorzuschreiben; doch müsse selbe Unseren Gesetzen, der Landesverfassung und den wohlhergebrachten Gewohnheiten nicht zuwiderlaufen, und in diesem Falle haben die Wirthschaftsbeamten alles jenes zu vollziehen, was sowohl die Eigenschaft ihres Amtes, als die sonderbaren Befehle des Herrn mit sich bringen.

[3, 13] §. 26. In Ansehung der Art und Weise wie die Rechnungen geleget werden sollen, wie auch der Zeit, wann selbe zu erlegen sind, lassen Wir es bei dem landesüblichen Gebrauche, oder auch bei den von einem jeden Herrn nach seiner Willkür gemachten Einrichtungen bewenden; doch wollen Wir wegen der beiderseitigen Sicherheit die Zeit der Rechnungserlegung auf ein jedes Jahr dergestalten bestimmen, daß sowohl der Herr den Rechnungsführer wenigstens zur alljähriger Rechnung verhalten, als auch dieser nach einem jeden Jahre die Aufnehmung und Erledigung seiner Rechnung ansuchen möge.

[3, 13] §. 27. Der Grund einer solchen Rechnung beruhet in der einem jeden verrechneten Diener bei dem Antritte seines Dienstes ordentlich gemachten Uebergabe alles dessen, was er künftig zu verrechnen hat. Diese Uebergabe soll von dem Herrn oder einem Andern in dessen Namen, oder von dem Vorfahrer im Dienste in Beisein des Herrn oder seines Bevollmächtigten geschehen, alles Uebergebene, es seie baarer Bestand, Vorräthe oder Ausstände nach seiner Zahl, Gewicht oder Maß beschrieben, darüber zwei Urkunden verfasset, eine derselben mit des Herrn oder seines Bevollmächtigten Fertigung dem Rechnungsführer zugestellet, und die andere mit dieses Letzteren Fertigung bei dem Herrn aufbehalten werden.

[3, 13] §. 28. Wenn ein Beamter durch einen dringenden Umstand bemüssiget worden wäre, einen solchen Dienst ohne vorhergegangenen Uebergabe anzutreten, so ist derselbe schuldig, falls er sich über den Empfang keine andere Bescheinigung hätte geben lassen, denselben auf Verlangen des Herrn mit einer eidlichen Anzeige zu erhärten. Wenn aber der Herr dem neuen Beamten befohlen hätte, sich unerwartet einer ordentlichen Uebergabe der Verwaltung zu unterziehen, so kann er nach der Zeit nicht mehr verhalten werden, den Empfang eidlich zu bestätigen, doch bleibt dem Herrn bevor, den mehreren Empfang über das, was von dem Rechnungsführer angegeben wird, durch andere Beweise darzuthun.

[3, 13] §. 29. Wie bei andern, also auch bei Hausrechnungen, obwohl sie nicht allzu beträchtlich wären, muß Dasjenige, was bei dem Antritte des Dienstes an baarem Gelde oder andern Sachen und Fahrnissen übergeben worden, oder von der vorigen Rechnung rückständig geblieben, zum Grunde geleget, der weitere Empfang, wie auch die vorgefallene Ausgaben getreulich und ordentlich mit Monate und Tage angezeiget, und der nach Abzug der Ausgaben verbleibende Bestand vollständig ausgewiesen, oder der sich daran ergebende Abgang ersetzet werden.

[3, 13] §. 30. Der Rechnungsführer ist schuldig sowohl den Empfang, wo es zur Beglaubigung nöthig ist, mit Gegenscheinen oder andern Zeugnissen, als auch die Ausgaben mit Quittungen zu bewähren, und anbei, wo es nicht unausweichliche oder überhaupt anbefohlene Zahlungen betrifft, den schriftlichen Befehl des Herrn beizubringen. Würde aber ein Beamter sich auf mündliche Befehle des


(435) Herrn berufen, muß er selbe wenigstens halbständig erweisen, und alsdann ist er zur eidlichen Erhärtung zuzulassen; seinem blosen Vorgeben aber soll ohngeachtet des zugleich angebotenen Eides kein Glauben beigemessen werden. Doch kommen ihm die unbefohlenen Ausgaben allezeit insoweit zu Guten, als selbe zum erweislichen Nutzen des Herrn gediehen sind.

[3, 13] §. 31. Nach Verlaufe des Jahrs, oder der vom Herrn dazu bestimmten kürzeren Zeit, und vornehmlich bei dem Ausgange des Dienstes soll die Rechnung, wann desfalls nichts Besonderes ausbedungen worden, bei minder wichtigen Geschäften innerhalb drei oder vier Wochen, bei deren größeren Wichtigkeit und Weitläufigkeit aber längstens binnen den nächsten sechs Wochen ohne weitere Nachfrist geleget werden; widrigenfalls kann der Herr den Rechnungsführer mit Zwangsmitteln dazu anhalten.

[3, 13] §. 32. Bei der Aufnehmung und Erledigung der Rechnungen, wie auch bei andern in das Rechnungswesen der Diener einschlagenden Punkten genießen die Besitzer landschaftlicher oder Lehengüter in diesen Unseren deutschen Erblanden das besondere Vorrecht, daß sie selbst in Rechnungssachen ihrer Beamten, und anderer zur Landwirthschaft gehörigen Diener als eine gerichtliche Gehörde vorgehen, und darüber dergestalten erkennen können, daß ihre Erkanntniß wie ein anderer richterlicher Spruch anzusehen ist. Diese obrigkeitliche Befugniß soll denselben auch in Hausrechnungssachen, doch nur gegen jene Rechnungsführer gebühren, welche in ihrem alleinigen Dienste und Gehalte stehen, und auf dem landschaftlichen oder Lehengute ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

[3, 13] §. 33. Der Herr ist berechtiget, die gelegte Rechnung selbst oder durch Andere aufzunehmen. Die bei derselben Durchgehung und Untersuchung vorkommenden Anstände sind dem Rechnungsführer in einem Auszuge auf eine ihm anberaumte Frist zur mündlichen Beantwortung zuzustellen. Was von ihm behoben oder eingestanden wird, darüber ist ein Verzeichnis zu verfassen, von dem Rechnungsleger zu unterschreiben, und ihm in Abschrift zu verabfolgen.

[3, 13] §. 34. Wenn auf diese Art Alles behoben worden, so soll dem Rechnungsleger nach geleistetem Ersatze der eingestandenen Posten die Loszählung unverlängert ertheilet, wo aber mit dem Ersatze gesäumet würde, ihm derselbe mittels eines obrigkeitlichen Endauszuges binnen vierzehen Tagen auferleget, und ferner auf die hernach im §. 38 geordnete Art verfahren werden; wenn hingegen einige Anstände im Widerspruche bleiben, oder wenn der Rechnungsleger bei der Tagsatzung nicht erschiene, so sind dieselben ihm als förmliche Rechnungsmängel zur schriftlichen Beantwortung mitzutheilen.

[3, 13] §. 35. Wofern auch durch diese Beantwortung sämmtliche Anstände nicht gehoben würden, so soll zwar dem Herrn, gleichwie dem Rechnungsleger nach Maßgabe dessen, was Wir in Unserer Gerichtsordnung bei dem Rechnungsprocesse festgesetzet haben, noch die Beibringung einer Schrift gestattet sein; außer diesen vier Schriften aber soll keine mehr zugelassen, noch die Verhandlung durch eine etwa vorfallende Zeugenführung aufgehalten, sondern alsofort geschlossen, über Alles, was sowohl mündlich, als schriftlich vorgekommen, in Gegenwart des Rechnungslegers, und unter dessen Unterschrift, oder wenn er in der ihm dazu bestimmten vierzehentägigen Frist nicht erschiene, von Amtswegen ein Verzeichniß verfasset, und hernach zur obrigkeitlichen Erkanntniß geschritten werden.

[3, 13] §. 36. Die Rechnungserledigung muß von Post zu Post, wobei Mängel vorkommen, in der nemlichen Ordnung, welche bei der Rechnung beobachtet worden, abgefasset, und der Rechnungsleger entweder losgesprochen, oder zum Ersatze angewiesen, anbei aber überall die Ursache des auferlegten Ersatzes beigefüget werden; wenn es jedoch auf einen weiteren Beweis, oder auf eine eidliche Erhärtung ankäme, so ist der Ersatz nur unter der Bedingniß aufzubürden, wenn er dieses oder jenes nicht beweisen oder beschwören würde.


(436) [3, 13] §. 37. Diese Erkanntniß möge von dem Herrn selbst, oder von einem Andern im Namen des Herrn geschöpfet sein, so muß sie jedesmal von dem Herrn selbst unterfertiget werden; ausgenommen er wäre abwesend, und hätte Jemanden zu seinen Rechtsvorfallenheiten eigends bevollmächtiget.

[3, 13] §. 38. Dem Rechnungsleger sollen aber bei dieser Verhandlung die Mittel zu seiner Vertheidigung nicht beschränket, sondern ihm sowohl bei dem mündlichen als schriftlichen Verfahren seine Schriften, jedoch mit Anwendung der nöthigen Behutsamkeit, zur Einsicht verstattet, auch entweder in Urschriften gegen Bescheinigung oder in beglaubten Abschriften ausgefolget, nicht minder demselben aus seinen vorhin gelegten Rechnungen oder andern dahin einschlagenden Rechnungen seiner Mitbeamten die benöthigten Urkunden in Abschrift mitgetheilet werden.

[3, 13] §. 39. Wenn der Rechnungsleger durch diese obrigkeitliche Erkanntniß beschweret zu sein glaubet, so muß er binnen vierzehen Tagen von der ihm geschehenen Kundmachung, auf die in Unserer Gerichtsordnung vorgeschriebene Art den weiteren Rechtszug an die höhere Gehörde nehmen, und wenn ihm ein Eid aufgetragen oder ein Beweis vorbehalten worden, liegt ihm ebenfalls ob, innerhalb der nächsten vierzehen Tagen sich dazu zu melden, und in der ihm dazu anberaumten Zeit, sowohl den Eid abzulegen, als den Beweis zu führen; widrigens ist er nach Verlauf dieser Zeit dazu nicht mehr zuzulassen.

[3, 13] §. 40. Wir wollen aber zur Beschleunigung dieser Rechnungserledigungen folgende Fristen festgesetzet haben. Der Herr soll schuldig sein innerhalb drei Monaten von dem Tage des bei ihm angebrachten Erledigungsgesuchs zu dieser Erledigung zu schreiten, oder dem Rechnungsleger die Mängel zustellen zu lassen; widrigens soll er die ihm über diese Rechnung zugestandene obrigkeitliche Erkanntniß verloren haben, und wenn es darüber zu Strittigkeiten käme, und der Herr Kläger würde, selbe bei dem ordentlichen Richter des Rechnungslegers verhandelt werden, außer derselbe wollte sich der späteren Erkanntniß des Herrn freiwillig unterwerfen.

[3, 13] §. 41. Wir wollen annebst dem Rechnungsleger die Befugniß einraumen, daß er nach Verlauf dieser drei Monate, wenn binnen denselben Unserer im vorigen §. erlassenen Anordnung nicht nachgelebet worden, den Dienst aufsagen möge, wenn er sich gleich auf längere Zeit verbunden hätte, und ihm stehet sodann frei, die Erledigung seiner Rechnung, und seine vollständige Loszählung bei dem Richter des Herrn anzusuchen.

[3, 13] §. 42. Die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung kann von dem Herrn so oft, als nöthig, doch ganz kurz auf einander bestimmet werden. Wenn aber die mündliche Verhandlung geschlossen worden, so soll der Herr binnen vier Wochen dem Rechnungsleger entweder die Loszählung ertheilen, oder die unbehobenen Mängel schriftlich zustellen lassen; eine gleiche Zeit von vier Wochen wollen Wir dem Rechnungsleger zur Beantwortung der ihm zugestellten Mängel, dann dem Herrn zu seiner zweiten Schrift eingeraumet haben.

[3, 13] §. 43. Würde aber während dieser Frist die Einbringung der Nothdurft von einer oder der andern Seite verabsäumet, so soll weder der Herr die von dem Rechnungsleger später eingereichte Schrift anzunehmen, noch dieser sich auf die nach verlaufener Frist ihme zugestellte Schrift des Herrn einzulassen schuldig sein, sondern die Verhandlung alsofort für geschlossen gehalten, und nach Demjenigen, was bereits eingebracht worden, gesprochen werden.

[3, 13] §. 44. Nachdeme die schriftlichen Verhandlungen auf eine oder die andere Art geschlossen worden, soll der Herr die obrigkeitliche Erkanntniß darüber ebenfalls binnen vier Wochen zu schöpfen verbunden sein; nach deren Verlaufe aber muß er den Rechnungsführer bei seiner ordentlichen Gehörde belangen, und die ganze Rechnungssache, wie sie liegt, dahin zur weiteren Vorkehrung übergeben.

[3, 13] §. 45. Wenn die Erkanntniß über die gelegte Rechnung aus der Schuld des Herrn zur ordentlichen Gehörde gelanget, so hat derselbe die beiderseitigen


(437) Gerichtsunkosten nach richterlicher Mäßigung allein zu tragen, wenngleich alle Mängel gegründet befunden worden wären; wo aber die Obrigkeit mit der Erkanntniß selbst vorgehet, da sind dem Rechnungsleger gar keine Gerichtsunkosten zuzumuthen.

[3, 13] §. 46. Würde endlich ein Herr die Erledigung der Rechnung längstens binnen drei Jahren und achtzehen Wochen, von dem Tage, da sie geleget worden, zu Ende zu bringen, oder die Sache bei Gerichte anhängig zu machen unterlassen, so soll diese Rechnung aus Macht Rechtens für richtig gehalten, und der Rechnungsleger darüber weitere Red und Antwort zu geben nicht mehr verhalten, sondern ihm ohne Anstand zu seiner Loszählung verholfen werden. Nur in Ansehung der im ersten Theile, sechsten Capitel, §. 150, berührten Vorbehaltsfälle, und des etwa eingestandenen Rests kann auch nach dieser Zeit ein weiteres rechtliches Verfahren Platz greifen; doch nicht nach der Erkanntniß des Herrn, sondern des ordentlichen Richters.

[3, 13] §. 47. Auch außer der zu Erlegung der Rechnungen vorgeschriebenen Zeit stehet dem Herrn frei, von seinem unter Rechnung stehenden Diener jedesmal nach Gefallen einen Ausweis über die ihm anvertrauten Gelder oder andere Sachen abzufodern. Eine dergleichen Bestandlegung zielet einzig und allein zu des Herrn eigener Sicherheit, und gereichet dem Beamten zu keiner Verkleinerung.

[3, 13] §. 48. Hiebei kann der Herr alsogleich mit Versiegelung der vorräthigen Gelder, und anderer unter des Beamten Verrechnung stehenden Sachen, wie auch seiner Handbücher, und aller zur Rechnung gehörigen Schriften den Anfang machen, sodann alles Vorgefundene nachzählen, nachmessen oder nachwägen, und nebst den Schriften und Urkunden beschreiben; doch ist der Rechnungsführer befugt, bei allem diesen gegenwärtig zu sein, und bis zur vollendeten Beschreibung sein eigenes Siegel mitanzulegen.

[3, 13] §. 49. Dem Rechnungsführer liegt sodann ob, aus den Rechnungsschriften die Ausstände entweder zur Stelle anzuzeigen, oder längstens binnen drei Tagen herauszuziehen, wo derselbe auch jene Ausstände beifügen kann, die er etwa in seinen Schriften aufzuzeichnen vergessen hätte; zu diesem Ende mag ihm die nöthige Einsicht seiner Schriften, doch mit Anwendung der erforderlichen Behutsamkeit nicht verwehret werden.

[3, 13] §. 50. Wenn der Rechnungsführer sich wegen eines Ausstands auf seine Mitbeamte oder andere Personen beziehet, so stehet dem Herrn frei, selbe vorzufodern, und über diesen Ausstand zu vernehmen. Was von ihnen eingestanden wird, ist als ein richtiger Ausstand anzusehen, das Widersprochene aber als zweifelhaft anzumerken, und zur weiteren Untersuchung anzusetzen. Inmittelst aber ist die zu Stande gebrachte Ausweisung der Ausstände in die obgedachte Beschreibung mit einzuziehen, und diese Beschreibung zur beiderseitigen Nothdurft gleichlautend auszufertigen.

[3, 13] §. 51. Wofern sich ein Abgang an Gelde oder andern Sachen äußerte, oder bei dem Ausweise beträchtliche Posten widersprochen würden, oder sich sonst eine gefährliche Verwirrung, oder ein gegründeter Verdacht einer Veruntreuung veroffenbarete, so kann der Herr nicht nur unmittelbar darauf die Erlegung der Rechnung binnen sechs Wochen fodern, sondern auch, wenn genugsame Ursache dazu vorhanden ist, sich der Person des Rechnungsführers und seiner Sachen versichern.

[3, 13] §. 52. Wenn ein Beamter vor erlegter Rechnung stirbt, und Niemand sich zur Verlassenschaft und Pflegung der Richtigkeit anmeldet, so kann der Herr weder zu Bezahlung der ausständigen Besoldung, noch zu Verabfolgung der nachgelassenen Habschaften verhalten werden, sondern er ist befugt, sich bis zu hergestellter vollständigen Richtigkeit daran zu halten.


(438) [3, 13] §. 53. Ebenso stehet dem Herrn frei, sich jedesmal an der Person und den Sachen eines Beamten zu halten, wenn derselbe die Rechnung zu rechter Zeit nicht erleget, oder wenn er sich, ohne Rechnung gelegt zu haben, oder vor gänzlicher Berichtigung der Rechnung auf die Flucht begiebt. Wenn jedoch der Rechnungsführer in persönlichen Sprüchen einer andern Gerichtsbarkeit unterworfen wäre, so kann ihn der Herr nicht eigenmächtig ergreifen, sondern muß sich an die höhere Gehörde wenden, und diese soll nach Gestalt der Sachen dem Gerichte, oder der Obrigkeit, worunter der Rechnungsführer sich befindet, den Auftrag machen, denselben, wenn er sich auf die Vorladung des Herrn nicht gutwillig stellen wollte, zu ergreifen, und dem Herrn zu verabfolgen.

[3, 13] §. 54. Die persönliche Verhaftung soll leidentlich, und blos zur Sicherheit und Verwahrung sein, der Verhaftete aber keineswegs auf ungeziemende Art bekränket, noch ihm der nach Umständen der Person nothwendige Unterhalt versaget, sondern selber ihm von dem Seinigen abgereichet, oder in dessen Ermanglung von dem Herrn gegen künftigen Ersatz vorgeschossen, auch den Seinigen oder andern unverdächtigen Personen der Zutritt zu ihm nicht verwehret, noch weniger aber derselbe verhindert werden, sich über das ihm widerfahrende ungebührliche Verfahren bei der Gehörde zu beschweren.

[3, 13] §. 55. Wenn der Herr des Rechnungsführers Habschaften und Schriften in die Sperr zu nehmen befindet, soll selbe in desselben Beisein, und unter einer von ihm bewährten Verzeichniß aller in Verwahrung genommenen Sachen, wenn aber derselbe flüchtig oder verstorben wäre, oder dabei nicht erscheinen wollte, in Gegenwart zweier Zeugen vorgenommen werden. Nach diesem ist der Herr befugt, den Betrag des ihm schuldigen Ersatzes, wie es aus den hinterlassnen Schriften, aus den Rechnungen anderer Mitbeamten oder auf andere Art am verläßlichsten geschehen kann, zu erörtern, und hierauf den Endauszug zu verfertigen.

[3, 13] §. 56. Sowohl der flüchtige Beamte selbst kann binnen Jahr und Tag von der Entweichung, als auch der Erb des Verstorbenen, oder wer sonst an der Verlassenschaft ein Recht hat, binnen eben dieser Zeit von dem Tode des Beamten zu rechnen, die Erläuterung der Mängel auf sich nehmen, und die Verlassenschaft vertreten. Nach Verfließung dieser Zeit aber stehet dem Herrn frei, die hinterlassenen Habschaften nach rechtlicher Ordnung zu veräußern, und sich, soweit selbe erklecklich, daraus bezahlt zu machen, ohne daß nachhero von Jenen, so ein Recht dazu zu haben vermeinen, wider das, was von ihm veranlaßet worden, weiter etwas eingewendet werden mag; doch kommt ihm das aus den verkauften Habschaften über seine Foderung gelöste Geld niemals zu, sondern dieses soll so lang hinterleget bleiben, bis es Demjenigen, der sein Recht dazu erweiset, eingeantwortet werden kann.

[3, 13] §. 57. Dahingegen, wenn die Rechnung zu rechter Zeit geleget worden, und bei derselben sich kein Abgang oder Veruntreuung zeiget, hat die Aufhaltung der Person oder der Sachen des Rechnungsführers nicht statt, obgleich die Rechnung noch nicht untersuchet, oder die ausgestellten Mängel noch nicht erläutert worden wären. Wenn aber auch ein gegründeter Verdacht einer Veruntreuung vorhanden ist, so soll gleichwohl zur persönlichen Verhaftung sonst nicht geschritten werden, als wenn der Herr weder durch Bürgschaft, noch durch den ausständigen Lohn, noch auch durch die dem Rechnungsführer zugehörigen Sachen seine Sicherheit erhalten kann, und annebst eine Gefahr vorhanden ist, daß der Rechnungsführer vor gepflogener Richtigkeit entweichen möchte.

[3, 13] §. 58. Auch der nach erledigter Rechnung sich zu leisten zeigende Ersatz, wenn er von dem Rechnungsleger nicht gutwillig geleistet wird, mag keineswegs durch persönliche Anhaltung erzwungen werden, sondern der Herr soll sich vorzüglich an der geleisteten Verbürgung, rückständigen Besoldung, und an den übrigen in die Sperr genommenen Sachen halten. Wäre dieses nicht erklecklich, so können die


(439) Bürgen bei ihrer Gehörde belanget, oder auch die anderwärts befindlichen Habschaften des Rechnungslegers in Anspruch genommen werden, und wenn alles dieses nicht zureichet, alsdann erst kann der Herr sich an der Person des Rechnungslegers halten.

[3, 13] §. 59. Doch soll der Herr in diesem Falle nicht befugt sein, den Diener selbst in Verhafte zu behalten, sondern derselbe soll der ordentlichen Gehörde eingeliefert werden; noch weniger stehet dem Herrn das Recht zu, die Mißhandlungen und Veruntreuungen eines Beamten mit Gefängniß oder auf andere Art selbst zu bestrafen, wenn ihm nicht allda, wo der Dienst verwaltet worden, die Gerichtsbarkeit in peinlichen Fällen gebühret.

[3, 13] §. 60. Würde aber ein Herr diesen Unsern vorstehenden Satzungen zuwiderhandeln, und die von Uns ihm eingeraumten Befugnisse in Einem oder Andern überschreiten, so soll derselbe nicht nur zur Genugthuung verbunden sein, sondern auch das Unternehmen nach Beschaffenheit der Umstände gegen ihn geahndet werden.

[3, 13] §. 61. Auch andere Herrn, denen nach Maß des §. 32, die obrigkeitliche Erkanntniß nicht gebühret, sind zu allen jenen Maßregeln berechtiget, wodurch die Sicherheit des dem Diener anvertrauten Geschäfts befördert werden mag. Sie können dahero, wenn die Rechnung zu rechter Zeit nicht geleget wird, sich der dem Diener anvertrauten Gelder und Habschaften selbst bemächtigen, ihm die Schlüssel benehmen, die Aufbehaltungsörter sperren, und alsobald auf die Rechnung dringen; imgleichen haben sie das Recht, auch außer der Rechnungszeit eine Bestandlegung und Ausweisung von ihrem Diener zu fodern, und hat dabei Dasjenige in behöriger Maß statt, was Wir im §. 47 und den folgenden geordnet haben.

[3, 13] §. 62. Ferner sind sie befugt, nach dem Tode des Rechnungsführers, dessen Besoldung und nachgelassene Sachen zurückzuhalten, bis die Erben oder wer sonst an der Verlassenschaft ein Recht suchet, anstatt des Verstorbenen vollkommene Richtigkeit gepflogen haben; auch können sie die Verhaftung eines verdächtigen Dieners auf ihre Gefahr ansuchen, und sich an dessen Habschaften mittels gerichtlicher Verkümmerung halten. Wenn sie aber ohne genugsame Ursache also verfahren, müssen sie dem Diener alle verursachten Schäden und Unkosten ersetzen.

[3, 13] §. 63. Die Rechnung möge von dem Diener oder dessen Erben gütlich, oder durch Gerichtszwang erleget worden sein, so gebühret dem Herrn allezeit deren vorläufige Durchgehung und Untersuchung; wenn auch der eine oder der andere Theil sein Recht alsofort gerichtlich sichern wollte, so ist derselbe zuvor auf die außergerichtliche Verrechnung zu verweisen, und ihm dazu eine hinlängliche Frist anzuberaumen.

[3, 13] §. 64. Bei dieser Aufnehmung und Untersuchung kann der Herr, oder der von ihm dazu Bestellte zwar Mängel ausstellen, und wenn der Rechnungsführer sich freiwillig bei ihm einlassen will, auch mit demselben die weitere Verhandlung pflegen; doch hat eine so beschaffene Privathandlung, und die Erkanntniß des Herrn keine Gestalt und Wirkung eines rechtlichen Verfahrens, oder einer richterlichen Entscheidung, noch können dadurch die von dem Rechnungsführer widersprochene Mängel behoben werden.

[3, 13] §. 65. Zu Behebung dieser zweifelhaften Anstände stehet den Theilen frei, mit beiderseitiger Einwilligung Mittelspersonen zu erkiesen, und wenn durch dieselbe in allen oder einigen Punkten eine gütliche Richtigkeitspflegung bewirket wird, so soll es dabei sein gänzliches Bewenden haben. Wenn aber sämmtliche Anstände außergerichtlich nicht beigeleget werden könnten, so soll das Gericht eine oder mehrere Tagsatzungen anordnen, und bei denselben die noch unausgemachten Punkte durch mündliche Verhandlung zu beheben trachten.

[3, 13] §. 66. Bei diesen Tagsatzungen sind von beiden Theilen alle Behelfe und Gegenbehelfe vorzubringen, auch alle unterwaltenden Anstände, wo nicht zu beheben


(440) doch wenigstens so gut, als möglich zu erläutern, und wenn sämmtliche Anstände bei diesen Tagsatzungen nicht beigeleget werden können, so sollen die dazu verordnet gewesenen Gerichtspersonen nach der von beiden Theilen unterschriebenen mündlichen Verhandlung darüber an die Gehörde ihren Bericht erstatten. Die Gehörde aber soll über alle durch die mündlichen Verhandlungen nicht behobenen Anstände von Post zu Post mit richterlicher Erkanntniß vorgehen.

[3, 13] §. 67. Jene Punkten, welche durch rechtsbeständigen Beweis zur Genüge erörtert werden, sind durch ein Endurtheil, und ohne Vorbehalt zu entscheiden. Wenn es aber bei einem Punkte entweder auf einen von einer Partei der andern aufgetragenen, oder vom Gerichte aufzutragen befundenen Eid, oder auf einen von einem Theile annoch beizubringenden mehreren Beweis ankommet, so ist dieser Punkt zwar ebenfalls durch ein Endurtheil zu entscheiden, doch diesem der Vorbehalt wegen des abzulegenden Eides, oder des annoch zu führenden Beweises beizufügen, wobei sowohl der Eid buchstäblich vorzuschreiben, als der Beweis, von weme, und worüber er zu führen sei, deutlich zu bestimmen ist.

[3, 13] §. 68. Wenn hingegen einige Anstände annoch zu zweifelhaft und verwickelt wären, daß aus den bisherigen Verhandlungen nicht abgenommen werden könnte, was einem oder dem andern Theile zuzusprechen sei, so sind die Parteien in Ansehung derselben in eben dem Spruche durch ein Beiurtheil zum ordentlichen Wege Rechtens, und zur schriftlichen Verfahrung anzuweisen.

[3, 13] §. 69. Wenn die Parteien in diesem richterlichen Spruche durch ein Beiurtheil zum ordentlichen Wege Rechtens verwiesen worden, so müssen sie die Klage binnen den nächsten vierzehen Tagen anbringen; nach deren Verlaufe mag der Gegentheil nicht mehr angefochten werden. Wenn aber einem Theile ein Eid aufgetragen, oder ein Beweis vorbehalten worden, oder wenn ein Theil sich durch diesen Spruch beschweret zu sein glaubet, so hat Dasjenige statt, was Wir darüber oben im §. 39 ausgemessen haben.

[3, 13] §. 70. Alles, was Wir bishero geordnet haben, ist blos allein von Privatdiensten zu verstehen. In Ansehung öffentlicher Dienste und Aemter aber hat es bei Unsern desfalls bestehenden besonderen Anordnungen sein gänzliches Bewenden.

Vierzehentes Capitel.

Von Erbzins- und andern Zinscontracten.

[3, 14] §. 1. Wenn der Eigenthümer eines Grunds dessen nutzbares Eigenthum Jemanden mit dem Bedinge überläßt, daß er den Grund beständig in gutem Stande erhalten und zu Anerkennung der Grundherrlichkeit jährlich einen gewissen bedungenen Erbzins (Grundzins) entrichten solle, so ist dieses ein Erbzinscontract.

[3, 14] §. 2. Sobald beide Theile wegen Ueberlassung des Grunds gegen einen gewissen Erbzins übereingekommen sind, ist der Contract geschlossen; doch mag derselbe nicht eher zu seiner Erfüllung gelangen, noch an dem Grunde das Erbzinsrecht erworben werden, als bis das dem Erbzinsmann bestellte Recht in den Grundbüchern vorgemerket worden.

[3, 14] §. 3. Und obwohl vor diesem Unserem Gesetze das Erbzinsrecht auch durch die dem Erbzinsmann von dem Grundherrn unter seiner eigenhändigen Unterschrift und Petschaft ausgefertigte Erbzinsbriefe, Gewährsbriefe oder Handvesten bestellet worden, so soll doch künftighin kein Erbzinsrecht durch einen solchen Erbzinsbrief,


(441) Gewährsbrief oder Handveste rechtsgiltig bestellet werden können, als bis derselbe in die Grundbücher behörig eingetragen worden.

[3, 14] §. 4. Nur über wahre unbewegliche Sachen, nemlich über liegende Güter, Häuser und andere Gründe kann ein Erbzinscontract errichtet werden, und Niemand kann auf einem Grunde ein Erbzinsrecht bestellen, als der das Grundeigenthum hat; dahingegen kann Jedermann einen Grund erbzinslich erwerben, der durch die Landesverfassung nicht ausgeschlossen ist.

[3, 14] §. 5. Der dem Grundherrn von dem Erbzinsmanne gebührende jährliche Erbzins wird nicht als eine Vergeltung für den verstatteten Gebrauch oder Genuß des Grunds, sondern blos zur Anerkennung der Grundherrlichkeit abgereichet; er erfodert dahero durchaus keine Gleichheit mit den von dem Erbzinsgrunde abfallenden Nutzungen, sondern er kann auch in einem einzigen Stücke einer gewissen Münze, oder in einer andern, auch der geringsten Sache bestehen.

[3, 14] §. 6. Wenn der Eigenthümer Jemanden an einem Grunde das Erbzinsrecht bestellet hat, so ist er schuldig, ihm den Grund zu übergeben, ihn in der vollkommenen Benutzung desselben, wie auch in dem Genusse aller davon zu erhaltenden Bequemlichkeiten nicht zu stören, auch ihn wider die Ansprüche eines Dritten zu schützen, und ihm auf den Fall, da das Eigenthum des Grunds von Jemanden angestritten würde, die Gewähr zu leisten.

[3, 14] §. 7. Doch behält der Grundherr, außer den ihm vermöge dieses Contracts besonders vorbehaltenen Gerechtsamen, alle übrige Eigenthumsrechte, und kann nicht nur wider einen Jeden, der sich der Grundherrlichkeit anmaßet, die Eigenthumsklage erheben, sondern auch diese Grundherrlichkeit nach Gefallen an einen Andern veräußern; in diesem Falle jedoch ist der nachfolgende Grundherr ebenso an den Erbzinscontract gebunden, als sein Vorgänger gewesen.

[3, 14] §. 8. Der Erbzinsmann hingegen ist außer jenen Schuldigkeiten, welche derlei Erbzinsgründen nach eines jeden Lands Verfassung ankleben, aus der Natur dieses Contracts verbunden, erstens, daß er den Grund, wie es einem guten Hausvater geziemet, pflege und anbaue, allen Schaden und Nachtheil davon abwende und denselben auf keine Art schmälere, verwüste oder verderbe.

[3, 14] §. 9. Zweitens liegt ihm ob, den bedungenen Erbzins jährlich auch ohne vorläufige Erinnerung des Grundherrn abzuführen, und mag ihn davon weder ein Mißwachs, noch ein anderer an dem Grunde geschehener Zufall, außer in dem Falle des §. 41 befreien; wofern jedoch in dem Contracte auf den Fall eines Mißwachses ein Nachlaß des Erbzinses ausdrücklich bedungen, oder der Erbzins wie bei Pachtungen nach dem Betrage der Nutzungen abgemessen worden, ist dabei sowohl wegen Verschiedenheit der Zufälle, als wegen Ausmessung des Nachlasses alles jenes zu beobachten, was Wir darüber im zwölften Capitel geordnet haben.

[3, 14] §. 10. Ebenso, wenn der Erbzins namentlich in einem gewissen Betrage der auf dem Erbzinsgrunde selbst gewachsenen Früchte bestimmet worden, kann der Erbzinsmann nicht verhalten werden, ein Mehreres zu entrichten, als was von den benannten Früchten auf dem Erbzinsgrunde gewachsen ist.

[3, 14] §. 11. Drittens muß der Erbzinsmann alle von dem Grunde gebührende Steuern und Anlagen entrichten, nicht nur, welche für die Zeit seines Besitzes gebühren, sondern auch welche von seinem Vorfahrer bereits hätten entrichtet werden sollen; doch hat er das Recht, denjenigen Betrag, den er für seinen Vorfahrer abgeführet, von demselben oder dessen Erben zurückzufodern.

[3, 14] §. 12. Der Erbzinsmann ist berechtiget, den Grund auf alle Art und Weise zu benützen, auch mit demselben, wenn er durch ein besonderes, dem Contracte beigefügtes Beding in Einem oder dem Anderen nicht beschränket ist, insoweit zu schalten und zu walten, als das Recht des Grundherrn andurch nicht beeinträchtiget und der Grund nicht geschmälert wird; er kann also denselben verpachten und wie


(442) immer durch einen Andern genießen, wie auch zum Unterpfande verschreiben, ohne daß der Grundherr etwas dawider einwenden könnte.

[3, 14] §. 13. Doch ist er nicht befugt, den Grund Jemanden weiters aftererbzinslich zu überlassen, noch auch denselben auf eine längere als auf seine Besitzzeit mit Dienstbarkeiten zu belasten, und wenn er denselben veräußern will, so muß er sich Unserer im §. 20 nachfolgenden Anordnung nachachten.

[3, 14] §. 14. Wenn das Erbzinsrecht bei der Bestellung auf eine gewisse Zeit beschränket worden, so erlöschet es mit Verlaufe der Zeit, binnen derselben aber kann es sowohl vererbet als auch verpfändet, und nach Maß des §. 20 veräußeret werden; doch erstrecket sich das Recht des neuen Inhabers auf keine längere, als die durch das erste Beding ausgemessene Zeit, und ebenso erlöschet auch das Pfandrecht des Glaubigers, sobald das Recht des Erbzinsmanns erlöschet.

[3, 14] §. 15. Ist das Erbzinsrecht dem Erbzinsmann blos auf seine Lebzeiten gegeben worden, so erlöschet es mit dessen Tode; wenn es aber ihm und seinen Kindern verliehen worden, so gelanget es von ihm auf seine Kinder und weitern Nachkömmlinge, doch nicht auf andere Erben. Weder in einem noch in dem andern Falle ist der Erbzinsmann befugt, den Grund zu veräußern; doch stehet ihm frei, denselben nach Maß des vorstehenden §. zum Unterpfande zu verschreiben.

[3, 14] §. 16. Dahingegen, wenn ein Grund Jemanden ohne Beschränkung für sich und seine Erben, oder auch überhaupt ohne Benennung der Erben, erbzinslich überlassen worden, so gehet derselbe auf alle, sowohl durch letztwillige Anordnung als durch die rechtliche Erbfolge berufene Erben ohne allen Unterschied; wenn jedoch der Erbzinsmann stirbt, ohne einen Erben zu hinterlassen, so fällt der Grund dem Grundherrn wieder heim.

[3, 14] §. 17. Ein jeder Erb ist schuldig, binnen der durch Unsere Gesetze bestimmten Zeit seine Erbsbefugniß bei den Grundbüchern behörig beizubringen, und die nach eines jeden Orts Herkommen gewöhnliche Veränderungsgebühr (das Sterblehen) zu entrichten. Würde aber ein Erb binnen dieser Zeit auf die von dem Grundherrn ihm zugekommene Erinnerung, die Ausweisung seines Erbrechts bei den Grundbüchern beizubringen, unterlassen, so soll der Grundherr befugt sein, den Erbzinsgrund öffentlich feilzubieten, dem Meistbietenden zu überlassen, und das dafür gelöste Geld dem Erben hinauszugeben.

[3, 14] §. 18. Wenn der Grundherr wider den Erben eine von jenen rechtmäßigen Einwendungen hätte, wegen welcher er nach Maß des §. 25 auch einen dritten Erwerber von dem Erbzinsgrunde ausschließen kann, so ist er nicht schuldig, denselben zu einem beständigen Erbzinsmanne anzunehmen; doch soll er ihm von dem Tage der beigebrachten Erbsbefugniß eine Jahresfrist verstatten, um binnen derselben einen dem Grundherrn anständigen Kaufer ausfindig zu machen. Wenn aber der Erb während dem Laufe dieses Jahrs keinen Kaufer ausfindig machen könnte oder wollte, so soll es ebenfalls wie im Falle des §. 17 gehalten werden.

[3, 14] §. 19. Nicht minder ist der Erbzinsmann befugt, einen ohnbeschränkt erhaltenen Erbzinsgrund zum Unterpfande zu verschreiben, wie auch durch alle, sowohl entgeltliche als ohnentgeltliche Handlungen unter Lebenden, an wen er immer will, zu veräußern, und wenn schon in der ohnbeschränkten Verleihung des Erbzinsgrunds der Kinder ausdrücklich gedacht worden, so können doch diese die Veräußerung desselben nicht verhindern noch widerrufen.

[3, 14] §. 20. Wenn jedoch der Erbzinsgrund durch was immer für eine Handlung unter Lebenden an einen Andern eigenthümlich überlassen wird, so soll der Erbzinsmann schuldig sein, dieses dem Grundherrn mit Namhaftmachung Desjenigen, an den er den Grund veräußern will, und wenn es auf einen Verkauf des Grunds ankommt, mit Anzeigung des dafür bedungenen Kaufgelds und der übrigen Bedingnisse zu wissen zu machen, und dessen Einwilligung dazu einzuholen; sind


(443) mehrere Grundherrn des Erbzinsgrunds, so müssen auch alle um ihre Einwilligung angegangen werden.

[3, 14] §. 21. Wenn ein Erbzinsgrund ganz oder ein Theil desselben von dem Erbzinsmann verkaufet wird, so soll dem Grundherrn das Einstandrecht gebühren, wenn er eben Dasjenige giebt und leistet, wozu der fremde Kaufer sich angeboten hat; diese Befugniß soll aber dem Grundherrn auch in jenen Fällen zustehen, worinnen derselbe nach Maß des §. 17 und 18 den Erbzinsgrund öffentlich zu verkaufen berechtiget ist.

[3, 14] §. 22. Sind mehrere Grundherrn, so können alle sich des Einstandrechts bedienen; wollte aber deren nur Einer sich dieses Rechts gebrauchen, so ist darauf zu sehen, ob der Grund in verschiedenen oder nur in einem Grundbuche inliege. Im ersten Falle kann ein jeder Grundherr den unter seine Grundherrlichkeit gehörigen Antheil, wenn derselbe ohne Nachtheil des Erbzinsmanns von dem Uebrigen abgesöndert werden mag, an sich ziehen; im zweiten Falle hingegen muß der Grundherr entweder in den ganzen Kauf eintreten, oder von dem Einstande ablassen.

[3, 14] §. 23. Wenn auch der Erbzinsgrund an einen solchen verkaufet würde, der zur rechtlichen Erbfolge das nächste Erbrecht hat, oder der den Grund mit dem Veräußerer gemeinschaftlich besitzet, als da ihn der Vater dem Sohn, oder ein Erb seinem noch ungetheilten Miterben verkaufet, so höret das grundherrliche Einstandrecht auf.

[3, 14] §. 24. Der Grundherr soll aber binnen vier Wochen von dem Tage an, daß ihm die Ankündigung des Erbzinsmanns zugekommen ist, sich erklären, ob er den neuen Erbzinsmann annehmen, oder im Falle eines unterwaltenden Verkaufs sich des ihm zustehenden Vorkaufs gebrauchen wolle, oder ob er die Annehmung des neuen Erbzinsmanns verweigere.

[3, 14] §. 25. Die Annehmung des neuen Erbzinsmanns kann blos aus einer rechtmäßigen Ursache verweigert werden. Diese Ursachen bestimmen Wir auf folgende, erstens, wenn der neue Erbzinsmann nach eines jeden Lands Verfassung zum Besitze des Erbzinsgrunds unfähig ist; zweitens, wenn eine gegründete Besorgniß vorhanden ist, daß derselbe zu Bezahlung des Erbzinses oder auch der nach Maß des §. 33 ihm zu bezahlen obliegenden Lehenwaare unvermögend sein werde; drittens, wenn er ehrlos oder sonst übel berüchtiget ist; viertens, wenn der Grundherr eine billige Abneigung gegen ihn hat, als da zwischen ihnen eine große Feindschaft oder ein schwerer Rechtshandel obwaltete, oder derselbe schon vorhero wegen seines üblen Betragens von diesem oder einem andern Grunde abgeschaffet worden.

[3, 14] §. 26. Wenn ein Grundherr während dieser Zeit sich zwar erkläret, den neuen Erbzinsmann nicht annehmen zu wollen, doch keine rechtmäßige Ursache dieser seiner Verweigerung beibringen kann, so ist der Erbzinsmann berechtiget, denselben bei jenem Gerichtsstande, unter welchem der Erbzinsgrund gelegen ist, zu belangen, und zu Aufnehmung des neuen Erbzinsmanns durch rechtliche Zwangsmittel anzuhalten.

[3, 14] §. 27. Wenn hingegen der Grundherr sich binnen vier Wochen gar nicht erkläret, und der Erbzinsmann die demselben geschehene Ankündung der Veräußerung entweder durch eine darüber erhaltene schriftliche Bescheinigung oder durch Zeugen erweisen kann, so soll die Veräußerung ohne weiteren Aufenthalt ihren Fortgang haben, und der Grundherr den neuen Erbzinsmann ohne Weigerung anzunehmen schuldig sein.

[3, 14] §. 28. Eben dieses soll auch in jenem Falle Platz greifen, wenn der Grundherr zwar unter dieser Zeit den Einstand für sich angemeldet hätte, doch nicht so vieles, als der Kaufer für den Grund geben, oder die übrigen von dem Kaufer angebotenen Bedingnisse nicht eingehen, oder auch das Kaufgeld binnen den von dem Kaufer eingegangenen Fristen nicht erlegen könnte oder wollte.


(444) [3, 14] §. 29. Wofern aber ein Erbzinsmann arglistiger Weise, um den Grundherrn von Anmeldung des Einstands abzuhalten, entweder einen höheren Kaufschilling oder härtere Bedingnisse vorgegeben hätte, als worauf der Kaufcontract mit dem Dritten geschlossen worden, so soll derselbe dem Grundherrn in den achten Theil des empfangenen Werths verfallen sein, und wenn der Kaufer an dem Betruge Antheil gehabt, wider alle Beide mit den auf Scheinhandlungen ausgesetzten Strafen vorgegangen werden.

[3, 14] §. 30. Wenn ein Erbzinsmann den Grund veräußert, ohne die Einwilligung des Grundherrn vor Schließung des Contracts anzusuchen, so soll dieses dem Grundherrn an seinen obberührten Gerechtsamen nicht schaden, sondern ihm das Recht zustehen, binnen vier Wochen von dem Tage an, da der geschlossene Contract durch die Einverleibung in das Grundbuch zu seiner Erfüllung gelanget ist, den Grund durch das Einstandrecht selbst an sich zu ziehen, oder auch den neuen Erbzinsmann wegen einer rechtmäßigen Ursache von dem Grunde auszuschließen.

[3, 14] §. 31. Hätte aber ein Erbzinsmann den Grund ganz oder zum Theile heimlicher und gefährlicher Weise zum Nachtheile der grundherrlichen Rechte als einen freien Grund an einen Dritten veräußert, so soll der ganze Contract null und nichtig sein, und der Erbzinsmann dem Grundherrn so viel, als er an Kaufgelde dafür empfangen, zur Strafe des Betrugs erlegen; annebst soll der Grundherr befugt sein, in dem Fall, wo der Kaufer von dem Betruge Wissenschaft gehabt, den Grund von demselben ohnentgeltlich zurückzufodern.

[3, 14] §. 32. Ein jeder neu aufgenommene Erbzinsmann ist verbunden, den Grundherrn um die Erneuerung des Erbzinsrechts anzugehen, und denjenigen Contract, wodurch er den Grund an sich gebracht, sammt der grundherrlichen Einwilligung in die Grundbücher eintragen zu lassen, auch wo es vorhin gebräuchlich war, die Ausfertigung einer neuen Handveste, Erbzinsbriefes oder Gewährsbriefs auszuwirken.

[3, 14] §. 33. Ferner ist er schuldig, dem Grundherrn zur Erkenntlichkeit für seine Aufnahme die gewöhnliche Lehenwaare (Lehengeld, Ehrschatz, Handlohn) zu bezahlen. Ist diese Lehnwaare durch die Landesverfassung bereits auf einen gewissen Betrag bestimmet, so darf der Grundherr den festgesetzten Betrag nicht überschreiten, und wenn der Erbzinsmann sich durch dessen Foderung beschweret zu sein glaubet, so stehet ihm frei, das Gericht anzugehen, und dieses soll die Foderung des Grundherrn, wenn er nicht erweisen kann, dazu berechtiget zu sein, nach dem Landesgebrauche mäßigen.

[3, 14] §. 34. Wenn hingegen der Betrag der Lehenwaare durch den Landesgebrauch nicht bestimmet ist, so stehet dem Grundherrn die Befugniß zu, bei der ursprünglichen Verleihung, wie auch bei der neuen Verleihung eines ihm anheimgefallenen Erbzinsgrundes die Lehenwaare festzusetzen, und wie dieselbe in den Grundbüchern eingetragen, oder in den vorigen Erbzinsbriefen ausgedrücket ist, so muß sie von allen Nachfolgern ohnweigerlich entrichtet werden.

[3, 14] §. 35. Die Entrichtung der Lehenwaare liegt allezeit dem antretenden Erbzinsmanne ob, und wenn schon derselbe sich mit dem abtretenden Erbzinsmann desfalls verglichen hätte, so ist doch der Grundherr an diesen Vertrag nicht gebunden, sondern er kann den antretenden Erbzinsmann insolang von dem Besitze des Grunds ausschließen, oder auch die Nutzungen auf so viele Zeit in Beschlag nehmen, bis er wegen der Lehenwaare vollständig befriediget worden.

[3, 14] §. 36. Wenn auch ein Erbzinsgrund mehrmalen veräußert worden, und die Lehenwaare dafür noch ausständig wäre, so ist der Grundherr befugt, auch diese Ausstände von dem zuletzt antretenden Erbzinsmanne einzufodern; doch stehet diesem frei, das, was er für seine Vorfahren gezahlet, insoweit es nicht an dem Kaufgelde ausgewiesen worden, von ihnen oder ihren Erben zurückzufodern.

[3, 14] §. 37. Die Lehenwaare, gleichwie auch der Erbzins haftet auf dem Grunde selbst, und wenn Eines oder das Andere noch ausständig ist, so hat der Grundherr


(445) in dessen Einfoderung den Vorzug vor allen auf dem Grunde versicherten Glaubigern ohne allen Unterschied.

[3, 14] §. 38. Der Grundherr ist nicht berechtiget, dem antretenden Erbzinsmanne härtere Bedingnisse aufzudringen, als unter welchen der Grund dem abtretenden Erbzinsmanne überlassen worden. Wenn jedoch ein Erbzinsgrund nach Erlöschung des darauf bestellten Rechts dem Grundherrn anheimfällt, so stehet ihm frei, bei dessen neuer Verleihung sich, was ihm gefällt, auszubedingen, insoweit es den Rechten nach erlaubet, und der Landesverfassung nicht zuwider ist.

[3, 14] §. 39. Wenn ein Erbzinsmann mit Einwilligung des Grundherrn den Erbzinsgrund heimsaget, so erlöschet das Erbzinsrecht; wider Willen des Grundherrn aber kann der einmal aufgenommene Erbzinsmann den Grund nicht aufgeben, wenn er nicht zugleich einen andern dem Grundherrn anständigen Erbzinsmann darstellet.

[3, 14] §. 40. Auch erlöschet das Erbzinsrecht nach Maß Unserer im zweiten Theile enthaltenen allgemeinen Anordnungen durch rechtmäßige Verjährung, wenn entweder der Erbzinsmann, insoweit er zum Besitze des Grundeigenthums fähig ist, mit Hinzutretung der vorgeschriebenen Erfodernisse und durch die ausgemessene Zeit die Abführung des Grundzinses verweigert, und der Grundherr dazu stillschweiget, oder wenn der Grundherr auf eben diese Art den Grund selbst benutzet, und der Erbzinsmann dasselbe ohne Widerspruch duldet.

[3, 14] §. 41. Nicht minder höret das Erbzinsrecht auf, wenn ein Erbzinsgrund von Uns aus gemeinnützlichen Absichten eingezogen wird, oder wenn er dergestalten zu Grunde gehet, daß nichts davon mehr übrig bleibet, was benutzet werden könnte; wenn aber auch nur der mindeste Theil davon noch übrig ist, welcher einen Nutzen abwerfen kann, so währet das Erbzinsrecht fort.

[3, 14] §. 42. Auch wird das Erbzinsrecht verwirket, wenn der Erbzinsmann entweder aus geflissentlicher Gefährde oder doch durch seine Schuld den Grund, es sei ganz oder zum Theil beträchtlich verdirbt und beschädiget, und diese Beschädigung also beschaffen ist, daß sie zu beharrlicher Schmälerung des Grundes gereichet, als da er die Waldungen abgetrieben, nutzbare Teiche abgegraben, Flüsse und Bäche zum Nachtheile des Grunds abgeleitet, oder denselben sonst öde gemacht hätte.

[3, 14] §. 43. Wenn hingegen die zugefügte Beschädigung von keiner Erheblichkeit ist, oder wenn andurch nur der zeitliche Nutzen vermindert, nicht aber der Grund geschmälert wird, als da der Erbzinsmann denselben nicht behörig anbauete und pflegete, die Teiche nicht besetzte, oder das benöthigte Vieh nicht anschaffete, so wird der Grund deswegen nicht verwirket.

[3, 14] §. 44. Imgleichen wird der Erbzinsmann seines Rechts alsdann verlustigt, wenn er den bedungenen Erbzins durch drei Jahre vorsätzlich nicht abgeführet hat; doch soll diese Verwirkung sonst nicht Platz greifen, als wenn der Grundherr darthun kann, daß er den rückständigen Grundzins jedes Jahr besonders, folglich dreimal bei dem Erbzinsmann eingemahnet habe, und wenn er in dem Falle, wo dessen Entrichtung auf die dritte Erinnerung binnen den nächsten vierzehn Tagen nicht erfolget, den Grund verfallen zu sein erkläret, auch diese Erklärung dem Erbzinsmann ordentlich zu wissen gemacht hat.

[3, 14] §. 45. Wenn aber der Erbzinsmann, bevor ihm diese Erklärung zugekommen, den schuldigen Erbzins vollständig abführet, oder wenn er seinen Saumsal durch rechtmäßige Hindernisse zu rechtfertigen vermag, als, da er binnen dieser Zeit mit dem Grundherrn über die Erbzinsbarkeit des Grunds, oder sonst wegen dieses Grunds in einen Rechtsstritt verflochten gewesen, oder durch Krieg und Pest von Entrichtung des Grundzinses verhindert worden, oder da die Münze, in welcher der Grundzins zu entrichten ist, nicht zu haben wäre, so soll der Grundherr nicht mehr befugt sein, den Grund einzuziehen.


(446) [3, 14] §. 46. Diese Befugniß verlieret der Grundherr auch dazumalen, wenn er binnen diesen drei Jahren einen Theil des ausständigen Erbzinses angenommen hat, oder wenn er nach schon verwirkter oder auch nach schon erklärter Heimfälligkeit des Grunds den ausständigen Erbzins ganz oder zum Theile annimmt, und dieses ohne Unterschied, ob er den Zins wiederholter eingefodert, oder ob der Erbzinsmann ihm denselben ohne seine Einfoderung freiwillig angeboten habe.

[3, 14] §. 47. In allen diesen Fällen, wo der Erbzinsgrund verwirket wird, und dem Grundherrn anheimfällt, kann derselbe den Erbzinsmann aus eigener Macht von dem Grunde hinausweisen; doch soll er vorhero an jenen Orten, wo es also eingeführet ist, ordentliche Grundrechte halten, von diesen den Grund mit Beirückung der Ursachen schriftlich für heimfällig erklären, und diese Erklärung dem Erbzinsmanne zustellen lassen.

[3, 14] §. 48. Wenn jedoch der Erbzinsmann dagegen eine erhebliche Einwendung hätte, und von dem Grunde widerrechtlich verdrungen zu sein vermeinete, so stehet ihm frei, von der grundherrlichen Erkanntniß den Zug an den oberen Richter zu nehmen, und die Wiedereinräumung des Besitzes, die Erstattung aller indessen behobenen Nutzungen, wie auch den Ersatz aller verursachten Schäden und Unkosten anzusuchen. In jenen Orten aber, wo die Besetzung der Grundrechte nicht üblich ist, kann derselbe seine Klage wider den Grundherrn bei jenem Gerichtsstande anbringen, worunter das Gut, zu welchem der Erbzinsgrund gehöret, gelegen ist.

[3, 14] §. 49. Wenn ein ohnbeschränkt verliehen gewesener Erbzinsgrund dem Grundherrn aus was immer für einer Ursache anheimfällt, so gehen auch alle in den Grundbüchern darauf vorgemerkte Pfandverschreibungen auf denselben, und er ist schuldig, entweder alle darauf versicherte Glaubiger zu befriedigen, oder den Grund durch die gewöhnliche Versteigerung erbzinslich zu veräußern; in diesem Falle aber ist er den Glaubigern über den für das Gut gelösten Werth zu nichts mehr verbunden.

[3, 14] §. 50. Dahingegen gereichet dem Grundherrn alles jenes, was der Erbzinsmann zu Verbesserung des Grunds aufgewendet hat, zum Nutzen, und kann deswegen weder von dem Erbzinsmann, noch von dessen Erben eine Foderung gestellet werden; jene Nutzungen jedoch, welche der Erbzinsmann bis zum Tage der Anheimfallung von dem Grunde behoben, und etwas noch vorräthig sind, ist der Grundherr schuldig, demselben oder seinen Erben auszufolgen.

[3, 14] §. 51. Wenn der Eigenthümer eines Grunds denselben Jemanden verbindlich macht, daß ihme aus den davon abfallenden Einkünften ein jährlicher Zins entrichtet werden solle, oder auch wenn Jemand sich für seine Person verbindet, einem Anderen einen jährlichen Zins zu bezahlen, so ist dieses ein Zinscontract. Jener, der die Zinsen einzunehmen hat, ist der Zinsherr, und Jener, der die Zinsen zu bezahlen schuldig ist, der Zinsmann.

[3, 14] §. 52. Jene Zinsen (Gilten, jährliche Renten), welche auf einem liegenden Grunde bestellet, und auf demselben behörig vorgemerket worden, wenn sie nicht auf eine bestimmte Zeit beschränket sind, dauren immer fort, und gehen mit dem Grunde auf einen jeden Besitzer; jene Zinsen hingegen, zu welchen Jemand blos seine Person verbunden hat, erlöschen mit dem Tode Desjenigen, der sich dazu verbunden hat, wenn der Erben nicht ausdrücklich gedacht worden.

[3, 14] §. 53. Wenn auch schon derlei persönliche Zinsen auf einem liegenden Gute vorgemerket worden wären, so wird doch andurch ihre Natur nicht geändert, noch das verschriebene Gut länger als auf die Lebzeiten des Zinsmannes behaftet; wenn nicht aus dem Inhalte der Verschreibung erhellet, daß andurch nebst der dem Zinsherrn verschafften Sicherheit, auch eine längere Dauer der Zinsen bedungen worden.

[3, 14] §. 54. Wenn Jemanden gewisse jährliche Zinsen auf die Zeit seines Lebens bestellet werden, so sind es Leibrenten, und erlöschen mit dem Tode Desjenigen,


(447) der sie zu genießen hat; doch können auch Leibrenten auf die Lebenszeit einer andern Person bestellet werden, und in diesem Falle hören selbe auf, wenn Derjenige, auf dessen Leben sie lauten, mit Tode abgehet, obwohl Jener, der sie zu genießen hat, noch am Leben wäre. Gleichwie gegentheils dieses Recht auch auf die Erben übertragen wird, wenn Derjenige, der die Leibrenten zu genießen hat, vor Demjenigen stirbt, auf dessen Leben sie lauten.

[3, 14] §. 55. Wenn Derjenige, dem jährliche Zinsen bestellet werden, dagegen eine Hauptsumme gegeben hat, so kommt dieser Contract mit dem Kaufe und Verkaufe überein, und Jener, der die Hauptsumme gegeben, ist als der Kaufer, gleichwie Jener, der sich für die empfangene Hauptsumme zu Bezahlung der Zinsen anheischig macht, als der Verkaufer des Zinses anzusehen.

[3, 14] §. 56. Wir wollen aber, daß bei derlei jährlichen, für eine dagegen gegebene Hauptsumme bestellten Zinsen, wenn es dabei nicht deutlich ausgedrucket worden, daß sie unablöslich sein sollen, Demjenige, der sich zu Bezahlung der Zinsen verbunden hat, dessen Erben, gleichwie auch einem jeden Besitzer des zinsbaren Grunds zu allen Zeiten die Befugniß zustehen solle, sich von dieser Verbindlichkeit gegen Zurückstellung der empfangenen Summe wieder zu befreien.

[3, 14] §. 57. Dahingegen kann sich der Kaufer der Zinsen oder seine Erben dieses Ablösungsrechts niemals anmaßen, und wenn schon der Kaufer auf den Fall, da der Zinsmann in Entrichtung der Zinsen saumselig sein würde, sich die Zurückfoderung der bezahlten Hauptsumme durch ein ausdrückliches Beding vorbehalten hätte, so soll doch ein solches Beding ganz und gar ungiltig sein.

[3, 14] §. 58. Wenn jedoch der Verkaufer der Zinsen selbe auf einem fremden Grunde bestellet hat, und dieser Grund hernach dem wahren Eigenthümer zugesprochen wird, oder wenn sonst das Recht des Verkaufers an dem Grunde dergestalt erlöschet, daß mit demselben auch das darauf bestellte Zinsrecht aufgelöset wird, oder wenn bei persönlichen Zinsen der Verkaufer zu deren Zahlung unvermögend wird, so soll der Kaufer des Zinses befugt sein, obwohl er sich dieses Recht nicht vorbehalten hätte, die für die Zinsen gegebene Summe zurückzufodern, und sich desfalls an der ihm bestellten Sicherheit oder an dem übrigen Vermögen des Zinsmannes zu halten.

[3, 14] §. 59. Wenn hingegen der Eigenthümer eines Grunds bei dessen Veräußerung durch ein besonderes Beding sich von dessen Einkünften einen jährlichen Zins vorbehalten hat, oder wenn der Eigenthümer sich schankungsweise anheischig macht, Jemanden von den Einkünften eines Grunds einen jährlichen Zins abzureichen, oder wenn ein Erblasser seinen Erben oder Jenen, deme er einen gewissen Grund zuwendet, durch seine letztwillige Anordnung verbindet, Jemanden von diesen Grunde bestimmte jährliche Zinsen zu zahlen, so kann Derjenige, der zu Entrichtung der Zinsen verbunden ist, durch keine Ablösung sich dieser Verbindlichkeit jemals entziehen; eben dieses soll auch in jenem Falle Platz haben, wenn gewisse jährliche Zinsen von unfürdenklichen Zeiten her immerfort gebühret haben, ohne daß eine jemals dafür bezahlte Kaufsumme erwiesen werden mag, wie auch, wenn zwar das für die Entrichtung der Zinsen gegebene Kaufgeld erweislich ist, doch deme das ausdrückliche Beding beigefüget worden, daß die Zinsen unablöslich sein sollen.

[3, 14] §. 60. Wenn jährliche Zinsen auf immerwährende Zeit für ein dagegen gegebenes Kaufgeld bestellet, und deren Unablöslichkeit nicht besonders bedungen worden, so sollen selbe unter den auf wucherliche Handlungen ausgesetzten Strafen nicht mehr betragen, als was für die gegebene Kaufsumme, wenn sie als ein Darlehen gereichet worden, nach Unseren Satzungen an jährlichen Zinsen zu nehmen erlaubet gewesen wäre.

[3, 14] §. 61. Dieses soll aber nicht nur beobachtet werden, wenn die Zinsen in Gelde, sondern auch wenn sie in Früchten bestehen, und soll in diesem letzten


(448) Falle darauf gesehen werden, daß der Betrag der zu geben bedungenen Früchte, wenn sie zu jenem Werthe, den sie zur Zeit des geschlossenen Contracts in dem marktgängigen Preise gehabt, angeschlagen werden, den bestimmten Betrag nicht übersteige.

[3, 14] §. 62. Wäre jedoch bei Fruchtzinsen kein gewisser Betrag, sondern ein noch ungewisser Theil der künftigen Früchte, als das Viertel oder Sechstel bedungen worden, so soll auf deren Verhältniß mit den von einem Darlehen erlaubten Zinsen nicht gesehen werden, wofern nur der Betrag dieser Fruchtzinsen nach der zur Zeit des Contracts gewöhnlichen Ertragniß oder nach den Mitteljahren gerechnet, gegen die dafür gegebene Kaufsumme nicht allzu übermäßig, und auch sonst kein Wucher darunter versteckt ist.

[3, 14] §. 63. Bei allen übrigen Zinsen, wenn sie entweder nur auf eine bestimmte Zeit dauren, oder wenn sie zwar immerwährend sind, doch nicht von einem dafür gegebenen Kaufgelde herrühren, oder wenn zwar ein Kaufgeld dafür gegeben, doch deren Unablöslichkeit bedungen worden, beruhet es bei den Contrahenten, den Betrag der Zinsen nach eigener Willkür zu bestimmen; könnte es jedoch in dem letzten Falle erwiesen werden, daß andurch ein Wucher bemäntelt worden, so soll auch in diesem Falle mit den auf wucherliche Handlungen ausgesetzten Strafen ohne Nachsicht verfahren werden.

[3, 14] §. 64. Jährliche Zinsen, wenn zu deren Entrichtung keine besondere Zeit bestimmet worden, müssen am Ende des Jahrs gezahlet werden, und wenn die Zinsen auf Vierteljahre oder Monate eingetheilet sind, so gebühren sie am Ende eines jeden Vierteljahrs oder Monats; der Zinsmann ist aber schuldig, die Zinsen, sie mögen in Gelde, Getreide oder andern Sachen bestehen, allezeit in derjenigen Gattung abzuführen, wie sie bestellet worden, und es stehet nicht in seinem Belieben, Eines für das Andere zu geben, wenn es gleich im Werthe einerlei wäre.

[3, 14] §. 65. Wenn der Zinsmann die Zinsen nicht zahlet, so wird der Zinsgrund deswegen nicht verwirket, sondern der Zinsherr hat blos die Befugniß, die rückständigen Zinsen nach Inhalt der Verschreibung einzutreiben. Entstünde aber wegen Länge der Zeit, oder wegen Dunkelheit der Verschreibung ein Zweifel darüber, ob der Grund, worauf die Zinsen haften, für einen von Demjenigen, der das Zinsrecht hat, herrührenden Erbzinsgrund, oder für einen dem Zinsmann mit vollem Eigenthum zugehörigen Zinsgrund zu halten sei, so soll darauf gesehen werden, ob der Grund unter der Gerichtsbarkeit des Zinsherrn gelegen, und in dessen eigenen Grundbüchern eingetragen sei, oder ob er in der Landtafel oder in fremden Grundbüchern inliege. Im ersten Falle ist der Grund für einen Erbzinsgrund zu halten, und Alles, was Wir von Erbzinsgründen geordnet haben, dabei zu beobachten, wofern nicht der Zinsmann die widrige Eigenschaft des Grunds erweisen kann; im letzten Falle hingegen soll der Grund lediglich für zinsbar angesehen werden.

[3, 14] §. 66. Wenn die Zinsen auf einem Grunde haften, oder wenn es zwar persönliche Zinsen sind, doch zu deren Sicherheit ein liegender Grund verschrieben ist, so bedarf der Zinsherr zu Eintreibung der ausständigen Zinsen keiner besonderen Rechtsfoderung, sondern er kann sich alsofort an dem verschriebenen Grunde halten, auch ist derselbe nicht schuldig, den Ursprung seines Zinsrechts zu erweisen, sondern er thut genug, wenn er erweiset, daß er sich im Besitze dieses Rechts befinde. Will dahero der Zinsmann sich von dieser Schuldigkeit entledigen, so liegt ihm ob, die Freiheit des Grunds von dem ansprüchig gemachten Zinsrechte, entweder einwendungsweise, wenn er belanget wird, oder durch jene Rechtsfoderung, wovon Wir im zweiten Theile, dreiundzwanzigsten Capitel, §. 18, geordnet haben, hinlänglich zu erproben.

[3, 14] §. 67. Das Zinsrecht erlöschet außer jenen Arten, wodurch nach Maß Unserer obigen Anordnungen eine und die andere Gattung Zinsen aufhören, durch


(449) die Erlassung des Zinsherrn, durch die Verjährung, wenn der Zinsmann den Zins auf die Einmahnung des Grundherrn verweigert, und dieser während der im zweiten Theil, dreiundzwanzigsten Capitel, §. 27, ausgesetzten Zeit dazu schweiget, wie auch durch den Untergang des Grunds, worauf sie haften; wofern aber noch ein Theil des Grunds übrig ist, oder wenn nebst dem Grunde auch die Person des Zinsmanns noch besonders verbunden wäre, so dauret auch das Zinsrecht ohne Abbruch der Zinsen immer fort.

