Von Gottes Gnaden Wir MAXIMILIAN JOSEPH, in Ober- und Nieder-Bayrn, auch der Obern-Pfalz Herzog, Pfalz-Graf bey Rhein, des Heil. Römischen Reichs Erz-Truchseß, und Churfürst, Land-Graf zu Leuchtenberg &c. &c. Bekennen offentlich mit diesem Brief, und thun kund jedermänniglich, was massen Uns Unser Hof- und Landschafts-Buchdrucker Johann Jacob Vötter unterthänigst zu vernehmen gegeben, daß, weilen sowohl der neu-emanirte Codex Judiciarius, als Criminalis Jur. Bav. una cum Notis bereits dergestalten abgegangen, daß nur wenige Exemplaria hievon übrig seyen, er des gehorsamsten Erbietens wäre, sothane Bücher auf seine eigene Kösten, und zwar zu mehrerer Bequemlichkeit in Median-Octav samt denen Notis aufzulegen, Uns dahero unterthänigist bittlich belangend, um Wir Gnädigst geruhen möchten, ihme hierzu Unser Churfürstl. Privilegium zu ertheilen, Kraft dessen sich niemand in Unsern Chur-Landen zu Bayrn, und der Obern-Pfalz verstandene Bücher nachzudrucken unterstehen solte. Wann Wir nun jetzt-gedeute ganz billiche Bitte gnädigist angesehen, und die von ihme hierauf zu verwenden habende viele Mühe, und Unkösten betrachtet; als haben Wir deme die Gnad gethan, thun auch solches in Kraft dieses Briefs also,

und dergestalten, daß er, Johann Jacob Vötter, obgedachte Bücher, samt denen Notis in Median-Octav in offenen Druck geben, hin- und wieder feil haben, und verkauffen lassen, auch dieselbe in Unsern Chur-Landen zu Bayrn, und der Obern-Pfalz innerhalb zehen Jahren niemand anderer weder in diesem, noch andern Format nachzudrucken darffe. Gebiethen demnach allen in Unsern Landen ansäßigen Buchdruckern hiemit ernstlich, und wollen, daß sie, oder jemand von ihretwegen oftgemeldte Bücher nachzudrucken, distrahiren, oder zu verkauffen sich unterstehe, alles bey Vermeidung unserer Churfürstl. Ungnad, und hundert Ducaten Geld-Straff, wovon die Helfte Unserer Hof-Cammer, die andere Helfte aber erwehntem Verlegern zufallen soll, auch bey Verliehrung desselben Nachdrucks, welche oft ernannt- Unser Hof- und Landschafts-Buchdrucker mit Hülf und Zuthun eines jeden Orts Obrigkeit, wo sie dergleichen finden werden, alsogleich aus eignen Gewalt ohne Verhinderung männiglich zu sich nehmen, und damit nach ihren Gefallen handlen und thun mögen, jedoch daß dieses Impressorium anderen zur Nachricht, und Warnung jedem Exemplari vorgedruckt werde. Geben in Unserer Haupt- und Residenz-Stadt München, den 20. Jenner 1756.

Maximilian Joseph

Churfürst.

L. S.

Philipp Carl von Delling.

Von Gottes Gnaden

Wir Maximilian Joseph, in Ober- und Niedern-Bayrn, auch der Obern-Pfalz Herzog, Pfalz-Graf bey Rhein, des Heil. Röm. Reichs Erz-Truchseß, und Churfürst, Land-Graf zu Leuchtenberg, &c. &c.

Entbiethen männiglich Unsern Gruß und Gnade zuvor: Es liegt ohne viel- und weitläuftiger Anführung von selbst zu Tag, in was für verwirrt- und mangelhaften Zustand sowohl das gemeine, als Statutarische Recht ohngeacht dessen, was man seithero durch allerhand Special-Verordnungen daran zu verbessern gesucht hat, sich dato noch in Unseren Chur-Landen befinde, und wie sehr man sowohl bey hoh- als niedern Gerichten in schleunig- und gleich durchgehender Justiz-Administration fast täglich dadurch gehindert werde.

Dieser grossen Beschwer- und Hindernuß abzuhelffen, haben Wir einen vollständigen neuen Codicem Juris Patrii verfertigen zu lassen, den Entschluß gefaßt, und anbey wegen des Werks Weitschichtigkeit für gut befunden, daß zuforderist mit jenen Theil desselben, welcher nicht so viel Hab und Gut als Leib und Leben betrift; mithin das allerfürnehmst- und vorzüglichiste Objectum Juris in sich begreift, der erste Anfang gemacht werde.

Da nun dieser nach vorläufig- gutachtlicher Vernehmung Unserer sammentlicher Justiz-Dicasterien, wie nicht weniger mit räthlichen Zuthun Unser gemeiner lieb- und getreuer Landschaft auch würklich zum Stand gekommen ist; so haben Wir solchen nicht nur zu jedermanns Wissenschaft in offentlichen Druck legen lassen, sondern gebiethen hierauf gnädigst, daß sothaner neuer Satz- und Ordnung in Unseren sammentlichen Chur-Landen zu Bayrn und der Obern-Pfalz, dann allanderen Uns zugehörigen Herrschaften und Ländereyen, von jedermänniglich genauist nachgelebet, dieselbe auch hinfüro bey Gericht, sowohl in Bestraff- als Processirung der Uebelthätern, für die alleinige Regul und Richtschnur gehalten, und sich allenthalben um so mehr gehorsamst und pflichtmäßig darnach geachtet werde, als Wir dagegen alle dahin einschlagende ältere Rechte, Statuten und Verordnungen aus Chur- und Landsfürstlicher Macht von nun an gänzlich aufheben, cassiren und abrogiren.

Annebens weiter gnädigist befehlend, daß, wann sich seiner Zeit ein Criminal-Casus ereignen sollte, welcher in gegenwärtigem Codice entweder gar nicht, oder nicht klar genug ausgedruckt; mithin einer legal- und authentischer Auslegung von Uns Selbst bedürftig wäre, solcher zwar für selbiges mahl von jeder Criminal-Obrigkeit ex æquitate & analogia Juris ihren besten Wissen und Gewissen nach, ohne Anfrag entschieden, und zur Execution gebracht; sofort aber auch alsogleich an Unseren Geheimden Rath zu dem Ende gehorsamst einberichtet werde, damit hierinn per Generale weitere nöthige Vorsehung geschehen; mithin all fernere Ungleichheit und Contrarietät in denen Præjudiciis dadurch verhütet, und auf diese Weis, so viel immer möglich, ein gleichförmig- unzweifelbar- und auf alle vorkommende Fälle applicables Jus Statutarium Criminale in Unseren Landen eingeführet, und erhalten werden möge. Gegeben in Unserer Residenz-Stadt München, den 7ten October Anno 1751.

Ex Commissione Seren.

Domini Dñi Ducis & Electoris speciali.

L. S.

Johann Jacob Miller, Hof- und Commercien-Raths Secretarius.

Vorrede.

Der Leser empfangt nunmehro auch die zweyte Edition von dem Codice Bavarico Criminali in dem nemlichen Format, worinn man demselben bereits im letzt verwichenen Jahr den Codicem Judiciarium zu lieferen die Ehre gehabt hat.

Der Verleger hat zwar nichts mehr gewunschen, als daß er auch die Anmerkungen über besagten Codicem Criminalem zugleich mit selben heraus geben zu können im Stand gewesen wäre. Nachdem er aber durch andere unverschiebliche Arbeit wider Willen hieran gehindert worden, so bittet er nun noch einige Monat in Gedult zu stehen, da sodann jene, welche zu erwehnten Anmerkungen in gleichem Format Verlangen tragen, gewiß und unfehlbar von ihm contentiret werden sollen. München den 8. Julii Anno 1756.

Johann Jacob Vötter, Churfürstl. Hof- und Landschaft-Buchdrucker.

Anzeig

Ueber die in dem ersten und zweyten Theil der neu-verbesserten Chur-Bayrischen Criminal-Rechten befindliche Capituln.

Erster Theil.

Erstes Capitul,

Von denen Criminal-Verbrechen und Straffen überhaupt.

Zweytes Capitul,

Von besonderen malefizischen Verbrechen und Straffen, zuförderist von Diebstählen und Raubereyen.

Drittes Capitul,

Von Todschlägen.

Viertes Capitul,

Von dem Laster der Leichtfertigkeit, gemeiner Hurerey, dann anderer schwerer Unzucht und Kupplerey.

Fünftes Capitul,

Von Ehebrüchen.

Sechstes Capitul,

Von der Blut-Schand, Nothzucht, gewaltthätiger Entführung der Weibs-Personen, doppelter Verehlichung, Sodomiterey und widernatürlicher Unkeuschheit.

Siebendes Capitul,

Von der Gotteslästerung, Abtrünnigkeit, Ketzerey, Zauberey, Hexerey und Aberglauben.

Achtes Capitul,

Von dem Laster der Perduellion genannt, dann der beleydigten Majestät, Landsfriedens-Brüchigkeit, Vergewaltigungen, Mord-Brand, schweren Unbilden und Pasquillen.

Neuntes Capitul,

Von falschen Geld-Münzern, Verfälschern, Meineydigen, Urphedbrechern, untreuen Beamten, dann boshaft- und vorsetzlichen Beschädigungen.

Zehendes Capitul,

Von denen Wild-Schützen.

Elftes Capitul,

Von in- und ausländischen Bettlern, Vaganten, Müssiggängern und dergleichen verdächtigen Leuten, wie auch Wuchern, Kaudern (!), Contrebandirern, und anderen unbenannten Verbrechen.

Zwölftes Capitul,

Von Straff der Wissenschaft, Bemühung, Beyhülf, oder Verdacht eines peinlichen Verbrechens.

Zweyter Theil.

Erstes Capitul,

Von denen peinlichen Gerichten und der Gerichtsbarkeit.

Zweytes Capitul,

Von der peinlichen Anklag, Denunciation, und Inquisition.

Drittes Capitul,

Von Erfindung der Uebelthat, zu Latein Corpore Delicti.

Viertes Capitul,

Von denen Anzeigungen, zu Latein Indiciis Delicti.

Fünftes Capitul,

Von dem Beweis der Missethat.

Sechstes Capitul,

Von der Inhaftirung, Caution, sicheren Geleit, und Freyung.

Siebendes Capitul,

Von dem gütlichen Examine, oder Constituto des Uebelthäters.

Achtes Capitul,

Von dem peinlichen Examine sowohl der Delinquenten als der Gezeugs-Personen.

Neuntes Capitul,

Von der Confrontation und dem Purgations-Eyd.

Zehendes Capitul,

Von dem peinlichen Urtheil, dann dessen Publication und Vollziehung.

Eilftes Capitul,

Von Aufhebung des peinlichen Process, dann denen hierunter auflauffenden Kösten.

(1) Erster Theil Der Neu-verbesserten Chur-Bayrischen Criminal-Rechten.

Erstes Capitul

Von denen Criminal-Verbrechen und Straffen überhaupt.

Was für Verbrechen Criminal seynd?

§. 1. Es seynd nicht alle Frevel und strafbare Thaten für Criminal zu achten, sondern nur jene, welche entweder mit Leibs- und Lebens-Straf angesehen, oder sonst so beschaffen seynd, daß sie von Rechts- oder Gewohnheits wegen, ad Forum Criminale gehören.

Wie vielerley dieselbe.

§. 2. Dieselbe seynd entweder gering, schwer, oder gar überschwer, zu Latein leviora, graviora, atrocissima. Unter die erste gehören, welche nur mit Gefängniß- Geld- Schand- und dergleichen leichteren Straffen belegt seynd. Zu der anderen, was eine Leibs- oder Lebens-Straff nach sich ziehet,

(2) und zu der dritten Gattung, was nicht nur am Leben, sondern gar mit einem härtern und langsameren Tod, oder mit einem empfindlichen Zusatz bestraffet wird.

Art und Weiß dieselbe zu begehen.

§. 3. Ein Verbrechen wird begangen, da man gegen das Gesatz etwas thut oder unterlasset, und zwar entweder aus gefährlichen bösen Fürsatz, oder aus mercklichen Versehen, zu Latein dolo vel culpâ. Welch Beedes zwar in Civilibus zuweilen gleich geachtet wird, aber in Criminalibus der Straffen halber allzeit unterschieden bleibt.

Wer dessen unfähig?

§. 4. Wem es an genugsamen Verstand oder freyen Willen ermangelt, der ist keines Verbrechens fähig. Was demnach von unvernünftigen Viehe, ohnmündigen Kindern, unsinnigen Leuten, oder im Schlaff, Trunkenheit, oder aus Irrthum, Unwissenheit, und Noth-Zwang geschiehet, wird für kein Verbrechen geachtet.

Von denen Criminal- und Lebens-Straffen.

§. 5. Die Straffen der Criminal-Verbrechen gehen theils an Leib, Ehr und Gut, theils gar an das Leben. Die Letztere pflegen zwar auf vielerley Weiß, gemeiniglich aber nach hiesigen Lands-Gebrauch, theils mit dem Schwerdt, Strang oder Rad, und zwar das Letztere mit oder ohne dem sogenannten Gnaden-Stoß, theils durch das Feuer und die Viertheilung, beedes entweder lebendig oder nach vorgängiger Strangulir- oder Enthauptung vorgenommen zu werden.

Zusätze der Lebens-Straffen.

§. 6. Jetztgedachte Capital-Straffen werden auch öfters durch Zusätze geschärfft, und der arme Sünder zur Richt-Statt geschleiffet, mit glüenden Zangen gerissen, Riemen aus ihm geschnitten, die

(3) Hand abgehauet, die Zung ausgerissen, der entseelte Cörper auf das Rad gelegt, verbrannt, geviertheilt und die Viertheil an offener Strassen ausgehenckt. Welch Letzteres jedoch zu Vermeydung ohnnöthiger Kösten, hinführo unterlassen werden soll.

Was der Tods-Straff gleich zu achten?

§. 7. Der Todes-Straff wird die Verdammung zur ewigen Gefängniß, wie auch die Reichs-Acht, und da man jemand für Vogel-frey erkläret, gleich geschätzt.

Leibs-Straffen.

§. 8. Straffen, welche zwar an dem Leib, nicht aber an das Leben gehen, zu Latein pœna corporis afflictivæ bestehen, theils in dem Staub-Besen, theils in Aufbrennung des Buchstabens B. welch beeden die offentliche Vorstellung auf dem Pranger, samt der ewigen Lands-Verweis- und Urfeds-Abschwörung, oder Condemnation ad opera publica allzeit anhängig ist. Die übrige Gattungen der Leibs-Straffen aber, wo sie nicht nebst der Todes-Straff für einen Zusatz gebraucht werden, seynd hiermit abgeschafft.

Geringere Straffen, welche weder an Leib noch Leben gehen.

§. 9. Von denen geringern Criminal-Straffen, welche weder an Leib noch Leben gehen, seynd meistentheils folgende im Gebrauch: (a) Verweisung aus einem Burgfrieds- Gerichts- Rent-Amts-District, oder gar aus dem Land. (b) Verweisung an ein gewisses Orth, um allda zu verbleiben und ohne Erlaubniß nicht auszutretten. (c) Da man für ehrlos declariret wird, mit oder ohne offentlichen Anschlag. (d) Gefängniß oder opera publica auf gewisse Zeit. (e) Vorstellung auf dem Pranger, oder auf Schrägen an der Kirchen-Thür, oder offentlichen Schand-Säulen. (f)

(4) Confiscation der Güter, (g) Geld-Straff, (h) Wasser-Schnellung, (i) Cassation, (k) Stadt- oder Haus-Arrest, (l) Kirchen-Straffen, oder pœnæ canonicæ, und dergleichen.

Wie weit dise letztere Hofmärchisch?

§. 10. Erstbemeldte Straffen pflegen zwar zum Theil auch von Hofmarchs- und Nieder-Gerichts-Obrigkeiten, um geringerer Frevlen halber, in gewisser Maaß erkannt zu werden; doch sollen sie sich der Rent-Amts- und Lands-Verweisungen, wie auch jener, welche an ein gewisses Orth geschehen, und nicht weniger des Prangers, offentlichen Anschlags und der Confiscationen, so weit solche nicht hergebracht seynd, enthalten.

Straff der Relegation in Ansehen der Lands-Kinder.

§. 11. In welchen Fällen auch gegenwärtige Lands-Statuta von der ewigen oder zeitlichen Lands-Verweisung mit oder ohne Staub-Beesen oder Aufbrennung des Buchstabens B. Meldung thun, ist solches nur von Ausländern zu verstehen; massen die Lands-Kinder, sonderbar jene, welche ausser Land nicht geduldet werden, mit dieser Straff so leichterdings nicht zu belegen, sondern statt deren ad opera publica auf 1. 2. 3. oder mehr Jahre zu condemniren, oder sonst dem Bedunken und der Proportion nach, zu bestraffen seynd.

Von Extraordinair- und willkührlichen Straffen.

§. 12. Bey willkührlichen und Extraordinari-Straffen, welche zur Richterlicher Ermäßigung ausgestellt seynd, soll die Obrigkeit alle milderend und beschwerende Umstände des Verbrechens wohl betrachten, in geringern oder zweiffelhafften Fällen mehr zur Milde als Schärfe geneigt seyn, keine neue und ungewöhnliche Straffen erfinden, sofort zwischen dem Verbrechen und der Straff die rechte Proportion beobachten, und das blosse Arbitrium

(5) oder Gut-Bedunken, wo es die Statuta nicht ausdrucklich einraumen, auf die Todes-Straff niemahl erstrecken.

Von Ordinari-Straffen.

§. 13. Die Ordinari-Straffen hingegen, welche durch Gesatz und Recht schon determiniret seynd, soll kein Richter durch Schärf- oder Milderung derselben, (es seye gleich eine Leibs- Lebens- oder andere gewisse Straf) willkührlich und eigenen Gutbefinden nach abändern, wann nicht eine rechtmässige und solche Ursach vorhanden, welche in denen Statutis ausgedruckt, oder wenigist per analogiam Juris daraus zu folgern ist.

Ursachen, aus welchen die Ordinari-Straf gemildet werden kan, und zwar 1mo Die Unvogtbarkeit.

§. 14. Eine solche legale Milderungs-Ursach, ist unter anderen erstens die Unvogtbarkeit, welche sich in Criminal-Sachen sowohl bey Manns- als Weibs-Personen auf das 14te Jahr inclusivè erstrecket. Es kan aber gleichwohl auch gegen Unvogtbare, wann sie näher bey dem 14ten als 7ten Jahr seynd, und das Alter durch die Bosheit ersetzt wird, in gar überschweren Verbrechen zum Schwerdt geschritten werden.

2do Die Minderjährigkeit.

§. 15. Zweytens mitigiret die Minderjährigkeit andergestalt nicht, ausser wo selbe näher bey dem 14ten als 18ten Jahre, annebens die Bosheit nicht allzu frühzeitig und zur künftiger Besserung grosse Hoffnung obhanden ist, welche theils aus vorhergehenden Lebens-Lauf und beschehener Aufführung, dann anderen Umständen leicht abzunehmen ist. Es wird auch bey Ausrechnung des Alters nicht auf die Zeit, da die Bestraffung geschehen soll, sondern da das Verbrechen verübet worden, gesehen.

3tio Hohes Alter.

§. 16. Drittens kommt bey dem hohen Alter nicht so

(6) viel die Anzahl der Jahren, als die Beschaffenheit des Leibs und Verstands in Erwegung. Seynd die Leibs-Kräften schon so weit gewichen, daß bey vornehmender Leibs-Straff das Leben in Gefahr gerathet; so ist statt derselben eine mildere zu gebrauchen. Hat aber das Alter bereits in eine Kindheit abgeartet, so ist die Straff nach dem Grad der Einfalt oder Unverständigkeit abzumessen, und zu milderen, oder gar nachzusehen.

4to Toll und Unsinnigkeit, Melancholie und Tummheit.

§. 17. Toll und unsinnige, wie auch tumme, melancholische Leut, welche nicht einmahl wissen, was sie thun oder lassen, seynd von aller, jene hingegen, denen der Verstand nur halb verruckt ist, von der Ordinari-Straff befreyt, welches aber auf declarirte Verschwender nicht gezogen werden mag; massen sie zwar, so viel die Verwaltung ihrer Güter und anderes belangt, nicht aber ihrer Verbrechen halber, denen Unsinnigen gleich geachtet werden. Es ist aber bey dergleichen Leuten wohl auf den Grund zu sehen, ob nicht die Tummheit, Melancholie und Unsinnigkeit, nur ein verstelltes Weesen oder etwa das Verbrechen tempore dilucidi intervalli bey gutem Sinn und Verstand ausgeübt worden seye, weswegen man sich ihres vorigen Lebens-Wandels fleißig zu erkundigen, sofort den Befund nach, nöthige Vorsorge zu thun hat, damit solch gefährliche Leut keinen weiteren Schaden thun mögen.

Sprach- und Gehörlosigkeit.

5to §. 18. Sprach- und Gehörloßigkeit, (sonderbar die von Geburt) ist zwar gemeiniglich mit grober Tummheit verknüpft, und wird auch alsdann auf gleiche Art angesehen. Seynd aber Sprach- und Gehörlose mit hinlänglichen Begriff ihres Thun und Lassens begabt, so wird die Ordinari- Straff

(7) nur alsdann gemildert, wann sie nicht mittels eigner Handschrifft zur klaren lauteren Bekanntnuß gebracht werden mögen.

6to Trunkenheit.

§. 19. Trunkenheit, welche aus keinem mercklichen Verschulden herrühret, und den gantzen Verstand benimmt, entschuldiget von aller Straff. Wo aber das Verschulden groß, oder der Rausch nur mittelmäßig ist, da hört nicht alle, sondern nur die ordentliche Straff auf. Und wer sich endlich gar fürsetzlicher Weiß in der bösen Absicht, um die That desto beherzter vollbringen zu können, mit Fleiß betrinckt, oder schon ehemals dergleichen Händel in der Trunkenheit verübt, auch deswegen schon bestrafft oder gewarnet worden ist, verdienet keine Straff-Milderung, sondern wird dißfalls für nüchtern gehalten.

7mo Gäheit und Ubereilung.

§. 20. Gäheit und Ubereilung laßt man nur alsdann pro causa mitigante passiren, wann man aus nicht geringer Ursach und ohne selbst eigenen schuldhaften Anlaß dazu gereitzet, annebens die That gleich in der ersten Hitze ohnüberlegter verübet, und nachhero genugsam bereuet wird.

8vo Leibs-Schwachheit.

§. 21. Leibs-Schwachheit und Presthaftigkeit, entschuldiget niemals von der Todes- wohl aber von der Ordinari-Leibs-Straff und dem Zusatz.

9no Freywillige Angab.

§. 22. Wann die freywillige Angebung vor der Denunciation oder Special-Inquisition, entweder von dem Thäter selbst aus Reumüthigkeit, oder von dessen leiblichen Eltern, mittels desselben gerichtlicher Uberlieferung, von freyer That beschiehet; so ist es zwar ein milderender Umstand, welcher jedoch in Capital-Verbrechen nur von der härteren

(8) Todes-Straff, oder dem Zusatz liberiret. Wird aber allenfalls durch eine solch freywillig und aufrichtige Angab dem gemeinen Weesen, oder dem Fisco ein ersprießlicher Dienst geleistet, oder unbekannte gefährliche Complices entdecket; so ist der Angeber nicht nur der Milde, sondern gar einer Belohnung würdig.

10mo Reumüthigkeit.

§. 23. Blosse Reumüthigkeit würcket mehr nicht, als daß das genus mortis einigermassen abgeändert werden mag. Welches jedoch so leichterdings nicht geschehen soll, sonderbar wann es der Inquisit zu lang damit anstehen läßt, und seine wahre Reu nicht gleich anfänglich bey dem ersten gütlichen Constituto, mittels einer aufrichtiger Bekanntnuß, zu Tage legt.

11no Mangel an dem corpore delicti oder in dem Process.

§. 24. Wo in dem corpore delicti oder sonst in dem Process ein solcher Mangel erscheinet, daß die erforderliche Prob dadurch in billichen Zweiffel geräth; so greifft statt der ordentlichen nur eine mildere Straff Platz.

12mo Würde und Adeliches Herkommen.

§. 25. Würde und Adeliches Herkommen thut nichts zur Sach, ausser daß der Strang in das Schwerdt, und die Leibs- oder Schand-Straffen in Geld- Arrest- und dergleichen Straffen abgeändert werden.

13tio Weibliches Geschlecht

§. 26. Gegen das Weibliche Geschlecht cessiret die Ordinari-Straff weiter nicht, als daß man selbes weder mit dem Strang, noch dem Rad, minder mit der Viertheilung zu straffen pflegt.

14to Langwürige Gefängniß

§. 27. Langwürige Gefängniß, welche über die Gebühr und ohne des Inhaftirten eignen Verschulden, Jahr und Tag andauret, entschuldiget in

(9) atrocissimis von der härtern Todes-Straff und dem Zusatz; in denen übrigen Verbrechen aber, von aller Leibs- und Lebens-Straff; dahingegen die Obrigkeit, welche diesen schädlichen Saumsal zu Schulden bringt, nur desto sträfflicher zu achten ist.

15to Grosse Menge der Delinquenten.

§. 28. Bey gar zu grosser Menge der Delinquenten, welche sich gemeiniglich in Verbrechen gantzer Communitäten ereignet, wird die Ordinari-Straff so weit gemildert, daß selbe nicht an allen Theilhabern, sondern nur an denen Rädelsführern oder jenen, so etwann das Looß betrifft, zu vollziehen ist.

16to Langer Anstand

§. 29. Langer Anstand, wann gleich keine völlige Verjährung daraus erwachset, ist bey der Bestraffung, zumal in criminibus non atrocissimis, ebenfalls nicht ausser Acht zu lassen, daferne sich verbessertes Leben, ausgestandene Todes-Angst, grosses Elend und dergleichen Commiserations-würdige Umstände bezeigen.

17mo Irrthum.

§. 30. Irrthum hebt alle Straff auf, wann der Irrende in facto licito & inculposo versiret. Ist aber der Irrthum mit einer culpâ verknüpft; so wird die Straff nur gemildert, wann nicht die That, welche der Irrende vorgehabt, eben so sträfflich oder noch sträfflicher gewesen, als jene, welche aus Irrthum würcklich von ihm begangen worden.

18vo Unwissenheit.

§. 31. Unwissenheit in Sachen, welche von Rechts wegen zu ignoriren erlaubt ist, entschuldiget, wo nicht von aller, doch von der Ordinari-Straff. Es ist aber hierzu nicht nöthig, die besondere Gattung derselben Straff zu wissen, sondern es ist genug, daß die innerliche Boß- und Straffmäßigkeit

(10) der That nicht unbekannt seye, oder seyn könne.

19no Befehl der Oberen.

§. 32. Bey dem Befehl der Oberen ist zu sehen, wie weit der Obere gegen den Untergebenen authorisiret und begwaltet seye. Je höher der Grad sothaner Gewalt und Authorität ist, je weniger und gelinder wird der Untergebene wegen Vollziehung des widerrechtlichen Befehls gestrafft. Hiernächst ist auch der Innhalt des Befehls wohl zu betrachten; dann was nur auf der Oberen und anderer blosses Anrathen, Vollmacht, Versprechen, Ersuchen, Hülf, Gutheissen, oder Veranlassen, zu Latein consilio, mandato, promisso, prece, ope, approbatione vel ansâ geschiehet, verdienet in gar überschweren Verbrechen gar keine, und in anderen nicht leicht eine Straff-Milderung.

20mo Noth und Forcht.

§. 33. Wann zur Entschuldigung die Noth und Forcht vorgeschützet wird, ist zu erwegen, wie hoch die Noth gewesen, und wie schwer die Rettungs-Mittel gefallen, auch ob man sich nicht selbst muthwillig hierinn gestürtzet habe. Nebst deme soll man eines jeden seine besondere Condition, Leibs- und Gemüths-Beschaffenheit, und andere dergleichen Umständ wohl in Obacht nehmen, und darnach ermäßigen, wie weit die Straff zu milderen oder gar nachzusehen seyn möchte.

Unzulängliche Milderungs-Ursachen.

§. 34. Ehrfurcht, Verführung, besondere Geschicklichkeit oder Kunst, ansehnliche Freundschaft, ehemahlige Verdienst, Fürbitt lediger Weibs-Personen, Vielheit der Kindern, Armuth, Reichthum, Convertirung der Religion, Fehlstreich oder Brechung des Stricks in der Execution und dergleichen, mögen zwar wohl höchster Orthen pro

(11) motivo aggratiandi dienen, seynd aber in dem Weg Rechtens, bey denen Criminal-Gerichten, zu Abänderung der Ordinari-Straff nicht hinzulänglich.

Beschwerende Umstände eines Verbrechens, und wie weit die Straff dadurch zu vermehren.

§. 35. Die beschwerende Umstände eines Verbrechens, lassen sich nicht so genau determiniren, kommen aber auf die That selbst, dessen Vorbereitung, Art und Weiß, wie, wann, und wo dieselbe vollzogen worden, dann auf des Thäters und des Beleydigten Person, wobey unter anderen zu beobachten ist, ob die That frequent und insonderheit von dem Inquisiten öfters begangen; mithin eine angewohnt oder etwan gar von ihm angerühmte Sach seye, ob deswegen schon eine Correction vorausgegangen; ob noch andere Ubelthaten dazu kommen; ob man das Werck mit Hinterlist und Ausgesonnenheit angegriffen, auch lange Zeit dazu gebraucht; ob grosser Schaden und Aergernuß daraus entstanden; ob auch andere mit in das Spiel gezogen, und etwan junge unschuldige Leut dabey verführet worden; ob es an geweyht oder gefreyten, oder an abseitigen Orthen, nächtlicher Weil, in der Dunkle, zu Pest-Zeiten, in der Brunst, Wasser-Gefahr und dergleichen Umständen geschehen; ob der Thäter vorhin schon ein böses, ärgerlich-verschreytes Leben geführet; ob die beleydigte Person arm, kranck, schwach, erbarmungswürdig, untergeben, anvertraut, characterisiret, und ansehnlich, oder gar eine Obrigkeit und vorgesetzte Person gewesen. Diese und dergleichen Umstände, seynd weder in willkürlichen und ausserordentlichen, noch Ordinari-Straffen, ausser Augen zu setzen. Doch sollen bey den letzteren weder die Leibs- in Lebens-Straffen, noch in Capital-Verbrechen das genus mortis so leichterdings

(12) verändert, sondern gestalten Dingen nach nur auf einen Zusatz, zu mehrern Schröcken und Exempel der Antrag gemacht werden: Es wäre dann, daß sich gar grosse Aggravantia hervor thäten, und gegen den Deliquenten mehr Capital-Verbrechen von einer oder verschiedener Gattung vorkommen, welchen falls die Ordinari-Todes-Straff nicht nur mit einem Zusatz vermehret, sondern wohl gar in ein härteres oder langsameres genus mortis commutiret werden mag.

Wie in einer Person mehr Ubelthaten zugleich bestraffet werden sollen?

§. 36. Werden von einer Person mehr Ubelthaten von nemlicher oder verschiedener Gattung begangen; so ist zwar bey deren Bestraffung überhaupt die Regul, daß die schärfere Straff allzeit die gelindere absorbire, es verstehet sich aber solches nur von jenen Straffen, welche in einer Person nicht wohl compatibel seynd. Bey denen übrigen hingegen leidet diese Regul ihren Absatz, sonderbar in willkührlich und ausserordentlichen Straffen, massen hierinn nicht nur wegen mehreren, sondern auch eines eintzigen Verbrechens halber, mehrerley Straffen, e. g. die Geld- Gefängniß- Cassations- Relegations-Straff, und dergleichen statt haben. Nicht weniger fällt die Regul bey obbenannten Straff-Zusätzen hinweg, weil dise für keine besondere Straff geachtet, mithin auch durch die Haupt-Straff nicht aufgehoben werden.

Straff wird regulirt nach denen Statutis des Orthes, wo man verbrochen hat

§. 37. Bey jeder Bestraffung ist zuförderist auf die Rechten und Gewohnheiten jeden Orths, wo das Verbrechen begangen worden, zu sehen, und da selbes an einem Orth angefangen, anderwärts aber vollstrecket worden; so stehet in des Richters Willkühr, ob er die Straff nach den Gesätzen des ersten oder anderen Orths dictiren wolle.

(13) Wer die Wahl habe, bey Alternativ-Straffen?

§. 38. Desgleichen stehet die Willkühr nicht bey dem Delinquenten, sondern bey dem Richter, wann per statutum mehr Straffen auf ein Verbrechen alternativè gesetzt seynd.

Straff betrifft nur den Thäter allein.

§. 39. Die Straff soll nur der Thäter allein, nicht aber auch Dritte und Unschuldige, welche an dem Verbrechen keinen Theil haben, mit betreffen.

Geld-Straffen Ohnbemittelter.

§. 40. Es sollen dahero die mit Weib und Kindern beladene Delinquenten, wo sie nicht wohl bemittelt seynd, mit Geld nicht leicht bestraffet werden.

Erben und Successoren

§. 41. Erben und Successores haften nur so weit um die Straff, als durch das Verbrechen ihres Vorfahrens an sie gelangt; oder da es um eine Straff an Geld und Gut zu thun, und der Verstorbene bereits darein condemniret, oder wenigst vor dem Tod schon confessus vel convictus gewesen ist.

Gantzer Gemeinden.

§. 42. In Verbrechen gantzer Communitäten, seynd nur jene allein, welche in dolo vel culpâ versiren, zu bestraffen, ohne daß die Communität in corpore, oder der unschuldige Theil etwas hierunter zu entgelten hat.

Doppelte Bestrafung hat nicht statt.

§. 43. Wer auch von der rechtmäßigen weltlichen Obrigkeit schon der Gebühr nach einmal bestraffet worden, kan des nemlichen Verbrechens halber, von keiner anderen Obrigkeit mehr bestraffet werden.

Wie die Straff aufgehoben werde?

§. 44. Wie im übrigen die Straffen durch das peynliche Urtheil, gütliches Abkommen, Lands-Fürstlicher Gnade und Verjährung gehoben werden, ist in dem zweyten Theil des Mehrern enthalten

(14) Zweytes Capitul

Von besonderen Malefizischen Verbrechen und Straffen, zuförderist von Diebstählen und Raubereyen.

Was der Diebstahl seye

§. 1. Ein Diebstahl wird begangen, da man aus betrüglich- und gewinnsüchtigen Gemüth, fremd- bewegliches Gut, was es immer seyn mag, wider Willen des Eigenthümers nimmt, vorenthaltet, oder abnutzet.

Ein- oder zweyfacher kleiner Diebstahl.

§. 2. Ein einfacher kleiner Diebstahl, welcher in Geld oder Werth nur 30. Kreutzer Landswährung betragt, wird nicht malefizisch, sondern civiliter und niedergerichtlich bestrafft; ist er aber darüber, so gehöret es zum Malefiz, wird jedoch nur willkührlich bestrafft, wann die Summa in Geld oder Werth nicht 20. Fl. betragt, welche Beschaffenheit es auch mit dem zweiten Angriff hat, dafern derselbe mit Einschluß des ersten, obiges Quantum nicht ausmacht.

Grosser Diebstahl.

§. 3. Stihlt einer auf ein- oder zweimal 20. Fl. oder mehr in Geld oder Werth, so heißt es ein grosser Diebstahl, und wird mit dem Strang bestrafft. Doch stehet in Richterlicher Willkühr, nach Beschaffenheit der Person und Umständen, sonderbar wann die freiwillige Restitution noch vor der Inhaftirung geschehen, oder noch keine Correction voraus gegangen, oder sonst grosse Hoffnung zur Besserung anscheint, statt des Strangs, das Schwerdt oder noch eine gelindere Straff zu erkennen.

(15) Wie die Summa hierbey zu rechnen?

§. 4. Die 20. Fl. werden nach gebräuchiger Landswährung gerechnet, wobey nicht so viel auf den Nutzen des Diebs, als den Schaden des Bestohlnen, und zwar nach gemeinen innerlichen Werth der entwendeter Haab zu sehen ist; immassen auch nicht darunter einzurechnen kommt, was der Damnificatus etwan wegen Erforschung des Diebstahls, oder Wiedereinbekommung der gestohlner Sach aufgewendet hat, dahingegen, wann der Diebstahl von Mehreren zugleich begangen worden; so werden sie der Summa halber alle für eine Person genommen, und ist zur Ordinari-Todes-Straff nicht nöthig, daß jeden aus ihnen 20. fl. würcklich betroffen, oder betreffen mögen.

Gefährlicher Diebstahl.

§. 5. Diebstähle, welche mit bewaffneter, oder auch von zusamm rottirten gantzen Diebs-Banden mit gesammter Hand verübt werden, seynd gleich das erstemal ohne Rücksicht auf die Summam, Restitution oder Correction mit dem Strang zu bestraffen, welches auch auf jene Angriff statuiret wird, wo man durch Strick, Leitern, oder sonst auf andere Weis einsteigt, oder mit Gewalt einbricht. Doch seynd jene Angriff, welche nur mit Dietrich-Schlüsseln, oder sonst ohne Verletzung der Schlösser, Thüren, Kisten und Behältnissen geschehen, für gewaltsame Einbrüch nicht zu halten, sondern anderen gemeinen Diebstählen gleich zu achten.

Dreyfacher Diebstahl

§. 6. Bey einem dreyfachen Diebstahl, welcher an verschiedenen Orthen, oder an einem Orth zu verschiedenen dreyenmalen verübt wird, ist ebenfalls weder auf eine Summam, noch Restitution oder Correction zu sehen, sondern wird mit dem Strang

(16) ohne Unterschied bestrafft; ausgenommen da das damnum datum von allen dreyen Angriffen zusammen nicht 30. Kr. ausmacht, welchen Falls der Delinquent zwar wegen der dreyfachen Reiteration malefizisch, aber nicht am Leben, sondern willkührlich bestrafft wird.

Fisch- und Krebs-Diebstahl.

§. 7. Fisch- und Krebs-Diebe, welche aus verschlossenen Behältnissen stehlen, werden anderen Dieben gleich geschätzet. Wann aber nur aus offenen Flüssen, Seen, und dergleichen Wässern, worinn sich der Fisch annoch in seiner natürlichen Freyheit befindet, gefischt wird, ist der Fall nicht malefizisch, sondern niedergerichtlich.

Perlen-Diebstahl.

§. 8. Wer aus gebannten Wässern, wo offentliche Bann-Tafeln aufgesteckt seynd, zeitig oder unzeitige Perlen, oder an den Ufern die Muscheln stihlt, wird wie ein anderer Dieb bestrafft, und seynd alle Materialisten und Apothecker im Lande, welchen dergleichen Waare von verdächtigen Leuten zukommt, bey Vermeydung willkührlich malefizischer Straff, die Anzeige bey der Obrigkeit zu thun schuldig.

Diebstahl der Ehe-Leuten, Eltern, Kindern, Erben, oder Domestiquen.

§. 9. Was von Ehe-Leuten, Ehe-leiblichen Kindern und Eltern, oder auch von den nächsten Erben in Leb-Zeiten, entwendet wird, ist nach peynlichen Rechten kein Diebstahl, sondern wird auf Belangen nur niedergerichtlich verhandlet. Andere Haus-Diebstähle aber, von Dienstboten, Inwohnern, Taglöhnern und dergleichen Leuten, seynd wie gemeine Diebstähle zu bestraffen.

Diebstahl anvertrauter Sachen, liegender Erbschaften, todter Cörpern oder gefundener Sachen.

§. 10. Geflissene Veruntreu- oder Vorenthaltung anvertrauter Sachen, wie auch Beraubung liegender Erbschaften

(17) wieder Wissen und Willen der Erben oder Miterben, wird malefizisch, jedoch nur willkührlich bestraffet. Gleiche Bewandnüß hat es, wann todte Cörper spoliret werden, ausgenommen, da solches an geweyhten Orthen, oder aus aberglaubischen Absichten geschiehet; immassen solchen Falls die Straff des Schwerdts Platz greifft. So viel die gefundene Sache betrifft, soll man solche offentlich verkünden lassen; oder da der Eigenthümer schon bekannt ist, ihm ohnaufhaltlich zustellen, beedes bey Vermeidung willkührlich-malefizischer Straff.

Holtz-Früchten, Vieh- und Geflügel-Diebstähle.

§. 11. Wer aus denen Waldungen Holz, Getreyd oder Früchten von dem Feld, Obst von denen Bäumen an offenen freyen Orthen, ohnversperrtes Feder-Vieh und Geflügel entwendet, wird milder als ein anderer Dieb gestrafft. All übrige Vieh-Diebstähle aber seynd von der Ordinari-Straff nicht ausgenommen.

