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Kameraliſtiſche

Encyclopaͤdie.

Handbuch

der

Kameralwiſſenſchaften und ihrer Literatur

für

Rechts- und Verwaltungs-Beamte, Landſtaͤnde, Gemeinde-

Raͤthe und Kameral-Candidaten.

von

Dr. Edward Baumſtark,

Privat-Docenten an der Univerſität Heidelberg.

Heidelberg und Leipzig.

Druck und Verlag von Karl Groos.

1835.

[[II]/0008]

[[III]/0009]

Meinem Vater.

[[IV]/0010]

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Vorrede.

Eine gute Encyclopädie zu ſchreiben, iſt eine der ſchwerſten Auf-

gaben der Schriftſtellerei. Hier findet das Paradoxon ſeine An-

wendung, daß man ſehr vieles wiſſen ſoll, um wenig ſchreiben zu

können. Und ohne Zweifel am meiſten gilt dies bei einer kamera-

liſtiſchen Encyclopädie, die ſolche und ſo viele wiſſenſchaftliche

Fächer in ſich ſchließt, daß man von jedem Einzelnen nicht blos

beſondere Encyclopädien verfaſſen könnte, ſondern auch ſchon ver-

faßt hat. Irre ich nicht, ſo iſt dies wohl ein Hauptgrund, warum

wir keine, dem jetzigen Geiſte und Stande der Kameralwiſſenſchaft

entſprechende, genügende Encyclopädie beſitzen. Nicht zu ge-

denken, daß jene Encyclopädien die beſten ſind, welche zugleich

dem Geiſte der behandelten Wiſſenſchaft einen neuen Schwung ge-

ben und derſelben eine neue Seite von Werth abgewinnen, ſo darf

man, da zu jener Aufgabe äußerſt ſelten ein tauglicher Kopf erſteht,

mit allem Recht von einer ſolchen fordern, daß ſie den beſtehenden

Geiſt der Wiſſenſchaft treffe. Selbſt wenn er ein ſchwacher, ver-

irrter iſt, kann ſie immer noch nützlich ſein, indem ſie vorurtheils-

frei und ſcharf urtheilt und von dem Zuſtande des wiſſenſchaftlichen

Treibens ein wahres und helles Bild gibt. Es iſt ſogar oft nicht

anders möglich, als ſo zu verfahren. Bei ſolchen eminent prak-

tiſchen Fächern, wie die kameraliſtiſchen ſind, die aus der Er-

fahrung ſchöpfen, und bei denen man faſt wünſchen möchte, daß

es in einem gewiſſen Sinne gar keine Wiſſenſchaft gebe, iſt es

nicht ſo, wie bei der Philoſophie, thunlich, alle Paar Jahre ein

eigenthümliches Syſtem, dunkel oder klar, aufzuſtellen, — und der

liebe Gott hat es ſo ebenfalls recht wohl gemacht. Deßhalb darf

der Schriftſteller auch nicht auf rauſchenden Beifall hoffen. Es iſt

hier ſchon Verdienſt, wenn man die Wiſſenſchaft in einem guten

Geiſte zu conſolidiren vermag. Das Zeugniß, welches man dem

kameraliſtiſchen Treiben in dieſer Hinſicht zu geben genöthigt iſt,

glänzt nun freilich eben keineswegs ſo ſtark, als wohl Mancher

glauben möchte. Die wahrhaft befähigten Köpfe ſind unter den

der Kameralwiſſenſchaft Befliſſenen, wenigſtens in Süddeutſchland,

weit ſeltener als in jedem andern wiſſenſchaftlichen Zweige, den

theologiſchen ausgenommen. Dies kommt theils von dem noch nicht

[VI/0012]

erſtorbenen Vorurtheile, daß der auf der Schule Mittelmäßige für

einen zukünftigen Kameraliſten immer noch gut genug ſei, theils

davon, daß in der That die Kameralwiſſenſchaft, zwar leichter als

jede andere, platt getrieben werden kann, aber, beſonders dem poli-

tiſchen Theile nach, ſchwerer und geiſtvoller als jede andere, blos

die Geſchichte ausgenommen, iſt. Da iſt denn von einer philo-

ſophiſchen, claſſiſchen und hiſtoriſchen Durchbildung vor dem Be-

ginne der kameraliſtiſchen Studien leider noch weit weniger die

Sprache als bei jedem andern Fachſtudium, ſelbſt die Medizin mit

eingerechnet. Leider findet aber dieſer Geiſt immer mehr Nahrung

in der Art ſelbſt, wie die Kameralwiſſenſchaft behandelt wird.

Denn nichts ſagt ſolchen Leuten mehr zu, als nüchterner Wort-

kram, und dieſen finden ſie denn in der allgemeinen Wirthſchafts-

lehre, Handelswiſſenſchaft, Nationalöconomie und Finanzwiſſen-

ſchaft in der behaglichſten Fülle, ja er iſt ſchon ſo nothwendig

geworden, daß man die Meinung eines Andern nicht beurtheilen

oder widerlegen kann, wenn man nicht vorher über mehrere Defi-

nitionen geſtritten hat; man kämpft und kämpft, bis man vergeſſen

hat, weßhalb man den Hader eigentlich begann, und geht dann

auseinander. Da nun am wenigſten eine Encyclopädie beſtehen

kann, ohne dieſe Begriffsanarchie darzuſtellen, ſo mußten leider

auch in vorliegendem Buche manche Plätze damit ausgefüllt werden.

Man hat ſogar neuerlich auch angefangen, auf gut Altmodiſch und

Bequem, wie im philoſophiſchen Rechte, wirthſchaftliche Grund-

ſätze aus Definitionen abzuleiten, anſtatt aus Geſchichte und Leben,

und glaubt der Wiſſenſchaft ſo wie dem Leben dadurch einen beſon-

deren Vorſchub zu leiſten, da ein A. Ferguſon, A. Smith,

Ricardo u. dgl. ohne dies nicht zu verſtehen ſei. Und die Anti-

poden hiervon in der Geſinnung, nämlich die politiſchen Neuerer,

welche den unphiloſophiſchen politiſchen Philoſophen angehören,

ſtimmen in dieſen Ton von Herzen mit ein, weil ſie der Meinung

ſind, die Staaten ſeien ſchon darum und ſeither glücklicher gewor-

den, weil und ſeitdem man angefangen hat, ſich über den Begriff

des Staats zu ſtreiten, welcher als der Eierſtock aller praktiſchen

Staatsinſtitutionen erſcheint. Was ſoll man endlich gar denken,

wenn man, wie im Jahre 1831, gegen Say's berühmtes Hand-

buch, in allem Ernſte den Vorwurf leſen muß, daß es nur viele,

aus dem praktiſchen Leben gegriffene Beiſpiele (Caſuiſtik), aber

wenige Regeln enthalte, welche vielmehr der Leſer ſich ſelbſt

abſtrahiren müſſe, um ſo von der Analyſe auf die Syntheſe zu

kommen?

Ich möchte hier meine Hände in Unſchuld waſchen und dem

Vorwurfe vorbeugen, mit welchem man mir entgegentreten könnte.

[VII/0013]

Ich will mit gegenwärtigem Buche keine hohle Form liefern, denn

ich bin ihr in der Wiſſenſchaft und im Leben herzlich feind. Wer

es weiß, wie ſehr die Jurisprudenz mit der Kameralwiſſenſchaft

in Verbindung und Conflict geräth, wie nützlich dem angehenden

Kameraliſten eine Einleitung in ſeine Studien iſt, und wie ſchwer

es dem anhaltend beſchäftigten Verwaltungsbeamten fällt, ſich im-

mer auf gleicher Ebene mit der Wiſſenſchaft zu halten, der wird

dies Unternehmen nicht zwecklos oder unzeitig finden, welches dazu

beſtimmt iſt, dem Juriſten auf der Univerſität eine materielle

Ueberſicht der Kameralwiſſenſchaft nach ihrem dermaligen Stand-

punkte zu geben, den kameraliſtiſchen Neuling mit der Literatur-

geſchichte und mit den Syſtemen der Kameralwiſſenſchaft vorberei-

tend bekannt zu machen, und den Juriſten in der Praxis und den

Verwaltungsbeamten ſo in die Materie und Literatur dieſer Wiſ-

ſenſchaft einzuführen, daß jener die für ſein Fach nothwendigen

kameraliſtiſchen Kenntniſſe erhalte und beide im Stande ſeien, ihr

kameraliſtiſches Studium fortan allein für ſich, in dem oder gegen

den dermaligen Geiſt der Kameralwiſſenſchaft ſelbſtſtändig fortzu-

ſetzen. Dazu wird aber gefordert, nicht blos, daß man die Haupt-

grundſätze und Streitpunkte auf eine erregende, zum Nachdenken

Stoff gebende Weiſe darſtellt, ſondern auch, anſtatt blos alpha-

betiſch oder chronologiſch geordnete Büchertitel der allgemeinſten

Fächer anzugeben, die allgemeine und ſpezielle Literatur ſo viel als

möglich ſelbſt benutzt und die Leſer eben durch Benutzung, Er-

läuterung und Bekämpfung in dieſelbe einführt. Dieſe Aufgabe

iſt allerdings, beſonders in unſerer Wiſſenſchaft, ſehr groß. Wenn

ich nicht meinte, daß ihre Löſung mir einigermaßen gelungen ſei,

ſo würde ich dieſe Schrift nicht bekannt machen. Wenn ich aber

ferner nicht ein ſolches Buch für ein Bedürfniß hielte, ſo würde

ich es auch keineswegs geſchrieben haben. Ich zögerte darum, als

die Propädeutik von Kaufmann angekündigt ward, mit ſeiner Fort-

ſetzung, weil ich erwartete, daß dieſe ſchon dem Bedürfniſſe abhelfen

werde. Allein die Durchleſung jener Schrift hat mich von nichts weni-

ger überzeugt, als von der Unentbehrlichkeit einer Encyclopädie nach

meinen Anſichten. Nach dieſen aber wird man es wohl auch na-

türlich finden, daß ſie in Form und Gehalt von den bisherigen

gänzlich abweicht. Wer ſich um das Nähere, um die Controverſen,

nicht kümmert, der leſe blos den Inhalt der Paragraphen, und

ich glaube mein Möglichſtes gethan zu haben, um auch dieſen zu

befriedigen, So viel wenigſtens iſt gewiß, daß ich aus eigener

Erfahrung an meinen Schülern aus der Zahl der Juriſten, welche

meine Vorleſungen, die ich ſeit einiger Zeit jährlich in dieſer Aus-

dehnung über die Kameralwiſſenſchaften zu halten pflegte, beſucht

[VIII/0014]

haben, die gute Wirkung einer ſolchen Behandlung der Wiſſenſchaft

kennen gelernt habe, und ich möchte hier, wenn meine unbedeu-

tende Stimme nicht verhallen würde, die akademiſchen Lehrer dar-

auf aufmerkſam machen.

Ich glaube hierdurch gegen Vorwürfe in dieſer Hinſicht ſelbſt

gerüſtet zu ſein, wenn man in meiner Schrift auch blos eine Er-

weiterung des Syſtems eines Andern fände. Jedenfalls mache ich

den Anſpruch auf die Meinung von mir, daß ich dieſes Buch nicht

aus Mangel an Fleiß und Studien geſchrieben habe und als Deck-

mantel der Oberflächlichkeit in die Welt ſchicke. Allein eine nähere

Betrachtung — ſo hoffe ich — dürfte vielleicht der gelehrten

Welt zeigen, daß das Syſtem nicht entlehnt iſt, obſchon ich, was

von den Vorgängern in der Syſtematiſirung ſeit Ariſtoteles Tüch-

tiges geleiſtet wurde, mit Dankbarkeit benutzt habe. Ich glaubte

nämlich in der Begründung des wiſſenſchaftlichen Zuſammenhangs

der Kameralfächer noch manche und bedeutende Lücken zu ſehen,

und denke nicht im Irrthume zu ſein, wenn ich zu ihrer Aus-

füllung etwas beigetragen zu haben meine; denn es iſt bemerklich,

daß durch das ganze Syſtem nur ein Grundtypus von Kryſtalli-

ſation, wenn ich mich ſo ausdrücken darf, geht, ohne daß Zwang

zu verſpüren iſt. Die Syſteme ſämmtlicher einzelnen Wiſſenſchaften

ſind umgearbeitet, nur jenes der Landwirthſchaftslehre am wenigſten.

Allein wer wird ſich im Ernſte auf Syſtematiſirung etwas einbil-

den? — Ich wenigſtens gar nichts, wenn auch Einer oder der

Andere meiner Leſer daraus Nutzen ziehen dürfte.

Dagegen aber darf ich wohl, ohne in den Verdacht zu kommen,

mich mit den Düften des Eigenlobes umwölken zu wollen, beſon-

ders darauf aufmerkſam machen, daß ich die Wirthſchaft der Ge-

meinden as ein Mittelglied in die Kameralwiſſenſchaft eingereiht

und auf eine feſte Baſis zu ſtellen geſtrebt habe, was, ſo weit

meine Kenntniß reicht, noch Niemand vor mir gethan hat. Ebenſo

ſei es mir geſtattet, noch beſonders herauszuheben, daß ich eine

nicht unbeträchtliche Zahl von allgemein wirthſchaftlichen, national-

öconomiſchen und finanziellen Lehren einer Reviſion unterwarf.

Durch Beides möchte ich bezeugen, daß ich auch das Materielle der

Wiſſenſchaft zu fördern ſtrebte. Jedoch beſonders Noth thut dem

politiſchen Theile unſerer Wiſſenſchaft eine hiſtoriſche Grundlage;

denn ſie wird ohne dieſe auf die gefährlichſten Abwege gerathen.

Ich meine hiermit nicht, daß bei jeder Doctrin der Finanzwiſſen-

ſchaft mit Jahrzahlen und kalten ſtatiſtiſchen Daten eine magere

geſchichtliche Einleitung gegeben, ſondern die ganze öffentliche

Wirthſchaftslehre in ihrem Zuſammenhange auf hiſtoriſche Grund-

lagen, anſtatt auf bloße Dogmatik, geſtellt und als ein Ergebniß

[IX/0015]

von Forſchungen in der Geſchichte des Verkehrs, der Cultur, des

Staats und der Menſchheit überhaupt entwickelt werde. Welch'

eine Feſtigkeit, welch' einen praktiſchen Kern hat nicht dadurch

der große Spittlerſeinen Vorleſungen über Politik gegeben, und

wie lebendig, wie geiſtvoll ſteht ſie nicht in dieſem Gewande da!

Welche Kraft haben auf die Art nicht A. Smith und A. Fer-

guſon ihren unſterblichen Werken eingehaucht! Aber auch hier

ſieht man die Halbheit des Fleißes und der Studien unſerer jungen

Kameraliſten. Während Bücher, wie der genannten Männer

und jenes von Ricardo verdienten, wie vom Pulte hinwegzukom-

men, ſo ſind diejenigen, welche ſie leſen wollen, äußerſt ſelten

und man hält es für eine unbegreifliche Zumuthung, das Bißchen

Engliſch zu lernen, blos um ſolche Schriften verſtehen zu können.

Endlich aber halte ich es, um nicht auch einen Theil der

Schuld an der einſeitigen Richtung unſeres Staatslebens tragen

zu müſſen, inſoferne dieſe Schrift den Einen oder Andern zur Ein-

ſeitigkeit, in Verſuchung führen ſollte, für meine Pflicht, hier noch

zu erklären, daß es ganz gegen meine Wünſche ginge, wenn dar-

aus, daß ich mit der kameraliſtiſchen Encyclopädie nicht auch eine

politiſche verbunden habe, geſchloſſen werden ſollte, ich gehörte

auch zu denjenigen, welche vergeſſen, daß der Staat noch mehr

in ſich ſchließt, als nationalöconomiſche, finanzielle und gewerb-

liche Zwecke. Ich will mit dieſer Encyclopädie unſere Wiſſenſchaft

nicht darin unterſtützen, daß ſie ſich ſo breit macht und gleichſam

allein die Henne ſein will, die da brüten darf. Im Gegentheile

ich halte dafür, daß keine Staatsfrage, alſo auch die national-

öconomiſche und finanzielle nicht, ohne genaue Erwägung aller

politiſchen Verhältniſſe richtig gelöst werden kann. Darum mache

ich meine Leſer ausdrücklich darauf aufmerkſam, daß ſie ſich eben

ſo, wie an die Kameralwiſſenſchaft, gleichlaufend an die Politik

anſchließen und ſich ja hüten, wiſſenſchaftliche Sätze ſo ohne Wei-

teres, weil ſie wahr ſind, auch auf den Staat überzutragen. Die

Bildung der Kameraliſten auf unſeren Univerſitäten, ſo wie ſie,

wenigſtens in Süddeutſchland, von den Staatsprüfungen unterſtützt

wird, iſt meiner Anſicht nach durchaus verfehlt und einſeitig. In

der Politik werden ſie gar keiner Prüfung unterworfen; daher

auch nur das Hörenvon Staatsrecht, Völkerrecht u. dgl., weil

es einmal im Syſteme ſteht oder vorgeſchrieben iſt, aber keines-

wegs das Studium dieſer Fächer! Dagegen werden auf der

Univerſität Vorleſungen über Bergbau, Land- und Forſtwirthſchaft,

und Technologie gehört, welche um kein Haar mehr ſein können,

als bloße Halbheit, weil man weder Zeit noch Mittel zu einem

tüchtigen Betriebe dieſer Fächer daſelbſt hat, wenn der Lehrer auch

[X/0016]

ein wiſſenſchaftlicher Praktiker wäre. Zum Staatsexamen berufen,

werden alsdann die Candidaten in dieſen Gewerbslehren theoretiſch,

vermittelſt einiger Fragen examinirt, aber nicht für ſolche prak-

tiſche Fächer geprüft, und alsdann ſelbſt darin angeſtellt. Iſt

auf dieſe Art etwas anderes als die berührte Einſeitigkeit zu er-

warten? Warum nimmt man zu den Staatsſtellen, welche mit

jenen Gewerbszweigen in genaue Berührung kommen, nicht prak-

tiſch gebildete Männer? Und warum prüft man die eigentlichen

Kameraliſten nicht ſtreng in den politiſchen Fächern, da doch die

Gewerbsvorleſungen auf Univerſitäten kaum mehr ſind als theore-

tiſche Encyclopädien? Und warum endlich verweist man dieſe

Letzteren nicht geradezu auf polytechniſche Schulen, wie es bis-

her mit der Bildung der Baubeamten auch geſchehen iſt? — Man

wird wohl einſehen, daß ich trotz dieſer Anſichten dennoch eine

kameraliſtiſche Encyclopädie ſchreiben konnte und durfte, nur muß

man allmälig von dem Vorurtheile abkommen, daß man nach den

wiſſenſchaftlichen Syſtemen die Bildung und Prüfung der Staats-

beamten einrichten ſolle, anſtatt die Vorſchriften darüber nach dem

praktiſchen Bedürfniſſe zu entwerfen. Zudem vermag ich nicht

einzuſehen, warum gerade Alles, was im Leben in einigen Zu-

ſammenhang tritt, auch im Syſteme einen ſolchen haben ſoll.

Wir können alle fühlen, wohin ſo Etwas führt. Das Leben wird

ſyſtematiſch, aber keineswegs das Syſtem lebendig.

Man erſieht aus dem Bisherigen ſchon hinlänglich, welchen

wiſſenſchaftlichen und praktiſchen Zweck ich mit dieſer Arbeit zu

erreichen wünſche. Es bleibt mir aber nun auch noch übrig, mein

Bedauern darüber auszudrücken, daß man bei dieſer Art von Bü-

chern, wo es auf möglichſte Raumgewinnung ankommt, zugleich

eine angenehme Darſtellung, wie ſehr ſie auch in der That wün-

ſchenswerth iſt, nicht überall erreichen kann. Ich habe geſucht,

ſie, wo es nur thunlich war, nicht außer Augen zu laſſen. Wenn

es mir gar nicht, oder vielleicht blos nicht überall gelungen iſt, ſo

darf ich wohl aus jenem Grunde auf Nachſicht Anſpruch machen.

Um aber die Brauchbarkeit des Buches für den Praktiker zu er-

höhen, ſo habe ich mit der Fertigung des Regiſters, ich möchte

ſagen, mein Unmögliches geleiſtet; denn meine Unfähigkeit zu

ſolchen Arbeiten iſt ſo groß, daß ich ſie abſolut nennen würde,

wenn mich das Regiſter nicht dennoch anders belehrt hätte. Faſt

ſo ſteht es mit meinen Correctorstalenten, und deßhalb folgt auch

noch ein ziemliches Regiſter von Sinn ſtörenden Druckfehlern, der

andern unbedeutenden nicht zu gedenken.

Heidelberg im December 1834.

[[XI]/0017]

Inhaltsanzeige.

Einleitung.

I. Weſen der Encyclopädie S. 1. II. Hiſtoriſche Entwickelung des

Kammerweſens S. 4. III. Hiſtoriſche Entwickelung des Weſens der

Kameralwiſſenſchaft S. 32. IV. Philoſophiſche Entwickelung des ka-

meraliſtiſchen Syſtems S. 53.

Allgemeine Wirthſchaftslehre.

Erſter Theil. Erwerbslehre S. 66.

Erſtes Hauptſtück. Von den wirthſchaftlichen Bedürfniſſen S. 66.

Zweites Hauptſtück. Von den wirthſchaftlichen Erwerbsmitteln.S. 73.

Drittes Hauptſtück. Von d. Arten d. Erwerbs i. Allgemeinen S. 77.

Zweiter Theil. Hauswirthſchaftslehre S. 86.

Erſtes Hauptſtück. Von der Beſtellung der Hauswirthſchaft S. 86.

Zweites Hauptſtück. Von der Erhaltung und Verwendung des

wirthſchaftlichen Vermögens und Einkommens S. 93.

Drittes Hauptſtück. Von der Verrechnung des Vermögens und

Einkommens S. 102.

Beſondere Wirthſchaftslehre

Erſter Theil. Bürgerliche Wirthſchaftslehre.

Erſter Abſchnitt. Stoffgewerbslehre.

Erſte Abtheilung. Urgewerbslehre.

Erſtes Buch. Bergbaulehre.S. 107.

Erſtes Hauptſtück. Bergmänniſche Gewerbslehre.S. 108.

Erſtes Stück. Allgemeine Gewerbslehre. I. Anzeigen des Vor-

handenſeins nutzbarer Mineralkörper S. 109. II. Geſtaltung, Lage

und Maaßgehalt der Formationen S. 111. III. Unterſuchungen

der Erdoberfläche und Verſuchsbaue S. 115. IV Anlegung der

Grubengebäude S. 120. V. Arbeit auf dem Geſtein S. 129.

VI. Gruben- und Tageförderung S. 133. VII. Scheiden der Erze

in der Grube S. 136.

Zweites Stück. Beſondere Gewerbslehre S. 137. I. Betrieb der

Torfgräberei S. 137. II. Betrieb der Steinbrüche S. 138. III.

Abbau regelmäßiger Lager und Flötze. S. 139. IV. Abbau mitt-

lerer Lager und Gänge S. 142. V. Abbau mächtiger Lager und

Gänge S. 143. VI. Abbau der Stöcke und Stockwerke S. 145.

VII. Betrieb der Salzwerke S. 147.

[XII/0018]

Zweites Hauptſtück. Bergmänniſche Betriebslehre S. 149. I. Be-

dürfniſſe des Betriebes S. 149. II. Organiſation des Betriebes S.

151. III. Leitung des Betriebes S. 153. IV. Betriebswirthſchaft

S. 155. V. Ertragsanſchläge.S. 159.

Zweites Buch. Landwirthſchaftslehre S. 161.

Erſtes Hauptſtück. Landwirthſchaftliche Gewerbslehre S. 163.

Erſter Abſatz. Landbaulehre.

Erſtes Stück. Feldbaulehre.

Erſte Unterabtheilung. Allgemeine Feldbaulehre. I. Boden-

kunde S. 164. II. Bodenbearbeitung S. 170. A. Bodengeſtal-

tung S. 170. B. Bodenmiſchung S. 180. III. Pflanzung S. 190.

IV. Ernte S. 194.

Zweite Unterabtheilung. Beſondere Feldbaulehre.S. 196.I.

Ackerbau,S. 197. A. Getreide S. 197. B. Wurzel- und Knol-

lengewächſe S. 205. C. Gewürzpflanzen S. 209. D. Baſtpflanzen

S. 211. E. Oelpflanzen.S. 214. F. Färbepflanzen S. 216. G.

Gewerkspflanzen S. 218. H. Futterpflanzen S. 219. II. Wie-

ſenbau S. 221. III. Weidebau S. 224.

Zweites Stück Gartenbaulehre S. 225.

Erſte Unterabtheilung. Allgemeine Gartenbaulehre.S. 225. I.

Bodenkunde S. 226. II. Bodenbearbeitung S. 227. III. Pflan-

zung S. 228. IV. Ernte S. 231.

Zweite Unterabtheilung. Beſondere Gartenbaulehre. I. Blumen-

gärten.S. 232. II Gemüſegärten S. 233. III Obſtgärten S. 234.

Zweiter Abſatz. Thierzuchtlehre.S. 237.

Erſtes Stück. Allgemeine Thierzuchtlehre S. 237. I. Anſchaffung

und Paarung der Thiere S. 238. II. Zucht und Pflege derſelben

S. 239. III. Mäſtung derſelben S. 240.

Zweites Stück Beſondere Thierzuchtlehre S. 241. I. Pferdezucht

S. 241. II. Rindviehzucht S. 243.III. Schaafzucht S. 246.

IV. Ziegenzucht S. 249. V. Schweinezucht S. 250. VI. Feder-

viehzucht.S. 250. VII. Bienenzucht S. 251. VIII. Fiſchzucht

S. 252. IX. Seidenraupenzucht S. 253.

Zweites Hauptſtück. Landwirthſchaftliche Betriebslehre S. 254.

I. Bedürfniſſe des Betriebs S. 254. II. Organiſation deſſelben

S. 257. III. Leitung deſſelben S. 259. IV. Betriebswirthſchaft

S. 263. V. Anſchläge.S. 265.

Drittes Buch. Forſtwirthſchaftslehre.S. 267.

Erſtes Hauptſtück. Forſtwirthſchaftliche Gewerbslehre S. 269.

Erſter Abſatz. Waldbaulehre.

Erſtes Stück. Forſtbaulehre.

Erste Unterabtheilung. Allgemeine Forſtbaulehre.S. 269. I.

Bodenkunde S. 270. II. Bodenbearbeitung S. 270. III. Pflan-

zung S. 271. IV. Ernte oder Hieb S. 284.

Zweite Unterabtheilung. Beſondere Forſtbaulehre.S. 289. I.

Laubholzbau S. 289. II. Nadelholzbau S. 295.

[XIII/0019]

Zweites Stück Hain- und Luſtgartenbaulehre S. 298. I. Allge-

meine Grundſätze S. 299. II. Beſondere Grundſätze S. 300.

Zweiter Abſatz Wildbahn- oder Jagdlehre I. Wildbahnen

S. 301. II. Hegen des Wildes S. 303. III. Jagd S. 304.

Zweites Stück Beſondere Wildbahnlehre S. 306. I. Haarwild

S. 306. II. Federwild S. 309. III. Fiſche S. 310.

Zweites Hauptſtück. Forſtwirthſchaftliche Betriebslehre S. 311.

I. Bedürfniſſe des Betriebs S. 311. II. Organiſation deſſelben

S. 317. III. Leitung deſſelben S. 319. IV. Betriebswirthſchaft

S. 324. V. Anſchläge oder Taxation.S. 326.

Zweite Abtheilung. Kunſtgewerbslehre.S. 330.

Erſtes Hauptſtück. Merkantiliſche Gewerbslehre S. 331.

Erſtes Stück. Allgemeine Gewerkslehre S. 331. I. Stoffkunde

S. 332. II Geräthskunde S. 333. A. chemiſche S. 334. B. me-

chaniſche S. 334. III: Operations- und Prozeßkunde S. 348. IV.

Productenkunde S. 349.

Zweites Stück. Beſondere Gewerkslehre S. 349.

Erſte Unterabtheilung. Verarbeitung mineraliſcher Produkte S.

349. I. Hüttenweſen S. 349. II. Siedwerksweſen S. 360. III.

Metallverarbeitung S. 368. IV Erd -, Stein- und Brenzeverar-

beitung S. 376.

Zweite Unterabtheilung. Verarbeitung pflanzlicher Stoffe S. 38.

I. Mehlhaltiger Stoffe S. 384. II Oelhaltiger Stoffe S. 388.

III. des Holzes S. 393. IV. des Zuckerſtoffes S. 397.

Dritte Unterabtheilung. Verarbeitung thieriſcher Stoffe S. 40.

I. der Häute und Därme S. 407. II des Fettes S. 412.

Vierte Unterabtheilung. Verarbeitung pflanzlicher und thieri-

ſcher Stoffe zuſammen S. 418. I. Schaafwollſpinn- und Weberei

S. 418. II. Baumwollſpinn- und Weberei S. 423. III. Sei-

denſpinn- und Weberei S. 426.III. Lein- und Hanfſpinn- und

Weberei S. 428. V. Papiermacherei S. 430.

Fünfte Unterabtheilung. Verarbeitung der Producte aller drei

Reiche oder Baukunſt S. 433.

Zweites Hauptſtück. Werkmänniſche Betriebslehre S. 434. I.

Bedürfniſſe des Betriebs S. 434. II. Organiſation deſſelben S.

439. III. Leitung deſſelben S. 440. IV. Betriebswirthſchaft S.

442. V. Anſchläge S. 444.

Dritte Abtheilung. Umſatzgewerbslehre.S. 444.

Erſtes Hauptſtück. Umſatz-Gewerbslehre S. 448.

Erſter Abſatz. Handelslehre.S. 448.

Erſtes Stück. Allgemeine Handelslehre S. 448.

Erſte Unterabtheilung. Gabe im Handel S. 449. I. Waaren

449. A. Waarenlehre S. 449. B. Waarenkunde S. 455. II.

Geld S. 455.A. Geldlehre S. 455.B. Geldkunde S. 462.

II. Effecten S. 463. A. Effectenlehre S. 463. B Effectenkunde S. 470.

Zweite Unterabtheilung. Gegengabe im Handel S. 471. I.

Preis im Handel S. 471. II. Erſtattung deſſelben. S. 471. A.

[XIV/0020]

Bezahlung S. 472. B. Verſchiebung der Zahlung S. 472. C. Com-

penſiren und Scontriren S. 473. D. Girobanken S. 473.

Zweites Stück. Beſondere Handelslehre S. 475.

Erſte Unterabtheilung. Handelsarten nach den Handelsgegen-

ſtänden S. 475. I. Waarenhandel S. 475. II. Geldhandel S.

475. III. Effectenhandel S. 476. A. Actienhandel S. 476. B.

Staatspapierhandel S. 477. C. Wechſelhandel S. 479.

Zweite Unterabtheilung. Handelsarten nach den Handelsſubjec-

ten S. 481. I. Einzelhandel S. 481. II. Geſellſchaftshandel

S. 482. III. Staatshandel S. 483.

Dritte Unterabtheilung. Handelsarten nach den Handelswegen

S. 483. I. Landhandel S. 483. II. Waſſerhandel S. 484.

Zweiter Abſatz. Leihgewerbslehre S. 488.

Zweites Hauptſtück. Umſatzbetriebslehre S. 490. I. Bedürfniſſe

des Betriebs S. 490. II. Organiſation deſſelben S. 493. III.

Leitung deſſelben S. 494. IV. Betriebswirthſchaft S. 495. V.

Anſchläge S. 499.

Zweiter Abſchnitt. Dienſt-Gewerbslehre S. 499.

Erſtes Hauptſtück. Dienſt-Gewerbslehre S. 501.

Zweites Hauptſtück. Dienſt-Betriebslehre S. 502. I. Bedürf-

niſſe des Betriebs S. 502.II. Betriebswirthſchaft S. 504. III.

Buchführung und Anſchläge.S. 505.

Zweiter Theil. Gemeindewirthſchaftslehre S. 506.

Erſter Abſchnitt. Gemeinde-Erwerbswirthſchaftslehre S. 508.

Erſte Abtheilung. Erwerb aus dem Gemeindevermögen S. 509.

I. Bewirthſchaftung der Gemeindeliegenſchaften S. 509. II. Be-

wirthſchaftung der Gemeinderechtſame S. 511. III. Bewirth-

ſchaftung der Gemeindeactivkapitalien S. 512.

Zweite Abtheilung. Erwerb aus dem Gemeindeumlagsrechte S.

513. I. Allgemeine Grundſätze S. 513. II. Beſondere Grund-

ſätze.S. 516.

Dritte Abtheilung. Benutzung des Gemeindekredits S. 520.

Zweiter Abſchnitt. Gemeinde-Hauswirthſchaftslehre S. 522.

Erſte Abtheilung. Beſtellung der Gemeindewirthſchaft S. 522.

Zweite Abtheilung. Erhaltung des Gemeindevermögens und Ein-

kommens S. 524.

Dritte Abtheilung. Verwendung des Gemeindeeinkommens S. 528.

Vierte Abtheilung. Voranſchläge der Gemeindeausgaben und

Einnahmen S. 531.

Fünfte Abtheilung. Verrechnung der Gemeindeeinkünfte S. 532.

Dritter Theil. Oeffentliche Wirthſchaftslehre S. 533.

Erſter Abſchnitt. Volkswirthſchaftslehre S. 533.

Erſte Abtheilung. Volkswirthſchaftliche Gewerbslehre S. 545.

Erſtes Buch. Allgemeine Grundſätze S. 545.

Erſtes Hauptſtück. Volkswirthſchaftliche Erwerbslehre S. 546.

Erſtes Stück. Hervorbringung des Volksvermögens S. 546.

Erſter Abſatz. Das Volksvermögen S. 546. I. Inbegriff deſſel-

ben S. 546. II. Weſen deſſelben.S. 549.

[XV/0021]

Zweiter Abſatz. Einkommen und Einkommensquellen S. 553. I.

Production im Allgemeinen S. 553. II. Güterquellen insbeſondere

S. 556. III. Einkommen des Volkes S. 566.

Zweites Stück. Vertheilung des Volksvermögens und Einkommens

S. 568. I. Güterumlauf S. 568. II. Preis S. 583. III. Zweige

des Volkseinkommens S. 590.

Zweites Hauptſtück. Volkswirthſchaftliche Hauswirthſchaftslehre

S. 605.

Erſtes Stück. Bevölkerung S. 605.

Zweites Stück. Verwendung des Volksvermögens und Einkom-

mens S. 608.

Drittes Stück. Verhältniß des Volkseinkommens und -Aufwandes

S. 610.

Zweites Buch. Beſondere Grundſätze S. 611.

Erſtes Hauptſtück. Urgewerbe, als Zweig d. Volkswirthſchaft S. 611.

Zweites Hauptſtück. Kunſtgewerbe als Zweig der Volkswirth-

ſchaft S. 616.

Drittes Hauptſtück. Umſatzgewerbe, als Zweig der Volkswirth-

ſchaft S. 618.

Viertes Hauptſtück. Dienſtgewerbe, als Zweig der Volkswirth-

ſchaft S. 620.

Zweite Abtheilung. Volkswirthſchaftliche Betriebslehre S. 621.

Erſtes Buch. Allgemeine Grundſätze S. 624.

Erſtes Hauptſtück. Betrieb des volkswirthſchaftlichen Erwerbes S. 624.

Erſtes Stück. Einwirkung auf d. Hervorbringung S. 624.

Zweites Stück. Einwirkung auf d. Vertheilung S. 626.

Erſter Abſatz. Beförderung des Güterumlaufes S. 626.

Zweiter Abſatz. Geſetzliche Beſtimmung der Preiſe S. 632.

Dritter Abſatz. Einfluß des Staats auf die Einkommenszweige

S. 633.

Zweites Hauptſtück. Betrieb der volkswirthſchaftlichen Haus-

wirthſchaft S. 635.

Erſtes Stück. Sorge für die Erhaltung des Volksvermögens und

Einkommens S. 635.

Erſter Abſatz. Vorbeugungsmittel gegen Gefahren S. 635.

Zweiter Abſatz. Entſchädigungsmittel S. 643.

Zweites Stück. Leitung d. Verzehrung d. Volkseinkommens S. 646.

Erſter Abſatz. Einwirkung auf die Bevölkerung S. 646.

Zweiter Abſatz. Einwirkung auf die Verwendung ſelbſt S. 647.

Dritter Abſatz. Sorge für die Armen S. 651.

Zweites Buch. Beſondere Grundſätze S. 656.

Erſtes Hauptſtück. Pflege der Urgewerbe S. 656.

Erſtes Stück. Bergbaubetrieb S. 656.

Zweites Stück. Landwirthſchaftsbetrieb S. 658.

Erſter Abſatz. Feld- und Gartenbau S. 658.

Zweiter Abſatz. Viehzucht S. 668.

[XVI/0022]

Drittes Stück. Forſtwirthſchaftsbetrieb S. 668.

Zweites Hauptſtück. Pflege des Kunſtgewerbsbetriebs S. 671.

Drittes Hauptſtück. Pflege des Umſatzgewerbsbetriebs S. 677.

Zweiter Abſchnitt. Staatswirthſchaftslehre S. 689.

Erſte Abtheilung. Staats-Erwerbswirthſchaftslehre S. 693.

Erſtes Buch. Allgemeine Grundſätze S. 693.

Zweites Buch. Beſondere Grundſätze S. 697.

Erſtes Hauptſtück. Erwerb des Staats aus Gewerben S. 697.

Erſtes Stück. Urgewerbsbetrieb des Staats S. 697. I. Staats-

bergbau S. 697. II. Staatslandwirthſchaft S. 701. III. Staats-

forſtwirthſchaft S. 705.

Zweites Stück. Kunſtgewerbsbetrieb d. Staats S. 706. I. Staats-

hüttenweſen S. 707. II. Staatsſalpeterien S. 707. III. Staats-

münzweſen S. 708.

Drittes Stück. Umſatzgewerbsbetrieb des Staats S. 710. I.

Staatshandelsgeſchäfte S. 710. II. Staatsleihgeſchäfte S. 712.

Viertes Stück. Dienſtgewerbsbetrieb des Staats S. 714.

Zweites Hauptſtück. Erwerb des Staats aus Steuern S. 717.

Erſtes Stück. Allgemeine Grundſätze der Beſteuerung S. 717.

Zweites Stück. Einzelne Steuerarten S. 723. I. Perſonalſteuern

S. 723. II. Vermögensſteuer S. 724. III. Einkommensſteuern

S. 726. A. Allgemeine Einkommensſteuer S. 726. B. Beſon-

dere Einkommensſteuern S. 727. IV. Genußſteuern S. 742. A.

Allgemeine Betrachtung S. 742. B. Gebrauchsſteuern S. 743.

C. Verbrauchsſteuer S. 745.

Drittes Hauptſtück. Erwerb des Staats aus Kredit S. 751.

Erſtes Stück. Arten der Benutzung des Staatskredits S. 751.

A. Zwangskreditgeſchäfte S. 751. B. Freie Kreditgeſchäfte S. 754.

Zweites Stück. Negoziationen u. Formen d. Staatsanleihen S.757.

Drittes Stück. Verzinſung u. Tilgung d. Staatsſchulden S. 759.

Zweite Abtheilung. Staatshauswirthſchaftslehre S. 762.

Erſtes Hauptſtück. Beſtellung der Staatshauswirthſchaft S. 762.

Zweites Hauptſtück. Erhaltung des Staatsvermögens S. 764.

I. Veräußerlichkeit der Staatsdomänen S. 764. II. Veräußerlich-

keit der Staatswaldungen S. 765. III. Entäußerlichkeit der Fi-

nanzregalien S. 767.

Drittes Hauptſtück. Verwaltung der Einkommensquellen des

Staats S. 770.

Viertes Hauptſtück. Verwendung des Staatseinkommens S. 774.

Fünftes Hauptſtück. Voranſchläge der Staatsausgaben und -Ein-

nahmen S. 779.

Sechstes Hauptſtück. Staats-Kaſſen- und Rechnungsweſen

S. 781.

[[1]/0023]

Einleitung.

I. Von dem Weſen der Encyclopädie.

§. 1.

Jetziger Stand der Wiſſenſchaftlichkeit.

Im Alterthume und im Mittelalter war die Wiſſenſchaft über-

haupt ſichtbar durch ein Streben nach einem Mittelpunkte, nach

einer Einheit und durch eine Verallgemeinerung charakteriſirt. Im

Laufe der Zeiten iſt dieſer Charakter derſelben verſchwunden und

hat dem Gegentheile Platz gemacht. Das Streben, jenem Mittel-

punkte, jener Einheit auszuweichen, die wiſſenſchaftliche Zerle-

gungskunſt, Abſonderung und Vereinzelung charakteriſirt beſonders

unſere Zeit. Die Gründe dieſer Erſcheinung ſind, 1) daß das

Studium der Philoſophie und des claſſiſchen Alterthums und Mit-

telalters an Seichtigkeit bis faſt zum allmäligen Verſchwinden zu-

genommen hat; 2) daß ohne ſolche vorausgegangene philoſophiſche

und claſſiſche Bildung, ohne welche ächte Wiſſenſchaftlichkeit nicht

denkbar iſt, zu viel von unſeren Schriftſtellern ſelbſt zu ſchaffen

verſucht wird; 3) daß die ſo entſtandene viele einzelne Wiſſen-

ſchaften einen äuſſerſt hohen Grad von Ausbildung, Erweiterung

und Vervollkommnung erreicht haben, ſo daß entweder eine un-

vollſtändige Kenntniß des Einzelnen Folge umfaſſenden Betriebs

der ganzen Wiſſenſchaft, oder die Vernachläſſigung des Letzteren

Folge der ausgedehnten Einzelkenntniſſe iſt; und 4) daß unſere

ganze Zeit, zufolge des ſie charakteriſirenden Eigennutzes, nur eine

ſogenannte praktiſche, eigentlich wirthſchaftliche, Tendenz hat,

vermöge welcher ſie den Werth der Wiſſenſchaft beurtheilt und dieſe

ſelber immer mehr ins praktiſche Leben zu ſich herabzieht.

§. 2.

Bedürfniß einer Zuſammenfaſſung. Encyclopädie.

Man lehrt und lernt daher mehr nur einzelne Fächer, als die

ganze Wiſſenſchaft, und unterläßt diejenigen Vorſtudien, welche

Baumſtark Encyclopädie. 1

[2/0024]

vom Ganzen derſelben verlangt werden. Ein Zuſammenfaſſen des

ganzen Gebietes der Wiſſenſchaft1) oder einer Wiſſenſchaft2) hat

alſo an und für ſich den wiſſenſchaftlichen Zweck, das Bedürfniß

eines Haltpunktes für die Einzelheit und einer Vorbereitung für

den Betrieb der ganzen oder einer ganzen Wiſſenſchaft zu befrie-

digen. Dieſes Zuſammenfaſſen der oder einer Wiſſenſchaft bezeich-

man jetzt mit dem Worte Encyclopädie, das griechiſchen

Urſprungs iſt, und in die Stammwörter ἐν (in),κυκλοϛ(Kreis)

und παιδεια (Unterricht) zerfällt, welches letztere Wort von παιϛ

(Knabe) herkommt.

¹ Ueber die Encyclopädie der Wiſſenſchaft ſ. Krug über den Zuſammen-

hang der Wiſſenſchaften unter ſich und mit den höchſten Zwecken der Vernunft.

Jena 1795. Krug, Verſuch einer neuen Eintheilung der Wiſſenſchaften. Züllichau

1805. Krug, Verſuch einer ſyſtemat. Encyclopädie der Wiſſenſchaften. 2 Thle.

Wittenberg 1796–1797. Eſchenburg, Lehrb. der Wiſſenſchaftskunde. 3te Aufl.

Berlin 1809. Schaller, Encyclopädie und Methodologie der Wiſſenſchaften.

Magdeburg 1812. J. G. Müller, Briefe über das Studium der Wiſſenſchaften,

beſonders für einen Jüngling politiſchen Standes. 2te Aufl. Zürich 1817.

² Daher ſpricht man von einer theologiſchen, juriſtiſchen, mediziniſchen, phi-

loſophiſchen, ſtaatswiſſenſchaftlichen, kameraliſtiſchen Encyclopädie.

§. 3.

Begriff und Arten der Encyclopädie.

Dem Worte nach, nämlich wie der Kreis die vollkommenſte,

von einem Punkte aus entſtandene, zuſammenhängende, für ſich

abgeſchloſſene, gedrängte, mathematiſche Form iſt, bedeutet nun

Encyclopädie eine ſyſtematiſche Darſtellung eines Wiſſenſchafts-

Gebietes, d. h. eine aus einem oberſten und erſten allgemeinen

Prinzipe abgeleitete, organiſch zuſammenhängende, für ſich abge-

ſchloſſene kurze Darſtellung aller einzelnen, den Kreis einer Wiſ-

ſenſchaft nach allen Ausdehnungen füllenden, Einzelwiſſenſchaften,

als Unterricht für Anfänger in denſelben.1) Man theilt ſie daher

1) in Betreff des Umfangs von Wiſſenſchaften ein in a) allge-

meine Encyclopädie der Wiſſenſchaften (§. 2. Note 1.) und b) be-

ſondere Encyclopädie einzelner Wiſſenſchaften (§. 2. Note 2.),

unter welche alſo auch die Encyclopädie der Kameralwiſſen-

ſchaften gehört. Sie iſt aber 2) in Betreff der Darſtellung und

des Gehaltes entweder a) formelle (äußere) Encyclopädie, auch

Wiſſenſchaftskunde genannt, wenn ſie blos über den Umfang und

logiſchen Zuſammenhang einer Wiſſenſchaft unterrichtet und alſo

die Form (das Aeußere) derſelben darſtellt; oder aber b) materi-

elle (innere) Encyclopädie, wenn ſie neben und in der logiſchen

Form auch den Gehalt (das Innere) einer Wiſſenſchaft bald hi-

ſtoriſch, bald dogmatiſch, kurz, allgemein und abgerundet lehrt.2)

[3/0025]

¹ Falck, juriſtiſche Encyclopädie. 2te Aufl. Kiel 1825. §. 23. 24. Dieſer

will den Begriff von Encyclopädie auf die Einleitungswiſſenſchaft der Vorberei-

tungskenntniſſe beſchränken, und ſtüzt ſich deshalb auf die auch vorkommende Bedeu-

tung von ἐγκυκλιοϛ, wo es ſo viel als allgemein heißt, und auf die Gewohnheit

ſeit dem 17ten Jahrhunderte, die Vorbereitungskenntniſſe in einer eigenen Einlei-

tungswiſſenſchaft zuſammenzufaſſen. Allein jene Bedeutung jenes Wortes erklärt

ſich am natürlichſten aus ſeiner im Texte erläuterten Zuſammenſetzung; dieſe frühere

Einleitungswiſſenſchaft aber war, wie der Verf. §. 25. ſelbſt angibt, eine Metho-

dologie, und keine Encyclopädie. Darin, daß die Encyclopädie auch als

Einleitungswiſſenſchaft gebraucht wird, liegt nur wieder ein Beiſpiel, wie man

öfters eine Sache zu verſchiedenen Zwecken brauchen kann, ohne daß darum ihr

Weſen und ihr erſter wahrer Zweck ſich verändert. Die Methodologie iſt die

eigentliche Einleitungswiſſenſchaft, welche nothwendigerweiſe den logiſchen Zuſam-

menhang einer Wiſſenſchaft in ihren weſentlichen Theilen, und mit ihren Hilfs-

wiſſenſchaften darſtellen muß, ehe ſie den Anfänger lehrt, auf welche Art und Weiſe

(Methode) er die Wiſſenſchaft zu betreiben hat. Weil nun die formelle Encyclo-

pädie von der Methodologie unzertrennlich iſt, ſo lange Letztere ihren Zweck erfüllen

ſoll, und weil Encyclopädie und Methodologie in der Regel in einem Buche

zugleich dargeſtellt werden, ſo hat man der Erſteren, abgeſehen von ihrer verſchie-

denen Behandlung, endlich auch den engeren Zweck und die engere Bedeutung der

Lezteren untergeſchoben.

² Man findet daher das Wort Encyclopädie auch gebraucht, wo über-

haupt, abgeſehen von der Ausdehnung des Inhaltes, von der Darſtellungsart und

Form der Darſtellung, das geſammte Gebiet einer oder der Wiſſenſchaft dargeſtellt

wird, und wo dies in Form eines Lexicons oder alphabetiſch geſchieht, z. B. die

allgemeine Encyclopädie von Erſch und Gruber, die ökonomiſche Encyclopädie

von Krünitz, die franzöſiſche Encyclopèdie méthodique, u. dgl., welche mehr als

100 Bände erhalten, und immer noch fortgeſetzt werden können. Allein aus dem

Texte iſt erſichtlich, daß dieſer Gebrauch des Wortes einſeitig und unrichtig iſt.

§. 4.

Zweck der Encyclopädie.

Der wahre Zweck der Encyclopädie iſt, als ein rein wiſſen-

ſchaftlicher, jene kurze ſyſtematiſche Darſtellung des geſammten

Gebietes einer Wiſſenſchaft, zum Unterrichte für Anfänger. Welche

weitere, praktiſche oder methodologiſche, Zwecke mit ihr er-

zielt werden, das kann ihr Weſen an ſich und ihren Begriff nicht,

wohl aber ihren Inhalt verändern. Iſt der Zweck des Studiums

derſelben ein mehr praktiſcher, ſo will man ſich allgemeine Kennt-

niſſe in einer Wiſſenſchaft verſchaffen, und die Encyclopädie muß

eine materielle ſein. Iſt der Zweck ihres Studiums aber ein

rein wiſſenſchaftlicher, ſo kann ſie entweder als Einleitungs-

wiſſenſchaft in Verbindung mit der Methodologie, oder auch als

Schlußwiſſenſchaft der akademiſchen Studien, angewendet werden.

In dieſen Fällen genügt die formelle Encyclopädie, als ein lo-

giſches Zuſammenfaſſen der Einzelwiſſenſchaften in ein organiſches

Ganze.

1 *

[4/0026]

II. Hiſtoriſche Entwickelung des Kammer-Weſens.

§. 5.

Urſprung und Bedeutung des Wortes Kammer.

Das Wort Kammer kommt ſeinem Stamme nach in allen

lebenden Sprachen, den orientaliſchen und occidentaliſchen, unter,

dem Weſen nach, gleichen Bedeutungen vor. Sein Urſprung findet

ſich ſchon in den älteſten orientaliſchen1) Sprachen, von welchen

es in die altgriechiſche2) und römiſche3) überging. Das Allge-

meine ſeiner Bedeutung iſt ein gewölbter Raum, ein Ver-

ſchluß, welches ſich in den neuen Sprachen zu der Bedeutung

Gemach, Zimmer, geheimes Gemach, Schlafgemach,

Zimmer für Geheimes u. dgl. umwandelte.

¹ Meninski Completamentum thesauri linguarum orientalium. Viennae 1687.

p. 140. Zedler Univerſallexikon. Bd. V. Wort camera.

² Stephani Thesaurus graecae linguae. Londini 1822. vol. IV. p. 474. b.

Herodotus lib I. 81. (gedeckte Wagen); lib. IV. 243. (ebenfalls). Vrgl. mit Pollux

X. 52. Athenaeus IV. 7. Hemsterhusius ad Comici Plut. p. 369. Ausg. des

Herodot von Valkenar und Wesseling. Amsterdam 1763. p. 94. 312. — Diodorus

Siculus histor. lib. II. 9. (Gewölbe). Dio Casius histor. rom. lib. XXXVI. 32.

(gewölbter Wagen). strabo Geograph. lib. VII. p. 425 der Ausg. v. Falconer

(Oxonii 1807) und p. 724. XI. p. 758. (Schiffe, welche auf dem Lande, umge-

kehrt, als Wohnungen gebraucht werden). Unter dieſen Bedeutungen kommt das

Wort καμαϱα vor, und ging im Mittelalter allmälig in unſere heutige Bedeutung

über. S. Du Fresne du Cange, Glossarium ad scriptores mediae et infimae

Graecitatis. Lugdun. 1688. I. p. 556.

³ Frisius Dictionarium Latino-Germanicum. Tigur. 1574. p. 179. (Ca-

murus = krumm). Nonius Marcellinus de proprietate sermonis. Paris. 1583.

Antwerp. 1565. p. 59. seneca Epistol. 86. (ed. Lipsius Antwerp. 1652. p. 556.).

suetonius, Nero 34 (Wölbung am Schiffe). Cicero Epistol. ad Quintum fratr.

III. 1. (Gewölbe, Bogen). sallustius Bellum Catilinar. 58 cum adnotationibus

Havercampi. Tacitus Histor. III. 47. (Schiffe, mit gewölbter Decke) edid. Pichon.

Virgilius Georgica. III. 55. (Camurus; = krumm). Plinius Hist. natur. XXX. 27.

XXXVI. 25. (geheimes Gewölbe). salmasius Plinianae exercitationes II. 1218,

über den Bau der Tempel und Grabmähler der Alten und ihre Gewölbe. So

kommt das Wort camera vor, und ging im Mittelalter allmälig in unſere heutige

Bedeutung über. S. Zedler Univerſallexikon. Bd. V. W. Camera. scherz Clos-

sarium edid. Oberlin I. 754. struben Nebenſtunden. T. III. p. 16. Trevoux

Dict. universel français et latin. II. 495. Du Fresne du Cange Glossar. ad

scriptores mediae et infimae latinitatis. Francofurti 1710. I. 778. Carpentier

Glossar. ad scriptor. medii aevi tum Latinos tum Gallicos. Paris. 1766. I. 734.

Haltaus Glossar. germanicum medii aevi W. Kammer. Eccard leges salicae et

Ripuariorum. Francofurti 1720. p. 70. spelmann Glossar. London 1687. p. 97.

Menage Diction. étymologique. Paris 1750. p. 341. Rau, Grundriß der Kameral-

wiſſenſchaft. Heidelb. 1823. §. 1. Rau, Entwickelung des Weſens; der K. Heidelb.

1825. §. 2. Man leitet es auch aus dem Angelſächſiſchen ab. Auch findet ſich der

Name im Niebelungen Liede in Kemnat u. dgl.

[5/0027]

§. 6.

Weitere Verengerung ſeiner Bedeutung.

Die ſo eben genannte eigentliche Bedeutung von Kammer,

welche uns für das Wort Kameralwiſſenſchaft den erſten

geſchichtlichen Aufſchluß gibt, findet ſich in den Capitularien1) der

fränkiſchen Könige, wo es Privatgemach, Privatvermögen

des Königs, fürſtliches Vermögen, fürſtliche Schatzkam-

mer bedeutet, mit welcher Bedeutung die Begriffe Camerarius,

Kämmerer u. dgl. in Einklang gebracht werden können, ohne daß

man ſogleich unter Camera die eigentliche Staatskaſſe zu ver-

ſtehen hat2). Es ſind vielmehr während der Zeit, als Camera

jene Bedeutung hatte, für Staatskaſſe ganz andere Ausdrücke

gebräuchlich geweſen, und erſt ſeit der lezten Hälfte des 9ten Jahr-

hunderts n. Chr. wird camera für Staatskaſſe gebraucht 3).

¹ Cesta Dagoberti cap. 33. Aras quasdam, cum omnibus, teloniis, quem-

admodum ad cameram suam deserviri videbantur, ad eorum basilicam tradidit.

Capitular, Caroli M. „Pensam argenti, quam ex camera nostra accepit.“ Ek-

hardus junior de Casibus sti. Galli cp. 10. „Camerarius suus crebro incusabat

secretius, quasi camera sua dispersiones ejus ferre non posset.“ Bei Du Cange

Glossar. a. a. O. (§. 2. Not. 3.). Derſelbe gibt aber ſchon unter Carl d. Gr.

dem Worte Camera die Bedeutung Staatskaſſe und zwar aus folgenden Stellen:

1) Testamentum Caroli magni apud Eginhardum: „Quidquid in camera atque

vestiario ejus ea die fuisset inventum.“ — „Thesauros suos et pecuniam quae in

illa die in camera ejus inventa est.“ — „Omnem substantiam atque supellectilem

suam, quae in auro et argento gemnisque et ornatu regio in camera ejus in-

veniri potest.“ 2) Die in Urkunden oft vorkommende Formel: libras auri 100

muletetur, medietatem praedicto monasterio, alteram camerae nostrae; und 3) die

Stelle aus der Rede des Kaiſers Friederich I. apud Helmodum lib. I. cp. 80.

und hist. archiepisc. Bremensium (a. 1155), wo es heißt: „Magna reperitis,

o viri romani, exinanata camera nostra.“ Hüllmann Geſch. der Domänen-

benutzung. S. 4.

² Dies hat gegen Du Cange gezeigt Muratori Antiquitates Italicae. Aretii

1774. III. p. 66. und Res Italicae. Pars II. Tom. I. p. 193, indem er die von

Du Cange angeführten Urkunden für falſch erklärte. Die Stelle aus dem Teſtamente

Carls d. Gr. (Baluzius Capitularia regum Francorum. Paris. 1780. I. 487.) vom

J. 811. kann ſchon nach der Natur der Sache und nach dem Allerlei, was darin

als Inhalt der camera erwähnt wird, blos für die Bedeutung Privatſchatzkam-

mer ſprechen. Zur Zeit Friederichs I. hieß aber ſchon die Staatskaſſe camera.

Stellen, worin Staatskaſſe anders bezeichnet wird, ſind folgende: Leges Longo-

hardorum, lex. 157 (Curtis regis); lex. 158 (Curtis regia); lex. 185 (Curtis

regis); Capitula Pipini excerpta ex lege Longobardorum de a. 793 bei Baluz. I.

546 (Curtis regia). Formulae Marculfi III. bei Baluz. II. 437 (Curtis fisci).

Capitularia Imperatorum. Tit. III. (Capit. Hlotharii de a. 824. §. 33) bei Baluz.

II. 326 (Curtis nostra). Capitulare Caroli M. de a. 800 de villis §. 20 et 21

bei Baluz. I. 334 (Curtis nostra); §. 24 bei Baluz. I. 335 (Discus noster).

Capitulare V. de a. 806 §. 7 bei Baluz. I. 453 (Curtis nostra). Man findet dafür

palatium in folgenden Stellen: Capitulare III. Caroli M. de a. 805 §. 9 bei

Baluz. I. 431. Diploma Caroli M. de a. 781. Lothari I. a. 839. Caroli Crassi

de an. 880 und 2 Dippl. de a. 887; Diplom. Hugonis et Lotharii de a. 994.

Carolmanni de a. 878. Man findet auch Curtis palatii z. B. in Capitulare de

Causis regni Italiae de a. 793 §. 15 bei Baluz. I. 260, und Capitulare de

[6/0028]

² Aldionibus palatii, v. Pipin de a. 793. bei Baluz. I. 546. Ferner auch Fiscus in

einem Dipl. Ludovici II. de a. 854, und Dipl. Carolmanni de a. 878. Dage-

gen aber bedeutet Camera Privatſchatzkammer, oder Wohnung in Capitulare Caroli

M. de a. 800 de villis et curtis Imperatoris. Tit. 42, wo die Meubles näher

bezeichnet werden, welche die camera enthalten ſoll; im Capitulare de villicis regiis

de a. 813, wo von Kleidern die Rede iſt, welche die Hoffrauen aus Lein und Wolle

fertigen und in die camera bringen ſollen. Im Edictum Pisteuse Caroli Calvi de

a. 864 §. 14 heißt es wenigſtens Schatzkammer, denn es werden den Grafen,

welche Münzrecht haben, 5 Pfund Silber aus camera nostra angeboten, damit sie

das Geſchäft beginnen können unter der Bedingung ſpäterer Rückgabe. Ueber dieſe

drei Stellen f. Baluz. I. 337. 510. 479. Ferner erwähnen die Formulae Bigno-

nianae bei Canciani Baiuaronum leges antiquae II. 272, unter der Formel Cautio

de clavibus auch die „cellaria vel camera et granica (= granaria), quicquid in

eis habuit repositum, hoc est, aurum, argentum, drapalia, arma, vinum, an-

nonam vel vitalia (=victulia) sua,“ woraus die lezte Bedeutung von camera

unzweifelhaft iſt. Die oben erwähnten Urkunden hat Muratori Resitalicae loc. cit.

Es gehört auch hierher die Stelle aus Hincmar (sec. 9.) de ordine palatii c. 22.

De honestate vero palatii seu specialiter ornamento regali nec non et de donis

annuis militum absque cibo et potu vel equis, ad reginam praecipue et sub ipsa

ad camerarium pertinebat. — De donis vero diversarum legationum ad camerarium

adspiciebat, nisi forte jubente rege tale aliquid esset, quod reginae ad tractandum

cum ipso congrueret. Bei Duchesne I. p. 490.

³ In dieſer Bedeutung erſt in folgenden Urkunden: 2 Diplomata Ludovici

II. a. 874. Diploma ejusdem a. 870. Diplom. Berengarii I. a. 889. et 919.

Ueberhaupt gebraucht von dieſer Zeit an für Kaſſe, worein Geldſtrafen, Steuern,

Gefälle u. dgl. unter ſtaatsrechtlichen oder ſtaatsgrundherrlichen Titeln erhoben,

floſſen; daher auch die Päbſte, Biſchöfe, Aebte und Markgrafen, dieſe beſonders

als Staatsbeamte, camera nostra ſagen, wenn es ſich um jene Einkünfte handelt.

Muratori Res italicae loc. cit. p. 106. 126. 194. 197. Bei den Feudiſten kommt

es dann in dieſer beſondern Bedeutung immer vor.

§. 7.

Kammergüter.Kammerverwaltung vor den fränkiſchen

Königen (bis a. 534 nach Chr.)

Man nennt in dieſer Periode blos die Privatgüter der Könige

Kammergüter. Ihre Einkünfte dienten theils zur Befriedigung

der perſönlichen Bedürfniſſe der königlichen Familie, theils zur

Befriedigung der Staatsbedürfniſſe. Dieſe waren nicht groß und

dabei ſehr einfach. Sie bildeten ſich mehr nach augenblicklichen

Verhältniſſen. Die ganze Staatsverwaltung war nichts weniger

als verwickelt, und handhabte blos 1) das Kriegs- und Frie-

dens-Recht, und die Anwendung der hierher einſchlagenden Ge-

ſchäfte und Anſtalten; der Beamte hierfür war mehr ein außer-

ordentlicher und vereinigte in ſich die höchſte Beamtengewalt im

Kriege, in der Geſetzgebung und öffentlichen Berathungen. Er

hieß Dux oder Patricius. Aber als ordentlicher Beamter ſtand

er über mehreren Gauen mit Civil- und Militärgewalt; 2) die

Rechtspflege oder Gerichtsbarkeit und den Vorſitz in den

Volksgemeinden. In allen Rechtsſtreiten, die nach Volksrechten1)

zu ſchlichten waren, urtheilten die blos aus Freien beſtehenden

[7/0029]

Volksgemeinden unter dem Vorſitze der königlichen Beamten

(judices fiscales). Gewiſſe Rechtsſtreite aber gehörten vor den

Grafen (gravio, comes), d. h. Vorſitzer in den Gaugerichten

(Grafending); andere vor die Gemeinde der Hunderten und ihren

ordentlichen Richter, der Centgraf (Centenarius) hieß; die nie-

dere Gerichtsbarkeit in Gemeinden und Marken ſtand dem Vor-

ſtande der Gemeinde (grevio, Decanus villae) zu. Der König

war oberſter Richter2). Die beiden Lezten ſtanden unter dem

Grafen. 3) Die Verwaltung der königlichen Einkünfte.

Dieſe beſtanden aus a) der Grund- und Personalſteuer (Cen-

sus, Zins)3); b) dem Pascuarium und dem Zehnten4);

c) dem Königspfennige5); d) dem Grafenſchatze6);

e) allen erbloſen Erbſchaften; f) den Confiskationen und Strafen;

g) den Zöllen verſchiedener Art7); h) den Naturalverpflegun-

gen, Naturaldienſten und Frohnden8); i) außerordentlichen Kriegs-

ſteuern9); k) den Einkünften aus den königlichen Kammergütern,

welche durch Wirthſchafter, Schaffner oder Majer (actores,

maiores, villici, domestici, gastaldiones) verwaltet wurden;

und l) den Einkünften aus dem Münzregale10).

¹ Solche Sammlungen von Volksrechten ſind die Lex Visigothorum, Lex

salica, Lex Burgundionum, Lex Ripuariorum, Lex Allamannorum, Lex Bajuvari-

orum u. dgl. S. Eichhorn deutſche Staats- und Rechtsgeschichte. I. §. 29–44.

Mittermaier Grundſätze des deutſchen Privatrechts. I. §. 2. Sie ſind gedruckt

in Georgisch Corpus juris germanici antiqui. Halae 1738. Canciani Barbarorum

leges antiquae. Venet. 1781–92. V Tomi in folio. Walter Corpus juris ger-

manici antiqui. Berolin. 1824. III Voll.

² S. Eichhorn deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 74. 83. 87.

v. Löw Geſch. der deutſchen Reichs- und Territorial-Verfaſſung. Heidelberg 1832.

§. 8. S. 30.

³ Eichhorn deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 88. Eigenbrodt

Ueber die Natur der Bedeabgaben. Gießen 1826. §. 4. Boehmer diss. de vari.

censuuru significat. Halae 1722. Lang, hiſtor. Entwicklung der teutſchen Steuer-

verfaſſung. Berlin 1793. S. 135. Hüllmann, deutſche Finanzgeſchichte. S. 140.

Census ſind nämlich öfters auch privatrechtliche Abgaben vom Grund und Boden,

auch Beeden genannt. Struben Nebenſtunden. VI. 463. struben Observationes

jur. et histor. german. Obs. III. §. 1–3. p. 90–101. Dagegen Eigenbrodt

a. a. O. §. 14. 16.

⁴⁾ Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 3047. Boehmer De Origine et ratione

decimarum in Germania in ſeinen Electis juris civilis. Exercit. 18. Tom. III.

p. 64–170. Birnbaum, die rechtliche Natur der Zehnten. Bonn 1831.

selden History of tithes in ſein. Opp. Vol. III. J. a. Coste, Hist. de l'origine

des revenus ecclesiastiques. p. 5 sqq.

⁵⁾ Zur Anerkennung der königlichen Oberherrſchaft. Lang, hiſtor. Entwicke-

lung. S. 30.

⁶⁾ Von Anfang blos Geſchenke, Liebnus, gegeben propter lenitatem et mansue-

tudinem eorum. Canciani IV. 204. Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 30.

⁷⁾ Rivaticum, Pontatieum, Cespitaticum, Pulveragium, Pedagium u. ſ. w.

Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 24. Hüllmann, Finanzgeſchichte. S. 222. Im

Ganzen 20 verſchiedene Arten, die aber ſämmtlich römiſchen Urſprungs ſind.

[8/0030]

⁸⁾ Die in die Provinzen kommenden Grafen, Beamten und Biſchöfe hatten

anzuſprechen: freies Quartier (Albergaria), freien Transport und Fahrt und freie

Verköſtigung (Parata, Missaticum, Atzung), welche ſehr viel betrug und durch be-

ſondere königliche Vollmachten (Tractatoria) beſtimmt wurde. Die Frohnden waren

entweder wirkliche Spanndienſte (Straßen- und Herrenfrohnden, Angaria, Paran-

garia, Nothreißen) oder bloßes Herleihen von Pferden (Paravedi — Canciani IV.

207). Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 29. Hüllmann, Finanzgeſchichte. S. 93.

Eigenbrodt, Ueber die Bedeabgaben. §. 17. v. Löw, a. a. O. S. 58. 92.

⁹⁾ Die Inferenda in Naturalien oder Geld nach feſten Taxen von eroberten

Ländern, z. B. in Thüringen, ſpäter auch von den Sachſen und Slaven. Lang,

hiſtor. Entw. S. 26–27.

¹⁰⁾ Der Solidus enthielt 40 Denare, wovon 500 auf ein Pfund Silber

gingen. Werth des Goldes zum Silber = 1 : 12. Eichhorn, deutſche Staats-

und Rechtsgeſchichte. I. §. 89. Lex Salica. Tit. 1. cap. 1. Canciani II. 17.

§. 8.

Kammergüter und Kammerverwaltung unter den

fränkiſchen Königen (v. J. 534–888).

Es kam jetzt, beſonders unter Carl d. Gr., weit mehr Ord-

nung in die geſammte Staatsverwaltung. Es trat in einer ge-

naueren Abgränzung hervor:

I. Das Miniſterium, welches noch faſt aus den nämlichen Per-

ſonen wie in voriger Periode beſtand. Die daſſelbe bildende Behörden

waren früher nämlich 1) der Major domus (Befehlshaber der könig-

lichen Leute). Aus ihm war das jetzige kaiſerliche Haus hervorgegangen

und er fiel folglich für dieſe Periode hinweg. 2) Der Referendarius,

welcher früher von einem Weltlichen beſetzt war. Da es jetzt eines ei-

genen Miniſters der geiſtlichen Angelegenheiten bedurfte, ſo wurde

dieſe Stelle, unter dem Titel Apocrifiarius, von einem Geiſtlichen

beſetzt und er hieß auch Archicapellanus, weil er auch die Aufſicht

über die Hofkanzlei und Hofgeiſtlichkeit hatte. 3) Der Comes palatii

(Pfalzgraf), welcher ein Richter im Hofgerichte geweſen war, jetzt

einen erweiterten Geſchäftskreis hatte, und Miniſter der weltlichen

Angelegenheiten ward. 4) Der Cubicularius, jetzt auch Camerarius

(Kämmerer) genannt, welcher der Miniſter der königlichen Ein-

künfte und des königlichen Hauſes war. Er war aber eigentlich

nur oberſter Erheber und Verwalter des königlichen Privateinkom-

mens und Vermögens und ſtand als ſolcher unter den Befehlen der

Königin1).

II. Die Reichsſtände, zur Ueberlegung aller wichtigen

Reichsangelegenheiten und zur Ordnung aller Reichsangelegen-

heiten. Sie wurden im Frühjahre gehalten, und es verſammelten

ſich die Biſchöfe, Aebte, der Adel und die Hof- und Staats-

beamten als Berathende. Die anderen Anweſenden hatten keine

Berathungsſtimme. In dieſen Reichstagen wurden die Capitu-

[9/0031]

larien verfertigt. Die geiſtlichen Angelegenheiten wurden in einer

beſonders gebildeten Curie von den geiſtlichen Reichsſtänden be-

rathen 2).

III. Die Volksgemeinden, Volksberathungen über dieje-

nigen Angelegenheiten, in welchen der König dem Volke nicht

befehlen konnte. Beſonders gehört hierher das Recht der Wahl

verſchiedener Behörden3) und der Genehmigung von Veränderun-

gen, welche der Reichstag an den Volksgeſetzen machen wollte4).

¹ Eichhorn, deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 25. b. §. 160.

v. Löw, Geſch. der deutſchen Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 31. §. 120.

Hüllmann, Geſch. des Urſprungs der Stände. §. 9.

² Eichhorn, deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 161–163.

v. Löw, Geſch. der deutſchen Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 93–94. 121.

³ z. B. der Schöffen, Richter, Vizedome u. dgl.; wenn das Volk Bitten

vorzutragen hatte; bei den Biſchofswahlen. Raynouard, Hist. du droit municipal

en France. Paris 1829. Deutſch überſ. v. Emmermann. Leipz. 1830. I. S. 95.

105. 110–135. II. 5. 32–78. v. Löw, a. a. O. S. 95. v. Raumer,

Geſch. der Hohenſtaufen. V. S. 11. 17.

⁴⁾ Eichhorn, a. a. O. I. §. 161. vrgl. mit §. 149. Not. e. v. Löw,

Geſch. der deutſchen Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 31.

§. 9.

Fortſetzung. Militärverwaltung.

IV. Die Staatsverwaltung. Sie kann in zwei Haupt-

zweige geſchieden werden, nämlich in:

A. Die Militärverwaltung. Es entſtand unter Carl d. Gr.

eine eigene Militärverfaſſung, Heerbann (Heribannus) genannt,

die aber zugleich die eigentliche Staatsverfaſſung war. Durch ſie war

jeder Dienſtherr mit ſeinen Dienſtleuten, jeder Freie unter ſeinem

Senior oder unter ſeinem Grafen und deſſen Hauptleuten (Centenarien)

verpflichtet, auf ein allgemeines oder beſonderes Heeresaufgebot mit

Rüſtung und Lebensmitteln für drei Monate auf dem beſtimmten Sam-

melplatze zu erſcheinen1). Blos die Geiſtlichen waren aus Rückſicht auf

ihren Stand von perſönlichem Militärdienſte frei. Wer beim

Heeresaufgebote nicht erſchien, der verfiel in eine Strafe, und

konnte ſein Benefizium (Lehen) verlieren2). War der Dienſtherr

(Adelige) von perſönlicher Heeresfolge (Heribannus) frei, ſo

mußte er dennoch bei Strafe ſeine Leute dazu ſchicken3). War

Einer für ſich zur Ausrüſtung zu arm, ſo mußte er ſich mit Meh-

reren vereinigen, ſo daß ſie zuſammen einen Bannaliſten aus-

rüſteten, verproviantirten und ſchickten4). Jeder Dienſtmann aber,

der ein Benefizium beſaß, und jeder Eigenthümer von einer ge-

wiſſen Grundfläche war für ſich dazu verpflichtet5). Das Landes-

[10/0032]

gebiet war nun nach den Abſtufungen in der Heeresgröße und

Gewalt in Herzogthümer und Grafſchaften eingetheilt6).

¹ Capitulare Caroli M. de a. 807. bei Georgisch Corp. juris germanici an-

tiqui p. 734. Capitulare II. de a. 805. §. 6. de a. 813. II. §. 9. bei Georgisch

p. 696 und 778. Capitulare I. II. et III. Caroli M. de a. 812. Eichhorn,

deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 166. v. Löw, Geſchichte der deutſchen

Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 27. 133. 164. Eigenbrodt, Ueber die

Natur der Bedeabgaben. §. 16. v. Raumer, Geſch. der Hohenſtaufen. VI. S. 426.

² Die Strafe durfte von Anfang die Hälfte des beweglichen Vermögens nicht

überſteigen (Capitul. II. de a. 805. §. 19. bei Georgisch p. 700.); ſpäter aber

wurde ſie auf ſehr hohe Summen normirt. Wer ſie nicht zahlen konnte, der verlor,

bis er's konnte, die Freiheit und wurde Dienſtmann des Königs. (Capitul. I. de

a. 812. §. 1. bei Georgisch p. 761.)

³ Frei war die Geiſtlichkeit und der Eigenthumsloſe. Pflichtig alſo die Va-

ſallen und der ächte Grundeigenthümer von verſchiedenem Beſitze. Aebte, Biſchöfe

und Grafen hatten auch eine Anzahl Bannaliſten frei, die ſie bei Strafe nicht über-

ſchreiten durften. (Capitul. I. de a. 812. §. 3. bei Georgisch p. 759.)

⁴⁾ Sowohl geringe wirkliche wahre Eigenthümer, als auch andere. Dieſe

Lezteren durften aber nur einen freien wahren Grundeigenthümer ausrüſten und

verproviantiren. Die Offiziere und großen Grundeigenthümer im Harniſche und zu

Pferde; der gemeine Soldat nur mit Lanze, Schild, Bogen und Pfeil. (Capitul.