[3, 14] §. 68. Mit den Zinscontracten kommt der Erneuerungscontract einigermaßen überein; dieser Contract wird aber alsdann geschlossen, wenn Jemanden ein liegendes Gut mit dem Bedinge verkaufet wird, daß er dafür alle Jahre einen mäßigen Zins bezahle, und den Contract zu gesetzten Zeiten jedesmal mit Entrichtung eines bestimmten Kaufgelds erneuere.

[3, 14] §. 69. Doch soll ein solcher Contract anderst nicht zulässig sein, als wenn einerseits alle bedungene Zahlungsfristen zusammen gerechnet, den wahren Werth der Sache nicht zur Hälfte übersteigen, und wenn anderseits die jährlich abzuführenden Zinsen im Verhältnisse gegen die noch rückständige Kaufsumme nicht mehr betragen, als die von dieser Summe zu nehmen erlaubten Zinsen; widrigens soll im ersten Falle dem Kaufer das im neunten Capitel, §. 193, berührte Hilfsmittel offen stehen, im letzten Falle aber der Contract als eine wucherliche Handlung angesehen werden.

[3, 14] §. 70. Außerdeme ist der Kaufer schuldig, alles jenes zu erfüllen, wozu er sich in diesem Contracte verbunden hat. Würde er aber in Abführung der Zinsen oder der Fristgelder saumselig sein, so wird der Grund deswegen nicht verwirket, wenn dessen Heimfälligkeit auf diesen Fall nicht ausdrücklich bedungen worden; doch soll auch in diesem Falle die Heimfälligkeit des Grunds anderst nicht Platz greifen, als gegen deme, daß der Verkaufer bei Zurücknehmung des Grunds alle an dem Kaufgelde bereits empfangenen Fristzahlungen wieder herausgebe.

[3, 14] §. 71. Hieher gehöret auch jener Contract, wenn die Grundherrn oder Stadtmagistraten in dem Falle, wo stadt- oder grundbücherliche Gründe von Gemeinden oder andern derlei Besitzern, die niemals absterben, unwiderruflich an sich gebracht werden, wegen der ihnen andurch entgehenden Veränderungsgebühren sich ausbedingen, daß das stadt- oder grundbücherliche Besitzrecht zu gewissen festgesetzten Zeiten gegen Bezahlung der ausgemessenen Gebühr erneuert werden solle.

[3, 14] §. 72. Wenn die Befugniß zwar vorbehalten, allein keine gewisse Zeit zur Erneuerung bedungen worden, so soll der Besitzer selbe alle zehen Jahre anzusuchen schuldig sein. Würde aber diese Erneuerung in der bestimmten Zeit nicht angesuchet werden, so soll den Grundherrn oder den Magistraten die Befugniß zustehen, den Grund so lange in gerichtlichen Beschlag zu nehmen, bis sie sich aus den davon eingegangenen Nutzungen bezahlt gemacht haben.


(450) Fünfzehentes Capitel.

Vom Gesellschaftscontracte.

[3, 15] §. 1. Wenn Jemand mit einem Andern oder auch mit Mehreren dahin übereinkommt, daß sie ihr Geld, Güter, Waaren zusammentragen, oder ihre Mühe und Arbeit vereinigt anwenden, oder Einer von ihnen Geld und Gut beitragen, und der Andere die Mühe und Arbeit auf sich nehmen wolle, um einen gemeinschaftlichen Gewinn zu machen, so ist dieses ein Gesellschaftscontract.

[3, 15] §. 2. Wo dieser Endzweck eines gemeinschaftlichen Gewinns, oder der gemeinschaftliche Beitrag ermangelt, da ist kein Gesellschaftscontract. Wenn dahero eine Gemeinschaft der Güter eingegangen wird, doch dabei eine andere Absicht, als der gemeinschaftliche Gewinn vorhanden ist, so ist es ein anderer Vertrag, und wenn Jemand ohne allen Beitrag mit in die Gesellschaft aufgenommen, und zu einem Theile des Gewinnes zugelassen wird, so ist dieses eine Schankung.

[3, 15] §. 3. Eine Gesellschaft kann nicht nur auf die unten in §§. 60, 61 berührte Art mit dem Erben eines verstorbenen Gesellschafters durch eine stillschweigende Einwilligung fortgesetzt, sondern auch von Anfange stillschweigend eingegangen werden, wenn eine Sache von Mehreren zusammen erworben worden, oder eine Erbschaft Mehreren zusammen angefallen, und selbe in der Absicht, dem von dieser Sache oder Erbschaft anzuhoffenden Gewinn unter sich zu theilen, in deren ungetheilten Besitze verbleiben, und alsdann ist jener Antheil, der einem Jeden theilbar an der gemeinschaftlichen Sache oder Erbschaft gebühret, die Richtschnur, nach welcher der gemachte Gewinn oder der erlittene Verlust unter ihnen zu vertheilen ist.

[3, 15] §. 4. Wo aber diese Richtschnur abgehet, und der von Einem und dem Andern geleistete Beitrag nicht erwiesen werden kann, da kann auch keine stillschweigende Einwilligung in eine Gesellschaft geschlossen werden, wenn schon noch so starke Anzeigen zu einer Gesellschaft vorhanden wären. Obwohl also eine Sache auf Beider Namen erkaufet, oder die Handlungsbücher auf Beider Namen gestellet, oder die Waaren mit Beider Namen gezeichnet, oder ein Handlungsvorsteher in Beider Namen gesetzet, oder auch sogar der beiderseitige Gewinn untereinander vertheilet worden wäre, so ist es doch für keine Gesellschaft zu halten, wann nicht der gemeinschaftliche Beitrag in Absicht auf gemeinen Gewinn dargethan werden mag.

[3, 15] §. 5. Niemand kann von einem Gesellschafter ohne Einwilligung der Uebrigen in die Gesellschaft aufgenommen werden, und ein Gesellschafter des einen Gesellschafters kann nicht eher auch für einen Gesellschafter der Uebrigen gehalten werden, als bis sie in dessen Aufnahme eingewilliget haben.

[3, 15] §. 6. Gesellschaften können über alle handelbare Sachen und erlaubte Gewerbe, sowohl einzeln, als über mehrere zusammen eingegangen werden; doch soll eine über das sämmtliche gegenwärtige und zukünftige Vermögen eingegangene Gesellschaft gänzlich ungiltig sein, außer zwischen Eheleuten, wie Wir im ersten Theile, dritten Capitel, bereits geordnet haben.

[3, 15] §. 7. Ueber unerlaubte Dinge bestehet keine Gesellschaft, und wenn ein Gesellschafter mit dem gemeinschaftlichen Gute etwas auf unrechtmäßige Weise erworben hat, so ist er nicht schuldig, dasselbe in die Gesellschaft einzubringen. Hätte aber ein Gesellschafter dennoch ein unrechtmäßig erworbenes Gut in die Gesellschaft eingebracht, so wird dasselbe zwar zwischen Allen gemein; doch bleibet Demjenigen, der dazu einen rechtmäßigen Anspruch hat, die Befugniß allezeit bevor, dieses Gut sammt den der Gesellschaft davon zugekommenen Nutzungen, oder


(451) da das Gut nicht mehr vorhanden wäre, dessen Werth aus dem gesellschaftlichen Vermögen zurückzufodern.

[3, 15] §. 8. Was aber den dem Dritten nebst der Sache zu leistenden Ersatz der zugefügten Schäden, und andere Nebengebührnisse, wie auch die allenfalls verwirkte Geldstrafe anbetrifft, so hat diese der unrechtmäßige Erwerber allein zu erstatten. Wenn jedoch die unrechtmäßige Erwerbung des eingebrachten Guts auch den übrigen Gesellschaftern bekannt gewesen, so werden auch Alle zu dessen Ersatz und der verwirkten Strafe verbunden.

[3, 15] §. 9. Dem Gesellschaftscontracte können alle erlaubte Nebenverträge beigefüget werden, sie mögen die Art und Weise des gemeinschaftlichen Beitrags, die Vertheilung des Gewinns und Verlusts, die Verwaltung der gemeinen Geschäfte oder auch die Festhaltung des Contracts betreffen; wenn selbe nur mit der Wesenheit des Contracts vereinbarlich sind, und das auf den Fall der Abweichung von dem Contracte bedungene Strafgeld den achten Theil des geleisteten oder zu leisten versprochenen Beitrags nicht übersteiget.

[3, 15] §. 10. Zu was für einem Beitrage ein Gesellschafter sich in dem Gesellschaftscontracte verbunden hat, es seie an Geld und Gut, oder an Mühe und Arbeit, oder an beiden zugleich, so ist er denselben auch wirklich zu leisten schuldig; doch mag der von einem Gesellschafter zu machen versprochene Beitrag niemals auf etwas Anderes erstrecket werden, als was ausdrücklich verabredet worden.

[3, 15] §. 11. Es beruhet aber in der Willkür der Contrahenten, bei Eingehung der Gesellschaft, ob sie den Beitrag an Geld und Gut dergestalten machen wollen, daß das Eigenthum der eingebrachten Sachen Demjenigen, deme selbe vor der Gesellschaft zugehöret, vorbehalten bleiben, und nur der Gebrauch dieser Sachen gemeinschaftlich gemacht, oder ob auch das Eigenthum des eingebrachten Guts zwischen allen Gesellschaftern gemeinschaftlich werden solle.

[3, 15] §. 12. Ist der Beitrag auf die erste Art gemacht worden, so nimmt ein jeder Gesellschafter bei Endigung der Gesellschaft das von ihm eingebrachte Gut zum voraus hinweg, und nur der damit erworbene Gewinn wird in die Theilung geleget; doch hat er ebenfalls den Schaden allein zu tragen, wann das eingebrachte Gut durch Zufall zu Grunde gehet, wofern die Gefahr von den andern Gesellschaftern nicht zum Theile mit übernommen worden. Bei einem Beitrage letzterer Art hingegen wird ein jeder Gesellschafter sowohl des eingebrachten Hauptguts als des Gewinns, nach Maß des ihm vermöge der getroffenen Abrede zufallenden Antheils theilhaftig, und wenn das eingebrachte Gut durch Zufall zu Grunde gehet, so muß ein Jeder nach seinem Antheile den Schaden büßen.

[3, 15] §. 13. Ob aber der Beitrag auf die erste oder auf die letztere Art geschehen sei, ist vorzüglich aus dem Inhalte des Contracts und aus der Absicht der Contrahenten zu entnehmen, und wenn weder der Inhalt des Contracts desfalls etwas deutlich entscheidet, noch auch die Absicht der Contrahenten sonst hinlänglich entnommen werden mag, so soll darauf gesehen werden, ob von einem Gesellschafter Geld oder Gut, und von dem Andern blos seine Mühe und Arbeit, oder ob von einem jeden Gesellschafter Geld oder Gut beigetragen worden. Im ersten Falle ist bei vorfallendem Zweifel zu urtheilen, daß der Gesellschafter, so das Geld oder Gut eingebracht, sich dessen Eigenthum vorbehalten habe; im zweiten Falle hingegen, daß das Eigenthum zwischen Allen gemeinschaftlich gemacht worden.

[3, 15] §. 14. Alles, was mit der gemeinschaftlichen Einlage in einer Gesellschaft erworben wird, ist in allen Gesellschaftern gemeiner Gewinn; dahingegen ist der Verlust auch Allen gemein, wenn mit der gemeinschaftlichen Einlage, oder mit dem gemeinschaftlich getriebenen Gewerbe nicht so viel erworben worden, als der dabei erlittene Schaden ausmacht.


(452) [3, 15] §. 15. Um den Gewinn oder Verlust einer Gesellschaft verläßlich zu erfahren, ist von einer Seite Alles, was in die Gesellschaft eingeleget und darinnen erworben worden, sammt allen ausständigen richtigen Foderungen, und auf der andern Seite aller Aufwand, erlittener Schaden, sammt den Schaden der Gesellschaft in eine Summe zusammenzurechnen, und die letztere von der ersten abzuziehen. Wenn nun der übrig bleibende reine Vermögensstand mehr beträgt, als die anfängliche Einlage, so ist der Ueberschuß für den Gewinn zu halten; wenn hingegen der Vermögensstand weniger ausmacht, als die anfängliche Einlage, so ist der Abgang für den Verlust anzusehen.

[3, 15] §. 16. In den Vermögensstand der Gesellschaft mag jenes nicht eingezogen werden, was einem Gesellschafter sonst woher zugefallen ist, noch auch, was ein Gesellschafter, zwar aus Gelegenheit der Gesellschaft, doch nicht unmittelbar durch selbe erworben hat, als da er für einen in Betreibung des gemeinschaftlichen Gewerbs Jemanden erwiesenen Dienst ein Geschenk oder Vermächtniß erhalten hätte; wenn er jedoch zu Beförderung seines alleinigen Nutzens das gesellschaftliche Beste bei Seite gesetzet, so muß er der Gesellschaft so vieles ersetzen, als derselben andurch entgangen.

[3, 15] §. 17. Unter den Schuldenstand der Gesellschaft sind alle jene Auslagen anzusetzen, die von einem Gesellschafter entweder mit Willen der Uebrigen, oder wo es die unumgängliche Nothwendigkeit erfodert hat, auch von Einem allein ohne Einwilligung der Andern auf das gemeinschaftliche Gewerbe verwendet worden. Ferner müssen auch jene Schäden hieher gerechnet werden, welche ohne Schuld des Gesellschafters entweder an dem gemeinschaftlichem Gute, oder auch an des Gesellschafters eigenen Sachen, doch aus nothwendigem Zusammenhange mit den gesellschaftlichen Geschäften verursachet worden, als da ihm auf einer zum Nutzen der Gesellschaft vorgenommenen Reise seine mitgenommenen Sachen geraubet worden wären.

[3, 15] §. 18. Jene Schäden hingegen mögen der Gesellschaft nicht zugemuthet werden, welche ein Gesellschafter durch seine Schuld an dem gemeinschaftlichen Gute verursachet, oder welche er nicht aus nothwendigem Zusammenhange mit dem gemeinschaftlichen Gewerbe, obwohl dasselbe Gelegenheit dazu gegeben, erlitten hat, als da er wegen Besorgung der gesellschaftlichen Geschäfte seine eigenen vernachlässiget oder einen Nutzen, den er hätte haben können, verabsäumet hätte.

[3, 15] §. 19. Bei Vertheilung des Gewinns und Verlusts muß allezeit, wenn die Gesellschafter sich nicht wegen dieser Vertheilung besonders verglichen haben, eine genaue Gleichheit beobachtet werden. Nemlich wenn die Einlagen gleich sind, so sind auch die Antheile sämmtlicher Gesellschafter an dem Gewinne und Verluste gleich; sind die Einlagen ungleich, so hat Derjenige, der mehr eingeleget hat, auch nach Maß seiner Einlage an dem Gewinne einen größeren Antheil, und muß im Falle eines Verlusts ebenfalls davon einen verhältnißmäßigen größeren Theil tragen, als Jener, der weniger eingeleget hat.

[3, 15] §. 20. Die Einlagen sind nicht nur alsdann für gleich zu halten, wenn ein jeder Gesellschafter gleichviel an Geld oder Gut in die Gesellschaft eingebracht, sondern auch, wenn von einem Gesellschafter Geld oder Gut beigetragen worden, der Andere hingegen bloserdings die Mühe und Arbeit auf sich genommen hat; wäre aber von beiden Seiten an Geld oder Gut ein gleicher oder ungleicher Beitrag geschehen, und nebst deme von einem Gesellschafter viel mehr Mühe und Arbeit, als von dem Andern oder von einem Gesellschafter allein alle Mühe und Arbeit angewendet worden, so sind die Theile des Gewinns und Verlusts, ohne Rücksicht auf die Mühe und Arbeit, blos nach Maß des eingebrachten Guts zu bestimmen.

[3, 15] §. 21. Doch stehet es den Contrahenten frei, bei dem Anfange der Gesellschaft die Antheile des Gewinns und Verlusts durch einen besonderen Vertrag


(453) auszumessen, und bei gleichen Einlagen ungleiche Theile des Gewinns, gleichwie auch bei ungleichen Einlagen gleiche Theile oder Demjenigen, der mehr eingeleget hat, einen geringeren, und Demjenigen, der weniger eingeleget hat, einen größeren Theil des Gewinns zuzutheilen. In allen derlei Verträgen soll aber die beständige Regel beobachtet werden, daß, wenn auch nur die Theile des Gewinns bestimmet worden, ohne zugleich die Theile des Verlusts zu bestimmen, oder gegentheils, wenn nur die Theile des Verlusts, nicht aber auch die Theile des Gewinns festgesetzet worden, Dasjenige, was in einem Falle bedungen worden, auch in dem andern Platz greifen solle.

[3, 15] §. 22. Jene Verträge hingegen, wodurch von der Gleichheit zwischen den Theilen des Gewinns und Verlusts abgewichen, und dem Einen ein größerer Antheil an dem Gewinne, und ein minderer Antheil an dem Verluste, dem Andern aber ein geringerer Antheil an dem Gewinne, und ein größerer Antheil an dem Verluste, oder dem Einen ein Theil des Gewinns, und der ganze Verlust, dem Andern aber ein Theil des Gewinns ohne einen Theil des Verlusts zugeeignet wird, sollen nicht anderst giltig sein, als wenn diese Ungleichheit durch eine vorwaltende rechtmäßige Ursache gerechtfertiget werden kann.

[3, 15] §. 23. Also kann ausbedungen werden, daß Derjenige, der Geld oder Gut in die Gesellschaft eingebracht, einen größeren Theil des Gewinns, und einen minderen Theil des Verlusts, dahingegen der Andere, der blos die Mühe und Arbeit auf sich genommen, einen minderen Theil des Gewinns, und einen größeren Theil des Verlusts haben solle, oder gegentheils, daß Derjenige, der eine besondere, und eine größere Belohnung verdienende Mühewaltung auf sich nimmt, mehr Antheile an dem Gewinne und weniger an dem Verluste haben solle, als der Andere, der blos Geld und Gut in Gesellschaft gebracht hat.

[3, 15] §. 24. Ferner kann auch ein Gesellschafter in Gestalt einer Schankung, sie möge aus Freigebigkeit oder aus Erkenntlichkeit herrühren, den Verlust, den der Andere zu tragen gehabt hätte, ganz oder zum Theile auf sich nehmen. Imgleichen gilt der Vertrag, wodurch Derjenige, welcher bei dem gemeinschaftlich unternommenen Gewerbe die Mühe und Arbeit auf sich genommen hat, auf den Fall, da dasselbe unglücklich abliefe, sich wenigstens einen jährlichen Lohn ausbedungen hat.

[3, 15] §. 25. Auch ist Derjenige, der mehr als der Andere eingeleget hat, befugt, von dem noch ungewissen Gewinne sich einen gewissen Betrag zum voraus zu bedingen, dergestalten daß der Ueberrest des Gewinns sodann gleich getheilet werden, oder auch, daß der ganze Ueberrest dem Andern zufallen solle. Wenn jedoch in so einem Falle weniger, als der bestimmte vorzügliche Betrag gewonnen würde, so soll Derjenige, der sich denselben zum voraus bedungen, niemals mehr fodern können, als was wirklich gewonnen worden.

[3, 15] §. 26. Nicht weniger kann auch Jener, welcher blos seine Mühe und Arbeit beiträgt, die Gefahr des Verlusts, in Ansehung des von dem Andern beigetragenen Guts nicht nur zum Theile, sondern auch ganz übernehmen, wenn ihm dagegen ein größerer Theil des Gewinns vorbehalten worden. Ueberhaupt kann ein Gesellschafter dem Andern seine Einlage auf den Fall des Verlusts versichern, wenn er entweder sich einen größeren Antheil des Gewinnes ausbedungen, oder weniger, oder auch gar nichts zur Gesellschaft beigetragen hätte, und soll in diesem letzteren Falle die übernommene Gefahr der Einlage für einen wirklichen Beitrag gehalten werden.

[3, 15] §. 27. Wenn keine von diesen rechtmäßigen Ursachen vorhanden ist, so soll ein solcher Vertrag, wodurch zwischen den Theilen des Gewinns und des Verlusts eine Ungleichheit eingeführet wird, für null und nichtig geachtet, und die Vertheilung ebenso, als ob keine Bestimmung der Theile vorhergegangen, nach der Natur des Contracts, und der im §. 19 gesetzten Regel vorgenommen werden; bei allen derlei Verträgen ist aber die beständige Richtschnur zu beobachten, daß,


(454) wenn sich in einem Theile des gemeinschaftlichen Gewerbs ein Schaden, und in dem andern Theile ein Gewinn ergeben hat, die Theile des Gewinns nicht anderst, als nach Abzuge des ganzen Verlusts, so wie die Theile des Verlusts nicht anderst als nach Abzuge des ganzen Gewinns bestimmet werden mögen.

[3, 15] §. 28. Jener Vertrag hingegen, wodurch dem einen Gesellschafter der ganze Gewinn zugeeignet, und dem Andern der ganze Verlust aufgebürdet wird, gleichwie auch der Vertrag, wodurch ein Gesellschafter dem Andern seine Einlage sammt dem Gewinn versichert, sollen gänzlich ungiltig sein, und bei dem ersten Vertrage ist der ganze Contract allezeit, bei dem zweiten Vertrage aber alsdann, wenn nach Beschaffenheit der Handlung der versicherte Gewinn die erlaubten Zinsen übersteiget, für eine wucherliche Handlung anzusehen.

[3, 15] §. 29. Die Gesellschafter können aber auch untereinander dahin übereinkommen, daß erst nach geendigter Gesellschaft entweder Einer von ihnen, oder ein Dritter mit allseitiger Einwilligung gewählter Schiedsmann die Theile des Gewinns und Verlusts legen solle. Doch darf weder der Eine, noch der Andere in dieser Theilung nach eigener Willkür vorgehen, sondern er ist schuldig, sich vorzüglich nach der mit Einverständniß aller Gesellschafter ihm vorgelegten Richtschnur, und bei deren Ermanglung nach der Natur des Contracts zu achten; widrigens kann der andurch verkürzte Theil sich des im zwanzigsten Capitel vorkommenden Rechtsmittels gebrauchen.

[3, 15] §. 30. Wenn der erwählte Schiedsmann noch vor wirklicher Bestimmung der Theile verstirbt, und dieses zu einer Zeit geschiehet, wo die Gesellschaft noch nicht angefangen hat, so soll die ganze Gesellschaft, als ob sie nicht eingegangen worden wäre, angesehen werden; wenn hingegen die Gesellschaft schon durch die geleistete Einlage und Treibung des Gewerbes ihren Anfang genommen, so soll der Contract bei Kräften verbleiben, und die Theilung des Gewinnes nach der Natur der Handlung, doch mit Rücksicht auf die etwa von den Gesellschaftern beliebte Richtschnur geschehen.

[3, 15] §. 31. Jener Gesellschafter, deme die Verwaltung der gesellschaftlichen Geschäfte anvertrauet worden, ist schuldig, vor dem Antritte seiner Verwaltung mit Zuziehung der Uebrigen, ein verläßliches Inventarium über alle in die Gesellschaft gehörige Güter, Habschaften und Foderungen, wie auch der Schulden zu verfassen; hätte er sich hingegen ohne Errichtung eines Inventariums in die Verwaltung eingelassen, so muß er nicht nur für alles Jenes Rede und Antwort geben, was die übrigen Gesellschafter erweisen können, daß es zur Zeit der von ihm angetretenen Verwaltung über sein Angeben unter dem gemeinschaftlichen Vermögen vorhanden gewesen sei, sondern er kann auch auf jedesmaliges Erfodern angehalten werden, sein Vorgeben, daß nicht mehr vorhanden gewesen sei, mit einem körperlichen Eide zu bestärken.

[3, 15] §. 32. Ferner liegt ihm ob, in Verwaltung der gemeinschaftlichen Geschäfte allen erfoderlichen Fleiß anzuwenden, auch darüber entweder nach Kaufmannsgebrauche, oder doch wenigstens mit Beobachtung der allgemeinen zur Rechnungsrichtigkeit nothwendigen Erfodernissen, wie es die Verschiedenheit der Geschäfte mit sich bringt, ordentliche Rechnung zu führen, und den übrigen Gesellschaftern nicht nur zu allen Zeiten die freie Einsicht derselben zu gestatten, sondern auch selbe so oft es begehret wird, zu ihren Handen zu erlegen.

[3, 15] §. 33. Die zu Beförderung des gemeinsamen Nutzens gemachte Auslagen und erlittene Schäden, ist der verwaltende Gesellschafter befugt, nach Maß des §. 17 in Rechnung zu bringen. Dahingegen, wenn er durch seine Schuld auf einer Seite der Gesellschaft einen Schaden zugefügt, auf der andern Seite aber einen Gewinn verschaffet hätte, muß er den Schaden vergüten, und er ist nicht berechtigt, denselben mit dem Gewinne auszugleichen; nur in dem einzigen Falle soll ihm das Recht zustehen, einen obgleich durch seine Schuld verursachten Schaden von dem


(455) Gewinne noch vor dessen Theilung abzuziehen, wenn er außer dem verabredeten Gewerbe, mit dem gemeinschaftlichen Gelde auf seine Gefahr noch ein besonderes Geschäft unternommen, und dabei zwar auf einer Seite eingebüßt, auf der andern aber einen so beträchtlichen Gewinn gemacht hätte, daß derselbe nach Abzuge des Verlusts noch so viel beträgt, als von dem anfänglich verabredeten Gewerbe zu erwarten gewesen wäre.

[3, 15] §. 34. Wenn ein Gesellschafter allen diesen vermöge des Contracts, oder auch vermöge eines besonderen eingegangenen Vertrags ihm obliegenden Verbindlichkeiten nicht nachkommt, so ist der Andere befugt, ihn durch eine eigens erhobene Rechtsfoderung dazu anzuhalten; diese Rechtsfoderung kann aber nicht nur nach der Endigung des Gesellschaftscontracts, sondern auch bei noch bestehendem Contracte angestrenget werden.

[3, 15] §. 35. Nur was die Vertheilung des Gewinns anbelanget, kann dieselbe, so lang der Gesellschaftscontract fortwähret, nicht anbegehret, noch weniger von einem Gesellschafter wider Willen des Andern ein Theil des Gewinns herausgenommen werden; außer wenn schon Anfangs eine Zeit bestimmet worden, wann jedesmal die Ausgleichung gemacht, und der Gewinn vertheilet werden solle, oder wenn die Gesellschafter Bauersleute, Handwerker oder sonst arme Leute sind, die von ihrem täglichen Verdienst leben, oder wenn ein Gesellschafter nach der Zeit in einen solchen Nothstand verfiele, woraus ihm auf keine andere Art geholfen werden könnte.

[3, 15] §. 36. Wenn auch ein Gesellschafter dem Andern entweder ausdrücklich verstattet, einen Theil des Gewinns aus der Gesellschaft zu nehmen, oder dieses wissentlich, und ohne Widerrede zuläßt, so ist er seinerseits befugt, ebensoviel herauszunehmen. In allen Fällen jedoch, wo die Theilung des Gewinns vorgenommen wird, und entweder noch einige unbezahlte Schulden der Gesellschaft vorhanden sind, oder ein Gesellschafter nach dem Erfolge einer Bedingniß außer deme, was er empfangen, noch etwas zu fodern hat, oder gegentheils, wenn er der Gesellschaft noch etwas zu ersetzen hat, oder wenn der Gesellschaft sonst noch eine gemeinschaftliche Einbuß oder Auslage bevorstehet, sind jene Gesellschafter, welche auf diese Fälle den Andern etwas zu erstatten hätten, ihnen dafür eine hinlängliche Sicherheit zu bestellen, oder so vieles von ihrem Antheile indessen zurückzulassen schuldig.

[3, 15] §. 37. Wenn ein Gesellschafter von dem Andern aus diesem Contracte belanget wird, und nicht soviel im Vermögen hat, daß er die Foderung des Klägers vollständig befriedigen könnte, oder wenn nach vollständiger Befriedigung des Klägers sein übriges Vermögen zu seinem unentbehrlichen Lebensunterhalte nicht hinreichend wäre, so wollen Wir ihm die Rechtswohlthat der Selbstbedürfniß verstatten, nemlich, daß ihm der nach Beschaffenheit seines Standes nothdürftige Lebensunterhalt gelassen werden solle.

[3, 15] §. 38. Doch soll sich diese Rechtswohlthat blos auf die Person des Gesellschafters beschränken, und weder von dem Erben, noch von dem Bürgen eines Gesellschafters, noch auch von einem Gesellschafter wider die Rückfoderung des Bürgens vorgeschützet werden können; selbst in Ansehung des Gesellschafters aber soll sich selbe nicht weiter, als auf den dem Beklagten auf Lebzeiten, oder bis er zu besseren Vermögensumständen gelangen wird, verstatteten Genuß erstrecken, das Eigenthum der zurückgehaltenen Hauptsumme hingegen dem Kläger versichert bleiben.

[3, 15] §. 39. Auch soll diese Rechtswohlthat nur alsdann statthaben, wenn es um Beziehung des Gewinns zu thun ist; wenn hingegen der Kläger die von ihm in die Gesellschaft gebrachte Einlage zurückfodert, oder obwohl er kein Geld oder Gut beigetragen, wenn er an der Einlage einen Antheil zu fodern hat, und desfalls


(456) nicht vollkommen befriediget worden, so mag ihm die Einrede der Selbstbedürfniß nicht entgegengesetzet werden.

[3, 15] §. 40. Ferner macht sich ein Gesellschafter dieser Rechtswohlthat unwürdig, wenn er boshafterweise gelaugnet, daß er des Klägers Gesellschafter sei, wie auch, wenn er denjenigen Schaden, zu dessen Ersatze er belanget wird, durch eine Veruntreuung des gesellschaftlichen Guts, oder sonst eine geflissentliche, zur Verkürzung des Klägers gerichtete Gefährde veranlasset hat.

[3, 15] §. 41. Wir wollen aber noch außer deme festsetzen, daß, wenn ein Gesellschafter zu dem Ersatze eines durch seine geflissentliche Gefährde verursachten Schadens verurtheilet, und in dem richterlichen Spruche von seiner verübten Gefährde, oder von einer Veruntreuung des gesellschaftlichen Guts Meldung gemacht wird, derselbe für ehrlos gehalten werden solle; wäre hingegen in dem Urtheile von einer Veruntreuung nichts enthalten, so schadet ihm der ihm auferlegte Ersatz an seiner Ehre und guten Namen nicht, obwohl in dem Urtheile keine ausdrückliche Ehrverwahrung enthalten wäre.

[3, 15] §. 42. Das Band, welches die Gesellschafter untereinander verknüpfet, erstrecket sich auch auf die von ihnen mit einem Dritten geschlossenen Handlungen, und der Dritte wird andurch der Gesellschaft verbindlich, gleichwie gegentheils auch die Gesellschaft dem Dritten verbindlich wird; doch sind die dabei vorwalten mögenden Fälle zu unterscheiden.

[3, 15] §. 43. Wenn die Handlung mit dem Dritten von allen Gesellschaftern mit gemeinsamer Einwilligung, oder mit einem von allen Gesellschaftern bestellten Handlungsvorsteher, oder mit einem und andern Gesellschafter, der dazu eine ausdrückliche oder stillschweigende Vollmacht hat, eingegangen worden, so wird der Dritte einem jeden Gesellschafter nach Maß seines Antheils verbindlich, und ein jeder Gesellschafter wird dem Dritten in eben dieser Maß verbindlich.

[3, 15] §. 44. Eine stillschweigende Vollmacht wird allezeit vermuthet, wenn unter mehreren Gesellschaftern ein Jeder insbesondere einen verschiedenen Theil der Geschäfte besorget, oder auch, wenn einerlei Geschäfte von verschiedenen Gesellschaftern an verschiedenen Orten besorget werden; außer es wäre dabei ausdrücklich bedungen worden, daß Keiner ohne Wissen und Willen der Andern im Namen der Gesellschaft mit einem Dritten eine Handlung einzugehen befugt sein solle.

[3, 15] §. 45. In allen obberührten Fällen kann die ganze Gesellschaft zusammen, oder der gemeinschaftliche Vorgesetzte im Namen der Uebrigen den Dritten um den ganzen schuldigen Betrag, und ein jeder Gesellschafter insbesondere um Dasjenige, was davon auf seinen Antheil ausfällt, belangen, und ebenso stehet dem Dritten die Befugniß zu, in dem Falle, wo alle Gesellschafter die Handlung mit ihm geschlossen haben, entweder seine ganze Foderung von der Gesellschaft zusammen, oder den auf einen Jeden ausfallenden Antheil von einem Jeden insbesondere einzufodern.

[3, 15] §. 46. Gleichergestalten hat der Dritte in dem Falle, wo Einer im Namen der Uebrigen die Handlung geschlossen hat, die Auswahl, ob er diesen um die ganze Schuld, oder einen Jeden nach Maß seines Antheils belangen wolle. Hätte er jedoch das Erste gewählet, und das Vermögen des Beklagten wäre nicht hinlänglich, ihn vollkommen zu befriedigen, so bleibet ihm bevor, das Uebrige von den andern Gesellschaftern zu erholen, obwohl er von dem ersten Beklagten weniger erhalten hätte, als derselbe ihm nach Maß seines gesellschaftlichen Antheils zu zahlen schuldig wäre; nicht minder stehet ihm im umgekehrten Falle, wenn er gleich von Anfange einen Jeden um seinen Antheil belanget hat, das Recht zu, Dasjenige, was er von dem gewesenen Bevollmächtigten nicht erhält, von den Andern nach Maß ihrer Antheile einzufodern.

[3, 15] §. 47. Für die ganze Schuld wird in allen obberührten Fällen weder ein Gesellschafter insbesondere einem Dritten, noch auch ein Dritter einem Gesellschafter


(457) insbesondere verfänglich, wenn nicht die Gesellschafter sich gegen den Dritten ausdrücklich verbunden haben, daß sie sammt und sonders, oder mit ungetheilter Hand für die Schuld haften wollen, oder wenn nicht der Dritte sich gegen alle Gesellschafter sammt und sonders verbindlich gemacht hat. Außer deme solle aber auch alsdann der Dritte einen jeden Gesellschafter, so wie gegentheils ein jeder Gesellschafter den Dritten zum Ersatze des ganzen zugefügten Schadens anzugehen befugt sein, wenn der Dritte von allen Gesellschaftern, oder die Gesellschaft von einem Dritten durch Betrug und Arglist verkürzet worden wäre, und die Gefährde erwiesen werden kann.

[3, 15] §. 48. Wenn aber die Handlung mit dem Dritten nur von einem, oder von einigen Gesellschaftern geschlossen werden, welche von den Uebrigen weder eine ausdrückliche noch stillschweigende Vollmacht gehabt, oder wenn ein Gesellschafter zur Schließung dieser Handlung nur von einigen, nicht aber von allen Gesellschaftern bevollmächtiget gewesen, oder wenn ein Gesellschafter seine Vollmacht überschritten hat, so wird der Dritte aus dieser Handlung blos dem, oder Denjenigen verbindlich, von deme oder mit deren Einwilligung die Handlung mit ihme geschlossen worden, gleichwie auch nur diese, nicht aber die übrigen Gesellschafter ihme verbindlich werden.

[3, 15] §. 49. Umsoweniger kann den übrigen Gesellschaftern durch die Handlung des Einen eine Verbindlichkeit zugezogen, oder auch ihnen wider einen Dritten ein Recht erworben werden, wenn ein Gesellschafter die Handlung mit dem Dritten nicht im Namen der Gesellschaft, sondern blos in seinem eigenen Namen geschlossen hat, und dieses auch alsdann, wenn schon die gemeinschaftliche Verbindlichkeit aller Gesellschafter für das, was Einer von ihnen im Namen der Gesellschaft vornehmen würde, bedungen, oder jener Gesellschafter, der die Verbindung eingegangen, von den Andern zu Besorgung der gemeinschaftlichen Geschäfte bestellet worden wäre. Für eine im eigenen Namen geschlossene Handlung soll aber eine jede gehalten werden, worinnen von der Gesellschaft keine ausdrückliche Meldung gemacht worden.

[3, 15] §. 50. Wenn jedoch Derjenige, der mit einem Gesellschafter ohne Zuthun der Uebrigen eine Handlung geschlossen hat, darthun kann, daß das Seinige zum Nutzen der Gesellschaft verwendet worden, so werden ihm sämmtliche Gesellschafter nach Maß ihrer Antheile verbindlich, und wenn im Gegentheile die Gesellschafter erweisen können, daß Dasjenige, was dem Dritten zugekommen, ein gesellschaftliches Gut gewesen seie, so muß er allen Gesellschaftern dafür haften.

[3, 15] §. 51. Das Recht, welches nach Maßgabe Unserer vorstehenden Anordnungen einem Dritten wider die Gesellschafter zukommt, beschränket sich keineswegs auf die von einem jeden Gesellschafter in die Gesellschaft gebrachte Einlage, sondern, wenn die Einlage eines Gesellschafters zu Bezahlung desjenigen Betrags, den derselbe nach Maß seines gesellschaftlichen Antheils von der eingeklagten Foderung zu entrichten hat, nicht hinreichet, so kann der Dritte auch auf dessen übriges Vermögen greifen.

[3, 15] §. 52. Wenn die Geschäfte, worüber die Gesellschaft eingegangen worden, geendiget sind, wenn die Sachen, wegen welcher die Gesellschaft geschlossen worden, dergestalten zu Grunde gegangen, daß nichts mehr übrig ist, womit das gemeinschaftliche Gewerbe betrieben werden könnte, oder wenn die Zeit verflossen ist, auf welche die Gesellschaft beschränket war, obwohl die unternommenen Geschäfte noch nicht vollendet wären, so höret die Gesellschaft auf; wenn jedoch nach verflossener Zeit die gesellschaftlichen Geschäfte ohne Eines oder des Anderen Widerrede auch gemeinschaftlich fortgeführet worden, so ist dafür zu halten, daß die Gesellschaft stillschweigend erneuert worden sei.

[3, 15] §. 53. Ist eine Gesellschaft ohne Bestimmung einer Zeit geschlossen worden, so stehet es einem jeden Gesellschafter frei, zu allen Zeiten von derselben wieder


(458) abzugehen, wenn es nur nicht zur Unzeit geschiehet; zur Unzeit geschieht es aber jedesmal, wenn ein Gesellschafer entweder um einen anzuhoffenden beträchtlichen Gewinn allein zu beziehen, oder um einen bevorstehenden Schaden den Andern aufzubürden, oder sonst zu vorsetzlicher Benachtheiligung der übrigen Mitgesellschafter sich von der Gesellschaft absöndert.

[3, 15] §. 54. Ist hingegen die Gesellschaft auf eine bestimmte Zeit eingegangen worden, so kann vor Verfließung der Zeit kein Gesellschafter aus derselben treten, wenn er nicht eine rechtmäßige Ursache dazu hat. Solche Ursachen sind, wenn ein Mitgesellschafter die contractmäßige Verabredung nicht erfüllet, wenn er die Betreibung des gemeinschaftlichen Gewerbs verhindert, oder sich dabei fahrlässig oder unruhig beträgt, und andurch, oder auch sonst durch dessen Schuld ein beträchtlicher Schaden der Gesellschaft mit Grunde zu befahren ist.

[3, 15] §. 55. Wenn ein Gesellschafter von der Gesellschaft abgehen will, so muß er es den Uebrigen ordentlich zu wissen machen, und wenn die Mitgesellschafter abwesend sind, so dauret die gesellschaftliche Verbindlichkeit auf beiden Seiten so lang fort, bis die Abwesenden des austretenden Gesellschafters Gesinnung in Erfahrung gebracht haben.

[3, 15] §. 56. Würde aber ein Gesellschafter vor Verfließung der bestimmten Zeit, ohne eine rechtmäßige Ursache zu haben, oder sonst zur Unzeit aus der Gesellschaft treten, so wirket dieser Austritt bloserdings die Aufhebung der gesellschaftlichen Verbindlichkeit von Seite der übrigen Gesellschafter, nicht auch des Austretenden. Wenn dahero nach dieser Zeit von den Andern ein Gewinn gemacht wird, so hat er keinen Antheil daran, und wenn die Andern einen Schaden erleiden, so muß er denselben mittragen; gleichwie er gegentheils den von ihm nachhero gemachten Gewinn in die gemeinschaftliche Theilung legen, den ihm nachhero zugestoßenen Schaden aber ganz allein tragen muß.

[3, 15] §. 57. Auch endiget sich die Gesellschaft allezeit, obwohl sie bis auf eine gewisse Zeit eingegangen worden, und diese noch nicht verflossen wäre, durch den Tod eines Gesellschafters, und dieses nicht nur in Ansehung des Verstorbenen, sondern auch der noch lebenden Gesellschafter unter sich, wenn sie nicht schon im Anfange dahin übereingekommen sind, daß durch das Absterben eines Gesellschafters die Gesellschaft unter den Uebrigen nicht unterbrochen werden solle.

[3, 15] §. 58. Wenn auch die Gesellschafter sich untereinander verbunden hätten, daß die Ueberlebenden die Erben Desjenigen, der mit Tode abgehen würde, in die Gesellschaft einnehmen sollen, so werden dadurch zwar die übrigen Gesellschafter zur Aufnahme der Erben, nicht aber auch diese zum Eintritte in die Gesellschaft verbunden, und kein Erblasser ist befugt, seine Erben, wenn es schon Notherben wären, zur Fortsetzung einer von ihm eingegangenen Gesellschaft anzuhalten.

[3, 15] §. 59. Hätte jedoch ein Erblasser seine Erben durch eine letztwillige Anordnung unter der Strafe, der Erbschaft verlustig zu werden, zur Fortsetzung der Gesellschaft verbunden, so sind sie zwar, wenn sie nicht die Erbschaft, oder denjenigen Theil der Erbschaft, der ihnen durch die freie Willkür des Erblassers zugefallen, verlieren wollen, schuldig, dessen Willen zu erfüllen; allein die Mitgesellschafter des Verstorbenen können wegen dieser letztwilligen Anordnung nicht gezwungen werden, die Erben in die Gesellschaft einzunehmen, wenn sie sich nicht vorhero nach Maß des §. 58 dazu anheischig gemacht haben.

[3, 15] §. 60. Die Erben des verstorbenen Gesellschafters sind aber allezeit schuldig, Dasjenige zu leisten, was der Erblasser für die Zeit, da er ein Mitglied derselben gewesen, zu leisten hatte, und ihnen gebühret gleichfalls alles Dasjenige, was der Erblasser bis auf den Tag seines Todes an der Gesellschaft zu fodern befugt war. Wenn auch die überlebenden Gesellschafter, bevor ihnen der Tod des Mitgesellschafters bekannt worden, die gemeinschaftlichen Geschäfte fortgesetzet hätten,


(459) so müssen die Erben sowohl die nachherigen Ausgaben, und die der Gesellschaft zugegangenen Schäden gemeinschaftlich mittragen, als auch zur verhältnißmäßigen Theilung des nachhero gemachten Gewinns zugelassen werden.

[3, 15] §. 61. Diese beiderseitige Verbindlichkeit dauret so lang, als das gemeinschaftliche Gewerbe mit dem den Erben des Verstorbenen zugehörigen Gute ohne ein- und anderseitigen Widerspruch fortgeführet wird. Wenn also die Erben sich dieser Verbindlichkeit entledigen wollen, so müssen sie den Tod ihres Erblassers den übrigen Gesellschaftern zu wissen machen, und wenn die noch lebenden Gesellschafter den Erben des Verstorbenen an dem nachherigen Gewinne keinen Antheil lassen wollen, so müssen sie sich zu Ausfolgung des denselben aus der Gesellschaft hieraus gebührenden Antheils anbieten.

[3, 15] §. 62. Das, was Wir in §. 57 von dem Tode eines Gesellschafters geordnet haben, soll auch in allen jenen Fällen Platz greifen, wenn ein Gesellschafter in einen solchen Zustand versetzet wird, in welchem entweder die Gesellschaft gleich Anfangs mit ihme nicht hätte bestehen können, oder die übrigen Gesellschafter den Contract mit ihm nicht geschlossen haben würden. Solche Fälle sind, wenn er durch Ablegung feierlicher Gelübde in einen Orden tritt, wenn er des Landes verwiesen, für ehrlos erkläret, oder sein Vermögen wegen eines Verbrechens zu Handen Unserer Kammer eingezogen wird, oder auch, wenn er die freie Verwaltung seines Vermögens verlieret.

[3, 15] §. 63. Auf was immer für eine Art aber die Gesellschaft beendiget werde, so erhält Derjenige, deme die in die Gesellschaft eingebrachten Sachen besonders zugehören, dieselbe wieder zurück. Wenn aber alle, oder mehrere von den gewesenen Gesellschaftern an dem in die Gesellschaft eingebrachten Gute einen Antheil haben, so stehet einem Jeden die Befugniß zu, die Theilung dieses Guts auf die Art, wie Wir im zwanzigsten Capitel mit Mehreren anordnen werden, anzubegehren.

Sechzehentes Capitel.

Vom Bevollmächtigungscontracte.

[3, 16] §. 1. Wenn Jemand einem Andern ein Geschäft anstatt seiner und in seinem Namen zu verrichten aufträgt, und dieser die Verrichtung des Geschäfts in des Andern Namen auf sich nimmt, so ist es ein Bevollmächtigungscontract. Jener, der dem Andern das Geschäft aufgetragen, ist der Gewaltgeber, Bevollmächtiger, Jener, der die Besorgung des Geschäfts auf sich genommen, der Bevollmächtigte, Bestellte, und wenn es gerichtliche Handlungen betrifft, der Anwalt.

[3, 16] §. 2. Die Besorgung des fremden Geschäfts muß ohnentgeltlich übernommen werden, widrigens, wo ein Lohn dafür bedungen worden, ist es ein Dingungscontract; doch wird die Wesenheit des Contracts nicht geändert, wenn nach vollbrachtem Geschäfte Demjenigen, der dasselbe vollbracht hat, eine Belohnung, Verehrung, Vergeltung zur Dankbarkeit abgereichet wird.

[3, 16] §. 3. So soll auch der Auftrag und die Uebernahme solcher Geschäfte, die nicht sowohl durch körperliche Arbeit, als durch die Kräfte des Verstandes und Geistes vollbracht werden, allezeit für einen Bevollmächtigungscontract gehalten werden, wenn schon gleich Anfangs für deren Verrichtung eine bestimmte Belohnung ausbedungen worden; nicht minder sollen jene Personen, die von der Besorgung einer gewissen Gattung derlei Geschäfte ihren Unterhalt suchen, auch


(460) befugt sein, wenn schon keine Belohnung ausbedungen worden, dennoch für ihre Bemühung eine Vergeltung zu fodern.

[3, 16] §. 4. Nur zukünftige Geschäfte können durch den Bevollmächtigungscontract aufgetragen werden. Wenn es vergangene Handlungen betrifft, und Jemand Dasjenige, was ein Anderer anstatt seiner verrichtet hat, hernach begnehmiget, so ist es eine Gutheißung; doch hat die nachgefolgte Gutheißung eben die Wirkung, als wenn die gutgeheißene That Demjenigen, der selbe verrichtet hat, schon vorhero aufgetragen gewesen wäre.

[3, 16] §. 5. Nicht nur einzelne Geschäfte, sondern auch mehrere, oder auch alle Geschäfte, so Jemand hat, zusammen, können einem Andern zur Besorgung aufgetragen werden; doch müssen einzelne aufgetragene Geschäfte allezeit entweder an sich selbst, oder durch Beziehung auf solche Umstände, nach welchen der Bevollmächtigte sein Verhalten einrichten kann, gewiß und bestimmt sein, widrigens und wo eine solche Bestimmung ermangelt, ist der Contract ungiltig.

[3, 16] §. 6. Wenn Jemanden eine unzulässige Handlung aufgetragen worden, so wirket dieser Auftrag weder von Seite des Bevollmächtigten eine Verbindlichkeit zu Vollziehung des Auftrags, noch von Seite des Andern zu Schadloshaltung des Bevollmächtigten; wenn jedoch in Folge des Auftrags die Handlung geschehen, so werden Beide sowohl zum Ersatze des einem Dritten andurch zugefügten Schadens, als zu der nach Beschaffenheit des Verbrechens verwirkten Strafe verbunden.

[3, 16] §. 7. Die aufgetragenen Geschäfte mögen ganz allein den Nutzen des Auftragenden, oder den alleinigen Nutzen eines Dritten, oder den Nutzen des Auftragenden und eines Dritten, oder den Nutzen des Auftragenden und des Bevollmächtigten, oder auch den Nutzen des Bevollmächtigten und eines Dritten zugleich betreffen, so bestehet der Contract; wenn aber das Geschäft ganz allein den Nutzen Desjenigen betrifft, deme es aufgetragen wird, und die Absicht dabei nicht wenigstens mittelbar auf den Nutzen des Auftragenden oder eines Dritten gerichtet ist, so ist es nichts Anderes, als eine Anempfehlung oder ein Rath.

[3, 16] §. 8. In allen vorgedachten Fällen, wenn das aufgetragene Geschäft ganz oder zum Theile den Nutzen eines Dritten betrifft, wird Derjenige, der einem Andern die Besorgung dieses Geschäftes aufgetragen hat, sowohl dem Dritten, wenn das Geschäft nicht getreulich verrichtet worden, für den ihm andurch zugegangenen Schaden, als auch dem Bevollmächtigten zu der ihm wegen des vollzogenen Auftrags gebührenden Entschädigung verbunden.

[3, 16] §. 9. Dahingegen macht eine Anempfehlung oder die Ertheilung eines Raths Niemanden verbindlich, wenn nicht dabei die Grenzen einer Empfehlung oder eines Raths überschritten worden, oder eine vorsetzliche Gefährde und Arglist dabei vorhanden ist. Die Grenzen werden überschritten, wenn Jemand es nicht bei der blosen Anrühmung oder Anrathung bewenden läßt, sondern den Anderen durch allerlei Ueberredungen, fälschliche Eingebungen, und sonstige Zudringlichkeiten wider seinen Willen zu etwas verführet, wie auch, wenn er die Genugthuung für den daraus entstehen mögenden Schaden ausdrücklich verheißen, oder die Gefahr eines üblen Erfolgs auf sich genommen hat.

[3, 16] §. 10. Die Gefährde und Arglist kann bei einer Empfehlung oder bei einem Rathe niemals aus dem Erfolge geschlossen worden (= werden), wenn schon daraus die übelsten Wirkungen entstanden wären, sondern es muß erwiesen werden, daß der Rathgeber entweder den Vorsatz und Willen dem Andern zu schaden gehabt, oder wenigstens einen Umstand gewußt und verschwiegen habe, aus welchem der aus Befolgung des Raths entstandene Schaden wahrscheinlicher Weise vorgesehen werden konnte, als da Jemand einen wissentlich untreuen Menschen dem Andern als einen solchen, deme er sein Gut sicher anvertrauen könne, angerühmet, oder eine Sache mit Verschweigung der dabei vorhandenen und ihm wohlbewußten Gefahr


(461) zu unternehmen angerathen hätte. Einer Gefährde soll es aber auch gleich gehalten werden, wenn Jemand, der sich rühmet, einer Kunst oder Hantierung kundig zu sein, aus Unerfahrenheit einen schädlichen Rath ertheilet.

[3, 16] §. 11. Der Auftrag, seine Geschäfte von Jemanden besorgen zu lassen, kann auch stillschweigend geschehen, wenn Jemand wissentlich und ohne Widerrede seine Geschäfte von einem Andern verrichten läßt; durch bloses Stillschweigen hingegen wird kein solcher Auftrag übernommen, wenn nicht eine wirkliche Zuthat Desjenigen, deme der Auftrag geschehen, hinzutritt, oder wenn er nicht eine zu Besorgung derlei Geschäfte gewidmetes Amt auf sich hat, und dem Auftrage nicht in der Zeit widerspricht.

[3, 16] §. 12. Umsomehr ist es zu Besorgung fremder Geschäfte hinreichend, wenn der Auftrag dazu Jemanden mündlich gemacht wird. Wenn jedoch nachhero der gemachte Auftrag abgelaugnet, oder der Bevollmächtigte beschuldiget würde, die Grenzen der ihm anvertrauten Gewalt überschritten zu haben, so hat sowohl der Bevollmächtigte als Jener, der sich mit demselben in Folge des Auftrags in eine Handlung eingelassen, sich selbst zuzumessen, wenn sie mit dem Beweise der mündlichen Vollmacht nicht aufkommen können.

[3, 16] §. 13. Eine schriftliche Vollmacht soll nicht anders giltig sein, als wenn sie den Namen Desjenigen, der die Vollmacht ausstellet, den Namen des Bevollmächtigten, das Geschäft, dessen Verrichtung aufgetragen wird, und entweder die Vorschrift, auf welche Art das aufgetragene Geschäft vollzogen werden solle, oder bei deren Ermangelung den ausdrücklichen Beisatz der versicherten Begnehmigung alles dessen, was der Bevollmächtigte thun würde, dann das Jahr und den Tag der Ausstellung deutlich enthält.

[3, 16] §. 14. Wenn eine Vollmacht zu Betreibung einer Rechtsstrittigkeit ausgestellet worden, so ist der in Unserer Gerichtsordnung desfalls enthaltenen Anordnung nachzugehen. Wenn aber eine Vollmacht die Besorgung solcher Geschäfte betrifft, welche die Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher erfodern, und in Betreff dieser Geschäfte eine von dem Bevollmächtigten gefertigte Urkunde zur Einverleibung gelangen soll, so muß die Vollmacht nebst deme, was Wir in §. 13 festgesetzet haben, auch noch mit den zur Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher nothwendigen Erfodernissen versehen sein, und sammt der Urkunde zugleich einverleibet werden; wenn jedoch einem Bevollmächtigten mehrere zur Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher gerichtete Geschäfte aufgetragen werden, so stehet ihm frei, diese Vollmacht zum voraus einverleiben zu lassen, und alsdann gilt diese Einverleibung für alle Geschäfte, worauf die Vollmacht sich erstrecket.

[3, 16] §. 15. Wäre aber der Aussteller einer solchen Vollmacht zur Zeit der Ausstellung außer jenem Lande befindlich, in welchem die Einverleibung einer von seinem Bevollmächtigten gefertigten Urkunde vorgenommen werden solle, so muß die Vollmacht noch außer deme mit dem Zeugnisse desjenigen Gerichts, unter welchem derselbe sich zur Zeit der Ausstellung aufhält, beglaubiget sein.

[3, 16] §. 16. Eine allgemeine Vollmacht erstrecket sich auf alle Geschäfte, die den Aussteller angehen; doch sind Schankungen, Veräußerungen, Vergleiche, Einschuldungen, Erlassungen oder Abtretungen einer Schuld, und überhaupt alle Handlungen, so eine Verminderung des Vermögens nach sich ziehen, unter einer allgemeinen Vollmacht niemals begriffen, sondern sie erfodern entweder eine besondere Vollmacht, oder den ausdrücklichen Zusatz, daß der Bevollmächtigte freie Macht und Gewalt haben solle, mit dem Vermögen dessen, der die Vollmacht ausgestellet hat, nach eigenem Gutbefinden zu schalten und zu walten.

[3, 16] §. 17. Unter einer gegebenen Vollmacht wird jedoch allezeit Dasjenige verstanden, ohne welches der Auftrag nicht vollzogen werden kann, und wer zu Verkaufung einer Sache oder zu Eintreibung einer Schuld bevollmächtiget ist, der


(462) kann auch das Kaufgeld einnehmen, oder die Schuld erheben, und darüber eine Quittung ausstellen, obgleich dasselbe in der Vollmacht nicht mit ausgedrücket wäre.

[3, 16] §. 18. Wenn es dem Bevollmächtigten nicht besonders untersaget worden, so hat er die Macht, anstatt seiner einen Afterbestellten zu ernennen, und die ihm aufgetragenen Geschäfte durch denselben verrichten zu lassen, und wenn ihm die Befugniß, einen Afterbestellten zu ernennen, in der Vollmacht ausdrücklich eingeraumet worden, so hat er, wofern er sich in der Afterbestellung nichts zu Schulden kommen lassen, für die Handlungen des Afterbestellten nicht zu haften.

[3, 16] §. 19. Wenn ihm hingegen diese Befugniß nicht ausdrücklich in der Vollmacht eingestanden worden, oder wenn er in der Afterbestellung die Grenzen seiner Vollmacht oder auch der ihm zu der Benennung eines Afterbestellten gegebenen Befugniß überschritten, oder wenn er einen solchen Menschen bestellet, dessen Untreu, Nachlässigkeit, Unerfahrenheit in dem aufgetragenen Geschäfte, oder Unfähigkeit, dasselbe zu verrichten, offenbar ist, oder wenn sonst seinerseits eine Gefährde oder Schuld dabei unterwaltet, so bleibet er in der Verbindlichkeit gegen deme, daß er sich an dem Afterbestellten wiederum erholen mag, für dessen Handlungen Rede und Antwort zu geben.

[3, 16] §. 20. Bei einer auf die Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher gerichteten Vollmacht hat der Bevollmächtigte die Macht, einen Afterbestellten zu ernennen, sonst nicht, als wenn sie ihm in der Vollmacht deutlich eingestanden worden, und alsdann ist bei dieser Afterbestellung, wenn es auf die Einverleibung einiger von dem Afterbestellten gefertigten Urkunden ankömmt, alles jenes zu beobachten, was Wir wegen der ersten Vollmacht im §. 14 und 15 geordnet haben.

[3, 16] §. 21. Wer den Auftrag zur Verrichtung fremder Geschäfte übernommen, und denselben nicht nach Maß der §§. 41, 42 wieder aufgesaget hat, der ist schuldig, die aufgetragenen Geschäfte mit aller Treu und Redlichkeit zu besorgen, dabei allen erforderlichen Fleiß anzuwenden, Schaden und Nachtheil zu verhüten, und sich der ihm gegebenen Vollmacht in Allem gemäß zu verhalten, auch wenn es die Beschaffenheit der aufgetragenen Geschäfte erfodert, über das ihm anvertraute Gut ordentliche Rechnung zu führen, und selbe auf jedesmaliges Verlangen zu erlegen.

[3, 16] §. 22. Wenn die gegebene Vollmacht eine gewisse Vorschrift enthält, welchergestalten das Geschäft verrichtet werden solle, so wird der Bevollmächtigte durch Ueberschreitung dieser Vorschrift jedesmal verfänglich, wenn daraus Demjenigen, der die Vollmacht gegeben, oder einem Dritten, zu dessen Nutzen die Vollmacht gegeben worden, ein Schaden entstehet, oder ein Nutzen entgehet, oder wenigstens die bei der Vollmacht gehegte Absicht verfehlet wird.

[3, 16] §. 23. Wenn hingegen die Sache so beschaffen ist, daß auch bei genauer Befolgung der gegebenen Vorschrift der Schaden dennoch geschehen, der Nutzen entgangen, oder die gehegte Absicht verfehlet worden wäre, so wird der Bevollmächtigte wegen Ueberschreibung der Vollmacht nicht verfänglich; gleichwie er auch gegentheils alsdann keine Verantwortung auf sich ladet, wenn auf die von ihm vorgenommene Art das Geschäft ebenso gut besorget, und die gehegte Absicht ebenso vollkommen erreichet worden, als wenn er sich der gegebenen Vorschrift gemäß betragen hätte.

[3, 16] §. 24. Umsoweniger kann der Bevollmächtigte einer Ueberschreitung der Vollmacht beschuldiget werden, wenn diese Ueberschreitung zu noch größerem Nutzen Desjenigen, der den Auftrag gemacht, gediehen ist; doch mag die Ueberschreitung der Vollmacht wegen eines noch größeren Nutzens nur alsdann gerechtfertiget werden, wenn nicht aus den damit verknüpften Nebenumständen und unmittelbaren Folgen ein Schaden entstehet. Wenn dahero der Bevollmächtigte die Waaren theurer, als in dem durch die Vollmacht bestimmten Preise verkaufet oder wohlfeiler


(463) als in dem bestimmten Preise erkaufet, und andurch im ersten Falle wegen des vertheuerten Preises die Kaufer abwendig gemacht worden wären, oder im zweiten Falle die Anschaffung der benöthigten Waaren erschweret würde, so muß er für den daraus entstandenen Schaden haften.

[3, 16] §. 25. Wenn es hingegen offenbar vor Augen liegt, daß Demjenigen, der die Vollmacht gegeben, durch Ueberschreitung der in derselben enthaltenen Vorschrift ein entschiedener größerer Nutzen verschaffet werden könne, oder wenn der Bevollmächtigte vernünftiger Weise vorsehen kann, daß die Befolgung der gegebenen Vorschrift wegen eines zur Zeit des gemachten Auftrags unbekannt gewesenen Umstandes zu unfehlbarem Schaden des Geschäfts gereichen würde, so ist er schuldig, die Vorschrift zu überschreiten, und wenn er durch deren genaue Beobachtung zu einem Schaden Anlaß giebt, so ladet er dessen Verantwortung auf sich.

[3, 16] §. 26. Alles, was dem Bevollmächtigten aus Gelegenheit des ihm aufgetragenen Geschäfts zu Handen gekommen, muß er Demjenigen, der ihm die Vollmacht gegeben, getreulich überliefern, und dieses auch alsdann, wenn er schon mit dem ihm anvertrauten Gute außer der Vorschrift des Auftrags, oder auch wider den Inhalt der Vollmacht gehandelt hat. Er ist also nicht befugt, wenn er die zu Erkaufung einer Sache empfangene Summe, bevor sich die Gelegenheit des Kaufs ergeben, auf Zinsen ausgeliehen hat, sich diese Zinsen zuzueignen, und wenn er eine Sache wohlfeiler einkauft oder theurer verkauft, als er selbe einzukaufen oder zu verkaufen bevollmächtiget war, so kann er das Erübrigte oder mehr gelöste Kaufgeld nicht für sich behalten, wenn desfalls nichts Besonderes ausbedungen worden.

[3, 16] §. 27. Wenn der Bevollmächtigte in der Ueberlieferung dessen, was ihm zu Handen gekommen, saumselig ist, oder dasselbe durch seine Schuld nicht überliefern kann, so muß er alle andurch verursachte Schäden und Unkosten ersetzen, und die von der Zeit seines Saumsals gebührende Zinsen entrichten. Würde aber ein Bevollmächtigter das ihm anvertraute Gut unterschlagen, oder eigenmächtig zu seinem Gebrauche verwenden, so muß er nicht nur von dem Tage der Unterschlagung oder der eigenmächtigen Verwendung davon Zinsen zahlen, sondern er soll noch außerdem, wenn in dem richterlichen Urtheile der Veruntreuung ausdrücklich gedacht wird, für ehrlos gehalten werden.

[3, 16] §. 28. Wenn Jemand die Besorgung seiner Geschäfte Mehreren unzertheilter (!) aufgetragen hat, und diese sich zu den aufgetragenen Verrichtungen sammt und sonders anheischig gemacht haben, so muß ein Jeder von ihnen, sie mögen die Verrichtungen unter sich getheilt haben oder nicht, nach Maß Unserer Anordnung im ersten Capitel, §. 45 und den folgenden für den ganzen Betrag des zugefügten Schadens haften; haben sie sich aber nicht ausdrücklich mit gesammter Hand verbunden, so soll es ebenso gehalten werden, wie Wir im fünften Capitel, §. 14, festgesetzet haben.

[3, 16] §. 29. Hat hingegen Derjenige, der seine Geschäfte Mehreren aufgetragen, das, was ein Jeder von ihnen verrichten solle, zwischen ihnen getheilet, so wird Keiner für den Andern verfänglich, und der Ersatz des Schadens muß blos von Jenem geleistet werden, der denselben durch seine Schuld verursachet hat, oder wenn Mehrere an dem Schaden Schuld tragen, von ihnen zu gleichen Theilen; wäre aber in diesem Falle, oder auch in dem letzten Falle des vorigen §. der Schaden durch eine geflissentliche Gefährde mehrerer Bevollmächtigten zugefüget worden, so kann ein Jeder von denen, die an der Gefährde Antheil genommen haben, um den Ersatz des ganzen Schadens belanget werden.

[3, 16] §. 30. Alle Auslagen, so der Bevollmächtigte auf die Besorgung des aufgetragenen Geschäftes verwendet hat, müssen ihm von Demjenigen, der ihm den Auftrag gemacht, ersetzet werden, obschon dieser selbst die Sache mit minderen Unkosten


(464) hätte berichtigen können; wenn jedoch die von dem Bevollmächtigten gemachten Auslagen zum Theile unnöthig, unnütz, oder allzu übermäßig wären, so sollen sie nach richterlichem Befunde auf einen billigen Betrag gemäßiget werden.

[3, 16] §. 31. Wenn auch der Bevollmächtigte die ihm zu kaufen aufgetragene Sache theurer, als der Auftrag lautete, erkaufet, oder sonst die ihm bestimmte Maß des Aufwandes überschritten hat, so mag er wegen dieser Uebermaß sonst keine Schadloshaltung fodern, als wenn Derjenige, der ihm den Auftrag gemacht, die gekaufte Sache wissentlich, und ohne Widerrede angenommen, oder sonst die Ueberschreitung der Vollmacht entweder ausdrücklich oder stillschweigend gutgeheißen hat.

[3, 16] §. 32. Die dem Bevollmächtigten verheißene, oder auch gegebene Vergeltung benimmt ihm die Befugniß nicht, seine gemachte Auslagen zurückzufodern, wenn desfalls nichts Anderes ausgemacht worden. Auch ist derselbe nicht schuldig, mit Zurückfoderung seiner Auslagen bis zur Vollendung des Geschäfts zu warten, wenn der Verzug nicht aus seiner Schuld herrühret, und wenn er diese Auslagen gerichtlich einzutreiben bemüssiget ist, so kann er die von dem Tage der gerichtlichen Belangung davon gebührende Zinsen fodern. In welchen Fällen ihm aber die Zinsen davon von dem Tage der Auslage gebühren, ist aus Unserer im achtzehenten Capitel enthaltenen Anordnung zu entnehmen.

[3, 16] §. 33. Auch müssen dem Bevollmächtigten jene Schäden ersetzet werden, die ihm bei Verrichtung des aufgetragenen Geschäftes, es sei durch die Schuld dessen, der ihm den Auftrag gemacht, oder auch durch einen ungefähren Zufall an seinem Gute widerfahren sind; doch mag derselbe die Vergütung eines zufälligen Schadens sonst nicht fodern, als wenn er seinerseits von aller Schuld frei ist, und der Zufall ihm einzig und allein wegen Besorgung des aufgetragenen Geschäfts widerfahren ist.

[3, 16] §. 34. Auf gleiche Art ist der Bevollmächtigte berechtiget, in jenem Falle, wo er in Folge des übernommenen Auftrags mit einem Andern eine Verbindung eingegangen, oder wo ihm sonst wegen Besorgung des aufgetragenen Geschäftes an seinem Vermögen ein Schaden bevorstehet, Denjenigen, der ihm das Geschäft aufgetragen, zur Uebernehmung dieser Verbindung, und zu seiner Befreiung von dem bevorstehenden Schaden anzugehen.