Von der Compensation.

§. 12. Heimliche Compensation oder Selbst-Bezahlung, entschuldiget niemand von begangenen Diebstahl, es seye dann die Schuld quò ad forum externum liquid, und durch andere gewohnliche Mittel, entweder gar nicht, oder wenigist nicht ohne grosser Beschwernuß, beyzutreiben gewest.

Entleibung des Diebs.

§. 13. Wird ein Dieb auf frischer That betretten, und weicht nicht alsobald auf beschehenes Anruffen, läßt auch die entwendete Haab nicht zurück; so soll durch dessen Verwund- oder Entleibung, niemand gefrevlet haben; es seye dann, daß man sich seiner ohne Gefahr leicht bemeistern, oder des Schadens auf andere Art an ihm erhohlen mögen. Welches auch um so vil mehr gegen einen nächtlichen

(18) oder bewaffneten Dieb, oder einen Rauber statt hat.

Straff derjenigen, welche nicht nur zum Diebstahl helfen, sondern auch davon participiren.

§. 14. Wer von dem Diebstahl nicht nur directè vel indirectè wissentlich participiret, sondern auch aus gewinnbegierigen Gemüth, denen Diebs-Leuten vor- in- oder nach der That Hülf leistet, wird wie der Principal-Thäter selbst mit der ordentlichen Straff des Diebstahls angesehen.

Straff der Helferen ohne Participation, & vicissim.

§. 15. Hülf ohne Participation, oder Participation ohne Hülf, wird nur arbitrariè bestrafft, wobey jedoch unter jenen, welche in- vor- und nach dem Diebstahl helfen, ein Unterschied zu machen, und die erste schärfer als die andere, diese aber schärfer als die letzte zu bestraffen seynd.

Menschen-Diebstahl.

§. 16. Da jemand wieder seinen oder seiner Eltern oder Vormündern Willen, um Gewinnsts oder anderer Ursachen wegen, gefährlicher Weis verborgen, entführet, oder verhandlet wird, ist ein malefizischer Fall, welcher nach Gelegenheit der Sach, sonderbar wann Christen-Kinder an Juden, oder Aberglaubige verhandlet worden, an Leib und Leben zu bestraffen ist.

Kirchen Diebstahl.

§. 17. Kirchen-Diebe, welche entweder geweyhte Sachen an geweyht- oder ungeweyhten Orthen, oder ungeweyhte Sachen an geweyhten Orthen stehlen, werden mit Beobachtung folgenden Unterschieds gestrafft: 1mò. Monstranzen- und Ciborien-Diebstahl, worinn die heilige Hostien enthalten seynd, werden mit dem Feuer, und zwar wann die heilige Hostie zugleich mit entwendet, oder verunehret wird, mit lebendiger Verbrennung gestrafft. 2dò. Wer anderes geweyhtes Gefäß

(19) von Silber oder Gold, und dergleichen ansehnliche Stück von 20. oder mehr Gulden werth, mit oder ohne Heiligthum an geweyht- oder ungeweyhten Orthen entwendet, hat ohne Unterschied der Restitution oder Correction, Strang verwürckt. 3tiò. Diebstahl von übrigen geweyhten Dingen geringerer Sorte; wie auch wann aus Opfer-Stöcken gefischt oder von verlobten, in die Kirch geflüchteten und anderen dergleichen Sachen, etwas entwendet wird, ist anderen weltlichen Diebstählen gleich zu halten.

Straff der complicum (?) in Kirchen-Diebstählen.

§. 18. Der in Kirchen-Diebstählen mit implicirter Personen halber, hat es die Meynung wie oben §. 14. von gemeinen Dieben geordnet ist; ausgenommen die Feuers-Straff, welche nur jenen allein zu Theil wird, so sich selbst ohnmittelbar an der heiligen Hostie oder der Monstranz und dem Ciborio vergriffen haben.

Raubereyen.

§. 19. Gewaltsame Abnehm- und Abnöthigung, oder auch bedrohliche Abschröckung fremden beweglichen Guts, um Gewinnsts oder Vortheils wegen auf offentlicher Straß oder anderwärts, wird mit dem Strang bestrafft ohne Unterschied, ob die Sach viel oder wenig werth, etwas anderes auf dem Schein dagegen gegeben, der Rauber schon einmal correctus gewesen, und die Restitution geschehen seye oder nicht. Im Fall auch die Rauberey mit Grausamkeit verübt worden, soll man den Rauber durch das Rad, und zwar wann der Ausgeraubte an der mörderischen Tortur gestorben, von unten auf ohne Gnaden-Stoß hinrichten.

Straff der Mithülf oder Participation in Raubereyen.

§. 20. Eben gedachte Straff des Rads, sowohl von oben herab als von unten auf, betrifft respectivè nur

(20) jene von der Rauber-Bande, welche durch Bind- Schlag- oder Peinigung der Leuten selbst unmittelbar Hand angelegt haben. So vil aber die Straff des Strangs belangt, ist hierinfalls unter denen Mithelfern und implicirten Personen kein Unterschied, wann sie nur vor- in- oder nach der That Hülfe geleistet, und zugleich von dem Raub participiret haben. Wo nun aber eines von diesen Beeden ermangelt, wird statt des Strangs nur eine willkührliche Straff erkannt.

Drittes Capitul.

Von Todschlägen.

Straff des Todschlags.

§. 1. Der Todschlag, welcher mit bösen gefährlichen Fürsatz verübt wird, soll mit dem Schwerdt bestrafft werden.

Fürsetzlichkeit desselben

§. 2. Wer in böser Meynung dem andern Schaden zu thun etwas gegen ihn unternimmt, was ohne augenscheinlicher Todes-Gefahr so leicht nicht unternommen werden mag, soll mit der Ausred, ob hätte er nicht den Tod, sondern nur eine Verwundung und dergleichen vorgehabt, nicht angehöret werden.

Homicidium Culposum aut Fortuitum.

§. 3. Todschlag, welcher nur aus Unbehutsamkeit oder erweislicher massen, gar nur von ungefehr ohne Verschulden erfolgt, soll letzteren Falls gar nicht, ersteren Falls aber à Proportion der Schuld arbitrariè gestrafft werden.

Necessarium aus Nothwehr.

§. 4. Einem von ungefehr beschehenen Todschlag, wird jener gleich geschätzt, welcher aus rechtmäßiger Nothwehr begangen und gleichsam abgenöthiget wird.

(21) Beystand in der Nothwehr.

§. 5. Gleiche Beschaffenheit hat es, da man den Seinigen, oder auch anderen in rechtmäßiger Nothwehr Begriffenen, aus Christlicher Lieb beystehet, und den auf Ermahnen nicht abstehenden Aggressorem auf die Haut legt.

Requisiten der Nothwehr.

§. 6. Zur rechtmäßiger Nothwehr wird erfordert, daß man 1mò. ungebührlich und unversehener Weis angegriffen. 2dò. In augenscheinliche Gefahr seines Leibs, Lebens, Ehr oder Haab und Guts dardurch gesetzet wird. 3tiò. Seinen Gegner gleich auf der Stell darüber erlegt, und sich 4tò. durch andere thunlich und leichtere Mittel, der instehenden Gefahr nicht zu retten weiß.

Probe derselben.

§. 7. All obige Stück müssen von dem, der die Nothwehr zu seiner Entschuldigung vorschützet, bewiesen seyn, welches jedoch allenfalls bey ermanglender Gezeugschafft durch wahrscheinliche Muthmassungen, so weit bewürcket werden kan, daß nach Gestalt deren, der Reinigungs-Eyd oder Absolutio ab instantiâ Platz greiffen mag. Ad torturam aber soll man in solchen Fällen nicht leicht schreitten, sondern wo starcker Verdacht von überschrittener Nothwehr obhanden, auf eine willkührliche Straff den Antrag machen.

Excess in der Nothwehr.

§. 8. Seynd die vorgeschriebene Gränzen einer rechtmäßigen Nothwehr überschritten, und gehet eines oder anderes von oberwehnten Requisiten ab, so ist zwar der Excess nicht unbestrafft zu lassen, die ordentliche Straff des Schwerdts aber, hat deswegen nicht statt, es seye dann, daß der Excess gar zu grob befunden werde, oder daß nicht der Entleibte, sondern der Thäter selbst den ersten thätlichen

(22) und Tods-gefährlichen Angriff gethan hätte, welchen Falls ihn die angebliche Nothwehr von der Ordinari Straff niemals entschuldiget, wann er gleich so weit in die Enge getrieben worden, daß er ohne des andern Entleibung der Todes-Gefahr nicht mehr zu entrinnen gewußt.

Von Duellen.

§. 9. Rauffereyen, welche mit guten Wissen und Vorbedacht, auch mit Bestimmung einer gewissen Zeit und Zusammenkunft ausgeübet werden, seynd verbotten, also und dergestalten, daß die Ordinari-Todes-Straff nicht nur gegen die Duellanten, sondern auch gegen die Secundanten und Unterhändler Platz greifft, wann jemand aus ihnen in dem Duell entleibt wird. Ausser erfolgenden Todschlags aber, seynd sie sammentlich arbitrariè, und zwar wann eine gefährliche Verwundung dabey geschiehet, mit der pœna proximâ homicidii, wegen des verübten Attentati, zu bestraffen. Doch behalten sich Ihro Churfürstl. Durchl. in Fällen, wo sich dergleichen zwischen Adelichen oder Militair Personen anbegibt, den Casum zur selbstigen höchsten Einsicht und Entscheidung bevor.

Todschläg in Rumor oder Rauffhändlen von mehr Personen.

§. 10. Bey Todschlägen in einem Rumor oder Rauff-Handel, welchem mehr Personen beygewohnet haben, ist zu sehen; ob der Handel schon vorhero mit vereinigten Willen und Muth, in dieser gefährlichen Absicht complotiret und angesponnen worden, oder sich nur von ungefehr zugetragen habe. Ersten Falls haften alle Complotanten ohne Unterschied um den begangenen Todschlag, und hat einer wie der andere das Leben verwürckt. Anderen Falls aber nur derjenige allein, von dessen Hand die tödtliche Wunden oder Entleibung eigentlich hergekommen ist. Wo nun solches durch die

(23) Inquisition, oder gestalten Dingen nach, durch die Tortur nicht ausfindig zu machen ist, seynd alle zusammen nur willkührlich, jedoch die Urheber des Geräuffs schärfer, als die anderen zu bestraffen. Hätte auch jemand mehr tödtliche Wunden empfangen, und wüste man gleichwohl nicht, von welcher er am ersten gestorben; so seynd die Thäter insgesamt, welche ihm dergleichen Wunden erweißlich beygefüget haben, als Todschläger zum Schwerdt zu verurtheilen. Da aber einer von mehr empfangenen Wunden stirbt, und keine besonders, sondern nur alle insgesamt für tödtlich erfunden werden; so hat auch keiner von denen Thätern, wann ihrer mehr gewesen seynd, und an der Verwundung Theil haben, das Leben verwürcket, sondern es hat nur eine willkührliche Straff gegen sie statt.

Hinterlistiger Todschlag.

§. 11. Hinterlistig- und unter verstellter Freundschaft verübter Todschlag, ist schärfer als ein anderer, und zwar nach vorläuffiger Enthauptung mit Auslegung des todten Cörpers auf das Rad, oder anderen Zusatz zu straffen.

Vergiftung der Menschen.

§. 12. Gleiche Straff verdienen jene, welche jemand mit bösen gefährlichen Fürsatz tödtliches Gift in den Leib bringen, wann gleich der Tod nicht daraus erfolget, sondern das Gift wiederum ohne Schaden von ihm gegangen ist; doch bleibt solch letzteren Falls der Zusatz hinweg.

Vergiftung des Viehes, oder Brünnen, oder Weydenschaften.

§. 13. Vergiftungen des Viehes oder der Brünnen und Weydenschaften, seynd nach Beschaffenheit des daraus erfolgten Schadens oder Grösse der Gefahr, welche hieraus leicht hätte enstehen können, an Leib und Leben zu bestraffen.

(24) Straff der Apothecker und Materialisten wegen verhandleten Gifts.

§. 14. Apothecker und Materialisten, welche unvorsichtiger Weis Gift verhandlen, sollen zwar malefizisch, aber nur willkührlich bestrafft werden.

Latrocinium.

§. 15. Mörder, so auf offener Straß, oder auch anderer Orthen um Geld- Gewinnsts- oder anderen Vortheils wegen, oder auch nur in Hoffnung dessen jemand entleiben, werden auf die Richtstatt geschleifft und ohne vorgängigen Gnaden-Stoß von unten auf lebendig gerädert, und der todte Cörper auf das Rad gelegt.

Assassinat.

§. 16. Wer eine Mordthat verübt, und sich hierzu durch Geld-Geschenck, oder anderen Vortheil, oder auch durch blosse Versprechungen erhandlen läßt, wird nebst dem Besteller zur Richtstatt geschleifft, und lebendig von unten auf gerädert, sofort der todte Cörper auf das Rad gelegt.

Patricidium.

§. 17. Wissentlich- und gefährlicher Vatter- Mutter- und Kinder-Mord, wird mit lebendiger Räderung von unten auf, und da es ein Weibsbild ist, mit dem Schwerdt und glüenden Zangen-Riß gestrafft.

Extension desselben.

§. 18. Unter Vatter, Mutter und Kindern aber, werden dißfalls alle natürliche Bluts-Verwandte in grader auf- oder absteigender Linie, ohne Unterschied des Grads, auch ohnangesehen der Geburt, ob sie ehelich oder unehelich seye, wann nur bey der Letzteren die Filiation sicher ist, verstanden.

Kindsmörderinnen.

§. 19. Weibs-Personen, welche ihre Leibs-Frucht aus Furcht der Schand und Straff mit Fleiß in der

(25) Geburt ersticken, verbluten, in ein gefährliches Orth zu todt fallen, erhungern oder verderben lassen, seynd als wahre Kinds-Mörderinnen, mit obgedachter Ordinari-Straff anzusehen.

Abtreibung der Leibes-Frucht.

§. 20. Jene, welche ihre lebendige Leibes-Frucht nach halber Zeit der Schwangerschaft, und da sie von dem Leben des Kindes durch Rührung desselben, bereits genugsame Zeichen gehabt, durch Arzeney- oder andere Mittel fürsetzlich und boshafter Weis abtreiben, und todt zur Welt bringen, werden mit dem Schwerdt bestrafft. Kommt aber das abgetriebene Kind gleichwohl lebendig zur Welt, so greifft nur eine willkührliche Straff Platz, welches auch statt hat, wo die Abtreibung vor halber Zeit, oder zwar nach derselben; jedoch mehr aus Versehen als bösen Fürsatz, geschiehet.

Heimliche Niderkunft.

§. 21. Kommt eine ledige Weibs-Person heimlich nieder, und wird das Kind todt gefunden; so soll sie mit der Entschuldigung, ob seye das Kind schon todt von ihr gegangen, oder in der Geburt kein Leben an ihm zu verspüren gewesen, nicht angehört, sondern für eine Kinds-Mörderin gehalten, und mit dem Schwerdt am Leben bestrafft werden.

Mißhandlung schwangerer Weiber.

§. 22. Wer sein Eheweib, oder auch eine von ihm ausser der Ehe bekanntlich geschwängerte Person, in gefährlicher Meynung und Absicht auf die Leibes-Frucht dergestalten hart schlagt, wirfft, stosset oder übel tractiret, daß das Kind dadurch abgetrieben, und todt zur Welt gebracht wird, der ist als ein Kinds-Mörder mit dem Schwerdt hinzurichten.

Hinlegung der Kinder.

§. 23. Ist ein lebendiges Kind gefährlicher Weis hingelegt,

(26) und todt gefunden worden; so ist der Hinleger mit dem Schwerdt zu bestraffen. Andere qualificirte Todschläg.

§. 24. Andere fürsetzliche Todschläg, welche nicht an natürlichen Bluts-Verwandten in auf- oder absteigender grader Linie, sondern an collateralen, verschwägerten, oder sonst auf einige Weis sehr nahe angehenden, oder an geistlichen, privilegirt- ansehnlich- vornehm- vorgesetzt- und oberen Personen, aber auch in gefreyten Orthen, oder auf grausame Art und dergleichen beschwerenden Umständen verübt werden, seynd allezeit schärfer als gemeine Todschläge zu bestraffen.

Selbst-Entleibung.

§. 25. Fürsetzliche Selbst-Entleibung, wird mit Confiscation des dritten Theils der Erbschaft gestrafft, und soll der todte Cörper durch den Scharfrichter unter dem Galgen vergraben werden.

Unfruchtbarmachung.

§. 26. Wer endlich eine Manns- oder Weibs-Person fürsetzlich und boshafter Weis unfruchtbar macht, soll nach Gelegenheit der Sach, an Leib oder Leben bestrafft werden.

Viertes Capitul

Von dem Laster der Leichtfertigkeit, gemeiner Hurerey, dann anderer schwerer Unzucht und Kupplerey.

Leichtfertigkeits-Straff, erster Fall.

§. 1. Fleischliche Vermischung zwischen ledigen Leuten, wird folgendermassen gestrafft, und zwar das Erstemal soll die Manns-Person, wann sie unvermöglich ist, auf 8. oder 14. Tage in dem Springer oder Eisen offentlich vorgestellet, und zur Arbeit hierunter angehalten; die Vermögliche

(27) aber, mit gedachten Springer oder Eisen zu Haus gebüsset werden. Die Weibs-Person hingegen wird nebst ebenmäßiger Geld-Straff, 4. oder 5. Tage in den Geigen zu Haus abgebüsset, oder da sie unvermöglich oder gar frech ist, in Städten und Märckten zur Gassen-Säuberung, anderer Orthen aber zur offentlichen Arbeit. Nebst deme seynd auch die um Leichtfertigkeits wegen Bestraffte, von denen Handswercks-Zünften so lang ausgeschlossen, bis sie von der gnädigsten Landes-Herrschaft wiederum dazu habilitiret werden.

Zweyter Fall.

§. 2. Nach erfolgter erster Bestraffung, wird das Manns-Bild des zweyten Verbrechens halber, nebst doppelter Geld-Straff, aus dem Hofmarchs- oder Land-Gerichts-Bezirck geschafft, die Weibs-Person aber mit doppelter Geld- und Geigen-Straff angesehen.

Dritter Fall.

§. 3. Bey dem dritten Verbrechen, wann die ersten zwey gestrafft seynd, gehet es mit dem Manns-Bild auf die Rent-Amts- mit dem Weibs-Bild aber, auf die Gerichts-Verweisung.

Vierter Fall.

§. 4. Seynd endlich die erste drey Verbrechen obgedachter massen gebüsset worden; so kommt es bey dem vierten mit dem Manns-Bild aber auf die Rent-Amts-Verweisung an.

Weiterer Fall.

§. 5. Des weiteren Verbrechens halber, wird auch des Weibs-Bild der Landen verwiesen, sofort gegen die Relegirte, wann sie sich im Lande betretten lassen, in puncto contumaciæ per gradus, verfahren.

(28) Milderung der Straff in Ansehung der Ehe.

§. 6. Wann auf das Verbrechen die würckliche Ehe, entweder von beeden, oder auch nur von einem delinquirenden Theil erfolget; so wird in favorem matrimonii sowohl die offentliche Schand- als Gerichts- Rent-Amts- Lands-Verweisungs- und dergleichen Straff, nachgelassen, statt deren aber eine doppelte Geld- oder Gefängniß-Straff, vorgenommen.

Straff des Verdachts.

§. 7. Der blosse Verdacht wird wie bey all anderen delictis carnis, nur arbitrariè gestrafft, wann er nicht sattsam purgiret ist.

Wie weit obige Fäll niedergerichtlich.

§. 8. Die Land-Gerichts- Rent-Amts- oder Landes-Verweisungen, gehören nicht zur Nieder-Gerichtsbarkeit, und verstehen sich die letztere nach Maaßgab des ersten Capitels eilften §vi nur von Ausländern: All übrige obbemeldte Leichtfertigkeits-Straffen aber, seynd hofmärchisch- oder niedergerichtlicher Jurisdiction, so weit sie nicht etwan an ein- oder anderen Orth specialiter limitiret ist.

Gemeine und offenbare Hurerey oder Concubinat.

§. 9. Gemeine und offenbare Hurerey, welche mit jedermann ohne Scheu um Gewinnsts willen getrieben wird, oder auch in Gestalt der Ehe gepflogener Beyschlaf, ist mit der Landes-Verweisung, oder da das Handwerck schon lange dauret, noch schärfer zu bestraffen.

Unzucht mit Gott-geweyhten Personen.

§. 10. Wer eine Gott-geweyhte Person, auch mit ihrer Einwilligung, in- oder ausserhalb des Closters wissentlich schwächt, wird mit dem Staub-Besen gestrafft.

Mit Unglaubigen.

§. 11. Die nemliche Straff hat statt, da man sich

(29) mit Jüdischen, Türkischen, oder anderen unglaubigen Personen, wissentlich fleischlich vermischt.

Mit Pfleg- oder angewunschenen Kindern, Tauff- oder Firmungs-Pathen.

§. 12. Wofern ein Vormund seine Pfleg-Tochter während Curatel, ein Vatter sein angewunschenes Kind, ein Tauff- oder Firmungs-Path seine Göthl mit ihrer Einwilligung zum Fall bringt, wird er zeitlicher Landes-Verweisung gestrafft.

Mit Unmündig- Unvogtbaren, Unsinnige (!), Aberwitzigen, Schlaffend- oder Betrunckenen.

§. 13. Fleischliche Erkanntniß, unmündig- oder unvogtbar- unsinnig- aberwitzig- schlaffend- oder betrunckener Weibs-Person, (es seye gleich denen letzteren Beeden ein schlaf- oder sonst übermäßiger Trunck eigens zu dem Ende beygebracht worden oder nicht) wird mit zeitlich- oder ewiger Lands-Verweisung und gestalten Dingen nach, mit dem Staub-Besen bestrafft.

Mit vornehmeren Stands Personen.

§. 14. Wird eine vornehme, adelich- oder sonst ehrlich- unverleumte Weibs-Person von einem Henker, Schinder, Schergen, oder sonst weit geringer conditionirten Menschen verführt, und zur fleischlichen Unzucht verleitet, hat gegen einen solchen die Lands-Verweisung, oder da er sich etwan für etwas Besseres und Vornehmeres fälschlich angegeben, nach Gestalt der Verführung und Gefährde, die Straff des Staub-Besens statt.

Mit Inhaftirten.

§. 15. Eben so wird es gehalten mit denen Gerichts-Bedienten und Eisenmeistern, welche die ihrer Verwahr- und Frohnfest übergebene Weibs-Personen mit ihren Willen fleischlich missbrauchen, sonderbar da es unter Versprechung der Freyheit geschiehet.

(30) Mit Geistlichen.

§. 16. Leichtfertigkeit oder Concubinat mit geistlichen Manns-Personen, wird das erste Mal wie ein einfacher Ehebruch mit offentlicher Vorstellung, dann Verweisung auf 6. Meile Wegs, das zweytemal mit der Lands-Verweisung indefinitè, das drittemal mit dem Staub-Besen bestrafft.

Wie gegen dergleichen Concubinen zu verfahren.

§. 17. Die Beamte und Obrigkeiten sollen aber Bescheidenheit hierin gebrauchen, und dergleichen Beyschläfferinnen oder verdächtige Weibs-Personen, wo es möglich, ausser denen Pfarr-Höfen und geistlichen Wohnungen zu ergreiffen suchen, und denen Ordinariis in Geheim vorhero Nachricht geben, damit, wann solche Personen auf andere Art nicht sonst zu bekommen seyn, cumulativè heraus genommen werden mögen; es wäre dann der Concubinat kund und offenbar, auch die Aergernuß sehr groß und die geistliche Obrigkeit saumig, welchen Falls dergleichen Concubinen von denen Beamten und Obrigkeiten, jedoch in möglicher Stille zu Vermeidung grösserer Aergerniß, in denen Pfarr-Höfen und geistlichen Häusern ohne Anstand aufgehoben werden mögen, in denen Ober-Pfälzischen Landen aber, bleibt es dißfalls bey dem mit der Geistlichkeit Anno 1654. errichteten Recess.

Vorsorge gegen das Laster der Leichtfertigkeit.

§. 18. Damit aber das höchst-ärgerliche Laster der Leichtfertigkeit und Unzucht destomehr verhütet und abgestellt werde, haben alle Haus-Vätter, Obrigkeiten und Amt-Leute die Winckel-Zusammenkünfte, sonderbar an Sonn-und Feyertagen abzuschaffen, Dienstlosen oder sonst mit hinlänglicher Arbeit und Nahrung nicht versehenen Weibs-Personen keine Herberg oder Aufenthalt zu gestatten,

(31) Knecht und Mägd, wie auch erwachsene Kinder und Geschwisterte beederley Geschlechts, in versperrten Schlaff-Kämmern abzusonderen, und des verbottenen Fensterlens, und nächtlichen Auslauf halber, denen Kinderen und Ehehalten fleissig aufzusehen, widrigenfalls aber exemplarischer Straff an Geld, Gefängniß, und gestalten Dingen gar am Leibe zu gewärtigen.

Straff der Kupplerey.

§. 19. Dieweil auch die Kupplerey gemeiniglich der Anfang aller Leichtfertigkeit zu seyn pflegt; so ist dieselbe mit aller Schärfe, und zwar wann eine ehrlich ohnverleumte, geschweigens ansehnlich oder adeliche Weibs-Person von ihrem eigenen Mann, ihren leiblichen Eltern, Vormündern, oder jenen, welche an Eltern Statt oder zur Obsicht bestellt seynd, um Gewinnsts, Genuß, oder anderer Vortheilhaftigkeit wegen zur fleischlicher (!) Unzucht geflissentlich verkuppelt wird, mit dem Schwerdt zu bestraffen. Andere gemeine Verkupplungen aber, wie auch jene, welche nur Nachsichts- oder Gestattungs-weis auf stillschweigende doch schuldhafte Art, oder wenigist nicht aus Vortheilhaftigkeit und Gewinnsucht, geschehen, oder wo die Unzucht nicht würcklich vollbracht, oder die verkuppelte Person ohnehin schon leichtfertigen frechen Wandels gewesen, seynd mit Anhängung des Lastersteins, offentlicher Vorstellung, Schand-Straff, Relegation und dergleichen nach Richterlichen Gutbefinden zu straffen.

Fünftes Capitul

Von Ehebrüchen.

Erster Ehebruch.

1mò. §. 1. Erster Ehebruch eines unbemittelten Ehemanns mit einer ledigen Weibs-Person,

(32) wird 4. Wochen in der Gefängniß mit Wasser und Brod, sofort mit dreymahliger Vorstellung in Eisen, oder dem sogenannten Brecher vor der Kirchen-Thür, und zwar mit entblößten Arm, auch Licht und Ruthen in der Hand habend, abgestrafft. 2dò. Ein Bemittelter wird zwar auch 4. Wochen in der Gefängniß mit Wasser und Brod, aber nur einmal ohne Entblössung des Arms, auch ohne Licht und Ruthen mit offentlicher Vorstellung, dann 100. Pfund Pfenning, abgestrafft. 3tiò. Die Weibs-Person, weil sie kein Ehe-Bett violiret, ist solchen Falls mit doppelter Leichtfertigkeit zu bestraffen. 4tò Wann ein Lediger mit einem Eheweib des erstemal verbricht, wird er wie der Vorhergehende gestrafft, nebst der Certioration, daß, wo er das zweytemal sich mit einem Eheweib versündigen sollte, es ihm an das Leben gehen wurde. 5tò Auf die nemliche Art wird ein Ehemann, welcher mit einem Eheweib das erste mal verbricht, angesehen und annebens ein Bemittelter mit wohl empfindlicher Geld- ein Unbemittelter aber mit doppelter, das ist, mit 8. wochiger Gefängnuß- und geringer Aztungs-Straff (!) belegt, wie nicht weniger auf obverstandene Weis in Eventum des zweyten Verbrechens certioriret. 6tò Adeliche Personen werden das erstemal mit Ritter-Dienst, Geld-Arrest und dergleichen, die Patricii aber, wie auch Raths-Verwandte oder andere ansehnliche Burger in denen Städten, mit Entsezung ihrer Aemtern und anbey mit 100. Pfund Pfenning, oder wo sie es nicht vermögen, mit Burgerlichen Arrest gestraffet. 7mò So viel die ehebrecherische Weiber belangt, wird der erste Ehebruch eines Eheweibs, welchen sie mit einem Ehemann oder Ledigen begehet, eben so, wie oben der erste Ehebruch

(33) eines Ehemanns bestrafft, nebst der Certioratione Mortis auf den künftigen Fall, wann sie sich entweder mit einem Ledigen oder Verheyrathen von neuen so weit vergehen wurde. Adeliche Weibs-Personen, wie auch die von patricischen Geschlechten, seynd des ersten Ehebruchs halber nicht nur ihrer Ehren zu entsetzen, sondern auch mit Geld oder Arrest arbitrariè zu bestraffen, annebens auf den künftigen Fall des zweyten Ehebruchs wie andere gemeine Eheweiber, obverstandener massen zu certioriren.

Zweyter Ehebruch.

§. 2. Der zweyte Ehebruch, welchen ein Ehemann mit einer Ledigen und nachmals mit einer Verehelichten, oder vice versa anfänglich mit einer Verheyrathen, sodann mit einer Ledigen begehet, ist dreymaliger Vorstellung, auch 8. wochiger Gefängniß und geringer Aztung, dann einer ergiebigen Geld-Straff, wo Mittel vorhanden seynd, und mehr Verstandener Certioratione Mortis auf den künftigen dritten Fall angesehen, welchnemliche Straff auch ausser der Vorstell-und geringer Aztung gegen adeliche oder ansehnliche Personen statt hat. Ein Verehelichter oder auch Lediger aber, welcher zweymal mit einer Verheyrathen verbricht, wird ohne Unterscheid des Stands oder Herkommens, mit dem Schwerdt gestrafft. Desgleichen hat auch jetzt benannte Schwerdts-Straff, sowohl gegen adelich- als unadeliche Weibs-Personen statt, wann sie sich mit Ledigen oder Ehemännern das zweytemal versündigen.

Dritter Ehebruch.

§. 3. Der dritte Ehebruch eines verheyrathen Manns, auch nur mit einer ledigen Weibs-Person, gehet an das Leben, welches bey Weibern, so das zweytemal etwan begnadiget worden, desto mehr Platz hat.

(34) Milderende Ursachen.

§. 4. All obbenannte ordentliche Straffen, sowohl bey dem ersten als anderen und dritten Fall, werden gemildert, wann der unschuldige Ehe-Consort dem schuldigen, entweder ausdrücklich verziehen, oder doch Wissenschaft von dem Ehebruch gehabt, und selben gleichwohl gutwillig beygewohnet hat. Ferner, wann der Ehebrecherische Theil dem Unschuldigen, entweder hohen Alters, langer Abwesenheit, Kranckheit, Impotenz, Scheidung, oder anderer dergleichen Hindernissen halber, nicht beygewohnet hat. Desgleichen, wann ein Lediger nach begangenen Ehebruch sich würcklich verehelichet, oder wann wenigist muthmaßlich dargethan werden kan, daß der andere Ehe-Theil selbst schon vorhero dergleichen Laster zu Schulden kommen lassen, oder sonst durch ungebührliche Aufführung zur Untreu und Abneigung grossen Anlaß gegeben, oder da der Ehebruch nicht gänzlich vollbracht worden, anderer milderender Umständen zu geschweigen, deren bereits oben Cap. I. §. 14. u. s. w. überhaupt mit Mehreren gedacht worden.

Notwendigkeit der Certioration.

§. 5. Ist obbemeldte Certioratio mortis unterblieben; so kan auch die Lebens-Straff niemals Platz greiffen. Dahero die Obrigkeiten hiermit ernstlich ermahnet werden, solche in obbenannten Fällen nicht nur nicht ausser Acht zu lassen, sondern auch fleißig zu protocoliren, und sich im wiedrigen Fall, sonderbar wann selbe mit Fleiß unterlassen wurde, keine schwere Verantwortung aufzuladen.

Wie die Fäll zu rechnen?

§. 6. Die auf den zweyten und respectivè dritten Fall gesezte Straff, hat niemals statt, es seye dann der erste und eben so auch respectivè der zweyte Fall, in obiger Maaß würcklich bestrafft worden.

(35) Die unbestraffte Ehebrüch aber, so viel deren immer seynd, werden allzeit nur für einen Fall gerechnet.

Straff des Verdachts.

§. 7. Der Verdacht des Ehebruchs wird niemals mit der ordentlichen, sondern nur arbitrarischen, und zwar nachdem er groß oder öfters auf sich geladen worden ist, mit Schanz, offentlicher Vorstellung an der Schand-Saul, dann Geld- Gefängnüß- oder Relegations-Straff belegt.

Wie weit die Straff des Ehebruchs niedergerichtlich?

§. 8. Der erste einfache Ehebruch, da nicht beede verbrechende Theile, sondern nur eins von beeden ledig ist, gehört mit der Bestraffung zur Nieder-Gerichtsbarkeit, ausser der Oberen-Pfalz, allwo auch der erste einfache Ehebruch malefizisch ist, und keiner niedergerichtlichen Obrigkeit, welche nicht ein anderes hergebracht hat, die Bestraffung gebührt.

Recht der Ehemänner gegen ihre ehebrecherische (!) Weiber.

§. 9. Wofern sich deren von der Ritterschaft und Adel, Haus-Frauen, dieses Lasters theilhaftig machen, und darinn wahrhaftig erfunden werden, soll ihren Ehemännern, doch mit Vorwissen der gnädigen Landes-Herrschaft oder Dero Justiz-Dicasterien, zugelassen seyn; nach Gelegenheit eines jeden Vermögens und Standes in seinem eigenen Hauß, Schloß oder andern gebührlichen Ort, die Verbrecherin gäntzlich zu vermauren, und in solcher Gefängnuß bis in den Tod zu verwahren. Im Fall aber der Ehebrecher und die Ehebrecherin sich von ihrem Ehemann oder eheleiblichen Vattern, auf frischer That betretten lassen, und aus billichen Eifer in flagranti, samt oder sonders von ihnen ertödtet werden; so soll man sie deswegen am Leben nicht, sondern nur arbitrariè

(36) bestraffen, es seye gleich der entleibte Ehebrecher oder Ehebrecherin von Stand und Condition, wie man immer wolle.

Sechstes Capitul

Von der Blut-Schand, Nothzucht, gewaltthätiger Entführung der Weibs-Personen, doppelter Verehelichung, Sodomiterey und wiedernatürlicher Unkeuschheit.

Blut-Schand in auf- oder absteigender dann Collateral-Linie

§. 1. Fleischliche Vermischung zwischen so nahen Bluts-Verwandten oder verschwägerten Personen, daß nach geistlichen Rechten keine gültige Ehe unter ihnen bestehen mag, wird folgender massen gestrafft, und zwar so viel die Bluts-Verwandt betrifft, seynd die Blutschänder und Blutschänderinnen in gerader auf- oder absteigender Linie mit dem Feuer, in der Seiten-Linie unter Geschwisterten mit dem Schwerdt, unter weiteren Collateral-Befreundten und zwar solchen, welche an Elteren Statt seynd, wie Vatter oder Mutter, Bruder und Schwester, oder Schwester- und Bruders-Kind und Encklen, mit dem Staub-Besen, unter den übrigen Seiten-Verwandten aber, mit der Landes-Verweisung auf ewig oder gewisse Jahr oder sonst arbitrariè, nachdem die Freundschaft näher oder weiter ist, abzustraffen.

Blut-Schand der Verschwägerten.

§. 2. Die Schwagerschaft betreffend, wird die Blut-Schand unter dergleichen Personen in auf- oder absteigender Linie, wie bey Stief-Eltern und Stief-Kindern, oder bey des Sohns-Frau und Tochtermann mit dem Schwerdt, in der Seiten-Linie und zwar bey dem ersten oder nach geistlichen

(37) Rechten den zweyten Grad, nemlich bey seines Weibs Schwester und Bruders Wittib, oder Manns Bruder, und Schwester-Mann, mit dem Staub-Besen, bey den Weitern aber mit der Landes-Verweisung auf gewisse Jahr oder anderer willkührlicher Straff, nachdem die Schwagerschaft nahe oder weit ist, angesehen.

Unterscheid des Grads oder der Geburt bey der Blut-Schand.

§. 3. In grader auf- oder absteigender Linie wird sowohl unter Bluts-Verwandten, als verschwägerten Personen der Straff halber, weder auf den Unterscheid des Grads noch der Geburt, ob sie ehelich oder unehelich seye, gesehen. Eben so wenig soll auch in der Seiten-Linie zwischen ein- oder zweybändigen Geschwisterten, ehelich oder unehelich Gebohrenen, dißfalls ein Unterscheid beobachtet werden.

Absatz bey der Cognatione Civili & Spirituali.

§. 4. Dahingegen hat die Straff der Blut-Schand unter solchen Personen nicht statt, welche nur civiliter oder spiritualiter: das ist, von Adoption und Einkindschafts- oder von Tauff- und Firmungswegen befreundt seynd, sondern hiervon ist oben Cap. 4. § 12 nachzusehen.

Mildernde Umstände bey der Blut-Schand.

§. 5. Bey Erkennung der ordentlichen Straff ist unter anderen general-milderenden Umständen, insonderheit auf die Vollbringung der That, das Alter, die Unschuld und Ehrfurcht der verführten Person, zumal wann das Verbrechen von einem leiblichen Vatter oder ansehnlichen Befreundten, an einer jungen Tochter oder Baaß ausgeübet worden, Obacht zu geben, und die Straff danach zu moderiren. Dahingegen dienet weder der vorgeschützte Irrthum in der Person, noch die angebliche Unwissenheit der Freundschaft, oder des Grads

(38) derselben, zur Entschuldigung, wann nicht sowohl eines als das andere per Torturam erhärtet, oder durch wahrscheinliche Umstände glaubhaft gemacht, oder die Unwissenheit mehr in Jure als Facto begangen, und nach Gestalt der Person etwan für zuläßig anzusehen wäre.

Blutschänderische Ehe.

§. 6. Blutschänderische Ehen, welche ohne Dispensation wissentlich eingegangen werden, seynd wie andere Blut-Schand zu bestraffen, doch wird die Straff mitigiret, wann die Dispensation würcklich erhalten, oder gesucht und zu deren Bewürckung wahrscheinliche Hoffnung obhanden ist.

Straff der Nothzucht.

§. 7. Wer eine ehrlich unverleumte Person mit Gewalt wieder ihren Willen, zur Unzucht nöthiget, ist mit dem Schwerdt zu straffen, doch leydet die Straff eine Milderung, wann die genöthigte Person eben zur Zeit beschehener That in üblen Ruf gestanden, daß sie vorhin schon der Leichtfertigkeit und Unzucht ergeben gewesen, oder da sie zur Ersetzung ihrer Ehre den Notzwänger zu ehelichen begehrt, oder bereits mit ihm versprochen, und seine gewidmete Braut gewesen, oder wo die That nicht gänzlich vollbracht worden.

Gewalthätige Entführung der Weibs-Personen.

§. 8. Gewaltige Entführung ohnverleumter Weibs-Personen wieder ihren oder ihres Ehemanns, oder ihrer Elteren, oder Vormünderen Willen, von einem Ort in das andere, um der Unzucht willen, wird mit dem Schwerdt; oder da die Unzucht nicht vollbracht worden, mit der Landes-Verweisung bestrafft.

Straff doppelter Verehelichung.

§. 9. Laßt sich eine verehlichte Person währender Ehe mit einer anderen, oder eine Ledige mit einer

(39) Verehlichten wissentlich auf die zweyte Ehe ein; so ist Beederseits das Leben durch das Schwerdt verwürckt, ausgenommen, da die letzte vermeinte Ehe durch den Beyschlaff nicht vollzogen, oder gegen die vorgeschriebene Kirchen-Gebräuche nur clandestinè contrahiret worden, oder billiger Zweiffel von des ersten Ehe-Gattens Leben obhanden gewesen, oder gnugsam gezeigt werden kann, daß die erste Ehe denen geistlichen Rechten nach, niemal für gültig gehalten werden mögen, welch- letzteren Falls gar keine, in denen vorigen drey Fällen aber, eine mildere willkührliche Straff statt hat.

Sodomiterey.