II. de a. 805. §. 6. de a. 803. §. 9.) S. Note 1.

⁵⁾ Dieſe Grundfläche hieß Mansus, aber man kennt ihre Größe nicht. Von

Anfang war der Mansus eine unbeſtimmte Fläche. Man ſ. Eigenbrodt §. 16.

und die dort angeführten Schriften.

⁶⁾ Obſchon keine beſtändigen Herzoge dort hingeſetzt waren, und weil die Graf-

ſchaften einen Haltpunkt haben mußten. Ständige Herzoge wurden erſt gegen Ende

dieſer Periode wieder eingeführt. Eichhorn, deutſche Staats- und Rechtsgeſch.

I. §. 170. v. Löw, Geſchichte der deutſchen Reichs- und Territorial-Verfaſſung.

S. 152. 126 folg. 137. 134 folg.

§. 10.

Fortſetzung. Juſtizverwaltung.

B. Die Civilverwaltung. Den Gegenſtänden nach, welche

ſie unter ſich begriff, konnte man unter Carl d. Gr. ſchon das

Religions- und Culturweſen1), das Sicherheits- und Wirth-

ſchaftsweſen2), das Rechtsweſen und die Staatseinkünfte und Aus-

gaben unterſcheiden. Allein in der Organiſation kannte man nur:

1) die Gerichtsbarkeit, welche eben überhaupt die Schlich-

tung von Streitigkeiten, die Beſeitigung von Beſchwerden, und

die Verfügung von Strafen zum Gegenſtande hatte, und unmit-

telbar vom Könige ſelbſt, oder mittelbar durch ſeine ſtellvertretende

Beamten geübt wurde. Das Gebieten (bannire) bei der höch-

ſten Buße (60 solidi) ſtand aber nur ihm allein zu, darum hieß

dieſe auch königliche Buße (bannus regalis). In dem Ge-

ſchäftskreiſe der Grafen und Centenarien war nichts abgeändert

worden. Aber alle Gerichte waren mit Schöffen aus dem Volke3)

beſetzt. Die Schöffen im königlichen Gerichte ſelbſt waren jedoch

[11/0033]

die geiſtlichen und weltlichen Großen des Reichs. Die Sachen

dieſer Lezteren kamen aber ſtets vor den König ſelbſt und ſein

Gericht.

¹ Die Religionsangelegenheiten wurden von der Geiſtlichkeit und vom geiſt-

lichen Miniſter (cf. §. 8.) beſorgt, unter dem Genehmigungsrechte des Kaiſers.

Daher ſchon in der vorigen Periode die Synoden, Aufſicht auf den Gottesdienſt,

Anſtellung der Geiſtlichen, religiöſe Geſellſchaften (Eichhorn, deutſche St. und

R. Geſchichte. I. §. 97 folg.). und Aufſicht auf die Klöſter und Canonici in dieſer

Periode (Eichhorn, a. a. O. I. §. 178 folg.). Die Culturangelegenheiten wur-

den beſorgt durch die Kloſter- und Domſchulen zur Bildung von Lehrern und Geiſt-

lichen, durch die Verſammlung einer Gelehrten-Akademie um den Kaiſer Carl

ſelbſt, der ſich eifrig der Wiſſenſchaft widmete (Eichhorn, a. a. O. I. §. 138.).

² Carl d. Gr. errichtete zur Erleichterung des Handels Stapel- und Handels-

plätze (Capitulare II. de a. 805. cap. 7 bei Georgisch p. 670.). Ueberhaupt zeugen

von dieſen Verwaltungsgegenſtänden die häufigen Artikel der Capitularien gegen

Anwendung von Abortiv-Mitteln, über die Aufnahme fremder Perſonen, über den

durch Thiere verurſachten Schaden, über den Getreidewucher, über die Falſch-

münzerei und das Geldweſen, über Gebräuche und Mißbräuche der Kirche, über

öffentliche Aufſtände, über die Zinſen, über die Theilung und Benutzung des Wald-

und Feldbodens, über die Behandlung der Wittwen und Waiſen, der Dienſtboten,

über den Druck der Beamten auf das Volk, über das Straßen- und Brückenweſen

u. dgl., deren beſondere Citirung wegen der Häufigkeit ihres Vorkommens hier

unnöthig iſt.

³ Eichhorn, deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 164 und 165.

v. Löw, Geſch. der deutſchen Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 160. 129. —

Raynouard Hist. du droit municipal, überſ. v. Emmermann II. S. 5.

§. 11.

Fortſetzung. Kammergüter. Finanzverwaltung.

2) Die Finanzverwaltung. Alle bisher berührten Staats-

angelegenheiten, die Kriege, beſonders Carls d. Gr., die Pracht,

womit er öffentlich erſchien, deuten ſchon an, daß der Staatsauf-

wand ſehr bedeutend für dieſe Periode geſtiegen war. Dadurch

und durch das allſeitige Durchgreifen Carls d. Gr. erklärt ſich

auch eine vielſeitige Umänderung im Organismus des Finanz-

weſens. 1) Die Domänen gaben1) die Haupteinkünfte, und es

gibt jetzt wirklich Staatslandgüter im Gegenſatze der fürſtlichen

Kammergüter. So wie aber Kammer ſo viel als Staatskaſſe be-

deutet, ſo verſteht man unter den Kammergütern auch die Staats-

domänen. Man2) unterſcheidet a) die Reichsdomänen, d. h.

den Inbegriff von Erbgütern, theils der merovingiſchen und pipi-

niſch-carolingiſchen Königsfamilie, theils und hauptſächlich der

vielen unterdrückten Stammfürſten der einzelnen deutſchen Völker-

ſchaften; b) die Landesdomänen, d. h. eine Miſchung von

fürſtlichen Stamm- und Familiengütern, von angemaßten ſowohl

mittelbaren als unmittelbaren Reichsdomänen, von angefallenen

Reichspfandſchaften und ſäkulariſirten Stifts- und Kloſtergütern.

[12/0034]

Die Verwaltung der Domänen war der Hauptgegenſtand der

Finanzverwaltung und kaiſerlichen Sorge3). Auch 2) das Münz-

regal gab dem Staate Einkünfte4). Es wurden 3) die früheren

jährlichen Geſchenke an den König und die königlichen Beamten

jetzt als Schuldigkeit verlangt in Lieferungen bei der periodiſchen

Verſammlung des Heerbanns und beim Aufenthalte des Königs in

den Provinzen, wo die Domäneneinkünfte nicht hinreichten5).

Es wurden 4) im Kriege ſogar zwei Drittel der Erndte zur Ver-

ſorgung der Armee als Contribution in Beſchlag genommen6).

Es dauerten 5) die Frohnden fort, aber als eine allgemeine

Laſt7); und 6) die Verpflegung der königlichen weltlichen und

geiſtlichen Beamten bei periodiſchen Geſchäften in den Provinzen

war wie die Sporteln ebenfalls durch Gebrauch und Geſetz ge-

heiligt8); es nahm 7) der Cenſus jetzt die Natur einer allgemeinen

Staatslaſt auf das Beſtimmteſte an9); dabei waren 8) die Zölle

trotz der kaiſerlichen Gebote, da ſie auch in die Hände der welt-

lichen und geiſtlichen Großen des Reichs gekommen waren, wegen

der Erpreſſungen ſehr drückend10). Endlich aber dauerten 9) die

Confiskationen, Bußen und Heerbannsſtrafen in ihrer drückenden

Wirkung fort11), und es wurden 10) von den Juden anfänglich

Judenſchutzgelder erhoben12).

¹ Domäne (dominium, domanium, demanium) hieß urſprünglich blos herr-

ſchaftliches Land (Terra dominica). In obiger Bedeutung aber heißt es landes-

herrliches Gut, und begreift die Villen (Landgüter), königliche Höfe, Kammergüter

(auch Kaſtengüter) und fiskaliſche Güter. Als ſolche Leztere kommen agri, domus,

loci, fisci und villae fiscales in jener Zeit vor. Charta pactionis de a. 587 bei

Baluz. I. 13. Gregor. Turon. lib. VI. cap. 45. cap. 32. Caroli M. Capitulare

de villis §. 4. 6. 52. Hüllmann, Geſchichte der Domänenbenutzung in Deutſch-

land. S. 1–3.

² Dieſe Unterſcheidung macht Hüllmann Finanzgeſch. S. 1–11. 19–35.

Ein Verzeichniß der Kammergüter a. a. O. S. 20. und in Deſſelben Geſch. des

Urſprungs der Stände in Deutſchland (Berlin 1830). §. 8. S. 57.

³ Daher das eigene Capitulare Caroli M. de villis und das Breviarium rerum

fiscalium. Mit Bemerkungen und deutſch in K. G. Anton Geſch. der deutſchen

Landwirthſch. I. S. 177 folg. Aber im Urtexte auch bei Baluze, Georgiſch

und Walther.

⁴⁾ Man ſchlug aus 1 Pfund Silber 22 solidi zu 12 Denaren. Der Münz-

meiſter erhielt von dieſen 22 solidis 1 solidus als Schlagſchatz. Eichhorn, deut-

ſche Staats- und Rechtsgeſch. I. §. 171. Hirſch, Münzarchiv. I. 1–2. Hüll-

mann, Geſch. des Urſprungs der Regalien in Deutſchland. S. 58. Deſſelben

Finanzgeſch. S. 54. Meine ſtaatswiſſenſch. Verſuche über Staatskredit, Staats-

ſchulden und Staatspapiere. Heidelb. 1833. S. 141. Not. 139. und die dort citirten

Capitularien.

⁵⁾ Es wurden ſogar Placita (Volksverſammlungen) propter dona generaliter

danda gehalten. Sie konnten in Geld oder Naturalien, z. B. Eiern, Hühnern

u. dgl., von mehreren in Gemeinſchaft in einem Maaße Korn oder Hafer beſtehen.

Dieſe bildeten dann die Beſoldung jener Behörden. Die Charitativen, Auxilien-

gelder oder Geſchenke aber dienten meiſtens auch zur Unterhaltung der Könige in

[13/0035]

⁵⁾ den Provinzen. Du Fresne du Cange Glossarium, voce: auxilium, donum etc.

Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 18–21. Eichhorn, deutſche St. u. R. Geſch.

I. §. 171. cl. mit 161. Note a. Eigenbrodt, Ueber die Bedeabgaben. §. 17. 18.

Hüllmann, Finanzgeſch. S. 82. v. Löw a. a. O. S. 116.

⁶⁾ Capitulare II. de a. 812. cap. 10. Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 30.

Die Geiſtlichkeit mußte in Kriegszeiten oft dem Könige ſelbſt oder ſeinen Gläubigern

ihre Güter gegen einen jährlichen Zins von jedem Hauſe überlaſſen. Cap. V. de

a. 743. cap. 3.. Lang a. a. O. S. 21–22. Eigenbrodt a. a. O. §. 18. cl.

mit §. 2. II. Inſoferne war ſie alſo nicht ſteuerfrei.

⁷⁾ Sie wurden auf die Einzelnen umgetheilt und die Grundherrn. Ludovici

Pii Praec. pro Hispanis cap. 1. Caroli M. Capitul. I. a. 812. cap. 28. II. a. 813.

cap. 10. Edict. Pistense Caroli Calvi cap. 26.

⁸⁾ Wegen dieſer Vortheile ſuchten die Beamten oft Gerichtsſitzungen zu halten

(placitare). Wegen dieſes Mißbrauchs entſtanden königliche Beſtimmungen über die

Anzahl der jährlichen Placita. Monumenta Boica vol. VII. p. 101. a. 1143.

Capitul. lib. IV. §. 57. bei Georgisch. 1384. Eigenbrodt a. a. O. §. 8. 17.

I. 4. Formulae Marculfi I. 11. Capitul. I. a. 819. cap. 16. Capitul. V. ejusd.

anni cap. 26. Was der Einzelne gab, hieß Conjectus. Die Sporteln beſtanden

ſchon ſeit der vorigen Periode, und machten einen Theil des ſtreitigen Gegenſtandes

aus, z. B. bei den Baiern deſſelben (Lex Bajuvariorum. Tit. II. cap. 16. bei

Georgisch p. 271.). Wenn der Kaiſer bei Erbfolgeſtreitigkeiten den Commiſſar

ſchickte, dann erhielt er deſſelben (Baluzius II. 902.). Da das Sportelnnehmen

mißbraucht wurde, ſo entſtanden darüber Geſetze (Pipini Capitul. de a. 755. §. 24.

Carol. M. Capitul. de a. 803. §. 2. Bei Georgisch p. 522. 675.). Hüllmann

Finanzgeſch. S. 173. Eigenbrodt a. a. O. §. 17. III. §. 8. not. e. und §. 19,

not. p.

⁹⁾ Der Census war eine Kopf- und Vermögensſteuer von freien nichtadeligen

Menſchen. Eigenbrodt a. a. O. §. 4. 18. Caroli M. Capit. II. de a. 805.

cap. 20. Caroli Calvi Capit. Tit. 37. cap. 8. Ejusdem Edict. Pistense cap. 28.

Auch Capit. IV. a. 819. §. 3. Bei Georgisch p. 851.

¹⁰⁾ Capitull. Lib. III. cap. 12. Lib. V. cap. 202. Durch allerlei Zudring-

lichkeiten war das Zollrecht an geiſtliche und weltliche Großen gekommen, nebſt dem

Marktrechte. Es gibt daher Verbote eigenmächtiger Zollanlagen. Capit. Carol. M.

de a. 779. cap. 18. Capit. V. de a. 806. cap. 11. Ludovici pii Capit. I. de a.

819. cap.11. Capit. de a. 820. cap. 3. und mehrere andere Belege bei Hüll-

mann, Geſch. des Urſprungs der Regalien. S. 45–50.

¹¹ Wie hart die Heerbannsſtrafe von 60 solidi zu 12 denar. war, iſt zu

ermeſſen daraus, daß man für 1 denarius 15 Stück 2pfündige Roggenbrode, und

für 2 solidi eine Kuh kaufte. Darum wurde die Unerſchwinglichkeit der Strafe

aufgehoben durch die Verordnung, daß der Straffällige von 6 Pfd. Vermögen 3 Pfd.,

von 3 Pfd. nur 1½ Pfd., von 2 Pfd. aber 10 solidi, und von 1 Pfd. Vermögen

5 solidi geben mußte. Capitull. Lib. III. cap. 14. Lang, hiſtor. Entwickelung.

S. 23. Sie waren aber immer noch drückend genug. Hüllmann, Geſch. des

Urſpr. der Stände. §. 19. 20. v. Löw a. a. O. S. 136.

¹² Den Judenſchutz will Eichhorn a. a. O. I. §. 171. Note n. in dieſer

Periode noch nicht gefunden haben. Allein nach Hüllmann, Geſch. des Urſpr.

der Regalien. S. 51–52., der ſich auf eine Urkunde Ludovici pii de a. 828. bei

Bouquet VI. p. 649. beruft, zahlten die Juden bereits an die Kammer eine Abgabe

für das Aufenthaltsrecht, beſonders in den königlichen Pfalzen, wo dieſelben wegen

des Zuſammenfluſſes vieler Menſchen viele Geſchäfte machen konnten. Lang er-

wähnt deſſen auch nicht. Hüllmann, Städteweſen im Mittelalter. II. S. 59.,

der ſich S. 65. auch auf Caroli Calvi Capitul. de a. 877. Tit. 52. §. 31. beruft.

Die lezte Stelle "dent decimam" kann aber auch Zehnten bedeuten, da die Juden

auch Grund und Boden beſaßen.

[14/0036]

§. 12.

Fortſetzung. Behördenorganismus.

Auch der Organismus der Behörden, welche dieſe Geſchäfte

zu beſorgen hatten, erlitt ſehr bedeutende Veränderungen. Es

trat eine eigene allgemeine Verwaltungsbehörde in dem

Missus regius (Sendgrafen) ins Leben1). Derſelbe war ein

Geſandter, welchen der König in die Provinzen ſchickte zur Con-

trole der Kriegs-, Gerichts- und Finanzverwaltung, und zur

Vollführung ordentlicher und außerordentlicher Verwaltungsgeſchäfte.

Er erſcheint daher bald als oberſter Beamter über den Herzögen

(wenn er nicht ſelbſt Herzog war), Grafen und Centenarien zur

Controle und Ausführung der Verordnungen des Heerbanns2);

bald als lezte Inſtanz vor dem Könige im Gerichtsweſen, an die

man gegen Grafen und Centenarien appellirte und Beſchwerden

führte, und als Präſident von Landtagen (Placita) ſo wie von

anderen Gerichtsſitzungen3); bald als oberſter Beamter und Con-

troleur in der ganzen Steuerverwaltung, an den man gegen Be-

drückungen durch die Steuererheber Beſchwerde führte, ſo wie als

oberſter Controlbeamter in Strafangelegenheiten, und als höchſte

Behörde in der Domänen- oder Kammerverwaltung, die ſelbſt an-

ordnete, Befehle vollzog und den Mittel- und Unterbeamten auf

die Finger ſah4). Die Mittel- und Unterbehörden des

Königs in der Kriegs-, Gerichts- und Steuerverwaltung waren

nicht ausſchließlich, ſondern gemiſcht die Grafen und Cente-

narien. Ausſchließliche Unterbehörde in der Kammer- oder Do-

mänenverwaltung waren blos die Schaffner (villici, actores

u. dgl.), welche eine Villa ſammt Zubehör (actio domestica) zu

verwalten hatten, und die Förſter (forestarii), welche die

größeren Waldungen (foresta) beaufſichtigten, unter welchen noch

andere niedere Diener ſtanden, und deren mehrere unter einem

Centenarius ſtanden, der alſo ein Kreisaufſeher im Domänenweſen

war5).

¹ Ueber deſſen Pflichten und Befugniſſe handeln die Capitularia de legatione

omnium Missorum dominicorum, nämlich Capitulare de a. 819. V. cap. 1. Ca-

pitull. Caroli M. et Ludovici pii. Lib. IV. Tit. 44. bei Georgisch p. 853. et 1382.

Außerdem z. B. noch Capitul. de a. 789. II. 11. 19. bei Georgisch p. 576. Ca-

pitul. de a. 807. cap. 7. bei Georgisch 736. Capit. I. de a. 812. bei Georgisch

759. Capit. V. de a. 819. cap. 1. bei Georgisch p. 855 sq. Capit. de a. 823.

cap. 28. bei Georgisch 884–886. Capitularia Caroli M. Lib. II. 26 bei Geor-

gisch 1335. Hüllmann, Geſchichte des Urſprungs der Stände. §. 11. v. Löw

a. a. O. S. 123. 151.

² Eichhorn, deutſche St. und R. Geſch. I. §. 166.

³ Eichhorn, a. a. O. I. §. 164.

[15/0037]

⁴⁾ Eichhorn, a. a. O. I. §. 171. Hüllmann, Geſchichte der Domän.

Benutzung. S. 18.

⁵⁾ Hüllmann, Geſch. der Domänenbenutzung. S. 13–16. Deſſelben

Geſch. des Urſpr. der Stände. §. 9. v. Löw a. a. O. S. 117.

§. 13.

Deutſche Kammerverwaltung während des Reiches

v. J. 888–1272.

Nach Carl d. Gr. veränderte ſich die Staatsverfaſſung und

Organiſation weſentlich. Denn ſchon Ludwig der Fromme war

nicht im Stande, das Inſtitut der Heerbannsmilitz zu halten.

Der gegenſeitige Verband durch Benefizien, der vorher nur einen

Theil ſeines Reichsverbandes gebildet hatte, dehnte ſich ſo aus,

daß es allmälig der herrſchende Charakter des inneren Reichsver-

bandes wurde. An die Stelle der früheren Gelobung von Abhän-

gigkeit war allmälig jene der Treue und Dienſtgewärtigkeit des

Adels und der Geiſtlichkeit getreten. Mit andern Worten: Der

frühere Abſolutismus ging in einen Feudalismus, d. h. in die

Lehnsverfaſſung über1). Dieſe Fundamentalveränderung iſt

der Grund der Abänderungen in der Staatsverwaltung, und ins-

beſondere der Kammerverwaltung. Es iſt nämlich

I. das Miniſterium, ſeitdem der Kaiſer als Fürſt ſeine eigenen

Dienſtleute hatte, von den eigentlichen Hofchargen getrennt. Da der

kaiſerliche Hof keinen ſtändigen Sitz hatte, ſo waren die ſogenannten

Erzbeamte und die Reichsdienſtleute von den Hofchargen verſchieden.

Dieſer Unterſchied begann mit den fränkiſchen Kaiſern. Der erſte

Miniſter in geiſtlichen und weltlichen Angelegenheiten iſt fortan der

Kanzler, der alſo die Gewalt des Pfalzgrafen und Apokriſtarius

bei unmittelbarer Berathung mit dem Kaiſer beſaß. Der Pfalz-

graf, als oberſter Richter, verſchwand und dieſe ſeine Funktion

erhielt ein eigener Hofrichter. Nur der Pfalzgraf von Franken

(am Rheine) iſt noch Reichserzbeamter. Das Richteramt der

Pfalzgrafen, dieſer ausgenommen, war nach und nach mit allmäliger

Verbreitung der Lehnsverfaſſung ein Fürſtenamt geworden in den

eigenen und Lehnsbeſitzungen der Pfalzgrafen2).

II. Die Reichstage hatten eine andere Bedeutung bekom-

men, da nicht beſtimmt war, in welchen Fragen die Reichsſtände

mitzuſtimmen hatten, ausgenommen die Beſtimmung, daß ohne ſie

kein Geſetz gegeben werden durfte, und daß man auf Reichs-

tagen die auswärtige Politik berieth und Reichskriege beſchloß.

Das Recht der Reichsſtandſchaft iſt ein rein perſönliches der

weltlichen und geiſtlichen Fürſten, Grafen und Herrn, mit Aus-

ſchluß aller Anderen, geworden3).

[16/0038]

III. Die Landſtände, an der Stelle der früheren Volks-

verſammlungen, banden die Hoheitsrechte der Landesfürſten. Allein

das Recht der Landſtandſchaft hatten nur die Biſchöfe, Grafen,

Herrn und Ritter4).

¹ Eichhorn, deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. II. §. 286. v. Löw,

Geſch. der deutſchen Reichs- und Territorialverfaſſung. §. 40. S. 176 fg. Lang,

hiſtor. Entw. S. 48. Das Recht des Heerbanns ging auf die einzelnen Landes-

herrn über. Eichhorn a. a. O. II. §. 304.

² Eichhorn a. a. O. II. §. 291. v. Löw a. a. O. S. 151. 206.

³ Eichhorn a. a. O. II. §. 292. v. Löw a. a. O. S. 151. 207.

⁴⁾ Eichhorn a. a. O. II. §. 309. Hüllmann, Geſch. des Urſprungs der

Stände. §. 54.

§. 14.

Fortſetzung. Behördenorganismus.

IV. Der Organismus der Behörden hatte ſeinem We-

ſen nach durch das Lehnsweſen eine andere Geſtalt erhalten. Den

Schlußſtein der Regirung bildete der Kaiſer nebſt den Reichs-

ſtänden im deutſchen Reiche1). Für die innere Verwaltung be-

ſtanden zwar noch die Herzogthümer und Grafſchaften;

allein ſie übten ihre Gewalt nicht mehr anſtatt des Kaiſers, ſon-

dern zu eigenem Rechte oder zum Lehne vom Kaiſer empfangen2).

Länder, welche jenen auf dieſe Weiſe nicht unterworfen waren,

wurden durch Reichsvögte3) an des Kaiſers Statt verwaltet,

und waren alſo dem Reiche unmittelbar untergeordnet4). Die

anderen Länder und Städte waren dies mittelbar durch ihre

Fürſten, welche man ſchon Landesherrn nennen kann5). Einen

Missus gab es nicht mehr6).

¹ Die Reichsgeſetzgebung, auswärtige Politik und Rechte, einen Reichskrieg zu

beſchließen, zu führen und zu beendigen, gehörten ihnen zum Voraus. S. §. 13. II.

Eichhorn a. a. O. II. §. 290. v. Löw a. a. O. S. 207.

² Die Herzogthümer hießen Fahnlehen, und ihre Verwalter Reichsfür-

ſten, geiſtliche oder weltliche. Solche Fahnlehen ſollten nach ihrer Erledigung nicht

über Jahr und Tag unverliehen ſein.

³ Sie waren, wie die beiden andern, allgemeine Verwaltungsbeamten. So

wie ſie anſtatt des Kaiſers ſtanden, erhoben und verwalteten ſie auch die Einkünfte

aus ihren Provinzen anſtatt der und für die Kaiſer. Eichhorn a. a. O. II.

§. 234. b. v. Löw a. a. O. S. 176. Sie ſind aber verſchieden von den Land-

vögten.

⁴⁾ Solche Unmittelbarkeit genoſſen beſonders einzelne Städte, Reichsſtädte

genannt. Dieſer Städte Vogteien ſind daher auch von den Landvogteien, Burg-

grafen u. dgl. zu unterſcheiden. Sie bildeten alſo als Körperſchaft ein wichtiges

Glied in der damaligen Reichsverbindung. Ueber die Entſtehung der Städte, über

ihre Verfaſſung, Rechte und Verwaltung ſ. Raynouard histoire du droit municipal,

überſetzt von Emmermann. Leipzig 1830. II Bde. Wilda, das Gildenweſen im

Mittelalter. Halle 1831. Hüllmann, Städteweſen des M. A. IV Bde. Bonn 1826.

v. Raumer, Geſch. der Hohenſtaufen. VI. S. 74.

⁵⁾ Der Kaiſer hat aber immer noch das Recht, die Regirung ſelber zu ver-

ſehen und beliebig Rechte und Privilegien zu ertheilen. v. Löw a. a. O. S. 212. 197.

⁶⁾ Eichhorn a. a. O. II. §. 291.

[17/0039]

§. 15.

Fortſetzung. Militärweſen und Gerichtsweſen.

V. Die geſammte Staatsverwaltung kann noch in zwei

Hauptzweige geſchieden werden, nämlich A. die Militärver-

waltung. Die Heerbannsmilitz ging im Reiche in die Lehns-

militz über, während ſie den einzelnen Landesherrn noch zuſtand

gegen ihre Unterthanen, in ſofern dieſe nicht im Lehnsverbande zu

ihnen ſtanden. Die Reichsſtände und reichsunmittelbaren Gemein-

heiten ſind als ſolche mit ihren Mannen und Unterthanen zur

Heerfolge verpflichtet. Erſtere kraft der Lehnspflicht gegen den

Kaiſer mit ihrer Ritterſchaft, andern Freien und Städtern; die

Lezteren wegen ihrer Unmittelbarkeit und der Verleihung mancher

kaiſerlichen Privilegien und Vorrechte. Jene dienten unter dem

Banner ihres Fürſten; dieſe unter dem ihres Reichsvogts. Unter

jenem Banner waren aber noch die Fahnen der Graf- und Herr-

ſchaften. Die beſonderen Dienſtrechte beſtimmten die Bedingungen

des Dienſtes. Wer ein Reichslehen beſaß, hatte ſechs Wochen

auf eigene Koſten zu dienen; der Dienſtmann mußte während des

Feldzugs vom Dienſtherrn erhalten werden, wenn das Dienſtrecht

nichts Anderes beſtimmte. Das ganze Reichsheer war nach Rang,

Verdienſt und Würde in ſieben Schilde getheilt 1). B. Die

Civilverwaltung und unter dieſer:

I. Die Gerichtsbarkeit. Ueber Leib, Ehre und Lehen der

Reichsfürſten übte der Kaiſer ſelbſt in den ſogenannten Fürſtenge-

richten. In anderen Sachen richtete der Hofrichter an des Kaiſers

Statt, und die kaiſerlichen Hof- und Landgerichte in den Pro-

vinzen, unter welchen noch die gemeinen Landgerichte ſtanden 2).

¹ Eichhorn, deutſche St. und R. Geſch. II. §. 294. v. Löw a. a. O.

S. 176–180. 209. Von 10 Mansis Reichsgut im Lehen mußte 1 Ritter und

2 Knechte, von 5 Mansis 1 Ritter und 1 Knecht geſtellt werden. Der Dienſt der

Nichtlehnsleute des Reichs richtete ſich nach Herkommen und freier Zuſage. Dem

Kaiſer ſtand aber das Reichsheer, wenn bewilligt, nur auf kurze Zeit pflichtgemäß

zu Gebote, und er mußte ſchon in dieſer Periode, wenn ihm die Zuſtimmung der

Stände zu einem Zuge fehlte, ein eigenes Heer aufſtellen, wozu er ſich beſoldeter

Ritter und Knechte bedienen mußte. Geſchichtliche Beweiſe davon, und daß dies

auch ſchon die Landesherrn thaten, bei Eichhorn a. a. O. Note z, aus den Jah-

ren 1195 und 1236. Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 87–89.

² Eichhorn a. a. O. II. §. 293. Der Hofrichter wurde a. 1235 zuerſt be-

ſtellt. schilter, Institutiones juris publici. L. 4. Tit. 9. §. 379. Hüllmann,

Geſch. des Urſprungs der Stände. §. 9. v. Löw a. a. O. S. 207.

§. 16.

Fortſetzung. Finanzweſen. Das Kammerweſen und die Regalien.

II. Die Finanzverwaltung nahm jetzt auch entſchieden

einen anderen Charakter an. Einkünftequellen waren:

Baumſtark Encyclopädie. 2

[18/0040]

1) Das Reichsgut. Man unterſcheidet die eigentlichen Kam-

mergüter, an welchen dem Kaiſer das ächte Eigenthum gehörte, und

die Herrſchaften, welche aus Vogteien und Städten beſtanden. Jene

wurden unmittelbar von Amtsverwaltern oder Amtmännern

bewirthſchaftet; dieſe aber von Vögten1). Die Amtleute waren

die Unterbehörden in der Domänenverwaltung; die Oberbehörden

aber waren die Pfalzgrafen2). Als Mittelbehörden kann man

jene Vögte betrachten, obſchon ſie keine Controle über die Amt-

leute hatten. Die Pfalzgrafen, Präſidenten bei den Pfalzkonventen

(Conventus palatini), mußten um ſo mehr Oberbehörde ſein, als

die Kaiſer ihren Aufenthalt auf einige Zeit in den Pfalzen wähl-

ten und für ſich und ihren Hof daſelbſt der Naturalverpflegung

bedurften. Durch Lehen, durch Veräußerung und Verpfändungen

in dieſen Zeiten der Noth und Verwirrung, durch die Zudring-

lichkeiten der geiſtlichen und weltlichen Großen des Reichs, und

durch die Anmaaßungen der Reichsvögte war nach und nach das

Reichsgut und das Kammergut an ſich und in ſeinem Ertrage ſo ge-

ſchwächt worden, beſonders war der Verwaltungsaufwand ſo groß,

daß das reine Einkommen daraus bei weitem nicht zur Deckung

der Hof- und Reichsausgaben hinreichte3). Es iſt alſo natürlich,

daß die Kaiſer, ſo wie ſie einerſeits durch jene Verhältniſſe und

Ertheilung von einträglichen Privilegien immerfort verloren, ſich

auf anderem Wege Einkünfte zu verſchaffen ſuchten, wenn man

dazu noch bedenkt, daß ſie ſich immer mehr zur Unterhaltung von

Soldmilitz gezwungen ſahen. Daher kommt ihr Streben, die

folgenden Einkünftequellen zu erweitern, nämlich:

2) Die Regalien und fiskaliſchen Rechte, d. h. gewiſſe

vom Kaiſer ſich allein zugeſchriebene Gerechtſame, welche ein Ein-

kommen gewährten. Allein a) das Recht der Zollanlage war nur

noch in der Theorie ein Regal, und es war eben ſo wie der Domänen-

beſitz entweder mit den Reichsgütern oder ohne ſolche in die Hände der

Reichsſtände gekommen, ſo daß der Widerſpruch entſtand, der

Kaiſer allein habe das Zollrecht, derſelbe dürfe aber nicht ohne

Einwilligung des Reichsſtandes im Lande des Lezteren Zölle an-

legen. Der Wirklichkeit nach hatte der Kaiſer nur die Zollaufſicht,

und das Recht, Zollfreiheit zu ertheilen4). Ebenſo ſtand es mit dem

b) Münzregal, welches der Kaiſer nur noch in den Reichsſtädten

faktiſch beſaß, während ihm ſonſt über das reichsſtändiſche Münz-

weſen blos die Oberaufſicht blieb, und er keine neue Münz-

ſtätte anlegen durfte, wo für einen Reichsſtand daraus ein Nachtheil

erwuchs. Der Kaiſer hatte alſo auch hier den größten Theil ſei-

ner Reichseinkünfte verloren, während die Reichsſtände des

[19/0041]

Gewinnes willen mit ſchlechten, nicht reichsgeſetzmäßigen Münzen

den Verkehr überſchwemmten5). Es entſtand aber jetzt c) das

Bergwerksregal, kraft deſſen ſich der Kaiſer das Eigenthum

an alle Metall- (beſonders der Gold- und Silber-) Gruben zu-

ſchrieb. Dennoch aber hatten viele Reichsſtände Bergwerke, ent-

weder weil ſie dieſelben ſchon vor Entſtehung und Ausbildung dieſes

Regals beſaßen, oder weil ſie ihnen aus kaiſerlichen Gnaden ver-

liehen wurden6).

¹ Hüllmann, Geſch. der Domänenbenutzung. S. 25. Man nannte aber

auch die Amtsverwalter Vögte, was ſich aus der Aehnlichkeit der Geſchäfte erklären

läßt. Kammergüter und Reichsgüter waren daher verſchieden von einander. Leztere

ſind zu Lehen gegeben und können auch Centgerichte haben, jene nicht; hatten ſie

den Blutbann, ſo waren ſie auch nicht unter der Vogtei, ſondern blos unter der

Landvogtei, nämlich wegen der Lehndienſte und der höheren Landgerichte bei den

Landvogteien. Ein Reichsgut war bei Nürnberg. Man ſ. darüber Eichhorn

a. a. O. II. §. 295. Note a. b. d.

² Hüllmann a. a. O. S. 2630. v. Raumer, Geſch. d. Hohenſtaufen. V. 43.

³ Beiſpiele von ſolchem Aufwande bei Eichhorn a. a. O. II. §. 295. Note d.

Die Vögte und Amtleute plünderten und betrogen auf alle Art.

⁴⁾ Hüllmann, Geſch. des Urſpr. der Regalien. S. 6. 4750. Eichhorn

a. a. O. II. §. 296. Mittermaier, deutſch. Privatrecht. §. 257–260. v. Rau-

mer, Geſch. der Hohenſtaufen V. 421.

⁵⁾ Hüllmann, Geſch. des Urſpr. der Regalien. S. 58–62. Baumſtark,

Verſuche über Staatskredit. S. 141. Hüllmann, Geſch. des Urſpr. der Stände.

§. 21. §. 47. Deſſelben Städteweſen. II. 22. 31. Wilda, das Gildenweſen

im M. A. S. 229. 240. 255. In den Reichsſtädten verwalteten die Münzer

das Münzweſen. Eichhorn a. a. O. II. §. 269. v. Löw, Geſch. der deutſchen

Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 220–223. v. Raumer, Geſchichte der

Hohenſtaufen. V. 374.

⁶⁾ Das Bergwerksregal mag auch entſtanden ſein, ſowohl im Reiche als in

den Reichslanden, als unentbehrliches Erforderniß zur Ausübung des Münzregals.

Hüllmann, Geſch. des Urſpr. der Regalien. S. 72. Eichhorn a. a. O. II.

§. 297. S. 330. Mittermaier, deutſch. Privatrecht. §. 296. a.

§. 17.

Fortſetzung. Steuerweſen.

3) Das Steuerweſen tritt jetzt ſchon unter zwei Geſichts-

punkten, nämlich in den Reichsſteuern und Landesſteuern

auf. Eine Reichsſteuer im eigentlichen Sinne des Wortes, als

vom Kaiſer auf das ganze Reich kraft allgemeinen ſtaatsrechtlichen

Steuerrechtes umgelegt, gab es wirklich zwar noch nicht1). Allein

der Kaiſer bezog a) Subſidien von der Geiſtlichkeit, für ihre

Freiheit vom Lehnsdienſte; b) Adärationen oder Adjutorien

von den Vaſallen, wenn ſie nicht ſelbſt mit dem Heere zogen, ſon-

dern blos ihre Leute ſchickten; c) eine ordentliche Steuer2) von

den Nichtlehnsleuten; d) außerordentliche Beiſteuern3);

e) eine Königſteuer von den kleineren Stiftungen und Abteien,

die ihre Lehen nicht zu verdienen brauchten4), und f) das Juden-

ſchutzgeld im ganzen Reiche, wegen ſeiner ſchirmvogteilichen

2 *

[20/0042]

Rechte über die chriſtliche Kirche5). Die ſämmtliche Steuern,

mit Ausnahme der Lezten, waren Lehnsſteuern6). Denſelben

Charakter hatten auch allgemeinhin die Landesſteuern, erhoben

von den Reichsſtänden in ihren Landesgebieten. Als ein ſolcher

Landesfürſt erſchien auch der Kaiſer in Bezug auf die ihm geblie-

benen eigenen und reichsunmittelbaren Ländereien und Städte

(§. 14.). Es gehören hierher die Kopf- und Pflugſteuer7),

die Hundſteuer8), die Beede9), das Futtergeld10), Per-

ſonalſteuern11) und Leibespflichten12). Doch zeigen ſich in

dieſer Periode bei einzelnen Landesfürſten ſchon Spuren unſerer

heutigen eigentlichen Schatzungsſteuer13).

¹ Die Steuern der reichsunmittelbaren Städte, Dörfer und Ländereien erſchei-

nen mehr als landesherrliche. Eichhorn, deutſch. St. und R. Geſch. II §. 297.

v. Raumer, Geſch. der Hohenſtaufen. V. 392.

² Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 51. Dies war die einzige ordentliche

Steuer. Die Subſidien der Geiſtlichkeit beſtanden unter Carl d. Gr. nicht, da unter

ihm die Geiſtlichkeit militzfrei war. Mit dem Lehnsweſen erſtand ihre Pflicht wieder.

Sie hießen auch Adoha. v. Löw a. a. O. S. 202. 205. 213.

³ Sie hießen auch Geſchenke, Supplemente. Aber alle ſpäter noch genannten

Steuern in den einzelnen Landestheilen gehören unter dieſe Rubrick.

⁴⁾ servitium oder subsidium regium genannt. Z. B. das Kloſter Lorſch

hatte an Conrad II. 100 Pf. zu bezahlen. Das Nonnenkloſter zu Paſſau eine ähn-

liche Steuer bis a. 1193, wo es durch Heinrich VI. davon befreit wurde. Lang,

hiſtor. Entwickl. S. 52. v. Löw a. a. O. S. 202.

⁵⁾ Dieſes kam ſchon in voriger Periode in den Pfalzen vor. Unter dieſem

Rechtsgrunde aber erſt ſeit dieſer Periode. Eichhorn a. a. O. II. §. 297. Note

c-h, wo auch die Quote angegeben iſt. Die Juden hießen Kammerknechte.

Hüllmann, Geſch. des Urſpr. der Regalien. S. 52–57, wo urkundlich erwieſen

iſt, daß der Kaiſer auch dieſe Einkünftequelle durch Verleihungen, beſonders an

Geiſtliche, und durch Verpfändung vielfach einbüßte. S. §. 11. Note 12 oben.

v. Löw a. a. O. S. 220. v. Raumer, Geſch. der Hohenſtaufen. V. 267.

⁶⁾ Beſonders zu bemerken iſt hier der Rechtsgrund der Steuer, ſelbſt wenn ſie

wie oben in Note 2 eine ordentliche war, wie z. B. die Serjantes und die Cavalcade

der Städte.

⁷⁾ Dieſe zu erheben war den Tempelherrn auf 5 Jahre vom K. Philipp bewil-

ligt. Lang a. a. O. S. 52.

⁸⁾ Hundſtorar, Canagium, durch die bair. Herzoge von ihrer Geiſtlichkeit

erhoben, kraft der Pflicht der Leztern, die herrſchaftl. Hunde zu ernähren. Stru-

ben Nebenſtunden. II. 347. Auch das Jäger- und Vogelgeld des Pfalzgrafen

Ludwig am Rhein und das Hundekorn in Mecklenburg gehört hierher. Lang

a. a. O. S. 53.

⁹⁾ Ueber Urſprung und Weſen der Beede ſ. Eigenbrodt, über die Natur der

Beedeabgaben. Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 55–61. Eichhorn a. a. O.

II. §. 297. 306. 307. 310. III. 396. 414. 415. 424. 426. 428. 448.

¹⁰⁾ Früher Magazinkorn und Futter auf Verſammlungen der Lehnsleute,

welche der Lehnsherr 24 Stunden freihalten mußte; auch auf den Zügen der Kaiſer

nach Italien, von der Geiſtlichkeit und den Vaſallen erhoben. Lang a. a. O.

S. 62–63.

¹¹ Nämlich Hauptrecht, Budtheil, Wildfang- und Hageſtolzenrecht, Beede-

mund, Ungenoſſengeld, Hühnergelder. Ihr Erheber hieß Hühnervogt, Leibſteuer-

meiſter. Sie ſind ſämmtlich Folge der Leibeigenſchaft. Lang, hiſtor. Entwickl.

S. 63. 71–85.

[21/0043]

¹² Auch eine Art Perſonalſteuer aus dem Leibeigenſchafts-Verhältniſſe, neben

den Hühnern in Geld oder Korn entrichtet. Daher Leibgeld, L. bede, L. ſchilling,

L. pfennig, L. zins (nicht L. rente), Leibkorn. Lang a. a. O. S. 64–65.

¹³ Schon a. 1127 in Flandern Schoß und Tallie; a. 1137 vom Stifte

Stablo die Incisura=Tallia; a. 1197 Tribut, umgelegt v. Biſchof Thimo.

a. 1221 die collecta des deutſchen Ordens; a. 1239 Steuer der Einwohner

Nürnbergs vom Vermögen; die Tallien und Collekten der Kirche zu Aſchaffen-

burg. Ueberhaupt heißt ſie bald Schatzſteuer, Tallie, Collekte, Schoß, bald Land-

wehr, in dieſer Periode. Lang, hiſtor. Entw. S. 99–107.

§. 18.

Fortſetzung. Dienſtleiſtungen.

Es dauerten aber neben dieſen manchfachen Abgaben noch:

4) die Dienſte fort. Jedoch hatten die meiſten die Natur der

Reichsdienſte wie in der vorigen Periode verloren, und jene der

Landesdienſte angenommen. Reichsdienſte leiſteten natürlich die

Reichslehnleute beim Reichsherrn. Andere Reichsdienſte der oben

ſchon beſchriebenen Art wurden ordentlich blos von Unterthanen

auf Reichsgütern, Stiftern u. dgl. geleiſtet1). Dagegen aber be-

ſtanden die Landesdienſte ſo ziemlich noch in der alten Ausdehnung

als gemeine Laſt der Landesunterthanen fort. Es gehören hierher

1) die Banndienſte, welche mit den alten Heerbannsdienſten zu-

ſammenhängen2); 2) die Gerichtsdienſte, zufolge der wandern-

den Gerichte3); und 3) die Frohndienſte, gefordert aus guts-

oder leibherrlichen Rechtstiteln4). Auch dauerten die früheren

Sendkoſten, Herbergen, Atzungen und Nachtfelden, ſo

wie der Königspfennig und Grafenſchatz der Grafen noch

fort5).

¹ Eichhorn, deutſche St. und R. Geſch. II. §. 298.

² Z. B. Heerfahrtsdienſte, servitia comitiae, Landfolge, Landhute, Herren-

dienſte, Weg- und Brückenfrohnden, Militärfrohnden.

³ Vogtdienſte. S. Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 6667. über alle dieſe

Dienſte.

⁴⁾ Die gutsherrlichen Frohnden waren dinglich; die leibeigenſchaftlichen aber

perſönlich, z. B. Baudienſte und Jagdfrohnden. Sie heißen auch Engern, woher

Engergeld=Dienſtgeld. Man kennt ſchon die Hand-, Spann- und Fußdienſte.

Es wurden in der Frohnd Pfingſttänze von den Unterthanen gehalten, z. B. in

Langenburg, Schwarzburg, Rudolſtadt und bei Heidelberg. Lang a. a. O. S. 67–70.

⁵⁾ Dieſe Dienſte ſind zwar zum Theile auch Abgaben, wurden aber hier er-

wähnt, weil ſie zum Theile aus Dienſtleiſtungen ihren Urſprung ableiten. Lang,

hiſtor. Entwickl. S. 62. Ueber ſämmtliche Frohnden ſ. Mittermaier deutſches

Priv. Recht. §. 169 folg.

§. 19.

Deutſche Kammerverwaltung im Reiche und in den

Reichslanden vom J. 1272 bis z. J. 1518.

Dieſe Periode iſt für die Ausbildung des Kameralweſens von

den bisherigen die wichtigſte, weil ſie den erſten Wendepunkt des-

[22/0044]

ſelben enthält. Schon im 13ten Jahrhunderte zeigen ſich die

Spuren des Lockerwerdens der Feudalbande auffallend. Der Grund

der Lehnsüberlaſſung war allmälig in den Hintergrund getreten und

die Lehnsleute waren allenthalben geneigt, ſich als ſelbſtſtändige

unabhängigere Herrn in ihren Landesgebieten zu betrachten und es

entſtanden darum Vereinigungen des Herrn- und Ritterſtandes ſchon

im 14ten Jahrhunderte. So wie ſie einerſeits ſich von den Lehns-

pflichten zu befreien ſtrebten, ſo ſuchten ſie anderſeits ihre Unab-

hängigkeit und ihre Gerechtſame immer zu vermehren. Auf dieſe

Weiſe wuchs der Druck auf die Land- und Städtebevölkerung,

nicht blos weil ſich die Landesherrn im Steuerrechte fortwährend

mehr anmaßten, ſondern auch weil die Gewalt derſelben in Will-

kür ausgeartet war, die Rechtspflege ihre Unpartheilichkeit ver-

loren hatte, und der Handel nebſt den anderen bürgerlichen

Gewerben ſeiner Freiheit beraubt war. Nachdem die Schweitz ihr

Joch abgeſchüttelt hatte, waren auch die beabſichtigten und ange-

ſagten Landfrieden der Kaiſer, die den Zweck hatten, auf einige

Zeit die wilden Elemente in Ruhe und Einigung zu halten, nicht

mehr im Stande, eine große Vereinigung der Städte zur Wahrung

ihrer wohlerworbenen Rechte zu verhindern. Es brach der Städte-

krieg aus, und hatte, da das Städteheer geſchlagen wurde, nicht

den glücklichen Ausgang, deſſen ſich der Kampf der Schweitzer-

Eidgenoſſenſchaft erfreute. Erfreuten ſich die Städte auch nicht

des Sieges mit den Waffen, ſo hatte ihr Krieg dennoch unbe-

rechenbar gute Folgen für die Sicherheit der Rechte und Güter

aller einzelnen Reichsglieder, für die Reichs- und Landesverfaſſung

und Verwaltung. Kurz ſein Haupterfolg war, daß fortan nicht

blos die geiſtlichen und weltlichen Fürſten und Herrn als

die Beſtandtheile des Reichs angeſehen und behandelt wurden, ſon-

dern auch das Volk im Reiche ſowohl als in den einzelnen

Reichslanden als ein Haupttheil der Verfaſſung erſchien und

mitwirkte. Dadurch erklären ſich die Abänderungen in den fol-

genden Kathegorien.

§. 20.

Verfaſſung.

I. Die Reichsverfaſſung ſuchte K. Albrecht II. im 15ten

Jahrhunderte ſchon durch einen Landfrieden ſo zu organiſiren, daß

ſowohl der Fürſtenſtand als die Einigung der Herrn und Ritter,

die Einigungen der Städte und die anderen Landſaßen in gegen-

ſeitig geregelten Rechten und Pflichten zu einem Ganzen vereinigt

würden und allgemeine Sicherheit der Rechte und Güter beſtehe.

Auch unter K. Friedrich III. lagen die Elemente dazu vor Augen.

[23/0045]

Allein unter beiden Kaiſern ſcheiterte der Verſuch und die Ent-

würfe von Aufträgalbehörden zur Regulirung und Entſcheidung

von Reichs- und Territorialfehden fanden keinen Anklang1). Erſt

der Kaiſer Maximilian I. brachte die Vereinigung eines ewigen

Landfriedens zu Stande, hob alles Fehderecht auf, gebot die Klage

wegen Rechtsverletzungen bei den gehörigen Gerichten anzubringen,

und die Organiſation des Reichskammergerichtes für Rechtsſtrei-

tigkeiten der Reichsunmittelbaren2). Aber ſchon vor ihm hatten

auch die Städte neben dem Fürſten- und dem Herrenſtande das

Stimmrecht durch ihre Abgeordnete am Reichstage. So hatte nun

auch das Gewerbsweſen ſeine Vertretung bei den Reichsberathungen,

welche im Uebrigen die nämlichen Gegenſtände betrafen, wie im

vorigen Zeitraume3).

II. Die Landesverfaſſung erlangte in dieſer Periode mehr

Selbſtſtändigkeit, den kaiſerlichen Rechten gegenüber. Zwar war

ſie noch nicht zu voller Ausübung der königlichen Rechte gelangt,

weil anderſeits der Kaiſer nach den Reichsſatzungen gewiſſe könig-

liche Rechte ausſchließlich beſaß und allein verleihen konnte. Allein

in der Gerichtsbarkeit war, wie oben und weiter unten zu erſehen

iſt, die Abſonderung der Landeshoheit bereits ſtreng hervorgetre-

ten4). Die Vereinigungen der Landesunterthanen hatten nach

und nach in den Reichslanden eine verfaſſungsmäßige Selbſtſtän-

digkeit als Landſtände zur Wahrung der guten Volksrechte,

beſonders des Steuerbewilligungsrechtes, erlangt5).

¹ Eichhorn, deutſch. St. und R. Geſch. III. §. 408. v. Löw, Geſch. der

deutſch. Reichs- und Territorialverfaſſung. S. 331. v. Raumer, Geſchichte der

Hohenſtaufen. V. 457. 263.

² Eichhorn a. a. O. III. §. 409. v. Löw a. a. O. S. 331 folg.

³ Eichhorn a. a. O. III. §. 435. v. Löw a. a. O. S. 291. v. Rau-

mer, Geſchichte der Hohenſtaufen. V. 60.

⁴⁾ Eichhorn a. a. O. III. §. 418. v. Löw a, a. O. S. 294 folg.

⁵⁾ Ueber die landſtänd. Rechte, beſonders das der Steuerbewilligung ſ. Eich-

horn a. a. O. III. §. 423–426. v. Löw a. a. O. S. 299. 385.

§. 21.

Fortſetzung. Militärweſen und Gerichtsbarkeit.

III. Die Staatsverwaltung anbelangend, ſo hatte A. die

Militärverwaltung einen neuen Charakter angenommen. Da

aus den im §. 19. angeführten Gründen der Lehnskriegsdienſt immer

nachläſſiger und matter wurde, die Reichsmilitz im Nothfalle ſehr

geſchmolzen war, und jeder Militzpflichtige ſich ſtreng nur an die

Zeit hielt, wie lange er zu dienen hatte; da ferner die Erfindung

des Schießpulvers eine andere Art, Krieg zu führen, veranlaßt

[24/0046]

hatte, ſo war es natürlich, daß man den Heeresdienſt durch Geld-

beiträge erſetzen ließ, und mit dieſer Summe für das Reich

Kriegsleute gegen Gold warb. Die Lehnsmilitz ging in die

Goldmilitz über. Da aber weder diejenigen, welche ihren Dienſt

noch ſelbſt leiſteten, noch dieſe Werbſoldaten bei einem allgemeinen

Aufgebote geübt und völlig dienſtfähig waren, ſo lag der Gedanke

an ein ſtehendes Reichsheer für die Friedenszeit um ſo näher, als

es weit zuverläſſiger ſein mußte, denn ein ſchnell geworbenes und

wieder entlaſſenes Heer. Maximilian I. führte daher zuerſt ſtehen-

des, regelmäßig gerüſtetes, eingetheiltes und kriegeriſch geordnetes

Fußvolk (Lanzknechte) ein1), zum eigenen und Reichsdienſte.

B. Die Civilverwaltung erlitt ebenfalls ſolche weſentliche

Veränderungen. Nämlich:

A. Die Gerichtsbarkeit hatte ſich in dieſem Zeitraume

allmälig abgetheilt in die Reichs-, Landes- und ſtädtiſche

Gerichtsbarkeit. Die Landgerichte der vorigen Periode hatten

allmälig den Charakter von Reichsgerichten verloren und den der

Landesgerichte angenommen, und waren durch Maximilians I.

Landfrieden in dieſer Abſonderung in ſoferne beſtätigt worden, als

er die Rechtshändel der Landeinſaßen vor dieſe, die Klagen der

Reichsunmittelbaren aber vor das Reichskammergericht wies2).

Zudem waren ſolche Landgerichte von einzelnen Reichsſtänden nach

und nach erworben worden, und wenn ſolche anderen Landesherrn

gehörten und in ihrem Gerichtsſprengel Lehnsleute und Vogtei-

einſaßen ſich befanden, ſo ſchützte man ſich durch die Privilegia

de non evocando3), welche ſchon ſeit früherer Zeit dem Fürſten-

ſtande als ſolchem gegeben waren4). Bei den Fehmgerichten,

den Criminalhöfen, in Weſtphalen gelang dieſe Umwandlung in

Landesgerichte nicht ſo leicht wegen der Eigenthümlichkeit ihrer

und der Territorialverfaſſung5). Die Hofgerichte dauerten

auch noch fort, jedoch als eine höhere Inſtanz über den Landes-

gerichten zur Belehrung dieſer. Die Städte hatten aber noch

beſondere Oberhöfe. Die allerlezte gerichtliche Inſtanz war das

Reichskammergericht, obſchon man von den Hofgerichten auch

unmittelbar an den Landesherrn und ſeinen fürſtlichen Rath oder

ſeinen Kanzler, der ein Doktor der Rechte war, appelliren konnte6).

¹ Eichhorn, deutſche St. und Rechtsgeſch. III. §. 437. v. Löw, Geſch.

der deutſch. Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 293.

² Eichhorn a. a. O. III. §. 409. v. Löw a. a. O. S. 286. 301. 304.

³ Eichhorn a. a. O. III. §. 418. v. Löw a. a. O. S. 286. 294. 317.

⁴⁾ Eichhorn a. a. O. III. §. 396. v. Löw a. a. O. S. 282.

⁵⁾ Ueber die Fehmgerichte ſ. Eichhorn III. §. 419–422 und die dort citir-

ten Schriften. v. Löw a. a. O. S. 287. 326. 336.

⁶⁾ Eichhorn a. a. O. III. S. 269–271.

[25/0047]

§. 22.

Fortſetzung. Kammerverwaltungsgegenſtände.

Wie bereits (§. 19.) erwähnt iſt, erlitt

B. Die Kammerverwaltung eine totale Umgeſtaltung,

weil ſich ihr Reſſort um vieles Neue vermehrte. Auch in dieſer

Periode bilden 1) die Domänen eine Einkünftequelle, ſowohl für

das Reich als auch für die einzelnen Fürſten. Allein ihr Beitrag

zu den Staatsbedürfniſſen mußte wegen des ungeheuren Aufwandes

der Fürſten bei den Gelagen auf ihren Gütern ſehr gering ſein,

und der Reinertrag an ſich konnte ſich verhältnißmäßig nicht hoch

belaufen, wegen der hohen Beſoldungen der Verwaltungsbeamten1).

Da nun die Landeshoheit ihrer Vollſtändigkeit bedeutend näher

gerückt war, ſo hatte auch 2) das Regalienweſen und der

Umfang der fiskaliſchen Rechte noch eine ſtrengere Abſon-

derung zwiſchen dem Reiche und den Landen deſſelben erlitten,

obſchon der Kaiſer ſich noch einige ausſchließlich zuſchrieb. Allein

das Zollrecht, Münzregal und Bergwerksregal2) war ja ſchon im

vorigen Zeitraume faktiſch kein ausſchließlich kaiſerliches mehr.

Entſchiedene Schritte hatte aber 3) das Steuerrecht gemacht.

Mit der immer zunehmenden Lückenhaftigkeit der Lehnsheere, und

der immer nothwendiger werdenden Soldmilitz allgemeineren Ge-

brauches3), ſo wie mit dem fortwährend ſteigenden Staatsaufwande

überhaupt wurde eine neue Art von Steuer ſtets unentbehrlicher.

Das iſt a) die Schatzſteuer (Schatzung), ſowohl Reichs- als

auch Landesſchatzung, welche zwar anfänglich nur von den

Reichsunmittelbaren, dann auch von den Reichsſtänden anſtatt der

Lehnsdienſte ohne Beſtimmung darüber, wie dieſe ſie aufbringen

würden, endlich aber von den Reichsunterthanen überhaupt als

ſolchen durch den Reichstag, und von den Landesunterthanen eben

ſo durch den Landtag und Landesfürſten unter dem Rechtstitel der

allgemeinen Unterthanenpflichten erhoben wurde. Die frühern

Steuern waren grundherrliche und Lehnsabgaben geweſen, hatten

blos den Charakter der außerordentlichen gehabt, wenn die ge-

wöhnlichen Steuerpflichten überſchritten wurden, während aber jetzt

dieſe, eine ordentliche Laſt aus reiner Unterthanenpflicht überhaupt,

vom Vermögen im Allgemeinen erhoben und alljährlich beſonders

ausgeſchrieben wurden4). Aber es kamen zu den bisherigen Steuern

noch einige neue, nämlich b) die Fräuleinſteuer, bald bittweiſe

erhoben bald anbefohlen, ohne jedoch eine allenthalben beſtehende

zu ſein5); c) das Handlohn, von verſchiedenem Betrage, erho-

ben bei der Gewährung eines Lehns durch den Lehnsherrn6);

[26/0048]

d) die Weiſat, nämlich Darbringen von Naturalien an gewiſſen

Jahrestagen für den Lehnsherrn7); e) die Nach- und Erb-

ſchaftsſteuer, erhoben von dem Vermögen der in ein anderes

Landesgebiet überſiedelnden Unterthanen und von Erbſchaften8);

f) die verſchiedenen Zinſe und Gülten aus grundherrlichen Ver-

hältniſſen9). Auch hatten g) die Zölle in dieſen unruhigen Zeiten

ſich vermehrt, erhöht und einen Zuwachs durch das Geleitsgeld

erhalten10); es entſtanden in dieſer Periode auch h) die Con-

ſumtionsſteuern, genannt Acciſe, Lizent, Aufſchlag, Impoſt,

auf Speiſen und Getränke11).

¹ Hüllmann, Geſch. der Domänenbenutzung S. 36., wo auch ein Beiſpiel

von Beſoldung angegeben iſt aus Hungari Geſch. der Abgaben in Sachſen S. 35.

Auch finden ſich dort mehrere Beiſpiele vom Aufwande bei Gelagen und Vermäh-

lungen. Auch die Landſtände wurden auf ihrer Verſammlung frei gehalten.

² Münze und Bergwerke gehörten früher ſchon zuſammen. Aber außer dem

Naturalertrage aus Bergwerken bezog jetzt der König auch den Erzzehnten. Die

Böhmen widerſetzten ſich ſchon a. 1303 dieſer kaiſerlichen Abgabe. Welchen Gewinn,

man aus dem Münzgewerbe zog, erſieht ſich leicht aus Folgendem: A. 1396 nahm

der rhein. Kurfürſt von ½ Pfd. oder 1 Mark Gold ½ fl., und von 1 Mark Silber

4 Schillinge Schlagſchatz. Im 13ten Jahrhundert prägte man im Allgemeinen ſonſt

das Silber 15 und 14 löthig; a. 1330 nur 14 löthig; a. 1360 nur 13 löthig;

a. 1381 nur 12 bis 11 löthig; und a. 1397 zuweilen gar nur 8 löthig aus. Lang,

hiſtor. Entwickel. S. 140–142.

³ Daß ausnahmsweiſe auch ſchon früher Soldmilitz beſtand, iſt ſchon §. 16.

geſagt. Aber ſchon Carl Martell hatte Söldner zu Kriegern. Birnbaum,

über die rechtl. Natur der Zehnten. S. 136. Note 23.

⁴⁾ Eichhorn, deutſch. Staats- und Rechtsgeſch. III. §. 437. 438. Lang,

hiſtor. Entw. S. 153. 181.

⁵⁾ Lang a. a. O. S. 91. G. H. Hinüber, de jure statum imperii dotis

subsidia filiarum illustrium e subditis exigendi. Gotting. 1756. A. L. seip, de

libertate statuum provincialium circa dotationem filiarum illustrium. Gotting. 1747.

A. Fritsch, de dotatione filiae principis et in specie de collectis maritagii, vulgo

Fräuleinsteuer. Gera 1671. Ejusdem Opuscula miscell. P. I. n. 3. p. 54.

Moſer Familienſtaatsrecht. II. 279. Cramer Nebenſtunden. Thl. 41. S. 109.

Struben, Rechtliche Bedenken. Thl. IV. Bed. 138. Deſſelben Nebenſtunden.

II. 409. Sie wurde oft bei Verheirathung der Schweſter, oft nur der Tochter,

auch nur der älteſten Tochter des Landesherrn erhoben.

⁶⁾ Lang a. a. O. S. 92. Beck, B. d. Nachſteuer und Handlohn mit Lan-

gens Bemerk. Baireuth 1781. schroeter, de origine Laudemiorum ap. Germanos.

Erfurt. 1744. Dieſe Steuer hat über 30 verſchiedene Namen, wovon der bekann-

teſte Laudemium iſt. Mittermaier, deutſch. Priv. R. II §. 443. und die dort

in d. Anmerk. 8. cit. Schriften. Eichhorn a. a. O. II. §. 367. III. §. 445.

⁷⁾ Lang a. a. O. S. 96. Spieß, Aufklärungen in der Geſchichte und Di-

plomatik. S. 37.

⁸⁾ Lang a. a. O. S. 116. Beck cit. in Note 6. Walter, Syſtem der

Abzugsgerechtigkeit. Bern 1775. Bodmann, Geſchichte des Abzugs- und Nach-

ſteuerrechts in Deutſchland und im Erzſtift Mainz. Mainz 1791. Kramer, Ueber

reichsſtänd. Abzugsrechte und ritterſch. Abzugsfreiheit.

⁹⁾ Lang a. a. O. S. 126. L. Cencii, Tract. de Censibus. Lugdun. 1658.

F. de Solis, Comm. de Censibus. Francof. 1605. L. Duardi, Comm. in Extra-

vagantes Pap. Pii V. de forma creandi census. F. Martini, Comm. de jure

Censuum. Colon. 1660. Boehmer, de vario censuum significatu et jure. Halae 1722.

[27/0049]

⁹⁾ Buri, Abh. v. d. Bauerngütern. Gießen 1769. Ausg. v. Runde. Gießen 1783.

Eichhorn a. a. O. I. §. 88. 171. Hüllmann, Finanzgeſch. S. 148. Mit-

termaier, deutſch. Privat R. I. §. 155. 156. Eigenbrodt, Ueber die Natur

der Bede-Abgaben. §. 3. 4.

¹⁰⁾ Lang a. a. O. S. 143. 147.

¹¹ Lang a. a. O. S. 235. Faulſtich, Beitr. z. Geſch. der Acciſe. 1781.

Leipzig. III Bde. Hüllmann, Städteweſen. II. S. 115.

§. 23.

Fortſetzung. Polizeiweſen.

Mit dem Bisherigen iſt aber das Bereich der Kammerverwal-

tung noch nicht geſchloſſen. Schon unter der fränkiſchen Herrſchaft

vor Carl d. Gr. gab es gewiſſe die Sicherheit und das Gewerbs-

weſen ſo wie die Sittlichkeit betreffende Staatsanordnungen (§. 10.).

In den ſpäteren Zeiten des Mittelalters, beſonders in dieſer unruhe-

vollen Periode, war die Aufſicht auf die öffentliche und allgemeine

Sicherheit einer der wichtigſten Zweige der Staatsverwaltung1).

Daſſelbe war der Fall mit der Aufſicht auf das Religionsweſen

und die Sittlichkeit, obſchon dies größtentheils in das Bereich der

Geiſtlichkeit gehörte2). Das Gewerbs- und Nahrungsweſen, be-

ſonders der Handel und die Handwerke, wurden immer wichtiger,

zum Theile wegen ihrer wachſenden Verbreitung3), zum Theile

wegen der politiſchen Wichtigkeit der Gilden, Zünfte und Innun-

gen4), zum Theile wegen des Umſtandes, daß ſie fortan eine

Hauptquelle der Staatsſteuern werden mußten in der Schatzungs-

ſteuer und in den Zöllen5). Es begannen allmälig höhere Anſtalten

für Gelehrten- und Staatsbildung ſich zu erheben6). Man mochte

wohl einen gewiſſen inneren Zuſammenhang dieſer weitläufigen

Materien ahnen. Da ſie aber vom bisherigen Kammerweſen, zu

dem blos die Verwaltung fürſtlicher Einkünfte gehörte, verſchieden

waren, ſo bezeichnete man ſie mit dem noch jetzt gebräuchlichen

Ausdrucke Polizei7).

¹ Man erinnere ſich hier an die Landfrieden, an die Raubritterſchaft, an die

Geleitsritterſchaft, an die Aufſicht auf Meſſen und Märkten und dgl. mehr in

Deutſchland. In Deutſchland waren die Landeshauptleute zur Erhaltung

der allgemeinen Sicherheit und Ordnung mit der anſäßigen Ritterſchaft beſtellt

(Eichhorn, deutſch. Staats- und Rechtsgeſch. III. §. 430.). In Frankreich

iſt die Maréchaussée, welche ſchon ſeit weit früher beſtand, unter Ludwig XII.

neu organiſirt worden, deren Zweck die Erhaltung der allgemeinen Sicherheit war

(Des Essarts Dictionnaire de Police. Tom. VI. p. 305.). In England entſtan-

den a. 1285. 1332. 1361 Verordnungen wegen der Constables, die auch die allge-

meine Sicherheit erhalten ſollten (Colquhoun, die Polizei von London, Leipzig

2 Bde. I. 218. v. Vinke, Darſtellung der innern Verwaltung Großbrittanniens

S. 71.). Die Aufſicht auf die Sicherheit in den Städten war den Gilden und

ſpäter den Städtebehörden überlaſſen (Struben Nebenſtunden. Abh. 31. §. 2–4.

Kress, Vindicia judicii recuperatorii. cap. II. §. 6. und unten die Note 4. Hüll-

mann Städteweſen. III. 250. Eichhorn, deutſche St. u. R. Geſch. III. §. 431 flg.).

[28/0050]

² Eichhorn, deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 162 und 163.

II. §. 292.

³ Eine Darſtellung derſelben bei Hüllmann Städteweſen. Bd. I. Ander-

ſon, Geſchichte des Handels (Riga 1773–93. VII Bde.). Fiſcher, Geſchichte

des deutſchen Handels (Hannover 1794. 2te Aufl. IV Bde.).

⁴⁾ Wilda, das Gildenweſen im Mittelalter. S. 41. 63. 78. 137. 145 folg.

228 folg. 288. Hüllmann Städteweſen. III. 325. Eichhorn a. a. O. II.

§. 312. III. §. 432. Mittermaier, deutſches Privatrecht. II. §. 450.

⁵⁾ S. §. 22. Note 3. Beſonders hatte auch zu dem Streben der Könige nach

dem Staatsſteuerrechte ihr Hinblick auf die Verwaltung der Städtebunde und ihr

gemeinſames Tragen der gemeinſamen Laſten beigetragen, bei welchem dennoch der

ſtädtiſche Wohlſtand ſtieg.

⁶⁾ Es wurde Prag a. 1348, Wien a. 1368, Heidelberg a. 1386, Cöln a. 1388,

Erfurt a. 1392, Leipzig a. 1408, Roſtock a. 1415, Löwen a. 1426, Mainz a. 1441,

Greifswald a. 1456, Baſel a. 1459, Freiburg a. 1460, Trier a. 1472, Ingol-

ſtadt a. 1472, Tübingen a. 1477, Wittenberg a. 1502, Frankfurt a. d. O. a. 1506

gegründet. Eichhorn a. a. O. III. §. 441.

⁷⁾ Dies Wort kommt jedenfalls ſchon a. 1495 vor. In der projektirten Regi-

mentsordnung heißt es Pollucy. Müller, Reichstagstheater unter Max I.

Thl. I. 384. Rau (Ueber die Kammeralwiſſ. §. 4) nennt dieſes Wort, „als aus

einer fremden Sprache ſtammend, unbeſtimmt und vieldeutig“, und glaubt dieſes

zu begründen durch die Behauptung, πολιτεία, woher Polizei kommt, heiße bei

den Griechen 1) Staat überhaupt, 2) Staatsverfaſſung, nämlich τάξις τῆς πόλεος,

und 3) die beſte Verfaſſung im Sinne des Ariſtoteles, eine veredelte Demokra-

tie, — die Griechen hätten überhaupt den Begriff Staatsverwaltung nicht

gehabt, ſie würden ihn aber, wenn er ſich einigermaßen gebildet gehabt hätte, eher

mit πολιτευμα bezeichnet haben, und man dürfe überhaupt bei ihnen eine ſcharfe

Entgegenſetzung von Verfaſſung und Verwaltung nicht ſuchen. Allein 1) es iſt

richtig, daß πολιτεια etwas die Stadt (πολις) Betreffendes bezeichnet, aber darum

kann und muß es bei den griechiſchen Städten, wie jetzt bei Hamburg, Lübeck,

Bremen und Frankfurt, etwas den Staat Betreffendes bedeuten. 2)Πολις bedeutet

auch Staat, nach Aristotelis Politic. lib. II. cap. 2. lib. III. cap. 4., wo es

heißt: πολις ſei die Bürgergeſellſchaft (πληθος), deren Zweck die Selbſtſtändigkeit des

Lebens ſei (ἱκανον προς αὐταρκειαν ζωης). 3) Die durchgreifende Bedeutung von

πολιτεια iſt vielmehr reipublicae administratio seu regimen (Staatsverwaltung),

denn es kommt von πολιτεύειν, πολιτευεσθαι, rempublicam regere (den Staat ver-

walten), her. Im lezten Sinne gebraucht Xenophon gerade lezteres Wort bei

der bekannten Definition vom Staate (πρὸς τὸ ἴδιον κερδος πολιτευοντων, d. h.

der zur allgemeinen Erſprießlichkeit die Staatsangelegenheiten Verwaltenden);

Aeschines erklärt ſeine Bedeutung und viele Pleonasmen mit διοικειν, rem gerere

(verwalten, ſachführen). (A. Baumstark de curatoribus emporii et nautodicis

apud Athenienses p. 22.) 4) Ariſtoteles ſagt allerdings (Polit. III. 4.) πολιτεία

ſei ἡ ταξις της πολεος allein ταξις heißt nicht status oder ordo (die Ordnung, als

etwas ſchon Beſtehendes), ſondern ordinatio (das Ordnunghalten, die Ordnung als

eine Thätigkeit); dieſe Anſicht iſt nicht zu bezweifeln nach Aristotelis Politic. III. 7.,

wo er ſagt: πρὸς τὸν κοινὸν συμφέϱον ἀποβλέπουσα πολιτεία; folglich heißt πολιτεια

gerade bei Ariſtoteles Staatsverwaltung. 5) Gerade Ariſtoteles iſt der

erſte Philoſoph und Politiker, der den Begriff der Staatsverwaltung von jenem

der Staatsverfaſſung unterſchied; er theilt die Staatsgewalten in ſubjektiver

Beziehung ein in die Geſetzgebung, Vollziehung und richterliche Gewalt. (Politic.

IV. 14–16. Tennemann, Geſch. der Philoſophie. III. 315. L. Hofmann,

Unterſuchungen über die wichtigſten Angelegenheiten des Menſchen (Zweibrücken

1830). II. S. 11. H. Grotius de jure belli et pacis. I. cap. 3. §. 6. N. 1.

6) Die Anſicht von Rau wegen des Ausdruckes πονιτενμα widerlegt Ariſtoteles

wenige Zeilen unter der erwähnten Stelle ſelbſt, indem er ſagt: των δε ἀλλων

ἀϱχων, ϰαι μαλιςτα τηϛ κυϱιας παντων ϰυϱιων μεν γαϱ πανταχου πολιτευμα

της πολεως πολιτευμα δ'ἐστιν ἡ πολιτεια d. h. überall ſei die Inkumbenz

der Curien, einer beſondern höheren Behörde, die über den Archen ſtünde, das

[29/0051]

⁷⁾ πολιτευμα des Staates, dieſes aber ſei nichts anderes als die πολιτεια. Die Archen

waren aber Verwaltungsbehörden im weiteren Sinne (A. Baumstark I. c. p. 26.),

folglich ihr Geſchäft die Staatsverwaltung. 7) Auf keinen Fall könnte der Mangel

der Trennung beider Begriffe die Anſicht rechtfertigen, daß πολιτεια nur Staats-

verfaſſung heiße. Nach unſerer Anſicht iſt alſo das griechiſche πολιτεια mit der

ſpätern Polizei ſehr nahe verwandt, und man kann den Einführern dieſes Wortes

nur vorwerfen, daß ſie den Gattungsbegriff für jenen der Art geſetzt haben, — ein

Fehler, der in jener Zeit mehr als verzeihlich, ja unvermeidlich war.

§. 24.

Fortſetzung. Kammerkollegien.

Zu einer ſolchen Maſſe von verſchiedenen Geſchäften war die

Staatsverwaltung in jener Zeit angewachſen1). Doch aber hatte

man ſie in den Behörden, blos das Domänenweſen ausgenommen,

noch nicht in Juſtiz- und reine Kammerbehörden geſchieden. In

Burgund beſtand a. 1385 zu Lille unter Herzog Philipp d. Küh-

nen eine Collegialbehörde für Juſtiz- und Finanzverwaltung zu-

ſammen. Allein Johann der Unerſchrockene trennte ſie ſchon

a. 1409 in zwei Behörden, und verlegte die Juſtizbehörde nach

Gent, während er das Finanzkollegium zu Lille ließ2).