[3, 16] §. 35. Nicht minder ist dem Bevollmächtigten auch jene Belohnung abzureichen, die ihm entweder zur Vergeltung seiner Bemühung versprochen worden, oder die ihm auch sonst außer einem ausdrücklichen Versprechen, nach Eigenschaft der sich zu Betreibung gewisser Geschäfte widmenden Personen gebühret. Könnten aber in diesem letzten Falle, oder auch in dem ersteren, wenn eine Belohnung nur überhaupt und ohne Bestimmung einer Summe versprochen worden, beide Theile sich über die Gebühr nicht einigen, so soll der Richter nach Beschaffenheit der gehabten Mühe, der Person, des Geschäfts und anderer Umstände selbe ausmessen.

[3, 16] §. 36. Die Schadloshaltung in allen oberwähnten Punkten gebühret dem Bevollmächtigten auch in jenem Falle, wenn schon das übernommene Geschäft ohne seine Schuld nicht zu Ende gebracht worden, oder gar einen widrigen Ausgang gehabt hätte. So hat derselbe auch für keine ungefähren Zufälle zu haften, wenn das ihm anvertraute, oder vermöge des übernommenen Geschäfts zu seinen Handen gediehene Gut ohne seine Schuld zu Grunde gegangen; außer wenn einer von den im ersten Capitel, §§. 80 und 81, berührten Umständen vorhanden ist.

[3, 16] §. 37. Der Bevollmächtigte kann diese ihm zu seiner Schadloshaltung gebührende Rückfoderung entweder als eine besondere Klage, oder wider die Hauptfoderung dessen, der ihm das Geschäft aufgetragen, als eine Einrede anbringen, und ihm stehet zu Erlangung des ihm gebührenden Ersatzes an deme, was er Jenem herauszugeben hat, sowohl das Recht der Innenhaltung, als der Gegenvergeltung zu; doch soll in allen Fällen, wo es auf einen dem einen oder dem


(465) andern Theile aus diesem Contracte gebührenden Ersatz ankommt, eben jene Regel Platz greifen, welche Wir für derlei Foderungen bei dem Leihungscontracte im fünften Capitel, §§. 19 und 28, vorgeschrieben haben.

[3, 16] §. 38. Durch beiderseitige Einwilligung kann der Bevollmächtigungscontract zu allen Zeiten wieder aufgehoben werden, wenn schon der Bevollmächtigte das aufgetragene Geschäft bereits zu verrichten angefangen hat; doch muß in diesem Falle die vollständige Erstattung alles Desjenigen erfolgen, was beide Theile wegen des Contracts einander schuldig worden, und wenn das Recht eines Dritten unterwaltet, so mag derselbe durch diese Widerrufung des dem Bevollmächtigten gemachten Auftrags nicht benachtheiliget werden.

[3, 16] §. 39. Dahingegen kann Jener, der den Auftrag gemacht, für sich allein durch dessen Widerrufung sich nur alsdann von der ihm vermöge dieses Contracts obliegenden Verbindlichkeit entledigen, wenn der Bevollmächtigte das aufgetragene Geschäft noch nicht zu verrichten angefangen, wie auch zu dessen Verrichtung noch keine Unkosten aufgewendet hat; widrigens ist zwar der Bevollmächtigte nach widerrufener Vollmacht nicht befugt, in der Verrichtung des aufgetragenen Geschäfts weiter fortzufahren, allein wegen dessen, was derselbe, bevor die Widerrufung geschehen, oder doch bevor die geschehene Widerrufung ihme kundgemacht worden, in der Sache bereits verrichtet hat, oder verrichten hätte sollen, bleiben beide Theile nach Maß dieses Contracts einander verbindlich, und alles von dem Bevollmächtigten vorhero Vorgenommene hat seine vollkommene Giltigkeit.

[3, 16] §. 40. Wenn bei Schließung des Contracts der Nutzen des Bevollmächtigten mit zu einem vorzüglichen Augenmerke gehabt worden, so kann ihm dieser durch Widerrufung des Auftrags ohne seine Einwilligung nicht entzogen werden. Eine dem Bevollmächtigten für seine Bemühung verheißene Belohnung hingegen hindert die Widerrufung des Auftrags nicht, und in diesem Falle gebühret demselben daran nur so viel, als er bis zu der ihm kundgemachten Widerrufung erweislich verdienet hat.

[3, 16] §. 41. Imgleichen stehet dem Bevollmächtigten frei, den übernommenen Auftrag aufzusagen, so lang Demjenigen, der ihm das Geschäft aufgetragen, nichts daran gelegen ist, ob dasselbe durch diesen oder durch einen Andern verrichtet werde. Wenn er aber den übernommenen Auftrag, ohne eine rechtmäßige Ursache zu haben, zur Unzeit aufsaget und dem Andern andurch ein Schaden zugehet, so muß er denselben ersetzen, und wenn dem Andern daran gelegen ist, so kann er zu Vollziehung des übernommenen Auftrags durch gerichtliche Hilfe verhalten werden.

[3, 16] §. 42. Rechtmäßige Ursachen, wegen welcher ein Bevollmächtigter den übernommenen Auftrag zu allen Zeiten aufsagen kann, sind Krankheit oder Veränderung seines Zustandes, wodurch er zu fernerer Besorgung des aufgetragenen Geschäfts unfähig oder unvermögend wird, eine große, zwischen ihm und Demjenigen, dessen Geschäft ihm aufgetragen worden, ausgebrochene Feindschaft, und überhaupt alle Zufälle, welche, wenn sie bei Schließung des Contracts vorhanden gewesen wären, ihn an Uebernehmung des Auftrags verhindert haben würden. Doch soll der Bevollmächtigte in allen derlei Fällen schuldig sein, Demjenigen, der ihm den Auftrag gemacht, sogleich als er es zu thun im Stande ist, davon Nachricht zu geben, und insolang diesem die Aufsagung nicht zukommt, bleibet er für allen aus Vernachlässigung des Geschäfts entstandenen Schaden, insoweit er denselben abzuwenden vermögend war, verfänglich.

[3, 16] §. 43. Auch erlöschet der Contract durch den Tod Desjenigen, der den Auftrag gemacht hat, wofern derselbe zu einer solchen Zeit stirbt, da das Geschäft noch nicht angefangen worden, und weder der Bevollmächtigte ist weiter schuldig, den Auftrag zu vollziehen, noch auch sind die Erben des Verstorbenen ihm, wenn er nach erhaltener Nachricht von dessen Tode sich in die Verrichtung des Geschäfts


(466) eingelassen, weiter zur Schadloshaltung verbunden, als der ihnen andurch zugegangene Nutzen erwiesen werden mag. Wenn jedoch das aufgetragene Geschäft auch hauptsächlich mit zum Nutzen des Bevollmächtigten gereichet, oder wenn dasselbe von der Beschaffenheit ist, daß es erst nach dem Tode Desjenigen, der dasselbe aufgetragen, vollzogen werden kann, so wird der Contract durch dessen Tod nicht aufgehoben.

[3, 16] §. 44. Ebenso bleibet auch alles Dasjenige sowohl in sich rechtsgiltig, als in Ansehung beider Theile verbindlich, was der Bevollmächtigte vor dem Tode dessen, der ihm die Vollmacht gegeben, oder vor erhaltener Nachricht von dessen Tode an dem aufgetragenen Geschäfte gethan oder zu thun verabsaumet hat. Weiter aber ist er ohne eine neue Vollmacht der Erben nicht befugt, in der Sache etwas vorzunehmen, wenn es nicht mit dem bereits Vorhergegangenen einen so unzertrennlichen Zusammenhang hat, daß entweder aus dessen Unterlassung die Erben selbst verkürzet würden, oder einem Dritten aus der vorhergegangenen Handlung ein Recht zu deren Vollziehung erwachsen wäre.

[3, 16] §. 45. Gleichergestalten höret der Contract durch den Tod des Bevollmächtigten auf, und wenn das Geschäft noch nicht angefangen worden, so sind dessen Erben weder befugt noch schuldig, dasselbe zu verrichten. Ist es aber von dem Verstorbenen bereits angefangen worden, wo währet nicht nur für das, was bereits geschehen ist, oder was hätte geschehen sollen, die beiderseitige Verbindlichkeit fort, sondern die Erben können auch, wenn sie dazu fähig sind, und der Auftrag nicht besonders auf die Kunst und Geschicklichkeit des Verstorbenen gegründet war, zu Vollendung des Geschäfts verhalten werden.

Siebenzehentes Capitel.

Vom Gewährungs- oder Versicherungscontracte.

[3, 17] §. 1. Wenn Jemand sich mit einem Andern vereiniget, daß er die Gefahr, der von demselben, es sei zu Wasser oder zu Lande, versendeten oder zu versenden beschlossenen Waaren ganz oder zum Theile über sich nehmen wolle, und der Andere ihm dafür eine entweder mit dem Werthe der Waaren oder mit der Summe, zu deren Zahlung er sich bei Verunglückung der Waaren anheischig macht, im Verhältnisse stehende gewisse Vergeltung entrichten solle, so ist dieses ein Gewährungs- oder Versicherungscontract.

[3, 17] §. 2. Sind die Waaren bereits versendet worden, so ist der darüber eingegangene Versicherungscontract nur alsdann giltig, wenn zu der Zeit, da der Contract geschlossen wird, das Schicksal der Waaren, ob dieselbe an den Ort ihrer Bestimmung angelanget oder ob sie zu Grunde gegangen seien, annoch ungewiß ist; doch wird nur die Ungewißheit in Ansehung der Contrahenten erfodert, und es ist an deme genug, wenn die Contrahenten von dem Schicksale der versendeten Waaren keine Nachricht haben, obwohl selbe in der That zu dieser Zeit bereits glücklich angelanget oder gegentheils verloren gegangen wären.

[3, 17] §. 3. Wenn hingegen zur Zeit des geschlossenen Versicherungscontracts entweder der Eigenthümer der Waaren von deren Verluste oder der Versicherer von deren glücklichen Anlangung Nachricht gehabt hat, und dessen überführet werden kann, so ist der Contract null und nichtig, und ein Jeder ist befugt, das was er dem Andern in Folge der Versicherung gegeben, wieder zurückzufodern.


(467) [3, 17] §. 4. Die dem Versicherer für die übernommene Gefahr versprochene Vergeltung kann auf einen, entweder nach dem Gebrauche eines jeden Handelsplatzes, oder nach Größe der den Waaren bevorstehenden Gefahr, oder nach eigenem Belieben der Contrahenten ausgemessenen Betrag bestimmet werden. Hätte aber Jemand die Gefahr nicht gegen eine gewisse vorhinein bestimmte Vergeltung, sondern gegen einen Theil des künftigen ungewissen Gewinnes oder gar, ohne sich dagegen eine Vergeltung auszubedingen, übernommen, so ist die Handlung kein Versicherungscontract, sondern ein anderer Vertrag nach Maß der bei Uebernehmung der Gefahr gehegten Absicht.

[3, 17] §. 5. Versicherungscontracte können sowohl mündlich als schriftlich geschlossen werden; doch soll darauf sonst keine Gerichtshilfe ertheilet werden, als wenn darüber eine mit eigenhändiger Unterschrift des Versicherten und des Versicherers versehene und eine Bemerkung der versicherten Waaren, wie auch des für die Versicherung bedungenen Betrags enthaltende Urkunde verfasset worden; außer diesem aber stehet beiden Theilen frei, dem Contracte auch andere ihnen gefällige Nebenverträge, wofern sie nur sonst zulässig sind, beizufügen.

[3, 17] §. 6. Wenn in dieser Urkunde der Namen des Schiffs und des Schiffers, oder des Fährmanns, durch welchen die Waaren versendet werden, des Orts, von wannen sie abgehen und wohin sie gesendet werden, und die Bestimmung des Weges, den der Schiff- oder Fuhrmann zu nehmen hat, ausgedrücket worden, der Versicherte aber die Waaren durch ein anderes Schiff oder mit einem anderen Schiffer oder Fuhrmann abschicket, oder der Ort, von welchem oder wohin selbe geschicket werden sollten, oder auch der vorgeschriebene Weg nicht beobachtet wird, so ist der Versicherer zu nichts verbunden. Wenn hingegen in Ansehung dieser Umstände in der Versicherungsurkunde nichts enthalten ist, so stehet es in des Versicherten Willkür, durch wen, von wannen und wohin er die Waaren absenden wolle; doch verstehet sich in diesem Falle allezeit, daß in der Versicherung die Versendung an eines von jenen Orten gemeinte gewesen sei, wohin der Versicherte seine Waaren sonst abzusenden pflege.

[3, 17] §. 7. Ist eine Zeit bestimmet worden, von welcher die Versicherung anfangen und wie lange selbe dauren solle, so beschränket sich die Verbindlichkeit des Versicherers blos auf diese Zeit und wenn eine gewisse Frist gesetzet worden, binnen welcher die Anzeige des an den versicherten Waaren erlittenen Schadens geschehen solle, so erlöschet die Verbindlichkeit des Versicherers mit dieser Frist. Ist hingegen weder eine noch die andere Zeit ausgedrücket, so erstrecket sich die Versicherung auf die ganze Zeit von Versendung der Waaren bis dahin, daß selbe an dem Orte ihrer Bestimmung angelanget sind und ausgeladen worden; auch wird der Versicherte in Ansehung der Anzeige seines erlittenen Schadens nicht anderst als nach Maß Unserer Gesetze beschränket.

[3, 17] §. 8. Wenn der Versicherer nicht für einige besonders ausgedrückte Unfälle zu stehen gelobet hat, so muß er für alle sich immer ereignen mögende Unfälle haften. Unter diese Unfälle gehöret auch, wenn die Waaren wegen eines von dem Schiffer oder Fuhrmann ohne Theilnehmung des Versicherten mit unerlaubten Waaren getriebenen Schleichhandels, oder wegen Unterlassung der behörigen Verzollung eingezogen worden. Wenn hingegen der Versicherte an dem getriebenen Schleichhandel oder an der unterlassenen Verzollung Antheil gehabt oder sonst zu dem Verluste der Waaren durch seine eigene Schuld Anlaß gegeben, so ist der Versicherer nicht schuldig, für diesen Schaden zu haften.

[3, 17] §. 9. Wenn in der Urkunde keine gewisse Summe oder kein bestimmter Theil der Waaren ausgesetzet ist, worauf die Versicherung sich beschränken solle, so muß der Versicherer den ganzen Werth der verlorenen Waaren ersetzen. Wenn jedoch wegen des Werths der versicherten Waaren ein Zweifel entstehet, und der Eigenthümer selbe in einem geschätzten Preise anzuschlagen verabsäumet hat, so liegt


(468) ihm ob, deren wahren Werth nach dem im Orte der Ladung gängigen Preise zu erweisen.

[3, 17] §. 10. Sobald der Versicherungscontract geschlossen ist, so gebühret dem Versicherer alsofort und ohne Rücksicht, ob sich an den versicherten Waaren ein Unfall ergeben werde oder nicht, die bedungene Vergeltung, und wenn zu deren Zahlung in der getroffenen Abrede keine längere Frist eingestanden worden, so kann sie von dem Versicherer alsogleich gefodert werden.

[3, 17] §. 11. Dahingegen bestehet die Schuldigkeit des Versicherers darin, daß er auf den Fall, da die versicherten Waaren durch einen Zufall zu Grunde gehen, entweder die versprochene Summe oder den Werth der Waaren zahle; insolange also der Eigenthümer der versicherten Waaren von einem denselben begegneten Unfalle keine zuverlässige Nachricht erhalten hat, kann er an den Versicherer keine Foderung stellen. Wenn jedoch während dieser Ungewißheit das Vermögen des Versicherers in Abnahme geriethe, so ist der Versicherte befugt, an demselben seine Sicherstellung zu suchen.

[3, 17] §. 12. Wenn der den versicherten Waaren widerfahrene Unfall von dem Versicherten zwar erwiesen, von dem Versicherer aber wegen der Vollständigkeit dieses Beweises noch ein Zweifel erreget, und um von der wahren Beschaffenheit der Sache genaue Nachricht einzuziehen, die Verstattung eines hinlänglichen Zeitraumes erbeten wird, so soll ihm derselbe nach richterlichem Befunde verstattet werden.

[3, 17] §. 13. Wofern es sich aber dennoch ergäbe, daß der Versicherer die versicherte Summe oder den Werth der für verloren angegebenen Waare bezahlet hätte, und der Versicherte nachhero von dem, wofür er bereits die Entschädigung erhalten, wieder etwas zu Handen brächte, so ist er schuldig, dem Versicherer so vieles als ihm zugekommen von deme, was er von ihm empfangen, zurückzugeben.

[3, 17] §. 14. Wenn durch beider Theile Einwilligung von dem Versicherungscontracte wieder abgegangen wird, so höret die beiderseitige Verbindlichkeit auf, und wenn der Versicherer die für die übernommene Gefahr bedungene Vergeltung bereits empfangen hat, so muß er selbe zurückgeben. Dahingegen, wenn in den Fällen, so Wir in §§. 6, 7 und 8 berühret haben, der Versicherer durch ein contractwidriges Benehmen des Versicherten seiner Verbindlichkeit entlediget wird, so gewinnt er die vermöge des Contracts bedungene Vergeltung, und er behält selbe umsomehr, wenn die Zeit, auf welche die Versicherung gelautet, verflossen ist, oder wenn die Waaren an dem Orte ihrer Bestimmung angelanget und ausgeladen worden, obwohl sie nachhero zu Grunde gegangen wären.

[3, 17] §. 15. Wenn die Waaren zu Grunde gehen, bevor sie in das Schiff oder auf den Wagen geladen werden, so hat der Versicherer den Schaden nicht zu tragen, und soll in diesem Falle, gleichwie auch sonst jedesmal, wenn die vorgehabte Versendung der Waaren wegen eines anderen ohngefähren Zufalls unterbleibet, der Contract für gänzlich aufgehoben gehalten werden, folglich der Versicherer die verheißene Vergeltung weder einzufodern, noch, wenn er sie bereits empfangen, zu behalten befugt sein, wenn nicht ein Anderes verabredet worden. Würden hingegen die versicherten Waaren aus Schuld des Versicherten, oder aus dessen bloser Willkür nicht versendet, so gewinnet der Versicherer die für die Versicherung bedungene Vergeltung, wenn der Versicherte sich deren Zurückstellung bei unterlassener Versendung der Waaren nicht ausdrücklich vorbehalten hat.

[3, 17] §. 16. Wir wollen jedoch überhaupt festgesetzet haben, daß in jenen Orten, wo von Uns besondere Handlungsgesetze und Ordnungen vorgeschrieben sind, auch bei Versicherungscontracten sich in Allem nach denselben geachtet werden solle.


(469) Achtzehentes Capitel.

Von den aus Contracten herrührenden Nebengebührnissen.

[3, 18] §. 1. Wer einen Contract eingegangen ist, der ist nebst deme, wozu er sich durch den Contract hauptsächlich anheischig gemacht hat, auch noch schuldig, allen aus diesem Contracte entspringenden Nebengebührnissen ein Genügen zu leisten, und dieses nicht nur alsdann, wenn er sich zu Entrichtung dieser Nebengebührnisse ausdrücklich verbunden hat, sondern auch jedesmal, wenn es die Regeln der natürlichen Billigkeit, daß Niemand aus Schuld des Andern verkürzet und hinwiederum auch Niemand mit Schaden des Andern bereichert werden müsse, so erfodern.

[3, 18] §. 2. Unter die Nebengebührnisse gehören erstens die von einer Sache abgefallene Nutzungen, und diese müssen sammt der Sache erstattet werden, nicht nur, wenn Jemand die Sache wegen eines ihme an derselben zustehenden Rechts durch die aus diesem Rechte herfließende Rechtsfoderung zurückbegehret, wovon Wir im zweiten Theile bereits geordnet haben, sondern auch, wenn die vermöge eines Contracts oder sonstigen Vertrags zu geben oder zurückzustellen bedungene Sache in Folge dieser eingegangenen Verbindlichkeit gefodert wird; doch sollen in allen diesen Fällen folgende Regeln beobachtet werden.

[3, 18] §. 3. Vorzüglich ist darauf zu sehen, ob die Contrahenten sich in Betreff der Nutzungen durch einen besonderen Vertrag verglichen haben, und wo ein solcher Vertrag vorhanden ist, da soll derselbe ohne alle Rücksicht auf die nachfolgenden Regeln die einzige Richtschnur abgeben.

[3, 18] §. 4. Wenn in Ansehung der Nutzungen nichts verglichen worden, Demjenigen aber, der die Sache aus dem Contracte zurückfodert, das Eigenthum dieser Sache ganz oder zum Theile zustehet, so gebühren demselben vermöge dieses Eigenthums ebenfalls alle von dieser Sache abgefallene Nutzungen ganz oder zum Theile, außer bei jenen Contracten, deren Wesenheit darinnen beruhet, daß dem einen Contrahenten von der dem Andern eigenthümlich zugehörigen Sache durch eine bestimmte Zeit die Nutzungen überlassen werden.

[3, 18] §. 5. Wenn das Eigenthum der Sache Demjenigen, der selbe aus dem Contracte zurückfodert, nicht gehöret, so ist bei Erstattung der Nutzungen auf die Natur der Handlung zu sehen, wie Wir bei einer jeden Handlung besonders bemerket haben, und wenn die Nutzungen Demjenigen, der die Sache fodert, auch nach der Natur der Handlung nicht gebühren, so kann er auf selbe keinen Anspruch machen, außer für jene Zeit, da der andere Contrahent in Entrichtung der schuldigen Sache saumselig gewesen ist, wie Wir darüber im §. 16 und den folgenden mit Mehreren ordnen werden.

[3, 18] §. 6. Und obwohl auch der saumselige Contrahent eine hinlängliche Entschuldigung seines Saumsals beibringen könnte, so mag er doch andurch von der Verbindlichkeit, die Nutzungen von jener Zeit zu entrichten, da er die Hauptsache hätte erstatten sollen, nicht befreiet werden. Wenn jedoch der andere Contrahent die Hauptsache allein angenommen hat, ohne sich das ihm zu Erstattung der Nutzungen gebührende Recht vorzubehalten, so soll er nicht mehr befugt sein, selbe, in so ferne sie blos wegen Saumsals gebühren, anzuverlangen.

[3, 18] §. 7. Dahingegen, wenn die Nutzungen einem Contrahenten entweder aus einem darüber eingegangenen besonderen Vertrage, oder aus dem Rechte des Eigenthums, oder nach der Natur der Handlung gebühren, so ist derselbe, wenn er schon die Hauptsache ohne Vorbehalt angenommen hat, noch allezeit berechtiget, die Nutzungen besonders anzubegehren; es wäre dann, daß er wegen der Hauptsache


(470) eine gerichtliche Klage anzustrengen bemüssiget gewesen wäre, und darinnen nebst der Hauptsache auch zugleich die Nutzungen anzufodern unterlassen hätte. In diesem Falle soll derselbe nach entschiedener Hauptsache mit einer besonderen Anfoderung der Nutzungen, sie mögen aus was immer für einer Ursache gebühren, nicht mehr gehöret werden.

[3, 18] §. 8. Wer zu Entrichtung der Nutzungen verbunden ist, der muß alle sowohl noch hangende als bereits eingehobene Nutzungen erstatten, und wenn er selbe ganz oder zum Theile verthan hätte, so muß er nach der im zweiten Theile, zweiten Capitel, §. 20, enthaltenen Ausmessung deren Werth ersetzen. Was jedoch jene Nutzungen betrifft, die von der Sache hätten eingehoben werden können, die aber von Demjenigen, der selbe zu erstatten hat, einzuheben unterlassen worden, so wird er zu deren Ersatze ebenfalls jedesmal verbunden, wenn er deren Einhebung durch eine solche Schuld vernachlässiget hat, die ihn nach der im ersten Capitel, §. 75, festgesetzten Regel verfänglich macht.

[3, 18] §. 9. Ferner gehören unter die Nebengebührnisse diejenigen Zuwächse, die einer Sache durch eine äußerliche Ursache zugegangen sind. Rühren diese blos von der Natur her, so sind in Ansehung derselben eben jene Regeln zu befolgen, welche Wir in §§. 3, 4, 5 in Betreff der Nutzungen vorgeschrieben haben. Wenn hingegen die Zuwächse durch die Zuthat Desjenigen, der die Sache zurückstellen muß, entstanden sind, und von der Hauptsache ohne derselben Beschädigung wieder abgesöndert werden können, so bleiben sie Demjenigen, von deme sie herrühren; wenn sie aber nicht abgesöndert werden können, so ist dabei die im zweiten Theile, vierten Capitel, enthaltene Ausmessung zu beobachten.

[3, 18] §. 10. Drittens sind unter die Nebengebührnisse die Interessen oder jene Zinsen zu rechnen, welche in dem Falle, wo Jemand zu Zahlung einer Summe Gelds oder anderer in Handel und Wandel nach der Zahl, Maß und Gewicht zu schätzen gewöhnlichen Sachen verbunden ist, von dem Schuldner dem Glaubiger, als eine für den Gebrauch dieser Sachen schuldige und mit denselben im Verhältnisse stehende bestimmte Gebühr in Sachen eben dieser Art und Gattung abgereichet werden.

[3, 18] §. 11. Zinsen oder Interessen gebühren niemals als aus nachfolgenden Ursachen. Erstens, wenn sie durch einen darüber eingegangenen Vertrag insbesondere ausbedungen worden; der Verzinsungsvertrag möge aber entweder gleich bei der Hauptverbindung eingegangen, oder sonst hernach durch einen solchen Vertrag aus einer unverzinslichen Schuld ein verzinsliches Capital gemacht worden sein, so ist er allezeit giltig und bündig.

[3, 18] §. 12. Die Verzinsungsschuldigkeit kann auch durch einen stillschweigenden Vertrag eingeführet werden, und wenn schon ein Glaubiger mit dem Beweise eines ausdrücklichen Vertrages nicht aufkommen könnte, doch aber darzuthun vermag, daß ihm sein Schuldner von der schuldigen Hauptsumme wenigstens dreimal und in drei auf einander folgenden Fristen freiwillig und ohne Vorbehalt Zinsen gezahlet habe, so soll daraus die Vermuthung entstehen, daß die Zinsen durch einen ausdrücklichen Vertrag ausbedungen worden seien.

[3, 18] §. 13. Wenn aber die Interessen nur ein- oder zweimal gezahlet worden, oder wenn zwar diese Zahlung öfters geschehen, der Schuldner jedoch erweisen kann, daß die Hauptschuld ungiltig oder bereits erloschen gewesen sei, oder daß er durch Arglist des Glaubigers zu Bezahlung der Interessen verleitet worden, so ziehet diese geschehene Zahlung der Interessen nicht nur für das Zukünftige keine Verbindlichkeit nach sich, sondern der Schuldner ist auch befugt, das ungebührlich Bezahlte wieder zurückzufodern, und um so weniger kann eine auch durch die längste Zeit aus Irrthum geschehene Verzinsung Jemanden für das Zukünftige verfänglich machen, wenn sich nachhero zeiget, daß gar keine Hauptverbindung jemals vorhergegangen sei.


(471) [3, 18] §. 14. Gleichwie Wir von dem Falle, wo vorhero keine Interessen bedungen worden, im §. 12 geordnet haben, so soll auch in jenem Falle, wo zwar Interessen, doch in einem niederen Betrage bedungen worden, der Schuldner aber durch drei aufeinander folgende Fristen freiwillig und ohne Vorbehalt höhere Interessen gezahlet hat, dafür gehalten werden, daß die vorige Verzinsungsschuldigkeit erneuert, und auf einen höheren Betrag bestimmet worden sei. Der Schuldner soll dahero die bereits bezahlten höheren Interessen, insoferne selbe jedoch die erlaubte Maß nicht übersteigen, auch für das Zukünftige zu zahlen schuldig sein, ohne dawider mit einem Gegenbeweise gehöret zu werden, wenn er nicht einen von den im vorigen §. berührten Umständen erproben kann.

[3, 18] §. 15. Im entgegengesetzten Falle soll aber auch von Seite des Glaubigers eine stillschweigende Nachlassung der bedungenen höheren Interessen für das Zukünftige vermuthet werden, wenn derselbe sich in drei nacheinander folgenden Fristen mit minderen Interessen begnüget hat, ohne sich das Uebrige vorzubehalten, oder in den Quittungen anzumerken, daß die Zahlung auf Abschlag geschehen sei; außer er wäre zu Ausstellung dieser Quittungen durch des Schuldners Gefährde verleitet worden.

[3, 18] §. 16. Wenn auch von der schuldigen Hauptsumme keine Interessen bedungen worden, so wird der Schuldner dennoch zweitens zu deren Entrichtung jedesmal verbunden, wenn er in Abstattung der Hauptschuld saumselig ist, nämlich wenn er die Zahlung der Schuld zum Nachtheile des Glaubigers unbilliger Weise verzögert; von welcher Zeit aber ein Schuldner für saumselig zu halten sei, ist nach folgendem Unterschiede zu entscheiden.

[3, 18] §. 17. In jenen Fällen, wo zu Entrichtung einer schuldigen Summe keine gewissen Zeit bestimmet ist, mag der Schuldner nicht eher für saumselig gehalten werden, als wenn der Glaubiger ihn um die Zahlung der schuldigen Summe angegangen, und er nach dieser Einfoderung selbe nicht alsofort zahlet. Wir wollen jedoch allhier unter der Einfoderung des Glaubigers nicht eine jede, auch außergerichtliche Einmahnung der Schuld, sondern blos die gerichtliche Belangung des Schuldners verstanden haben, und soll derselbe, wenn er die wider ihn angebrachte Foderung nicht durch eine rechtsbeständige Einwendung abzulehnen vermag, von dem Tage der ihm zugekommenen gerichtlichen Klage die schuldige Summe zu verzinsen verbunden sein.

[3, 18] §. 18. Wenn hingegen bei einer Schuld entweder durch Unsere Gesetze eine Zeitfrist ausgemessen ist, binnen welcher deren Entrichtung geschehen solle, oder wenn die Contrahenten in der vorgewesenen Handlung ausdrücklich oder stillschweigend einen gewissen Tag zur Zahlung bestimmet haben, oder wenn der Richter in dem Urtheile eine bestimmte Frist zur Genugthuung des Glaubigers anberaumet hat, so wird der Schuldner nach Verfließung der festgesetzten Frist, alsofort und ohne alle Einmahnung des Glaubigers in Verzug gesetzet, und muß von diesem Tage an von der Summe, welche er hätte zahlen sollen, Zinsen entrichten.

[3, 18] §. 19. Stillschweigend wird der Zahlungstag von den Contrahenten in allen jenen Handlungen dazu gesetzt, wenn Jemand dem Andern etwas zu dem Ende giebt, daß dieser binnen einer gewissen Zeit ein Werk verfertigen oder eine That verrichten solle, und wenn in derlei Fällen das bedungene Werk, oder die That in der bestimmten Zeit nicht vollbracht wird, so ist es ebenso anzusehen, als ob nach deren Verlaufe Derjenige, der etwas aus dieser Ursache empfangen, zu dessen Zurückzahlung alsogleich und ausdrücklich verbunden worden wäre.

[3, 18] §. 20. Dahingegen wird der Schuldner weder in dem Falle, wo die Handlung unter einer Bedingniß geschlossen worden, durch den alleinigen Erfolg der Bedingniß, noch auch allda, wo der eingegangene Vertrag auf eine beiderseitige Verbindlichkeit abzielet, durch die von der andern Seite geschehene Erfüllung dieser


(472) Verbindlichkeit alsofort in Verzug gesetzet; sondern wenn nicht schon zum voraus auf den Fall der erfolgenden Bedingniß, oder des erfüllten Contracts wegen der Zahlungszeit etwas Gewisses vorgesehen worden, oder wenn nicht die natürliche Billigkeit die Verzinsung fodert, so hat es bei der in §. 17 festgesetzten Regel sein Bewenden.

[3, 18] §. 21. Der Verzug des Schuldners schadet auch seinen Erben; ebenso schadet auch der Verzug des Hauptschuldners dem Bürgen, wenn er sich nicht durch ein ausdrückliches Beding dagegen verwahret hat. Der Verzug eines Mitschuldners hingegen schadet dem andern mit ungeschiedener Hand verbundenen Mitschuldner nur alsdann, wenn der Verzug aus der Beschaffenheit der Schuld selbst herrühret, nemlich in den Fällen, wovon Wir in §. 18 gehandelt haben; nicht auch, wenn der Verzug blos aus der Einfoderung des Glaubigers entstehet.

[3, 18] §. 22. Wenn ein Schuldner dem Glaubiger die Zahlung auf behörige Art angeboten hat, obwohlen selbe von dem Glaubiger nicht angenommen worden, so ist der Schuldner in keinem Verzuge. Wenn aber auch ein Schuldner bereits saumselig gewesen ist, so wird doch der Verzug andurch erlassen, wenn hernach der Glaubiger dem Schuldner weitere Zahlungsfristen verstattet, oder die vorige Verbindlichkeit erneuert; nicht minder reiniget sich der Schuldner auch alsdann von dem Verzuge, wenn er dem Glaubiger die demselben bis dahin unbilliger Weise vorenthaltene Zahlung hernach behörig anbietet. In allen diesen Fällen jedoch wird der Schuldner blos von den künftigen, wegen seines Saumsals zu zahlenden Zinsen befreiet, nicht auch von jenen, welche bis dahin bereits verfallen waren.

[3, 18] §. 23. Wenn hingegen diejenige Summe, welche Jemand seinem Glaubiger schuldig ist, von einem Dritten mit gerichtlichem Verbote beleget wird, so wird andurch weder der Verzug entschuldiget, noch auch der fernere Lauf der Interessen, sie mögen aus einem Bedinge, oder wegen eines vorherigen Verzugs gebühret haben, eingestellet, wenn nicht der Schuldner die Schuld gerichtlich erleget; wo aber vor dem gerichtlichen Verbote keine Interessen gebühret haben, da können auch hernach wegen Verzugs keine zu laufen anfangen.

[3, 18] §. 24. Drittens gebühren aus natürlicher Billigkeit in allen jenen Fällen Interessen, wenn Jemand fremdes Geld oder Gut ohne Einwilligung des Eigenthümers zu seinem Gebrauche verwendet, oder durch seine Gefährde oder Schuld verursachet, daß der Eigenthümer der davon zu beziehen gehabten Interessen beraubet wird; gleichwie auch gegentheils der Eigenthümer eine Sache alsdann zu Interessen verbunden wird, wenn Jemand mit Verwendung seines eigenen Guts ihm an dieser Sache einen Schaden verhütet oder einen Nutzen verschaffet hat, wie Wir von dergleichen Fällen an mehreren Orten dieses Unseres Gesatzbuchs besonders anordnen.

[3, 18] §. 25. Gleichwie Wir im vierten Capitel in Ansehung der von einem Darlehen bedungenen Interessen geordnet, so wollen Wir auch in allen übrigen Contracten unter eben den im vierten Capitel ausgemessenen Strafen die bedungenen Interessen hiemit für allgemein auf Sechs von Hundert bestimmet haben. Die aus Verzuge oder wegen vorwaltender natürlicher Billigkeit gebührenden Interessen aber messen Wir aus auf Fünf von Hundert, und es soll keinem Richter erlaubet sein, wegen dieser Ursachen höhere Interessen zuzusprechen; wenn jedoch schon vorhero entweder höhere oder niedrigere Interessen bedungen worden wären, so soll es auch bei hinzutretenden Verzuge oder einer sonstigen Ursache bei denselben sein Verbleiben haben.

[3, 18] §. 26. Die Interessen können entweder mit dem Capitale in einer Rechtsfoderung eingeklaget, oder auch besonders gefodert werden, wenn der Glaubiger die Zurückzahlung des Capitals zu dieser Zeit nicht anbegehren will oder nicht kann. In diesem letzteren Falle, wenn wegen Zahlung der Interessen keine besondere Zeit bestimmet worden, so gebühren sie am Ende einer jeden Frist, nach welcher


(473) sie ausgemessen worden, und wenn nur überhaupt jährliche Interessen bedungen sind, so können sie nach Verlaufe eines jeden Jahres gefodert werden; niemals aber ist es nach Maß Unserer Anordnung im vierten Capitel, §. 40, erlaubt, die Interessen von dem Capitale vorhinein abzuziehen, oder deren Zahlung bei dem Anfange einer Frist zu bedingen.

[3, 18] §. 27. Die Interessen gebühren immerfort, so lang die Hauptsumme, von welcher sie gebühren, nicht bezahlt ist. Wofern aber ein Glaubiger in deren Eintreibung saumselig wäre, und selbe bei dem Schuldner dermaßen anwachsen ließe, daß sie mehr als die Summe des Capitals ausmachten, ohne daß er unter der Zeit, oder doch wenigstens in dem letzten Jahre, bevor die ausständigen Zinsen die Summe des Capitals erreichen, den Schuldner um deren Entrichtung gerichtlich belanget, oder wenn er den Schuldner zwar belanget, doch diese gerichtliche Betreibung nicht ununterbrochen fortgesetzt hätte, so soll derselbe an vertagten Interessen keine größere Summe, als welche dem Betrage des Capitals gleichkommt, einzufodern berechtiget, noch auch der Richter, die Interessen mögen aus einem eingegangenen Vertrage, wegen Verzugs, oder aus Billigkeit gebühren, etwas Mehreres zuzusprechen befugt sein.

[3, 18] §. 28. Von den rückständigen Interessen, aus welcher Ursache sie auch immer gebühren, und wie hoch sie auch immer angewachsen seien, können niemals Interessen gefodert werden, und dieses auch alsdann, wenn schon der Glaubiger wegen verzögerter Zahlung der Interessen zu Bestreitung seiner Bedürfnisse anderstwo ein Darlehen aufzunehmen und davon Interessen zu zahlen bemüssiget worden, oder wenn schon der Glaubiger die Schuldfoderung sammt den rückständigen Interessen an Jemanden abgetreten, und dabei die ausstehenden Interessen in das Capital mit eingerechnet hätte.

[3, 18] §. 29. Nur in dem alleinigen Falle soll es erlaubet sein, von den Interessen wieder Interessen zu bedingen und anzunehmen, wenn die Interessen wenigstens von zwei Jahren verfallen sind, und der Glaubiger und der Schuldner mit beiderseitiger Einwilligung sich ordentlich mit einander berechnen, sodann die rückständigen Interessen mit dem Capitale in eine Summe zusammenziehen, und über die ganze ausfallende Summe, als über eine neue verzinsliche Schuld, mit Aufhebung der alten eine neue Schuldverschreibung ausstellen.

[3, 18] §. 30. Sobald jedoch die Interessen einmal gezahlet worden, hören sie auf, Interessen zu sein, und dem Glaubiger stehet nichts im Wege, selbe anwiederum, wo er will, als ein verzinsliches Capital anzulegen. Ebenso ist auch einem Bürgen oder Sachwalter, der für den Schuldner aus seinem eigenen Vermögen die Interessen gezahlet hat, ohnverwehret von dem dazu verwendeten Betrage Interessen zu fodern; dahingegen, wenn ein Glaubiger das von dem gemeinschaftlichen Schuldner einem andern Glaubiger bestellte Unterpfand mit Bezahlung des Capitals und der Interessen an sich löset, ist derselbe nicht befugt, von den für den Schuldner bezahlten Interessen wieder Interessen zu fodern.

[3, 18] §. 31. Mit diesen Interessen sind jedoch die aus Zinscontracten schuldigen Zinsen nicht zu vermischen. Diese sind als eine von dem Zinsmanne zu entrichten kommende Hauptgebühr zu betrachten, und wenn derselbe in deren Abführung saumselig ist, so kann der Zinsherr wegen dieses Verzugs allerdings davon Interessen fodern.

[3, 18] §. 32. Die Verbindlichkeit zu Entrichtung der Interessen höret allezeit auf, wenn das Capital, von welchem sie gebühren, es seie durch Erneuerung der Schuld, Zahlung, oder auf eine andere Art getilget worden, und wenn ein Glaubiger die ganze Capitalsumme, ohne sich wegen der rückständigen Interessen zu verwahren, annimmt, auch dem Schuldner entweder die Schuldverschreibung zurückgiebt, oder darüber eine ohnbeschränkte Quittung ausstellet, so sind die von Rückzahlung des


(474) Capitals verfallene Interessen, aus welcher Ursache sie auch gebühret haben, für nachgelassen zu achten.

[3, 18] §. 33. Viertens sind unter die Nebengebührnisse, die auf eine fremde Sache gewendeten Auslagen zu rechnen, und wer aus einem Contracte von einem Andern eine Sache zu fodern berechtiget ist, der ist schuldig, demselben den auf diese Sache gemachten Aufwand zu ersetzen. Hat Jemand zu den von dem Andern auf die ihm gebührende Sache gemachten Auslagen seine Einwilligung gegeben, so muß er ihm dieselben ohne allen Unterschied, von was für einer Gattung der Aufwand sei, vollständig zurückstellen.

[3, 18] §. 34. Wo diese besondere Einwilligung ermangelt, da ist auf die Natur des Contracts, aus welchem die Sache gefodert wird, wie auch auf Dasjenige zu sehen, was die Contrahenten in Ansehung der auf diese Sache verwendeten Auslagen überhaupt verabredet haben. Wer aus der Natur des Contracts bei der dem Andern gebührenden Sache gewisse Auslagen aus dem Seinigen zu bestreiten verbunden ist, der kann selbe nicht mehr zurückfodern, und wenn Jemand durch ein ausdrückliches Beding sich zu einem größeren oder minderen Betrage des Aufwands verpflichtet hat, so ist dessen Ersatz blos nach diesem Bedinge abzumessen.

[3, 18] §. 35. Wenn weder die Natur des Contracts etwas besaget, noch durch ein besonderes Beding in Ansehung des auf die Sache gemachten Aufwands etwas festgesetzet worden, so ist auf die verschiedenen Gattungen der Auslagen zu sehen, und sollen desfalls folgende Regeln beobachtet werden. Jene Auslagen, welche nach dem ordentlichen Wirthschaftstriebe auf die Erzeugung und Einsammlung der Nutzungen gemacht worden, fallen allezeit Demjenigen ganz oder zum Theile zur Last, deme für diese Zeit die Nutzungen ganz oder zum Theile gebühren; unter diese Gattung der Auslagen sind allzeit die von der Sache zu entrichten schuldigen Steuern und Abgaben zu rechnen.

[3, 18] §. 36. Wenn der Inhaber einer Sache selbe nebst den davon eingehobenen Nutzungen dem andern Contrahenten zu übergeben schuldig ist, so kann er die auf die Erzeugung und Einsammlung der Nutzungen gemachte Auslagen auch in jenem Falle zurückfodern, wenn schon die Nutzungen, auf welche die Auslagen verwendet worden, durch einen ungefähren Zufall nicht erzeuget, oder nicht eingehoben worden wären.

[3, 18] §. 37. Unter den auf eine Sache selbst gemachten Auslagen hat Derjenige, deme die Sache aus einem Contracte gebühret, dem Inhaber derselben von Zeit der eingegangenen Verbindlichkeit allen jenen Aufwand zu ersetzen, der zur Erhaltung der Sache nothwendig gewesen; für nothwendige Auslagen aber sind alle jene zu halten, ohne deren Aufwand der Verlust, Untergang oder die Beschädigung der Sache unvermeidlich gewesen sein würde.

[3, 18] §. 38. Die Auslagen mögen zur beharrlichen oder blos zur gegenwärtigen Erhaltung der Sache nothwendig gewesen sein, so soll die erstgedachte Regel sich darauf erstrecken, außer in jenen Fällen, wo dem Inhaber der Sache vermöge des Contracts auf eine bestimmte Zeit deren Gebrauch gebühret; alsdann muß derselbe auch den blos zur gegenwärtigen Erhaltung der Sache nothwendigen Aufwand aus dem Seinigen tragen.

[3, 18] §. 39. Ebenso ist Derjenige, deme die Sache gebühret, zu dem Ersatze jener Auslagen verbunden, welche der Inhaber der Sache zu deren Verbesserung und größerer Nutzbarkeit aufgewendet hat. Zu dieser Gattung der Auslagen gehöret die Aufführung nützlicher Wirthschaftsgebäude, die bessere Einrichtung der Wirthschaft, und alles jenes, wodurch eine Sache verbessert, oder deren Erträgniß vermehret wird. Bei jenem Aufwande, wodurch die Sache für einem künftigen mit Grunde zu beförchten stehenden Schaden verwahret wird, kommt es auf die Beschaffenheit des bevorstehenden Schadens, auf dessen muthmaßliche nahe oder weite


(475) Entfernung, und andere Umstände an, ob er blos für nützlich, oder aber für nothwendig anzusehen sei.

[3, 18] §. 40. Für nützliche Ausgaben sind auch jene zu achten, wodurch Demjenigen, deme die Sache gebühret, ein nicht immerfort, sondern nur auf eine Zeit währender Nutzen zugehet. Wofern aber demselben gar kein Nutzen verbleibet, obwohl dem Inhaber der Sache für die Zeit seiner Inhabung durch den gemachten Aufwand der größte Nutzen zugegangen wäre, so kann er wegen dieses Aufwandes keinen Ersatz anverlangen. Ebensowenig kann der Inhaber der Sache einen Ersatz fodern, wenn er ohne einigen Aufwand aus dem Seinigen zu machen, blos durch seinen Fleiß und Arbeit die Erträgniß der Sache vermehret hat; wenn er jedoch nebst der Sache auch die davon eingegangene Nutzungen zurückzustellen schuldig ist, so ist er befugt, seine angewendete Mühe und Arbeit nach einer billigen Schätzung von den Nutzungen abzuziehen.

[3, 18] §. 41. Wenn Jemanden in dem Contracte ausdrücklich verboten worden, auf die dem andern Theile gebührende Sache einigen Aufwand zu machen, so erstrecket sich dieses Verbot nicht auf die zur Erhaltung der Sache nothwendig gewesenen Auslagen; allein in diesem Falle kann derselbe wegen der zu Verbesserung der Sache gemachten nützlichen Auslagen keine Foderung stellen.

[3, 18] §. 42. Wo es auf den Ersatz des auf einem Grunde gemachten nothwendigen oder nützlichen Aufwands ankommt, da mögen blos jene Ausgaben zurückgefodert werden, die der Inhaber zu Erhaltung oder Verbesserung des Grunds aus seinem eigenen Vermögen verwendet hat; was hingegen von dem Grunde selbst bestritten worden, dieses ist der Inhaber nicht befugt, in Anschlag zu bringen.

[3, 18] §. 43. Jene Auslagen hingegen, welche weder aus Nothwendigkeit, noch zum Nutzen, sondern blos zur Lust, mehrerer Bequemlichkeit oder Auszierung der Sache gemacht wurden, ist Derjenige, deme diese Sache aus einem Contracte gebühret, nicht schuldig zu ersetzen, wenn er sie nicht in der unten im §. 49 vorgeschriebenen Maß ersetzen will. Im Falle er es aber verweigert, so stehet dem Inhaber der Sache frei, alles dieses, insoweit es von der Sache ohne deren Beschädigung abgesöndert werden mag, hinwegzunehmen; doch bleibet derselbe in diesem Falle in der Verbindlichkeit, die Sache wieder in ihren vorigen Stand herzustellen.

[3, 18] §. 44. Die zur Bequemlichkeit oder Auszierung der Sache gemachten Auslagen können auch in gewissen Fällen unter den nützlichen Aufwand gerechnet werden, wenn nämlich eine zum Verkaufe feil gebotene, oder zu vermiethen stehende Sache andurch in einen solchen Werth versetzet worden wäre, daß sie um einen höheren Preis verkaufet, oder um einen größeren Zins vermiethet werden kann.

[3, 18] §. 45. Nothwendige Auslagen sind nicht nach jenem Betrage, der wirklich verwendet worden, sondern in jener Maß zu schätzen, wie viel nach Gestalt der Sache, oder nach dem gemeinen Wirthschaftstriebe, Landesgebrauche oder sonstigen Gewohnheit erfoderlich gewesen, oder wie viel Derjenige, deme die Sache gebühret, selbst aufzuwenden bemüssiget gewesen wäre, oder in den Fällen, wo er die Sache schon vorhero in seinem Besitze gehabt, wie viel derselbe nach Ausweis der vorjährigen Rechnungen wirklich dazu verwendet hat.

[3, 18] §. 46. Gleichergestalten mögen bei Untersuchung der nützlichen Auslagen keine andern zum Ersatze angerechnet werden, als welche unmittelbar zu Verschaffung des abgesehenen Nutzens abgezielet, und zu dessen Erhaltung nothwendig gewesen, und wenn der nemliche Nutzen auch mit minderen Unkosten hätte verschaffet werden können, so kann der Inhaber der Sache wegen der unnöthig aufgewendeten Uebermaß keinen Ersatz fodern.

[3, 18] §. 47. Wenn mit geringen Auslagen ein noch so beträchtlicher Nutzen verschaffet worden, so kann doch in keinem Falle mehr zurückgefodert werden, als was wirklich ausgeleget worden. Wenn hingegen, wie es sich öfters ergiebet, der


(476) gemachte Aufwand mehr beträgt, als der andurch wirklich verschaffte Nutzen, so ist auf den Unterschied zu sehen, ob der Inhaber der Sache durch ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung Desjenigen, deme die Sache gebühret, befugt gewesen seie, bei derselben Verbesserungen vorzunehmen oder nicht. Im ersten Falle, wohin Wir die anvertraute Verwaltung eines fremden, wie auch eines gemeinschaftlichen Guts, Vormundschaften und Curatelen rechnen wollen, soll der Ersatz der nützlichen Auslagen nach dem Betrage des Aufwands geschehen, obwohl der erzeugte Nutzen demselben nicht gleichkommet.

[3, 18] §. 48. Dahingegen mag im letzten Falle, worunter Wir den Pfandcontract, dann alle jene Contracte begreifen, worinnen Jemand die Sache blos zu übergeben schuldig ist, oder wo die Sache Jemanden blos zum Gebrauche oder zur Verwahrung anvertrauet worden, von deme, was aufgewendet worden, keine Frage sein, sondern in Betreff des Pfandcontracts ist Unserer Anordnung im siebenten Capitel, §. 79, nachzugehen. Bei allen übrigen Contracten aber soll der Ersatz ganz allein nach dem Betrage des wirklich verschafften Nutzens und der wesentlichen Verbesserung geleistet werden; doch stehet Demjenigen, der diesen Aufwand gemacht hat, eben das Recht zu, die gemachten Verbesserungen hinwegzunehmen, welches Wir ihme im §. 43 eingeraumet haben.

[3, 18] §. 49. Umsomehr sind lustbringende Auslagen in dem Falle, wenn Derjenige, deme die Sache gebühret, selbe ablösen will, oder wenn derselbe, da sie füglich ohne Beschädigung der Sache davon abgesöndert werden könnten, deren Absönderung und Hinwegnehmung nicht gestatten will, nur nach demjenigen Werthe zu schätzen, was sie nach ihrer Absönderung gelten würden, nicht aber nach dem Betrage des Aufwands, oder nach deme, was sie wirklich gelten, wenn sie bei der Sache verbleiben.

[3, 18] §. 50. Wer Auslagen zurückfodert, der muß selbe beweisen. Nothwendige, wie auch nützliche Auslagen in jenem Falle, wo deren Ersatz nach dem Betrage des Aufwands zu leisten ist, können durch Quittungen und Auszügel, durch Rechnungen von vorigen Jahren, durch Zeugen, und wo der Aufwand noch sichtbar ist, durch Einnehmung des Augenscheines, oder bei Ermanglung eines andern Beweises durch den Eid dessen, der die Auslagen gemacht hat, erwiesen werden; bei allen übrigen Auslagen aber, welche nach dem Betrage des dadurch verschafften Nutzens oder nach deme, was sie werth sind, ersetzet werden müssen, ist eine eidliche Schätzung der Kunst- oder Wirthschaftserfahrenen vorzunehmen.

[3, 18] §. 51. Nebst dem Ersatze der Auslagen können auch in gewissen Fällen, von dem Tage des gemachten Aufwands an, davon Interessen gefodert werden. Dieses Recht stehet dem Inhaber der Sache bei allen jenen Auslagen zu, die er nach Maß des §. 33 mit Einwilligung Desjenigen, deme die Sache gebühret, gemachet hat, ferner auch bei den zu Erhaltung der Sache nothwendigen Auslagen. In Ansehung der nützlichen Auslagen aber ist darauf zu sehen, ob die von dem Inhaber der Sache bezogenen Nutzungen mit der Sache zurückgestellet werden müssen, oder ob sie vermöge des Contracts dem Inhaber verbleiben. Im ersten Falle gebühren ihm von dem gemachten Aufwande Interessen; im letzten Falle kann er deswegen keine Foderung stellen.

[3, 18] §. 52. Wenn der Inhaber der Sache nebst derselben auch die davon eingehobene Nutzungen zurückstellen muß, so ist er berechtiget, seinen gemachten Aufwand von den Nutzungen abzuziehen, und dieses auch alsdann, wenn schon in dem richterlichen Urtheile von diesem Abzuge keine Meldung gemacht worden; wenn aber der Aufwand die eingehobenen Nutzungen übersteiget, oder wenn die Nutzungen bei dem Inhaber verbleiben, so hat er die Macht, die Sache so lang zurückzuhalten, bis er des gemachten Aufwands halber befriediget worden.

[3, 18] §. 53. Wenn jedoch Derjenige, deme die Sache aus dem Contracte gebühret, für den Betrag der Auslagen eine hinlängliche Sicherheit bestellet, oder wenn der


(477) Inhaber der Sache die Vergütung des gemachten Aufwands wider die Foderung des andern Contrahenten einzuwenden unterlassen hat, so soll er nicht befugt sein, demselben die Sache deswegen vorzuenthalten, sondern in diesem Falle, gleichwie auch sonst, wenn er die Sache bereits ausgeantwortet hat, muß er den Ersatz der gehabten Auslagen durch die aus dem Contracte oder Vertrage gebührende Haupt- oder Rückfoderung besonders suchen.

[3, 18] §. 54. Ebenso stehet dem Inhaber der Sache die Befugniß, welche Wir ihme in §§. 43 und 48 gegeben haben, die bei der Sache angebrachten Verbesserungen und Auszierungen hinwegzunehmen, sowohl vor, als nach ausgeantworteter Sache zu. Wenn jedoch die Sache sich noch in seinen Händen befindet, so ist er befugt, alles dieses auch wider Willen Desjenigen, deme die Sache gebühret, hinwegzunehmen, und dieser kann ihn sonst nicht zu dessen Belassung anhalten, als wenn er ihm den ganzen Betrag des gemachten Aufwands vergütet; dahingegen, wenn er die Sache bereits ausgeantwortet hat, kann er nichts als mit der Einwilligung des Eigenthümers hinwegnehmen, und der Eigenthümer, wenn er die Hinwegnehmung verweigert, ist nicht mehr schuldig, als ihm den in §§. 48 und 49 festgesetzten Werth zu entrichten.

[3, 18] §. 55. Die fünfte Gattung der aus einem Contracte schuldigen Nebengebührnissen ist der Ersatz der Jemanden durch Schuld oder Saumsal des andern Contrahenten an seinem Vermögen zugegangenen Schäden, nemlich, wenn er andurch etwas, was ihm zugehörig gewesen, wirklich verloren hat, oder eines Nutzens, den er gemacht haben würde, beraubet worden ist.

[3, 18] §. 56. Wenn die Sache, die Jemanden aus dem Contracte gebühret, ihm aus Schuld des andern Contrahenten nicht mehr gegeben werden kann, oder wenn Derjenige, der sich binnen einer bestimmten Zeit zu einer That verbindlich gemacht, die nach der Zeit unnütz und vergeblich wäre, seine Verbindlichkeit zur gesetzten Zeit nicht erfüllet hat, so kann der andurch erlittene Schaden nach Maß dessen, was Wir darüber bereits in den vorigen Capiteln geordnet haben, anstatt der Hauptgebühr eingeklaget werden. Wenn aber die Sache Jenem, deme sie gebühret, noch gegeben, oder die That noch geleistet werden kann, doch derselbe durch die Beschädigung der Sache, oder durch Verspätung, oder sonstige widrige Art des Vollzugs benachtheiliget worden wäre, so ist er befugt, den Ersatz dieses Schadens als eine Nebengebührniß anzubegehren.

[3, 18] §. 57. Ist die aus dem Contracte gebührende Sache blos aus einer Schuld Desjenigen, der selbe zu geben schuldig war, in Verlust gerathen oder verdorben worden, so ist deren wahrer Werth von dem Kläger durch ordentliche Beweise, und in deren Ermangelung durch den Eid der Wahrheit, wie er die Sache gewissenhaft schätzet, zu erproben. Wo aber eine geflissentliche Gefährde des Beklagten an dem Verluste oder Beschädigung der Sache Ursache wäre, so ist der Kläger zum Eide der willkürlichen Schätzung, so hoch als er selbe nach seiner eigenen Neigung und Anständigkeit gehalten, zuzulassen; doch auch in diesem Falle soll der Richter schuldig sein, wofern er die Schätzung allzu übertrieben befindet, selbe nach der Billigkeit zu mäßigen.

[3, 18] §. 58. Wenn eine solche Sache aus dem Contracte gebühret, und selbe entweder nicht mehr zu haben ist, oder dem Glaubiger wegen der durch die verzögerte Zahlung ihm bevorstehenden Verkürzung die Sache nicht mehr annehmen will, sondern auf Entrichtung des Werthes bestehet, so ist bei Bestimmung des Werthes im ersten Falle darauf zu sehen, was die schuldige Sache an dem Orte, wo sie hätte entrichtet werden sollen, und wenn desfalls nichts verabredet worden, an dem Orte des Contracts zur Verfallzeit gegolten hat; im zweiten Falle aber ist dem Glaubiger der Werth in dem höchsten Preise zuzusprechen, wie selber von der Verfallzeit an, bis zur erfolgten gerichtlichen Ausmessung an dem bestimmten Orte der Entrichtung oder sonst an dem Orte des Contracts gewesen.


(478) [3, 18] §. 59. In allen Fällen, wo von einer Entschädigung die Frage ist, wollen Wir das, was Wir allschon in einigen besonderen Fällen geordnet haben, zur allgemeinen Regel festsetzen, nemlich, daß, wenn die Contrahenten für die Entschädigung sich etwas Gewisses vorhinein ausbedungen haben, dieser Betrag sich außer der Zurückstellung des Empfangenen niemals höher als auf den achten Theil des Werths der schuldigen Sache erstrecken solle; ebenso soll in Ansehung einer schuldigen Summe Gelds niemals unter Strafe des Wuchers eine höhere Entschädigung auszubedingen erlaubt sein, als sechs von Hundert.

[3, 18] §. 60. Wenn jedoch der Werth Desjenigen, was aus dem Contracte gebühret hat, weder an sich bestimmet ist, noch eine verläßliche Schätzung annehmen kann, und die auf den Fall des unerfüllt bleibenden Contracts bedungene Entschädigung allzu übermäßig wäre, so soll der Richter auf Anlangen des beschwerten Theils die Macht haben, selbe nach Erwägung der Umstände auf ein Billiges herabzusetzen.

[3, 18] §. 61. Wenn weder die Contrahenten zu ihrer Entschädigung sich etwas Gewisses ausbedungen, noch auch einer von jenen besonderen Fällen vorhanden ist, worinnen Wir durch Unser Gesetz die Entschädigung auf einen bestimmten Betrag festgesetzet haben, so liegt dem Richter ob, den erlittenen Nachtheil nach Maß des zugegangenen Schadens, und entzogenen Nutzens zu schätzen, anbei aber nicht auf die besondere Zuneigung des einen oder andern Theils, sonder blos auf den gemeinen Werth und Anschlag der Sachen zu sehen.

[3, 18] §. 62. Auf den einem Contrahenten wegen des nicht erfüllten Contracts entgangenen Nutzen mag nur alsdann Rücksicht genommen werden, wenn er einerseits rechtmäßig und gewiß gewesen, anbei nicht von einem Zufalle abgehangen, sondern in der Macht des verkürzten Theils gestanden wäre, andererseits aber unmittelbar aus der zu leisten schuldigen Sache oder That hergerühret hätte. Imgleichen ist bei der Schätzung des erwachsenen Schadens nur jener in Anschlag zu bringen, dessen unmittelbare, und nächste Ursache in dem ohnerfüllt gebliebenen Contracte zu suchen ist.

[3, 18] §. 63. Endlich gehören unter die aus Contracten herrührende Nebengebührnisse auch alle jene Unkosten, welche Jemand, es sei gerichtlich oder außergerichtlich auf die Sicherstellung oder Betreibung seiner Sache aufzuwenden bemüssiget gewesen. In Ansehung der gerichtlichen Unkosten ist die in Unserer Gerichtsordnung enthaltene Vorschrift zu beobachten. Die außergerichtlichen Unkosten aber fallen allezeit jenem Theile zur Last, der durch seine Schuld oder Verzögerung zu deren Aufwande Anlaß gegeben; doch stehet ihm frei, deren richterliche Mäßigung zu begehren.

[3, 18] §. 64. Was jedoch jene Unkosten insbesondere anbetrifft, welche für die Einverleibung eines Contracts oder Vertrags in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher zu entrichten sind, so liegt deren Berichtigung zwar allezeit Demjenigen ob, der die Einverleibung ansuchet; wegen deren Ersetzung aber ist vorzüglich darauf zu sehen, ob die Contrahenten das, was der Eine und der Andere davon tragen solle, vorhinein bedungen haben. Ist dieses bedungen worden, so hat es dabei sein Bewenden, und was ein Contrahent daran über seinen Antheil bezahlet hat, dieses ist ihm der Andere schuldig zu ersetzen.

[3, 18] §. 65. Ist wegen der Einverleibungsunkosten zwischen den Contrahenten nichts bedungen worden, so ist die allgemeine Regel zu beobachten, daß, wenn ein Contrahent ganz allein von dem eingegangenen Contracte den Nutzen genießet, derselbe auch ganz allein die Einverleibungsunkosten zu tragen habe, und wenn schon, wie in Pfandverschreibungen und Bürgschaften, dieser Nebencontract zum Vortheile des einen, der Hauptcontract aber zum Nachtheile des andern Contrahenten gereichet, so ist doch dahier ohne Rücksicht auf den Nebencontract ganz allein darauf zu sehen, zu wessen Nutzen der Hauptcontract gereiche.


(479) [3, 18] §. 66. Wenn die geschlossene Handlung auf beider Contrahenten Nutzen gleich abgesehen ist, so haben beide Contrahenten die Einverleibungsunkosten zu gleichen Theilen zu bestreiten. Bei Gesellschaften und Gemeinschaften der Güter und Erbschaften aber sind diese Unkosten nach Maß des einem Jeden daran gebührenden Antheils zu vertheilen.

[3, 18] §. 67. Alle in diesem Capitel berührte Nebengebührnisse genießen eben jenen Vorzug, welcher der Hauptschuld zukommt, und alle jene Sicherheit, wodurch die Hauptschuld bedecket ist, gereichet auch den Nebengebührnissen zum Vortheile. Nicht minder können alle diese Nebengebührnisse in einer Foderung nach deren verschiedener Gestalt und Beschaffenheit zusammentreffen; nur allein soll es niemals erlaubet sein, von eben derselben Sache zugleich Interessen und Nutzungen anzubegehren.

Neunzehentes Capitel.

Von den bei Contracten vorkommenden Nebenpersonen.

[3, 19] §. 1. Es beruhet in der Willkür der Contrahenten, einen Contract ganz allein durch sich selbst zu schließen, oder sich dabei, es sei vor geschlossenem Contracte, bei dessen Schließung, oder auch nachhero gewisser Mittelspersonen zu gebrauchen.

[3, 19] §. 2. Die vor Schließung eines Contracts gebraucht werdende Nebenpersonen sind jene, welche den Contrahenten zur Erleichterung eines gewissen Geschäfts an die Hand gehen, und durch ihre Vermittlung dessen Schluß befördern; diese werden nach Verschiedenheit der Geschäfte, wobei sie gebraucht werden, Mäkler, Zubringer, Unterkäufer, Sensalen, überhaupt aber Unterhändler genennet.

[3, 19] §. 3. Jene Unterhändler, welche an einigen Orten, und in Ansehung gewisser Geschäfte durch obrigkeitliche Anordnungen aufgestellet werden, müssen alle zu diesem Amte erfoderte Eigenschaften besitzen. Wenn aber die Contrahenten nach ihrer eigenen Willkür einen Unterhändler erwählen, so kann es auch ein solcher sein, der sonst einen Contract einzugehen unfähig ist, oder der von dem Geschäfte, bei welchem er sich gebrauchen läßt, die nöthige Kenntniß nicht hat, und wenn ein Contrahent durch die Wahl eines untüchtigen Unterhändlers zu Schaden kommt, so hat er es sich selbst beizumessen.

[3, 19] §. 4. Doch sollen obrigkeitliche Personen in jene Sachen, welche dereinst für sie zur richterlichen Erkanntniß gelangen könnten, sich aller Unterhandlung enthalten, und wenn ein Richter in einer Sache, worinnen er sich als Unterhändler gebrauchen lassen, hernach sein Amt als Richter handelt, so soll er nach Beschaffenheit der Sache als ein parteiischer Richter bestrafet werden.

[3, 19] §. 5. Unterhändler können in allen erlaubten Handlungen gebraucht werden; welche sich aber zu unerlaubten Handlungen gebrauchen lassen, diese sollen wegen ihrer Unterhandlung nicht nur keinen Gewinn ziehen, sondern auch als Mitgehilfen des Verbrechens bestrafet werden.

[3, 19] §. 6. Ein Unterhändler ist schuldig, das ihm aufgetragene Geschäft mit aller Treu und Ehrlichkeit, und mit dem behörigen Fleiße zu verrichten; widrigens und wofern er durch seine Schuld, Unvorsichtigkeit oder gar arglistiger Weise einem oder dem andern Contrahenten einen Schaden verursachet hätte, muß er denselben ersetzen.


(480) [3, 19] §. 7. Dahingegen gebühret dem Unterhändler, nachdeme das behandelte Geschäft durch seinen Fleiß und Zuthat zu Stande gebracht worden, eine Belohnung; es sei, daß sie ihm ausdrücklich versprochen worden, oder daß die Beschaffenheit seines Amtes oder seiner Hantierung auch ohne ausdrückliche Verheißung die Abreichung einer Belohnung mit sich bringt.

[3, 19] §. 8. Wenn die Handlung weder eine gewisse Summe Gelds, noch eine solche Sache betrifft, die einen bestimmten Werth hat, so soll es bei dem bedungenen Lohne des Unterhändlers sein Bewenden haben, oder wo keiner bedungen worden, und doch nach Beschaffenheit des Unterhändlers ihm eine Belohnung gebühret, soll der Richter selbe nach Gestalt der Handlung und nach Maß der dabei gehabten Mühe ausmessen.