§. 10. Fleischliche Vermischung mit dem Viehe, todten Cörpern, oder Leuten einerley Geschlechts, als Mann mit Mann, Weib mit Weib, werden nach vorgängiger Enthauptung, durch das Feuer gestrafft, und soll das Vieh, womit die abscheuliche That geschehen ist, nicht so viel zur Straff als Ausrottung der schändlichen Gedächt- und Aergerniß, auf dem Scheiter-Haufen mit verbrannt; sofort die Asche in das Wasser geworffen werden.

Wiedernatürliche Unkeuschheit.

§. 11. Andere wiedernatürliche Unkeuschheiten, werden Richterlicher Willkühr nach höchstens mit der Relegation und dem Staub-Besen gestrafft.

Siebendes Capitul

Von der Gotteslästerung, Abtrünnigkeit, Ketzerey, Zauberey, Hexerey und Aberglauben.

Gotteslästerung mit Worten

§. 1. Die Gotteslästerung, da man vor Gott selbst, dessen Göttlichen Eigenschaften oder seinen Heiligen,

(40) fürnemlich der seeligisten Jungfrauen Mariä Mutter Gottes oder von dem Christ-Catholischen Glauben, dessen Artikeln und Geheimnüssen, der Heil. Schrifft, dem wahren Gottesdienst, oder auch von anderen Dingen in Absicht auf Gott, schimpflich und verächtlich spricht, wird das erstemal willkührlich mit Geld- Gefängniß- offentlicher Schand- und nach Beschaffenheit der Lästerung, sonderbar, wann sie mit guten Bedacht, Ausgesonnenheit oder grosser Aergerniß verübt worden, mit höherer Straff, das zweytemal aber, wo die erste Correction nicht verfangen hat, mit ewiger Landes-Verweisung und dem Staub-Besen; sofort das drittemal, wann etwan der Correctus die Landshuld erhalten hat, mit dem Schwerdt am Leben bestrafft, und ist dißfalls einerley, ob die Lästerung durch blosse Wort, Schrifften oder Gemählde, von Christen, Juden, oder anderen, mit oder ohne Bedingnuß geschehen oder propaliret (!) worden seye.

Gotteslästerung mit Wercken.

§. 2. Wer sich hingegen an denen Bildnüssen Gottes, oder seiner Heiligen, oder auch an einem Priester in Verrichtung des Gottesdienst und Administrirung der Heil. Sacramenten aus Spott und Verachtung derselben mit Schlagen, Stossen, Werffen, Tretten, Besudeln, Anspeyen, Zerbrechen, und dergleichen Thätlichkeiten fürsetzlich und wissentlich vergreift, wird gleich das Erstemal mit dem Schwerdt, von dem Leben zum Tod hingerichtet. Hat sich aber jemand auf jetztverstandene Weis gar an der Heil. Hostie verlohren, wird er auf dem Scheitter-Haufen lebendig verbrannt.

Gemeine Flüch und Schwüre.

§. 3. Mittelbare Gotteslästerung durch gemeine

(41) Flüch und Schwüre wird nicht malefizisch, sondern nur von jedes Orts Obrigkeit civiliter gestrafft; immassen auch dergleichen gegen Eltern, Wirths-Leute und andere geschehen soll, welche dergleichen Ungebühr hören und nicht abmahnen.

Abtrünnigkeit.

§. 4. Abtrünnige oder Renegaten, welche mit Verlassung des Christ-Catholischen Glaubens den Heydnischen, Jüdischen, oder Mahometanischen annehmen, werden ohne Unterscheid, ob sie vorher schon einmal anderer Religion gewest, oder nicht, mit dem Schwerdt und Confiscation der Güther (!) gestrafft. Welche aber nach der heiligen Weyhe ihren geistlichen Stand oder nach abgelegter Profession ihre Clöster verlassen, sollen von der weltlichen Obrigkeit allenthalben, wo sie sich betretten lassen, aufgehoben, und dem geistlichen Richter ausgelieffert werden.

Ketzerey.

§. 5. Offenbare notorische Ketzer, welche denen Christlich-Catholischen Glaubens-Artikeln wiederige Meynungen wissentlich hegen, verfechten, und nach vorläuffig von der Geistlichkeit eingenommenen genugsamen Unterricht, den Irrthum nicht ablegen, sondern halsstarrig behaupten; seynd entweder des Landes gegen geschworner Urfehd auf ewig zu verweisen, oder einzusperren, und mit geringer Kost so lang in Verwahr zu halten, bis sie ihren Fehler erkannt, abgelegt, und wiederruffen haben. Werden aber die Ketzerische Lehren mit Fleiß ausgesprengt, andere dadurch verführet, oder wohl gar gegen die Obrigkeit aufgebracht; so sollen dergleichen Verführer oder Aufwiegler mit dem Schwerdt hingericht, und der todte Cörper auf dem Scheitter-Hauffen verbrannt werden. Leichtfertige Ketzerische Reden hingegen, welche

(42) mehr aus Schimpf als Ernst ausgestossen worden, seynd nach den Umständen und gegebener Aergerniß, mit willkührlicher Straff von jedes Orts Obrigkeit anzusehen.

Vorsorge deswegen.

§. 6. Damit aber auch in hiesigen Landen eine verführerische Sect destoweniger einschleiche; ist sowohl von den Churfürstl. Dicasteriis, als anderen subordinirten Obrigkeiten, sonderbar von dem geistlichen Rath auf Jenes genau zu halten, was die in Religions-Sachen ergangene General-Mandata mehreren Innhalts mit sich bringen.

Zauberey, Hexerey, und Aberglauben

§. 7. Das Laster der Hexerey, Zauberey, und des Aberglaubens, wird folgender massen bestrafft. 1mò. Offentlich oder heimliche Bündnuß, oder fleischliche Vermischung mit dem Teufel oder dessen Anbettung, wie auch der Heil. Hostie Verunehr- und Mißbrauchung zu teuflischen- aberglaubischen Sachen, wird mit dem Feuer und lebendiger Verbrennung gestrafft. 2dò. Böse Gemeinschaft mit dem Teuffel, durch desselben aberglaubischen Ceremonien, oder da man durch zauberisch- aberglaubische Mittel jemand an seinem Leben, Leibs- oder Gemüths-Gesundheit, Vieh, Früchten, Haab und Guth, oder auf welcherley Weis es immer seyn mag, Schaden thut, wird ohne Unterscheid, ob der Schaden gering oder groß, mit dem Schwerdt bestrafft. 3tiò. Allerhand andere aberglaubische Possen und Künste aber, wodurch kein Schaden erfolget, wie auch gemeine Anruff- oder Ausforderungen des Teuffels, ohne dessen besonderen Beschwörungen seynd gestalten Dingen nach mit Gefängnuß, offentlicher Buß, Relegation und nach Gestalt der Aergernuß, mit dem

(43) Staub-Besen zu bestraffen, Ist aber der Aberglauben allen Umständen nach mehr aus Einfalt und Unverstand, Schertz, Fürwitz, oder von ungefehr zu Schulden gekommen; so wird die Straff gemilderet. Es werden auch die Obrigkeiten hiermit ermahnet, bey diesem Verbrechen mit vieler Behutsamkeit und Moderation zu verfahren, nicht alles, was dem menschlichen schwachen Verstande unergründlich scheint, gleich für Hexenwerck und Aberglauben anzusehen, vielweniger den gerichtlichen Aussagen der Hexen, und dem Aberglauben ergebener Personen, sonderbar so viel die angebliche Complices betrifft, wegen der teuflisch- falscher Vorspieglungen, und auch öfters mit vorwaltender starcker Einbildung, Phantasie oder Impostur, so leichterdings Glauben beyzumessen. Immassen bey Kindern und Unvogtbaren, welche sich dergleichen teuflischer Künsten und Hexenwercks berühmen, oder von anderen hierin angegeben werden, mehr auf gute Disciplin und Unterweisung, als malefizische Straffen der Antrag zu machen ist.

Andere Verbrechen, welche gern mit unterlaufen.

§. 8. Weil in dem Laster der Hexerey und Zauberey gemeiniglich viel andere schwere Verbrechen, insonderheit das Laster der Gotteslästerung, Sodomiterey, Abtrünnigkeit, Ketzerey, Kirchen-Raub, Giftmischung und Todschläg mit einlauffen; so ist sowohl bey der Inquisition als Bestraffung hierauf ein besonderes Augenmerck zu nehmen.

(44) Achtes Capitul

Von dem Laster der Perduellion genannt, dann der beleidigten Majestät, Landsfrieden-Brüchigkeit, Vergwaltigungen, Mord, Brand, schweren Unbilden und Pasquillen.

Laster der beleidigten Majestät oder Perduellion.

§. 1. Wer sich aus höchst-vermessener Tollkühnheit an der geheiligten Person seines regierenden Landes-Fürstens und Oberhaupts thätlich vergreifft, demselben gar nach dem Leben strebt, mit anderen dahin conspiriret, seinen declarirten Feinden mit Rath oder That an die Hand oder gar zu ihnen übergehet, ihme den Gehorsam ausdrücklich und verächtlicher Weis aufsagt, mit Entdeckung der Staats-Geheimnussen, oder in anderweeg Landsschädliche Verräthereyen begehet, Rebellion und Aufruhr erregt, oder sonst die Landesherrliche Gewalt und Hoheit directè angreifft, wird pro Perduellione gehalten, derowegen auf die Richtstatt geschleiffet, lebendig alldort geviertheilet oder mit Pferden zerrissen, und all sein Haab und Guth dem Fisco heimgeschlagen.

Straff der Bemühung

§. 2. Ist die That nicht vollbracht, gleichwohl aber der Thäter solche zu vollbringen in dem Begriff gewesen, und dieses sein böses Vorhaben bereits äusserlich genugsam zu erkennen gegeben worden; so hat er nicht nur Haab und Guth, sondern auch das Leben mittels des Schwerdts verwürcket.

Straff der Wissenschaft.

§. 3. Die nemliche Straff der Confiscation und Enthauptung, hat auch gegen jene statt, welche von solch höchst strafbaristen Anschlägen gute Wissenschaft und Anzeigungen gehabt, solche aber gleichwohl

(45) in Zeiten weder entdecket, noch, da sie gekönnt, zu verhinderen gesucht, oder denen Perduellinibus wohl gar auszuhelffen gesucht haben.

Straff der beleidigten Majestät ohne Perduellion

§. 4. Hat aber jemand die regierende Landes-Herrschaft gelästert, dero bestellte Räthe, Commissarios, Beamte, und Obrigkeitliche Personen, in Verrichtung ihres Amts oder auch ausser würcklicher Amts-Activität in böser Absicht auf dasselbe, beleidiget, Landsherrlicher Regalien und Vorrechten sich eigenmächtig angemasset, ertheilte Amts-Instructiones zumal in wichtigen und das gemeine Wesen oder Lands-Fürstliche Interesse betreffenden Sachen gefährlich überschritten, die ihm anvertrauete Gewalt und Bothmäßigkeit gröblich und schädlich mißbraucht, oder sonst aus böser Meynung etwas gethan oder unterlassen, was nur indirectè zu Verachtung oder Abbruch der Landes-Fürstlichen Hoheit gereicht, so wird er nicht nur an Ehr, Haab und Guth, sondern auch an Leib und gestalten Dingen gar am Leben bestrafft.

Landfried-Brüchigkeit.

§. 5. Landfriedbrüchige Thathandlungen, welche mit geflissener Zusammenrottirung und bewaffneter Hand, in gefährlicher Absicht unternommen werden, seynd, so viel die Rädelsführer belanget, mit dem Schwerdt, bey denen übrigen Mithelffern aber nach Gestalt des erfolgten Schadens, willkührlich zu bestraffen.

Crimen vis publicae.

§. 6. Andere schwere Vergwaltigungen, wodurch die offene freye Straß in Unsicherheit gesetzt, oder beunruhiget, die Leut in ihren Wohnungen überfallen, und übel tractiret, oder fortgeschleppt, zu unbilligen Dingen gezwungen, Tumult und Zulauf erregt, ertheiltes sicheres Geleit oder verrufenes

(46) Friedbott gebrochen, der Gottesdienst gestöhret, privilegirte Orth oder Personen gröblich violiret, der rechtmäßigen Obrigkeit Wiederstand bezeigt, Inhaftirte aus denen Gefängnussen oder gerichtlichen Händen entrissen, gantze Gemeinden durch Befehdungs-Brief, oder aufgesteckte Brand-Zeichen in Schröcken und Gefahr gesetzt, Wachten insultiret, oder andere dergleichen, die gemeine Ruh stöhrende Thätlichkeiten und Insolenzien ausgeübt werden, seynd zwar nur so weit sie nicht etwan in das Punctum furti, rapinæ, latrocinii, fractæ pacis, læsæ Majestatis, oder andere benannte Special-Verbrechen mit einschlagen, willkührlich jedoch malefizisch, und nach Beschaffenheit der begangenen Gewaltthat  und Gefährde, an Leib und Leben zu straffen.

Vis privata, wie auch Bedrohungen.

§. 7. Wegen geringerer Gewaltthätigkeiten aber, welche nur in Rauff-Händeln oder sonst aus Ubermuth begangen werden, ohne das Securitas publica, eben so sehr darunter leyden wollte, hat jedes Orts Obrigkeit nicht nur die gebührende Abstell- sondern auch die Bestraffung zu thun. Und im Fall eine Gewaltthätigkeit nicht würcklich ausgeübt, sondern nur mündlich oder schrifftlich ohne Befehdung bedrohet wird; so ist der Bedrohende nicht nur nach Gestalt der Bedrohung arbitrariè zu straffen, sondern auch mit persönlichen Arrest in so lange anzuhalten, bis er annehmliche Caution de non offendendo geleistet haben wird.

Straff der gefährlichen Brennern.

§. 8. Gefährlich und fürsetzliche Feuer-Anlegung an Häusern, Gebäuden, Waldungen, Feld-Früchten, Holz-Hauffen, und anderen fremden oder eigenen Sachen, sowohl in- als ausserhalb der Städten, Märckten, Dörffern, wird mit dem

(47) Feuer, und zwar bey erfolgenden übergrossen Schaden, mit lebendiger Verbrennung gestrafft. Im Fall aber von dem angelegten Feuer kein Brand, oder wenigist kein Schaden daraus erfolget; so soll der Thäter gleichwohl seines höchst-gefährlichen Unternehmens halber, mit dem Schwerdt von dem Leben zum Todt hingerichtet werden; es seye dann, daß er selbst aus Reu die Brunst in Zeiten wiederum abgewendet, und allen Schaden dadurch verhütet hat, welchen Falls nur Pœna arbitraria Platz greifft. Desgleichen soll man die verwahrloßte Brunsten, welche sich nicht aus bösen Fürsatz, sondern nur aus Verschulden zutragen, mit arbitrarischer Straff belegen.

Straff der schweren und abscheulichen Unbilden.

§. 9. Die gar überschwer und abscheuliche Verbal-Injurien, welche z. E. gegen Obere und Vorgesetzte, oder respectu des Injuriantens in weit höheren Grad und Character stehend- oder privilegirte Personen ausgeübt, oder wodurch gantze Handswercks-Zünfte aufgebracht und in Unruhe gesetzt werden, oder worüber sonst grosses Aufsehen und Aergernuß in dem Publico entstehet seynd nach Befund und Ermäßigung der Obrigkeit malefizisch zu bestraffen, welches um so vielmehr bey den Real-Injurien Platz greifft, wann sie auf obgedachte Weis, oder an privilegirten Orten, oder mit nächtlicher Vorbaß- und darauf erfolgter würcklicher Verwund- oder Beschädigung zu Schulden kommen, oder etwan gar so beschaffen seynd, daß sie in das  Crimen vis publicæ, attentati Homicidii, læsæ Majestatis und dergleichen Delicta einschlagen. All übrige gemeine Unbilden aber, wann gleich der Injurirte dadurch eines Criminal-Verbrechens beschuldiget, und z. E. ein Dieb, Mörder und dergleichen

(48) gescholten wird, gehören mit der Straff und Verhandlung zur Niederen-Gerichtsbarkeit.

Wie und wo die Prob der angeworffener Injurie auszuführen?

§. 10. Im Fall auch jemand um dergleichen ausgestossener Schelt-Worten willen bey dem Nieder-Gericht belanget wird, und die Wort selbst nicht läugnet, sondern die angeschuldigte That wahr zu machen und zu erweisen erbiethig ist; so soll er nicht damit angehöret werden, es seye dann bemeldte That so beschaffen, daß sie Leib und Leben berührte; mithin an derselben Offenbarung dem gemeinen Wesen gelegen wäre, welchen Falls zwar die Prob zugelassen, jedoch nicht bey dem Nieder-Gericht, sondern bey der Criminal-Obrigkeit in Form einer ordentlichen Anklage, und wie malefiz(-)Rechtens ist, vollführet, und nach Anleitung des zweyten Theils, 1. Cap. 25. § vi. hierinn verfahren werden soll. Wann aber in einer anderen bey dem Nieder-Gericht Rechts-hängiger Stritt-Sach die Partheyen mit solchen auf Leib und Leben gehenden schmählichen Vor- und Einwürfen, um Beschützung ihres Rechts willen, schrifftlich oder mündlich einander begegnen, soll es, so viel den Beweis betrifft, damit gehalten werden, wie der 27. § vus. obangezogenen 1. Cap. zweyten Theils mit sich bringt.

Straff der Pasquillanten.

§. 11. Wer jemand an seiner Ehr und guten Leumuth, durch offentliche Schmäh-Schrifften, Gemählde, oder dergleichen Pasquillen verdeckter Weis angreifft, und solche entweder selbst zusammen schmiedet, oder an offenen Orten anschlägt, oder sonst unter die Leute aussprenget, wird mit dem Schwerdt am Leben bestraffet, wofern die ausgesprengte Ubelthat an sich capital wäre. Hätten sie aber nur eine Leibes- oder Ehren-Straff

(49) auf sich, so soll die nemliche Straff den Pasquillanten betreffen. Im Fall auch die beygemessene Laster-That sich gleich in Wahrheit also befände, wie sie in dem Pasquill angegeben worden, hat nichts destoweniger die peynliche Straff, jedoch nur nach Richterlicher Ermäßigung gegen einen solchen Ausruffer statt. Ist endlich der Innhalt des Pasquills nicht so beschaffen, daß er Leib, Leben, oder eine Ehren-Ersetzung berühret, sondern nur zu Beschimpffung eines anderen gemeint ist, soll gegen den Diffamanten mit Gefängnuß, Stellung auf die Schrägen, Stadt- Gerichts- oder Landes-Verweisung, oder sonst nach Beschaffenheit der Sach verfahren werden. Findet jemand ein Pasquill, und unterdruckt solches nicht alsobald, sondern behält selbes bey sich, oder läßt es weiter auskommen, gegen den soll nach Gestalt der Schmäh-Schrifft und Qualität seiner Person, nach Richterlichen Gutbefinden ebenfalls ohnnachläßig und ernsthafte Straff vorgenommen werden, es seye dann, daß in solchen Schmäh-Schrifften Sachen angedeutet worden, an deren Offenbarung dem gemeinen Wesen viel gelegen wäre, welchen Falls dergleichen gefundene Schmäh-Schrifften der Obrigkeit zugebracht, sonst aber niemand bey vorgesetzter Straff offenbaret werden sollen.

Neuntes Capitul

Von falschen Geld-Münzern, Verfälschern, Meineydigen, Urfehdbrechern, untreuen Beamten, dann boshaft- und fürsetzlichen Beschädigungen.

Straff der falschen Geldmünzer.

§. 1. Wer 1mò ohne Befugniß und habender Münz-Freyheit in- oder ausländischer Münz nachschläget,

(50) (es seye dieselbe an Korn und Schrott gleich so gut oder noch besser, groß oder klein, viel oder wenig, von Silber, Gold, oder anderer gleichender Materie,) der ist mit dem Schwerdt hinzurichten. Wer 2dò. dergleichen nicht nur schläget, sondern auch ausgiebet, oder durch andere ausgeben läßt, und hierdurch grossen Schaden und Verwirrung in dem gemeinen Wesen anrichtet, ist nach vorgängiger Decapitirung mit dem Feuer am Leben zu straffen, und fällt dessen sammentliches Vermögen dem Fisco heim. Wer 3tio. denen falschen Münzern in der Ausmünzung selbst beyhilft, oder sich in Ausgebung der falschen Münz wissentlich von ihnen gebrauchen läßt, wird mit der nemlichen Straffe wie der Principal-Thäter angesehen, und ist das Haus, worinn mit Vorwissen des Haus-Herrns die Münz gepräget wird, verwürcket. Wer 4tò. falsche Münz wissentlich auswechslet und wiederum ausgiebet, oder die bereits gegossen- oder geschlagene mit Gold oder Silber tingiret, oder auch guter Münz durch Abfeilen, Beschneiden, oder sonst an ihrem rechtmäßigen Gehalt etwas benimmt, sofort solch tingirt- oder verringerte Geld-Sorten ausgiebet, wird mit ewiger Landes-Verweisung, und wann der Schaden gar groß ist, an Leib und Leben gestraffet. Wer 5tò. falsche Münz unwissend empfanget, aber wissentlich wiederum ausgiebet, oder guter Münz nur das Ubergewicht ohne Verringerung des rechtmäßigen Gehalts benimmet, oder sonst in anderweeg verbottene Münz-Kippereyen treibet, wird mit Geld-Confiscation und anderen willkührlichen Straffen, nach Beschaffenheit der Umständen angesehen. 6tò. Wer endlich keine Current-Münz, sondern nur Denck-Pfenninge oder sogenannte Medaillen machet, soll solches der ordentlichen

(51) Obrigkeit bey Vermeydung schwerer Straff vorhero gebührend anzeigen, damit unter diesem Vorwand so leicht kein andere falsche Münz geprägt und verfertiget werde.

Von der Verfälschung, zu Latein Falso.

§. 2. Die Verfälschung, zu Latein Falsum, wodurch die Wahrheit der Sach theils mit Worten, theils mit Wercken und Schrifften auf eine gefährlich- und anderen zu Schaden gereichende Art verdrehet wird, kann zwar gar unterschiedlicher Weis verübt werden. Am meisten aber pflegen folgende Gattungen vorzukommen. Z. E. da man auf obgedachte Weis mit Veränderung seines Namens, oder selbstiger Beylegung allerhand unbefugter Tituln, Würden, Wappen und dergleichen seine Person verstellt, fremde Geburt unterschiebt, den Tauff- oder die Firmung um des Geschencks wegen wiederholet, unter dem falschen Vorwand erlittenen Brands, oder anderen Unglücks, sammlet oder bettlet, falsche Gezeugnuß oder Bericht gibt, gegen besseres Wissen und Gewissen urtheilet, den Richter durch Unwarheiten (!) zu ungerechten Urtheil oder Verzögerung der Justiz, oder die Gezeugen durch Geschenck und Versprechen, zur falschen Gezeugnuß verleitet, Briefe oder Siegel corrumpiret, nachmachet, erbricht, unterschlaget, oder gar entziehet, anvertraute Geheimnuß verrathet, zweyen Partheyen in einerley Sach dienet, oder sonst gegen Pflicht und Gewissen auf beeden Achseln trägt, fremde Sach veräussert, oder verpfändet, oder für die Seinige ausgiebt, eigenes Guth doppelt verpfändet oder verhandelt, bezahlte Schulden wiederum fordert, sich mit mehreren zur Ehe verlobt, unrechte Maaß oder Gewicht braucht, Speise, Getranck oder andere Venalien verfälschet, den Obrigkeitlich-gesetzten Preis mindert

(52) oder mehret, falsche Spiele treibet, boshafter Weis Schulden macht und falliret, Marcksteine verrückt, Gränz-Flüsse abtreibet, die von anderen geschmiedete Falsa gebrauchet, und dergleichen schädliche Betrügereyen übet, welch alles zwar nur mit willkührlicher, jedoch nach Eigenschaft der gespielten Gefährde und Grösse des hierunter verursachten Schadens, gar an Leib und Leben gestrafft werden solle.

Meineyd.

§. 3. Begangener Meineyd, da man wissentlich und betrüglicher Weis durch einen vor Obrigkeit zu Gott geschwornen leiblichen Eyd, entweder eine Unwarheit oder Zusage bekräftiget, und dieser Letzteren gefährlich zuwieder handelt, wird nicht nur mit der Pœnâ infamiæ, sondern benebens nach Richterlicher Willkühr mit Geld, Gefängnuß, Landes-Verweisung, und nach Gestalt des hieraus erwachsenden Schadens, an Leib und Leben, und zwar wann durch Veranlassung eines solchen falschen Eyds jemand unschuldiger Weis zum Tode verurtheilet und hingerichtet worden, allzeit mit der nemlichen Todes-Straff belegt. Die Straff der Finger-Abhauung hingegen ist hiermit gänzlich abgeschafft.

Urfehd-Brüchigkeit.

§. 4. Wer die geschworene Urfehd fürsetzlich und freventlicher Weis bricht, wird das erste Mal mit dem Staub-Besen, das zweytemal mit Aufbrennung des Buchstabens B. aller Churfürstlicher Ländereyen, auf ewig under jedesmaliger Wiederhohlung voriger Urfehd verwiesen, das drittemal aber mit dem Schwerdt hingerichtet. Doch wird zur Todes-Straff, wann sie blos um der Urfehds-Brüchigkeit willen, und ex capite Contumaciæ Platz greiffen soll, allzeit die vorläuffige Certioration und gerichtliche

(53) Bedrohung derselben, in Beyseyn zweyer Gezeugen erforderet, und zwar mit dem Anhang: es mag bey Wieder-Betrettung der Landen etwas anderes verbrochen worden seyn oder nicht. Jene aber, welche nicht gegen geschworner Urfehd, sondern nur simpliciter des Landes verwiesen worden, und selbes gleichwohl wiederum fürsetzlich- und freventlicher Weis betretten, seynd von neuen und zwar præstitâ Urfedâ zu relegiren, sofort contra contumaces auf obverstandene Weis zu verfahren.

Untreu und Pflichtbrüchige Diener und Beamte

§. 5. Diener und Beamte, welche in Churfürstlich- Landschaftlichen- oder eines Standes in particulari, oder auch einer Gemeinde Diensten, Verwaltung, oder Richterey mit würcklicher Pflicht und Besoldungs-Genuß an Geld- Naturalien, oder gewissen Amts-Emolumenten stehen, und hierinn ihrer Pflicht und Bestallung entgegen zu wenig in Einnahm, oder zu viel in Ausgab bringen, oder das anvertraute Guth in ihren Nutzen verwenden, oder der Herrschaft zum Schaden vorenthalten; mithin derselben auf diebische Weis fürsetzlich entziehen, es seye an Geld, Wein, Frucht, Vieh, Holtz, oder anderen Guth, wie das Namen haben mag, der soll ohne Unterscheid der Person, wes Standes und Wesens sie immer seye, das erstemal, wann sich der Schaden über fünfzig Gulden beträgt, mit der Amotion und Entsetzung aller seiner Ehren, wie auch an Geld, Gefängnuß, und nach Gelegenheit des Fürsatz mit offentlicher Vorstell- und Verweisung des Landes gestraffet werden. Wurde er aber etwan aus Gnaden bey seinen vorigen oder anderen Dienst von neuen angenommen, und läßt sich abermal auf vor verstandene Weis in solcher Untreu, und geflissenen

(54) Abtrag betretten; so ist er mit dem Strang oder Schwerdt von dem Leben zum Tode zu bringen, welches auch gleich das erstemal, wann der Schade sich über hundert Gulden belauffet, statt haben soll, und wird die Entschuldigung, ob wäre die Veruntreuung nur in Meynung künftiger Restitution geschehen, niemals angenommen.

Crimen repetundarum oder Corruptiones.

§. 6. Alle Corruptiones, da man etwas verspricht, giebt, annimmet, um mehr oder weniger zu thun als was die Amts-Pflicht ohnehin schon erfordert, werden ohne Unterscheid, ob sie für sich oder durch andere wissentlich geschehen seynd, mit der Confiscation des Geschenckes und Entsetzung von dem Amt; Jene aber, welche sich hierunter gebrauchen lassen, arbitrariè bestraffet.

Boshafte fürsetzliche Beschädigung.

§. 7. Wer jemand am Leib, Guth, oder in anderweeg, wie es immer Namen haben mag, boshaft und fürsetzlicher Weis beschädiget, soll zwar auf jeden Fall, wann das Factum in kein anderes benanntes Crimen einschläget, und der Schade wiederum vergütet werden kann, nur civiliter gestraffet werden. Dafern aber der Damnificant nicht nur die völlige Indemnisation zu verschaffen nicht im Stande, sondern auch der Schade an sich von grosser Wichtigkeit ist; so soll er deswegen malefizisch und zwar nach Gestalt der verübten Bosheit und Grösse der Damnification am Leib bestraffet werden.

Zehendes Capitul

Von denen Wild-Schützen.

Verrufen- und bedrohliche Wild-Schützen.

§. 1. Verruffene Wild-Schützen, welche nicht nur dem Wild, sondern auch denen Jägern, Forstern,

(55) Uberreutern, und anderen auf Leib und Leben nachgehen, oder denselben dessen bedrohlich seynd, werden ohne Unterscheid, ob sie deswegen schon einmal inhaftirt oder bestraffet gewesen, auf offener Straße, wo sie am meisten grassiret, und das Wild geschossen haben, aufgehenckt.

Bedrohlich- aber nicht verruffene Wild-Schütze(n).

§. 2. Jene, welche des Wild-Schiessens zwar nicht verruffen oder habituiret, jedoch denen Jägern, oder Forst-Bedienten auf Leib und Leben bedrohlich seynd, sollen mit dem Schwerdt am Leben bestraffet werden.

Verruffen- aber nicht bedrohliche Wild-Schütze(n).

§. 3. Angewohnt- und verruffene Wild-Schützen, welche niemand bedrohlich gewesen, sollen das erstemal 5. Jahr ad Opus publicum, das anderemal aber zum Strang condemniret, und an offener Straße aufgehencket werden. Ist auch sowohl bey diesen als den vorhergehenden zweyen §vis. zwischen denen Churfürstlichen oder anderen Jagdbarkeiten kein Unterscheid zu machen.

Gemeine Wild-Diebe, welche weder bedrohlich noch verruffen seynd, und das Wild auf eigenen Grund ohne Schuß fangen.

§. 4. Gegen gemeine Wild-Schützen, welche weder bedrohlich noch verruffen seynd, hat man folgende Gradus pœnarum zu beobachten. Und zwar, wer in seinen Aeckern, Feldern, Gärten, einem Wild fürsetzlich und eigennütziger Weis richtet, oder nachstellet, und selbes ohne Schuß fanget, wird mit Geld, oder bey Unvermöglichen, mit Gefängnuß nach Gestalt des Verbrechens und dessen Wiederhohlung gestraffet.

Wann das Wild auf eigenen Grund.

§. 5. Wer in seinem Aeckern, Feldern und Gärten, ein oder zwey, doch nicht mehr Stück schiesset, ist das erstemal mit empfindlicher Geld- oder wann er unvermöglich ist, mit Gefängnuß-Straff, oder Opere(56) geschossen wird

(56) Opere publicio auf 1. 2. oder 3. Monat anzusehen, das zweytemal aber, soll die Geld- und Gefängnuß-Straff dupliret, oder mit der Landes-Verweisung auf etliche Jahr verfahren werden, es wäre dann grosser Verdacht vorhanden, daß er nicht nur in seinen, sondern auch fremden Gründen, oder gar in Höltzern Wild geschossen, welchen Falls in dem Process weiter gegen ihne fürgeschritten werden soll.

Wild-Diebe auf fremden Gründe(n), sonderbar in Churfürstl. Jagden.

§. 6. Hat nun jemand ein oder zwey Stück in fremden Gründen oder Höltzern geschossen, oder Geschoß geleget, oder mit Hunden gehetzt; ist er gestalten Umständen nach, sonderbar wann das Factum in denen Churfürstlichen Leib-Gehägen, eingefangenen Thier-Gärten, und Hüner-Hecken verübet wird, mit ergiebiger Schand-Straff, Opere publico, auf 4. 5. oder 6. Monat, in Eisen und Banden, oder mit Anstellung zur offentlicher Arbeit, unter geringer Aztung, oder mit zeitlicher Landes-Verweisung gegen geschworner Urfehd zu bestraffen, auch zur Vergütung des geschossenen Wilds, und Abtragung der Kösten anzuhalten, das zweytemal aber 5. Jahr, ad Opus publicum, und das drittemal zum Strang zu verdammen.

Wer sich mit der Büchsen in der Wildfuhr betretten läßt.

§. 7. Wann einer, dem sonsten die Büchse zu führen nicht gebühret, in der Wildfuhr damit betretten wird; so ist derselbe für einen würcklichen Wild-Schützen zu halten, und das erstemal, wie in nächst-vorhergehenden §vo auf den ersten Fall verordnet worden, das andertemal aber ohnangesehen, ob ein Schaden daraus erfolget ist oder nicht, 3. Jahr lang, ad Opus publicum zu condemniren, welche Meynung es auch mit denen

(57) gelernten Jägern und Dienern deren des Weidwercks berechtigter Ständen und Personen hat, wann sie in Churfürstlichen Jagd-Gezircken mit Gewehr, ohne abgeschraufften Schloß sich betretten lassen.

Schießgewehr ist verbotten, jedoch mit Limitation.

§. 8. Das Nemliche ist zu beobachten mit denen Vieh- und Feld-Hirten, dann all Jenen, welche zu Haus oder anderwärts Schieß-Gewehr bey sich finden lassen. Jene allein ausgenommen, welche auf Einöden oder im Wald wohnen, dann diese mögen sich Pistolen zu ihrem Haus-Gewehr bedienen.

Durchlauffung der Churfürstl. reservirten Jagden, mit Hunden ist verbotten.

§. 9. Andere, welchen sonst die Büchse zu führen vergönnet ist, sollen sich gleichwohl, mit selber oder auch mit Hunden, die reservirte Churfürstliche Wildfuhren, und andere Jagdbare Ort zu durchstreichen, bey Vermeydung schwere Ungnad enthalten.

Vermummte Wild-Schützen, welche sich auf Anruffen nicht stellen und zu erkennen geben, oder wohl gar denen Jägern Wiederstand bezeigen.

§. 10. Vermummte mit gefärbten Gesicht, verwechselten Kleydern, gemachten Bart, oder fremden Haaren, Peruquen, Hüthen, Kappen und dergleichen, sollen sich auf Anruffen der Jäger stellen, und zu erkennen geben, ausser dessen, diese unbedencklich auf sie los brennen; jedoch zuförderist auf die Lähmung der Füssen antragen sollen. Im Fall sie sich aber nicht nur nicht stellen, sondern vielmehr zur Gegenwehr setzen, oder gar auf die Jäger ziehlen wurden, mögen ihnen diese wohl zuvorkommen, und auf Leib und Leben schiessen, seynd auch dergleichen Bösewicht denen §vo 1mo benannten Wild-Schützen der Straff halber gleich zu achten.

(58) Wie weit dem Jäger, welcher eine(n) Wild-Schütze(n) todt schiesset, der vorgeschützten Notwehr halber zu glauben.

§. 11. Wird ein Wild-Schütz von einem Jäger todt geschossen, und dieser giebt vor, daß es aus Notwehr geschehen, und der Entleibte auf ihme angeschlagen, oder gar Feuer gegeben hätte; so wird demselben dißfalls auf seinen Eyd in so lange geglaubt, als das Wiederspiel durch andere Proben oder wahrscheinliche Muthmassungen nicht dargethan werden kan.

Wild-Schütze(n) von besserer Condition.

§. 12. Sollten sich Leute von besserer Condition mit verbottenen Wild-Schiessen vergehen, seynd sie der Processir- und Bestraffungs willen bey dem geheimen Rath anzuzeigen.

Helffer der WildSchützen.

§. 13. Wer verschreyt- oder verdächtigen Wild-Schützen mit Herberg, Kleydung, Speis und Getranck, oder in anderweeg Unterschleiff giebet, das geschossene Wildprätt mit ihnen verzehrt, sich in Verkauffung dessen zum Unterhändler gebrauchen läßt, oder ihnen sonst hülfliche Hand bietet, oder an ihren Verbrechen Antheil nimmet, ist nach Kräften seines Vermögens, mit empfindlicher Geld-Straff von fünfzig bis zwey hundert Gulden, oder nach Befund der Sach, sonderbar wann schon eine Correction geschehen, mit Leibes-Straff, Verdammung ad Opus publicum, oder der Landes-Verweisung anzusehen.

Straff der Abkäuffer.

§. 14. Der Käuffer, welcher von bekannten Wild-Schützen selbst, oder von verdächtigen Leuten das Wild heimlich erkauffet, soll für jeden Haasen 2. Rebhun 3. Fasanen 4. Rech 6. Wildstuck 9. Hirschen 12. und für ein Wild-Schwein 20. Rthlr. dem Obrist-Jägermeister-Amt Straff geben, welche die Dicasteria, sowohl von geistlich-

(59) als weltlichen Ständen unnachläßig, auch allenfalls executivè beyzutreiben haben.

Straffbarkeit dieses Lasters.

§. 15. Ohne milderender rechtmäßiger Ursach, soll von obbenannten Straffen nicht abgewichen werden, weil es hierbey nicht so viel um das Wild, als den Ungehorsam und Verachtung des Landesherrlichen Gebots, wie auch den schädlich- Landsverderblichen Müßiggang, womit dieses Laster ursprünglich verknüpfet ist, zu thun seyn will.

Verbot des Plänckelns und Schrott Schiessens, auch Obsicht unter den Thoren, auf das einschleichende Wildprätt.

§. 16. Damit aber auch alle Gelegenheit dazu abgeschnitten werde; so ist das Plänckeln und Schrott-Schiessen von denen Obrigkeiten jedes Ortes, gebührend abzustellen, unter den Stadt-Thoren, auf das verdächtiger Weis einschleichende Feder- und ander Wildprätt fleißige Obacht zu bestellen, und hierunter alle Obrigkeitliche Assistenz zu leisten.

Von Weisgärbern, Büchsenschiftern Schlossern und Tändel-Märckern, wegen Verhandlungen der Wild-Häuten und des Gewehrs.

§. 17. Die Weißgärber sollen bey Verlust ihrer Gerechtigkeit, oder anderer exemplarischer Straff, keine rohe und ungearbeitete Hirsch- oder Wild-Häute von dem gemeinen Mann oder Bauren erkauffen, oder annehmen, sondern den angeblichen Verkauffer alsogleich bey der Obrigkeit anzeigen, damit er zur Red hierüber gestellet, und zur Legitimation, woher er solche genommen, angehalten werde. Desgleichen sollen weder die Büchsenmacher, oder Schiffter, noch Schlosser und Schmiede, sowohl in Städten und Märckten, als auf dem Lande; vielweniger die Stümpler, bey ohnausbleiblicher schwerer Straff, denen Bauers- und anderen Gemeinen, zumal ohnbekannten Leuten, ein Schieß-Gewehr zurecht machen, oder neues verkauffen, und auf denen Tändel- Märckten

(60) sollen die Obrigkeiten ebenfalls keine offentliche Feilbietung, oder Verhandlung eines zur Pirsch tauglichen Rohrs mehr gestatten, sondern die Ubertretter gebührend bestraffen.

Wie gegen verdächtige Wild-Schützen mit der Inquisition Visitation, und sonst sowohl von der Obrigkeit als den Obrist-Jägermeister Amt zu verfahren?

§. 18. Wo rechtmäßiger Verdacht des Wild-Schiessens, oder gegebenen Unterschleiffs, oder Theilnehmungs halber obhanden ist; soll nicht nur von der Obrigkeit mit der Inquisition, zeitlich und unversehener Haus-Visitation, dann der Inhaftirung selbst, und nach Proportion des Verdachts oder Verbrechens, mit der Confrontation, Tortur und so weiter verfahren werden; sondern es ist auch das Obrist-Jägermeister-Amt, solchen Falls für sich selbst ohne Anfrage befugt, die Veranstaltung zu machen, daß sowohl bey Gericht- als Hofmärchischen Unterthanen (doch bey denen letzteren, wo es ohne Zeit-Verlust seyn kan, mit Zuziehung der Hofmarchs-Inhabern, und denselben im übrigen ohne Præjudiz) besagte Haus-Visitation und Inhaftirung vorgenommen werde, welch letzteren Falls aber dasselbe alsogleich seinen Amts-Bericht an die Churfürstl. Dicasteria, mit Beyfügung derer vorhandenen Anzeigen einzusenden hat, und ist auch solches deswegen in Processu für keinen Accusatorem zu achten, und unter diesem Vorwand zu einem mehreren, als was die sowohl in civilibus quàm criminalibus übliche Interpositio Officii erfordert, anzuhalten.