Dies fand ſeinen Grund in der Häufung und Verſchiedenartigkeit

der Geſchäfte. Die Vergleichung beider Geſchäfte zeigte leicht,

a) daß die Rechtspflege auf poſitive Normen und Gewohnheiten

geſtützt iſt, während ſich die Kammerbehörden dieſelben erſt nach

Maaßgabe der Zweckmäßigkeit bilden mußten; b) daß der Juſtiz-

beamte ohne weitere Rückſichten die vorhandene Norm auf einen

herausgeſtellten Fall anzuwenden hatte, während die Kammerbe-

hörde es mit den verſchiedenſten menſchlichen und bürgerlich prak-

ſchen Verhältniſſen, denen eine Maaßregel entſprechen mußte, zu

thun hatte; c) daß die Juſtizbehörde nicht, wie jene, auf die Er-

findung neuer Mittel zu längſt bekannten Zwecken, auf die Wan-

delbarkeit aller Verhältniſſe und auf die in den Händen der

Unterthanen liegenden, ſich bald vermehrenden, bald verringernden

Beſitzthümer Rückſicht zu nehmen brauchte; und d) daß kurz über-

haupt die Juſtizbehörde einen gegebenen Fall unter ein Geſetz ſub-

ſumirt, während die Kammerbehörde mehr ihre Maaßregeln unter

gegebene Fälle ſubſumirt, um das Zweckmäßigſte zu treffen3). Als

Maximilian I. Burgund ererbt hatte, ſo führte er, ohne Zwei-

fel, weil er mit obiger Trennung bekannt wurde, im J. 1498 zu

Insbruck und im J. 1501 zu Wien Hofkammern ein. Dieſe Ein-

richtung fand allgemeine Nachahmung, namentlich in Sachſen,

Brandenburg, Baiern, Schweden und Dänemark4). Jedoch wa-

ren dieſe Kammerkollegien nur die Oberbehörden. Der Behörden-

organismus in der Domänenverwaltung war folgender: Ueber

[30/0052]

größere Landesdiſtrikte war der Großvogt, Vizedom oder Lan-

deshauptmann geſtellt. Zur Berechnung der Einkünfte aus

den Domänen und Gefällen war ihm ein Kammer- oder Rent-

meiſter untergeordnet. Die Mittelbehörde war der Oberamt-

mann oder Amtshauptmann, meiſtens ein Adeliger. Als

Unterbehörden waren die Amtsverwalter, A. Schreiber, A.

Kellner oder wie ſie ſonſt genannt wurden, über mehrere unter-

gebene Schreiber geſtellt5).

¹ Hüllmann Städteweſen. II. 255.

² Miraei Opera diplomat. T. II. p 1252. Diplom. Philippi ducis Burgun-

diae de a. 1385. Hüllmann, Geſch. der Domänenbenutzung. S. 68. Rau,

Ueber die Kameralwiſſ. §. 3.

³ Rau, Ueber die Kameralwiſſenſchaft. §. 4.

⁴⁾ Eichhorn, deutſche St. und R. Geſchichte. III. S. 271. Hüllmann

Domänenbenutzung. S. 68.

⁵⁾ Hüllmann Domänenbenutzung. S. 59–67. Eichhorn a. a. O. III.

S. 268. v. Löw, Geſch. der Reichs- und Terr. Verfaſſung. S. 297. §. 25.

§. 25.

Die deutſche Kammerverwaltung in den Reichslanden vom

Jahre 1518 bis z. J. 1648 und ſpäter.

Zu einem größeren Complexus von Geſchäften wuchs die Kam-

merverwaltung nicht an. Nur die Poſtanſtalt trat noch hinzu1).

Aber die zunehmende Bildung, die Erfahrung, die ſteigende Be-

völkerung, die Vermehrung der Staatsausgaben, die Erweiterung

des Gewerbsweſens, die religiöſen Spaltungen, das immer fühl-

barere Bedürfniß genauerer Bildung des Volkes, der Gelehrten

und Staatsdiener vergrößerten die Manchfaltigkeit derſelben eben

ſo, als ſie die Ueberſicht und Führung erſchwerten2). Deshalb

nahm der Organismus der Oberbehörden einen beſtimmteren Charak-

ter an. Der nächſte Rath am Hofe des Landesherrn, jetzt ein

Collegium unter dem Vorſitze des Kanzlers, Hofrath oder auch

Regirung genannt, beſchäftigte ſich jetzt neben ſeinen bisherigen

Juſtizgeſchäften auch mit demjenigen Theile der bisherigen Kam-

merverwaltung, welchen man jetzt Regirungsſachen, beſonders

auch ſpäter noch Adminiſtration, nannte3). Zur Verwaltung

der Staatseinkünfte, der Finanzen, ward die ſogenannte Hof-

kammer beſtellt4). Nur in den einzelnen Provinzen größerer

Länder wurden auch Regirungscollegien errichtet, die unter

dem Hofrathe ſtanden und das zu beſorgen hatten, was nicht

Juſtizangelegenheiten war5), und in deren Bereich auch das

Steuerweſen kam. In den unteren Behörden beſtand dieſe Tren-

nung der Juſtiz, Adminiſtration und des Finanzweſens nicht ſo

[31/0053]

ſtreng, weil die Beſchäftigung derſelben im Gegentheile nicht voll-

ſtändig geweſen ſein würde6).

¹ Schon a. 1516 war zwiſchen Burgund und Wien eine derartige Verbindung.

a. 1595 war Leonhard v. Taxis ſchon General-Oberpoſtmeiſter des Reichs.

Klüber, das Poſtweſen in Deutſchland. S. 16. Gerſtlacher, Handbuch der

deutſch. Reichsgeſetze. IX. Thl. S. 1697. Eichhorn, deutſche St. und R. Geſch.

IV. §. 530.

² z. B. es entſtanden jetzt eigene Reichspolizei-Ordnungen. Die erſte

a. 1530, ſpätere a. 1548, a 1577, deren genauere Beſtimmung und Ausführung

den Landesfürſten nach den Landesverhältniſſen überlaſſen war; ferner nahmen die

Reichsmünzordnungen einen feſteren Charakter an, z. B. jene von 1524 und

1559; ferner bekam die Kriegsverfaſſung durch die Executionsordnung von

a. 1555 und durch die Kreiseintheilung eine neue Geſtalt; dadurch erhielt das

Beſteurungsrecht des Kaiſers und der einzelnen Landesfürſten eine feſtere Baſis,

ſo daß Steuern zu gewiſſen Zwecken von den Landſtänden gar nicht verweigert wer-

den durften. Eichhorn a. a. O. IV. §. 530. 537. Lang, hiſtor. Entwickelung.

S. 153. 181. 193. 203. v. Löw a. a. O. S. 361.

³ Eichhorn a. a. O. IV. §. 549. 535. Er war nämlich eine Reichsbehörde,

Reichs-Lehnhof- und Regirungscollegium neben ſeinen Juſtizſachen.

v. Löw a. a. O. S. 337. Unter der Landesregirung verſtand man ein colle-

gium ad politica negotia imprimis quatenus a tractatione litium distinguuntur

ordinatum. Ludolf Observat. forenses 99. Struben Nebenſtunden. Abh. XIII.

§. 2. §. 5. §. 6–8. §. 21. Ueber Wohlfahrtsgeſetze hatten die Gerichte nicht zu

entſcheiden. Beſchwerden gegen dieſe gingen an das Regirungscollegium. Im Bre-

miſchen und Verdenſchen z. B. gehörte die Beſtimmung über die Zweckmäßigkeit

und Prozeßwürdigkeit der Polizei-, Teich- und Contributions-Sachen vor die Re-

girung, die Prozeſſe ſelbſt aber vor das Juſtizcollegium. Man muß aber dieſe hohe

Regirung nicht mit jenen in Baiern und Oeſterreich verwechſeln. Denn dieſe

waren Collegium in den Provinzen und ſtanden unter jenem hohen Hofe, dort

Hofrath genannt und eigentlich fürſtlicher geheimer Rath.

⁴⁾ Ehe dieſe Trennung wirklich vorging, beſtanden einzelne Deputationen hier-

für, z. B. in Sachſen a. 1556. (Weiße, Sächſ. Geſch. Thl. IV. 151.) Daher

iſt dennoch die Anſicht von Rau (Ueber die Kameralwiſſ. §. 3.) unrichtig, wo er

ſagt, es ſei in jeder Hinſicht irrig, daß Kurfürſt Auguſt I. von Sachſen das erſte

Kammercollegium errichtet habe. Denn ſie iſt höchſtens wahr, in ſoferne, als die

Kammerbehörde auch ſpeciell Finanzbehörde bedeutet. An dem Amtmanne Hans

von Ponikau hatte ſich eine ſolche Deputation a. 1556 verwirklicht. Unbeſtreit-

bar aber iſt die Thatſache, daß im nämlichen Jahre, als jener Kammerrath wurde,

auch der Stallmeiſter Thile von Trotta als ſolcher beſtellt ward. (Weck, Be-

ſchreibung und Vorſtellung von Dresden S. 175. Horn, Samml. zu einer hiſtor.

Handbibliothek von Sachſen. S. 510. Angabe der Beſoldung deſſelben bei Hüll-

mann Geſch. der Domänenbenutzung. S. 36. Hungari, Geſch. der Abgaben in

Sachſen. S. 35.) Dieſe Hofkammern wurden aus jenem Regirungscollegium, aus

jener Kammerbehörde im weiteren Sinne, der Häufung der Geſchäfte halber, her-

ausgezogen.

⁵⁾ Lang, Geſch. von Baireuth. Thl. II. S. 83. und vergl. oben Note 3.

Später ſah man die Nothwendigkeit der Trennung der Kammerſachen in zwei

Collegien, nämlich in eines zu Beſorgung der Intraden und Ausgaben, und eines

als Direktorium der Vermehrung der fürſtlichen Einkünfte, noch mehr ein.

(v. Schröder, fürſtl. Schatz- und Rentkammer (a. 1686). Ausg. v. 1721. S. 15.)

⁶⁾ Selbſt Rentkammern hatten manchmal auch richterliche Gewalt. Struben

Nebenſtunden a. a. O. §. 24 u. 25 und die dort citirten Schriften. Dennoch aber

ſuchte man der Regel nach nur Gleichartiges, oder nicht zu Ungleichartiges zu ver-

binden. Darum findet man bei den unteren Juſtizbehörden nur die Polizei der

Sicherheit, aber in der Regel kein Finanzweſen und keine andern eigentlichen Re-

girungsſachen. (v. Seckendorf, der deutſche Fürſtenſtaat. II. cap. 10. §. 12.

[32/0054]

⁶⁾ III. cap. 4. §. 1. v. Juſti, Staatswirthſchaft. I. 296.) Daher iſt auch zu er-

klären, wie Struben ſagen kann, die Polizei, die Erhebung von Polizeiſtrafgeldern

gehören den Gerichten. (Struben Nebenſtunden. Abh. V. §. 5. Abh. XXXIV.

§. 13. 15. 17. Unterricht von den Regirungs- und Juſtizſachen. Sect. IV. §. 14.)

III. Hiſtoriſche Entwickelung des Weſens der

Kameralwiſſenſchaft.

§. 26.

Rückblick auf das Bisherige.

Die Betrachtung der allmäligen Ausbildung des Kameralweſens

in der deutſchen Staatspraxis, bis dahin, wo in ihm alle Ele-

mente der heutigen Kameralwiſſenſchaft ſchon enthalten, wenn auch

nicht ausgebildet, ſind, und der Uebergang ihrer Grundſätze und

Regeln in die Reihe der Wiſſenſchaften zeigt nicht nur, daß ſich

auch die Kameralwiſſenſchaft urſprünglich aus der Praxis hervor-

gebildet hat, ſondern auch, daß ſchon im hiſtoriſchen Verlaufe der

Kameralpraxis ſich verſchiedene Begriffe des Kammerweſens for-

mirten. Nämlich der erſte Begriff deſſelben war die Verwaltung

des fürſtlichen Privatvermögens; der zweite die Verwaltung der

fürſtlichen und Staatslandgüter mit ihren Gefällen und Gerecht-

ſamen; der dritte die Verwaltung der Staatslandgüter mit ihrem

Zugehör und der ſonſtigen Staatseinkünfte aus Militär-, grund-

herrlichen, Staatsdienſt- und Staatsverhältniſſen; der vierte die

Verwaltung der Staatseinkünfte und Staatsausgaben im Domä-

nen-, Regalien- und Steuerſache, ſo wie in der geſammten

Staatsjuſtiz; der fünfte die Verwaltung des eigentlichen Finanz-

weſens und der Polizei im weiteren Sinne; und der ſechste die

Verwaltung des Finanzweſens allein, im Gegenſatze der mit ihm

im Cauſalzuſammenhange ſtehenden Polizei, deren Verwaltung mehr

Regirung genannt wurde. Die fernere Ausbildung des Begriffes

des Kameralfaches ging aus der Wiſſenſchaft hervor, deren Litera-

turgeſchichte, als eines Ganzen, erſt am Ende des 17ten Jahr-

hunderts beginnt. Die Kameralwiſſenſchaft iſt blos eine deutſche

Wiſſenſchaft, oder das Reſultat der deutſchen Kammerverwaltung

und des deutſchen Gelehrtenfleißes. Dagegen in dem Verdienſte

um die Ausbildung der einzelnen ſie bildenden Zweige concurriren

mit ihr ſowohl die Völker des tiefſten Alterthums als die noch jetzt

leben Nationen 1).

¹ Es iſt daher ſehr unrichtig, wenn man wie Weber (Entwurf einer Ency-

clopädie und Methodologie der Kameralwiſſenſchaft. Berlin 1819. S. 105 folg.) die

[33/0055]

¹ Geſchichte der Kameralwiſſenſchaft mit den Völkern des Alterthums beginnt, und

auch den Italienern, Franzoſen und Engländern am Verdienſte um die Ausbildung

derſelben Theil gibt. Denn es hat bei ihnen keine Schriftſteller über die Kameral-

wiſſenſchaft, obſchon die vorzüglichſten Erfindungen und Entdeckungen, z. B. in der

Landwirthſchaft, Technologie, im Handel und in der politiſchen Oeconomie, ihnen

angehören. Ueber die Geſchichte der Kameralwiſſenſchaft ſ. m. noch: Rau, Ueber

die Kameralwiſſenſch. §. 5 u. 6. D. G. Schreber, zwo Schriften von der Ge-

ſchichte und Nothwendigkeit der Kameralwiſſenſchaften. Leipzig 1764. S. 6–83.

Deſſelben Sammlung verſchiedener Schriften, die in die ökonomiſche, Polizei-

und Cameral-Wiſſenſchaften einſchlagen. 16 Theile. Halle 1755–65. Deſſelben

Neue Sammlung verſchiedener in die Kameralwiſſenſchaft einſchlag. Abhandlungen

und Urkunden. Bötzow und Wismar 1762–65. Deſſelben Neue Kameralſchrif-

ten. 12 Thle. Halle und Leipzig 1765–69. (Alle drei Sammlungen ſehr wichtig.)

Benſen, Ueber das Studium der ſogenannten Kameralwiſſenſchaften. S. 17 folg.

K. O. Rößig, Verſuch einer pragmatiſchen Geſchichte der Oeconomie-, Polizei-

und Kameralwiſſenſchaften. Leipzig 1781 (enthält nur die Geſchichte der Gewerbs-

wiſſenſchaften und Gewerbe). 2 Thle. Rau, primae lineae historiae politices.

Erlang. 1816.

§. 27.

Erſte Periode. Entſtehung des kameraliſtiſchen Studiums.

Schon am Anfange des 17ten Jahrhunderts ſprach der eng-

liſche Großkanzler Baco von Verulam die Idee aus, die Oeco-

nomik oder Wirthſchaftslehre als eine Univerſitätsdoktrin in die

Reihe der Gegenſtände der allgemeinen Bildung aufzunehmen.

Darauf verſuchten mehrere Gelehrten, unter andern auch Hecker-

mann in Danzig, Richter in Görlitz, Breckeinger in Leiden,

und Anthor, pſeudonym als Sincerus, die bisher vereinzelt

kultivirten ökonomiſchen Wiſſenſchaften in ein ſyſtematiſches Ganze

zu vereinigen 1). Wenn es denſelben auch, wie nicht, gelungen

wäre, ſo mußte dieſe Wiſſenſchaft dennoch der Verachtung und

Verfolgung wegen, die ihr zu Theil ward, noch verdrängt bleiben.

Allein man begann ſchon das Kammerweſen, wie es damals beſtand

und verwaltet wurde, mit allerlei nützlichen Anmerkungen verſehen,

in Büchern darzuſtellen, und ſo die Regeln der damaligen Kameral-

praxis zu lehren. Dieſes Verdienſt gebührt Veit Ludwig von

Seckendorff2), Wilhelm von Schröder3) und J. von

Horneck4). Sie bildeten die Brücke von der Praxis zur Wiſ-

ſenſchaft, welche als ſolche mit dem 18ten Jahrhunderte beginnt.

Durch die Bemühungen des J. B. von Rohr5), des Anthor6),

Morhof7), J. Ch. Beckmann8) und Ch. Thomaſius9) ward

endlich Friedrich Wilhelm I., König von Preußen, dazu be-

wogen, in Halle und in Frankfurt a. d. O. kraft Reſcripts

vom 24. Juni 1727 Profeſſuren der Oeconomie und Kameralwiſ-

ſenſchaften zu errichten, jene dem Simon Peter Gaſſer10)

und dieſe dem Juſtus Chriſtoph Dithmar11) zu übertragen.

Baumſtark Encyclopädie. 3

[34/0056]

Doch waren die Schriften dieſer beiden nicht die erſten, denn ſchon

am Ende des zweiten Jahrzehnts hatte Lau12) über das Ka-

meralfach geſchrieben.

¹ Weber Entwurf. S. 141. Schreber, Neue Cameralſchriften. Bd. VI.

S. 50.

² Sein berühmtes, immer werthvolles Buch heißt: Der teutſche Fürſtenſtaat.

III Thle. Gotha 1656. Dritte vermehrte Auflage Frankfurt a. M. 1665. Die

fünfte Frankfurt a. M. 1678. Ausgabe von A. F. v. Biechling. Jena 1737.

Dieſes Buch erlebte 9 Auflagen. Es diente dem Juriſten Thomaſius in Halle,

nach ihm dem Kanzler von Ludewig daſelbſt, und dem Prof. Frankenſtein in

Leipzig als Leitfaden zu Vorleſungen. Weber Entwurf. S. 143. Sehr wichtig

dazu iſt die Vergleichung der Abhandlung darüber in (v. Pfeiffer) Berichtigungen

berühmter Staats-, Finanz-, Polizei-, Cameral-, Commerz- und ökonomiſchen

Schriften des 18ten Jahrhunderts (Frankfurt a. M. 1781–84. VI. Bde. 8.).

Bd. I. S. 309–388.

³ Sein berühmtes Werk: Fürſtl. Schatz- und Rentkammer. Leipzig 1686.

erlebte auch 9 Auflagen.

⁴⁾ Sein, nicht unter ſeinem Namen erſchienenes, einen umfaſſenden Geiſt

beurkundendes Werk: Oeſterreich über Alles, wenn es nur will. 1654. hat mehrere

Auflagen erlebt, worunter die neueſte und bemerkenswertheſte den Titel führt:

Joh. v. Horneck, Bemerkungen über die öſterreich. Staatsökonomie, ganz umge-

arbeitet und mit Anmerkungen verſehen von B. F. Herrmann. Berlin und

Stettin 1784.

⁵⁾ Seine a. 1712 zu Leipzig gehaltene und vertheidigte Diſſertation: De

excolendo studio oeconomico tam principum, quam privatorum. Seine Haus-

haltungsbibliothek. §. 26.

⁶⁾ Projekt der Oeconomik, entworfen von Anaſtaſio Sincero. Frankfurt

und Leipzig 1716.

⁷⁾ Sein Polyhiſtor. T. III. Weber Entwurf. S. 142.

⁸⁾ Seine Politica Parallela. cap. 10. p. 524.

⁹⁾ Das Hauptverdienſt hat dieſer Halle'ſche berühmte Rechtslehrer durch ſeine

Vorleſungen über Seckendorff und durch ſeine Cautelae circastudium oeconomi-

cum in ſeinen Cantelis circa praecognita jurisprudentiae. Cap. 17.

¹⁰⁾ Er ſchrieb a. 1729 ſeine: Einleitung zu den ökonomiſchen, politiſchen und

Cameralwiſſenſchaften. Halle. 4. Aber ſchon a. 1727 ein: Programm von der

allergnädigſt geſtifteten Profeſſion über Oeconomie-, Cameral- und Polizei-Sachen.

Halle. 4. Man vrgl. v. Ludewig, Von der neu eingerichteten Profeſſion in Oeco-

nomie-, Polizey- und Cammerſachen. Halle 1727. Deſſen Oeconomiſche Anmer-

kungen zu Seckendorffs Fürſtenſtaat. S. 167–268.

¹¹ Er ſchrieb a. 1727 ſeine: Oration von der ihm gnädigſt conferirten Pro-

feſſion der Oeconomie- und Cameralwiſſenſchaften zu Frankfurt a. d. O. in 4. Aber

ſeine: Einleitung in die ökonomiſchen, Polizei- und Cameralwiſſenſchaften. Frank-

furt a. d. O. 1729. erlebte 6 Auflagen, wovon die 5te v. Schreber Leipz. 1755,

und die ſechste von demſelben a. 1769 erſchien.

¹² Sein: Aufrichtiger Vorſchlag von glücklicher, vortheilhaftiger, beſtändiger

Einrichtung der Intraden und Einkünften der Souverainen und ihrer Unterthanen,

in welchem von Polizei-, und Kammer-, Regocien- und Steuerſachen gehandelt wird.

Franfurt 1719. 4.

§. 28.

Fortſetzung. Univerſitätsſtudium derſelben.

Als nun ſo einmal der Anfang mit der Begründung des

kameraliſtiſchen Studiums auf Univerſitäten gemacht war, ſo folgte

[35/0057]

a. 1730 ſchon Schweden mit der Gründung einer kameraliſtiſchen

Profeſſur auf der deutſchen Univerſität Rinteln, und a. 1741

mit der Profeſſur der Haushaltungskunſt und Handelskunſt auf der

ſchwediſchen Univerſität zu Upſala. Im Jahre 1742 gab es ſchon

einen Profeſſor des Kameralweſens in Leipzig und a. 1745 einen

am Carolinum in Braunſchweig. Im J. 1751 wurden Profeſſuren

des Kameralweſens in Oxford in England, in Abo und Lund

errichtet. In Wien am Collegium Theresianum war ſchon a.

1752 eine ſolche. Es folgten a. 1760 eine kameraliſtiſche Profeſſur

auf der Univerſität Bützow in Meklenburg, und a. 1761 hatte

Göttingen ſchon einen berühmten Lehrſtuhl des Kameralfachs,

nachdem ſchon vor 1755 daſelbſt Lehrer deſſelben angeſtellt geweſen

waren. Im J. 1764 ward die neue Profeſſur der Oeconomie und

Kameralwiſſenſchaften beſetzt, und a. 1768 in Wittenberg eine

ſolche errichtet. In Jena war ſchon vor 1770 über Kameralwiſ-

ſenſchaften geleſen worden, aber in dieſem Jahre ward eine Pro-

feſſur dieſes Faches daſelbſt beſtellt. Im Jahre 1774 ward die

Kameralſchule in Kaiſerslautern errichtet, im Jahre 1777 zu

Gießen aber eine fünfte oder ökonomiſche Fakultät1). Das

J. 1782 brachte auch der Akademie in Stuttgart eine ökonomi-

ſche Sektion2). Bei der Reform der Univerſität zu Mainz a. 1784

trat auch eine kameraliſtiſche Facultät ins Leben3). Die Kameral-

ſchule von Kaiſerslautern ward aber mit der Univerſität Hei-

delberg vereinigt, und wurde bei der ſpäteren Reform der Uni-

verſität unter Carl Friedrich eine kameraliſtiſche Sektion der

philoſophiſchen Facultät4). Im J. 1789 trat das kameraliſtiſche

Inſtitut zu Marburg ins Leben5). Gleichzeitig iſt auch die

Entſtehung der kameraliſtiſchen Abtheilungen in Tübingen und

Würzburg. Es geſchah alſo auf dieſe Weiſe, ſo wie durch Un-

terſtützung mit vielen materiellen Mitteln in dieſer Periode von

Deutſchland allenthalben ſehr viel für Verbreitung des Kameral-

ſtudiums. Auch wurde von den Regirungen auf das Studium

dieſes Faches vielfach ausdrücklich gedrungen6). Allein die Neu-

heit des Gegenſtandes, die Mängel der Wiſſenſchaft in jener Dar-

ſtellung, der Widerſpruch zwiſchen ihr und der Praxis, das Ueber-

gewicht der Juriſten im Staatsdienſte, und die alte Gewohnheit,

daß ſich die Kameralbeamten, anſtatt allgemein wiſſenſchaftlich,

blos ſpeziell in der Praxis bildeten, verhinderten eine Selbſtſtän-

digkeit der Kameralwiſſenſchaft, und ſie ward nicht einmal als

nöthig oder beſonders nützlich für den Staatsdienſt überhaupt

erachtet.

3 *

[36/0058]

¹ Schlettwein, Grundverfaſſung der zu Gießen neu errichteten ökonomiſchen

Facultät. Gießen 1778. 8.

² Deutſches Muſeum 1782. Mai S. 455. Weber Entwurf. S. 152.

³ Neue Verfaſſung der verbeſſerten Hochſchule zu Mainz. Mainz 1789. 8.

⁴⁾ Leipziger Intelligenz-Blatt. 1776. S. 169. Deutſcher Merkur v. J. 1777.

Ephemeriden der Menſchheit. 1778. II. St. S. 49. Leipziger Intelligenz-Blatt.

1785. S. 30. 39. 49. Seeger, Geſch. der Heidelberg. Staatswirthſchafts-Hohen-

Schule von ihrer Entſtehung an zu Lautern bis zum J. 1808. Carlsruhe 1808. 8.

⁵⁾ Abhandlung des geſtifteten ſtaatswirthſch. Inſtituts zu Marburg. Offenbach

1791. 8. Wachler, Aphorismen über Univerſitäten. S. 153.

⁶⁾ Namentlich in Preußen, Hannover, Baiern und Wirtemberg.

§. 29.

Fortſetzung. Art der Bearbeitung derſelben.

In den Schriften über die Kameralwiſſenſchaften aus dieſer

Periode1) iſt leicht der Typus zu finden, wonach dieſelben gelehrt

wurden. Die Wiſſenſchaft war zu neu, zu ſehr blos aus der

Praxis hervorgegangen, und der ganze Betrieb der geſammten

Staatswiſſenſchaften zu ſchlaff, als daß man eine philoſophiſche

Anordnung des Gebietes der Kameralwiſſenſchaft damals ſchon er-

warten dürfte. Man ſtellte eben die drei Hauptzweige der nöthigen

Kenntniſſe für die Verwaltung, als etwas Gegebenes, zuſammen,

ohne ſchon auf die Gründe ihres wiſſenſchaftlichen Zuſammenhan-

ges einzugehen. Die Kameralwiſſenſchaften beſtanden daher 1) aus

den ökonomiſchen Wiſſenſchaften, d. h. den Lehren von den

Gewerben, von der Land- und Forſtwiſſenſchaft, vom Bergbaue

und von der Handlung. Dieſe erſchienen blos als Hilfswiſſenſchaften,

zum Theile weil ſie zur Verwaltung der Landgüter, Bergwerke,

Fabriken und Monopolien des Staats nöthig waren, und zum

Theile weil ihre Kenntniß wegen der Polizei und des Steuerweſens

vorausgeſetzt wurde. 2) Aus der Polizeiwiſſenſchaft, von de-

rem Inhalte man gar keine nähere Vorſtellung hatte, da es Jedem

als das bunteſte Allerlei erſchien1). An dieſer Verwirrung war

nicht blos Schuld die ungeheure Maſſe von polizeilichen Gegen-

ſtänden der ſcheinbar unzuſammenhängendſten und widerſprechendſten

Art, nämlich das Sicherheits-, Wohlfahrts-, Nahrungs-, Bil-

dungs- und Religionsweſens, ſondern auch der Umſtand, daß in

der Praxis ſelbſt, aus der man die wiſſenſchaftlichen Sätze ſchöpfte,

an ſich und wegen der abweichenden beſonderen Landesverhältniſſe

die verſchiedenſten Maximen befolgt wurden, zu deren Vereinigung

in einem Prinzipe man nicht tauglich war, da man es noch nicht

verſtand, hiſtoriſche und ſtatiſtiſche Thatſachen zum Behufe der

Abſtraktion von Grundſätzen und Regeln mit einander zu vergleichen.

[37/0059]

Die beſondern Schriften über den politiſchen Theil der Kameral-

wiſſenſchaften ſuchen daher entweder, vollgepfropft von antiquariſcher

Gelehrſamkeit, die Verwaltungsmaximen der Alten auf die prak-

tiſchen Verhältniſſe ſpäterer Zeit anzuwenden2), oder ſie ſind

am Grundſatze und deſſen conſequenter Durchführung mangelhaft3).

Beſonders dienten die Maximen als Richtſchnur, welchen der Her-

zog von Sully, Miniſter Heinrichs IV. von Frankreich4), wäh-

rend ſeiner Verwaltung, und Colbert, Finanzminiſter Ludwigs XIV.

zu ſeiner Zeit5) befolgt hatten, welches Lezteren Syſtem ſelbſt bis

auf den heutigen Tag der Entwickelung der Kameralwiſſenſchaft

noch hinderlich iſt. Da ſich aber der Natur der Sache nach das

Polizeiweſen mehr den Kammerſachen anſchloß (§. 24.) als an die

Rechtswiſſenſchaft, ſo ſetzte man dieſe jenen gegenüber, und nannte

jene zuſammen Adminiſtration, Adminiſtrativweſen, Ver-

waltung, obſchon dieſer Begriff an ſich weiter iſt. Die Polizei

in dieſem Sinne definirte man daher meiſtens nur negativ als

diejenigen Adminiſtrationsgeſchäften, welche nicht das Kammer-

oder Finanzweſen betrafen, und jede poſitive Definition mußte

nothwendigerweiſe mißlingen6). Endlich 3) aus der Kameral-

wiſſenſchaft im engeren Sinne, gleichbedeutend mit Finanzwiſ-

ſenſchaft, unter welcher man die Lehre von der Erhebung und

Verwendung der fürſtlichen Einkünfte verſtand. Obſchon dieſer

noch älter war, als die eigentliche Polizeiwiſſenſchaft, ſo war ſie

doch von einer wiſſenſchaftlichen Ausbildung noch ganz fern, weil

ſie alle Mängel der kameraliſtiſchen Praxis in ſich hatte, immer

als eine mehr praktiſche Kunſt betrachtet wurde, und gerade die

Hauptſtützen ihrer Bildung, nämlich die Grundſätze von der Natur,

Entſtehung, Vermehrung und Verzehrung des Vermögens der Na-

tionen, als Collektivbegriffs der Bürger mit ihren Beſitzthümern,

fehlten7). Die bis zum lezten Dritttheile des 18ten Jahrhunderts

herrſchende Syſtematiſirung der Kameralwiſſenſchaft war ungefähr

folgende:

I. Oeconomiſcher Theil und zwar

a) Landwirthſchaftslehre, nämlich Landwirthſchafts-

lehre im eigentlichen Sinne, Forſtwirthſchaftslehre und

Bergbaulehre.

b) Stadtwirthſchaftslehre, nämlich Technologie und

Handelslehre.

II. Politiſcher Theil und zwar

a) Polizeiwiſſenſchaft

b) Kameralwiſſenſchaftim obigen Sinne8).

[38/0060]

¹ Außer den bereits genannten gehören hierher noch: Stiſſer, Einleitung

zur Landwirthſchaft und Polizei der Deutſchen, zum Unterricht im Oeconomie-,

Policey- und Cammerweſen. Jena 1735. Ausg. v. Zink 1746. Spätere 1768.

Zſchakwitz, Gründliche Abhandlung der geſammten Oeconomia politica et ca-

meralis. Halle 1739. Zink, Grundriß einer Einleitung zu den Cameralwiſſenſchaf-

ten. Leipzig 1742. Deſſelben Anfangsgründe der Cameralwiſſenſchaften. Leipzig

1755. 2 Thle. Deſſelben Cameraliſtenbibliothek. Leipzig 1751–52. v. Juſti,

Gutachten vom vernünftigen Zuſammenhange der prakt. Vorträge aller ökonomiſchen

und Cameralwiſſenſchaften. Leipzig 1754. Deſſelben Staatswirthſchaft oder ſy-

ſtemat. Abhandl. aller ökonom. und Cameralwiſſenſchaften. Leipzig 1752. 2 Bde.

II. Aufl. 1758. Später herausgegeben von A. Luber, Compendium der ſyſtemat.

Abhandl. c. Landsberg 1804. 3 Bdchn. Darjes, Erſte Gründe der Cameral-

wiſſenſchaften. Jena 1756. II. Ausg. 1760. (v. Pfeiffer) Lehrbegriff ſämmtlicher

ökonomiſchen und Cameralwiſſenſchaften. Mannheim 1764–1778. 4 Theile. 4.

Springer, Grenzen der Cameral-, Oekonomie-, Finanz- und Polizeiwiſſenſchaft.

Halle 1767. 8. Deſſelben Einleitung in die Lehre von der Cameralwirthſchaft.

Baſel 1767. 4. Deſſelben Grundriß der Cameralwiſſenſchaften. Jena 1768. 8.

Deſſelben Oeconomiſche und cameraliſche Tabellen. Frankfurt u. Leipzig 1772. 8.

Succow, die Cameralwiſſenſchaften, nach dem Grundriſſe v. Darjes. Jena 1768.

2te Aufl. 1784. 8. Förſter, Verſuch einer Einleitung in die Cameral-, Polizei-

und Finanzwiſſenſchaft. Halle 1771. 3. Deſſelben Entwurf der Land-, Stadt-

und Staatswirthſch. Berlin 1782, auch 1793. Börner, Sämmtliche Cameral-

wiſſenſchaften. Halle 1773. Enderlin, Natürliche allgemeine Cameralwiſſenſchaft.

Carlsruhe und Baſel 1774 u. 78. 2 Bde. Neuſte Ausg. Stuttgart 1804. Schmid,

der Zuſammenhang zwiſchen der Land- und Stadtwirthſch., der Handlung, Polizei,

dem Finanzweſen und der Staatswirthſchaft. Lautern 1776. (Rüdiger) Ueber

die ſyſtemat. Theorie der Cameralwiſſenſchaften. Halle 1777. 8. Deſſelben

Grundriß des Cameralweſens. Halle 1781. Jung, Verſuch einer Grundlehre

ſämmtlicher Cameralwiſſenſchaften. Lautern 1779. Deſſelben Syſtem der Staats-

wirthſchaft. Marburg 1792. Fabricius, Anfangsgründe der ökonomiſchen Wiſſen-

ſchaften. Kopenhagen 1782. 2te Auflage 1783. 8. Lamprecht, Entwurf einer

Encyclopädie und Methodologie der ökonomiſch-politiſchen und Cameralwiſſenſchaften.

Halle 1785. Goſch, Verſuch eines Plans zu dem Syſtem der ſämmtlichen einem

Staatswirthe nöthigen Wiſſenſchaften. Kopenhagen 1787. 8. Scheidler, Ueber-

ſicht eines Lehrplans der eigentlichen Cameralwiſſenſchaft. Bonn 1788. 4. Parrot,

Gemeinnütziges Handbuch der Land- und Stadtwirthſchafts-, Polizei- und Cameral-

wiſſenſchaft. Nürnberg 1790–91. 2 Thle. 8. Rau, Erſte Linien der Cameral-

wiſſenſchaft. Frankfurt a. M. 1791. Röſſig, Encyclopädie der Cameralwiſſen-

ſchaften. Leipzig 1792. 8. Niemann, Abriß des ſogenannten Cameralſtudiums.

Kiel 1792. 8.

² z. B. die Werke von: Bodinus, de Republica. Franzöſiſch zuerſt zu Paris

1576. Fol. Später nach mehreren Auflagen auch lateiniſch. Lugduni et Parsiis 1586.

Später noch viele Ausgaben. Vergl. einen Auszug im Handbuch für den

Staatsmann. Zürich 1791. Bd. I. S. 63–127. Ferner Klock, De aerario.

Norimbergae 1651. fol. Herausgegeben von Peller 1671. Ejusdem Tract. de

Contributionibus. 1634. fol. 2. Edit. 1740. Die Diſſertationen und Schriften,

welche Lang, hiſtor. Entwickelung der teutſchen Steuerverfaſſung, am Eingange

nach den Sammlungen angegeben hat.

³ z. B. Bechers polit. Discours von den eigentlichen Urſachen des Auf- und

Abnehmens der Städte, Länder und Republiken u. ſ. w. Frankf. u. Leipzig 1672.

6te Ausg. v. Zink 1759. v. Loen, Entwurf einer Staatskunſt. Frankfurt 1747.

Dritte Ausg. 1751. 8. Ueberhaupt die Schriften nach dem Colbert'ſchen Syſteme,

welche ſpäter noch erwähnt werden ſollen.

⁴⁾ Mémoires de sully. Neueſte Ausg. v. Paris 1788. VI Bde. 8. Auszug

daraus im Esprit de sully. Dresde et Varsovie 1768. Darſtellung ſeines Syſtems

in meiner Schrift: Des Herz. von Sully Verdienſte um das franzöſ. Finanzweſen.

Heidelberg bei Groos. 1828. Auch noch in andern Schriften.

[39/0061]

⁵⁾ Testament politique de J. B. Colbert p. Courtiliz de sandras. La Haye

1694 et 1711. (de Bruny) Examen du ministère de Colbert. Paris 1774. (Necker)

Eloge de Colbert. Paris 1773. Dresde 1780. (Pechmeja) Eloge de Colbert.

Paris 1773. (Durhan) Eloge de Colbert. Paris 1773. Auch noch in andern

Schriften.

⁶⁾ M. ſ. die Definitionen-Sammlungen bei: Roßhirt, Ueber den Begriff der

Staatspolizei (Bamberg 1817). S. 34–61. Butte, Verſuch der Begründung

eines Syſtems der P. W. S. 6–29 (Landshut 1807). v. Berg, Handb. des

P. Rechts (Ausg. v. 1802). Bd. I. S. 1–12. Henrici, Grundzüge zu einer

Theorie der P. W. (Lüneburg 1808). S. 1–68. v. Soden, die Staatspolizei

(Bd. VII. ſeiner Nat. Oeconomie). S. 23.

⁷⁾ Die Finanzwiſſenſchaft iſt ganz und gar ein Produkt dieſes Jahrhunderts,

und ihre wiſſenſchaftliche Auffaſſung jenes der lezten 10 Jahre. Früher erſchien ſie

als eine geheime Kunſt.

⁸⁾ M. ſ. darüber auch Rau, Grundriß der Kameralwiſſenſchaft. Heidelb. 1823.

§. 4. Vor ihm ſchon Weber Entwurf. S. 26. 148. Anmerk.*. Die Begrün-

dung dieſer Behauptung liegt in den in Anmerk. 1. angegebenen Schriften.

§. 30.

Zweite Periode. Entwickelung der Kameralwiſſenſchaft

unter dem Einfluſſe des Syſtemes der Staatswiſſenſchaft

und der Theorie des Volksvermögens.

Es waren vier Hauptgründe, warum in der vorigen Periode

das Vorſchreiten der Kameralwiſſenſchaft verhindert wurde, näm-

lich 1) weil man eine zu beſchränkte Anſicht von den ökonomiſchen

Wiſſenſchaften hatte, in ſofern als man ſie blos als Einzelnheiten

von Einzelnen getrieben, nicht aber aus dem höheren Geſichtspunkte

der ganzen bürgerlichen Geſellſchaft betrachtet hatte; 2) weil man

die Geſchichte, Geographie und Völkerkunde noch nicht recht be-

nutzt hatte, um aus ihnen den allgemeinen Gang der Völkerent-

wickelung, das Verhältniß der Menſchen unter ſich, alſo zum

Verkehre und zur Natur, und die geiſtige Thätigkeit des Menſchen

in allem Thun nebſt ſeinen allgemeinen charakteriſtiſchen Eigen-

thümlichkeiten darzuſtellen; 3) weil man gar keinen klaren Blick

in das Geſammtgebiet der Polizei, und noch weniger über ihre

Fähigkeit zu ächt wiſſenſchaftlicher Bearbeitung Aufklärung hatte;

und 4) weil folglich das Prinzip nicht entdeckt war, das die bis-

herige Finanzkunſt verallgemeinern und zu einer wiſſenſchaftlichen

Erkenntniß bringen konnte.

§. 31.

A. Smith. A. Ferguſon. A. L. v. Schlötzer. J. Kant.

J. G. v. Herder.

Dieſe Uebelſtände wurden aber gegen das Ende des vorigen

Jahrhunderts gelöst, durch Männer, deren Rieſenkräfte wir nicht

[40/0062]

blos in dem Aufſchwunge des politiſchen und literariſchen Lebens,

ſondern auch noch an ihren jetzt noch lebenden, ſchon alt geworde-

nen, Schülern bewundern. A. Smith, ein Schotte, gründete eine

neue Wiſſenſchaft, die Theorie des Volksvermögens1), d. h. er

ſtellte die aus dem Verhältniſſe des Menſchen zur Natur und zu

ſeinen Mitmenſchen, ſo wie die aus ſorgfältiger Beobachtung der

Geſchichte, Geographie, Völkerkunde und pragmatiſchen Anthro-

pologie, abgeleiteten Grundſätze von der Natur, Entſtehung, Ver-

theilung und Verzehrung des einem Volke, als Collektivbegriff,

eigenthümlich zugehörenden Vermögens auf, und brachte mit ihnen,

als der Baſis, die Maximen im Einklang, wonach der Staat, als

Totalität, ſeine Bedürfniſſe befriedigen, den Volkswohlſtand er-

höhen und ſeine Einnahmen und Ausgaben verwalten ſolle. Dieſe

Wiſſenſchaft, welche über alle Zweige der Adminiſtration ein ſchon

längſt entbehrtes Licht verbreitete, betrachtet die bürgerlichen Er-

werbsarten nicht einzeln, als Erwerbsarten des Einzelnen, ſondern

in ihrem Zuſammenhange als Volksbetriebſamkeit, und zeigt,

welche derſelben und, im lezten Geſichtspunkte, wie ſie die verſchie-

denen Vermögenstheile hervorbringen und wie ſie ſich in Betreff

ihrer Wichtigkeit für den Volkswohlſtand zu einander verhalten.

Dieſe neue Wiſſenſchaft mußte man von zwei Seiten betrachten,

nämlich 1) von der rein und angewandt philoſophiſchen, als

eine Doktrin, die, geſtützt einerſeits auf Anthropologie und Natur-

wiſſenſchaften, anderſeits auf Geſchichte, Länder-, Völker- und

Gewerbskunde, die Menſchen in ihren praktiſchen Verhältniſſen

unter ſich als ſolchen zur Welt und zur Erde betrachtet; und

2) von der praktiſch politiſchen Seite, als unentbehrliche

Doktrin für die Staatsgeſetzgebung überhaupt, für die Polizei-

und Finanzverwaltung insbeſondere und zur Erklärung des allge-

meinen Völker- und Staatenverbandes.

¹ Adam smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of

Nations. 2 Voll. London 1776. 2te Originalausgabe 1776. Dritte 1784. Vierte

1786 in III Voll. Fünfte 1789. Sechste 1791. Auch eine Ausg. v. Baſel. 1801.

IV Voll. Eilfte Ausgabe von W. Plaifair. 1805. III Voll. Neue Ausgabe mit

I Vol. Anmerkungen und III Voll. Originaltext von D. Buchanon. London 1814.

Allerneueſte Ausgabe v. J. R. Mac-Culloch with a life of the author, an intro-

ductory discourse, notes and supplement dissertations. IV Voll. 8. Edinburgh.

1828. Vergl. (v. Pfeiffer) Berichtigungen berühmter Staatsſchriften. III.

S. 1–152. Auszug daraus im Handb. für den Staatsmann. Zürich 1791.

Bd. II. S. 1–181. Dieſes unübertreffliche unſterbliche Werk iſt überſetzt ins

Deutſche von J. F. Schiller. Leipzig 1776–78. 2 Bde. 8., a. 1792 kam

ein 3ter Band von Ch. A. Wichmann hinzu; ferner von Garve und Dörrien.

Breslau 1794–96. IV Voll. 8. 2te Aufl. Breslau und Leipzig 1799. 3 Bde.

3te Ausgabe unverändert 1810. Dieſe Garve'ſche Ueberſetzung, bisher allgemein

ſehr gelobt, muß ich für vielfach unrichtig und für ſo breit geſchlagen erklären, daß

man mit Mühe die klaſſiſche Sprache des Autors nicht wiederfinden kann. Ich

[41/0063]

¹ kann ihr daher den unbedingten Vorzug vor der Schiller'ſchen durchaus nicht

geben. Es iſt überſetzt ins Franzöſiſche von Blavet. Yverdon 1781. VI Voll. 12.

Londres et Paris 1788. 2 Voll. 8. Paris 1800–1801. IV Voll. Nachgedruckt

Amsterdam 1784. IV Voll. 8. Ferner von Roucher mit 1 Band Anmerkungen

von Condorcet. Paris1790. IV Voll. 8. endlich von Garnier mit Noten.

V. Voll. 8. Paris 1802, ganz vorzüglich, beſonders die neue Ausg. von 1822 in

VI Voll. 8. Es iſt ins Däniſche überſetzt von Draebye. Kopenhagen 1778–1780.

2 Bde. 4.; ins Spaniſche von Alonzo Ortiz. Madrid 1794. IV Voll. 4.; und

ins Ruſſiſche von Poliatkowsky 1803.

§. 32.

Fortſetzung.

Nach der Schrift von A. Smith erſchien eine von eben ſo

allgemeinem Intereſſe und eben ſo geeignet, ihr Zeitalter zu heben,

von Adam Ferguſon, dem berühmten Geſchichtsſchreiber1). Er

ſammelte darin die Reſultate des Studiums der Geſchichte der

Völker, der Geographie und Völkerkunde zu einem philoſophiſchen

Syſteme über den Gang der Bildung der Menſchheit und über die

Blüthe und den Verfall der Nationen. Nach einer philoſophiſchen

Unterſuchung über die lezten Triebfedern der Menſchenhandlungen,

über die geiſtigen und ſittlichen Kräfte des Menſchen, über Glück

und Volkswohlfahrt, ſpricht er vom Zuſtande der Völker vor und

unter dem Einfluſſe des Begriffs von Eigenthum, von dem Einfluſſe

der Oertlichkeit und des Clima's auf den politiſchen Zuſtand, die

Geſittung und die Sitten der Nationen, von der Bevölkerung und

dem Volksvermögen in ihrer Wechſelwirkung, von der bürgerlichen

Freiheit, von der Entwickelung der Gewerbe, Künſte und Wiſſen-

ſchaften, von der Theilung der gewerblichen und Kunſtbeſchäftigung,

von den Gewohnheiten civiliſirter Völker, und ſchließt ſein Werk

mit der Darſtellung des allmäligen Verfalls bis zur gänzlichen

Verſunkenheit der Nationen in allgemeiner Sittenloſigkeit und

Sklaverei. Es umfaßt ein weit größeres Feld als das Smith'ſche

Buch, da es alle, ſowohl die ſachlichen als die nicht ſachlichen,

Intereſſen der Menſchheit philoſophiſch auf dem Wege der Ge-

ſchichte unterſucht, während das Leztere blos das Volksvermögen

zum Gegenſtande hat. Im Grunde ſtellt es die Baſen dar, auf

welchen die Smith'ſche Theorie fußt, und hat eben ſo wie dieſe

eine philoſophiſche und politiſche Seite.

¹ M. ſ. Ferguson An Essay on the History of civil society. Neuere Origi-

nalausgabe von London 1782 oder 1793. Ausgaben von Baſel 1789. 1791.

Franzöſiſche Ueberſetzung von Bergier. 2 Voll. 12. 1783. Frankfurt. Deut-

ſche Ueberſetzung. Leipzig 1765.

[42/0064]

§. 33.

Fortſetzung.

Aber auch die Deutſchen blieben in den wiſſenſchaftlichen Fort-

ſchritten nicht zurück, auch ſie gingen einen ſelbſtſtändigen Gang.

Zuerſt iſt hier A. L. v. Schlötzer1) zu erwähnen, der Vater der

jetzigen Staatswiſſenſchaft. Dieſer große Mann trat in die Fuß-

ſtapfen von Conring und Achenwall, und verband die Ideal-

politik der Platoniſchen und Ariſtoteliſchen Schulen mit der prak-

tiſchen Politik (Staatskunſt) der modernen abendländiſchen Zeit,

indem er jene idealen Prinzipien auf die praktiſchen Verhältniſſe

der neueren Zeit anwenden lehrte, und begründete ſo das Syſtem

der Staatswiſſenſchaften, in welchem die Staatenverhältniſſe noch

von einem weitern Geſichtspunkte als von jenem des politiſchen

Theiles der Kameralwiſſenſchaften dargeſtellt werden. Er erhob

eine auf ſchwachen Füßen ſtehende Kunſt zu einer auf Prinzipien

baſirten Wiſſenſchaft von der Einrichtung und Verwaltung des

Staatskörpers. Dazu war nicht blos nöthig, die Philoſophie und

Geſchichte um Rath zu fragen, ſondern es mußte auch auf den

gegenwärtigen allſeitigen Zuſtand des Staates beſſer als bisher

Rückſicht genommen werden. Es bildete daher v. Schlötzer nicht

blos eine ſtaatswiſſenſchaftliche, ſondern auch eine neue

ſtatiſtiſche Schule2), ſo daß mit ihm auch die Statiſtik zu einer

wiſſenſchaftlichen Theorie erhoben wurde. Auch hier nahm das

früher mehr Kunſtartige den Charakter der Wiſſenſchaft an.

¹ A. L. v. Schlötzer Briefwechſel. Göttingen 178082. 1775. Staats-

anzeigen. 1782–95 (Fortſetzung des Briefwechſels). — Staatsgelehrſamkeit. 1793.

1ter Band. Theorie der Statiſtik. 1804. 2ter Bd.

² Die Statiſtik war zwar ſchon vor ihm durch Conring und Achenwall

namentlich ſyſtematiſch behandelt. Allein Schlötzer ſchrieb die erſte Theorie der-

ſelben. v. Malchus, Statiſtik und Staatenkunde. Stuttgart und Tübingen 1826.

S. 2. Note 1.

§. 34.

Fortſetzung.

Hat man an den drei bisher genannten Köpfen neben der phi-

loſophiſchen Wirkſamkeit zugleich auch eine hiſtoriſche und prak-

tiſch-politiſche wahrgenommen, ſo muß auch des Imanuel Kant

und J. G. v. Herder Erwähnung geſchehen. Wenn man auch

gänzlich von den großen Verdienſten der Kantiſchen Philoſophie

um alle Wiſſenſchaften in Betreff der logiſchen Schärfe und Klar-

heit abſehen will, wenn man den glücklichen Aufſchwung nicht

beachten will, den ſie in das ganze literariſche Leben ihrer Zeit

[43/0065]

gebracht hat, ſo iſt doch ſchon an ſich der ausgedehnte Aufſchluß

hier von der höchſten Wichtigkeit, welchen ſie über Staat, Recht,

Strafe, Vernunft und Moral gegeben hat. Allein das ganze

Kantiſche Syſtem war der Entwickelung der Kameralwiſſenſchaft

unentbehrlich1). In noch näherer Beziehung zu ihr ſtehen aber

von Herders Verdienſte um die Philoſophie der Geſchichte der

Menſchheit2); denn dieſe lehrt gerade, was im politiſchen Theile

der Kameralwiſſenſchaften und in der Politik ſelbſt ſehr ſchwer iſt,

das hiſtoriſche Einzelne auf ein allgemeines Prinzip zurückzuführen,

und ſelbſt wenn ſie auch über Vieles keine reellen Aufſchlüſſe ge-

geben hätte, was jenen wichtig iſt, ſo mußte ſie wenigſtens die

Art klarer machen, wie man ſo umfaſſende Fragen zu behandeln hat.

Unter dieſem fünffachen Einfluſſe gedieh nun die Kameral-

wiſſenſchaft, da ſie gerade erhielt, was ihr gemangelt hatte (§. 30).

Insbeſondere ſah man ſogleich, daß die Theorie des Volksver-

mögens ein integrirender Theil derſelben ſein mußte. Aber darüber

entſtanden Schwierigkeiten, in wieferne und welchen Platz ſie im

kameraliſtiſchen Syſteme einnehmen ſollte. Denn mit der Polizei-

wiſſenſchaft ſtand ſie nur halb in logiſchem Zuſammenhange, weil

es dieſe auch mit dem Bildungsweſen, der Religion, Geſundheit

und Sicherheit zu thun hatte, wovon jene nichts enthielt. Mit

der Finanzwiſſenſchaft war ſie auch ſchwer zu verbinden, zum

Theile weil ihr Ineinandergreifen auch nur theilweiſe war, zum

Theile weil ſie ſich oft geradezu widerſprachen und zum Theile weil

ſie ſchon in der Lehre von der Verzehrung des Volksvermögens

einen weſentlichen Theil der Lezteren abhandelte. Ueberhaupt war

in ihr das Philoſophiſche mit dem theoretiſch und praktiſch Poli-

tiſchen noch ſo vermengt, daß man nicht wußte, welche Seite als

die wichtigſte herauszuheben ſei3), obſchon man einſah, daß ſie

mit den ökonomiſchen Wiſſenſchaften nichts gemein hatte4). Jedoch

die Schlötzer'ſche Staatswiſſenſchaft war in dieſen Zweifeln ent-

ſcheidend, indem ſie blos die Sicherheitspolizei für die Polizei

erklärte, und ihr die Pflege der Volkswirthſchaft und Volksbildung

gegenüber ſtellte. Leztere fiel an ſich außer das Gebiet der Kameral-

wiſſenſchaft; die Polizei, der Juſtiz gegenüber, hätte in ihr nur

nach dem verkehrten Prinzipe Platz finden können, daß man Wohl-

ſtand und Bildung befördere, um die Sicherheit zu erhalten5).

Daher fiel nur die Pflege der Volkswirthſchaft der Kameralwiſſen-

ſchaft anheim, während die Statiſtik eine Hilfswiſſenſchaft

ſowohl der Lezteren als der Staatswiſſenſchaft wurde. Die

Kameralwiſſenſchaft beſtand alſo fortan aus den ökonomiſchen Wiſ-

ſenſchaften, der Theorie des Volksvermögens nebſt ihren praktiſchen

[44/0066]

Lehren für die Pflege der Volkswirthſchaft und aus der Finanz-

wiſſenſchaft, in welche man denjenigen Abſchnitt der Theorie des

Volksvermögens aufnahm, der von der öffentlichen oder Staats-

konſumtion handelte.

¹ Doch aber iſt der Kameralwiſſenſchaft der theoretiſchen Philoſophie zu Liebe

oft Zwang bis ins Lächerliche angethan worden. So hat Klipſtein (ſ. §. 35.

Note 1.) die Anſicht, dieſelbe nach Kategorien der Kantiſchen Philoſophie einzuthei-

len und ſagt, die wirthſchaftliche Gründungslehre (entſprechend der Qualität)

handle vom eigenen Vermögen (Realität), vom fremden (Negation), vom Wirth-

ſchaftsvermögen (Limitation). Nach dieſen drei Begriffen theilt auch Völlinger

die Kameralwiſſenſchaft ein in praktiſche oder Realwirthſchaftslehre, pathologiſche

oder Wahn- (Wind-) Wirthſchaftslehre, und Beſchränkungslehre der praktiſchen

und pathologiſchen Wirthſchaft. Seine Prolegomena und angewandte Wirthſchafts-

lehre ſind voll der lächerlichſten Anwendungen der Kantiſchen Philoſophie.

² Ideen zu einer Philoſophie der Geſchichte. 4 Thle. in 4. Riga und Leipzig

1785–92. Auch 4 Thle. in 8. 1785–1791. Auch in ſpäteren Ausgaben ſei-

ner ſämmtlichen Werke.

³ Selbſt bis in die neueſte Zeit iſt das Zuſammenziehen der Gewerbswiſſen-

ſchaften und der Theorie des Volksvermögens mißbilligt von Lotz Handbuch der

Staatswirthſchaftslehre I. §. 3. Derſelbe läugnet ſogar den weſentlichen und noth-

wendigen Zuſammenhang zwiſchen derſelben und der Gewerbskunde und den Natur-

wiſſenſchaften. Allein dieſer merkwürdige Irrthum des verdienſtvollen Lotz beruht

auf einer unrichtigen Anſicht von der Kameralwiſſenſchaft, die durchaus etwas

Anderes, weit Umfaſſenderes iſt, als die Theorie des Volksvermögens. In wieferne

dieſe und die Gewerbskunde ihrem erſten Prinzipe nach zuſammenhängen, wird im

Folgenden klar werden. Wenn ſie aber beide nach einem allgemeinen Prinzipe zu-

ſammengeſtellt werden, ſo iſt noch keineswegs eine zum weſentlichen Theile der

Andern gemacht.

⁴⁾ Denn ſie lehrt nicht den Betrieb der Erwerbsarten, ſondern betrachtet ſie,

abgeſehen vom Geſichtspunkte des Einzelnen, aus einem höheren allgemeineren

Standpunkte. Sie enthält 1) aus den Gewerbswiſſenſchaften abſtrahirte und ver-

allgemeinerte Sätze, und zwar nicht um damit gleichſam einen allgemeinen Theil

der Gewerbskunde zu bilden, ſondern um das ganze Gewerbsweſen des Volkes im

Zuſammenhange zu ſehen und eine Grundlage zu bilden, worauf die Thätigkeit der

Regirung zur Leitung und Beförderung des ganzen Gewerbsweſens im Zuſammen-

hange als Volksbetriebſamkeit fußen ſoll. Darum werden aus der Gewerbs- und

Haushaltlehre Sätze in die Theorie des Volksvermögens entlehnt, ohne daß ſie anders

als mittelbar in ſie gehören. Sie enthält aber 2) auch durch dieſe Abſtrakte aus

der Privatökonomie gebildete eigenthümliche Sätze, indem ſie die Einzelthätigkeiten

nicht blos als ſolche neben einander geſtellt betrachtet, ſondern eine Totalität in

ihnen erblickt, welche eine Geſammt-Betriebſamkeit, ein Geſammt-Vermögen, ein

Geſammt-Produkt bildet, da die Leiſtung des Einzelnen nicht blos für ihn, ſondern

gerade für die Geſammtheit eine Wirkung hat, die außer dem Vergleiche mit dem

Vortheile des Einzelnen ſteht, und da mehr oder weniger allgemeine Ereigniſſe den

Einzelnen oder einen Theil der bürgerlichen Geſellſchaft ganz anders treffen als den

andern. Rau, Ueber die Kameralwiſſ. §. 13. 14.

⁵⁾ Rau, Ueber die Kameralwiſſ. §. 6. Dies iſt hier nur als eine literariſche

Thatſache gegeben, abgeſehen davon, ob die ihr zu Grunde liegende Anſicht richtig

iſt oder nicht. Rau mit vielen andern hält ſie für richtig.

§. 35.

Schriftſteller und ihre Verdienſte.

Ueber den Inbegriff der Kameralwiſſenſchaft war man ſo weit

übereinkommend klar geworden. Auch haben ſich die Schriftſteller

[45/0067]

dieſer Periode1), um die formelle Ausbildung der Kameralwiſſen-

ſchaft viele Verdienſte erworben. Weniger mit der Syſtematiſirung,

als mit der Darſtellung der Encyclopädie der Kameralwiſſenſchaft

haben ſich Schmalz, Walther und Sturm beſchäftigt. Den-

noch aber verdienen die Syſteme des Erſten und Lezten einer Er-

wähnung. Mit der Syſtematiſirung aber beſchäftigten ſich Völ-

linger, Seeger, Weber, Fulda, v. Buqnoy, Obern-

dorfer, Gejer, der Ungenannte, Rau und Butte. Wenig-

ſtens ſind gerade dieſe die wichtigſten Syſtematiker. Schmalz2)

drang aber in die feineren logiſchen Beziehungen der einzelnen

Theile der Kameralwiſſenſchaft gar nicht ein, ſondern ſtellte ſie

nur als gegebene Hauptmaterien zuſammen. Völlinger und

Seeger haben beſonders das Verdienſt, entdeckt zu haben, daß

die Kameralwiſſenſchaft ihrem Grundcharakter nach nichts anders

als die Wirthſchaft überhaupt und in ihren beſonderen Bezie-

hungen zum Gegenſtande habe, und führten daher den Namen

Wirthſchaftslehre für ſie ein, was für die Anordnung ihre

Theile von großem Einfluſſe war. Der Leztere insbeſondere hat

auch dem Erwerbe durch perſönliche Dienſte im Syſteme einen

Platz gegeben und die Lehre von dem Kunſtbetriebe der Gewerbe als

ſpekulativen Theil angedeutet. Jener zieht aber noch das weite

Gebiet der Polizei hinein. Sturm3) zieht gegen die Fortſchritte

der Einſicht über den Inhalt der Kameralwiſſenſchaft ſeiner Zeit

(§. 34.) in ihr Gebiet noch die Geſundheits-, Medizinal-, Cultur-,

Religions- und Sicherheitspolizei, leztere aber ſehr unvollſtändig,

hinein, weil er die Erhaltung der öffentlichen oder Sicherheit des

Staates gar nicht erwähnt; er führt unter der ökonomiſchen Wiſ-

ſenſchaft den Erwerb durch perſönliche Dienſte und durch Verleihen

von Capital nicht an und kennt die innere Beziehung der Polizei

zur Theorie des Volksvermögens und Finanzwiſſenſchaft nicht.

Weber4) erkennt zwar den Unterſchied zwiſchen der Privat- und

öffentlichen Oeconomie. Allein ihm entging der natürliche Unter-

ſchied der Gewerbsarten, und die richtige Anſicht von Wirth-

ſchaft bei der Beſtimmung des Gebiets der Staatsökonomie, indem

auch er, wie Sturm, das ganze Gebiet der Polizei in ſie hinein-

zieht, aber doch die öffentliche Sicherheitspolizei nicht vergißt.

Fulda5) findet den natürlichen Unterſchied der Gewerbe, obſchon

er das mit dem Handel verwandte Geſchäft des Kapitaliſten von

jenem noch nicht zu trennen weiß. Aber auch ihm entgeht, obſchon

er den Begriff von Wirthſchaft ſtreng, nicht wie Weber und

Sturm, durchführt, das Prinzip zur logiſchen Trennung der

politiſchen Theile der Kameralwiſſenſchaften. Es haben aber

[46/0068]

v. Buqnoy6) und Oberndorfer7) eine gänzlich falſche Anſicht

von dem Weſen der Kameralwiſſenſchaft, weil ſie dieſelbe für

gleichbedeutend mit der Wiſſenſchaft des Volksvermögens, oder der

Nationalwirthſchaftslehre halten, und dem gemäß alle Gewerbs-

wiſſenſchaften als weſentliche Theile der Lezteren anſehen8).

Gejer9) hat das Verdienſt, die allgemeinen Sätze der Wirthſchaft

überhaupt aus den beſondern Wirthſchaftslehren abſtrahirt, ferner

das eigentlich Techniſche bei allen Gewerbsbetrieben vom Haus-

wirthſchaftlichen getrennt, und die Theorie der Praxis gegenüber

geſtellt zu haben. Allein er hat in ſoferne einen bedeutenden Rück-

ſchritt gethan, als er die Gebiete der Privatwirthſchaft und der

Volkswirthſchaft in der Wiſſenſchaft gänzlich untereinander warf,

und ſo in den Fehler Buqnoy's und Oberndorfers verfiel.

Der Ungenannte10), ein Mann von ſeltenem Scharfſinne und

feſter Conſequenz, hob den Unterſchied der allgemeinen und beſon-

dern Wirthſchaftslehre ſchärfer hervor; allein er vermengte, blos

an der Objektivität als Theilungsgrund hängend, die Gebiete der

natürlichen Produktion und der techniſchen, indem er auch den

Bergbau zur Technologie nahm. Er hat ferner den Unterſchied

zwiſchen der wilden und zahmen Thier- und Pflanzenzucht hervor-

gehoben; aber er ſpricht der öffentlichen Wirthſchaft ganz den

Charakter als Wirthſchaft ab, und rechnet in die Leztere blos die

Privaterwerbszweige, Land- und Forſtwirthſchaft, Viehzucht und

Jagd, techniſche Gewerbe und Handel, ohne des Erwerbs durch

perſönliche Dienſte und Capital zu gedenken. Butte 11), auch

hierin eigenthümlich, weicht ganz von der hiſtoriſchen Bildung der

Kameralwiſſenſchaft ab, indem er die Finanzwiſſenſchaft als

Staatswiſſenſchaft ganz von ihr ausſchließt, und in die

Landeswiſſenſchaft (Kameralwiſſenſchaft) die Geographie,

die Gewerbswiſſenſchaften, die Theorie des Volksvermögens und

der Volkswirthſchaftspflege, und die Polizei nimmt.

¹ Walther, Verf. eines Syſtems der Cameralwiſſenſchaften. Gießen 1793

bis 97. V Thle. 8. Deſſelben Verſ. eines Grundriſſes der allgem. Oeconomie.

Gießen 1795. 8. Vom I. Thl. jenes Buches a. 1804 und vom II. Thle. a. 1803

eine neue Ausgabe. Semer, Beitrag zur näheren Beſtimmung des Begriffs der

eigentl. Staatswirthſchaft und ihres Gebietes. Mannheim 1794. 8. Völlinger,

Grundriß einer allgemeinen kritiſch-philoſophiſchen Wirthſchaftslehre. Heidelb. 1790.

Deſſelben Prolegomena zu einer angewandten Wirthſchaftslehre. Ebendaſelbſt.

Klipſtein, Reine Wirthſchaftslehre. Gießen 1797. 8. Schmalz, Encyclopädie

der Cameralwiſſenſchaften. Königsb. 1797. 8. Zweite Ausg. beſorgt von Schmalz,

Thaer, Hartig, Roſenſtiel und Hermbſtadt. 1819. 8. Medicus, Verſuch einer

kurzen Skitze der ökonomiſch-politiſchen oder ſtaatswirthſchaftl. Encyclopädie. Leipzig.

1797. Benſen, Ueber das Studium der ſogenannten Kameralwiſſenſchaften.

Erlangen 1804. 8. Jägerſchmidt, Ueber die Grundbegriffe der Staatswirthſchaft,

nebſt dem Syſteme der dazu gehörigen Wiſſenſchaften. Baſel 1799. 8. Fulda,

Syſtematiſcher Abriß der ſogenannten Kameralwiſſenſchaften. Tübingen 1803. 8.

[47/0069]

¹ Deſſelben Grundſätze der ökonomiſch-politiſchen oder Kameralwiſſenſchaften.

Tübingen 1816. 2te Aufl. 1820. Crome, Abriß der Staats- und Kameralwiſſen-

ſchaften. Gießen 1803. 8. Weber, Einleitung in das Studium der Kameral-

wiſſenſchaften, nebſt dem Entwurfe eines Syſtems derſelben. Berlin 1803. Später

auch mit dem Titel: Entwurf einer Encyclopädie und Methodologie der Kameral-

wiſſenſchaften. Berlin 1819. Derſelbe Ueber die Kameralwiſſenſchaft. Breslau

1828. Jacob, Ueber Curſus und Studienplan für angehende Kameraliſten. Halle

1805. 8. Seeger, Entwurf eines vollſtändigen Syſtems der Kameralwiſſenſchaften.

Ellwangen 1805. 2te Aufl. Mannheim und Heidelberg 1806. 8. Deſſelben

Syſtem der Wirthſchaftslehre. Carlsruhe 1807. 8. Erhielt a. 1815 ein neues

Titelblatt. Sturm, Grundlinien einer Encyclopädie der Kameralwiſſenſchaft. Jena

1807. 8. Sopp, Neueſte Darſtellung der Kameralwiſſenſchaft. Wien 1808–11.

IV Bde. 8. v. Hagens, Begründung des ſtaatswirthſchaftl. Studiums als einer

eigenen Wiſſenſchaft. Landshut 1808. 8. Butte, Generaltabelle der Staats- und

der Landeswiſſenſchaft. Landshut 1808. 8. Deſſelben Allgemeine Wiſſenſchafts-

anſichten. Bonn 1827. 8. v. Buqnoy, Theorie der Nationalwirthſchaft. Leipzig

1815 mit 3 Nachträgen von 1816–18. 4. Eſchenmayer, Ueber das formelle

Prinzip der Staatswirthſchaft, als Wiſſenſchaft und Lehre. Heidelberg 1815. 8.

Oberndorfer, Grundlegung der Kameralwiſſenſchaften. Landshut 1818. 8.

P. Ph. Gejer, Ueber Encyclopädie und Methodologie der Wirthſchaftslehre.

Würzburg 1818. Verſuch einer logiſchen Begründung der Wirthſchaftslehre.

Würzburg 1822. 8. Soll Joh. Sartorius zum Verfaſſer haben. Rau, Grund-

riß der Kameralwiſſenſchaft. Heidelberg 1823. 8. Deſſelben Schrift: Ueber die

Kameralwiſſenſchaft. Heidelberg 1825. 8. Schulze Ueber Weſen und Studium

der Wirthſchafts- oder Kameral-Wiſſenſchaften. Jena 1826. 8.

² Erſter Theil: Gewerbskunde.

I. Techniſche Gewerbskunde (a. Landwirthſchaft, b. Forſtwirthſchaft, c.

Bergbau, d. Technologie).

II. Merkantiliſche Gewerbskunde (a. Allgem. Grundſätze, b. Merkantiliſches

der Oeconomie, c. Merkantiliſches der Fabrikation, d. Handel, e. Rent-

geſchäft.

Zweiter Theil: Staatswirthſchaft.

I. Eigentliche Staatswirthſchaft.

II. Gewerbspolizei.

III. Finanzen.

Dieſes Syſtem ſieht die hauswirthſchaftlichen Geſchäfte eines jeden Gewerbes

fälſchlich als merkantiliſch an, und vergißt, daß ſowohl der Handel als das Rent-

geſchäft auch ihr eigentlich Hauswirthſchaftliches haben, ſo wie ihr Techniſches.

³ Erſte Hauptabtheilung.

I. Landwirthſchaftslehre (a. beſondere Landwirthſchaftslehre [α. Pflanzen-

produktionslehre, β. Thierproduktionslehre, γ. Mineralienproduktions-

lehre], b. allgemeine Landwirthſchaftslehre [Hauswirthſchaft])

II. Technologie (nach den Zubereitungsarten getheilt).

III. Handlungslehre (a. von den Handelsgegenſtänden, b. von den Arten der

Handlung, c. von der Führung der Handlung).

Zweite Hauptabtheilung.

IV. Polizeilehre (Bevölkerung, körperl. und geiſtige Bildung, Privatver-

mögen, angenehmes Leben [Sicherheit u. dgl.])

V. Kameralwiſſenſchaft (Finanzwiſſenſchaft).

Es fehlt dieſem Syſteme ein durchgreifendes Prinzip in den einzelnen Unter-

abtheilungen.

⁴⁾ I. Privatöconomie:

1) produktive oder ſchaffende Gewerbe (a. eigentlich produktives — Land-

bau —; b. eduktive — Fabriken, Manufakturen und Handwerke —;

c. zugleich pro- und eduktives — Bergbau und Hüttenweſen).

2) Distributive oder eintheilende Gewerbe — Handel.

II. Politiſche Oeconomie:

1) Nationalöconomie, Lehre vom Volksvermögen.

[48/0070]

⁴⁾ 2) Staatsöconomie (a. Polizeiwiſſenſchaft Sicherheits- und Cultur-

Polizei [und in der Lezteren enthalten: Bevölkerungs-, Bildungs-,

Religions- und Gewerbs-Polizei], b. Finanzwiſſenſchaft).

Dieſes Syſtem ſichtet nicht einmal die Technologie von der Naturproduktion,

kennt das Rentgeſchäft und den perſönlichen Erwerb nicht, und rechnet zur Staats-

ökonomie, was mit dem Vorhergehenden objektiv gar nicht in Verbindung ſteht,

und was zur Nationalökonomie gehört; denn die Bildung und Religion iſt keine

Sache der Wirthſchaft, und die Gewerbspolizei gehört zur Nationalökonomie, wäh-

rend die Sicherheitspolizei der Staatsökonomie und Nationalökonomie zu ferne ſteht.

⁵⁾ I. Theil: a. Produktionslehre (Oeconomie, nämlich Pflanzenkunde, Thierzucht,

Bergbau), b. Fabrikationslehre (Technologie), c. Handelslehre

(Handlung).

II. Theil: a. Gewerbspolizei (Induſtriepolitik), b. Finanzkunde (Kameral-

kunde).

Dieſes einfache Syſtem iſt unvollſtändig, da es in der Privatökonomie nur das

Techniſche enthält, es wendet den Ausdruck Oeconomie falſch an, und erkennt die

Theorie der Gewerbspolizei nicht an als etwas Beſonderes.

⁶⁾ I. Von den Quellen des Nationalwohlſtandes.

a. Gewinnung roher Produkte [Landwirthſchaft, Forſtbau, Bergbau,

Fiſcherei).

b. Veredlung roher Produkte (Technologie).

c. Handel (Handel unmittelbar, Hilfsgeſchäfte der Handlung, techniſche

Handelsmittel, nämlich Communikationsmittel).

II. Von der Leitung der Quellen des Nationalreichthums, oder von dem po-

litiſchen Theile der Nationalwirthſchaft.

a. Vorbegriffe.

b. Eigentliche Leitung.

c. Syſtem der Staatswirthſchaft.

d. Vertheilung der Auflagen.

In dieſem ganzen Syſteme fehlt die Einſicht des Verhältniſſes der Hilfs- und

Hauptwiſſenſchaften; die Fiſcherei erſcheint nie aus einem logiſchen Theilungsgrunde

neben den andern Rohproduktionen; beim Handel fehlt die Lehre von der Geſchäfts-

führung, ſo wie bei den andern Gewerben; und die ganze Finanzwiſſenſchaft wird

mit der Lehre von den Auflagen abgemacht.

⁷⁾ Er findet an der Kameralwiſſenſchaft drei Haupttheile, nämlich die rationale,

die poſitive und die praktiſche Kameraliſtik.

Die erſte theilt er in:

I. Politiſche Oeconomie.

a. Nationalökonomie;

1) niedere Nationalökonomie (ländliche, techniſche, kommerzielle

Induſtrie — die Gewerbslehren);

2) höhere Nationalökonomie (Staatswirthſchaft).

b. Staatsökonomie (Finanz).

II. Oekonomiſche Polizei (nämlich Gewerbs- und Sicherheitspolizei).

III. Oekonomiſch-politiſche Arithmetik.

Die zweite iſt das Studium der poſitiven Geſetzgebung.

Die dritte enthält die kameraliſtiſche Geſchäftstheorie, das eigentliche Kameral-

prakticum (zuſammen reinpraktiſche Gegenſtände), dann die bürgerliche,

die Straßen- und Waſſerbaukunſt (zuſammen praktiſch-mathematiſche Ge-

genſtände).

Dieſes Syſtem kennt nicht den Unterſchied zwiſchen Privat- und öffentlicher

Wirthſchaft, nicht den Charakter der Volkswirthſchaftslehre, daher die nichts ſagende

Eintheilung der Nationalökonomie und der Mangel an Wörtern, um die eigentlich

Leztere von der Finanz zu unterſcheiden; auch nach ihm muß die Sicherheit blos der

Wirthſchaft wegen erhalten werden, was offenbar unrichtig iſt; es rechnet

die Mathematik zwar zu den Hilfswiſſenſchaften, aber einen Theil derſelben, nämlich

obige Arithmetik doch zu den Hauptwiſſenſchaften; es trennt poſitive und praktiſche

Kameraliſtik, obſchon ſie zuſammen in die Praxis gehören; es macht einen Unter-

[49/0071]

⁷⁾ ſchied zwiſchen rein praktiſcher und praktiſch-mathematiſcher Kameraliſtik, der nichts

bedeutet an ſich, und mißkennt, daß die Baukunſt ſelbſt ihre Theorie hat und

eigentlich blos in die Technologie gehört.