[3, 19] §. 9. Wenn es hingegen um eine gewisse Summe Gelds, oder um Sachen von bestimmtem Werthe zu thun ist, so soll die Belohnung eines Unterhändlers sich nicht über Eines vom Hundert nach Maß der Summe oder des Werths der Sache erstrecken, und ein Unterhändler soll unter Strafe des Wuchers nicht befugt sein, eine größere Belohnung anzunehmen, oder auch sich auszubedingen.

[3, 19] §. 10. Hat jeder Contrahent sich eines besonderen Unterhändlers gebrauchet, so kann zwar ein Jeder derselben sich von Demjenigen, für den er sich gebrauchen lassen, den ganzen Betrag der erst bestimmten Belohnung ausbedingen, oder annehmen; doch soll in jenem Falle, wo ein einziger Unterhändler sich in einem Geschäfte von beiden Contrahenten gebrauchen läßt, Dasjenige, was er von Beiden empfängt, zusammen genommen Eins vom Hundert nicht übersteigen.

[3, 19] §. 11. Ebenso, wenn Einer von den Contrahenten sich zugleich mehrerer Unterhändler gebrauchet hätte, sollen alle zusammen für ihre Belohnung nicht mehr, als Eines vom Hundert zu nehmen befugt sein; doch wollen Wir diese Unsere Anordnung auf Wechsel und Handelssachen nicht erstrecken, sondern in Ansehung derselben sollen Unsere darüber bestehende besondere Satzungen wie vorher auch noch fernerhin beobachtet werden.

[3, 19] §. 12. Wenn ein Unterhändler durch seine Schuld einen oder den andern Contrahenten in Schaden versetzet hat, so soll er außer dem ihm im §. 6 aufgebürdeten Ersatze dieses Schadens auch seiner Belohnung verlustiget werden, oder wenn er sie bereits empfangen, selbe zurückzustellen schuldig sein; dahingegen, wenn eine durch Zuthat des Unterhändlers auf redliche Art zu Stande gebrachte Handlung nachhero ohne dessen Schuld zurückgehet, so wird er seiner Belohnung nicht beraubt.

[3, 19] §. 13. Unter die bei Schließung eines Contracts selbst einkommende Nebenpersonen gehören alle Jene, die vermöge eines von einem Andern erhaltenen Auftrags im Namen, und anstatt desselben eine Handlung schließen; es sei, daß ihnen die Besorgung einzelner oder auch mehrerer Privatgeschäfte anvertrauet worden, als einem Sachwalter oder Bevollmächtigten, oder daß sie von dem Eigenthümer einer Kaufhandlung oder eines sonstigen gewinnstigen Gewerbs zu dessen Führung bestellet worden, als ein Handlungsvorgesetzter, Factor und dergleichen.

[3, 19] §. 14. Dieser von einer Seite gegebene und von der andern Seite übernommene Auftrag wirket nicht nur die Verbindlichkeit zwischen deme, der den Auftrag gemacht, und Jenem, der denselben über sich genommen hat, wovon Wir im sechzehenten Capitel geordnet haben, sondern auch zwischen einem jeden derselben insbesondere, und einem Dritten, der sich in Folge des Auftrags mit Jenem, der denselben übernommen, in eine Handlung eingelassen hat.

[3, 19] §. 15. Dahingegen mögen Jene, welche nur zu Bewahrung eines Waarenlagers, und zu Versendung oder Verführung der Kaufmannsgüter gebrauchet werden, dann Jene, welche die Handlungsgeschäfte durch ihre Vermittlung blos befördern helfen, ferner Jene, die blos die Handlungbücher zu führen, oder die


(481) Casse zu besorgen, oder die Waaren in dem von dem Kaufmanne vorgeschriebenen Preise zu verkaufen haben, für keine Handlungsvorgesetzte angesehen werden.

[3, 19] §. 16. Zu Handlungsvorgesetzten kann Jedermann sowohl bestellen, als bestellet werden, der sich zu verbinden fähig ist, das Gewerbe möge zu Wasser oder zu Lande geführet werden, und in was immer für einer Handlung bestehen; auch hängt es von der Willkür des Eigenthümers ab, ob er für alle ihm zugehörigen Gewerbe zusammen, oder für ein besonderes Gewerb, oder auch für einen Theil der Handlung allein einen Vorgesetzten bestellen wolle, und dessen Befugniß ist allezeit nach dem ihm gemachten Auftrage abzumessen.

[3, 19] §. 17. In Folge der nach Maß des §. 14 zwischen dem Bevollmächtigten oder Handlungsvorsteher, dann einem Dritten, der sich mit ihm in einen Contract eingelassen hat, entstehenden Verbindlichkeit, kann der Bevollmächtigte oder Handlungsvorsteher, so lang sein Amt fortdauret, und er die Handlung noch unter seinen Handen hat, diesen Dritten sowohl belangen, als auch in dieser Eigenschaft von demselben belanget werden. Die Foderung eines Dritten wider den Vorgesetzten aber kann sich nicht weiter erstrecken, als auf das ihm anvertraute Gut, und wenn dasselbe zu Befriedigung des Glaubigers nicht hinreichet, so ist er nicht schuldig, aus seinem eigenen Vermögen etwas dazu beizutragen.

[3, 19] §. 18. Hätte jedoch der Bevollmächtigte oder Handlungsvorgesetzte freiwillig für Denjenigen, der ihm die Geschäfte oder die Handlung anvertrauet hat, etwas gezahlet, so muß er sich lediglich an diesen halten, und kann das Gezahlte von dem Glaubiger nicht mehr zurückfodern; außer er könnte erweisen, daß der Eigenthümer des Geschäfts oder Handlung selbst nichts schuldig gewesen. Alsdann kann er das zur Ungebühr Bezahlte ebenso zurückfodern, wie Wir im einundzwanzigsten Capitel mit Mehrerem anordnen.

[3, 19] §. 19. Nachdeme der Bevollmächtigte oder Handlungsvorsteher sein Amt abgeleget, kann er aus den im Namen des Eigenthümers geschlossenen Contracten weder einen Dritten mehr belangen, noch auch von diesem mehr belanget werden. In einigen besondern Fällen jedoch kann derselbe sowohl während seines Amts als nach dessen Niederlegung belanget, auch zu vollständiger Zahlung aus seinem eigenen Vermögen verhalten werden.

[3, 19] §. 20. Diese Fälle sind, wenn der Dritte, welcher sich mit ihm in einen Contract eingelassen, sich deutlich dahin verwahrete, daß er mit dem Eigenthümer nichts zu thun haben, sondern blos mit dem Bevollmächtigten oder Handlungsvorsteher den Contract schließen wolle, und dieser dabei beruhete, und umsomehr, wenn derselbe ausdrücklich für den mit dem Dritten geschlossenen Contract gutgestanden, selbst Zahler zu sein versprochen, oder auch sonst sich und seine Erben dazu verbunden hätte.

[3, 19] §. 21. Ferner, wenn er sich mit dem Dritten in eine solche Handlung eingelassen, wozu er entweder gar keinen Auftrag gehabt, oder wobei er den Auftrag auf die im sechzehenten Capitel, §. 22 und den folgenden, erklärte Art überschritten hat, ohne daß nachhero die Gutheißung des Eigenthümers erfolget ist, wie auch, wenn er dem Dritten, der mit ihm den Contract eingegangen, die Eigenschaft seines Amts verschwiegen, und den Contract mit demselben in seinem eigenen Namen geschlossen hat.

[3, 19] §. 22. Es ist aber nicht nothwendig, daß in allen von dem Bevollmächtigten oder Handlungsvorgesetzten im Namen des Eigenthümers geschlossenen Handlungen die Eigenschaft seines Amts ausgedrücket werde, wofern selbe nur sonst bekannt ist. Wenn es jedoch in dem Contracte nicht ausgedrücket worden, daß er im Namen und anstatt eines Andern geschlossen worden, auch dem Dritten, der sich in die Handlung eingelassen, die Eigenschaft des Bevollmächtigten oder Handlungsvorstehers nicht bekannt gewesen, so ist allezeit dafür zu halten, daß derselbe den Contract mit dem Dritten in seinem eigenen Namen geschlossen habe.


(482) [3, 19] §. 23. In Folge jener Verbindlichkeit, die aus dem von einem Dritten mit dem Bevollmächtigten oder Handlungsvorgesetzten geschlossenen Contracte nach Maß des §. 14 auch zwischen dem Eigenthümer und dem Dritten entstehet, ist der Dritte ebenfalls befugt, den Eigenthümer der Handlung oder des Gewerbs zu belangen, gleichwie er auch von dem Eigenthümer belanget werden kann.

[3, 19] §. 24. Der Dritte ist jedoch nur alsdann berechtiget, aus dem mit dem Bevollmächtigten oder Handlungsvorsteher geschlossenen Contracte den Eigenthümer zu belangen, wenn seine Foderung sich nicht weiter erstrecket, als auf das, was ihm aus diesem Contracte, und vermöge desselben gebühret. Wenn er hingegen durch Betrug oder Schuld des Bevollmächtigten oder Handlungsvorgesetzten benachtheiliget worden, so hat der Eigenthümer außer den im ersten Capitel, §. 9, berührten Fällen dafür nicht zu haften.

[3, 19] §. 25. Auch wird der Eigenthümer durch jene Handlungen nicht verbindlich, die sein Bevollmächtigter oder Handlungsvorsteher nach Niederlegung seines Amts mit einem Dritten geschlossen hat. Wäre aber der Eigenthümer gestorben, so können dessen Erben auch aus jenen Handlungen belanget werden, die der Bevollmächtigte oder Handlungsvorsteher nach dessen Tode mit einem Dritten geschlossen hat, und sein Amt währet so lang, als er von seinem Amte nicht abberufen, und die von dem Verstorbenen ihm gegebene Gewalt durch dessen Erben nicht aufgehoben worden.

[3, 19] §. 26. Um so weniger mag der Eigenthümer aus den von seinem Bevollmächtigten oder Handlungsvorsteher mit einem Dritten geschlossenen Handlungen belanget werden, wenn derselbe dabei die Grenzen des gehabten Auftrags überschritten hat, und der Dritte, der sich mit dem Bevollmächtigten oder Handlungsvorsteher in einen solchen Contract eingelassen, hat sich selbst zuzuschreiben, daß er sich um den Inhalt und die Erstreckung des demselben gegebenen Auftrags nicht besser erkundiget habe.

[3, 19] §. 27. Wofern jedoch der Auftrag nur in gleichgiltigen Nebendingen überschritten worden, ohne daß dem Eigenthümer dadurch im Wesentlichen ein Nachtheil zugegangen, oder wofern derselbe die mit Ueberschreitung des Auftrags von seinem Bevollmächtigten oder Handlungsvorsteher vorgenommene Handlung gewußt, und da er hätte widersprechen können, nicht widersprochen hat, oder wenn er diese Ueberschreitung hernach, es sei durch wissentliche Einfoderung oder Annehmung Desjenigen, wozu ein Dritter sich durch eine solche Handlung verbunden, oder auf sonst eine Art ausdrücklich oder stillschweigend genehm gehalten hat, so hat er für die Handlung allezeit zu haften, und umsomehr wird er alsdann verfänglich, wenn der Auftrag zu Hintergehung eines Dritten betrügerisch gefasset, und derselbe andurch verleitet worden, so zu handlen, wie er gehandlet hat.

[3, 19] §. 28. Die Gewalt eines Bevollmächtigten oder Handlungsvorgesetzten ist nicht blos nach dem buchstäblichen Inhalte des Auftrags abzumessen, sondern erstrecket sich auch auf jene Handlungen, ohne welche der Auftrag entweder gar nicht, oder nicht füglich verrichtet werden könnte; hieher gehört die Miethung bequemer Verwahrungsörter für die zur Handlung gehörigen Waaren, die Dingung der zu deren Besorgung oder Fortbringung nöthigen Arbeiter, die Ausstellung eines Wechsels für die von einem Dritten empfangenen Waaren und dergleichen.

[3, 19] §. 29. Was jedoch solche Handlungen betrifft, welche mit den dem Bevollmächtigten oder Handlungsvorsteher anvertrauten Geschäften keinen unmittelbaren Zusammenhang haben, als da Jemand den Auftrag hätte, gewisse Waaren zu erkaufen, ohne das dazu nöthige Geld erhalten zu haben, oder da Jemanden die Verwaltung eines Hauses oder Guts aufgetragen worden, wo zur Bestreitung der vorfallenden nothwendigen, oder auch nützlichen Auslagen weder die allschon eingehobene Nutzungen erklecketen, noch auch derselbe sonst von dem Eigenthümer etwas empfangen, und er zur Zahlung dieser Ausgaben von einem Dritten Geld


(483) entlehnete, so wird der Eigenthümer andurch nicht anders verbunden, als wenn der Darleiher erprobet, daß das geliehene Geld wirklich zu dem vorgegebenen Gebrauche verwendet worden.

[3, 19] §. 30. Wenn hingegen der Auftrag ausdrücklich auf die Aufnahme eines Darlehens lautet, so muß der Eigenthümer Demjenigen, der zu dem bestimmten Endzwecke Geld geliehen, insoweit jedoch dessen Betrag mit dem Endzwecke in einer verhältnißmäßigen Gleichheit gestanden, allezeit dafür haften, obschon der Bevollmächtigte oder Handlungsvorsteher das Darlehen zu seinem eigenen Gebrauche verwendet hätte, und überhaupt soll die von einem Bevollmächtigten oder Handlungsvorgesetzten in den mit einem Dritten geschlossenen Contracten begangene Arglist und Gefährde, wofern nur der Contract nach Maß des gehabten Auftrags geschlossen worden, blos dem Eigenthümer, nicht aber dem Dritten, welcher sich redlicherweise auf die Vollmacht eingelassen, zum Schaden gereichen.

[3, 19] §. 31. Wenn ein Bevollmächtigter oder Handlungsvorsteher mit zweierlei Vollmachten, einer zeigbaren und einer geheimen versehen ist, so ist zwar diese letztere die Richtschnur der Verbindlichkeit zwischen dem Bevollmächtigten und Jenen, der ihm die Vollmacht gegeben hat; allein alle von dem Bevollmächtigten, obschon mit Ueberschreitung seiner geheimen Vollmacht, vorgenommene Handlungen haben in Ansehung des Dritten, der sich mit demselben in eine Handlung eingelassen, und des Eigenthümers ihre vollkommene Giltigkeit und Verbindlichkeit, wofern sie nur der zeigbaren Vollmacht gemäß sind. Wenn jedoch dem Dritten diese geheime Beschränkung der dem Bevollmächtigten gegebenen zeigbaren Vollmacht wohl bewußt war, oder er sonst an der Gefährde des Bevollmächtigten mit Theil genommen hat, so soll er nicht befugt sein, den Eigenthümer aus dieser Handlung zu belangen.

[3, 19] §. 32. Wenn einem Bevollmächtigten oder Handlungsvorsteher die Befugniß entweder ausdrücklich eingeraumet, oder doch nicht verboten worden, anstatt seiner einen Andern zu bestellen, so wird der Eigenthümer auch durch die nach Maß des ersten Auftrags geschlossenen Contracte dieses Afterbestellten verbunden; ist dem Bevollmächtigten oder Handlungsvorgesetzten aber die Bestellung eines Andern anstatt seiner eigends verboten worden, so mag der Eigenthümer durch das, was derselbe eigenmächtig gethan, nicht verbindlich gemacht werden.

[3, 19] §. 33. In allen Fällen, wo nach Unseren bisherigen Anordnungen ein Dritter wegen der mit dem Bevollmächtigten oder Handlungsvorgesetzten geschlossenen Contracte den Eigenthümer belangen kann, stehet demselben die Auswahl zu, ob er wider den Eigenthümer, oder Jenen, der anstatt dessen den Contract geschlossen hat, seine Klage erheben wolle. Wenn er auch wider den Vorgesetzten seine Klage bereits erhoben hat, so ist er befugt, Dasjenige, was er von diesem nicht erhalten kann, von dem Eigenthümer zu erheben, und wenn er den Eigenthümer zuerst belanget hat, stehet ihm ebenfalls frei, das, was er von demselben nicht erhält, von dem Vorgesetzten zu suchen; doch nur insofern, als Wir im §. 17 wider denselben einer Klage Raum gegeben haben.

[3, 19] §. 34. Unter den nach geschlossenem Contracte bei demselben einkommenden Nebenpersonen verstehen Wir Jene, welche von den Contrahenten in dem Falle, wo sich aus diesem Contracte zwischen ihnen Strittigkeiten erhoben haben, zu Beilegung dieser Strittigkeiten gewählet werden. Sind diese zu dem Ende gewählet worden, daß sie die entstandenen Irrungen durch ihre Vermittlung beilegen, und auf eine gütliche Art auseinandersetzen sollen, so sind es Schiedsmänner; ist ihnen aber aufgetragen worden, die ihrer Erkanntniß überlassenen Strittigkeiten nach Ordnung Rechtens auszumachen, und durch einen richterlichen Ausspruch zu entscheiden, so werden sie Schiedsrichter genennet.

[3, 19] §. 35. Schiedsmänner sind blos für gütliche Unterhändler zu halten, und können die ihrer Vermittlung überlassenen Punkte durch keinen richterlichen Spruch entscheiden; den Contrahenten stehet also frei, wenn sie bei ihrer Vermittlung


(484) nicht beruhen wollen, ihre Strittigkeiten, auch nach Verfließung der in Unserer Gerichtsordnung vorgeschriebenen Frist, noch allezeit vor den ordentlichen Richter zu bringen.

[3, 19] §. 36. Ein Jeder, der die freie Verwaltung seines Vermögens hat, kann in seiner eigenen Sache Schiedsrichter erwählen; Vormünder und Curatoren aber sind dazu ohne gerichtliche Genehmhaltung nicht befugt, und wenn die Verwaltung fremder Geschäfte Jemanden durch willkürlichen Auftrag des Eigenthümers überlassen worden, so ist die Erkiesung eines Schiedsrichters unter jene Fälle zu zählen, die Wir im sechzehenten Capitel, §. 16, berühret haben.

[3, 19] §. 37. Wenn ein Fähiger und ein Unfähiger einen Schiedsrichter erwählet haben, so ist das Beding ungiltig, und bleibt ungiltig, wenn schon nachhero der Unfähige die Fähigkeit erlanget hätte. Wenn aber der Erkiesenden Drei oder Mehrere sind, und nur Einer unter ihnen unfähig ist, so hat bei einer untheilbaren Sache die erstgesetzte Regel ebenfalls statt; ist hingegen die Sache theilbar, so soll das Beding in Ansehung der Fähigen seinen Bestand haben, ohne daß jedoch dem Unfähigen andurch ein Nachtheil zugezogen werden könnte.

[3, 19] §. 38. Zum Schiedsrichter kann ein Jeder erkieset werden, der von der Natur zu Versehung dieses Amts tüchtig ist; doch wollen Wir durch dieses Unser Gesetz, Weiber, wenn sie nicht sonst eine Gerichtsbarkeit haben, Minderjährige, Ehrlose, und überhaupt Alle, welche aus der Strittsache auf was immer für Art einen Nutzen oder Schaden zu gewarten haben, und umsomehr einen Jeden in seiner eigenen Sache vom schiedsrichterlichen Amte ausschließen.

[3, 19] §. 39. Auch die eigenen ordentlichen Richter und Obrigkeiten können in Sachen, die sonst unter ihre Gerichtsbarkeit gehören, zu Schiedsrichtern erwählet werden, und sie sollen ebenso, wie andere Schiedsrichter in der Verhandlung und Erkanntniß an die von den Parteien ihnen vorgeschriebene Form gebunden sein; allein die Entscheidung der Sache soll nicht in einer aus Willkür der Parteien ihnen aufgetragenen Macht, sondern in der ihnen zustehenden ordentlichen Gerichtsbarkeit gegründet, und von ihrem Ausspruche der Zug an den oberen Richter genommen werden.

[3, 19] §. 40. Wenn mehrere Schiedsrichter in einer Strittsache zusammen erkieset worden, so müssen auch Alle dazu fähig sein; widrigens wo nur ein Einziger darunter unfähig ist, verfällt das ganze Beding. Sind aber mehrere Schiedsrichter wechselweise erkieset worden, so schadet es nicht, wenn schon Einer davon unfähig ist, sondern das Beding bestehet in der Person des Fähigen.

[3, 19] §. 41. Die Erkiesung der Schiedsrichter bestehet darin, daß alle Parteien sich in der Person Derjenigen, die sie zu Schiedsrichtern erwählen wollen, vereinigen, und daß alle sich gegeneinander verbinden, den schiedsrichterlichen Ausspruch befolgen zu wollen. Beides hängt blos von der Willkür aller Theile ab, und wenn schon alle darinnen übereingekommen wären, daß sie ihre Strittigkeit dem Ausspruche eines Schiedsrichters unterwerfen wollten, sich aber in der Person des Schiedrichters nicht einigen könnten, so hat die vorherige Vereinigung nicht die mindeste Wirkung.

[3, 19] §. 42. Die Wahl eines Schiedsrichters kann mündlich, schriftlich oder auch durch einen Handstreich geschehen. Wenn jedoch die geschehene Wahl eines Schiedsrichters hernach widersprochen würde, so soll nach Maß Unserer Gerichtsordnung dieser Vergleich sonst nicht für giltig angesehen werden, als wenn darüber eine nach den im vorigen §. enthaltenen Erfodernissen eingerichtete, und von allen streitenden Theilen mit Unterschrift und Petschaft gefertigte Urkunde verfasset worden.

[3, 19] §. 43. Auch stehet den Parteien frei, sich untereinander dergestalten zu verbinden, daß Derjenige, der nachhero von dem eingegangenen Bedinge abweichen, oder sich dem schiedsrichterlichen Ausspruche nicht fügen wollte, den Uebrigen zur


(485) Strafe des Abstands einen gewissen Betrag erlegen solle; doch soll ein solches Strafgeld den achten Theil des Werths der strittigen Sache nicht übersteigen.

[3, 19] §. 44. Schiedsrichter können in allen Strittigkeiten erwählet, und die Parteien aus keinerlei Ursache davon abgehalten werden. Wenn auch schon eine Sache bei dem ordentlichen Gerichte bereits anhängig gemacht worden wäre, so soll doch durch die erfolgte Wahl eines Schiedsrichters das gerichtliche Verfahren gänzlich aufgehoben werden.

[3, 19] §. 45. Doch wollen Wir von der schiedsrichterlichen Erkanntniß folgende Sachen insbesondere ausgenommen haben, erstens peinliche Sachen, obschon dabei nicht peinlich verfahren würde, sondern die Foderung blos auf die Entschädigung des Beleidigten gerichtet wäre; zweitens, die über den Stand der Freiheit, die Verwandtschaft, Kindschaft und eheliche Geburt erhobene Strittigkeiten; drittens, wenn die Strittigkeit gewisse Vorrechte einer ganzen Gemeinde betrifft; viertens, wenn eine Strittigkeit schon durch richterliche Erkanntniß entschieden, und diese in Rechtskräfte erwachsen ist; außer es handelte sich blos um die Schätzung oder Ausweisung der zuerkannten Gebühr, oder um andere von weiterer Ausmessung abhangende Nebensachen; fünftens sollen auch die Unsere Kammer betreffenden Strittigkeiten ohne Unsere eigends dazu ertheilte Einwilligung keiner schiedsrichterlichen Erkanntniß unterzogen werden.

[3, 19] §. 46. Wenn ein Schiedsrichter, nachdeme er dieses Amt auf sich genommen hat, sich nachhero weigert, die Sache behörig zu verhandeln und zu entscheiden, so kann er von dem Gerichtsstande, deme er sonst untergeben ist, mit allem Nachdrucke dazu verhalten werden. Ist ihm von den Parteien zu Beendigung der Sache eine gewisse Zeit vorgeschrieben worden, so liegt ihm ob, die Sache binnen dieser Frist zu Ende zu bringen. Wo jedoch eine solche Frist vorgeschrieben worden, da fängt selbe nicht von dem Tage des von den Parteien eingegangenen Bedings, sondern von jenem Tage an zu laufen, da der Schiedsrichter das ihm aufgetragene Amt angenommen.

[3, 19] §. 47. Was der Schiedsrichter bei Verhandlung der strittigen Sache für ein Verfahren zu beobachten habe, ist aus Unserer Gerichtsordnung zu entnehmen. In keinem Falle aber ist derselbe befugt, bei Verhandlung der Sache von den wesentlichen Erfodernissen eines gerichtlichen Verfahrens, und bei Entscheidung der Sache von Demjenigen abzuweichen, was Wir zur Giltigkeit eines richterlichen Urtheils vorgeschrieben haben.

[3, 19] §. 48. Sind mehrere Schiedsrichter wechselweise gewählet worden, so gilt der Ausspruch Desjenigen, der selben zuerst gefället hat, obschon der Andere abwesend gewesen wäre. Sind aber mehrere Schiedsrichter zusammen gewählet worden, so müssen auch alle bei der Entscheidung der Strittigkeit gegenwärtig sein, und wenn nur ein einziger davon abwesend wäre, so ist die ganze Entscheidung null und nichtig; wofern jedoch einer ganzen Gemeinde oder einer Gerichtsstelle die schiedsrichterliche Erkanntniß aufgetragen worden, so soll sich die Erkiesung nur auf so viele Mitglieder erstrecken, als sonst nach Ausmessung Unserer Gerichtsordnung zu Entscheidung einer strittigen Sache erfodert werden, wenn von den Parteien nichts Anders ausgedrücket worden.

[3, 19] §. 49. Wenn mehrere erwählte Schiedsrichter sich in ihren Meinungen nicht vereinigen können, so gilt die Mehrheit der Stimmen; wenn aber bei mehreren in gerader Zahl gewählten Schiedsrichtern für zweierlei Meinungen gleiche Stimmen ausfielen, auch die Parteien keinen Obmann benennet hätten, der in diesem Falle durch seinen Beitritt den Ausschlag geben solle, so zerfällt das ganze Beding.

[3, 19] §. 50. Die Schiedsrichter sind nicht befugt, ihre Erkanntniß auf eine andere als die ihnen aufgetragene Strittsache zu erstrecken, wenn selbe schon mit dieser einen noch so genauen Zusammenhang hätte; doch können dieselben über die von


(486) der strittigen Sache herrührende Nebengebührnissen allerdings erkennen, obgleich davon in dem ihnen gemachten Auftrage nichts erwähnet worden.

[3, 19] §. 51. Wenn die erwählten Schiedsrichter das ihnen aufgetragene Amt zwar angenommen, der schiedsrichterliche Ausspruch aber zur Ungebühr in die Länge verzögert wird, und ein und der andere Theil sich andurch wider die Billigkeit beschweret findet, so stehet ihm frei, bei dem Gerichte, deme die Schiedsrichter untergeben sind, um die Bestimmung einer Zeitfrist zu Beendigung der Sache anzulangen, und das Gericht soll denselben eine nach der Wichtigkeit und Weitläufigkeit der strittigen Sache abgemessene Frist anberaumen; nach Verlaufe dieser Frist aber ist es ebenso zu halten, wie Wir in den gleich nachfolgenden §§. anordnen.

[3, 19] §. 52. Wenn die Parteien den Schiedsrichtern gleich von Anfange eine Frist bestimmet haben, um binnen derselben die Strittsache zu entscheiden, so sind sie nach Verfließung dieser Zeit nicht mehr schuldig die schiedsrichterliche Entscheidung abzuwarten; wenn jedoch bei Bestimmung der Frist nicht auch zugleich ausdrücklich hinzugesetzet worden, daß in dem Falle, wo die strittige Sache bis dahin nicht ausgemacht wäre, die nachherige schiedsrichterliche Entscheidung null und nichtig sein solle, so muß derjenige Theil, der nach verflossener Zeit von den Schiedsrichtern abgehen will, diese seine Abweichung sowohl denselben, als dem Gegentheile zu wissen machen.

[3, 19] §. 53. Würden aber alle Parteien nach Verfließung der Zeit, ohne den Schiedsrichtern ihre Abweichung anzukündigen, ruhig verbleiben, so ist dafür zu halten, daß sie durch ihre stillschweigende Einwilligung die den Schiedsrichtern beschränkt eingestandene Befugniß über die bereits verstrichene Zeit verlängert haben, und wenn nachhero der schiedsrichterliche Ausspruch erfolget, so werden sie ebenso dadurch verbunden, als ob derselbe binnen der zuerst anberaumten Frist gefället worden wäre.

[3, 19] §. 54. Wenn hingegen bei der von den Parteien den Schiedsrichtern bestimmten Frist auch die Nichtigkeit des nachhero erfolgenden schiedsrichterlichen Ausspruchs vorhinein ausbedungen worden, so erlöschet nach verflossener Zeit das ganze Beding; wofern jedoch alle streitenden Theile auch nachhero noch dabei beharren wollten, so können die erwählten Schiedsrichter unter Vorschützung der bereits verflossenen Zeit sich auch nachhero der Verhandlung des aufgenommenen Amts nicht entziehen, sondern nach Maß des §. 46 dazu verhalten werden.

[3, 19] §. 55. Wenn der erwählte Schiedsrichter, oder wenn auch nur ein einziger unter mehreren zusammen gewählten Schiedsrichtern vor gefälltem Ausspruche stirbt oder unfähig wird, so zerfällt das ganze Beding. Wenn jedoch eine Gemeinde zu Schiedsrichtern erwählet worden, so schadet der Tod, oder die erfolgende Unfähigkeit einzelner dazu gehörigen Mitglieder nicht, wofern deren nur so viele übrig bleiben, als zu Entscheidung dieser Strittsache erfodert werden; nach gefälltem Ausspruche hingegen schadet der Tod, oder die erfolgte Unfähigkeit eines Schiedsrichters der Giltigkeit des Ausspruchs nicht, obschon derselbe noch nicht zu seinen Rechtskräften gelanget wäre.

[3, 19] §. 56. Imgleichen wird das Beding entkräftet, wenn einer von den erkiesenden Theilen vor erfolgtem Ausspruche stirbt, wenn das Beding nicht zugleich mit auf die Erben erstrecket worden; dahingegen werden durch den bei Lebzeiten der Erkiesenden ergangenen Ausspruch die Erben allezeit verbunden. Wenn auch eine ganze Gemeinde Schiedsrichter gewählet hat, so bleibet das Beding immerfort bei Kräften, obgleich noch so viele Mitglieder vor erfolgtem Ausspruche verstorben wären.

[3, 19] §. 57. In allen Fällen, wenn das Beding, wodurch Schiedsrichter erwählet worden, nach Maß Unserer bisherigen Anordnungen entweder von Anfange nicht bestanden, oder nachhero entkräftet worden, ist der schiedsrichterliche Ausspruch, wenn er dennoch gefället worden wäre, null und nichtig, und dieses auch, wenn


(487) die Schiedsrichter die Grenzen ihrer Erkanntniß, oder die ihnen vorgeschriebene Verfahrungsart überschritten, oder die wesentlichen Erfodernissen eines rechtlichen Verfahrens nicht beobachtet haben.

[3, 19] §. 58. Wo aber dem schiedsrichterlichen Ausspruch kein von den im vorigen §. berührten Bedenken entgegenstehet, da ist auf den Unterschied zu sehen, ob die Parteien sich bei der Wahl der Schiedsrichter aller Beschwerführung wider deren Ausspruch begeben haben oder nicht, und in beiden Fällen ist jenen Anordnungen nachzugehen, die Wir desfalls in Unserer Gerichtsordnung festgesetzet haben.

Zwanzigstes Capitel.

Von solchen Handlungen, die den Contracten in ihrer Wirkung gleichkommen.

[3, 20] §. 1. Außer jenen Handlungen, wo Jemand sich einem Andern entweder durch die ausdrückliche Einwilligung, oder durch eine der ausdrücklichen Einwilligung gleichkommende That stillschweigend verbindlich machet, von welchen Wir bishero geordnet haben, sind auch noch solche Handlungen, wo zwar von der einen, doch nicht von der andern Seite, oder wo auch von keiner Seite eine wahre Einwilligung sich zu verbinden vorhanden ist, wo aber die unterwaltende Billigkeit erfodert, die Sache so anzusehen, als ob eine wahre Einwilligung von beiden Seiten hinzugetreten wäre.

[3, 20] §. 2. Unter derlei Handlungen gehöret erstens, wenn Jemand im Namen eines Abwesenden, oder auch im Namen eines Anwesenden, der jedoch von deme, was in seinem Namen vorgenommen wird, nichts weiß, die Besorgung dessen Geschäfte aus freiem Willen auf sich nimmt, und anbei die Absicht vermuthet werden kann, daß er andurch Denjenigen, dessen Geschäfte er auf sich genommen hat, zu seiner Schadloshaltung habe verbinden wollen. In diesem Falle soll von diesen Beiden Einer dem Andern so verbunden werden, als wenn der Auftrag, diese Geschäfte zu besorgen, von dem Einen ausdrücklich gemacht, und von dem Andern angenommen worden wäre.

[3, 20] §. 3. Wissenschaft und Stillschweigen Desjenigen, dessen Geschäfte besorget werden, macht nach Maß Unserer Anordnungen im sechzehenten Capitel einen wahren Contract. Wenn aber Jemand die Geschäfte eines solchen besorget, der unfähig ist, sich durch eine wahre Einwilligung zu verbinden, obschon derselbe ausdrücklich darein gewilliget hätte, so wird es doch niemals ein wahrer Contract, sondern die Handlung erhält ihre Verbindlichkeit blos vermöge Unserer gegenwärtigen Anordnungen.

[3, 20] §. 4. Durch eine solche Handlung wird auch ein Bevollmächtigter oder Handlungsvorgesetzter verbindlich gemacht, wenn in seiner Abwesenheit oder ohne sein Wissen in den ihm aufgetragenen Geschäften etwas zu verrichten vorfällt, und ein Dritter dasselbe in dessen Namen verrichtet hat, ja auch ein solcher, den das Geschäft ganz und gar nicht angehet; wofern ein Dritter dieses Geschäft in dessen Namen besorget, und er Dasjenige, was in seinem Namen geschehen, nachhero genehm gehalten hat.

[3, 20] §. 5. Wer sein eigenes Geschäft in der Meinung, daß es ein fremdes sei, besorget, der macht sich Demjenigen, dessen Geschäft er es zu sein geglaubet hat,


(488) nicht verbindlich, und wenn Jemand das Geschäft eines Andern besorget, in der Meinung, daß es einem Dritten zugehöre, so wird ihm blos der Erste verbunden. Wenn aber Jemand ein fremdes Geschäft in seinem eigenen Namen, und zu seinem Nutzen verwaltet, so wird zwar er dem Eigenthümer allezeit verbindlich, doch dieser ihm nur alsdann, wenn die redliche Meinung, kraft welcher er die fremde Sache für sein Eigen gehalten, erweislich ist, und bei deren Ermanglung nur insoweit, als er andurch bereichert worden.

[3, 20] §. 6. Wenn es dargethan werden kann, daß Jemand durch den auf eine fremde Sache gemachten Aufwand dem Eigenthümer derselben ein Geschenk habe machen wollen, so mag er ihn nicht wieder zurückfodern; ebenso können auch Eltern wegen dessen, was sie auf die Erziehung ihrer Kinder, ein Ehemann wegen dessen, was er auf die Unterhaltung seines Weibs verwendet hat, oder auch sonst Jemand wegen Desjenigen, was ihm aus einer obliegenden Pflicht zu thun gebühret, keine Foderung stellen. Was jedoch ein Ehemann oder Vater auf das Gut seines Weibs oder seiner Kinder ausgeleget hat, das mag er zurückbegehren.

[3, 20] §. 7. Desgleichen wenn Derjenige, den die Geschäfte angehen, Jemanden ausdrücklich verboten hat, sich darein zu mengen, und dieser sich dennoch derselben angenommen hat, so mag er von allem deme, was er aus dem Seinigen darauf verwendet hat, nichts zurückfodern; außer wenn das Geschäft von der Beschaffenheit wäre, daß aus dessen unterlassener Vollziehung ein gemeinschaftlicher Nachtheil entstehen könnte.

[3, 20] §. 8. Wer sich fremder Geschäfte angenommen hat, der macht sich zu Allem verbindlich, wozu Derjenige verbunden wird, der durch einen ausdrücklichen Auftrag des Eigenthümers die Besorgung dieser Geschäfte übernommen hat; insbesondere aber liegt ihm ob, auf das übernommene Geschäft allen Fleiß und jene Sorgfalt zu wenden, die dessen Natur und Beschaffenheit erfodert, und dieses umsomehr, wenn ein Anderer vorhanden gewesen, der das Geschäft mit größerem Fleiß besorget haben würde, dieser aber durch seine Dazwischenkunft davon abgehalten worden ist; dahingegen, wenn Jemand die Besorgung einer fremden, in augenscheinlicher Gefahr des Verlusts stehenden Sache übernimmt, deren sich sonst Niemand annehmen will, so ist es genug, wenn er darauf so viele Sorgfalt als auf seine eigenen Sachen verwendet.

[3, 20] §. 9. Für zufällige Schäden wird Derjenige, der sich der Besorgung fremder Geschäfte freiwillig unterzogen hat, nicht verfänglich; außer wenn er mit, dem fremden Gute etwas Gefährliches, und was der Eigenthümer nicht zu thun pflegte, unternommen, oder wenn er mit demselben wissentlich, daß es fremd sei als mit seinem eigenen Gute, und zu seinem eigenen Nutzen geschaltet hat.

[3, 20] §. 10. Wenn Jemand unter mehreren, einer Besorgung bedürfenden Geschäften deren nur eines übernommen hat, so hat er für diejenigen Geschäfte, die er nicht übernommen hat, auch nicht zu haften; außer wenn selbe unter sich einen so genauen Zusammenhang haben, daß, wenn nicht beide zugleich besorget werden, eines davon unausbleiblich zu Schaden kommen muß, oder wenn ein Anderer beide Geschäfte zusammen zu besorgen bereit gewesen, und dieser von dem Ersten verdrungen worden wäre.

[3, 20] §. 11. Dahingegen wird Jener, dessen Geschäfte besorget worden, Demjenigen, der diese Besorgung auf sich genommen hat, zu seiner gänzlichen Schadloshaltung verbunden. Diese Verbindlichkeit aber sowohl, als die Verbindlichkeit Desjenigen, der sich in die Besorgung fremder Geschäfte eingelassen hat, gleichwie auch die einem jeden Theile wider den andern zustehende Rechtsfoderung erhält ihre nähere Bestimmung durch das, was Wir in Ansehung eines wahren gemachten Auftrags im sechzehenten Capitel geordnet haben, und Wir wollen Uns in Betreff


(489) dessen, was Wir dahier nicht besonders berühret haben, auf diese Unsere Anordnungen ausdrücklich berufen.

[3, 20] §. 12. Zu dieser Gattung der Besorgung fremder Geschäfte wollen Wir auch die Foderung Desjenigen rechnen, der einen Verstorbenen mit Auslegung der Unkosten aus seinem Vermögen beerdigen lassen. Dieser mag die Begräbnißunkosten zuerst von den Erben des Verstorbenen oder aus dessen Verlassenschaft zurückfodern, und wenn der Verstorbene kein Vermögen nachgelassen, so kann er Diejenige, denen diese Schuld sonst obgelegen wäre, zu deren Erstattung belangen; allezeit ist jedoch dabei auf den Stand des Verstorbenen, und auf die in jedem Orte desfalls bestehende Vorschrift zu sehen.

[3, 20] §. 13. Eine der erstgedachten Besorgung fremder Geschäfte ähnliche Handlung ist auch die Verwaltung der Vormundschaft oder Curatel, und gleichwie der Vormund oder Curator vermöge seiner bei Antretung des ihm aufgetragenen Amts geäußerten wahren Einwilligung zu den ihm nach Unsern Anordnungen im ersten Theile, sechsten Capitel, obliegenden Pflichten verbunden wird, so werden ihm auch die seiner Obsorge anvertrauten Personen, obwohl sie keiner zu einer wahren Verbindlichkeit hinlänglichen Einwilligung fähig sind, zu seiner Schadloshaltung verbunden.

[3, 20] §. 14. Zweitens ist unter die im §. 1 berührten Handlungen auch die Antretung der Erbschaft in Ansehung der von dem Erblasser gemachten Vermächtnisse zu zählen, und ein Erb, der durch Antretung der Erbschaft den Willen des Erblassers anerkennet, wird andurch ebenso, als ob er ausdrücklich eingewilliget hätte, zu Abstattung alles Desjenigen, was der Erblasser in seinem letzten Willen geordnet hat, verpflichtet.

[3, 20] §. 15. Drittens gehöret unter diese Handlungen der Fall, wenn eine oder mehrere Sachen zwischen mehreren Eigenthümern gemeinschaftlich worden sind; es sei, daß mehreren Erben eine Erbschaft gemeinschaftlich angefallen, wovon Wir bereits im zweiten Theile, neunzehenten Capitel, geordnet haben, oder daß Mehrere zusammen durch Vermächtniß oder eine Handlung unter Lebenden das Eigenthum oder ein anderes Recht an einzelnen Sachen gemeinschaftlich erworben haben, und diese Gemeinschaft wirket nicht nur in Ansehung eines jeden Theilhabers die aus dem Rechte an der Sache selbst herfließenden Gerechtsamen, sondern auch eine persönliche Verbindung auf eben jene Art, als ob diese Sache durch eine wahre Einwilligung, wie im Gesellschaftscontracte zwischen allen Theilhabern gemein gemacht worden wäre.

[3, 20] §. 16. Vermöge des einem jeden Theilhaber an der gemeinschaftlichen Sache zustehenden Rechts ist ein Jeder von ihnen schuldig, die gemeinschaftliche Sache für den Antheil der andern Theilhaber als eine fremde Sache anzusehen, und er ist solchergestalten an den Willen der Andern gebunden, daß er ohne deren Einwilligung die gemeinschaftliche Sache weder veräußern, wesentlich verändern, noch auch sonst etwas damit vornehmen kann, wodurch ihr Recht geschmälert würde.

[3, 20] §. 17. Doch ist einem Theilhaber unverwehret, auch bei noch bestehender Gemeinschaft den ihm an der Sache zugehörigen Antheil an einen Andern zu veräußern. Wenn er jedoch denselben gegen einen dafür empfangenen Werth veräußert hat, und sein Mitbesitzer eben das dafür geben will, so soll derselbe, die Sache möge beweglich oder unbeweglich sein, vor dem Fremden den Vorzug haben.

[3, 20] §. 18. Aus eben diesem Rechte fließet die Befugniß eines jeden Theilhabers, zu allen Zeiten die Theilung des gemeinschaftlichen Guts zu begehren. Wenn jedoch die Gemeinschaft entweder von dem Erblasser oder von den Theilhabern selbst auf eine gewisse Zeit festgesetzet worden, so kann vor deren Verlaufe die Theilung nicht anverlanget werden. Zu einer beständigen Gemeinschaft aber soll Jemand weder durch eine letztwillige Anordnung, noch durch einen Vertrag verbunden werden können, sondern dessen ohngeachtet befugt sein, daraus zu treten. In


(490) diesem Falle jedoch, oder auch wenn die Gemeinschaft auf eine unbestimmte Zeit bestanden, mag kein Theilhaber die Theilung zur Unzeit anverlangen; widrigens soll er allen den andern Theilhabern durch seinen unzeitigen Austritt verursachten Schaden zu ersetzen schuldig sein.

[3, 20] §. 19. Das Recht eines Theilhabers, die Theilung einer gemeinschaftlichen Sache anzuverlangen, wird durch die Minderjährigkeit oder sonstige Verwaltungsunfähigkeit der übrigen Theilhaber nicht verhindert; doch soll jedesmal, wenn auch nur Einer unter den Theilhabern zur eigenen Verwaltung seines Vermögens unfähig ist, die Theilung gerichtlich vorgenommen werden. Außer diesem Falle aber kommt es blos auf die Theilhaber an, wie sie die Theilung vornehmen wollen, und worüber selbe sich gutwillig vergleichen, dabei soll es auch sein festes Bewenden haben.

[3, 20] §. 20. Wenn die Theilung gerichtlich vorgenommen wird, und die Sache theilbar ist, so soll der Richter den einem jeden Theilhaber daran gebührenden Theil ausmessen; bei jenen Theilungen jedoch, so zwischen Geschwistern oder deren Kindern vorzunehmen sind, wollen Wir die im zweiten Theile, neunzehenten Capitel, vorgeschriebene Theilungsart zur allgemeinen Regel festgesetzet haben. Wenn hingegen die Sache ohne Schmälerung ihres Werths nicht getheilet werden kann, so soll der Richter vorhero zwischen den Theilhabern einen gütlichen Vergleich zu Stande zu bringen versuchen, bei dessen Ermanglung aber die Sache durch öffentliche Steigerung veräußern, und von dem dafür gelösten Gelde einem Jeden den ihm gebührenden Antheil hinausgeben.

[3, 20] §. 21. Wenn auf diese Art ein unbewegliches Gut versteigert wird, und ein Theilhaber ebensoviel als ein Fremder, und mit eben den Bedingnissen dafür geben will, so soll er dem Fremden vorgezogen werden. Wollen mehrere Theilhaber die Sache an sich bringen, so soll Jener den Vorzug haben, deme der größte Antheil an der Sache gebühret, und wenn Alle gleiche Theile haben, Jener, der den Einstand zuerst angemeldet hat; übrigens hat es in Ansehung der über derlei Theilungen zu errichtenden Urkunden und deren Einverleibung allda, wo das Gut inliegt, bei Unseren allgemeinen Anordnungen sein Verbleiben.

[3, 20] §. 22. Die persönliche Verbindung zwischen den Theilhabern eines gemeinschaftlichen Guts entstehet dazumal, wenn dasselbe von allen Theilhabern zusammen, oder von Einem im gemeinschaftlichen Namen verwaltet wird, und Derjenige, so das Gut verwaltet hat, ist verbunden, den Andern ihre Antheile an den von dem gemeinschaftlichen Gute eingehobenen Nutzungen zuzustellen, auch den durch seine Schuld daran verursachten Schaden zu ersetzen; gleichwie hingegen die Andern ihm den auf die gemeinschaftliche Sache gemachten nothwendigen und nützlichen Aufwand zu vergüten schuldig sind.

[3, 20] §. 23. Die einem Theilhaber wider den andern zustehende Rechtsfoderung kann nicht nur auf beide Gegenstände zugleich, nemlich auf die Theilung des gemeinschaftlichen Guts, und auf die Erstattung dessen, was Einer dem Andern zu leisten schuldig ist, gerichtet, sondern auch bei noch bestehender Gemeinschaft des Guts blos zu Leistung der persönlichen Gebührnisse insbesondere angestrenget werden, und dieses jedesmal, so oft entweder an den eingegangenen Nutzungen etwas zu vertheilen ist, oder Einer dem Andern etwas zu ersetzen hat.

[3, 20] §. 24. Eine ähnliche Art der Gemeinschaft wird viertens zwischen den Besitzern benachbarter Gründe auch durch einen Zufall eingeführet, wenn die Grenzen derselben durch Ueberschwemmungen, Erdbeben, feindliche Verwüstungen, oder eine andere höhere Gewalt vermischet und unkennbar worden sind, und aus dieser Gemeinschaft ist die einem jeden derselben obliegende Verbindlichkeit zu Wiederherstellung der Grenzen und zum Ersatze der von des Andern Grunde eingehobenen Nutzungen herzuleiten, wovon Wir im zweiten Theile, einundzwanzigsten Capitel, weitläufiger geordnet haben.


(491) [3, 20] §. 25. Fünftens ist unter die im §. 1 berührte Handlungen auch die von Schiffern, Fuhrleuten und Gastwirthen geschehene Uebernahme der in ihre Gewahrsam übergebenen Sachen zu zählen, und selbe sollen durch diese blose Uebernahm, sie möge entgeltlich oder ohnentgeltlich geschehen sein, vermöge ihres Gewerbs zu getreulicher Verwahrung und Zurückstellung der übernommenen Sachen ebenso verbunden werden, als ob sie sich durch eine ausdrückliche Einwilligung dazu anheischig gemacht hätten.

[3, 20] §. 26. Diese Verbindlichkeit soll jedoch nur alsdann Platz greifen, wenn der Schiffer oder Fuhrmann Sachen, um selbe von dannen zu führen, und der Gastwirth Sachen eines bei ihm einkehrenden Gastes übernommen hat. Wenn hingegen Einer oder der Andere außer der Eigenschaft seines Gewerbs etwas übernommen, oder sonst durch ausdrückliche Einwilligung mit Jemanden einen Contract eingegangen, so ist seine Verbindlichkeit bloserdings nach den allgemeinen, für einen solchen Contract durch Unsere vorherige Anordnungen festgesetzten Regeln zu bestimmen.

[3, 20] §. 27. Auch ist es nothwendig, daß entweder der Schiffer, Fuhrmann, Gastwirth selbst, oder Einer von den dazu bestellten Leuten, als ein Kutscher, Schiffmann oder Kellner die Sachen übernommen habe. Dahingegen ist es an deme nicht genug, wenn die Sachen auf ein Schiff, auf einen Wagen oder in einen Gasthof, obwohl mit Wissen des Schiffers, Fuhrmanns oder Gastwirths gebracht worden, ohne daß deren Uebernahm erfolget wäre, noch auch wenn ein Schiff-, Stall-, Hausknecht oder sonst Jemand, der zu Uebernehmung dergleichen Sachen nicht bestimmt ist, selbe übernommen hat.

[3, 20] §. 28. Umsoweniger hat der Schiffer, Fuhrmann, Gastwirth für die dahin gebrachten Sachen alsdann zu haften, wenn dieselbe seiner Gewahrsam gar nicht übergeben, sondern von dem Ueberbringer in eigener Verwahrung behalten worden; wenn jedoch in einem oder dem andern Falle der an den Sachen geschehene Schaden durch die Schuld des Schiffers, Fuhrmanns, Gastwirths, oder seiner Leute verursachet worden, so wird derselbe nach Maßgab Unserer anderweiten Anordnungen dafür verfänglich.

[3, 20] §. 29. Wenn Sachen in einem Behältnisse eingepackter gebracht werden, so ist es nicht erfoderlich, daß Dasjenige, was darinnen enthalten ist, dem Schiffer, Fuhrmann, Gastwirthe angezeiget, oder Stück vor Stück vorgezählet werde. Wofern jedoch die Eigenschaft der in einem Behältnisse befindlichen Sachen im Packen oder Aufbewahren eine besondere Vorsicht erheischete, und die Anwendung dieser Vorsicht von dem Schiffer, Fuhrmann, Gastwirthe, weil er diese Eigenschaft der ihm anvertrauten Sachen nicht gewußt, unterlassen worden wäre, so hat der Ueberbringer sich selbst beizumessen, wenn deswegen an seinen Sachen ein Schaden geschehen.

[3, 20] §. 30. Wenn ein Schiffer, Fuhrmann, Gastwirth in Ansehung der dahin gebrachten Sachen sich ausdrücklich erkläret hat, daß er nicht dafür stehen könne, so soll er von der Verbindlichkeit, für diese Sachen zu haften, nur alsdann befreiet werden, wenn seine Erklärung zu einer solchen Zeit geschehen ist, wo die Ueberbringer der Sachen noch im Stande waren, mit denselben eine andere Vorsehung zu treffen. Dadurch aber, daß der Ueberbringer der Sachen den Schlüssel von dem Zimmer, Gewölbe oder Keller, worinnen die Sachen befindlich sind, zu sich genommen, wird der Gastwirth von der Verbindlichkeit, dafür zu stehen, nicht befreiet, wenn die Sachen mit oder ohne Erbrechung des Behältnisses daraus entwendet worden; wofern er nicht bei Uebergebung des Schlüssels obgedachte Erklärung hinzugefüget hat.

[3, 20] §. 31. Wenn der Schiffer, Fuhrmann, Gastwirth die in seine Verwahrung gegebene Sachen nicht mehr zurückstellen kann, so muß er deren Werth ersetzen. Dem Kläger aber liegt ob, sowohl deren Ueberbringung und geschehene Uebernahm,


(492) als ihren Betrag und Werth behörig zu erweisen; in Ermanglung eines vollständigen Beweises jedoch ist derselbe sonst nicht zum Eide zuzulassen, als wenn seine Redlichkeit bekannt, und auch sonst von ihm vermuthet werden kann, daß er die angegebenen Sachen bei sich gehabt habe.

[3, 20] §. 32. In allen Fällen, wo der Schiffer, Fuhrmann, Gastwirth vermöge Unserer vorstehenden Anordnungen für die überbrachten Sachen zu haften hat, kann derselbe sich von dem schuldigen Ersatze dieser Sachen nicht anders entledigen, als wenn er darthut, daß dieselbe ohne seine und seiner Leute Schuld durch einen ohngefähren, aus höherer Gewalt entstandenen, oder doch nicht zu verhüten gewesenen Zufall oder durch feindliche Bemächtigung, Schiffbruch, Feuersbrunst oder gewaltsamen Raub zu Grunde gegangen.

[3, 20] §. 33. Jene Zufälle hingegen, welche gemeiniglich durch menschliche Unvorsichtigkeit veranlasset werden, als heimliche Diebstähle oder Feuersbrünste im eigenen Hause, heben die Verbindlichkeit des Ersatzes nicht auf; wofern der Beklagte nicht erweisen kann, daß er zu Vermeidung eines solchen Zufalls Alles, was in seiner Macht gestanden, vorgekehret, und weder von ihm noch von seinen Leuten dabei eine Verwahrlosung vorgegangen, oder daß die Schuld an dem Ueberbringer der Sachen oder seinen Leuten selbst gewesen.

[3, 20] §. 34. Der Schiffer, Fuhrmann, Gastwirth soll aber auch im Gegentheile das Recht haben, die übernommene Sachen so lang zurückzuhalten, bis er wegen seiner Foderung an den Ueberbringer vollständig befriediget worden, und in dem Falle, wo er wegen der zu Grunde gegangenen Sachen etwas zu ersetzen hat, soll ihm die Befugniß zustehen, den Betrag seiner Foderung von diesem Ersatze abzuziehen.

Einundzwanzigstes Capitel.

Von den aus bloser natürlichen Billigkeit herrührenden Verbindungen.

[3, 21] §. 1. Es erübrigen noch mehrere Fälle, die Unsere gesetzmäßige Vorsehung erfodern, nemlich jene, wo weder eine wahre Einwilligung noch auch eine andere einem Contracte gleichkommende Handlung vorhanden ist, wo jedoch die natürliche Billigkeit erheischet, daß Einer dem Andern verbunden werde. Wir wollen also hiemit folgende zwei Grundregeln der Billigkeit als eine Quelle der Verbindungen festgesetzet haben, daß Jedermann Dasjenige zu thun oder zuzulassen schuldig sei, was ohne seinen Schaden dem Andern zum Nutzen gereichen kann, und daß Niemand mit dem Schaden eines Andern bereichert werden solle.

[3, 21] §. 2. Aus der ersten Grundregel fließet das Recht her, welches Wir einem Jeden einräumen, daß er, so oft er durch Ausübung der ihm zustehenden natürlichen Befugniß sich ohne Nachtheil des Andern einen Nutzen oder Gemächlichkeit verschaffen, oder einen seinem Vermögen bevorstehenden Schaden abwenden kann, den Andern im Weigerungsfalle auch durch rechtliche Hilfsmittel anzuhalten befugt sein solle, Dasjenige zu thun oder zu gestatten, was ihm ohne dessen Benachtheiligung einen Nutzen verschaffet, wie Wir in diesem Gesetzbuche bereits verschiedene derlei Fälle berühret haben.

[3, 21] §. 3. Vermöge der zweiten Grundregel soll ein Jeder schuldig sein, Dasjenige zurückzustellen, was sich von fremdem Gute ohne rechtmäßige Ursache in seinen Händen befindet, nicht nur, wenn er das fremde Gut wissentlich, daß es ohne rechtmäßige Ursache an ihn gelange, angenommen, und sich andurch eines


(493) Verbrechens schuldig gemacht hat, wovon Wir im folgenden Capitel besonders anordnen werden, sondern auch alsdann, wenn das fremde Gut zwar ohne rechtmäßige Ursache an ihn gelanget ist, ohne daß er jedoch bei dessen Annehmung ein Verbrechen begangen, oder wenn die Ursache, wodurch das fremde Gut an ihn gelanget ist, von Anfange rechtmäßig gewesen, nachher aber rechtmäßig zu sein aufgehöret hat.

[3, 21] §. 4. Unter den zu dieser allgemeinen Regel gehörigen Fällen befinden sich einige, welche annoch Unsere besondere Aufmerksamkeit erfodern. Diese sind, erstens, wenn Jemand in der irrigen Meinung einem Andern etwas schuldig zu sein, ihm dasselbe gezahlet, und dieser ebenfalls in der irrigen Meinung, daß ihm das Bezahlte gebühre, dasselbe angenommen hat; in diesem Falle stehet dem Ersten bei entdecktem Irrthume die Befugniß zu, das zur Ungebühr Bezahlte zurückzufodern.

[3, 21] §. 5. Ein Jeder, der etwas zur Ungebühr gezahlet hat, es möge in eigenem oder fremdem Namen geschehen sein, ist berechtiget, dasselbe zurückzufodern. Wenn von mehreren mit ungeschiedener Hand verbundenen Mitschuldnern ein Jeder die ganze Schuld entrichtet, oder wenn der Hauptschuldner und der Bürg die nemliche Schuld gezahlet hat, so kann Jeder, der zuletzt gezahlet, das Bezahlte zurückfodern, wofern nur der Glaubiger durch die erste Zahlung vollkommen befriediget worden.

[3, 21] §. 6. Desgleichen ist ein Jeder schuldig, das zur Ungebühr Empfangene zurückzustellen, er möge es in eigenem oder fremdem Namen empfangen haben, und wenn Derjenige, in dessen Namen ein Anderer etwas zur Ungebühr empfangen, diesen dazu bevollmächtiget, oder die in seinem Namen geschehene Annehmung gutgeheißen hat, so wird auch derselbe dafür verfänglich, wenn schon der Andere das zur Ungebühr Empfangene zu seinem eigenen Nutzen verwendet hat. Minderjährige und andere Pflegbefohlene jedoch können zur Zurückstellung dessen, was sie ohne Vorwissen ihrer Vormünder oder Curatoren zur Ungebühr empfangen haben, nicht weiter verbindlich werden, als Wir im ersten Theile, sechsten Capitel, §. 80, am Ende geordnet haben.

[3, 21] §. 7. Diese Zurückfoderung soll nur alsdann statt haben, wenn Jemand etwas aus einer solchen Ursache gezahlet hat, welche, wenn sie wahr gewesen wäre, ihn auch im Wege Rechtens zu dieser Zahlung verpflichtet hätte; was hingegen Jemand einem Andern aus Erkenntlichkeit oder sonst einem willkürlichen Bewegungsgrunde gezahlet hat, dieses mag nicht zurückgefodert werden, obschon der gehabte Bewegungsgrund nachhero falsch zu sein entdecket würde.

[3, 21] §. 8. Die Befugniß, das zur Ungebühr Bezahlte zurückzufodern, stehet einem Jeden ohne Unterschied zu, es sei, daß Derjenige, deme die Zahlung geleistet worden, gar kein Recht gehabt habe, das Bezahlte zu fodern, oder daß derselbe zwar ein Recht gehabt, welches jedoch von dem Zahlenden durch eine rechtserhebliche Einwendung, wenn er sich derselben bedienet, hätte entkräftet werden können; wofern nur diese Einwendung von der Beschaffenheit ist, daß dadurch das gehabte Recht des Andern gänzlich aufgelöset worden wäre.

[3, 21] §. 9. In jenen Fällen hingegen, wo Wir Jemanden wider die Anfoderung des Glaubigers eine Einwendung zu machen verstatten, nicht um dessen Recht andurch zu entkräften, sondern blos um die Leistung der Zahlung ganz oder zum Theile von sich abzulehnen, hat derselbe sich selbst zuzumessen, wenn er, ohne diese Einwendung zu machen, die Zahlung geleistet hat, wie Wir von verschiedenen derlei Fällen an seinem Orte besonders handlen.

[3, 21] §. 10. Wenn Jemand einem Anderen etwas nach dem Erfolge einer Bedingniß, oder nach einer Zeit schuldig ist, und dasselbe aus Irrthum vor dem Erfolge der Bedingniß oder vor der Zeit gezahlet hat, so soll er ebenfalls befugt sein, das Bezahlte zurückzufodern, und dieses nicht nur, wenn es ungewiß


(494) ist, ob oder wann die Zeit sich ergeben werde, sondern auch, wenn es durchaus gewiß ist, sowohl daß, als wann die Zeit sich ergeben werde.

[3, 21] §. 11. Das zur Ungebühr Bezahlte kann jedoch nur alsdann zurückgefodert werden, wenn der Zahler in einem Irrthume befangen gewesen, er möge sich in deme, was Rechtens ist, oder in der Sache selbst, in seiner eigenen, oder in einer fremden That geirret, und entweder eine der Wahrheit widrige Meinung geheget, oder an der wahren Beschaffenheit der Sache gezweiflet, oder auch selbe gar nicht gewußt haben. Widrigens, wenn Jemand etwas wissentlich, daß er es nicht schuldig sei, bezahlet, so ist es für ein freiwillig gemachtes Geschenk zu halten, und kann nicht mehr zurückgefodert werden; außer wenn das Verbot Unseres Gesetzes der geschehenen Zahlung entweder in Ansehung dessen, der gezahlet hat, oder in Ansehung dessen, was gezahlet worden, entgegen stehet.

[3, 21] §. 12. Wer das zur Ungebühr Bezahlte zurückfodert, der muß beweisen, sowohl daß die Zahlung von ihm wirklich geschehen, als daß sie zur Ungebühr geschehen sei. Wenn jedoch der Beklagte arglistiger Weise gelaugnet, daß er die Zahlung empfangen habe, und dessen nachhero überführet wird, so soll der Kläger nicht mehr schuldig sein, die Ungebühr der Zahlung zu erweisen; ebenso bedarf es dieses Beweises auch alsdann nicht, wenn die Ursache, aus welcher die Zahlung geschehen, durch Unser Gesetz entkräftet ist, und in jenem Falle, wo der Beklagte entweder aus der Natur der Handlung, oder aus einem eingegangenen Vertrage zur Rechnungslegung verbunden ist, soll demselben allezeit der Beweis obliegen, daß ihm die Zahlung gebühret habe.

[3, 21] §. 13. Wenn eine bestimmte Sache Jemanden zur Ungebühr gezahlet, und dieselbe vor deren Zurückfoderung an einen Dritten veräußert, auch von selbem rechtmäßig an sich gebracht worden, so kann dieser deswegen nicht belanget werden; doch ist Derjenige, der diese Sache zur Ungebühr empfangen, Alles herauszugeben schuldig, was er von derselben noch in Händen hat, und was er bei deren Veräußerung dafür erhalten. Ist die Sache durch einen ungefähren Zufall bei ihm zu Grunde gegangen, so hat er nicht dafür zu haften; wenn aber dieselbe aus seiner Schuld beschädiget oder zu Grunde gerichtet worden wäre, so muß er deren Werth ersetzen.

[3, 21] §. 14. Die Zurückfoderung des zur Ungebühr Bezahlten soll auch nicht ausgeschlossen werden, wenn schon der Zahler auf dieselbe ausdrücklich Verzicht gethan hat; doch soll diese Rechtsfoderung nur insolang angestrenget werden können, als die im zweiten Theile, siebenten Capitel, für alle Rechtsfoderungen überhaupt ausgemessene Verjährungszeit nicht verstrichen ist.

[3, 21] §. 15. Die Befugniß, so Wir Jemanden gegeben, das zur Ungebühr Bezahlte zurückzufodern, stehet Demjenigen, der sich aus einer irrigen Ursache zu etwas verbindlich gemacht hat, ohne annoch dasselbe entrichtet zu haben, umsomehr zu, und er soll nicht nur befugt sein, sich wider die Foderung des Glaubigers, wenn er von demselben belanget wird, durch Einwendung seines Irrthums zu schützen, sondern auch selbst mit Erprobung seines Irrthums den Glaubiger anzugehen, daß er von der eingegangenen Verbindlichkeit befreiet werde.

[3, 21] §. 16. Unter die im §. 3 berührten Fälle gehöret zweitens, wenn Jemand einem Andern etwas zu dem Ende gegeben, daß dieser dagegen etwas thun oder geben solle, und derselbe Dasjenige, wozu er sich verbindlich gemacht, durch seine Schuld oder Saumsal entweder nicht mehr erfüllen kann, oder nicht erfüllen will; in diesem Falle soll dem Ersten nach Maß dessen, was Wir bereits im ersten Capitel, §. 73, geordnet haben, die Befugniß zustehen, Dasjenige, was er aus dieser Ursache gegeben hat, zurückzufodern.

[3, 21] §. 17. Wenn Derjenige, der von einem Andern auf diese Art etwas empfangen, seine dagegen übernommene Verbindlichkeit zwar in der behörigen Zeit durch seine Schuld oder Saumsal nicht erfüllet hat, doch selbe hernach noch zu


(495) erfüllen bereit ist, so hat zwar der Erste das Recht, auf die Erfüllung der Verbindlichkeit nebst seiner Entschädigung oder, wo die Erfüllung der Verbindlichkeit ihm nunmehro unnütz worden wäre, ganz allein auf seine Entschädigung zu dringen, allein die Befugniß das Gegebene zurückzufodern soll ihm sonst nicht zustehen, als wann er sich selbe auf diesen Fall ausdrücklich vorbehalten hat.

[3, 21] §. 18. Das Gegebene kann wegen nicht erfolgter Ursache, aus welcher es gegeben worden, nur alsdann zurückgefodert werden, wenn der Geber die Endursache, warum er es gegeben, dabei deutlich ausgedrücket hat. Widrigens hat er sich selbst zuzumessen, daß er seine Willensmeinung nicht besser erkläret habe; außer wenn die Endursache, warum etwas gegeben wird, nach der Natur der Handlung schon stillschweigend darunter verstanden ist.

[3, 21] §. 19. Wenn Jemand etwas zu dem Ende empfangen hat, daß er dagegen etwas geben solle, und die Sache, welche er zu geben sich anheischig gemacht hat, ohne seine Schuld oder Saumsal zu Grunde gegangen, so kann das Gegebene nicht mehr zurückgefodert werden. Wenn er hingegen für das Gegebene etwas zu thun oder zu verrichten versprochen, und an dessen Ausführung auch nur durch einen blosen Zufall verhindert wird, so muß er das Empfangene zurückstellen; außer wenn die Hinderniß aus Schuld oder aus einer That Desjenigen herrühret, der etwas zu diesem Ende gegeben hat.

[3, 21] §. 20. Wenn die aus einer solchen Endursache gegebene Sache bei Demjenigen, deme sie gegeben worden, nicht mehr befindlich ist, es sei daß er sie an einen Dritten veräußert habe, oder daß sie bei ihm mit oder ohne seine Schuld zu Grunde gegangen, so höret deren Zurückfoderung allezeit auf; doch bleibet in diesem Falle Jenem, der die Sache gegeben, die Rechtsfoderung aus dem Vertrage zu dessen Erfüllung, wo selbe noch geschehen kann, oder im Widrigen zu Erhaltung seiner vollkommenen Entschädigung vorbehalten.