Belohnung der Auskundschafter und Beystandleistung bey Inhaftirung.

§. 19 Wer einen oder mehr Wild-Schützen auskundschaftet und einbringet, hat bey dem Obrist-Jägermeister-Amt für jeden fünfzig Gulden zu empfangen. Ist auch jedermann schuldig, denen Amt-Leuten oder Forsteren, bey Inhaftirung derselben möglichen Beystand zu leisten, und soll man

(61) sich der Renitenten, wie man immer kan und mag, bemächtigen.

Das Verbrechen ist durchaus malefizisch, und seynd die im hiesigen Rent-Amt einkommende Wild-Schützen, währenden Process in dem Zuchthause zur Arbeit anzuhalten.

§. 20. Weil dieses Verbrechen durchgehends für malefizisch geachtet wird; so gebühret keinen Hofmarchs-Inhaber hierinnfalls die Bestraff- oder Verhandlung, und passiren auch die gewöhnliche Sitz- und Banck- dann Eisen- Aus- oder - Einschließ-Gelder, wie bey denen übrigen Maleficanten. Die verdächtige Wild-Schützen, welche noch nicht confessi oder convicti seynd, sollen auch in dem hiesigen Rent-Amt, gleich in das Arbeits-Haus überbracht, und alldort währenden Process zur Arbeit angehalten werden. Was es aber mit ihrer Processirung selbst in ein- so anderen für besondere Absätze hat, ist in den zweyten Theile an gelegener Stelle mit eingerucket.

Eilftes Capitul

Von in- und ausländischen Bettlern, Vaganten, Müßiggängern und dergleichen verdächtigen Leuten, wie auch Wuchern, Contrebandirern und anderen unbenannten Verbrechen.

Straff der ausländischen Bettler und Vaganten.

§. 1. Ausländische Bettler, Vaganten, Stationirer, Wallfahrter, Pilger, Garten-Knecht, abgedanckte Soldaten, fahrende Schüler, verstellte Pfaffen, Claußner, Eremiten, Pfannen-Flicker, Spiel-Leut, Schergen, Frey-Leut, Schinder und dergleichen, wie es immer Namen haben mag, wann sie im Lande nicht gebohren oder erzogen worden, oder sonst das Domicilium nicht ersessen haben, und sich auf dem Bettel-Vagiren oder Müßiggang betretten lassen, seynd ohne Unterscheid des Mann- oder Weiblichen Geschlechts,

(62) das erstemal ohne Anfrage oder Berichts-Erstattung, gegen geschwornerner Urfehd und Aufbrennung des Buchstaben B. samt ihrer Kindern, den nächsten Weeg nach aus dem Land zu führen, mit der Commination, daß wann sie sich hierinn abermal betretten lassen, dieselbe als Verächter des Chur- und Landes-Fürstlichen hohen Gebots, (es mag von ihnen gleich etwas anderes verbrochen worden seyn oder nicht) von dem Leben zum Tode, und und zwar die Manns-Bilder mit dem Strang, die Weibs-Bilder aber mit dem Schwerdt hingerichtet werden sollen. Welche comminirte Todes-Straff denenselben auch auf weiteres Betretten, ohne alle Begnadigung, jedoch auf vorläuffige Begnehmigung der Churfürstlichen Dicasterien wahr gemacht werden soll.

Ausländische Kramers-Leut, welche keine Concession haben, werden jenen gleich geschätzet.

§. 2. Ausländische Kramers-Leut, welche nur mit kurtzer Waare zu handeln pflegen, und sich mittels alljährlich zu renovirender Hof-Rathlicher oder Regierungs-Attestaten nicht legitimiren können, daß ihnen die inländische Märckte zu besuchen erlaubet seynd, sollen das erstemal mit der Commination, daß man sie auf weiteres Betretten denen ausländischen Bettlern und Vaganten in der Straff gleich halten wurde, zurück gewiesen, das zweytemal aber würcklich mit sothaner Straff gegen sie verfahren werden.

Wie weit die fremden Handwercks-Pursche hierunter begriffen?

§. 3 Die nemliche Beschaffenheit, wie bey dennen ausländischen Krämeren, hat es mit denen fremden Handwercks-Purschen, welche sich auf dem Bettel- oder ohne Obrigkeitlichen Lauff-Zettel betretten lassen, oder die ihnen hierinnfalls vorgeschriebene Wanderschafts-Route gefährlich überschreiten.

(63) Inländische Bettler und Vaganten.

§. 4. Die inländischen Bettler, Vaganten und Müssiggänger, seynd das erstemal von jedes Orts Obrigkeit, wo sie sich finden lassen, mit empfindlichen Carbatsch-Streichen in die Arbeit, oder ihr Geburts-Ort anzuweisen. Das anderemal aber auf Jahr und Tag in das Arbeits-Haus zu liefferen, auch alldort ihrer Leibes-Constitution gemäß, mit wochentlichen Carbatsch-Streichen zu überfahren, das dritte- und viertemal aber, ist allzeit die vorige Straff zu dupliren.

Wie es mit Letzteren zu halten, wann sie sich an verdächtigen Orten, oder mit verdächtigen Sachen betretten lassen.

§. 5 Jenen inländischen Bettlern und Vaganten aber, welche an abseitigen Orten, oder mit Gewehr oder Dietrich-Schlüsseln, Leim-Ruthen, Bind-Schnüren und dergleichen versehen, oder sonst etwas mehr als andere gemeine Bettler und Müßiggänger verdächtig seynd, ist, im Fall sich nicht noch nähere Indicia einer begangenen Rauberey, oder anderer Capital- Missethat hervor thun wollten, ohne Anfrage eine sogenannte Reck, mittels einsmaliger Aufzieh- und Anschlagung des Seils zu schencken, und da sie hierunter weiter nichts Hauptsächliches bekennen, seynd selbe ebenfalls ohne weiteren Process und Anfrage wenigist auf Jahr und Tag, wegen des verbottenen Bettels oder Müssiggangs in das Arbeits-Haus, mit Determinirung deren alldort zu empfangen habender Carbatsch-Streichen zu liefferen.

Unterschleiff-Geber dergleichen liederlicher Leuten.

§. 6. Wer dergleichen in- oder ausländischen gefährlichen Leuten wissentlich Unterschleiff giebet, hat ebenfalls die Arbeits-Haus-Straff auf Jahr und Tag, samt denen wochentlichen Carbatsch-Streichen verwürcket. Und wer gegen das Verbott Allmosen giebet, soll um 40. Rthlr. gestraffet

(64) werden, wovon die Helfte dem Aufbringer, die andere Helfte der Obrigkeit, wo der Fall geschiehet, gebühret.

Vorsorge gegen dergleiche(n) Leut durch öftere Visitation, Niederreissung der Tagwercks-Häuser, Aufstek-kung offentlicher Tafeln, und Bestraffung deren ohne Consens copulirter Personen.

§. 7. Damit auch dergleichen schädliche Leut destoweniger überhand nehmen, haben die Beamte und Obrigkeiten nicht nur auf denen Gräntzen deswegen gute Obacht zu bestellen, sondern auch mit Anhandnehmung der benöthigten Militz, sonderbar an verdächtigen Orten öftere Visitation und Streiffen vorzunehmen, die ohne Churfürstlich-Gnädigisten Consens aufgebauete Tagwercks-Häuser, bey denen Justiz Dicasteriis, um der nöthigen Abstellungs willen alsogleich anzuzeigen, auch die ohne Obrigkeitlicher Erlaubnuß copulirte Personen, welche sich ohne Bettel auf andere ehrliche Weis nicht nähren können, wenigist auf Jahr und Tag in das Arbeits-Haus überbringen, und alldort unter wochentlichen Carbatsch-Streichen, ihrer Constitution gemäß, arbeiten zu lassen, oder wann sie Ausländer seynd, nach Maaßgab des ersten §vi zu tractiren, wie nicht weniger, die wegen ausländischer Bettler und Vaganten, eigens aufgestellte Gränz-Taffeln zu erhalten, und wo nöthig, zu erneuern.

Wucherische Händel-Fürkauf und Kaudereyen.

§. 8. Wucherliche Händel und andere gefährliche Contracte, wie auch verbottene Fürkauf und Kaudereyen, wodurch die Lebens-Mittel vertheuret werden; seynd zwar von jedes Ortes Obrigkeit nur niedergerichtlich zu bestraffen, im Fall aber gleichwohl ein solcher Wucherer oder Fürkäufler, schon einmal bestraffet worden, und das zweytemal betretten wird, oder eine Obrigkeit selbst solch verbottene und wucherische Händel treibet, welcher

(65) dieselben vielmehr abzustellen von Amts wegen oblieget; so ist der Fall malefizisch, und wird arbitrariè bestraffet.

Contrebanden und dergleichen Defraudationes

§. 9. Contrebanden und Defraudationes im Maut- Zoll- Aufschlags- Accis- und dergleichen Sachen, werden nicht malefizisch tractiret, es schlagen dann andere Malefiz–Fälle mit ein. Bleibet also dißfalls lediglich bey denen bereits vorhandenen, oder weiters ergehenden Generalien und Verordnungen.

Unbenannte malefizische Fälle.

§. 10. Sollte sich ein straffbarer Fall ereignen, welcher unter obigen malefizischen Verbrechen nahmentlich nicht begriffen, doch denenselben wegen der gespielten Gefährde, oder Grösse des Schadens an der Straffmäßigkeit gleich, oder vielleicht noch schwerer anzusehen wäre; so soll derselbe zu denen Churfürstlichen Dicasteriis einberichtet, und die Decision, wie derselbe zu bestraffen seyn mögte, von dort erwartet werden.

Zwölftes Capitul,

Von Straff der Wissenschaft, Bemühung, Beyhülf, oder Verdacht eines Criminal-Verbrechens.

Wird sich auf die oben specialiter benannte Fälle belendet.

§. 1. Was hievon oben in ein so anderen Verbrechen specialiter verordnet worden, dabey hat es sein Verbleiben. Ausser diesen besonderen Fällen aber, ist folgende General-Regel zu beobachten.

Straff derjenigen, welche das Verbreche nicht anzeige(n).

§. 2. Wer von dem Vorhaben eines malefizischen Verbrechens gute Wissenschaft und Anzeigungen hat, solches aber weder zeitlich anzeiget, noch sonst zu verhindern suchet, ohngeachtet er sowohl eines als das andere, ohne besorglicher Gefahr und Ungelegenheiten

(66) leicht hätte thun können, oder etwan gar von Amts wegen thun sollen, der ist in beeden Fällen arbitrariè zu bestraffen, doch wird letzteren Falls die Straff geschärfet, und mag wohl nach Gelegenheit der Sach und Schwere des Haupt-Verbrechens, welches von Amts wegen zeitlich anzuzeigen, oder zu verhindern unterlassen worden, der Staub-Besen erkannt werden.

Straff der Bemühung sive Conatus.

§. 3. Die blosse Bemühung, oder Conatus eine malefizische That zu vollbringen, ohne daß selbe würcklich vollbracht worden, wird niemahls mit der auf die That selbst geschlagener ordentlicher Straff, sondern allzeit gelinder angesehen. Je weiter nun der verwendete Conatus von der Würckung entfernet gewesen, je mehr wird die Straff gemildert. Ist man aber der gänzlichen Vollbringung sehr nahe gekommen, und hat der Thäter seines Orts alles gethan, was er nur nach denen vorgelegenen Umständen zu thun vermögt hat; so greifft die Pœna proxima, und zwar in Delictis atrocissimis, wo entweder die lebendige Verbrenn- oder Räderung von unten auf statuiret, und der Conatus schon sehr nahe gegangen ist, die Straff des Schwerdts allerdings Platz. In denen übrigen Capital-Verbrechen aber, kan auf den Staub-Besen gesprochen werden. Welch alles jedoch auf Richterlicher Bescheidenheit und Ermäßigung beruhet.

Wann die That in fleischlichen Sünden vollbracht heisse.

§. 4. Dieweil auch seithero öfters gezweiffelt werden wollen, wie weit die That in fleischlichen Sünden, um derwegen ad Pœnam ordinariam schreitten zu können, vollbracht seyn müsse; so wird hiermit verordnet, daß zur würcklichen Todes-Straff allzeit Immissio membri & seminis, zu denen übrigen Straffen aber, kein mehrers als Actus proximus hierin erforderlich sey.

(67) Straff der Besteller.

§. 5. Wird ein Verbrechen auf Geheiß eines anderen begangen, so hat die Straff gegen den Besteller statt, nicht anders, als hätte er die That selbst in eigener Person verübet; es seye dann, daß die That wahrscheinlicher massen, auch ohne Bestellung von dem Bestellten verübet seyn würde, oder daß der Bestellte in Vollziehung des obhabenden Gewalts oder Befehls, allzuweit gegangen wäre, welchen Falls die ordentliche Straff nur in jenen Fall gegen den Besteller Platz greiffet, da die Bestellung etwan so beschaffen gewesen, daß sie ohne grosse Gefahr des erfolgten Excess nicht so leicht zu vollbringen gewesen. Wie weit aber der Bestellte von der Ordinari-Straff zu befreyen seye, ist oben Cap. 1. §. 32. verstanden.

Straff der Rathgeber, Aufwiegler, Gelegenheitmacher, wie auch Jener, welche Beyfall geben.

§. 6. Einen Befehl oder Vollmacht wird gleich geachtet, da man zur That solch geflissenen bösen Rath, Anschlag, Gelegenheit, Consens oder Vorschub giebet, ohne welchen die That entweder gar nicht oder doch sehr schwer erfolget seyn würde; ausser dessen seynd dergleichen böse Rathgeber, Aufwiegler, Gelegenheitmacher, wie auch Jene, die nur blossen Beyfall geben, oder die That anrühmen, nach Gestalt der gegebenen Aergernuß, oder Verführung, arbitrariè zu bestraffen.

Hülf und Beystandleistung in der That selbst.

§. 7. Wer in ipso actu delicti, mit fürgesetzt- oder vereinigten Willen und Muth, Hülf und Beystand leistet, wird für einen Haupt-Delinquenten mit gehalten, einfolglich mit der Ordinari-Straff angesehen, es mag gleich der Will per Verba, oder Facta zu erkennen gegeben worden seyn.

Von dem Antheil und der Hülf nach der That.

§. 8. Wer nach vollbrachter That wissentlichen Antheil

(68) davon nimmet, oder denen Thätern Unterschleiff giebet, oder sonst aushilffet, wird nicht mit der ordentlichen Straff, sondern nur arbitrarisch bestraffet, es wäre dann, daß er mit denen Thätern deswegen schon vor verübter That verstanden gewesen, und sie durch sothane verabredete Theilnehmung und Aushülf, zur That nur destomehr verleitet hätte. Welchen Falls gegen dergleichen Helffer, mit der ordentlichen Straff, Richterlichem Befund nach, wohl verfahren werden mag.

Straff der Unterschleiff-Gebern u(nd) Aushelfern.

§. 9. Bey blossen Unterschleiff-Gebern und Aushelfern, ist aber auch auf das böse Gemüth, und dahin zu sehen, ob sie an abseitigen Orten und Einöden bewohnt, und die Thäter solch gefährliche Leute seynd, von welchen man bey verweigerender Herberg oder Unterhalt, vieles Ungemach, oder Gefahr zu besorgen gehabt hätte, dann dieser Umstand hebt entweder gar alle oder doch die schärfere Straff auf, welches auch bey Bluts-verwandt- verschwägert- oder sonst nahe beygethanen Personen, wie nicht weniger bey Wirths-Leuten, oder Jenen, so das Jus Asyli haben, zu beobachten.

Befreyung der Ubelthätern aus Obrigkeitliche(n) Händen.

§. 10. Von gewaltthätiger Entreiß- und Befreyung der Ubelthäter, aus Obrigkeitlichen Händen, siehe oben Cap. 8. §. 6. und im zweyten Theile Cap. 6. §. 7. Hinterlistige Befreyung aber, welche nicht mit Gewalt geschiehet, wird nach Gestalt der befreyten Person, und deren Verbrechen, zwar arbitrariè, doch niemahls am Leben bestraffet, und dieses hat auch gegen Obrigkeiten, Kerckermeister und Gerichts-Bediente statt, wann aus ihrer Schuld und Verwahrlosung jemand des Verhafts entweichet. Sollten sie aber gar mit Fleiß und Fürsatz, jemand aus dem Arrest helfen, so ergreiffet die nemliche

(69) Straff, welche den Entwichenen betroffen haben würde; oder da diese noch ungewiß wäre, eine wohl empfindliche Leibes-Straff gegen selbe Platz.

Von Straff des Verdachts.

§. 11. Der Verdacht eines Verbrechens, wird endlich, so weit derselbe auf einem gnugsam bewiesenen Indicio proximo, oder auch mehrern zusamm kommenden Indiciis remotis gegründet, und nicht etwan durch die Tortur, oder den Purgations-Eyd abgeleinet ist, allzeit nur mit ausserordentlich- und arbitrarischer, niemahls aber mit der ordentlichen Straff beleget.

Zweyter Theil

Der neu-verbesserten Chur-Bayrischen Criminal-Rechten.

Erstes Capitul,

Von denen peinlichen Gerichten und der Gerichtsbarkeit.

Bestellung der Criminal-Gerichten und Commissionen.

§. 1. Bey Churfürstlichen Justiz-Dicasteriis, sowohl als anderen Gerichten und Aemtern, wo man Criminalia zu tractiren pflegt, soll keiner angestellt und verpflichtet werden, der nicht edlen oder sonst ehrbaren Herkommens und tugendhaften Wandels ist, auch vorhero entweder bey

(70) dem Hof-Rath oder einer Regierung, mittels abgelegter Criminal-Prob-Relation, genugsame Specimina gegeben hat, und aus gegenwärtig-neu-verbesserter Criminal-Ordnung examiniret, sofort derselben allerdings kundig und erfahren zu seyn, befunden worden ist. Und wie nun die Beurtheilung deren peinlichen Fällen, denen Dicasteriis selbst oblieget; also hingegen sollen daselbst die Examina, Zeugen verhören, wie auch die Ocular-Inspectiones, Confrontationes, Torturen, Publication des Urtheils und dergleichen, niemahls in corpore, sondern allzeit nur durch zwey Räthe, mit Zuziehung eines Canzellistens, verrichtet werden.

Wie bey Aemtern, so mit zwey Beamten versehen seynd, in Criminalibus zu verfahren?

§. 2. Bey Churfürstlichen Aemtern, welche mit Ober- und Unter-Beamten versehen seynd, soll in peinlichen Sachen weder mit dem Constituto noch der Zeugen-Vernehmung, viso reperto, Tortur, Confrontation und dergleichen, bey Vermeidung der Nullität, keiner ohne dem andern verfahren, und wann der Gerichtschreiber abwesend, oder aus ehehaften Ursachen verhindert ist, mag sich der Ober-Beamte statt seiner eines Amts-Schreibers pro Actuario bedienen, und selben ad hunc actum specialem in die Pflicht, oder das Hand-Gelübd nehmen. Ist aber der Ober-Beamte abwesend, oder verhindert; so soll der Gerichtschreiber oder Unter-Beamte die Stell des Richters oder Ober-Beamtens einsweilen vertretten, seine Stell hingegen von einem Amtsschreiber, auf obverstandene Weis versehen lassen.

Wo nur ein Beamter vorhanden, item von Delegationen.

§. 3. Wo aber das Amt nur mit einem Beamten allein bestellet ist, soll er in peinlichen Fällen ebenfalls einen solchen Amts-Schreiber gebrauchen; und im Fall er von dem Amt abwesend oder verhindert

(71) ist, einen andern statt seiner eigenmächtig zu bestellen sich nicht unterstehen, sondern solches dem Justiz-Dicasterio, deme er in Criminalibus subordiniret ist, unverzüglich anzeigen, damit entweder die Sach avociret, oder jemand anderen committiret und übertragen werde. Die Justiz-Räthe hingegen mögen die in Criminalibus ihnen übertragene Commissiones anderen ex gremio, jedoch niemahls anders, als mit Vorwissen und Gutheissen des Directorii überlassen.

Amt des Gerichtschreibers oder Actuarii.

§. 4. Die Gerichtsschreiber oder jene, welche Loco Actuarii seynd, sollen ihrer abgelegten Pflicht und Schuldigkeit nach, alles, was in dem peinlichen Gericht vorgehet, fleißig aufzeichnen, und protocolliren, sowohl den Tag als das Jahr, wann jeder Gerichts-Actus vorbeygegangen, auch wer dabey anwesend gewesen, vormerken, denen Gezeugen oder Inquisiten die Verhörs- und Vernehmungs-Protocolla vorlesen, sofort, was sie bey Gericht dißfalls hören und sehen, in gebührender Geheim halten, und die Acta verwahren; die Canzelisten aber bey denen Dicasteriis nur dasjenige, was ihnen von der Commission in die Feder dictiret wird, getreulich nachschreiben, und sich ebenfalls der Verschwiegenheit befleissen.

Beyziehung des Obrist-Jägermeister-Amts in Wild-Schützen-Sachen, oder der Hof-Cam(m)er in der Beamten peinlicher Inquisition.

§. 5. Wann Wildprätt-Schützen processiret werden, soll das Obrist-Jägermeister-Amt, und respectivè die Wild- und Forstmeister, oder Ober-Jäger, wo es auf die ihnen gegebene Nachricht verlanget würde, zu denen Constituten, Confrontationen und

Torturen; jedoch weiter nicht als ad auscultandum, und damit die gewöhnliche

Amts-Erinnerung desto gründlicher abgegeben werden möge, mit beygezogen werden, welches auch gegen die Churfürstliche

(72) Hof-Cammer in peinlicher Processirung der Beamten, zu beobachten kommt.

Von Beysitzern und Notarien.

§. 6. Ausser der Justiz-Dicasterien, sollen sowohl in Städten und Märkten, als auf dem Land, zu allen Criminal-Actibus zwey oder drey verständige ehrliche Männer, wie und wo sie jedes Orts zu haben seynd, beygezogen, und dahin verpflichtet werden, daß sie überall gutes Aufmerken bezeigen, und in geheim halten wollen; wo im übrigen sie nicht schuldig seynd, sich weiter als Gezeugen brauchen zu lassen, und ihre Meinungen zu eröfnen, oder dem Richter mit Rath und That an die Hand zu gehen, ausser, wo es bishero üblich und Herkommens gewesen, dabey es dann noch ferner sein Verbleiben haben solle. Die Beyziehung der Notarien aber, ist weder in Processu accusatorio, noch inquisitorio erforderlich.

Von Schergen und Gerichts-Dienern.

§. 7. Schergen und Gerichts-Diener seynd ebenfals ihrer eydlichen Pflichten wohl zu erinnern, damit alles, was sie bey Besprachung der Maleficanten oder sonst hören und sehen, in Verschwiegenheit von ihnen gehalten werde.

Obliegenheit der Land-Ständen, so den Blut-Bann haben.

§. 8. Land-Stände, Landsässen und Clöster, welche mit dem Blut-Bann begabet seynd, sollen das Nemliche, was hier oben von Richtern, Gerichtschreibern, Beysitzern, Amt-Leuten, und andern geordnet ist, beobachten, und ob sie schon das Gericht in eigener Person zu besitzen nicht schuldig seynd, so sollen sie doch statt ihrer kein ungelehrt- zumahl in gegenwärtiger Ordnung nicht geübt- und unerfahrne Beamte gebrauchen, damit nicht widrigen Falls bey verspührenden Mangel von Landes-Fürstlicher

(73) Oberherrschafts wegen, gebührendes Einsehen vorgekehret werden müsse.

Von unpartheyischen Gericht.

§. 9. Niemand soll zugleich Richter und Gezeuge seyn, und wer dem Inquisiten, oder dem Ankläger, nach Burgerlichen Rechten in dem 6ten Grad Blutsverwandt, oder in dem vierten verschwägert, oder sonst bey der Sach interessiret, und einer rechtmässigen Recusations-Ursach unterworffen ist, soll sich weder für einen Richter, noch Commissarium, oder Actuarium gebrauchen lassen, sondern sich für selbigesmahl des Amts entschlagen; immassen es mit Erforschung der von dem Inquisiten vorgeschützter Recusations-Ursach, eben nicht so genau, wie in Civilibus zu nehmen ist.

Dreyfaches Forum Criminale ordinarium.

§. 10. Obwohlen an sich nichts billiger und natürlicher zu seyn scheint, als daß jedes Verbrechen an dem Ort, wo es begangen worden, gerechtfertiget oder gestraffet werde; so ist doch der ordentliche Gerichts-Zwang gegen einen Ubelthäter nicht nur in loco Delicti, sondern auch in loco Deprehensionis aut Domicilii, das ist, wo er sich entweder betretten läßt, oder meistentheils aufhält, dergestalten gegründet, daß jede von denen Obrigkeiten, welche selbiger Orten den Blut-Bann haben, mit peinlicher Inquisition und Straff gegen ihn verfahren kan.

Von dem Jure Præventionis unter den competirenden Obrigkeiten.

§. 11. Da nun ein Verbrechen von Rechtswegen nicht öfters als einmahl gestraffet werden mag; so hat unter so vielerley competirenden Gerichten das Jus Præventionis Platz, und muß der Ubelthäter deme, der zuvor kommet, auf seine Kösten ausgeliefert werden, seynd auch denen übrigen die Hände

(74) dadurch so weit gebunden, daß sie sich der Sach nicht mehr unterziehen dürfen.

Grund des Præventions-Rechts.

§. 12. Wo sich der Ubelthäter am ersten stellet, und auf die ihm vorgehaltene Fragstücke antwortet, da ist das Judicium præveniret, ausser dessen kommt es mit der Prævention auf die Vorladung an, welche theils durch persönlichen Arrest, theils durch mündlich- und schriftlichen Verruf, theils durch öffentlichen Unschlag, zu Latein, realiter, verbaliter, edictaliter zu geschehen pfleget.

Von der Zeit, da das Jus Præventionis anfangt.

§. 13. Bey der Edictal-Citation ist nicht nöthig, das Proclama an mehreren Orten affigiren zu lassen, sondern es ist genug, daß die Affixion in loco publico Judicii geschehe, und fanget die Prævention von dem Tage solcher Affixion, bey Real-Citationen aber, von dem Tage des persönlichen Stadt- Haus- oder engen Arrests, und endlich bey der mündlich- oder schriftlichen Vorladung von dem Tage an, da die Citation dem Ubelthäter selbst, oder im Fall er unter einer anderen Obrigkeit sitzet, derselben durch Requisitions- und Compass-Schreiben, gebührend insinuiret worden.

Wann die Citation an mehr Orten zugleich ergehet?

§. 14. Ist der Ubelthäter von verschiedenen Obrigkeiten zu gleicher Zeit, auf obverstandene Weis vorgeladen worden; so wird die Real-Citation der schriftlich- und mündlichen, diese hingegen der Edictal-Ladung in Concursu vorgezogen.

Ob aus der General-Inquisition oder Communication der Indicien, oder Beschlagung des flüchtigen Delinquentens Habschaft die Prævention entstehe?

§. 15. Aus der blossen General-Inquisition und Einholung der Erfahrung, oder Communication der Indicien, ohne Constituirung über ordentliche Fragstücke,

(75) wie auch aus Beschreib- Pfänd- oder Arrestirung des flüchtigen Delinquentens Habschaft, entspringet noch kein Præventions-Recht.

Die Citation würket das Jus Præventionis nur in Ansehen der Citirten.

§. 16. Wo mehr Personen in einem Verbrechen impliciret seynd, müssen alle namentlich citiret, und im Fall sie unter verschiedenen Obrigkeiten wohnen, jede besonders um die Verschaffung requiriret werden, sonst würket die Citation das Jus Præventionis

weiter nicht, als in Ansehen derjenigen, welche mit Namen citiret worden.

Von der Citation durch Compass-Schreiben.

§. 17. In dem Compass- oder Requisitions-Schreiben, ist nicht erforderlich alle eingeholte Erfahrungen und Indicia mit beyzulegen, sondern es ist genug, wann das Verbrechen mit Kurzem überschrieben, und die Auslieferung begehret wird, welcher sodann der requirirte Richter, auf des Requirentens Kosten alsofort statt zu thun, und sich keiner weiteren Cognition, sowohl was das Verbrechen selbst, als die Hinlänglichkeit der Anzeigung betrift, nicht anzumassen hat.

Wann die That an einen (!) Ort angefangen, an einem andern vollendet ist, hat die Prævention Statt.

§. 18. Ist das Delictum an einem Ort angefangen, an dem anderen vollendet worden; so ist das Forum Criminale an beyden Orten gegründet, und hat die Prævention Statt.

Wann der Locus Delicti auf der Gränze liget oder strittig ist?

§. 19. Das Nemliche ist zu beobachten, wann ein Verbrechen auf denen Gränzen, oder an einem der Possession halber streitigen Ort verübet wird, da dann unter denen angränzenden Criminal-Gerichten, oder streitenden Theilen, bis zu Austrag der Sach dem Juri Præventionis Platz gegeben werden soll.

 

(76) Prævention inter Locum accusationis & inquisitionis.

§. 20. Desgleichen wann an einem Ort gegen den Ubelthäter criminaliter geklaget, an dem andern Ort aber von Amts wegen inquiriret wird, ist ebenfalls auf die Prævention zu sehen.

Prævention hat nur statt unter inländischen Gerichten.

§. 21. All Obiges, was von der Prævention und Verschaffung gemeldet worden, ist nur auf inländische Criminal-Gerichte, welche unter Churfürstlicher Hoheit, und Landes-Superiorität stehen, und den Blut-Bann entweder ex Commissione & vi officii, oder vermög Special-Concession exerciren, auszudeuten. An ausländische Gerichte aber, soll propter Jus de non evocando, weder von Præventions- noch anderer Ursache wegen, eine Auslieferung geschehen, wo es nicht etwann besondere Verträge mit denen benachbarten Ständen, oder das alte reciprocirliche Herkommen also mit sich bringet.

Verschaffung der Ubelthäter von der niedergerichtlichen Obrigkeit.

§. 22. Der Criminal-Richter, soll ohne Begrüssung des Stabs, Hofmarch, oder anderen niederen Gerichts, worunter der Ubelthäter unmittelbar stehet, nicht eigenmächtig vorgreiffen, es seye dann bey längerem Verzug Periculum Fugæ obhanden, oder der Thäter werde auf frischer That, oder in der Streiffe und Nacheil erwischet, welchen Falls zwar ohnersucht der Civil-Obrigkeit, doch derselben in anderweg ohne Præjudiz und Nachtheil, verfahren werden kan.

Wie weit die niedergerichtliche Obrigkeit in Criminalibus verfahren könne?

§. 23. Läßt sich ein Ubelthäter in einem Hofmarchs- oder niederen Gerichts-District betretten; so gebühret dem Hofmarchs- oder niederen Gerichts-Inhaber zwar die erste Cognition, um zu sehen, ob und wie weit der Fall in das Civile oder Criminale einschlage, ist aber letzteren Falls schuldig, an jene Obrigkeit,

(77) welche selbiger Orten den Blut-Bann hat, alsofort Nachricht davon zu geben, und auf derselben Kosten die Auslieferung längst den dritten Tag, auch ohne vorläufiger Requisition zu thun; immassen die niedere Gerichts-Obrigkeit, in Vornehmung solch erster Cognition, die Gezeugen niemahls beeydigen, sondern nur auf Gelübd an Eydes statt verhören soll.

Prorogation oder Compromiss, hat nicht statt.

§. 24. Weil in peinlichen Fällen, weder gütliches Compromiss noch Reconvention oder Jurisdictions-Prorogation statt hat; so soll auch keine Obrigkeit unter diesem Vorwand ihren Gerichts-Zwang zu erweiteren suchen, wann gleich der ordentliche Criminal-Richter sich dahin einverstehen wollte.

Wie weit sich die Criminal-Gerichtsbarkeit auf die Civilia erstrecke?

§. 25. Wo die Criminal-Haupt-Sache selbst bereits anhängig ist, da muß auch die Causa accessoria puncto damnorum expensarum, Satisfactionis & Restitutionis, wie auch all andere incidenter mit einschlagende Civil-Neben-Puncta, ohne welchen sich die Criminal-Causa nicht wohl decidiren läßt, ob connexionem causæ abgemacht, und so viel die Schaden-Kösten oder Satisfaction betrift, keine Weitläufigkeit, minder eine Appellation gestattet werden, doch soll die Criminal-Obrigkeit hierinnfalls nicht selbst exequiren, sondern wo eine Execution vonnöthen ist, solche durch die Civil-Obrigkeit mittels Requisition verfügen.

Limitation.

§. 26. Ist aber obiger Civil-Puncten halber, die Sache schon vor erhobenen peinlichen Process bey dem Judicio civili per actionem civilem anhängig gemacht worden; so mag auch dasselbst so weit hierin verfahren werden, bis sich genugsame Proben oder Indicia zur Criminal-Inquisition, durch den Processum civilem hervorthun,

(78) welchen Falls die Causa samt denen Actis, alsogleich der Criminal-Obrigkeit übergeben, die Erkanntniß darüber erwartet, und sich sofort in der Execution des Civil-Punctens, so weit derselbe von dem Puncto criminali dependiret, allenthalben reguliret werden soll.

Wann in Judicio Civili sich Criminal-Quæstiones incidenter hervorthun?

§. 27. Dafern auch bey dem Civil-Gericht ein Criminal-Frage incidenter mit vorkommt; so mag dasselbe Gericht solchen Incident-Punct, so weit als es zur Entscheidung der Burgerlichen Haupt-Klage vonnöthen ist, in Richterliche Cognition nehmen, soll aber gleichwohl hierin nicht von Amts wegen und inquisitoriè verfahren, sondern durch die Parthey selbst, welche sich hierauf beziehet, dem Civil-Process gemäß die Probe führen lassen, sofort gestalten Dingen nach, gleichwohl dasjenige beobachten, was im nächst vorhergehenden §vo 26. geordnet worden.

Causa Criminalis soll regulariter vor der Civili ausgemachet werden.

§. 28. Obwohlen im übrigen auf jenen Fall, wo Criminal- und Civil-Quæstiones in einer Causa zusammen schlagen, regulariter allzeit die erste zuvor ausgemacht, und mit dem letzteren einsweilen supersediret werden soll; so leydet doch dieses seinen Absatz, wo die Civil-Quæstion præjudicirlich und so beschaffen ist, daß die Decision der Criminal-Frage davon abhanget.

Wann in dem Criminal-Process eine Causa Ecclesiastica mit einschlaget?

§. 29. Aeussert sich aber in Processu Criminali ein solcher Umstand, welcher an sich selbst Juris merè Ecclesiastici, und annebens auf vorgedachte Weise præjudicial ist, wie es in causis adulterii, bigamiæ, asyli, und dergleichen öfters zu geschehen pfleget; so soll der Geistlichen Obrigkeit hierinnfalls weder ex capite Præventionis vel Connexionis causæ, oder

(79) unter anderen Vorwand vorgegriffen, sondern derselbe Præjudicial-Punct zur vorzüglicher Ausmachung ad Consistorium remittiret, und der Bescheid von dort erwartet, in Causis dubiis aber, wo die Jurisdiction zwischen der Geist- und Weltlichen Obrigkeit zweifelhaft ist, ohne Bericht und Anfrage nicht verfahren werden.

Von dem Foro Criminali extraordinario.

§. 30. Von obbemeldten peinlichen Ordinari-Gerichts-Zwang seynd verschiedene Personen, insonderheit die Geistlich- Graduirt- und Adeliche, wie auch Soldaten und Academici, dann alle in Churfürstlichen Pflichten und Diensten stehende Bediente, und Hof-Schutz-Verwandte so weit ausgenommen, daß die Geistliche unter das Ordinariat jeder Diœcess oder ihre Oberen, Soldaten unter die Militar-Obrigkeit, eingeschriebene Academici unter dem Rector und die Universität, adelich- graduirt- und in Churfürstlichen Aemtern stehende Bediente, und Hof-Schutz-Verwandte aber, unter die Justiz-Dicasteria, um ihre Verbrechen willen gehören.

Wie gegen Personen, welche von dem Foro ordinario eximiret seynd, zu verfahren?

§. 31. Wo nun dergleichen eximirte Personen auf frischer That betretten werden; so mag sich jede Obrigkeit nach Gestalt des Verbrechens, wo Periculum Fugæ, oder sonst keine genugsame Caution vorhanden, ihrer Person wohl versichern; hat aber auch solchen Falls die Auslieferung alsofort an seine Behörde zu verfügen, und ist ferner derselben in loco delicti nicht verwehret, sich über die Beschaffenheit des Verbrechens, durch Einholung Gerichtlicher Erfahrung, bey denen ihren Gerichts-Zwang untergebenen Gezeugs-Personen zu informiren, damit selbe gleichfalls gehöriger Orten eingesendet werden möge.

(80) Von Geistlichen Delinquenten.

§. 32. Was die delinquirende Geistliche Personen in specie betrift, worunter auch jene zu zehlen seynd, welche bereits tonsuram & habitum clericalem angenommen haben, sollen sie in geringeren Verbrechen vermöge der Concordaten Borgschaft leisten, oder angeloben, daß sie sich derwegen bey dem Ordinario stellen wollen. In schweren Verbrechen hingegen, oder wo Periculum Fugæ obhanden, oder da sich ein unbekannter Geistlicher in weltlichen Aufzügen betretten läßt, ist der persönliche Arrest unbedenklich: doch sollen in der Auslieferung an das Ordinariat alle überflüßige Kösten, und Entunehrung Priesterlicher Würde vermieden, wie nicht weniger die Veranstaltung gemachet werden, daß der Verhafte in seinem Haus oder an seinen Gütern, wo er disfalls nicht selbst Vorsehung gethan, keinen Verlust oder Schaden leide. Das Gewehr aber, womit ein Geistlicher ergriffen wird, soll ihm von der Weltlichen Obrigkeit abgenommen werden; und wo Zweifel obhanden, ob der Delinquent ein Geistlicher seye oder nicht, ist mit der Auslieferung an das Ordinariat so lang, bis der angebliche Character seine Richtigkeit hat, zurück zu halten, und mit der Inquisition cumulativè zu verfahren, mithin der von dem Ordinariat deputirte Geistliche ad Examen mit beyzuziehen.

Von dem Foro Academico und Militari.

§. 33. Das Privilegium Fori Academici erstrecket sich nur auf jene Studenten, welche dem Catalogo Universitatis einverleibet seynd, und sich auch auf der Universität in Studiis würklich befinden. Dargegen haben sich weder gemeine Landfähnler und Provisoner, noch abgedankte oder auswärtige Soldaten, welche nicht in Churfürstlichen Sold und Pflichten stehen, des Fori militaris zu erfreuen.

(81) Eximirter Personen Complices seynd nichteximiret.

§. 34. Eximirter Personen Complices bleiben ebenfalls unter dem Foro Ordinario, sofern sie nicht ihrer Person halber, zu einen (!) gleichmäßigen Privilegium qualificiret seynd.

Causæ exemptæ.

§. 35. Endlich seynd auch von dem ordentlich-peinlichen Gerichts-Zwang, nicht nur die Militar-Verbrechen, sondern auch Delicta merè Ecclesiastica, desgleichen das Crimen Perduellionis, læsæ Majestatis, fractæ pacis publicæ & falsæ monetæ ausgenommen; immassen sich auch die mit dem Blut-Bann begabte Land-Stände nicht verwiedern mögen, den Process mit Vorwissen der Churfürstlichen Dicasterien zu führen, wo es der Churfürstliche höchste Befehl, aus besondern Ursachen also erheischen würde.

Zweytes Capitul,

Von der peinlichen Anklage, Denuntiation, und Inquisition.

Von dem Accusations- oder Anklags-Process.

§. 1. Ob es zwar wohl um die peinliche Anklage, wegen der hieraus gemeiniglich entstehenden schweren Feindschaften und anderer Ungelegenheiten, eine wagliche Sache seyn will, und dahero mehr von Amts wegen und inquisitoriè als accusatoriè verfahren zu werden pflegt; so ist doch derwegen der letztere Process nicht abgeschaffet, sondern es stehet jedermann frey, gegen einen Uebelthäter vor dem behörigen Criminal-Gericht um Sachen, welche an Leib oder Leben gehen, die peinliche Anklage zu stellen.

Personen welche nicht peinlich klagen mögen.