⁸⁾ Gegen dieſe Syſteme ins Beſondere gilt die Einwendung von Lotz, oben

§. 34. Note 2. Denn hier werden die Gewerbslehren zu weſentlichen Theilen der

Volkswirthſchaftslehre gemacht. Es gehört wohl auch hierher: Schulze, Ueber

die volkswirthſchaftliche Begründung der Gewerbswiſſenſchaften. Jena 1826.

⁹⁾ I. Allgemeine Wirthſchaftslehre.

II. Beſondere Wirthſchaftslehre. Die Leztere zerfällt ſo:

1) Theoretiſcher Theil;

a. in Bezug auf die Thätigkeit des Volks (Landwirthſchaftslehre,

Technologie, Handelslehre). Bei jeder Gewerbslehre wird der

Unterſchied zwiſchen den eigentlichen Gewerbsregeln und den

Hauswirthſchaftsregeln gezeigt.

b. in Bezug auf die Thätigkeit der Regirung (Finanzwiſſenſchaft,

wirthſchaftliche Culturlehre [oder Volkswirthſchaftslehre]).

2) Praktiſcher Theil, mit denſelben Abtheilungen.

Obſchon dieſes ſcharfſinnig und fleißig durchdachte Syſtem den theoretiſchen und

praktiſchen Theil trennt, und ſo insbeſondere die Ausſcheidung der praktiſchen Lehren

der Volkswirthſchaftslehre von der eigentlichen Theorie des Volksvermögens zuerſt

erdacht hat, ſo blieb es dennoch von der Löſung dieſer Aufgabe noch weit entfernt.

Sein Grundfehler iſt die Zerſplitterung, denn es wäre weit beſſer geworden, wenn

die Trennung des Theoretiſchen und Praktiſchen als bloße Unterabtheilungsnorm bei

jeder beſonderen Lehre angewendet worden wäre, weil man alsdann jede Wiſſenſchaft

für ſich als Ganzes geſchaut hätte. Allein dies konnte nur zufolge der Anerkennung

des andern logiſchen Fehlers deſſelben geſchehen, kraft deſſen dem praktiſchen Theile

der einzelnen Gewerbslehren zum Theile blos Hauswirthſchaftliches, zum Theile das

Rentgeſchäft, das Zuſammenhalten des Gewerbsbetriebes Lehrendes, und zum Theile

die Lehre vom Erwerbe aus perſönlichen Dienſten zugetheilt wird, indem er von

der Benutzung der perſönlichen Kräfte zum Erwerbe, der Capitalien, und beider

zugleich handeln, und die Etablirung und Betreibung des ganzen Geſchäftes,

welches auch ſchon von Anderen als etwas Beſonderes herausgehoben war, lehren

ſoll. Dieſes Syſtem hat aber das Verdienſt, bei der Bergbaulehre (Theil der

Landwirthſchaft), das Hüttenweſen der Technologie zugetheilt zu haben.

¹⁰⁾ I. Allgemeine Wirthſchaftslehre.

II. Beſondere Wirthſchaftslehre. Dieſe Leztere:

A. Produktionslehre.

1) Des Organiſchen (Landwirthſchaft);

a. der Thiere — der zahmen (Viehzucht) und der wilden

(Weidwerk);

b. der Pflanzen — der zahmen (Landbau), — der wilden

(Forſtwirthſchaft).

2) Des Unorganiſchen (Technologie);

a. des Thierreichs;

b. des Pflanzenreichs;

c. des Mineralreichs (dazu auch Bergbau und Hüttenweſen).

B. Circulationslehre (Handelslehre).

Dieſes Syſtem enthält einen vom Verf. nicht vertheidigten Widerſpruch, indem

es bei der Technologie, nach dem zu verarbeitenden Stoffe eintheilend, unorganiſche

und organiſche Stoffe aufzählt, und dennoch die Technologie Produktionslehre des

Unorganiſchen nennt. Es kennt den Unterſchied zwiſchen natürlicher und techniſcher

Produktion nicht, und muß, um conſequent zu ſein, auch das Technologiſche der

Landwirthſchaft, Viehzucht, Forſtwirthſchaft u. dgl. bei dieſen Gewerbslehren ab-

handeln, wie das Hüttenweſen beim Bergbaue.

¹¹ Nach ihm zerfällt die Landeswiſſenſchaft alſo:

A. Landes-Kundenlehre (Geographie, Natur).

1) Lehre von der Beſchaffenheit des Landes (Gränzen, Flächengehalt,

Gebirge, Gewäſſer, Klima).

Baumſtark Encyclopädie. 4

[50/0072]

¹¹ 2) Lehre von des Landes Naturprodukten (der vier Reiche, Mi-

neral-, Pflanzen-, Thier- und Menſchen-Reich — Lezteres

ethnographiſch).

B. Landes-Hervorbringungslehre (Prophoralogie, Arbeit).

1) Urproduktionslehre (Landwirthſchaft im weiten Sinne, Bergbau-

Waſſernutzungslehre [Fiſcherei]).

2) Zugutmachungslehre oder Technologie (Mineral-, Pflanzen-,

Thierreich und bürgerliche Baukunſt).

3) Handelslehre.

C. Landes- Wohlſtandslehre (Nationalwohlſtandslehre, Genuß).

1) Einwohnerreichthumslehre (National- oder Volkswirthſchafts-

lehre).

2) Einwohnerordnungslehre (Polizei).

Dieſes Syſtem iſt am unbegründetſten. Es erklärt das Kamerale für „den Inbe-

griff der Landes-Wiſſenſchaften, in ſoferne dieſe die Verwaltung des Staats mit-

telbar für ſeinen Zweck unterſtützen.“ Allein neben dem, daß die Geographie auch

von Kameraliſten gekannt ſein muß, gehört ſie auch zur Staatswiſſenſchaft, Natur-

wiſſenſchaft, Philoſophie, Philologie, Jurisprudenz und Medizin. Sie iſt alſo eine

allgemein bildende Doktrin und gehört nicht in das kameraliſtiſche Syſtem als ſolches.

Aber die Statiſtik, ſelbſt gewiſſermaßen auch die Geſchichte, müßte ebenſo wie die

Geographie nach obiger Angabe des Inbegriffs von Kamerale hinein gehören, ſo

wenig er auch von der Geſchichte anerkannt iſt. Ob es vier Naturreiche gibt,

darüber ſteht dieſer Kritik kein Urtheil zu, aber rügen kann und muß ſie, daß bei

B. 2. nur drei Reiche erſchienen ſind, wenn ſie nicht unſinniger Weiſe annehmen

ſoll, daß die bürgerliche Baukunſt die Zugutmachung der Produkte des Menſchenreichs

ſei. Dieſe Baukunſt gehört allen Naturreichen an, in jedem Falle dem Mineral-

und Pflanzenreiche. Die Finanzwiſſenſchaft richtig betrachtet, gehört wenigſtens in

die Mitte zwiſchen die Staats- und Landeswiſſenſchaft des Verf.; da ſie am meiſten

mittelbar die Staatszwecke unterſtützt, ſo müßte ſie im Inbegriffe des Kamerale

doch auch eine Hauptſtelle finden.

§ 36.

Fortſetzung. Rau's Syſtem.

Für einen ſolchen Stand des kameraliſtiſchen Syſtemes be-

durfte es der Klarheit, Umſicht, Pünktlichkeit und des Fleißes

eines Rau, um unter Benutzung des bisher Erdachten und mit

eigener Sichtung ein Syſtem aufzuſtellen, das die ächte Wiſſen-

ſchaftlichkeit der Kameralwiſſenſchaft ins ſchönſte Licht ſtellen mußte.

Rau gab der allgemeinen Wirthſchaftslehre ihren Inhalt, und

unterſchied in der beſondern Wirthſchaftslehre die bürgerliche

(Privat-) von der öffentlichen Wirthſchaftslehre (politiſchen

Oekonomie). Er zog die ariſtoteliſche, auch ſchon von Geier be-

nutzte, Unterſcheidung der gewerblichen Thätigkeit (nämlich Er-

werben und Haushalten) herbei, theilte die bürgerliche Wirth-

ſchaftslehre in Erwerbslehre und Hauswirthſchaftslehre,

und ließ jene zerfallen in die Lehre vom Erwerbe aus Stoff-

arbeiten, aus dem Güterverkehre, durch perſönliche

Dienſte. Der Erwerb aus Stoffarbeiten geſchieht nach ihm

durch Gewinnung roher Produkte aus der Natur (Erdarbeit),

und durch Veredlung der rohen Produkte (Gewerksarbeit),

[51/0073]

der Erwerb aus dem Güterverkehre aber durch den Handel und

das Ausleihen von Vermögen gegen Renten. Die öffentliche

Wirthſchaftslehre theilt er in die reine Volkswirthſchafts-

lehre und in die angewandte. Jene iſt die eigentliche Theorie

des Volksvermögens; dieſe aber zerfällt ihm in die Lehre von der

Volkswirthſchaftspflege und in die Finanzwiſſenſchaft.

Seine Verdienſte ſind bleibend. Denn er erhob den Begriff der

allgemeinen Wirthſchaftslehre zur Wirklichkeit, ſtellte den Unter-

ſchied zwiſchen Erwerb und Hauswirthſchaft wirklich dar, bezeich-

nete den Unterſchied der bürgerlichen Gewerbe genauer, trennte

die Begriffe von Gewerbe und Gewerk, und führte die Trennung

der theoretiſchen und praktiſchen Lehren der Nationalökonomie in

der Volkswirthſchaftslehre und Volkswirthſchaftspflege unübertrof-

fen aus, ganz abgeſehen davon, daß wir ihm die wiſſenſchaftliche

Anordnung der einzelnen Theile der Materie dieſer zwei Wiſſen-

ſchaften eigentlich verdanken, und die Einführung der neueren aus-

ländiſchen Literatur ſo wie manchfache Erläuterungen und Erwei-

terungen ſchuldig ſind. Kann man aber auch nicht in das verwer-

fende Urtheil Anderer1) über dieſes Syſtem einſtimmen, ſo bleiben

doch der Kritik noch manche Verbeſſerungen deſſelben überlaſſen.

Daſſelbe hat folgende Mängel: 1) Daſſelbe iſt auch mit der Ein-

ſeitigkeit der neueſten Theorie behaftet, welche nur die Thätigkeit

für körperliche Gegenſtände als das eigentliche Objekt der Wirth-

ſchaft anſieht und in die Kameralwiſſenſchaft aufnimmt2);

2) daſſelbe wirft die Unterſcheidung der Erwerbs- und Hauswirth-

ſchaftslehre mit Unrecht in den beſonderen Theil; denn der Begriff

der Hauswirthſchaft iſt ein allgemeiner und kommt ſo in jeder

Wirthſchaft wieder vor; der Erwerb geſchieht in jeder Wirthſchaft

nach gewiſſen allgemeinen Regeln, welche zuſammengefaßt den Ge-

genſtand der Erwerbslehre im allgemeinen Theile machen; beide

treten aber in beſonderer Geſtalt bei jedem Wirthſchaftsbetriebe in

ſoferne auf, als die allgemeine Erwerbslehre dort in die Regeln

von den beſondern Erwerbsarbeiten im Einzelnen, und die Haus-

wirthſchaftslehre in jenen von dem gewerblichen Einrichten und

Zuſammenhalten der Wirthſchaft wieder auftritt. Rau nennt dieſe

zwei Leztern Kunſtlehre und Gewerbslehre3). 3) Daſſelbe

ſchließt den Handel und das Rentgeſchäft von den Stoffarbeiten

mit Unrecht aus, denn, wenn ſie auch nicht Sachliches produziren

oder auch nicht den Zweck der Veredelung haben, ſo beſchäftigen

ſie ſich doch ausſchließlich mit Stoffen und haben es mit der Er-

haltung und Aufbewahrung derſelben zu thun, neben welchen

weſentlichen Stoffarbeiten ſie als das Charakteriſtiſche die Ver-

[52/0074]

ſendung und den Uebertrag haben. Dieſe Arbeiten ſind aber nicht

etwa techniſche, in Bezug auf welche der Handelsmann oder Rent-

ner ein Techniker, aber nicht mehr der Erſtere iſt, ſondern ſie ſind

ein weſentlicher Beſtandtheil der ganzen Wirthſchaft, und ſo am

beſten im Speditionsgeſchäfte, beim Leihgeſchäfte mit Meublen

u. dgl. erkennbar4). 4) Daſſelbe führt das Sammeln wildwach-

ſender Pflanzen, das Fangen wilder Thiere und das Leſen ihrer

einzelnen brauchbaren Theile, als beſondere Wirthſchaften mit

Unrecht auf. Sie können zwar die beſondere wirthſchaftliche Be-

ſchäftigung einzelner Menſchen, Bürgersklaſſen und Volksſtämme

ſein und ſind es auch. Allein deshalb verdienen ſie eben ſo wenig

eine Stelle als beſondere Wirthſchaft im Syſteme, als die vielen

einzelnen Handelsgeſchäfte, einzelnen Zweige der Viehzucht u. dgl.,

die ausſchließlich betrieben vorkommen. Entweder iſt ihre Verein-

zelung Folge der geringen Civiliſation wie bei den Jäger- und

Hirtenvölkern, oder Folge der Arbeitstheilung in civiliſirten

Nationen. In beiden Beziehungen ſind ſie nationalökonomiſch wichtig,

aber darum noch kein beſonderer techniſcher oder wirthſchaftlicher

Zweig5). Das Sammeln wildwachſender Pflanzen findet ſeinen

natürlichen Platz in der Lehre von der Ernte, und das Fangen

wilder Thiere in der Lehre von der Jagd und Fiſcherei. 5) End-

lich ſtellt es die Finanzwiſſenſchaft als einen Theil der angewandten

Volkswirthſchaftslehre auf, was ſie keineswegs ſein kann6).

¹ Schenck, das Bedürfniß der Volkswirthſchaft. I. Vorrede S. VI. welcher

dem Rau'ſchen Syſteme der Volkswirthſchaftslehre die Zerſplitterung, ihm ſelbſt

aber vorwirft, er hänge zu ſehr am Syſteme von A. Smith. Lezteres iſt Lob für

Rau, denn er iſt kein blinder Anhänger deſſelben. Erſteres iſt ſo weit wahr, als

er die Quellen des Vermögens von ihrem Ertrage, und dieſen qualitativ an ſich,

von ſeiner Größe und deren Bedingungen trennt. Aber wie viel hat die Theorie

des Volksvermögens dadurch nicht an Klarheit gewonnen? Zweifelsohne iſt ſie

Herrn Schenck auch zu Gute gekommen. Eine andere Frage iſt jetzt

die, ob

man nicht das von Rau nothwendig getrennte wieder verbinden ſolle.

² Dies kann erſt im nächſten Abſchnitte klar werden, wenn die hierher ge-

hörenden Begriffe entwickelt ſind.

³ Rau, Ueber die Kameralwiſſ. §. 20. vrgl. mit §. 29. Schon Seeger

hat die Kunſtlehre als ſpekulativen, Schmalz die Gewerbslehre als merkan-

tiliſchen Theil erkannt, Thaer und v. Crud haben die landwirthſchaftliche,

Geier aber die gewerkliche Gewerbslehre behandelt; Beckmann hat ſchon dieſe

Unterſcheidung in der Landwirthſchaft, und nach ihm alle landwirthſchaftlichen

Schriftſteller benutzt.

⁴⁾ Rau a. a. O. §. 23. nennt ſie ſo, weil die Arbeiten an dem Stoffe des

Vermögens vorgenommen werden. In ſoferne gehört der Handel und das Rent-

geſchäft hinzu. Aber es ſind die andern Stoffarbeiten von dieſen dadurch verſchieden,

daß ſie zum ſpeziellen Zwecke nicht blos, wie Rau meint, eine Vermehrung, ſon-

dern auch eine Veredlung der Stoffe haben.

⁵⁾ Rau a. a. O. §. 24. verwechſelte hier offenbar das Nationalökonomiſche

dieſer Unterſcheidung mit dem Privatwirthſchaftlichen. Denn nur im erſteren Sinne

ſpricht der von ihm citirte Torrens, On the production of wealth Lond. 1821.

[53/0075]

⁵⁾ an verſchiedenen Stellen von der appropiate industry, was dieſe Arbeiten be-

zeichnet.

⁶⁾ Dies wird erſt in dem nächſten Abſchnitte darzuthun ſein, wo der Gehalt

beider näher bezeichnet wird.

IV. Philoſophiſche Entwickelung des kamera-

liſtiſchen Syſtemes.

§. 37.

1) Allgemeine Vorbegriffe.

Der Menſch iſt ein körperlich geiſtiges Weſen und ſteht durch

erſtere Eigenſchaft mit der Sinnenwelt in Verbindung und unter

ihren Geſetzen. Er iſt von ihr abhängig, in ſoferne er von ihr die

körperlichen Mittel zur Erreichung ſeiner Zwecke erlangen muß.

Er iſt aber auch kraft ſeiner Vernunft und ſeines Geiſtes Herr

über ſie und ſie nimmt von ihm Einwirkungen an. So einerſeits

im Verhältniſſe mit der Sinnenwelt wird er durch das in ihm

lebende Prinzip der Selbſterhaltung und der Liebe und des Haſſes

zur Geſelligkeit gebracht. Der geſellſchaftliche Verband der Men-

ſchen geht nur aus dieſen Gründen hervor, und wird durch das

Prinzip des Eigennutzes und des Gemeinſinnes erhalten1). Hängt

derſelbe im Naturzuſtande2) von der Natur und von ſeiner Kraft

und Einſicht, ſie zu benutzen und ihr zu widerſtehen, ab, ſo kommt

im Stande der Civiliſation zu dieſer Abhängigkeit noch jene vom

Menſchenverbande durch Leiſtungen, d. h. vom Verkehre. Dieſe

doppelte Abhängigkeit iſt begründet, ſubjektiv durch ſeine wahren

Bedürfniſſe und ſeinen Hang zum Wohlleben, objektiv durch eine

Menge von Dingen und Verhältniſſen verſchiedener Art, welche

nach ſeinem Anerkenntniſſe im Stande ſind, ihm entweder unmit-

telbar oder mittelbar jene ſubjektiven Gründe ſeiner Abhängig-

keit von Natur und Verkehr zu heben. Dieſe Dinge und Verhält-

niſſe verſchiedener Art, zur Befriedigung ſeiner Bedürfniſſe und

zur Erhöhung ſeines Lebensgenuſſes dienlich, nennt man Güter3).

¹ Ferguson, History of the civil society. (Basil 1789.) p. 15. 24. 30.

² Dieſer Begriff hat drei Bedeutungen. Man bezeichnet damit den Zuſtand

des Menſchen vor der geſellſchaftlichen Vereinigung, den Zuſtand deſſelben in der

Rohheit als Gegenſatz der Civiliſation, und die Abhängigkeit des Menſchen von der

Natur. Ein rein außergeſellſchaftlicher Zuſtand des Menſchen iſt, weil er Menſch

iſt, nicht denkbar; jener Zuſtand iſt alſo eine Fiktion, die nur Bedeutung hat,

wenn man ſich den Menſchen als von der Natur abhängig denkt. Die dritte Be-

deutung obigen Wortes fällt ſo mit der erſten zuſammen. In ſoferne iſt der Menſch

immer im Naturzuſtande. Die zweite Bedeutung jenes Wortes kann aber auch

keinen blos periodiſchen Zuſtand des Menſchen im Leben bezeichnen. Der Menſch

[54/0076]

² iſt ſchon im Zuſtande ſeiner Kindheit, ebenſo die Nation und die Menſchheit ſchon

im Zuſtande ihrer Kindheit, durch die geiſtigen, moraliſchen und Gemüthskräfte zur

Bildung, zum Einzelglücke und Volksglücke beſtimmt. Dieſer, und nicht ein Thier-

ſtand, iſt der Stand der Natur, in welchem der einzelne Menſch und die Nation

bleibt, ſo lange ſie leben, denn ſie ſind immer höherer Bildung und höheren

Glückes fähig; folglich ſind Rohheit und Civiliſation nur relative Begriffe, und der

Menſch iſt immer in Naturzuſtande. Was der einzelne Menſch zum Volke, das iſt

ein Volk zur ganzen Bevölkerung der Erde, zur Menſchheit. Sinkt auch ein ein-

zelner Menſch, ſo liegt es in ſeiner und in ſeiner Verhältniſſe Individualität, und

die Fortſchritte ſeines Volkes zu Bildung und Glück können immer dieſelben ſein.

Ebenſo bei der Menſchheit, wenn ein Volk ſinkt und untergeht. Jeder Menſch geht

den allgemeinen Gang der Bildung, ebenſo auch jede Nation; aber beide um ſo

ſchneller, je mehr in der Geſellſchaft ſchon Mittel zu ihrer Vervollkommnung da

ſind. Man ſ. auch Ferguson a. a. O. p. 1–15.

³ Ueber dieſen Begriff iſt Rau getheilter und nicht ganz richtiger Meinung.

Er nennt (Ueber die Kameralwiſſ. §. 8.) Alles, was den vernünftigen Zwecken

des Menſchen entſpricht, ein Gut, und gibt dennoch in der Benutzung dieſer Güter

ein ſittliches und unſittliches Wollen faktiſch zu, und ebenſo, daß ſie zum Guten

und Böſen benutzt werden könnten. Er ſcheint ſich aber zu corrigiren, indem er

auch ſpäter (Lehrb. der polit. Oekonomie. I. §. 1.) unter ſachlichen Gütern

körperliche Gegenſtände verſteht, die zur Erreichung manchfacher Zwecke als Hilfs-

mittel gebraucht werden können. Wenn auch, wie er an erſterer Stelle ſagt, dem

Gebrauche und der Erlangungsart der Güter das Sittengeſetz Regeln vorſchreibt,

ſo folgt hieraus nur, daß dieſelben zu vernünftigen Zwecken gebraucht werden

ſollten, nicht aber daß ſie nur dazu gebraucht werden können. Uebrigens gibt

auch noch das Rechtsgeſetz Regeln für Gebrauch und Erlangungsart der Güter.

Es glaubt Zachariä (40 Bücher v. Staate. Bd. V. §. 1.) eine wichtige Verbeſ-

ſerung der Wiſſenſchaft bewirkt zu haben, indem er ſtatt Gut das Wort Brauch-

lichkeit (engl. Commodity) braucht!

§. 38.

Fortſetzung. Arten der Güter.

Dieſe Güter liegen entweder im Menſchen von Natur und

werden in ihm erzeugt, dann nennt man ſie innere Güter; oder

ſie liegen außer ihm und werden außer ihm erzeugt, dann heißen

ſie äußere Güter. Dieſe Lezteren, ſind wieder entweder materi-

elle (ſachliche) Güter, d. h. körperliche phyſiſche Gegenſtände als

Güter, oder immaterielle (körperloſe), d. h. äußere Güter

ohne körperliche Natur1). Weder die inneren noch die körperloſen

äußeren Güter können ſachliche Güter werden. Aber ſie können

auf die Vermehrung der ſachlichen Güter wirken, ihre Brauch-

barkeit erhöhen, und in ſoferne in die ſachlichen Güter uneigent-

lich übergehen. Jedoch die inneren Güter des einen Menſchen

können für den anderen äußere körperloſe werden, wenn jener die-

ſem Dienſte leiſtet. Mit dieſen Dienſten aber und mit ſachlichen

Gütern kann man ſich auch körperloſe äußere Güter verſchaffen

und ſeine inneren Güter erhöhen. Dieſe Wechſelwirkung wird klar

durch die nähere Bezeichnung der Güter ſelbſt. Innere Güter

ſind die Vernunft, die innere Freiheit, die Religion, die morali-

[55/0077]

ſchen, intellektuellen und die Kunſtanlagen, die Tugend, die

Kenntniſſe, die Geſchicklichkeiten (geiſtig und körperlich) und die

Fertigkeiten (körperlich) des Menſchen.Sachliche Güter ſind

alle rohen und veredelten Erzeugniſſe der Natur, welche den inneren

Gütern des Menſchen zu ſeinen Zwecken unterworfen ſind, alſo

auch des Menſchen eigener Körper2). Körperloſe äußere Güter

ſind alle Verhältniſſe und Umſtände, welche als Erzeugniſſe des

Menſchenverkehres für die Förderung ſeiner manchfachen Zwecke

tauglich ſind3). Es gehören hierher a) die äußeren und inneren

Verhältniſſe des Staates und im Staate, nämlich die Erhaltung

des Beſtandes und die Beförderung des Rechts, des Güterweſens

in obigem Umfange zur materiellen und immateriellen Verbeſſerung

des Menſchenlebens, und der öffentlichen und Privatſicherheit;

b) die Verhältniſſe des Familienlebens, nämlich der Liebe, der

Ehe, der Vater- und Mutterſchaft, und der Vormundſchaft, ſo

wie das Verhältniß des Herrn zu dem Geſinde; c) die Verhältniſſe

geſellſchaftlicher Vereinigungen im Staate, nämlich jene der Freundſchaft, der

Wohlthätigkeit, des Vergnügens, des Erwerbs,

der Wiſſenſchaft, der Kunſt und Sittlichkeit; d) das Vorhanden-

ſein und die Nutzerlaubniß von Anſtalten des Staats, der Einzel-

nen, der Geſellſchaften, Gemeinden und Corporationen für die

verſchiedenſten Zwecke der Menſchheit; e) und endlich die gegen-

ſeitigen Leiſtungen im Verkehre durch Dienſte4).

¹ Rau (Ueber die Kameralwiſſ. §. 8. 11. Lehrb. der polit. Oekonom. I.

§. 1. 2. 46. 95.) iſt der Meinung, man wolle mit der Eintheilung in äußere

und innere Güter jene in ſachliche und perſönliche bezeichnen, und wählt

daher dieſe leztere Eintheilung, womit er aber nicht blos den Namen, ſondern das

Theilungsprinzip ſelbſt ändert. Die Unvollſtändigkeit dieſer Eintheilung iſt aus

Obigem erſichtlich. Derſelbe ſcheint die perſönlichen Güter Zuſtände nennen zu

wollen, was ſie aber eben ſo wenig, als alle Eigenſchaften ſind.

² Nimmt man die Sache als der Perſon gegenübergeſetzt an, dann hat

Rau Recht, wo er den Körper mit ſeinen Eigenſchaften perſönliches Gut nennt.

Im Gegenſatze des Materiellen und Nichtmateriellen iſt aber obige Unterſcheidung

richtig. Er geht aber zu weit, wo er (§. 95.) Vortheile der Menſchen mit

perſönlichen Gütern gleichbedeutend nimmt. Es folgt zwar hieraus nicht, daß

in dieſem Sinne alle Güter perſönliche ſind, wie Hermann ſtaatswirthſchaftliche

Unterſuchungen (München 1832). Abh. I. §. 2. Anmerkg. ſchließt, denn ſo ſchöbe

man den Fehler unter, die Wirkung (Vortheil) für die Urſache (Gut) genommen

zu haben. Er hat vielmehr nur die allgemeine Wirkung der Güter für die ſpezielle

der perſönlichen Dienſte geſetzt. Das von ihm gebrauchte geradezu iſt nicht

bezeichnend genug. Die Erklärung dieſes Irrthums ſ. unten in §. 39.

³ Dieſe Definition ſtreng feſtzuhalten iſt wichtig, um die wahren äußeren

körperloſen Güter zu ſichern. So iſt z. B. die innere Freiheit das erſte innere

Gut, die äußere Freiheit aber das erſte immaterielle äußere Gut. Man

könnte die Güter auch kurz in Natur- und Verkehrsgüter eintheilen, nach ihrem

Urſprunge und nach der Exiſtenz und Coexiſtenz des Menſchen. Hermann a. a. O.

I. §. 2. verfällt in den Fehler der Inconſequenz, wo er die Religion und die

Wiſſenſchaft zu den immateriellen äußeren Gütern rechnet. Beide ſind blos

[56/0078]

³ innere Güter, denn ſie ſind, entſtehen und bilden ſich aus im Innern des Menſchen.

Sind ſie blos äußerlich, dann verloren ſie ihr Weſen. Aber die Verhältniſſe des

Schutzes und der Beförderung von Wiſſenſchaft und Religion, ſo manchfach ſie auch

ſein mögen, ſind äußere immaterielle Güter.

⁴⁾ Nur die Dienſte an ſich, ganz abgeſehen von ihren materiellen Folgen für

den Empfänger derſelben; ebenſo bei d) nicht das Materielle der Anſtalten, ſondern

ihr Gegebenſein und ihre Nutzbarkeit zu den menſchlichen Zwecken.

§. 39.

Fortſetzung. Werth. Wirthſchaft.

Die Mitwirkung der Güter zur Erreichung der Zwecke des

Menſchen hängt an ſich von ihrer Tauglichkeit ab. Der Grad der

Tauglichkeit eines Gutes für menſchliche Zwecke iſt ſein Werth,

der mit dieſer Tauglichkeit im Vergleiche mit anderen Gütern und

mit der Wichtigkeit des Zweckes ſteigt und fällt. Dieſer Werth

in Verbindung mit der Thätigkeit des Menſchen zur Anwendung

des Gutes gibt die Nutzung, welche eine mittelbare iſt, wenn

wenn das Gut die Mittel zur Befriedigung von Bedürfniſſen und

zur Erhöhung des Lebensgenuſſes gibt, dagegen eine unmittel-

bare, wenn das Gut ſelbſt dieſe Zwecke befördert. Die mittelbare

Nutzung findet Statt, wenn demſelben neue nutzbare Dinge abge-

wonnen werden oder wenn man daſſelbe gegen brauchbare Dinge

abtritt1). Jene ſind Güter, von Gebrauchswerth, dieſe aber

von Tauſchwerth. Die Summe von Gütern von Gebrauchs-

und Tauſchwerth, welche man ausſchließlich beſitzt, bildet das

Vermögen2). Die Thätigkeit des Menſchen zur Beiſchaffung,

Erhaltung und Verwendung des Vermögens heißt man Wirth-

ſchaft3). Dieſe iſt alſo nur möglich mit Gütern, welche einen

Gebrauchs- und Tauſchwerth haben, mit allen anderen aber nicht,

welche ſo und in ſolcher Menge vorhanden ſind, daß ſie gar nicht

ausſchließlich von einer Perſon beſeſſen werden können und zu ſein

brauchen, weil ſie jeder freie Menſch genießt, oder ohne Mühe

von der Natur empfängt4). Die ſyſtematiſche Darſtellung der

Grundſätze und Regeln von der Wirthſchaft iſt die Wirthſchafts-

lehre oder Kameralwiſſenſchaft5).

¹ Der Acker gibt im Getreide ein unmittelbar nutzbares Erzeugniß, während

er nur eine mittelbare Nutzung geſtattet. In dieſen Verhältniſſen ſtehen alle ſach-

lichen Güter. Die inneren Güter laſſen zum Theile eine unmittelbare Nutzung,

zum Theile eine mittelbare zu; z. B. die Wiſſenſchaft, die Kunſt, beſonders die

Muſik, womit man ſich ſelbſt Genüſſe verſchaffen, und Andern Dienſte leiſten kann,

welche nutzbare Folgen haben. Die äußeren körperloſen Güter ebenfalls, nur ver-

ſchwindet die Mittelbarkeit der Nutzung bei ihnen mehr, als bei den andern, z. B.

die mittelbaren und unmittelbaren Genüſſe und Vortheile des häuslichen Lebens.

² Franzöſiſch richesse, engliſch riches und wealth genannt, in Deutſchland

aber fälſchlich mit Reichthum bezeichnet, der ein hoher Grad von Vermögensbeſitz

[57/0079]

² iſt. Hermanns Anſicht von Reichthum (ſtaatsw. Unterſuchungen. I. Abh.

§. 5–7.) ſcheint vom Sprachgebrauche nicht gebilligt zu werden. Das Befinden

eines Gutes unter der Willkühr eines Menſchen, ſo daß er andere von deſſen

Genuſſe ausſchließen kann, bildet ihm nach den Begriff Tauſchgut. Fülle von

Gütern iſt ihm Reichthum, Fülle von Gegenſtänden, die als Tauſchgut anwend-

bar, Bedürfniſſe zu befriedigen im Stande, und überall nicht in beliebiger Menge

ohne Entgelt zu haben ſind, iſt ihm wirthſchaftlicher Reichthum. Zum

Begriffe von Vermögen hält er aber das Eigenthum, nicht den bloßen

Beſitz, und äußere Tauſchgüter für nöthig. Der Reichthum umfaßt ſcheinbar

auch innere Güter, z. B. Reichthum an Gefühlen, Kenntniſſen, Talenten, und

ſcheint alſo weiter als Vermögen, welches nicht blos nur äußere, ſondern ſogar

nur äußere Güter von Gebrauchs- und Tauſchwerth, die ſich im ausſchließlichen

Beſitze eines Menſchen befinden, umfaßt. Allein ausſchließlicher Beſitz und

Eigenthum iſt eins und daſſelbe. Nimmt man Erſteren ex lege, dann hat der

Beſitzer die Befugniſſe des Eigenthümers; nimmt man ihn de facto, ohne nach der

Erwerbsart zu fragen, ſo bleibt der Begriff von reich und vermögend beim Beſitzer

nur ſo lange, als man die geſetzwidrigen Gründe ſeines Beſitzes nicht kennt.

Werden dieſe bekannt, ſo fällt mit dem ausſchließlich der Begriff Eigenthum,

Vermögen und Reichthum hinweg. Hermann meint zwar, die perſönlichen

Güter, z. B. Arbeitskraft in freien Ländern, könne man nicht Eigenthum nen-

nen, weil ſie der Menſch zwar wohl vermiethen, aber nicht verkaufen dürfe,

und folglich eine Befugniß des Eigenthums fehle. Allein das iſt Selbſttäuſchung;

denn die Arbeitskraft für ſich ohne den Menſchen zu verkaufen iſt unmöglich; es

müßte alſo der Menſch mit jedem perſönlichen Gute ſich ſelbſt als Sklave ver-

kaufen; dieſes, als ein Vergehen gegen das Moral- und Rechtsprinzip, kann der

Staat nicht dulden, wie viele andere unrechtmäßigen und immoraliſchen Benutzungen

des Eigenthums. Wenn der Begriff Reichthum auch von inneren Gütern ge-

braucht wird, ſo iſt dies nur tropiſch zu verſtehen; denn die Sprache ſetzt in dieſen

Fällen immer das innere Gut hinzu, woran man reich iſt. Aber Reichthum

allein, alſo in ſeiner eigentlichen Bedeutung ausgeſprochen, gilt nur von einem

hohen Grade von Vermögen. Deswegen iſt der Ausdruck wirthſchaftlicher

Reichthum ein Pleonasmus.

² say, Cours d'économie politique (Paris 1828. VI. Tom. 8.) I. 163.

Ueberſ. von v. Theobald. I. 120. Steuart, political oeconomy. II. 26. Rau

(Lehrb. I. §. 2.) hat aber Unrecht, indem er ſchon diejenigen Güter für Vermögen

rechnet, die ſich in der Gewalt eines Subjectes befinden. Dieſes Criterium iſt

viel zu weit, denn z. B. Verwalter, Kaſſirer, Miniſter haben Gewalt über Ver-

mögen, das nicht ihr Vermögen iſt. Hermann geht jedoch in der Beſchuldigung

gegen Rau zu weit, wo er ihm deswegen Inconſequenz und Widerſpruch vorwirft,

weil er (Lehrb. der polit. Oekonom. I. §. 2.) das Vermögen als blos aus ſachlichen

Gütern beſtehend darſtellt, und (§. 55.) dennoch behauptet, die Werthe bildeten

das Vermögen. Denn Lezteres ſagt Rau nur mit Bezug auf die ſachlichen Güter,

um zu zeigen, daß nicht die Menge der Gegenſtände dem Körper nach den größeren

Reichthum begründe. Allein Rau fehlt darin, daß er blos ſachliche Güter als

Beſtandtheile des Vermögens gelten läßt (Ueber die Kameralwiſſenſchaft §. 11.),

die fortgeſetzte Sorge für das Vermögen Wirthſchaft nennt, dennoch (Lehrb. I.)

§. 46.) die den ſachlichen entgegengeſetzten Güter als Umſtände erwähnt, welche auf

die Größe des Vermögens mächtigen Einfluß äußern, und dennoch den weitern

Begriff von Gut zuläßt (ſ. oben §. 37. Note 3.). Denn es können wirklich kör-

perloſe äußere Güter wahres Vermögen ſein, wenn ſie der ausſchließliche Beſitz

eines Menſchen ſind und wirklichen Tauſchwerth haben. Hermann iſt hier in

lezteren Kriterien nicht ſtreng konſequent, da er überhaupt die Sorge für die

Beiſchaffung und Verwendung der äußeren Güter Wirthſchaft nennt (§. 3.) und

die als äußere immateriellen Güter bezeichneten Lebensverhältniſſe zum Vermögen

rechnet (§. 7.), obſchon er allgemeinhin und nach ſeinem ſcheinbar noch ſtrengeren

Sinne zum Vermögen den Begriff von Eigenthum fordert, und unter den

weſentlichen Befugniſſen des Eigenthümers das Veräußerungsrecht aufzählt.

Denn die wenigſtens Lebensverhältniſſe haben einen Tauſchwerth. Selbſt die von

ihm z. B. genommene Kundſchaft eines Gewerbsmannes hat nur in einzelnen

[58/0080]

² Fällen einen ſolchen, während ihr Beſitzer ſich dadurch bereichern kann, ohne ſie

veräußern zu können. Kann aber das Leztere geſchehen, ſo iſt es gewiß ſtets nur

zufolge beſonderer Umſtände, da ſich ſonſt die Kundſchaft freiwillig bei den beſten

Leiſtungen im Verkehre ſammelt. Dieſe beſonderen Umſtände müſſen die Kundſchaft

aber zu einem ausſchließlichen Beſitze ex lege oder de facto für die Zukunft gemacht

haben; im erſten Falle iſt ſie ein Privilegium, im zweiten aber eine Art von

Monopol zufolge des Mangels an Concurrenz. Ricardo, Principles of political

economy. ch. 20., hat wegen ſeiner Anſicht von Werth auch eine verworrene

Anſicht von riches (ſ. unten §. 57. Note 2. und §. 61. Note 2.). Denn er ſagt

dort, dieſer richte ſich nicht nach dem Werthe, ſondern nach dem Ueberſchuſſe zur

Befriedigung der Bedürfniſſe und zum Lebensgenuſſe. Allein der Widerſpruch iſt

klar, da ſich nach ihm der Tauſchwerth nach Seltenheit und Menge, und Schwierig-

keit der Schaffungsarbeit richtet, da die Möglichkeit der Bedürfnißbefriedigung und

die Erhöhung des Lebensgenuſſes von dem Werthe, und nur bei gleichem Werthe

von der Menge der Güter abhängt, da ſich nach jenem die Möglichkeit der Anſchaf-

fungen richtet.

³ Abgeleitet von Werth, Werthſchaffen, Werthſchaft, Wirth-

ſchaft. Es iſt unrichtig, als lezten Zweck der Wirthſchaft blos die Befriedigung

der Bedürfniſſe anzugeben, und um zum Begriffe der Wirthſchaft zu gelangen, von

dem Bedürfniſſe auszugehen. Seeger Syſtem. S. 17. Hermann, ſtaatswirth.

Unterſuchungen. Abh. I. §. 3. Denn einerſeits iſt alsdann wegen der vielfachen

Gründe der Bedürfniſſe die Frage gar nicht beantwortet, und anderſeits begnügt

ſich das menſchliche Streben nicht mit der Befriedigung der Bedürfniſſe, es will

immer Erhöhung des Lebensgenuſſes, im Vergleiche zu welchem am Ende die

Bedürfniſſe ſehr verſchwinden. Rau, Ueber die Kameralwiſſ. §. 9.

⁴⁾ Mit dem Sonnenſchein, Regen, Winde, der Luft, dem Waſſer, der Erde,

als Ganzen, u. ſ. w. findet keine Wirthſchaft Statt, obſchon man aus einer

ſonnigen Bleiche, aus einem Zuber Regenwaſſer, aus dem Winde bei einem Gebläſe,

aus Gasarten, aus einem Brunnen, und aus einem Stücke Boden oder einem

Wagen voll Erde vielen wirthſchaftlichen Nutzen ziehen kann. Hermann a. a. O.

unterſcheidet daher freie und wirthſchaftliche Güter, was ſo viel iſt als Güter

ohne und mit Tauſchwerth. Rau, über die Kameralwiſſ. §. 11.

⁵⁾ Der Begriff Oekonomie iſt nicht gleichbedeutend mit Wirthſchaft,

obſchon in der Regel ſo gebraucht. Daher war auch das früher gebrauchte Oeko-

nomik für Wirthſchaftslehre nicht richtig, obſchon beſſer als Oekonomie. Am

verwerflichſten iſt der Gebrauch von Oekonomie für Landwirthſchaft. Ari-

ſtoteles unterſcheidet im Begriffe von οἰκονομια (von οἴκος und νέμω) die Bezie-

hung zwiſchen dem Herrn und Sklaven, zwiſchen Mann und Frau, Eltern und

Kindern, und den Erwerb (κτῆσις). Der Zweck der Oekonomie iſt darnach gegen-

ſeitige Unterſtützung und Leitung der Familienſachen zur Ausbildung der Mitglieder,

wozu der Erwerb nur als Mittel erſchien, aber an ſich nicht geachtet wurde. Im

Begriffe von Oekonomie kommen alſo auch alle Güter vor, welche keinen Tauſchwerth

haben, nämlich alle körperloſen äußeren und die inneren Güter. Die Oekonomie

(Haushaltung) iſt alſo die Thätigkeit zur Erwerbung, Erhaltung und Anwendung

von Gütern überhaupt, die Wirthſchaft aber nur Theil und Mittel derſelben.

§. 40.

2) Entwickelung des kameraliſtiſchen Syſtemes.

Weder eine reine Anordnung nach den Objekten der Wirth-

ſchaft, wie ſchon verſucht wurde.1), noch eine ſolche nach den

Subjekten derſelben kann ein genügendes Syſtem geben, gerade

weil der Gegenſtand der Wiſſenſchaft ſo eminent praktiſch iſt.

Beide Rückſichten müſſen die Theilungsprinzipien geben. Die

Wirthſchaftslehre ſichtet bei den Wirthſchaften das Spezielle einer

[59/0081]

jeden Eigenthümliche von demjenigen, was ſie gemein haben.

Manche Wirthſchaftsregeln ſind auf jede Wirthſchaftsart anwend-

bar, und ihre Kenntniſſe für jeden verſtändigen Betrieb nöthig,

da ſie ganz einfach und aus den allgemeinen Natur- und Verkehrs-

verhältniſſen der Menſchen entnommen ſind. Es trägt daher:

I. Der allgemeine Theil der Wirthſchaftslehre die allge-

mein giltigen Grundſätze von dem Erwerbe, der Erhaltung und

Verwendung des Vermögens vor. Da aber die zwei lezten Kate-

gorien ſo verwandt ſind, daß ſie die Sprache mit Hauswirth-

ſchaft bezeichnet, ſo theilt ſich dieſer allgemeine Theil ein in:

1) die Erwerbslehre, welche die allgemeinen Gründe und

Mittel des Erwerbes oder der Herbeiſchaffung der wirthſchaftlichen

Güter darſtellt; und 2) die Hauswirthſchaftslehre, welche

die Mittel zur Sicherung der Güter gegen die Zerſtörung oder

Verſchlechterung und die Grundſätze und Regeln von der wirth-

ſchaftlichen Einrichtung der Verwendung der Güter, und zwar dies

Alles blos mit Bezug auf das bei jeder Wirthſchaft vorkommende

Hausweſen, nicht aber mit Rückſicht auf jeden beſonderen objektiv

und ſubjektiv eigenthümlichen Erwerbszweig, darſtellt2). Es

läßt ſich:

II. Der beſondere Theil der Wirthſchaftslehre, welcher die

Grundſätze und Regeln der verſchiedenen Arten von Wirthſchaften

lehren muß, am beſten ſogleich nach den Subjekten eintheilen.

Man unterſcheidet die wirthſchaftlichen Thätigkeiten der Einzelnen,

Stiftungen, Corporationen, Geſellſchaften und Gemeinden von je-

nen des Staates und Volkes als Totalität betrachtet. Jene

Einzelwirthſchaften der Privaten, Stiftungen und Geſell-

ſchaften ſind ſowohl in Bezug auf die Betriebsart, die Ausdehnung

und die Gegenſtände übereinſtimmend, aber auch zugleich verſchie-

den von jener der Gemeindewirthſchaft, und jenen der

Staats- und Volkswirthſchaft3). Man erhält daher füglich

drei Theile der beſonderen Wirthſchaftslehre, die bürgerliche,

die Gemeinde- und die öffentliche Wirthſchaftslehre.

¹ S. §. 35. Note 10.

² Die Hauswirthſchaft iſt ein bei jeder Wirthſchaft wiederkehrender Geſchäfts-

kreis; ſie iſt etwas Allgemeines, indem ſie das durch irgend einen Erwerbszweig

Errungene zu den allgemeinen Zwecken des Familienlebens bereit hält und darreicht.

Auch ſie wird nur als Mittel zur Haushaltung betrachtet Daher ſteht der Haus-

wirthſchaft nicht, ſondern nur der Haushaltung zu beſtimmen zu, auf welche

Zwecke und was und wie viel zu einem beſtimmten Zwecke verwendet werden ſolle.

Was aber zu wirthſchaftlichen Zwecken allein verwendet werden ſoll, das fällt wieder

in das Bereich der Hauswirthſchaft, nämlich dasjenige, was an ſachlichen Gütern

täglich zubereitet und verzehrt werden muß und darf. Die Verwendungen z. B. für

Unterricht der Kinder beſtimmt die Haushaltung, die Hauswirthſchaft hat die Mittel

[60/0082]

² hierzu bereit zu halten und abzuliefern, aber nach der Ablieferung dabei nichts mehr

zu thun. Die Verwendungen z. B. für Speiſe und Trank beſtimmt die Haushal-

tung, die Hauswirthſchaft hat die Mittel dazu bereit zu halten, abzuliefern, aber

auch zugleich einzutheilen, zuzubereiten, vorzuſetzen. Dieſe Unterſcheidung iſt ſelbſt

für die Finanzwirthſchaft (§. 44.) von Wichtigkeit. Aber außerhalb des Kreiſes der

Hauswirthſchaft ſteht das Zuſammenhalten des Gewerbsbetriebes, das Bereithalten

der Gewerbsmaterialien, die Beſorgung der Gewerbsauslagen u. dgl.; denn das iſt

etwas Spezielles, jeder Wirthſchaftsart Eigenthümliches, das im folgenden §. zu-

ſammengefaßt wird.

³ Dieſe wichtige Unterſcheidung iſt dem Syſteme von Rau auch entgangen.

Sie muß aber dennoch ſchon nach der Natur der Sache gemacht werden, weil die

Gemeindewirthſchaft von der bürgerlichen ſehr verſchieden iſt, und auch, mit der

Finanzwirthſchaft verglichen, viel Eigenthümliches hat. Dieſe Wirthſchaftslehre iſt

bis jetzt gar nicht bearbeitet, obſchon ſie von der größten Wichtigkeit iſt, beſonders

wenn die Gemeinden ſelbſtſtändige Verwaltung bekommen.

§. 41.

Fortſetzung.

Es ſtellt A. die bürgerliche Wirthſchaftslehre (Privat

W.) die Grundſätze und Regeln der Einzelwirthſchaften dar. Bei

jedem bürgerlichen Gewerbe läßt ſich die Lehre von den einzelnen

Gewerbsgegenſtänden und Gewerbsgeſchäften trennen von der Lehre

von der Einrichtung, von der Zuſammenhaltung und von der Leitung

des ganzen Geſchäftes. Den erſten Theil kann man die Gewerbs-

lehre, den zweiten die Betriebslehre nennen1). Die verſchie-

denen Erwerbsarten ſcheiden ſich nach der Art der Beſchäftigung,

und nach den Objekten weiter ab. Man erwirbt durch körperliche

und örtliche Veränderungen von Stoffen (Stoffgewerbe,

Stoffarbeit) oder durch perſönliche Dienſte (Dienſtgewerbe).

Es lehrt 1) die Stoffgewerbslehre, a) wie man die rohen

Gegenſtände der Natur abgewinnt (die Urgewerbe, Urproduktion,

Erdarbeit)2); b) wie man dieſe rohen Produkte durch mechaniſche

und chemiſche Veränderung veredelt (die Kunſtgewerbe,

Technik, Gewerksarbeit)3); c) wie man die nicht zur eigenen

Verzehrung und Verwendung errungenen Güter gegen Vergütungen

an andere abtritt (die Umſatzgewerbe, Tauſchgeſchäfte)4).

Es lehrt aber 2) die Dienſtgewerbslehre, wie viele Arten von

perſönlichen Dienſten es gibt, und wie die Dienſtgewerbe zu be-

treiben ſind5).

¹ Rau (Ueber die Kameralwiſſenſch. §. 29.) nennt den Erſteren Kunſt-

lehre und den Zweiten dagegen Gewerbslehre. Ohne auf obige Veränderun-

gen beſondern Werth zu legen, möchte ſich der Verf. vor dem Vorwurfe unnöthiger

Neuerungsſucht verwahren. Mit Kunſtlehre ſind allerlei andere Nebenbegriffe,

Gegenſätze der Gewerbe, verbunden; beim Handel und Leihgeſchäfte iſt der Grund,

warum Rau das Wort wählte, nämlich die techniſche Manipulation, nicht ſo

wirkſam, wie bei den andern Gewerben; der bei b. vorkommende Ausdruck

[61/0083]

¹ Kunſtgewerbe könnte Verwirrungen veranlaſſen; der Ausdruck Gewerbe und

Gewerbsbetrieb ſcheint obige Benennung zu rechtfertigen.

² Der von Rau a. a. O. §. 24. gewählte Ausdruck Erdarbeit möchte

dennoch uneigentlich ſein, wenn auch Fiſche und Vögel mit zur Erde gerechnet

werden müſſen; das von v. Soden gebrauchte Wort Urproduktion iſt bezeichnender,

aber es enthält nicht zugleich den Begriff von Gewerb und Wirthſchaft; die Wahl

des Verf. dürfte daher wohl beſſer ſein.

³ Die eigentliche Bedeutung des Wortes Gewerk hat Rau a. a. O. §. 24.

ſo nach dem Sprachgebrauche fixirt, daß es die Kunſtgewerbe bezeichnet. Darjes

(Erſte Gründe S. 27.) gebraucht es ſpeziell als Gegenſatz der Fabriken und Manu-

fakturen zur Bezeichnung der Kunſtgewerbe, die in der Scheidung der Stoffe beſtehen.

⁴⁾ Man hat die Umſatzgeſchäfte auch ſchon als bloße perſönliche Dienſte

anſehen wollen. Lotz, Handb. der Staatswirthſch. I. S. 186. Verri, Meditazioni

sulla economia politica Milani 1771. = Classici Italiani di Economia Politica.

Parte moderna. T. XV. §. 24. Die Gründe gegen dieſe Anſicht liegen ſchon im

Bisherigen.

⁵⁾ Der Ausdruck Dienſtgewerbe wird von Rau auch insbeſondere von den

zu einer anhaltenden Beſchäftigung gewählten Dienſten gebraucht, z. B. vom Ge-

werbe eines Gaſtwirthes, eines Schauſpielunternehmers. Allein dieſe Begründung

jenes eigenthümlichen Gebrauchs von Dienſtgewerbe ſcheint dem Verf. zu weit, da

dieſer Ausdruck von jedem Geſchäfte jedes Arbeiters, womit er ſich nährt, auch

gebraucht werden kann.

§. 42.

Fortſetzung.

Die früher üblich geweſene Eintheilung der bürgerlichen

Wirthſchaftslehre in die Lehre von der Stadt- und Landwirthſchaft

iſt jetzt ganz ohne Bedeutung, da in der Wirklichkeit ein ſolcher

Unterſchied nicht mehr exiſtirt. Die ſpäteren Verſuche einer Ein-

theilung nach den Objekten aus den drei Naturreichen ſind ganz

unbrauchbar, weil ſie die einzelnen Gewerbsarten mehr oder we-

niger durcheinander werfen1). Es handelt aber a) die Urge-

werbslehre von der Gewinnung roher Erzeugniſſe, ohne vorheriges

Einwirken auf die Entſtehung (Bergbaulehre) oder mit Ein-

wirkung auf dieſelbe (Landwirthſchaftslehre). Die Land-

wirthſchaftslehre lehrt die Feld-, Garten- und Wald- (Forſt-)

Wirthſchaft2). Die mit ihr in Verbindung ſtehende Thierzucht

iſt Zahmthierzucht oder das Waidwerk (Wildthierzucht),

jene gehört zur Feld- und Gartenwirthſchaft, dieſes zur Forſt-

wirthſchaft3). Es handelt b) die Kunſtgewerbslehre oder

Technologie von der Veredelung der Rohſtoffe zur Erhöhung

ihrer Brauchbarkeit. Die Anordnung dieſes wegen ſeiner Uner-

meßlichkeit und fortwährenden Vergrößerung noch nicht völlig

geordneten Stoffes geſchieht am beſten nach den verarbeiteten

Stoffen4). Die beiden anderen Theilungsgründe, nämlich die

Zwecke der Erzeugniſſe, und die Art der Verarbeitung (chemiſch

oder mechaniſch) ſind ſehr unbrauchbar5). Da die Stoffe ent-

[62/0084]

weder Einem der drei Naturreiche, oder Zweien derſelben, oder

allen Dreien angehören, ſo findet aus natürlichen Gründen ſowohl

das Hüttenweſen als die Baukunſt, deren Einreihung früher viel

Schwierigkeit machte, ihren Platz in der Technologie6). Endlich

handelt c) die Lehre von den Umſatzgewerben von dem Ge-

werbe, das durch An- und Verkauf des Eigenthums an Gegen-

ſtänden dem Wirthe Gewinn geben ſoll (Handel) oder von jenem,

welches blos durch periodiſche Abtretung des Nutzungsrechts an

wirthſchaftlichen Gütern gegen eine Vergütung erwirbt (Leih-

gewerbe).

¹ Selbſt ſchon der Bergbau fordert nicht blos mineraliſche Stoffe, z. B. die

Salze, den Torf. Das ganze Gebiet der Technologie müßte bei ſtrenger Conſequenz

zerriſſen werden.

² Rau, Ueber die Kameralwiſſ. §. 24., glaubt es der Conſequenz ſchuldig zu

ſein, wegen dieſes Theilungsgrundes neben dem Bergbaue noch das Sammeln wild-

wachſender Pflanzen, die wilde Jagd und wilde Fiſcherei aufzuführen, dagegen bei

der Landwirthſchaft die Thierzucht und zahme Jagd zu nennen. Allein dadurch ent-

ſteht eine Zerſplitterung des Syſtems, welche die Conſequenz gar nicht verlangt

(ſ. §. 36. oben). Auf die bergmänniſch zu fördernden Produkte kann der Menſch

nicht erzeugend wirken; auf die Erzeugung wilder Pflanzen will er aber blos nicht

wirken, weil er es nicht braucht; der Unterſchied zwiſchen wilder und zahmer Jagd

iſt aber in der That nur ſcheinbar, und nicht in der Einwirkung auf die Erzeugung

des Wildes zu ſuchen, weil dieſe Einwirkung bei der widerſprüchlich ſogenannten

zahmen Jagd blos in der negativen Sorge beſteht, das Wild nicht überhand nehmen

und nicht ganz ausſterben zu laſſen; auf die Erzeugung der wilden Fiſche im Meere

und in den Strömen kann der Menſch ebenfalls nicht wirken. Es iſt daher gar

kein Verſtoß gegen die Conſequenz, wenn man das Sammeln wildwachſender Pflan-

zen, Früchte, Blüthen, Wurzeln u. ſ. w. als einen Theil der Ernte betrachtet,

die ſogenannte wilde Jagd als das Geſchäft des Jagens bei der ſogenannten zahmen

Jagd betrachtet, und dieſer die Wildfiſcherei einverleibt, welche blos zufolge der

Oertlichkeit und Arbeitstheilung eben ſo von einander getrennt wurden, wie die

Schaafzucht, Pferdezucht und Rindviehzucht.

³ So ſteht die Forſtwirthſchaft im Syſteme, da Land das Geſchlecht,

aber Feld, Garten und Wald die Arten ſind. Allein wegen der Ausdehnung

und Verſchiedenheit der Forſtwiſſenſchaft im Vergleiche mit der Landwirthſchaftslehre

wegen Bearbeitung des Bodens, wegen der Saat und Pflanzung, wegen des Wuchſes

und Pflege der Pflanzen, wegen der Ernte (Hieb) u. ſ. w. hat man ſie, als eine

eigene Wiſſenſchaft, abgeſondert. Darum folgt auch der Verf dieſer Gewohnheit.

Rau, Ueber die Kameralwiſſ. §. 25.

⁴⁾ Dieſe Eintheilung hat Poppe in ſeinen technologiſchen Werken mit vielem

Glücke befolgt, nachdem ſie ſchon von Walther (Syſtem der Kameralwiſſenſchaften.

Thl. III. S. 15.), Broſenius (Technologie. I. S. 10.), Kunz (Ueberſicht der

wichtigſten Handwerke c. Braunſchweig 1807. 4.), Seeger (a. a. O. S. 29.

Tab. 5.) und von Schmalz (a. a. O. S. 91.) befolgt war.

⁵⁾ Allein der Zweck eines Produkts kann nicht zur Verdeutlichung der Pro-

duktionsverrichtungen dienen, und ein und daſſelbe Produkt dient oft zu vielen ver-

ſchiedenen Zwecken, ſo daß Wiederholungen unvermeidlich ſind, ſelbſt wenn man

eine Klaſſifikation der Zwecke für möglich erklären möchte. — Es gibt auch Gewerke,

und die meiſten ſind ſolche, bei welchen die Arbeiten theils mechaniſch, theils chemiſch

ſind. Daher machte Poppe eine dritte beide Arbeiten verbindende Claſſe von

Gewerksarbeiten. Uebrigens kann dieſe Dreiheit als Theilungsnorm für die Unter-

abtheilungen dienen. — Bei v. Pfeiffer (Lehrbegriffe. Bd. III.) herrſcht noch

völlige Unordnung. Die erſtere Anordnung haben Roſenthal und Leuchs

[63/0085]

⁵⁾ (Syſtem des Handels. Bd. I. S. 11 folg.) befolgt. Die andere aber mehr Jung

(Verf. eines Lehrb. der Fabrikwiſſ. Nürnb. 2te Aufl. 1794. §. 13.), Lamprecht

(Encyclopädie. S. 93. Lehrb. der Technologie. Halle 1787. §. 23 und 24.) und

Sturm (Encyclopädie. §. 394.). Ueber noch andere Eintheilungsgründe ſ. m.

Geier, Ueber Encyclopädie. §. 29.

⁶⁾ Die Baukunſt iſt eine Bearbeitung von Gegenſtänden aller drei Naturreiche

auf mechaniſchem und chemiſchem Wege. Das Hüttenweſen gehört in der Wiſſen-

ſchaft eben ſo wenig zur Bergbaulehre, als die Verarbeitung von Pflanzen- und

Thierſtoffen in die Land- und Forſtwirthſchaftslehre. Würde man das Entgegen-

geſetzte als Prinzip annehmen, dann müßte ſich die Technologie ganz auflöſen und

ſelbſt die Maſchinenlehre verſchwinden. Nichts deſto weniger kann man aber von

einer bergmänniſchen, land- und forſtwirthſchaftlichen Technologie reden.

§. 43.

Fortſetzung.

B. Die Gemeindewirthſchaftslehre lehrt die Grund-

ſätze und Regeln, wonach das Gemeindevermögen auf die zweck-

mäßigſte Weiſe verwaltet, und das Gemeindeeinkommen gerechter

Weiſe und mit der geringſten Gefährdung der Vermögensquellen

der Bürger erhoben, — und die Maximen, wie dieſe Erhebung,

die Bereithaltung des Einkommens zur Verwendung, die Controle

und Rechtfertigung derſelben einzurichten ſei1). Dieſelbe ſteht

nicht durchaus unter den nämlichen Regeln wie die Finanzwiſſen-

ſchaft, ſie hat, obſchon ſie in den allgemeinen Maximen mit ihr

übereinſtimmt, vielmehr viel Eigenthümliches. Schon im Allge-

meinen iſt der Maaßſtab der Staaten zur Einrichtung der Ge-

meindewirthſchaft zu groß, ganz abgeſehen von der eigenthümlichen

Frage über das Gemeindevermögen, über die Umlage und Erhe-

bung der Gemeindeſteuern, über den Gemeindekredit, über die

Rechnungsführung, die Controle und die Organiſirung des Kaſſen-

weſens, und der Wirthſchaftsbeamten. Sie beruht eines Theiles

auf den allgemeinen Sätzen der Volkswirthſchaftslehre, und andern

Theiles auf vielerlei praktiſchen Verhältniſſen und Erfahrungen.

Sie zerfällt aber in die Wirthſchaftslehre und in die Ver-

waltungslehre, wovon jene der theoretiſche, dieſer der praktiſche

Theil iſt, wie die Finanzwiſſenſchaft.

¹ Es gibt nur eine ſolche Gemeinde-Finanzwiſſenſchaft, aber keine Gemeinde-

wohlſtandslehre, weil dieſe mit der Volkswohlſtandslehre in Eins zuſammenfällt,

und die Gemeinden ſtets in den Wohlſtandsmaaßregeln von den Verordnungen und

Geſetzen des Staates ſelbſt abhängen. Aber die Gemeindewirthſchaft hat viel Eigen-

thümliches nicht blos im Vergleiche mit der Privatwirthſchaft, ſondern auch mit der

Finanzwirthſchaft, ſowohl wegen des Umfanges und der Art der Objekte, als auch

wegen der Verwaltung an ſich. Gerade im Mißkennen dieſer Eigenthümlichkeiten

liegen viele praktiſche Fehler in der Gemeindewirthſchaft. S. auch Rau über die

Kameralwiſſenſchaft. §. 15.

[64/0086]

§. 44.

Beſchluß.

C. Die öffentliche Wirthſchaftslehre1) kann nur zwei

Objekte haben, nämlich die Volkswirthſchaft und die Staats-

wirthſchaft. Die Volkswirthſchaftslehre (Nationalökono-

mie) zerfällt in einen theoretiſchen und in einen praktiſchen Theil,

welcher leztere auch die Lehre von der Volkswirthſchafts-

pflege (Gewerbspolizei, Wohlſtandsſorge)2) genannt wird. Die

Staatswirthſchaftslehre3) (Finanzwiſſenſchaft) hat auch

einen theoretiſchen Theil (Finanzwiſſenſchaft im engeren Sinne)

und einen praktiſchen Theil (Finanzverwaltungslehre). Jener

lehrt, wie das Staatseinkommen auf eine die Bürgerrechte und

den Wohlſtand am wenigſten gefährdende Weiſe erhoben werden

kann. Der zweite aber lehrt die Maximen über die beſte Art der

Einrichtung jener Erhebung, der Bereithaltung des Staatseinkom-

mens, der Controle und der Rechtfertigung, wie ſie in die Finanz-

wirthſchaft gehört4).

¹ Auch politiſche Oekonomie genannt, welcher Ausdruck aber, obſchon

von Rau gebraucht, nicht ganz bezeichnend, ſondern mehr ſagend iſt. S. §. 39.

Note 5.

² Den Ausdruck Volkswirthſchaft hat Rau (Ueber die Kameralwiſſ.

§. 15 und §. 16.) gründlich vertheidigt, woraus zugleich das Verhältniß derſelben

zur Idee einer Weltwirthſchaft klar wird. Weniger überzeugend möchten die im

§. 17. derſ. Schrift dargelegten Gründe ſein, warum die Finanzwiſſenſchaft auch

eine Abtheilung des praktiſchen Theiles der Volkswirthſchaftslehre ſein ſoll. Daß ſie

a) in Betreff der Einnahmen und Ausgaben die allgemeinen Wirthſchaftsregeln der

bürgerlichen Hauswirthſchaft (nicht Haushaltung) benutzen könne; ferner b) daß

ſie verſchiedene Gewerbskenntniſſe wegen Staatsgewerben und Beſteuerung zu Hülfe

nehmen müſſe; ferner c) daß ſie vielfach auf das natürliche Staatsrecht gewieſen

ſei, und d) daß ſie ohne die Volkswirthſchaftslehre keine Wiſſenſchaft geworden

wäre, und ihre Ausbildung immer noch von der fortſchreitenden Entwickelung jener

abhängt, indem die Finanzwirthſchaft ohne Kenntniß und Befolgung der volkswirth-

ſchaftlichen Grundlehren den Volkswohlſtand zernichten würde, — daran iſt nicht zu

zweifeln. Aber eben ſo gut als Rau aus lit. d. ſchließen zu dürfen glaubt, die

Finanzwiſſenſchaft ſei eine Anwendung der Volkswirthſchaftslehre und folglich ein

praktiſcher Theil derſelben, kann man auch ſchließen, daß ſie eine Anwendung der

Gewerbswiſſenſchaften und des natürlichen Staatsrechtes und ein praktiſcher Theil

von dieſen ſei. Rau wählte das Wort Anwendung ſehr richtig, aber es bedeu-

tet nicht ſo viel wie Ausführung. In der Wiſſenſchaft der Volkswirthſchaftspflege

werden die Grundſätze gelehrt, wie die Prinzipien der Volkswirthſchafts-

lehre auszuführen ſind, um den Nationalwohlſtand zu befördern. In der

Finanzwiſſenſchaft wird gelehrt, wie die finanziellen Prinzivien auszu-

führen ſind, ohne den Nationalwohlſtand zu zerſtören, weswegen die volks-

wirthſchaftlichen Grundſätze hier im wahren Sinne nicht ausgeführt, ſondern

blos angewendet werden. Die Ausführung, vorausſetzend daß ſie ſelbſt der

nächſte Zweck iſt, bildet das Weſentliche des Praktiſchen einer Wiſſenſchaft; die bloße

Anwendung, vorausſetzend daß bereits andere Prinzipien zur Ausführung gegeben

ſind, welche blos modifizirt und in der Erreichung der Zwecke unterſtützt werden

ſollen, bildet blos das Weſentliche der Lehnſätze (Lemmata), die aus einer anderen

Wiſſenſchaft herbeigezogen werden. In der That zeigt auch ein Blick auf das

[65/0087]

² Finanzweſen, z. B. gerade auf die indirekten Steuern, daß in ihm die volkswirth-

ſchaftlichen Lehrſätze keineswegs gerade ausgeführt, ſondern von den finanziellen

Prinzipien modifizirt werden; ferner z. B. bei den direkten Steuern, daß die

volkswirthſchaftlichen Lehrſätze gebraucht werden, um alle Einkommensarten aufzu-

finden und den Reinertrag bei einer jeden zu beſteuern; endlich z. B. bei der

Capitalienſteuer, daß die volkswirthſchaftlichen Lehrſätze ſie zu billigen ſcheinen,

während die ſiegenden finanziellen Prinzipien ihre Einführung nicht geſtatten.

Weder das Finanzielle noch das Volkswirthſchaftliche kann in der Finanzwiſſenſchaft

allein durchgreifen; das Charakteriſtiſche iſt vielmehr die Concurrenz oder die

Kreutzung beider Prinzipien, bei welcher das erſtere poſitiv, das zweite aber negativ

thätig iſt. Aus dieſen Gründen kann alſo die Finanzwiſſenſchaft kein Theil der

praktiſchen Volkswirthſchaftslehre ſein; ſie ſteht für ſich allein und hat auch ihren

theoretiſchen und praktiſchen Theil. In wieferne aber dieſe formelle Frage für das

Materielle dieſer Wiſſenſchaft von der größten Wichtigkeit iſt, das wird bei der

Finanzwiſſenſchaft ſelbſt gezeigt werden. v. Malchus, Handb. der Finanzwiſſenſch.

und Finanzverwaltung. Stuttg. 1830. I. S. 5. Hermann, ſtaatsw. Unter-

ſuchungen. Abh. I. §. 14. Schön, Grundſätze der Finanz (Breslau 1832).

S. 10–19. Meine Recenſion dieſer Schrift in den Heidelberger Jahrbüchern.

Jahrgang 1833. S. 595.

³ Dies Wort wird auch für öffentliche Wirthſchaftslehre und für Volkswirth-

ſchaftslehre gebraucht. Nach Einführung dieſes lezteren Ausdrucks kann ſein Ge-

brauch in obigem ſpeziellen Sinne um ſo weniger Anſtoß finden, als in der Kunſt-

ſprache Volk und Staat einander gegenüber ſtehen.

⁴⁾ Man ſieht, daß die Finanzverwaltungslehre das eminent Praktiſche und

nach einzelnen Staatsverhältniſſen Wandelbare iſt, wofür ſich nur wenige allgemein

wiſſenſchaftliche Regeln aufſtellen laſſen. Die Gegenſtände derſelben ſind verſtändlich

bis auf die Rechtfertigung, in ſo weit ſie das Finanzweſen angeht.

Hier findet auch das §. 40. Note 2. Geſagte Anwendung. Denn der Finanzminiſter

iſt der Staatshauswirth, und hat als ſolcher die Verwendung der den einzel-

nen andern Departements-Miniſtern abgelieferten Summen nicht zu rechtfertigen,

ſondern blos die Erhebung, die Bereithaltung des geſammten Staatseinkommens,

die Controle über dieſe Zweige und die Verwendung der ſeinem eigenen Departe-

ment zugetheilten Summe.

Baumſtark Encyclopädie. 5

[[66]/0088]

Allgemeine Wirthſchaftslehre.

Erſter Theil.

Erwerbslehre.

§. 45.

Vorbegriffe.

Erwerben heißt mit Hilfe von Aufopferungen für ſich oder für

Andere Einnahmen bewirken1). Gewerbe aber iſt die fortgeſetzte

Thätigkeit auf eine beſtimmte anhaltend gewählte Erwerbsart.

Daſſelbe iſt verſchieden vom Gewerke, worunter man dasjenige

Gewerbe verſteht, welches die veredelnde Umgeſtaltung der Roh-

ſtoffe zum Zwecke hat. Der Erwerb hat auch den Zweck der

Wirthſchaft, nämlich Befriedigung der Bedürfniſſe und Erhöhung

des Lebensgenuſſes. Die Erwerbslehre muß alſo Unterſuchungen

enthalten über die wirthſchaftlichen Bedürfniſſe, über die Erwerbs-

mittel, und über die Arten des Erwerbes im Allgemeinen2).

¹ Ob der Betrüger, der Dieb und der Räuber auch erwerben, und Gewerbe

treiben, dies iſt leicht zu entſcheiden nach den Geſetzen der Moral und des Rechts,

ohne deren Befolgung kein wirklicher Erwerb Statt finden kann.

² Zur Literatur der wenig bearbeiteten allgemeinen Wirthſchaftslehre gehört:

Walther, Verſuch eines Grundriſſes der allgemeinen Oekonomie. Gießen 1795.

Völlinger, Grundriß einer allgemeinen Wirthſchaftslehre. Heidelberg 1796.

Klipſtein, Reine Wirthſchaftslehre. Gießen 1797. Florinus, der klug- und

rechtsverſtändige Hausvater. 2te Ausg. Nürnb. 1705. Folio. S. 131. (v. Münch-

hauſen) Hausvater. Hannover 1764–73. VI Bde. (Heumann) Der politiſche

Philoſophus. Frankfurt 1724. S. 159. Merrem, Allgemeine Grundſätze der

bürgerlichen Wirthſchaft und Haushaltung. Göttingen 1817.

Erſtes Hauptſtück.

Von den wirthſchaftlichen Bedürfniſſen.

§. 46.

1. Begriff von Bedürfniß.

Die Abhängigkeit des Menſchen von Natur und Verkehr (§. 37.)

zeigt ſich bei ihm durch Wünſchen und Begehren, durch Fürchten

[67/0089]

und Fliehen. Dieſen Affekten und Affektsäußerungen liegt beim

Thiere der Inſtinkt, beim Menſchen aber das Bewußtſein zu

Grunde. Sie haben aber ihren objektiven Entſtehungsgrund in

obigem Verhältniſſe des Menſchen zu Natur und Verkehr, welches

als ein Zuſtand der Abhängigkeit von Gütern aller Art bezeichnet

werden kann, die ihm Dienſte leiſten müſſen, wenn er nicht in

Nachtheile von verſchiedenen Graden der Empfindlichkeit gerathen

ſoll. Dieſer Zuſtand wird Bedürfniß1) genannt. Objektiv ge-

nommen bezeichnet man aber damit auch die Güter, welche ihn

aus jenem zu reißen im Stande ſind, d. h. ſeine Bedürfniſſe in

jenem ſubjektiven Sinne genommen zu befriedigen vermögen.

Kommt der Menſch nicht in den Beſitz und zum Gebrauche der-

ſelben, dann tritt die Entbehrung ein, deren Grad von der

Wichtigkeit derſelben für beſtimmte Zwecke und von der Wichtigkeit

dieſer Zwecke ſelbſt abhängt, und den Grad des Bedürfniſſes

anzeigt.

¹ Die Bedürfniſſe ſind daher mit Unrecht als eine ſubjektive Nothwendigkeit,

deren Gegentheil nicht möglich iſt, bezeichnet worden. Verſuch einer logiſchen

Begründung der Wirthſchaftslehre. S. 7. Rau, Ueber die Kameralwiſſenſch. §. 9.

§. 47.

2. Arten der Bedürfniſſe. Naturbedürfniſſe.

In Bezug auf die Entſtehungsgründe ſind die Bedürfniſſe ent-

weder Natur- oder Verkehrsbedürfniſſe; in Bezug auf die

Güter ſelbſt aber kann man ſie auch in wirthſchaftliche und

außerwirthſchaftliche eintheilen1). Die Naturbedürfniſſe

entſpringen nicht blos aus der Natur als Gegenſatz des Menſchen,

ſondern auch aus der Natur des Menſchen ſelbſt, und wechſeln

alſo nicht nur in jedem Menſchen nach ſeiner Natur, ſondern auch

nach den Zuſtänden, in welchen ſich ſeine Natur periodiſch be-

findet. Unter dieſen Bedürfniſſen laſſen ſich alſo unterſcheiden:

a) die allgemeinen Naturbedürfniſſe, welche nämlich aus

den durchgehenden Verhältniſſen der Menſchheit zur Natur hervor-

gehen und bei allen Menſchen zu allen Zeiten gefunden werden2),

und b) die beſonderen Naturbedürfniſſe, welche nämlich den

einzelnen Menſchen, Menſchenraſſen und den Bewohnern beſtimmter

Zonen, Länder und Gegenden in ihren manchfachen Zuſtänden ei-

genthümlich ſind3).

¹ Eine Eintheilung der Bedürfniſſe in ſolche der Nothwendigkeit, Bequem-

lichkeit und des Wohllebens läßt ſich weder durch den Sprachgebrauch noch durch

den Begriff von Bedürfniß rechtfertigen. S. Steinlein, Handbuch der Volkswirth-

ſchaftslehre. München 1831. I. S. 219.

5 *

[68/0090]

² z. B. Nahrung, Kleidung, Wohnung, Schutz gegen die Naturgewalten,

Schlaf.