[3, 21] §. 21. Wenn etwas wegen einer Ursache, deren Befolgung unmöglich ist, gegeben worden, und diese Unmöglichkeit Demjenigen, der etwas zu diesen Ende gegeben, gleich Anfangs bekannt gewesen, so ist das Gegebene für ein Geschenk zu halten; wenn hingegen derselbe die Unmöglichkeit damals nicht eingesehen, so stehet es der Zurückfoderung nicht im Wege.

[3, 21] §. 22. Drittens soll unter die im §. 3 angeführten Fälle gezählet werden, wenn Jemanden etwas aus einer unziemlichen Ursache gegeben worden, nemlich aus einer solchen Ursache, wobei das Unziemliche sich ganz allein an Seite des Nehmers befindet. Für eine solche unziemliche Ursache ist es allezeit zu halten, wenn Jemanden etwas gegeben wird, um dagegen jenes zu thun, oder zu lassen, welches er ohnehin durch Unsere Gesetze verbunden ist, und in diesem Falle soll das Gegebene zurückgefodert werden können, die Ursache, warum es gegeben worden, möge erfolget sein oder nicht.

[3, 21] §. 23. Wenn hingegen Jemand aus einer solchen Ursache etwas gegeben hat, wobei das Unziemliche sich sowohl an Seite des Gebers, als an Seite des Nehmers befindet, so wird andurch ein wahres Verbrechen begangen, und das Gegebene fällt Unserer Kammer anheim; ebenso mag in dem Falle, wo der Unfug sich blos an Seite des Gebers befindet, einem solchen, der seine Foderung in seiner eigenen Schande gründen muß, keine Rechtshilfe geleistet werden.

[3, 21] §. 24. Wenn die nach Anordnung des §. 22 zurückzustellende Sache ohne Schuld Desjenigen, deme sie gegeben worden, zu Grunde gegangen, so wird derselbe von deren Zurückstellung befreiet; doch ist er schuldig alles Jenes auszufolgen, was entweder von der Sache selbst, oder deren Zugehörungen und Nutzungen noch in seinen Händen befindlich ist. Wenn er aber durch seine Schuld oder Saumsal zu dem Untergange der Sache Anlaß gegeben, oder wenn er selbe an einen Dritten veräußert hat, so soll er deren Werth zu entrichten schuldig sein.


(496) [3, 21] §. 25. Nicht minder soll auch eine jede Zusage null und nichtig sein, welche wegen einer solchen unziemlichen Ursache, wovon Wir im §. 22 geordnet, gemacht worden; doch sollen sich diese Unsere Anordnungen blos auf den Fall beschränken, wenn etwas wegen einer annoch künftigen unziemlichen Endursache gegeben oder versprochen worden. Wenn hingegen Jemanden etwas nach geschehener That als eine Vergeltung gegeben oder versprochen wird, obwohl diese That so beschaffen ist, daß derselbe durch Unsere Gesetze dazu verpflichtet gewesen wäre, so mag weder das Versprechen entkräftet, noch das Gegebene zurückgefodert werden.

[3, 21] §. 26. Viertens gehören jene Fälle unter die Anordnung des §. 3, wo ein Contrahent dem Andern eine bestimmte Sache zu geben schuldig gewesen, und für dieselbe, da sie ihm entwendet worden, nach Vorschrift Unserer obigen Anordnungen, den Werth hat zahlen müssen. Wenn in einem solchen Falle der Eigenthümer nachhero die entwendete Sache unvermindert wieder zu Händen bringt, so ist der Contrahent berechtiget, den dafür gezahlten Werth von demselben zurückzufodern; wenn aber die Sache in ihrem Werthe vermindert worden, oder sonst eine gegründete Ursache vorhanden ist, wegen welcher der Eigenthümer gegen Zurücknehmung der Sache den empfangenen Werth nicht mehr zurückgeben will, so stehet ihm frei, dem Contrahenten die Sache selbst zu überlassen.

[3, 21] §. 27. In allen bisher berührten Fällen, wo Jemand sein bei einem Andern ohne rechtmäßige Ursache befindliches Gut zurückfodert, muß dasselbe, wenn es in einer bestimmten Sache bestehet, in demjenigen Stande, in welchem es empfangen worden, sammt allen Zugehörungen, und davon behobenen Nutzungen nach Abzug der darauf verwendeten Auslagen zurückgestellet werden. Wenn es aber in baarem Gelde bestehet, so müssen auch die von dem Tage der gerichtlichen Belangung davon gebührende Zinsen entrichtet werden; außer in jenen Fällen, worinnen Wir in Ansehung der Zeit, von welcher Zinsen zu zahlen sind, an verschiedenen Orten dieses Gesetzbuches ein Anderes geordnet haben.

[3, 21] §. 28. Unter die im §. 1 angeführte zweite Grundregel der Billigkeit gehöret ferner der Fall, wenn Jemands Gut zu eines Andern Nutzen verwendet worden, und in diesem Falle soll derselbe, wenn schon zwischen ihm und Demjenigen, zu wessen Nutzen sein Gut ist verwendet worden, keine wahre Verbindung vorhergegangen, vermöge welcher er sein Gut zurückfodern könnte, oder wenn zwar eine Verbindung zwischen ihnen bestanden, welche jedoch von Uns entkräftet worden, allezeit befugt sein, Dasjenige zurückzufodern, was von seinem Vermögen zu des Andern Nutzen verwendet worden.

[3, 21] §. 29. Die geschehene Verwendung zu des Andern Nutzen soll aber von Demjenigen, der sich dieses Unseres rechtlichen Hilfsmittels gebrauchen will, allezeit erwiesen werden, und dieses auch alsdann, wenn schon in dem ausgestellten Schuldscheine die Bekenntniß der nützlichen Verwendung ausdrücklich enthalten ist, oder wenn darinnen auf die Einwendung der nicht geschehenen nützlichen Verwendung deutlich Verzicht geleistet worden wäre.

[3, 21] §. 30. Wenn die Verwendung für den Andern zwar erwiesen, allein das Verwendete von selbem entweder unnütz verthan, oder doch die Verwendung blos zur Lust, Pracht oder Ueppigkeit geschehen, so soll der Eigenthümer in Ansehung des unnütz Verthanen dieses Unseres Hilfsmittels nicht genießen; doch wollen Wir demselben, wenn nicht einer von jenen Fällen vorhanden ist, wo die ganze Summe nach Maß Unserer Anordnungen Unserer Kammer anheim fällt, in Betreff des zur Lust und Pracht gemachten Aufwands eben die Befugniß einräumen, die Wir in Betreff des so gestalteten Aufwands im achtzehenten Capitel, §. 43, dem Besitzer eingestanden haben.

[3, 21] §. 31. Wenn Derjenige, zu dessen Nutzen fremdes Gut verwendet worden, dasselbe Jenem, durch dessen Vermittelung es ihme zugekommen, bereits zurückgezahlet, oder sonst vergütet hat, so kann er von dem gewesenen Eigenthümer des zu seinem


(497) Nutzen verwendeten Guts nicht mehr angegangen werden, sondern dieser muß sich lediglich an Jenem halten, deme wegen des verwendeten Guts die Vergütung bereits zugekommen ist.

[3, 21] §. 32. Nicht minder gehöret unter die obbesagte Regel der natürlichen Billigkeit der Fall, wenn ein Schiff sich in Gefahr des Schiffbruchs befindet, und von den darauf geladenen Waaren ein Theil zur Erleichterung des Schiffs über Bord geworfen, andurch aber das Schiff sammt den übrigen darinnen befindlichen Waaren von dem Schiffbruche gerettet wird. In diesem Falle wollen Wir, daß der an einigen Sachen zur gemeinschaftlichen Rettung verursachte Schaden auch von Allen gemeinschaftlich getragen werden solle.

[3, 21] §. 33. Wenn die Gefahr des Schiffbruchs durch Sturm, ungestümme See, oder ein anderes nicht zu vermeiden gewesenes Ungklück entstanden, so sollen die Eigenthümer der geretteten Waaren den durch die über Bord geworfene Waaren erlittenen Schaden allezeit verhältnißmäßig tragen. Wenn aber die Gefahr durch die schlechte Beschaffenheit des Schiffs oder durch Unvorsichtigkeit oder Unerfahrenheit des Schiffers entstanden, so hat derselbe ganz allein den durch die hinausgeworfene Waaren verursachten Schaden zu vergüten; wofern jedoch derselbe zu diesem Ersatze unvermögend wäre, so sollen die Eigenthümer der geretteten Waaren dazu verbunden bleiben.

[3, 21] §. 34. Der Beitrag der Uebrigen zum Ersatze der über Bord geworfenen Waaren mag nur alsdann gefodert werden, wenn die Hinauswerfung dieser Waaren zu Erleichterung des Schiffs unvermeidlich nothwendig gewesen; was hingegen außer einem solchen dringenden Nothfalle freventlich in das Wasser geworfen wird, dafür hat blos Jener zu haften, der den Frevel verübet hat. Für eine solche dringende Nothwendigkeit soll aber nur jene gehalten werden, welche entweder von Allen, oder doch dem größten Theile der auf dem Schiffe befindlichen Leute anerkennet worden, oder, wo in dem Falle, da diese nicht darein willigen wollten, die Hinauswerfung auf Gutbefinden des Schiffmanns, und wenigstens zweier erfahrener Schiffleute geschehen ist; doch sollen diese auf Begehren Derjenigen, die den Schaden erlitten haben, schuldig sein, sobald sie an’s Land kommen, mit einem Eide zu bestätigen, daß die Noth erfodert habe, Waaren über Bord zu werfen.

[3, 21] §. 35. Wenn ohngeachtet der hinausgeworfenen Waaren das Schiff dennoch scheitert, und nach erlittenem Schiffbruche einige von den darauf gewesenen Gütern an das Ufer geworfen, oder sonst gerettet würden, so sind die Eigenthümer der geretteten Güter nichts schuldig zu ersetzen; wenn hingegen durch die hinausgeworfene Waaren das Schiff aus der damaligen Gefahr gerettet worden, nachhero aber durch einen anderen Zufall zu Grunde gehet, so sollen die Eigenthümer der aus dem letzten Schiffbruche geretteten Güter den Eigenthümern der bei der ersten Gefahr hinausgeworfenen Waaren zu einem Ersatze verbunden sein.

[3, 21] §. 36. Wenn in eben dem Sturme, worinnen einige Waaren über Bord geworfen werden, andere Waaren durch die Wellen vom Schiffe weggespület worden, oder wenn durch die Hinauswerfung einiger Waaren auch zugleich andern Waaren eine Beschädigung widerfahren ist, oder wenn in einem solchen Nothfalle zu Erleichterung des Schiffs der Mastbaum abgehauen, oder andere Schiffsbedürfnisse in’s Wasser geworfen worden, so ist der andurch erlittene Schaden ebenso, wie bei den hinausgeworfenen Waaren in Anschlag zu bringen, und von den Uebrigen zu ersetzen.

[3, 21] §. 37. Dahingegen, wenn außer dem Sturme, in welchem einige Waaren über Bord geworfen worden, andere Waaren vom Schiffe weggespület würden, oder wenn auch in eben dem Sturme, worinnen einige Waaren hinausgeworfen worden, andere durch das eingedrungene Wasser, oder sonst, doch nicht durch Veranlassung der geschehenen Hinauswerfung einen Schaden erlitten hätten, oder wenn das Schiff nicht durch freiwilliges Einverständniß und zur gemeinsamen Rettung,


(498) sondern durch die Gewalt des Sturms, oder durch Wetterstrahl Mast, Segel oder Anker verlieret, oder sonst zu Schaden kommt, kann deswegen von den Andern kein Ersatz gefodert werden.

[3, 21] §. 38. Unter den in einem Schiffe befindlichen Waaren, wenn die vorhandene Gefahr noch so viele Zeit zur Ueberlegung und Auswahl übrig läßt, soll allezeit mit Hinauswerfung derjenigen Waaren der Anfang gemacht werden, die von mehrerem Gewichte und von minderem Werthe sind; wenn aber die drohende äußerste Noth keine Zeit verstattet, so mögen auch noch so kostbare Waaren, die zum nächsten bei der Hand sind, ohne allen Unterschied des mehr oder minderen Werths über Bord geworfen werden, wenn nur deren Hinauswerfung zur Erleichterung des Schiffs etwas beiträgt.

[3, 21] §. 39. Der durch die solcher gestalten über Bord geworfene Waaren deren Eigenthümern verursachte Schaden soll sowohl von dem Schiffe, als den darin geretteten Waaren nach Maß des einem Jeden daran gebührenden Antheils alsogleich nach der Anländung in jenen Hafen, wohin die Fahrt gerichtet gewesen, oder wo die Güter ausgeladen werden, durch gemeinschaftlichen Beitrag ersetzet, und von diesem Beitrage sonst nichts von allem deme, was vor der geschehenen Hinauswerfung auf dem Schiffe gewesen, freigelassen werden, als die zum eigenen Gebrauche der auf dem Schiffe befindlichen Leute gehörige Kleidungen, Proviant und was sonst nach den hergebrachten Gewohnheiten davon ausgenommen wird.

[3, 21] §. 40. Zu diesem Ende sind folgende Berechnungen zu machen. Erstens ist dasjenige Gut zu bestimmen, welches den Ersatz zu leisten hat, nemlich das Schiff selbst, wie auch der bedungene Schifflohn, und des Schiffers eigene Fracht, dann sämmtliche sowohl hinausgeworfene, als vorhandene zu einem Beitrage verbundene Sachen sind zu schätzen, und nach Abrechnung der davon zu entrichtenden Zölle und Abgaben, wie auch des einem Jeden insbesondere zu zahlen obliegenden Schifferlohns in eine Summe zusammenzuziehen.

[3, 21] §. 41. Bei den vorhandenen, zu einem Beitrage verbundenen Sachen ist ohne allen Unterschied vorzugehen, und es sind nicht nur jene in Anschlag zu bringen, die das Schiff beträchtlich beschweret, oder einen großen Raum eingenommen haben, sondern auch baares Geld, Wechselbriefe, Edelgesteine und andere Kostbarkeiten, wenn sie schon unter andern Waaren versteckt, oder auch von den Eigenthümern bei sich, und in ihren Kleidungen herumgetragen worden wären, sie mögen vor der geschehenen Hinauswerfung angesagt worden sein oder nicht; wenn hingegen unter den hinausgeworfenen Waaren andere Kostbarkeiten versteckt gewesen, so mögen sie nicht in Anschlag gebracht werden, als wenn sie vor geschehener Hinauswerfung angesagt worden.

[3, 21] §. 42. Das Schiff ist in dem Werthe anzusetzen, den es dermalen hat; außer in dem Falle, wo nach Maß des §. 36 der am Schiffe geschehene Schaden gleichfalls durch gemeinschaftlichen Beitrag zu ersetzen ist. Alsdann ist dasselbe nach jenem Preise zu schätzen, den es nach hergestellter Beschädigung haben wird. Diesen Werth des Schiffs soll aber der Schiffer selbst anzusetzen befugt sein, doch anbei den Andern die Auswahl zustehen, ob sie sich mit diesem angeschlagenen Werthe begnügen, oder ob sie das Schiff um diesen Preis übernehmen, und für sich behalten wollen.

[3, 21] §. 43. Die Waaren, sowohl die geretteten, als die hinausgeworfenen, oder zu dieser Zeit vom Wasser weggespülten sind allezeit in jenem Werthe anzusetzen, den sie an dem Orte ihrer Bestimmung haben, oder gehabt haben würden. Beschädigte Waaren, es sei, daß einige von den hinausgeworfenen Waaren vorhero schon durch einen andern Zufall beschädiget gewesen, oder daß einige von den geretteten Waaren durch einen solchen Zufall beschädiget worden, sind blos nach jenem Werthe zu schätzen, den sie nach ihrer dermaligen Beschaffenheit an dem Orte ihrer Bestimmung haben, oder gehabt hätten; wo aber die Beschädigung einiger Waaren durch die


(499) Hinauswerfung anderer Waaren erfolget ist, da sind selbe nach dem vollen Werthe zu schätzen, den sie, wenn sie unbeschädigt geblieben wären, an dem Orte ihrer Bestimmung gehabt haben würden.

[3, 21] §. 44. Nach dieser Berechnung ist zweitens auch derjenige Schaden zu berechnen, der ersetzet werden muß. Nemlich die hinausgeworfene, und zu eben dieser Zeit weggespülte Waaren sind in eben dem Werthe, wie in der vorigen Rechnung anzusetzen. Bei den durch die Hinauswerfung beschädigten Waaren ist jene Verminderung des Werths als ein erlittener Schaden anzusetzen, die sich zwischen deme, was die Waaren nach Ausweis der vorigen Rechnung ohne erlittene Beschädigung gegolten haben würden, und was sie nunmehro werth sind, veroffenbaret, und wo ein an dem Schiffe geschehener Schaden ersetzet werden muß, da soll derselbe ebenfalls nach der eigenen Schätzung des Schiffers in Anschlag gebracht werden, den Uebrigen aber, wie oben, die Auswahl zustehen, ob sie auf ihre allseitige Unkosten das Schiff in den vorhero gehabten Stand wieder herstellen wollen.

[3, 21] §. 45. Alles dieses ist gleichfalls in eine Summe zusammenzuziehen, und sodann nach den gewöhnlichen Rechnungsregeln der Betrag zu bestimmen, den ein jeder von den zum Beitrage Verbundenen insbesondere nach Maß des ihm an Schiff und Ladung gebührenden Antheiles an dem verursachten Schaden zu ersetzen hat. Jene, deren Waaren hinausgeworfen, oder weggespület worden, bekommen zum Ersatze um so viel weniger, als nach der obigen Rechnung auf sie selbst zum Beitrage ausfällt, und Jene, deren Waaren bei Gelegenheit der Hinauswerfung beschädiget worden, wie auch der Schiffer wegen des beschädigten Schiffs erhalten nur so viel zum Ersatze, als der ihnen zugegangene Schaden den ihnen obliegenden Beitrag übersteiget; gleichwie sie gegentheils, wenn der auf sie ausfallende Beitrag sich höher als ihr Schaden belauft, den Ueberrest annoch beizutragen haben.

[3, 21] §. 46. Wer auf diese Art wegen der zur gemeinschaftlichen Rettung verlorenen Güter einen Ersatz zu fodern hat, der soll befugt sein, die ihm wider den Schiffer und Jene, deren Güter gerettet worden, gebührende Rechtsfoderung alsogleich anzustrengen, sobald das Schiff in dem Hafen, wohin es seine Fahrt gerichtet, angekommen ist. Hiebei soll auf das schleunigste verfahren werden, und Wir wollen dem Kläger verstatten, das Schiff sammt denen darinnen befindlichen Waaren so lang in gerichtlichen Beschlag zu nehmen, bis er seine Befriedigung erhalten hat.

[3, 21] §. 47. Ebenso soll es auch in jenem Falle gehalten werden, wenn ein Schiff wegen allzu schwerer Befrachtung nicht in den Hafen einlaufen kann, und deswegen einige Waaren in Boote ausgeladen werden. In diesem Falle, wenn die Boote mit den darin geladenen Waaren zu Grunde gehen, das andurch erleichterte Schiff aber glücklich in den Hafen einlauft, sollen Alle die verunglückte Waaren zu ersetzen schuldig sein; dahingegen, wenn die Boote glücklich an’s Land kämen, das Schiff aber dennoch untergienge, haben die Eigenthümer der in den Booten geretteten Waaren nichts zu ersetzen.

[3, 21] §. 48. Ueberhaupt soll die im §. 32 festgesetzte Regel in allen Fällen beobachtet werden, wo die Sachen mehrerer Eigenthümer sich in der Gefahr eines gemeinschaftlichen Untergangs befinden, und dieser Untergang durch Aufopferung eines Theils dieser Sachen abgewendet wird; wofern nur die nächste Gefahr vorhanden gewesen, und die Rettung durch das, was zu Abwendung der Gefahr hingegeben worden, richtig erfolget ist. Dahingegen soll diese Unsere Anordnung auf jene Fälle, wo entweder die Gefahr nicht so nahe und gewiß gewesen, oder wo der Endzweck der gemeinschaftlichen Rettung dennoch verfehlet worden, nicht erstrecket, und insbesondere auf den Fall nicht gezogen werden, wenn bei einer entstandenen Feuersbrunst ein Haus, um den Flammen Einhalt zu thun, niedergerissen worden.


(500) Zweiundzwanzigstes Capitel.

Von den aus einem Verbrechen herrührenden Verbindungen.

[3, 22] §. 1. Wer einem Andern durch ein Verbrechen einen Schaden zugefüget hat, der ist schuldig denselben zu ersetzen. Wir wollen aber dahier unter einem Verbrechen eine jede unerlaubte That begriffen haben, wodurch einem Andern entweder an seiner Person, oder an seinem Vermögen, oder an seiner Ehre geschadet worden; es möge etwas, was durch Unsere Gesetze verboten ist, ausgeübet, oder etwas, was Jemand vermöge Unserer Gesetze zu thun schuldig ist, unterlassen worden sein.

[3, 22] §. 2. Nicht nur jene That ist für ein Verbrechen zu achten, wodurch Jemand einem Andern aus bösem Vorsatze, oder mit Wissen und Willen einen Schaden zugefüget hat, sondern auch, wenn der Schaden blos durch seine Unvorsichtigkeit, Unerfahrenheit oder Unverstand veranlasset worden; wenn hingegen durch Jemands That nicht aus dessen Schuld, sondern aus blosen Zufalle einem Andern ein Schaden geschehen, oder wenn Jemand sich seines Rechts bedienet, so mag die That für kein Verbrechen angesehen, noch ein Ersatz des erlittenen Schadens gefodert werden.

[3, 22] §. 3. Für eine solche Unvorsichtigkeit ist es zu halten, wenn Jemand aus einem Hause, ohne die Vorübergehenden zu warnen, etwas ausgießet oder herabwirft, wenn Jemand ein schädliches Thier ohne die nöthige Vorsicht auf der Straße führet, oder an solchen Orten hält, wo es Andern schaden kann, wenn Jemand Feuer und Licht verwahrloset, und andurch eine Feuersbrunst entstehet, wenn Jemand, deme die Verwahrung eines Rasenden oblieget, durch seine Nachlässigkeit verursacht, daß derselbe währender Raserei sich oder einem Andern einen Schaden zufüget, oder wenn Jemand sonst etwas thut, wobei vorzusehen war, daß andurch leicht ein Schaden entstehen könnte.

[3, 22] §. 4. Die Unerfahrenheit und Unwissenheit ist nur alsdann für ein Verbrechen anzusehen, wenn Jener, der sich rühmet, einer Kunst oder eines Gewerbs kündig zu sein, oder der ein Amt auf sich genommen hat, dasselbe nicht verstehet, und dadurch Jemanden einen Schaden zufüget. Hieher gehöret, wenn ein Arzt durch seine Unwissenheit dem Kranken an seiner Gesundheit einen Nachtheil, oder gar den Tod zuziehet, wenn ein Wundarzt durch seine Unerfahrenheit Jemanden an seinen Gliedern verstümmlet, wenn ein Richter durch einen widerrechtlichen Vorgang Jemanden an seinen Gerechtsamen verkürzet.

[3, 22] §. 5. Dahingegen macht die Unwissenheit dessen, was Jemand sich nicht rühmet zu verstehen, ihn nicht verfänglich, außer wenn diese Unwissenheit in einen groben Unverstand und sträfliche Einfalt ausartet, nemlich, wenn Jemand Dasjenige nicht weiß, oder nicht zu wissen vorgiebt, was ein Jeder wissen soll. Derlei Fälle sind, wenn ein Lehrmeister durch unmäßige Züchtigung seinen Lehrling an der Gesundheit oder an den Gliedern beschädiget, wenn Jemand einem Andern aus Muthwillen einen Schaden zufüget, und denselben mit einem vorgehabten Scherze zu entschuldigen vermeinet.

[3, 22] §. 6. Wofern aber der Beschädigte sich selbst der Gefahr ausgesetzet hat, oder sonst seine Schuld dabei mit unterwaltet, mag er von Demjenigen, von deme er den Schaden erlitten, dessen Ersatz nicht fodern, als da Jemand bei einer Schießstatt oder einem andern zu Feuergewehrsübungen gewidmeten Orte zur Zeit des Schießens, oder bei einem Hause wovon etwas herabgeworfen wird, ohngeachtet er es siehet oder höret, oder deswegen gewarnet wird, dennoch vorbeigehet, oder wenn Jemand zu einer Zeit, wo er noch eine andere Wahl treffen


(501) kann, sich oder seine Sachen wissentlich einem betrunkenen Fuhrmanne oder Schiffer anvertrauet.

[3, 22] §. 7. Nach Maß der erstgedachten Regel hat auch in jenem Falle keine Foderung zum Ersatze des zugefügten Schadens statt, wenn der angreifende Theil, von dem Angegriffenen verwundet worden, und wenn Jemand, der von einem Andern nicht gefährlich verwundet worden, aus eigener Nachlässigkeit die nothwendigen Heilungsmitteln anzuwenden unterläßt, und andurch oder durch sonstige eigene Verwahrlosung sich den Verlust eines Glieds oder auch den Tod zuziehet, so wird ihm der Erste nicht weiter, als wegen der geschehenen Verwundung verfänglich.

[3, 22] §. 8. Ebenso kann auch Derjenige zu keinem Ersatze des zugefügten Schadens belanget werden, der zwar durch eine That zu der nachhero erfolgten Beschädigung eines Andern Gelegenheit gegeben, wo aber die That an sich ganz und gar unschädlich, und die Beschädigung nicht unmittelbar aus dieser That, sondern aus einer andern hinzugekommenen Ursache entstanden ist, als da ein Schleifer ein geschliffenes Messer vor dem Fenster seines Ladens liegen ließe, oder auch sonst Jemand ein Messer auf offenem Fenster liegen hätte, welches von einem boshaften Menschen ergriffen, und ein Anderer mit demselben entleibet würde.

[3, 22] §. 9. Ein Jeder ist fähig, ein Verbrechen zu begehen, der den Gebrauch seines Verstands hat, und wenn schon Jemand in der Befugniß sich durch einen Vertrag zu verbinden, durch Unsere Gesetze beschränket ist, als ein Verschwender, Minderjähriger, so wird er doch bei einem durch sein Verbrechen Jemanden zugefügten Schaden zu dessen Ersatze ebenso, wie ein jeder Anderer verbunden, und dieses auch alsdann, wenn er schon die Jahre der Mündigkeit noch nicht erreichet hat, wofern er nur aus den Jahren der Kindheit getreten und so viele Vernunft hat, daß er das Böse von dem Guten zu unterscheiden weiß.

[3, 22] §. 10. Dahingegen haben Blödsinnige, Wahnwitzige, Rasende, Mondsüchtige, Schlafgänger und dergleichen Leute, wenn sie währendem Wahnwitze, Schlafe oder Raserei, Jemanden einen Schaden zufügen, für denselben nicht zu haften, sondern alle derlei Beschädigungen, wobei Demjenigen, der selbe zugefüget hat, nichts beigemessen werden kann, sind für einen blosen Zufall zu halten, wofern nicht einer von den im §. 11 nachfolgenden Umständen dabei vorhanden ist.

[3, 22] §. 11. Wenn einer von den im vorigen §. erwähnten Leuten bei vernünftigen Zwischenstunden genugsame Einsehungskraft hat, daß er bei diesem ihm zustoßenden Unglücke Andern zu schaden pflege, und deme ohngeachtet die zu dessen Verhütung in seiner Macht gestandene Vorsicht zu gebrauchen unterlassen hat, so wird er zum Ersatze dieses Schadens verbunden. Umsomehr hat Jener dafür zu haften, der sich selbst durch übermäßige Trunkenheit seines Verstands beraubet, und in der Trunkenheit einem Andern einen Schaden zugefüget hat; gleichwie auch Derjenige, der bei gesunder Vernunft ein Verbrechen begangen, von der dem Beschädigten gebührenden Genugthuung durch den erfolgten Wahnwitz keineswegs befreiet wird.

[3, 22] §. 12. Ein Verbrechen wird von Jemanden nicht nur allein alsdann begangen, wenn er unmittelbar selbst die unerlaubte That verübet, sondern auch, wenn er den Jemanden von einem Dritten zugefügten Schaden durch seine Schuld veranlasset, oder wenn er zu dem von einem Anderen begangenen Verbrechen auf was immer für eine Art und Weise mitwirket.

[3, 22] §. 13. Wenn Jemand einem Andern den Auftrag gemacht hat, einem Dritten einen Schaden zuzufügen, so wird sowohl der Eine als der Andere zum Ersatze dieses Schadens verbunden, und dieses auch alsdann, wenn schon der Auftrag nicht unmittelbar auf die Zufügung des Schadens selbsten, sondern auf eine solche That gerichtet gewesen, aus welcher der Schaden erfolget ist; wenn es nemlich


(502) eine unerlaubte That gewesen, und der zugefügte Schaden aus derselben als der unmittelbaren und nächsten Ursache hergerühret hat.

[3, 22] §. 14. Wer Jemanden die Verübung einer solchen unerlaubten That aufgetragen hat, der wird auch für Dasjenige verfänglich, in was Jener, der den Auftrag übernommen, denselben überschritten hat; wofern die aufgetragene That ihrer Natur nach so beschaffen war, daß sie diesen Ausgang haben konnte. Wenn es dahero Jemanden aufgetragen worden, einen Andern mit einem zum Entleiben hinlänglichen Werkzeuge nur leicht zu verwunden, dieser aber ermordet worden, oder an der empfangenen Wunde verstorben wäre, so hat Derjenige, der den Auftrag gemacht hat, auch für den Todtschlag zu haften, obwohl er sich bei dem gemachten Auftrage ausdrücklich verwahret hätte, für dessen Ueberschreitung nicht haften zu wollen.

[3, 22] §. 15. Wenn hingegen der Auftrag dahin gelautet, Jemanden mit einem leichten Stocke, oder andern zum Todtschlage nicht geschickten Werkzeuge zu schlagen, oder ihm eine Maulschelle zu geben, und dieser ermordet oder schwer verwundet worden wäre, oder wenn sonst die aufgetragene That auf den gehabten Erfolg nicht gerichtet gewesen, so wird Derjenige, der den Auftrag gemacht hat, blos nach Maß desselben verfänglich.

[3, 22] §. 16. Um so weniger macht sich Jener eines Verbrechens schuldig, der einem Andern die Vertheidigung wider den unbefugten Angriff eines Dritten, oder sonst eine an sich erlaubte That aufgetragen hat, wenn von demselben bei dieser Vertheidigung die Maß der erlaubten Nothwehr, oder bei der aufgetragenen That die vorgeschriebene Grenzen überschritten worden; außer wenn die aufgetragene Art der Vertheidigung selbst sich schon über die Maß der erlaubten Nothwehr erstrecket hat.

[3, 22] §. 17. Auch in Verbrechen soll die nachgefolgte Gutheißung und Genehmhaltung desselben ebenso zu dem Ersatze des dadurch verursachten Schadens verbinden, als ob dasselbe vorhero aufgetragen worden wäre; für eine solche Gutheißung ist es aber allezeit zu halten, wenn Jemand entweder die verübte That, als ob sie von ihm selbst, oder auf seinen Befehl begangen worden wäre, ausdrücklich auf sich nimmt, oder wenn er wissentlich aus dem begangenen Verbrechen einen Nutzen ziehet.

[3, 22] §. 18. Im Gegentheil soll aber auch Derjenige, der einem Andern eine zu Beschädigung eines Dritten gereichende That aufgetragen, von der Verfänglichkeit für diese That befreiet werden, wenn er seinen Auftrag vor vollbrachter That widerrufen hat; wofern nur diese seine geänderte Gesinnung Jenem, der den Auftrag über sich genommen hätte, bevor er die That verübet hat, kund gemacht worden.

[3, 22] §. 19. Nicht minder macht sich auch Jener wegen des begangenen Verbrechenss verfänglich, der zu dessen Ausübung mit gutem Wissen einen werkthätigen Beistand leistet, es möge vor ausgeübtem Verbrechen, bei dessen Ausübung, oder nachhero geschehen sein. Zu dem vor ausgeübtem Verbrechen, wie auch bei dessen Ausübung geleisteten Beistande gehöret alles Dasjenige, wodurch Jemand auf was immer für Art etwas beiträgt, damit das Verbrechen befördert oder dessen Ausübung erleichtert werde.

[3, 22] §. 20. Für einen nach ausgeübtem Verbrechen geleisteten Beistand ist es zu halten, wenn Jemand Diebe und dergleichen böse Leute bei sich verbirgt, oder ihnen sonst Unterschleif giebt, wenn er die entwendeten Sachen ihnen wissentlich abkaufet, vertuschet oder zum Verkaufe austrägt, wenn er ihnen Gelegenheit zur Flucht verschaffet, wenn er geflissentlich unterläßt, sie zu entdecken oder anzuhalten, da es in seiner Macht gestanden, oder wenn er sonst veranläßt, daß der dem Beschädigten von dem Verbrecher gebührende Ersatz vereitelt werde.


(503) [3, 22] §. 21. Auch durch boshafte Anrathung eines Verbrechens, wofern dasselbe hernach begangen wird, macht sich Jemand desselben schuldig, und dieses ohne Unterschied, der Rath möge in einer wirklichen Ueberredung und Unterrichtung, auf was für eine Art, und bei welcher Gelegenheit das Verbrechen am besten zu vollziehen seie, oder in blosem Zureden und Aneifern zu dem Verbrechen bestanden sein. Wenn auch schon bei dem begangenen Verbrechen der gegebene Rath überschritten worden wäre, oder wenn auch der Rathgeber hernach noch vor vollbrachter That dieselbe widerrathen hat, so bleibet er dennoch, wenn das Verbrechen nach seinem ersten Rathe begangen worden, dafür verfänglich, wenn er nicht zugleich Denjenigen, auf dessen Beleidigung der Rath abgezielet, in der Zeit gewarnet, sich dafür in Acht zu nehmen.

[3, 22] §. 22. Ueberhaupt wird ein Jeder ein Mitschuldiger des Verbrechens, der in dem Falle, wo es in seiner Macht gestanden, dasselbe zu verhindern, darein williget und dasselbe zu vollziehen gestattet. Die alleinige Wissenschaft des zu begehen beschlossenen Verbrechens aber macht Niemanden zum Ersatze des andurch zugefügten Schadens verfänglich, wenn nicht auch zugleich Mittel und Wege vorhanden waren, das Verbrechen durch frühzeitige Warnung, oder auf sonst eine Art zu verhindern.

[3, 22] §. 23. Unter der dem Beleidigten gebührenden Genugthuung wollen Wir nicht nur den Ersatz des demselben zugefügten Schadens, sondern auch die demselben zukommende Strafe in jenen Fällen verstanden haben, wo das Verbrechen so beschaffen ist, daß Wir dasselbe ohne darüber eine öffentliche Strafe zu verhängen, blos mit einer dem Beleidigten zu erlegenden Geldbuße bestrafen, und in solchen Verbrechen, wodurch dem Beleidigten kein wirklicher Schaden zugefüget worden, wo Wir aber dem Verbrecher zu Handen des Beleidigten eine Geldstrafe auferlegen, soll blos diese Strafe als die dem Beleidigten gebührende Genugthuung betrachtet werden.

[3, 22] §. 24. Wenn Mehrere zusammen ein Verbrechen begangen, so wird in jenen Fällen, wo Wir für den Beleidigten zu seiner Genugthuung eine Geldstrafe ausgemessen haben, ein Jeder von den Verbrechern insbesondere zu dieser Strafe verbunden; der Ersatz des verursachten Schadens aber mag nur einmal gefodert werden. Ist derselbe nicht aus Bosheit, sondern durch eine von Mehreren zusammen begangene Nachlässigkeit oder Unvorsichtigkeit zugefüget worden, so hat ein Jeder von den Verbrechern nur für den auf ihn ausfallenden Antheil zu haften; ist aber das Verbrechen aus Bosheit verübet worden, so sind Alle sammt und sonders zum Ersatze des zugefügten Schadens verbunden.

[3, 22] §. 25. Zum Ersatze des Jemanden durch eines andern Verbrechen zugefügten Schadens können nach dem Tode des Verbrechers auch dessen Erben belanget werden, es möge ihnen aus dem Verbrechen etwas zugekommen sein oder nicht; doch haben sie für diesen Ersatz nur insoweit zu haften, als die Kräfte der Verlassenschaft zureichen. Zu Entrichtung einer dem Beleidigten gebührenden Geldstrafe aber sollen sie sonst nicht verbunden sein, als wenn der Erblasser noch bei seinen Lebzeiten wegen dieses Verbrechens gerichtlich angegangen worden.

[3, 22] §. 26. In jenen Verbrechen, wodurch nicht nur Jemand insbesondere beschädiget, sondern auch zugleich der öffentliche Ruhestand gestöret worden, auf welche Wir nach Maßgabe Unserer peinlichen Gerichtsordnung eine öffentliche Strafe gesetzet haben, kann wider den Verbrecher zugleich zu Leistung der öffentlichen Genugthuung peinlich, und zu Leistung der besonderen Genugthuung bürgerlich geklaget werden; in minderen Verbrechen aber, wo Wir ohne Verhängung einer öffentlichen Strafe es bei der besonderen Genugthuung des Beleidigten bewenden lassen, soll das peinliche Verfahren nicht statt haben.

[3, 22] §. 27. Wenn in einem Falle, wo das peinliche und bürgerliche Verfahren zusammentrifft, zuerst peinlich verfahren, und der Beschuldigte des Verbrechens


(504) überwiesen worden, so macht solches in Betreff der dem Beschädigten insbesondere gebührenden Rechtsfoderung den vollkommenen Beweis, und derselbe hat blos den Betrag der ihm gebührenden Entschädigung darzuthun, wenn dieser nicht schon bei dem peinlichen Verfahren zugleich erhoben worden; dahingegen, wenn zuerst von dem Beschädigten zu Erhaltung seiner besonderen Genugthuung geklaget, und der Beklagte durch richterlichen Spruch dazu verurtheilet worden, macht dieser Spruch, obwohl er zu Rechtskräften erwachsen wäre, in dem nachherigen peinlichen Verfahren keinen vollständigen Beweis.

[3, 22] §. 28. Die Verbindlichkeit des Verbrechers zur Entschädigung des Beleidigten erlöschet auf keine andere Art, als jene, wodurch nach Maß des fünfundzwanzigsten Capitels die Verbindungen überhaupt aufgehoben worden; die Verbindlichkeit zu der dem Beleidigten zukommenden Strafe aber, soll außer diesen Arten und nebst deme, was Wir im §. 25 geordnet haben, auch noch durch den Verlauf eines Jahres vom Tage des begangenen Verbrechens erloschen sein, wofern nicht der Beleidigte binnen dieser Zeit durch erweisliche Ehehaften an der Einbringung seiner Klage verhindert gewesen.

[3, 22] §. 29. Unter die Verbrechen, wodurch Jemand an seiner Person beleidiget wird, gehöret vorzüglich der Mord, und ein Mörder ist schuldig, nicht nur die dem Stande des Entleibten gemäße Begräbnißunkosten zu tragen, sondern auch dessen nachgelassenen Weibe und Kindern, wenn diese noch in des Entleibten Brode waren, ihren standesgemäßen Unterhalt, und wenn sie noch unerzogen sind, die Erziehungskosten abzureichen. Unsere Richter sollen also allezeit, wenn schon der Mörder rechtsflüchtig wäre, aus dessen Vermögen eine hinlängliche Summe bestimmen, aus deren Nutzungen dieser Unterhalt nach Verschiedenheit des Standes bestritten werden mag.

[3, 22] §. 30. Ist der Todtschlag mit Vorsatze, oder doch mit Wissen und Willen begangen worden, so soll dieser Betrag dem Weibe und Kindern des Ermordeten zu gleichen Theilen eigenthümlich zufallen; rühret aber der Todtschlag aus einer sträflichen Unachtsamkeit her, so soll das Eigenthum dem Mörder verbleiben, und der Wittib für die Zeit ihres Wittibstandes, den Kindern aber bis zu ihrer Großjährigkeit davon blos die Nutznießung gebühren.

[3, 22] §. 31. Wenn der Entleibte an der ihm beigebrachten Wunde nicht alsogleich, sondern erst nach einer Zeit gestorben ist, so liegt dem Mörder noch außer deme ob, die obschon vergeblich angewendeten Heilungskosten zu ersetzen. In diesem Falle wird aber der Mörder von der ihm im §. 29 aufgebürdeten Verbindlichkeit nicht befreiet, wenn schon der Verwundete erst nach der in Unserer peinlichen Gerichtsordnung ausgemessenen Zeitfrist gestorben ist, wenn es nur durch die Zeugnisse erfahrener Aerzte erprobet werden mag, daß der Tod aus der beigebrachten Wunde nothwendig erfolget seie.

[3, 22] §. 32. Ist der Entleibte ein herrschaftlicher Unterthan gewesen, so soll der Mörder schuldig sein, auch die Herrschaft wegen dieses derselben entgangenen Unterthans zu entschädigen, und in dem Falle, wo für diesen Fall durch die Landesverfassung nichts Gewisses ausgemessen ist, soll dieser Herrschaft aus dem Vermögen des Mörders so viel zugewendet werden, als die ihr durch den verübten Mord entgangenen Dienste geschätzet werden mögen.

[3, 22] §. 33. Nebst deme soll auch ein Todtschläger aller derjenigen Wohlthaten verlustig sein, die ihm von dem Entleibten durch Schankung, Vermächtniß oder Erbschaft zugeflossen sind oder zugeflossen sein würden.

[3, 22] §. 34. Zweitens, wer einen Andern aus Bosheit, Muthwillen oder sträflicher Unvorsichtigkeit verwundet, der ist schuldig, demselben sowohl die zu seiner Heilung aufgewendete Unkosten zu ersetzen, als auch ihn wegen des durch seine Verwundung ihm entgangenen Gewinns oder Verdienstes nach Ermessen des Richters zu entschädigen; der Richter soll aber in diesem Falle, und besonders wo ein


(505) Glied verstümmlet oder unbrauchbar gemacht worden, auch auf jenen Gewinn Rücksicht nehmen, dessen der Verwundete wegen dieser Beschädigung in Zukunft beraubet werden wird.

[3, 22] §. 35. Drittens, wer Jemanden wider seinen Willen mit Gewalt oder Arglist wegen eines Gewinns oder andern bösen Absicht entführet, der soll denselben nicht nur wegen alles dessen entschädigen, was er sich binnen der Zeit, da er seiner Freiheit beraubet gewesen, hätte verdienen können, sondern auch die erlittene Unbild nach einer durch richterliche Ausmessung bestimmten Schätzung ersetzen, und was er dem Entführten, um ihn zur Einwilligung in seine Entführung zu bewegen, gegeben hat, dieses mag er nicht mehr zurückfodern; wofern aber die Entführung mit freier Einwilligung des Entführten geschehen, so höret die besondere Genugthuung auf.

[3, 22] §. 36. Zu eben dieser Entschädigung und Ersatze der zugefügten Unbild soll auch Jener verbunden sein, der eine freie Person wider ihren Willen widerrechtlich aufhält, oder ohne dazu befugt zu sein, bei sich eigenmächtig in ein Gefängniß sperret; wegen Aufhaltung fremder Unterthanen aber, lassen Wir es bei deme bewenden, was desfalls nach einer jeden Landesverfassung hergebracht ist.

[3, 22] §. 37. Viertens, wer eine ehrliche Jungfrau, Eheweib oder Witwe mit Gewalt schändet, der soll den dritten Theil seines Vermögens verlieren, und dieser dritte Theil soll der geschändeten Weibsperson zu ihrer Genugthuung zugewendet werden.

[3, 22] §. 38. Fünftens, desgleichen, wenn Jemand eine wohlverhaltene Weibsperson, sie sei eine Jungfrau, Eheweib oder Wittib wider ihren Willen, und wenn sie unter des Vaters oder Vormunds Obsicht gestanden, auch wider dessen Willen mit Gewalt oder boshafter List entführet hat, so soll der Entführten, sie möge von dem Rauber geschändet worden sein oder nicht, zu ihrer besonderen Genugthuung der dritte Theil seines Vermögens zugesprochen werden; eben dieses soll auch in Ansehung Jener Platz greifen, die zu der Entführung auf was immer für Weise behilflich gewesen. Wofern aber die Entführte in ihre Entführung eingewilliget hat, so mag sie zu dieser besonderen Genugthuung keine Foderung stellen.

[3, 22] §. 39. Sechstens, wer mit einem fremdem Ehegatten die Ehe gebrochen, der soll aller Wohlthaten verlustig werden, die ihm von dem beleidigten Ehegatten durch Schankung, Vermächtniß oder Erbschaft zugekommen sind oder zukommen könnten. Der ehebrecherische Ehegatt aber soll, sowohl das Recht von dem andern Ehegatten seinen Unterhalt zu fodern, als auch alles Dasjenige verlieren, was ihm aus dem Heirathsbriefe gebühret hätte, und wenn er etwas darauf empfangen, so soll er dasselbe zurückzustellen schuldig sein. Umsomehr soll derselbe von dem durch Unser Gesetz dem unversorgten Ehegatten ausgemessenen Antheile ausgeschlossen werden; außer er könnte erweisen, daß ihm sein Vorgehen von dem andern Theile entweder ausdrücklich oder stillschweigend durch die nachherige eheliche Beiwohnung erlassen worden.

[3, 22] §. 40. Der Ehebruch der Mutter schadet jedoch den nachhero gebornen Kindern an der Rechtmäßigkeit ihrer Geburt nicht, wenn nicht durch die längere Abwesenheit des Ehemanns die Vermuthung der ehelichen Erzeugung ausgeschlossen wird; in diesem Falle ist das Kind für unehelich zu halten, und Derjenige, der mit einem fremden Eheweib den Ehebruch begangen, woraus das Kind erzeuget worden, ist schuldig, dasselbe zu erhalten.

[3, 22] §. 41. Siebentens, wer eine ledige Weibsperson mit ihrem Willen schwächet, der soll schuldig sein, selbe entweder zu ehelichen, oder mit einem angemessenen Heirathgute auszustatten, und dieses soll nach dem Stande des Vaters und dem Betrage, den derselbe seiner Tochter sonst mitgegeben haben würde, oder da der


(506) Vater gestorben oder unbemittelt wäre, nach dem Stande der Geschwächten durch richterlichen Befund bestimmt werden.

[3, 22] §. 42. Dem Beklagten soll aber die Auswahl zustehen, ob er die Geschwächte ehelichen oder ausstatten wolle; außer er hätte sie durch ein vorhergegangenes Eheversprechen in Hoffnung künftiger Ehe zum Falle gebracht, oder er wäre nicht im Stande, ihr ein anständiges Heirathgut zu geben. In diesen Fällen soll derselbe schlechterdings verbunden sein, sie zu ehelichen.

[3, 22] §. 43. Dahingegen, wenn die geschwächte Weibsperson schon vorhero mit einem Andern versprochen gewesen wäre, und dieser sie ohngeachtet ihrer Schwächung dennoch ehelichen wollte, oder wenn ihr Vater aus solchen beträchtlichen Ursachen, die sonst zu Auflösung eines ehelichen Versprechens hinlänglich wären, in ihre Heirath mit Demjenigen, der sie geschwächt hat, nicht willigen wollte, so soll die Auswahl der Ehelichung nicht mehr statt haben, und der Beklagte schuldig sein, die Geschwächte auszustatten.

[3, 22] §. 44. Wenn der Beklagte die Ausstattung der Geschwächten gewählet hat, und dieselbe noch vor einer sich ergebenden Heirath gestorben ist, so soll das Recht diese Ausstattung zu fodern, auch ihren Erben gebühren; eben dieses ist auch in jenen Fällen zu beobachten, wo der Beklagte nach Maß des §. 42 lediglich zur Ausstattung verbunden ist.

[3, 22] §. 45. Wenn hingegen der Beklagte willig ist, die Geschwächte zu ehelichen, und dieselbe, ohne eine rechtserhebliche Ursache zu haben, sich weigert, oder wenn sie ihm die ihr gebührende Genugthuung erlassen hat, so soll er ihr zu nichts mehr verbunden sein. Auch soll die Anordnung des §. 41 alsdann nicht Platz greifen, wenn die geschwächte Weibsperson zu der Unzucht selbst Gelegenheit gegeben, oder wenn sie für ihre Schwächung etwas angenommen hat, und um so minder in der gemeinen Hurerei, oder andern fleischlichen Verbrechen. In allen diesen Fällen ohne Unterschied ist jedoch in Ansehung der Schwängerung und Unterhaltung des Kinds Unsern im ersten Theile, vierten Capitel, darüber erlassenen Anordnungen nachzugehen.

[3, 22] §. 46. Unter jene Verbrechen, wodurch Jemand an seinem Vermögen beschädiget wird, sind alle Handlungen zu rechnen, durch welche Jemanden eine ihm zugehörige Sache entzogen, verdorben oder schlechter gemacht, oder sonst auf was immer für eine Art sein Vermögen vermindert wird. Doch mag der an Jemands Sache zugefügte Schaden nur alsdann für ein Verbrechen angesehen, und dessen Ersatz als eine Folge des Verbrechens gesucht werden, wenn Derjenige, bei deme der Schaden zugefüget worden, dem Beschädigten in Ansehung dieser Sache durch keinen Contract verbunden war; widrigens ist sowohl der Schaden nach den Regeln dieses Contracts zu beurtheilen, als auch dessen Ersatz durch die aus diesem Contracte herrührende Rechtsfoderung zu suchen.

[3, 22] §. 47. Zu diesen Handlungen gehöret erstens, wenn Jemand einem Andern mit oder ohne Gewalt eine ihm zugehörige Sache hinwegnimmt. Wer eine fremde Sache durch Diebstahl entwendet hat, der ist schuldig, selbe dem Eigenthümer oder Jenem, der sonst dazu eine Befugniß hat, sammt allen Zugehörungen, und den davon eingehobenen oder einzuheben unterlassenen Nutzungen zurückzustellen, auch annebst allen übrigen durch den Diebstahl zugefügten Schaden zu ersetzen. Ist die gestohlene Sache nicht mehr vorhanden, und wenn sie auch nur durch einen blosen Zufall zu Grunde gegangen wäre, so muß der Dieb deren Werth, wie selben der Eigenthümer eidlich schätzen wird, ersetzen, und in diesem Falle ist derselbe annoch schuldig, von dem beschworenen Werthe, gleichwie auch, wenn das Entfremdete in baarem Gelde bestehet, von demselben die von dem Tage der Entfremdung laufende Zinsen zu entrichten.

[3, 22] §. 48. Dieser Ersatz soll dem durch Diebstahl Beschädigten gebühren, ohne daß er zu dessen Erhaltung eine besondere Rechtsfoderung anzustrengen brauchte,


(507) sondern Unsern Richtern soll von Amtswegen obliegen, das bei einem Diebe, oder wissentlichen Verhehler vorgefundene gestohlene Gut dem Eigenthümer, wenn er das ihm daran gebührende Recht behörig darthut, alsogleich ohnentgeltlich auszufolgen, auch ihm sonst zu seiner vollständigen Entschädigung zu verhelfen.

[3, 22] §. 49. Das, was Wir im §. 47 von Diebstählen geordnet haben, soll auch in allen jenen Verbrechen statt haben, wo die geschehene Entfremdung in eine andere Art der Missethat einschlägt, als da ein Beamter oder sonst Jemand fremdes, ihm anvertrautes Gut zu seinem Gebrauche verwendet, oder sonst veruntreuet, gleichwie auch in jenen Fällen, worinnen nach Maßgabe Unserer peinlichen Gerichtsordnung durch die geschehene Entwendung eigentlich kein landgerichtliches Verbrechen begangen wird. Solche Fälle sind, wenn ein Ehegatt dem andern, Kinder den Eltern, und andere Blutsverwandte bis auf den vierten Grad sich untereinander etwas entwenden, oder wenn Einer unter mehreren Erben aus der noch ungetheilten Verlassenschaft sich etwas eigenmächtig herausnimmt.

[3, 22] §. 50. Dem wissentlichen Verhehler gestohlener Sachen liegt eben die Verbindlichkeit zur Genugthuung des Beschädigten ob, als dem Diebe selbst; wenn er jedoch nicht auch zugleich ein Mitgehilf des verübten Diebstahls gewesen, sondern von demselben blos Wissenschaft gehabt hat, so hat er bloserdings für Dasjenige zu haften, was ihm von dem gestohlenen Gute zu seinen Handen gekommen ist.

[3, 22] §. 51. Niemanden soll aber erlaubt sein, zu Erforschung seines gestohlenen Guts in fremden Wohnungen eigenmächtige Haussuchungen vorzunehmen, wenn es ihm der Inhaber der Wohnung nicht gutwillig verstattet, sondern, wenn Jemand gegründete Anzeichen zu haben vermeinet, daß das ihm gestohlene Gut irgendwo verstecket sei, so soll er selbe dem Gerichte eröffnen, und das Gericht soll nach Erwägung aller Umstände die gebetene Haussuchung auf Gefahr des Angebers veranlassen.

[3, 22] §. 52. Wer einem Andern durch gewaltsamen Raub seine Sache hinwegnimmt, der ist zu eben dem Ersatze verbunden, den Wir im §. 47 dem Diebe aufgebürdet haben; ebenso soll auch Derjenige, der sich an todten Körpern vergreift, und die Gräber beraubet, den vollständigen Ersatz des Geraubten zu leisten schuldig sein, und überhaupt soll alles Dasjenige, was Wir von Diebstählen geordnet haben, auch bei dem Raube beobachtet werden.

[3, 22] §. 53. Zweitens gehören unter diese Verbrechen alle jene Gewaltthätigkeiten, so wider Jemanden sonst zu seinem Nachtheile ausgeübet werden. Wenn Jemand einen Andern aus dem Besitze eines demselben eigenthümlich zugehörenden liegenden Guts gewaltthätig vertreibet, so haben Wir bereits im zweiten Theile, einundzwanzigsten Capitel, §. 46, angeordnet, welcher gestalten der aus dem Besitze Vertriebene in denselben alsogleich wieder eingesetzet werden solle; Wir wollen aber noch weiter verordnen, daß Niemand befugt sein solle, auch in Ansehung einer ihm eigenthümlich zugehörenden Sache, oder eines ihm zustehenden Rechts Gewalt zu brauchen.

[3, 22] §. 54. Diesem zufolge soll Derjenige, der seine eigene Sache einem Andern, zu dessen Händen sie auf rechtmäßige Weise gekommen, mit Gewalt hinwegnimmt, sein gehabtes Eigenthum zur Strafe verlieren, und die Sache Demjenigen, deme er sie hinweggenommen, wieder auszuantworten schuldig sein. Ebenso soll ein Glaubiger, welcher sich gewaltsamer Weise aus dem Gute seines Schuldners bezahlt machen will, und sich dasselbe eigenmächtig zueignet, nicht nur das Abgenommene zurückstellen, sondern auch seiner gehabten Foderung verlustig werden; wenn jedoch ein Schuldner rechtsflüchtig ist, oder wenn Jemand die gestohlene Sache dem Diebe oder Rauber selbst, oder einem Mitgehilfen, oder dem wissentlichen Verhehler mit Gewalt hinwegnimmt, so soll diese Strafe nicht statt haben.


(508) [3, 22] §. 55. Auch Jener, der den Besitz eines strittigen Guts vor dem Ausgange des Rechtsstritts mit Gewalt ergreifet, soll nebst Erstattung aller behobenen Nutzungen und verursachten Schäden alles an diesem Gute gehabte Recht verlieren. Wofern aber Jemand sich in dem rechtlichen Besitze seines eigenthümlichen Guts befindet, und einen Andern, der in dasselbe nicht gerichtlich eingeführet worden, mit Gewalt vertreibet, wird er seines Eigenthums nicht verlustig; doch kann er andurch nach Beschaffenheit der Umstände wegen der gebrauchten Gewalt verfänglich werden.

[3, 22] §. 56. Wer einem Andern in dem Besitze seines Guts, oder der ihm gebührenden Gerechtsamen gewaltthätig störet, der soll demselben allen verursachten Schaden und Unkosten ersetzen. Wenn diese gewaltthätige Störung mit solchen Umständen vergesellschaftet ist, daß sie in das Laster der öffentlichen Gewalt einschlägt, und folglich nach Maßgab Unserer peinlichen Gerichtsordnung mit einer öffentlichen Strafe anzusehen ist, so soll es in Ansehung Desjenigen, wider den die Gewalt verübet worden ist, bei dem erst angeordneten Ersatze sein Bewenden haben.

[3, 22] §. 57. Wenn hingegen die ausgeübten Gewaltthätigkeiten bei Ermanglung solcher beschwerenden Umstände keiner öffentlichen Strafe unterliegen, so soll Derjenige, der die Gewaltthätigkeit ausgeübet hat, dem Beleidigten nebst dem obgedachten Ersatze zur Strafe noch hundert Gulden erlegen, und wenn dieser Betrag nach Beschaffenheit der Umstände für keine hinreichende Genugthuung, oder nach Beschaffenheit der Personen für keine genugsame Strafe angesehen werden könnte, so sollen Unsere Gerichte die Macht haben, selben auf eine noch größere Summe zu erhöhen; im Gegentheile aber soll auch Derjenige, der einen Andern einer wider ihm verübten Gewaltthätigkeit gerichtlich beschuldiget, und sein Vorgeben nicht behörig erweisen kann, demselben zu einer gleichen Strafe verbunden sein.

[3, 22] §. 58. Zu derlei minderen Gewaltthätigkeiten gehöret, wenn Jemand in des Andern Wäldern Holz schlägt, in dessen Wässern fischet, oder ihm auf seinen Gründen sonst einen Schaden zufüget, wenn Jemand sich auf fremden Gründen ohngeachtet des ihm von dem Eigenthümer gemachten Verbots betreten läßt, wenn Jemand eines Andern Boten schlägt, fremde Briefe unterschlägt, oder ohne billige Ursache aufbricht, und alle Beeinträchtigungen fremder Gerechtsamen, sie mögen von was immer für einer Beschaffenheit sein, es sei, daß Jemand sich selbst derselben anmaßen, oder durch seine Beeinträchtigung blos den Andern beunruhigen oder behelligen wolle.

[3, 22] §. 59. Wenn Jemand einen Andern durch ungebührliche Abnöthigung und eingejagte Forcht wider seinen Willen zu etwas gezwungen hat, welches derselbe mit freien Willen niemals gethan haben würde, so daß von Seite des Einen die Forcht auf eine unrechtmäßige Art eingejaget worden, und von Seite des Andern die eingejagte Forcht rechtmäßig gewesen, so soll Alles, was dergestalten aus Forcht geschehen ist, ganz und gar ungiltig sein; ebenso, wenn Jemand seine eigenthümliche Sache einem Andern, zu dessen Händen sie auf rechtmäßige Art gediehen, oder ein Glaubiger seinem Schuldner die Bezahlung der Schuld durch unerlaubte Zwangsmittel abnöthiget, so soll die im §. 54 wider einen Solchen verhängte Strafe auch in diesem Falle Platz greifen.

[3, 22] §. 60. Für eine unrechtmäßiger Weise eingejagte Forcht soll jene gehalten werden, welche Jemanden widerrechtlicher Weise und zu dem Ende beigebracht wird, um von demselben ein Versprechen, ein Eingeständniß, eine Entsagung, oder was sonst immer zu erpressen; die Gewalt möge von Demjenigen, mit deme die nachherige Handlung gepflogen worden, oder von sonst Jemanden auf dessen Veranlassung verübet worden sein.

[3, 22] §. 61. Wenn ein Dieb, Ehebrecher oder anderer Missethäter in wirklichen Verbrechen betreten, und demselben etwas mit Gewalt abgenöthiget wird, so ist


(509) auch dieses für eine auf unrechtmäßige Weise eingejagte Forcht zu halten, und umsomehr, wenn eine obrigkeitliche Person ihr Amt dazu mißbrauchet, um von Jemanden etwas widerrechtlich zu erpressen.

[3, 22] §. 62. Dahingegen, wenn Jemand aus Forcht eines feindlichen Ueberfalls sein Haus oder andere Sachen um einen geringen Preis hintangiebt, wenn ein Reisender zu Aufbringung des von einem Rauber ihme abgenöthigten Lösegelds, dasselbe von einem Dritten entlehnet, so vermag derselbe sich unter dem Vorwande der eingejagten Forcht wider den Kaufer oder Darleiher nicht zu schützen; ebenso wenig stehet einem Schuldner, der aus Forcht der angedroheten gerichtlichen Zwangsmittel die Schuld bezahlet, die Befugniß zu, das Bezahlte zurückzufodern.

[3, 22] §. 63. Von Seite Desjenigen, deme die Forcht eingejaget worden, ist selbe nur alsdann für rechtmäßig zu halten, wenn er ein gegenwärtiges schweres und solches Uebel zu beförchten gehabt hat, worüber sich auch das standhafteste Gemüth entsetzen würde; derlei Uebel sind, der Tod, Entführung, widerrechtliche Einkerkerung, Nothzucht, gewaltsame Mißhandlung und Verlust der Güter.

[3, 22] §. 64. Für eine eitle Forcht hingegen ist es zu halten, wenn nicht ein wirklich bevorstehendes Uebel, sondern blos der Verdacht eines besorglichen Uebels vorhanden ist, oder wenn es in der Macht Desjenigen, der mit dem Uebel bedrohet worden, gestanden ist, sich wider dasselbe zu beschützen, oder wenn der Bedrohende die Macht nicht hat, das angedrohte Uebel zuzufügen. Hieher gehören Behelligungen, Nachstellungen, Schimpfungen und Antastungen an der Ehre. Ueberhaupt sind blose Drohworte keine hinlängliche Ursache einer rechtmäßigen Forcht; außer wenn deren Ausführung mit Grunde besorget werden könnte, und wenn wider die Gewalt des Drohenden kein Rettungsmittel übrig war.

[3, 22] §. 65. Auch kann Dasjenige, was aus Beisorge wegen Uebermacht eines Andern, oder aus Ehrerbietigkeit gegen die Eltern und andere Vorgesetzte geschehen ist, mit keiner rechtmäßigen Forcht entschuldiget werden, wofern nicht die Uebermacht oder die Gewalt der Eltern und Vorgesetzten mißbrauchet, und durch allzu hartes Verfahren oder unerlaubten Zwang bis zur Ungebühr erstrecket worden. In allen derlei Fällen aber soll dem Richter obliegen, vorzüglich auf die mehr oder minder starke Gemüthsbeschaffenheit Desjenigen zu sehen, deme die Forcht eingejaget worden, und nach Erwägung aller Umstände zu beurtheilen, ob die Forcht rechtmäßig gewesen oder nicht.

[3, 22] §. 66. Wer auf diese Art durch eingejagte Forcht sich zu etwas verbindlich gemacht, oder von seinem Vermögen etwas hinweggegeben, und sich des von Uns im §. 59 ihm eingestandenen Hilfsmittels bedienen will, der soll längstens binnen sechs Wochen, von dem Tage an zu rechnen, da er in Freiheit gesetzt worden die gerichtliche Hilfe anzusuchen, schuldig sein, seine Klage einzureichen, oder wenn der Vergewaltiger nicht zu Stande Rechtens zu bringen wäre, sich wider alle aus der erzwungenen Handlung über kurz oder lang zu seinem Nachtheile erregt werden mögende Ansprüche gerichtlich zu verwahren; in beiden Fällen aber liegt ihm ob, sowohl die wider ihn ausgeübte Gewalt, als den dahero erlittenen oder ihm bevorstehenden Schaden rechtsbehörig zu erweisen.

[3, 22] §. 67. Wenn der Vergewaltigte binnen dieser Zeit verstirbt, so wollen Wir dessen Erben zur Anbringung ihrer Klage oder Verwahrung von dem Tage seines Todes noch eine Jahresfrist verstatten; nach Verfließung dieser Zeit aber, oder auch binnen derselben, wenn der Vergewaltigte Dasjenige, zu welchem er durch die eingejagte Forcht genöthiget worden, nachhero auf eine von den im ersten Capitel, §. 34, berührten Arten begnehmiget hat, soll Niemand mehr mit dieser Klage gehöret, sondern Alles, was aus Zwang und Forcht geschehen zu sein vorgegeben wird, für freiwillig gutgeheißen geachtet werden.

[3, 22] §. 68. Drittens gehören unter diese Verbrechen alle Arten von Betrug, Falschheit und Arglist, wie auch alle andern Handlungen, wodurch Jemand einen


(510) Andern in Schaden versetzet hat. Eine Betrügerei wird begangen durch einen zu Jemands Schaden abgelegten falschen Eid, oder sonst gegebenes falsches Zeugniß, durch Verfälschung eines letzten Willens oder anderer Urkunden, durch den Gebrauch unrichtiger Maß und Gewichts und alle übrige Arten von Falschheit, die Wir in Unserer peinlichen Gerichtsordnung berühret haben.

[3, 22] §. 69. Ferner macht sich eines solchen Betrugs Derjenige schuldig, der zu Verkürzung seiner Glaubiger sein Vermögen veräußert oder vertuscht, der eine in wirklichem Rechtsstritte hangende Sache zum Umtriebe seines Gegentheils veräußert, der eine wissentlich schon bezahlte Schuld einfodert, der eine Sache, die ihm der Andere schuldig zu sein vermeinet, wohlwissend, daß er sie ihm nicht schuldig sei, annimmt, und der auf was immer für arglistige Art einem Andern einen Schaden zufüget, die That möge in eine besondere Art von Verbrechen einschlagen oder nicht. In allen diesen Fällen soll der Betrüger schuldig sein, dem Betrogenen eben jenen Ersatz zu leisten, den Wir im §. 47 ausgemessen haben.

[3, 22] §. 70. Wenn Jemand fremde Kinder, Dienstleute oder andere untergebene Personen zu unzulässigen Dingen verführet, so soll er schuldig sein, Demjenigen, deme daran gelegen ist, daß diese Leute nicht verführet worden wären, allen durch derselben Verführung verursachten Schaden zu ersetzen, oder in dem Falle, wo dieser Schaden nicht geschätzet werden könnte, eine nach richterlichem Ermessen bestimmte Genugthuung zu leisten.

[3, 22] §. 71. Wenn Jemand den Erfolg einer Bedingniß, an deren Erfüllung dem Andern gelegen ist, arglistiger Weise oder auch aus bloser Schuld verhindert, wofern er nur den dem Andern aus dem Erfolg dieser Bedingniß bevorstehenden Vortheil gewußt hat, so soll derselbe, wenn der Erfolg der Bedingniß außer der von ihm gemachten Hinderniß ungezweifelt gewesen wäre, dem Andern allen dadurch erlittenen Schaden ersetzen; außer wenn die Erfüllung der Bedingniß auf seiner eigenen Willkür beruhet, oder er sonst sich dabei seines Rechts bedienet hätte.