§. 2. Es werden aber hievon alle jene ausgeschlossen: 1mo Welche auch in Bürgerlichen Sachen personam

(82) standi in Judicio nicht haben. 2do Juden oder Unglaubige gegen Catholische Christen. 3tio Vasallen und Unterthanen gegen ihre Lehen- und andere Herrschaften. 4to Was de Jure civili im 6ten Grad verwandt, oder im 4ten verschwägert ist. 5to Wegen grosser Feindschaft, Armuth, und Unvermöglichkeit oder sonst in Puncto calumniæ verdächtige Leute. 6to Weibs-Personen, und Geistliche, ausser da es ihr, oder der ihrigen eigenes Interesse betrift, und annebens von der Geistlichkeit unter ausdrücklicher Protestation contra pœnam sanguinis, nur auf die Privat-Satisfaction und Restitution geklaget wird.

Wann mehr Ankläger vorhanden.

§. 3. Wo sich mehr Ankläger zu gleicher Zeit hervorthun, welche gemeinschaftliches Interesse oder sonst causam communem zusammen haben, werden alle für einen Mann geachtet, und sammentlich zugelassen. Ist aber schon einer zuvor kommen, oder von der Obrigkeit aus mehreren einer erwählet worden; so müssen die andere weichen, bis der erste von der Klage abstehet, oder an deren Fortsetzung verhindert wird. Welches jedoch allzeit nur von der nemlichen, nicht aber von unterschiedlichen Uebelthaten zu verstehen ist.

Wie die Klag beschaffen sey?

§. 4. Das Klag-Libell soll nicht articulatim, sondern summariè, jedoch dergestalt gefaßt seyn, daß das angeschuldigte Verbrechen mit allen Umständen sowohl was die That selbst, als des Thäters Person und die Complices betrift, nebst dem Ort, und der Zeit, wann und wo selbes ausgeübet worden, klar daraus erscheine. Den Tag und die Stunde ist der Ankläger zu benamsen nicht schuldig, es sey dann, daß der Angeklagte solches zu seiner Defension, um etwann die Negativam loci oder

(83) anderes erweisen zu können, begehren würde. Die Conclusion und das Petitum aber, soll nur in genere auf die verdiente Straff gestellet; mithin dißfalls alles der Richterlichen Ermäßigung überlassen werden.

Von der Caution des Anklägers.

§. 5. Die nach Römischen Recht erforderliche Subscription, auf die sogenannte Pœnam Talionis ist aufgehoben. Und soll der Ankläger statt dessen, hinlängliche Caution durch angenehme Bürgschaft oder Verpfändung seiner Güter, sowohl wegen Fortsetzung der Klage als behöriger Satisfaction und Abthuung aller Schäden, Kösten und erlittener Schmach in Casum Calumniæ præstiren, oder im Fall er quo ad Punctum Indemnisationis nicht damit aufkommen kan, so lang und viel in engen Arrest gehen, bis das angeschuldigte Verbrechen hinlänglich einbekannt oder sonst wahr gemacht ist: In öffentlichen Verbrechen aber, wo der Fiscus vi Officii Klage stellet, soll keine Caution erforderet werden. Höhere Standes-Personen oder ganze Gemeinden hingegen, seynd zwar von dem persönlichen Arrest dißfalls befreyet, sollen aber auf den Fall, da sie gegen den Beklagten mit genugsamer Caution nicht aufkommen können, einen Anwald stellen, der sich statt ihrer in das Gefängnuß begebe.

Von Anwaltschaften des Klägers und Geklagtens.

§. 6. Nach geleisteter Caution ist dem Kläger vergönnet, einen Anwald zu stellen, welcher sich jedoch desfalls mit einer Special-Vollmacht zu legitimiren hat. Auf Seiten des Beklagten aber, wird in Capital-Verbrechen gar keiner, in andern hingegen nur auf jenen Fall ein Anwald zugelassen, wann hinlängliche Caution geleistet werden mag.

(84) Von Beförderung des Anklags-Process, und dem Concursu accusationis & inquisitionis.

§. 7. Der Ankläger soll, wann er vermöglich ist, die nöthige Process-Kösten vorschiessen, im übrigen zwar mit seiner Anklage über die Gebühr nicht præcipitiret, dahingegen aber, demselben auch keine Aufzüglichkeit, Tergiversation oder geflissene Absentirung gestattet werden, und gleichwie die rechtliche Anklage durch den bereits angefangenen Inquistions-Process nicht ausgeschlossen wird, also auch soll durch den Accusations-Process das Officium Judicis inquisitorium nicht cessiren, sondern vielmehr durch Letzteres ersetzet werden, was der Kläger seines Orts ermanglen läßt.

Von der Indemnisation des Beklagtens

§. 8. Ist nun der Angeklagte am Ende unschuldig befunden worden, so soll ihm der Kläger nicht nur alle Kösten, Schaden und Schmach abthun, sondern er verfällt auch der Obrigkeit in die Straff, welches jedoch bey dem Fisco oder von Amtswegen bestellten Klägern, wie auch, wo redlich- und erweisliche Indicia in der Klag beygebracht worden, seinen Absatz leydet.

Uebriger Unterscheid unter dem Anklags- und Inquisitions-Process.

§. 9. Im übrigen ist zwischen dem Accusations- und Inquisitions-Process kein anderer Unterscheid, ausser welcher in folgenden Capituln annoch besonders angemerket worden.

Von der Denunciation.

§. 10. Blosse Gerichtliche Denunciationes, welche entweder von Amtswegen durch bestellte Aufseher und Officiales oder andere zu geschehen pflegen, seynd für keine Anklage, sondern vielmehr für eine Erinner- oder Aufweckung des Richterlichen Inquisitions-Amts zu halten. Und derwegen ist auch kein Denunciant schuldig Caution zu leisten, viel weniger

(85) mag er mit Arrest beleget, oder wann sich die That nicht bezeiget, pro Calumniatore angesehen werden. Dahingegen soll derselbe in den behörigen Schranken einer rechtmäßigen Denunciation verbleiben, und den Denuncianten in seiner schrift- oder mündlichen Angabe nicht gleich selbst, z. E. einen Schelmen, Dieb, Mörder, Ehebrecher, Falsarium und dergleichen benennen, sondern nur lediglich das reine Factum und die Indicia des angeblichen Verbrechens an die Hand geben, und wie weit sofort der Denunciant hierinnfalls schuldig seyn möchte, der Richterlichen Dijudicatur allein überlassen. Ausser dessen soll ein solch gefährlicher Denunciant, sonderbar wann er nicht ex Officio dazu bestellet ist, wie ein Ankläger zur Prob angehalten, und nach erfundener Unschuld des Denunciati, nicht nur mit unnachläßiger Straff angesehen, sondern auch zu billigen Abtrag aller Schäden, Kösten, und Schmach condemniret werden; indem aus dergleichen Anzeigen klar erscheinet, daß sie mehr aus unchristlichen Haß und anderen Absichten, als aus Lieb des gemeinen Weesens oder von Amts wegen geschehen seye.

Von Communication der Denunciation.

§. 11. Damit aber auch aus einer rechtmäßigen Denunciation so leicht kein Injurien-Process oder andere Ungelegenheit entstehe, sonderbar da es Personen von besserer Condition betrift; so soll dieselbe andergestalt nicht als extractivè und ohne Benennung des Denunciantens communiciret, sofort, wann anders die Sache auf eine Special-Inquisition qualificiret ist, gleichwohl weiter von Amts wegen und Ordungs-mäßig hierinn verfahren werden.

Von der General-Inquisition.

§. 12. Die peinliche Inquisition oder von Amts wegen

 

(86) beschehene Nachforschung, eines begangenen Verbrechens, ist mit der blossen Gerichtlichen Erfahrung, welche auch in kleineren Frevlen und Hofmarchs-Wändlen, von jeder Obrigkeit ohne Beeydigung von Gezeugen ex Officio vorgenommen zu werden pfleget, nicht zu vermischen, und wird Generalis genannt, da man auf ein Verbrechen nachforscht, ohne daß derwegen schon eine gewisse Person angegeben, oder in Argwohn ist.

Richterliches Amt bey der General Inquisition

§. 13. Zuforderist kommt es bey der General-Inquisition darauf an, daß sich die Obrigkeit, wann derselben von einer begangenen Uebelthat glaubwürdige Anzeige geschiehet, erkundige, ob die angezeigte That würklich verübet worden, welches zu Latein investigatio corporis delicti genannt wird, wovon im nächstfolgenden Capitul mit Mehrern nachzusehen ist.

Absicht der General-Erfahrung

§. 14. Nebst dem Corpore delicti, hat die Obrigkeit bey der General-Erforschung auch dahin zu sehen, wie und von wem das Verbrechen begangen worden, beides pfleget theils aus dem Corpore delicti selbst, und denen hierbey sich äusserenden Merkmahlen, theils aber durch die eingeholte Erfahrung und Gezeugen-Aussage entdecket zu werden, wo nicht die That ohnehin schon offenbar ist, oder der Thäter sich selbst bey Gericht deswegen angegeben hat, welchen Falls die Erfahrungs-Einholung nur dahin abzielet, damit man die rechten Umstände, auch ob und wie weit sich die That Dolo, Culpa vel Casu zugetragen habe, dadurch ergründe.

Præcaution bey Einholung der General-Erfahrung

§. 15. Es ist aber bey Einziehung der Erfahrung behutsam zu verfahren; damit nicht eben bey jenen, welche die That selbst begangen oder Antheil daran haben,

(87) mit der Zeugen-Verhör der Anfang gemacht, die unpartheyische Gezeugen aber, so von der Sache den rechten Grund haben, etwa übergangen werden, durch welche Uebereilung manchmahl schwerer Meineyd veranlasset, und unschuldige Leut in grossen Verdacht, Unglück und Schaden gebracht werden, zu dessen Verhütung man sich vor allen wohl erkundigen soll, wer aus den Benachbarten die That gesehen, oder sonst die meiste Kundschaft davon haben möchte.

Auf die Untüchtigkeit der Gezeugen ist bey der General-Inquisition ebe(n) nicht vil zu sehen.

§. 16. Uber die Tüchtigkeit der Gezeugen, hat man sich bey der General-Inquisition eben so sehr nicht aufzuhalten; massen auch untüchtige Gezeugen soweit hierbey dienen können, daß sie mittels ihrer Aussage den Richter auf die rechte Spur bringen, und genugsamen Anlaß zur weiteren Information an die Hand geben mögen, wie dann in heimlichen oder solchen Verbrechen, welche kein Merkzeichen hinter sich lassen, meistentheils fast unvermeidlich ist, den Process von Vernehmung der Hausgenossenen befreundt- oder verschwägerter Personen anzufangen.

Wie die Gezeuge(n) bey der General-Inquisition zu verhören?

§. 17. Endlichen sollen bey sothaner General-Inquisition die Gezeugen auf keine gewisse Person, sondern nur in genere, ob sie den Thäter nicht wissen, oder auf jemand billigen Verdacht haben, befraget, im übrigen aber gleichwohl jenes hierbey beobachtet werden, was unten Cap. 5 von denen Gezeugschaften, und deren Verhör verordnet worden.

Wann mit der General Inquisition abzubreche(n).

§. 18. Zeiget sich nach all angewendeter Mühe und Nachforschung, daß entweder gar kein Uebelthat verübet worden, oder wenigist kein Dolus oder Culpa

(88) dabey vorgegangen sey; so ist mit weiterer Inquisition abzubrechen, und wird in dubio allzeit mehr gegen als für das Verbrechen präsumiret.

Von der Special-Inquisition.

§. 19. Wann sich aus der General-Inquisition, gegen eine oder mehr gewisse Personen genugsamer Verdacht des begangenen Verbrechens hervorthut; so greift alsdann die Special-Inquisition Platz, und kan die verdächtige Person über die vorkommende Indicia mittels gestellter Fragstücken, nach Maaßgab folgenden 7ten Capituls constituiret werden.

Anfang der Special-Inquisition.

§. 20. Wie nun in Judicio Civili der Streit zwischen denen Theilen, erst alsdann seinen Anfang nimmet, wann Lis beyderseits contestiret worden; also auch fanget in Judicio Criminali der Inquisitions-Process von Zeit des ersten Constituti und Examinis an, und hat obverstandener massen die blosse Citation keine andere Würkung, als daß respectu anderer mit concurrirender Obrigkeiten die Jurisdiction dadurch præveniret wird.

Bedenklichkeit derselben.

§. 21. Dieweil es aber um jetzt gedachte Special-Inquisition, eine sehr beschwerlich- und nachtheilige Sache ist: indem der Inquisit nicht nur dadurch in üblen Nachklang gesetzet, sondern auch während derselben von allen Aemtern, Ehrenstellen, Zünften und Umgang ehrbarer Leuten ausgeschlossen, und zur Gezeugschaft untüchtig gemacht wird; so sollen sich die Obrigkeiten mit Vornehmung des ersten Constituti oder Examinis nicht übereilen, sondern folgende Requisita hierunter wohl in Obacht nehmen.

Was hierzu erforderlich.

§. 22. 1mo In kleineren Frevlen oder Verbrechen, welche keine Criminal-Straff nach sich ziehen, soll

(89) man die Special-Inquisition unterlassen, und statt der Inquisitional-Articklen oder Fragstücken nur summarische, oder nach Beschaffenheit der Person schriftliche Vernehmungen pflegen. 2do In peinlichen, zumahl schweren Verbrechen aber, soll vor Antrettung der Special-Inquisition, gegen den Constituendum, wenigist ein Indicium remotum vorhanden seyn, und da derselbe 3tio eine sonst ehrlich, unverschreyt, oder genugsam angesessene Person ist; so soll man ihm die Indicia nicht zwar in extenso, sondern extractivè communiciren, auch auf Begehren allenfalls die Namen der Gezeugen, ohne jedoch zu melden, was dieser oder jener in specie ausgesagt, nur in genere eröfnen, und sofort seine schriftliche Antwort und Nothdurft hierüber vernehmen. Könte sich nun 4to derselbe nicht genugsam purgiren, und die wider ihn vorkommende Indicia ableinen, oder wenn dieselbe etwann so stark, und die Sach so beschaffen, daß nach Vorschrift des sechsten Capituls, gleich mit der Inhaftirung angefangen werden mag; so ist obbemeldte vorläuffige Communication unnöthig, sondern es kan gegen den Captivirten alsogleich mit dem Examine über förmliche Interrogatoria oder Articulos, verfahren werden.

Wann sich der Thäter selbst angibt?

§. 23. Hätte sich aber der Thäter selbst freywillig angegeben; so solle er auf sothane Angab gefänglich angenommen, mithin auch über ordentliche Interrogatoria constituiret und mit der Special-Inquisition weiter gegen ihn verfahren werden.

Inquisition ligt der Obrigkeit ob, soll aber mit Behutsamkeit vorgenommen werden.

§. 24. Obwohlen im übrigen dem gemeinen Wesen viel daran gelegen ist, daß die Uebelthaten nicht ungestrafft verbleiben, und dahero auch jeder Obrigkeit mit all gebührenden Fleiß ex Officio darauf zu

(90) inquiriren, bey Vermeidung schwerer Straff und Verantwortung obliegt; so soll doch hingegen auch alle unnöthige Weitläuftigkeit hierunter vermieden, und wo es um kein Capital-Verbrechen oder Essential-Umstände zu thun ist, an entfernte Ort oder ausser Lands nicht leicht derwegen geschrieben, desgleichen all obige zur Special-Inquisition erforderliche Prærequisita um so fleißiger observiret werden, als im widrigen Fall nicht nur Nullius Processus daraus erwachset, sondern auch dem Inquisiten der zugefügten Schäden, Kösten, und Unbild halber, der gebührende Regress gegen die Obrigkeit bevorstehet.

Drittes Capitul,

Von Erfindung der Uebelthat, zu Latein Corpore Delicti.

Nothwendigkeit des Corporis Delicti und wie solches zu erheben.

§. 1. Nachdem das Corpus Delicti gleichsam der Haupt-Grund-Stein ist, worauf die ganze peinliche Inquisition beruhet, und ohne welchen auch weder eine freywillige Bekantnuß noch Ueberweisung zur Todes-Straff erklecklich seyn mag; so soll die Obrigkeit, so viel immer möglich und nach Beschaffenheit jeder Sache seyn kan, die Gewißheit hierinn zu erlangen sich befleissen, und solche entweder durch lebendigen Augenschein, oder da die That heimlich begangen worden, keine sichtbare Fußstapfen nach sich läßt, oder sonst schwer zu erweisen ist, durch redliche Anzeigungen und die mit beyden übereinstimmende Erfahrung zu ergründen trachten.

Corpus Delicti in Todschlagen überhaupt.

§. 2. Der lebendige Augenschein ist sonderbar bey Todschlägen vonnöthen; wann dahero der Obrigkeit ein solcher Fall angezeiget wird; so soll sie sich

(91) 1mo alsogleich selbst an den Ort, wo die That verübt worden oder der Cörper liegt, verfügen, und denselben in Gegenwart eines unpartheyischen Medici, wo einer vorhanden, und à loco Judicii nicht zu weit entfernet ist, durch zwei Bader eröfnen lassen; sofort dieselbe über die Lethalität oder Heilbarkeit der zugefügten Wunden, mit deren umständiger Beschreibung und ausführlichen Gutachten vernehmen. Kommen nun 2do besagte Arzney-Verständige in ihrer Aussage dahin übereins, daß die Wundern sehr schwer oder gar nicht zu curiren gewesen; mithin der Entleibte nicht wegen übler Cur und schlechter Wart, oder anderer dazu geschlagenen Simptomatum halber, sondern von der Wunden gestorben seye; so hat das Corpus Delicti hierinn seine Richtigkeit, und ist auf die Kürze oder Länge der Zeit, wann der Tod erfolget nicht mehr zu sehen. Damit aber 3tio alle Partialität und Vermäntlung hierunter destomehr vermieden bleibe; so soll das ganze Visum repertum in Gegenwart der Obrigkeit und zweyer Gezeugen vorgenommen, diese sowol als die zwey Bader beeydiget, und ihre Aussagen, was sie dabey vorgenommen, protocolliret; sofort auch von dem Medico nach vorläuffiger Erinnerung seiner Pflichten, oder wann er noch nicht verpflichtet ist, auf seinen Eyd eine umständige Relation erfordert; und wo dissentirende Meinungen obhanden, das Collegium Medicum gutachtlich vernommen, und denen mehreren Stimmen desselben Platz gegeben werden. Im Fall auch 4to der todte Cörper bereits begraben, und der Ort der Begräbnuß durch den Thäter selbst, oder sonst ausfündig gemacht ist; so soll derselbe, wann es anderst nicht schon zu lang angestanden ist, ausgegraben, und das Visum repertum auf obige Weise erholet werden. In offenbaren

(92) und augenscheinlichen Thaten, z. E. jemand gleich auf der Stell knall und fall entleibt wird. ist zwar 5to die Besichtigung des Cörpers ebenfalls nicht ausser Acht zu lassen, wann es aber gleichwohl unterblieben, so entstehet hieraus keine Nullität. Desgleichen, wann 6to jemand heimlicher Weis umgebracht, und in das Wasser geworffen, der todte Cörper verbrannt, vernichtet, oder in andere Weeg gänzlich aboliret worden; so bedarf es ebenfalls keines Visi reperti, sondern ist genug, daß die Person abgängig, und die Bekanntnuß mit glaubhaften und durch die Erfahrung verificirten Umständen begleitet ist, welches auch 7mo bey verschreyten Mördern zu beobachten kommt, sonderbar da sich schon ein oder andere Mord-That würklich auf sie bezeiget hat. Dieweil man auch endlich 8vo öfters eine todte Person findet, ohne zu wissen, ob sie sich selbst entleibet, oder von andern entleibt worden, oder von ungefehr um das Leben gekommen seye; so soll das Visum repertum, zumahl wann sich Zeichen eines gewaltsamen Todes dabey spüren lassen, vorgenommen, und im Fall die Person nicht bekannt ist, etliche Tage auf dem Gottsacker oder anderen öffentlichen frequenten Ort beygesetzet, sohin sich über alle bedenkliche Umstände, sonderbar jene, in welchen sie die tod gefundene Person kurz vorhero befunden haben mag, wohl erkundiget werden.

In Vergiftungen.

§. 3. Bey Vergiftungen, woraus der Tod erfolget, sollen nicht nur die Arzney-Verständige nach eingeholtem Viso reperto über die von dem Thäter einbekannte Quantität und Qualität des beygebrachten Gifts, auch ob und wie weit nemlich der Tod daraus erfolget seye, sondern auch die von des Verstorbenen

(93) Zustand Wissenschaft habende Gezeugen, vernommen werden, wie er sich nemlich vor dem Tod gebärdet, und was für Zeichen er von der innerlichen oder äusserlichen Vergiftung habe spüren lassen. Wann aber der Tod nicht daraus erfolget, so soll man sich nicht nur über die Beschaffenheit des beygebrachten Gifts, und ob solches an sich tödlich gewesen, sondern auch über die Umstände der Beybringung selbst, und was für Würkungen der Vergiftete darüber gespüret habe, erkundigen.

In dem Kindesmord.

§. 4. Bey dem Kinds-Mord soll man, wann der todte Cörper noch vorhanden ist, zwar ebenfalls auf das Visum repertum den Bedacht nehmen. Wie es aber gleichwohl keiner grossen Gewalt zu Ertödtung eines Kindes bedarf; so ist nicht nöthig, daß man sichtige Wundmahlen daran wahrnehme, daferne nur die Ermordung des lebendigen Kindes mit wahrscheinlichen und dem Viso reperto nicht öffentlich entgegen lauffenden Umständen einbekannt wird. Im Fall aber der todte Kinds-Cörper dem Vorgeben nach an ein unbekanntes Ort vergraben, in das Wasser, den Kalk, oder den Schweinen vorgeworffen, oder sonst vertilget worden; so ist sowohl bey heimlichen als anderen Niederkünften pro Corpore Delicti, genug, wann nebst Bekanntnuß sich entweder von der Geburt und Niederkunft an Ort und Ende, wo solche geschehen, oder von der gewesten Schwangerschaft durch die Visitation der Hebammen, oder sonst derley vernünftige Anzeigungen des verübt- und eingestandenen Kinder-Mords, oder der verhüllten Niederkunft hervorthun.

In Abtreibung der Leibesfrucht.

§. 5. Die nemliche Bewandnuß hat es bey Abtreibung

(94) der Leibes-Frucht, wann die Mutter gestehet, daß solche nach halber Zeit und empfundener Kinds-Rührung mit allem Fleiß geschehen, und das Kind todt zur Welt gekommen sey, sich auch aus dem viso reperto kein Widriges bezeigt; oder da die Leibes-Frucht bereits vertuscht worden, sowohl von der Schwangerschaft als Abtreibung genugsame Indicia vorhanden, und über dieses die gebrauchte Arzney und Abtreibungs-Mittel, respectu der Kinds-Mutter und derselben Leibes-Constitution, so beschaffen gewesen, daß nach gleichmäßigen Gutachten der Medicorum, erwehnte Leibes-Frucht dadurch abgetrieben und ertödtet werden mögen.

In Raubereyen und Diebstählen.

§. 6. In Raubereyen und Diebstählen, wird das Corpus Delicti 1mo durch eydliche Aussage derjenigen, welche beraubt und bestohlen worden, oder sonst gute Wissenschaft davon haben, erhoben, und ist nicht nöthig, deswegen ad locum selbst zu gehen, und denselben zu beaugenscheinigen, ausser wo die That noch ganz frisch, der Ort nahe an der Hand und die Sache so beschaffen, daß die Grösse der verübten Gewaltthat und die Gefährlichkeit des Diebstahls leichter daraus zu erkennen seyn mag. Im Fall auch 2do die Rauber und Diebe von ihren Diebs-Instrumentis, Gewehr, und Waffen oder anderen ihren Sachen in loco Delicti etwas zurück lassen, soll solches zu Obrigkeitlichen Händen gebracht, besichtiget und beschrieben werden, damit, wann der Dieb dergleichen Dinge für sein Eigen erkennet, man von der Wahrheit seiner Bekanntnuß nur destomehr versichert seye. Bey reiterirten Diebstählen, müssen sich 3tio alle drey Angriffe aus der eydlichen Erfahrung verificiren. Wofern ex capite reiterationis triplicis

(95) auf die Pœnam ordinariam gesprochen werden solle. In furto simplici aut duplici, wo die Pœna ordinaria eine gewisse Summam erfordert, muß 4to die entwendete Sach, falls sie in natura noch vorhanden und leicht zu haben ist, durch beeydigte und unpartheyisch verständige Schätz-Männer taxiret, oder da sie nicht mehr bey Handen, der Bestohlene selbst zur eydlichen Taxation des erlittenen Schaden gelassen, auch ihme hierinfalls vollkommener Glauben beygemessen werden. Dafern nun 5to der Beschädigte vor der Taxation stirbt, oder den Werth der entwendeten Sach selbst nicht gewiß und positivè, sondern nur zweifelhaft und ungewiß angiebet, oder der einbekannte Diebstahl und Raub aus der Erfahrung überhaupt nicht klar genug erscheinet; so wird das Corpus Delicti für mangelhaft gehalten, und greift mithin Pœna ordinaria gegen den Confessum nicht Platz, ausgenommen 6to die verschreyt oder in Diebs-Charten beschriebene Land-Diebe, Rauber, und Vaganten, bey welchen der üble Ruff, Leumuth und verdächtige Lebens-Art pro Corpore Delicti dienet, folglich an ihrer Bekanntnuß kein Anstand zu nehmen ist. Desgleichen ist 7to bey angehenden Beutelschneidern, und Säckel-Greiffern oder Strassen-Raubern, ob sie schon deswegen noch nicht verschreyt oder beschrieben seynd, keine Nothwendigkeit, die von ihnen bestohlene Person namentlich und in individuo zu wissen, sondern es ist erklecklich, wann selbiger Orten, wo sie verbrochen zu haben einbekennen, die Rede von dergleichen verübten Thaten gegangen, sich derwegen ein oder ander Person würklich beschwert, oder sonst dergleichen wahrscheinlich Muthmassung von der einbekannten That geäussert hat. Sollte auch 8vo von einem Kirchen-Dieb eingestanden werden,

(96) daß er Geld aus denen Opfer-Stöcken gefischet, so bedarf man aus der Erfahrung eben keine Summam, sondern nur so viel zu wissen, ob sich an dem Opfer-Stock mittels des anklebenden Leims, oder sonst ein Zeichen des angeblichen Fischens oder Erbrechens bezeige; und da sich endlich 9no bey einbekannten mehrern Angriffen, bereits einige oder so viel, als ad Pœnam ordinariam vonnöthen, aus der Erfahrung sattsam zu Tag geleget haben, hat man sich bey denen übrigen mit dem Corpore Delicti ohne anderer erheblicher Ursache, länger nicht aufzuhalten.

In fleischlichen Sünden.

§. 7. In fleischlichen Sünden soll das Corpus Delicti, durch die beyderseitige Confession ausgemacht werden, ausgenommen, welche mit Stummen oder Tauben, so des Lesens oder Schreibens nicht kundig seynd, oder Unmündig- Unsinnig- Schlafend- Betrunken- Geistlichen, oder gar mit todten Körpern, oder dem Vieh ausgeübet worden, oder wo der andere Theil bereits verstorben, oder sonst schwer zu erfragen, oder Land-abwesend ist, da dann die abgängige Bekanntnuß des andern Theils durch starke Anzeigungen und Conjecturen ersetzet werden mag. Nebst der beyderseitigen Confession mag sich die Obrigkeit in denen Blut-Schanden über den Grad und die Linie der angeblichen Anverwandt- oder Schwagerschaft; in doppelter Vereheligung aber, sowohl wegen der letztern Einseegnung, als ob der verlassene Ehe-Theil damals noch bey Leben gewesen, und in der Nothzucht über die Beschaffenheit der zugefügten Gewaltthat, durch eydliche Erfahrung, und gestalten Dingen nach, mittels vornehmender Visitationen genugsam erkundigen und sicher stellen.      

(97) In anderen Verbrechen.

§. 8. Bey falschen Geld-Münzern ist nicht nur nach dem Werkzeug zu greiffen, sondern auch die Sorte der angeblichen falschen Münze selbst zu Handen zu bringen, und solche durch Münz-Wardein oder andere Verständige probiren zu lassen, annebens sich des daraus entstandenen Schadens bey jenen, welche dadurch betrogen worden, Obrigkeitlich zu informiren. Imgleichen bey Mordbrennern, der abgebrannt- oder angesteckte Ort zu beaugenscheinigen, und der Schaden taxiren zu lassen; die durch Aberglauben, Hexerey, Ketzerey, Verfälsch- oder Vergewaltigung und dergleichen beschädigte Personen, eydlich zu vernehmen; sofort auch in anderen Verbrechen, über die sowohl von denen Gezeugen und Denuncianten als dem Inquisiten selbst, an Hand gegebene Haupt-Facta und Umstände, eine solche fürsichtige Untersuchung zu pflegen, damit kein Schuldiger sich so leicht durch hartnäckiges Ablaugnen aushelffen, hingegen aber auch kein Unschuldiger entweder aus Furcht der Tortur, Verzweiflung, Melancholie, Verdruß des Lebens, und anderen dergleichen Ursachen, mittels falscher Bekanntnuß, sich selbst den Hals abreden könne.

Visitations-Vornehmung.

§. 9. Wo nun in obigen Fällen eine Haus- oder andere Visitation vonnöthen ist, soll solche allzeit von der Obrigkeit selbst, oder gestalten Dingen nach, durch Peritos in arte vorgenommen, wegen Gefahr des Unterschubs oder Verhelung aber, niemahls denen Schergen oder Gerichts-Dienern allein committiret werden.

Durch was für eine Obrigkeit?

§. 10. Nebst dem gebühret auch die Visitation oder das Visum repertum der Criminal-Obrigkeit des Orts,

(98) wo der entseelte Körper, oder die Sach liegt, doch dergestalten, daß der anderen Obrigkeit, wo die Inquisition formiret wird, auf Begehren die nöthige Communication davon zu geben ist.

In Pœnis extraordinariis ist das Corpus Delicti eben nicht so nothwendig.

§. 11. Gleichwie im übrigen das Corpus Delicti auf obverstandene Weis nur in jenen Fällen, wo es an das Leben gehen soll, unumgänglich erforderlich ist; also hingegen mag mit geringeren Straffen auf die blosse Bekanntnuß oder Ueberweisung wohl verfahren werden, und hat man sich hierinfalls mit mehr erwehntem Corpore Delicti, sonderbar, wo solches nicht gleich in der Nähe und ohne Weitläuftigkeit eingeholet werden kan, nicht lange aufzuhalten.

Viertes Capitul,

Von denen Anzeigungen, zu Latein Indiciis Delicti.

Nothwendigkeit der Anzeigungen.

§. 1. Ohne rechtmäßigem Indicio eines begangenen Verbrechens, soll nicht nur mit keiner Inhaftirung, Tortur oder Straff, sondern obverstandener Weis nicht einmahl mit der Special-Inquisition gegen jemand verfahren werden; immassen hieraus eine solche unheilbare Nullität entspringet, daß dem Inquisiten die auf diese Weis von ihm erhaltene Bekanntnuß, wann selbe nicht durch ganz neu vorkommende hinlängliche Behelf bestättiget und wiederholet wird, nicht schädlich seyn mag.

Was die Indicia seynd?

§. 2. Die rechtmäßige Anzeigungen aber, seynd lauter solche Umstände, welche sich bey dem Verbrechen gemeiniglich einfinden und eine durch die Vernunft leicht begreifliche Connexion damit haben, sofort

(99) auf das Verbrechen selbst einen wahrscheinlichen bündigen Schluß an die Hand geben.

Indicia seynd remota vel proxima, oder blosse Adminicula.

§. 3. Je leichter und begreiflicher nun sothane Verknüpfung in die Augen leuchtet, je näher und wahrscheinlicher ist das Indicium. Dahero auch die Anzeigungen zweyerley seynd, nemlich die sehr nahe oder weitschichtige, zu Latein Indicia proxima & remota, welche beede auch zuweilen mit verschiedenen Adminiculis, oder Behelffen unterstützet werden.

Indicia generalia remota.

§. 4. Obwohlen nun die Umstände aller und jeder Verbrechen unzehlbar seynd, und sich mithin weder proxima noch remota so leicht specificiren lassen, auch zuweilen durch allerhand Neben-Umständ eines in das andere zu degeneriren pfleget, und das Meiste davon ad Arbitrium Judicis ausgestellet bleibet; so seynd doch, so viel die Remota betrift, unter anderen folgende Gleichnuß-weis zu beobachten. 1mo Da man bey unpartheyischen ehrlichen Leuten, schon vor der Inquisition liederlichen Lebens-Wandel halber, schlecht beschrieben oder wohl gar in der nemlichen Gattung des Verbrechens übel berichtiget ist. Oder da man wenigist 2do mit dergleichen beschreyten liederlichen Leuten, ohne Noth und erheblicher Ursach, Umgang und Gemeinschaft pfleget. 3tio Da man mit dem beleidigten Theil, in unversönlichen Haß und Capital-Feindschaft stehet, oder demselben 4to die nemliche Missethat vorhero gewunschen, bedrohet oder sonst zu Ausübung derselben einige Ursach gehabt hat. 5to Da man mit der vorhandenen Beschreibung des Thäters in der Person, seinen Eigenschaften oder anderen Dingen übereinsstimmet. 6to Sich an dem Ort der verübten Missethat,

(100) oder nicht weit davon auf eine verdächtige Weis betretten läßt. 7mo Auf Gerichtliches Befragen variiret, oder Unwahrheiten einmischet. 8vo Vor oder nach der General-Inquisition entweichet, oder sich wenigist zur Flucht anschicket. 9no Da man die gewöhnliche Tracht schnell verändert, sich ungewöhnlicher Weis vermummt, unsinnig anstellt, bey der Missethat einen Zuschauer abgibt, und wo es wohl seyn kan, nicht abwehrt, oder sich sonst in Reden oder Gebärden dergestalt äussert, daß man die Theilnehmung des Verbrechens daraus abnehmen kan, und dergleichen.

Indicia generalia proxima.

§. 5. Unter die sehr nahen Indicia wird ebenfalls nur Gleichnuß-weis gezehlet, da man 1mo solche Sachen, womit oder woran das Verbrechen verübet worden, verdächtiger Weis und ohne einen rechtmäßigen Gebrauch oder Ankunfts-Titul davon erweisen zu können, bey sich finden läßt, oder damit handlet. 2do Da an dem Ort der Uebelthat eine dem Inquisiten zugehörige Sach gefunden wird, und derselbe nicht zeigen kan, daß er solche schon vor der Zeit verübter Missethat nicht mehr gehabt, sondern verlohren, verkauffet, verschenket, oder weggegeben habe. 3tio Da man die That in Specie bereits aussergerichtlich eingestehet, oder sich derselben gar berühmet, und zwar mit solchen Umständen, welche keinen Scherz, Irrthum, Pralerey, Zwang, Furcht, Unbedachtsamkeit und dergleichen anzeigen. 4to Da man den beleidigten Theil um Verzeihung bittet, sich mit ihm, dessen Vertrettern, oder Denuncianten und Anklägern freywillig und ohne Protestation, daß solches nur pro redimenda vexa geschehe, zu vergleichen suchet. Oder 5to vor der That jemand um Beyhülf angehet, oder sich selbst hierzu anerbietet,

(101) sich bald nach erschollener Missethat oder angefangener Inquisition, in die Freyung begibt oder aus dem Staub macht. 6to Da man dem Missethäter wissentlichen Unterschleiff gibt, aushilft, oder in andere dergleichen Weege demselben gefährliche Förderung, Rath, Beystand thut, oder Theil daran nimmt. 7mo Da man entweder gar keine, oder keine positivè Antwort auf Obrigkeitliches Constitutum ertheilet, sich das Juramentum Purgatorium nicht abzuschwören getrauet, oder währendem Process den Arrest violiret, oder gar ausbricht, oder die Gerichtliche Bekanntnuß widerruffet, ohne den angeblichen Irrthum oder andere tüchtige Widerruffungs-Ursach wahr machen zu können. 8vo Da durch legale und dem folgenden fünften Capitul durchgehends conforme Aussage eines einzigen tüchtigen Gezeugens von der begangenen Missethat ein halber Beweis vorhanden ist. Und endlich macht auch 9no die Aussage des Damnificati oder Complicis, auf dem Fall ein Indicium proximum aus, wann der Gravirte ohnehin schon von schlechten Leumuth, oder der beschuldigten Missethat in anderweeg verdächtig; annebens die Aussage nicht nur mit einem Jurament bestättiget, sondern auch ausser der Damnification oder Complicität keiner anderen Rechts-erheblichen Ausstellung unterworfen ist. Was aber erforderet wird, wann durch Damnificatos oder Complices eine vollkommene Ueberweisung geschehen soll, ist unter Cap. 5. §. 9. Num. 10. enthalten.

Indicia specialia proxima.

§. 6. Nebst vorbemeldten Indiciis proximis & remotis, welche sich fast auf alle Verbrechen insgemein erstrecken, seynd auch folgende Indicia proxima bey einigen Verbrechen zu merken; und zwar 1mo in dem Laster der Hexerey, da man andere hierinn

(102) zu unterrichten sich erbietet, oder mit solch verdächtigen Sachen, Gebärden, Worten und Wesen umgehet, welche Zauberey auf sich tragen. 2do In Todschlägen, da man kurz nach der That mit blutigen Waffen oder dergleichen Kleidung gesehen wird, oder des heimlichen Ermordeten Haab bey sich finden läßt, oder den todten Körper vertuschet, heimlich begrabet, und von all diesem keine andere glaubliche Ursach darzuthun vermag. 3tio In dem Kinds-Mord, da man an einer sonst leichtfertig- und verdächtigen Weibs-Person, durch die Milch in denen Brüsten, schnelle Verlierung des an ihr wahrgenommenen grossen Leibs, oder in anderweeg wahrscheinliche Zeichen von ihrer ehemahligen Schwangerschaft hat; und dieser Argwohn bey vornehmender Leibes-Besichtigung, durch die Hebammen noch mehr bestättiget wird, auch zu Ableinung dessen kein anderer natürlicher Leibes-Defect, oder glaubliche Ursach sich bezeigen will. 4to In Vergiftungen, da man ohne erheblicher Ursach tödtliches Gift erhandlet, heimlicher Weis etwas in die Speise wirft, und davon zu essen weigert, oder denen Medicis auf Begehren die gebrochene Materiam verhält, den Leichnam vertuschet, und die Inspection dadurch hindert, sich auch nebst dergleichen Anzeigen nicht nur bey dem Viso reperto genugsame Zeichen von einer Vergiftung äussern, sondern auch aus der Erfahrung erhellet, daß man grossen Haß auf den Vergifteten oder von dessen Tod merklichen Vortheil zu hoffen gehabt. 5to In fleischlichen Sünden, ungebührliche Betastungen, und bedenklicher Umgang, sonderbar an abseitig- und versperrten Orten, oder nächtlicher Weil. 6to In der Nothzucht, da die geschwächte Weibs- Person gleich nach der That die Gerichtliche Anzeige

(103) thut, und solche nicht nur mit cörperlichen Eyd, sondern auch mit ein oder anderen wahrscheinlichen Umstand zu bestärken weiß. 7mo In Crimine residui, Unrichtigkeit in Verfassung der Rechnungen und Manualien, unbegreiflich-geschwinder Reichthum, oder übermäßiger Aufwand unbemittelter Personen; welch letztere zwey Indicia, auch 8vo in Diebstählen Platz greiffen; und endlich 9no in der Verrätherey, ungewöhnlich- und verdächtiger Umgang, oder Correspondenz mit dem Feind.

Behelf oder Adminicula.

§. 7. Jene Umstände aber, welche zwar auch öfters bey einem Verbrechen einzutreffen, aber gar vielmahl zu betrügen pflegen, und keine so nahe Verknüpfung wie obige Indicia proxima & remota damit haben, machen für sich selbst keine rechtmäßige Anzeigung aus, sondern seynd nur blosse Behelf oder Adminicula, und würken so viel, daß ein bereits vorhandenes Indicium dadurch gestärket, oder geschwächet werde, wohin dann unter anderen all jenes gehöret, was von der Physognomie, Geburt, Nation, Herkunft, Anverwandtschaft, Profession, Religion, Leibes-Zeichen, Gemüths-Beschaffenheit, Veränderung der Farb des Angesichts, stammlender Sprach, wie auch von Zittern, Beben und dergleichen herrühret.