³ Die Reiſebeſchreibungen bieten Beiſpiele in Menge dar. Aber die Bedürf-

niſſe einzelner Individuen ſind nicht blos durch Naturzuſtände im ſtrikten Sinne,

wie z. B. bei den verſchiedenen Krankheiten, ſondern auch durch die Macht der

Gewohnheit, die dem Menſchen zur anderen Natur werden kann, begründet, wie

z. B. das Bedürfniß eines Mittagsſchlafes, Spazierganges, des Tabackrauchens und

Schnupfens, des Branntwein-Trinkens.

§. 48.

Fortſetzung. Verkehrsbedürfniſſe.

Unter den Verkehrsbedürfniſſen ſind nicht jene objektiven

Bedürfniſſe zu verſtehen, womit der Verkehr den Menſchen ver-

ſteht; denn in dieſem Sinne gehören auch Naturbedürfniſſe, z. B.

Nahrung und Kleidung, dazu. Sie ſind vielmehr diejenigen Be-

dürfniſſe, in welche der Menſch durch das Verkehrsleben geſetzt

wird. Sie ſind außerordentlich verſchiedener Art, und können

nach den Rangſtufen geordnet werden, welche die Bürger und ihre

geſellſchaftliche Vereinungen im Verkehre einnehmen. Objektiv iſt

aber darunter alles dasjenige zu rechnen, ohne was eine Bürger-

klaſſe und eine geſellſchaftliche Vereinigung der Bürger nicht ſo

exiſtiren kann, wie es ihre Zwecke und ihr geſelliges Zuſammen-

leben erheiſchen. Sie ſind Folge von geſellſchaftlichen Gewohnheiten,

Gebräuchen und Nothwendigkeiten, und für den Menſchen als

Standesangehörigen ſo wie für die geſellſchaftlichen Vereinigungen

als ſolche gerade ſo nothwendig, als die Naturbedürfniſſe für den

Menſchen als Naturweſen. Man kann daher unterſcheiden: a) Ver-

kehrsbedürfniſſe einzelner Bürgerklaſſen1); b) Verkehrsbedürfniſſe

von Geſellſchaften, als moraliſchen Perſonen, welche beſtimmte

Zwecke befolgen2); c) Gemeindebedürfniſſe, d. h. welche für die

Gemeinde, als moraliſche Perſonen mit beſtimmten Zwecken, ent-

ſtehen; d) Staatsbedürfniſſe für alle Staatszwecke, und e) Be-

dürfniſſe der Völkerſtaaten3).

¹ z. B. ſtandesmäßige Kleidung, Wohnung und Nahrung; verſchiedene Be-

dürfniſſe je nach den eigenthümlichen Beſchäftigungen in Wiſſenſchaften, Künſten und

Gewerben.

² z. B. Lokale, Heitzung, Dienerſchaft, Bücher-, Modell-, Inſtrumenten-,

Naturalienſammlungen u. dgl.

³ Dieſe drei lezten bürgerlichen und Staatsvereinigungen mit ihren großen

Bedürfniſſen ſind beſonders in neueſter Zeit wichtig.

§. 49.

Wirthſchaftliche Bedürfniſſe. Luxus. Bedarf.

Wirthſchaftliche Bedürfniſſe ſind ſolche, welche blos

wirthſchaftliche Güter betreffen. Sie ſind ſowohl Natur- als auch

[69/0091]

Verkehrsbedürfniſſe1). Da, wo dieſe verſchiedenen Arten von

Bedürfniſſen aufhören, beginnt der Luxus, deſſen anderſeitige

Gränzen unbeſtimmbar ſind, der aber wie das Bedürfniß ſeinen

Urſprung in der Sinnlichkeit des Menſchen und im Verkehre hat.

Er iſt wechſelnd mit der geſchichtlichen Entwickelung der Menſch-

heit, mit den Rangſtufen der Bürgerklaſſen und mit der Entwicke-

lung des Geſellſchafts-, Gemeinden-, Staaten- und Völkerſtaaten-

lebens2). Da der Luxus mit der Sinnlichkeit, Eitelkeit und dem

Prunke unmittelbar verknüpft iſt, ſo iſt er aus der Geſellſchafts-,

Gemeinde- und Staatswirthſchaft ausgeſchloſſen; denn jene Coeffi-

zienten des Luxus ſind der Natur dieſer moraliſchen Perſonen

fremd3). Sowohl der Luxus als die wirthſchaftlichen Bedürfniſſe

erheiſchen eine gewiſſe Menge von Befriedigungsmitteln. Die zu

einem beſtimmten Zwecke nöthige Menge von Leztern, beſtimmt

durch Zahl und Maaß, heißt man Bedarf4).

¹ Die Bedürfniſſe gehören alſo nicht darum in die Wirthſchaft, weil zu ihrer

Befriedigung ſachliche Güter erfordert werden, wie Rau (Ueber die Kameralwiſſ.

§. 10.) meint; denn auch bloße wirthſchaftliche Verhältniſſe können Wirthſchafts-

bedürfniſſe ſein, wie z. B. die Kundſchaft.

² Man hat den Luxus ſchon für Alles genommen, was der Menſch über die

natürlichen Bedürfniſſe genießt. Daß hierbei der Forſcher ins Bodenloſe geräth, iſt

gar nicht zu bezweifeln. Keine Moral kann ſo weit gehen. Gerade ſo erſcheint

aber auch ſeine andere Seite grenzenlos bis zum gänzlichen Verfalle einer Nation.

Luxus bleibt daher ein relativer Begriff im Allgemeinen, obſchon man ihn im ge-

gebenen Falle beſtimmen kann. Er enthält diejenigen Genüſſe, welche die wirth-

ſchaftlichen Natur- und Verkehrsbedürfniſſe derjenigen Rangſtufe in der bürgerlichen

Geſellſchaft überſchreitet, von deren Luxus die Rede iſt. So wie bei einer rohen

Nation das als Luxus erſcheint, was bei einer civiliſirten wahres Bedürfniß iſt; ſo

wie das wahre Bedürfniß der Bewohner des Südens und Nordens dem Volke in

der gemäßigten Zone Luxus iſt; ebenſo iſt bei einer Bürgerklaſſe ſchon Luxus, was es

bei der andern noch nicht, und bei dieſer, was es bei der Fürſtenfamilie nicht iſt.

Ferguson, An Essay on the History of the civil society. pag. 165. 285. 292. 369.

Melon, Essais politiques. Chap. 9. Pinto, de la circulation. pag. 324. Destutt

de Tracy, Commentar über Montesquieus Geiſt der Geſetze. Buch VII. storch,

Cours d'économie politique, überſetzt von Rau. II. 189. Rau, Ueber den Luxus.

Erlangen 1817. Deſſen Lehrbuch der polit. Oekonomie. I. §. 343. folg. (Deſſen

Definition von Luxus aber ganz unbefriedigend iſt, weil er nicht erklärt, was

„entbehrlicher Gütergenuß“ und was „weſentliches Bedürfniß“ iſt.) Krauſe, Ver-

ſuch eines Syſtems der National- und Staatsökonomie. I. S. 52 folg. A. smith,

Inquiry. IV. pag. 240. say, Cours complet. VI. pag. 16. 126. Ueberſetzt von

v. Theobald. VI. 13. 97. Considérations sur les richesses et le luxe. Amster-

dam et Paris 1787. Chap. 12–17. Necker, De l'administration des Finances

de la France. III. Chap. 11. p. 92. Galiani, Della Moneta. II. 157. (Economisti

Classici Italiani. P. moderna. Tom. IV.)

³ Daher kommt es auch, daß alle Geſellſchaften, Gemeinden und Staaten,

welche Luxus in ihrer Wirthſchaft haben, bald in Verfall gerathen. Wilda, das

Gildenweſen im M. A. Halle 1831. Boſſe, Grundzüge des Finanzweſens im

römiſchen Staate. Leipzig 1804. II Bde. Beiſpiele gibt auch Frankreich in einigen

Perioden vor der Revolution.

⁴⁾ Der Bedarf iſt nicht blos eine durch Zahl und Maaß beſtimmte Menge

objektiver Bedürfniſſe an ſachlichen Gütern, wie Rau (Ueber die Kameralwiſſenſch.

[70/0092]

⁴⁾ S. 19.) meint, ſondern er iſt etwas weit Allgemeineres. Denn es gibt auch einen

Bedarf zum Luxus, ſo wie man auch von einem Bedarfe an inneren und immateri-

ellen äußern Gütern ſpricht. Schon der Bedarf im wirthſchaftlichen Sinne erſtreckt

ſich weiter als auf ſachliche Güter.

Zweites Hauptſtück.

Von den wirthſchaftlichen Erwerbsmitteln.

§. 50.

1. Produktion.

Da kein Erwerb ohne Aufopferung Statt findet (§. 46.), ſo

ſetzt der Erwerb ſowohl durch Stoffarbeiten als durch perſönliche

Dienſte äußere und innere Güter voraus, durch deren Anwendung

man erwirbt. Vor jedem Erwerbe müſſen alſo Güter von Ge-

brauchswerth oder von Tauſchwerth gegeben ſein, und da auch

dieſe wieder hervorgebracht ſein müſſen, ſo iſt das lezte Mittel des

Erwerbs die Hervorbringung (Produktion)1). Ihr nächſter

Zweck iſt die Erlangung von Gütern, ihr Endzweck der Genuß,

und ihr Mittelzweck der Erſatz der durch die Produktion verwen-

deten alten Güter, weil ohne dieſen ſich der Hervorbringer wirth-

ſchaftlich entweder nicht verbeſſerte oder gar verſchlimmerte. Die

Wirthſchaft verlangt alſo von jeder hervorbringenden Thätigkeit:

1) daß ſie uns der Materie oder der Veränderung nach neue Gü-

ter verſchafft; 2) daß ſie uns Güter verſchafft, welche für uns

entweder Gebrauchs- oder Tauſchwerth haben; 3) daß ſie uns in

den neuen Gütern die zu ihrer Gewinnung verwendeten Güter

vergütet, und 4) daß ſie uns über die Vergütung hinaus noch

einen Ueberſchuß an werthvollen Gütern verſchafft2). Es iſt aber

alſo auch a) jede Beſchäftigung wirthſchaftlich produktiv, welcher

entweder mittelbar oder unmittelbar jene Kriterien zukommen3);

b) es ſetzt jede produktive Beſchäftigung den Werth eines zu pro-

duzirenden Gutes als etwas bereits Erkanntes voraus4); c) die

bloße Entdeckung neuer Tauglichkeiten an Gütern iſt noch nicht

produktiv, ſondern es wird dies erſt ihre Benutzung in hervorbrin-

genden Geſchäften5).

¹ Vorzügliche Literatur: A. smith, Inquiry. II. 93. 138. (Book II. Chap.

III. et V.) Malthus, Principles of Political Economy. Franzöſiſch überſetzt von

Constancio. I. 30. Ganilh, Dictionnaire de l'économie politique. p. 415. Edin-

burgh Review. IV. 343. Quarterly Review. No. 87. p. 5. Rau, Lehrbuch der

politiſchen Oekonomie. I. §. 69. 82. 103. Lotz, Handbuch der Staatswirthſchafts-

lehre. I. §. 31 folg. storch, Cours d'économie politique, überſetzt von Rau.

I. 81. III. 249. 271. Mac-Culloch, Principles of Political Economy, überſetzt

von Weber. S. 1. 47. 112. Hermann, ſtaatswirthſch. Unterſuch. S. 20 folg.

[71/0093]

¹ und der dort citirte Read, Political Economy. Edinburgh 1829. Chap. 4. Auch

say, Cours d'économie politique. I. 170 sqq. 243. 279. Ueberſetzt von v. Theo-

bald. I. 125. 180. 208.

² Unter dieſen Geſichtspunkten iſt die Produktivität der Gewerbe zu entſchei-

den, ſowohl in Betreff der Privat- als der Volkswirthſchaft. Natürlich ergeben ſich

für die Erſtere andere Reſultate als für die Leztere, weil das Vermögen, von deſſen

Vergrößerung die Rede iſt, in zwei Hauptbeziehungen erſcheint. Der sub 3. ange-

führte Satz ſcheint mit §. 39. in Widerſpruch zu ſtehen, wenn nicht bemerkt wird,

daß der Ausdruck „für uns“ hier bezeichnen ſoll, daß ein Gut, wenn es auch

Tauſchwerth hat, vom Wirthe dennoch blos verbraucht und nicht vertauſcht werden kann.

³ Dieſes iſt unbeſtritten von den Gewerben in Bezug auf das Privatvermögen.

Beſtritten aber in Bezug, auf das Volksvermögen. Jedoch darüber entſcheidet die

Volkswirthſchaftslehre.

⁴⁾ Es iſt alſo Rau (Lehrb. der polit. Oekonom. I. §. 82. §. 69.) mit ſich

ſelbſt im Widerſpruche, da er an jener Stelle behauptet, zur Entſtehung eines

ſachlichen Gutes werde ſchon der Stoff und die Anerkennung der Brauchbarkeit

deſſelben vorausgeſetzt, nachdem er an dieſer Stelle ſchon geſagt hat, Produktion

ſei die Thätigkeit zur Vermehrung der Güter durch Werthserhöhung der Stoffe.

Denn nach dieſer lezten Anſicht wären nur die Kunſtgewerbe produktiv.

⁵⁾ Es iſt daher auch leicht erſichtlich, daß Rau (Lehrb. I. §. 83.) unter Pro-

duktion fälſchlich und im Widerſpruche mit ſeiner obigen Anſicht (Note 3.) blos die

Vermehrung brauchbarer Körper und die Entdeckung von Tauglichkeiten verſteht.

Denn wird der Werth als etwas Anerkanntes vorausgeſetzt, dann kann die Pro-

duktion nicht mehr in ſeiner Entdeckung beſtehen. Hermann, ſtaatswirthſchaftliche

Unterſuchung. S. 20–26.

§. 51.

2. Hauptbeziehungen der Produktion.

Die Produktion hat eine doppelte Bedeutung, nämlich jene

im Sinne der Technik (techniſche Produktion) und jene im

Sinne der Wirthſchaft (wirthſchaftliche Produktion). Unter

jener iſt die Schaffung eines vollendeten Erzeugniſſes materieller

oder immaterieller Art zu verſtehen. Sie iſt vollendet, ſobald das

Erzeugniß nach den Regeln der höheren oder der Gewerbskunſt fertig

iſt1). Unter dieſer aber verſteht man der Natur der Sache nach jede

materielle oder immaterielle Hervorbringung, welche durch das

neue Erzeugniß nicht allein den dazu gemachten Aufwand erſetzt,

ſondern auch darüber noch einen Ueberſchuß von Gütern anerkann-

ten Werthes gibt (§. 50. 39.). Sie iſt folglich vollendet, wenn

ſich dieſer Ueberſchuß im Eigenthume des Hervorbringers befindet2).

Ob der Hervorbringer dieſen Ueberſchuß durch Jemanden erhält,

an welchen er ſein Erzeugniß vertauſcht hat, oder ob er ihn im

Gute ſelbſt für ſich behält, das iſt hierbei ganz gleichgiltig3).

¹ Hermann (ſtaatswirthſch. Unterſuchungen. S. 29.) hat daher Unrecht, da

er ſagt, ein Produkt ſei techniſch fertig, wenn es zu Geld gemacht, und

dagegen ökonomiſch fertig, wenn der Aufwand und der Ueberſchuß durch den Geld-

werth bezahlt ſei.

² Es iſt uneigentlich geſagt, ein Produkt ſei ökonomiſch fertig, wenn man

auch ganz von der Einſeitigkeit der Hermann'ſchen Beſtimmung darüber (Note 1.)

[72/0094]

² abſehen will, man müßte denn den Ueberſchuß als das wirthſchaftliche Produkt an-

ſehen, und nicht auch, was ſonſt noch im eigentlichen Produkte enthalten iſt.

Die Bezahlung des Geldwerthes allein kann nicht die wirthſchaftliche Vollendung

einer Produktion beſtimmen, da man auch andere Güter gegen das Produkt einge-

tauſcht haben oder es für ſich zum Gebrauche behalten kann (Note 3.).

³ Die Wirthſchaft geſchieht zwar nur mit Gütern von Gebrauchs- und

Tauſchwerth (§. 39.). Allein daraus folgt noch nicht, daß auch alle producirten

Güter vertauſcht werden müſſen. Z. B. die Kleider, welche ein Schneider, die

Schuhe, welche ein Schuſter für ſich und ſeine Familie ſelbſt macht; ein Landgut

mit allerlei techniſchen Nutzungen, z. B. Mühlen, Brauereien, mit Viehzucht,

welche das vom Ackerbaue gelieferte Futter braucht, gibt viele Beiſpiele davon, daß

nicht alle Produkte vertauſcht zu werden brauchen, ſondern vom Wirthe ſelbſt wie-

der verwendet werden.

§. 52.

Fortſetzung.

Die Produktion iſt daher ſowohl von der Seite des Produ-

zenten, als auch von jener des Conſumenten zu betrachten

(§. 50.). Bei jenem iſt das Ziel der techniſchen, bei dieſem aber

das Ziel der wirthſchaftlichen Produktion. Denn dieſer erſtattet

jenem, wenn es auch eine und dieſelbe Perſon iſt, den Produktions-

aufwand und verſchafft jenem in der lezten Inſtanz den Produk-

tionsüberſchuß. Es ſind demnach unter obigen (§. 50.) Bedingniſſen

noch alle Gewerbe produktiv zu nennen, welche auf ein Produkt

fördernd wirken nach dem techniſchen Produzenten bis zur Ablie-

ferung an den Conſumenten1). Die Bedingungen der Produktivität

der Gewerbe für den Conſumenten2) ſind daher: 1) daß das Gut

ſeinen Zwecken entſpreche; es wird um ſo mehr begehrt, je größer

ſein Werth iſt (§. 39.); 2) daß es mit der möglichſt geringſten

Aufopferung in ſeinen ausſchließlichen Beſitz komme; bei gleicher

Aufopferung gibt alſo ſeine techniſche Vollkommenheit und ſein

Werth, dagegen bei wirklicher Gleichheit dieſer beiden bei Gütern

die geringſte Aufopferung, beim Begehre den Ausſchlag. Es iſt

folglich produktiv auf Seiten des Conſumenten jede Leiſtung,

a) welche ihm ihre Erzeugniſſe um keine höhere Aufopferung ver-

ſchafft, als um welche er ſie ſonſt erlangen könnte; b) welche ihm

um dieſe Aufopferung werthvolle Produkte verſchafft, und c) bei

welcher die Aufopferung überhaupt das Werthsverhältniß des Gutes

nicht überſteigt3).

¹ Auch hier iſt die Frage über die Produktivität der Gewerbe eine doppelte.

Privatwirthſchaftlich wird ſie unſtreitig bejaht. Volkswirthſchaftlich iſt ſie am be-

ſtrittenſten.

² Sie ſind für die Produktivität der Gewerbe auf Seiten des Producenten

ſchon in: §. 50. angegeben.

³ Einſeitig hat daher Hermann (ſtaatswirthſch. Unterſuchungen. S. 31.)

die Bedingungen beſtimmt, da er behauptet, produktiv auf Seiten des Conſumenten

[73/0095]

³ ſei jede Leiſtung, welche ihm keine höhere Aufopferung beim Eintauſche ihrer Pro-

dukte auflege, als er auf anderem Wege für ſie machen müßte. Beiſpiele gibt es

zur Erläuterung im materiellen und immateriellen Verkehre in Menge.

§. 53.

3. Wirthſchaftliche Güterquellen.

Die Quellen und Mittel, aus denen die wirthſchaftlichen Gü-

ter entſpringen, ſind:

1) Die Natur, denn ohne ſie vermag der Menſch nichts. Sie

unterſtützt ihn aber:

a) Durch ihre geheimen Kräfte, deren Erforſchung die

wichtigſte geiſtige Thätigkeit des Menſchen iſt, deren Unterſtützung

in allen nur denkbaren menſchlichen Geſchäften unentbehrlich ſind,

und deren Wirkung entweder chemiſch oder mechaniſch iſt.

b) Durch ihre verſchiedenen Körper, welche als Gegen-

ſtände, woran, worin und worauf die Naturkräfte wirken, voraus-

geſetzt werden müſſen, zur materiellen Produktion des Menſchen

unentbehrlich ſind, und zu ſeiner menſchlich geiſtigen Exiſtenz nicht

fehlen dürfen. Es gehören hierher:

α) alle Naturkörper der drei Reiche, nebſt ihren Kräften;

β) die Erde ſelbſt, als ein Ganzes, mit ihrem Inhalte;

γ) die Luft, als Ganzes, und die Luftarten;

δ) das Waſſer, als Ganzes, und in ſeinen manchfachen Ein-

zelerſcheinungen.

2) Die Arbeit des Menſchen, ohne welche die Natur für

den Menſchen nicht blos nutzlos, ſondern ſchädlich wäre (§. 37.).

Durch die Arbeit, d. h. durch ſeine Kraftanſtrengung, erforſcht

der Menſch ihre Geheimniſſe; durch ſie macht er ſich ihre Kräfte

und Körper zu Nutzen; durch ſie wirkt er ihren ſchädlichen Ein-

flüſſen entgegen; durch ſie erhöht er die Menge und den Werth der

Naturprodukte; durch ſie leiſtet er ſeinem Nebenmenſchen Dienſte.

Durch ſie wird die Wirkſamkeit der Natur für's Menſchenleben

überhaupt erhöht und der Verkehr allein möglich1).

¹ Rau, Ueber die Kameralwiſſenſchaft. §. 7.

§. 54.

Fortſetzung. Capital.

3) Die bereits vom Menſchen mit Hilfe jener beiden

erworbenen und aufgeſparten Güter1). Dieſe eignet ſich

der Menſch in immer größerer Menge an, je weiter ſeine Civili-

ſation ſteigt. Sie dienen ihm theils als Objekte, woran ſich die

[74/0096]

Natur- und Menſchenkräfte äußern ſollen, theils als Unterſtützungs-

mittel in dieſer Kraftäußerung. Sie ſind auch nur einigermaßen

kultivirten Völkern ſchon ein drittes wichtiges Element der Her-

vorbringung. Sie werden entweder zur Produktion verwendet oder

nicht. Im erſten Falle dienen ſie in wirthſchaftlichen Geſchäften

als Grundlage zur Gewinnung wirthſchaftlicher Güter. Im an-

deren Falle beſteht ihr Zweck blos in ihrer Verwendung zur un-

mittelbaren Verzehrung ohne Beabſichtigung einer Produktion oder

ſie haben noch gar keine feſte beſondere Beſtimmung. Im erſten

Falle heißen ſie Capital (Erwerbsſtamm), d. h. eine Maſſe der

durch Natur, Arbeit und Capital erworbenen wirthſchaftlichen2)

Vermögenstheile, welche überhaupt als Grundlage des Erwerbes

von wirthſchaftlichen Gütern angewendet ſind3). Im zweiten Falle

heißt man ſie Verbrauchsvorrath, d. h. eine Maſſe ſolcher

Vermögenstheile, welche ohne beabſichtigte Produktion zur Ver-

zehrung beſtimmt ſind4). Im dritten Falle endlich, wo aus ihnen

noch beides gemacht werden kann, heißen ſie todter Vermögens-

ſtamm, d. h. die Maſſe von Vermögenstheilen, deren Verwendung

noch nicht entſchieden und deren Nutzung überhaupt noch nicht be-

kannt iſt5).

¹ Vorzügliche Literatur: A. smith, Inquiry. II. 1. sqq. Garve's Ueberſ.

II. S. 3. der III. Ausg. (Iſt gerade hier ſehr ſchlecht überſetzt, und wahrſcheinlich

Urſache von den vielen Verwirrtheiten in der Lehre vom Capitale bei Krauſe,

Verf. eines Syſtems der National- und Staats-Oekonomie. Bd. I.) Steuart, Political

Economy. B. IV. 1. ch. 4. B. II. ch. 4. oder vol. IV. p. 19. I. p. 241. der Baſeler

Ausgabe von 1796. v. Jacob, Nationalökonomie. III. Ausg. S. 91. Hufe-

land, Neue Grundlegung der Staatswirthſchaftskunſt. I. 126. 230. Ricardo,

Principles of Political Economy. p. 14. 109. Malthus, Principles of Political

Economy. Franz. Ueberſ. v. Constancio. I. 428. Torrens, On the production of

wealth. p. 5. Mill, Elements of Political Economy. p. 16. Mac-Culloch Prin-

ciples, überſetzt von Weber. S. 57. 72. 101. storch, Cours d'économie politique.

Ueberſetzt von Rau. I. 69. 131. 156. III. 292. II. 356. Lotz, Handbuch der

Staatswirthſchaftslehre. I. S. 210. 220. Rau, Lehrbuch der polit. Oekonomie.

I. §. 51. 122. say, Cours d'économie politique. I. 263. Ueberſ. von v. Theo-

bald. I. 194. Hermann, ſtaatswirthſch. Unterſuch. Abh. III. und die dort

citirten: Read, political economy. p. 24. 65. und Mac-Culloch Principles (2. Edit.

London 1830). p. 97. M. ſ. auch Th. smith, An Attempt to de fine some of

the first principles of Political Economy. chap. VIII. Lauderdale, An inquiry

into the nature and origine of public wealth. Chap. III. Deutſche Ueberſetzung.

Berlin 1808. S. 37. §. 17. P. Ravenstone, A few doubts on the subjects of

Population and Political Economy. p. 292. Nebenius, der öffentliche Credit. I.

Cap. II. S. 17.

² Es iſt daher unrichtig: a) blos ſachliche, bewegliche und der Erde abge-

wonnene Güter zum Capital zu rechnen, denn auch Werkgebäude und z. B. Kund-

ſchaften gehören, als wirthſchaftliche Güter, zum Capitale; b) auch die inneren

Güter als perſönliches Capital gelten zu laſſen. (Kraus, Staatsw. III. 21., der

fälſchlich nach A. Smith das ſtehende Capital in dingliches und perſönliches

eintheilt. Luden Politik. I. 219. Müller, Elemente der Staatskunſt. III. 40.

storch, Cours d'économie polit. Ueberſetzt von Rau. II. 256. Steinlein,

Handbuch der Volkswirthſch. I. 341. say, Cours d'économ. polit. I. 285 Ueberſ.

[75/0097]

² von v. Theobald. I. 212. Canard, Principes d'économ. polit. Deutſche Ueberſ.

Augsb. 1824. L. say, Considerations sur l'industrie. p. 74. S. dagegen Rau

Lehrb. I. §. 129. Lotz Handb. I. S. 63. Note.) Denn nur Vermögen kann Ca-

pital werden. Endlich c) dasjenige zum Capital zu rechnen, was ein materielles

Einkommen gibt (Rau. I. §. 51. Note b. der 2ten Aufl.); denn hiernach wären

es auch die Dienſte, manche Verhältniſſe und Gegenſtände aber nicht, welche eine

immaterielle Nutzung geben und wirthſchaftliche Güter ſind, z. B. Werk-Häuſer,

die man auch vermiethen konnte, aber ſelbſt gebraucht. M. ſ. daher die ſehr wich-

tige Unterſcheidung bei say, Cours d'économie politique. I. 295. Ueberſetzt von

v. Theobald. I. 220. (Capitaux productifs d'utilité et d'agrément.) Uebrigens

wird A. Smith (II. 11.) von Krauſe, Hermann und von Weber (politiſche

Oekonom. I. 94.) ganz falſch verſtanden; denn er ſagt nie, daß die durch viele

Auslagen erworbenen Geſchicklichkeiten, Kenntniſſe u. dgl., ſondern blos, daß die

dazu verwendeten Ausgaben Capital ſeien, welches ſich rentiren müſſe, und daß

„die erhöhte Geſchicklichkeit eines Arbeiters in demſelben Lichte zu betrachten

ſei, wie eine Maſchine oder ein Werkzeug, welches die Arbeit erleichtere und ver-

kürze.“ Die vortreffliche Darſtellung der Gründe gegen die mißverſtandene Anſicht

bei Hermann a. a. O. §. 5. würde A. Smith heute noch billigen. Kraus

(Staatswirthſch. III. 16–17.) hat daher auch Unrecht, wo er der Privatbibliothek

den Charakter des Capitals abſpricht, und A. Smith (Inquiry. II. 8–9.), wo

er den Wohnhäuſern, die ſo eben aus Werkhäuſern entſtanden ſind, fernerhin den

Charakter des Capitals abſpricht.

³ A. Smith (I. 79.), Lotz, Rau und A. von der ächt ſmithiſch deutſchen

Schule ſchließen daher mit Recht den Grund und Boden vom Capitale aus.

Anderer Anſicht ſind Torrens und Hermann, welche das Grundeigenthum und

und deſſen Verbeſſerungen als Capital betrachten, a) weil das Capital aus Gütern

beſtehe, die zur Produktion nöthig ſind; b) weil, wenn nach A. Smith der Boden

das Werkzeug iſt, womit ſein Eigenthümer ſeinen Arbeits- und Vermögensgewinn

realiſirt, die Häuſer von demſelben nicht zu unterſcheiden ſeien, und er dieſe doch

zum Capitale rechne; c) weil, wenn man den Boden mit Geld kauft, daſſelbe als

Capital in die Wirthſchaft verwendet wird (A. Smith. II. 137. 223.); d) weil

die Verſchiedenheit der Bildung des Einkommens aus Grund und Boden gegen

jenes aus anderen Capitalien kein Grund zum Ausſchluſſe deſſelben vom Capitale

ſei; e) weil dies auch die Entſtehung des Capitales nicht ſei; und f) weil Capital

in Grund und Boden übergeht, der nur im Verbande mit dieſem ein Einkommen

gewähre. Derſelben Anſicht iſt der Verf. der Staatswirthſchaft nach Natur-

geſetzen. S. 13. Edinburgh Review. IV. 364. und Louis Say a. a. O. Allein

der Hauptfehler dieſer Anſicht liegt in obigem zu weitem Begriffe von Capital, in

dem Verkennen des gänzlich unläugbaren Satzes, daß gerade das Capital etwas

nach den Urquellen der wirthſchaftlichen Güter (Natur und Arbeit) Entſtandenes,

und als ſolches von jenen zu trennen iſt, und in der leicht ins Abſurde zu führenden

Anſicht, daß dasjenige, wozu Capital verwendet iſt, ſelbſt Capital ſei. Uebrigens

iſt der Grund von simonde de sismondi, Nouveaux principes d'économie politique,

I. 101. 102, daß Grund und Boden ſelbſt, Capital aber nicht ohne Arbeit pro-

ducire, für unſere Anſicht nicht entſcheidend. Ganilh, Des systemess d'économie

politique I. 270.

⁴⁾ Es iſt daher unrichtig: a) denſelben zum Capitale zu rechnen, weil ihm

das wahre Criterium dazu fehlt, Krauſe Verſuch. I. §. 43. 45. 136. 191.

Hermann a. a. O. §. 10.; b) den Charakter des Capitals auch in ſeine Dauer

zu ſetzen, um es vom Verbrauchsvorrathe zu unterſcheiden, wie Hermann §. 8.

und Ricardo a. a. O. S. 20.; denn es gibt Conſumtionsartikel von langer

Dauer, z. B. Luſthäuſer, Meubles, und Capitalien, welche ſehr ſchnell an ſich

verſchwinden, z. B. viele zu verarbeitenden Stoffe, obſchon ſie im Verkehre ſamt Ein-

kommen erſtattet werden; c) unter Capital den direkt zum menſchlichen Unterhalte

oder zur Erleichterung der Produktion anwendbaren Theil des Vermögens zu ver-

ſtehen, wie Mac-Culloch a. a. O. der neuen Ausgabe ſeiner Principles und S. 72

der Ueberſetzung von Weber. S. dagegen say Cours IV. 127. Ueberſetzt von

v. Theobald. IV. S. 98.; ferner d) alle Güter zum Capital zu rechnen, welche

[76/0098]

⁴⁾ zur Produktion verwendet werden können, wie Hufeland neue Grundlegung I.

126; denn dann iſt Alles Capital.

⁵⁾ Es iſt daher unrichtig, Capital für Vermögen zu rechnen, dennoch den

Boden vom Capitale auszuſchließen, und dann zwiſchen produktiver und unproduk-

tiver Verwendung deſſelben zu unterſcheiden, wie Read a. a. O. Denn es gibt

auch ein Drittes.

§. 55.

Fortſetzung. Arten des Capitals.

Die Capitalien laſſen ſich nach verſchiedenen Geſichtspunkten

eintheilen, nämlich:

1) In Betreff ihres Zweckes: a) in Nutzcapitalien (capi-

taux productifs d'utilité et d'agrément), d. h. wirthſchaftliche

Güter zur unmittelbaren Nutzung1). Sie bilden gleichſam den

Uebergang zum Verbrauchsvorrathe; und b) in Erwerbscapi-

talien (eigentliche Capitalien), d. h. wirthſchaftliche Güter zur

mittelbaren Nutzung. Sie ſind materieller und immaterieller Natur.

2) In Betreff der Nutzungsart durch den Eigenthümer, a) in

Leihcapitalien, d. h. ſolche, deren materielle oder immaterielle

mittelbare oder unmittelbare Nutzung an andere gegen eine Ver-

gütung abgetreten wird. Sie werden verliehen, vermiethet, ver-

pachtet; und b) in Werb- (Produktiv-) Capitalien, d. h. ſolche,

deren Nutzung man durch Selbſtanwendung bezieht2).

3) In Betreff ihrer Natur ſelbſt; a) in ſtehendes

(fixes) Capital, d. h. ſolches, deſſen Nutzung blos in das ge-

ſchaffene Produkt übergeht, und das alſo weder den Eigenthümer

noch ſeine Geſtalt zu verändern braucht, um produktiv zu werden,

z. B. Werkhäuſer, Privilegien, Maſchinen; und b) in umlau-

fendes (fließendes) Capital, d. h. ſolches, das ſelbſt in das

Produkt übergeht und in deſſen Preiſe beim Verkaufe erſtattet

wird, gleichgiltig, ob der Uebergang in das Produkt ganz materiell

war oder ob es nur bei und zum Behufe der Produktion conſumirt

wurde, z. B. das Geld, und alle dabei verzehrten und verwandel-

ten Gewerbsſtoffe3).

4) In Betreff der Gegenſtände, die zum Capitale

gehören, a) in die Verwandlungsſtoffe, an denen die Er-

werbsarbeit vorgenommen wird; b) die Hilfsſtoffe, welche blos

zur Schaffung des neuen Produkts gebraucht, ohne in ſelbiges

überzugehen; c) die Wohn- und Werkgebäude; d) die Werk-

zeuge, Maſchinen und chemiſche Vorrichtungen; e) alle Samm-

lungen, welche den Erwerb bedingen und Nutzen gewähren;

f) Vorräthe an bürgerlichen Gütern, deren Verkauf Gewinn gibt;

g) Vorräthe an demjenigen Gute, womit der Tauſch erhalten und

[77/0099]

ausgeglichen wird (§. 60.); h) die im ausſchließlichen Beſitze des

Wirthes befindlichen immateriellen Güter, welche ſeinen Erwerb

erhalten und befördern, z. B. Privilegien, Monopolien, Kund-

ſchaften u. dgl. m.

¹ Die Nutzcapitalien ſind ein ſtreitiger Punkt, und ſelbſt diejenigen Schrift-

ſteller, welche ſie zum Verbrauchsvorrathe rechnen, mögen ihre Anſicht nicht überall

conſequent durchführen, z. B. bei der Häuſerſteuer. Lotz (Handb. III. S. 285.)

bleibt ſich conſequent, indem er dieſe für eine Conſumtionsſteuer erklärt. Welche

widerſinnige Folgerungen daraus hervorgehen, zeigt die Finanzwiſſenſchaft. Daß die

Gewerksgebäude Capital, die Luſthäuſer aber Verbrauchsvorrath ſind, gibt man zu.

Bei Wohnhäuſern iſt das Eigenthümliche, daß ſie vermiethet werden und einen

materiellen Ertrag geben können, ſo wie daß, wer ſich ein Haus baut, einen

Miethzins erſpart. Zu läugnen iſt aber zugleich nicht, daß auch die Werkgebäude

nur einen immateriellen Ertrag geben und darin den Wohnhäuſern gleich ſind. Da

die Häuſer nun auch nur aus, der Erde abgewonnenen, Gütern beſtehen, ſo kann

nichts entgegen ſein, ſie als Nutzcapital zu betrachten, das man beſtändig wieder

mit Koſten erhält. Zudem iſt die Unterſcheidung der Gewerbs- und Wohngebäude

in vielen Fällen gar nicht thunlich. Unter demſelben Geſichtspunkte ſtehen z. B.

auch die Bibliotheken und allerlei Sammlungen, welche als Nutzcapital erſcheinen

bei demjenigen, der durch ſie nichts verdienen will, während ſie Erwerbscapital

ſind für den, der ſie zum Erwerbe benutzt.

² Hermann (ſtaatswirthſch. Unterſ. Abh. III. §. 10.) hat unrichtig blos die

Erwerbscapitalien ſo eingetheilt, denn auch die Nutzcapitalien können vermiethet

werden. Dadurch werden ſie zwar für den Eigenthümer Erwerbscapitalien, für den

anderen bleiben ſie aber doch Nutzcapital, z. B. Bibliotheken.

³ Hermann a. a. O. theilt nur die Werkcapitalien alſo ein, obſchon auch

die Leihcapitalien beiderlei Natur ſein können, z. B. verliehenes Geld, vermiethete

Maſchinen u. dgl.

Drittes Hauptſtück.

Von den Arten des Erwerbes im Allgemeinen.

§. 56.

Obſchon die genannten Güterquellen bei jedem Erwerbe mehr

oder weniger wirkſam ſind, ſo gibt es doch verſchiedene Erwerbs-

arten, welche ſich aber in folgende Hauptarten ſondern laſſen:

1) Erwerb durch unmittelbare Anwendung der genannten Gü-

terquellen zur Hervorbringung von Gütern wegen ihres Gebrauch-

und Tauſchwerthes. Hierher gehören die Ur- und Kunſtgewerbe.

2) Erwerb durch Anwendung der genannten Güterquellen, um

anderen damit materielle und immaterielle Güter und Nutzungen

gegen Vergütung zu gewähren. Hierher gehört der Handel, das

Leihgeſchäft und die Dienſtgewerbe.

Die beiden Arten des Erwerbs werden im beſonderen Theile

nach ihren Eigenthümlichkeiten betrachtet. Bei der erſten Art liegt

der Erwerb in den hervorgebrachten Gütern, bei der anderen aber

[78/0100]

in alle demjenigen, was uns für die Ueberlaſſung von wirthſchaft-

lichen Gütern, Nutzungen und Leiſtungen im Verkehre gegeben

wird. Dieſes aber nennt man Preis, welcher unter verſchiedenen

Formen und Benennungen wiederkehrt1). Die Größe des Erwerbs

erſter Art hängt an ſich lediglich von der Wirkſamkeit der Güter-

quellen, jene des Erwerbs der anderen Art außerdem noch von den

Verkehrsverhältniſſen ab.

¹ Vorzügliche Literatur: A. smith Inquiry. I. 43. 70. 82. Lauderdale

Inquiry. Deutſch. Ueberſ. Berlin 1808. S. 1. 11 folg. Ricardo Principles. Chap.

1. et 20. Torrens, On the production. Chap. 1. Mill, Elements of Polit. Econ.

Chap. III. sect. 2 and 3. p. 90 sqq. Rau, Lehrb. der polit. Oecon. I. § 158 folg.

Mac-Culloch Principles. Ueberſ. von Weber. S. 172. 198 folg. Murhard,

Theorie und Politik des Handels. I. S. 30. storch, Cours d'économie politique.

Ueberſ. von Rau. I. 39. 239. 277. 286. III. 22. 245 folg. Zachariä, 40 Bücher

vom Staate. Bd. V. S. 126. simonde de sismondi, La richesse commerciale.

I. 317. Canard, Principess d'économie politique. Chap. III. say, Cours d'éco-

nomie politique. II. 210. 312 sqq. Ueberſ. von v. Theobald. II 156. 231.

Lotz Handbuch. I. 39 folg. Hermann, ſtaatswirthſch. Unterſuch. S. 66 folg.

S. auch meine ſtaatswiſſ. Verſuche über Staatskredit. S. 466.

§. 57.

Werth und Preis.

Der Preis iſt vom Werthe (§. 39.) ungefähr wie die Wirkung

von der Urſache verſchieden. Der Preis, d. h. die Menge von

wirthſchaftlichen Tauſchgütern, welche man im Verkehre für andere

materielle und immaterielle Güter, welche vertauſcht werden kön-

nen, erhält, ſetzt nicht blos Güter von Tauſchwerth, ſondern auch

das Begehren und Anbieten ſolcher voraus1). Die Unterſcheidung

des Gebrauchs- und Tauſchwerthes2) liegt in der Natur der

wirthſchaftlichen Güter. Der Tauſchwerth iſt allgemeinhin vom

Preiſe verſchieden, wie der Werth überhaupt. Der Werth iſt etwas

in der Vorſtellung der Menſchen Liegendes, nach ihrer Anſicht an

den Gütern Haftendes, und Relatives; dagegen der Preis etwas

Beſtimmtes, Feſtes und aus wirthſchaftlichen Gütern ſelber Beſte-

hendes. So wie es keinen Tauſchwerth ohne vorausgeſetzten Ge-

brauchswerth gibt, ſo auch gibt es keinen Preis ohne Vorausſetzung

des Tauſchwerthes. Der Tauſchwerth hat einen Preis zur Folge,

ſobald ein Angebot und Begehr von einem Gute entſtanden iſt und

wirkſam wird. Dieſe beiden laſſen ſich von zwei Seiten betrachten.

Subjektiv verſteht man unter ihnen die Menſchen, welche wirth-

ſchaftliche Güter, Nutzungen und Leiſtungen anbieten und ſuchen;

objektiv aber die Menge und Arten der angebotenen und begehrten

wirthſchaftlichen Güter, Nutzungen und Leiſtungen ſelbſt. Nicht

einmal bei den perſönlichen Leiſtungen fallen beide zuſammen, weil

[79/0101]

von dieſen ein Menſch mehr bieten kann als der andere. Sowohl

objektives Angebot als objektiver Begehr ſind Preiſe, dieſer für

den Anbieter, jener für den Begehrer.

¹ Rau (Lehrb. I. §. 56.) nimmt daher mit Unrecht an, daß der Preis nur

aus ſachlichen Gütern beſtehe, und widerſpricht ſich im §. 158., wo er ſagt, zwei ge-

genſeitig ausgetauſchte Güter bildeten wechſelſeitig das Eine den Preis des Andern.

S. meine Verſuche über Staatskredit. S. 466.

² Ueber den Unterſchied dieſer beiden und des Preiſes f. v. Soden Nat.

Oekonomie. IV. 22. Hufeland, neue Grundlegung. I. 118. Lotz, Reviſion der

Grundbegriffe der Nat. Wirthſchaftslehre. I. S. 9. Handbuch. I. 20. L. say

Considerations. p. 47.storch Cours. Ueberſ. von Rau. I. 27. Rau Lehrbuch.

I. §. 62. (II. Ausg. §. 56.) Dieſer Leztere erkennt im Tauſchwerthe entweder nur

den Gebrauchswerth (eigentlichen Werth) oder den Preis an. In wieferne dies

unrichtig iſt, geht aus dem Paragraphen hervor. Gebrauchswerth haben die Güter

vor der Bildung des Begriffs von Eigenthum und Arbeitstheilung; Tauſchwerth

erhalten ſie erſt nach dieſer, was noch heute an allen Gütern zu erkennen iſt, welche

kein Eigenthum werden können. S. Torrens, On the production of wealth. pag.

12–28. Ferguson, An Essay on the History of civil society. p. 125–127.,

wo die Gemeinſchaftlichkeit der Arbeit und des Beſitzes bei Völkern ohne Begriff von

Eigenthum gezeigt iſt. Uebrigens betrachtet A. Smith den Preis keineswegs als

eine Art des Tauſchwerthes, wie Rau meint, ſondern als das Mittel zur Schätzung

und Vergleichung der Werthe und gibt als ſolchen der Arbeit den Vorzug, und

nennt den Preis in Arbeit Real-, jenen in Geld Nominalpreis A. Smith. I.

48–49. S. §. 59. Note 5. Eigenthümlich iſt Ricardo's Anſicht von Werth

(Principles. Chap. 1 and 20), unter welchem (value) er die Menge, Schwierig-

keit und Leichtigkeit der Arbeit, um die Güter zu erlangen, verſteht. Aber er ſetzt

auch die Brauchbarkeit (utility) mit A. Smith voraus, und gibt als die zwei

Quellen des Tauſchwerthes der Güter ihre Seltenheit und obigen Werth an, weil

er nur nach dieſen bemeſſen werde, und jede Erhöhung der Arbeitsmenge den Werth

erhöhe (Principles. p. 1–5. p. 340–342.). Eine nähere Betrachtung zeigt, daß

er die Folgen der Brauchbarkeit, nämlich Arbeit zur Erlangung der Güter, mit der

Urſache vermengt, und dieſe Folge, je mehr ſie ſich erweitert, als Regulator der

Tauſchkraft der Güter anſieht, ohne zu bedenken, daß es wieder die verſchiedenen

Grade der Brauchbarkeit und Seltenheit ſind, welche den Menſchen zur Arbeit an-

treiben. Ihm ſpricht Steinlein (Handb. I. S. 223.) nach; allein mit Unrecht,

ſchon darum, weil der deutſche Sprachgebrauch obigen (§. 39.) Begriff von Werth

geheiligt hat. S. §. 61. Note 2. unten.

§. 58.

Regulatoren des Preiſes.

Die Größe des Preiſes hängt vom ſubjektiven und objektiven

Begehre und Angebote ab. Daher unterſcheidet man folgende

Preisbeſtimmungen:

1) Von Seiten des Begehres. Er richtet ſich hier nach folgenden Umſtänden:

a) Nach dem Werthe des zu ertauſchenden Gutes, der zu

ziehenden Nutzung und des zu empfangenden Dienſtes; denn davon

hängt die Aufopferung, zu der man ſich, um ſich ein Gut im Ver-

kehre zuzueignen, entſchließt, ab.

b) Nach den Koſten, um welche man das Gut, die Nutzung

und die Leiſtung ſonſt erhalten kann. Dieſe Koſten können nun

[80/0102]

ein anderweitiger Preis oder eigene Produktions- und Herbeiſchaf-

fungskoſten ſein. Vernünftiger Weiſe berechnet ſie vorher ein Je-

der, der einen Tauſch, Kauf, ein Leihgeſchäft unternimmt oder

Arbeiter beſchäftigt.

c) Nach der Zahlfähigkeit des Begehrers; denn jeder ver-

nünftige Wirth muß dieſe zu Rathe ziehen, ehe er Güter, Nutzungen

oder Leiſtungen eintauſcht. Schulden ſind die Folge des Nicht-

zahlens, deſſen Verſchiedenheit von der Zahlunfähigkeit klar iſt.1).

Die Zahlfähigkeit hängt vom Einkommen ab, und wird für die Be-

dürfniſſe berechnet, wenn man den zur Verwendung gewidmeten

Vermögensſtamm durch den Preis des Bedarfes dividirt, dagegen

aber für das Wohlleben, wenn man nach Deckung der Bedürfniſſe

den übrigen zur Verwendung beſtimmten Vermögensſtamm durch

den Preis des Bedarfs zum Wohlleben überhaupt oder eines er-

wünſchten Genuſſes insbeſondere dividirt2).

¹ Daß man noch nicht zahlunfähig iſt, wenn man beim Tauſche oder Schluſſe

eines Geſchäftes nicht ſogleich bezahlt, zeigt der allgemeine Gang des Verkehrs,

welcher beſtimmte Zahlzeiten angenommen hat und bis dahin die Forderungen und

Schuldigkeiten aufzeichnet. Daran iſt der Kredit Schuld, der alſo den Verkehr

erleichtert.

² Wie man ſeine Zahlfähigkeit im Allgemeinen berechnen kann, ſo auch in

jedem einzelnen Falle, wo man ſich Genüſſe verſchaffen will. Hermann, ſtaats-

wirthſchaftliche Unterſuchungen. S. 73.

§. 59.

Fortſetzung.

2) Von Seiten des Angebotes. Er richtet ſich hier nach

folgenden Umſtänden:

a) Nach dem Werthe des zu vertauſchenden Gutes, der zu

gebenden Nutzung und des zu leiſtenden Dienſtes; denn nach ihm

richtet ſich die Vergütung, die der Anbieter haben will, unter

übrigens gleichen Umſtänden1).

b) Nach den Koſten, um welche der Anbieter das Gut, die

Nutzung und die Leiſtungsfähigkeit erhalten hat. Bei Gütern ſind

es die Schaffungskoſten oder der Ankaufspreis, die Erhaltungs-

koſten und der Verluſt bei längerer Aufbewahrung; bei den Nutzun-

gen aber die Vergütung für Entbehrung derſelben, die Entſchädi-

digung für die Abnutzung des verliehenen Capitals und die Entſchä-

digung für das Wagniß (Riſico), dem der Eigenthümer wegen

gänzlichen Verluſtes ausgeſetzt iſt; bei perſönlichen Leiſtungen die

Zinſen des zur Erlangung der Dienſtfähigkeit verwendeten Capitals,

der Erſatz des Capitals zur Lebensunterhaltung nach erloſchener

Dienſtfähigkeit2), oder kurz der Aufwand, welcher zur Erhaltung

[81/0103]

des Arbeiters und ſeiner arbeitsunfähigen Familie während der

Leiſtungen und jener Zeit, wo man Gewohnheits und Nothwendig-

keits halber nicht arbeitet, erfordert wird3).

c) Nach dem marktüblichen Preiſe, in ſoferne als der

Anbieter überhaupt bei gleicher Güte des Gutes, der Nutzung und

des Dienſtes nicht mehr erlangen kann, in ſoferne als derjenige,

welcher wenigere Koſten aufwendet, als der marktgängige Preis

beträgt, wenigſtens einige Zeit hindurch ſich dieſen höheren Preis

bezahlen läßt und in ſoferne, als man ſich bei vielen Tauſch-,

Kauf-, Mieth- und Dienſtgeſchäften geradezu an den marktüblichen

Preis hält4).

d) Nach dem Tauſchwerthe der Güter, Nutzungen und

Leiſtungen, in denen der Preis entrichtet wird. Derſelbe richtet

ſich nach dem Grade der Macht, mit welcher ſie im Verkehre an-

dere Güter, Nutzungen und Leiſtungen anziehen. Dieſe Macht

aber äußert ſich bei gleicher Güte in der Menge der Lezteren,

welche für eine beſtimmte Menge der Erſteren erlangt werden

kann. Ihr Tauſchwerth ſteht daher mit der zu erhaltenen Menge

in geradem, mit der hinzugebenden in umgekehrtem Verhältniſſe,

bei gleicher Güte5).

3) Von Seiten des gegenſeitigen Kampfes zwiſchen

Angebot und Nachfrage; denn bei größerem Angebote ſinkt,

bei größerem Begehre ſteigt der Preis. Das Verhältniß des ob-

jektiven Angebots zum objektiven Begehre heißt Mitbewerb.

(Wettbewerb, Concurrenz, engl. competition).

¹ Hierbei tritt der Werth nicht blos als Tauſch-, ſondern auch als Gebrauchs-

werth in den Calcul, ſchon darum, weil ſich in allen Fällen jener nach dieſem

richtet, und noch deswegen, weil es Güter, Nutzungen und Leiſtungen gibt, für die

man Preiſe bezahlt, die mit den Koſten im Mißverhältniſſe ſtehen, z. B. für Ge-

mälde eines Raphael, Correggio, neuerdings eines Leſſing, für vergriffene Schriften

berühmter Männer, für Manuſcripte, für Concerte, für ſehr alten Wein. Aber

es hat daher Hermann ſtaatswirthſch. Unterſuch. S. 77.) Unrecht, wo er blos

den Tauſchwerth als beim Angebote wirkſam bezeichnet. Im Handel aber iſt der

Tauſchwerth noch zu unterſcheiden von der Handelswürdigkeit, d. h. der aus

dem Tauſchwerthe folgenden Eigenſchaft der Waare, dem Handelsmanne einen Ge-

winn zu verſchaffen.

² Die nähere Entwickelung dieſer Einzelheiten gehört der Volkswirthſchafts-

lehre an. Die Streitigkeiten über dieſen Punkt werden in ihr angedeutet werden.

³ Hermann macht bei der Preisbeſtimmung von Seiten des Angebotes nur

die Ankaufs- und Erzeugungskoſten als wirkſam geltend; dies iſt einſeitig, denn

nur bei ſachlichen Gütern ſind dieſe wirkſam.

⁴⁾ Lezteres z. B. beim Geldausleihen, beim Wechſel- und Staatspapier-

Handel. Hermann führt mit Unrecht unter den Beſtimmgründen des Tauſch-

werthes der hinzugebenden Waaren, alſo von Seiten des Angebotes, dort, wo er

von den Koſten ſpricht, auch den marktgängigen Preis der hinzugebenden Waaren

an, obſchon dieſer an ſich auf den Koſtenſatz von Seiten des Anbieters auch nicht

Baumſtark Encyclopädie. 6

[82/0104]

⁴⁾ den geringſten Einfluß äußert; denn der marktübliche Preis wirkt nur auf den

Preisſatz, keineswegs aber auf den Koſtenſatz von Seiten des Anbieters.

⁵⁾ An dieſem Verhältniſſe kennt man recht die Wichtigkeit des Tauſchwerthes

im Gegenſatze des Gebrauchswerthes. Denn da die gegenſeitig zu vertauſchenden

wirthſchaftlichen Güter gegenſeitig den Preis bilden, ſo muß ein Etwas vor dem

Preiſe vorhanden ſein, um die Größe dieſes Lezteren zu beſtimmen, und das iſt der

Tauſchwerth. Als Beiſpiel diene alter und neuer Wein, um den gegenſeitigen

Preisſatz nach Güte und Quantum zu beſtimmen, wenn einer den Preis des andern

bildet.

§. 60.

Preis- und Tauſchmittel.

In keiner Periode hat der Preis einen ſo ausgedehnten Be-

griff, als in jener der Ungebildetheit, wo ſich wenige Gewerbs-

thätigkeiten entwickelt haben, wo man noch keinen Handel und

keine Handelsverbindung kennt. Denn da dient jedes Gut gelegen-

heitlich als Preis. Bald aber theilen ſich die Güter in Betreff der

Allgemeinheit ihres Werthes und ihrer Geſuchtheit. Der wahre

Werth, die äußere Schönheit, der Grad von Seltenheit, die

Dauerhaftigkeit macht ein Gut beſonders von allen Gliedern einer

bürgerlichen Geſellſchaft geſucht, ſo daß man, da es überall gerne

angenommen wird, daſſelbe auch allenthalben für Güter, Nutzungen

und Leiſtungen im Verkehre anbringen kann. Das ſo als allge-

meiner Entgelt im Verkehre angenommene Gut nennt man aus-

ſchließlich Geld, worunter man das allgemeine Preis- und

Tauſchmittel verſteht, das überall in der Nation als Gegen- und

Gleichwerth gegen Güter, Nutzungen und Leiſtungen gegeben und

genommen wird. Sobald dies eingeführt iſt, bekommt der Preis

im gewöhnlichen Leben den engeren Begriff als Geldpreis. Die

Wahl des Gegenſtandes, welcher als Geld dient, iſt wechſelnd

nach dem Grade der Civiliſation eines Volkes1). Doch aber hat

die Geſchichte beſtätigt, daß alle civiliſirten Völker ſich des Silbers

und Goldes als Geldmaterials bedienen. Man hat dies aber Me-

tallgeld nennen müſſen zur Unterſcheidung von den Papierzeichen,

welche man auch als Vertreter des Metallgeldes in Umlauf ſetzte

und als wahres Geld betrachtete, und nun noch allgemeinhin

Papiergeld nennt.

¹ Meine Verſuche über Staatskredit. S. 139. Die Neger in Congo hatten

ein idealiſches Geld, Markute genannt; auf den engliſch weſtindiſchen Colonien dienten

der Zucker, unter den nordamerikaniſchen Wilden rohe und gegerbte Häute, Biber-

felle, bei den Aethiopiern das Steinſalz, in Neufoundland die Stockfiſche, in

Virginien der Tabak, die Cauris (eine Art Muſcheln auf den Maldiven) in Indien

und Afrika, die Cacaokörner in Braſilien als Geld. Je nach der Entwickelung der

gewerblichen Thätigkeit eines Volkes dient zuerſt Eiſen, dann Kupfer, dann Silber,

dann Gold als Hauptgeldmaterial und am Ende nimmt man zum Papiere als Ver-

tretungszeichen des Metalls ſeine Zuflucht.

[83/0105]

§. 61.

Arten des Preiſes.

Wenn man den Preis unter verſchiedenen Beziehungen be-

trachtet, ſo erhält er verſchiedene Benennungen, nämlich:

1) Je nach der Wirkſamkeit der Concurrenz und der

daraus erfolgenden Höhe deſſelben unterſcheidet man den Markt-

(wirklichen oder Tauſchpreis, franzöſ. prix courant) und Mono-

polpreis. Jener iſt der auf offenem Markte bei offenem Mit-

bewerbe entſtandene ſtändige, dieſer aber derjenige Preis, welchen

ein einziger Anbieter im Verkehre verlangt und erhält, da er keine

Concurrenz ausgehalten hat.1).

2) Je nach Höhe des Preiſes in Betreff ſeiner Be-

ſtandtheile findet ſich, daß der Preis entweder mehr und weniger

den Koſtenſatz überſteigt, oder gerade denſelben beträgt. Ein tie-

ferer Stand deſſelben zwingt, das Tauſch-, Kauf-, Mieth-, Leih-

und Dienſtgeſchäft aufzugeben. Im zweiten Stande nennt man

den Preis Koſtenpreis (natürlicher, nothwendiger, angemeſſener

Preis)2).

3) Je nach den Gegenſtänden, woraus der Preis be-

ſteht unterſcheidet man den Geldpreis und den Sachpreis,

d. h. jenen, der in anderen Gütern, Nutzungen und Leiſtungen,

anſtatt in Gelde ausgedrückt iſt3).

4) Je nach der Berechnungsart der Preiſe gibt es ei-

nen Einzel- und einen Durchſchnittspreis, d. h. einen aus

mehreren Einzelpreiſen gefundenen mittleren Preis. Der Leztere

kann örtlich und zeitlich verſtanden werden, und iſt im erſten

Falle der mittlere Preis eines Gutes, einer Nutzung oder Leiſtung

von verſchiedenen Orten, Gegenden, Ländern, und im zweiten

Falle von verſchiedenen Perioden4).

¹ Lotz Handb. I. 49. Deſſelben Reviſion der Grundbegriffe. I. 71. folg.

81 folg. Hufeland (Neue Grundlegung. I. 132.) nennt den Erſteren doppel-

ſeitigen, und den Lezteren einſeitigen. simonde de sismondi (de la richesse

commerciale. I. 283) nennt Erſteren prix relatif, im Gegenſatze des prix intrinsèque,

worunter er den aus den Schaffungskoſten und dem gewöhnlichen Gewinne des

Produzenten beſtehenden Preis verſteht. Beide ſind Marktpreiſe, aber der Erſtere

hört auf, der Leztere zu ſein, wenn er unter deſſen Betrag fällt.

² Den Ausdruck natürlichen Preis gibt Hufeland I. 373. dem Gegen-

ſatze des Koſtenpreiſes. v. Jacob (Nationalökonomie. S. 89. §. 176.) ſetzt ihn

dem erkünſtelten gegenüber, welcher nicht blos die nothwendigen, ſondern auch

willkürliche Urſachen der Produktion des Gutes dem Produzenten erſetze. Daß dies

nicht Statt finden kann, iſt aus §. 58. und 59. klar. Mit Unrecht ſetzt derſelbe

(S. 88. §. 178.) den Koſtenpreis dem Marktpreiſe gegenüber, denn dieſer wird oft

Koſtenpreis. Lotz (Reviſion. I. 84.) tadelt dies und will dagegen denſelben ſeinem

wirklichen Preiſe gegenübergeſtellt wiſſen. Allein ſein wirklicher Preis iſt der Preis

überhaupt, und kann ſelbſt Marktpreis werden, eben ſo wie Monopolpreis. Daher

6 *

[84/0106]

² iſt auch dieſer Gegenſatz unrichtig. Hufeland (Neue Grundlegung. I. 132.) nennt

den Koſtenpreis wirklichen inneren Preis, und als Gegenſätze hierbei den

willkürlich einſeitigen Preis und den Preis, für den der Anbieter die Sache

abgeben will. Allein daß dieſe Unterſcheidung wenig taugt und nicht gut bezeichnet

iſt, fällt in die Augen. Was wir Koſtenpreis heißen, das nennt Simonde a. a. O.

prix nécessaire, und Grundlage des prix intrinsèque. Aber er fällt mit Kraus

(Staatswirthſchaft. I. 80.), Lüder (Nationalinduſtrie. I. 89.), Ch. v. Schlötzer

(Staatswirthſch. I. 90.), Lotz (Reviſion. I. S. 81.) in den Fehler einſeitiger

Betrachtung, indem auch er wie dieſe unter demſelben blos die Produktionskoſten

verſteht. Lotz a. a. O. findet es unnatürlich, dieſe einen Preis zu nennen, da doch

die Produktion nicht Tauſch ſei; in ſeinem Handb. I. S. 51. Anmerk. betrachtet er

aber denſelben nicht blos von der Seite der Hervorbringung, ſondern auch von

Seiten der Koſten, um ein Gut auf den Markt zu bringen. Jedoch alle dieſe

Schriftſteller haben A. Smith (Inquiry. I. 83. Uebers. von Garve. I. s. 99.)

mißverſtanden. Sartorius (Handb. der Staatswirthſchaft. S. 10. §. 9.) blieb

ihm treu. Derſelbe verſteht darunter den bezahlten Preis, welcher blos die Koſten

der Hervorbringung und des auf den Markt Bringens nach ihren natürlichen Sätzen

enthält. Aber Rau I. §. 167., welcher hierauf eingeht, erklärt denſelben für eine

bloße Modification des Marktpreiſes zufolge der Concurrenz. Wäre er dieſes, ſo

würde ſeine beſondere Auszeichnung dennoch ſtets wichtig ſein. Allein er iſt es nicht.

Denn der Begriff des Marktpreiſes hat nicht die Nebenidee der bloßen Zufälligkeit

und Augenblicklichkeit, ſondern die Grundidee eines konſtanten Wirkens von Angebot

und Nachfrage, ſo daß ſich ein Grundtypus für den Marktpreis bildet, um den in

kleinen Abweichungen der augenblickliche Marktpreis gravitirt. Es läßt ſich daher

wohl ein augenblicklicher Koſtenpreis, aber nur mit einem ſolchen Nachtheile für den

Anbieter denken, daß er ſogleich das betreffende Verkehrsgeſchäft aufgibt, oder dies

nur darum nicht thut, weil ihm der ſpätere Gewinn dieſen Schaden wieder erſetzen

muß. Denn der Koſtenpreis enthält blos obige Koſten, und gar keinen Gewinn,

nicht einmal die Zinſen des angewendeten Capitals, um die Güter auf den Markt

zu bringen; er verurſacht alſo Verluſt. Dies iſt die wahre Anſicht von A. Smith,

und des ihm treu gebliebenen Torrens, On the production of wealth. p. 50–55.

Aber Rau (I. §. 62. Note a.) ſcheint Ricardo (Principles. chap. 1 and 20.) nicht

recht aufgefaßt zu haben, da er von ihm ſagt, derſelbe verſtehe unter Werth die

Hervorbringungskoſten der Güter. Dies ſcheint dem Verf. Ricardo nicht behaup-

tet zu haben, ſondern nur daß die Leichtigkeit und Schwierigkeit der Hervorbrin-

gungsarbeit den Werth beſtimme. Es iſt überhaupt zum Verſtändniſſe Ricardo's

nicht aus den Augen zu verlieren, daß er die Theorie des Volksvermögens immer

mehr ins Abſtrakte zu ziehen ſucht. S. oben §. 57. Note 2.

³ A. Smith, Inquiry. I. 4849. v. Jacob, Nationalökonomie. S. 87.

§. 171. simonde de sismondi, Richesse commerciale. I. 317. Lotz, Reviſion.

I. 89 folg. A. Smith führte dieſen Unterſchied blos den Namen nach ein, denn

unter Sachpreis verſteht er den in Arbeit ausgedrückten Preis, da alle Güter in

Arbeit ſich zuſammenfinden. Seine Nachfolger haben dieſen Begriff erweitert, aber

dennoch mit ihm den Geldpreis einen Nennpreis genannt. Da Geld auch ein Gut

iſt, ſo kann dieſe Benennung nicht allgemein vertheidigt werden.

⁴⁾ Bei der Berechnung der Durchſchnittspreiſe iſt zu berückſichtigen: a) die

Zeit überhaupt, aus welcher und für welche ſie genommen werden. Mit der Anzahl

der Jahre ſteigt daher nicht immer ihre Sicherheit, weil ſich die Menge der außer-

ordentlichen Fälle auch um ſo mehr darin häufen kann, wie jene der ordentlichen.

b) Die Jahreszeiten, aus denen ſie genommen werden und für die ſie gelten ſollen,

weil die Umſtände, die den Einzelpreis beſtimmen, davon abhängen, c) die Qualität

der Gegenſtände, um deren Preis es ſich handelt, weil hiernach obige Umſtände

wechſeln; d) die Verſchiedenheit der Orte, Gegenden und Länder nach allen geogra-

phiſchen und ſtatiſtiſchen Verhältniſſen, für welchen man ſie berechnet; e) alle Zeit-

verhältniſſe, welche auf die Concurrenz wirken, nämlich Angebot und Nachfrage

zugleich oder einſeitig erhöhen oder erniedrigen. f) Die Verhältniſſe des Tauſch-

werthes und Preiſes der Geldmateralien, alſo in der Regel des Metalles, Metall-

geldes und Papiergeldes; und endlich g) die Zwecke, wozu die Durchſchnittspreiſe

berechnet werden, je nachdem ſie allgemeinerer oder beſonderer Natur ſind. Rau

Lehrb. I. §. 185. Hermann, ſtaatswirthſch. Unterſ. S. 122 folg.

[85/0107]

§. 62.

Veränderungen im Gewerbe.

Aus dem Bisherigen über den Erwerb iſt die Entſtehung von

Veränderungen in der Wirthſchaft klar zu machen. Sie ſind im

Allgemeinen folgende:

1) Der Vermögensſtamm erhält Zuflüſſe, die man allgemein-

hin Einnahme nennt.

2) Derſelbe erleidet Abflüſſe, die man allgemeinhin Ausga-

ben heißt.

3) Wenn man die Einnahmen ohne Bezug auf die Ausgaben

betrachtet, ſo heißen ſie rohe Einnahmen (Roheinkommen,

Rohertrag, Bruttoertrag).

4) Man nennt aber den Reſt nach Abzug der Ausgaben, um

Einnahmen zu bewirken, reine Einnahmen (Reineinkommen,

Reinertrag, Nettoertrag, Ueberſchuß, Gewinn).

5) Ueberſteigen aber die Ausgaben den Rohertrag, dann findet

Verluſt Statt, es wird das Zuſetzen und Schuldenmachen nöthig.

Man muß daher als ordentlicher Wirth ſuchen: 1) einen

großen Rohertrag zu erwerben, weil der Reinertrag um ſo größer

ſein kann1); 2) einen geringen Koſtenaufwand für den Erwerb zu

machen; und 3) den Erwerb ſo ſicher und dauerhaft als möglich

zu erhalten, d. h. die Wirthſchaft nachhaltig einzurichten und zu

führen; 4) nur eine ſolche Erwerbsart zu wählen, wozu man die

erforderlichen Kenntniſſe und Geſchicklichkeiten hat; 5) nur eine

ſolche Wahl zu treffen, bei welcher man nach dem Stande der

Verhältniſſe dauernden Erwerb haben kann; 6) alſo alle ſogenann-

ten Windprojekte zu vermeiden; 7) bei der Einrichtung einer

Erwerbsart wo möglich die vorzüglichſten ſachlichen Capitalien ſich

anzuſchaffen; 8) dabei aber nach der Anſchaffung aller körperloſen

Capitalien und Verhältniſſe zu ſtreben, welche den Erwerb erhöhen

können; 9) in der Anlage der Capitalien blos auf das Nöthige

und Nützliche zu ſehen, und Alles Andere zu vermeiden; 10) in der

Unterhaltung derſelben keine Koſten zu ſcheuen und nicht fahrläſſig

zu ſein; 11) die Naturkräfte ſo viel und ſo geſchickt als möglich

zu benutzen; 12) in der Wahl der Gehilfen und Arbeiter behutſam

zu ſein; 13) die Arbeiten geſchickt unter ſie zu vertheilen und zu

ordnen, ſo daß keiner unbeſchäftigt oder unrichtig beſchäftigt iſt;

14) dieſelbe durch pünktliche Löhnung und Hausbewirthung bei

Fleiß und Kraft zu erhalten; 15) nicht zu viele Erwerbsarten auf

einmal zu betreiben, wenn man ſeines hinreichenden Capitales und

der erforderlichen Umſicht nicht gewiß iſt; 16) in den Erwerbs-

[86/0108]

arten ſo wenig als möglich zu wechſeln, weil das Herausziehen

und Umwandeln der Capitalien zu ſchwierig und jedesmal mit

einigem Verluſte verbunden iſt.

¹ Dieſer Satz verdreht ſich ſcheinbar bei der Volkswirthſchaft ins Gegentheil,

da in ihr der große Rohertrag an ſich als ſolcher das Erwünſchteſte iſt. Denn je

größer der Rohertrag, um ſo größer werden die einzelnen Theile der zum Erwerbe

mitwirkenden, und um ſo beſſer erhält ſich die geſammte Bevölkerung. Allein je

größer dieſe einzelnen Theile ſind, um ſo wahrſcheinlicher iſt bei jedem Einzelnen

ein größerer Ueberſchuß über ſeine Koſten, alſo bei ihm der Reinertrag. Es löst

ſich alſo der Volks-Rohertrag in viele einzelne Roh- und Reinerträge auf.

Zweiter Theil.

Hauswirthſchaftslehre.

§. 63.

Vorbegriffe.

Aus dem Begriffe und Weſen der Hauswirthſchaft (§. 40.)

geht hervor, daß ſie nicht blos in der bürgerlichen, ſondern auch

in der Gemeinde- und Staatswirthſchaft vorkommt. Wenn in

dieſen nach ihrer Natur auch nicht alle hauswirthſchaftliche Sorgen

Statt finden, ſo iſt dies doch bei den meiſten der Fall. Da die

Hauswirthſchaft als Weſentliches den inneren Organismus und

Zuſammenhang hat, da ſie als Hauptthätigkeiten die Erhaltung,

Verwendung und Controle dieſer Lezteren bis zu einem gewiſſen

Grade anerkennt, ſo hat die Hauswirthſchaftslehre auch von der

Beſtellung der Hauswirthſchaft, von der Erhaltung, von der Ver-

wendung und von der Verrechnung des Vermögens und Einkom-

mens zu handeln.

Erſtes Hauptſtück.

Von der Beſtellung der Hauswirthſchaft im

Allgemeinen.

§. 64.

Vortheile der häuslichen Gemeinſchaft.

Das häuslich geſellſchaftliche Leben iſt eine von den charak-

teriſtiſchſten Eigenthümlichkeiten des Menſchengeſchlechtes. Es be-

fördert die geiſtige, ſittliche, körperliche und wirthſchaftliche Be-

ſtimmung und Cultur des Menſchen, ſo daß aus der Familie der

gute Menſch und wahre kräftige Bürger hervorgeht. Das gegen-

[87/0109]

ſeitige Beiſpiel, die Liebe und Anhänglichkeit, die Strenge des

Hausherrn, die Aufſicht und Ermunterung, die Genüſſe des häus-

lichen Lebens ſelbſt und die gegenſeitige Sorgfalt ſind die Haupt-

elemente des guten häuslichen Lebens. Die wirthſchaftlichen Vor-

theile eines ſo gemeinſchaftlichen Lebens ſind aber die zweckmäßigere

Befriedigung der Bedürfniſſe, die Erhöhung des Lebensgenuſſes

und die größere Sparniß am Bedarfe an Gütern, da durch zweck-

mäßige Aufbewahrung und Wiederbenutzung des Erübrigten viele

neue Auslagen vermieden und durch ſorgfältiges Ordnunghalten

die Genüſſe regelmäßiger und wirkſamer werden. Die Hauswirth-

ſchaft bleibt aber nicht in den engen Schranken einer kleinen bür-

gerlichen durch Blutsverwandtſchaft geknüpften Familie 1). Sondern

es gibt verſchiedene Ausdehnungen derſelben von der prachtvollen,

reichlichen und geſetzlich organiſirten Hauswirthſchaft am kaiſer-

lichen Hofe bis zu dem friedlichen, genügſamen und nach Recht

und Billigkeit geleiteten häuslichen Leben der bürgerlichen Familie,

von der reichen Hauswirthſchaft des großen Capitaliſten und Ge-

werbsunternehmers bis zur armen häuslichen Gemeinſchaft der

Bettlerfamilie. Darum iſt die Hauswirthſchaft verſchieden nach

dem Grade des Standes der Familie und nach dem Grade ihres

Reichthums und Einkommens. Aber es werden auch einzelne häus-

liche Vortheile von Gemeinden, von zuſammengetretenen Einzelnen,

oder vom Staate beſonders herausgehoben, und diejenigen, denen

ſie zu Theil werden ſollen, in eine häusliche Gemeinſchaft verbun-

den, weil jene Vortheile hierdurch am beſten erreicht werden. Zu

dieſen häuslichen Vereinigungen, deren Hauswirthſchaft immer

ausgedehnter als jene der bürgerlichen Familie, deren innere Ver-

hältniſſe mehr oder weniger reichlich und auf gewiſſe beſtimmte

Normen geſetzt ſind, gehören die Kranken-, Irren-, Armen-,

Arbeits-, Waiſen-, Siechen-, Zucht- u. dgl. Häuſer. Jede hat

einen eigenthümlichen Zweck, aber zu dieſem eine eigenthümliche

Einrichtung; allein alle genießen ſie die manchfachen Vortheile

eines häuslich gemeinſchaftlichen Lebens.

¹ Die Liebe, ſelbſt auch oft blos wirthſchaftlicher Vortheil, legt den erſten

Grund zur häuslichen Niederlaſſung. In ihr bildet ſich die Blutsverwandtſchaft.

Manche Familie iſt auch ſchon aus bloßer Freundſchaft zuſammengetreten. Die

Dienerſchaft findet ſich aus anderen Gründen ein. Die Saint-Simoniſten wollen

dieſe Gründung von Familien verwiſchen, und blos jene durch Charakter- und

Geſchäftsähnlichkeit einführen.

§. 65.

Wirthſchaftsperſonen und ihr gegenſeitiges Verhältniß.