[3, 22] §. 72. Wenn ein Richter auf Anrufung der Partei die Rechtspflege verweigert oder geflissentlich zur Ungebühr verzögert, so soll derselbe demjenigen Theile, der durch seine Verweigerung oder Verzögerung an seinem Rechte verkürzet worden, den doppelten Werth des erlittenen Schadens zu ersetzen schuldig sein.

[3, 22] §.73. Wenn Jemand in einem Rechtshandel seinen Gegentheil aus Gefährde und Muthwillen durch allerhand Umtriebe herumziehet, und an seinem Rechte aufhält, oder bei seiner Obrigkeit fälschlich angiebt und verleumdet, so soll derselbe ihm zum Ersatze aller andurch verursachten Schaden und Unkosten verbunden sein, und wenn er denselben zugleich durch boshafte Verleumdungen an seiner Ehre angegriffen, so ist er annoch nach Maß Unserer im §. 89 nachfolgenden Anordnungen zu bestrafen.

[3, 22] §. 74. Zu einem gleichmäßigen Ersatze aller verursachten Schäden und Unkosten ist auch ein Richter, der sich bestechen lassen, eine Partei, die den Richter bestochen hat, und ein Rechtsfreund, der beiden Parteien zugleich dienet, oder zum Nachtheil seiner Partei mit dem Gegentheile öffentliche oder heimliche Einverständniß pfleget, verbunden; was aber in diesen Fällen, gleichwie auch in den übrigen Verbrechen, für noch weitere Strafen Platz greifen sollen, desfalls wollen Wir Uns auf Unsere peinliche Gerichtsordnung ausdrücklich berufen haben.

[3, 22] §. 75. Wenn ein Richter Jemanden unbilliger Weise an seinen Gerechtsamen verkürzet hat, so ist darauf zu sehen, ob der widerrechtliche Vorgang des Richters in einer blosen auf einseitiges Anrufen ergangenen Veranlassung, oder in einem gefällten ordentlichen Urtheile bestehe. Im ersten Falle soll der andurch verkürzte Theil befugt sein, bei dem oberen Richter, deme der beklagte untere Richter in dem Umfange seiner Gerichtsbarkeit unterworfen ist, wider denselben die Rechtsfoderung zum Ersatze seines durch dessen Gefährde oder Unerfahrenheit erlittenen


(511) Schadens auf Erstattung aller verursachten Unkösten anzubringen, und wenn der obere Richter das Vorgeben des Klägers gegründet findet, so soll er ihm Beides zusprechen.

[3, 22] §. 76. Wenn aber ein Richter durch ein förmliches Urtheil Jemanden an seinen Gerechtsamen verkürzet hat, so soll dieser schuldig sein, den ihm gebührenden Ersatz durch Ergreifung des ordentlichen Rechtszugs an den oberen Richter mit allen in Unserer Gerichtsordnung dabei vorgeschriebenen Erfodernissen anzusuchen; widrigens, und wenn das Urtheil zu Rechtskräften erwachsen, soll dasselbe auch dabei erhalten, und die Frage, ob wohl oder übel gesprochen worden, nicht mehr berühret werden.

[3, 22] §. 77. Wenn der obere Richter bei dem an ihn genommenen ordentlichen Rechtszuge die angebrachte Unbilligkeit des von dem unteren Richter geschöpften Urtheils erkennet, so soll derselbe in dem Falle, da die Sache durch Umänderung des ersten Urtheils nicht mehr in den vorigen Stand hergestellet werden kann, den untern Richter alsogleich und, ohne eine besondere Rechtsfoderung zu veranlassen, zum Ersatze des dem verkürzten Theile zugefügten Schadens verurtheilen.

[3, 22] §. 78. In jenem Falle, wo das untere Gericht aus mehreren Mitgliedern bestehet, sollen nur diejenigen Glieder zu dem Ersatze des verursachten Schadens verbunden sein, die nach Ausweis des Gerichtsprotokolls zu der widerrechtlichen Veranlassung oder Urtheile ihre Stimme gegeben haben, nicht auch jene, welche dazumal abwesend, oder einer anderen Meinung waren; welcher gestalten aber ein Jedes von den schuldigen Mitgliedern zu diesem Ersatze verbunden werde, ist aus der im §. 24 gesetzten allgemeinen Richtschnur zu ersehen.

[3, 22] §. 79. Wenn Jemand eines Andern Sache beschädiget, oder durch deren Vernichtung, Verderbung oder Verletzung ihren Werth geschmälert hat, und das begangene Verbrechen von der Art ist, daß es nach Maß Unserer peinlichen Gerichtsordnung eine öffentliche Genugthuung erfodert, so ist der Schaden auf die daselbst geordnete Art zu erheben und zu schätzen; in andern Verbrechen hingegen soll der an der Sache verursachte Schaden, wenn er durch Einnehmung des Augenscheins geschätzet werden kann, allezeit durch dieses Mittel erhoben, und der Beschädigte sonst niemals zu dessen eidlicher Schätzung zugelassen werden, als wenn der Schaden durch Einnehmung des Augenscheins nicht geschätzet werden mag.

[3, 22] §. 80. Der Beschädigte soll aber schuldig sein, die Einnehmung des Augenscheins zu einer solchen Zeit anzusuchen, wo der verursachte Schaden noch ersichtlich ist; widrigens, wo wegen dessen Unterlassung die Sache sodann ein andere Gestalt angenommen, oder in einen solchen Stand versetzet worden, daß der Schaden durch Einnehmung des Augenscheins nicht mehr erhoben werden könnte, soll derselbe mit seiner Klage nicht mehr gehöret, noch weniger ihm die eidliche Schätzung gestattet werden.

[3, 22] §. 81. Die Einnehmung des Augenscheins und Schätzung des verursachten Schadens soll in den Städten von jener Gerichtsstelle, worunter die Sache gehöret, und auf dem Lande von den Ortsobrigkeiten, welche die Gerichtsbarkeit haben, oder von den Kreisämtern vorgenommen werden; allezeit aber sind dazu zwei unparteiische erfahrene Leute zuzuziehen, und wenn sie nicht vorhin schon beeidiget sind, eigends dahin zu beeidigen, daß sie diese Schätzung nach ihrem besten Wissen und Gewissen vornehmen wollen.

[3, 22] §. 82. Niemand ist jedoch schuldig, die wirkliche Zufügung des ihm an seiner Person, oder an seinem Vermögen von einem Anderen bevorstehenden Schadens abzuwarten, wenn er denselben abwenden kann, sondern einem Jeden stehet die Befugniß zu, sich wider den unbefugten Angriff eines Anderen sowohl durch gerichtliche als eigenmächtige Hilfsmittel zu schützen.

[3, 22] §. 83. Auf was für eine Art Jemand in einigen gewissen Fällen durch Anrufung der gerichtlichen Hilfe sich wider den ihm von einem Andern bevorstehenden


(512) Schaden verwahren könne, haben Wir bereits im zweiten Theile, einundzwanzigsten Capitel, angeordnet; außer deme aber soll ein Jeder, der von einem Andern entweder eine persönliche Beleidigung oder eine Beschädigung an seinem Vermögen mit Grunde zu beförchten hat, und dieses zu beweisen im Stande ist, das Recht haben, denselben bei Gerichte zu Leistung einer hinlänglichen Sicherheit zu belangen, daß er ihn nicht beleidigen oder beschädigen wolle.

[3, 22] §. 84. Diese Befugniß soll jedoch nur alsdann Platz haben, wenn wider Jemanden wahre ernstliche, gefährliche, und auf eine bestimmte Beleidigung oder Beschädigung abzielende Drohungen ausgestoßen worden, und wenn Derjenige, der solche Drohungen ausgestoßen hat, annebst ein solcher ist, von deme die Erfüllung seiner Drohungen erwartet werden kann. Wenn hingegen Jemand einem Andern blos aus Scherze oder Uebereilung, in der Trunkheit, oder aus Ruhmsucht gedrohet, oder wenn die Drohung, ohne auf eine gewisse Beleidigung zu zielen, blos in allgemeinen Worten bestanden, so mag deswegen keine Sicherheit gefodert werden, wenn nicht aus andern hinzutretenden Umständen der ernstliche Vorsatz, dem Andern zu schaden, sich entdecket.

[3, 22] §. 85. Wenn die angegebenen Drohungen von dem Kläger behörig erwiesen worden, so soll das Gericht nach billigem Ermessen den Betrag der Sicherstellung bestimmen, und den Beklagten so lange in gerichtlicher Verwahrung behalten, bis derselbe durch anständige Bürgen, Verschreibung oder Erlegung eines Unterpfands diese Sicherheit geleistet hat; zur eidlichen Angelobung aber ist derselbe sonst nicht zuzulassen, als wenn er weder mit Bürgen, noch mit einem Unterpfande aufzukommen im Stande ist.

[3, 22] §. 86. Eigenmächtige Hilfsmitteln wider Nachstellungen und Anmaßungen böser Leute, insoweit sie ohne Gewalt und ohne Verletzung des Andern vorgekehret werden können, sind zu allen Zeiten erlaubt; wofern selbe aber gewaltthätig sind, und zur Verletzung des Andern gereichen, sollen sie nur in jenem Falle zulässig sein, wo die dringende Gefahr Jemanden nicht gestattet, seine Person und Vermögen durch Anrufung der gerichtlichen Hilfe oder auf eine andere ohnschädlichere Art zu retten.

[3, 22] §. 87. Doch auch in diesem Falle soll die eigenmächtige Gegenwehr nur insoweit erlaubet sein, als selbe die behörige, in Unserer peinlichen Gerichtsordnung vorgeschriebene Maß einer redlichen Nothwehr nicht überschreitet, und vorzüglich insoweit zwischen der bevorstehenden Beleidigung oder Beschädigung und der dagegen vorgekehrten Vertheidigung alle mögliche Gleichheit beobachtet worden, das ist, wenn dem Angreifer durch die Vertheidigung kein größerer Schaden zugefüget worden, als der Angegriffene durch die Beleidigung zu beförchten hätte.

[3, 22] §. 88. Niemand soll also befugt sein, einen bei Tageszeit betretenen Dieb, Rauber, oder anderen dem Vermögen nachstellenden Verbrecher, wenn ihm von demselben nicht auch zugleich eine Lebensgefahr bevorgestanden, zu entleiben; bewaffnete Rauber oder zur Nachtzeit eingebrochene Diebe aber mögen ohnverschuldeter Weise entleibet werden. Wenn jedoch auch die Grenzen der erlaubten Nothwehr überschritten worden, und diese Ueberschreitung nach Anordnung Unserer peinlichen Gerichtsordnung einer öffentlichen Strafe unterliegt, so soll doch der unrechtmäßige Angreifer nach Maß des §. 7 wegen des aus seiner eigenen Schuld an seinem Leibe oder Gute erlittenen Schadens zu einer besonderen Genugthuung keine Foderung zu stellen berechtiget sein.

[3, 22] §. 89. Zu den Verbrechen gehören auch die Jemanden angethane Unbilden. Unter diesen aber sollen alle unerlaubte Handlungen begriffen sein, welche zu eines Andern Verachtung oder Verkleinerung begangen werden, sie mögen in ausgestoßenen Worten, in thätlichen Beleidigungen oder in ausgestreuten Schriften bestehen.


(513) [3, 22] §. 90. Durch Worte wird Jemanden eine Unbild zugefüget, wenn wider ihn Schimpf- oder Scheltworte ausgestoßen, oder ihm natürliche Gebrechen auf eine schimpfliche Art vorgeworfen werden, wenn ihm die Rechtmäßigkeit seiner Geburt, die Vorzüglichkeit seines Standes und Ansehens widersprochen wird, wenn ihm in Ansehung seiner Tugend und Sittsamkeit, seines wohlverhaltenden Lebenswandels, der Gesundheit des Leibs, oder seiner Vermögensumstände etwas Nachtheiliges nachgeredet, oder sonst was immer wider ihn ausgesprenget wird, was ihm bei Andern zu Verringerung seines guten Namens, Ansehens, Credits oder sonst zur Verächtlichkeit gereichen könnte.

[3, 22] §. 91. Durch eine That wird Jemand beschimpfet, nicht nur wenn er an seiner Person durch wirkliche Vergreifung mißhandlet wird, sondern auch, wenn auf ihn das Gewehr gezogen, ihm aufgepasset oder nachgestellet wird, wenn er durch Aufhebung des Stocks oder der Hand mit Schlägen bedrohet, mit Unreinigkeiten beworfen, oder auf eine andere Art verspottet oder verhöhnet wird, wenn die Ehrbarkeit wohlverhaltener Frauenspersonen, sie seien verheirathet oder unverheirathet, durch Nachgehen, unzüchtige Reden, Geberden oder Anmuthungen wider ihren Willen angegriffen wird, oder wenn sonst Jemand in dem Gebrauche seiner Rechte, Freiheiten oder Vorzüge widerrechtlich aus Muthwillen, Rachbegierde oder Hochmuth eines Andern gestöret und verhindert wird.

[3, 22] §. 92. Zu schriftlichen Beschimpfungen gehöret Alles, was zu Jemands Verkleinerung geschrieben oder in anzüglichen Liedern, Gemälden oder sonst vorgestellet wird; insbesondere aber sind darunter Schmähschriften und Schandbriefe zu zählen, nemlich, wenn Jemanden eine Missethat, welche die Ehrlosigkeit nach sich ziehet, in öffentlich angehefteten oder ausgestreuten Schriften, Gemälden oder andern derlei anzüglichen Vorstellungen vorgeworfen wird, der Verfasser möge seinen Namen dazu gesetzet haben oder nicht, und in diesem Falle macht sich nebst dem Verfasser auch ein Jeder dieses Verbrechens schuldig, der solche Lästerschriften wissentlich ausbreitet, oder da sie ihm zu Handen gekommen, nicht alsogleich unterdrücket.

[3, 22] §. 93. Durch derlei Handlungen wird jedoch nur alsdann Jemand an seiner Ehre beschimpfet, wenn von Seite des Andern der wirkliche Vorsatz ihn zu beleidigen vorhanden ist; wenn hingegen etwas aus Scherze geredet, gethan oder geschrieben wird, so ist es keine Beschimpfung, insolang Derjenige, mit deme der Scherz getrieben wird, nicht zu erkennen giebt, daß er denselben nicht länger leiden wolle.

[3, 22] §. 94. Wenn auch ein Mann sein Weib, ein Vater seine Kinder, ein Herr seine Dienstleute, oder sonst ein Vorgesetzter seine Untergebenen schmähet und schimpfet, oder wenn Jemand, deme das Recht, Andere zu züchtigen, zustehet, dieselbe züchtiget, so mag dieses nicht für ein Unbild gehalten werden; doch machen sich Richter und Obrigkeiten dieses Verbrechens allerdings schuldig, wenn sie zu Jemands vorsätzlicher Beleidigung oder widerrechtlicher Kränkung ihre Gewalt mißbrauchen.

[3, 22] §. 95. Ebenso ist Jenes für keine Beschimpfung anzusehen, was von Jemanden zu seiner eigenen Vertheidigung vorgekehret wird. Wenn dahero in einem Rechtsstreite ein Theil wider die von dem Gegentheile vorgebrachte Zeugen, um selbe von dem Zeugnisse auszuschließen, etwas ihrer Ehre Nachtheiliges einwendet, oder den Richter einer verdächtlichen Parteilichkeit beschuldiget, so macht er sich dieses Verbrechens nicht schuldig, wofern er sein Vorgeben zu erweisen im Stande ist.

[3, 22] §. 96. Außer deme aber kann sich Niemand durch die Wahrheit des einem Andern vorgeworfenen Lasters oder Gebrechens entschuldigen, wofern die Absicht, denselben zu beschimpfen, dabei vorhanden gewesen; es wäre dann, daß der Beschimpfte, wegen des ihme vorgeworfenen Lasters durch gerichtliches Urtheil für


(514) ehrlos erkläret, und von Uns zu seiner vorigen Ehre nicht wieder hergestellet worden, oder daß durch den gemachten Vorwurf ein verborgen gewesenes gemeinschädliches Verbrechen entdecket würde.

[3, 22] §. 97. Dieses Verbrechen kann nicht nur wider einzelne Personen, sondern auch wider ganze Familien und Gemeinden, wider Gegenwärtige und Abwesende, wider Bekannte und Unbekannte begangen werden, wofern nur der Beschimpfte entweder mit Namen genennet, oder durch Zeichen angedeutet, oder sonst aus den Umständen kennbar gemacht worden. Wenn aber Jemand, ohne eine gewisse Person zu meinen, überhaupt Scheltworte und Lästerungen ausstößt, so mag er zwar nach Gestalt der Sache als ein Störer der Ruhe und unfriedlicher Mensch bestrafet werden, doch ist Niemand insbesondere befugt, ihn wegen einer erlittenen Beschimpfung zu belangen.

[3, 22] §. 98. Auch Kinder, Wahnwitzige und andere solche Personen können beschimpfet werden, die nicht fähig sind, die ihnen zugefügte Beleidigung zu empfinden, wofern nur von ihnen vermuthet werden kann, daß, wenn sie Dasjenige, was gehandlet wird, verstünden, sie sich andurch für beleidiget halten würden; nicht minder kann auch einem Verstorbenen eine Unbild angethan werden, wenn entweder wider ihn etwas Schimpfliches geredet oder geschrieben, oder wenn der verblichene Leichnam selbst beschimpfet wird.

[3, 22] §. 99. Der Irrthum in der Person des Beleidigten kann nur alsdann von diesem Verbrechen entschuldigen, wenn der Beleidiger entweder eine ihm untergebene, oder eine solche Person vor sich zu haben vermeinet hat, die dergleichen Begegnungen von ihm in Scherz aufzunehmen gewohnt ist, und wenn zugleich am Leibe oder Gute kein Schaden zugefüget worden; widrigens, wenn der wahre Vorsatz, Jemanden zu beleidigen, vorhanden gewesen, wird derselbe sowohl Jenem, den er aus Irrthum beleidiget hat, als dem Andern, den er beleidigen wollen, verfänglich, wenn dieser Letztere erweisen kann, daß die That auf ihn gerichtet gewesen.

[3, 22] §. 100. Einem Jeden, der von einem Andern beschimpfet worden, stehet frei, ob er die empfangene Unbild ahnden wolle oder nicht, und Wir wollen Kraft dieses Unseres Gesetzes für allgemein anordnen, daß Niemanden durch eine ihm angethane Beschimpfung, sie möge beschaffen sein, wie sie wolle, an seiner Ehre und guten Namen etwas entgehen, noch weniger dem Beleidigten, wenn er die erlittene Unbild großmüthig verzeihet und ungeahndet läßt, dadurch an seiner Ehre, Würde, Stande und Ansehen der mindeste Abbruch oder Nachtheil zugezogen, sondern derselbe nach wie vor in aller Betrachtung für einen ehrlichen und wohlverhaltenen Mann geachtet werden solle.

[3, 22] §. 101. Wofern hingegen Jemand zu Verachtung dieses Unseres Gesetzes sich erfrechet, dem Beleidigten die erlittene Beschimpfung vorzurücken, oder sich der Gemeinschaft mit ihm, es sei in gemeinschaftlicher Dienstleistung, Amtsverrichtung, Handwerksarbeit oder sonstigen Zusammenkünften zu entäußern, oder wohl gar denselben zu eigenmächtiger Rächung der Unbild an dem Beleidiger anzureizen, oder Rathschläge dazu zu ertheilen, der soll nicht nur als ein Mitschuldiger der Beleidigung angesehen, sondern auch nach Gestalt der Sache als ein solcher, der durch Anhetzung, Anrathung oder andere Anleitung zu Raufhändeln und Schlägereien Anlaß gegeben, mit den in Unserer peinlichen Gerichtsordnung darauf ausgesetzten Strafen ohne alle Nachsicht beleget werden.

[3, 22] §. 102. Doch soll auch Niemanden verwehret sein, zu Abwendung einer von ihm bei Andern etwa erregten üblen und verächtlichen Meinung, und eines wider ihn entstehen mögenden ungegründeten Verdachts seine durch Schmähungen, Verleumdungen und andere Unbilden angegriffene Ehre ohngekränkt und aufrecht zu erhalten, und ein Jeder, der einem Andern eine Unbild zugefüget hat, ist schuldig, demselben die zugefügte Beleidigung zu ersetzen; allein Niemand ohne allen


(515) Unterschied, von was für einem Stande er auch immer seie, soll sich unter den in Unserer peinlichen Gerichtsordnung darauf verhängten Strafen gelüsten lassen, sich wegen seiner von einem Andern angegriffenen Ehre durch Herausfoderungen und Absagungen eigenmächtige Genugthuung zu verschaffen.

[3, 22] §. 103. Auch soll Niemand befugt sein, den Beschimpfenden wieder zu beschimpfen, oder die ihm angethane Beleidigung durch eine ähnliche dem Beleidiger angethane Beleidigung zu rächen. Nur in dem alleinigen Falle soll eine solche eigenmächtige Ehrenrettung ungeahndet bleiben, wenn Jemand von einem Andern mit Worten geschmähet worden, und er alsofort die wider ihn ausgestoßene Schmähworte auf den Beleidiger zurückschiebet, dergestalten, daß er ihn nicht weiter schmähet, als was zu Entkräftung des ihm gemachten Vorwurfs nothwendig ist. Würde hingegen diese Maß überschritten, oder es von Worten gar zu Thätlichkeiten kommen, oder der Beleidiger erst in einer Zeit nach ausgestoßener Schmähung von dem Beleidigten wieder geschmähet werden, so soll Einer wie der Andere nach Maß der gebrauchten Schmähworte, oder der sonst zugefügten Beleidigung gestrafet werden.

[3, 22] §. 104. Wer von einem Andern eine Unbild erlitten hat, der soll berechtiget sein, denselben zu Leistung des ihm schuldigen Ersatzes und zu Bestrafung seines Verbrechens gerichtlich zu belangen; dieser Ersatz soll aber allezeit nach Beschaffenheit der Unbild in einer gerichtlichen Ehrenerklärung, Abbitte oder Widerrufung des Beleidigers bestehen, und wenn der Beleidigte geschlagen, verwundet, oder sonst an seiner Person mißhandlet worden, soll der Beleidiger noch außer deme schuldig sein, demselben eine nach richterlichem Befunde ausgemessene Geldstrafe zu erlegen.

[3, 22] §. 105. Wenn Jemand einem Andern zum Ersatze der von ihm empfangenen Unbild belangen will, so muß er sowohl die erlittene Unbild erweisen, als daß bei dem Beklagten der Vorsatz ihn zu beleidigen vorhanden gewesen sei. Wofern jedoch die Handlung schon an sich selbst ehrenverletzend ist, oder der Vorsatz zu beleidigen sich aus den Umständen veroffenbaret hat, so soll dem Beklagten der Beweis obliegen, daß er den Kläger nicht habe beleidigen wollen; in diesem Falle aber kann derselbe sich weder durch die beigefügte Ehrenverwahrung, wenn die vorgenommene That derselben zuwider ist, noch auch durch die Wahrheit des vorgeworfenen Gebrechens oder Lasters entschuldigen.

[3, 22] §. 106. Wenn der Beklagte vorgeben wollte, die wider den Kläger ausgestoßene Schmähung von sonst Jemanden gehöret zu haben, so soll ihm dieses onst (= sonst) nicht helfen, als wenn er sich zu eben der Zeit, da er die Schmähung ausgestoßen, auf diesen seinen Gewährsmann berufen hat, und wenn er nachhero denselben zu seiner Vertretung bei Gerichte stellet. Ihm soll also erlaubet sein, seinen Gewährsmann, wenn er unter eben dem Gerichtsstande stehet, gerichtlich vorzuladen, oder wenn er unter eine andere Gerichtsbarkeit gehöret, durch zwei redliche Männer befragen zu lassen, ob er dessen, was er wider den Kläger geredet, geständig sei, oder nicht, und wenn derselbe dieses entweder eingestehet, oder, da er es widerspricht, oder keine deutliche Antwort geben wollte, dessen gerichtlich überführet wird, so soll der erste Beklagte andurch von aller Verbindlichkeit befreiet, der Gewährsmann aber dem Kläger zu seiner Genugthuung verbunden sein.

[3, 22] §. 107. Dahingegen, wenn der Beklagte wider den Gewährsmann nichts erweisen kann, oder wenn er sich auf einen Verstorbenen, Abwesenden oder Unbekannten bezogen hätte, den er zu seiner Vertretung zu stellen nicht vermag, oder wenn er sich nicht zur Zeit der ausgestoßenen Schmähworte, sondern erst hernach auf einen Anderen berufen hat, mag er sich andurch von der Klage nicht entledigen; wenn jedoch in dem letzten Falle Derjenige, auf welchen der Beklagte sich


(516) berufen hat, die Schmähung eingestehet; so ist der Beleidigte befugt, auch wider diesen eine Klage zu erheben.

[3, 22] §. 108. Die Befugniß, wegen einer erlittenen Unbild Genugthuung zu fodern, soll auch alsdann gebühren, wenn Jemanden die Beleidigung nicht unmittelbar in seiner eigenen Person, sondern in jenen Personen, die seinen Schutz untergeben sind, zugefüget worden, als dem Vater in der Person seiner Kinder, dem Ehemanne in der Person seines Weibes, dem Bräutigam in der Person seiner Braut, oder dem Erben in der Person des Erblassers; doch soll dieses Recht blos auf diese benannte Personen beschränket, auf andere aber, obgleich noch so nahe verwandte Personen, wie auch auf Herrn und Obrigkeiten in Ansehung der ihren Dienstleuten oder Unterthanen zugefügten Beleidigungen nicht erstrecket werden.

[3, 22] §. 109. Wenn jedoch die einem Anverwandten angethane Beleidigung von der Beschaffenheit ist, daß dadurch die ganze Verwandtschaft beschimpfet wird, so mag ein Jeder, der von der Verwandtschaft ist, deswegen Genugthuung fodern; eben dieses Recht stehet auch den Herrn und Obrigkeiten alsdann zu, wenn ihre Dienstleute oder Unterthanen in Verrichtung des ihnen aufgetragenen Geschäfts geschmähet, geschlagen oder sonst mißhandlet werden, oder wenn es sonst aus den Umständen erhellet, daß die den Dienstleuten oder Unterthanen angethane Beschimpfung auf den Herrn oder die Obrigkeit gerichtet gewesen.

[3, 22] §. 110. Der Richter soll allezeit gleich nach eingebrachter Klage zwischen den streitenden Theilen einen gütlichen Vergleich und Aussöhnung zu Stande zu bringen sich angelegen sein lassen, und wenn der erste Versuch nichts fruchtete, denselben vor Ausspruch des Urtheils nochmals wiederholen; in dem gefällten Urtheile aber soll derselbe allezeit sowohl den Kläger als den Beklagten an ihrer Ehre verwahren, und überhaupt soll dem Beklagten die entweder freiwillig, oder in Folge des ergangenen Urtheils gethane Abbitte, Ehrenerklärung oder Widerrufung an seiner Ehre unnachtheilig sein.

[3, 22] §. 111. Bei der Bestrafung dieses Verbrechens soll der Richter auf die mehr oder mindere Schwere der zugefügten Unbild sehen, und zu dieser Beurtheilung die Umstände der Personen, der Zeit, des Orts und der That zum Grunde legen. Ist der Beleidigte an Stande und Würden über den Beleidiger erhaben, so ist die Unbild schwerer, als wenn Beide gleiches Standes, oder gar der Beleidiger eines höheren Standes ist, als der Beleidigte. Jene Unbild ist schwerer, die Jemanden an einem ansehnlichen Orte oder in Gegenwart vieler Leute angethan wird, als wenn es insgeheim, oder vor wenigen Leuten geschiehet. Thätliche Beleidigungen sind gemeiniglich schwerer, als welche mit Worten begangen werden, und in einer jeden Art ist die erlittene Unbild für desto schwerer zu halten, je empfindlicher sie dem Beleidigten hat fallen müssen, und je mehr dessen Ehre oder Ansehen andurch gekränket worden.

[3, 22] §. 112. Bei geringeren Unbilden, worunter insgemein Schmäh- und Schimpfreden zwischen Leuten gleiches Standes, oder wo der Beleidiger höheren und der Beleidigte niedrigen Standes ist, zu rechnen sind, soll der Beleidiger nach Ermessen des Richters mit Gefängniß auf drei oder weniger Monate bestrafet werden; bei schweren Unbilden hingegen, zu welchen alle jene gehören, wobei Schlägereien, Raufhändel und dergleichen Thätlichkeiten unterlaufen, oder wo ein niedriger Mensch eine in Würden und Ansehen stehende Person mit Worten oder sonst geschimpfet, oder wo sonst bei der angethanen Beschimpfung beschwerende Umstände vorhanden sind, soll die Gefängnißstrafe auf ein oder mehrere Jahre erstrecket, auch nach Beschaffenheit der Umstände eine noch schärfere Strafe verhänget, und diese Strafe besonders in jenem Falle, wo der Beleidiger dem Beschimpften nach Maß des §. 104 eine Geldbuße zu zahlen schuldig wäre, dieselbe aber zu erlegen außer Stande ist, umsomehr verschärfet werden.


(517) [3, 22] §. 113. Bei ausgestreuten Schmähschriften und Schandbriefen soll nach Anordnung Unserer peinlichen Gerichtsordnung verfahren, und wider die Verbrecher mit den daselbst ausgemessenen Strafen vorgegangen, der Beleidigte aber von dem Richter jedesmal in dem Urtheile an seiner Ehre und guten Namen wider alle Verleumdung auf das kräftigste geschützet werden.

[3, 22] §. 114. Wenn der Beleidiger vor der wider ihn eingebrachten gerichtlichen Klage verstirbt, so soll dessen Verbindlichkeit aus diesem Verbrechen ganz und gar erloschen sein; nach eingebrachter Klage hingegen soll zwar durch den erfolgten Tod des Beleidigers dessen Verbindlichkeit zur Abbitte, wie auch die Strafe aufhören, allein zur Genugthuung des Beleidigten soll der Richter die demselben zugefügte Unbild mit Erwägung aller Umstände auf einen gewissen Betrag an Gelde schätzen, und diesen dem Beleidigten aus der Verlassenschaft des Beklagten zusprechen.

[3, 22] §. 115. Ebenso, wenn der Beleidigte vor eingereichter Klage verstirbt, sollen dessen Erben nicht mehr befugt sein, deswegen eine Klage zu erheben; wofern hingegen der Tod des Beleidigten erst nach eingebrachter Klage erfolget, oder die Beleidigung dem bereits verstorbenen Erblasser widerfahren wäre, so stehet den Erben nichts im Wege, die Klage fortzusetzen oder selbst zu erheben.

[3, 22] §. 116. Auch soll eine Beleidigung alsdann nicht mehr geahndet werden können, wenn der Beleidigte selbe entweder gleich dazumal, da sie ihm widerfahren, nicht zu Gemüthe gezogen, oder hernach, es sei ausdrücklich oder stillschweigend, erlassen hat; doch schadet es dem Beleidigten an seiner Befugniß zu klagen nicht, wenn er schon bei der erlittenen Beschimpfung kein Merkmal der Empfindlichkeit geäußert, oder gar dazu stillgeschwiegen, sondern nur, wenn er die Sache für Scherz aufgenommen, sein Wohlgefallen darüber bezeiget, oder sonst ein Zeichen des Beifalls von sich gegeben hat.

[3, 22] §. 117. Eine stillschweigende Erlassung der erlittenen Unbild soll jedesmal vermuthet werden, wenn nachhero zwischen dem Beleidigten und dem Beleidiger solche Handlungen vorgegangen, woraus eine zwischen denselben erfolgte Aussöhnung geschlossen werden mag, als da der Beleidigte den Beleidiger freundschaftlich umarmet, bei sich bewirthet, oder den vorhero mit demselben gepflogenen vertrauten Umgang freiwillig fortsetzet; was hingegen die dem Beleidigten mit dem Beleidiger zugleich obliegende Amtsverrichtungen oder sonstige Verbindlichkeiten, ihre Mitgenossenschaft oder auch die Wohlanständigkeit erfodern, dieses mag dem Beleidigten an seinem Rechte keinen Nachtheil zuziehen.

[3, 22] §. 118. Die empfangene Unbild möge aber ausdrücklich durch Aussöhnung, Vergleich oder auch stillschweigend erlassen worden sein, so soll dieses beiden Theilen an ihrer Ehre im geringsten nicht abbrüchig sein, sondern eine solche freiwillige Erlassung eben die Kraft und Wirkung haben, als ob beide Theile durch richterliches Urtheil ausdrücklich an ihrer Ehre verwahret worden wären.

[3, 22] §. 119. Wenn eine empfangene Beleidigung einmal erlassen worden, so kann diese Erlassung nicht mehr widerrufen werden, wenn schon die von dem Beleidiger dafür zu leisten versprochene Genugthuung nicht geleistet würde; ebenso kann auch die bereits erlassene Unbild wegen einer neuen dem Beleidigten zugefügten Unbild nicht wieder aufgewecket werden. Wofern jedoch dem Beleidigten nebst der erlittenen Beschimpfung auch an seinem Vermögen ein Schaden zugefüget worden, so mag die Erlassung der Unbild auf die gebührende Entschädigung nicht erstrecket werden, wenn nicht auch diese zugleich ausdrücklich nachgesehen worden, und in dem Falle, wo durch die angethane Unbild Mehrere zusammen beleidiget worden, stehet die Erlassung des Einen dem Andern nicht im Wege, dafür in seinem Namen noch Genugthuung zu fodern.

[3, 22] §. 120. Ferner soll auch Niemand wegen einer erlittenen Unbild mit einer Klage mehr gehöret werden, wenn er von dem Tage an, da er die Beleidigung


(518) in Erfahrung gebracht, ein Jahr verstreichen lassen, ohne die Klage zu erheben; hätte jedoch der Beleidigte den Beleidiger binnen dieser Zeit nicht zum Stande Rechtens bringen können, so soll ihm die Befugniß, hernach zu klagen, nur alsdann bevorbleiben, wenn er vor Verfließung des Jahrs eine Verwahrung seines Rechts bei Gerichte eingebracht hat.

[3, 22] §. 121. Nicht minder soll Derjenige das Recht, eine gerichtliche Genugthuung zu fodern, verloren haben, der sich auf die im §. 103 berührte Art eigenmächtig Genugthuung verschaffet hat, er möge dabei die von Uns in besagten §. gesetzte Schranken überschritten, oder auch sich in denselben gehalten haben; welchergestalten aber Jemand durch die erprobte Wahrheit des vorgeworfenen Lasters oder durch Stellung seines Gewährsmannes sich von dieser Klage befreien könne, ist aus den §§. 96 und 106 zu entnehmen.

Dreiundzwanzigstes Capitel.

Von den durch fremde Untergebene oder durch fremdes Vieh zugefügten Beschädigungen.

[3, 23] §. 1. Die Verbindlichkeit aus einem Verbrechen erstrecket sich nicht über die Person des Verbrechers, und weder der Mann hat für das Verbrechen des Weibs, noch der Vater oder der Herr für das Verbrechen seiner Kinder oder Dienstleute zu haften; außer wenn er sich auf eine von den im vorigen Capitel, §. 12, angeführten Arten des Verbrechens gleichfalls schuldig gemacht hat, oder wenn sonst eine von dem im ersten Capitel, §. 9, berührten Ursachen vorhanden ist.

[3, 23] §. 2. Ein Jeder, deme durch fremde Kinder oder Untergebene ein Schaden zugefüget worden, soll befugt sein, den Vater oder Herrn durch eine Gerichtsperson, oder zwei untadelhafte Zeugen befragen zu lassen, ob die That mit seinem Wissen oder Willen geschehen sei, und wenn derselbe entweder die That mit seinem Wissen, oder auf seinen Befehl geschehen zu sein eingestehet, oder selbe auf sich nimmt, oder wenn er eine unverständliche, oder gar keine Antwort darauf giebt, oder wenn er zwar von der That gewußt zu haben verneinet, von dem Beschädigten aber das Widerspiel erwiesen werden kann, soll er den verursachten Schaden zu ersetzen schuldig sein; wenn derselbe hingegen die That zwar auf sich nimmt, dabei aber vorwendet, zu derselben befugt gewesen zu sein, so ist die Frage wegen der ihm zustehenden Befugniß vorhero rechtlich zu erörtern.

[3, 23] §. 3. Wofern aber auch der Beschädigte wider den Vater oder Herrn nichts erweisen könnte, das diesen zum Ersatze des zugefügten Schadens verbindlich machte, so ist derselbe doch allezeit berechtiget, sich an dem unter der Verwaltung des Vaters stehenden eigenen Vermögen der Kinder, oder an dem in den Händen des Herrn befindlich rückständigen Liedlohn zu halten, wie auch nach Beschaffenheit der Umstände die Anhaltung des Verbrechers, und dessen Auslieferung zu Gerichtshanden anzubegehren, und wenn der Vater oder der Herr auf dieses an ihn gelangte Ansuchen sich dessen weigert, oder den rückständigen Liedlohn hinaus bezahlet, oder sich sonst aus einer von den im vorigen Capitel, §. 20, erwähnten Ursachen verfänglich macht, so ladet er andurch die Verbindlichkeit zur Entschädigung auf sich.

[3, 23] §. 4. Einige Fälle sind jedoch, worinnen die natürliche Billigkeit erfodert, daß Jemand, obwohl die That weder mit seinem Wissen, noch Willen geschehen,


(519) dennoch für den durch seine Untergebene verursachten Schaden haften müsse. Hieher gehören erstens Schiffer, Fuhrleute, Gastwirthe und andere ein solches Gewerb treibende Leute, vermög dessen ihnen fremde Sachen in Verwahrung oder Arbeit gegeben werden; allen diesen liegt nach der Eigenschaft ihres Gewerbs ob, für die übernommene Sachen die genaueste Sorgfalt zu tragen, und was immer an denselben durch ihre Kinder, Hausgenossen oder Dienstleute für ein Schaden geschehen ist, so müssen sie selben ersetzen.

[3, 23] §. 5. Zweitens soll auch der Inhaber einer Wohnung, es möge der Eigenthümer selbst, oder ein Miethmann sein, oder sonst auf was immer für eine entgeltliche oder ohnentgeltliche Art die Wohnung innehaben, für den verursachten Schaden jedesmal verfänglich werden, wenn aus seiner Wohnung auf die Straße, oder an einem solchen Orte, wo Leute hin und herzugehen pflegen, etwas hinabgeworfen oder ausgegossen, und andurch Jemanden an seinen Kleidern, oder andern bei sich gehabten Sachen ein Schaden zugefüget, oder gar Jemand verwundet oder erschlagen worden.

[3, 23] §. 6. Wenn eine Wohnung von Mehreren zusammen ohnzertheilter bewohnet wird, so werden sie für den verursachten Schaden Alle verfänglich; wenn aber die Wohnung zwischen Mehreren getheilet ist, so hat nur Jener dafür zu haften, aus dessen Theile etwas ausgegossen oder hinabgeworfen worden.

[3, 23] §. 7. Der Beschädigte hat in diesem Falle nicht nöthig, die Person insbesondere auszuweisen, wodurch ihm der Schaden geschehen, sondern er kann seine Foderung lediglich wider den Inhaber der Wohnung stellen, und er bedarf sonst nichts zu erweisen, als daß aus dessen Wohnung etwas, es sei bei Tag oder Nacht, an ein gangbares Ort ausgegossen oder hinabgeworfen, und ihm andurch ein Schaden zugefüget worden.

[3, 23] §. 8. Wenn der Schaden an Kleidern oder andern Sachen, so nach ihrem Werthe geschätzet werden mögen, geschehen ist, so soll der Ersatz nach der im vorigen Capitel, §. 79, darüber enthaltenen Richtschnur bestimmet werden; wenn aber ein Vorübergehender verwundet oder erschlagen worden, so ist die deswegen gebührende Genugthuung nach eben jenen Maßregeln zu bestimmen, die Wir für diese Fälle im vorigen Capitel, §. 29 und den folgenden festgestellet haben. In diesem letzten Falle aber soll dem Richter von Amtswegen obliegen, die Erforschung des Thäters sich möglichst angelegen sein zu lassen, und wenn derselbe entdecket worden, wider ihn peinlich zu verfahren.

[3, 23] §. 9. In diesem, gleichwie in allen übrigen Fällen, wo Jemanden an seinen Kleidern oder andern Sachen ein Schaden zugefüget worden, ist der Thäter, wenn derselbe ausfindig gemacht, und erwiesen werden kann, daß die That aus dessen Leichtfertigkeit, Muthwillen oder in der bösen Absicht, Jemanden zu beleidigen, geschehen sei, nach Maß dieses seines Verbrechens sowohl dem Beleidigten zum Ersatze des verursachten Schadens, und der sonst ihm gebührenden besonderen Genugthuung verbunden, als auch deswegen mit verdienter Strafe zu belegen, und überhaupt stehet dem Inhaber der Wohnung die Befugniß zu, Dasjenige, was er dem Beschädigten zahlen müssen, von dem Thäter, wenn er denselben auszuweisen vermag, zurückzufodern.

[3, 23] §. 10. Auf eben jene Art, wie Wir wegen des Ausgießens oder Hinabwerfens geordnet haben, soll der Inhaber einer Wohnung auch alsdann verfänglich werden, wenn aus dieser Wohnung etwas Gefährliches ausgehangen, und durch dessen nachheriges Herabfallen Jemand an seiner Person oder Sachen beschädiget worden; wenn jedoch von einem Gebäude selbst etwas herabfällt und Jemand andurch beschädiget wird, so hat der Eigenthümer des Gebäudes dafür zu haften.

[3, 23] §. 11. Einer jeden Obrigkeit soll aber obliegen, wenn aus einer Wohnung etwas ausgehangen wird, oder wenn bei einem Gebäude sich etwas äußert, wobei eine Gefahr vorhanden ist, daß durch dessen Hinabstürzung ein Vorübergehender


(520) beschädiget werden konnte, sobald sie dasselbe in Erfahrung bringt, oder darüber von Jemanden eine Beschwerde geführet wird, dessen Hinwegnehmung oder Ausbesserung dem Inhaber der Wohnung, oder dem Eigenthümer des Gebäudes schleunig aufzulegen, und denselben, wenn er diesen Befehl nicht befolget, nach Maß seines Ungehorsams gebührend zu bestrafen.

[3, 23] §. 12. In Betreff des Jemanden durch fremdes Vieh zugefügten Schadens ist ohne Unterschied, ob das Vieh zahm oder wild sei, und ob dasselbe den Schaden nach seiner Natur, oder wider seine Natur zugefüget habe, folgenden Regeln nachzugehen. Wenn Jemand fremdes Vieh anreizet, und von selbem beschädiget wird, wenn Jemand durch seine eigene Nachlässigkeit verursachet, daß fremdes Vieh auf seine Gründe komme und daselbst weide, oder wenn Jemand sonst durch seine Unvorsichtigkeit zu dem ihm von fremdem Viehe widerfahrnen Schaden Anlaß gegeben, so hat er denselben lediglich sich selbst beizumessen.

[3, 23] §. 13. Wenn ein Dritter ein schädliches Thier aus seinem Behältnisse entläßt, oder gar selbst auf Jemanden hetzet, wenn Jemand ein fremdes Thier zur Wuth reizet, und andurch ein Anderer beschädiget wird, oder wenn Jemand, der zu des Viehes Hütung nicht bestellet ist, dasselbe ohne Wissen des Eigenthümers entweder vorsätzlich auf fremde Gründe treibet, oder durch seine Nachlässigkeit dazu Anlaß giebt, so hat ein solcher für allen Schaden zu haften.

[3, 23] §. 14. Außer diesen Fällen soll der Eigenthümer des Viehes jedesmal für den von demselben Jemanden zugefügten Schaden verfänglich werden, nicht nur wenn es erwiesen werden kann, daß er oder seine Leute durch ihre Gefährde oder Nachlässigkeit zu dem Schaden Anlaß gegeben, sondern so oft Jemands Vieh einen Andern an seiner Person, an seinen Gründen oder andern Sachen beschädiget, oder ein von Jemanden in seiner Gewahrsam gehabtes wildes Thier aus derselben entkommen, oder auch sonst einem Andern einen Schaden zugefüget hat, so soll für allgemein vermuthet werden, daß der Eigenthümer durch seine eigene, oder durch seiner Leute Verwahrlosung an diesem Schaden Ursache gewesen sei.

[3, 23] §. 15. Den erstangeführten Regeln ist auch in jenem Falle nachzugehen, wenn Jemands Vieh von einem fremden Vieh beschädiget oder getödtet worden; wenn jedoch in diesem Falle der Eigenthümer desjenigen Viehes, welches das andere beschädiget oder getödtet hat, zu erweisen vermag, daß der Angriff von dem beschädigten oder getödteten Viehe selbst geschehen, oder daß dasselbe an einen solchen Ort gekommen, wo andere ihrer Natur nach ihm aufsässige Thiere aufbehalten wurden, so soll der Eigenthümer des beschädigten oder getödteten Viehes den erlittenen Schaden ganz allein zu tragen haben.

[3, 23] §. 16. In allen vorgesagten Fällen ist der Ersatz des vom fremden Viehe zugefügten Schadens nach folgenden Regeln zu bestimmen. Ist Jemand von einem fremden Viehe verwundet oder gar getödtet worden, so soll die im vorigen Capitel auf Verwundungen und Todtschläge ausgesetzte besondere Genugthuung geleistet, und annebst wider Denjenigen, deme dieses Vieh zu bewahren obgelegen, oder der sonst an dem Unglücke Schuld trägt, wie auch wider den Eigenthümer des Viehes selbst, wenn von seiner Seite eine Gefährde oder wahre Schuld vorhanden gewesen, peinlich verfahren werden.

[3, 23] §. 17. Wofern aber der Schaden durch fremdes Vieh an andern Sachen geschehen, so soll derselbe auf die im vorigen Capitel, §. 79, geordnete Art geschätzet, dabei aber in jenem Falle, wo der Schaden in einer Abweidung oder Verwüstung fremder Aecker, Gärten oder anderer Gründe bestehet, nicht nur auf die Zeit der Beschädigung, sondern auch darauf gesehen werden, um wie viel der Grund wegen dieser erlittenen Beschädigung zu seiner Zeit weniger ertragen wird.

[3, 23] §. 18. Nebst dieser einem Jeden zum Ersatze des bereits zugefügten Schadens gebührenden Rechtshilfe wollen Wir aber Niemanden verwehren, sowohl zu Abwendung


(521) des ihm von fremdem Viehe bevorstehenden, als zu Vergütung des allschon geschehenen Schadens sich auch eigenmächtiger Hilfsmittel zu gebrauchen; doch sollen desfalls folgende Regeln beobachtet werden.

[3, 23] §. 19. Jederman (!) ist berechtiget, fremdes Vieh von seinem Grunde und Boden abzutreiben, und wenn Jemanden von einem wilden, oder von einem zwar zahmen, doch zur Wuth gereizten Thiere an seiner Person oder seinem Gute die Gefahr einer Beschädigung bevorstehet, so mag er sich durch dessen Ertödtung von der Gefahr befreien; außer insoweit wegen des auf fremde Gründe austretenden Wilds in Unsern Jagdordnungen ein Anderes vorgesehen ist.

[3, 23] §. 20. Zahmes Vieh hingegen soll im Falle einer von demselben bevorstehenden oder zugefügten Beschädigung nur alsdann erlaubt sein zu tödten, wenn es entweder von solcher Art ist, daß es keinen unmittelbaren Nutzen bringt, als Hunde und Katzen, oder daß es nicht leicht gefangen werden kann, als Tauben, und anderes zahmes Geflügel; bei allem übrigen Viehe wollen Wir blos die bishero üblich gewesene Pfändungen auch noch fernerhin verstatten.

[3, 23] §. 21. Wenn fremdes Vieh Jemands Grund zwar betreten, doch noch keinen Schaden zugefüget hat, so soll dessen Pfändung nicht erlaubt, und Derjenige einer eigenmächtigen Gewaltthätigkeit schuldig sein, der fremdes, obgleich auf seinen Gründen betretenes Vieh, ohne einen Schaden darzeigen zu können, dem Eigenthümer vorenthält, und selbes auf dessen Begehren nicht alsogleich zurückstellet; wenn jedoch fremdes Vieh Jemanden auf seinem Grunde einen Schaden zugefüget hat, und nachhero auf diesem Grunde abermals betreten wird, ohne diesesmal einen Schaden zugefüget zu haben, so soll dessen Pfändung erlaubt sein, wofern nur der vorherige Schaden entweder schon vorhin behörig geschätzet, und dem Eigenthümer des Viehes zu wissen gemacht worden, oder so sichtbar ist, daß er jetzt noch geschätzet werden mag.

[3, 23] §. 22. Auch im Falle einer zugefügten Beschädigung soll es nur alsdann erlaubt sein, fremdes Vieh zu pfänden, wenn dasselbe von dem Beschädigten auf seinen eigenen Gründen betreten wird; Niemand hingegen soll unter den auf gewaltsame Handlungen ausgesetzten Strafen sich unterfangen, derlei Vieh auf fremdem Grunde und Boden zu verfolgen, oder selbes von dannen einzutreiben.

[3, 23] §. 23. Die Pfändung soll nicht weiter zulässig sein, als insoweit selbe zu hinlänglicher Bedeckung des verursachten Schadens nothwendig ist. Für eine hinlängliche Bedeckung aber ist es zu halten, wenn der Werth des gepfändeten Viehes doppelt so viel beträgt, als der Werth des zugefügten Schadens; ein einziges Stück mag aber allezeit gepfändet werden, obwohl dessen Werth die verursachte Beschädigung noch so hoch überstiege. Würde hingegen Jemand mehrere Stücke Viehes zurückhalten, als zu seiner Bedeckung erforderlich sind, so soll er schuldig sein, die ohne Noth gepfändete Stücke dem Eigenthümer ohnentgeltlich zurückzustellen, ohne die darauf aufgewendete Unkosten zurückfodern zu mögen.

[3, 23] §. 24. Der Beschädigte soll das gepfändete Vieh, so lang er es in seiner Verwahrung hat, mit dem nöthigen Futter versehen, und so wie sein eigenes besorgen. Würde er aber dieses unterlassen, und dadurch, oder sonst aus seiner Schuld ein Stück zu Grunde gehen, so ist dessen Werth von dem Betrage des Schadens abzuziehen, oder wenn der Werth des zu Grunde gegangenen Viehes den Betrag des Ersatzes übersteiget, der Ueberrest dem Eigenthümer hinauszuzahlen; wenn hingegen ein Stück bei dem Beschädigten ohne dessen erweisliche Schuld zu Grunde gehet, so hat der Eigenthümer den Schaden ganz allein zu tragen.

[3, 23] §. 25. Nach geschehener Pfändung soll dem Beschädigten obliegen, den verursachten Schaden alsogleich durch zwei unparteiische Wirthschaftsverständige schätzen, sodann den ausgefallenen Betrag, sammt den auf das gepfändete Vieh verwendeten Unkosten dessen Eigenthümer bedeuten zu lassen, und dieser soll binnen acht Tägen,


(522) von Zeit der geschehenen Pfändung an zu rechnen, schuldig sein, auch ohne alle weitere Erinnerung durch ohnweigerliche Abführung des ihm bedeuteten Betrags sammt allen Unkosten das Vieh wieder auszulösen.

[3, 23] §. 26. Der Gepfändete soll sich unter den auf gewaltsame Handlungen ausgesetzten Strafen wegen der geschehenen Pfändung aller Gegenpfändungen und anderer Gewaltthätigkeiten enthalten, auch sich der Erlegung des geschätzten Entschädigungsbetrags unter keinem Vorwande entziehen können; wofern er jedoch in der Schätzung des Schadens beschweret zu sein glaubet, so soll ihm nach erlegtem Betrage freistehen, auf Unkosten des sachfälligen Theils die gerichtliche Schätzung des Schadens anzusuchen, und wenn in diesem Falle die erste Schätzung übertrieben zu sein befunden wird, so soll der Beschädigte Dasjenige, was er sich über die Gebühr zugeeignet hat, sammt allen Gerichtsunkosten dem Gepfändeten zurückstellen.

[3, 23] §. 27. Würde aber der Gepfändete diese acht Tage verstreichen lassen, ohne den Beschädigten schadlos zu stellen, so soll dieser, ohne länger zu warten, befugt sein, so viele Stücke Viehes als zu seiner Entschädigung nothwendig sind, durch unparteiische Beamte oder Dorfgerichtsleute schätzen zu lassen, und selbe um den geschätzten Preis entweder zu verkaufen, oder auch selbst zu behalten, in einem, wie dem andern Falle aber den nach Abzug seiner Entschädigungsgebühr von dem Kaufgelde erübrigten Rest dem Gepfändeten zuzustellen, oder bei dessen Weigerung gerichtlich zu hinterlegen.

[3, 23] §. 28. Jene Stücke des gepfändeten Viehes hingegen, deren Verkauf zur Schadloshaltung des Beschädigten nicht nothwendig befunden worden, sollen dem Eigenthümer alsofort zurückgestellet, und ihme wegen deren Uebernahm die Erinnerung gemacht werden; würde aber derselbe binnen drei Tagen von der ihm zugekommenen Ankündung die erübrigten Stücke Viehes nicht zurücknehmen wollen, so soll auch zu deren Abschätzung und Verkaufe auf die vorerwähnte Art geschritten, und der gelöste Preis, nach Abzug der neueren Gerichtsunkosten zu Gerichtshanden hinterleget werden.

[3, 23] §. 29. Sofern hingegen der Beschädigte, ohne es dem Eigenthümer des gepfändeten Viehes vorhero zu bedeuten, oder ohne die vorgeschriebene achttägige Frist abzuwarten, zur Veräußerung dieses Viehes geschritten wäre, so soll er nicht nur die ihme sonst gebührende Entschädigung gänzlich verlieren, sondern auch dem Eigenthümer des veräußerten Viehes den Werth dafür, wie derselbe ihn selbst schätzen wird, zu erstatten schuldig sein.

[3, 23] §. 30. In jenem Falle aber, wo der Eigenthümer des gepfändeten Viehes nicht zu erforschen wäre, soll der Beschädigte nach Verfließung der obbestimmten acht Tage, und wenn sich unter dieser Zeit Niemand dazu gemeldet hat, das Vieh zwar auch zu veräußern befugt sein; allein alsdann soll sowohl die Schätzung desselben, als dessen Veräußerung nicht anderst als gerichtlich vorgenommen werden.


(523) Vierundzwanzigstes Capitel.

Von Verwandlung und Uebertragung der Verbindungen an Andere.

[3, 24] §. 1. Eine jede Verbindung kann erneuert, das ist in eine andere Verbindung verwandlet werden, wenn sowohl Derjenige, der aus der vorigen Verbindung ein Recht erworben hatte, als der andere Theil, der aus der vorigen Verbindung verbunden war, sich dahin vereiniget haben, und wenn diese Vereinigung von beiden Seiten geschehen, so wird andurch die erste Verbindung gänzlich getilget, und der Schuldner haftet blos nach Maß der letzten Verabredung.

[3, 24] §. 2. Dieses soll jedoch nur alsdann Platz greifen, wenn entweder der Willen und die Absicht, die vorige Schuld in eine andere zu verwandlen, von beiden Theilen deutlich ausgedrücket, oder anbei etwas solches verabredet worden, welches mit der vorigen Verbindlichkeit nicht bestehen mag; widrigens soll allezeit die vorhin bestandene Verbindlichkeit durch die zuletzt getroffene Verabredung zwar für vermehret oder vermindert, keinesweges aber für verwandlet und aufgehoben gehalten werden.

[3, 24] §. 3. Wenn dahero zur Sicherheit einer schon bestehenden Schuld ein Pfand oder eine Bürgschaft bestellet wird, so mag daraus keine Erneuerung oder Verwandlung der vorigen Verbindlichkeit gefolgert werden; ebenso, wenn über eine bereits vorhandene Verbindlichkeit eine neue Urkunde ausgefertiget wird, bleibet die vorige Verbindlichkeit, wenn selbe in der neuen Urkunde nicht gänzlich vernichtet worden, in allen jenen Punkten bei Kräften, in welchen durch die neue Urkunde nicht ausdrücklich ein Anderes vorgesehen worden ist.

[3, 24] §. 4. Durch die Erneuerung einer Verbindlichkeit kann die schuldige Summe erhöhet oder vermindert, die Gattung des schuldigen Betrags gänzlich verändert, oder auch eine andere Zeit und Art zur Zahlung bestimmt werden; ebenso kann auch Dasjenige, wozu der Schuldner unter einer Bedingniß verbunden war, ohnbedingt, und hinwiederum Dasjenige, wozu der Schuldner ohnbedingt verbunden war, unter einer Bedingniß versprochen werden. Wenn jedoch eine unter einer Bedingniß bestandene Verbindlichkeit schlechterdings erneuert wird, ohne dabei ausdrücklich zu melden, daß die neue Verbindlichkeit ohnbedingt bestehen solle, so bleibet die bei der ersten Verbindlichkeit angehängt gewesene Bedingniß auch in Betreff der erneuerten Verbindlichkeit bei Kräften.

[3, 24] §. 5. Wenn ein Schuldner mehreren Glaubigern sammt und sonders verbunden ist, so kann Einer von diesen Glaubigern die ganze Schuld durch die vorgenommene Erneuerung verwandlen; ist aber der Schuldner mehreren Glaubigern nicht sammt und sonders verbunden, so bestehet die von einem derselben vorgenommene Erneuerung der Schuld nur für denjenigen Antheil, der demselben daran gebühret.

[3, 24] §. 6. Ebenso kann Einer von mehreren Mitschuldnern, wenn sie dem Glaubiger nicht sammt und sonders verbunden sind, die Schuld blos für seinen Antheil erneuern. Sind sie aber sammt und sonders verbunden, so kommt zwar in dem Falle, wenn die vorige Verbindlichkeit durch die Erneuerung vermindert worden, diese Erleichterung auch den übrigen Mitschuldnern zu statten; allein wenn Derjenige unter ihnen, der die Schuld erneuert, sich bei der Erneuerung zu etwas mehr verbindlich gemacht hat, als wozu sie vorhero verbunden waren, so mag dieses den Uebrigen, wenn sie in die sogestaltete Erneuerung nicht ausdrücklich eingewilliget haben, nicht zum Nachtheile gereichen.

[3, 24] §. 7. Wenn eine in der Landtafel, in den Stadt- oder Grundbüchern vorgemerkte Verbindlichkeit erneuert worden, so bleibet dieselbe deme ohngeachtet noch


(524) immer und insolang bei vollen Kräften, bis die geschehene Erneuerung eben allda, wo die erste Verbindlichkeit einverleibet war, behörig eingetragen worden.

[3, 24] §. 8. Wenn eine Verbindlichkeit durch eine vorgenommene Erneuerung getilget worden, so erlöschet dieselbe sammt allen ihren Nebengebührnissen, Vorzügen und Eigenschaften. Nicht minder werden die dafür verbunden gewesene Bürgen und Pfandschaften befreiet; außer wenn beide Theile dahin übereingekommen sind, daß die für die vorige Verbindlichkeit bestellt gewesene Sicherheit auch in Ansehung der neuen fortdauren solle. Doch mögen die vorhero verbunden gewesene Bürgen nicht anderst neuerdings verbunden werden, als insoferne auch sie dazu eingewilliget haben.

[3, 24] §. 9. Ferner ist auch ein Jeder, der aus einer Verbindung an einem Andern ein Recht erworben hat, befugt, dieses sein Recht an einen Andern abzutreten, ohne daß er dazu die Einwilligung Desjenigen, der ihm verbunden ist, einzuholen brauchte, und ein erworbenes Recht kann an einen Jeden abgetreten werden, wenn er nur dieses Rechts nach der Verfassung eines jeden Landes fähig ist.

[3, 24] §. 10. Desgleichen können alle Rechte und Foderungen, sie mögen der Person oder der Sache ankleben, an Andere abgetreten werden, außer jene Gerechtsame, die von der Person Desjenigen, deme sie gebühren, dergestalten unzertrennlich sind, daß sie von niemanden Andern ausgeübet werden können. So soll auch die Abtretung einer aus einem Verbrechen herrührenden Foderung nur insoweit zulässig sein, als selbe auf die Entschädigung des Beleidigten oder die demselben gebührende Geldbuße gerichtet ist.

[3, 24] §. 11. Es mag aber ein wie immer Namen habendes Recht oder Foderung abgetreten werden, so soll es dabei niemals an der alleinigen Ausantwortung des Schuldscheins oder der Verschreibung genug sein, wenn schon die Verschreibung ausdrücklich auf alle getreuen Inhaber derselben lautete, sondern Derjenige, an den ein Recht abgetreten worden, soll die geschehene Abtretung entweder durch eine besondere darüber errichtete Urkunde, oder durch die eidliche Aussage zweier Zeugen zu erweisen schuldig sein.

[3, 24] §. 12. Nebst deme soll in einer jeden Urkunde, welche über die geschehene Abtretung eines Rechts ausgefertiget wird, die Ursache, aus welcher die Abtretung geschehen, deutlich enthalten sein; widrigens soll Derjenige, der aus einer solchen mangelhaften Abtretungsurkunde an den Andern eine Foderung stellet, damit nicht gehöret, sondern vorhero zum ordentlichen Beweise der Ursache der Abtretung verhalten, und nach Vernehmung des Abtretenden darüber mit rechtlicher Erkanntniß verfahren werden.

[3, 24] §. 13. Die Ursache, aus welcher ein Recht abgetreten wird, muß rechtmäßig, und eine solche sein, woraus nach Maßgab Unserer Gesetze das Eigenthum einer Sache auf den Andern übertragen werden kann; wofern aber Derjenige, deme die Abtretung geschehen, keine rechtmäßige Ursache derselben darthun könnte, und unter der Abtretung eine auf die Vereitlung Unserer Gesetze abgesehene Scheinhandlung entdecket würde, so soll alles Dasjenige Platz greifen, was Wir in Betreff derlei Scheinhandlungen im ersten Capitel geordnet haben.

[3, 24] §. 14. Jene Rechte und Foderungen, so eine unbewegliche Sache behaften, und deren Eigenthum nach Anordnung Unserer Gesetze nicht anderst als durch die Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher erworben werden mag, können auch nicht anderst als durch die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher an Andere abgetreten werden, und soll desfalls Alles beobachtet werden, was Wir darüber im ersten Capitel, §§. 13, 14, dann im zweiten Theile, fünften Capitel, §. 9, wie auch sonst für allgemein festgesetzet haben.

[3, 24] §. 15. Die Abtretung möge aus einer entgeltlichen oder ohnentgeltlichen Ursache geschehen sein, so hat sie ihre volle Kraft, und wenn schon Derjenige, an den die Abtretung geschehen, dem Abtretenden dafür viel mehr oder viel weniger gegeben hätte, als das abgetretene Recht beträgt, so wird doch der Schuldner demselben


(525) zu nichts mehr und zu nichts weniger verbunden, als zu was wer dem Abtretenden verbunden war.

[3, 24] §. 16. Nur allein wollen Wir von dieser Regel die Abtretung strittiger Rechte und Foderungen ausgenommen haben, und soll dabei folgender Unterschied beobachtet werden. Wenn eine Foderung zwar wegen ihres Betrags strittig ist, und nicht anderst als durch richterliche Erkanntniß in Richtigkeit gesetzt werden mag, die Sache selbst jedoch noch nicht wirklich rechtsanhängig ist, so soll deren Abtretung zwar giltig, allein der Schuldner auf den Fall, da die Foderung ganz oder zum Theile für richtig anerkennet wird, daran nicht mehr zu bezahlen schuldig sein, als was Derjenige, der die Foderung übernommen, dem Abtretenden dafür bezahlet zu haben erweisen kann.

[3, 24] §. 17. Dahingegen soll die Abtretung der bereits eingeklagten, mithin im wirklichen Rechtsstritte befindlichen Rechte und Foderungen null und nichtig sein, und Niemand, der von dem Kläger eine solche Foderung eingehandlet, zur Fortsetzung des Rechtsstrittes zugelassen werden; zudeme soll Derjenige, der eine bereits rechtsanhängige Foderung wissentlich an einen Andern abtritt, mit dem Verluste dieser Foderung, oder in dem Falle, wenn der Beklagte in dem Wege Rechtens davon losgesprochen würde, mit dem Ertrage der eingeklagten Summe zu Handen Unserer Kammer bestrafet werden.

[3, 24] §. 18. Wer eine solche strittige Foderung, ohne von dem Rechtsstritte etwas zu wissen, auf eine redliche Art an sich gebracht, der mag das dafür Gegebene von Demjenigen, der ihm die Foderung abgetreten, zurückfodern; wofern aber auch dieser von der Beschaffenheit der ihm abgetretenen Foderung gute Wissenschaft gehabt, so soll er ebenfalls das dafür Gegebene oder zu geben Versprochene zur Strafe verwirket haben.

[3, 24] §. 19. Unter strittigen Foderungen sollen jedoch jene nicht verstanden werden, welche durch erfolgte richterliche Erkanntniß bereits in Richtigkeit gesetzet sind, und wo nur die Einbringung beschwerlich ist. So wollen wir auch Dasjenige, was Wir wegen strittiger Foderungen in den vorigen §§. geordnet haben, auf solche Fälle nicht erstrecken, wo die Abtretung von Eltern an Kinder, von Kindern an Eltern, oder von einem Ehegatten, Miterben oder Gesellschafter an den Andern geschiehet, oder auch wo eine Erbschaft, Handlung, Gewerb, liegendes Gut oder sonst ein ganzer Umfang von Rechten und Foderungen, worunter einige strittig, oder auch schon wirklich rechtsanhängig sind, abgetreten worden; wofern nur der abgetretene Umfang mehrerer Rechte an sich selbst nicht strittig ist.

[3, 24] §. 20. Wer ein Recht oder eine Foderung an einen Andern abgetreten hat, der muß für deren Richtigkeit stehen, nemlich, daß die Foderung für denjenigen Betrag, welcher abgetreten worden, wirklich gebühre, und durch keine Einwendungen des Schuldners entkräftet werden möge; würde aber die abgetretene Foderung hernach unrichtig zu sein befunden, so soll alles Dasjenige in behöriger Maß beobachtet werden, was Wir in Ansehung eines Kaufers und Verkaufers im neunten Capitel, §§. 79 bis 101, geordnet haben.

[3, 24] §. 21. Zudeme soll Derjenige, der eine falsche oder bereits gezahlte Schuld an einen Andern wissentlich abgetreten, gleichwie auch Derjenige, der eine solche wissentlich übernommen, wenn er den Schuldner hernach um die Zahlung belanget, seiner Ehre verlustig sein, und über das noch nach Beschaffenheit der Umstände an Leib oder Gut bestrafet werden.

[3, 24] §. 22. Dahingegen hat der Abtretende für die Güte der abgetretenen Foderung, das ist, daß der Schuldner zahlungsfähig sei, nicht zu haften; außer wenn er den Andern zu Einlösung dieser Schuld arglistiger Weise eingeführet, oder deren Güte ausdrücklich gewähret, oder auf den Fall, daß der Schuldner nicht zahlen könnte, selbst die Zahlung versprochen hätte. In allen diesen Fällen aber soll der Uebernehmer der Foderung schuldig sein, dieselbe binnen einem Jahre von dem Tage der


(526) Abtretung dem Abtretenden zurückzustellen, nach Verlaufe dieser Frist hingegen damit nicht mehr gehöret werden.