Verwerfliche Indicia oder Adminicula

§. 8. Was sich hingegen nur auf aberglaubisch- oder zauberische Künste, Bluten der entseelten Körpern, Wünschruten, Chyromantisch- oder andere Nativitäts-Stellung und Wahrsagereyen, Aussage besessener Leuten, oder Gespenstern, öffentliche Paßquillen, und unter verdeckten Namen übergebene Denunciationes gründet, oder von der Beicht mittelbar oder unmittelbar herkommt; kan von rechtswegen nicht einmahl ein Adminiculum,

(104) geschweigens ein Indicium remotum vel proximum ausmachen, und soll hierauf mit keiner Inquisition, geschweigens weiter verfahren werden.

Indicia müssen probiret seyn.

§. 9. Es ist aber nicht genug, daß die Indicia nur allegiret werden, sondern sie müssen auch auf Widersprechen hinlänglich, und zwar wo die Probe per Testes geführet wird, regulariter durch zwey Gezeugen bewiesen seyn. Folgende Fälle ausgenommen, in welchen auch nur ein Gezeuge zu Erweisung des Indicii erklecklich ist. Nemlich 1mo da der Indicirte ohnehin eine schlechte liederliche Person; 2do der Gezeuge von sehr grossen Ansehen und Glaubwürdigkeit; 3tio die Aussage mit anderen erweislichen Adminiculis unterstützet; 4to Von Amts wegen geschehen, oder 5to so beschaffen ist, daß gar ein halber Beweis der Missethat selbst daraus entstehet. 6to Da über das nemliche Verbrechen, mehr Indicia und Adminicula vorhanden seynd, und deren jedes nur durch einen Gezeugen dargethan ist; 7mo da es nur um die Inquisition, Inhaftirung, Confrontation, Territion, oder höchstens nur um eine geringe Tortur, oder dergleichen Straff und den Purgations-Eyd zu thun seyn will.

Wie weit die Inquisitens-Handschrift ein Indicium macht?

§. 10. Ist das Indicium von solcher Bewandnuß, daß es auf schriftlicher Urkund der indicirten Person Handschrift beruhet, so muß solche entweder recognoscirt, oder im Fall der Disfession durch Gezeugschaft, in deren Beyseyn die Urkund geschrieben, oder unterzeichnet worden, bewiesen seyn; dann die blosse Vergleichung der Buchstaben und Sigillen, zu Latein Comparatio Litterarum kan ohne Mitfertigung eines siegelmäßigen Gezeugens, kaum in Civilibus, geschweigens in Criminalibus, nach beschehener Disfession zum rechtlichen Behelf dienen.

(105) Gegen-Beweis oder Ableinung der Indicien.

§. 11. Gleichwie aber der Beweis des Verbrechens und der Haupt-That selbst, durch Gegen-Beweis und erhebliche Einwendungen entkräftet und abgeleinet zu werden pfleget; also auch mag ein solches auf die nemliche Art bey dem Beweis der Indicien geschehen, und ist hierbey sowohl auf die Person der Gezeugen selbst, ihre Tüchtigkeit, Beeydigung und Verhör, als derselben Aussage, und das, was durch andere Gezeugen dagegen angegeben wird, wohl zu reflectiren, und hieraus der Schluß zu machen, ob und wie weit der vorkom(m)ende Verdacht dadurch abgeleint und purgiret worden sey.

Wie stark die Indicia seyn müssen?

§. 12. Wie viel und was für Indicia im übrigen zur Inquisition, Inhaftirung, Confrontation, Tortur, Auflegung des Purgations-Eyd, oder Dictirung einer Extraordinari-Straff von Rechtswegen erforderlich seynd, ist theils in vorgehenden, theils nachfolgenden Capituln an seinen behörigen Ort erwehnet worden.

Fünftes Capitul,

Von dem Beweis der Missethat.

Von dem Beweis der Missethat durch Bekan(n)tnuß oder Ueberweisung, dan(n) dessen Unterschied von dem Beweis der Indicien.

§. 1. Weil obverstandener massen die Indicia nicht die That selbst, sondern nur solche Umstände seynd, woraus sich die That rechtlich vermuthen läßt, so muß der Beweis der Indicien und Missethat selbst, weder miteinander vermischet, noch der letzte schlechterdings aus dem ersten gefolget werden; dann obwohl auch jemand aus blossen Indiciis zur Extraordinari-Straff condemniret werden mag, wann sie sehr stark, und nicht abgeleinet, oder purgiret seynd; so können doch selbe zur Ordinari-Straff, sonderbar da es an Leib oder Leben gehen

(106) gehen soll, niemahl erklecken, sondern es ist hierzu ein vollständiger Sonnen-klarer Beweis vonnöthen, welcher auf zweyerley Weis; nemlich durch die Bekanntnuß des Delinquentens oder desselben gänzliche Ueberweisung bewürket wird, also und dergestalten, daß eines von beyden zur Condemnation allerwegen hinreichet.

Requisita der Bekan(n)tnuß.

§. 2. Soll die Bekanntnuß einen vollständigen Beweis ausmachen; so muß sie deutlich, gründlich, gerichtlich, und beständig seyn.

Erstes Requisitum, die Deutlichkeit der Bekan(n)tnuß.

§. 3. Für deutlich wird die Bekanntnuß nicht gehalten, welche mit all zu general- dunkel- zweifelhaft- und zweydeutigen Worten, oder durch blosse Zeichen und Gebärden, oder nur halb und unvollständig mit Hinterhaltung der zu wissen nöthiger Haupt-Umständen, oder unter gewissen Bedingnussen und solchen Zusätzen, welche das Verbrechen gänzlich oder wenigist die Ordinari-Straff ausschliessen, abgegeben wird. Desgleichen wann selbe durch alleiniges Stillschweigen oder ungehorsames Ausbleiben gemuthmasset, aus einem getroffenen Vergleich, oder sonst nur Folgerungs-weis herausgebracht, oder nicht so viel auf sein des Delinquentens Person unmittelbar selbst, als auf andere eingerichtet ist.

Zweytes Requisitum, die Gründlichkeit der Bekanntnuß.

§. 4. An der Gründlichkeit fehlet es derselben, wann sie mit der vorher oder nachgehends eingeholter Erfahrung und dem Corpore Delicti in jener Masse, wie es das dritte Capitul anweiset, nicht übereinsstimmet; unmöglich- contradictorisch- unwahrscheinlich- zum Theil oder ganz falsche Ding enthaltet, entweder gar keine, oder unlaughaft- unerfindliche Ursachen von der That angiebt, sich auf dergleichen

(107) Relata beziehet; aus Irrthum, Uebereilung, Unverstand oder Unbedachtsamkeit herrühret, durch falsch- oder sonst ungebührliche Versprechungen ausgelocket, durch unrecht- oder übermäßige Tortur, oder anderen derley ungebührlichen Zwang erpresset, per interrogatoria suggestiva angeleitet, oder endlich auch in einem unförmlich- oder nichtig geführten Process bewürket wird.

Drittes Requisitum, daß die Bekan(n)tnuß Gerichtlich sey.

§. 5. Gerichtlich heißt nur jene Bekanntnuß, welche vor dem in selbiger Sache competirenden Criminal-Richter, und zwar bey besetzten Gericht auf ein förmlich- und mündliches Constitutum abgeleget wird. Was mithin nur vor anderen Obrigkeiten, Notariis, Comitibus Palatinis, oder auch coram Competente, doch nicht in Forma Judiciali, sondern in zufälliger Gegenwart des Richters,oder zu seiner Privat-Notiz in Geheim, oder wenigist auf ein förmliches Constitutum, sondern nur incidenter, z(.) E. in einer Gezeugen-Aussage oder schriftlichen Deduction und dergleichen bekennet wird, ist nur für ein aussergerichtliches Wesen zu halten, und macht in Criminalibus höchstens nur ein Indicium proximum, aber keinen vollständigen Beweis aus; wird mithin auch niemahl mit der ordentlich- sondern nur mit arbitrarischer Straff beleget.

Viertes Requisitum, die Beständigkeit der Bekanntnuß.

§. 6. Die Beständigkeit der Bekanntnuß beruhet endlich darauf, daß sie nicht nur nicht widerruffen, sondern wenigist, quoad Substantialia post intervallum ratificiret sey, sonderbar wann es an das Leben gehet, und die erste Bekanntnuß per Torturam erhalten worden, welchen Falls die Ratification und zwar extra locum & metum Torturæ sub pœna nullitatis erforderlich ist. Wie weit aber die Widerruffung nach publicirten Urtheil annoch statt,

(108) und was sie allenfalls vor der Publication für Würkung habe, ist in denen Capituln von der Tortur und Urtheil begriffen. Die Acceptation der Bekanntnuß, ist endlich weder in Processu inquisitorio noch accusatorio vonnöthen, sondern wird von rechtswegen ohnehin schon præsumiret.

Ueberweisung und was dazu erforderlich.

§. 7. So viel die Ueberweisung durch Gezeugen belanget, seynd hierzu ohne Unterschied des Verbrechens oder der Person folgende neun Requisita vonnöthen: Nemlich, daß 1mo wenigist zwey; 2do tüchtig und von aller erheblicher Exception befreyte Gezeugen; 3tio unter cörperlichen Eyd; 4to nicht bloß von denen Umständen, sondern von der Missethat selbst, und derselben Substanz; 5to aus eigenen guten Wissen; 6to glaubhaft und gleichförmig; 7mo in Gerichtlich- und 8vo förmlicher Verhör; und zwar 9no mündlich gegen jemand deponiren.

Requisitum primum, der Ueberweisung, daß solche durch zwey Gezeugen geschehen.

§. 8. Ein einziger Gezeug, wann er sonst gleich mit all obigen Requisiten versehen, und annebens von gröster Authorität ist, macht keinen vollkommenen, sondern nur einen halben Beweis aus; und kan mithin durch seine Aussage zwar wohl die Tortur oder gestalten Dingen nach Pœnam extraordinariam, aber niemahl die Ordinariam bewürken. Es werden auch einzele Gezeugen, zu Latein Testes singulares, welche von unterschiedlichen Sachen, Zeiten und Orten aussagen, niehmal für mehr, sondern nur allzeit für einen, und zwar jeder in Ansehen derselbigen Sache, wovon er deponiret, besonders consideriret.

Requisitum secundum, die Tüchtigkeit der Gezeugen.

§. 9. Untüchtige und Exceptions-mäßige Gezeugen seynd: 1mo All jene, welche das zwanzigste Jahr

(109) noch nicht erfüllet haben. 2doDenuncianten, welche entweder keine wahrscheinlich-und verificirliche Indicia an die Hand geben können, oder die gebührende Moderation in ihrer Anzeig überschreiten. 3tio Interessirte, welche Nutzen, Schaden oder anderen Antheil bey der Sache haben; um ihrer Gezeugschaft willen belohnet, bestochen, oder etwann gar durch Drohungen dazu genöthiget seynd. 4to Juden und Unglaubige gegen Christen. 5to Was Armuth oder anderer Ursache halber, einer Bestechung und Subordination verdächtig ist. 6o Leute von unbekannten Herkommen, Stand und Wesen, schlechter Leumuth, oder verächtlicher Profession, z. E. Blut-Schergen, Schinder, Henker, Vaganten, Bettler, Gauckler, Seil-Tänzer, declarirte Verschwender, und dergleichen. 7mo Ehrlose, welche entweder durch Recht und Urtheil dafür erkläret worden, oder sonst infamiam Juris auf sich haben, z. E. die Geächtete, Excommunicirte, Meineydige, oder eines peinlichen Verbrechens halber, würklich condemnirte oder wenigist unter der Inquisition stehende Personen, so lang sie nicht davon absolviret seynd. 8vo Welche dem Delinquenten oder Anklägern, im 6ten Grad de Jure Civili verwandt- oder im 4ten verschwägert, mit Gevatterschaft, ehelich- oder anderen Pflichten, gebrödten Diensten, grosser Familiarität, und Neigung, Beystand- Vormund- Hausgenossenschaft und dergleichen beygethan seynd. Oder 9no mit selben in grosser Feindschaft und Zwistigkeit stehen, welches jedoch seinen Absatz leyder, da die Feindschaft schon lang vorhero wiederum ausgesöhnet, oder um Verhinderung der Gezeugnuß willen mit Fleiß gesuchet worden, oder nur um geringer Ursache willen entsprungen ist. Was aber 10mo die Complices oder Damnificatos betrift, ist dahin zu

(110) sehen, ob der Inquisit eine sonst ehrlich und unverleumte, oder verschreyt, übel beschrieben- und solche Person seye, von welcher man sich der beschuldigten That wohl versehen mag. Gegen jene mögen weder Complices noch Damnificati, ausser so viel die Schätzung des erlittenen Schadens belangt, für tüchtige Zeugen passiren. Gegen diese aber gibt dergleichen Gezeugschaft nicht nur obverstandener massen ein Indicium proximum an die Hand, sondern es kan wohl gar ein vollständiger Beweis daraus erwachsen, wann weder in Numero Testium noch denen übrigen ad convictionem erforderlichen Requisiten etwas ermanglet, und die Complices ihre beständig und gleichförmige Deposition mit einem cörperlichen Eyd, und darauf erfolgenden reumüthigen Tod bestättigen. 11mo Ist gleichgültig, ob der Gezeug eine Manns- oder Weibs- Person sey, massen der weibliche Stand keine erhebliche Exceptions-Ursache ist. Man soll auch 12mo beyder Untüchtigkeit des Gezeugens lediglich auf die Zeit der Verhör sehen. Die vorgehende oder nachfolgende Inhabilität aber, kommt in keine Consideration. Hiernächst läßt sich 13tio die Untüchtigkeit eines Gezeugens per Torturam heben, wann derselbe seine Aussage dadurch zu erhärten, und den wider ihn obwaltenden Verdacht auf solche Weis zu reinigen sich getrauet: Jedoch mit der in Cap. 8. §. 23. bemeldter Limitation. Ohngeacht nun 14to die Deposition untüchtiger Gezeugen, niemahlen eine vollkommene Prob nach sich ziehen kan; so mag doch gestalten Dingen nach, wohl ein Indicium oder Adminiculum daraus entstehen, und gegen Leut, welche ohnehin nicht in gar guten Leumuth stehen, sonderbar in Delictis atrocissimis die Tortur hierauf erkannt werden, derowegen die Verhör derselben niemahlen zu unterlassen, sondern

(111) gegen dergleichen Gezeugen, zumahl wann die Wahrheit auf andere Weis nicht zu erlangen ist; sogar allenfalls die in Cap. 8. §. 23. & 24. vorgeschriebene Zwangs-Mittel zu gebrauchen, hingegen auch jene, bey welchen eine würkliche Pflicht gegen den Inquisiten oder den Ankläger obwaltet, derselben vor der Verhör allzeit quoad hunc Actum specialem zu entbinden seynd. Was aber 15to von Natur zur Gezeugschaft untüchtig ist, z. E. Kinder, Unsinnige, Tumme, und dergleichen, soll man zur Gezeugschaft niemals zulassen, vielweniger dahin anhalten.

Requisitum tertium, Beeydigung der Gezeugen.

§. 10. Die Beeydigung der Gezeugen ist nothwendig, und kan nicht einmahl mit Einwilligung des Anklägers oder Inquisitens in Verbrechen, welche an Leib und Leben gehen, nachgelassen werden. Seynd auch adelich und graduirte Personen, welche sonst in Civilibus nur adelichen Würden, Trauen und Glauben zu deponiren pflegen; ingleichen jene, so von Amts wegen Gezeugschaft leisten, nicht davon ausgenommen. Ferner soll man untüchtige Gezeugen anfänglich nur bey Gelübd an Eydes statt, sodann aber erst, wann die Wahrheit durch andere Gezeugen nicht zu erheben ist, eydlich vernehmen, ausgenommen die Minderjährige unter zwanzig Jahren, welche niemahls zu beeydigen seynd. Nebst deme soll man die Gezeugen allzeit vor der Aussage schwören lassen, ihnen die Schwere des Eyds genugsam erinnern, und die Juraments-Formul eines jeden seiner Religion gemäß einrichten. Die Uebergebung der Interrogatorien aber, wie auch die Citation ad videndum & audiendum jurare Testes, ist in Processu Inquisitorio weder nöthig noch zuläßig, sondern es wird hierinn alles ex Officio verhandlet. Endlich ist auch

(112) per Procuratorem zu schwören niemand erlaubet, ausser den Stummen, welche, wann sie schreiben können, jemand schriftlich zu bevollmächtigen befugt seynd, doch soll die Vollmacht in Beyseyn der Obrigkeit geschrieben werden, und der Principal den Schwur persönlich beywohnen.

Requisitum quartum die Aussag muß auf die That selbst, und nicht auf blosse Umstände derselben gehen.

§. 11. Gleichwie nun zu Anfang gegenwärtigen Capituls gemeldet worden, was für ein Unterschied sich zwischen den Indiciis Delicti und dem Delicto selbst befinde; so ist niemand pro convicto zu halten, wann die Aussage der Gezeugen nicht auf die Missethat selbst, und den Actum & Substantiam Delicti, sondern nur auf die blosse Indicia oder Umstände desselben gehet.

Requisitum quintum von dem eigenen guten Wissen der Gezeugen.

§. 12. Es muss sich ferner die Aussage auf eigenes gutes Wissen, zu Latein: proprium sensum corporalem & certam scientam gründen, dann was die Gezeugen nicht gewiß wissen, sondern nur vermuthen, illativè schliessen, in Zweifel ziehen, oder von anderen gehöret haben, ist ad convictionem nicht erklecklich. Dahero auch jene Crimina, welche an sich oder wenigist quoad consummationem sehr schwer und betrüglich, oder gar nicht in die Augen fallen, z. E. das Crimen Magiæ, und alle Delicta Carnis, niemahlen ein Conviction zulassen.

Requisitum sextum, von der Glaubhaft- und Gleichförmigkeit.

§. 13. Wann in der Aussage variiret, sich selbst contradiciret, entweder gar keine oder eine unwahrscheinliche Ursache angegeben, oder ein unerfindlicher falscher Umstand mit eingemischet wird; so ist dieselbe durchaus für unglaubhaft zu halten; gleichförmig ist sie aber nicht, wann die Gezeugen von

(113) unterschiedlichen Dingen, Zeiten und Orten deponiren, oder sich selbst einander widersprechen.

Requisitum septimum von der gerichtlichen Aussage der Gezeugen, und deren Indemnisation.

§. 14. Was nur vor dem Notario, Comite Palatino, aber sonst aussergerichtlich, auch coram incompetente, mündlich oder schriftlich attestiret wird, ist von keiner Tüchtigkeit, sondern die Aussage muß vor der behörigen Obrigkeit auf vorläuffige Citation geschehen. Ist der Gezeuge unter einer anderen Criminal-Obrigkeit, als wo der Process formiret wird, gesessen; so muß derselbe auf Requisition alldort verhört, oder verschaft werden. Die Nieder-Gerichts-Obrigkeiten aber mögen in Criminalibus keine Zeugen-Verhör vornehmen, sondern seynd schuldig, auf Begehren die Verschaffung zu thun; massen die denenselben zustehende erste Cognition ohnehin nicht eydlich, sondern nur Gerichtlich verfüget wird. Im Fall auch die requirirte Obrigkeit mit der Verhör, Verschaffung oder Communication der Aussage saumig ist, soll sie die andurch verursachte Kösten refundiren. Vornehme Kranke, oder presthafte Personen, welche bey Gericht nicht erscheinen können, seynd in ihrer Wohnung durch die Obrigkeit selbst, oder bey Dicasteriis durch abgeordnete Commissarios zu vernehmen, auch all übrige Gezeugen der verursachten Reise oder anderer Kösten halber zu indemnisiren.

Requisitum octavum Förmlichkeit der Gezeugen-Verhör.

§. 15. Eine förmliche Zeugen-Verhör erfordert folgende Stücke: 1mo Daß man die Gezeugs-Personen nach beschehener Beeydigung zuförderist per Generalia um ihren Tauf- und Zunamen, das Alter, Geburts-Ort, die Eltern, Profession, Aufenthalt, Vermögen, Freund- und Feindschaft, Conversation, und ob sie ihrer Gezeugschaft halber von niemand unterrichtet worden, befrage.

(114) Vorgängig dessen soll man 2do auch ad Specialia gehen, nemlich auf die That selbst, den Ort, Stund und Zeit, Anfang, Fort- und Ausgang derselben, was darunter geschehen, und gesprochen, auch was für Instrumenten dabey gebrauchet worden, wer der Anfänger, Mithelffer, Rädelsführer, oder sonst gegenwärtig gewesen, wie sie ausgesehen, wohin sie sich nach der That begeben, wo dermahlen anzutreffen, und dergleichen. Wie aber auch 3tio die Suggestiva bey der Zeugen-Verhör so wenig, als bey dem Examine der Delinquenten zuläßig seynd; so soll man sie nicht geraden Weeges auf die That führen , sondern selbe præmissis Generalibus um die Ursach ihrer Fürforderung, und ob nemlich solche ihnen bekannt sey, fragen; sofort, wann sie herausgehen, ohne Unterbruch völlig erzehlen lassen, und erst nach geendigter Erzehlung über obige Specialia, soweit solche nicht schon gemeldet worden, umständig vernehmen: und in dem Verhörs-Protocoll die gestellte Frage sowohl quoad Generalia als Specialia jedesmahl in iisdem Terminis, wie sie gestellet worden, ad Marginem beysetzen. Wo nun 4to der Gezeug mit der Wahrheit nicht heraus will, sondern in Negativis verharret; so soll man ihm die Ursache zu verstehen geben, warum man glaube, daß er von der Sache gut informiret seyn müsse, ihm auch die Schwere des Meineyds, samt der darauf geschlagenen Straff nochmahl nachdrücklich erinneren, und da endlich nichts verfangen will, gleichwohl aber Indicia Scientiæ vorhanden seynd, die in Cap. 8. §. 24. vorgeschriebene Zwangs-Mittel zu bedrohen. Und im Fall er 5to von Hören-sagen deponiret; so soll man ihn fragen, von wem, wann, wo und in wessen Beyseyn er solches gehöret habe, damit man weiter nachforschen, die Authores darüber

(115) vernehmen, und da sie nicht mehr bey Leben, oder weit entfernet seynd, solches wenigist denen Actis inseriren könne. Nebst deme soll man ihn 6to allzeit um die Ursache seiner Wissenschaft fragen, und bey der ganzen Verhör auf obige Requisita Convictionis ein fleißiges Augenmerk haben. Was ferner 7mo zu des Gezeugens eigenen Schande oder Schaden gereichet, oder seinen Begrif und Sphæram übersteiget; wie auch was nach Captiositäten riecht, oder nicht zur Sache dienet, soll keinesweegs in die Frage gebracht werden. 8vo Sollen auch die Verhören, so viel immer  möglich ist, Vormittags, da die Gezeugen noch nüchtern, und bey guter Vernunft seynd, vorgenommen, die Aussage nebst der gestellten Frage, von Wort zu Wort ohne Minder- oder Mehrung ad Protocollum genommen, oder wann er dictiren kann, von ihme selbst ad Protocollum dictiret, die dabey beobachtete Gebärden, Variationen und andere bedenkliche Umstände ebenfalls in einem besonderen Protocoll vorgemerket; sofort jenes nach nochmahliger Vorlesung und Bestättigung von dem Gezeugen, wann er des Schreibens kundig ist, der mehreren Sicherheit willen unterschrieben, und endlich derselbe imposito Silentio dimittiret werden. Seynd nun 9no der Gezeugen mehr; so ist jeder besonders ohne Beyseyn der anderen, auf obbemeldte Weis zu verhören. Wobey endlich 10mo nicht nötig, daß  der Deponent zweymahl über die nemliche Umstände vernommen, und die erste Aussage durch die zweyte nochmahlen wiederholet und vom neuen bestättiget werde; sondern wann das Verhörs-Protokoll geschlossen, vorgelesen, und von dem Gezeugen in Instanti unterschrieben, oder sonst nichts mehr dabey von ihm zu erinneren gewesen, so hat

(116) es ohne anderweiter Ratification, ein für allemahl hierbey sein Verbleiben.

Requisitorium nonum, von der mündichen Aussag.

§. 16. So wenig durch blosse Zeichen und Gebärden jemand überwiesen werden mag, so wenig seynd auch schriftliche Depositiones, Attestata oder in Privato verbotschaftete Aussagen hierzu hinlänglich, sondern dieselbe müssen in Persona und mündlich geschehen, ausser bey Sprachlosen und Tauben, welche, wann sie lesen und schreiben können, ihre Aussage in Gegenwart des Gerichts zu Papier bringen sollen. Ingleichen wird bey Fremden, welche der Sprach unkundig seynd, der Mangel derselben durch Beyziehung eines beeydigten Dollmetschers ersetzet. Im übrigen wird zur Conviction nicht erfordert, daß die Aussage dem Delinquenten mittels der Confrontation oder heimlicher Vorstellung unter das Angesicht geschehe, wann man nur sonst genugsam und Acten-mäßig gesichert ist, daß der Person halber kein Verstoß oder Irrung vorgegangen sey. Dann wo der geringste Zweifel disfalls obhanden, hat die Conviction ohne Recognition der Person nicht statt.

Die Bekan(n)tnuß wird nebst der Conviction nicht erfordert, wohl aber das Constitutum.

§. 17. In Fällen, wo es mit all obigen Requisitis Convictionis seine Richtigkeit hat, ist zwar die Bekanntnuß des Delinquentens weiter nicht vonnöthen. Gleichwohl kan deswegen das Constitutum und Examen nicht unterlassen werden, theils weil die Obrigkeit nur desto sicherer gestellet wird, wann nebst der Ueberweisung auch die Bekanntnuß vorhanden ist, theils weil das Examen des Missethäters nicht allein auf die Confession, sondern auch auf die Defension, und was er zu seiner Enschuldigung vorzubringen hat, angesehen ist.

(117) Ausser der Bekan(n)tnuß oder Ueberweisung, gibt es kein vollständiges Probs-Mittel in Criminalibus.

§. 18. Ausser der Bekanntnuß oder Ueberweisung, ist zur vollständigen Prob der Missethat in Criminalibus kein anderer Weeg mehr übrig. Anerwogen 1mo das Juramentum decisorium vel suppletorium hierinnfalls nicht Platz greift. 2do Beweisen die blosse Indicia das Verbrechen obverstandener massen andergestalt nicht, als conjecturaliter, und ziehen mithin höchstens nur die Tortur oder Pœnam Extraordinariam nach sich. Desgleichen traget sich 3tio öfters zu, daß man sich mündlich oder schriftlich solcher Uebelthaten berühmt, welche man nicht begangen hat. Dahero die briefliche Urkunden und Schriftereyen, wann gleich die eigene Handschrift recognosciret, oder sonst bewiesen ist, ohne nachfolgender Gerichtlicher Eingeständnuß der That, nur ein Indicium proximum, aber keinen vollkommenen Beweis ausmachen. So viel 4to die Notorietät belanget, mag aus deme, was der Obrigkeit nur zur Privat-Notiz beywohnet, ohnehin niemand condemniret werden. Was aber dieselbe von anderen durch Gerichtliche Erfahrung erlanget, verdienet keinen vollkommnen Glauben, wann es sich nicht auf die Bekanntnuß des Delinquentens, oder auf solche Gezeugschaft gründet, welche zur Conviction hinreichend ist. Und endlich seynd auch 5to die in vorigen alten Zeiten üblich geweste Proben durch das Feuer, Wasser, Loos, oder den Zwey-Kampf und dergleichen schon längst aus der Gewohnheit gekommen und abgeschaffet.

Wie mit Beweis und Gegen-Beweis in Processu accusatorio aut inquisitorio zu verfahren?

§. 19. Mit dem Beweis und Gegen-Beweis wird in Processu accusatorio, fast durchgehends, wie in Processu Civili verfahren, und bestehet die Differenz nebst deme, was bereits oben und nachhero in ein so anderen berühret ist, nur darinn, daß

(118) man es mit denen Terminen, sonderbar was den Beweis der Unschuld anlanget, nicht so genau zu nehmen, oder jemand damit zu præcludiren, auch nach publicirter Gezeugschaft noch weitere Gezeugen ohnbedenklich zu admittiren, über dieses dem Beklagten einen tauglichen Advocaten und Defensorem zuzulassen, oder da er selbst keinen zu bekommen weiß, ex Offico beyzugeben, und ihm die Acta inspiciren zu lassen pfleget, in Processu inquisitorio aber läßt man dem Inquisiten, sonderbar wann er schon im Verhaft ist, weder Advocaten noch schriftliche Exceptiones, Deductiones, und dergleichen mehr zu.

Der Richter soll selbst die Stell des Advocatens vertretten.

§. 20. Damit jedoch der Inquisit auf solche Weis an seiner Defension nicht verkürzet werde, so soll der Richter die Stell des Advocatens selbst ex Officio vertretten, und all jenes, was ihm von Rechtswegen zu Guten kommen mag, genau beobachten. Derowegen soll er zuförderist und pro 1mo sehen, ob all obige Requisita Confessionis vel Convictionis vorhanden, und da er keinen Mangel hieran verspüret, soll er denselben vor der Tortur oder Straff befragen, was er zu seiner Entschuldigung vorzubringen, oder gegen die Gezeugen für erhebliche Einwendung zu machen, auch wie und durch wem er solche allenfalls zu beweisen habe. In welcher Absicht 2do dem Inquisiten, wann er anders zuvor in einem ehrlichen Stand gewesen, die Namen der Gezeugen, ohne jedoch zu melden, was dieser oder jener in specie ausgesagt hat, mit der Frag vorzuhalten seynd, ob er den Gezeugen kenne? woher? wie lang? was er mit ihm zu thun gehabt? Ob er niemahl im Streit, Feindschaft, oder anderen Händeln mit ihm gewesen? Ob und was er gegen selben zu sagen oder einzuwenden

(119) wisse etc.? Gibt nun 3tio der Inquisit dieses oder jenes, z. E. daß er selbiger Zeit, da die That geschehen, an einem andern Ort sich befunden, oder daß der Beleydigte schon einen anderen Thäter angegeben: Item, daß er berauschet, oder aus billigen Zorn zur That gereitzet, oder genöthiget gewesen, oder daß die That gar nicht geschehen, und daß ihm der Gezeuge aus dieser oder jener Ursache feind oder sonst untüchtig sey, und dergleichen zu seiner Unschuld und Vertheidigung vor, und beruffet sich deswegen auf Gezeugen oder andere Probs-Mittel; so muß sich der Richter all mögliche Mühe geben, hierauf nachzuforschen, die Gezeugen ex Officio zu verhören; und was der Inquisit an seiner Nothdurfts-Beobachtung ausser Acht gelassen, von Amts wegen zu ersetzen. Seynd 4to die Gezeugen schon todt, so bleibet nichtsdestoweniger dem Inquisiten allenfalls die Exception der Untüchtigkeit gegen selbe bevor, weil es nicht so viel um deren Bestraffung als der Entkräftung ihrer Aussage zu thun ist. Es soll sich aber der Inquisit auch 5to wohl vorsehen, daß er denen Gezeugen keine unerweisliche Laster-Thaten vorwerffe, und sich dadurch Actionem Injuriarum über den Hals ziehe. Obwohlen im übrigen 6to die Defensions-Behelf allzeit mit günstigern Augen angesehen zu werden pflegen, so soll doch dieser rechtliche Favor nicht allzuweil (!) ausgedehnet; mithin auch die bey denen Criminalisten fündige Lehr-Sätze, daß ein jede Præsumtion oder halbe Prob zur Exculpation hinlänglich, und einem Gezeugen für dem Inquisiten so viel oder mehr Glauben, als zweyen dagegen beyzumessen: Item, daß auch untüchtige, von Hören-sagen de credulitate oder negativè deponirende Gezeugen hierinnfalls eine vollständige Prob machen, und dergleichen Singularitäten nicht so

(120) schlechterdings angenommen, sondern alle Umstände wohl examiniret, und hieraus ermessen werden, ob der Inquisit völlig oder nur von der Ordinari-Straff loßzusprechen, und statt deren etwann mit einer Pœna extraordinaria vel Juramento purgatorio zu belegen seyn möchte.

Wann der Beweis nicht gemacht, oder entkräftet ist?

§. 21. Ist nun der Beweis obiger Erfordernuß nach, entweder gar nicht zum Stande gebracht, oder durch Gegen-Beweis völlig entkräftet; so folget auch die Absolution darauf. Ist hingegen derselbe nur halb oder zum Theil gemacht, oder in der nemlichen Maaß entkräftet, so kommt es entweder auf die Tortur, oder den Purgations-Eyd, oder ausserordentliche Straff, oder Absolutionen (!) ab Instantia & Observatione Judiciali an, welch- alles gleichwohl pro Qualitate Delicti, Personæ, oder anderer Umständen zur richterlichen Ermäßigung heimgestellet bleibet.

Sechstes Capitul,

Von der Inhaftirung, Caution, sicheren Geleit, und Freyung.

Was bey dem Verhaft vorläufig zu beobachten?

§. 1. Bey der Inhaftirung ist theils auf die That selbst, und das Corpus Delicti, theils auf die Indicia und die Person des Delinquentens, wie auch auf das Gefängnuß und Tractament desselben zu sehen.

In was für Verbrechen der Verhaft Platz greiffe?

§. 2. Die That selbst soll so beschaffen seyn, daß sie eine Leibes- oder Lebens-Straff nach sich ziehen kan; in geringeren Verbrechen aber, soll keine ehrliche und angesessene oder genugsam vercautionirte Person, wo nicht die Gefängnuß zur

(121) Straff selbst vorgenommen wird, zum Verhaft gebracht werden.

Wie weit das Corpus Delicti voraus gehen müsse?

§. 3. Nebst deme soll auch vor dem würklichen Verhaft, das Corpus Delicti nach Maasgab des dritten Capituls erholet werden, es seye dann, daß sich jemand selbst vor Obrigkeit gestellet und angegeben, oder auf frischer That betretten worden, oder starke Anzeigung davon vorhanden, oder Periculum fugæ vel subornationis dabey obwaltet.

Was für Indicia hierzu erforderlich?

§. 4. Ueber diß muß wenigist ein Indicium remotum, samt ein oder anderen Adminiculo sich gegen den Verhaften hervorthun, ausgenommen vagirend- unanseßig- schlecht-conditionirte, um so viel mehr liederlich- und verleumte Leute, gegen welche auch aus geringeren Verdacht, wo nicht ad Carceres, doch wenigist ad Custodiam geschritten werden mag.

Was für Personen ohne Churfürstl. Special-Befehl nicht zu inhaftiren?

§. 5. Churfürstliche Räthe und vornehme Beamte, wie auch adelich- graduirte, oder andere ansehnliche Personen, sollen ohne Churfürstlichen Special-Befehl nicht zu Verhaft gezogen werden, wo keine Entweichung oder andere grosse Gefahr ob dem Verzug zu besorgen ist, welchen Falls sie bis auf weitere Resolution in ehrliche Verwahr zu nehmen seynd; immassen der Geistlichen und anderer privilegirter Personen halber, auch was die Hofmarchs-Obrigkeiten mit Verhaft- und Extradirung deren in ihren Hofmarchs-District betrettener Delinquenten zu beobachten haben, bereits oben in Cap. 1. §. 22. und 31. angemerket ist.

Uebelthäter, welche man auf frischer That erwischt, mögen von jederman(n) angehalten werden.

§. 6. Ohne Obrigkeitlichen Befehl soll niemand eigenmächtiger Weis handfest gemachet, vielweniger incarceriret werden, ausser es wäre einer de

(122) Fuga suspectus oder auf frischer That betretten, oder für Vogel-frey erkläret worden; welchen Falls zwar jedermann erlaubet ist, in Instanti nach dem Thäter zu greiffen, doch soll er hierbey nicht lang aufgehalten, sondern unverzüglich vor Obrigkeit gebracht, und zugleich die That mit allen Umständen sub Juramento angegeben werden.

Bey der Inhaftirung soll sich niemand widersetzen.

§. 7. Wer sich der rechtmäßigen Obrigkeit, oder deren Subalternen bey der Inhaftirung widersetzet, entreißt, oder dieselbe daran zu verhinderen suchet, soll nicht nur nach Gestalt des bezeigten (!) Widerstands oder Hindernuß in Conformität des ersten Theils, 8. Cap. 4. und 6. §. gestraffet werden, sondern hat auch allenfalls den Schimpf und Schaden, welcher ihm etwann hierunter begegnet, niemand anderen als sich selbst beyzumessen.

Die Obrigkeit soll hierin weder zu säumig, noch zu voreilig seyn.

§. 8. Die Obrigkeit, welche sich mit Inhaftirung der Delinquenten säumig finden läßt, und dadurch Gelegenheit zur Entweichung gibt, soll ohnnachläßig gestraft werden. Dieweil aber auch dem Verhaften nicht geringe Schand und Spott, auch öffters grosse Versaumnuß und Ungemach an der Gesundheit dadurch zugehet; so soll man sich gegen ehrliche unverleumte Leut, zumahl von besserer Condition hierinfalls nicht übereilen, sondern sowohl in Processu Inquisitorio als Accusatorio, wann gleich der Ankläger alle Gefahr auf sich zu nehmen, oder gar selbst in das Gefängnuß zu gehen erbietig wäre, obige Requisita bey Vermeidung der Injurien- und Syndicats-Klage in Obacht nehmen, und im Fall der Inhaftirte über fremdes Gebiet geführet werden muß, die Obrigkeit selbigen Orts darum ersuchen.

(123) Wie die Gefangene zu tractiren?

§. 9. Weil die Gefängnuß nicht zur Pein und Marter, sondern zur Verwahr dienet, so soll dieselbe überhaupt so beschaffen seyn, daß niemand an seiner Gesundheit dadurch Schaden leide. Ansehnliche Personen soll man auch in leydentlich- und ehrlicher Verwahr halten, oder nach Gestalt des Verbrechens und der Person in ihrem Haus verwachten lassen, oder wo kein Periculum Fugæ ist, allenfalls gar nur mit Haus- oder Stadt-Arrest belegen. In denen Gefängnussen aber, soll die Obrigkeit selbst öfters nachsehen und visitiren, denen Inhaftirten nach Unterschied ihres Standes und Herkommens den gebührenden Unterhalt verschaffen, für die Kranke Sorg tragen, und nach Befinden des Medici die Gefängnuß veränderen, annebens für die Sicherheit der Verhafts, alle nöthige Anstalt vorkehren; die in Capital-Delictis Inligende nach Gestalt ihres Verbrechens, und der Anzeigen oder Personen, zumahl, wann die stark und gefährlich seynd, oder schon einmahl ausgebrochen haben, in Eisen und Banden schliessen lassen, denenselben zu Verhütung aller Collusion, Subornation, oder anderer Ungelegenheit und Gefahr weder Dinten, Feder, Papier, Liecht, Gewehr, noch anderen den Zutritt oder einiges Gespräch zulassen, auch die Medicos und Chirurgos niemahls anders, als wo es die Nothdurft erfordert, und in Beywesen des Kerkermeisters; die Geistlichkeit aber, eher nicht als bis das Todes-Urtheil publiciret ist, oder der Captivirte sich etwann in einer von dem Medico oder Chirurgo für Todes-gefährlich angesehener Krankheit befindet, in die Gefängnuß admittiren; im übrigen Manns- und Weibs-Personen, wie auch jene,

(124) welche eines Complicii verdächtig seynd, von einander separiren.

Von der Caution.

§. 10. Da sich die Maleficanten nach verübter That gemeiniglich mit der Caution, Freyung oder sicheren Geleit zu helffen, und des Verhafts zu enthalftern (!) suchen; so wird hiermit verordnet, daß in offenbar- und solchen Verbrechen, welche ohnzweifelbar an das Leben gehen, gar keine, in anderen Uebelthaten aber, weder Cautio Juratoria, noch Promissoria, mittels blosser Gerichtlicher Angelob- oder Beeydigung angenommen; sondern bey genugsam angesessenen Leuten die Verschreibung ihrer Güter, und bey denen übrigen hinlängliche Pfand- oder Bürgschaft, und zwar auf eine von der Obrigkeit nach Beschaffenheit der That, und des Inquisitens Vermögen zu determinirende gewisse Summam erfordert werden solle; welche sofort auf jenen Fall, wann der Inquisit sich auf Begehren nicht stellet, entweder der Obrigkeit oder dem Ankläger, wo einer vorhanden, salvo tamen ulteriori Processu vel Pœna heimfallt. Ist aber die Stellung inner dem præfigirten Termin geschehen, und der Thäter hernach vom neuen ausgetretten, so haftet zwar dessen verschriebenes Vermögen und Unterpfand, aber die Bürgen seynd für die weitere Stellung nicht mehr verbunden, sondern ihrer geleisteten Bürgschaft von dem Tag der geschehener ersten Stellung gänzlich befreyet.