Das gegenſeitige Verhältniß der Wirthſchaftsperſonen in der

Hauswirthſchaft iſt verſchieden nach den lezten Gründen, auf denen

[88/0110]

es beruht, und nach der Art der Hauswirthſchaft ſelbſt. Es

ſind 1) in der Familie dieſe Verhältniſſe nothwendige

Folgen der Natur. Dadurch iſt a) der Hausvater an die

Spitze der ganzen Hauswirthſchaft geſtellt; er iſt nach gemein-

ſchaftlicher Berathung mit der Hausmutter der Geſetzgeber im

Hauſe; mit Unrecht will man ihm oft den Antheil an der Haus-

wirthſchaft abſprechen; er iſt der oberſte Richter in häuslichen

Angelegenheiten; er wacht gemeinſchaftlich mit der Hausmutter auf

die pünktliche Vollziehung der Befehle; ihm ſteht der Verſchluß

des Erwerbs und das Anweiſen deſſelben zu häuslichen Zwecken

zu; hat derſelbe auch die Controle über die wirthſchaftliche Ver-

wendung, ſo hat er ſich dennoch eines thätigen Antheils an den

Verwendungsgeſchäften zu den häuslichen Bedürfniſſen zu enthalten,

da es ſich mit ſeiner Natur, Anlage und ſeinem Standpunkte im

Hauſe nicht verträgt; dies ſchließt jedoch eine ausnahmsweiſe Un-

terſtützung ſeiner Frau nicht aus, dieſe iſt vielmehr oft eine

weſentliche eheliche Pflicht im Sinne der Moral; die Führung des

Hauptbuches der Hauswirthſchaft gebührt ihm, jene der Neben-

bücher aber nicht, weil dieſe ſchon mit den Verwendungsgeſchäften

in unmittelbarer Berührung ſteht; der periodiſche Rechnungs-

abſchluß iſt ſchon ein Theil ſeines Controlrechtes. Damit hat auch

ſchon b) die Hausmutter ihren angewieſenen Wirkungskreis; ſie

nimmt an der Berathung häuslicher Angelegenheiten Theil; dazu

beſtimmt ſie ſchon die Eigenthümlichkeit der weiblichen Klugheit,

Umſicht und Mäßigung, ſo wie ihr praktiſches enges Verhältniß

zu den Hausgenoſſen und zum bürgerlichen kleinen täglichen Ver-

kehre, wodurch ſie mehr Erfahrungen und Einſichten in dieſer

Beziehung erwirbt, als der Mann; ein geſchäftiges Einmiſchen in

die gewerbliche, kunſt- oder wiſſenſchaftliche Thätigkeit und Auf-

ſicht des Hausvaters iſt ihr aber eben ſo fremd, als dem Hausvater

ein ſolches in die Verwendungsgeſchäfte für den häuslichen Bedarf;

ſie verfügt über die Beſchäftigung des hierzu beſtimmten Geſindes,

aber nicht über die Gehilfen und Arbeiter des Mannes, jedoch nie

ſo ausſchließlich, daß ihnen nicht auch der Hausherr Befehle er-

theilen kann; ſie zeichnet die Ausgaben für den häuslichen Bedarf

in Nebenbüchern auf und legt dem Hausvater periodiſch Rechnung

ab. Endlich ſtehen c) die Kinder des Hauſes gegen ihre

Eltern, und dieſe gegen jene in dem Naturverhältniſſe der Liebe,

aus welchem alle Pflichten des Rechts und der Moral entſpringen,

die ſie wechſelſeitig zu erfüllen haben und deren Entwickelung an

ſich der Wirthſchaftslehre ganz fremd iſt; allein die Wirthſchafts-

lehre erheiſcht die Erfüllung jener Pflichten mit gleicher Strenge,

[89/0111]

wenn auch nicht aus gleichen Gründen, wie das Rechts- und

Moralgeſetz, weil aus ihrer Uebertretung wirthſchaftliche Nachtheile

entſtehen können, zufolge von Handlungen und Lebensweiſen der

Kinder, welche eine vernünftige Wirthſchaft verbannt 1).

¹ z. B. heimliches Entwenden bei ſpärlicher Befriedigung von Bedürfniſſen,

Genußſucht und Verſchwendung bei früher Angewöhnung, Verbindungen zwiſchen

Kindern und Geſinde zu Verheimlichungen u. dgl. m.

§. 66.

Fortſetzung.

Jene Verhältniſſe ſind aber 2) in den, den Begriff der

Familie überſteigenden, Hauswirthſchaften Folge ei-

ner vorſchriftlichen Organiſation1), da hier der Begriff der

von Hausvater und Hausmutter hinwegfällt und der Geſchäftskreis

der Führer der Hauswirthſchaft zu ausgedehnt iſt. Es tritt daher

hier ein völliger Behördenorganismus ein, in welchem jeder Beamte,

in verſchiedenen Abſtufungen, ſeinen Geſchäftskreis genau ange-

wieſen erhält. Es werden ganz eigene Regiſtraturen und Kanzleien

errichtet, in welchen die ganze Hauswirthſchaft ſchriftlich und auf

zuſammengeſetzte Art aufgezeichnet wird. Die Controle derſelben

und der Geſchäftsführung iſt alsdann einer eigenen höheren Be-

hörde übertragen 2). Das Verhältniß zwiſchen den Beamten und

etwa vorhandenen Pfleglingen iſt ebenfalls durch Vorſchriften re-

gulirt, eben ſo wie die ganze Behandlung der Lezteren, die mit

pädagogiſchen, ärztlichen, polizeilichen, nationalökonomiſchen und

finanziellen Prinzipien zuſammenhängen und in ſoferne außerhalb

den Kreis der allgemeinen Wirthſchaftslehre fallen. Die Haupt-

maxime bei Errichtung eines ſolchen Behördenorganismus iſt Ein-

fachheit, die andere die feſte Abgränzung des Geſchäftskreiſes, die

dritte die Selbſtſtändigkeit der Beamten, ohne ſich den Gefahren der

Veruntreuung und nutzloſen Verſchwendung Preis zu geben und

die Untergebenen ſchutzlos und blos zu ſtellen.

¹ Es gehören hierher nicht die Erziehungsinſtitute, denn dieſe bilden Familien

mit dem Erziehungsperſonale und die Behandlung der Zöglinge iſt Sache der Päda-

gogik, mit der aber die Hauswirthſchaft im nämlichen Verhältniſſe ſteht, wie im

Falle c. des §. 65.

² Unter dieſen Geſichtspunkten ſtehen die im §. 64. genannten Anſtalten;

auch die Verwaltungen der fürſtlichen Höfe mit ihren eigenthümlichen, noch mittel-

alterigen, Chargen, und die Behörden zur Verwaltung der Civilliſten in konſtitutio-

nellen Staaten, an deren Spitze immer der Fürſt ſelbſt mit einem Rathe ſteht.

§. 67.

Fortſetzung.

In beiden Fällen 3) unterliegt die Behandlung des

Geſindes gleichen, aus dem Rechts-, Moral- und

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Klugheitsgeſetze abgeleiteten, Regeln. Das Geſinde iſt

von doppelter Art, nämlich freies oder Zwangsgeſinde. Dieſes

Leztere iſt entweder grundherrliches oder oberherrliches Zwangs-

geſinde (Leibeigene und Sklaven) und leiſtet häusliche Dienſte ent-

weder ganz ohne Belohnung oder gegen einen kleineren als den

gewöhnlichen Lohn. Allein a) die Leibeigenſchaft und Skla-

verei iſt gleich ſehr vom Rechts- und Moralgeſetze verboten; aber

auch die wirthſchaftliche Klugheit kann ſich aus allgemeinen Grün-

den damit nicht vertragen, ganz abgeſehen davon, daß die Wirth-

ſchaft unter dem Rechts- und Moralgeſetze ſteht. Denn die geringe

Geiſtesbildung, der Hang zur Unſittlichkeit, die Mittelmäßigkeit

und Schlechtigkeit der erzwungenen Arbeit 1), die geringere Quan-

tität von geleiſteter Arbeit bei gleichem Perſonale im Vergleiche

mit freiem Geſinde, die feindliche Stellung der Leibeigenen und

Sklaven gegen den Herrn, die daher und von ſchlechter Behand-

lung herrührende Neigung zu Veruntreuungen, die Verluſte der

Herrn bei eintretenden Krankheiten unter den Sklaven ſind wirth-

ſchaftliche Mängel, welche durch die ſcheinbar geringe Unterhal-

tungskoſten der Sklaven und Leibeigenen nicht aufgewogen werden2).

Das civiliſirte Europa kennt dieſe Barbarei nicht mehr und hat

den Ruhm ihrer gänzlichen Vertilgung. Dagegen findet man

allenthalben auf Landgütern noch b) grundherrliches Zwangs-

geſinde, auch wo die Leibeigenſchaft bereits verſchwunden iſt.

Die Arbeit deſſelben ſteht in dem (in der Note 1.) bemerkten

Verhältniſſe zum freien Dienſte, deſſen Behandlung aber iſt gleich

jener des freien Geſindes. Bei der Behandlung c) des freien

Geſindes wird man unter beſtändiger Vorſtellung ſeiner drücken-

den Lage ſich nie zu Ungebührlichkeiten, deſpotiſcher Strenge und

Mißhandlung verleiten laſſen; doch aber ſchützt vor dem entgegen-

geſetzten Aeußerſten die Wahrheit, daß ſeine Gefühlsweiſe blos

ſeiner Bildung angemeſſen iſt, und die Erfahrung von den vielen

böſen und unerträglichen Eigenſchaften mancher Geſindeperſonen;

jede Geſindeperſon iſt oft nach ihrer beſonderen Eigenthümlichkeit

zu beurtheilen und zu behandeln; mit Milde und Mäßigung iſt auch

bei Ungebildeten mehr auszurichten als mit übermäßiger Strenge,

und das Vergönnen kleiner beſonders volksthümlicher Vergnügungen

macht ſie auf längere Zeit bieg- und arbeitſamer; die freudig oder

auch nur willig gethane Arbeit gedeiht beſſer als die mit Unwillen

und Ueberdruß vollführte; angemeſſene Strenge, gut angebrachter

Tadel, Aufſicht, Ermunterung und Beiſpiel von Seiten der Herr-

ſchaften wird die Zucht, Ordnung, Tüchtigkeit und Arbeitſamkeit

erhalten; alles dies iſt aber ohne Erfolg, wenn dem Geſinde nicht

[91/0113]

ſein Lohn pünktlich und zwar in genügendem Maaße, ſo wie nicht

ſein Unterhalt richtig gegeben wird; den Unterhalt bekommt das

Geſinde entweder in der Koſt am gemeinſchaftlichen Tiſche oder in

Lebensmitteln, deren Zubereitung jedem ſelbſt überlaſſen iſt (De-

putate); die erſtere Art hat den Vorzug wegen der Gemeinſchaft,

des geringeren Aufwandes an Perſonen und Zeit zum Kochen,

während die andere Methode die Nachtheile in dieſer Hinſicht durch

Kürze der Rechnung und Verringerung der Aufſichtsgeſchäfte nicht

erſetzt; das zu ſtarke Beſchränken beider verſcheucht gutes Geſinde

aus dem Hauſe, bringt ſchlechtes herbei mit allen den vielen wirth-

ſchaftlichen Nachtheilen und Verluſten, und verurſacht häufigen

Geſindewechſel, der immer verhütet werden muß. Jedoch in Län-

dern mit guter Polizeigeſetzgebung ſind die Rechte und Pflichten

des Geſindes geſetzlich regulirt, und auf großen Landgütern eigene

Geſinde- und Speiſeordnungen eingeführt, nach denen ſich nament-

lich die Pachter zu richten haben.

¹ Nach übereinſtimmenden Erfahrungen ſind ſchon die Frohnddienſte 2530%

ſchlechter, als die freien. Es ſetzt v. Flotow (Anl. z. Verfertigung von Ertrags-

anſchlägen. I. §. 84.) das Verhältniß zwiſchen der Frohndſpannarbeit und der freien

= 3:2, und zwiſchen der Frohndhandarbeit und der freien = 4:3.

² Nach say (Traité d'économ. polit. §. 215.) koſtet auf den Antillen der

Unterhalt eines Sklaven jährlich 500 frs., der eines freien Arbeiters, bei einem

Taglohn von 5–7 frs., wenigſtens im Durchſchnitte 1800 frs. Allein dies iſt in

Europa nicht anwendbar, und auch für die Antillen nicht beweiſend, weil die Skla-

ven dort alle Concurrenz freier Arbeiter verdrängt haben say Cours. II. p. 47.

Ueberſ. von v. Th. II. 35. Cours III. 213. Ueberſ. III. 167. Cours IV. p. d.

Ueberſ. IV. S. 351. storch Cours. Ueberſ. von Rau. II. 256. 276. 462. 506.

III. 436. v. Jacob Polizeigeſetzgebung. I. 167.

§. 68.

Beſchluß..

Was endlich 4) die Taglöhner anbelangt, ſo richtet ſich

ihre Behandlung nach den §. 67. angegebenen Regeln. Auch bei

ihnen unterſcheidet man freie und Zwangs-Taglöhner (Fröhner),

welche Leztere entweder aus grundherrlichen oder auch noch aus

leibeigenſchaftlichen Verhältniſſen herrühren. Die Löhnung, auch

wenn ſie bei den Fröhnern vorkommt, beſteht entweder aus Geld-

lohn oder aus Geldlohn und Naturalverpflegung. Da, wo beide

Arten anwendbar ſind, kann die Frage über die Vortheile der

Einen vor der Andern nur nach beſonderen Verhältniſſen entſchie-

den werden. Im Allgemeinen kann man aber wohl annehmen, daß

mit der Naturalverpflegung, da ſie den Geldlohn verringert und

wenn ſie gut eingerichtet werden kann, Vortheile verbunden ſind,

weil man den Unterhalt der Arbeiter ohne ſie auch in Geld bezahlen

[92/0114]

müßte, wobei ſie leicht höher zu ſtehen kommen kann, als wenn ſie

die Hauswirthſchaft bei gehöriger Sparſamkeit und Aufbewahrung

von Speiſen in Natur liefert. Bei den Fröhnern, ſelbſt wenn ſie

keinen Geldlohn erhalten, iſt die Speiſung (Pröven) oft eine

Vertrags- oder Herkommenspflicht des Hauſes. Noch wichtiger iſt

die Frage, ob die Stück- oder Gedingarbeiter den eigentlichen

Taglöhnern vorzuziehen ſeien. Ihre Entſcheidung hängt von der

Art der Arbeiten und von der Aufſicht auf dieſe ab. Denn bei

manchen wirthſchaftlichen Arbeiten ſind ſie gar nicht anwendbar.

Dagegen bei gehöriger Aufſicht ſind ſie wegen Erleichterung der

Wirthſchaftsführung, der Wohlfeilheit, der Schnelligkeit und

größeren Kraftanwendung um ſo vortheilhafter, je mehr der Stück-

arbeiter ſeines eigenen Nutzens wegen zur Arbeitſamkeit angeſpornt

iſt. Bei unrichtiger Anwendung und ſchlechter Aufſicht iſt die

Stückarbeit aber in jeder Hinſicht die ſchlechteſte 1).

¹ In England iſt ſie am ausgedehnteſten angewendet, da man dort überhaupt

faſt alle, beſonders landwirthſchaftliche, Arbeiten durch Taglöhner in obigem dop-

pelten Sinne betreiben läßt, ſo daß man einen Fall erzählt, wo auf einem Gute

von 323 preuß. Morgen Feld, 20 Kühen, 40 Schafen und mehreren Ochſen nur

2 Knechte, 2 Jungen und im höchſten Falle Sommers 2 Mägde, im Winter nur

eine, gehalten worden. Burger Landw. II. S. 330.

§. 69.

Vertheilung, Verbindung und Folge der häuslichen

Geſchäfte 1).

Je größer die Menge von Hausgeſchäften und je bedeutender

hiernach die Zahl der Arbeiter, deſto unentbehrlicher iſt 1) die

Vertheilung der Arbeiten unter die Arbeiter ſelbſt, ſo daß jeder

ſein beſtimmtes ſtändiges Geſchäft hat; ſo treten ſich die Perſonen

nicht hindernd in den Weg, es wird an jeder Arbeit in Einem

fortgearbeitet, ſie wird ſchneller beendigt und beſſer vollführt, weil

mit der beſtändigen Uebung der Arbeiter größere Fertigkeit erzeugt

wird. Bei dieſer aber iſt eben ſo nöthig 2) die Verbindung

der Arbeiten; allein dieſe hat eine doppelte Bedeutung, nämlich

als Zuſammenhalten aller hauswirthſchaftlichen Thätigkeiten zu

einem Ganzen und in einer Ordnung, und als Verbindung der-

jenigen einzelnen Arbeiten, deren Vereinigung unmittelbar erfordert

wird oder die in chronologiſcher Beziehung in einem Verbande

ſtehen. Beides iſt begreiflicherweiſe nöthig wegen der Ordnung

und wegen der Verhütung einer ſchädlichen Zerſplitterung der

häuslichen Geſchäfte. Hierdurch iſt zum Theile ſchon 3) die rich-

tige Folge der häuslichen Arbeiten als unumgänglich dargethan;

dieſelbe liegt aber zum Theile ſchon in der Natur und Art der

[93/0115]

Arbeit ſelbſt, welche nur eine beſtimmte Tages- und Jahreszeit

zuläßt, zum Theile auch in der größeren oder geringeren erfolgen-

den Ermüdung und zum Theile in den manchfachen äußeren Um-

ſtänden, deren Aufzählung unmöglich iſt. In dieſen drei Punkten

bewährt ſich der tüchtige Hauswirth und die tüchtige Hausfrau,

denn von ihnen hängt die nützliche und paſſende Beſchäftigung der

Kräfte und der Gang der Hauswirthſchaft ab. Ihre Erreichung

iſt aber eine Sache der praktiſchen häuslichen Kunſt, alſo des Ta-

lentes, Taktes und der Erziehung.

¹ Die häuslichen Arbeiten hier aufzuzählen iſt überflüſſig. Jeder Angehörige

einer Familie kennt ſie.

Zweites Hauptſtück.

Von der Erhaltung und Verwendung des wirth-

ſchaftlichen Vermögens und Einkommens.

§. 70.

I. Allgemeine Regeln der Erhaltung und Aufbewahrung.

Was jede Art von bürgerlichen Gewerben bei ihren eigenthüm-

lichen Produkten für Erhaltungsmaßregeln zu treffen habe, das

lehrt die beſondere Wirthſchaftslehre. Hier handelt es ſich nur um

die allgemeinen Prinzipien jener Erhaltung und Aufbewahrung,

und um die der in der Hauswirthſchaft nöthigen Sachen. Im

Allgemeinen werden Erhaltungsmaßregeln nöthig:

1) Gegen die Natur, d. h. den hindernden und ſtörenden

Einfluß der Naturkräfte. Es gehört hierher die Sorgfalt z. B. für

Abhaltung des Schadens durch den Blitz, das Feuer, das Waſſer,

die Fäulniß, den Thierfraß u. ſ. w., deren Aufzählung hier zu

weit führen würde.

2) Gegen die Menſchen, d. h. menſchliche Sorgloſigkeit,

Unachtſamkeit, Bosheit und Unrechtlichkeit; z. B. gegen Betrug,

Diebſtahl, Verderben u. dgl.

Man könnte, wenn der Ausdruck nicht uneigentlich wäre, dieſe

Thätigkeit die häusliche Sicherheitspolizei heißen 1). Man

bedient ſich zu dieſen Zwecken folgender Mittel:

1) Des Schutzes der Gebäude durch äußere Mittel, z. B.

Blitzableiter, Anſtriche gegen Feuer- und Waſſersgefahr und

Schwämme, guten Verſchluß.

2) Des Schutzes durch ſicheren Bau der Häuſer jeder Art,

z. B. Conſtruktion ſelbſt, Abhalten von Theilen, welche leicht Ge-

fahr herbeibringen, z. B. Wetter-, Schindel-, Strohdächer,

Getäfel u. dgl.

[94/0116]

3) Des Schutzes durch ſorgfältigen Bau der inneren Theile

eines Hauſes, z. B. Heerde, Kamine, Oefen, Darren, Backöfen,

Schornſteine, Rauchkammern u. dgl.

4) Des Schutzes durch Anempfehlung von und Aufſicht auf

Achtſamkeit unter den Hausgenoſſen, z. B. bei dem Feuer, Holze,

Kohlen, Lichter u. dgl.

5) Des Schutzes durch Aufbewahrung der Gegenſtände in

Gefäßen, Kiſten, Schränken, Küche, Keller, Speicher, je nach

der Eigenthümlichkeit der Gegenſtände.

6) Des Schutzes durch chemiſche Sicherungsmittel gegen

Fäulniß, z. B. Räuchern, Salzen, Einmachen u. dgl.

7) Des Schutzes durch Bereithalten von Mitteln, um bei vor-

handener Sicherheitsgefahr ſogleich thätig zu ſein, z. B. Schieß-

gewehre, Feuerzeuge, Nachtlichter, kleine Handfeuerſpritzen, Züber

voll Waſſer, Häckſel, Spreu, Sand, Aſche zum Löſchen von bren-

nenden Flüſſigkeiten u. dgl.

8) Des Schutzes durch Behutſamkeit im Waarenhandel auf

Märkten gegen Schlechtigkeit der Waaren u. dgl., z. B. bei But-

ter, Fleiſch, Flachs, Hanf u. dgl.

9) Des Schutzes durch Verhinderung von Hausdiebſtählen

durch Geſinde, Hausfreunde und ſolche Handwerker, z. B. Schloſ-

ſer, Schmiede u. dgl., welche Zutritt in geheime Gemächer haben

und leichte Mittel zum Eindringen beſitzen, wie z. B. das Nach-

machen von Schlüſſeln u. dgl.

10) Des Schutzes durch Fangen und Tödten der ſchädlichen

Thiere, z. B. Mäuſe, Wanzen u. dgl.

¹ Es gehört aber hierher nicht blos die Sicherung ſachlicher, ſondern auch

immaterieller äußerer wirthſchaftlicher Güter; z. B. Maßregeln gegen Entziehung

von Kundſchaft, Taglöhnern u. dgl. durch Verläumdung, gegen Entziehung der

Liebhaber zur Vermiethung eines Hauſes durch Verläumdung, Hausſchwamm,

Wanzen, übeln Geruch u. dgl.

§. 71.

II. Allgemeine Grundſätze von der Verwendung.

Nach der Art und nach dem Maaße, wie weit die Verwen-

dung geht, unterſcheidet man den Gebrauch und Verbrauch,

welcher leztere immer eine Vernichtung des verwendeten Gutes

zur Begleiterin hat. Aber nach den zu verwendenden Objekten

ſcheidet ſich jene der immateriellen äußern Güter (Lebensverhält-

niſſe) von jener der ſachlichen Güter. Die Wichtigkeit der Be-

nutzung beider leuchtet in die Augen. Jene der Erſteren beruht

auf den Prinzipien der Vernunft, der Moral, des Rechts und der

Lebensklugheit, welche ſich wechſelſeitig modifiziren und Maximen

[95/0117]

für die Handlungen hervorbringen, um den reinen Eigennutz und

die Selbſtſucht eben ſo ſehr zu verbannen, als vor allzugroßer un-

kluger Dienſtfertigkeit, Offenheit, Hingebung und Freigebigkeit zu

warnen 1). Der Gebrauch und Verbrauch der ſachlichen wirth-

ſchaftlichen Güter aber beruht außer jenen noch auf den wirth-

ſchaftlichen Prinzipien. Es verlangt nämlich:

1) Das Vernunftgeſetz (handle vernünftig!), daß man keine

Verwendung (Ausgabe) ohne vernünftigen Zweck, ohne die ver-

nünftigen Mittel zu ergreifen, ohne vernünftige Ausführung, mache.

2) Das Moralgeſetz (handle vernünftig des Vernünftigen ſelbſt

willen, d. h. weil ſich die Vernunft Selbſtzweck iſt!), daß man

keine Ausgaben zu immoraliſchen Zwecken, mit immoraliſchen Mit-

teln, und durch immoraliſche Ausführung mache.

3) Das Rechtsgeſetz (handle vernünftig deiner Nebenmenſchen

wegen, die daſſelbe Geſetz in ſich haben, = handle nach dem Ver-

nunftgeſetze, als dem Prinzipe der Geſellſchaft! = Jedem das

Seinige als Vernunftweſen!), daß man keine Ausgaben zu un-

rechtlichen Zwecken, mit rechtswidrigen Mitteln und rechtswidriger

Ausführung, mache.

4) Das Klugheitsgeſetz (ſuche alle rechtlichen und moraliſchen

Mittel und Handlungen zu deinem Vortheile zu wenden, ohne ver-

nunftwidrig, immoraliſch und unrecht zu handeln!), daß man die

Ausgaben nach der Stufenfolge der Bedürfniſſe einrichte und aus

dem Vermögen und Einkommen den größtmöglichen Vortheil zu

ziehen ſuche, ohne gegen Vernunft, Moral und Recht, folglich

auch gegen die Religions- und Staatsgeſetze, ſich zu vergehen,

und ohne Andere alſo zu vernunftwidrigen, immoraliſchen und

rechtswidrigen Handlungen anzuſpornen oder von ſolchen nicht

abzuhalten.

Es beſchränken ſich dieſe Maximen eben ſo, wie die Geſetze,

aus denen ſie hervorgingen, blos urſachliche Modificationen des

Vernunftgeſetzes und reciprok ſind. Es iſt alſo falſch 1) blos das

Rechtsgeſetz oder blos die poſitiven Geſetze als Richtſchnur in der

Wirthſchaft zu nehmen, denn die wirthſchaftliche Thätigkeit beſteht

ſchon, ehe durch die Geſellſchaft das Rechtsgeſetz entſtand und auch

in allen Fällen, wo es ſich nicht um das bloße Recht handelt und

alſo nur das Vernunftgeſetz in ſeiner Allgemeinheit und in ſeiner

Modification als Moralgeſetz gilt, und die moraliſche Handlung iſt

in der Geſellſchaft auch darum unſere Pflicht, weil die Mitglieder

durch dieſelbe ein Recht darauf haben; 2) blos das Klugheitsgeſetz

als Richtſchnur in der Wirthſchaft gelten zu laſſen und dieſe

darum als etwas moraliſch Verwerfliches zu erklären, denn auch

[96/0118]

die Klugheit ſteht unter dem oberſten Vernunft-, dem Moral- und

Rechtsgeſetze.

¹ Die Menſchenkenntniß iſt die erſte Bedingung. Sehr gehaltvoll und

nützlich,

wenn das Gemüth das gehörige Gegengewicht hält, ſind die Lehren

Zachariä's

in ſeinen 40 Büchern vom Staate. I. 472.

§. 72.

Fortſetzung.

Nach dieſen Geſetzen und Maximen iſt daher klar: 1) die

Verwerflichkeit der Verſchwendung, d. h. des zweckloſen Aus-

gebens überhaupt, ſelbſt bei dem größten und am meiſten bei be-

ſchränktem Vermögen; 2) die Verwerflichkeit des baaren Gegentheils,

nämlich der Habſucht, d. h. des rückſichtsloſen Strebens nach

größerer Vermögensanhäufung überhaupt und ſowohl bei beſchränk-

tem als beſonders bei großem Vermögen; 3) die Verwerflichkeit

des Geizes, d. h. der übermäßigen Beſchränkung der Verwendung

unter Hintanſetzung des Zweckes der Güter und Wirthſchaft, näm-

lich der Befriedigung der Bedürfniſſe und Erhöhung des Lebens-

genuſſes1); und 4) die Verwerflichkeit des Luxus, wenn er

ſtandes- und vermögenswidrig iſt und die moraliſche Kraft des

Menſchen gefährdet, während man mit den gleichen Ausgaben die

Pflichten der Wohlthätigkeit und des Gemeinſinnes erfüllen oder

mit ihrer Vermeidung Sparniſſe machen könnte. Aber es iſt auch

nach denſelben Geſetzen und Maximen klar: 5) die Nothwendigkeit

und Löblichkeit der guten Wirthſchaft, deren Streben die Be-

friedigung der Bedürfniſſe und die Erhöhung des wahren Lebens-

genuſſes iſt, und 6) die Zweckmäßigkeit des Erübrigens und

Zurücklegens, um jenen Fehlern auszuweichen, für die Zukunft

zu ſorgen und die Pflichten der Wohlthätigkeit und des Gemein-

ſinnes zu üben.

¹ Zachariä (40 Bücher vom Staate. Bd. V. §. 1. S. 1.) hat daher nach

allen Seiten Unrecht, da er die Wirthſchaftslehre definirt, als die Lehre von der

Art, wie man reich werden, alſo ſein Bedürfniß an Brauchlichkeiten vollkommen

befriedigen kann, oder als die Methodenlehre der Habſucht und des Geitzes. Allzu

große Gemüthlichkeit kann man dieſer Definition wenigſtens nicht vorwerfen!

§. 73.

III. Beſondere oder wirthſchaftliche Grundſätze der

Verwendung.

1) Herſtellung eines richtigen Verhältniſſes der

Ausgaben und Einnahmen.

Es wird ſehr oft behauptet, die Ausgaben müßten ſich nach

den Einnahmen richten. Allein dies iſt nur da der Fall, wo eine

[97/0119]

Vermehrung der Einnahmen wirthſchaftlich nicht möglich iſt.

Naturgemäßer wird behauptet, die Einnahmen müßten ſich nach

den vernünftigen Ausgaben richten; denn das Bedürfniß und der

Hang zum Lebensgenuſſe war ſchon vor den Einnahmen da und das

Prinzip der Selbſterhaltung iſt im Menſchen ſo ſtark, daß er Alles

aufbietet, um die erforderlichen Bedürfniſſe zu erlangen. Allein

auch dies iſt einſeitig, weil jedenfalls die Gründe der Ausgaben

unbegränzt, die Güterquellen aber begränzt ſind. Die vielmehr in

der Mitte liegende Wahrheit beſteht daher in dem wirthſchaftlichen

Prinzipe, die Einnahmen nach obigen Geſetzen (§. 71.) ſtets im

Verhältniſſe der vernünftigen Ausgaben zu vergrößern und die

Ausgaben einer vernunft- und ſachgemäßen Beſchränkung zu unter-

ziehen. Dies iſt die wahre Bedeutung von der Sparſamkeit,

welche als ſolche noch verſchiedene Grade haben kann, bis ſie die

moraliſche Geſinnung ihren Charakter mit Geitz und Habſucht ver-

wechſeln läßt. Aber es ergeben ſich aus dem Verhältniſſe zwiſchen

Einnahme und Ausgabe gewiſſe Wirthſchaftszuſtände, je nach

denen auch die Sparſamkeit einen andern Grad annehmen kann.

Sie ſind: 1) das Auskommen, d. h. derjenige wirthſchaftliche

Zuſtand, in welchem ſich Bedürfniſſe und Einnahmen ausgleichen;

2) der Wohlſtand, d. h. derjenige wirthſchaftliche Zuſtand, wo

der über jene Ausgleichung bleibende Ueberſchuß noch einen ſtandes-

mäßigen Lebensgenuß oder Erſparniſſe geſtattet; 3) der Reich-

thum, d. h. derjenige Grad von Wohlſtand, worin der Erwerb

des Bedarfs, auch ohne Arbeit des Beſitzers, die Bedürfniſſe weit

überſteigt, und Wohlleben geſtattet; 4) der Ueberfluß, d. h.

jener Grad von Reichthum, wo das Sparen ganz unnöthig er-

ſcheint; 5) der Mangel, d. h. der dem Ueberfluſſe gerade entgegen-

geſetzte Zuſtand, worin die Erlangung des nöthigſten Bedarfes nicht

Statt findet; 6) die Armuth, d. h. der gerade Gegenſatz des

Reichthums, oder die Unfähigkeit der Wirthſchaft, ſelbſt durch

Arbeit die dringenden Bedürfniſſe ganz zu befriedigen, wo alſo der

Beiſtand Anderer noch nöthig wird; und 7) die Dürftigkeit,

d. h. der Gegenſatz des Wohlſtandes, in welchem noch Entbehrungen

mancher Art nothwendig ſind. Eine mathematiſche Gränze läßt

ſich hier nicht ziehen, und die Vorſtellungen von dieſen Zuſtänden

ſind bei verſchiedenen Nationen auch verſchieden.

§. 74.

Fortſetzung.

Es verlangt das wirthſchaftliche Prinzip allgemeinhin 1) daß

man die kleinſten Ausgaben mache, d. h. ſich die Bedürfniſſe und

Baumſtark Encyclopädie. 7

[98/0120]

Genüſſe, unbeſchadet ihrer zweckmäßigen Befriedigung und wahren

Vollkommenheit der dazu dienenden Gütermenge, ſo wohlfeil als

möglich verſchaffe; 2) daß, wenn man ſie ſich unmittelbar ſelbſt

am wohlfeilſten verſchaffen kann, man den Verkehr nicht zu Hilfe

nehmen ſoll; 3) daß, wenn uns die eigene Produktion und Schaf-

fung theurer zu ſtehen kommt, ohne uns andere Vortheile zu ge-

währen, man ſie aus dem Verkehre beziehe; 4) daß, wenn die

Koſten der eigenen Schaffung denen im Verkehre gleich ſtehen,

man den erſteren Weg nur dann einſchlage, wenn man durch

anderweitige Güterquellen nicht größere wirthſchaftliche Vortheile

beziehen kann; 5) daß man zuerſt die Befriedigung der Bedürfniſſe

nach ihrer Dringlichkeit beachte; 6) daß man nach ihr den Hang

zum Wohlleben zu befriedigen ſuche, und hierbei die Genüſſe,

welche Geiſt, Herz und Körper erkräftigen, vor allen wähle und

ſtufenweiſe bis zu jenem Grade ordne, wo jene Erkräftigung nicht

geſchieht oder gar Entnervung eintritt.

§. 75.

2) Arten des Bedarfs im häuslichen Leben.

Die Hauptausgaben, welche in einer Hauswirthſchaft vom

niederſten bis zum höchſten Grade entweder ſämmtlich oder zum

Theile vorkommen, ſind folgende:

1) Für Erziehung und Bildung ſowohl der Kinder als

der Erwachſenen. Entweder überläßt der Staat den Bürgern die

Erziehung und Bildung der Jugend, ohne dafür Anordnungen zu

treffen, oder er trifft Bildungsanſtalten und überläßt deren Be-

nutzung der freien Wahl der Bürger oder gebietet dieſelbe bis zu einem

gewiſſen Grade. Man unterſcheidet die Elementar-, Real-, Mittel-,

Gewerbs- und Gelehrtenſchulen (Mittel- und Hochſchulen). Ob man

ſeinen Kindern noch Hausunterricht neben der Schule, oder blos

Hausunterricht, ob man denſelben einen eigenen Hauslehrer geben

ſoll, das hängt von der Thätigkeit der Kinder im Lernen, vom

Unterrichte in der Schule, von den Folgen des bloßen Hausunter-

richtes auf den Charakter der Kinder, beſonders Söhne, von der

Beſchäftigung der Eltern und von den Vermögensumſtänden ab,

ebenſo wie die Erziehung in Inſtituten. Jeder Hausvater ſtrebt

nach einer höheren beſſeren Erziehung ſeiner Kinder als die ſeinige

war. Stets aber geht er außer von der Neigung und dem Talente

der Kinder auch davon aus, ob er im Stande ſei, die Mittel zu

einer beſtimmten Erziehung beizubringen, um ſein Kind nicht der

Gefahr einer Unterbrechung oder halben Bildung auszuſetzen; denn

[99/0121]

dieſe iſt das verwendete Vermögen niemals werth, und ſteht der

tüchtigen Bildung auf einer niedereren Stufe immer nach, und es

ſichert nicht immer die Höhe der Bildung auch die feſteſte und

freiſte Exiſtenz, obſchon es ſo den Anſchein hat, als ſeien die ge-

bildeten Herrn die glücklichſten. Iſt aber die Erreichung einer

Bildungsſtufe gewählt, ſo darf die Hauswirthſchaft ohne Unge-

rechtigkeit gegen die anderen Kinder kein Mittel ſcheuen, ſie auf

die tüchtigſte Weiſe zu erreichen. Hierin bewährt ſich der ächte

Hausvater1).

2) Für Nahrung und Küchengeräthe. Dieſe beſorgt

die Hausfrau mit dem Hausgeſinde. Daß die rohen Materialien

dazu nicht vom Hauſe ſelbſt in allen Fällen producirt werden, lehrt

die Erfahrung. Man ſehe beim Einkaufen nicht blos auf die

Wohlfeilheit und Menge, ſondern hauptſächlich auch auf die Güte.

Es werden viele Erfahrungen zu einem guten Einkaufe erfordert.

Eine gute und ſchmackhafte Zubereitung iſt wirthſchaftlich weit

beſſer als eine geitzige. Wehe dem Hauſe, deſſen Frau die Küche

nicht verſteht und vom Geſinde abhängt! Sie iſt entweder leicht-

ſinnig, Verſchwenderin oder eine Geitzige. Das Geſinde weiß ſich

immer gegen die übertriebene Spärlichkeit der Hausfrau zum Nach-

theile des Hausvaters und der Hausgenoſſen zu entſchädigen; dieſe

aber leiden am meiſten. Jedermann beurtheilt die Sorgfalt der

Hausfrau zuerſt nach der prunkloſen Schönheit, Reinheit und

Ordnung der Küchengeräthe, ebenſo wie man die Häuslichkeit der

Braut nach ihrem Neglige oder Morgenkleide beurtheilen kann.

Tüchtige Menſchen thun auch das Unbedeutende mit beſonderer

Aufmerkſamkeit. Das Beihalten einer feſten Speiſezeit iſt wirth-

ſchaftlich und geſundheitlich nöthig. Dies hängt aber vielfach von

der Strenge des Hausherrn ab, welche jedoch weder grämlich noch

pedantiſch ſein ſoll2).

¹ Daß in einem Erziehungsinſtitute dies die vorzüglichſte Ausgabe macht, iſt

klar. Aber in der gebildeten Familie iſt eine Ausgabe für die Fortbildung der

Erwachſenen durch Lektüre u. dgl. nöthig.

² In öffentlichen Anſtalten mit Pfleglingen beſteht darüber ein feſtes Regle-

ment, was Zeit, Menge und Art der Speiſe betrifft.

§. 76.

Fortſetzung.

3) Für Kleidung und Bettzeug. Unordnung und Unrein-

lichkeit ſind hier eben ſo verwerflich als Eitelkeit. Wirthſchaftlich

beſſer iſt es, gute theurere, als wohlfeile mittelmäßige oder ſchlechte

Stoffe zu kaufen. Der deutſchen Hausfrau volksthümlicher uralter

7 *

[100/0122]

Ruhm iſt die Geſchicklichkeit in den hierher einſchlagenden häus-

lichen Arbeiten der Verfertigung und Ausbeſſerung. Nichts Aeuſ-

ſeres iſt empfehlender als Ordnung, Reinlichkeit und Einfachheit

des Anzugs, und der Gaſt urtheilt gerne vom unreinen Hemde,

Hals- und Taſchentuche des Mannes, von einem unordentlichen

Haargeflechte der Frau, vom unreinen verbogenen Tiſchtuche, und

vom unebenen Bette und groben Bettzeuge auf eine ſchlechte

Haushaltung1).

4) Für Wohnung. Man kann ſie ſich ſelbſt erbauen, kaufen

oder miethen. Nur ſelten trifft man es in beiden lezteren Fällen

ſo, wie man es wünſcht. Wer ſich ſein Haus ſelbſt baut, der hat

den beſten Theil erwählt. Auf alle Fälle muß der Hausherr ſo

viele Kenntniſſe vom Bauweſen haben, daß er ein Haus für ſeine

Zwecke beurtheilen und einrichten kann. Gehörige Ausbeſſerung

deſſelben zur rechten Zeit ſchützt vor größerem Schaden, vor Ver-

fall und vielem wirthſchaftlichen Unglücke und Verluſte. Größe,

Abtheilung und Einrichtung des Hauſes hängt von der Größe und dem

Stande der Familie ab; ein Erziehungshaus kann nicht ohne Lehr-,

Schlaf-, Speiſe- und Krankenſäle ſein, deren Conſtruktion von

pädagogiſchen Regeln abhängt; die Einrichtung der Kranken- und

Irrenhäuſer, ſo wie der Siechenhäuſer wird von geſundheits-

polizeilichen Grundſätzen beſtimmt; die Waiſenhäuſer werden nach

beiden zugleich conſtruirt; die Armen-, Arbeits- und Strafhäuſer

ſind aber nach allgemeinpolizeilichen Rückſichten zu bauen und ein-

zurichten. Bei der inneren Einrichtung der Wohnungen, welche

allen gemein iſt, z. B. der Oefen, Heerde, Schornſteine, Keller,

Speicher u. dgl., concurrirt die Bequemlichkeit mit der allgemei-

nen Sicherheit, weshalb ſie unter polizeilicher Aufſicht ſtehen.

5) Für Hausgeräthe (Meubles). Der Ankauf hat hierbei

unbedingten Vorzug vor der Miethe, wenn der Aufenthalt an einem

Orte nicht zu kurz iſt. Denn der Miethzins iſt ſo hoch, daß man

ſich für dieſen von einigen Jahren die Meubles ſelbſt kaufen könnte,

und beim Hinwegziehen von einem Orte iſt in der Regel der Erlös

nicht unbedeutend, wenn man ſie verkauft, weil der Begehr ſtets

wirkſam iſt. Sorgfalt im Gebrauche bringt ſchon im lezten Falle

auch mehr Vortheil. Die Schönheit und Pracht derſelben hängt

von Vermögen und Stand der Familie ab2), nie aber ſoll man

dieſe und die Wohlfeilheit der Dauerhaftigkeit vorziehen. Der

herrſchende Geſchmack ſoll dabei nicht unberückſichtigt bleiben.

¹ In öffentlichen Anſtalten richtet ſich dieſe bei den Pfleglingen nach einer

allgemeinen Norm.

² In öffentlichen Anſtalten der genannten Art iſt dieſe leztere Eigenſchaft

ganz verbannt.

[101/0123]

§. 77.

Beſchluß.

6) Für Heitzung. Hierzu wählt man dasjenige Material,

das in der Gegend gebräuchlich iſt; denn jede Gegend hat an einem

mehr als am andern. Wo ſowohl Holz, Stein- und Braunkohlen,

als Torf und Lohkäſe zu haben ſind, nimmt man das am beſten

heitzende und das wohlfeilſte. Kiehn und Lohkäſe dienen meiſtens

zum Anfeuern und Unterhalten. Es iſt nicht leicht irgendwo die

Sparſamkeit ſo angebracht, wie hierbei, denn dieſe Ausgabe be-

läuft ſich hoch. Für Heitzung großer Säle und mehrerer Zimmer

in großen Gebäuden hat eine gut eingerichtete Luftheitzung große

Vortheile.

7) Für Beleuchtung. Die ſchönſte und reinlichſte iſt die

Wachsbeleuchtung. Wegen ihrer Koſtſpieligkeit iſt ſie aber weniger

angewendet als die Talgbeleuchtung. Allgemein verbreitet iſt die

Oelbeleuchtung wegen ihrer Wohlfeilheit in zweckmäßig conſtruirten

Lampen, wegen des hellen und ſteten Lichtes, das einen größeren

Raum als Wachs- und Talglichter erhellt. In Zimmern bedient

man ſich des gereinigten Oeles. In neueſter Zeit hat man auch

in großen Gebäuden die Gasbeleuchtung mit Vortheil angewendet,

die aber für kleine Räume, wo man mit dem Lichte herumzieht,

nicht paßt.

8) Für Arzneien und Aerzte. Für Erſtere muß man an-

ſchaffen, was nöthig iſt, ſowohl in der Familie als in Anſtalten.

Vortheilhaft iſt immer, wenn man, was nicht blos in der Apotheke

zu haben iſt, ſelbſt anſchafft oder produzirt. Iſt eine Hausapotheke

für eine Familie vortheilhaft, ſo iſt ſie für eine Anſtalt eben ſo

nöthig als der Vorrath an verſchiedenen ärztlichen Inſtrumenten

und Geräthen, deren Zahl und Art ſich nach der Art und Aus-

dehnung der Anſtalt richtet. Iſt ſolchen Anſtalten die Anſtellung

beſonderer Aerzte und Direktoren unerläßlich, ſo hat die Wahl

eines Hausarztes, der ſein jährliches Honorar bezieht, ſehr viele

Vortheile für eine Familie.

9) Für Arbeitslohn. Dieſer richtet ſich ſowohl beim Ge-

ſinde als bei den Taglöhnern und Stückarbeitern nach allgemeinen

Sätzen, deren Erörterung in die Volkswirthſchaftslehre gehört.

§. 78.

3) Verwendung der Ueberſchüſſe.

Wenn nach Befriedigung der Bedürfniſſe noch etwas vom Ein-

kommen übrig bleibt, ſo gibt es noch verſchiedene Zwecke, zu denen

[102/0124]

dieſer Reſt verwendet werden kann. Die Hauptzwecke ſind: 1)

wirthſchaftliche für die Zukunft, daher legt man Einkommen

zurück zur Vergrößerung des Vermögens; die Rückſicht auf das

Wohl der Kinder, auf Vermehrung der Familie und auf das

Alter, ſo wie für außerordentliche Fälle gebietet es gleich ſtark.

Wenn man in früherer Zeit das Geld todt in Schätze anſammelte

und ſo nur langſam ein geringes Geldcapital erhielt, das durch

einen Zufall verloren gehen konnte, ſo iſt man jetzt klüger gewor-

den, indem man das zurückgelegte Geld wieder nutzbar anwendet.

Man hat jetzt aber auch weit mehr Anlagsmethoden als damals.

Entweder legt man ſolche Geldcapitalien wieder an in neuen Ge-

werbsunternehmungen und Gewerbserweiterungen oder man leiht

ſie aus. Auf welche Weiſe dies geſchehen kann und den meiſten

Vortheil bringt, wird in der Lehre vom Rentgeſchäfte gezeigt.

Andere Zwecke ſind 2) jene des Vergnügens, deſſen Manchfal-

tigkeit unerſchöpflich iſt (§. 74. Note 6.); 3) jene des Gemein-

ſinnes, welche jedem guten Bürger am Herzen liegen müſſen und

durch deren Unterſtützung man ſich um ſo mehr Verdienſte erwirbt,

je beſſer man für ſie Capital und je mehr man ſolches anwendet;

und endlich 4) jene der Wohlthätigkeit, zu der man als Menſch

und Chriſt verbunden iſt und deren Pflichten man aber mit ge-

höriger Vorſicht üben ſoll.

Drittes Hauptſtück.

Von der Berrechnung des Vermögens und

Einkommens.

§. 79.

Nutzen und Arten der Rechnungsführung.

Dieſe wirthſchaftliche Thätigkeit ſteht zwar nicht in unmittel-

barem Verbande mit dem Zwecke der Wirthſchaft. Allein weder

der Erwerb noch die Hauswirthſchaft könnte einen geordneten Gang

gehen, wenn nicht eine logiſch geordnete und bequem zu überſehende

Aufzeichnung der Einnahmen und Ausgaben das menſchliche Ge-

dächtniß unterſtützte. Die Berrechnung hebt die Einträglichkeit des

Erwerbs, das Verhältniß der Ausgaben unter ſich und zu den

Einnahmen hervor, erleichtert ſo die Ueberſicht zu Veränderungen,

ſichert gegen Verluſte im Verkehre, und ſtellt den Eigenthümer,

wenn Verwalter die Wirthſchaft führen, vor Betrug ſicher. Die

Berrechnung iſt theils in chronologiſcher, theils in Realfolge, d. h.

[103/0125]

theils nach der Zeit, wie Ausgaben und Einnahmen folgen, theils

nach den Gegenſtänden beider einzurichten. Sie iſt um ſo ſchwie-

riger, denn um ſo zuſammengeſetzter, je verſchiedener und größer

die Ausgaben und Einnahmen ſind. Bei einer ganz einfachen

Familien-Hauswirthſchaft genügt die bloße Aufzeichnung der Aus-

gaben und Einnahmen in einem Hausbuche mit Rubriken für

Datum, Gegenſtände und Geldbetrag, und der monatliche Rech-

nungsabſchluß. Aber die Hausbücher dürfen mit den Gewerbs-

büchern für Gewerbseinnahmen und Ausgaben nicht vermengt werden.

Bei großer Hauswirthſchaft (§. 64.) und bei größerem Gewerbs-

betriebe iſt die Controle ſchwerer, darum die Rechnung genauer

und complizirter. Die Eigenthümlichkeiten der Gewerbsrechnungs-

führung zeigt die Betriebslehre jedes Gewerbrs. Im Allgemeinen

aber unterſcheidet man die einfache Buchhaltung und die

doppelte Buchhaltung1).

¹ Die Literatur darüber iſt ungeheuer. Daher hier nur folgende Schriften

angegeben werden. Beckmann Anweiſung, die Rechnungen kleiner Haushaltungen

zu führen. Göttingen 1797. Günther, einfache Buchführung für Haushaltungs-

rechnungen. Frankfurt 1819. Berghaus, der ſelbſtlehrende doppelte Buchhalter.

Leipzig 1809. Leuchs, Theorie und Praxis des Buchhaltens. Nürnberg 1820. 4.

Leuchs, Syſtem des Handels. I. 192. Bleibtreu, Lehrbuch der Handelswiſſ.

S. 390. Boucher, La science de négocians et teneursdes livres. II. Edit.

Paris 1803. 4. Feder, Handb. des Staatsrechnungs- und Kaſſenweſens nebſt einem

Anhange über Haushaltungs- c. Rechnungen. Stuttg. 1820. 4. S. 197210.

§. 80.

Einfache Buchhaltung.

Am einfachſten iſt bei einer zuſammengeſetzten Hauswirthſchaft

diejenige Aufzeichnung, wobei keine beſondere Rückſicht auf den

Capitalſtock genommen zu werden braucht, während man die Rech-

nung führt. Man zeichnet dabei Schulden und Forderungen an

Verbündete auf und gleicht ſie beim Rechnungsabſchluſſe gegen

einander ab. Das iſt das Charakteriſtiſche der einfachen Buch-

haltung. Sie hat mit den Veränderungen im Capitalſtocke nichts

zu thun, ſondern hält blos für jeden Verbündeten (z. B. Lieferan-

ten) eine Rechnung, in welche auf der linken Seite Alles ver-

zeichnet wird, was er von der Wirthſchaft bekommen hat (Debet,

Soll, Schuld), und auf der rechten dasjenige, was dieſe von

ihm erhalten hat (Credit, Haben, Forderung). Dabei aber iſt

die Verzeichnung ſämmtlicher einzelnen Vorgänge nicht ausge-

ſchloſſen. Es werden vielmehr hierzu überhaupt folgende Haupt-

bücher gehalten:

1) Das Memorial (Manual, die Kladde, Strazze), in

welchem chronologiſch alle Ausgaben und Einnahmen ausführlich

beſchrieben werden und wenigſtens drei Columnen, nämlich für den

[104/0126]

Monatstag, die Specifikation des Vorganges und den Geldbetrag

enthalten ſind.

2) Das Caſſabuch, in welchem Einnahmen und Ausgaben

ohne Bezeichnung des Gläubigers und Schuldners und blos für

die Kaſſe aufgezeichnet werden.

3) Das Haupt- (Geheim-) Buch, eigentliches Schuldbuch,

welches die Rechnungen (Conti) für die verſchiedenen Verbündeten

enthält.

Da, wo dieſe Buchführung nicht die Hauswirthſchaft, ſondern

das Gewerbe anbelangt, gibt es noch ein Hausbuch, welches

gleichſam nur ein Filial des Memorials iſt, und woraus dann auch

die betreffenden Auszüge für Caſſa- und Hauptbuch gemacht werden.

§. 81.

Doppelte Buchhaltung.

Dieſe (italieniſche) Buchhaltung beſteht nicht darin, daß Ein-

nahmen und Ausgaben unter den zwei Rubriken Credit und Debet

vorkommen, denn dies kommt auch bei der einfachen Buchhaltung

vor; ſondern darin daß nicht blos mit den Verbündeten Conto-

führung gehalten, ſondern auch nebenbei alle Vorgänge aufge-

ſchrieben werden, welche den Capitalſtock betreffen und die Aus-

gaben und Einnahmen der verſchiedenen Beſtandtheile der Wirthſchaft,

die gleichſam als Perſonen erſcheinen, im Innern angehen. Sie

hat ihren Namen daher, daß die Capitalsveränderungen im Inneren

ſowohl als gegen Außen verzeichnet werden und folglich jeder Vor-

gang zweimal, nämlich als Credit und Debet vorkommt. Es kom-

men daher Rechnungen vor für jeden Verbündeten und für jeden

Theil der Wirthſchaft, für welche Ausgaben und Einnahmen Statt

finden und an welche der ganze Capitalſtock der Wirthſchaft etwas

zu fordern und zu geben hat. Wird dieſe Buchhaltung nicht für

eine Hauswirthſchaft allein, ſondern für ein Gewerbe geführt,

dann erſcheint auch die Haushaltung als eine beſondere Perſon,

an welche das Wirthſchaftscapital zu fordern und zu zahlen hat,

und das Hausbuch als ein Filial des Memorials. Wird aber blos

für eine große Hauswirthſchaft dieſe Buchhaltung geführt, dann

erſcheinen die einzelnen Theile des Hauſes, wofür Ausgaben und

Einnahmen Statt finden, als ſolche Perſonen, mit denen der Ca-

pitalſtock Abrechnung hält. Die zu führenden Bücher ſind:

1) Hauptbücher. Es gehört hierher: a) das Memorial

für alle Vorgänge; dann b) das Caſſabuch zur Aufzeichnung der

Geldeinnahmen und Geldausgaben, alſo für Caſſenveränderungen;

c) das Journal, d. h. kein Tage-, ſondern ein Monatsbuch, in

[105/0127]

welchem am Ende jedes Monats die in beiden vorhergehenden

Büchern enthaltenen Poſten nach den Creditoren und Debitoren ge-

ordnet eingeſchrieben werden; und d) das Hauptbuch, welches

nicht blos wie bei der einfachen Buchhaltung die Conti für die

Verbündeten, ſondern auch für jeden Hauptbeſtandtheil des Ge-

ſchäfts enthält, als welcher auch die Caſſe erſcheint; daſſelbe fußt

auf dem Journal und enthält nur monatliche Rechnungen, es führt

aber vier Columnen, nämlich für das Folio des Journals, für

den Monatstag, für die Spezifikation des Vorgangs und für den

Geldbetrag, ſowohl auf der Debet- als Creditſeite.

2) Nebenbücher. Dieſe ſind entweder ſolche, die überhaupt

bei jeder doppelten Buchhaltung vorkommen, oder ſolche, die mit

den Beſtandtheilen des Geſchäftes wechſeln, alſo z. B. beim Han-

delsgeſchäfte anders als bei der Hauswirthſchaft ſind. Jene ſind

a) das Schuld- (Conto courant) Buch, zur detaillirten Erläu-

terung der im Hauptbuche nur monatlich und kurz angegebenen

Verhältniſſe zu den Verbündeten; alle Leiſtungen derſelben und der

Wirthſchaft werden in doppelten Poſten aus dem Memorial und

Caſſabuche eingetragen; b) das Balance- oder Saldobuch;

jeden Monat muß die Probe von der Richtigkeit der Rechnungen

gemacht werden; darum werden die einzelnen Conti des Hauptbuches

aus dieſem ausgezogen und im Saldobuche addirt; die Probe beſteht

natürlich in der Gleichheit der ganzen Credit- und Debetſumme;

und c) das Fakturabuch, worin die beſondern Auslagen bei dem

Ein- und Verkaufe aufgezeichnet werden. Die beſondern Neben-

bücher hängen von den Beſtandtheilen des Geſchäftes oder der Haus-

wirthſchaft ab.

§. 82.

Rechnungsabſchluß.

Am Ende des Jahres werden die Rechnungen abgeglichen, um

Gewinn und Verluſt, oder das Mehr und Weniger der Einnahmen

oder Ausgaben kennen zu lernen. Es iſt dazu erforderlich:

1) Ein Abgleich der Credit- und Debetſeite jedes Conto für

ſich. Die kleinere Summe wird von der größeren abgezogen und

der Reſt (Saldo) unter die kleinere geſetzt und addirt, ſo daß beide

Summen gleich ſind. Allein dies gibt den Gewinn und Verluſt

noch nicht vollſtändig an im Verhältniſſe zum Capitalſtocke. Daher

kommt bei der doppelten Buchhaltung noch

2) ein Abgleich des Vermögens der Wirthſchaft gegen die

Schulden vor. Es werden die Saldi des Caſſenconto, der Perſonal-

conti für Debet und Credit zuſammengezogen, die Gütervorräthe

[106/0128]

aufgenommen, die ſonſtigen beweglichen und unbeweglichen Capitalien

aufgeſchrieben und taxirt. Der Reſt der Debet- und Creditſumme

iſt die Balance. Da man aber auch hiermit den Verluſt oder

Gewinn noch nicht kennt, ſo kommt endlich noch

3) ein Abgleich zwiſchen dem vorjährigen und diesjährigen

Vermögen vor. Hierzu dient der Capitalconto, worin das nach

der vorjährigen Balance vorhandene Vermögen, gleichſam als dem-

ſelben vorgeſchoſſen, die Debetſeite, und die diesjährige Balance,

gleichſam als von demſelben abbezahlt, die Creditſeite einnimmt.

Der Unterſchied zwiſchen beiden wird wie bei 1. abgeglichen und

zeigt den Verluſt und Gewinn an.

Es iſt leicht erſichtlich, daß man dort die doppelte Buchhaltung

nicht immer findet, wo es ſich um keinen Capitalſtock handelt, ſon-

dern eine jährliche Dotation gereicht wird, die ſich nach einem

Durchſchnitte der Bedürfniſſe richtet und keine Capitalſammlung

geſtattet.

[[107]/0129]

Beſondere Wirthſchaftslehre.

Erſter Theil.

Bürgerliche Wirthſchaftslehre.

Erſter Abſchnitt.

Stoffgewerbslehre.

Erſte Abtheilung.

Urgewerbslehre.

I. Buch.

Bergbaulehre.

Einleitung.

§. 83.

Unter Bergbaulehre verſteht man die wiſſenſchaftliche Zu-

ſammenſtellung der Grundſätze und Regeln, wornach die unter der

Erdoberfläche befindlichen nutzbaren Ganz- und Halbmineralkörper

gewonnen werden. Sie iſt als eine Kunſt ſchon ſehr alt, aber ihre

Ausbildung zu einer geordneten Lehre und Wiſſenſchaft iſt Reſultat

der neueren und neueſten Zeit1). Ihre Ausbildung hing von jener

der Naturwiſſenſchaften ab und von der Mathematik, Mechanik und

Technologie. Sie fußt daher auf folgenden Hilfswiſſenſchaften:

1) auf der Mineralogie, d. h. der Naturgeſchichte der Mineralien,

in ihren beiden Haupttheilen, nämlich Oryktognoſie, d. h. Cha-

rakteriſtik der Felsarten ohne Bezug auf Lagerung und ſonſtige

Verhältniſſe, und Geognoſie, d. h. Naturgeſchichte der auf und

in der Erde vorkommenden Mineralien in Bezug auf Lagerung und

ſonſtige Verhältniſſe; 2) auf der Geologie, d. h. der Naturge-

ſchichte und Bildungsgeſchichte der Erde, als eines ganzen eigen-

thümlichen Weltkörpers; 3) auf der Chemie, beſonders in ihrer

Anwendung zur Unterſuchung der Beſtandtheile und Trennung der

nutzbaren Mineralien, d. h. als Probirkunſt und Docimaſie;

4) auf Mathematik, beſonders in ihrer Anwendung zur Beſtim-

[108/0130]

mung der im Bergbaue vorkommenden Raumverhältniſſe durch

geometriſche und trigonometriſche Lehrſätze und Aufgaben, d. h. als

Markſcheidekunſt; 5) auf der Mechanik und Maſchinen-

lehre, in ſoferne als beim Bergbaue die Anwendung großer

mechaniſcher Kräfte zur Trennung und Förderung der mineraliſchen

Körper erfordert wird; 6) auf der Technologie, in ſoferne als

zur Benutzung und zum Verkaufe der mineraliſchen Körper mancher-

lei techniſche Vorrichtungen, Kenntniſſe und Arbeiten nöthig ſind,

um ſie ſogleich nach der Förderung zu reinigen, d. h. als Lehre

vom Hüttenweſen, als Hüttenkunde. Denn die Metalle kommen

vor: a) als gediegen und reguliniſch, d. h. von allen Verbindungen

frei und nur mechaniſch vom umgebenden Geſteine zu trennen;

b) als reguliniſch und mit einem anderen reguliniſchen Metalle

verbunden; c) vererzt, d. h. in Verbindung mit Schwefel; d) in

Verbindung mit Sauerſtoff und Waſſer, und e) mit Säuren ver-

bunden. Die Metalle ſind bald im Feuer unzerſtörbar (vollkom-

men, edel; Platina, Gold, Silber), bald im Feuer zerſtörbar

(unvollkommen, unedel; Kupfer, Zink, Eiſen c.), bald ſtreng-

flüſſig (Kobalt, Nickel), bald leichtflüſſig (Blei, Zinn c.).

¹ G. Agricola (geb. 1494, † 1555), de re metallica libri XII. Basil. fol.

Deutſch 1580. v. Löhneiß, gründlicher und ausführlicher Bericht von Bergwerken.

o. O. u. J. Fol. (1690). v. Cancrin, Erſte Gründe der Berg- und Salzwerks-

kunde. Frankfurt a. M. 1773–91. XII. Delius, Anleit. zur Bergbaukunſt.

Wien 1773. 4. 2te Aufl. 1806. 8. Rau, Anleit. zur Bergbauwiſſ. Mainz 1793.

Schubert, Handbuch der Geognoſie und Bergbaukunde. Nürnb. 1813. (Lezte im

Auszuge nach Delius.) de Villefosse, de la richesse minérale. Paris 1812–19.

III. 4. Deutſch von Hartmann. Sondershauſen 1822. III. 8. (Hauptwerk).

v. Waldenſtein, die beſonderen Lagerſtätten der nutzbaren Mineralien. Wien 1824.

Blume, Ueber mineralog. ökonomiſche Unterſuchungen in und auf der Erde.

Leipzig 1829 (ſehr gut) Brard, Elémens pratiques d'exploitation des Mines. 1829.

Deutſch bearbeitet, auch mit Bezug auf Deutſchland und Literatur, von Hart-

mann. Berlin 1830 (ſehr gut). Hausmann, Norddeutſche Beiträge zur Berg-

und Hüttenkunde. Braunſchweig 1806. Karſten, Archiv für Bergbau und Hütten-

kunde. Seit 1818. Noch andere Zeitſchriften von Lempe, Köhler, v. Moll,

Werner u. A.

Erſtes Hauptſtück.

Bergmänniſche Gewerbslehre.

Erſtes Stück.

Allgemeine Gewerbslehre.

§. 84.

Vorbegriffe.

Die bergmänniſche Gewerbslehre ſtellt ſyſtematiſch die Grund-

ſätze und Regeln dar, wie vermittelſt der Werkzeuge, Maſchinen

[109/0131]

und anderer künſtlicher Mittel die unter der Erdoberfläche befind-

lichen nutzbaren mineraliſchen Körper gewonnen und hervorgezogen

(gefördert) werden. Die allgemeine Gewerbslehre erklärt die

bei jedem Bergbaue geltenden Regeln und vorkommenden Gegen-

ſtände und Arbeiten. Sie trägt daher am beſten ihre Lehren in

der Ordnung vor, in welcher die bergmänniſchen Arbeiten geſchehen.

Die beſondere Gewerbslehre lehrt die Regeln vom Abbaue ver-

ſchiedener Gebirgsarten und Lagerſtätten.

I. Von den Anzeigen des Vorhandenſeins nutzbarer

Mineralkörper.

§. 85.

1) Schichtungen der Erde und deren Inhalt.

Man unterſcheidet in der Erde die geſchichteten und unge-

ſchichteten Felsarten. Unter dieſe Lezteren rechnet man die Er-

zeugniſſe der neuen Vulkane, als Trachyt, Obſidian und Bimſtein,

und jene der alten Vulkane, d. h. Trappgeſteine, nämlich Phomo-

lith, Baſalt, Dolerit, Wacke, ſchwarzer (Augit-) Porphyr. Unter

den geſchichteten Felsarten unterſcheidet man ſechs Hauptarten,

welche ſich von der Oberfläche bis ins Innere der Erde ſo folgen:

1) Das Alluvium, die oberſte Schichte und lezte Bildung,

welche enthält Dammerde, Raſeneiſenſtein, Torf, Schutt, Sand

und Schlammablagerungen, Sand- und Lehmbänke, Meeresſand-

ſtein, Meereskalk, Ueberreſte von Meerſchaalthieren, Kalktuffanſatze

und Ablagerungen.

2) Das Diluvium, die zweit oberſte Schicht und vorlezte

Bildung, welche enthält Gruß-, Kies- und Sandablagerungen,

Gerölle, Gebirgsſchutt, große Blöcke, Lehm, Mergel, rothen

Thon, Muſcheln noch jetzt lebender Thiere, Reſte ausgeſtorbener

Geſchlechter.

3) Das Tertiärgebilde, die dritt oberſte Schichte und Folge

großer Ueberſchwemmung, welche in beckenartiger Lagerung enthält

große Mengen der manchfachen Thier- und Pflanzenreſte, Molaſſe

(in der Schweiz und in Schwaben), Nagelflur, d. h. grobes Zu-

ſammenhängſel (Conglommerat) mit ſandſteinigem Bindemittel,

Formationen von Sand, Sandſtein und Mergel, Gips mit Knochen,

Kieſel- und Grobkalk, Braunkohlen mit Spuren verkohlter Stämme,

Töpferthon mit foſſiliſchen Muſcheln, aus ſüßem Waſſer, Meeres-

pflanzen und andere Thierreſte.

4) Das Flötzgebilde, die dritt unterſte Schichte und dritte

Bildung, welche enthält die Kreideformationen mit Feuerſteinen

[110/0132]

und Verſteinerungen, abnehmend gegen die Tiefe, Jurakalk,

Quaderſandſtein, Greenſand, ſchwarze ſchiefrige Mergel- und

Sandſteine (Lajas Mergel, Lajas Sand), bunten Thon, Kalk-

mergel, Kalkſtein, Muſchelkalk, Eiſen, Blei, Kupfer, Steinſalz,

Gips, Zechſtein, Alpenkalk und Steinkohlen, in der tiefſten Lage.

5) Das Uebergangsgebilde, die zweit unterſte Schichte

und zweite Bildung, welche in ſich führt die älteſten foſſiliſchen

Reſte aus dem Thier- und Pflanzenreiche, Abdrücke von Palmen

und baumartigen Farnkräutern, Thonſchiefer, Grauwacke, Mangan,

Zink, Silber, Bergkalk, rothen Uebergangsſandſtein, grobkörnigen

Quarz, Feldſpath, Glimmerblättchen und Glimmerſchiefer.

6) Das Urgebilde, die unterſte Schichte, die aber auch auf

den höchſten Punkten der Erde gefunden wird, weil die Erde in

ihrer Erzeugung fortfährt, welche gar keine Verſteinerung und

größtentheils blos Glimmerſchiefer und Gneis führt.

§. 86.

2) Anzeigen des Vorhandenſeins nutzbarer Mineralien.

Nach dieſen Erfahrungen über die Erdſchichtungen und deren

Gehalt hat man daher die verſchiedenen Mineralkörper in verſchie-

dener Tiefe in der Erde zu ſuchen. Da man endlich den Wahn

des Wünſchelruthenſchlagens und die Unbegründetheit der Einwir-

kung des thieriſchen Magnetismus zur Entdeckung von Mineralien,

beſonders von Metallen, eingeſehen hat, begnügt man ſich mit

folgenden Anzeigen von Vorhandenſein nutzbarer Mineralien:

1) Entfernte Anzeigen ſind vorhanden, wenn man vom Er-

ſcheinen eines Mineralkörpers, der mit einem andern in einer

Formation vorkommt, auf das Vorhandenſein des Lezteren ſchließt.1).

2) Nähere Anzeigen ſind die Mineralien, welche die Nachbar-

ſchaft eines andern anzeigen, da ſie immer oder in der Regel da-

mit verbunden ſind 2).

3) Gewiſſe Anzeigen ſind ſolche, die über das Vorhandenſein

eines Mineralkörpers gar keine Zweifel übrig laſſen. Die einzig

zuverläſſige iſt das Ausgehende, d. h. der aus irgend einer Ur-

ſache über Tag (äußerlich) erſcheinende Theil einer Lagerung 3).

Allein wenn auch ſolche Anzeigen vorhanden, wenn ſogar das

Mineral vorhanden iſt, ſo iſt noch nicht ausgemacht, daß die Aus-

beute auch die Arbeit lohnen wird, d. h. daß das Mineral nutzbar

und bauwürdig iſt. Man muß daher beim Beginne der Arbeit ſehr

behutſam ſein und die Erfahrungen über das gewöhnliche Vor-

kommen und die gewöhnliche Ausdehnung der Formationen zu

Hilfe nehmen.

[111/0133]

¹ z. B. Kohlenſandſtein und Schieferthon vom Vorhandenſein von Steinkoh-

len, denn ſie ſind nur Charakteriſtiſches der Steinkohlenformation; der Schwefel

und Gips vom Vorhandenſein des Salzes und der Salzquellen; Granite von Zinn.

Allein von der Möglichkeit zur Wirklichkeit gilt kein Schluß.

² z. B. Schiefer mit Pflanzenabdrücken, ſchwarzer Thon, kohlenſaures Eiſen,

bituminöſer Schiefer vom Daſein von Steinkohlen; Wolfram vom Daſein des Zin-

nes; ſalzhaltiger Thon vom Daſein von Salz; Gips vom Daſein ſalzhaltigen

Thones; Quarz, Schwerſpath, Kalkſpath, Flußſpath, vom Vorhandenſein von Blei,

Kupfer, Silber, Zink. Allein von dem gewöhnlichen Verbande darf man nicht auf

den beſtändigen ſchließen, denn dieſe Mineralien kommen auch allein vor.

³ z. B. in Schluchten, Bergwaſſern, ſteilen Felſen u. dgl. Der Anekdoten

über Entdeckungen hiervon gibt es eine Menge. Hier gilt aber öfters das Aeſopiſche

Partruriunt montes, et nascetur ridiculus mus. Man ſ. jedoch hierüber Brard,

Grundriß der Bergbaukunde, v. Hartmann S. 4–6. und v. Leonhard's

(vortreffliche) Agenda geognostica, Hülfsbuch für reiſende Gebirgsforscher. Heidel-

berg 1829.

II. Von der Geſtaltung, Lage und dem Maaßgehalte

der Formationen1).

§. 87.

1) Geſtaltung der Lagerſtätten.

Es gibt verſchiedene Verbindungsformen (Lagerſtätten) nutz-

barer Mineralien, nämlich:

1) Lager, d. h. Schichten von verhältnißmäßig geringer

Dicke, von gleichem Alter mit dem ſie umgebenden (Neben-) Ge-

ſteine, und von geringer Neigung gegen den Horizont. Sie heißen

Flötze in den Flötzgebilden, z. B. Steinkohlenflötze; Bänke im

Diluvium und in ungeſchichteten Felsarten; liegende Stöcke,

wenn ſie ſich weniger in die Länge als in die Teufe erſtrecken;

Stückgebirge, wenn ſie im Verhältniſſe zur Länge und Breite von

außerordentlicher Teufe ſind. Sie keilen ſich aus, wenn ſie am

Ende einen Keil bilden. Sie verdrücken ſich, wenn ſie ſich ver-

dünnen. Sie bilden Mulden oder Becken (concave Biegungen),

wenn ſie ſich nach dem Verdrückten wieder allmälig erweitern, aber

Bückel oder Sättel (convexe Biegungen), wenn ſie ſich ſattel-

förmig bilden. Flötze verwerfen ſich, wenn mehrere Flötze, die

übereinander liegen, in combinatoriſcher Ordnung andere Stellen

einnehmen.2).

2) Gänge, d. h. ſchmale Lagerſtätten von Mineralien, welche

die Schichten eines Gebirgs durchſchneiden und von denſelben ver-

ſchiedene Mineralmaſſen führen. Sie heißen Stockwerke, wenn

viele kleine Gänge ſich auf einem Hauptpunkte durchkreutzen, und

ſtehende Stöcke, bei geringer Erſtreckung und Auskeilung.

Schlechten ſind leergebliebene Gangſpaltungen; taube oder

faule Gänge ſind mit allerlei Bruchſtücken grober Materie aus-

[112/0134]

gefüllte Gangſpaltungen. Denn gewöhnlich kommen nur Metalle

und edle Steine als Gänge vor. Druſen ſind leere oder an den

innern Wänden mit Kryſtallen bewachſene, die Gänge unterbrechende

Räume. Ein ſchmaler neben einem breiten Gange heißt Neben-

gang; das was einen Gang einſchließt Nebengeſtein; die glatte

oder gefurchte unmittelbar an dieſes anſtoßende Seite des Ganges

Saalband; und die zwiſchen der Gangfläche und dem Nebenge-

ſtein manchmal noch eingeſchobene Maſſe Beſteg3). Auch die

Gänge keilen ſich aus. Sie zertrümmern ſich, wenn ſie ſich

in mehrere kleine Keile zertheilen und endigen. Sie verdrücken

ſich auch, aber thuen ſich auf, wenn ſie immer weiter werden.

Sie machen einen Bauch, wenn ſie außerordentlich zunehmen,

und gabeln ſich, wenn ſie ſich in zwei Keile theilen. Sie werden

von Rücken durchſetzt, wenn ſie von anderen tauben Geſteinen

quer unterbrochen werden. Sie ändern ihre Gang- und Erzart

nach der Natur des Nebengeſteins und auch bei gleichem Neben-

geſteine.

3) Unregelmäßige Anhäufungen im Innern, als Nieren und

Neſter, d. h. kleine Erz- und Steinmaſſen, welche von ziemlich

gleichen Dimenſionen zerſtreut liegen; Butzenwerke oder Putzen,

kleine nach allen Dimenſionen ziemlich gleich ausgedehnte und mit-

unter durch Erz gefüllte zerſtreut liegende Räume.

¹ Brard Grundriß. S. 634. Werner, Theorie von der Entſtehung

der Gänge. Freiberg 1791. v. Charpentier, Beobachtungen über die Lagerſtätten

der Erze. Leipzig 1799. Karſten Archiv. IV. 3. Schmidt, Beiträge zur Lehre

von den Gängen. Siegen 1827. Deſſelben Theorie der Verſchiebungen älterer

Gänge. Frankfurt 1810. v. Moll, Jahrbücher für Berg- und Hüttenkunde. IV. 2.

(1810.)

² Lager bilden z. B. die Braunkohlen, die Kalkſteine, der Thon, Gips und

Thonſchiefer. Die Metalle kommen in ihnen nur als Körner oder Schnürchen oder

einzelnen Maſſen vor.

³ Daſſelbe beſteht aus einem feinen Thone, aus fetter Erde, Steinmark u. dgl.

§. 88.

2) Lage der Lagerſtätten.