[3, 24] §. 23. Wenn aber auch der Abtretende für die Güte der abgetretenen Foderung ausdrücklich Gewähr geleistet, so wird er doch in jenem Falle nicht verfänglich, wenn die abgetretene Foderung zur Zeit der Abtretung gut und einbringlich gewesen, nachhero aber durch Zufall uneinbringlich geworden ist; wofern nicht der Abtretende diese Gefahr insbesondere auf sich genommen hat.

[3, 24] §. 24. Wenn die Abtretung eines Rechts einmal geschehen, so kann sie von dem Abtretenden nicht mehr widerrufen werden. Insolang jedoch bei einem auf einer unbeweglichen Sache haftenden Rechte dessen geschehene Abtretung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher nicht eingetragen, oder bei einem persönlichen Rechte die Abtretung dem Schuldner von Demjenigen, an den dieselbe geschehen, nicht behörig kund gemacht worden, bleibet die Verbindlichkeit des Schuldners gegen den Abtretenden in ihrer vollen Kraft, und wenn der Schuldner demselben die Schuld ganz oder zum Theile gezahlet, oder der Abtretende selbe dem Schuldner ganz oder zum Theile erlassen hat, so wird derselbe ebenso befreiet, als ob die Foderung nicht abgetreten worden wäre.

[3, 24] §. 25. Sobald aber die geschehene Abtretung einer Foderung in der Landtafel, oder in den Stadt- oder Grundbüchern einverleibet, oder dem Schuldner behörig kund gemacht worden, soll alles Recht, welches der Abtretende an dem Schuldner hatte, gänzlich erloschen sein, und Derjenige, an welchen die Abtretung geschehen, für den einzigen und wahren Eigenthümer der abgetretenen Foderung gehalten werden.

[3, 24] §. 26. Wenn eine Jemanden bereits abgetretene Foderung von dem Abtretenden nachhero wiederum an einen Andern abgetreten würde, und diese Foderung in der Landtafel, in den Stadt- oder Grundbüchern einverleibet ist, so gebühret Jenem der Vorzug, der die geschehene Abtretung ebendaselbst zuerst einverleiben lassen; bei persönlichen Foderungen aber ist Derjenige vorzuziehen, deme die Abtretung zuerst geschehen, obwohl der Andere die Abtretung dem Schuldner früher kundgemacht hätte.

[3, 24] §. 27. Wofern jedoch Jener, der die Abtretung zuerst einverleiben lassen, oder deme selbe zuerst geschehen, überwiesen werden könnte, an dem zu Verkürzung des Andern gespielten Betruge mit Theil genommen zu haben, soll diesem Letztern der Vorzug gebühren, und wenn der Schuldner vor geschehener Einverleibung oder vor der von dem ersten Uebernehmer ihm geschehenen Kundmachung die Schuld an den Andern bereits gezahlet hat, so mag der Erste seine Entschädigung blos an dem Abtretenden suchen.

[3, 24] §. 28. Wer eine Jemanden bereits abgetretene Foderung an einen Andern wiederholter (!)abtritt, der soll Demjenigen von Beiden, welcher in Ansehung der abgetretenen Foderung zurückstehen muß, auf eben jene Art zur Entschädigung verbunden sein, wie Wir im neunten Capitel, §. 62, von einem Verkaufer geordnet haben, der die verkaufte Sache aus seiner Schuld dem Kaufer nicht übergeben kann. Nebst deme soll Derjenige, der eine Foderung wissentlich an Zwei abgetreten, nach Gestalt der Sachen an Leib oder Gut bestrafet werden, und wenn Jemand eine an einen Andern bereits abgetretene Foderung von eben demselben, der sie schon einmal abgetreten, wissentlich an sich löset, so soll Dasjenige, was er dafür gegeben oder zu geben versprochen, Unserer Kammer verfallen sein, oder derselbe nach Beschaffenheit der Umstände ebenfalls sonst an Leib oder Gut bestrafet werden.

[3, 24] §. 29. Wer nach Maß des §. 25 durch die Abtretung das Eigenthum der abgetretenen Foderung erlanget hat, der erwirbt auch die von dem Tage der Abtretung zu laufen anfangende Zinsen, wenn der Abtretende sich dieselben nicht namentlich vorbehalten hat; auf die bis an den Tag der Abtretung verfallene Zinsen aber kann er keinen Anspruch machen, wenn ihm selbe nicht insbesondere mit abgetreten worden.


(527) [3, 24] §. 30. Nicht minder erwirbt er auch alle zur Sicherheit der abgetretenen Foderung bestellte Pfänder und Bürgschaften; erstere jedoch nur alsdann, wenn sie ihm von dem abtretenden Glaubiger mit übergeben worden, und letztere nur insofern, als der Bürg für die Schuld überhaupt, ohne seine Verbindlichkeit auf die Person des ersten Glaubigers zu beschränken, gut gestanden ist.

[3, 24] §. 31. Der neue Eigenthümer der Schuldfoderung ist nicht befugt, von dem Schuldner Interessen von Interessen zu fodern, obwohl ihm die verfallene Interessen von dem ersten Glaubiger bei der Abtretung zum Capital geschlagen worden wären, wenn nicht der Schuldner durch eine nach Maßgabe des achtzehenten Capitels, §. 29, gepflogene Erneuerung sich dazu verbindlich gemacht hat; auch kann derselbe wider den Schuldner sich keines größeren Rechts anmaßen, als was der abtretende Glaubiger gehabt hat, mithin auch bei der Foderung selbst keine andere Vorrechte und Rechtswohlthaten geltend machen, als welche aus der Eigenschaft der Schuld herstammen, oder derselben schon vorhero bestellet waren.

[3, 24] §. 32. Der Schuldner wird dem Uebernehmer der Schuld in eben jener Maß verbunden, in welcher er dem abtretenden Glaubiger verbunden war, und alle Einreden, womit er sich wider den ersten Glaubiger schützen konnte, kommen ihm auch wider den neuen Glaubiger zu statten; gleichwie auch in dem Falle, wo das Recht des Abtretenden aus einer zur Zeit der Abtretung bereits gegründet gewesenen Ursache aufgelöset wird, mit demselben zugleich das Recht Desjenigen erlöschet, deme die Foderung abgetreten worden. Wenn jedoch zwischen diesem und dem Schuldner eine Erneuerung der Schuld gepflogen worden, so ist die neue Verbindlichkeit bloserdings nach der dabei getroffenen Verabredung abzumessen.

[3, 24] §. 33. Dahingegen kann Derjenige, der durch eine Verbindung einem Andern zu etwas verpflichtet ist, diese seine Verbindlichkeit ohne Einwilligung Desjenigen, deme er verpflichtet ist, auf keinen Andern übertragen; wenn aber dieser dazu einwilliget, so kann auch eine solche Verbindlichkeit auf verschiedene Arten auf einen Andern übertragen werden.

[3, 24] §. 34. Erstens kann der Schuldner Dasjenige, was ihm ein Dritter schuldig ist, seinem Glaubiger anstatt der Zahlung anweisen; wenn jedoch bei dieser Anweisung nicht insbesondere ausgemacht worden, daß der Anweisende alsofort durch die Anweisung von seiner Verbindlichkeit befreiet werden solle, so wird er von derselben erst alsdann befreiet, wenn sein Glaubiger von dem angewiesenen Schuldner die wirkliche Zahlung erhalten hat.

[3, 24] §. 35. Wenn dahero der angewiesene Schuldner außer Zahlungsstande ist, so mag der Glaubiger, deme die Anweisung geschehen, sich noch allezeit an den Anweisenden halten. Wenn aber der angewiesene Schuldner hernach außer Zahlungsstand gesetzet würde, und dieses zu einer Zeit geschehen ist, wo der Glaubiger, deme die Anweisung geschehen, noch nicht befugt war, die Schuld von demselben einzufodern, so soll demselben ebenfalls frei stehen, sich an dem Anweisenden zu erholen; wenn hingegen der Glaubiger die angewiesene Schuld hätte einfodern können, und dieses vernachlässiget hat, oder wenn die Schuld zwar eingefodert, doch der angewiesene Schuldner die Zahlung verzögert, und er dasselbe dem Anweisenden nicht alsogleich erinnert hat, so soll er nachhero, wenn der Schuldner unvermögend ist, ihn zu zahlen, nicht mehr berechtiget sein, an den Anweisenden eine Foderung zu stellen.

[3, 24] §. 36. Die Einwilligung des angewiesenen Schuldners ist zu dieser Anweisung nicht nothwendig; doch gehet demselben auch andurch keine neue Verbindlichkeit zu, sondern wenn er die Schuld, für welche er angewiesen worden, nicht ausdrücklich auf sich genommen hat, so bleibet er blos auf jene Art verbunden, wie er vorhero verbunden war.

[3, 24] §. 37. Und obwohl eine solche Anweisung dem Glaubiger nach Maß des §. 33 nicht anderst als mit seiner Einwilligung gemacht werden kann, so soll er


(528) doch in dem Falle, wenn der angewiesene Schuldner ihm alsogleich die baare Bezahlung anbietet, oder wenn es dem Anweisenden an andern dem Glaubiger anständigen Zahlungsmitteln gebricht, zu deren Annehmung verhalten werden.

[3, 24] §. 38. Der Glaubiger, deme die Anweisung geschehen, ist nicht schuldig, den angewiesenen Schuldner, wenn er die Zahlung verweigert, gerichtlich zu belangen; wollte er aber freiwillig die Rechtsfoderung wider denselben anstrengen, so soll er dazu nicht anderst als im Namen des Anweisenden, gegen dessen Vollmacht, oder gegen Leistung annehmlicher Sicherheit wegen dessen erfolgender Genehmhaltung zugelassen werden.

[3, 24] §. 39. Eine angewiesene Schuld kann von Demjenigen, deme sie angewiesen worden, neuerdings an einen Andern angewiesen werden; wenn jedoch weder der Eine, noch der Andere in der Eintreibung dieser Schuld etwas vernachlässiget hat, so hat der erste Anweisende nach mehrerer Ausmessung des §. 35 allezeit für die Gefahr zu haften.

[3, 24] §. 40. Wenn Jemand eben dieselbe Schuld Mehreren insbesondere angewiesen hat, so gebühret Jenem der Vorzug, deme selbe zuerst angewiesen worden; außer wenn der angewiesene Schuldner Jenem, deme die spätere Anweisung geschehen, die Schuld früher gezahlet, als der Erste ihm die geschehene Anweisung zu wissen gemacht hat, oder wenn der Anweisende sich erbietet, Denjenigen, deme er die Schuld zuerst angewiesen hatte, alsobald und auf ebenso vortheilhafte Art zu befriedigen, wie er von dem angewiesenen Schuldner hätte befriediget werden sollen.

[3, 24] §. 41. Zweitens kann ein Schuldner seinem Glaubiger anstatt der Zahlung die Foderung, welche er an einen Dritten hat, dergestalten anweisen, daß er andurch seiner Verbindlichkeit entlediget, und der Glaubiger die ihm angewiesene Foderung einzutreiben befugt sein solle; wenn diese geschehen, so ist es eine Abtretung, und in Allem nach deme zu beurtheilen, was Wir desfalls im §. 9 und den folgenden festgesetzet haben.

[3, 24] §. 42. Drittens kann eine Anweisung auf folgende Art gemacht werden, daß andurch beide Verbindlichkeiten, sowohl jene, wodurch der Anweisende seinem Glaubiger, als auch diejenige, vermöge welcher der angewiesene Schuldner dem Anweisenden verbunden war, gänzlich getilget, und der angewiesene Schuldner anstatt der Verbindlichkeit, wodurch er dem Anweisenden verbunden war, dem Glaubiger, deme er angewiesen worden, zu Demjenigen, für was er angewiesen worden, verbunden sein solle.

[3, 24] §. 43. Zu dieser Anweisung wird erfodert, daß der Glaubiger, deme die Anweisung geschiehet, dem Anweisenden seine Verbindlichkeit deutlich erlasse, und an dessen statt den angewiesenen Schuldner annehme. Wenn diese deutliche Erlassung ermanglet, so bleibet dem Glaubiger in dem Falle, da er von dem angewiesenen Schuldner seine Befriedigung nicht erhält, noch immer das Recht bevor, sich an seinem ersten Schuldner zu erholen.

[3, 24] §. 44. Ferner muß der angewiesene Schuldner ausdrücklich darein willigen, anstatt der Verbindlichkeit, womit er dem Anweisenden verbunden war, die Schuld, für welche angewiesen worden, auf sich zu nehmen, und gegen diese Uebernehmung muß er durch den Anweisenden von der vorigen Verbindlichkeit gänzlich entlediget werden.

[3, 24] §. 45. Die Erlassung der durch diese Anweisung aufgehobenen Verbindlichkeiten kann entweder durch die Zerreißung oder Zurückstellung des Schuldbriefs, oder durch die Quittirung geschehen; wenn jedoch die erlassene Schuld in der Landtafel, in den Stadt- oder Grundbüchern einverleibet war, so muß die Erlassung durch eine Quittirung geschehen, und diese allda, wo die Schuld einverleibet war, ebenfalls einverleibet werden.


(529) [3, 24] §. 46. Wenn die Anweisung geschehen, so erlöschet die Verbindlichkeit, wodurch der Anweisende seinem Glaubiger verbunden war, sammt allen ihren Nebengebührnissen, insoweit nicht desfalls etwas vorbehalten wurde, und wenn schon die angewiesene Schuld uneinbringlich wäre, so mag doch der Anweisende wegen der ihm erlassenen Schuld nicht mehr angegangen werden, außer in jenen Fällen, die Wir im §. 22 berühret haben.

[3, 24] §. 47. Auf gleiche Art erlöschet auch die Verbindlichkeit, wodurch der angewiesene Schuldner dem Anweisenden verbunden war, und der Anweisende ist nicht befugt, die angewiesene Schuld mehr einzutreiben, noch auch die Zahlung an seinen Glaubiger auf was immer für Weise zu verhindern; außer wenn er wegen einer sonstigen Foderung sich daran zu halten berechtiget wäre.

[3, 24] §. 48. Dem angewiesenen Schuldner aber liegt ob, den Glaubiger, deme er angewiesen worden, nach Maß der Anweisung zu befriedigen, und wenn ihm schon wider den Anweisenden in Ansehung der gegen denselben gehabten Verbindlichkeit rechtserhebliche Einwendungen zustunden, so kann er sich doch derselben wider den Glaubiger, deme er angewiesen worden, nicht mehr gebrauchen.

[3, 24] §. 49. Wenn Jemand in der irrigen Meinung, daß er die angewiesene Summe dem Anweisenden schuldig sei, selbe übernommen, und nachhero dem Glaubiger, deme er angewiesen worden, wirklich gezahlet hat, so mag er das Bezahlte nach Maß Unserer Anordnungen im einundzwanzigsten Capitel, §. 4, von dem Anweisenden zurückfodern; wenn er aber auch den Irrthum noch vor erfolgter Bezahlung der Schuld, für welche er sich anweisen lassen, entdecket, so kann er sich doch deswegen von der Zahlung der übernommenen Schuld nicht befreien.

[3, 24] §. 50. Hätte Jemand die Zahlung einer Summe, welche er dem Anweisenden nicht schuldig ist, aus Freundschaft über sich genommen, so stehen ihm zu seiner Entschädigung eben jene Hilfsmittel offen, die Wir im achten Capitel einem Bürgen eingeraumet haben. Wenn aber Jemand eine fremde Schuld auf sich genommen hat, der vermöge Unserer Gesetze dazu unfähig ist, so soll der Glaubiger ohngeachtet der geschehenen Erlassung der vorigen Verbindlichkeit dennoch auf die im achten Capitel, §. 24, berührte Art befugt sein, sich an dem Anweisenden zu erholen.

[3, 24] §. 51. Viertens kann auch Jemand ohne Vorwissen des Schuldners sich für denselben zum alleinigen Selbstschuldner bestellen, und wenn der Glaubiger einwilliget, den neuen Schuldner mit Entlassung des vorigen anzunehmen, so wird der Erste von seiner gegen den Glaubiger gehabten Verbindlichkeit gänzlich befreiet; inwieweit jedoch der Selbstschuldner Demjenigen, dessen Verbindlichkeit er auf sich genommen, um seine Entschädigung belangen könne, ist abermals aus deme zu entnehmen, was Wir im achten Capitel, §§. 58, 59, angeordnet haben.

[3, 24] §. 52. Ob und welcher gestalten Minderjährige und Andere, so in der freien Verwaltung ihres Vermögens beschränket sind, gleichwie auch die ihnen bestellten Vormünder und Curatoren, die in diesem Capitel berührten Befugnisse genießen oder nicht genießen, ist nach Maßgab Unserer desfalls im ersten Theile, sechsten Capitel, festgestellten allgemeinen Grundsätze zu beurtheilen, und in Betreff Derjenigen, die sonst die Besorgung fremder Geschäfte auf sich genommen, haben Wir bereits im siebenzehenten Capitel Unsere Willensmeinung erkläret.

[3, 24] §. 53. Was Wir in diesem Capitel von Abtretungen und Anweisungen festgesetzet haben, soll jedoch auf Wechselsachen, insofern in Unserer Wechselordnung ein Anderes vorgesehen worden, nicht gezogen, sondern in derlei Fällen lediglich gedachter Wechselordnung nachgegangen werden; ebenso soll es auch in Ansehung öffentlicher Schuldpapiere und deren Veräußerung ganz allein bei Unsern desfalls bestehenden besonderen Anordnungen und hergebrachten löblichen Gewohnheiten sein Bewenden haben.


(530) Fünfundzwanzigstes Capitel.

Von Tilgung der Verbindungen.

[3, 25] §. 1. Eine jede Verbindung wird vorzüglich dadurch aufgehoben, wenn der Glaubiger gezahlet wird, das ist, wenn Demjenigen, der vermöge einer Verbindung das Recht hat, von einem Andern etwas zu fodern, das, was er zu fodern hat, wirklich und rechtmäßig in der Absicht geleistet wird, um dadurch die Verbindung aufzuheben.

[3, 25] §. 2. Sowohl Derjenige, der die Zahlung leistet, als Jener, deme die Zahlung geleistet wird, muß die freie Verwaltung seines Vermögens haben; wenn Jemand dieser beraubet ist, so muß die Zahlung von den zu ihrer Obsorge bestellten Vormündern oder Curatoren sowohl geleistet, als angenommen werden, wie Wir darüber im ersten Theile, sechsten Capitel, mit Mehrerem geordnet haben.

[3, 25] §. 3. Die Verbindung wird getilget, nicht nur, wenn der Schuldner selbst, sondern auch, wenn ein Anderer im Namen des Schuldners die Zahlung leistet, es möge mit oder ohne dessen Wissen und Willen, oder auch ausdrücklich wider dessen Willen geschehen sein. Einem solchen aber, der für einen Andern gezahlet hat, soll die Zurückfoderung des Bezahlten von Jenem, für welchen er bezahlet hat, nur alsdann gebühren, wenn er entweder von ihm eine Vollmacht zu Verwaltung seiner Geschäfte gehabt, oder sich die Wiedererstattung des Bezahlten ausdrücklich vorbehalten hat, oder wenn ihm die Foderung von dem Glaubiger ordentlich abgetreten, oder das gegebene Pfand überliefert, oder die für die bezahlte Schuld geleistete Bürgschaft gegen ihn erneuert worden, oder wenn er sonst eine erhebliche Ursache erweisen kann, wegen welcher ihm daran gelegen war, die Schuld für den Andern zu bezahlen.

[3, 25] §. 4. Wohingegen keiner von diesen Umständen vorwaltet, da soll dafür gehalten werden, daß der Zahlende Demjenigen, für welchen er gezahlet hat, damit ein Geschenk habe machen wollen, und um so weniger soll Jener mit einer Rückfoderung gehöret werden, der wider das ausdrückliche Verbot des Schuldners für ihn gezahlet hat; außer in dem Falle, wenn die Zahlung auch wider Willen des Schuldners gerichtlich auferleget, oder wenn ihm nach Maß des vorigen §. die Foderung, oder die dafür bestellt gewesene Sicherheit von dem Glaubiger übergeben worden.

[3, 25] §. 5. Wenn Jemand in der irrigen Meinung, Dasjenige, wozu ein Anderer verbunden ist, selbst schuldig zu sein, dessen Zahlung in seinem eigenen Namen leistet, so wird der Schuldner andurch von seiner Verbindlichkeit nicht entlediget, sondern Derjenige, der zur Ungebühr gezahlet hat, ist befugt, dasselbe zurückzufodern.

[3, 25] §. 6. Wenn Einer von mehreren zusammen verbundenen Schuldnern Dasjenige, wozu er und ein anderer Mitschuldner verbunden ist, ganz gezahlet, so wird andurch auch der Mitschuldner, er möge mit geschiedener oder ungeschiedener Hand verbunden gewesen sein, gänzlich befreiet; doch ist derselbe schuldig, dem Andern, der die ganze Schuld gezahlet hat, den auf ihn ausfallenden Antheil zu vergüten.

[3, 25] §. 7. Die Zahlung kann nur Jenem geleistet werden, der die Schuld rechtmäßig zu fodern hat. Durch die einem Dritten geleistete Zahlung hingegen wird die Verbindlichkeit des Schuldners sonst nicht getilget, als wenn der Glaubiger insbesondere dazu eingewilliget, oder demselben die Verwaltung seines gesammten Vermögens aufgetragen hat, oder auch, wenn der Glaubiger die Zahlung wissentlich an einen Dritten geschehen läßt, und dasselbe entweder ausdrücklich genehm hält, oder da er es thun könnte, nicht widerspricht.


(531) [3, 25] §. 8. Wer daher blos zu Besorgung eines einzelnen Geschäfts, oder zu Verführung der Rechtsstreitigkeiten bestellet ist, deme kann keine Zahlung rechtsgiltig geleistet werden; außer wenn unter dem aufgetragenen Geschäfte auch der Auftrag, die Zahlung anzunehmen, stillschweigend begriffen wäre.

[3, 25] §. 9. Wenn der Glaubiger in der Schuldverschreibung selbst Jemanden benennet hat, deme die Zahlung geleistet werden könne, so beschränket sich dieses blos auf die Person Desjenigen, so zur Annehmung der Zahlung bestimmet worden, und dauret nicht länger als bis zur Widerrufung des Glaubigers, wenn nicht in der Schuldverschreibung ein Anderes vorgesehen worden.

[3, 25] §. 10. Ebenso währet auch die von dem Glaubiger Jemanden zur Annehmung der Zahlung gegebene Vollmacht nicht länger, als bis sie widerrufen worden, oder der Glaubiger gestorben ist, und wenn der Schuldner demselben nachhero wissentlich die Zahlung leistet, so mag er sich andurch von seiner Verbindlichkeit nicht befreien; hat er hingegen gezahlet, bevor ihm von dem Todesfalle seines Glaubigers, oder von der Widerrufung der Vollmacht die Nachricht zugegangen, so kann er von dem Glaubiger, oder dessen Erben nicht mehr angefochten werden.

[3, 25] §. 11. Die alleinige Inhabung des Schuldbriefes giebt Niemanden ein Recht, die Zahlung anzunehmen, wenn er nicht die ihm von dem Glaubiger geschehene Abtretung oder Anweisung der Schuld darthun, oder dem Schuldner eine eigenhändige Quittung des Glaubigers übergeben kann. Auch kann sich Niemand dadurch von der Schuld entledigen, wenn er dem Glaubiger Desjenigen zahlet, deme er schuldig ist; außer wenn ihm diese Zahlung gerichtlich auferleget, oder wenn ihm von Demjenigen, deme er gezahlet hat, die Foderung, so dieser an seinem Glaubiger hat, abgetreten worden, und er nach Maß Unserer im §. 93 und den folgenden erlassenen Anordnungen sich durch die Vergeltung von seiner Schuld befreien kann.

[3, 25] §. 12. Wenn Jemand mehreren Glaubigern zusammen sammt und sonders etwas schuldig ist, und Einem von ihnen die ganze Schuld zahlet, so wird er auch in Ansehung der anderen Mitglaubiger von der Schuld entlediget; wenn er aber mehreren Glaubigern nicht sammt und sonders verbunden ist, so kann er sich von der ganzen Schuld nicht anders befreien, als wenn er entweder dieselbe allen Glaubigern zusammen, oder einem Jeden den demselben gebührenden Antheil zahlet.

[3, 25] §. 13. Wer sich von einer Verbindlichkeit durch die Zahlung befreien will, der muß dem Glaubiger eben Dasjenige zahlen, was er ihm schuldig ist, und ist nicht befugt, demselben wider seinen Willen etwas Anderes aufzudringen; wofern aber der Glaubiger freiwillig etwas Anderes an Zahlungsstatt annimmt, oder wegen der Unmöglichkeit Dasjenige zu erhalten, was er zu fodern hat, anzunehmen bemüssiget ist, so wird der Schuldner nur insoweit von seiner Verbindlichkeit befreiet, als das an Zahlungsstatt Gegebene zur Befriedigung des Glaubigers hinreichend ist.

[3, 25] §. 14. Wenn der Schuldner eine unter mehreren benannten Sachen wechselweise zu geben verbunden ist, und ihme nach Maß des ersten Capitels, §. 71, die Auswahl zustehet, so gebühret ihm in dem Falle, wenn eine von diesen Sachen durch einen Zufall zu Grunde gegangen, annoch die Auswahl, ob er die noch vorhandene Sache oder den Werth derjenigen, die zu Grunde gegangen, entrichten wolle. Ist aber der Unfall an der einen Sache durch seine Schuld geschehen, so soll er die noch übrige Sache dem Glaubiger zu geben schuldig sein; wäre aber eine von diesen Sachen durch Schuld des Glaubigers zu Grunde gegangen, so soll es abermals in der Auswahl des Schuldners stehen, ob er gegen Hintanlassung dieser Sache sich von seiner Verbindlichkeit entledigen, oder ob er die noch übrige Sache dem Glaubiger entrichten, von demselben aber den Werth der zu Grunde gegangenen Sache zurückfodern wolle.


(532) [3, 25] §. 15. In jenen Fällen hingegen, wo die Auswahl unter mehreren Sachen dem Glaubiger gebühret, muß der Schuldner demselben, wenn eine Sache durch Zufall zu Grunde gegangen, die andere entrichten. Hat der Glaubiger durch seine Schuld den Untergang der einen Sache veranlasset, so soll er nichts mehr befugt sein, zu begehren; wenn aber der Untergang der einen Sache sich durch die Schuld des Schuldners ergeben hat, so soll es auf der Willkür des Glaubigers beruhen, ob er sich mit der andern Sache begnügen, oder den Werth der zu Grunde gegangenen anverlangen wolle.

[3, 25] §. 16. Wer eine Summe Gelds schuldig ist, der kann seine Schuld in einer jeden gangbaren Münzgattung bezahlen, wenn nicht die Münzen insbesondere ausbedungen worden, in welchen die Zahlung geschehen solle, wie Wir im vierten Capitel, §§. 13 und 14, mit Mehrerem geordnet haben. Wenn aber auch die Gattung der Münzen, in welcher die schuldige Geldsumme gezahlet werden solle, ausdrücklich bestimmet worden, so soll der Schuldner dennoch berechtiget sein, die von dieser Summe gebührenden Interessen, sie mögen aus einem Vertrage, oder aus seinem Saumsale herrühren, in andern gangbaren Münzen zu bezahlen, wenn nicht die für die Hauptschuld ausbedungenen Münzen auch insbesondere auf die Interessen erstrecket worden.

[3, 25] §. 17. Wenn eine Verbindlichkeit auf eine Geldzahlung lautet, und zwischen der Zeit der eingegangenen Verbindung und der geleisteten Zahlung der Werth des Geldes erhöhet oder erniedriget worden, so ist vorzüglich auf den Unterschied zu sehen, ob diese Erhöhung oder Erniedrigung nur einzelne Münzen betreffe, oder ob der Münzfuß selbst erhöhet oder erniedriget worden sei.

[3, 25] §. 18. Der Münzfuß wird erhöhet, wenn Wir aus einer Mark Silber mehr Gulden prägen lassen, als nach Unsern vorigen Münzverordnungen daraus gepräget wurden; es sei, daß Wir die nach Unsern vorigen Münzverordnungen geprägte Gulden, und andere damit im Verhältnisse stehende Münzen beibehalten, denselben aber einen höheren äußerlichen Werth beilegen, oder daß Wir aus einer Mark Silber wirklich mehrere Gulden prägen lassen, als vorhero, diesen aber entweder von ihrem vorhero gehabten Gewichte, oder von ihrem vorherigen reichen Gehalte einen Theil entziehen.

[3, 25] §. 19. Der Münzfuß wird erniedriget, wenn Wir aus einer Mark Silber weniger Gulden prägen lassen, als nach Unsern vorigen Münzverordnungen daraus gepräget wurden; es sei, daß Wir die nach Unserm vorigen Münzfuße geprägte Gulden und andere damit im Verhältnisse stehende Münzen beibehalten, ihren bis dahin gehabten äußerlichen Werth aber vermindern, oder daß Wir aus einer Mark Silber wirklich weniger Gulden prägen lassen, diese aber entweder im Gewichte schwerer, oder in der innerlichen Güte reichhaltiger machen, als die vorherigen Gulden.

[3, 25] §. 20. Wofern aber aus einer Mark Silber eben diejenige Anzahl Gulden gepräget wird, die vorhero daraus gepräget worden, so sind alle übrigen mit den Münzen vorgehenden Veränderungen, sie mögen einzelne Silbermünzen oder einzelne Goldmünzen, oder auch alle Goldmünzen zusammen betreffen, bloserdings für Erhöhungen oder Erniedrigungen einzelner Münzen zu halten.

[3, 25] §. 21. Auch bei Veränderungen einzelner Münzen beruhet es auf Unserem Gutbefinden, auf welche Art Wir selbe zu Stande bringen wollen. Wenn Wir dahero eine oder mehr einzelne Münzen in ihrer innerlichen Güte belassen, wie sie vorhero waren, denselben aber einen höheren äußerlichen Werth beilegen, oder wenn Wir den äußerlichen Werth einer solchen Münze, wie vorhero belassen, die innerliche Güte derselben aber vermindern, so ist die Wirkung, die eine solche Veränderung auf die Zahlung vorheriger Verbindlichkeiten hat, in beiden Fällen ganz gleich.


(533) [3, 25] §. 22. Eben desgleichen, wenn Wir eine oder mehr einzelne Münzen in ihrer innerlichen Güte, wie vorhero belassen, denselben aber einen geringeren äußerlichen Werth beilegen, als sie vorhero gehabt haben, oder wenn Wir den äußerlichen Werth einer solchen Münze belassen, wie er vorhero war, deren innerlichen reichen Gehalt aber vermehren, so ist der Einfluß einer solchen Veränderung auf die Zahlung vorheriger Verbindlichkeiten in beiden Fällen abermals ganz gleich.

[3, 25] §. 23. Es möge aber mit den Münzen was immer für eine von den obangeführten Veränderungen vorgegangen sein, so ist jedesmal, wenn die Frage entstehet, welcher gestalten ein Schuldner seiner vorhero eingegangenen Verbindung genug zu thun schuldig sei, auf die vier verschiedene Arten zu sehen, auf welche sich derselbe zur Zahlung verbunden hat.

[3, 25] §. 24. Die erste Art ist, wenn der Schuldner eine gewisse Summe Gelds zu bezahlen schuldig ist, ohne daß die Münzsorten, woraus diese Summe bestehen solle, benennet worden. In diesem Falle haben alle Veränderungen, so auf eine von den in §§. 21 und 22 berührten Arten mit einzelnen Münzen vorgegangen sind, auf die Zahlung dieser Schuld nicht den mindesten Einfluß, sondern der Schuldner ist verbunden, die bestimmte Summe in den zur Zeit der Zahlung landesüblichen Münzen, und in dem zur Zeit der Zahlung denselben beigelegten landesüblichen Werthe zu zahlen; gleichwie der Glaubiger selbe ebenfalls in diesen Münzen, und in diesem Werthe anzunehmen schuldig ist.

[3, 25] §. 25. Wenn hingegen der Münzfuß erhöhet worden, es möge durch Vermehrung des äußerlichen Werthes, oder durch Verminderung der innerlichen Güte der Münzen geschehen sein, so muß der Schuldner, ohne Unterschied aus was für einer Verbindung die Schuld herrühre, anstatt der schuldigen Summe eine in eben jenem Verhältnisse größere Summe zahlen, in welchem der dermalige Münzfuß von dem vorherigen unterschieden ist, und im entgegengesetzten Falle, wenn der Münzfuß entweder durch Verminderung des äußerlichen, oder durch Vermehrung des innerlichen Werths der Münzen erniedriget worden, muß der Glaubiger ohne Unterschied, woher die Verbindlichkeit entstanden sei, sich mit einer nach dem Verhältnisse zwischen dem vorigen, und dem dermaligen Münzfuße minderen Summe befriedigen.

[3, 25] §. 26. Die zweite Art ist, wenn der Schuldner zu einer gewissen Summe Gelds verbunden ist, wo anbei auch die Münzsorten, in welchen die Zahlung geleistet werden solle, bestimmet, doch diese nicht in einem ausdrücklich festgesetzten Werthe angeschlagen worden. Wenn in diesem Falle ohne Veränderung des Münzfußes der äußerliche Werth der zur Zahlung bestimmten Münzsorten erhöhet worden, so ist der Schuldner befugt, selbe dem Glaubiger in dem dermaligen höheren Werthe anzurechnen, und wenn die innerliche Güte der zur Zahlung bestimmten Münzsorten vermindert worden, so kann er deme ohngeachtet den Glaubiger mit diesen schlechteren Münzen zahlen.

[3, 25] §. 27. Wenn jedoch der Schuldner die Entrichtung dieser Schuld ungebührlich verzögert hat, und die Veränderung mit den zur Zahlung bestimmten Münzen erst nach der Verfallzeit vorgegangen ist, so muß er in dem Falle, wenn der äußerliche Werth dieser Münzen erhöhet worden, selbe dem Glaubiger annoch in jenem Werthe geben, in welchem sie zur Verfallzeit waren, und in dem Falle, wenn der innerliche Werth dieser Münzen vermindert worden, muß er entweder den Glaubiger in den vorigen besseren Münzen, wenn diese noch zu haben sind, zahlen, oder wenn diese nicht mehr zu haben sind, so ist er nicht berechtiget, dem Glaubiger die neuen schlechteren Münzen in einem andern Preise, als den sie in Entgegenhaltung mit den vorigen besseren Münzen haben würden, anzurechnen.

[3, 25] §. 28. Wofern hingegen die zur Zahlung bestimmten Münzsorten in ihrem äußerlichen Werthe erniedriget worden, so mag der Schuldner diese Münzen nicht


(534) anders, als in ihrem dermaligen erniedrigten Werthe anrechnen. Wenn jedoch diese Münzen nach ihrer Erniedrigung sich aus dem Umlaufe verloren hätten, und in dem neuen ihnen beigelegten Werthe nicht mehr zu haben wären, so soll es von der Verbindlichkeit des Schuldners, seine Schuld nicht anderst als in diesen Münzen zu zahlen, gänzlich abkommen, und der Glaubiger sich auch mit andern Münzen zu befriedigen schuldig sein; ebenso, wenn die zur Zahlung bestimmten Münzen in ihrem innerlichen Werthe erhöhet worden, ist der Schuldner nicht befugt, wegen dieser Verbesserung der Münzen sich von seiner Schuld etwas abzuziehen, sondern er muß den Glaubiger in den verbesserten Münzen nach Maß des denselben beigelegten äußerlichen Werthes zahlen.

[3, 25] §. 29. Ist aber in dem Falle des §. 26 der Münzfuß erhöhet worden, so muß der Schuldner auf die im §. 25 mit Mehrerem berührte Art anstatt der schuldigen Summe eine nach Maß des erhöhten Münzfußes größere Summe zahlen, und dieses nicht nur, wenn die Münzen, in welchen die Zahlung bedungen worden, Silbermünzen sind, sondern auch, wenn die Verbindlichkeit auf Goldmünzen gerichtet ist, und im Gegentheile, wenn der Münzfuß erniedriget worden, muß der Glaubiger ohne Unterschied, ob die Zahlung in Silbermünzen oder in Goldmünzen versprochen worden, sich mit einer nach Maß des erniedrigten Münzfußes verminderten Summe begnügen.

[3, 25] §. 30. Die dritte Art ist, wenn der Schuldner eine gewisse Summe Gelds schuldig ist, und die Münzen, worinnen die Zahlung geschehen solle, nicht nur benennet, sondern auch in einem gewissen Werthe angeschlagen worden. Wenn in diesem Falle die Münzen, in welchen die Zahlung geschehen solle, in ihrem äußerlichen Werthe erhöhet worden, es möge in Folge des erhöhten Münzfußes geschehen sein, oder auch, ohne daß eine Veränderung des Münzfußes vorgegangen wäre, so muß der Schuldner, dieser Erhöhung ohngeachtet, selbe in ihrem vorigen niedrigen Werthe zahlen.

[3, 25] §. 31. Wenn aber die zur Zahlung bestimmten Münzen mit oder ohne Veränderung des Münzfußes in ihrem innerlichen Werthe vermindert worden, so thut der Schuldner, obwohl die neuen Münzen mit den vorigen gleichen Namen und äußerlichen Werth haben, seiner Schuldigkeit nicht genug, wenn er die neuen Münzen in dem angeschlagenen Werthe entrichtet, sondern er muß entweder den Glaubiger in den vorigen Münzen, wenn deren noch zu haben sind, nach Maß des Contracts zahlen, oder zu den neuen Münzen ein gegen die vorigen im Verhältnisse stehendes Aufgeld legen.

[3, 25] §. 32. Dahingegen, wenn in diesem Falle, entweder bei ohnverändert gebliebenem Münzfuße, oder auch wegen einer vorgenommenen Erniedrigung des Münzfußes, die zur Zahlung bedungenen Münzen in ihrem äußerlichen Werthe herabgesetzet worden, so ist der Glaubiger schuldig, selbe in ihrem ehemals gehabten höheren Werthe anzunehmen, und wenn die in dem Contracte festgesetzten Münzen in ihrem innerlichen Werthe verbessert worden, so ist der Schuldner bloserdings verbunden, den Glaubiger in den vorigen schlechteren Münzen, wenn selbe noch zu haben sind, nach dem bei der Verbindung festgesetzten Preise zu zahlen; sind selbe aber nicht mehr zu haben, so kann er die neuen besseren Münzen in jenem Preise anrechnen, der auf selbe in Entgegenhaltung mit den vorigen Münzen, wenn diese in dem durch den Contract bestimmten Werthe angeschlagen werden, ausfallen wird.

[3, 25] §. 33. Wäre aber in einem von den im vorigen §. berührten Fällen der Schuldner in Erfüllung seiner Verbindlichkeit saumselig gewesen, und die Veränderung mit den zur Zahlung bedungenen Münzen erst nach der Verfallzeit erfolget, so ist der Unterschied zu machen, ob bei dieser mit den zur Zahlung bedungenen Münzen vorgegangenen Veränderung der Münzfuß ohnverändert geblieben, oder


(535) ob die Veränderung mit den bestimmten Münzen eine Folge des zu gleicher Zeit erniedrigten Münzfußes gewesen sei.

[3, 25] §. 34. Ist der Münzfuß ohnverändert geblieben, so kann der saumselige Schuldner in dem Falle, wo der äußerliche Werth der zur Zahlung bestimmten Münzen erniedriget worden, selbe dem Glaubiger in keinem andern Werthe anrechnen, als den sie zur Zeit der Zahlung haben, und in dem Falle, wenn der innerliche Werth dieser Münzen verbessert worden, soll der Schuldner die vorigen schlechteren Münzen, wenn diese noch zu haben sind, dem Glaubiger nicht anders als in ihrem dermaligen niedrigeren Preise aufzudringen, wenn aber selbe nicht mehr zu haben sind, demselben die neuen besseren Münzen blos in dem durch den Contract festgesetzten Preise anzurechnen befugt sein.

[3, 25] §. 35. Ist im Gegentheile der Münzfuß erniedriget, und aus dieser Ursache entweder der äußerliche Werth der zur Zahlung bestimmten Münzen vermindert, oder deren innerlicher Werth verbessert worden, so ist zwar der saumselige Schuldner seinem Glaubiger nach Maß der allgemeinen Regeln allen durch seinen Saumsal verursachten Schaden zu ersetzen verbunden; allein unter diesen Schaden mag die mit den zur Zahlung bestimmten Münzen vorgegangene Veränderung nicht gerechnet, noch der Schuldner auf die im vorigen §. festgesetzte Art zu dessen Ersatze angehalten werden, sondern es hat bei der im §. 32 gegebenen Richtschnur sein Bewenden.

[3, 25] §. 36. Die vierte Art ist, wenn die Verbindlichkeit des Schuldners nicht auf eine gewisse Summe Gelds, sondern auf eine bestimmte Anzahl benannter Münzen gerichtet ist. Wenn in diesem Falle die schuldigen Münzen in ihrem äußerlichen Werthe erhöhet werden, es möge mit oder ohne Erhöhung des Münzfußes geschehen sein, so muß der Schuldner dennoch allezeit die bedungene Anzahl dieser Münzen entrichten; ebenso, wenn diese Münzen in ihrem innerlichen Werthe vermindert würden, kann der Glaubiger nicht verhalten werden, sich mit der bestimmten Anzahl dieser neuen Münzen zu begnügen, sondern der Schuldner muß ihm entweder die bedungene Anzahl der vorigen Münzen zahlen, wenn diese noch zu haben sind, oder zu der nemlichen Anzahl neuer Münzen annoch ein solches Aufgeld hinzulegen, als dem zwischen denselben und den vorigen Münzen befindlichen Unterschiede angemessen ist.

[3, 25] §. 37. Im entgegengesetzten Falle, wenn die schuldigen Münzen entweder bei ohnverändert gebliebenem, oder bei zugleich erniedrigtem Münzfuße in ihrem äußerlichen Werthe erniedriget worden, ist der Glaubiger schuldig, mit der durch den Contract festgesetzten Anzahl dieser Münzen sich zu befriedigen, und wenn diese Münzen in ihrer innerlichen Güte verbessert worden, so behält der Schuldner die Befugniß, seine Schuld entweder durch die bestimmte Anzahl alter Münzen, wenn diese noch zu haben sind, zu tilgen, oder im widrigen Falle sich bei den neuen Münzen einen mit dem Unterschiede, so sich zwischen denselben und den alten Münzen befindet, übereinstimmenden Betrag zurückzuhalten.

[3, 25] §. 38. Wofern jedoch der Schuldner in der Erfüllung seiner Verbindlichkeit sich eines Saumsals schuldig gemacht hat, und die zu entrichten gewesene Münzen erst nach der Verfallzeit in ihrem äußerlichen Werthe erniedriget, oder in ihrem innerlichen Werthe verbessert worden, so ist eben der Unterschied zu machen, den Wir im §. 33 zu machen anbefohlen haben. Ist eine oder die andere Veränderung mit den schuldigen Münzen als eine Folge des zu gleicher Zeit erniedrigten Münzfußes vorgegangen, so soll es nach Maß dessen, was Wir im §. 35 geordnet, bei den im vorigen §. festgesetzten Regeln sein Verbleiben haben.

[3, 25] §. 39. Wenn hingegen eine von diesen Veränderungen mit den in der Verbindung stehenden Münzen geschehen ist, ohne daß der Münzfuß zugleich erniedriget worden, so soll der Schuldner bei der geschehenen Erniedrigung des äußerlichen


(536) Werths dem Glaubiger Dasjenige, was diese Erniedrigung bei allen schuldigen Münzen zusammen beträgt, zu vergüten schuldig sein; bei der geschehenen Erhöhung des innerlichen Werths aber soll derselbe weder befugt sein, dem Glaubiger die vorigen Münzen aufzudringen, noch auch von den neuen besseren Münzen sich das Mindeste abzuziehen.

[3, 25] §. 40. Wenn Wir eine gewisse Gattung Münzen gänzlich außer Umlauf zu setzen befinden, so sollen andurch alle Verbindlichkeiten, wodurch Jemand eine bestimmte Anzahl dieser Münzen, oder auch eine Summe Gelds in diesen Münzen zu bezahlen schuldig war, aufgehoben, und derselbe den Betrag dieser Schuld in andern gangbaren Münzen zu bezahlen verbunden sein.

[3, 25] §. 41. Wenn aber Jemand eine schuldige Summe in solchen Münzen vor ihrer Verrufung gezahlet, oder wenn Jemand einem Andern ein Darlehen gegeben hat, und die Münzen, in welchen er dieses Darlehen zugezählet, nachhero verrufen worden wären, so ist auf den Unterschied zu sehen, ob die verrufenen Münzen vorher mit Unserer Bewilligung einen freien Umlauf gehabt, oder ob sie sich wider Unsere Willensmeinung in Unsere Staaten eingeschlichen haben. Haben sie entweder mit Unserer ausdrücklichen oder stillschweigenden Bewilligung einen freien Umlauf gehabt, so muß bei deren Verrufung Derjenige ganz allein den Schaden tragen, der selbe zur Zeit der Verrufung als sein Eigenthum in den Händen hat.

[3, 25] §. 42. Wofern hingegen derlei Münzen sich wider Unseren Willen in den Umlauf eingeschlichen haben, so ist Derjenige, deme in solchen Münzen eine Schuld bezahlet, oder ein Darlehen zugezählet worden, wenn er sie zur Zeit der geschehenen Verrufung noch in Händen hat, berechtiget, selbe Demjenigen, von deme er sie bekommen, zurückzuschlagen; hätte er sie aber zur Zeit ihrer Verrufung bereits ausgegeben, so soll die damit bezahlte Schuld für vollkommen getilget, und das in diesen Münzen zugezählte Darlehen für die Summe, auf welche es lautet, für rechtsbeständig gehalten werden.

[3, 25] §. 43. Wenn jedoch der Glaubiger, der in diesen Münzen eine Schuld gezahlet erhalten hat, oder der Entlehner, deme in diesen Münzen ein Darlehen zugezählet worden, selbe vor ihrer Verrufung zwar ausgegeben hätten, nach geschehener Verrufung aber diese Münzen ihnen in Folge Unserer im vorigen §. enthaltenen Anordnung zurückgeschlagen worden wären, so stehet ihnen allerdings die Befugniß zu, in eben dieser Maß an dem Schuldner oder Darleiher, von welchem sie diese Münzen empfangen, ihre Entschädigung zu suchen.

[3, 25] §. 44. In allen vorberührten Fällen, wo Wir wegen einer mit den Münzen vorgegangenen Veränderung entweder dem Glaubiger die Befugniß mehr, als seine Foderung betragen hat, zurückzufodern, oder dem Schuldner die Befugniß sich mit einer minderen Summe, als seine Schuld ausgemacht hat, von derselben zu befreien eingestanden haben, erstrecket sich dieses Recht nebst der schuldigen Hauptsumme auch auf die davon gebührende Zinsen; doch wollen Wir dasselbe blos dahin beschränken, wenn der Glaubiger vor angenommener, oder der Schuldner vor geleisteter Zahlung sich dieses Rechts gebrauchet haben.

[3, 25] §. 45. Wenn hingegen der Glaubiger für jene Zeit, wo ihm von der nach Maß obiger Grundsätze vergrößerten Hauptsumme auch größere Zinsen gebühreten, sich mit minderen Zinsen begnüget hat, ohne sich wegen des Ueberrestes etwas vorzubehalten, oder wenn derselbe anstatt der ihm gebührenden größeren Hauptsumme eine mindere Summe ohne Vorbehalt angenommen hat, soll derselbe weder im ersten Falle in Ansehung der zu wenig bezahlten Zinsen, noch auch im zweiten Falle wegen der zu gering bezahlten Hauptsumme einen Nachtrag anzufodern berechtiget sein; wenn er aber auch sich ein- oder mehrmal mit minderen Zinsen begnüget hat, so mag ihm doch dieses bei den nachhero neuerdings verfallenden Zinsen, und um so mehr bei Zahlung der Hauptsumme zu keinem Nachtheile gereichen.


(537) [3, 25] §. 46. Ebenso, wenn der Schuldner entweder für die Zeit, wo er von der schuldigen Hauptsumme weniger an Interessen zu zahlen hatte, mehr gezahlet hat, oder wenn er die schuldige Hauptsumme selbst, ohngeachtet ihrer in Folge Unserer obigen Anordnungen geschehenen Verminderung ohnvermindert gezahlet hat, ohne sich wegen Zurückstellung der Uebermaß etwas auszubedingen, soll es im ersten Falle bei den bereits bezahlten Interessen, und im zweiten Falle bei der bezahlten Hauptsumme sein ohnabänderliches Bewenden haben; doch soll ihm die einmal geleistete Zahlung in Betreff der künftigen Zahlungen, wie Wir im vorigen §. vom Glaubiger geordnet haben, ebenfalls keinen Nachtheil bringen.

[3, 25] §. 47. Wer zahlen will, der muß die ganze Schuld sammt Zinsen und andern Nebengebührnissen auf einmal zahlen, und der Glaubiger ist nicht schuldig, getheilte Zahlungen anzunehmen, wenn es nicht ausbedungen worden, daß die Schuld auch durch verschiedene einzelne Zahlungen getilget werden möge.

[3, 25] §. 48. Wenn eine Schuld aus mehreren einzelnen Posten bestehet, welche jedoch alle aus einerlei Verbindlichkeit herrühren, und mit einer einzigen Rechtsfoderung anbegehret werden könnten, so müssen auch diese nach Anordnung des vorigen §. auf einmal gezahlet werden. Wenn aber die einzelnen Schuldposten aus verschiedenen Verbindlichkeiten entsprungen sind, so soll der Schuldner befugt sein, eine jede insbesondere zu zahlen, obschon alle diese Posten mit beiderseitiger Einwilligung in eine Summe zusammen gezogen worden wären, wenn es nicht dabei ausdrücklich bedungen worden, daß deren Bezahlung auf einmal geleistet werden solle.

[3, 25] §. 49. Desgleichen, wenn ein Theil der Schuld richtig, der andere Theil aber unrichtig und strittig ist, kann der Schuldner den richtigen Theil der Schuld insbesondere zahlen. Wofern er jedoch diesen Theil freiwillig zahlet, und die ganze Schuld aus einerlei Verbindung herrühret, auch unter einer Summe in einer einzigen Verschreibung enthalten ist, so kann er sich der ihm in Ansehung des übrigen Theils der Schuld wider den Glaubiger zustehenden Rechtswohlthaten und Einwendungen nicht mehr gebrauchen; außer wenn er bei Bezahlung des einen Theils die ihm wegen des Uebrigen gebührenden Behelfe sich ausdrücklich vorbehalten hat, oder die für die Anerkennung der ganzen Schuld entstandene rechtliche Vermuthung durch rechtsbeständige Proben abzulehnen vermag.

[3, 25] §. 50. Eine jede Zahlung muß zur behörigen Zeit geschehen. Wenn eine gewisse Frist zur Zahlung bestimmet worden, so ist vor deren Verlaufe weder der Glaubiger befugt, die Schuld einzufodern, noch der Schuldner die Zahlung zu leisten. Wenn jedoch während dieser Zeit das Vermögen des Schuldners in Verfall geriethe, und der Glaubiger die Gefahr eines ihm bevorstehenden Verlusts darzeigen kann, so stehet ihm frei, den Schuldner zur Ausweisung und Sicherstellung seiner Foderung zu verhalten. Auch in Ansehung der von einer Schuld bedungenen Interessen stehet dem Glaubiger nichts im Wege, selbe auch vor der Verfallzeit der Hauptschuld zu begehren, wenn nur die zu Abführung der Interessen bestimmte Frist verflossen ist.

[3, 25] §. 51. Wenn der Glaubiger und der Schuldner dahin übereingekommen sind, daß die Schuld nicht eher gezahlet werden solle, als bis sie aufgekündet worden, so müssen sich Beide deme nachachten; zu welcher Zeit aber die Aufkündung geschehen könne, und wie lange Zeit die Aufkündung vor der wirklichen Zahlung vorherzugehen habe, wofern es in der Verbindung nicht festgesetzet worden, ist nach der Gewohnheit eines jeden Landes zu entscheiden.

[3, 25] §. 52. Ist aber keine gewisse Zeit zur Zahlung bestimmet, oder deren Leistung auf jedesmaliges Begehren des Glaubigers versprochen worden, so ist sowohl der Glaubiger berechtiget, selbe zu allen Zeiten einzufodern, als der Schuldner, selbe zu allen Zeiten auch ohngefodert anzubieten; doch soll der Glaubiger


(538) dem Schuldner, wenn derselbe alsogleich mit der Zahlung der eingefoderten Schuld nicht aufkommen könnte, zu deren Aufbringung eine den Umständen angemessene mäßige Frist nicht versagen.

[3, 25] §. 53. Dahingegen, wenn die Zeit der Zahlung ausdrücklich dem eigenen Belieben des Schuldners überlassen worden, kann zwar der Schuldner selbe zu allen Zeiten leisten, ohne daß der Glaubiger sich weigern könnte, selbe anzunehmen; allein der Glaubiger ist nicht berechtiget, die Schuld einzufodern. Im Falle aber der Schuldner noch vor geleisteter Zahlung verstorben wäre, können dessen nachgelassene Erben alsofort zur Zahlung verhalten werden.

[3, 25] §. 54. Nicht minder muß die Zahlung an dem behörigen Orte geleistet werden. Ist ein gewisser Ort zur Zahlung bestimmet worden, so kann weder der Glaubiger selbe an einem andern Orte einfodern, noch der Schuldner selbe dem Glaubiger an einem andern Orte aufdringen; sind zwei Orte wechselweise zur Zahlung bestimmet worden, so gebühret dem Schuldner die Auswahl, wo er zahlen wolle, wenn nicht ein Anderes ausgedrücket worden.

[3, 25] §. 55. Würde aber der Schuldner zur gesetzten Zeit an dem bestimmten Orte die Zahlung nicht leisten, so stehet dem Glaubiger nachhero frei, ihn an allen Orten, wo er ihn findet, zur Zahlung zu verhalten, auch von ihm den Ersatz alles Schadens zu begehren, der ihm wegen der an dem behörigen Orte nicht geleisteten, und an einem andern Orte anzunehmen bemüssigten Zahlung zugegangen ist.

[3, 25] §. 56. Wenn im Gegentheile der Schuldner die Zahlung an dem bestimmten Orte, und zur gesetzten Zeit zu leisten, zwar erbietig, der Glaubiger aber daselbst weder selbst anwesend wäre, noch auch Jemanden zu Annehmung der Zahlung allda bestellet hätte, so soll der Schuldner befugt sein, entweder sich des von Uns ihme im §. 78 eingestandenen rechtlichen Hilfsmittels zu bedienen, oder die Zahlung dem Glaubiger überall, wo er ihn findet, anzubieten, in beiden Fällen aber sich von derselben so vieles, als er durch den nicht beobachteten Contract in Schaden versetzet worden, abzuziehen.

[3, 25] §. 57. Wofern jedoch der Zugang zu dem bestimmten Orte wegen feindlicher Ueberziehung, Ueberschwemmung, ansteckender Seuche, oder aus andern Ursachen beschwerlich, oder gar unmöglich worden wäre, so soll wegen der daselbst nicht geleisteten, oder nicht angenommenen Zahlung kein Theil an dem Andern eine Entschädigung zu fodern befugt sein. Wenn aber ein Theil wegen der ihm insbesondere zugestoßenen rechtmäßigen Hindernisse sich an dem bestimmten Orte nicht einfindet, so soll er sich von dem Ersatze der dem andern Theile verursachten Unkosten nur alsdann befreien können, wenn er zu Erfüllung seiner Verbindlichkeit weder eine andere Veranstaltung treffen, noch auch die ihm vorgefallenen Hindernisse dem andern Theile in der Zeit zu wissen machen können.

[3, 25] §. 58. Ist im Gegentheile kein Ort zur Zahlung bestimmet worden, so kann der Glaubiger dieselbe sowohl in dem Orte, wo die Verbindlichkeit eingegangen worden, als wo der Schuldner ist, einfodern, und wo selbe zum ersten gefodert worden, da ist der Schuldner zu deren Leistung verbunden. Wenn aber der Schuldner sich verborgen hält, rechtsflüchtig ist, oder der Glaubiger sonst die Gefahr eines Verlusts zu erweisen vermag, soll er das Recht haben, den Schuldner an allen Orten, wo er ihn betreten wird, um seine Befriedigung anzugehen.

[3, 25] §. 59. Ueberhaupt aber soll in diesen Fällen zwischen entgeltlichen und ohnentgeltlichen Handlungen ein Unterschied gemacht, und wenn die Schuld aus einer entgeltlichen Handlung herrühret, die schuldige Summe von dem Schuldner auf seine Gefahr und Unkosten in die Hände des Glaubigers überliefert, dahingegen die aus einer ohnentgeltlichen Handlung gebührende Summe von dem Glaubiger aus dem Hause des Schuldners abgeholet werden.


(539) [3, 25] §. 60. Wenn die gezahlte, oder anstatt der Zahlung gegebene Gelder oder Sachen dem Schuldner eigenthümlich zugehöret haben, so erwirbt der Glaubiger daran alsofort das Eigenthum. Wenn aber auch fremdes Geld, oder eine fremde Sache gezahlet oder an Zahlungsstatt gegeben worden, so soll doch der Glaubiger, wofern die Sache beweglich ist, und er, daß selbe fremd sei, nicht gewußt hat, in Folge Unserer im zweiten Theile, sechsten Capitel, festgestellten Grundsätze deren Eigenthum erwerben. Wenn hingegen der Glaubiger gewußt hat, daß die Sache fremd sei, oder wenn das an Zahlungsstatt Angenommene ein liegendes Gut ist, so bleibet der Glaubiger den Ansprüchen des Eigenthümers ebenso lang unterworfen, als der Schuldner denselben unterworfen gewesen wäre.

[3, 25] §. 61. In eben der Maß als der Glaubiger an dem gezahlten Gelde oder an den an Zahlungsstatt gegebenen Sachen das Eigenthum erwirbt, wird auch der Schuldner durch die Zahlung von der Verbindlichkeit, mit welcher er dem Glaubiger verhaftet war, gänzlich entlediget; insolang aber der Glaubiger in Ansehung dessen, was ihm gezahlet, oder an Zahlungsstatt gegeben worden, annoch den Ansprüchen eines Dritten ausgesetzet ist, kann auch der Schuldner von seiner Verbindlichkeit nicht befreiet werden.

[3, 25] §. 62. Durch rechtmäßig geschehene Zahlung wird nicht nur die Hauptverbindlichkeit des Schuldners, sondern auch eine jede Nebenverbindlichkeit getilget, und der Glaubiger ist schuldig, dem Schuldner die Schuldverschreibung sammt den ihm zur Sicherheit gegebenen Pfändern auszuantworten, und annebst demselben über die Richtigkeit der geschehenen Zahlung eine Quittung zu geben. Wäre aber die Schuldverschreibung bei dem Glaubiger in Verlust gerathen, so soll derselbe dem Schuldner unter seiner Handschrift und Petschaft eine Bescheinigung ausstellen, daß diese Schuldverschreibung, wenn sie wieder hervorkommen solle, ohne alle Kraft und für gänzlich vernichtet zu halten sei.

[3, 25] §. 63. Die geschehene Zahlung muß allezeit rechtsbeständig erwiesen werden. Wenn jedoch eben der Schuldbrief, der von dem Schuldner an den Glaubiger ausgestellet worden, sich in den Händen des Schuldners befindet, oder wenn derselbe bei dem Glaubiger zerrissen oder durchstrichen gefunden wird, oder wenn der Glaubiger ein dürftiger Mann ist, und dennoch die Schuld nach der Verfallzeit durch viele Jahre nicht gefodert, oder wenn er gar während dieser Zeit von dem Schuldner selbst Geld entlehnet, auch dasselbe wieder zurückgezahlet hat, oder wenn sonst wichtige Vermuthungen für die geleistete Zahlung eintreten, so wollen Wir Unsern Richtern überlassen, die Hinlänglichkeit dieser Vermuthungen zu beurtheilen, und nach Beschaffenheit der Umstände entweder Demjenigen, wider welchen die Vermuthung ist, den Gegenbeweis, oder dem Andern den Ergänzungseid aufzutragen.

[3, 25] §. 64. Wenn der Schuldner mit Einwilligung des Glaubigers auf Abschlag der Schuld einen Theil derselben gezahlet hat, so wird auch andurch die Verbindlichkeit des Schuldners nur für denjenigen Betrag getilget, den er gezahlet hat. Wenn aber bei einer Schuld auch andere Nebengebührnisse vorhanden sind, oder wenn der Schuldner dem Glaubiger mehrere Schuldposten zu zahlen hat, so sollen in Betreff einer auf Abschlag geleisteten Zahlung folgende Regeln beobachtet werden.

[3, 25] §. 65. Wenn der Schuldner nebst der Hauptschuld auch Interessen oder Unkosten schuldig ist, und die Interessen entweder vermöge der Schuldverschreibung selbst gebühren, oder wegen des vom Schuldner bezeigten Saumsals durch richterliche Erkanntniß zugesprochen worden, die Unkosten aber entweder durch die eigene Anerkennung des Schuldners, oder durch erfolgte richterliche Mäßigung berichtiget worden, so soll ein jeder Glaubiger berechtiget sein, die ihm geleistete Abschlagszahlung vorzüglich auf die dem Schuldner zu zahlen obliegende Unkosten, nach


(540) deren Abzug auf die bis an den Tag der geleisteten Abschlagszahlung gebührende Interessen, und wenn die Zahlung zur Tilgung sämmtlicher Interessen nicht erklecket, allezeit auf die älteren, nach Tilgung sämmtlicher Interessen aber erst den noch bleibenden Ueberrest auf die Hauptschuld anzurechnen.

[3, 25] §. 66. Dahingegen, wenn der Glaubiger vom Schuldner zwar wegen dessen Saumsals Interessen fodert, diese aber vom Richter noch nicht zugesprochen worden, oder wenn die von dem Schuldner dem Glaubiger zu ersetzen kommende Unkosten weder durch eine zwischen ihnen gepflogene ordentliche Berechnung berichtiget, noch deren Betrag durch richterlichen Spruch bestimmet worden, so ist der Glaubiger schuldig, eine jede von ihm angenommene Abschlagszahlung auf die Hauptschuld anzurechnen, und der Schuldner kann wider Willen nicht verhalten werden, selbe auf derlei unrichtige Nebengebührnisse anrechnen zu lassen.

[3, 25] §. 67. Wenn der Schuldner dem Glaubiger mehrere Schuldposten aus verschiedenen Ursachen abzuführen hat, so gebühret dem Schuldner die Auswahl, welche Post er durch die geleistete Abschlagszahlung vorzüglich tilgen wolle; wenn aber der gezahlte Betrag zur Tilgung einer ganzen Post nicht zureichet, so soll es von der Willkür des Glaubigers abhangen, auf welche Post er diese Abschlagszahlung annehmen wolle, wofern selbe nur richtig und schon verfallen ist.

[3, 25] §. 68. Hätte aber im ersten Falle der Schuldner, und im letzten Falle der Glaubiger nicht ausgedrücket, auf welche Schuldpost die Zahlung vorzüglich gegeben oder angenommen werden wolle, so soll selbe allezeit eher auf eine richtige, und zur Zeit der Zahlung bereits verfallene Schuldpost angerechnet werden, als auf jene, welche annoch unrichtig, oder zur Zeit der Zahlung noch nicht verfallen ist.

[3, 25] §. 69. Wenn aber mehrere Schuldposten richtig, und zur Zeit der Zahlung bereits verfallen sind, eine derselben aber in der Landtafel, in den Stadt- oder Grundbüchern einverleibet, und die andere nicht einverleibet ist, so kann auf die erste sonst keine Abschlagszahlung angerechnet werden, als wenn der Glaubiger darüber eine zur Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher geeignete Quittung ausgestellet hat. Sind aber beide Posten gleich, so ist die Zahlung vorzüglich auf jene anzurechnen, welche dringender ist.

[3, 25] §. 70. Jene Schuldpost, wofür eine Bürgschaft bestellet, ein Pfand gegeben, oder eine zur Zeit noch nicht einverleibte Hypothek verschrieben, oder höhere Interessen versprochen worden, ist dringender, als eine Post, für welche keine Sicherheit gegeben, oder geringere, oder gar keine Interessen verschrieben worden; ebenso ist eine durch richterliches Urtheil bereits zuerkannte, oder in wirklicher Execution stehende Post dringender, als eine noch nicht zuerkannte, und endlich hat jene Schuld, so Jemand für sich selbst zu zahlen hat, vor einer fremden Schuld, für welche der Zahler gutgestanden ist, den Vorzug.

[3, 25] §. 71. Wenn aber mehrere Schuldposten von gleicher Beschaffenheit sind, so ist es zwar in Ansehung des Schuldners gleichgiltig, auf welche die Abschlagszahlung angerechnet werde; allein, wenn der Vortheil eines Dritten dabei verflochten ist, als da für eine jede Schuldpost von verschiedenen Bürgen Sicherheit geleistet worden, so soll die geleistete Zahlung auf die ältere Schuld angerechnet werden, und wenn beide Schulden von einer Zeit herrühren, so ist die Zahlung nach Maß ihres Betrags von beiden abzuschlagen.

[3, 25] §. 72. Eine jede Quittung muß die ausdrückliche Bekanntniß des Glaubigers oder Desjenigen, deme nach Unsern obigen Anordnungen rechtsgiltig gezahlet werden kann, enthalten, daß er die Zahlung der Schuld empfangen habe, und mit dessen eigenhändiger Unterschrift bewähret sein; doch ist die Beidrückung dessen Petschafts nicht erfoderlich, sondern hat nur jene Wirkungen, die Wir derselben bei Schuldbriefen im vierten Capitel, §. 21, eingeraumet haben.


(541) [3, 25] §. 73. Wenn ein Schuldner bei geleisteten Abschlagszahlungen auch Abschlagsquittungen erhalten hat, so ist er nach gänzlich getilgter Schuld bei Erhaltung der Hauptquittung selbe dem Glaubiger zurückzustellen schuldig. Wenn sie ihm aber aus den Händen gekommen wären, so soll der Glaubiger befugt sein, denselben entweder zur Ausstellung einer solchen Bescheinigung anzuhalten, wovon Wir im §. 62 geordnet haben, oder in der Hauptquittung die vorhero gegebene Abschlagsquittungen zu entkräften und zu widerrufen; eben dieses Recht soll der Glaubiger auch alsdann jedesmal haben, wenn wegen besonderer Umstände über eine Schuld, bei deren Zahlung bereits eine Quittung ausgestellet worden, eine nochmalige Quittung anverlanget wird.