Unterschied des sicheren Geleits.

§. 11. Das andere Mittel um des Verhafts entübriget zu bleiben, ist das sichere Geleit, zu Latein, Salvus Conductus, welcher auf zweyerley Weis: Nemlich zum Rechten allein, oder aber von und und zum Rechten ertheilet zu werden pfleget. Vermög des Letzteren ist der Vergleitete befugt, sich in den

(125) Chur-Landen um Ausführung seiner Unschuld willen, so lang frey und sicher aufzuhalten, bis eine Tortur oder Straff wider ihn erkannt wird, welchen Falls er sich wiederum aus dem Land begeben, und ihm zu dem Ende ein hinlänglicher peremptorischer Termin anberaumt werden soll, nach Ausfluß dessen der Salvus Conductus alsofort aufhöret, und nach dem vergleitet gewesten, allenthalben gegriffen werden mag. Ist aber das Geleit nur zum Rechten allein gegeben, so soll er sich über die Zeit, welche ihm von der Obrigkeit zu Informirung seines Advocatens oder Anwalds, dann anderer seiner Nothdurft præfigiret wird, in dem Land nicht aufhalten, ausser dessen er der præstirten Caution ohngeachtet arrestiret, und wie Malefiz-Rechtens ist, gegen ihn verfahren werden soll.

Fiscus soll Klag stellen gegen vergleitete Personen.

§. 12. Damit auch dem Vergleiteten sein gebührendes Recht wiederfahre, und der Salvus Conductus in keine gänzliche Absolution oder Begnadigung erwachse; so soll in demjenigen Rent-Amt, worinn sich der Fall ergeben hat, vor dem Churfürstlichen Hof-Rath oder der Regierung von dem Fiscalen Klage gestellet, ihm zu dem Ende die Acta communiciret, und dergleichen Processen nicht verzögeret, vielweniger gar unter die Bank gestecket werden.

Salvus Conductus wird nur höchsten Orten allein und in gewissen Fällen ertheilt.

§. 13. Da hiernächst das Jus Conducendi ein besonders Chur- und Landesfürstliches Regale ist, welches von dem Blut-Bann nicht abhanget; so sollen sich dessen weder die Churfürstlche Justiz-Dicasteria, noch andere Obrigkeiten, ohne Churfürstlichen Special-Befehl, bey Vermeidung der Nullität eigenmächtig unterziehen, sondern wann das Geleit entweder von oder zum Rechten begehret wird, den Casum nach eingenommener genugsamer

(126) Information höchster Orten einberichten, und Resolution darüber erwarten; immassen Ihro Churfürstliche Durchlaucht den Salvum Conductum in Fällen, wo der Thäter würklich schon inhaftiret, oder doch leicht zu haben ist, gar nicht, und in gar offenbaren Missethaten, zu deren Vertheidigung man keine wahrscheinliche und erweisliche Ursachen beyzubringen weiß, andergestalt nicht als zum Rechten allein und zwar præstita prius Cautione de Judicio sisti, zu ertheilen gedenken.

Wie weit sich derselbe erstrecke? §. 14. Sonst soll das Geleit sich auf andere Verbrechen, welche nicht in dem Geleits-Brief ausgedrucket, oder erst hernach vom neuen begangen worden, nicht erstrecken, vielweniger ein ausser Landes ertheilter Salvus Conductus attendiret werden.

Von Geistlich- und Weltlichen Freyungen. §. 15. So viel endlich die Geistlich- und Weltliche Freyungen deren dahin geflüchteter Delinquenten betrift; da ist bereits in denen Geistlichen Rechten, besonders in der Bulla Gregorii XIV. Benedicti XIII. & XIV. mit Mehreren versehen, wie weit sich die Immunität der Kirchen, Klöstern, Gottsackern, und unter Bischöflicher Authorität errichteter Capellen und dergleichen geweyhter Orten erstrecke, und was für Delinquenten sich derselben eigentlich zu erfreuen haben; wornach sich also alle Weltliche Obrigkeiten zu achten, und jene Uebelthäter, welche besagter Immunität nicht fähig seynd, auszuliefern begehren; ingleichen denen Asylanten, so lang sie sich in der Freyung befinden, die nöthige Verpflegung und andere Nothdurft nicht sperren, dahingegen in zweifelhaften Fällen, wann von dem captivirten Delinquenten auf die Immunität provociret wird, der Geistlichen Obrigkeit einseitiger Weis nicht vorgreiffen; sondern den Thäter

(127) bis zu Austrag der Sache ad Carcerem Episcopalem, auf seine oder des Ordinariats Kösten überliefern lassen sollen. Was aber die Churfürstlichen Residenzen und Lust-Schlösser oder andere Weltliche Freyungen betrift, deren verschiedene im Lande zu finden seynd, sollen derselben weder fürsetzliche Todschläger, noch Brenner, Strassen-Räuber, verschreyte Land-Diebe, Gottslästerer, Ketzer, Hexen und Zauberer, Sodomiten, geflissene Betrüger, Falliten, Land-Fried-Brecher, und offene Vergewaltiger, falsche Geld-Münzer und Deserteurs, vielweniger, welche sich des Lasters der beleidigten Majestät schuldig gemacht, oder die Freyung violiret haben, für fähig zu achten seyn. Wo im übrigen Weltliche Obrigkeiten gegen einen solch- geflüchteten Delinquenten, es mag die Freyung gleich Geistlich oder Weltlich seyn, nicht verwehret ist, solchergestalten zu verfahren, wie gegen andere Abwesende von Malefiz-Rechtswegen verfahren zu werden pfleget, und unten im Cap. 10. §. 21. vorgeschrieben ist.

Siebendes Capitul,

Von dem gütlichen Examine oder Constituto der Uebelthäter.

Von denen vorläufigen Requisitis eines guetlichen Constituti.

§. 1. Von denen zu Vornehmung eines Rechtlichen Constituti oder Examinis erforderlichen vorläufigen Requisitis, ist bereits oben Cap. 2. §. 22. Erwehnung geschehen. Das Examen selbst aber, soll folgendermassen beschaffen seyn.

Interrogatoria generalis.

§. 2. Erstens soll der Richter den Constituten vor all anderen per Generalia um den Tauf-Namen, das Alter, Geburts- und Aufenthalts-Ort, Stand

(128) und Profession, Eltern und Kinder, Mittel und Vermögen, Leibes-Constitution und Gesundheit; auch ob er niemahls processiret, wo? warum? und wie er wiederum entlassen worden, befragen? damit man hierdurch seine vorige Aufführung und Lebens-Art, samt denen sich hieraus ergebenden guten oder üblen Muthmassungen, auch milderend- oder beschwerenden Umständen einiger massen in Erkänntnuß bringe.

Interrogatoria Specialia.

§. 3. Quoad Specialia soll Constitut zuförderist befraget werden, ob ihm die Ursach seines Verhafts bekannt sey? und im Fall er hierauf bekennet, oder sich selbst freywillig bey Gericht angiebt, soll man ihn ohne Interruption völlig ausreden lassen, und erst nach geendigter seiner Erzehlung über das, was hierinn dunkel, zweifelhaft, unwahrscheinlich, oder gar unterblieben ist, durch besondere Fragstücke die Erläuterung begehren, und mit solchem Examine nicht aufhören, bis die angefangene Bekanntnuß völlig abgeleget ist. Die Umstände aber, worauf man fast bey allen Verbrechen mit denen Interrogatoriis zu gehen pfleget, bestehen darinn: Wo? und an was für einen Ort? zu welcher Zeit? Stund und Tag? aus was Ursachen und Absicht? auf was Art und Weis? durch was für Mittel? Weeg oder Werkzeug? wie oft und in wessen Gegenwart oder Ansicht? und von wem die Uebelthat begangen worden? Auch wer allenfalls vor - in oder nach der That, und wie weit dazu geholffen, oder wissentlichen Antheil davon genommen habe?

Was ferner hierbey zu beobachten.

§. 4. Nebst deme soll man sowohl die Natur des Verbrechens als die bereits eingeholte Erfahrung, und was sich aus beyden für milderend- und beschwerende

(129) Umstände ergeben, wohl vor Augen haben, mithin die weitere Interrogatoria darnach einzurichten wissen; immassen sich hierinfalls keine beständig- und auf alle Fälle schickliche Norma oder Vorschrift ertheilen läßt.

Wie weit Constitutus auf andere Thaten, deren er nicht indiciret ist, gefraget werden möge?

§. 5. Auf andere oder mehrere Uebelthaten, deren Constitutus gar nicht, oder nicht genugsam indiciret ist, soll derselbe nicht gefraget werden, ausgenommen die Bettler, Vaganten, Müßiggänger, und verleumdte Personen, dann diese mag man über alle Thaten, welche dergleichen Leute zu begehen pflegen, auch ohne weiteren Special-Indicio, in genere wohl befragen. Desgleichen erstrecket sich obige Regul auf die Crimina connexa keinesweegs, und da die fleischliche Sünden, Diebstähle, Gottslästerungen, und dergleichen gern wiederholet zu werden pflegen, so soll man es bey der blossen Anzeig nicht bewenden lassen, sondern wo bereits ein Habitus oder Gewohnheit anscheinet, allzeit auf die Anzahl der That, und wie oft nemlich selbe repetiret worden, mit denen Interrogatoriis reflectiren.

Wie man sich zu verhalten, wann Constitut laugnet?

§. 6. Gehet der Constitut mit der Sprach und Wahrheit nicht heraus, so soll sich zwar die Obrigkeit alle Mühe geben, denselben durch allerhand Fragstücke und nachdrückliches Zusprechen in Güte dahin zu bringen, hierunter aber gleichwohl gute Geduld und Bescheidenheit gebrauchen; ihn mit Bedrohung der Tortur oder anderen harten Worten, nicht gleich anfahren und überstossen, noch durch falsche Vorspieglungen, Captiositäten und Zweydeutigkeiten, vielweniger durch bestellte Gerichts-Diener, und Aufloser hinterlistiger Weis die Bekanntnuß von ihm auszulocken, am allerwenigisten aber, dieselbe durch Schläg, und ander

(130) dergleichen hartes Tractament zu erpressen trachten.

Von Interrogatoriis suggestivis.

§. 7. Sonderbar soll man sich der schädlichen Suggestionen enthalten, und was die Erfahrung bereits specialiter an die Hand gegeben, dem Constituten nicht, wie es von unerfahrnen Richtern zuweilen geschiehet, gleich auf einmahl vorsagen, oder gar vorlesen und den Ort, die Zeit, den gebrauchten Werkzeug, die Namen der mitindicirten Mithelffern, und all andere Umstände des Verbrechens vorhalten; sofort dergleichen Fragstücke schlechterdings mit Ja oder Nein beantworten lassen, sondern vielmehr denselben durch gewisse Umweeg und vorläufige Neben-Fragen, nach und nach dahin zu führen trachten, daß er das Factum samt allen nöthigen Umständen selbst erzehle und erläutere; anerwogen man sonst von der Wahrheit seiner abgelegten Bekanntnuß, kein anderes unbetrügliches Kennzeichen hat, als wann dasjenige, was solchergestalten von freyer That ohne Vorhalt und Suggestion selbst angegeben und bekennet wird, mit der endlichen Erfahrung zusammen trift, indem dergleichen Umstände einem Unschuldigen so leicht nicht bekannt seyn können.

Wie weit hierinn zu gehen erlaubt?

§. 8. Wie zumahlen aber auch die Erfahrenheit giebt, daß durch allzu emsige Vermeidung der Suggestiv-Fragen, die Delinquenten nur desto kecker alles abzuläugnen veranlasset werden; so ist nicht unzulässig, sondern fast nöthig, daß in dem zweyten oder dritten Constituto auf anhaltendes Laugnen, ein so andere Specialitäten oder Neben-Umstände des Verbrechens berühret, und dadurch dem Inquisiten so viel zu erkennen gegeben werde, daß der Obrigkeit die Sache schon bekannt sey, und sich folglich so

(131) leicht nicht mehr ablaugnen lasse. Je hartnäckiger sich nun der Delinquent dabey bezeiget, je mehr ist der Obrigkeit ad Specialia zu gehen erlaubet; da man ihm dann nicht nur die vorkommende Indicia vorhalten, sondern auch allenfalls die bey ihm erfundene verdächtige Sachen, Schriften, Instrumenten u. zu seiner destomehreren Beschäm- und Ueberzeugung wohl vorlegen, und die Interrogatoria darauf einrichten kan. Wann dieses alles nur mit der Præcaution geschiehet, daß ihm nicht der ganze Hergang der Sache, mit allen und jeden Umständen, so wie es etwann die Erfahrung mit sich bringet, gleich erzehlet, sondern allzeit die meiste und solche Specialitäten, welche kein Unschuldiger so leicht wissen kan, in denen Fragstücken zurück behalten, und dem Inquisiten zu seiner selbstigen freyen Erzehlung übrig gelassen; mithin dadurch die Suggestion samt der daraus entstehender Nullitate Processus vermieden werde.

Interrogatoria sollen auch auf das, was dem Constituto zur Defension dienet, eingerichtet werden.

§. 9. Gleichwie hingegen bereits oben in Cap. 5. §. 20. mit Mehrern erwehnet worden, daß der Richter zugleich Partes Rei zu vertretten, und alles, was nur zur Rechtlichen Entkräftung des gegen dem Inquisiten vorkommenden Beweis, Milderung der Straff, oder seiner gänzlichen Entschuldigung und Absolution dienen kan; um so mehr von Amts wegen zu suppliren hat, als man dem Inquisiten nach hiesigem alten Landes-Gebrauch weder einen Advocaten zuzulassen, noch die Acta zu communiciren pfleget. So soll in dem Constituto hierauf nicht vergessen, sondern gestalten Dingen nach, die Fragstücke dahin eingerichtet werden.

Fortsetz- und Wiederholung des einmal angefangenen Constituti.

§. 10. Ist dem Constituten bey dem ersten Examine, etwann wegen Länge der Zeit und Entfallenheit, oder

(132) anderer erheblicher Ursachen halber, über ein so anderes eine Bedenk-Zeit gegeben worden, oder von ihm ein neuer Umstand anzubringen, oder sonst noch etwas zu erläutern übrig; so wird das vorige gütliche Constitutum so oft wiederholet, als es die Obrigkeit für nöthig und gut findet; doch wann der Delinquent einmahl zu bekennen anfanget, soll man mit dem Examine ohne Unterbruch und Bestattung einer Bedenk-Zeit so lang anhalten, bis man siehet, daß derselbe redlich und aufrichtig ausgebeichtet habe. Damit man ihm nicht widrigenfalls zu allerhand anderen Gedanken, oder Ausflüchten Anlaß gebe.

Von Verfaß- und Protocollirung der Interrogatorien samt der Aussage darauf.

§. 11. Die Fragstücke sollen zwar von jeder Obrigkeit oder deren bestellten Commissariis, um der Bedächtnuß willen vor dem Examine allzeit aufgezeichnet werden; wie man sich aber hierinfalls mehr nach der Aussage des Constitutens zu richten hat, so sollen die Fragstücke erst wehrendem Constituto förmlich protocolliret, und allzeit die nemliche Formalia, wie das Interrogatorium gelautet hat, von Wort zu Wort ohne Veränderung in Protocollo beybehalten werden; welches auch mit der darauf ertheilten Antwort auf jedes Interrogatorium also zu beobachten, und weder etwas dazu noch davon zu thun, vielweniger mit der Protocollirung erst bis zum Schluß des Examinis, oder etwann gar auf einen anderen Tag zuzuwarten ist. Damit auch hierinnfalls alles nur desto ordentlicher zugehe, und nichts ausser Acht gelassen werde; so sollen die Fragstücke kurz und klar gefaßt seyn, über jeden Umstand ein besonderes Interrogatorium gestellet, und da ein Umstand mehrere Neben-Umstände begreiffet, dieselbe ebenfalls in so viele Interrogatoria abgetheilet werden; wobenebens von allen Quæstionibus

(133) Juris oder Sachen, welche dem Constituten zu wissen nicht zugemuthet werden mögen, zu abstrahiren, und die Ordnung der Fragstücken dergestalt einzurichten ist, daß immer eins aus dem anderen fliesse, und hierin verschiedene Uebelthaten oder Umstände nicht durcheinander geworffen und vermischet werden.

Wie gegen Widerspenstige, oder Stum(m)e, Taube und der Sprach unkundige Inquisiten zu verfahren?

§. 12. Sollte sich der Delinquent so widerspenstig bezeigen, daß er auf vielfältiges Anmahnen entweder gar keine, oder keine positive Antwort ertheilet; so soll er in Capital-Verbrechen durch die Tortur, in anderen aber, durch empfindliche Carbatsch-Streich, oder durch geringe Aztung in Eisen und Banden dazu angehalten werden. Bey Stummen, Tauben oder der Sprach unkundigen Missethätern aber, soll man sich zuförderist, ob keine Verstellung darunter stecke, sicher stellen, und da sich dergleichen Bosheit nicht bezeiget, das Examen mit Beyziehung der Sprach-Verständigen, oder jener, welche durch Zeichen mit ihnen zu reden gewohnet seynd, vornehmen, oder im Fall die Stumme lesen und schreiben können, ihnen das Interrogatorium allzeit schriftlich vorlegen, und solches hinwiederum schriftlich beantworten lassen, alles in Beyseyn der Obrigkeit, damit kein Betrug oder Unterschub disfalls vorbeygehe.

Was sonst noch hier bey zu beobachten? §. 13. Währendem Examine soll man den Constitutum zwar sitzen lassen, jedoch nach Beschaffenheit der Person und Umständen, in Eisen und Banden geschlossen halten, und ihm nach geendigter Aussage das Protocoll vorlesen, auch was er hiebey zu erinneren hat, beysetzen, und wie er sich auf ein oder anderes Interrogatorium in seinen äusserlichen Gebärden etwann angelassen oder alteriret habe, in einem

(134) besonderen Protocoll vormerken. Im übrigen ist derselbe mit der Beendigung sowohl was ihn selbst, als andere dritte Personen betrift, wegen besorglichen Meineyds zu verschonen, ausser da es auf den in obigem Capitul 5. §. 9. Num. 10. bemerkten Casum Convictionis ankommt: Welchenfalls der Complex vor der Execution des Todes-Urtheils, wegen der übrigen von ihm gravirter Complicum beeydiget werden soll.

Achtes Capitul,

Von dem peinlichen Examine oder der Tortur / sowohl der Delinquenten als Gezeugs-Person.

Was die Tortur seye?

§. 1. Die Tortur ist ein Rechtliches Mittel, um den in Negativis verharrenden Uebelthäter, aus Mangel einer genugsamen Ueberweisung, zur wahren Bekanntnuß zu bringen, oder von dem wider ihn vorkommenden Verdacht zu reinigen. Wo demnach kein redlich- und genugsamer Verdacht obhanden, oder der Thäter ohnehin schon Confessus oder Convictus ist, da kan keine Tortur Platz greiffen; und im Fall solche gleichwohl aus Ungeschicklichkeit des Richters verhänget wurde, so hat alsdann die Pœna Ordinaria nimmermehr statt.

Landsgebräuchliche Tortur.

§. 2. Die Lands-gebräuchliche Tortur bestehet theils in dem Daumstock, theils in dem Aufziehen, theils in der Spitz-Ruthen. Und wie nun der Letzteren halber der vorhin üblich geweste Unterscheid, in Modo & Applicatione durch Churfürstliche Special-Verordnung bereits aufgehoben ist; so hat es ferner dabey sein Verbleiben, und soll demnach dieselbe nicht mehr um den Leib, sondern auf der Bank

(135) über den Rücken appliciret; mithin dieser Modus durchgehends gleich beobachtet werden.

Unterschiedliche Grad derselben.

§. 3. Der erste Gradus Torturæ, bestehet in der Territion oder Androhung derselben, und zwar cum vel sine metu proximo. Dieses Letztere geschiehet mittels blosser Vorweisung der Instrumenten in dem Ort der Tortur, jenes aber entweder mit Anlegung des Daumstocks ohne Zuschrauffen, oder mit Bind- und Einschlagung des Hackens ohne Aufziehen, oder mit Bind- und Auflegung des Inquisitens auf der Folter-Bank, ohne Versetzung der Spitz-Ruthen-Streichen. Darauf folget der zweyte Gradus, durch die würkliche Tortur selbst, entweder mittels Zuschrauffung des Daumstocks, oder mittels erstmaligen leeren Aufziehens, oder durch Versetzung der Spitz-Ruthen-Streichen. Der dritte geschärfte Gradus aber bestehet darinn, daß entweder der Daumstock nach gänzlicher Zuschrauffung etlichemahl gerieglet, oder das Aufziehen wiederholet, das Seil angeschlagen, und 25. bis 50. Pfund angehängt, oder die Spitz-Ruthen-Streiche zu zwey-oder dreymalen allzeit über den anderen Tag reiteriret; und zwar das Erstemahl 15. bis 20. das Zweytemahl 20. bis 25. das Drittemahl aber 25. bis 30. Streiche versetzet werden. Der höchst- und schärffeste Gradus ist endlich, wann nebst der Spitz-Ruthen auch die Leib-Gürtel, oder bey der letztern Reiteration gar der Bock gebrauchet wird.

Beamte sollen solche ohne Befehl nicht vornehmen, excepto unico casu.

§. 4. Die Churfürstliche Beamte, sollen (den einzigen Fall ausgenommen, welcher oben im ersten Theil, Cap. 11. §. 7. der inländisch- verdächtiger Bettlern und Vaganten halber statuiret ist) ohne

(136) Vorwissen und Befehl der Churfürstlichen Justiz-Dicasterien, worunter sie stehen, keine Confrontation, geschweigens eine Tortur oder Bedrohung derselben vornehmen, sondern wann die Sache dahin qualificiret ist, die Acta mit einem kurzen Remiss dahin einschicken, und die weitere Instruction darüber erwarten. Die Land-Stände hingegen, welche das Malefiz haben, und die Acta nicht einzuschicken pflegen, sollen gleichwohl weiter verfahren, wie Malefiz-Rechtens, und hernach mit Mehreren geordnet ist.

Wer von der Tortur befreyet sey?

§. 5. Von der Tortur seynd Würde halber befreyet, alle adelich- und graduirte Personen, wie auch Churfürstliche vornehme Beamte, Patricii, und Raths-Verwandte in ansehnlichen Städten, oder die dem gemeinen Wesen besonders dienstlich und verhülflich seyn mögen, ausgenommen in gar überschweren Verbrechen, zu Latein: Atrocissimis, worinfalls sie anderen gleich zu halten seynd. Wegen Schwäche des Verstandes aber, werden hievon eximiret Kinder und Unsinnige, Unvogtbare, Stumm und Taube, welche nicht lesen und schreiben können, und soll bey unvogtbaren Personen, wo der Verstand durch die Maliz ersetzet ist, höchstens nur die Territion oder Ruthen mit Bescheidenheit gebrauchet werden. Von Schwäche des Leibes wegen, seynd alt erlebt- und erkräftete Leut, schwangere Weiber, Kind-Betterinnen, Säugammen, Kranke, Presthafte und dergleichen, so lang dieser Zustand dauret, entweder gar nicht oder nur sub metu proximo, oder mit Gutbefinden und in Beyseyn des Medici moderat zu torquiren. Handwerks-Leute sollen zwar von der würklichen Tortur nicht eximiret werden, im Fall es aber nur auf die blosse Territion ankommt; soll man sie mit Anlegung des

(137) Daumstocks, oder Bind- und Einschlagung des Hackens verschonen, damit sie in Fortsetzung ihres Handwerks, destoweniger Ungelegenheit und Anstand zu befahren haben.

In was für Fällen man die Tortur unterlasse(n) soll?

§. 6. Damit auch die Tortur nicht schwerer als die die (!) Straff selbst sey, so soll die würkliche nur in Capital-Verbrechen, welche die Todes-Straff nach sich ziehen können, bey denen übrigen aber, höchstens nur die Territion sub metu proximo, ausgenommen die Bettler und Vaganten, vorgenommen werden. In Civil-Sachen, wofern selbe nicht wegen unterlauffender Uebelthaten in das Criminale degeneriren, und an das Malefiz-Gericht gelangen, hat keine Tortur Platz. Desgleichen soll auch wegen der blossen Exasperation oder Straff-Zusatz, wann der Delinquent durch die Bekanntnuß oder Ueberweisung schon zum Tod qualificiret ist, nicht leicht zur würklichen Tortur, sondern höchstens nur zur Territion und Androhung derselben geschritten werden. In Dubio, ob das Verbrechen eine Capital- oder geringere Straff nach sich ziehen möchte, ist statt der würklichen Tortur ebenfalls nur die Territion vorzunehmen. Wie weit aber einer nach der Bekanntnuß oder Ueberweisung, auf die Mitgespannen torquiret werden möge, ist unten §. 25. nachzusehen.

Requisita zur Tortur.

§. 7. Ohne vorhergehendem Corpore Delicti soll man keine Tortur decretiren: Nebst deme wird auch entweder ein halber Beweis von der That selbst, oder wenigist ein Indicium proximum oder einige Remota, welche durch erhebliche Exception oder Gegen-Beweis nicht abgeleinet seynd, unumgänglich hierzu erfordert.

(138) Modus derselben.

§. 8. Was für ein Tortur nun gegen den Uebelthäter verhängt, und wie weit dieselbe in ihrem Grad geschärft oder gemildert werden soll, läßt sich eigentlich nicht determiniren, sondern kommt meistentheils auf Richterliches Ermäßigen an; doch soll man hierbey theils die Grösse der Uebelthat selbst, theils die Stärke der vorkommender Indicien und derselben Prob, theils auch die Kräften und Leibes-Constitution des Delinquentens in Obacht nehmen; sofort das Genus Torturæ dergestalt darnach einrichten, daß dem Delinquenten eines Theils nicht zu wenig, und andern Theils an seiner Gesundheit oder denen Gliedmassen nicht zu viel geschehe. Wie dann Weibs-Personen, oder mit schwächerer Constitution oder Leib-Schäden Behaftete, statt des Aufziehens mit dem Daumstock oder proportionirlichen Spitz-Ruthen-Streichen angegriffen werden sollen; anerwogen diese letztere Tortur zwar die empfindlichste ist, hingegen aber dem Leib und der Gesundheit den wenigisten Schaden bringet.

Mit wem unter mehreren Complicibus der Anfang zu machen?

§. 9. Seynd mehr Complices von einer Bande zu torquiren, so wird mit dem, welcher die stärkiste Indicia wider sich hat, unter gleich Gravirten aber, der Anfang mit dem schwächeren Theil gemacht, ausgenommen in Delictis Carnis, da die Tortur aus seiner besonderen Ursache allzeit am ersten bey dem Manns-Bild vorgenommen werden soll, wann anders der Casus sich vi §vi præcedentis 6. & 7. ad Torturam genugsam qualificiret.

Was bey Vollziehung derselben zu beobachten?

§. 10. Sobald die Tortur beschlossen, soll mit zeitlicher Bestellung der Executoren, dann Beyschaff- und Besichtigung der nöthigen Instrumenten die

(139) Anstalt verfüget, auch wo mehrere Täge zur Execution vonnöthen, allzeit auf einen Werk- und Vormittag der Antrag gemacht, sofort vor der Tortur selbst, der Delinquent nochmahl vorgeführet, und in Güte befraget, auf weiteres Laugnen aber, ad locum Torturæ überbracht, und der Resolution gemäß gradatim verfahren, hierunter auch mit der Bedrohung niemahlen soweit ad speciem gegangen werden, daß der Inquisit die Art und Maaß der resolvirten Tortur daraus erkennen möge.

Durch wem selbe zu verrichten?

§. 11. Die Torturen sollen durch den Scharfrichter selbst, oder da er verhindert ist, durch seine Knechte verrichtet, auch wo wegen Schärffe derselben, oder des Delinquentens Leibs-Constitution Bedenken obhanden ist, Arzney-Verständige mit beygezogen werden.

Gegenwart der Obrigkeit ist erforderlich.

§. 12. Währender Tortur soll sich die Obrigkeit weder absentiren, noch dem Inquisiten schlechterdings der Discretion des Scharfrichters überlassen, sondern derselben von Anfang bis zu Ende beywohnen, und was der Torquirte für Empfindlichkeit dabey bezeiget, notiren, auch ihn hiebey statt der vielen Interrogatorien, nur in genere zur reumüthiger Bekanntnuß anmahnen.

Wo eine Ohnmacht oder Maleficium taciturnitatis verspühret wird

§. 13. Bey verspührender Ohnmacht ist mit der Tortur so lang innzuhalten, bis sich der Delinquent wiederum erholet. Im Fall aber nur ein verstelltes Wesen und heimliche Maliz darunter verborgen wäre, welches durch verschiedene Mittel leicht zu erkennen ist; soll man sich durch solche Verstellungen nicht irre machen lassen, sondern mit der Tortur fortfahren, und wo ein Maleficium taciturnitatis

(140) anscheint, theils durch Visitir- und Rassirung des ganzen Leibs, theils durch Veränderung der Kleider und Gefängnussen, wie auch mit Anschlagung der Leib-Gürtel und Vorkehrung Geistlicher Mitteln, die nöthige Vorsorge gebrauchen.

Dauer der Tortur.

§. 14. Wegen Länge der Tortur, kan keine gewisse Regul gegeben werden, sondern es kommt hierbey mehrmahl auf die Constitution des Delinquentens und Richterliche Ermäßigung, auch allenfallsiges Gutachten des Medici an.

Wann der Uebelthäter zu beken(n)en anfangt, was zu thun?

§. 15. Wann der Uebelthäter sich zur Bekanntnuß anerbietet, ist mit der Tortur alsogleich innzuhalten, es sey dann, dass er schon ein- oder anderesmahl dergleichen nur auf den Schein gethan, und nach eingestellter Tortur wiederum zu Laugnen angefangen habe, welchen Falls man auf weiteres derley Anerbieten die Tortur nicht unterbrechen, sondern ihn vorhero mit der versprochenen Bekanntnuß unter der Tortur so weit herausgehen lassen soll, daß man den wahren Ernst zu bekennen hieraus abnehmen könne.

Wann die Bekan(n)tnuß nicht hinlänglich?

§. 16. Da nun die Maleficanten öfters so boßhaft seynd, daß sie zu Vermeidung der weiteren Tortur nur halbe Bekan(n)tnuß thun, und entweder die beschwärende Umstände gänzlich verhalten, oder milderende Umstände hinzusetzen, oder wo sie in mehreren Uebelthaten graviret seynd, die kleinere eingestehen, die grössere hingegen fort ablaugnen, oder sich deutlich genug nicht erklären; so soll man weder undeutliche Bekanntnuß ohne hinlänglicher Erläuterung, noch die angebliche milderende Zusätze, ohne alsobaldiger Namhaftmachung der erforderlichen Probs-Mitteln oder wahrscheinlicher

(141) Muthmassungen annehmen, im übrigen dahinsehen, ob die Bekanntnuß so beschaffen, daß es vermög selber an das Leben gehe, oder nicht; ersteren Falls ist dieselbe so weit für hinlänglich zu achten, daß wegen der verhaltener anderer Uebelthaten oder beschwerender Umständen, die Reassumption der Tortur zwar sub metu proximo angedrohet, aber nicht vollzogen werden mag. Letztern Falls aber, greift die Reassumption in so lange Platz, bis sich der Uebelthäter zur hinlänglichen Bekanntnuß bequemet.

Wo Zweifel obhande(n) wegen Zulänglichkeit der Bekan(n)tnuß

§. 17. Stehen aber die zur Tortur verordnete Commissarii oder Beamte, wegen Zulänglichkeit der Bekanntnuß an, so ist in dubio mit weiterer Tortur nicht fortzufahren, sondern die gänzliche Erfüllung derselben vorzubehalten, der Casus an seine Behörde zu überschreiben oder vorzutragen, und die Resolution darüber zu erwarten.

Wie weit die Tortur auf andere Missethaten, deren man nicht indiciret ist, zu erstrecken?

§. 18.Wird jemand nun einer gewissen Missethat halber torquiret, und seynd gegen ihn wegen anderer Missethaten, die der ersten nicht abhangen, keine oder nicht genugsame Indicia vorhanden; so soll er darüber peinlich nicht gefraget werden, ausgenommen verschreyte Diebe, Landlauffer, oder andere verdächtige Leute, welche überhaupt um alle von dergleichen liederlichen Gepacke gemeiniglich ausübende Unthaten, in der Tortur wohl gefraget werden mögen.

Protocoll in loco Torturæ ist zu unterlassen.

§. 19. In loco Torturæ soll weder die Bekanntnuß des Delinquentens, noch was in anderweeg dabey vorgehet, protocolliret, sondern von dem Richter nur ein so anderes zu seiner Nachricht und Gedächtnuß aufgezeichnet, sofort aber das Protocoll über

(142) den ganzen Actum Torturæ, erst nach deren Vollziehung in der Commissions- oder Gerichts-Stuben ordentlich formiret werden.

Bestätigung der Bekan(n)tnuß extra locum Torturæ.

§. 20. Weil auch die in der Tortur oder Territion abgelegte Bekanntnuß, ohne anderweiter Bestättigung von keiner Kraft ist; so soll man den Delinquenten extra locum Torturæ, sobald er sich von der ausgestandenen Furcht und Schmerzen wiederum erholet hat, vom neuen gütlich vernehmen, und seine vorige Aussage ad Protocollum bestättigen lassen, welche Ratification jedoch noch nicht für den wahren Banco Juris zu halten ist, welcher Behalt nachfolgenden 10. Capituls 13. §vi vor Andeutung des geschöpften peinlichen Urtheils erforderet wird.

Wiederholung der Tortur, wan(n) und wie oft dieselbe Platz greiffe?

§. 21. Ist die decretirte Tortur völlig ausgestanden, so kan selbe des nehmlichen Verbrechens halber, wegen welchen sie vorgenommen werden, vom neuen nicht wiederholet werden, ohne daß sich neue und solche Indicia hervorthun, welche nicht nur von denen vorigen ganz unterschieden und specifice distinguiret, sondern auch so stark, wo nicht stärker als die vorige, mithin für sich selbst ohne Beyziehung jener, ad Torturam erklecklich seynd. Wann dahero die ehemahlige nemliche Indicia, durch neue Gezeugen nur bestättiget werden, so seynd sie pro novis nicht zu achten. Es soll auch die Tortur ex capite novorum über dreymahl nicht widerholet werden, ausgenommen wegen wiederruffener Bekanntnuß, dann da greift dieselbe allzeit wiederum ganz und zwar so oft vom neuen Platz, als die Wiederruffung geschehen ist, damit nicht widrigenfalls denen verschrauften Maleficanten der Weeg offen bleibe; durch öftere Wiederruffung nicht nur

(143) die Schärffe der Tortur zu vermeiden, sondern zugleich der ordentlichen Straff zu entgehen, Es wird aber die gleich anfänglich zu zwey- oder dreymahlen eingetheilt, oder wegen bezeigter Unempfindlichkeit repetirte Tortur, allzeit nur für eine gerechnet. Und da sich in Wiederholung derselben neue Indiciæ vervorthun; so mögen die nachfolgende Gradus wohl geschärffet werden.

Würkung der ausgestandenen Tortur.

§. 22. Die Würkung von völlig ausgestandener Tortur, ist die Reinigung des Verdachts; und wie nun dieselbe wegen jeder Inzicht oder Uebelthat, wo deren mehrere zugleich gegen den Inquisiten vorkommen, nicht besonders, sondern über alle und jede auf einmahl vorgenommen wird; so ist man auch dadurch auf einmahl von allen Verdacht, so weit hierunter nichts eingestanden worden, in genere & specie purgiret, und muß der Gefangene nicht nur ab Instantia & Observatione Judicii, sondern definitivè absolviret, an seinen vorigen Ehren in integrum restituiret, und entlassen werden, welches aber gleichwohl bey verschreyt- und öffentlichen Charten beschriebenen Dieben und Räubern, oder dergleichen fürchterlich- und gefährlichen Leuten seinen Absatz leydet; dann diese seynd auch post Torturam nicht zu entlassen, sondern in dem Arbeits-Haus Lebens-länglich oder doch auf lange Jahr einzusperren, weil solches nicht so viel zur Straff als guter Disciplin angesehen ist.

Untüchtiger Gezeugen Tortur.

§. 23. Man pfleget aber nicht nur die Uebelthaten, sondern auch die Gezeugen zu dem Ende zu torquiren, damit man die reine Wahrheit von ihnen erhalte. Und zwar so viel die untüchtige Gezeugen betrift, ist bereits oben in Cap. 5. §. 9. Num. 13. schon berühret worden, daß sie ihre Untüchtigkeit

(144) per Torturam zu reinigen vermögen, wann sie sich hierauf einlassen, und ihre Aussage auf solche Weis erhärten wollen. Doch soll man sich dieser Tortur nicht leicht bedienen, sonderbar aber weder Capital- und geschworne Feind, noch die mit mehreren Untüchtigkeiten beladene Gezeugen hierzu admittiren oder anhalten. Und obwohl übrigens diese Tortur niemahl so scharf als bey dem Delinquenten selbst seyn soll; so soll doch hingegen selbe auch nicht zu gelind seyn, damit es nicht das Ansehen gewinne, ob wäre dieselbe nur auf den blossen Schein gewesen.

Tüchtiger Gezeugen Tortur.

§. 24. Tüchtige Gezeugen werden nur alsdann torquiret, wann sie entweder gar keine Gezeugschaft leisten wollen, oder in denen Haupt-Umständen geflissener Weis variiren, sich contradiciren, oder ihre Aussage ohne erheblich- und erweislicher Ursache wiederruffen. Es seynd aber bey dieser Zeugen-Tortur folgende Stück zu bemerken: 1mo Muß man vor allen mit dem Corpore Delicti sicher stehen. 2do Sollen sehr nahe Anzeigungen vorhanden seyn, daß der Gezeug gute Wissenschaft von der Sach habe. 3tio muß die Wahrheit auf andere Weis nicht zu erholen, und der Gezeug keine von der Tortur eximirte Person, auch das Delictum so beschaffen seyn, daß es eine Tortur leydet. 4to Soll diese Tortur auch ex capite notum niemahls wiederholet werden, und in Capital-Verbrechen höchstens nur in dem Daumstock oder leeren Aufziehen; bey den übrigen aber, nur in der Territion cum vel sine metu proximo, oder bey geringeren Verbrechen gar nur in der Gefängnuß oder Geld-Straff bestehen.

Tortur wegen

§. 25. Wo die Umstände zu erkennen geben, daß die

(145) Uebelthat nicht von einem allein, sondern von mehreren begangen, oder dazu geholffen worden; so mag der gefangene Delinquent nicht nur in der Haupt-Tortur, sondern wann er gleich ausser oder inner derselben seine Mißhandlung schon würklich bekennet hat, oder derselben gänzlich überwiesen wäre, nichts destoweniger mittels sonderbarer Tortur auf die Gesellen, Helffer, und Mitverwandte, sofern er der Complicität halber in Negativis ist, gefragt werden. Wie aber diese Letztere an sich nur eine Gezeugen-Tortur ist; so soll sie auch nicht so scharf wie die Haupt-Tortur seyn, sondern es soll hiermit gehalten werden, wie §vo præcedenti geordnet ist. Wobenebens in dem peinlichen Constituto von der Haupt-That zu abstrahiren, und dem Delinquenten, wann er solche von freyen Stücken berühret, ohnverhalten zu lassen ist, daß es bey dieser Tortur nicht mehr um das, was er schon einbekannt hat, sondern einzig und allein um die Mithülf und Gespannschaft zu thun seye. Im Fall aber der Inquisit sich bereits in der Haupt-Tortur über die Complicität vernehmen lassen hat; so ist alsdann der Complicum halber keine neue Tortur nöthig, sondern jene soll ad utrumque effectum, sowohl circa delictum principale, als qualificationem testimonii erklecklich seyn.

Bestättigung sothaner Gezeugschaft.

§. 26. So wenig die in der Haupt-Tortur abgelegte Bekanntnuß ohne anderweitiger Ratification von einer Kraft und Gültigkeit ist; so wenig mag auch die per Torturam erhaltene Gezeugschaft bestehen, wann nicht die Bestättigung extra metum & locum Torturæ gleichfalls darauf erfolget ist.