Man unterſcheidet in dieſer Hinſicht zwei Hauptrichtungen,

nämlich:

1) Das Streichen der Lagerſtätten, d. h. ihre Richtung,

als Maſſen, nach den Himmelsgegenden. Zu ſeiner Beſtimmung

denkt ſich der Bergmann den halben Horizont von Mitternacht bis

Mittag, in 12 Stunden zu 15 Graden eine jede eingetheilt, und

gibt je nach dem angegebenen Streichen die Stunde an, in der es

den Horizont durchſchneidet. Stehende Gänge ſtreichen von

Stunde 12–3; Morgengänge von Stunde 3–6; Spatgänge

[113/0135]

von Stunde 6–9; Flachgänge von Stunde 9–12 1). Die

Gänge erleiden aber in dieſer Hinſicht viele Veränderungen. Sie

fahren getroſt durch das Geſtein oder ſind hauptſtreichend,

wenn ihr Streichen in große Ferne geht; im Gegentheile führen

ſie einen kurzen Strich oder ſind mozzig2). Geht ihr Strei-

chen durch ein Thal in das andere Gebirg (Gegengebirge), dann

heißen ſie dort Gegentrümmer. Dieſelbe ſtreichen entweder mit

dem Gebirge oder quer durchs Geſtein. Der Gang verrückt ſich

aus ſeiner Stunde oder er bleibt in derſelben, wenn er ſein

Streichen verändert oder beibehält. Im erſten Falle ſchmeißt

er ſich im Winkel oder im Bogen aus ſeiner Stunde, je

nach dieſer Form ſeiner Abweichung; oder er wirft auch einen

Haken und einen Bauch.

2) Das Fallen der Lagerſtätten, d. h. ihre Neigung gegen

den Horizont. Die Gänge ſind auf dem Kopfe ſtehend bei

einem Neigungswinkel von 90 Graden; ſeicher bei einem Nei-

gungswinkel von 90–75 Graden; thonlägig bei einem N. W.

von 75–45 Graden; flachfallend bei einem N. W. von 45–15

Graden; und ſchwebend bei einem N. W. von 15–0 Graden.

Auch in dieſem Betrachte erleiden die Gänge Veränderungen. Sie

ſtürzen ſich, wenn ſich ihr Fallwinkel vergrößert, und richten

ſich auf, wenn er ſich verkleinert. Dieſelben fallen wider-

ſinnig, machen aus Liegendem Hangendes und umgekehrt,

wenn ſich ihr Fallen auf die entgegengeſetzte Seite wendet. Sie

ſetzen in Klüften in einander über, wenn ein Gang in der

Auskeilung des andern anfängt oder blos mit ſeinen Ausklüftungen

in einen andern Gang hinüber reicht. Sie zertrümmern ſich

auch bei ihrem Zuſammentreffen. Sie durchkreutzen ſich ohne Ver-

änderung oder mit Veränderung ihrer Richtung, in welchem lezten

Falle ſie ſich verſchieben. Sie durchſetzen ſich entweder in

einem Schaarkreutze (ſchiefen Winkel) oder in einem Winkel-

kreutze (rechten Winkel). Sie ſchleppen ſich, wenn ſie, in

Berührung getreten, eine Strecke mit einander fortlaufen. Ein

Gang wird vom andern abgeſchnitten, wenn er beim Aufſtoßen

auf denſelben plötzlich aufhört.

¹ Nach Beobachtungen im Harze, in Sachſen, Böhmen, Ungarn, Sieben-

bürgen und andern Orten in Europa, ſo wie in Mexiko und Peru in Amerika

ſtreichen die meiſten Gänge von Weſten nach Oſten.

² Dieſe haben höchſtens eine Erſtreckung von 300 Lachtern.

§. 89.

Inſtrumente zur Beſtimmung des Streichens und Fallens.

Um die Lage einer Lagerſtätte zu beſtimmen, bedient man ſich

verſchiedener bergmänniſcher Inſtrumente, nämlich:

Baumſtark Encyclopädie 8

[114/0136]

1) Zur Beſtimmung des Streichens braucht man den

Markſcheidecompaß und den Gruben- (Hand- oder Taſchen-)

Compaß. Dieſer unterſcheidet ſich von jenem blos durch ſeine

äußere Form einer großen Taſchenuhr, während jener in einem

Bügel hängt. Man unterſcheidet daher bei Erſterem das Hänge-

zeug (Compaß ſammt Bügel) und den Zulegecompaß (die Ver-

packungsſchachtel). Die Magnetnadel iſt wie in jedem Compaſſe

angebracht und kann vermittelſt eines Zäpfchens und Stängchens

(Arretirung) angehalten werden. Der Limbus zerfällt rechter Hand

von Süden gegen Norden, und linker Hand von Norden gegen

Süden, jedesmal alſo zur Hälfte, in 12 gleiche Theile, ſo daß

ſowohl bei Nord als auch bei Süd 12 ſteht, und von einer gleich-

namigen Ziffer zur andern immer ein Durchmeſſer gezogen werden

kann. Zur linken Hand vom Norden liegt Oſt, und zur rechten

Hand Weſt, alſo beides am verkehrten Orte und mit 6 bezeichnet1).

Um das Streichen nun zu erfahren, legt man die gemalte Nord-

linie des Compaſſes, den Südpunkt am nächſten beim Beobachter,

parallel mit der Streichungslinie auf. Nun ſetzt ſich die Magnet-

nadel in die natürliche Nordlinie und zeigt ſo (nicht die Him-

melsgegend, ſondern) die Stunde des Streichens an 2).

2) Zur Beſtimmung des Fallens bedient man ſich des Grad-

bogens, d. h. einer von Meſſingblech federhart geſchlagenen,

leichten, nicht zu breiten, ringförmigen Scheibe mit eingegrabenen

concentriſchen Halbkreislinien, die von einem Halbmeſſer in zwei

Quadranten getheilt iſt, deren jeder vom Peripheriepunkte des

Halbmeſſers an in 90 Grade getheilt iſt. Am Centrum, welches

auf einem die beiden 90ten Grade verbindenden Meſſingbande liegt,

iſt ein Seidenfaden oder ein Menſchenhaar befeſtigt, das mit einem

Lothe beſchwert iſt und über den Gradbogen herabhängt. Der

Neigungswinkel wird durch das Aufſetzen des Gradbogens auf das

Geſtein gefunden, wenn die Lothſchnur einen Grad bezeichnet. Oft

kann man aber nicht zur gehörigen Fläche hinreichen, deshalb ſind

bei den beiden Endpunkten des Durchmeſſers Haken angebracht,

vermittelſt welcher man das Inſtrument an eine ausgeſpannte

Schnur oder einen Stab, die man als Fortſetzung der Falllinie

an das Geſtein feſthält, ſo hängen kann, daß die Lothſchnur doch

ihre Anzeige macht, ohne daß man den Gradbogen unmittelbar auf

das Geſtein aufgeſetzt hat.3).

¹ Dies iſt nicht widerſinnig, weil, wenn man von Süd aus zählt, man die

eigentliche Richtung nach der Himmelsgegend finden und die nämliche Ziffer antref-

fen wird.

² An ſich aber zeigt doch eigentlich die gemalte Nordlinie das Streichen an.

³ Brard Grundriß. S. 388394. Karſten Archiv. XVI. S. 61.

[115/0137]

§. 90.

3) Maaßgehalt der Lagerſtätten.

Den Maaßgehalt beſtimmt man mit einem eigenen bergmänni-

ſchen Längenmaaße, nämlich der Lachter, von beinahe 7 Fuß,

faſt 80 Zoll 1). Was von einer Lagerſtätte an der Erdoberfläche

erſcheint, heißt das Ausgehende, bei Gängen auch das Aus-

beißen. Das zunächſt über den Gängen Liegende heißt das Han-

gende, das unter ihnen Liegende heißt das Liegende. Bei ganz

ſenkrechten Gängen heißt man dieſes Beides Gangulmen, bei

Flötzen jenes das Dach, dieſes die Sohle. Hiernach wird fol-

gendes klar. Es iſt:

1) Die Mächtigkeit einer Lagerſtätte der ſenkrechte Abſtand

zwiſchen dem Hangenden und Liegenden, den Gangulmen oder

zwiſchen dem Dache und der Sohle, d. h. die Dicke der Lagerſtätte.

2) Die Länge und Teufe aber die Erſtreckung von einem

Ende zum andern zwiſchen dem Hangenden und Liegenden durch.

Die beiden äußerſten Spitzen des Ganges nach dem Streichen ſind

die Enden. Man nennt ſie in Bezug auf den mittleren Theil die

Flügel.

¹ Ueber andere Grubenmaaße ſ. Lempe Magazin. VII. 157.

III. Von der Unterſuchung der Erdoberfläche

und von den Verſuchsbauen.

§. 91.

1) Im Allgemeinen.

Solche Lagerſtätten von Mineralkörpern werden nach den bis-

her angegebenen Kennzeichen nicht blos durch Zufall entdeckt, ſon-

dern ſie werden auch aufgeſpürt. Die Kunſtgriffe dabei ſind emi-

nent praktiſcher Natur und nicht allein nach der geognoſtiſchen

Beſchaffenheit einer Gegend überhaupt, ſondern auch insbeſondere

nach der Natur des zu unterſuchenden Gebirgs verſchieden. Als

allgemeinſte Regel gilt, daß Strombette, Anſchwellen von Gewäſ-

ſern, beſonders aus Gebirgen, Bergſpalten, Klüfte, enge Thäler,

Rodungen u. dgl. mächtige Hilfsmittel ſind, daß man eine Gegend

mehrmals bereiſen muß und über alle Entdeckungen und Lagen

genaue Regiſter geführt und Karten gezeichnet werden 1). Hat

man aber äußere ſichere Anzeige von Lagerſtätten gefunden, ſo

muß das Aufgraben der Mineralien u. dgl. ſelbſt, d. h. das

Schürfen, beginnen. Darum werden verſchiedene Verſuchsbaue

nöthig, je nach der Lage des Ortes und der Formation 2). Es

gehört hierher:

8 *

[116/0138]

1) Das Graben tiefer Löcher in verſchiedenen Diſtanzen auf

ebenen Flächen, namentlich z. B. bei Verſuchen auf Torf.

2) Der Gebrauch des gewöhnlichen Rad- oder Brunnenbohrers,

mit dem man Löcher in die lockere Erde z. B. auf Wieſen bohrt, in

verſchiedenen Diſtanzen, um Mächtigkeit und Teufe der Lager oder

Bänke zu erforſchen.

3) Das Ueberröſchen, d. h. die Führung eines Grabens

oder zweier ſich durchkreutzenden Gräben, wobei man aber ſo ſcho-

nend als möglich mit der fruchtbaren Oberfläche umgehen muß.

4) Das Einführen von mehr oder weniger wagerechten, und

mehr oder weniger ſenkrechten Eingängen auf den Gang oder das

Lager. Erſtere ſind Schurfſtollen, Leztere aber Schurfſchachte.

Da ſie ſchon mehr als bloße Verſuchsbaue ſind und bei ihrer Con-

ſtruktion auf ihren ſpäteren Gebrauch gerechnet wird, ſo ſollen ſie

hier blos erwähnt, das Nähere aber unten vorgetragen werden.

(§. 95.)

5) Die Unterſuchung mit dem Erd- oder Bergbohrer, d. h.

einem aus mehreren Anſchraubeſtücken beſtehenden und mit verſtähl-

ten Bohrern verſehenen Inſtrumente, welches zum Durchbohren

der Gebirgsarten gebraucht wird.

¹ Viel Praktiſches hierüber bei Brard Grundriß S. 35 folg. und in

v. Leonhard Agenda geognostica. S. §. 86. Note 3 oben.

² Bei den Steinkohlen theilt man die Haupt-, Neben- und Querthäler

ab. Sie finden ſich ſtets am Abhange älterer Gebirge und in Becken. Sie ſind mit

verſchieden mächtigen Erdſchichten überdeckt, oft ſchon mit einem Stocke aufzuwühlen.

Sie kommen mehr in Nebenthälern vor, in Begleitung von Kohlenſandſtein und

Schieferthon. Die Braunkohlen oder der Lignit kommen beſonders in der

Molaſſe und im plaſtiſchen Thone vor, in Lagern und unregelmäßigen Maſſen. Die

Felsarten in ihrer Nähe ſind bituminös. Der Torf kommt in niedrigen ſumpfigen

Gegenden vor, und in Thälern mit horizontal fließendem Waſſer. Elaſtizität des

Bodens zeigt ihn an, da er nicht tief liegt.

§. 92.

2) Bohrverſuche insbeſondere. Der Erdbohrer.

Der Erd- oder Bergbohrer 1) beſteht aus dreierlei Be-

ſtandtheilen. Sie ſind:

1) Das Anfangsſtück, welches aus Eiſen beſteht, oben eine

Drehſtange (Drehling, Krückel) horizontal aufnimmt und mit

einem Ringe oder Bügel verſehen iſt, in den man das Seil zum

Herausziehen des Bohrers befeſtigt, und welcher am Anfangsſtücke

ſelbſt drehbar iſt.

2) Das Geſtänge, d. h. eine wechſelnde Anzahl von eiſernen

4 Fuß langen Stangen (Verlängerungsſtücken), welche, je tiefer

der Bohrer in die Erde geht, immerfort angeſetzt werden. Am

[117/0139]

einfachſten geſchieht dieſes Anſetzen a) durch Schrauben ſo, daß

am einen Ende des Verlängerungsſtückes eine Schraubenmutter,

am andern aber eine Schraubenſpindel ſteht; b) durch Muffen,

d. h. ſo, daß an dem einen Ende des anzulegenden Verlängerungs-

ſtückes eine Büchſe angebracht iſt, welche über die Zuſammenfügung

hin auf das Ende des bereits befeſtigten Geſtänges übergreift und

durch eine vorgeſteckte Feder feſtgehalten wird; oder c) durch Ga-

beln, d. h. ſo, daß jede Stange am einen Ende eine Gabel, am

andern aber einen Zapfen hat, der in die Gabel des ſchon befe-

ſtigten Geſtänges geſteckt und durch zwei Schraubenbolzen befeſtigt

wird 2).

3) Das Endſtück, welches unmittelbar auf dem Geſteine

arbeitet und ſich alſo nach der Härte deſſelben richten, abnehmen

und anſetzen laſſen muß. Man unterſcheidet daher folgende End-

ſtücke: a) den Schaufelbohrer, d. h. einen mehr oder weniger

cylindriſchen Bohrer, welcher der Länge nach um einige Zolle ge-

öffnet iſt, unten an der übergreifenden Seite in eine ſchräge Spitze

endigt, bei einem Durchmeſſer von 3–4 Zoll eine Länge von

12–18 Zoll hat und ſogleich im Alluvium gebraucht wird; b) den

Hohlbohrer, d. h. einen wie der vorige cylindriſch geformten,

aber von ihm dadurch unterſchiedenen Bohrer, daß er nicht ge-

ſchloſſen iſt; c) den Schneckenſchraubenbohrer, d. h. einen

Hohlbohrer, der ſich gegen unten verengt und in eine gekrümmte

Spitze ausläuft; d) das Steineiſen (Trepane), d. h. ein in

eine Doppelſpitze oder breitgedrückte Schärfe auslaufendes ſtählernes,

16–18 Zoll langes und am Kopfe 3 Zoll breites Unterſtück;

e) den Kolbenbohrer, d. h. ein mit 5 Stahlſpitzen verſehenes,

im Gevierte auslaufendes, ſtählernes, in der Mitte pyramidiſch

zulaufendes Unterſtück; f) den Kronenbohrer, wie der Kolben-

bohrer beſchaffen, nur ohne die 5te pyramidiſche Spitze in der

Mitte; g) den Meißelbohrer, d. h. ein Unterſtück mit einem

kurzen, dicken, kugelförmigen Kopfe; h) den Löffel oder Krätzer,

zum Herausziehen des trockenen und naſſen Bohrmehls, für welchen

erſten Zweck der Cylinder mit einer 1½ Zoll breiten Längenſpalte

von oben nach unten verſehen iſt, wo er durch ein ſchräg liegendes

Blättchen geſchloſſen wird, während für den zweiten Zweck das

Inſtrument unten ganz geſchloſſen iſt und die Spalte nur bis zur

Hälfte geht; i) die Sandkälle, d. h. einen eiſenblechenen Trich-

ter, der in eine ſchneckenförmige Spitze ausläuft; k) den Bohr-

und Sohlenlöffel zum Herausziehen des kochſalzhaltigen Waſ-

ſers, d. h. einen unten verſchloſſenen Cylinder, deſſen obere Oeff-

nung durch einen Deckel bedeckt wird, den eine Feder zudrückt und

[118/0140]

der durch eine längs des Bohrgeſtänges zu Tage gehende Schnur

oder einen ſolchen Draht aufgezogen wird; l) den Schmand-

löffel, d. h. einen zum Reinigen des Bohrloches eingerichteten,

3–3½ Fuß hohen Becher aus Blech, an deſſen Ende ſich eine

ungefähr 1¾ Zoll weite Oeffnung befindet, die von einem meſſin-

genen leicht beweglichen Fallthürchen gedeckt wird und mit einem

Gewichte zu beſchweren iſt; m) die Zangenſtücke (Fangſtücke

oder Sucher), d. h. mehr oder weniger zangenartige und compli-

zirte Endſtücke zum Herausziehen ſtecken gebliebener Bohrſtücke.

¹ v. Gries, Beſchreibung des Berg- und Erdbohrers. Wien 1770. de Vil-

lefosse, de la richesse minérale, bearbeitet von Hartmann. II. 114. Selb-

mann. Vom Erd- und Bergbohrer. Leipzig 1823. vrgl. mit Blume Unterſuchungen

S. 39–80. Brard Grundriß. S. 52 folg. Karſten Archiv. VIII. S. 91.

Karſten, Archiv für Mineralogie, Geognoſie, Bergbau und Hüttenkunde. I. S. 400.

² Die Befeſtigung iſt ſehr wichtig, weil ſich beim Fallen und Drehen des

Erdbohrers entweder Geſtänge losreißen oder aufſchrauben und im Bohrloche ſtecken

bleiben könnte.

§. 93.

Das Bohrgeſchäft und ſeine Vorrichtungen.

Das Bohren ſelbſt im eigentlichen Sinne dieſes Wortes findet

nur im Alluvium und Diluvium Statt. Sobald man auf hartes

Geſtein ſtößt, beſteht die Manipulation des Bohrgeſchäftes im

Herumdrehen, Heraufziehen und Fallenlaſſen des Bohrers. Die

Endſtücke deſſelben wechſeln mit der Härte des Geſteines und der

nöthigen Arbeit. Die ganze Operation muß aber mit genauer

Auf- und Vorſicht geſchehen. Die heraufgezogenen Schichtarten

müſſen geordnet und unterſucht, und das Bohrgeſchäft protokolliſch

aufgezeichnet werden. Unachtſamkeit, Verzögerungen, Langſamkeit

u. dgl. bringen in den Bohrverſuchen oft ſolchen Schaden, daß ſie

nicht allein ihren Zweck nicht erreichen, ſondern auch die Bohrinſtru-

mente ſtecken bleiben und die Gebirge verlaſſen werden müſſen1).

Zur bequemen Vollführung des Bohrgeſchäftes ſind mancherlei

Vorrichtungen nöthig. Man rechnet hierher:

1) Den Bohrſtand, d. h. ein Gerüſte über der Erde, auf

dem die Bohrarbeiter ſtehen und arbeiten. Statt deſſen gräbt man

auch oft.

2) eine pyramidiſche, 18 Fuß tiefe, Grube, die ſich

nach unten verengt, oben an jeder Seite 18 Fuß weit iſt und

an ihren Seiten mit Brettern bekleidet wird, welche durch immer

enger werdende Vierlinge gehalten werden, wovon der unterſte

8 Fuß weit iſt2). Oft aber iſt

3) das bloße Ebenen des Bohrgrundes zum ganzen Geſchäfte

ſchon hinreichend.

[119/0141]

4) Das Lochholz (die Bohrſcheibe), d. h. ein Holz von 19

Leipziger Zoll Länge, 11 Zoll Breite und 3–6 Zoll Dicke, in

deſſen Mitte ſich ein mit Eiſen gebüchstes rundes Loch befindet,

über welchem zwei eiſerne von der Seite laufende Klappen zuſam-

mentreten und eine etwas kleinere runde Oeffnung bilden. Dieſes

Inſtrument wird ſogleich beim Beginne des Bohrverſuchs in die

Erde befeſtigt und dient zur ſenkrechten Haltung der Bohrſtangen3).

5) Die Sandröhren oder das Bohr-Röhrenwerk, d. h.

eine hinreichende Anzahl 4–5 Fuß langer, 6 Zoll im äußern

Durchmeſſer dicker, eckiger oder runder Röhren, wovon die erſte in

einen 6 Zoll langen eiſernen Anſatz (Schuh) eingepaßt und mit

4 eiſernen Nieten befeſtigt iſt, damit ſie beſſer durchdringen kann.

Wie ſich das Bohrloch vertieft, werden dieſe Röhren, eine über

und nach der anderen, eingekeilt. Beide Enden jeder Röhre haben

einen eiſernen Ring im Holze feſtgenietet. An der oberen Kante

des Ringes der unterſten Röhre ſind eiſerne Verbindungsſchienen

perpendikulär herauf zu angebracht, die in der Mitte mit einer

eiſernen Schraubenmutter durchlocht ſind. An der unteren Kante

des Ringes der oberſten Röhre ſind dieſelben perpendikulär herunter

zu angenietet. Dieſe Vorrichtung dient zum leichteren Wieder-

heraufziehen der Röhren4).

¹ Beiſpiele bei Brard Grundriß S. 61. Blume Unterſuchungen S. 93. 116.

² Brard Grundriß S. 67.

³ Blume Unterſuchungen S. 56. Aehnlich, aber zuſammengeſetzter, iſt die

ſogenannte Lehrröhre. S. Selbmann, vom Erd- und Bergbohrer. S. 52.

⁴⁾ Blume Unterſuchungen. S. 82. Selbmann, vom Erd- und Bergbohrer.

S. 49. Brard Grundriß S. 67.

§. 94.

Fortſetzung.

6) Die einfache Ramm-Maſchine (Katze), zum Einram-

men dieſer Röhren, wobei man jedoch nicht unmittelbar auf die

Röhre ſelbſt rammt, ſondern auf den ſogenannten Mönch oder

Röhrenkopf, der auf die Röhre gepaßt wird.

7) Das Bohrgerüſte, d. h. eine eigene Maſchine zum Her-

ausziehen des Bohrgeſtänges, welche aus drei, oben in einen

Winkel zuſammenlaufenden, Balken beſteht, in deren Winkel eine

Rolle angebracht iſt, über welche das im Bügel oder Ringe des

Anfangsſtückes angefeſtigte Seil zum Aufziehen läuft.

8) Die älteren und verbeſſerten Hebebäume, Hebeladen, Hand-

göpel, Holzheben, Wagenwinden, Haſpel und Flaſchenzüge.

[120/0142]

9) Die Docke, d. h. ein Fußgeſtell von ſtarken Balken, in

der Form von ¾ eines Kreutzes, welches in der Mitte und an den

drei Balkenenden durch Pfähle in die Erde gerammt wird. Am

oberen Ende des mittleren Kreutzbalkens ſind zwei, in Form einer

Hebelade mit Löchern und eiſernen Bolzen verſehene Säulen per-

pendikulär befeſtigt. Auf den in jene Säulenlöcher geſteckten Bolzen

ruht nun der Hebelarm, durch den das Geſtänge gehoben und ge-

ſenkt wird. Er iſt an der einen Seite mit einem Drückel ver-

ſehen und an der anderen mit einer Gabel von Eiſen, deren beide

Zinken durchlöchert ſind und einen Bolzen führen, in dem das

Geſtänge befeſtigt wird1).

10) Mehrere complizirte Bohrmaſchinen, deren Brauchbarkeit

aber noch beſtritten wird2).

Da nun aber durch den Bohrer weder die Art der Gebirgsfor-

mation, noch ihr Fallen, Streichen, Hangendes und Liegendes

mit hinlänglicher Sicherheit in allen Fällen beſtimmt werden kann,

ſo ſind die Bohrverſuche am beſten angewendet in regelmäßig ge-

ſchichteten Gebirgen, zur Beſtimmung der Mächtigkeit der Lager,

Flötze und Bänke, zur Unterſuchung der Erſtreckung, Gang- und

Erzart von zu Tage ausgehenden Gängen und Lagern, zur Auf-

ſuchung von Quellwaſſer, arteſiſcher Brunnen und Salzſohlen, und

endlich zur Beförderung des Luftzugs in Bergwerken3).

¹ Blume Unterſuchungen. S. 87.

² Selbmann, vom Erd- und Bergbohrer. S. 6588. Blume Unter-

ſuchungen. S. 91–93.

³ Brard Grundriß. S. 6473.

IV. Von der Anlegung der Grubengebäude.

§. 95.

1) Arten und Theile der Grubengebäude.

Man hat, um auf die nutzbaren Mineralien zu kommen, ver-

ſchiedene Zugänge in die Erde. Nämlich:

1) Wagrechte (oder nur wenig gegen den Horizont geneigte)

Zugänge. Führen ſie von Außen nach Innen, dann heißen ſie

Stollen; verbinden ſie aber zwei Stellen des Bergwerkes im

Innern mit einander, dann werden ſie Strecken genannt. Der

oberſte Theil oder die Decke derſelben heißt Firſt oder Förſt, der

ihr entgegengeſetzte aber Sohle. Die beiden Wände derſelben

nennt man Ulmen, den Eingang des Stollens das Mundloch,

und das Ende deſſelben das Stollenort. Je nach dem Zwecke,

wozu die Stollen dienen, haben ſie ihren Namen, obſchon ſich oft

[121/0143]

alle Zwecke in einem einzigen vereinigt finden. Dient der Stollen

zur anfänglichen Unterſuchung des Gebirgs, dann heißt er Schurf-

ſtollen (§. 91.); dient er zur Herausſchaffung der Mineralien,

Förderſtollen; dient er zur Bewirkung des Luftzuges, Wetter-

ſtollen; und dient er zur Ableitung des Waſſers, Erbſtollen.

Man macht das Mundloch eines Stollens wenigſtens 1 Lachter

über den höchſten Stand eines nahegelegenen Waſſers, z. B. in

Thälern mit Flüſſen und Bächen, um einer Ueberſchwemmung der

Baue zuvorzukommen. Vor demſelben wird der Schutt (Bergen)

vorſichtig in einen Haufen (Halde) geſtürzt, daß ebendaſelbſt

ein ebener Platz bleibt und der Stollen ſelbſt vor Waſſer geſchützt

wird. Die Stollen ſind von verſchiedener Höhe und Breite, doch

nicht ſchmäler als 3½-3¾ Fuß an der Sohle, wenn ſie mit

Karren befahren werden ſollen1). Je feſter das Hangende und

Liegende iſt, deſto höher darf der Stollen ſein. Davon hängt auch

die Form der Förſte ab, die bald horizontal, bald ein Gothiſcher

(Spitz-) Bogen, der am Ellenbogen der Arbeiter beginnt, ſein

kann; lezteres, wenn das Geſtein nicht brüchig oder wenn der

Stollen querſchlägig, d. h. ſo durch das Nebengeſtein geführt

iſt, daß er den Gang abſchneidet oder überfährt. Soll der Stollen

zugleich zur Waſſerableitung dienen, ſo reicht 0,015 Zoll Anſteigen

auf 1 Lachter hin. Das Waſſer läuft entweder auf der Seite oder

in der Mitte des Stollens ab. Der dazu dienende Kanal heißt

Waſſerſeige. Sie liegt unter dem Sohlenbalken an dem Mund-

loche und unter dem Geſtänge am Stollen ſelbſt. Dieſes aber

beſteht aus mehreren, auf zwei der Länge nach laufenden Balken

(Tragewerk), etwa zwei Fingerbreit von einander angenagelten

Querhölzern oder Brettern, die zum Fahren und Gehen dienen2).

2) Mehr oder weniger ſteile Zugänge. Sie heißen Schächte,

wenn ſie zu Tage ausgehen; Geſenke oder Abteufen, wenn ſie im

Innern Oerter mit einander verbinden; die Seiten des Schachtes

heißt man Stöße, die Sohle deſſelben aber Scheibe. Man

unterſcheidet die Schurf-, Förder- (Treib-), Fahrſchachte,

und die Kunſtſchächte, in welchen lezteren die Pumpſtangen zum

Herausheben des Waſſers gehen. Alle vier Zwecke erfüllt oft auch

ein Schacht. Die Länge, Höhe und Weite der Schächte hängt

ebenfalls vom Geſtein und von der Lage des Minerals ab3). Die

Form iſt oval, rund oder eckig.

¹ Als gute Dimenſionen eines Stollens gibt Brard (Grundriß. S. 47–48.)

an: 5 Pariſ. Fuß Höhe, 3 Fuß 6 Zoll Weite an der Sohle, und 2 Fuß 6 Zoll

Weite an der Förſte, im Lichten der Zimmerung (§. 96), ſo daß das Gebirge

8 Zoll höher und 16 Zoll weiter auszuhauen iſt.

² Das Geſtänge beſteht auch blos aus Brettern und liegt auf der Sohle auf,

[122/0144]

³ Die Fahr- und Kunſtſchächte ſind immer kleiner, als der Förderſchacht, und

von dieſem blos durch Balken und Bretter geſchieden. Man theilt die Schächte auch

nach dem Neigungswinkel ein (§. 88.). Brard (Grundriß. S. 50.) rechnet bei

einem Verſuchsſchachte von 50 Lachter Länge, eine Höhe von 9 Fuß und eine Weite

von 6 Fuß mit der Zimmerung; bei feſtem Geſteine und runder Form einen Durch-

meſſer von 6 Fuß.

§. 96.

2) Grubenſicherung. a) Grubenzimmerung.

Alle dieſe Zugänge und Grubenbaue müſſen befeſtigt ſein, um

die Arbeiter gegen den Einſturz der Gebirge zu ſichern. Dies ge-

ſchieht entweder mit Holz, und heißt Grubenzimmerung, oder

mit Steinen, und heißt Grubenmauerung1). Die Gruben-

zimmerung iſt verſchiedener Art, je nach der ein-, zwei-, drei-

oder allſeitigen Feigheit (Lockerheit) des Geſteins. Sie beſteht:

1) Bei Stollen und Strecken entweder in quer von einer

Ulme zur andern an die Förſte getriebenen Balken und Brettern

(der Kappe); oder ſie iſt halbe Thürſtockzimmerung, wenn

blos ſolche Kappen, Seitenpfoſten und Bretter an einer Seite an-

gebracht ſind; oder ganze Thürſtockszimmerung, wenn auch

die zweite Ulme gezimmert iſt; oder ganze Thürſtockszim-

merung mit Sohlhölzern, wenn auch die Sohle mit Pfoſten ge-

zimmert iſt; oder endlich ganze Thürſtockszimmerung, mit

Tragwerk, Förderungsgeſtänge und Waſſerſeige2). Die ganze

Zimmerung geſchieht ohne Zapfen und Nägel, ſondern durch bloßes

Ineinanderfügen vermittelſt Bogen und Winkel. Längs den Ulmen

werden zwiſchen ſenkrechte Pfähle Bretter quer eingetrieben, ſo

auch an der Förſte, wo jedoch Alles horizontal liegt und etwaige

Zwiſchenräume zwiſchen Geſtein und Zimmerung mit Faſchinen

ausgefüllt werden müſſen.

2) Bei Schächten und Geſenken entweder in der Bolzen-

ſchrotzimmerung oder in der ganzen Schrotzimmerung.

Die Leztere beſteht aus lauter der Länge des Schachts nach auf

einander gelegten Vierlingen. Die Erſtere aber beſteht in ſolchen,

4–4½ Fuß von einander entfernten, Vierlingen, welche durch

ſenkrechte Balken (Bolzen) unterſtützt und durch Tragſtempel,

d. h. in die Bühnelöcher an den Schachtulmen getriebene Quer-

bolzen, an ihren kurzen Seiten getragen werden3).

¹ de Villefosse Mineralreichthum. II. 178. Cancrin, Erſte Gründe der

Berg- und Salzwerkskunde. (Frankf. 1773–91.) I. 68. Delius Bergbaukunſt.

I. 310. 437. Karſten Archiv. II. IV. V. IX. XVI. XVIII. Dingelſtedt,

Anleitung zur Grubenzimmerung. Schneeberg 1793. Erler, Anleit. z. Strecken-

und Schachtmauerung. Freiberg 1796. Gätzſchmann, Anleitung zur Gruben-

mauerung. Schneeberg 1830. Brard Grundriß. S. 277–318.

[123/0145]

² Die Zimmerung mit Unterzügen beſteht darin, daß man längs der Förſte

Balken legt und ſie mit Thürſtöcken unterſtützt.

³ Dieſe Tragſtempel werden auch nöthig bei ſchwebenden Strecken (Diago-

nalen oder Bremsbergen) bei einem Falle von 40–45 Graden. Es erſcheinen dann

die beiden Thürſtöcke, die Kappe und die Schwelle zuſammen als der Vierling. —

Der Vierling bei der Schachtzimmerung beſteht nämlich aus 2 längern und 3

kürzern Bolzen, wovon 2 am Ende und 1 in das Geviere eingerückt angebracht iſt,

um ſo den Schacht in den Treib- einerſeits und Fahr- und Kunſtſchacht anderſeits

zu theilen, weshalb zwiſchen je 2 davon Bretter eingeführt werden. — Auf dem

Oberharze kennt man auch noch die verlorene Zimmerung mit Getrieben,

und ſtatt der viereckigen die achteckige Schachtzimmerung. Auch iſt dort die ganze

und Bolzen-Schrotzimmerung verſchieden. Bei Tarnowitz in Schleſien wandte man

auch die Getriebszimmerung an. Brard Grundriß. S. 292. Karſten

Archiv. II. b. 146. IV. 212. Auch ſichert man kleine runde Schachte mit Baum-

zweigen. Brard Grundriß. S. 297.

§. 97.

Fortſetzung. b) Grubenmauerung.

Die Grubenmauerung verdient vor der Zimmerung, zwar

nicht in Betreff der Koſten, aber wegen ihrer Stärke, Sicherheit

und Dauerhaftigkeit den Vorzug. Sie iſt:

1) Bei den Stollen und Strecken entweder theilweiſe oder

ganze Mauerung, je nach der Brüchigkeit des Geſteins. Hiernach

hat man eine Förſtenmauerung im Gewölbe, Mauerung der Ulmen

mit Kappen, Mauerung der Förſte nebſt einer Ulme, Mauerung

der Förſte und beider Ulmen, und allſeitige Mauerung, und zwar

in elliptiſcher Form, wobei das untere Ende der großen Axe nach

die Waſſerſeige macht. Die geradlinigte Mauerung heißt man

Scheibenmauerung, und die bogenförmige dagegen Gewölbe-

mauerung1).

2) Bei den Schächten und Geſenken unterſcheidet man

wegen der Mauerung die ſeicheren von den flachen Schächten.

Für die ſeicheren Schächte gibt es eine länglich viereckige, runde

und eine elliptiſche Mauerung. Leztere iſt die beſte, weil ſie die

Feſtigkeit der Bogenmauerung mit der Bequemlichkeit der länglich

viereckigen für die Theilung in zwei Theile und die Förderung in

ſich vereinigt. Am leichteſten iſt die Mauerung, wenn ſie ſogleich

beim Abteufen des Schachtes geſchieht; am ſchwierigſten, wenn in

einem viereckigen Schachte die faule Zimmerung durch die Mauerung

erſetzt werden ſoll. Das Schwerſte iſt immer, der Mauerung einen

gehörig feſten Standpunkt zu geben. Bei feſtem Geſteine wird

hierzu dieſes benutzt und darum weit genug ausgehauen; im ge-

prägen Geſteine aber ein Roſt oder Geviere von Holz oder Eiſen

(wie in England), oder auch das Ausmauern von ſtarken Bogen,

die dazu beſtimmt ſind, der Mauerung zur Stütze zu dienen2).

[124/0146]

Die Mauerung flacher Schächte iſt entweder Kellerhals-

mauerung (bei 60 Graden Fall des Ganges und darunter), d. h.

ein halb liegendes und halb fortlaufendes Gewölbe, oder Mauerung

mit überſpringenden Bogen, d. h. lauter ſenkrechte über ein-

ander ſtehende Scheibenmauern von geringer Erſtreckung, die über

einander hervorſtehen und eine jede für ſich auf einem Bogen

ſteht3).

¹ Die ſogenannte Gurtmauerung (zu Idria in Krain) beſteht aus ellip-

tiſchen, 1 Fuß breiten und 1–2 Fuß von einander entfernten Gewölben.

² Als Schachtſcheider, welcher den Schacht in zwei Theile trennt, hat man

auch ſchon Mauerung angewendet. Aber wegen der Wohlfeilheit, Leichtigkeit und

des Raumerſparniſſes iſt die Zimmerung vorzuziehen.

³ Eine der merkwürdigſten Schachtmauerungen iſt die Senkmauerung,

angewendet auf der Friederichsgrube bei Tarnowitz in Schleſien und beim Tunnel

in London. Nachdem man einen viereckigen Schacht einige Lachter tief abgeſenkt

hat, legt man in denſelben einen ſtarken eichenen runden Roſt oder Kranz auf die

Sohle. Am äußeren Rande dieſes Kranzes werden Latten ſenkrecht aufwärts ange-

nagelt und ihre obern Enden ebenfalls an einen, jedoch etwas ſchwächeren Roſt

befeſtigt. Der Raum zwiſchen dieſem Holzkaſten wird ausgemauert. Hierauf wird inner-

halb des Mauerwerks die Sohle weiter abgeteuft, der Roſt dann losgeſchrämmt

und ſenkt ſich nun in die Teufe, ſo weit als man ihn haben will. So wird der

folgende Roſt an dieſen mittelſt Latten befeſtigt und fortgefahren, bis man auf feſtes

Geſtein kommt, um die gewöhnliche Schachtmauerung anzuwenden. Karſten Archiv.

IX. 168. Brard Grundriß. S. 315.

§. 98.

3) Fahrtanſtalten.

Die Anſtalten, um in die Bergwerke und aus denſelben zu

gelangen, ſind ſehr wichtig. Ihre Einrichtung darf nicht ohne

genaue Berückſichtigung der Zwecke, der Bequemlichkeit, Sicher-

heit, Feſtigkeit, Gefahrloſigkeit und der Rettbarkeit der Grubenleute

bei Gefahren geſchehen. Man bedient ſich folgender Fahrtanſtalten,

um die Gruben zu befahren:

1) Auf mehr oder weniger flachen Schachten eines Stockes,

den man zwiſchen die Beine als Steckenpferd ſteckt, und abreitet.

2) Der ſogenannten Rollen, d. h. geneigter glatter Ebenen,

auf die man ſich ſetzt und abrutſcht, z. B. in Baiern, Oeſterreich

und in Wieliczka.

3) Der Tonnen und Kübel, in welchen man an Seilern das

Geſtein fördert, oder auch anſtatt dieſer gewiſſer Seſſel oder Sättel

mit Steigbügeln, welche an die Seiler befeſtigt ſind, z. B. in

England.

4) Der Treppen von Holz, oder der in das Geſtein gehauenen

Stufen, z. B. in Frankreich, Italien, Steiermark, Schweden.

5) Der Fahrten mit einem Schenkel (Balken), an dem auf

[125/0147]

beiden Seiten die Bolzen hervorſtehen, um hinab- und hinanzu-

klimmen.

6) Der Leitern oder Fahrten von Holz oder Eiſen (lezteres

in England) von 10–12 Fuß Länge, mit Ruhebühnen von Holz,

um daran hinab- und hinauffahren zu können, ohne ſich hindernd

auf denſelben zu begegnen.

Es iſt wohl keinem Zweifel unterworfen, daß die ſechste Art

die beſte iſt, da ſie allein alle obigen Eigenſchaften hat, und nicht

ſo viel Raum und Koſten erfordert wie die vierte1).

¹ Brard Grundriß. S. 127 u. a. W.

§. 99.

4) Wetterloſung.

Unter Wetter verſteht man die Grubenluft. Unter Wetter-

loſung1) die Thätigkeiten und Anſtalten zur Verbeſſerung der-

ſelben. Böſe (nicht athembare) Wetter im Gegenſatze der guten

(athembaren) ſind entweder matte, welche größtentheils kohlen-

ſaures Stickſtoffgas, Arſenik- oder Merkurialdämpfe enthalten, oder

ſchlagende, nämlich größtentheils entzündliches Kohlenwaſſer-

ſtoffgas. Der Aufenthalt der Menſchen, die Lichter, das Feuer,

faules Holzwerk, das Mineral ſelbſt, und die Verwitterung von

Geſtein ſind Haupturſachen ihres Entſtehens2). Man bedient ſich

zur Sicherung gegen ihre ſchädlichen Folgen folgender Mittel:

1) Zur Entzündung der ſchlagenden Wetter jetzt, nachdem

die Feuermänner und die Flintenſchüſſe mit Zündkraut als weniger

tauglich befunden worden ſind, der Sicherheitslampe von

Davy. Ihre Conſtruktion beruht auf zwei Haupterfahrungen,

nämlich darauf: a) daß eine Flamme durch ein Drahtgeflechte von

100 Löchern auf einem Quadratzolle von der äußern Luft geſchie-

den, mit dieſer nicht in Berührung tritt, und b) daß ein Spiral

von Platindraht in der Rothglühhitze die langſame Verbrennung

des Kohlenwaſſerſtoffgaſes bewirkt und erhält. Die Davy'ſche

Sicherheitslampe beſteht daher aus einem meſſingenen Oelbehälter,

in dem der Dacht angebracht wird, aus einem über die Flamme

geſtürzten Drahtgazecylinder obiger Beſchaffenheit, welcher oben

einen eben ſo belöcherten blechernen Hut hat, und aus einem im

Cylinder über der Dachtflamme feſt angebrachten Spirale von

Platindraht. Die anderen Beſtandtheile ſind Nebenſachen. Die

ſchlagenden Wetter dringen durch den Cylinder an die Flamme,

verbrennen an ihr langſam ohne Exploſion, und wenn dieſe nicht

mehr brennen kann, am Platinſpirale in der Rothglühhitze, was

[126/0148]

einen ſolchen Schein gibt, daß der Arbeiter damit die Grube be-

fahren kann, ohne der Gefahr ausgeſetzt zu ſein, daß durch das

Verbrennen jenes Blechhutes die Flamme ausbrechen und eine

Exploſion verurſachen wird3). Kommt er wieder mit der Lampe

in die athembare Luft, dann lodert der Dacht wieder auf.

2) Zur Ableitung der Wetter, alſo auch zur Sicherung

gegen matte Wetter, der Wetterwechſeln, d. h. ſolcher Ein-

richtung der Zugänge, daß ein Luftzug erhalten wird. Ihre Con-

ſtruktion beruht auf der Erfahrung, daß die Grubenluft im Win-

ter wärmer und leichter, im Sommer aber kälter und ſchwerer iſt,

als die äußere. Setzt man nun die Mundlöcher der Schächte und

Stollen in verſchiedene Ebenen und bringt man ſie mit einander in

Verbindung, ſo wird im Winter die äußere Luft am tief liegenden

Mundloche ein- und die Grubenluft am höheren herausſtrömen,

aber im Sommer umgekehrt. Solche Zugſchächte heißt man

Lichtlöcher oder Wetterſchächte, auch Wetterkamine, wenn

ſie bloße 3–4 Fuß weite Geſenke ſind. Kann man dieſen Luftzug

in die Waſſerſeige anbringen, ſo iſt es für die Arbeiter beſſer. In

der Regel iſt aber der Schacht durch den Wetterſcheider in

zwei Theile getrennt, und jene ſtehen ein Lachter über die

Schachtöffnung hervor. Um aber den Zug zu verſtärcken, ſetzt

man in die Schächte vom Tage hinein auch Wetterlutten, d. h.

hölzerne Röhren, welche oft ſenkrecht, oft horizontal, trichter-

förmig erweitert, dem Winde entgegen gerichtet ſind, um ihn

beſſer aufzufangen. Dieſes nennt man Wetterführung4).

3) Zum Ein- und Ausblaſen der Wetter verſchiedener

künſtlicher Mittel. Die Luft wird eingeführt: a) vermittelſt großer

Blasbälge mit mehreren nach verſchiedenen Richtungen ſich öffnen-

den Ventilen (Wetterbläſer); b) vermittelſt der Wetter-

(Wind-) Trommeln oder des Wetterrades, d. h. runder,

6 Fuß Durchmeſſer zählender Gehäuſe, in denen ſich ein acht-

flügeliges Rad zur Aufnahme des durch die Zuglöcher am Gehäuſe

bewirkten Luftzuges befindet, das die Luft in die Schachte wirft;

c) vermittelſt der Waſſertrommeln, d. h. oben trichterförmig

ſich mündender und gegen unten ſich verengender Hauptröhren,

welchen durch ſchiefe Seitenröhren die Luft zugeführt wird, und

in welchen dieſelbe durch Waſſer, das durch den Trichter einſtürzt,

nach unten in einen, manchmal auch noch mit einem Flügelrade

verſehenen, Behälter geriſſen, und von da durch Röhren in die

Grube geleitet wird. Sie ſind nur bei hinreichender Waſſermenge und

leichter Ableitbarkeit des Waſſers aus der Grube anzuwenden. Die

Wetter werden aber herausgeſogen und durch andere herbeiſtrömende

[127/0149]

erſetzt: a) vermittelſt des Wetterſatzes, d. h. einer einfachen

hölzernen, mit ledernen und hölzernen Röhren verſehenen Luft-

pumpe; b) vermittelſt freier in den Gruben angemachter Feuer

zur Conſumtion und Anſaugung der Luft; beſſer aber anſtatt ihrer

c) vermittelſt der Wetter- (Wind-) Oefen, mit einer in die

Grube führenden, die Wetter über ein Feuer auf einem Roſte

leitenden, Röhre. Dieſe Oefen ſtehen außerhalb der Gruben und

empfangen die Wetter durch die Lutten aus den Gräben herauf5).

¹ Delius Bergbaukunſt. II. S. 1. de Villefosse Mineralreichthum. II.

216. III. 59. A. v. Humboldt, Ueber die unterirdiſchen Gasarten. Braunſchweig

1799. Karſten Archiv. IX. 253. X 132. XIX. S. 518. Brard Grundriß.

S. 346.

² Beſonders in Steinkohlengruben, wo ſich viel Schwefel findet und die

Steinkohlen in Haufen bei Feuchtigkeit erhitzen, in winkeligen Gruben, wo ſie

keinen freien Abzug haben ſind ſie ſehr angehäuft und gefährlich. Auch ſtrömen ſie

öfters gerade aus den Ulmen in Blaſen auf, über die man Röhren anbringen kann.

Oft hängen ſie in Bläschen an den Ulmen, die man zerdrücken kann u. dgl.

Exploſionen können ſchon bei [FORMEL] Kohlenwaſſerſtoffgas in der Atmoſphäre entſtehen;

bei verlöſchen die Lampen.

³ Näheres darüber in den Annales des Mines. I. 177. VIII. 209. Gilberts

Annalen der Phyſik. 1820. Karſten Archiv. I. a. 165. II. a. 173. II. b. 159.

Dingler, polytechn. Journal. 1829. S. 125. Brard Grundriß. S. 361. Der

Blechhut und die Befeſtigung des Platinſpirals, ſo wie das Zuſammendrehen

von 8 Platindrähten in einen ſolchen iſt von Chevremont erfunden.

⁴⁾ Eine eigene Wetterführung des Bergingenieurs James Ryan beſchreibt

Brard Grundriß. S. 359., nach Repertory of Arts. 1818., Karſtens Archiv.

IX. 253. und Gray's prakt. Chemiker. Weimar 1829. S. 427.

⁵⁾ Die Dimenſionen eines ſolchen Ofens ſind nach Brard (Grundriß S. 357.)

folgende: Ein runder Aſchenkaſten, 10 Zoll weit und bis unter den Roſt 2 Fuß

hoch. Der runde Heitzkaſten, eben ſo weit, aber vom Roſte bis zum Kamine 18

Zoll hoch, und, wo dieſes anfängt, gewölbt. Durchmeſſer des Kamins unten 12,

oben 8 Zoll. Höhe des Ofens von der Sohle bis zur oberen Kaminöffnung 7 Fuß,

Dicke der Mauern 2 Fuß, und inwendig aus Ziegelſteinen beſtehend. Die Heitz-

thüre 9–10 Zoll [], Thüre des Aſchenkaſtens 18 Zoll hoch und 1 Fuß weit. —

Das Feuer hängt man auch in Becken in die Schachte. Allein ſie ſind wegen der

ſchlagenden Wetter gefährlich. Da ſie auf einem Roſte ruhen, ſo hat Chevre-

mont deshalb vor den Roſt einen Rahmen mit Davy'ſchem Metallgaze ange-

bracht. — Die Verſuche mit Chlorkalk zur Verbeſſerung der Wetter haben ſich

nicht bewährt. Karſten Archiv. XVIII. 323 Brard Grundriß. S. 368–70.

§. 100.

5) Waſſerloſung.

Die in den Gruben anzutreffenden Waſſer ſind nicht minder

gefahrdrohend, als die Wetter, weil ſie nicht blos das Leben der

Arbeiter gefährden, ſondern auch öfters den Fortbau unmöglich

machen, d. h. die Gruben verſäufen. Auch gegen ſie hat man,

entſprechend der Wetterloſung, drei Hauptmittel. Nämlich:

1) Das Verdämmen (Cuvelage et Picotage) der Waſ-

ſer, d. h. Vorrichtungen, um das Herzuſtrömen des Waſſers zu

[128/0150]

verhüten. Man bedient ſich dazu oft: a) der Dämme, um das

Waſſer auf einer höheren Sohle vom Hinabſturze in tiefere Theile

der Gruben zu hindern. Ihre Stärke iſt nach ihrem auszuhalten-

den Drucke verſchieden, und ſie beſtehen in der Regel aus zwei

ſtarken Holzwänden, in deren Mitte Letten eingeſtampft wird. Iſt

nahes Waſſer zu vermuthen, ſo unterſucht man am beſten mit dem

Bohrer, um ein ſchnelles Anſchwellen bei fortgeſetzter Arbeit zu

verhüten1). b) Der eigentlichen Verdämmung (Cuvelage et

Picotage) der Schächte. Sie gründet ſich auf ſehr waſſerhaltende

und waſſerfeſte Erdſchichten, und ſoll das Durchdringen der

Waſſer, wenn der Schacht durch ſolche Schichten geht, verhin-

dern, indem ſie in ihr natürliches Niveau gehalten werden. Auf

einer ſolchen Schicht mit dem Schachte angelangt, erweitert man

den Schacht 4–4½ Zoll über die Jöcher der Zimmerung hinaus,

und füttert die Zwiſchenräume zwiſchen den angebrachten Jöchern

mit Moos aus, auf welches vermittelſt vieler hölzerner Keile meh-

rere Bretter ſo feſt angekeilt werden, daß das 2–2½ Zoll dick

aufgelegte Moos bis auf einige Linien Dicke zuſammengepreßt wird2).

Man kann dieſe Vorrichtungen Waſſerhaltung nennen.

2) Die Waſſerloſung im eigentlichen Sinne, indem man

den Waſſern einen natürlichen Abfluß durch ſeine eigene Schwere

gibt. Dies geſchieht durch die Waſſerloſungsſtollen, weniger an-

wendbar in flachen, als in getheilten gebirgigen Ländern, weil ſie

an ſich ſehr koſtſpielig und in erſteren Ländern zu lang ſein müſſen.

Man legt dieſe Stollen ſo tief an, daß ſie möglichſt das Waſſer

der höheren Sohlen der Grube aufnehmen. Ihr Bau iſt wegen

der Nivellirung der Gebirgsoberfläche und wegen der Auffindung

des gehörigen Gefälles ſehr ſchwer. Dient ein ſolcher Stollen nicht

zugleich zum Fördern, dann braucht er weniger Dimenſion3).

3) Die Waſſerhebung, indem man die Waſſer künſtlich

aus den Gruben herauszieht. Man bedient ſich dazu, je nach der

Tiefe, aus welcher die Waſſer heraufgezogen werden müſſen, außer

den früher angewendeten archimediſchen Schnecken, Paternoſter-

werken, Schaufelkünſte, jetzt noch folgender Mittel: a) der Ton-

nen und Fäſſer auf ſchwebenden Strecken und flachen Schächten,

indem man ſie auf Schlitten oder Wagen, deren Räder auf höl-

zernem Geſtänge gehen, heraufzieht. b) Der Züber und Kübel

zum Heraufziehen, wie bei der Förderung (§. 106.), welche aber

unverſchloſſen nicht ſo gut ſind wie jene verſchloſſenen Fäſſer;

c) der Sauge- und der Druckpumpen, die wie die Waſſer-

pumpen überhaupt konſtruirt ſind; d) bei großer Teufe des Kunſt-

ſatzes, d. h. mehrerer immer übereinander angebrachter Pumpen

[129/0151]

mit Waſſerbehältern (Satzkäſteln), in welche die eine Pumpe

eingießt und aus welchen die nächſt höhere pumpt4); e) des He-

bers und der Luftcompreſſion5). Dieſe Waſſerhebung wird

durch dieſelben Kräfte wie die Förderung bewirkt.

¹ Beſchreibung einer horizontalen Bohrmaſchine bei de Villefosse Mineral-

reichthum. II. 209. Brard Grundriß. S. 345.

² Die nähere Beſchreibung des Verdämmens bei Brard Grundriß. S. 338

folg. de Villefosse Mineralreichthum. II. 188. Karſten Archiv. IV. 214.

IX. 209. X. 192. Journal des Mines. XVIII. No. 104 et 105.

³ Man muß ſich wegen der böſen Folgen der Verſtopfung vor zu engen

Stellen dieſer Art hüten. Brard (Grundriß S. 323.) gibt als beſte Dimenſion

5 Fuß Höhe und 3 Fuß Breite an.

⁴⁾ Zur Literatur: Delius Bergbaukunſt. II. 50. de Villefosse Mineral-

reichthum. II. u. III. v. Cancrin erſte Gründe Thl. VII. und Werke über

Maſchinenweſen. Brard Grundriß. S. 327.

⁵⁾ Beſchreibung des Erſteren in Karſten Archiv. IV. 217., der anderen

daſelbſt XIII. S. 35.

V. Von der Arbeit auf dem Geſtein.

§. 101.

1) Bergmänniſches Gezähe und Geleuchte.

Die Arbeit in den Gruben kann ohne Lampen (Geleuchte)

nicht geſchehen. Sie haben verſchiedene eigenthümliche Formen

und jeder Bergarbeiter muß mit einer ſolchen und dem Feuerzeuge

verſehen ſein. Da aber die Feſtigkeit des Geſteines ſehr verſchie-

den iſt, ſo hat man auch verſchiedenes Werkzeug (Gezähe) und

verſchiedene Arbeiten. Erſteres läßt ſich nach Lezterem anordnen.

Es gibt nämlich:

1) Gezähe zur Lostrennung des Geſteins. Es gehören

hierher: a) die Keilhauen, d. h. mehr oder weniger keilförmige

ſpitzige Hauen mit ſtarkem Oehr und Helme (Stiel), die zum

Zwängen des Geſteines dienen. Man unterſcheidet nach Stärke,

Größe und Kürze die Geſteins-, Schramm- und Kerb- (Schlitz-)

Keilhauen; b) die Lettenhaue, welche vornezu eine breite

Schneide hat und beſonders zum Wegnehmen dünner Lettenſchich-

ten dient; c) die Keile (Fimmel, Wölfe) von verſchiedener

Größe, die ins Geſtein eingetrieben werden, früher für Mühlſteine

und Marmorblöcke von Holz, jetzt aber von Eiſen; d) die Treib-

fäuſtel von verſtrahltem oder bloßem Eiſen, verſchieden geformte

ſtarke Hämmer von 8–20 Pfunden; e) die Heber oder Brech-

ſtangen, d. h. große Eiſenſtangen mit keilförmigen, etwas ge-

krümmten Spitzen, von 15–60 Schwere; f) der Schramm-

ſpieß, der ſich unten in eine vierkantige pyramidiſche Spitze endet

Baumſtark Encyclopädie. 9

[130/0152]

und auf Kohlenflötzen angewendet wird; g) die Schaufeln und

Kratzen, von verſchiedener Form mit langem Stiele.

2) Gezähe zur Spreng- und Schießarbeit. Es gehören

hierher: a) die Handfäuſtel von 4–6 , und ſchlanker und

kürzer als die Treibfäuſtel; b) die Spitzen (points), ſchlanke

verſtählte Keile; c) die Geſtein- oder Bergeiſen, d. h. ganz

ſpitzige kleine Eiſen von verſchiedener Größe und Geſtalt, welche

mit einem Helmöhre verſehen, im Beſitze jedes Bergmannes in

größerer Anzahl ſind, und, aufgeſteckt, ein ſpitziges Hämmerchen

von ungefähr 2 bilden können; d) die Bohrer zur Schieß-

arbeit; ſie ſind achteckig oder rund, von Eiſen und an beiden Enden

verſtählt, aber von verſchiedener Schneide und Spitze. Man unter-

ſcheidet den Meißelbohrer mit bogenförmiger, mit zugeſchärfter,

mit gerader und ſtumpfer Schneide; den Kreutzbohrer, mit vier

ausgeſchweiften, zwei ſich durchkreutzende Schneiden bildenden,

Flächen; den Kolbenbohrer, wie die Kreutzbohrer, nur mit 5

hervorragenden Spitzen, eine in der Mitte und vier in den Ecken;

den Kronenbohrer, ohne die fünfte mittlere Spitze; und den

Letten- (Trocken-) bohrer, eine runde eiſerne, oben mit einem

Loche verſehene, unten kolbenförmige Stange zum Trocknen der

Bohrlöcher in naſſem Geſteine; e) die Krätzer, eine oben mit

einem Loche verſehene, dünne, vierkantige, unten mit einem Löffel

oder Teller verſehene Stange, zum Herausziehen des Bohrmehls

und zum Austrocknen der Bohrlöcher vermittelſt eines in das obere

Loch befeſtigten Lappens oder Wergbüſchels; f) die Räumnadel,

ein ſpitziges, oben mit einem Loche verſehenes weiches Eiſen- oder

Kupferſtängchen zum Offenhalten eines Zündkanals bei der Schieß-

patrone; g) der Stampfer, eine 3½ ſchwere, unten kolben-

förmige, mit einer Hohlkehle verſehene, Eiſenſtange zur Aufnahme

der Räumnadel, während die Patrone ins Bohrloch geſetzt wird.

Er muß alſo dünner als das Bohrloch ſein1).

¹ Lempe, Magazin für Bergbaukunde. VIII. Bd. Werner, Bergmänniſches

Journal. Jahrg. I. S. 8. Schroll, Beitrag zur Kunſt und Wirthſchaft der Arbeit

auf dem Geſteine. Abſchn. IV. v. Moll Annalen. I. 2. 38. Karſten Archiv.

V. 277. Delius Bergbaukunſt. I. 210. Brard Grundriß. S. 77–101.

§. 102.

2) Feſtigkeit des Geſteines.

Das Geſtein hat verſchiedene Grade von Feſtigkeit, und nach

dieſen wechſelt auch die Arbeit auf dem Geſteine ſo wie der Ge-

brauch des Gezähes. Es gibt:

[131/0153]

1) Rölliges (pulveriges) Geſtein, nämlich loſe Erde, Sand,

Lehm u. dgl., die man mit der Schaufel und Kratze wegräumt.

2) Mildes Geſtein, zerreiblicher zuſammengebackener Sand,

Dammerde, auch Steinkohlen und Steinſalz manchmal. Man ge-

winnt ſie mit der Keilhaue und der Fimmel, und ſchlägt ſie mit

dem Fäuſtel in Sand.

3) Gepräges (gebräches) Geſtein, nämlich Schwer-, Feld-

und Flußſpath, auch Kalkſtein, Gips, Sandſtein, alle lettigen,

eiſenſchüſſigen, großglimmerigen und kurzklüftigen Geſteine. Man

gewinnt ſie mit der Schlägel- und Eiſenarbeit, zum Theile indem

man Keile eintreibend ſpaltet, zum Theile indem man rinnenförmige

Ringe einhaut und das Dazwiſchenliegende aushaut (das Brun-

nenhauen), und mit der Sprengarbeit.

4) Faules Geſtein, mit Waſſer und Thon durchdrungen, und

nicht blockweiſe zu gewinnen, z. B. allſeitig gebrochene Schiefer,

die man mit der Keilhaue und Schaufel gewinnt.

5) Blättriges Geſtein, das ſich in Blätter und Tafeln

trennt, nämlich die Schiefer und Geſtein mit ſchiefriger Textur,

die man mit Fimmeln und Brecheiſen gewinnt, aber mit Meißeln

theilt.

6) Brüchiges Geſtein, das durch allſeitige Riſſe in unregel-

mäßige Blöcke getheilt, aber unter Benutzung örtlicher Um-

ſtände auf die verſchiedenſte Weiſe gewonnen wird und viele

Schwierigkeiten macht.

7) Weiches und zähes Geſtein, durchdringlich mit dem Ge-

zähe, zerquetſchbar, aber nur ſchwer zerreißlich, z. B. Schieferthon

und Serpentin, marmorartiger Thon bei rothem Sandſteine; man

ſchlitzt ſie auf beiden Seiten mit verſtählten Lettenhauen und treibt

neben und mitten Fimmeln ein.

8) Sprödes Geſtein, z. B. feinkörniger Granit, die Trappe,

Porphyre und einige Sandſteine, blos durch Sprengarbeit mit Erfolg

zu gewinnen.

9) Hartes und zähes Geſtein, z. B. einzelne Quarzarten

und Granite, die man blos durch Sprengarbeit, oft nur durch

Feuerſetzen gewinnen kann1).

¹ Brard Grundriß. S. 101107. Werner Journal. I. 4.

9 *

[132/0154]

§. 103.

3) Arbeit auf dem Geſteine.

Nach der Feſtigkeit des Geſteines gibt es folgende Arbeiten

auf demſelben:

1) Die Arbeit des Lostrennens, blos mit Hand-Werk-

zeugen. Sie läßt keine genügende wiſſenſchaftliche Beſchreibung

zu. Denn ſie iſt reine Kunſt der praktiſchen Manipulation.

2) Die Spreng- und Schießarbeit, deren Weſentliches

in folgenden Arbeiten beſteht: a) im Bohren einer cylinderför-

migen Röhre in das zu ſprengende Geſtein mit den (§. 101. N. 2.)

beſchriebenen Werkzeugen; das Verfahren iſt im Kleinen wie bei

den Bohrverſuchen und gibt ein Loch von 10–48 Zoll Länge und

½-4 Zoll Weite; b) im Beſetzen, d. h. im Anbringen einer

Maſſe, um dem eingelegten Pulver den Ausweg zu verrammeln;

nachdem das Bohrloch mit der Patrone geladen iſt, geſchieht dies

entweder mit einem Holzpflocke, mit Letten (Lettenbeſetzung), mit

Sand (lockere Beſetzung) oder mit Waſſer, in welchem lezteren

Falle man aber entweder blecherne, hölzerne oder ſtark verpichte

Papier-Patronen nehmen muß, um das Pulver vor Feuchtigkeit

zu bewahren; c) im Wegthun (Entzünden) des Schuſſes; dies

geſchieht entweder durch Röhrchen von Schilf, Stroh und mar-

kigem Holze, die man auf die Patrone befeſtigt, durch die Beſetzung

hervorragen läßt und mit Pulver füllt, oder durch Lunten, d. h.

mit einer Pulvermaſſe beſtrichene Binſen, Ruthen u. dgl., oder

endlich durch ſogenannte Raketchen, d. h. kleine mit Pulvermaſſe

ausgeſtrichene und getrocknete Papierdütchen, die man 3–4 Zoll

tief in die Zündröhre ſchiebt. Dieſe lezte Methode iſt beſonders

gut bei über ſich ſtehenden Bohrlöchern. Zur Entzündung bedient

man ſich der Schwefelmännchen und Schwefelfaden, um dem Ar-

beiter Zeit zur Entfernung zu geben1).

3) Das Feuerſetzen, um durch Verbrennen bedeutender

Holzſtöße das Geſtein mürbe zu machen. Es iſt beſonders anwendbar

bei lebhaftem Wetterwechſel und in breiten Gruben. Man treibt

vom Förderſchachte aus Strecken gegen die Lagerſtätte, bringt an

deren Enden Höhlungen an, die geräumig genug ſind, um auf

einem gelegten Roſte Holzſtöße zu faſſen2).

¹ Werner, Bergm. Journal. 5. Jahrg. Bd. I. S. 193. v. Moll Annalen.

I. 2. S. 119. (Luftbeſetzung.) Gilbert, Annalen der Phyſik. XXIV. 55. 314.

Karſten Archiv. II. a. S. 1. Journal des Mines. N. 56. (Sprengen unter

Waſſer.) Delius Bergbaukunſt. I. §. 160. Brard Grundriß. S. 108–126.

² Delius Bergbaukunſt. I. §. 204. de Villefosse Mineralreichthum. II.

S. 288. Freiesleben, Bemerkungen über den Harz. Leipzig 1795. I. 330. 451.

[133/0155]

VI. Von der Grubenförderung und Tageförderung.

§. 104.

1) Stollen- und Streckenförderung.

Förderung iſt die Hinwegſchaffung des gewonnenen Minerals

aus und von der Grube1). Geſchieht ſie vom Innern zu Tage,

dann heißt ſie Grubenförderung. Geſchieht ſie aber zu Tage,

dann iſt ſie Tageförderung, welche durch die gewöhnlichen

Transportmittel entweder auf gewöhnlichen Wegen, auf Schienen-

wegen, wozu die Förderwagen an den Rädern eigens eingerichtet

ſein müſſen, auf Eiſenbahnen, mit Dampfwagen, auf den bei der

Grubenförderung gebrauchten Karren, oder mit Kähnen zu Waſſer

geſchieht, je nachdem es Ausbeute, Betrieb und örtliche Umſtände

geſtatten2). Bei der Grubenförderung gibt es drei Hauptarten,

nämlich:

1) Die Strecken- und Stollenförderung. Sie ge-

ſchieht auf folgende Weiſen und iſt darnach: a) Rückenför-

derung, gewöhnlich nur in Stein- und Braunkohlengruben ange-

wendet, ſehr mühſam, koſtbar und von geringem Erfolge;

b) Schlepptrogförderung, angewendet auf ſchmalen Kohlen-

flötzen; der Schlepptrog beſteht aus zwei Kuffen von Holz, an denen

ein Bretterkaſten befeſtigt und eiſerne Oeſen angebracht ſind, in

welche das Ziehzeug (Sielzeug) des Schleppers eingehängt wird;

c) Schlittenförderung, wobei der Mineralkaſten auf einem

Schlitten ſitzt und durch 4 eiſerne Stangen gegen das Herunter-

fallen geſichert iſt; d) Laufkarrenförderung, wobei der Lauf-

karren aus zwei Karrenbäumen beſteht, die hinten in zwei Hand-

haben ausgehen, vorne zwiſchen ſich ein Rad führen, und in der

Mitte einen Mineralkaſten bilden; e) Hundeförderung, wobei

man unter den Hunden abweichend geformte, mit vier kleinen,

halb oder ganz ſichtbaren, Rädern verſehene, länglich viereckige,

mit Eiſen beſchlagene ſtarke hölzerne Kaſtenwagen verſteht, an denen

die Hinterrädchen größer als die Vorderrädchen ſind; nach der

Conſtruktion unterſcheidet man die ungariſchen und die deutſchen

Hunde; f) Wagenförderung, wobei ſich die Wagen von den

Hunden durch die Gleichheit der vier Rädchen, durch die Noth-

wendigkeit des Geſtänges (§. 95.) zu ihrer Leitung, durch das

Getrenntſein der Fördergefäße vom Wagengeſtelle, und durch die

Geſtalt der Gefäße unterſcheiden, welche bald rund, bald viereckig

ſind; g) die Kahnförderung, wenn genug Waſſer vorhanden

iſt und es überhaupt die Gewerbsverhältniſſe und Lage der Berg-

werke erlauben3).

[134/0156]

¹ Ueber Förderung handelt: v. Böhmer, Ueber Grubenförderung. Freiberg

1791. Delius Bergbaukunſt. I. S. 455. Lempe, Lehrbegr. der Maſchinenlehre.

I. Thl. 1. Abthl Leipzig 1795. de Villefosse Mineralreichthum. II. 188. 613.

III. 44. 78. Karſten Archiv. II. b. 28. IV. 146. 102. VII. 86. 396. XIX. 1.

² Brard Grundriß. S. 268.

³ Genaue Beſchreibung dieſer Maſchinen, beſonders der Wagen und Hunde,

bei Brard a. a. O. S. 214–237.

§. 105.

2) Diagonalförderung.

2) Die Diagonalförderung. Sie geſchieht: a) auf dia-

gonalen Strecken, die unter einem mehr oder weniger ſtarken

Winkel anſteigen, um durch ſie beſonders im Steinkohlenbaue aus

den oberen Abbauſtrecken und Gewinnungsörtern die Mineralien

entweder auf die Sohle eines Schachtes oder auf die Grundſtrecke

und Stollen zu bringen und von dort weiter fördern zu laſſen; ſie

iſt wegen der Schwierigkeit des Heraufziehens der leeren Gefäße

nur bei Flötzen von nicht über 30 Grade Neigungswinkel anwend-

bar; man bedient ſich dabei übrigens der im §. 104. angegebenen

Maſchinen1); b) auf Bremsſchächten (Bremsbergen), welche

man auf zu geneigten Flötzen anwendet, wo die Diagonalſtrecken

nicht anwendbar ſind; ſie ſind, auf der Falllinie des Flötzes von

der Grundſtrecke aufſteigende, faſt zu einem Neigungswinkel von

36 Graden ſich neigende Schächte2), in welchen im nämlichen

Augenblicke, wenn ein gefülltes Gefäß heruntergelaſſen wird, ein

leeres heraufkommt; weil die Bremsſchächte rechtwinkelig von der

Abbauſtrecke ablaufen, ſo bringt man, um die Förderkarren leichter

einleiten zu können, an denſelben eine Drehſcheibe an, auf welche

das Gefäß geſtellt und durch die Drehung leicht in die gehörige

Richtung gebracht wird; der Name dieſer Schächte kommt von

dem Weſentlichſten derſelben, nämlich von der Bremsvorrichtung,

d. h. von einem zum Anhalten der hinabrollenden Gefäße die-

nenden, halb in einem Kaſten gehenden Rade, welches vermittelſt

eines Hebels gehemmt werden kann, der den beweglichen Kaſten an

daſſelbe anſchiebt; endlich c) durch die Rolllöcher (Rollſchächte),

d. h. ſtark geneigte kleinere Diagonalſtrecken auf ſtark geneigten

Flötzen u. dgl., in welchen man das gewonnene Mineral, auch

Bergen, auf die Grundſtrecken zur Förderung hinabrollen läßt;

am untern Ende bringt man Schieber und Gaſſe an, um das

Mineral in den Mündungskaſten zu leiten.

¹ Brard (Grundriß S. 238.) gibt für die Schlepptrogförderung ein Anſtei-

gen nicht über 18°, für kleinere Wagenförderung auf hölzernem Geſtänge nicht über

2° 20', für die größere nicht über 1° 12', und für eiſernes Geſtänge nur für

[135/0157]

¹ etwa halb ſo ſtark an. Oft iſt Wagenſperre nöthig. Man fördert hier auch mit

Pferden, aber ohne großen Vortheil.

² Auf ganz flach fallenden Flötzen geht dieſe Förderung nicht; doch ſollen

9–10° Fall bei eiſernem Geſtänge, und 12–15° bei hölzernem Geſtänge das

Minimum ſein. Brard Grundriß. S. 241.

§. 106.

3) Schachtförderung.

3) Die Schachtförderung. Es iſt bei ihr zu bemerken:

a) daß im größeren Theile des Schachtes, der von dem kleineren

durch Zimmerung geſchieden iſt, die Fördergefäße am beſten in der

Diagonale gegen einander ſtehen; b) daß man ſich dabei zum Theile

eiſerner Ketten, zum Theile runder, platter und flacher (Band-)

Seile bedient; c) daß als Fördergefäße entweder eigene Tonnen

und Kübel von mehr länglicher Form oder Maſchinen und Gefäße

der Streckenförderung, z. B. die Hunde, Wagengefäße, gebraucht

werden; und d) daß man die Seile an ſie entweder unmittelbar

anknüpft oder an einen Bügel von Eiſen hängt, in welchen ein

Eiſenhaken eingelegt wird, der am Seile befeſtigt iſt. Dieſe An-

knüpfung iſt ſehr wichtig, damit man den Unglücksfällen durchs

Herausſpringen und Herabfallen nicht ausgeſetzt wird. Die zur

Förderung angewandten Kräfte ſind verſchieden. Man bedient ſich

dabei: a) des Haſpels, der je nach der anzuwendenden Kraft

verſchieden groß, aber ſonſt ganz einfach konſtruirt iſt; öfters iſt

an ihm anſtatt der Spillen ein Schwungrad an einem Ende des

Rundbaums, oder der Welle, manchmal aber auch eine Erdwinde,

d. h. ein mit Umdrehzapfen verſehenes Rad in der Mitte des

Rundbaums, und nicht ſelten ein Stirnrad am Rundbaume, in

welches ein mit dem Haſpelhorne verſehenes Getriebe eingreift,

angebracht; b) des Pferdegöpels, d. h. eines ſenkrechten Well-

baums, um welchen ſich oben auf einen Korb, der koniſch zuläuft

oder blos cylindriſch iſt, die Seile wickeln; c) des Waſſergö-

pels (der Treib- oder Bremskunſt), wobei das Kehrrad das

Weſentlichſte iſt; daſſelbe iſt ein oberſchlächtiges Waſſerrad mit drei

Kränzen und zwei Reihen von Schaufeln, die ſo ſtehen, daß das

Rad bald rückwärts bald vorwärts gehen kann, je nachdem das

Waſſer auf die eine oder andere Seite fällt. Nach dem Kehrrade

folgt an Wichtigkeit der Korb, um den ſich die Seile wickeln,

und deſſen Größe hier, wie beim Pferdegöpel, nach der Schacht-

teufe verſchieden iſt. Beide ſind mit einander in Verbindung ge-

ſetzt, entweder durch eine gemeinſchaftliche Welle oder durch

ſenkrecht an den Enden der beſondern Wellen des Rades und

des Korbes angebrachte Korbſtangen, die dem Korbe die Bewegung

[136/0158]

des Rades mittheilen, oder endlich durch das Feldgeſtänge, eine

komplizirte Maſchine, welche, wenn das Aufſchlagwaſſer vom

Schachte entfernt liegt und fließt, die Radbewegung vom entfern-

ten Waſſer her der Korbbewegung mittheilt1); d) der Dampf-

maſchine, deren Kraft jede beliebige Richtung haben kann.

e) Der Kette ohne Ende (Paternoſterwerk), bei nicht be-

trächtlichen Schachtteufen; es gehen zwei Ketten ohne Ende ober-

halb der Schachtmündung über zwei Räder, an denen hervorſtehende

Zähne angebracht ſind, in welche die Kettenglieder greifen, und

aber unten im Geſenke über Rollen; die Fördergefäße hängt man

zwiſchen die Ketten in beſtimmte Glieder, und die obern Räder

werden durch eine Triebkraft bewegt und ſo die Gefäße herauf-

gewunden2); f) des Gegengewichtes, welches aus 2 Käſten

beſteht, die an den beiden Enden eines Seiles hängen, das auf

zwei Rollen geht; das eine Gefäß wird auf der Sohle des Schach-

tes immer mit Mineral, das andere am Mundloche mit Waſſer

gefüllt, dies unten und jenes oben geleert und ſo abwechſelnd3).