[3, 25] §. 74. Wenn eine Quittung auf mehrere unter einer allgemeinen Benennung begriffene Rechte und Foderungen lautet, so erstrecket sich ihre Wirkung auf alle diese Rechte und Foderungen; doch soll selbe niemals auf solche Gerechtsamen ausgedeutet werden, die entweder unter der allgemeinen Benennung, worauf die Quittung gerichtet ist, nicht begriffen werden, oder auf welche bei Ausstellung der Quittung nicht gedacht worden.

[3, 25] §. 75. Wenn auch Jemand mehrere jährliche, oder zu gesetzten Zeiten nach und nach bedungene Zahlungen zu entrichten hat, und über die geschehene Abführung der jüngeren Zahlungen Quittungen aufzuweisen vermag, so soll sich deren Wirkung auch auf die älteren Zahlungen dergestalten erstrecken, daß wenn der Schuldner von den jüngeren Zeiten drei auf einander folgende Quittungen in Händen hat, und in denselben die noch in Rückstand haftenden älteren Zahlungen nicht ausdrücklich vorbehalten worden, dem Glaubiger der Beweis obliegen solle, die vorherigen Zahlungen nicht empfangen zu haben.

[3, 25] §. 76. Hätte aber ein Glaubiger in Hoffnung der künftigen Zahlung eine Quittung vorhero von sich gegeben, ohne daß ihm hernach die Zahlung geleistet worden wäre, so wollen Wir demselben eben jenes rechtliche Hilfsmittel angedeihen lassen, welches Wir dem Schuldner im Falle einer von denselben vor empfangenem Darlehen ausgestellten Schuldverschreibung im vierten Capitel, §. 27 und den folgenden eingestanden haben; nur soll die Zeit, binnen welcher der Glaubiger sich dieses Hilfsmittel bedienen mag, auf dreißig Tage, und wenn er binnen dieser Zeit verstürbe, in Ansehung seiner Erben auf zwei Monate vom Tage der ausgestellten Quittung beschränket sein.

[3, 25] §. 77. Der Glaubiger soll aber auch bei Ausstellung der Quittung in dem Falle, wo ihm entweder, um den empfangenen Betrag in seinen Rechnungen der Erfoderniß nach zu belegen, oder um die Anerkennung der Schuld aufrecht zu erhalten, oder wegen einer andern erheblichen Ursache daran gelegen ist, befugt sein, den Schuldner zu ebenmäßiger Ausstellung eines Gegenscheins zu verhalten, nemlich zu einem schriftlichen Bekenntnisse derjenigen Summe, welche er gezahlet hat, und der Schuld, wegen welcher er sie gezahlet hat.

[3, 25] §. 78. Würde aber ein Glaubiger die ihm rechtmäßig angebotene Zahlung widerrechtlich anzunehmen verweigern, so soll der Schuldner befugt sein, selbe gerichtlich zu hinterlegen, und durch diese gerichtliche Hinterlegung soll derselbe von seiner Verbindlichkeit auf eine eben solche Art befreiet werden, als ob er die Schuld dem Glaubiger wahrhaft gezahlet hätte.

[3, 25] §. 79. Die Anerbietung der Zahlung mag nur alsdann für rechtmäßig gehalten werden, wenn der Schuldner, der selbe gethan, die Zahlung zu leisten, und der Glaubiger, deme sie geschehen, die Zahlung anzunehmen befugt ist, und wenn die ganze Schuld mit allen Nebengebührnissen in der bestimmten Güte zur gesetzten Zeit, und an dem behörigen Orte angeboten worden, wie Wir diese Erfodernisse in Betreff der Zahlung mit Mehrerem erkläret haben.

[3, 25] §. 80. Auch soll es nicht genug sein, wenn die Zahlung der Schuld dem Glaubiger mit blosen Worten angeboten worden, sondern die Anerbietung soll


(542) wirklich und in der That geschehen; nur in dem Falle, wenn der Glaubiger zur Verfallzeit an dem Zahlungsorte nicht zu finden, wenn er rechtsflüchtig, oder dessen Aufenthalt nicht zu erforschen ist, wollen Wir es bei der Bereitwilligkeit des Schuldners, die Zahlung zu leisten, bewenden lassen.

[3, 25] §. 81. Wenn der Schuldner die vom Glaubiger anzunehmen verweigerte Zahlung gerichtlich hinterlegen will, so soll demselben obliegen, sowohl die dem Glaubiger gethane wirkliche Anerbietung, als die von demselben geschehene Verweigerung zu erweisen, und zwar entweder durch die eigene Handschrift des Glaubigers oder durch Zeugen, oder durch die Bestätigung einer geschwornen Gerichtsperson.

[3, 25] §. 82. Das Gericht soll zu der Erlegung der Schuld den Glaubiger vorladen, und wenn derselbe erscheinet, zur verweigerten Annehmung der Zahlung aber rechtmäßige Ursachen zu haben glaubet, darüber mit schleuniger Erkanntniß verfahren; würde aber der Glaubiger an dem bestimmten Tage nicht erscheinen, so soll die gerichtliche Erlegung der Schuld, wenn die übrigen Erfodernissen dazu vorhanden sind, dennoch ihren Fortgang haben.

[3, 25] §. 83. Die Erlegung der Schuld soll aber vor dem behörigen Gerichte geschehen. Für das behörige Gericht ist jenes zu halten, wo die Zahlung hätte geleistet werden sollen, wo die Schuld vorgemerket ist, oder wo die Verbindung geschlossen worden, oder unter dessen Gerichtsbarkeit der Schuldner gehöret; wenn jedoch der Schuldner dasjenige Gericht angehen will, worunter der Glaubiger für seine Person gehöret, so stehet ihme frei, auch allda die Schuld zu hinterlegen.

[3, 25] §. 84. Wenn auf diese vorgeschriebene Art die Schuld gerichtlich erleget worden, so soll auch andurch alsofort, sowohl die Hauptschuld, als die Nebenverbindlichkeit gänzlich getilget, mithin die Pfandschaften befreiet, die Bürgen entlediget, die Gefahr der erlegten Summe oder Sache auf den Glaubiger übertragen, und der Schuldner berechtiget werden, denselben zur Aushändigung der Schuldverschreibung, zur Zurückstellung der Pfänder und zur Ausstellung der behörigen Quittung zu verhalten.

[3, 25] §. 85. Das Gericht soll jedoch die daselbst erlegte Schuld nur alsdann in wirklicher gerichtlicher Verwahrung bei sich aufbehalten, wenn dieselbe in baarem Gelde, in Urkunden oder solchen beweglichen Sachen bestehet, welche leicht zu verwahren, und durch längere Aufbewahrung keiner Gefahr des Verderbens unterworfen sind; Gründe und liegende Güter sind in gerichtliche Verwaltung zu nehmen. Jene Sachen aber, welche entweder schwer zu verwahren, oder bei längerer Aufbehaltung dem Verderben ausgesetzet sind, sollen durch öffentliche Versteigerung verkaufet, und der daraus gelösete Werth bei Gerichte hinterleget werden.

[3, 25] §. 86. Die Gerichte, und die von Uns zu Aufbewahrung der zu Gerichtshanden übergebenen Sachen insbesondere aufgestellte Aemter sollen in Verwahrung der ihnen anvertrauten Gelder, Urkunden und anderer Sachen alle behörige Sorgfalt anwenden; widrigens, wo daran durch ihre Schuld und Nachlässigkeit ein Schaden entstehet, sollen sie ebenso wie ein jeder Anderer, zu dessen Handen etwas hinterleget worden, dafür zu haften haben.

[3, 25] §. 87. Dem Schuldner stehet frei, die zu Gerichtshanden erlegte Schuld insolang wieder zurückzunehmen, als der Glaubiger, daß er selbe annehmen wolle, sich nicht erkläret, oder ein Dritter nicht darauf ein gerichtliches Verbot ausgewirket hat. Nach dieser Zurücknehmung hingegen ist die ganze Handlung für null und nichtig anzusehen, und der Schuldner fällt in die vorige Verbindlichkeit wieder zurück; doch mögen die durch die einmal geschehene gerichtliche Hinterlegung befreiten Bürgen, und die vor der Zurücknehmung des Schuldners etwas bereits ausgefolgte Pfänder nicht neuerdings verbindlich gemacht werden.

[3, 25] §. 88. Durch die alleinige außergerichtliche Anbietung der Schuld wird die Verbindlichkeit nicht getilget, noch auch der Schuldner von fernerer Zahlung der


(543) Interessen, wenn selbe aus einem darüber errichteten Vertrage gebühren, befreiet; doch soll derselbe andurch vor den Wirkungen des Saumsals verwahret, mithin sowohl von jenen Interessen, welche er wegen seines Saumsals zu zahlen gehabt haben würde, als auch von der Verfänglichkeit für die Gefahr der schuldigen Sache, für welche er wegen seines Saumsals hätte haften müssen, entlediget werden.

[3, 25] §. 89. Nicht minder wird eine jede Verbindlichkeit auch dadurch aufgehoben, wenn der Glaubiger selbe dem Schuldner erläßt. Niemand ist jedoch befugt, eine Verbindlichkeit zu erlassen, als der die Macht hat, sein Vermögen zu verschenken, und wenn mehrere Glaubiger einer Schuld sind, so kann ein Jeder von ihnen durch seine Erlassung den Schuldner nur von demjenigen Antheile der Schuld befreien, der ihme daran gebühret.

[3, 25] §. 90. Wenn mehrere Schuldner für die Schuld mit geschiedener Hand verbunden sind, so wird durch die Einem unter den Mitschuldnern gemachte Erlassung nur dieser für seinen Antheil befreiet. Wenn jedoch alle Schuldner in einer einzigen Urkunde unterschrieben sind, und diese Urkunde Einem unter ihnen von dem Glaubiger ohne Vorbehalt zurückgestellet worden, so soll die Befreiung von der Schuld auch allen Uebrigen zu statten kommen.

[3, 25] §. 91. Ebenso, wenn mehrere Schuldner in einer Verbindung mit ungeschiedener Hand verbunden sind, wirket die dem Einen unter denselben gemachte Erlassung auch die Befreiung der Uebrigen, wenn der Glaubiger sich seine Foderung wider dieselben nicht ausdrücklich vorbehalten, oder dieses sein gehabtes Recht auf den befreiten Schuldner übertragen hat.

[3, 25] §. 92. Die Schuld wird nicht nur erlassen, wenn der Glaubiger dieses mit trockenen Worten gesagt, sondern auch, wenn er diese seine Willensmeinung auf was immer für eine andere Art erkläret hat, wofern es nur daraus erhellet, daß er die Schuld habe erlassen wollen. Wenn dahero der Glaubiger die Schuldverschreibung zerreißt oder dem Schuldner zurückstellet, so ist andurch die Schuld für erlassen zu halten; hätte jedoch der Glaubiger mehrere gleichlautende Schuldverschreibungen in Händen gehabt, und nur eine derselben dem Schuldner zurückgestellet oder zerrissen, oder wenn blos die Bürgschaft erlassen, oder das gegebene Pfand zurückgestellet worden, so mag daraus nach Maß des im ersten Capitel, §. 21, festgestellten Grundsatzes keine Erlassung gefolgert werden, wofern der Schuldner diese von dem Glaubiger gehegte Absicht nicht sonst zu erweisen vermag.

[3, 25] §. 93. Auch alsdann wird eine Verbindlichkeit getilget, wenn der Schuldner derjenigen Foderung, welche sein Glaubiger an ihn stellet, eine andere Foderung, welche er an diesen Glaubiger zu stellen befugt ist, entgegensetzen und eine mit der andern vergelten und ausgleichen kann.

[3, 25] §. 94. Ein jeder Schuldner ist berechtiget, das, was sein Glaubiger an ihm zu fodern hat, mit Demjenigen, was der Glaubiger ihm schuldig ist, zu vergelten; doch soll wider Unsere landesfürstliche Gefälle, Steuern und andere Abgaben, gleichwie auch wider die Unserer Kammer verfallene Strafgelder keine wie immer Namen habende Vergeltung zulässig sein. In allen andern Fällen hingegen, wo Unsere Kammer entweder aus einem geschlossenen Contracte oder aus dem von einem Privaten auf sie gediehenen Rechte eine Foderung stellet, soll auch wider dieselbe die Vergeltung statt haben, doch sonst nicht, als wenn die Gegenfoderung des Schuldners auf eben jene von Unsern Cassen gerichtet ist, zu welcher der von Unserer Kammer gefoderte Betrag gehöret.

[3, 25] §. 95. Die Vergeltung und Ausgleichung einer Verbindlichkeit mit der andern hat nur alsdann statt, wenn eben der Glaubiger, der die Schuld zu fodern hat, den Betrag, der mit dieser Schuld vergolten werden will, schuldig ist, und wenn er ihn eben demjenigen Schuldner schuldig ist, der die erste Schuld zu bezahlen hat; darum mag das, was der Mann fodert, mit deme, was das Weib schuldig


(544) ist, das was der Vormund in eigenem Namen fodert, mit deme, was die Waisen schuldig sind, das, was Jemand von einer Gemeinde fodert, mit deme, was er einem einzelnen Mitgliede dieser Gemeinde schuldig ist, und ebenso in den umgekehrten, und mehr andern ähnlichen Fällen nicht vergolten werden.

[3, 25] §. 96. Dahingegen, wenn die Verwaltung der Vormundschaft über einerlei Waisen zwischen mehreren Vormündern getheilet ist, und Jemand von einer dieser Vormundschaften etwas zu fodern hat, der andern Vormundschaft aber schuldig ist, kann sowohl derselbe, wenn er von einem Vormünder belanget wird, das, was ihm der Andere schuldig ist, als auch der Vormünder, wenn er von Jenem belanget wird, das, was der andere Vormünder zu fodern hat, zur Ausgleichung der Foderung anbringen, und auf eine ähnliche Art kommt die aus der Gesellschaft herrührende Foderung des einen Gesellschafters dem Andern wider den gesellschaftlichen Glaubiger, gleichwie auch dem gesellschaftlichen Schuldner die ihm an dem einen Gesellschafter gebührende Foderung wider den andern Mitgesellschafter zu statten.

[3, 25] §. 97. Wenn der Bürge vom Glaubiger zur Zahlung der verbürgten Summe belanget wird, so kann er nicht nur das, was der Glaubiger ihm selbst, sondern auch, was er dem Hauptschuldner schuldig ist, mit der verbürgten Summe vergelten. Wenn hingegen der Hauptschuldner vom Glaubiger angegangen wird, kann er das, was der Bürg an dem Glaubiger zu fodern hat, demselben nicht entgegensetzen. Ebenso kann auch der Bürg, wenn er vom Hauptschuldner wegen einer andern Schuld belanget wird, sich mit Vorschützung der geleisteten Bürgschaft, insolang er die verbürgte Summe nicht gezahlet hat, von der Zahlung nicht befreien; doch stehet ihm in diesem Falle bevor, entweder eine Sicherstellung anzusuchen, oder sich des von Uns ihm im achten Capitel, §. 45, gegebenen Hilfsmittels zu bedienen.

[3, 25] §. 98. Was der abtretende Glaubiger dem abgetretenen Schuldner zur Zeit der geschehenen Abtretung schuldig war, oder hernach, ehe und bevor sein Recht nach Maß des vorigen Capitels, §. 25, auf den Uebernehmer dieser Schuld übergangen, schuldig worden ist, das mag der abgetretene Schuldner dem Uebernehmer dieser Foderung als eine Gegenfoderung einwenden; was aber der abtretende Glaubiger nachhero, da sein Recht schon erloschen war, dem abgetretenen Schuldner schuldig worden ist, dieses kann mit der von einem Dritten übernommenen Foderung nicht mehr vergolten werden.

[3, 25] §. 99. Der Erb kann Dasjenige, was er Jemanden schuldig ist, mit deme, was der Erblasser an diesem Glaubiger zu fodern hat, vergelten, und wenn der Erb an Jemanden in seinem eigenen Namen zu fodern hat, so kann dieser Dasjenige, was ihm der Erblasser schuldig war, ebenfalls vergelten. Sind mehrere Erben eines Erblassers, so kann die Vergeltung bei einem Jeden insbesondere sich nicht weiter erstrecken, als auf den für ihn ausfallenden Antheil der Erbschaft, und wenn die Erbschaft mittels eines gerichtlichen Inventariums angetreten worden, so mag die Vergeltung wider den Erben nur nach Maß desjenigen Betrags Platz greifen, der demselben nach Abzug der Erblasten von der Erbschaft zugekommen ist.

[3, 25] §. 100. Nur jene Foderungen können mit einander vergolten und ausgeglichen werden, welche auf Sachen von gleicher Gattung und Güte gerichtet sind. Bei Thaten hingegen, bei Sachen von verschiedener Gattung oder von verschiedener Güte, oder wo von einer Gattung bestimmte Stücke gebühren, findet keine Vergeltung statt, außer wenn sie in einem geschätzten Werthe zu Gelde angeschlagen werden, und auf diese Art Geld gegen Geld ausgeglichen wird.

[3, 25] §. 101. Auch muß die Foderung, mit welcher eine andere vergolten werden will, wahrhaft richtig und unlaugbar sein, so daß deren Richtigkeit entweder durch eigene Bekanntniß des Gegentheils eingestanden, oder durch ergangenen richterlichen


(545) Spruch entschieden worden, oder binnen der in Unserer Gerichtsordnung ausgemessenen Frist rechtsbeständig erwiesen werden mag.

[3, 25] §. 102. Ferner muß diese Foderung zu der Zeit, wo mit derselben eine andere Schuld vergolten werden will, nicht allein gebühren, sondern auch alsogleich anbegehret werden können; was hingegen erst von einer künftigen Ereigniß abhängt, oder erst nach Verlaufe einer gewissen Zeit gefodert werden kann, dieses mag vor der Verfallzeit mit einer bereits eintreiblichen Schuld nicht ausgeglichen werden.

[3, 25] §. 103. Die Foderungen, so mit einander vergolten werden wollen, mögen aus einerlei oder aus verschiedenen Verbindlichkeiten herrühren, so hindert es nicht. Wenn es jedoch auf die Zurückstellung einer zu getreuen Händen hinterlegten Sache oder eines gestohlenen, geraubten oder sonst auf unrechtmäßige Weise an sich gebrachten fremden Guts ankommt, so soll dawider, wenn die Foderung auch blos auf die Erstattung des Werths gerichtet wäre, dennoch keine Vergeltung mit einer andern auch noch so richtigen Foderung Platz haben.

[3, 25] §. 104. Durch die Vergeltung wird die vorige Verbindlichkeit gleich von der Zeit an, da die Gegenfoderung entstanden, ganz oder zum Theile nach Maß des Betrags, auf welchen die Gegenfoderung sich erstrecket, alsofort und ohne weitere Zuthat getilget, und diese Befreiung erstrecket sich nicht nur auf die Hauptsumme, sondern auch auf die von derselben zu entrichten gewesene Interessen, wie auch auf die dafür gegebene Pfänder und Bürgschaften.

[3, 25] §. 105. Auch stehet es der Vergeltung nicht im Wege, wenn schon Derjenige, der eines Andern Foderung durch die Vergeltung tilget, nicht befugt wäre, eine Zahlung zu leisten; gleichwie auch die Foderung Desjenigen durch die Vergeltung getilget werden kann, der vermöge Unserer Gesetze nicht berechtiget ist, eine Zahlung anzunehmen.

[3, 25] §. 106. Wenn Jemand einem Andern mehrere Schuldposten zu entrichten hat, und an demselben eine Gegenfoderung bekommt, so soll es mit Abrechnung dieser Gegenfoderung ebenso gehalten werden, wie Wir bei einer auf mehrere Schuldposten geleisteten Abschlagszahlung im §. 64 und den folgenden vorgeschrieben haben. Wenn auch Jemand wider eine gegen ihn angebrachte Foderung ganz oder zum Theile eine Gegenfoderung einwendet, so soll ihm, wenn er sich die ihme wider einen Theil der Foderung gebührenden Behelfe nicht vorbehalten hat, andurch eben der Nachtheil zuwachsen, von dem Wir im §. 49 geordnet haben.

[3, 25] §. 107. Wofern aber Jemand aus Irrthum eine durch die vorgeschützte Gegenfoderung und ordentlich gepflogene Abrechnung bereits getilgte Schuld nochmals gezahlet, oder seine Foderung ganz oder zum Theile wegen einer an ihn gestellten Gegenfoderung, wozu er nicht verbunden war, hintangelassen hat, so kann er mit Erweisung des vorgewesenen Irrthums die Zurückstellung des zur Ungebühr bezahlten oder vergoltenen Betrags nach Maß des einundzwanzigsten Capitel, §. 4, begehren.

[3, 25] §. 108. Die Vergeltung kann jedoch die von Uns derselben im §. 104 gegebene Wirkung nicht haben, wenn sie nicht wider die Foderung des Glaubigers ordentlich eingewendet worden; dem Schuldner stehet aber diese Einwendung zu allen Zeiten bevor, auch sogar wider die bereits angestrengte Execution, wofern sie nur in diesem letzteren Falle alsobald erweislich ist.

[3, 25] §. 109. Die Einwendung der Vergeltung wird auch nicht ausgeschlossen, wenn schon der Schuldner auf alle ihm zukommen mögende Rechtswohlthaten überhaupt Verzicht gethan hat. Wenn jedoch die Verzicht namentlich auf die Vergeltung seiner Gegenfoderung lautet, oder wenn er die Richtigkeit seiner Gegenfoderung binnen der von Uns erfoderten Zeit nicht rechtsbeständig darthun kann, so ist er schuldig, den Glaubiger zu befriedigen, und seine Gegenfoderung wider denselben durch eine besondere Gegenklage auszuführen.


(546) [3, 25] §. 110. Diese besondere Gegenklage stehet dem Schuldner auch alsdann bevor, wenn er die von seinem Glaubiger an ihn gestellte Foderung ohne Einwendung der ihm gebührenden Gegenfoderung gezahlet hat, wie auch, wenn die Gegenfoderung von ihm zwar eingewendet, doch derselben von dem Richter entweder wegen ihrer ohnerwiesenen Richtigkeit, oder wegen Abgang der im §. 100 und den folgenden berührten Erfodernisse nicht statt gegeben worden; wenn hingegen der Richter die vom Schuldner eingewendete Gegenfoderung als nichtig und ungegründet verworfen hat, so mag derselbe, wenn dieses Urtheil in Rechtskräfte erwachsen ist, mit keiner Gegenklage mehr gehöret werden.

[3, 25] §. 111. Wir wollen aber auch in einigen Fällen, wo nach Maß Unserer vorstehenden Anordnungen die Schuld ohngeachtet einer dem Schuldner wider seinen Glaubiger zustehenden Gegenfoderung dennoch durch die Vergeltung nicht getilget werden kann, dem Inhaber einer fremden Sache, der selbe dem Eigenthümer zurückzustellen schuldig ist, die Befugniß einraumen, diese Sache bis zu Erhaltung seiner Befriedigung dem Eigenthümer vorzuenthalten.

[3, 25] §. 112. Doch soll dieses Recht blos alsdann statt haben, wenn Jemand ein rechtmäßiger Inhaber einer fremden Sache ist, wenn die Gegenfoderung, wegen welcher er seine Befriedigung ansuchet, richtig und ohnstrittig ist, und wenn diese Gegenfoderung von der in seinen Händen befindlichen Sache herrühret; wegen anderer Foderungen hingegen, so dem Inhaber der Sache wider deren Eigenthümer gebühren, soll derselbe nicht berechtiget sein, ihm seine Sache vorzuenthalten, außer in dem einzigen Falle, den Wir im siebenten Capitel, §. 60, berühret haben.

[3, 25] §. 113. Wenn auch die Gegenfoderung des Inhabers zwar von dieser Sache herrühret, allein noch nicht richtig ist, und erst in’s Klare gesetzet werden muß, so soll der Inhaber dem Eigenthümer die Sache zwar auszuantworten schuldig sein, allein gegen deme, daß der Eigenthümer ihme wegen seiner Befriedigung, wenn eine Gegenfoderung in’s Klare gesetzet sein wird, eine annehmliche Sicherheit leiste.

[3, 25] §. 114. Weme das Recht die Sache zurückzubehalten vom Richter zugesprochen worden, der soll dabei wie ein anderer rechtmäßiger Besitzer bis zu seiner Befriedigung geschützet werden. Wer aber auf die zu Ausfolgung dieser Sache gestellte Foderung seine wegen eben dieser Sache herrührende Gegenfoderung ordentlich einzuwenden unterlassen hat, der soll hernach, wenn er zu Ausantwortung der Sache verurtheilet worden, nicht nur nicht mehr befugt sein, die Sache zurückzuhalten, sondern auch, wenn er die Sache zurückstellet, ohne sich die ihm wegen derselben gebührende Gegenfoderung vorzubehalten, hernach mit derselben nicht mehr gehöret werden.

[3, 25] §. 115. Endlich wird eine Verbindung auch alsdann aufgehoben, wenn das Recht des Glaubigers und des Schuldners in Einer Person vereiniget wird, wenn nemlich entweder der Schuldner gestorben ist, und der Glaubiger dessen Erb wird, oder wenn der Glaubiger gestorben ist, und der Schuldner zu dessen Erbschaft gelanget. Geschiehet diese Vereinigung in der Person des Glaubigers und des Hauptschuldners, so wird andurch die Hauptverbindlichkeit und mit derselben auch die Nebenverbindlichkeit getilget; geschiehet aber die Vereinigung in der Person des Glaubigers und des Bürgen, oder in der Person des Hauptschuldners und des Bürgen, so wird andurch nach Maß Unserer darüber im achten Capitel mit Mehrerem erhaltenen Anordnungen blos die Nebenverbindlichkeit getilget.

[3, 25] §. 116. Wenn unter mehreren mit ungeschiedener Hand verbundenen Schuldnern Einer der Erb des gemeinschaftlichen Glaubigers, oder wenn der gemeinschaftliche Glaubiger der Erb eines von diesen Schuldnern wird, so bleiben die andern Mitschuldner für ihre Antheile verbunden; gleichwie gegentheils, wenn Einer unter mehreren ungeschiedenen Glaubigern der Erb des gemeinschaftlichen


(547) Schuldners, oder der gemeinschaftliche Schuldner der Erb eines von den ungeschiedenen Glaubigern wird, derselbe den übrigen Mitglaubigern ihre Theile annoch zu zahlen hat.

[3, 25] §. 117. Ebenso, wenn der Glaubiger nur zum Theile des Schuldners Erb wird, bleibet ihm sein an den Schuldner gehabtes Recht für die auf die übrigen Erben gelangende Theile bei vollen Kräften, und wenn der Schuldner nur zum Theile des Glaubigers Erb wird, bleibet er in der Verbindlichkeit, den übrigen Erben des Glaubigers ihre Antheile an der Schuld zu zahlen. In allen diesen Fällen bleiben aber auch die für die Schuld gegebene Pfänder und Bürgen in eben jener Maß verbunden, in welcher die Hauptschuld aufrecht erhalten wird.

[3, 25] §. 118. Was aber die Wirkung dieser Vermengung der Hauptverbindlichkeit sowohl in Ansehung des Erben, als in Betreff eines Dritten anbelanget, da wollen Wir selbe auf eben jene Art beschränken, auf welche Wir in dem Falle, wo die Nebenverbindlichkeit des Bürgen mit der Hauptverbindlichkeit vereiniget wird, deren Wirkung in Absicht auf den Erben und auf einen Dritten im achten Capitel, §. 66, beschränket haben.

[3, 25] §. 119. Welchergestalten aber eine Verbindung durch beiderseitige Einwilligung, durch den Untergang der zu geben bedungenen Sache, durch den Verlauf der Zeit, durch die erfüllte oder nicht erfüllte Bedingniß, durch die Verjährung, durch das Absterben des Glaubigers oder des Schuldners aufgehoben werde, wie auch durch verschiedene, dem Schuldner wider den Glaubiger zustehen mögende Einwendungen entkräftet werden könne, ist aus deme zu entnehmen, was Wir über diese besonderen Fälle an verschiedenen Orten dieses Gesetzbuches mit Mehrerem geordnet haben.

[3, 25] §. 120. Durch die bishero berührte Tilgungsarten werden zwar alle nicht vorgemerkte Foderungen alsofort und für sich selbst aufgehoben, allein jene Verbindungen, so in der Landtafel, in den Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket sind, können auf keine andere Art getilget werden, als wenn sie alldorten, wo sie vorgemerket sind, auf behörige Art wieder ausgelöschet werden. Nur in dem einzigen Falle, wenn die vorgemerkte Foderung entweder auf eine gewisse Zeit, oder auf eine Bedingniß, oder aber auf die Lebensjahre einer benannten Person beschränket worden, erlöschet selbe für das Künftige nach Verlauf der Zeit, nach erfüllter Bedingniß, oder nach Absterben der benannten Person; doch auch in diesem Falle bleibet die Verbindlichkeit für das Verflossene insolange haften, bis sie ausgelöschet wird.

[3, 25] §. 121. Die Auslöschung einer vorgemerkten Verbindlichkeit kann auf keine andere Art geschehen, als wenn entweder die Verbindlichkeit durch ein in Rechtskräfte erwachsenes richterliches Urtheil für vernichtet erkläret, und dasselbe allda einverleibet worden, oder durch das einverleibte persönliche Bekenntniß Desjenigen, deme durch die vorgemerkte Verbindlichkeit ein Recht erworben worden, daß er dieses Recht erlasse, oder durch Einverleibung derjenigen Urkunde, durch welche die vorgemerkte Verbindlichkeit aufgelöset wird.

[3, 25] §. 122. Die Urkunde, wodurch eine in der Landtafel, in den Stadt- oder Grundbüchern vorgemerkte Verbindlichkeit aufgelöset werden soll, muß nicht nur mit allen von Uns zur Einverleibung erfoderten Feierlichkeiten versehen sein, sondern auch insbesondere die Aufhebung derjenigen Haftung, welche andurch getilget werden soll, klar und deutlich ausdrücken.

[3, 25] §. 123. Weder das persönliche Bekenntniß, noch die zu Tilgung einer vorgemerkten Verbindlichkeit ausgestellte Urkunde mag diese rechtliche Wirkung haben, wenn nicht Derjenige, der das Bekenntniß ableget, oder der die Urkunde ausgestellet hat, entweder der Glaubiger selbst ist, oder wenn es ein solcher ist, auf welchen der Glaubiger sein Recht übertragen, oder deme er die Befugniß diese Haftung zu tilgen gegeben hat, wenn nicht die Art, durch welche das Recht des Glaubigers


(548) auf ihn gediehen ist, oder die von demselben zu Tilgung dieser Verbindlichkeit erhaltene Befugniß vorhero in der Landtafel, in den Stadt- oder Grundbüchern behörig einverleibet worden.

[3, 25] §. 124. Wenn aber der Schuldner eine in der Landtafel, in den Stadt- oder Grundbüchern vorgemerkte Foderung zwar bezahlet, aber von dem Glaubiger eine zur Einverleibung nicht geeignete Quittung erhalten hat, oder wenn er gar keine Quittung erhalten hat, doch die geleistete Zahlung auf andere Art zu erweisen vermag, oder wenn diese Schuld ihm vom Glaubiger erlassen worden, oder wenn er an dem Glaubiger eine Gegenfoderung hat, ohne daß dieser ihn deswegen auf andere Art befriedigen wollte, soll er das Recht haben, denselben zu Ausstellung einer mit allen zur Einverleibung nöthigen Erfodernissen versehenen Quittung zu verhalten.

[3, 25] §. 125. Wäre aber wegen Länge der Zeit Niemand mehr vorhanden, welcher über diese Verbindlichkeit eine zur Einverleibung gerichtete Quittung ausstellen könnte, so gestatten Wir Demjenigen, der von einer solchen zur Ungebühr noch haftenden Verbindlichkeit entlediget werden will, dieses sein Gesuch gerichtlich anzubringen, und das Gericht soll nach vorläufiger Erkanntniß über die von ihm wegen Tilgung dieser Verbindlichkeit beigebrachte Beweise alle Jene, welche an der noch zur Ungebühr einverleibten Verbindlichkeit einiges Recht zu haben vermeinen, nach Maß Unserer Gerichtsordnung öffentlich vorladen.

[3, 25] §. 126. Wenn nun binnen der anberaumten Frist Jemand erscheinet, und auf die einverleibte Foderung Ansprüche zu haben glaubet, so ist derselbe befugt, diese seine Ansprüche wider den, der die Auslöschung angesuchet hat, zu vertheidigen, und das Gericht hat nach Ausgang der Sache, was Rechtens ist, zu verfügen; wenn hingegen während dieser Zeit Niemand mit einigen Ansprüchen hervorkäme, so soll das Gericht nach deren Verlaufe diese Haftung für erloschen erklären, und diesen Spruch allda, wo die Haftung vorgemerket war, einverleiben.


(549) Ergänzung der unvollständigen Citate.

Die römischen Ziffern bezeichnen die Theile, die großen arabischen Ziffern die Capitel, die kleinen arabischen Ziffern die Paragraphe.

Stelle, welche das unvollständige Citat enthält - Citirte Stelle

I 1. 11 - II 1. 46.

I 3. 40 - II 13.

I 3. 60 - II 26*).

II 2. 7 - II 6.

II 3. 11 - III 23.

II 7. 8 - II 21. 4.

II 7. 23 - II 23.

II 7. 25 - II 21. 13.

II 22. 5 - III 14.

III 1. 25 - III 22.

III 1. 79 - III 18. 22.

 

*) Die bei der Berathung von I 3. 60 in Aussicht genommenen Uebergangsbestimmungen wurden entbehrlich, da man sich, noch ehe das Hauptstück: „Vom Pfandrechte“, zur Erörterung gelangte, dafür entschieden hatte, alle erworbenen Rechte unberührt zu lassen.


(550) Uebersicht

der

Parallelstellen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und der ersten Umarbeitung des Codex Theresianus nach dem Entwurfe Horten’s.

In der Rubrik des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches bezeichnen die Zahlen die Paragraphe; diejenigen §§, für welche es an einer correspondirenden Stelle in der vorliegenden Umarbeitung fehlt, wurden übergangen.

Angeführt wurden diejenigen Stellen der Umarbeitung, welche denselben Gegenstand, wie die nebenstehend angegebenen §§ des a. b. G. B., wenn auch nur mittelbar, betreffen. Die römischen Ziffern bezeichnen die Theile, die großen arabischen Ziffern die Capitel, die kleinen arabischen Ziffern, wenn sie mit dem Zeichen *) versehen sind, die Anmerkungen, außerdem aber die §§ der Umarbeitung. Die Anmerkungen sind zu berücksichtigen, wenn sie auch nicht insbesondere ersichtlich gemacht wurden; sie sind nur dann hervorgehoben worden, wenn es im Texte, zu welchem sie gehören, an einer Parallelstelle fehlt.

Allg. brgl. Gesetzbuch = Entwurf Horten’s

1 = I 1. 1, 2.

2 = I 1. 4.

3 = I 1. 3.

4 = I 1. 5, 6.

5 = I 1. 10.

6, 7 = I 1. 7-9, 31-34.

8 = I 1. 33.

9 = I 1. 19.

10 = I 1. 12-19.

11 = I 1. 11.

12 = I 1. 16.

13 = I 1. 20-30.

16-18 = I 2. 1-9, 13, 14. II. 8. 4. 9. 6.

19 = III 22. 54, 55, 82-88.

20 = II 7. 27.

22 = II 9. 23. 18. 29, 30.

24 = 18. 34-42.

25 = II 17. 21. III 3. 36.

27 = II 1. 39-47. III 1. 6.

28-32 = I 2. 3*).

33-37 = I 1. 5. 2. 3, 10-12. II 8. 4. 9. 7. 16. 2.

40-43 = I 5. 1-12.

44 = I 3. 1.

45, 46 = I 3. 14-16. III 22. 41-45.

47-53 = I 3. 2-12, 8*).

54 = I 3. 13.

55-88 = I 3. 9*).

Allg. brgl. Gesetzbuch = Entwurf Horten’s

89 = I 3. 1, 25.

90 = I 3. 22.

91 = I 3. 23.

92 = I 3. 24.

93-102 = I 3. 26, 27.

103-110 = I 3. 28-32.

111-136 = I 3. 9*).

137 = I 4. 1.

138 = I 4. 2.

139-143 = I 4. 4-8.

144-148 = I 4. 14-16, 35.

149-152 = I 4. 17-34.

153 = I 3. 2-12.

154 = I 4. 9, 10.

155-159 = I 4. 3. III 22. 40.

160-171 = I 4. 4*), 11-13, 36-39. II 9. 5, 6. 11. 51.

172, 173 = I 4. 17.

174 = I 4. 28, 33.

175 = I 4. 30, 31, 34.

176 = I 4. 32.

177, 178 = I 4. 29.

179-185 = I 4. 40-45.

186 = I 4. 46.

187, 188 = I 6. 1.

189, 190 = I 6. 28.

191-194 = I 6. 17, 34-40.

195 = I 6. 35, 41-45.


(551) Allg. brgl. Gesetzbuch = Entwurf Horten’s

196 = I 6. 2, 3.

197 = I 6. 4.

198 = I 6. 5-28.

199 = I 6. 29.

200-203 = I 6. 10-12, 46-55.

204 = I 6. 27, 125, 126.

205 = I 6. 56. 63.

206 = I 6. 68.

207, 208 = I 6. 69-72.

209 = I 6. 25, 26.

210 = I 6. 119-124.

211-215 = I 6. 18-21.

216-218 = I 6. 73-75, 79.

219-221 = I 6. 76-78.

222-224 = I 6. 64-67.

225-227 = I 6. 30-33.

228 = I 6. 88.

229-231 = I 6. 98-102.

232 = I 6. 96.

233 = I 6. 89-91, 94, 97, 111-114.

234-236 = I 6. 103-110.

237 = I 6. 56-62.

238-242 = I 6. 127-152.

243, 244 = I 6. 80-87.

245 = I 3. 8-12.

246-247 = I 6. 83. III 24. 52.

248 = I 6. 53*).

249 = I 6. 159, 184.

250 = I 4. 17, 32.

251, 252 = I 6. 160-170.

253, 254 = I 6. 171-178.

255 = I 6. 15-17.

256 = I 6. 179.

257 = I 6. 17, 37, 40.

258 = I 6. 7, 8, 10.

259 = I 6. 14, 24.

260 = I 6. 163, 164.

261 = I 6. 9.

262 = I 6. 179-182.

263 = I 6. 188-192.

264 = I 6. 115-126, 183, 184.

265 = I 6. 185-187.

266, 267 = I 6. 153-158.

268 = I 6. 149, 150, 183, 184.

269 = I 6. 1, 193, 208.

270-272 = I 6. 92-94.

273 = I 6. 194-201, 205.

274 = II 9. 23. 18. 29.

276 = I 6. 206-208.

277, 278 = II 18. 40-42.

280-283 = I 6. 195, 196, 202-204, 208.

284 = II 19. 1*).

285 = II 1. 1.

286 = II 1. 48. 3. 1.

287-290 = II 1. 2-47.

291 = II 1. 49.

292 = II 1. 62.

293-297 = II 1. 50-61.

298, 299 = II 1. 62.

300 = I 1. 6. 2. 4-12.

309 = II 21. 1.

310 = II 21. 2.

312 = II 21. 2, 3.

313-315 = II 21. 4, 6, 7.

Allg. brgl. Gesetzbuch = Entwurf Horten’s

316, 317 = II 21. 8.

318, 319 = II 21. 5, 12.

320 = II 21. 10, 11.

321 = II 5. 10. 21. 9-11.

322 = II 21. 50.

323-325 = II 21. 17.

329-332 = II 2. 16-21. 21. 16, 18. III 18. 2-9, 33-54.

333 = II 6. 2*), 4*).

335, 336 = II. 2. 17, 19-22. III. 18. 2-9, 33-54.

338 = II 2. 18.

339 = II 21. 10.

340-342 = II 21. 34-44.

343 = II 21. 45.

344 = II 21. 19.

345 = II 21. 7.

346-348 = II 21. 46, 47.

349, 350 = II 21. 13, 15.

351 = II 21. 13-15.

352 = II 21. 14.

354-356 = II 2. 1, 26.

357, 358 = II 2. 3, 4. III 9. 12, 13.

361 = II 1. 48. III 9. 11.

362 = II 2. 27. 3. 1.

363 = III 9. 12, 13.

365 = I 1. 28. II 2. 2.

366 = II 2. 5.

367, 368 = II 6. 5-13. 21. 48. III. 9. 9-13.

369-371 = II 2. 12-14.

372, 373 = II 2. 5. 6. 5-12. 21. 49.

374 = II 2. 23-25.

375 = II 2. 6. 6. 10, 13.

376-378 = II 2. 7-11, 15.

379 = II 2. 16-22.

380 = II 2. 27.

381-383 = 3. 1-5.

384 = II 3. 6-11.

385 = II 3. 1, 2.

386-388 = II 2. 28. 3. 4.

389-394 = II 3. 15-21.

395-401 = II 3. 22-34.

402 = II 3. 12-14.

403 = III 21. 32-48.

404 = II 4. 1.

407 = II 4. 3.

408 = II 4. 4.

409-412 = II 4. 2, 5-9.

413 = II 1. 19-28.

414-421 = II 4. 10-20.

422 = II 4. 13.

423-425 = II 5. 1, 2. 6. 1, 4.

426, 427 = II 5. 6, 7. III 9. 59. 10. 10.

428, 429 = II 5. 3-5, 7.

430 = III 1. 58-61.

431-446 = II 5. 8-12. 6. 1-4. 7. 43-45. III 1. 14-16, 59, 60. 7. 9. 8. 30. 9. 60, 180, 188. 10. 10. 14. 2. 16. 14. 24. 7. 25. 120-126.

447 = II 26. 1.

448, 449 = III 7. 2-5.

450 = II 26, 2.

451-453 = II 26. 1. III 7. 6, 9, 10, 19, 21, 26, 28-31.


(552) Allg. brgl. Gesetzbuch = Entwurf Horten’s

454, 455 = III 7. 16-21.

456 = III 7. 11-16.

457 = III 7. 22, 23.

458 = III 7. 24, 25.

459, 460 = III 7. 33.

461-466 = II 26. 8-12. III 7. 32, 35-43.

467-469 = II 26. 12. III 7. 56-73.

470 = II 26. 3. III 7. 42.

471 = III 7. 77, 78. 6. 33. 5. 29. 9. 59, 63, 69, 70.

472 = II 23. 1, 2.

473 = II 23. 3.

474 = II 25. 1, 7.

479 = II 25. 7.

480 = II 23. 4-6.

481 = II 23. 7-13.

482 = II 23. 1, 14.

483 = II 25. 8-10.

484 = II 23. 14. 25. 3, 4, 6.

485 = II 25. 2.

486 = II 25. 5.

487 = II 25. 8-15, 23, 24.

488 = II 25. 16-19.

489 = II 25. 20, 21.

490, 491 = II 25. 22.

492-495 = II 25. 25-30.

496, 497 = II 25. 31-34.

498-502 = II 25. 35-40.

503 = II 25. 41, 42.

504-508 = II 24. 21-27.

509-520 = II 24. 1-20.

521, 522 = II 24. 29-33.

523 = II 23. 15-19.

524 = II 23. 24, 28.

525 = II 23. 23.

526 = II 23. 21, 22.

527, 528 = II 23. 20.

529 = II 24. 14, 15.

530 = III 14. 51-70.

531-535 = II 17. 1.

536 = II 17. 2, 7, 20.

537 = II 17. 22-24.

538 = II 17. 9.

539 = II 9. 13.

540, 541 = II 9. 9, 10. 16. 39, 40.

542 = II 9. 11. 16. 39, 40.

543 = II 9. 3.

544 = II 9. 2.

545, 546 = II 9. 8.

547 = II 17. 3, 25.

548-550 = II 17. 17, 18. III 20. 12.

551 = II 17. 10. III 1. 66.

552 = II 8. 1.

553 = II 10. 1.

554-563 = II 9. 14, 15, 18-23. 10. 1-10.

564 = II 9. 24. 12. 2-4.

565-567 = II 8. 8-18. 9. 16.

568 = II 8. 3.

569 = I 6. 161. II 8. 2.

570-572 = II 8. 12, 13. 9. 17, 25.

573 = II 8. 4.

574 = II 8. 5-7.

575, 576 = II 8. 16-18.

578 = II 8. 26, 27.

Allg. brgl. Gesetzbuch = Entwurf Horten’s

579-582 = II 8. 28-31, 35, 36, 50.

583 = II 8. 49.

584-586 = II 8. 32-34.

587-590 = II 8. 20-25.

591 = II 8. 35, 37.

592, 593 = II 8. 38.

594, 595 = II 8. 39-43. 9. 12.

597-599 = II 8. 44-48.

600 = II 8. 37*).

601 = II 8. 19, 44, 50.

602 = III 1. 66.

603 = III 3. 30-37.

604-607 = II 10. 11-21.

608-614 = II 11. 1-10, 13, 16-32, 34-40.

615-617 = II 10. 21. 11. 5, 6.

618-625 = II 11. 11, 13, 41-49, 51.

626 = II 11. 50.

627 = II 11. 12, 14, 24-26, 42.

628 = II 11. 15.

629, 630 = II 11. 36, 56-58.

631 = II 11. 20-23, 39, 40, 56, 57.

632-639 = II 11. 3*), 27-37, 60.

640-642 = II 11. 23, 35.

643 = II 11. 52-55.

644, 645 = II 11. 59.

647 = II 9. 43. 12. 1.

648 = II 12. 7.

649 = II 12. 5.

650 = II 12. 6.

651 = II 9. 15.

652 = II 11. 8.

653 = II 12. 9.

654 = II 12. 10.

655 = I 8. 17. 12. 11, 63.

656-658 = II 12. 34-36, 76, 77.

659 = II 12. 4.

660 = II 12. 12, 17-20.

661 = II 12. 14.

662 = II 12. 13, 15, 16.

663-668 = II 12. 20-29, 41.

669-671 = II 12. 30-33.

672, 673 = II 12. 50-62.

674 = II 12. 42-45.

675-677 = II 12. 37-40.

678 = II 12. 48.

679 = II 12. 45, 46, 49.

680 = II 12. 47.

681-683 = II 9. 18-23.

684 = II 12. 64, 65. 17. 3.

685-687 = II 12. 66-71.

688 = II 12. 72, 73.

689 = II 12. 5, 6, 8, 75.

690 = II 12. 79.

691 = II 12. 67.

692, 693 = II 12. 74, 79, 80.

695 = II 9. 43. 12. 78. 14. 1.

696-703 = II 9. 29-42. 10. 16-19. 14. 7. 17. 2.

704-706 = II 9. 26-28. 10. 17.

707, 708 = II 9. 39-41. 10. 10, 16-19. 12. 69.

709-712 = II 9. 42. 10. 18. 14. 7, 8.

713-716 = II 14. 9-13.

717-723 = II 13. 34. 14. 1-6.

724, 725 = II 12. 14, 19, 20, 22.


(553) Allg. brgl. Gesetzbuch = Entwurf Horten’s

726 = II 12. 80.

727, 728 = II 16. 1.

729 = II 13. 36.

730, 731 = II 16. 3.

732 = II 16. 4, 24-28, 34.

733 = II 16. 5.

734 = II 16. 6.

735 = II 16. 7, 29-31, 34.

736 = II 16. 8.

737 = II 16. 9.

738 = II 16. 10, 32-34.

739 = II 16. 11.

740 = II 16. 12.

741 = II 16. 13.

742 = II 16. 14.

743 = II 16. 15.

744 = II 16. 16.

745 = II 16. 17.

746, 747 = II 16. 18.

748 = II 16. 19.

749 = II 16. 20.

750 = II 16. 21.

751 = II 16. 22.

752 = II 16. 35, 36.

753 = II 16. 37.

754 = II 16. 38.

755 = I 4. 40, 44. II. 16. 35.

756 = II 16. 35-38.

757-759 = II 16. 23, 41-48.

760 = II 16. 23.

761 = II 16. 1*), 2*). 19. 1*).

762-764 = II 9. 1. 13. 1-3.

765 = II 9. 4. 13. 2-9, 43, 48-50.

766 = II 13. 10, 48, 49.

767 = II 13. 26, 30, 44, 46, 47.

768-770 = I 3. 6, 10. II 9. 2, 3. 13. 27.

771 = II 13. 30, 31.

773 = II 11. 4.

774 = II 13. 23-25.

775-782 = II 13. 31-41, 47.

783 = II 13. 42.

784-786 = II 13. 11-19.

787-789 = II 13. 20-22.

790-794 = II 20. 1-15. III 20. 6.

795 = I 4. 8, 9.

796 = II 16. 41-48.

797 = II 12. 71. 17. 25. 18. 1.

798 = II 18. 2-9, 24.

799 = II 17. 3-15. 18. 10, 11, 36-42.

800 = II 17. 16, 19.

801 = II 17. 19.

802 = II 17. 17-19. 18. 12-20.

803 = II 17. 16.

804 = II 18. 17, 18.

805 = II 17. 6, 9, 10.

806 = II 17. 19.

807 = II 17. 19. 18. 17, 18.

808 = II 17. 11, 12.

809 = II 17. 2, 7, 22.

810 = II 18. 27-30.

811, 812 = II 18. 21.

813-815 = II 17. 18. 18. 21-25, 33.

816, 817 = II 12. 76, 79. 15. 1-17. 18. 26. III 20. 14.

Allg. brgl. Gesetzbuch = Entwurf Horten’s

819 = II 18. 31, 32.

820, 821 = II 17. 17-19. 19. 25.

823, 824 = II 17. 26-34. 18. 39-41.

825-828 = III 16. 3. 20. 15, 16.

829 = III 9. 11. III 20. 17.

830 = II 19. 1, 2, 29. III 20. 18.

831 = III 15. 54.

832 = III 15. 57-62.

833, 834 = III 20. 22.

835, 836 = III 19. 34, 35.

837 = II 19. 3.

838-840 = III 20. 22, 23.

841, 842 = III 19. 34, 35. 20. 19-21.

843 = III 20. 20, 21.

844 = II 19. 12, 13.

846 = II 19. 24.

847 = II 19. 25.

848 = III 25. 96.

849 = II 19. 1-29.

850-858 = II 21. 20-33. 25. 12, 13. III 20. 24.

859, 860 = III 1. 1, 2, 82-84.

861 = III 1. 8.

863 = III 1. 10, 11, 17-22.

865-867 = III 1. 3-7. 4. 8, 9.

869, 870 = III 1. 25. 22. 59-67.

871-877 = III 1. 26-35. 22. 59-67.

878 = III 1. 51-53.

879 = I. 3. 20, 21. III 1. 63-68.

880 = III 1. 52.

881 = III 1. 9, 54.

883-887 = III 1. 12-16, 23, 24, 84.

888-896 = III 1. 46-50. 25. 6, 12, 90, 91.

897-901 = III 1. 36-43.

902 = II 7. 15-19. III 9. 36.

903 = II 7. 20.

904 = III 1. 40, 41, 44, 45. 18. 17-20. 25. 50-53.

905 = III 9. 25. 54-59.

906, 907 = III 1. 71. 25. 14, 15.

908 = III 9. 109-113.

909-911 = III 9. 114-118.

912, 913 = III 18. 1-67.

914, 915 = III 1. 85-88. 9. 232.

916 = III 1. 31, 32.

917 = III 25. 119.

918 = III 1. 69.

919 = III 1. 70-81. 18. 55-62.

922, 923 = III 9. 9-13, 37-43, 71-86, 213 bis 228. 21. 26, 27.

924 = III 9. 218.

928 = III 9. 38-40, 215-218.

929 = III 9. 9, 98.

930 = III 9. 31-34, 223.

931 = III 9. 87-99.

932 = III 1. 55-57, 62. 9. 100-108, 219-228.

933 = III 9. 104-107, 229-231.

934, 935 = III 9. 24, 189-212.

937 = III 9. 212.

938-943 = III 3. 1-6, 23, 24.

944 = III 3. 7-9.

945 = III 3. 12.

946 = III 3. 10.

947 = III 3. 14-16.


(554) Allg. brgl. Gesetzbuch = Entwurf Horten’s

948, 949 = III 3. 17-22.

950 = III 3. 8.

951, 952 = I 3. 73. III 3. 8.

953 = I 3. 75. III 3. 8, 13.

954 = III 3. 25-29.

955 = III 3. 11.

956 = III 3. 30-37.

957-960 = III 6. 1-5.

961-966 = III 6. 6-25.

967 = III 6. 26-34. 12. 18-22.

968 = III 6. 11.

969 = III 6. 2.

970 = III 6. 5. 20. 25-34.

971 = III 5. 1-6.

972-977 = III 5. 7-16.

978-980 = III 5. 17-26.

981 = III 5. 27-30.

982 = III 5. 19, 28, 29.

983-985 = III 4. 1-17. 14. 51-70.

986-992 = III 4. 13-17. 25. 16-46.

993-1000 = III 4. 35-60. 14. 51-70. 18. 25, 26-30.

1001 = III 4. 18-34.

1002-1004 = III 16. 1-10.

1005-1008 = III 16. 11-16.

1009-1016 = III 16. 18-29, 30-37. 24. 52.

1017-1019 = III 16. 7, 8. 19. 14-23.

1020 = III 16. 38-40.

1021 = III 16. 41, 42.

1022 = III 16. 43-45.

1024 = III 16. 42.

1025, 1026 = III 16. 43-45.

1027-1033 = III 19. 1-33.

1034 = III 20. 13.

1035-1040 = III 20. 1-12.

1041-1043 = III 18. 33-54. 21. 28-48.

1045, 1046 = III 10. 1, 2, 7-9.

1047 = III 10. 3, 5, 6, 10.

1048, 1049 = III 9. 71-78. 10. 4.

1050, 1051 = III 9. 44-58. 10. 10.

1052 = III 9. 59, 69. 10. 10.

1053 = III 9. 1, 2.

1054 = III 9. 3-17.

1055 = III 9. 18-20.

1056-1058 = III 9. 21-23, 26, 27.

1059 = III 9. 15-17, 25.

1060 = III 9. 24-27.

1061-1064 = III 9. 28-107.

1065 = III 9. 5-8.

1066 = III 9. 28-107.

1067 = III 9. 108.

1068-1070 = III 9. 119-131, 174-178.

1071 = III 9. 132, 133.

1072-1079 = III 9. 134-173.

1080-1082 = III 9. 29, 77.

1083-1085 = III 9. 178-188.

1086-1088 = III 11. 1-12.

1090, 1091 = III 12. 1-8.

1092 = III 12. 9.

1093 = III 12. 10-16.

1094 = III 12. 1-8, 17.

1095 = III 12. 87.

1096-1099 = III 12. 10, 11, 23-36.

1100 = III 12. 32, 33.

Allg. brgl. Gesetzbuch = Entwurf Horten’s

1101, 1102 = II 26. 4-7.

1103 = III 12. 55.

1104-1108 = III 12. 43-56.

1109-1111 = III 12. 37-42, 84, 85.

1112 = III 12. 39-42.

1113-1116 = III 12. 57-68.

1117 = III 12. 69, 77-83.

1118 = III 12. 69-76, 83.

1119 = III 12. 26-29.

1120, 1121 = III 12. 26, 86-90.

1122-1150 = I 2. 4-9. II 3. 33. 4. 9. 22. 1-15. III 9. 134-145, 148. 14. 1-72.

1151 = III 12. 1-5, 91-94.

1152 = III 12. 96, 104, 108.

1153-1155 = III 12. 97-103.

1156 = III 12. 105-108.

1157 = III 12. 101-103.

1158 = III 12. 96.

1159 = III 12. 17.

1160 = III 12. 109-112.

1161 = III 12. 95.

1162 = III 12. 112.

1163 = III 12. 94.

1172 = III 12. 91. 13. 1-70.

1173 = III 12. 1-5. 15. 7. 16. 6.

1174 = III 12. 93. 21. 22-25.

1175-1177 = III 15. 1-8.

1178-1180 = III 15. 31.

1181-1183 = III 15. 9-14.

1184 = III 15. 19-28.

1185-1191 = III 15. 31-41.

1192-1197 = III 15. 15-18, 29, 30, 35, 36.

1198-1200 = III 15. 31.

1201-1204 = III 15. 42-51.

1205-1216 = III 15. 52-63.

1218-1229 = I 3. 6, 10, 33-68, 91, 97-99.

1230, 1231 = I 3. 69-72, 91, 97-99.

1233-1236 = I 3. 85-90. III 15. 6.

1237-1241 = I 3. 76-84.

1242-1244 = I 3. 92-96.

1245 = I 3. 59-66, 72.

1246, 1247 = I 3. 17-19, 73-75.

1248 = II 8. 49.

1249-1254 = III 1. 66.

1255-1258 = I 3. 56*).

1259 = I 4. 47.

1260-1262 = I 3. 67, 68, 72.

1263, 1264 = I 3. 29-31, 67, 68, 72. III 22. 39.

1265, 1266 = I 3. 26.

1270-1272 = III 1. 68.

1275, 1276 = III 9. 5-8.

1282 = II 19. 25.

1288-1292 = III 17. 1-16.

1293-1297 = III 18. 55-62. 22. 1-22, 46.

1298 = III 1. 73-81.

1299, 1300 = III 16. 9, 10. 22. 4, 5.

1301-1303 = III 19. 5. 22. 12-22, 24.

1304 = III 22. 6-8.

1305 = III 21. 1-3.

1306 = III 22. 6-8.

1307-1310 = III 22. 9-11. 23. 2, 3.

1311 = III 1. 76, 77, 79-80. 22. 7, 8.


(555) Allg. brgl. Gesetzbuch = Entwurf Horten’s

1312 = III 20. 8-10.

1313-1315 = III 1. 9. 23. 1.

1316 = III 20. 25-34. 23. 4.

1318, 1319 = III 22. 3. 23. 5-11.

1320-1322 = III 23. 12-30.

1323, 1324 = III 22. 23.

1325-1327 = III 22. 29.

1328 = III 22. 37-45.

1329 = III 22. 35, 36.

1330 = III 22. 89-121.

1331, 1332 = III 18. 55-66. 22. 46-71, 73.

1333, 1334 = III 9. 62, 66, 70, 181, 225. 18. 16.

1335 = III 18. 27.

1336 = III 9. 62, 112, 118, 125, 126, 139 bis 141, 177, 221. 14. 29. 15. 9.

1337 = III 22. 25.

1338-1340 = III 22. 23-27, 79-88, 110-113.

1341 = III 22. 72, 74-78.

1346-1348 = III 8. 1-6. 24. 50, 51.

1349 = III 8. 7-25.

1350-1352 = III 8. 26, 27.

1353, 1354 = III 8. 31-35.

1355-1357 = III 8. 37-41.

1358 = III 8. 48-52.

1359 = III 8. 36, 50.

1360 = III 8. 30.

1361 = III 8. 53-60.

1362 = III 8. 40.

1363 = III 8. 61-66.

1364 = III 8. 43, 44.

1365 = III 8. 45-47.

1366 = III 8. 42.

1367 = III 8. 63.

1368 = III 7. 1-6.

1369, 1370 = III 7. 7-43, 57, 71, 74-80

1371, 1372 = III 7. 44-55, 58.

1373, 1374 = III 8. 28, 29.

1375-1379 = III 24. 1-9.

1380, 1381 = III 1. 2-5.

1382, 1383 = III 2. 6.

1384 = III 2. 7, 8.

1385 = III 2. 11-15.

1386 = III 2. 16.

1387 = III 2. 10.

1388 = III 2. 14.

Allg. brgl. Gesetzbuch = Entwurf Horten’s

1389 = III 2. 3.

1390 = III 2. 9.

1391 = III 19. 34-58.

1392-1396 = III 24. 1-19, 24-32, 41.

1397-1399 = III 24. 20-23.

1400-1409 = III 24. 33-52.

1410 = III 24. 53.

1411 = III 25. 119.

1412-1424 = III 25. 1-71, 122-126.

1425 = III 25. 78-88.

1426-1430 = III 7. 57, 71. 18. 15, 32. 25. 63, 73-77, 92.

1431-1437 = III 21. 1-21. 24. 49. 25. 5, 107.

1438-1443 = III 25. 93-114.

1444 = III 25. 89-92.

1445, 1446 = III 8. 64-66. 25. 115-118.

1447-1449 = III 25. 1-3, 119.

1450 = I 1. 4.

1451, 1452 = II 7. 1.

1453, 1454 = II 7. 24, 25, 31-33.

1455, 1456 = II 7. 26, 34-39.

1457 = II 7. 27.

1458, 1459 = II 7. 26, 28-30.

1460-1464 = II 7. 2-14.

1465 = II 7. 15-20.

1466 = II 7. 21.

1467-1471 = II 5. 12. 7. 22, 23.

1472-1476 = II 7. 31-33.

1477 = II 7. 41, 42.

1478, 1479 = II 7. 14, 21-23, 39.

1480 = II 7. 40.

1481 = II 7. 26. 19. 2, 29.

1482 = II 7. 28, 29.

1483 = II 7. 34-38. III 7. 58.

1486 = II 18. 35.

1487 = II 13. 45. 17. 34. 19. 28, 29. III 9. 209.

1488 = II 23. 8-12, 25-28.

1489 = III 22. 28.

1490 = III 22. 28, 120.

1493 = II 7. 11, 12. III 22. 66, 67.

1494, 1495 = II 7. 32.

1496 = II 7. 33.

1497 = II 7. 10, 43-47.

1498-1500 = II 7. 42-45. III 25. 125, 126.


(556) Inhalt.

Seite

Einleitung  1

Umarbeitung des Codex Theresianus nach dem Entwurfe Hortens  13

Erster Theil.

Erstes Capitel. Von den Gesetzen. §§. 1-34  15

Zweites " Von den Rechten Unserer Unterthanen überhaupt. §§. 1-14  24

Drittes " Von den Rechten zwischen Mann und Weib. §§. 1-99  29

Viertes " Von den Rechten zwischen Eltern und Kindern. §§. 1-47  62

Fünftes " Von den Rechten der Anverwandten. §§. 1-12  74

Sechstes " Von den Rechten der Waisen und anderer sich selbst nicht vorstehen könnenden Personen. §§. 1-208  76

Zweiter Theil.

Erstes Capitel. Von den Sachen, an welchen ein Recht erworben werden kann. §§. 1-63  131

Zweites " Von dem Eigenthume. §§. 1-28  143

Drittes " Von Erwerbung des Eigenthums durch die Ergreifung einer Sache. §§. 1-34  149

Viertes " Von Erwerbung des Eigenthums durch Zuwachs, Vereinbarung und neue Erzeugungen. §§. 1-20  157

Fünftes " Von Erwerbung des Eigenthums durch willkürliche Uebertragung desselben. §§. 1-12  162

Sechstes " Von Erwerbung des Eigenthums aus Macht Rechtens. §§. 1-13  165

Siebentes " Von Verjährungen. §§. 1-47  168

Achtes " Von letztwilligen Anordnungen. §§. 1-50  177

Neuntes " Von Jenen, die zu Erbschaften gelangen können, und von den Arten, wie ein Erblasser seinen Willen beschränken kann. §§. 1-43  192

Zehentes " Von Erben und nachberufenen Erben. §§. 1-21  202

Eilftes " Von Fideicommissen. §§. 1-60  206

Zwölftes " Von Vermächtnissen. §§. 1-80  221

Dreizehentes " Von dem Pflichttheile der Notherben. §§. 1-50  232

Vierzehentes " Von Widerrufung letztwilliger Anordnungen. §§. 1-13  241

Fünfzehentes " Von Kundmachung letztwilliger Anordnungen. §§. 1-17  243

Sechzehentes " Von der rechtlichen Erbfolge. §§. 1-48  246

Siebzehentes " Von dem Erbrechte und dessen Erwerbung. §§. 1-34  261

Achtzehentes " Von Verlassenschaftsabhandlungen. §§. 1-42  266

Neunzehentes " Von Theilung der Erbschaft. §§. 1-29  273

Zwanzigstes " Von Einbringung des vorempfangenen Guts. §§. 1-15  284

Einundzwanzigstes " Von dem Besitze. §§. 1-50  286

Zweiundzwanzigstes " Von dem Erbzinsrechte und dem Rechte der Oberfläche. §§. 1-15  294

Dreiundzwanzigstes " Von Dienstbarkeiten überhaupt. §§. 1-28  296

Vierundzwanzigstes " Von persönlichen Dienstbarkeiten. §§. 1-33  300

Fünfundzwanzigstes " Von Grunddienstbarkeiten. §§. 1-42  305

Sechsundzwanzigstes " Vom Pfandrechte. §§. 1-12  312


(557) Seite

Dritter Theil.

Erstes Capitel. Von Verträgen und den daraus entstehenden Verbindungen überhaupt. §§. 1-88  314

Zweites " Von Vergleichen. §§. 1-16  328

Drittes " Von Zusagen und Schankungen. §§. 1-37  330

Viertes " Vom Darlehenscontracte. §§. 1-60  335

Fünftes " Vom Leihungscontracte. §§. 1-30  350

Sechstes " Vom Hinterlegungscontracte. §§. 1-34  354

Siebentes " Von Pfandcontracten. §§. 1-80  359

Achtes " Von Bürgschaften. §§. 1-66  370

Neuntes " Vom Kaufe und Verkaufe. 1-232  380

Zehentes " Vom Tauschcontracte. §§. 1-10  413

Eilftes " Vom Schätzungscontracte. §§. 1-12  414

Zwölftes " Vom Mieth-, Pacht-, Bestand- oder Dingungscontracte. §§. 1-112  416

Dreizehentes " Von Dienstleuten insbesondere. §§. 1-70  431

Vierzehentes " Von Erbzins- und anderen Zinscontracten. §§. 1-72  440

Fünfzehentes " Vom Gesellschaftscontracte. §§. 1-63  450

Sechzehentes " Vom Bevollmächtigungscontracte. §§. 1-45  459

Siebenzehentes " Vom Gewährungs- oder Versicherungscontracte. §§. 1-16  466

Achtzehentes " Von den aus Contracten herrührenden Nebengebührnissen. §§. 1-67  469

Neunzehentes " Von den bei Contracten vorkommenden Nebenpersonen. §§. 1-58  479

Zwanzigstes " Von solchen Handlungen, die den Contracten in ihrer Wirkung gleichkommen. §§. 1-34  487

Einundzwanzigstes " Von den aus bloser natürlicher Billigkeit herrührenden Verbindungen. §§. 1-48  492

Zweiundzwanzigstes " Von den aus einem Verbrechen herrührenden Verbindungen. §§. 1-121  500

Dreiundzwanzigstes " Von den durch fremde Untergebene oder durch fremdes Vieh zugefügten Beschädigungen. §§. 1-30  518

Vierundzwanzigstes " Von Verwandlung und Uebertragung der Verbindungen an Andere. §§. 1-53  523

Fünfundzwanzigstes " Von Tilgung der Verbindungen. §§. 1-126  530

Ergänzung der unvollständigen Citate  549

Uebersicht der Parallelstellen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und der ersten Umarbeitung des Codex Theresianus nach dem Entwurfe Horten’s  550