Von unrecht- und übermäßiger Tatverdacht

§. 27. Was durch unrechtmäßige Tortur erpreßt worden, erlangt sogar durch nachgefolgte Bestättigung

(146) ohne neuen hinlänglichen Behelf keine Kraft, sondern bleibt ein für allemahl mit einer solchen Nullität behaftet, welche sich per reassumtionem processus nicht ersetzen läßt; kan dahero gegen einen solchen Delinquenten die Ordinari-Straff nicht mehr Platz greiffen. Gegen dem Richter aber bleibt solchen Falls nicht nur die Straff und Actio Injuriarum bevor, sondern wann jemand an dergleichen Tortur stirbt; so ist er für einen Todschläger zu achten, und nach Gestalt der hierunter begangener Gefährde, Unverstand oder Nachläßigkeit, an Leib, Leben oder sonst arbitrariè zu bestraffen, mag ihm auch die abgeschworne Urphed keinesweegs dagegen schützen oder schirmen.

Neuntes Capitul,

Von der Confrontation und dem Purgations-Eyd.

Von der Confrontation.

§. 1. Da die Tortur weder gegen alle Personen, noch in allen Fällen statt hat; so geschiehet sowohl in schweren als geringen peinlichen Verbrechen nicht unrecht, wann dem in Negativis verharrenden Uebelthäter die Gezeugs-Personen oder Complices, womit er in Contradictoriis stehet, unter das Angesicht gestellet, und mittels solcher Confrontation die Wahrheit zu erhalten getrachtet wird.

In welchen Fällen dieselbe zu unterlassen?

§. 2. In folgenden Fällen soll man nicht leicht eine Confrontation vornehmen. 1mo Wann die Confrontanten in loco Judicii nicht anwesend seynd. Oder da 2do die Contradiction zwischen ihnen und dem Delinquenten, nur in solchen Neben-Dingen bestehet, welche weder einen Beweis der Uebelthat noch ein Indicium proximum ausmachen. 3tio Zwischen

(147) nahen Anverwandten, oder Mann und Weib. 4to Bey adelichen oder ansehnlichen Personen weder unter sich, noch mit anderen. 5to Zwischen Complicibus, wo man nicht von des Confrontantens Beständigkeit genugsame Proben hat; indeme man zu befürchten, daß derselbe gleichfalls durch des Confrontanti hartnäckiges Ablaugnen, zum Wiederruf beweget werden dürfte.

Was vor der Confrontation zu thun?

§. 3. Vor der Confrontation ist nöthig, daß man sich zuförderist der Person halber genugsam sicher stelle, und den Confrontandum mittels heimlicher Vorstellung recognosciren lasse; sofort den Confrontanten in Abwesenheit des anderen nochmahl befrage: Ob er nicht in der Person geirret? und denselben auch die Wahrheit nunmehro unter das Angesicht zu sagen getraue? Im Fall er nun darauf beharret; so soll man ihn abtretten, und hingegen den Confrontandum vorruffen lassen, demselben zu gütlicher Bekanntnuß, und daß er es auf die Confrontation nicht ankommen lassen möchte, beweglich zusprechen, endlich aber auf continuirliches Laugnen, den Confrontations-Actum vornehmen.

Præcaution wegen der Suggestion.

§. 4. Wie nun in der Confrontation, selbst gemeiniglich die gröbiste Suggestionen zu Schulden gebracht werden; so soll man zu Vermeidung deren dem Confrontanten nicht gestatten, daß er seine vorhin schon gethanene (!) eydliche Deposition mit allen Umständen, wie sie in dem Protocoll zu befinden (!), dem Confrontando gleich platterdings vorhalte. Vielweniger soll man demselben seine vorige Aussage vorlesen, und solche in Gegenwart des Confrontandi nur bestättigen lassen, sondern es soll derselbe durch gewisse Fragstücke eingeschränket, und diese

(148) von der Obrigkeit dergestalten eingerichtet werden, daß dem Confrontando über die in Confrontatione vorgehaltene Umstände, wenigist ein oder anderer Haupt-Umstand zu seiner selbigen freyen Erzehlung übrig verbleibe.

Von dem Confrontations-Protocoll.

§. 5. Was nun Confrontans auf jedes Interrogatorium in Beyseyn des Inquisitens ausgesaget, und von dem Confrontato darauf geantwortet worden, soll in dem Protocoll neben einander niedergeschrieben, und auf solche Weis von einem Interrogatorio zum anderen fortgeschritten, auch mit was für Beständigkeit der Vorhalt geschehen, und wie sich Confrontatus dagegen gebärdet, oder angelassen habe, in einem besonderen Protocoll angemerket werden.

Wo mehr Confrontanten seynd.

§. 6. Seynd der Confrontanten mehr, so soll die Confrontation nicht mit allen zugleich, sondern successivè mit jeden besonders vorgenommen werden.

Confrontation soll nicht nach, sondern vor der Tortur vorgenommen werden.

§. 7. In Fällen, wo die Tortur und Confrontation zugleich decretiret ist, soll man diese niemahls nach, sondern allzeit gleich unmittelbar vor der Tortur vornehmen.

Confrontation der Gezeugen unter sich.

§. 8. Die Gezeugen unter sich sollen nur alsdann confrontiret werden, wann sie sich über Haupt-Umstände contradiciren.

Confrontation ist ein blosses willkührliches Wesen.

§. 9. Doch stehet sowohl diese als vorige Confrontation lediglich in Richterlicher Willkühr, und wird der Process wegen Unterlassung derselben mit keiner Nullität behaftet.

(149) Wann die Confrontation fruchtloß ablauffet.

§. 10. Wann der Confrontatus weder zur gütlichen Bekanntnuß zu bringen, noch die Aussage der Confrontanten so beschaffen ist, daß eine völlige Ueberweisung daraus entstehet; so kommt es entweder auf die Tortur, oder wo solche nicht Platz greift, nach Gestaltsame der Sach auf den Purgations-Eyd, oder eine Pœnam extraordinariam, oder auf die Absolution ab Instantia vel observatione judiciali an.

Von dem Purgations-Eyd.

§. 11. Der Purgations- oder Reinigungs-Eyd hat zwar sowohl in schweren als geringeren peinlichen Verbrechen statt; soll jedoch 1mo nur in Subsidium dienen, wann nemlich durch die angestellte Special-Inquisition oder Anklage, weder die Wahrheit der begangenen Missethat, noch die Unschuld des Inquisitens oder Beklagtens durch rechtliche Exception oder Gegenbeweis genugsam dargethan ist. 2do Soll man selben ohne hinlänglichen Verdacht niemand aufbürden, sondern es muß hierzu wenigist ein oder anderes Indicium remotum vorhanden, und solches nicht sattsam abgeleint worden seyn. Dahingegen ist auch 3tio wegen besorglichen Meineyds niemand so leicht dazu zu admittiren, wann ein halber Beweis oder ein Indicium proximum obwaltet; dann in solchen Fällen soll man die Torturam vel Territionem, oder da dieses aus anderen Ursachen nicht wohl seyn kan, wegen des starken Verdachts Pœnam extraordinariam dictiren. 4to Soll auch der Eyd nicht per Procuratorem, sondern in Person mit all gebräuchigen Solennitäten und vorläufiger nachdrucksamer Erinnerung des Meineyds abgelegt werden.

Würkung des abgeschwornen oder recusirten Eydes.

§. 12. Nach erfolgten Schwur ist der Inquisit oder

(150) Angeklagte, definitivè zu absolviren. Wird aber der auferlegte Eyd widerrechtlich recusiret und verweigert, so greift in Capital-Verbrechen die Tortur, in anderen aber Pœna extraordinaria Platz.

Zehendes Capitul,

Von dem peinlichen Urtheil, dessen Verfaß- Publicir- und Vollziehung.

Von peinlichen End- und Bey-Urtheilen.

§. 1. Ein peinliches Urtheil, wodurch der Inquisit entweder zur Straff verdammt, oder davon losgesprochen wird, ist und heißt ein End-Urtheil. Andere Obrigkeitliche Conclusa aber, welche weder auf die Absolution noch Condemnation, sondern nur auf weitere Fortsetzung des peinlichen Process gehen, seynd, und heissen blosse Bey-Urtheile.

Wie weit die Beamte hierinn vorgehen dürffen.

§. 2. Gleichwie keinem Churfürstlichen Beamten obverstandenermassen die Confrontation, Tortur, oder den Purgations-Eyd eigenmächtiger Weis vorzunehmen gebühret; also auch sollen sie ohne Vorwissen und Befehl der Churfürstlichen Justiz-Dicasterien, weder in schweren noch in geringern peinlichen Verbrechen jemand absolviren oder condemniren, ausser, was die in- und ausländische Bettler und Vaganten betrift, welcherwegen es bey der Verordnung des ersten Theils 11. Capituls, sein Verbleiben hat.

Wie die Criminalia bey Dicasteriis zu verbescheide(n).

§. 3. Damit aber bey gedachten Justiz-Dicasteriis das Civile durch die Criminal-Sachen nicht gehemmet werde; so soll man die Letztere in Separato von 6. oder 7. Räthen vornehmen lassen, ausser wo es auf eine gar schwere Tortur mit dreymahliger Repetition und dem Bock, oder das Todes-Urtheil ankommt, welchen Falls die Sach in Pleno, oder

(151) wenigist vor 9. Räthen abgemacht werden soll. Und was nun einmahl in Separato hierinnfalls per unanimia vel majora beschlossen ist; dabey soll man es bewenden, und ohne sonderbar erheblicher Ursach, so leichterdings nicht wiederum in Pleno reproponiren lassen.

Von dem Bann-Richter.

§. 4. Dieweil auch ohne vorläufiger Vernehmung des Bann-Richters, wo einer vorhanden und ordentlich hierauf verpflichtet ist, niemand zum Tod verurtheilet werden soll; so seynd ihm die abgeschlossene Acta in solchen Fällen, zu Verfertigung seines Gutachtens zu communiciren, und ist nicht nöthig, deswegen einen Befehl durch die Canzley an ihn ausfertigen zu lassen, sondern das Conclusum, welches bey denen Actis liegt, soll zu mehrerer Beförderung der Sach, statt des Befehls dienen. Sobald nun der Bann-Richter mit seinem Gutachten gefaßt (!) ist; soll er in Pleno selbst, entweder schriftlich oder nach Gestalt der Sach und Gutbefinden der Directorii, mündlich darüber referiren, und derwegen auf Anmelden währender Session allzeit gleich selbigen oder am nächsten Raths-Tag ad Referendum zugelassen werden. Ausserhalb sothaner Criminal-Relation aber, gebühret ihm weder Votum noch Session im Rath.

Was die Land-Stände hierinn zu thun haben?

§. 5. Land-Stände, welche mit Stock und Galgen versehen seynd, stehet frey, ob sie sich bey Schöpfung eines Bey- oder End-Urtheils des Bann-Richters gebrauchen, und die Acta um der Entscheidungs willen zu denen Churfürstlichen Justiz-Dicasteriis einsenden wollen oder nicht, es sey dann bey diesen oder jenen Stand specialiter ein anderes hergebracht, welchen Falls es bey der alten Observanz ferner verbleibt. Wegen der sogenannten

(152) Recht- und Urthelsprechern aber, hat es bey der neu-verbesserten Hof-Raths-Ordnung Art. 3. §. 3. sein Bewenden.

Verschickung der Acten.

§. 6. Verschickung der Acten und Berathschlagung der Rechts-Gelehrten, ist bey Churfürstlichen Dicasteriis und Aemtern, hiermit als unnöthig und aufzüglich abgeschaft. Die Stände aber, welche den Blut-Bann independenter von bemeldten Dicasteriis exerciren, und ihre Gerichte mit mehreren verständigen Rechts-Gelehrten der Nothdurft nach nicht besetzet haben, sollen sowohl vor Abfassung der End- als Bey-Urtheilen von grösserer Consequenz, zumahl wo es auf eine Tortur ankommt, entweder den Bann-Richter, oder andere der inländischen Rechten und gegenwärtiger Ordnung genugsam kundig und erfahrene Männer consultiren.

Was in Inquisitionibus hinterstelliger Beamten, und bey denen Wild-Schütze(n) zu beobachten?

§. 7. Bey Criminal-Inquisitionen hinterstelliger Beamten, soll man die geschlossene Acta vor dem End-Urtheil der Churfürstlichen Hof-Cammer, um ihre Erinnerung communiciren; dergleichen auch gegen das Obrist-Jägermeister-Amt in Wildprett-Schützen-Sachen, dergestalten beobachten, daß demselben nebst Communicirung der Acten, auch allzeit von dem vorhabenden Bescheid, jedoch ohne Rationibus decidendi vorläufige Nachricht gegeben, und dessen gutachtliche Meinung darüber vernommen, auch so weit es Recht oder Billigkeit zulasset, in judicando darauf reflectiret werden soll.

Ueberlegung des peinlichen Urtheils.

§. 8. Bey Ueberleg- und Verfassung des peinlichen Urtheils seynd hauptsächlich vier Puncten zu examiniren: 1mo In was für einem Delicto man versire: 2do Wie dasselbe bewiesen worden: 3tio Ob

(153) man den Beweis durch Gegen-Beweis und Exception nicht elidiret habe: 4to Ob in dem Process der Ordnung gemäß verfahren worden: und was demnach 5to sowohl in der Haupt-Sache als quo ad Accessoria zu judiciren seyn möchte; wobey dann der Bann-Richter oder der bestellte Referent, zugleich die Stelle des Defensoris zu vertretten, und was nur immer zu Rechtlicher Vertheidigung des Missethäters dienlich seyn mag, bey seiner obhabender Pflicht getreulich anzuführen hat.

Von der Absolution entweder definitivè oder ab Instantia.

§. 9. Bezeiget sich nun aus dieser Untersuchung, daß der Inquisit oder Angeklagte ganz unschuldig sey, oder sich wenigist per Torturam vel Juramentum Purgationis genugsam gereinigt habe; so wird er endlich und gänzlich absolviret; mithin auch des Arrests gegen Angelobung, daß er sich deswegen an niemand rächen wolle, ohnaufhältlich entlassen. Liegt aber die Unschuld nicht klar am Tag, sondern bleibt etwann wegen nicht genugsam abgeleinter Prob und Inzicht, oder weil die Reinigung per Torturam vel Juramentum gewisser Bedenklichkeiten halber, nicht hat vorgenommen werden können, annoch ein billiger Verdacht übrig; so wird der Inquisit zwar endlich, aber nicht gänzlich, sondern nur ab ulteriori Instantia & Observatione Judiciali absolviret; nach Gestalt des überbleibenden Verdachts extraordinariè gestraft, sofort nach vorgedacht- ebenmäßiger Angelobung des Verhafts begeben.

Von der condemnation.

§. 10. Wann hingegen das Delictum durch hinlängliche Bekanntnuß oder Ueberzeugung vollkommen dargethan, und der Beweis durch des Inquisitens Behelf, weder ganz noch zum Theyl entkräftet ist; so wird derselbe zur Ordinari-Straff condemniret,

(154) es seye dann eine von denen im ersten Theile ersten Cap. bemerkten milderenden Umständen vorhanden, welchen Falls die Pœna ordinaria in extraordinariam verwandelt werden muß. Desgleichen ist auch oben schon erwehnet worden, daß eine ausserordentliche Straff auf einen halben Beweis oder Indicium proximum, in Fällen wo die Tortur nicht Platz-greifig ist, wohl erkannt werden mag.

Requisita des Urtheils

§. 11. In dem peinlichen Urtheil soll nicht nur der Name des Inquisitens, sondern auch des Anklägers, wo einer vorhanden, wie auch das Verbrechen und die dictirte Straff, samt dem allenfalligen Zusatz, deutlich und specificè exprimiret, alle Bedingnussen hierinn beyseit gesetzt, und wo die Statuta mit der Straff alternativè gehen, solche durch Richterliche Erkanntnuß determiniret, sofort endlichen auch die Process-Kösten niemahls ausser Acht gelassen werden. Obwohlen man sich im übrigen nach dem Petito Libelli nicht zu richten und eben so wenig die Rationes decidendi in der Erkanntnuß auszudrucken hat; so soll sich doch selbe auch niemahls auf blosses Gutbedunken oder Privat-Notiz der Obrigkeit, sondern lediglich auf das, was denen Actis und Statutis gemäß ist, begründen.

Wie die Vota Majora auszusprechen und zu rechnen seynd?

§. 12. Wo Vota paria vorhanden seynd, gibt der Præsident, oder der dessen Stelle vertritt, den Ausspruch, sonst aber bleibt es bey denen Majoribus, ohngeachtet der Bann-Richter, oder die sogenannte Urthelsprecher etwann einer widrigen Meinung gewesen, und ist in solchen Fällen nicht nöthig einen anderen Bann-Richter zu vernehmen, oder die Acta zu verschicken. Damit aber ex Combinatione Votorum, wann solche sehr discrepant, und in

(155) vielerley Meynungen gespalten seynd, so leicht kein Anstand oder Irrung entstehen möge; so sollen die Stimmen, welche in der Haupt-Sache nicht durchaus übereinskommen (!), unter dem Vorwand daß sie gleichwohl näher als andere zusammen treffen, niemahls combiniret, sondern pro Disparibus gehalten, sofort die Majora vel paria ohne Unterscheid, ob sie ad Condemnationem vel Absolutionem gehen, darnach ausgerechnet werden.

Von dem Banco Juris und Ankündung der Urtheils

§. 13. Gehet das Urtheil auf den Tod, so soll man vor der Publication und Ankündung desselben, den sogenannten Banco Juris formiren, welcher kurz darinn bestehet, daß der Maleficant aus der Gefängnuß vorgeführet, von Eisen und Banden entlediget; sofort nach beschehener Vorhalt- oder Ablesung seiner gethaner Bekanntnuß, ob und wie weit er darauf beharre, auch was derselbe allenfalls noch dabey zu erinneren habe, nochmahls gütlich befraget werde. Wird nun dieselbe von ihm bestättiget, so soll gleich darauf die Ankündung des Todes, und zwar, wo es Herkommens ist, durch den eventualiter mit beyzuziehenden Bann-Richter geschehen. Wiederruft er aber solche zum Theil oder ganz, oder gibt selbe nur unter gewissen Bedingnussen und solchen Zusätzen ab, welche den Casum merklich alteriren, oder wenigist zweifelhaft machen; so ist mit der Publication einzuhalten, und gestalten Dingen nach, mit dem Process weiter zu verfahren. Wo aber der Inquisit aus rechtmäßig-vollkommner Ueberzeugung zum Tode verurtheilt wird, ist ihm das Urtheil ohne vielen Umschweif zu eröfnen; wie dann auch bey Publicirung geringerer Straffen, so nicht an das Leben gehen, weder obbemeldte Bestättigung, noch die Beyziehung des Bann-Richters erfordert

(156) wird. Im übrigen soll das Genus mortis niemahls sondern nur der Tod in genere mit dem Beysatz angekündet werden, daß die Execution längstens inner drey Tagen erfolgen soll.

Von der Appellation und anderer Behelf nach publicirtem Urtheil.

§. 14. In Criminalibus hat weder gegen End- oder Bey-Urtheil eine Appellation statt, sondern die Erkanntnuß erwachset nach der Publication alsofort in rem judicatam, welche sich in Absolutionibus weder von dem nemlichen noch einem anderen Richter ohne neuen hinlänglichen Indiciis, welche von den vorigen ganz distinguiret, und für sich selbst zu Reassumirung des peinlichen Process stark genug seynd, mehr umstossen läßt, in Condemnatoriis aber, bleibet dem Inquisiten post Publicationem Sententiæ, kein anderer rechtlicher Behelf mehr übrig, ausser, daß die Uebelthat gar nicht, oder durch einen anderen geschehen sey, per evidentiam facti zu beweisen; welches entweder durch Probirung der Negativæ loci, oder daß z. E. der entleibet seyn Sollende noch bey Leben sich befinde, und dergleichen augenscheinliche Proben bewürket werden können.

Urtheil wie lang die Execution der publicirten Urtheil zu verschieben.

§. 15. Die Execution des Urtheils, soll in Absolutoriis gleich nach der Publication ohne Anstand geschehen, welches auch in Condemantoriis, wo es nicht an das Leben gehet, zu beobachten kommt. Denen zum Tod Verurtheilten aber, soll man zur Vorbereitung und anderer Disposition wenigist einige Tage Zeit lassen; und während dieser Zeit nicht nur der Geistlichkeit den Zutritt gestatten, sondern den Maleficanten mit besserer Kost versehen, und in einem bequemeren Zimmer verwahren. Im Fall auch das Criminal-Urtheil ein adelich- oder characterisirte Person betreffete, soll solches allzeit vorhero

(157) ad ratifacandum höchster Orten eingesendet, und ob die Execution heimlich oder öffentlich geschehen soll, Resolution erwartet werden.

Disposition des Verurtheilten über seine Güter.

§. 16. In Verbrechen, worauf die Confiscation-Straff nicht ausdrücklich statuiret ist, soll solche auch nicht erkannt werden; bleibt mithin solchen Falls auch dem armen Sünder die freye Disposition über sein Haab und Gut, sowohl unter Lebendigen als Todten unbenommen. Was man aber von entfremten Sachen bey ihm oder in loco deprehensionis findet, das gehört selbigem Gerichts- oder Hofmarchs-Herrn zu, wann niemand, der das Eigenthum anspricht, und sich derwegen genugsam legitimiren kan, vorhanden ist.

Aus was Ursache der Execution nach publicirten Todes- oder anderen Urtheil Anstand zu gebe(n).

§. 17. In Leibs-Straffen wird die Execution zuweilen wegen Krankheit des Delinquentens, oder da sich von einer begangenen Capital-Uebelthat neue starke Indicia hervorthun, verschoben. In Lebens-Straffen aber soll man nach beschehener Publication nur in folgenden Fällen mit dem Vollzug Stillstand halten. 1mo Wann sich die verurtheilte Person für schwanger angibt, und dieses Angeben wahr- oder doch zweifelhaft befunden wird. 2do Da dieselbe etwann aus Kleinmüthigkeit oder anderer Ursachen halber ganz von Sinnen kommt, und keine Verstellung hierunter stecket. 3tio Da sie den erforderlichen Beweis machen will, wovon in §. 14. oben Meldung geschehen ist. 4to Da die zur Ueberweisung gebrauchte Gezeugen sich selbst als meineydig angeben, und ihr Gezeugnuß wiederruffen. 5to Da sich der arme Sünder unbußfertig bezeiget, welchen Falls jedoch über die gewöhnliche Zeit mehr nicht als einige Tage zugewartet; sodann aber gegen den Unbußfertigen ein als anderen

(158) Weegs verfahren werden soll. Wegen der Complicum aber, soll man 6to weder die Execution noch Publication des Urtheils verschieben, wo nicht Atrocitas Delicti, die Ungewisheit der gravirten Person, oder andere dergleichen hoch erhebliche Umstände, ein anderes erforderen.

Zeit, Ort und Solemnitäten der Execution, auch durch wem und wie selbe geschehen soll?

§. 18. Soll die Execution an einem Werk-Tage, und wo nicht specaliter ein Anderes befohlen wird, an einem offentlichen Ort nach vorläufiger Vorlesung der Urgicht, und mit denen gebräuchigen Solemnitäten, wie sie jedes Orts hergebracht seynd, nach dem Inhalt des Urtheils ohne Mehr- oder Minderung durch den Scharfrichter verrichtet werden. Sollte nun dem armen Sünder aus Verschulden des Scharfrichters in der Execution zu viel geschehen, so soll sich deswegen bey Leib- oder Lebens-Straff zwar niemand an ihm vergreiffen, vielweniger einen Tumult darüber erregen; die Obrigkeit hingegen gestalten Dingen nach, gebührends Einsehen hierinn thun. Wegen eines gethanen Fehlstreichs aber, oder da bey bei dem Aufhenken etwann der Strick brechen wurde, ist die weitere Execution nicht einzustellen, sondern so lang damit anzuhalten, bis dem Urtheil ein Genügen beschehen ist.

Execution der Landesverweisung.

§. 19. Die Landes-Verweisungen sollen allzeit auf alle Churfürstliche Ländereyen, mit Einschluß der Oberen-Pfalz und ausserhalb des Bayrischen Crayses liegend-Churfürstlicher Herrschaften sich erstrecken, annebens in dem Urtheil die Zeit, wie lang nemlich die Relegation dauren soll, ausgedrucket werden. Im übrigen ist nicht nöthig, daß die Churfürstl. Dicasteria derwegen einander ersuchen; wohl hingegen sollen sich die mit dem Blut-Bann begabte

(159) Stände ausser ihres Criminal-Gezirks (!), ohne von dem Churfürstlichen Hof-Rath oder respectivè Regierungen erholenden Consens, niemand des Landes verweisen.

Wie die Urphed abzuschwören?

§. 20. Bey ewiger Landes-Verweisung soll man allzeit die Urphed in Beyseyn zweyer Gezeugen abschwören lassen; dessen auch die Minderjährige, wann sie nur 14. Jahr erfüllet haben, nicht zu begeben seynd, massen das zwanzig-jährige Alter, nur zum Gezeugen-Eyd in Criminal-Sachen, nicht aber bey anderen Juramenten erforderlich ist. Will sich der Maleficant zum Schwur nicht bequemen, so soll man ihn anfänglich durch geringe Aztung und harte Gefängnuß in Eisen und Banden dazu anhalten, auf weitere Halsstärrigkeit aber, den Eyd durch einen Gerichts-Bedienten in des Uebelthäters Gegenwart, und seine Seel ablegen lassen, mit der Verwarnung, daß wegen übertrettender Urphed, die Straff des Meineyds nicht anders, als hätte er selbst geschworen, statt haben soll.

Wie gegen abwesende Delinquenten zu verfahren?

§. 21. Gegen Abwesende, welche sich entweder aus dem Lande, oder in Geistlich- und Weltlichen Freyungen begeben haben, wird die Execution theils in effigie, theils an ihren Gütern vorgenommen. Zuförderist aber, ist hierbey vonnöthen, daß der Flüchtige durch Steck-Briefe und Compass-Schreiben, oder da man den Ort seines Aufenthalts nicht weiß, oder derselbe keinen Anwald hinterlassen hat, edictaliter citire. Erscheinet nun der Citatus inner dem præfigirten peremptorischen Termin nicht, so wird in solchen Verbrechen, welche keine Leibs- oder Lebens-Straff nach sich ziehen, eine Geld-Straff dictiret,

(160) und an dem hinterlassenen Vermögen eingebracht; in grösseren Uebelthaten aber, ist zwischen gemeinen und adelich- oder ansehnlichen Personen, folgender Unterscheid zu machen: Daß nemlich der ersten hinterlassene Güter durch die Obrigkeit, worunter sie liegen, jedoch mit Vorwissen der Churfürstlichen Dicasterien oder respectivè Beamten, beschrieben, arrestiret, sofort nach Ausfluß einer Jahrs-Frist auf weiteres ungehorsames Ausbleiben, für verwürket declariret, und dem Fisco mit Reservirung der verdienten Leibes- oder Lebens-Straff, auf dem Fall der Zuruckkunft deducto ære alieno gänzlich heimgeschlagen werden soll. Bey denen anderen aber, soll des Abwesenden Verlassenschaft seiner Frauen, Kinder und Erben ohne Sperr- und Beschreibung nutznießlich zustehen; auch die Kinder währenden Abseyns ihrem Alter und zugetragener Gelegenheit nach, mit Churfürstlichen Vorwissen und Bewilligen davon ausgesteuret, dem Abwesenden aber, sein Lebenlang nichts davon gereichet werden, er habe sich dann mit der Landes-Herrschaft, und denen, welche durch das Verbrechen beschädiget seynd, vertragen; immassen denen Letzteren auf dem Fall, da er in der Flucht und Abwesenheit stirbt, ihre Sprüch und Forderungen an des Flüchtigen Verlassenschaft bevorbleibt. Die Execution in effigie endlich, soll nur in Crimine læsæ Majestatis oder Militar-Verbrechen, jedoch auch andergestalt nicht als nach vorläufiger Citation, aber da der Flüchtige ohnehin schon Confessus oder Convictus ist, vorgenommen, und ihm nach der Zurückkunft der Process so weit es vor seiner Absentirung nicht geschehen ist, vom neuen gemacht werden.

(161) Von dem Executions-Recht.

§. 22. Wer nun das Jus cognoscendi in Criminalibus hat, dem gebühret auch regulariter, wo kein anderes Herkommen ist, das Jus exequendi samt allen deme, was zur Execution ohnumgänglich gehöret. Doch wann die Execution in einem anderen Gebiet geschehen soll, so muss die Obrigkeit selbigen Orts vorläufig darum ersuchet werden.

Eilftes Capitul,

Von Aufhebung des peinlichen Process und denen Kösten.

Von Aufhebung des peinliche(n) Process.

§. 1. Der peinliche Process wird auf unterschiedliche Weis, besonders aber 1mo durch gütliches Abkommen, 2do durch die Begnadigung, 3tio durch die Verjährung, 4to durch das peinliche Urtheil, und endlich 5to durch den Tod aufgehoben.

Von der Composition oder gütliche(m) Abkommen

§. 2. Das gütliche Abkommen geschiehet durch Vergleich mit dem beleidigten Theil, oder der Obrigkeit selbst. Jener hebt zwar Actionem Civilem, und das Interesse privatum auf, aber die Straff, welche man dem Publico schuldig ist, bleibet der Obrigkeit nicht nur bevor, sondern eine solche Composition gibt noch dazu, als eine Extrajudicial-Confession, ein Indicium proximum an die Hand. Dieser hingegen macht zwar den peinlichen Process und die Straff cessieren, soll aber von keinem Richter andergestalt als mit Einstimmung des beleidigten Theils und Vorwissen der Justiz-Dicasterien in jedem Rent-Amt, auch nur in geringeren Malefizischen Verbrechen, wo das Factum noch nicht notorisch oder liquid ist, vorgenommen werden.

(162) Von der Abolition oder Aggratiation des Verbrechens(.)

§. 3. Die Begnadigung wiederfahret dem Uebelthäter entweder vor oder nach gesprochenen peinlichen Urtheil. Beydes hängt lediglich von der Landesfürstlichen Macht und Ober-Herrlichkeit ab. Soll sich dahero derselben kein Richter, und zwar bey Verlust des Blut-Banns oder anderer schwerer Bestraffung eigenmächtig unterziehen, auch eben so wenig die dictirte Straff (es seye gleich ordinaria oder extraordinaria) ex capite gratiæ nachlassen, oder veränderen, sondern wo Motiva ad aggratiandum vorhanden seynd, sich höchster Orten anfragen. Wie aber niemanden gegen seinen Willen eine Gnad aufgedrungen wird; so stehet in des Uebelthäters freyer Willkühr, ob er solche annehmen, oder der Justitz seinen Lauf lassen wolle, ausgenommen die Leibs- und Lebens-Straffen, weil über sein Leib und Leben niemand uneingeschränktes Eigenthum und Herrschaft besitzet.

Verjährung der Verbrechen.

§. 4. Malefizische Verbrechen werden überhaupt inner 20. Jahren dergestalt verjähret, daß nach Verlauf solcher Zeit, weder Anklag, noch Inquisition und Straff mehr statt hat. Doch seynd hievon ausgenommen das Laster der beleydigten Majestät, Ketzerey, vorsetzlicher Todschlag, falsche Münzung, Unterschiebung eines fremden Kindes, wie auch all andere gar überschwere Thaten, zu Latein Atrocissima, welche auch nach 20. Jahren der Straff und Inquisition unterworffen bleiben. Dahingegen werden die fleischliche Sünden, wo es nicht an das Leben gehet, in kürzerer Zeit, nemlich inner 5. Jahren præscribiret, und fängt die Verjährung allzeit von dem Tage, da das Crimen vollbracht worden, und in reiterirten Verbrechen von der Zeit an, da es das Letztemahl geschehen

(163) ist, werden auch alle Tage ohne Unterscheid mit eingerechnet; und hindert nicht, wann die Obrigkeit von dem Delicto keine Notiz gehabt. Ein anderes ist, wann dieselbe entweder per Citationem, Inquisitionem, oder sonst die Hände schon eingeschlagen hat; dann da wird zwar die Verjährung unterbrochen, fängt aber von Zeit des letzten Actus judicialis wiederum zu lauffen an, jedoch ohne Einrechnung der vorhergehenden Zeit. Nach vollbrachter Verjährung höret nicht nur die Straff, sondern sogar alle Mackel, und Infamia gänzlich auf, wächset auch einem neu-verübten Delicto durch das Verjährte weder ein Indicium noch anderes Aggravans im Geringsten zu, und kan solches ohne Schmach und Unbild, von niemanden vorgeworffen, vielweniger von dem nemlichen oder einem anderen Gericht, de novo inquiriret werden. Wann ferner gedachte Verjährung ex Actis erscheinet, so ist der Richter allenfalls ex Officio darauf zu reflectiren schuldig. Und wie im übrigen der Civil-Action, welche dem beleidigten Theil seines Privat-Interesse halber zustehet, nichts dadurch benommen ist, ausser da die zur Præscription einer Civil-Klag erforderliche Jahre ebenfalls schon verflossen seynd; also hingegen soll auch die angestellte Civil-Klag, den Lauf der Criminal-Präscription nicht hemmen, es seye dann, daß jene præjudicial ist, und der Criminal-Quæstion den Ausschlag gibt.

Von denen Malefiz-Kösten.

§. 5. Was die Malefiz-Kösten betrift, hat der Gefangene allzeit hieran so viel zu bezahlen, als zu dessen Unterhalt erforderlich gewesen, wann er anders Solvendo ist. An denen übrigen Kösten aber, so auf den Process und die Verwahrung desselben ergehen, hat er, oder nach dessen Tod

(164) seine Erben, in folgenden Fällen solche selbst zu tragen, da er nemlich würklich gestraft, oder im Fall der Begnadigung, doch für strafbar befunden, oder nicht endlich und gänzlich, sondern nur ab instantia & observatione judiciali absolviret, oder währender Inquisition vor dem peinlichen Urtheil flüchtig wird, oder gar verstirbt, ehe und bevor er sich von denen wider ihn vorgekommenen Indiciis genugsam gereiniget hat; immassen der blosse Vorwand, ob wäre durch den Tod alles wett gemacht worden, die hinterlassene Erben von Bezahlung obiger Kösten niemahls entledigen mag.

Wann die Obrigkeit, oder der Ankläger solche zu bezahlen habe?

§. 6. Wird der Inquisit von denen Kösten absolviret, so fallen solche auf die Obrigkeit, welche den peinlichen Process geführet hat, oder in Processu accusatorio auf den Ankläger, wo derselbe ex Officio nicht dazu bestellet ist. Desgleichen trägt die Obrigkeit auch auf jenen Fall die Kösten, wann der Inquisit oder Ankläger solche zu bezahlen nicht im Stande ist, oder da der Letzte genugsam und erweisliche Indicia gegen den Angeklagten beygebracht hat.

Abstellung des Excess in denen Malefiz-Kösten.

§. 7. Für Sitz und Eisen-Geld, Vorführen, Bothen-Lohn und anderes, wie auch für Kost und Unterhalt des Inquisitens, soll über die jedes Orts hergebracht- oder noch künftig zu regulirende Gebühr kein Mehreres gefordert oder passiret werden. Und da sich auch in denen Specificationen der Scharfrichtern, bishero nicht nur eine grosse Ungleichheit, sondern auch meistentheils eine ziemliche Uebermaß bezeiget hat; immassen sie sich bey jedem Executions-Actu fast alle Tritt und Schritt besonders bezahlen lassen haben; so soll man der gleichen Excess nicht mehr gestatten, sondern die

(165) Scharfrichter mit einem Wart-Geld, und wo die Execution über Land geschehen soll, mit dem Reis-Deputat des Tages pro 1. fl. 30. Kr. abzufertigen trachten.

Was nicht darunter zu rechnen.

§. 8. Was zu Errichtung des Prangers, Galgens, Richtstatt und dergleichen öffentlichen Juristictions-Zeichen erforderlich ist, soll von der Obrigkeit allein bestritten, und weder denen Inquisiten noch Anklägern derwegen etwas aufgerechnet werden.

Concurrenz der Unterthanen.

§. 9. Den Beytrag und Concurrenz der Unterthanen zu den Obrigkeitlichen Malefiz-Kösten belangend, bleibet es allenthalben bey dem, was jedes Orts gebräuchig und Herkommens ist.

Aufbürdung der Kösten, welche durch Nachläßigkeit oder Ungeschicklichkeit verursachet werden.

§. 10. All unnöthige Malefiz-Kösten, welche entweder durch Nachläßigkeit oder Ungeschicklichkeit verursacht werden, soll man lediglich jenen, welche hieran Schuld tragen, aufbürden, und annebens gestalten Dingen nach, empfindliche Bestraffung vorkehren, sonderbar wann solch unnöthigen Verzugs halber mit der Pœna ordinaria nicht verfahren werden kan. Derowegen auch die Criminal-Acta nach beschehener Execution des Urtheils von dem Hof-Rath zur Hof-Cammer, und von denen übrigen Regierungen zum Rent-Amt gegeben, auch alldort, so weit es das Churfürstliche Interesse betrift, die gebührende Einsicht hievon genommen, und wo eine merkliche Mora hierinn verspüret wird, die behörige Anzeig darüber gethan, sofort bemeldte Acta wiederum dahin remittiret werden sollen.

Was zu Vermeidung dißfalsig unnöthigen Aufwand zu beobachten?

§. 11. Damit aber auch all unnöthiger Aufwand destomehr vermieden, und das Churfürstliche Ærarium

(166) so viel immer Salva Justitia möglich ist, damit verschonet bleibe, so seynd von allen Obrigkeiten, Beamten und jenen, welche in Malefiz-Sachen von Amts wegen zu thun haben, folgende Puncta wohl in Obacht zu nehmen. 1mo Ist die bishero öfters verspürte allzugrosse Weitläufigkeit in Erholung der Leumuths und anderer Erfahrung, sonderbar bey Verbrechen, welche nicht an das Leben gehen, und wo die Gezeugen in Loco Judicii nicht anwesend seynd, zu unterlassen, auch in dergleichen Fällen ohne vielen Verzug gegen den in Negativis seyenden Delinquenten mit arbitrarischer Straff nach Gestalt des sich bezeugenden Verdachts zu verfahren. 2do Hat man sich auch in Capital-Verbrechen über solche Neben-Dinge, welche weder zur sonderbaren Beschwer- noch Entschuldigung des Delinquentens etwas Hauptsächliches beytragen, mit der Erfahrung nicht aufzuhalten. Desgleichen 3tio den Process, zumahl wann der Inquisit schon ad Mortem qualificiret ist, wegen Abwesenheit eines von beyden Beamten nicht lang zu verschieben, minder die Execution aus Ursach, daß solche an einem Samstag verrichtet werden müste, zu hemmen. 4to Soll die Lieferung in das Arbeits-Haus wo kein Periculum Auffugii obhanden, und die Uebelthäter zu gehen im Stande seynd, allzeit zu Fuss von Gericht zu Gericht geschehen. 5to Wann der Delinquent schon würklich zur Verhaft liegt, und seinertwegen zu Erholung eines nöthigen Umstands an andere in- oder auswärtige Gerichte zu schreiben ist, soll man das Schreiben nicht durch die Post oder ordinari fahrende Bothen gehen lassen, sondern allzeit eigene Bothen absenden, und selbe auf die Expedition warten lassen; immassen die inländische Obrigkeiten, wann sie mit

(167) Zurückspedirung derselben einen Saumsaal bezeigen, nicht nur mit Aufbürdung der Kösten, sondern auch mit anderer unnachläßiger Ahndung angesehen werden sollen. 6to Seynd die Criminal-Sachen sowohl denen Civil- als all anderen Causis, wo nicht summum periculum in mora ist, allzeit vorzuziehen, und dieselbe überhaupt so zu beschleunigen, wie es die Beschaffenheit eines jeden Verbrechens, dann Pflicht und Gewissen eines Justitz- und ehrliebenden Richters erfordert und zulasset. Um aber auch 7to zu wissen, wie sich die Malefiz-Kösten von Jahr zu Jahr verminderen oder vermehren; so soll von jedem Rent-Amt am Ende des Jahrs allemahl ein Extract von allen deme, was das Malefiz selbiges Jahr hindurch gekostet hat, höchster Orten eingeschicket werden.

§. 12. Endlich ist auch aller Orten, wo man peinliches Gericht zu hegen pflegt, von gegenwärtiger neuer Ordnung, um sich bey jeder Vorfallenheit der Nothdurft nach daraus ersehen zu können, ein Exemplar in Verwahr zu halten, und von denen Rentmeistern bey vornehmenden Umritt hierauf Obacht zu geben, damit allenfalls gegen jene Beamte und Obrigkeiten, so dieses sträflicher Weis ausser Acht lassen, die gebührende Ahndung vorgekehret werden möge.