¹ Beſchreibung dieſer Maſchinen bis ins Einzelne finden ſich bei Brard

Grundriß. S. 250–266.

² Eine nähere Beſchreibung findet ſich, wie Brard angibt, in Brewster

Edinburgh Encyclopaedia Art. Mine vol. XIV. p. 359. Art Railway vol. XVII.

p. 309. Taf. 394 u. 477.

³ Dieſe Methode iſt angewendet in der Steinkohlengrube des Lord Fitz-Wil-

liam bei New Kaskgade in England.

VII. Von dem Scheiden der Erze in und außer

der Grube.

§. 107.

In der Grube wird nicht ſogleich beim Aushauen des Geſteines

die Sonderung der Erze vorgenommen, ſondern erſt nachdem eine

Strecke verſchrämt iſt, reinigt man die Sohle und gewinnt aus

den einzelnen Stücken mit den Fimmeln und kleinen Schüſſen die

Erzmaſſe, dabei ſcheidet man dieſe nach ihrer Reinheit und Reich-

haltigkeit noch vor der Förderung. Jede Unordnung beim Zer-

ſchlagen, Scheiden und Fördern hat bedeutende Verluſte zur Folge

durch das Zerſpringen, Zerſplittern, Zertreten, Beſchmutzen und

öftere Umladen. Was man von der Grube aus ſogleich gediegen

liefern kann, das braucht nicht in die Hüttenwerke zu gehen. Der

Ausſchläger ſcheidet nicht blos die erzhaltigen Stücke (Gänge)

von dem tauben Geſteine (Bergen), ſondern auch die Gänge

ſelbſt wieder nach Größe und Gehalt, und ladet ſie ſo in die För-

derungsgefäße. So kommen auch die ganz guten (derben) Gänge

[137/0159]

beſonders. Die Bergen müſſen öfters der Baue wegen in der

Grube bleiben; man ſpart die Förderkoſten und die Förderzeit.

Im Allgemeinen iſt eine zu ſtarke Zerkleinerung in der Grube die

Urſache von Verluſt; bei Steinkohlen aber ſtrebt man immer nach

großen Stücken. Dieſe Scheidung in der Grube gehört noch zum

Bergbaue und iſt erſt am Tage ins ganz Reine fortzuſetzen.

Zweites Stück.

Beſondere Gewerbslehre.

§. 107. a.

Vorbegriffe.

Die beſondere Gewerbslehre, welche bisher immer als Lehre

von der Führung des Haues ein Hauptſtück der Bergbaulehre aus-

machte, lehrt die verſchiedenen Arten des Baues bei den einzelnen

bergmänniſch zu fördernden mineraliſchen Stoffen, je nach ihrer

eigenthümlichen Natur und beſonderen Lagerſtätten. Dieſe beiden

Beziehungen bilden daher auch den Eintheilungsgrund.

I. Von dem Betriebe der Torfgräbereien.

§. 108.

Iſt erwieſen, daß ſich in einem Grunde Torf befindet und kann

man mit Erfolg eine Torfgräberei von beträchtlicher Ausdehnung

anlegen, ſo iſt das Erſte, worauf man zu achten hat, die Trocken-

legung des Torfmoores. Man beginnt daher mit dieſem Betriebe

wegen Beförderung des Waſſerabfluſſes am tiefſten Theile des Thales

und am unterſten Ende. Man durchſchneidet von da aus das Moor

mit Gräben und Kanälen. Dadurch entſtehen einzelne Felder und

Waſſerwege zum Transporte des geſtochenen Torfes. Man hat bei

dem Ausſtechen immer Rückſicht auf die beſte Wiederherſtellung des

Bodens zu nehmen. Darum müſſen die Vertiefungen ſogleich,

wenn man ihrer nicht mehr bedarf, wieder mit den nicht torfigen

Grundtheilen und mit den Abfällen ſo ausgefüllt werden, daß eine

regelmäßige fruchtbare Fläche daraus entſteht. Man thut daher

auf Wieſengrund gut, wenn man den Raſen regelmäßig abſticht

und dann ſpäter wieder auflegt. Liegt der Torf noch ganz unter

Waſſer, ſo fiſcht man ihn mit eigenen Maſchinen heraus. Derſelbe

wird entweder noch in ſeiner Weichheit ſchon mit dem Torf-

ſpaten, d. h. einem Spaten mit zwei einen rechten Winkel mit

einander bildenden Flächen und Schneiden, in Formen geſtochen

und getrocknet (Stichtorf) oder in Formen und durchlöcherten

[138/0160]

Kaſten gepreßt und getrocknet (Preßtorf). Da er ſich leicht ent-

zündet, ſo darf man den Torf beim Trocknen nicht in zu große

Haufen legen1).

¹ Näheres übers Torfweſen in: Eiſelen Handbuch oder ausführliche Anlei-

tung zur näheren Kenntniß des Torfweſens. 2te Aufl. II. Bde. Berlin 1802. 1811.

Dau, Neues Handbuch über den Torf. Leipzig 1823.

II. Von dem Betriebe der Steinbrüche.

§. 109.

Am wenigſten koſtſpielig iſt es, wenn man ſogleich vom Tage

aus die Steine brechen kann. Allein oft verbietet es der Vortheil

der fruchtbaren Ackererde, ſogleich außen einen Steinbruch zu be-

ginnen, und manche Steinſchichten liegen ſehr tief im Erdinnern.

Man hat daher zwei Arten des Abbaues; nämlich:

1) Den Pingen- oder Tagebau, d. h. den Betrieb der

offenen Steinbrüche. Man beginnt ſie mit dem Aufdecken oder

Abräumen, indem man das Alluvium, beſonders alſo die Damm-

erde hinwegräumt, am obern Theile, anfängt und für das Auf-

ſchütten des Schuttes einen Platz wählt, der im Baue nicht hin-

derlich werden und für die Zukunft allen Schutt aufnehmen kann.

So gewinnt man den Sand, Kalkſtein, Bauſtein, Marmor, Gips,

Dachſchiefer, die Mühlſteine u. dgl. Die Einrichtung und Folge

der Arbeit und der abzulöſenden Blöcke hängt ganz von der Locali-

tät und praktiſchen Umſicht ab. Das Lostrennen geſchieht der

Regel nach durch das Abſchlitzen, nachdem man recht abgeräumt

hat. Man zieht nämlich auf der Oberfläche einen oder mehrere

Schlitze (Eingewinne), in die man Keile eintreibt, bis eine

Spalte entſtanden iſt, aus der ſich der Block ablöst. Wo die

Natur Schichtungen gelegt hat, da kann man alſo nur Länge und

Breite der Blöcke einrichten. Man bedient ſich aber auch nach dem

Schlitzen der Fimmel und Brechſtangen, und kleinere Steine bricht

man nicht ſelten blos mit der Keilhaue. Je edler der Stein iſt,

deſto behutſamer muß man vor Springen im Bruche ſein, z. B.

beim Marmor überhaupt, und beſonders zu Statuen.

2) Den unterirdiſchen Bau. Die Arbeiten auf dem Ge-

ſteine ſind wie beim Pingenbaue, nur in Höhlen, zu denen man

durch Schächte oder Stollen einfährt. Man läßt wegen der Unter-

ſtützung des Geſteines Pfeiler ſtehen. Bei zu großen Räumen

blos wendet man Zimmerung an. Brüchige Fächer unterſtützt man

mit Mauern. Iſt der Bruch abgebaut, und entſteht für die Ober-

fläche kein Schaden, dann ſtürzt man ſie am beſten zuſammen,

[139/0161]

nachdem man die Pfeiler vollends abgebaut hat. Unter demſelben

Geſichtspunkte ſtehen auch die Lehm-, Thon-, Mergel-, Kreide-

und Ocher-Gruben; denn nur die Subſtanz iſt verſchieden1).

¹ Brard Grundriß. S. 135. de Villefosse Mineralreichthum. II. 384.

Karſten Archiv. IX. 133. XI. 200. XIII. 489. XVII. 386.

III. Von dem Abbaue regelmäßiger Lager und Flötze.

§. 110.

1) Flachfallende Lager.

Bei dem Abbaue regelmäßiger Lager und Flötze hängt die

Bauart von dem Fallen ab. Man unterſcheidet daher die ſchwach-

fallende (20°-25°) von dem ſtarkfallenden (25°-90°).

Ihre Verſchiedenheit macht eine abgeſonderte Betrachtung nöthig1).

1) Der Betrieb flachfallender Lager und Flötze (Stein-

kohlen, Eiſenſtein, Kupferſchiefer u. dgl.) zerfällt in zwei Haupt-

arbeiten. Dieſe ſind: a) die Ausrichtung derſelben, d. h. die

Einrichtung der Grube, ſo daß man anfangen kann abzubauen.

Man geht mit einem Schachte oder Stollen auf den tiefſten Punkt

des Lagers oder Flötzes, weil man aus den Abbaupunkten immer

ſuchen muß, das Mineral auf eine tiefe Grundſtrecke zu bringen,

um den Schwierigkeiten der ſchwebenden Förderung auszuweichen.

Fährt man mit einem Schachte ein, ſo geſchieht es 1½-2 Lach-

ter ſeitwärts der Grundſtrecke in das Hangende, höchſtens der

Förderſchacht geht unmittelbar auf die Grundſtrecke ſelbſt. Mit

einem Stollen einfahrend, muß man das Lager oder Flötz quer-

ſchlägig im Liegenden oder Hangenden ſuchen. Von dieſen Ein-

gängen aus richtet man ſich dann das abzubauende Feld ein, nicht

blos durch horizontale, ſondern auch durch ſchwebende Strecken.

Die Erſteren ſind die Grund-, Mittel- und die Abbauſtrecken2).

Die Lezteren liegen entweder auf der Falllinie des Lagers und

Flötzes und ſind ſchwebende Strecken im eigentlichen Sinne

und Bremsberge, oder ihre Richtung iſt zwiſchen der Streich-

und Fallebene des Lagers und Flötzes, und ſie ſteigen unter einem

Winkel an3). Die Grundſtrecke treibt man im Niveau der

Stollen- oder Maſchinenausrichtung; die Mittelſtrecke im Niveau

einer höheren Sohle, aber gerade aus einem Schachte, welcher die

Pfeilerhöhe theilt. Die eigentlich ſchwebende Strecken kommen

nur bei ſehr ſchwachfallenden Lagern und Flötzen, die Brems-

berge aber bei ſtärker fallenden (§. 105.) vor. Die Diagonal-

ſtrecken ſteigen aus den Grundſtrecken hervor, und bringen ſo

allmälig die erforderliche Pfeilerhöhe hervor. Aus ihnen gehen in

[140/0162]

verſchiedenen Höhen (auch aus den ſchwebenden Strecken, wo dieſe

angewendet ſind) die Abbauſtrecken nach dem Streichenden her-

aus und zwar nach zwei entgegengeſetzten Richtungen. Auch kann

man mit der Hauptdiagonale in einiger Entfernung parallele

Diagonalen ziehen, welche das Feld in Pfeiler theilen. Der

Neigungswinkel dieſer Diagonalen richtet ſich nach der Falllinie

des Lagers oder Flötzes, nach der Höhe der Pfeiler und nach ihrer

Länge. Dieſe Abbauart nennt man auch Querbau. b) Der

Abbau derſelben, nachdem das Feld ſo abgetheilt iſt. Sind die

Theile des Feldes Pfeiler, dann heißt der Abbau Pfeilerbau.

Sind ſie aber lange Felder, dann heißt er Strebbau (Bau mit

breitem Blicke). Geſchieht der Abbau nach dem Streichen, dann

heißt er ſtreichender; geſchieht er nach dem Fallen, ſchweben-

der; und geſchieht er in der Richtung zwiſchen beiden Flächen,

dann heißt er diagonaler Abbau.

¹ Zur Literatur: Winkler, Prakt. Beobachtungen über den Betrieb des

Grubenbaues auf Flötzgebirgen. Berlin 1794. de Villefosse Mineralreichthum. II.

542. Brard Grundriß. S. 161–176. Karſten Archiv. II. 34. VII. 411. X. 107.

² Bei ihrer Einrichtung iſt gerade Richtung und ebene Sohle Haupterforder-

niß, denn man muß auf Förderung mit Wagen oder mit Pferden dabei Rückſicht

nehmen. Durch eine wellenförmige Lagerung darf ſich die Richtung der Strecken

nicht ändern. Die Strecke geht daher der Regel nach ſöhlig und auf dem Liegenden

der Richtung nach. Ihr Anſteigen beträgt daher nur ½-2°. Brard Grundriß.

S. 163–164.

³ Bei allen Dreien iſt der Orts- oder Streckenbau ganz gleich. Die

Strecken ſind Anfangs ſchmal und kurz, dann erhält der Streckenpfeiler hiernach

ſeine beſtimmte Breite, und der Fortbau der Strecken fängt mit dem Unterſchrämen

der Wände an. Am meiſten iſt dieſer Bau bei den Kohlenflötzen angewendet.

Brard Grundriß. S. 166.

§. 111.

Pfeiler- und Strebbau.

Beim Pfeilerbaue nimmt man die oberſten Pfeiler am Aus-

gehenden, oder die am äußerſten Ende der Bremsberge und Dia-

gonalen liegenden Pfeiler zuerſt hinweg, denn die Abbauſtrecken

können immer nach dem Abbaue verworfen (verſchüttet) werden.

Darum treibt man auch die oberſten Abbauſtrecken zuerſt ins Feld

und geht damit ſo abwärts. Die Pfeiler baut man immer von

hinten, d. h. in der weiteſten Entfernung von der Förderſtrecke,

nach vornen ab, eben um die Abbauſtrecken ſogleich verwerfen zu

können, ohne Mineral liegen laſſen zu müſſen. Bei mehreren

Pfeilern übereinander und mehreren Flötzen übereinander, welche

mit einander abgebaut werden ſollen, nimmt man immer die ober-

ſten zuerſt hinweg. Beſonders bei Steinkohlen und andern leicht

entzündlichen und böſe Wetter verurſachenden Mineralien muß

[141/0163]

immer auf reinliche Räumung im Abbaue geſehen werden. Man

geht, wenn eine Abbauſtrecke weit genug ins Feld getrieben iſt,

aus derſelben mit einem Stoße ſchwebend in die Höhe bis zu

3 Lachter Länge und läßt 2 bis 3 Mann an einem Stoße arbeiten.

Es findet dabei die Schramm- und Schlitzarbeit Statt. Auch kann

man zwiſchen den Abbauſtrecken noch kleine ſchwebende Strecken

treiben, daß faſt quadratiſche Pfeiler entſtehen. Den Schramm

führt man entweder auf der Sohle auf dem Liegenden oder bis

über 1 Lachter über der Sohle im Lager oder Flötz ſelber. Die

durch den Abbau entſtehenden Höhlungen müſſen durch untergeſetzte

Stempel gehalten werden. Das Wegnehmen derſelben und der an

der Förſte oder dem Dache noch ſtehenden Kohlen heißt Raub und

iſt ſehr gefährlich.

Beim Strebbaue findet keine Ausrichtung Statt, weil ſie

mit dem Abbaue Eines iſt. Er findet bei ſchwachen Flötzen und

Lagern bis zu 6 Zoll Mächtigkeit Statt. Die Streben gehen von

einer ſtreichenden Förderſtrecke zur andern. Sonſt aber finden

bei demſelben die nämlichen Strecken und Schächte Statt, wie

beim Pfeilerbaue. Sind die Arbeitsräume ſo nieder, daß die Ar-

beiter knieen und auf der Seite rutſchen, und am linken Arme

ſo wie an der linken Hüfte deshalb Brettchen anbinden müſſen,

ſo heißt dieſe Arbeit Krummhölzer- oder Krummhälſer-

Arbeit.

§. 112.

2) Stehende Lager.

2) Der Betrieb ſtehender oder ſtark geneigter Lager oder

Flötze. Auch bei dieſen findet eine Ausrichtung der Lager und

Flötze Statt. Man teuft einen donlägigen oder flachfallenden

Schacht ab. Er ſteigt auf der Fallebene bis zur Sohle der Mittel-

oder Grundſtrecke hinab. Die Pfeiler werden vorgerichtet, indem

man von demſelben mit ſtreichenden Oertern fortgeht, wenn der

Druck aus dem Hangenden nicht zu groß iſt. Ein verdeckter Wet-

terzug wird nöthig, theils wegen neuer guter Wetter, theils wegen

der Verhinderung des Einſturzes des alten Mannes. Dies geſchieht

mit Schienenhölzern, welche zugleich das Geſtein unterſtützen und

den Weiterbau möglich machen. Man begnügt ſich aber öfters,

wo es nicht anders ſein kann, mit dem Abteufen eines ſeicheren

Schachtes. Aus ihm treibt man in den Sohlen der Abbauſtrecken

Querſchläge zu dem Lager oder Flötze, welches man abbauen will.

Dies findet auch Statt, wenn mehrere Lager oder Flötze überein-

ander in einem Abbaue gewonnen werden ſollen. Der Abbau

[142/0164]

ſelbſt geht vom Hangenden zum Liegenden. Die Abbauſtrecken wer-

den bis auf die halben Schachtlängen im ſtreichenden Felde ge-

trieben, aber die Mittel- und Grundſtrecke nur bis an das Ort,

wo ein neuer Schacht abgeteuft werden muß1).

¹ Auch kennt man in der Grafſchaft Mark einen ſogenannten Stoßbau,

indem man 12–15 Lachter hohe Pfeiler mit Strecken unterfährt und ausrichtet

und dann in verſchiedenen Stößen auf einmal abbaut, oder aber indem man Pfeiler

von unbeſtimmter Höhe von unten nach oben durch Stöße abbaut, welche man

wechſelweiſe vor- und rückwärts treibt. Brard Grundriß. S. 174.

IV. Von dem Abbaue mittlerer Lager und Gänge.

§. 113.

1) Stroßenbau.

Zum Abbaue mittlerer und geringerer Gänge und gangartiger

Lager nach der Mächtigkeit kennt man den Stroßen- und den

Förſtenbau1).

1) Der Stroßenbau gewinnt das Mineral von oben nach

unten, indem man von der Sohle einer Strecke abwärts aushaut.

Man teuft auf der Sohle der Strecke ein Geſenke ab und haut

das Erz nach der Sohle weg. Sobald der erſte Häuer etwas weiter

vorgedrungen iſt, folgt einige Fuße hinter ihm und tiefer im Ge-

ſenke ein zweiter, dritter u. ſ. w. Wird der Stroßenbau von

einem Schachte aus getrieben, dann iſt kein Geſenke nöthig;

denn dann geht es nach der Ulme, und der Schacht iſt des Geſenkes

Stellvertreter. Dieſer Bau bildet das Anſehen einer großen Treppe.

Derſelbe heißt zweiflügelig, wenn er auf beiden Seiten des

Schachtes liegt. Auf dem Geſenke müſſen mehr Häuer arbeiten,

als in den Stroßen. Sind dieſe ſtärker oder auch ſo ſtark belegt

als jene, ſo wird die Stroße wegen der Schwierigkeit der Geſenk-

arbeit zu weit aufgetrieben ſein, ehe wieder eine zweite angelegt

werden könnte, da das Geſenke noch nicht tief genug wäre. Iſt

aber das Geſenke um Vieles voraus, ſo müſſen die Häuer durch

Bühnen gegen die auf den Stroßen losgehenden Wände geſichert

werden. Geht man ohne Geſenke vom Schachte nach beiden Stößen

mit einem Feldorte fort, ſo wird die Sohle dieſes Lezteren allemal

durch die folgende Stroße herausgeriſſen2). Bei mächtigen Gängen

arbeitet man blos auf dem Gange. Bei minder mächtigen aber

ſucht man den Gang am beſten durch Verſchrämen wegzubringen,

und erſt dann das Nebengeſtein auszuſchießen; da man doch vieles

von Lezterem wegnehmen muß, um die Stroße weit genug zu

machen. Um jede gegenſeitige Verhinderung in der Stroßenarbeit

zu verhüten, belegt man allemal zwei Stroßen mit einem Häuer.

[143/0165]

Da viel taubes Geſtein beim Stroßenbaue gehauen wird, ſo ſucht

man es in der Grube ſelbſt zu verſtürzen, indem man dazu bei

hinlänglich langem und tiefem Stroßenbaue vom Liegenden zum

Hangenden Stempel einzieht, mit Brettern und Latten belegt, um

darauf das Geſtein zu ſtürzen.

¹ Zur Literatur: Delius Bergbaukunſt. I. S. 369. de Villefosse Mineral-

reichthum. II. 227. Schulz, Beiträge zur Geognoſie und Bergbaukunſt. S. 84.

Karſten Archiv. II. 110. Brard Grundriß. S. 177.

² Das Verhältniß der Höhe zur Länge der Stroße iſt 1:3 oder 1:4. Län-

gere Stroßen verurſachen das Langſchubhauen, wo die Schüſſe nicht ſo gut

angelegt werden und wirken können. Rückt aber der Bau zu wenig ins Feld, ſo

daß das Erz nicht der ganzen Längenerſtreckung nach ausgehauen wird, ſo ſagt man,

man habe ſich in den Sack gebaut.

§. 114.

2) Förſtenbau.

2) Der Förſtenbau iſt umgekehrt, denn er geht von unten

nach oben. Das Erz hangt an der Förſte einer Strecke. Dann

haut man über ſich aus der Streckenförſte aus, um einen Schacht

von unten nach oben zu führen. Von dieſem Orte wird das un-

mittelbar über der Strecke hängende Erz vorwärts ausgehauen.

Nachdem dieſe Förſte angelegt iſt, fängt man ebenſo darüber eine

zweite, über dieſer eine dritte u. ſ. w., allemal ſobald die vor-

herige 1 Lachter aufgefahren iſt. Die Form wird die umgekehrte

des Stroßenbaues, und die Häuer ſtehen hier unter, dort über

dem Erze. Ueber der Strecke ſchlägt man ein Gewölbe oder einen

Förſtenkaſten, auf welchen man alle gewonnenen Berge ſtürzt, und

der Arbeiter bei der Arbeit auf den Bergen ſteht. Bei gehöriger

Feſtigkeit deſſelben braucht man keine Kaſtenzimmerung, wie beim

Stroßenbaue. Reinliche Arbeit und Räumung der Erze iſt Haupt-

regel bei dieſem Baue. Ob man aber den Förſtenbau oder den

Stroßenbau in einer Grube wählen ſoll, das hängt von lokalen

Verhältniſſen ab. Denn einmal hat dieſer, ein andermal jener

Vortheile1).

¹ Man ſ. darüber Brard Grundriß. S. 180 folg.

V. Von dem Abbaue mächtiger Lager und Gänge.

§. 115.

Querbau.

Weil der Förſten- und Stroßenbau für mächtige Lager und

Gänge von mehreren Lachtern zu beſchwerlich, koſtbar und gefährlich

wäre, ſo wendet man ſtatt deſſelben bei dieſen Lagerſtätten den

[144/0166]

Querbau an1), welcher ſich von jenen dadurch unterſcheidet, daß

die Stroßen vom Liegenden zum Hangenden, alſo querſchlägig

gehen, und die Häuer nicht übereinander, ſondern in ebener Sohle

nebeneinander arbeiten. Das Erz wird aber, wie beim Förſten-

baue, von unten nach oben abgebaut. Man teuft im Neben-

geſteine einen ſeicheren Schacht ab, von dieſem aus nahe am Lie-

genden eine Strecke, und wenn dieſe etwas vorgerückt iſt, ſo fängt

man mit Aushauen der Querſtroßen an. Man legt deshalb in

gleicher Entfernung auf der Strecke an der Ulme jedesmal zu

gleicher Zeit eine Khür Häuer an, und läßt durch jede in der

Höhe der Strecke 6–9 Fuß breite Querſtroßen in den Gang aus-

hauen. Das Gewonnene iſt Erz. Die Entfernungen dieſer Quer-

ſtroßen von einander ſind ſo groß, daß das zwiſchen ihnen liegende

Feld gerade noch drei ſolche Querſtroßen möglich macht. Mit dem

Fortſchreiten der Hauarbeit in dieſen Querſtroßen wird ſtets der

ausgehauene Raum durch Joche an der Förſte, die auf Stempeln

ruhen, zur Sicherheit verzimmert, und zwar ſofort bis zum Han-

genden der Lagerſtätte. Taubes Geſtein wird immer an der Ulme

verſetzt. Iſt jede dieſer Khüren mit dem Querbaue zum Ende des

Ganges oder Lagers gekommen, dann wird der geleerte Raum vom

Hangenden an rückwärts gegen Wegnahme der Zimmerung mit den

Bergen ſogleich verſtürzt2). Hierauf wird jedes Zwiſchenfeld ge-

rade ſo abgebaut, nur in der Reihenfolge, daß man von den drei

Querfeldern, die das Eine gibt, die beiden äußerſten zuerſt anlegt,

und wenn dieſe verſtürzt ſind, das mittlere ebenſo abbaut und

verſetzt. Die auf dieſe Art abgebaute erſte Länge, von unten an-

gefangen, heißt der erſte Stock. Der nächſte höhere Querangriff

auf den Gang bildet den zweiten Stock. Noch während des

Abbaues des erſten Stockes wird im Liegenden 1 Lachter hoch und

weit ein Förſtenbau angefangen, ſo daß nach der Streichlänge

Platz wird, um Querſtroßen anlegen zu können. Dann wird der

zweite Stock wie der erſte, und nach ihm der dritte u. ſ. w. ab-

gebaut. Aber die Khüren ſtehen auf den verſtürzten Bergen des

vorherigen Stockes. Da die erſte Strecke für alle Stöcke offen

bleibt und nach ihr gefördert wird, ſo läßt man beim Verſtürzen

der Querſtroßen immer Rollſchächte (§. 105.) in einiger Entfer-

nung von einander, um auf ihnen das Erz in die Strecke rutſchen

zu laſſen. So wie man ſtockweiſe in die Höhe ſchreitet, ſo kann

man auch wieder von einem tieferen als dem erſten Punkte anfan-

gen wollen. Iſt dies voraus zu ſehen, ſo wird ſogleich beim erſten

Querbaue die Sohle der Strecke mit ſtarken Ladenhölzern belegt

um auf dieſe die Bergen zu ſtürzen. Beim Baue der erſten Strecke

[145/0167]

fährt man in dieſem Falle ſogleich etwa einen Fuß tief ins Lie-

gende ein. Denn wird beim ſpätern tiefern Baue von unten herauf

die Sohle auch abgehauen und muß dieſe Strecke unverſtürzt blei-

ben, ſo muß man feſtes ebenes Geſtein haben, worauf man die

Waſſerkunſt ſtellt. Dies findet ſich dann nur im Liegenden. Denn

die verſtürzten Berge ſind unebener und weichen gerne.

¹ Delius Bergbaukunſt. §. 350. de Villefosse Mineralreichthum. II. 332.

Karſten Archiv. X. 248. Brard Grundriß. S. 156.

² Oft reichen die Berge zum Verſtürzen der Querſtroßen nicht hin. Man

bringt ſie entweder vom Tage herein oder bricht ſie im Innern. Lezteres thut man

am brüchigen Hangenden durch die ſogenannten Bergmühlen, d. h. einen Haupt-

und zwei Seitenquerſchläge im Hangenden, die zuſammen ein ¾ Kreutz bilden,

bei dem man die zwei Zwiſchenecken herausbricht und ſo eine Wölbung bildet, aus

der ſich die Förſte lostrennt und ſo Berge liefert.

VI. Von dem Abbaue der Stöcke und Stockwerke.

§. 116.

1) Stockwerksbau.

Die allermeiſte Schwierigkeit im Abbaue machen die unregel-

mäßigen großen Maſſen von Erzen und Steinkohlen, wegen der

Unbeſtimmtheit ihrer Ausdehnung, der wenigen Haltpunkte und der

Schwierigkeit der Sicherung und Befeſtigung, die mit der Brüchig-

keit des Geſteines zunimmt. Man hat zu ihrem Abbaue folgende

Methoden:

1) Den Stockwerkbau, die einzige regelrechte Methode des

Abbaues. Man teuft einen Förderſchacht im feſten Nebengeſteine,

einige Lachter von der Lagerſtätte entfernt, ab. Ein Lachter von

unten, um nämlich noch ein Geſümpfe (Waſſerbehälter) zu ha-

ben, treibt man eine Strecke entweder bis zu ſchlechten Wettern

oder bis zum Ende der Lagerſtätte hinein. Am Ende dieſer Strecke

werden rechts und links im Rechtwinkel zwei Strecken ins Mineral

gehauen, wieder bis zu beiden eben angegebenen Gränzen. Sogleich

nach dieſen werden rückwärts in der Strecke mit jenen parallele

Strecken getrieben u. ſ. w. Hierauf durchſchneidet man von den

Nebenſtrecken aus die ſo gebildeten Felder mit andern Strecken,

welche mit der Hauptſtrecke parallel ſind, aber mit den Nebenſtrecken

wo möglich auch rechte Winkel bilden, ſo daß lauter einzelne vier-

eckige Pfeiler ſtehen bleiben. Die Entfernungen aller dieſer Neben-

ſtrecken unter einander oder, was daſſelbe iſt, die Mächtigkeit der

Felder und Pfeiler hängt von der Dichtigkeit und Feſtigkeit des

Geſteins ab. Endlich werden dann alle dieſe Zwiſchenräume mit

Bergen feſt und ſorgfältig verſtürzt, und man geht dann in dem

Baumſtark Encyclopädie. 10

[146/0168]

Förderſchachte eine Sohle höher hinauf, und beginnt dort gerade

denſelben Bau mit derſelben Anzahl und Größe der Strecken,

Felder und Pfeiler. Dies kann leicht geſchehen, denn die Berge

und Pfeiler der unteren Sohle dienen als Wegweiſer, und Leztere

brauchen nur verlängert zu werden. Die Entfernung oder Aus-

füllungsmaſſe zwiſchen der Förſte der untern Strecke und der Sohle

der obern hängt ebenfalls von der Dichtigkeit und Feſtigkeit des

Geſteins ab. Iſt man mit ſolchen Abbauen ganz hinauf gekommen,

ſo ſucht man die Pfeiler abzubauen, indem man auf einem derſel-

ben einen Centralſchacht ſo abteuft, daß man alle andern wo mög-

lich mit Abbauſtrecken erreichen kann1). Dieſe Methode iſt gleich

anwendbar bei Stein- und Braunkohlen und beim Thoneiſenſtein.

Der Abbau ſelbſt geſchieht durch die Schram- und Schlitzarbeit,

die aber bei den Steinkohlen ſo einzurichten iſt, daß man am mei-

ſten große Kohlen und wenig kleine Kohlen fördert, denn das

Stückkohl hat Vorzüge im Gebrauche vor dem Kohlenklein.

Das Leztere muß aber ebenfalls ſorgfältig aufgeräumt und geför-

dert werden. (§. 111.).

¹ Journal des Mines. N. 43. Tom. VIII. de Villefosse Mineralreichthum.

II. 282. Karſten Archiv. IV. 275. Freiesleben Bemerkungen über den Harz.

I. 437. Brard Grundriß. S. 142–151. Man hat auch ſchon geglaubt, von

der erſten Sohle mit Sicherheit die nächſte Sohle unter jene zu legen und durch

Ladenhölzer den Verſturz der Erſteren zu halten, wenn man von unten die erſte

Sohle aushauen müſſe. Allein Brard (Grundriß S. 147.) mißbilligt dies wegen

der allmäligen Schwächung des Holzes und wegen der Schwierigkeit, daſſelbe, wenn

es ſchwach iſt, auszuwechſeln.

§. 117.

2) Duckel-, 3) Weitungs- und 4) Bruchbau.

2) Den Duckelbau, eine ſehr unvortheilhafte, unnachhaltige,

unvollſtändige und daher verwerfliche Methode des Abbaues. Ein

Menſch, der es unternimmt, Eiſenerz zu fördern, das nicht tief

und doch ſehr häufig vorkommt, teuft einen kleinen Schacht von

30 Zoll Durchmeſſer (Duckel) ab. Er fährt an einem Seile um

eine Welle ab, die oben im Duckel an vier kreuzweiſe geſtellten

Hölzern befeſtigt iſt. Auf der Scheibe des Schachtes macht er

entweder eine quadratiſche Weitung oder treibt faſt rechtwinkelig

gegeneinander zwei Strecken. Das darin gewonnene Erz fördert

er mit Kübeln, Säcken oder Körben. Dieſer Bau wird von ihm

wegen der Waſſer und Wetter bald verlaſſen und das noch ſtehende

Erz nicht mehr abgebaut. Neben dieſem wird ein zweiter Duckel

gebaut u. ſ. w., daß auch das Zwiſchenerz liegen bleibt. Die da-

durch entſtehenden Höhlungen verhindern auch den ſpäteren Abbau

der tieferen Lager1).

[147/0169]

3) Den Weitungsbau. Man teuft einen Schacht ab, und

geht von dieſem in verſchiedenen Abſtänden mit Strecken hart am

Liegenden der Lagerſtätte fort ganz nach ſeinen Wendungen. Da

gräbt man Weitungen aus zum Feuerſetzen, und bricht das ſo

mürbe gemachte Erz ab, füllt die Sohle immer fort mit Bergen

auf und geht ſo fort in die Höhe. Auch treibt man in verſchie-

denen Teufen Verbindungsörter nach dem Streichen der Lager-

ſtätte. Das im Hangenden ſtehen bleibende Erz baut man erſt ab,

wenn man im Liegenden fertig iſt. Die Holzſtöße heißt man

Schränke oder Anſtöße2).

4) Den Bruchbau, welchen man in den Lagerſtätten anwen-

det, die eingeſtürzt (zum Bruche gegangen) ſind. Man geht in

Strecken vom Schachte aus in den alten Mann, und von dieſen

aus mit Oertern nach beiden Seiten zu den bauwürdigen Erz-

punkten. Von dieſen führt man eine Art von Stroßenbau.

¹ u. ² Verbeſſerungen dieſer beiden Methoden bei Brard Grundriß. S.

152. 153.

VII. Von dem Betriebe der Salzwerke.

§. 118.

Der Betrieb der Salzwerke hat wegen der Art des Vorkom-

mens des Salzes im Erdinnern viele Eigenthümlichkeiten. Es

kommt nämlich vor:

1) Als Steinſalz, wie z. B. in Cardona in Catalonien, in

Wieliczka und Bochma in Polen, in Northwich in England, in

Vic in Lothringen und an verſchiedenen Orten Aſiens. Hier wird

das Steinſalz wie anderes Geſtein in Lagern und Gängen ver-

ſchiedentlich abgebaut1).

2) Als Mengſel unter Thon und andern Erden und

Gebirgen. Da es hier in ſeinen kleinſten Theilen vorkommt, ſo iſt es

nur auf chemiſchem Wege zu trennen. Zu dieſem Behufe wird es mit

Waſſer ausgelaugt (ausgeſotten), welches entweder in der Salz-

grube ſelber (Selbſtwaſſer) oder von außen her durch donlägige

Schächte (Tagſchürfe) eingeleitet wird (Tagewaſſer). Zu

dieſem Zwecke werden eigene Räume (Sinkwerke, Wehren,

Sulzenſtücke) im Innern ausgegraben, in welche das Waſſer

eingeleitet wird, um die Salztheile abzuätzen, bis es mit Salz

vergütet (bis zu 26,15% Salzgehalt geſättigt) iſt. Das Einlei-

ten (Ankehren) des Waſſers muß ſehr ſorgſam geſchehen, ſo daß

weder von innen noch von außen ein Durchreißen der Dämme,

Förſten und Sohlen möglich iſt. Das Waſſer wird nach völliger

10 *

[148/0170]

Vergütung abgezapft. Dazu hat man die Wehrwerke, d. h. Ab-

laufkanäle mit zwei Wehrdämmen, in deren Mitte ſich eine höch-

ſtens 2 Lachter lange Strecke (der Langofen) befindet. Am Ende

dieſer Wehrwerke, welche verlettet und gut gezimmert ſein müſſen,

iſt ein Hahn und ein Abflußtrog angebracht, woraus die Lange

abgelaſſen, auf die Sohle der Stollen geleitet, von da zu Tage

geführt und dann ausgelaugt wird. Das Ankehren der Sinkwerke

kann bald alle ¼, ½ und bald alle Jahre nur einmal geſchehen.

Zu wenig Waſſer, das nicht bis an die Förſte (den Himmel)

reicht, äzt nur an den Stößen und erweitert ſie zu ſehr. Zu viel

Waſſer (Ueberhimmel) veräzt den Himmel und weicht die Decke

ab, ſo daß ſie auf die Sohle fällt (Gefälle macht), wodurch

der Salzgehalt der gefallenen Maſſen verloren geht. Ganz lang-

ſam muß ein ſchon angekehrtes Sinkwerk immer Waſſerzuflüſſe

erhalten, und ſo erweitert es ſich gegen den Himmel immer mehr

(es wandert in die Höhe). Iſt die Lauge (Soole) abge-

laſſen, ſo muß von der Sohle aus vor dem neuen Ankehren die

urſprüngliche Dimenſion des Sinkwerks (etwa 7 Fuß) wieder her-

geſtellt werden. Dies iſt die Säuberarbeit. Oft genügt es,

die Sohle blos zu ebnen (den Säuberberg einzugleichen).

Iſt die Sohle dem Himmel zu nahe gekommen, ſo ſchafft man den

Säuberberg hinweg und bewahrt ihn an beſondern Plätzen in der

Grube (an den Faßſtädten) auf. Im entgegengeſetzten Falle

wird die Sohle mit Bergen erhöht. Im nämlichen Verhältniſſe

müſſen auch die Dämme erhöht werden.2).

3) Als Soole, welche durch Bohrlöcher, Schächte und Stol-

len zu Tage gepumpt oder geleitet werden muß. Das Weſentliche

iſt, die Soole ſo concentrirt als möglich zu erhalten. Daher müſſen

alle ſüße Quellen ſo fern als möglich gehalten, darum oft eigene

Sinkwerke angelegt und die Soole über Gradirwerke von Reiſig

geleitet werden, ehe man ſie auslaugt oder abdampft. Auch das

Meerwaſſer gehört hierher. Zum Auslaugen muß die Soole 22

bis 25 Grade haben3).

4) Als Ausſchlag an der Erdoberfläche in Aſien und Afrika.

Zur Gewinnung deſſelben wird die obere Schicht abgeſchürft und

ausgelaugt. Die ſo erhaltene Soole wird concentrirt und alsdann

abgedampft.

¹ Brard Grundriß. S. 192197.

² Das Genaue darüber bei: Brard Grundriß. S. 197208. v. Moll

Jahrbücher. I. 199. de Villefosse. II. 401. Karſten metallurgiſche Reiſe. S. 102.

³ Ueber dieſen Betrieb und die Salzquellen Genaueres bei: Brard Grund-

riß. S. 208. Keferſtein geognoſtiſches Deutſchland. Bd. II. v. Langsdorff

Salzwerkskunde. Heidelberg 1824.

[149/0171]

Zweites Hauptſtück.

Bergmänniſche Betriebslehre.

§. 119.

Die Betriebslehre ſtellt die Grundſätze und Regeln auf, wo-

nach der Betrieb des Bergbaues zum größten Vortheile des Berg-

bau-Unternehmers im gewerblichen Zuſammenhange geleitet werden

ſoll. Es gibt daher folgende Haupttheile der Betriebslehre.

I. Von den allgemeinen Bedürfniſſen des bergmän-

niſchen Betriebes.

§. 120.

Die erſten Bedingungen des Bergbaubetriebes, deren Erfül-

lung ſich der Unternehmer verſchaffen muß, ſind folgende:

1) Günſtiges Vorhandenſein der Naturgüter und Natur-

kräfte. Es gehört hierher: a) die Lagerſtätte ſelbſt in ſolcher

Beſchaffenheit und Ausdehnung, daß ihr Abbau Gewinn bringen

kann; ehe ein Bergbau unternommen wird, hat ſich der Unterneh-

mer zuerſt hiervon zu überzeugen, aber ohne die Verſicherung hier-

von keinen Bau zu unternehmen, weil die Koſten, ſchon der Ver-

ſuche, ungeheuer ſind: b) das Holz in der Nähe eines zu unter-

nehmenden Bergwerkes, zum Behufe der Zimmerung, Feuerung

und des Feuerſetzens; ſein Verbrauch iſt außerordentlich groß, ſo

daß es Vortheil bringen kann, mit dem Bergbaue eine eigene

Forſtwirthſchaft zu betreiben, beſonders wenn das Holz im Ankaufe

theuer iſt und das Bergwerk keine Vorrechte in dieſer Hinſicht hat;

c) das Waſſer, deſſen Gebrauch bei manchen Bauen an ſich ganz

unentbehrlich iſt, wie z. B. bei Salzwerken und zur Wetterloſung,

während es bei andern weſentliche Vortheile, z. B. zum Transporte,

zur Förderung gewährt; liegt es fern von der Grube, dann wer-

den nicht ſelten koſtbare Kanal- und Rinnbauten, ſo wie Maſchi-

nerien nöthig, um die Kraft des Waſſers zu benutzen; d) gute

Luft, ohne welche kein Bergwerk betrieben werden kann.

2) Günſtiges Vorhandenſein der Verkehrsmittel. Es ge-

hört hierher: a) der Abſatz, ohne welchen der Bergbau zwecklos

iſt, wenn er nicht Materialien liefert, welche der Unternehmer ſelbſt

nutzt; große Concurrenz iſt dem Unternehmer nicht wünſchenswerth,

aber dann am wenigſten nachtheilig, wenn der Begehr nach den

Produkten am größten iſt; bei den Metallen iſt dies für Privaten

nur dann der Fall, wenn ſie zugleich Fabriken haben, denen das

Bergwerk den Rohſtoff liefert: für den Staat gilt dies im Durch-

[150/0172]

ſchnitte vom edeln Metalle wegen der Münzung; bei den Edelſteinen

iſt Abſatz unerläßlich; bei Marmor- und Bauſtein-Brüchen eben-

falls; weniger nöthig iſt der Abſatz bei Straßen- und Pflaſter-

ſteinen, wenn der Bruch Gemeinden gehört; bei Gips- und Kalk-

brüchen iſt er aber unerläßlich, wie bei Thon- und Mergelgruben,

wenn die Lezteren nicht den Mergel für große und mehrere Land-

güter liefern; ſelten aber wird es Vortheil bringen, eine Stein-

und Braunkohlengrube oder Torfſtecherei blos zu eigenem Verbrauche

zu betreiben. Salzwerke können ohne Abſatz gar nicht beſtehen.

Sehr vortheilhaft können b) die Berghandlungen ſein, welche

den bergmänniſchen Producenten die gewonnenen Erze und Edel-

ſteine abkaufen, weil dieſen, als ausſchließlichen Geſchäften, mehr

Abſatzmittel zu Gebote ſtehen, weil ſie dem Bergbauunternehmer

das Capital bald erſetzen, ſo daß er ſein Werk ſchneller und ſtetiger

betreiben kann, und weil ſie dem Bergbaubetriebe im Kleinen,

wie z. B. in Frankreich und in Schleſien, faſt ganz unentbehrlich

ſind. Weſentlich aber ſind c) die Transportmittel zu Waſſer

und zu Land; denn je ſchneller und je leichter der Transport, deſto

größer iſt unter übrigens gleichen Umſtänden der bergmänniſche und

der Handelsgewinn; es kommt daher ſehr auf die Beſchaffenheit

des Bodens zu Tage, auf die Güte der nächſten Wege zur Tage-

förderung, darauf ob ſie Eiſenbahnen, Schienenwege oder andere

Wege, ob ſie eben, uneben oder abhängig ſind, auf die Nähe

großer Straßen, Kanäle, Flüſſe und Ströme, und auf den Aus-

gang der Stollen an einem dieſer Communicationsmittel, an.

§. 121.

Fortſetzung.

3) Das Vorhandenſeyn von Hüttenwerken, weil der Abſatz

größer iſt, wenn die Erze ſchon gereinigt und in größeren gedie-

genen Maſſen zu kaufen ſind; von der Güte derſelben, von der

Methode der Aufbereitung und Reinigung, von der Einrichtung

derſelben, von ihrer Lage zum Bergwerke ſelbſt hängt ihr Vortheil

ab; aber darüber entſcheidet die Technologie.

4) Das Vorhandenſein der hinreichenden Menge tüchti-

ger Arbeiter. Daher iſt ein Bergwerk beſſer, das in ſehr be-

völkerten Gegenden, in Gegenden, wo der Bergbaubetrieb ein

Haupterwerbszweig iſt, und in Ländern liegt, wo für Bildung und

Unterſtützung bergmänniſcher Arbeiter viel geſchieht, ſei dies von

Privatvereinen oder vom Staate angeordnet, z. B. durch höhere

und niedere Bergſchulen, Reiſeſtipendien, Berg- und Knappſchafts-

[151/0173]

kaſſen. Hiervon hängt auch die Größe des Arbeitslohnes und die

Art der Arbeit ab.

5) Das Vorhandenſein des zum Betriebe nöthigen Capi-

tals. Zu dem bergmänniſchen Capitale gehören die Gruben- und

Taggebäude, die Magazine zur Aufbewahrung der Mineralien und

Geräthe, dieſe Lezteren ſelbſt, die Maſchinen, die Mineralvorräthe

und das Geld, welches zum Betriebe verwendet wird. Der Betrieb

wird um ſo vollkommener, je vollſtändiger dieſe Capitalien herge-

ſtellt ſind. Beſondere Vergünſtigungen in dieſer Beziehung kommen

dem Betriebe ſehr zu Statten, nämlich diejenigen: a) daß der

Staat den Bergarbeitern aus ſeinen Magazinen Getreide zu bil-

ligen gleichförmigen Preiſen, namentlich in Zeiten der Theuerung,

gibt; b) daß derſelbe den Bergwerken das Holz zur Zimmerung

und Feuerung ſo wie die Steine zur Mauerung gegen billige Preiſe

verabreicht; c) daß er den Gruben, die einige Zeit beſonders große

Ausgaben haben, Geldvorſchüſſe gibt, oder Bergkaſſen zu dieſem

Zwecke veranſtaltet ſind; d) daß er Bauten auf ſeine Rechnung

übernimmt, welche mehrere Bergwerke unterſtützen und von Pri-

vaten nicht unternommen werden, z. B. Erbſtollen1).

6) Die Freiheit des Betriebs. Der Bergbau muß zwar

unter Rechts- und Polizeigeſetze geſtellt und durch ſie beſchränkt

werden. Aber die Freiheit des Betriebs von den größtentheils ſehr

drückenden Abgaben an den Staat unter verſchiedenen Titeln,

beſonders vom Bergzehnten, der auch vom Rohertrage erhoben

wird, iſt das weſentlichſte und nothwendigſte Erleichterungsmittel,

weil ſie oft unerſchwinglich ſind2).

¹ Rau, Lehrbuch der polit. Oeconom. II. §. 42.

² Rau, Lehrbuch der politiſchen Oeconom. II. §. 41. vergl. mit I. §. 352.

Bergius, neues Cameral-Magazin. I. 278.

II. Von der Organiſation des Bergbaubetriebes.

§. 122.

Da zum Betriebe eines Bergwerkes mehr als das bloße Eigen-

thum an dem Boden, in welchem man einfahren will, gehört, und

ein Private, zur Unterſuchung zwar allgemeinhin berechtigt, nur

auf Staatserlaubniß ein Bergwerk irgendwo anfangen darf; ſo

findet bei den Unternehmern noch folgender Unterſchied Statt.

Unternehmer ſind:

1) Entweder der Staat, als ein großer Grundherr, als Ober-

eigenthümer oder als Beſitzer des Bergwerksregales.

2) Oder damit belehnte Privaten. Dieſe betreiben eine Grube

oder einen Bruch:

[152/0174]

a) Entweder allein, d. h. ſind Eigenlehner. In dieſem

Falle muß der Eigenlehner, nachdem er durch die bekannten Mittel

vom Vorhandenſein einer bauwürdigen Lagerſtätte überzeugt iſt,

in kurzer Friſt nach der Entdeckung derſelben bei der Regirung

um die Erlaubniß zu einer Grubenanlage nachſuchen. Dies heißt

man muthen, und die ſchriftliche Eingabe Muthzettel, die

ſchriftliche Staatserlaubniß aber Muthſchein. Der Raum, auf

welchen ſich die Erlaubniß ausdehnt, heißt Zeche und wird im

Muthſcheine genau beſtimmt. Eine zu kleine Zeche iſt unvortheil-

haft, weil ſich die Anlage tüchtiger Bauten und Einrichtungen

nicht lohnt.

b) Oder in Geſellſchaften, d. h. Gewerkſchaften. Bei

dieſen gilt auch das unter a. Geſagte. Nur haben ſie eine eigen-

thümliche Einrichtung. Sie ſind Aktiengeſellſchaften. Die ganze

gegebene Zeche zerfällt in 128 gleiche Theile, wovon jeder eine

Aktie bildet, die man einen Kux nennt. Es machen 32 ſolche

Kuxe eine Schicht, die ſich auch wieder theilen läßt. Jeder

Kuxinhaber übernimmt als Inhaber eines oder mehrerer Kuxe für

jeden ſolchen [FORMEL] der Koſten und des Wagniſſes, dafür aber auch

den ſovielten Theil am Gewinnſte. Die Kuxe, welche der Landes-

fürſt oder Grundeigenthümer frei erhält, heißen Erbkuxe. Vier

Kuxe heißen ein Stamm. Ganz abgeſehen davon, wer die Grube

übernimmt, die Organiſation des Grubenperſonals iſt dieſelbe.

Die Aufſeher über die bergmänniſchen Arbeiter (Bergknappen)

heißen Steiger. Von der Wahl der Perſonen zu dieſem Amte

hängt Vieles ab. Sie ſehen auf die gehörige Beſchäftigung der

Knappen und reichen ihnen das Brenn- und Beleuchtungsmaterial,

ſo wie die Zimmerung. Die Zeit, wie lange die Knappen täglich

arbeiten müſſen, heißt Schicht. Sowohl die Gewerkſchaften, als

auch Eigenlehner manchmal, haben einen Verwalter, der Schicht-

meiſter genannt wird und die Bücher nebſt den Rechnungen führt.

Der ganze Betrieb ſteht aber noch unter Aufſicht und Controle von

Staatsbergbeamten zur Wahrung der Rechte der Eigenlehner

und Gewerkſchaften einerſeits, und jener der dritten Perſonen und

der Knappſchaft anderſeits.

III. Von der Leitung des Betriebes eines Bergwerkes.

§. 123.

1) Verſuchsbaue.

Dieſe Thätigkeit iſt die wichtigſte des Unternehmers und hat

folgende Hauptzweige:

[153/0175]

1) Wahl und Leitung der Verſuchsbaue1). Ehe man

den Verſuchsbau beginnt, unterſucht man den Ort, wo er am

beſten und wohlfeilſten anzulegen ſei; dies hängt von dem Gegen-

ſtande und Zwecke deſſelben ſo wie von der Localität ab (§. 91. u.

§. 94.), ebenſo wie die Art des Verſuchsbaues. Ehe man mit

einer Schürfmethode anfängt, berechnet man die Koſten derſel-

ben2); denn die Fälle ſind nicht ſelten, wo die Bohrverſuche den

Abteufungen eines Schachtes oder dem Eintreiben eines Stollens

nach den Koſten gleichkommen oder ſie überſteigen, ohne daß ſie am

rechten Orte angewendet und von erwünſchtem Erfolge ſind. Sind

die Bohrverſuche gewählt, ſo müſſen ſie ſorgfältig beaufſichtigt

werden. Es wird über den Verſuch ein eigenes Journal geführt,

in welchem Rubriken enthalten und auszufüllen ſind über die Num-

mer der Ausräumung (Herausziehung des Bohrmehls), die Tiefe

des Bohrlochs, das angewendete Endſtück, die Härte und Art des

Geſteins, und über die Mächtigkeit der Schichte. Jedes Bohrmehl

wird gereinigt, numerirt und zum Belege aufbewahrt. Bei Bohr-

verſuchen auf Steinkohlen iſt auch die Farbe des Bohrſchmandes

zu berückſichtigen. Größere Vorſicht tritt ein, ſobald ſich Stücke

des geſuchten Minerals finden. Stecken gebliebene Stücke des

Bohrgeſtänges müſſen ſogleich herausgezogen werden, und nach

beendigter halbtäglicher oder täglicher Arbeit darf der Bohrer nicht

ſtecken bleiben, weil dies nicht ſelten Veranlaſſung iſt, daß man

das Bohrloch verlaſſen muß, beſonders wenn es tief iſt und ſchon

viel gekoſtet hat. Die nöthige Arbeiterzahl nimmt mit der Tiefe

des Bohrloches zu. Der Erſte unter denſelben iſt der Vorarbei-

ter oder Bohrmeiſter. Gegen tüchtige Löhnung bekommt man

tüchtige Arbeiter und beſſere Arbeit, als im Gegentheile. Ueber

das ganze Geſchäft iſt ein Aufſeher beſtellt, der gegen Nachläſſig-

keiten und Muthwillen der Bohrarbeiter ſichert. Man legt, um

zum Voraus dagegen zu ſichern, am beſten einen Deckel auf das

Bohrloch, durch den das Geſtänge während der Bohrarbeit läuft.

Denn das Hinabfallen von Gegenſtänden bringt leicht das ganze

Geſchäft in Stocken.

¹ Blume Unterſuchungen. S. 93. Selbmann, Vom Erd- und Bergbohren.

S. 88. Brard Grundriß. S. 56.

² Nach Brard betragen die Koſten eines Bohrverſuches von 100 par. Fuß

Tiefe 1000 Thlr. oder 4000 frs., nach Fars ein Bohrloch von 100 Toiſen Tiefe

in England 5712 frs., alſo für 100 par. Fuß 952 frs. oder 238 Thlr.; nach

v. Langsdorff in Deutſchland bei feſtem Geſteine auf

100 Fuß Tiefe 2599 fl. rhein.

200 " " 3486 fl. "

300 " " 4394 fl. "

400 " " 5308 fl. "

500 " " 6226 fl. "

600 " " 7150 fl. "

700 " " 8080 fl. "

[154/0176]

² Aber ein Verſuchsſchacht von 6 Fuß Länge und 4½ Fuß Weite ungefähr 1000 Rthlr.

Die Reſultate eines ſolchen ſind immer ſicherer als jene des Bohrens, beſonders da

man den Schacht auch ſpäter immer ſicherer, das Bohrloch aber nur bei Flüſſig-

keiten zur Förderung, brauchen kann.

§. 124.

2) Betriebsart.

2) Die Wahl und Leitung der Betriebsart. Schon

bei der Anlage einer Betriebsart muß die Zurichtung einer Grube

nach der Beſchaffenheit der Lagerſtätte geſchehen, und dabei auf

den ſchnellſten, reinſten, gefahrloſeſten und wohlfeilſten Abbau ge-

ſehen werden, ohne aus den Augen zu verlieren, daß man zum

Fortbetriebe eines Baues wo möglich immer noch Felder bereit

habe. Es iſt daher erforderlich: a) daß man vor dem Beginne

des Baues einen Koſten- und Ertragsüberſchlag mache, um vor

Verluſt geſichert zu ſein; b) nach dem Reſultate dieſer Vergleichung

die Grubencapitalien anlege; c) dabei aber darauf ſehe, mit we-

nigen tüchtigen Anlagen dieſelben Zwecke zu erreichen, wie mit

mehreren, z. B. bei den verſchiedenen Arten von Stollen und

Schächten; d) daß man ſich mit der Vorrichtung immer auf ein

möglichſt großes Feld ausdehne, z. B. beſonders bei Steinkohlen;

e) immer ſchon wieder ein Feld zubereitet habe, ehe das vorherige

zur Neige geht; f) den ganzen Abbau recht zu concentriren ſuche,

um ſo g) bequemere und lang brauchbare Einrichtungen treffen zu

können, ohne ſie ſpäter unbenutzt liegen laſſen zu müſſen; h) daß

man es den Arbeitern nie am Materiale fehlen laſſe, deſſen Man-

gel ſie an der Fortſetzung ihrer Arbeit hindert, z. B. an Geräth-

ſchaften, Feuerung, Licht, Zimmerung, um dadurch die ſchädlichen

Folgen in denjenigen Abbauarten zu verhüten, worin das Fort-

fahren der ſpäteren Khüren von jenen der früheren bedingt iſt,

z. B. beim Stroßen- und Förſtenbaue; i) daß man die richtige

Menge von Häuern vor ein Ort anlege, ohne durch Mangel an

ſolchen das Fortfahren der Arbeit zu hemmen und durch eine

Uebermenge ſowohl ſeine Koſten unnöthig zu vermehren, die Ar-

beiter unter ſich zu hindern, als auch die richtige Gleichförmigkeit

im ganzen Gange der Arbeiten zu zerſtören; k) daß man unter

den Arbeitern während der Arbeitszeit, und wegen ihres Betragens

vor und nach derſelben durch tüchtige Steiger eine ſchöne berg-

männige Ordnung und Aufſicht erhalte.

§. 125.

3) Grubenriſſe.

3) Benutzung der Markſcheidekunſt. Die Markſcheide-

kunſt iſt eine Hilfskenntniß der Bergbaulehre (§. 83.). Allein von

[155/0177]

ihrer Benutzung hängt nicht ſelten der gute Betrieb eines Berg-

werkes ab, weil man nach ihren Aufſchlüſſen weiß, nicht blos wie

weit der Bau vorgeſchritten iſt, ſondern auch wie weit er nach

den beſtehenden Rechtsgeſetzen noch fortbetrieben werden darf; weil

man nach dem Fallen und Streichen eines Baues und nach ſeinen

Abweichungen in dieſen Beziehungen beurtheilen kann, auf welche

Weiſe man im Innern den Betrieb ohne Gefahr und mit Nutzen

fortſetzen darf; weil man über die Anlage von Tagebauen, z. B.

der Mundlöcher von Stollen und Schächten, dadurch die erſte

Anleitung erhält; weil man bei vorkommenden Unglücksfällen durch

die von ihr gebotenen Mittel am beſten erkennt, wo und wie man

den Verunglückten am beſten Hilfe leiſten und den ſchlimmen Fol-

gen abhelfen kann; weil man nach denſelben ermeſſen kann, ob

und in wie weit die Fortſetzung des Abbaues Vortheil bringen

dürfte; und weil alſo von ihnen großen Theils die Uebernahme

einer Grube in Pacht oder zu Lehn abhängen kann. Die Mark-

ſcheidekunſt iſt bloße praktiſche Geometrie, modifizirt durch den

Umſtand, daß man im Dunkeln und bei gewiſſen Erzarten nicht

dieſelben Mittel anwenden kann, wie auf der Erdoberfläche. Sie

zerfällt in zwei Hauptarbeiten, nämlich die Verrichtung des

Markſcheidezuges, d. h. die Grubenmeſſung ſelbſt, und die

Zulegung des Markſcheidezuges, d. h. die Verfertigung der

Grubenriſſe. Die Lezteren ſind Grundriſſe und zeigen die Stol-

len, Strecken, Baue und Schächte im horizontalen Entwurfe, und

Seigerriſſe (Durchſchnitte), zeigen die Grube im ſenkrechten

Entwurfe, ſo daß von jeder ſolchen dieſe Darſtellungen gegeben

ſein müſſen, wenn man eine völlige Anſicht haben ſoll. So wie

der Grubenbau fortſchreitet, erweitert man auch dieſe Riſſe, um

beſtändig zu wiſſen, woran man ſei1).

¹ Ueber Markſcheidekunſt: Brard Grundriß. S. 385 folg. Die älteren

Werke von v. Opel (1749). Bajer (1749. 2te Aufl. 1785). Weidler (1765).

Käſtner (1774). Lempe (1782 u. 1792). Moehling (1792) und Müller

prakt. Anleit. zur Markſcheidekunſt. Siegen 1809. Hecht Lehrbuch der Markſcheide-

kunſt. Freiberg 1829.

IV. Von der bergmänniſchen Betriebswirthſchaft.

§. 126.

1) Bergmänniſche Betriebsausgaben.

Die bergmänniſche Betriebswirthſchaft iſt nur eine Modifikation

der Hauswirthſchaft nach der Beziehung auf den bergmänniſchen

Gewerbsbetrieb (§. 63. vergl. mit §. 40.). Ausgaben, Einnahmen

und Verrechnung ſind die Hauptgegenſtände derſelben.

[156/0178]

Die bergmänniſchen Betriebsausgaben werden gemacht:

a) Für Beſoldung und Löhnung der Aufſeher und Arbei-

ter (§. 122.). Der Schichtmeiſter und die Steiger haben ihre be-

ſtimmten Gehalte. Die Knappen aber arbeiten nach Schichten oder

im Verdinge (§. 68.). Die Schichten ſind verſchieden und betra-

gen 6, 8–12 Stunden. Es iſt ſehr zweckmäßig, aus Abzügen

am Lohne, Beiträgen der Unternehmer, Strafgeldern u. dgl. eine

Knappſchafts- oder Bruderkaſſe zum Behufe ihrer Unterſtützung in

Unglücksfällen und im Alter zu errichten, woraus auch den Witt-

wen und Waiſen der Knappen Unterſtützung gewährt wird. Dies

hat ſelbſt Einfluß auf die Höhe des Lohnes. Die Bezahlung des

Lohnes geſchieht auch hier, wie bei anderen großen Unternehmun-

gen, an beſtimmten Tagen, alle Woche, alle 14 Tage oder alle

Monate. Sehr zweckmäßig iſt es von den Unternehmern, wenn ſie

in Zeiten der Wohlfeilheit Getreide u. dgl. aufſpeichern, um in

Zeiten der Noth, welche in den Gebirgsgegenden häufiger und

ſchlimmer ſind, den Knappenfamilien gegen billige Preiſe Lebens-

mittel abliefern zu können. Solche Mittel erhalten die Anhänglich-

keit, den Fleiß und die Ruhe der Arbeiter. Der Lohn ſelbſt iſt

zeit- und ortsweiſe wechſelnd.

b) Für Unterhaltung des ſtehenden Capitals. Je ſo-

lider die Gebäude, Maſchinen, Gefäße, Wege, Canäle und Geräthe

gebaut und conſtruirt ſind, deſto weniger Unterhaltungskoſten be-

dürfen ſie. Beſonders gilt dies von der Zimmerung und Mauerung,

und von den bergmänniſchen Gefäßen. Mit zeitigen kleinen Ver-

beſſerungen verhütet der kluge Unternehmer im Bergbaue öfters

die größten Verluſte und Unglücksfälle. Daher iſt Kargheit und

Unachtſamkeit nirgends am ſchlechteren Orte, als hier.

c) Für Holz und Bauſteine, theils zur Unterhaltung des

ſtehenden Capitals, theils als umlaufendes Capital, z. B. zur

Heitzung. Wenn das Bergwerk nicht eigenen Wald hat, ſo muß

man das Holz, ebenſo wie im ähnlichen Falle die Bauſteine, ſo

wohlfeil als möglich zu kaufen ſuchen; denn die Ausgabe dafür iſt

ſehr groß. Oft genießen die Gruben Vorrechte bei den Staats-

magazinen in dieſer Hinſicht. Iſt dies nicht der Fall, dann iſt

der Ankauf im Großen und die Abſchließung von Lieferungs-

kontrakten am vortheilhafteſten. Für naſſe Lage in der Grube

taugt Erlen- und Buchenholz beſſer als anderes. Sonſt benutzt man

am meiſten Nadelhölzer, aber mit größerem Vortheile Eichen- und

Ahornhölzer, wenn ſie zu haben ſind. Man wählt ſtarke dicke

Stämme, am beſten unbehauen, ſammt Rinde, Zacken und Zwei-

gen, weil man ſie dann zerſchneiden laſſen kann, wie man es

[157/0179]

bedarf, und weil man die Leztern zu Helmen, Faſchienen u. dgl.

benutzen kann. Das äußerſte Holz benutzt man durch Abſägen zu

Schwarten. Geſchältes Holz geht in Gruben ſchwerer in Fäulniß

als ungeſchältes. Das beſte Holz unter übrigens gleichen Um-

ſtänden zur Grubenzimmerung iſt das vor oder nach dem Safte

geſchnittene. Nahe floßbare Flüſſe kommen den Gruben ſehr zu

Statten, weil dieſe einen wohlfeilen Transport gewähren. Unter

den Steinen ſind die platten, ſchieferigen beſſer als Sandſteine

und Granit u. dgl. Backſteine ſind begreiflicher Weiſe nicht überall

von Dauer, oft ſehr theuer und müſſen nicht ſelten in eigenen

Formen zur Grubenmauerung gebrannt werden.

d) Für Eiſen zur Hinſtellung und Unterhaltung des ſtehenden

Capitals. Die Sparſamkeit mit demſelben, und der Gebrauch des

Holzes ſtatt deſſelben, wo es nur immer ohne Nachtheil geſchehen

kann, iſt eine alte bergmänniſche Gewohnheit und Regel.

§. 127.

2) Bergmänniſche Betriebseinnahmen.

Das rohe Einkommen beim Betriebe eines Bergwerkes beſteht

in folgenden Punkten:

a) Naturaleinnahmen an bergmänniſchen Produkten. Sie

ſind Haupt- und Nebenprodukte. Jene ſind die Maſſen des Haupt-

minerals, Leztere die Nebenmineralien u. dgl. Beim Betriebe im

Großen ſind zu ihrer Aufbewahrung eigene Magazine nothwendig,

deren Bau und Einrichtung nach Art des Minerals und polizei-

lichen Rückſichten verſchieden iſt. Die Sicherung gegen die Ein-

wirkung der Luft iſt wichtig beim Torfe, Steine, Erze, den

Steinkohlen und dem Salze. Die Sicherung gegen Menſchen iſt

um ſo nöthiger, je koſtbarer die Mineralien, je beweglicher und

verderbbarer ſie ſind.

b) Geldeinnahmen aus dem Verkaufe der rohen Produkte.

Entweder iſt der Staat ein Hauptabnehmer, wie bei den edeln

Metallen, oder es ſind dies Privaten, welche die Produkte, wie

z. B. Torf, Kohlen und Salz zur eigenen Conſumtion gebrauchen,

oder zum Zwecke der weiteren Verarbeitung ankaufen. In der

Regel findet der Verkauf nur im Großen Statt, und die Mineral-

kapitalien liegen nicht ſelten lange Zeit in den Magazinen. Darum

iſt der Bergbaubetrieb mehr Sache für den Staat, Gewerkſchaften

oder ſehr reiche Privaten, welche ſo lange ein Capital liegen laſſen

können. Sehr zweckdienlich ſind daher Berghandlungen, an welche

man die Mineralien entweder verkauft oder gegen einige Proviſion

zum Verkaufe in Commiſſion gibt.

[158/0180]

c) Oft ſind mit den Bergwerken auch die Hüttenwerke ſogleich

in Verbindung. Bei den Salzwerken ſind ſie unumgänglich. Ob-

ſchon ſie bei großem Betriebe oft eine ganz abgeſonderte Verwal-

tung haben, ſo ſtehen ſie doch mit dem Bergbaue ſo in Verband,

daß ſie ſeinen Ertrag und den Ertrag des ganzen Betriebes er-

höhen. Daher gehört auch ihre Einnahme an gewonnenem Natural

und an Geld in die Rechnung.

Der Reinertrag (die Ausbeute) iſt aber noch nicht gefunden

nach Abzug jener Ausgaben von dieſen Einnahmen. Es muß viel-

mehr noch in Abzug kommen: 1) der Zins des ganzen Betriebs-

capitals; 2) die immer Statt findenden Abgänge und Verluſte an

Natural und am Gelde; 3) etwaige Transportkoſten des Minerals

und damit verknüpfte Abgaben; 4) etwaige Proviſionen, Gebühren

u. dgl., die ſehr wechſelnd ſind. Oft bleibt nach Abzug aller die-

ſer Poſten nicht blos nichts übrig, ſondern es müſſen noch Nach-

träge (Zubuße) von den Unternehmern geliefert werden. Darum

darf das Bergwerk aber nicht aufgegeben werden, wenn der Bau

auf Zubuße die Ausſicht auf ſpäteren Gewinn (Ausbeute) eröffnet.

Auch darum eignet ſich tüchtiger Bergbaubetrieb ſelten für Ei-

genlehner.

§. 128.

3) Bergmänniſche Buchführung.

Der Schichtmeiſter führt die Bücher. Es gelten hier die

nämlichen allgemeinen Grundſätze jeder Buchführung (§. 79–82.).

Denn es kommt im Bergwerke ein Grundſtocksvermögen, eine jähr-

liche Auslage und Einnahme, es kommen um ſo mehr Schuldner

und Gläubiger vor, je complicirter der Betrieb und je ausgebrei-

teter der Berghandel iſt. Denn es finden nicht bei jedem Geſchäfte

ſogleich baare Zahlungen Statt. Die Buchführung iſt alſo hierin

von den anderen nur durch den Gegenſtand verſchieden. Aber die

Eigenthümlichkeit der Gewerkſchaftsverhältniſſe machen eine eigene

Buchführung nöthig, die insbeſondere dem Schichtmeiſter obliegt.

Es gehören beſonders hierher das Gegenbuch, Schurfbuch,

Muthungsbuch, Friſtenbuch, wovon die Bedeutung an ſich

klar iſt, mit Ausnahme des Erſten. Es werden nämlich in dem-

ſelben die Inhaber der Kuxe, die Verpfändungen, Veräußerungen

derſelben u. ſ. w. aufgeſchrieben. Eine eigene Buchführung erfor-

dert auch die Zahlung der Zubuße und jene der Ausbeute, welche

beide kuxenweiſe vertheilt werden. Der Rechnungsabſchluß geſchieht

vierteljährig (Quartal), wenn und weil jene beide ſo bezahlt wer-

den und man das Reſultat nur durch Rechnungsabſchluß erfahren

kann.

[159/0181]

V. Von der Fertigung bergmänniſcher

Ertragsanſchläge.

§. 129.

Arten der Anſchläge.

Andere als Ertragsanſchläge von Bergwerken können nicht ge-

macht werden, und ſchon dieſe ſind ſehr unſicher. Erſteres, weil

der Gehalt einer Lagerſtätte nicht mit Sicherheit ganz abgeſchätzt

werden kann, und wenn dieſes auch geſchehen könnte, es höchſt

unſicher iſt, ob der Fortbau nicht unterbrochen wird. Lezteres,

weil Zubuße und Ausbeute in ihrer Größe und Folge zu wandel-

bar ſind, und es alſo nicht geſtattet ſein kann, von einem mehr-

jährigen Durchſchnittsertrage auf den Ertrag in der nächſtfolgenden

Jahresreihe zu ſchließen, ohne die Möglichkeit des Fehlſchlagens

mit einzurechnen; denn die Ausbeute und Zubuße iſt zu wechſelnd,

und die Unterhaltungskoſten des ſtehenden Capitals werden, beſon-

ders bei der Grubenzimmerung, mit dem Alter des Leztern größer.

Man kann die Ertragsanſchläge unter zwei Geſichtspunkten be-

trachten, nämlich:

1) Als Ertragsvoranſchläge, um ſich einen muthmaßlichen

Ueberſchlag von dem Ertrage einer Grube zu machen, ehe man

ihren Abbau beginnt. Sie ſetzen eine Unterſuchung der Lager-

ſtrecke nach dem Streichen, Fallen, der Mächtigkeit und Teufe

voraus. Im Uebrigen beruhen ſie auf Muſterbauen. Denn man

gräbt entweder von Tage einige quadratiſche Abteufen von 1 Lach-

ter, oder man geht von dem Schurfſchachte und Schurfſtollen mit

ſolchen kleinen Strecken ins Feld. Der Durchſchnittsertrag von

3 oder 4 ſolchen Muſterbauen wird alsdann zur Veranſchlagung

des Rohertrags an Produkten vom ganzen Lager und Gange über-

haupt oder nur für eine Periode gebraucht. Denn durch Multi-

plication mit dem Raume oder mit der Zeit bei einer gegebenen

Arbeiterzahl läßt ſich dann die Quantität von Produkten berechnen.

Die Unzuverläſſigkeit dieſer Methode liegt am Tage (§. 124.).

2) Als Ertragsnachanſchläge, um ſich einer Anſicht vom

Durchſchnittsertrage einer, ſchon einige Zeit gebauten, Grube zu

verſchaffen. Man hat dazu zwei Mittel, nämlich die Informa-

tionen, d. h. protokolliſches mündliches Vernehmen der Berg-

beamten, beſonders der Steiger und Schichtmeiſter, und die

Rechnungsauszüge aus den Wirthſchaftsbüchern von mehreren

Jahren her. Soll aber ein ſolcher Anſchlag als Richtſchnur für

die Zukunft dienen, dann muß zugleich auf die Größe und Be-

ſchaffenheit der noch ſtehenden Felder Rückſicht genommen

[160/0182]

werden, wobei zugleich die periodiſch erweiterten Riſſe als Richt-

ſchnur dienen können, die immer mit einer näheren Beſchreibung

des Bergwerkes nach Geſtalt, Ausdehnung und Gehalt verſehen ſind.

§. 130.

Informationen, Auszüge und Beſichtigung.

Die Informationen erſtrecken ſich über alle von §. 95–107

angegebenen Punkte, über die beſondern Verhältniſſe der angewen-

deten Abbauart (§. 108–118.), über das Vorhandenſein der all-

gemeinen Bedingungen des Bergbaubetriebes (§. 220. u. 121.),

über die Arbeiterverhältniſſe und ſonſtige Betriebsausgaben (§. 126.),

über die tägliche, wöchentliche, monatliche rohe Ausbeute, und den

gewöhnlichen Preis des Naturales und über die Nebenkoſten bei

ſeinem Verkaufe (§. 127.). Es wird bei ihrer Aufnahme ein

beeidigtes Protokoll mit Unterſchrift des Informanden geführt.

Die Reſultate derſelben dienen zur Controlirung der Rechnungs-

poſten und zur Ergänzung des Mangelnden.

Die Auszüge aus den Büchern, ſowohl aus jenen des eigent-

lichen Betriebes als jenen über die Gewerkſchaftsverhältniſſe, haben

den Zweck der Durchſchnittsberechnung, und müſſen daher nach den

Regeln der Leztern (§. 61.) von verſchiedener Anzahl von Jahren

ſein. Sie erſtrecken ſich daher über Ausgaben und Einnahmen,

und müſſen ſonach in beſondere Rechnungen gebracht werden.

Die Beſichtigung aller Realitäten zu Tage und im Innern

der Grube nach Anleitung der Riſſe dient nicht blos zur Erhaltung

einer Anſicht vom jetzigen Stande der Grube, ſondern auch zur

Aufſtellung ihrer zukünftigen Verhältniſſe. Dabei werden Ver-

zeichniſſe und Beſchreibungen der feſt ſtehenden Capitalien,

und Inventarien über die beweglichen ſtehenden Capitalien auf-

geſtellt, zum Theile als Richtſchnur bei einer etwaigen Uebergabe

einer Grube, zum Theile wegen der Berechnung der Unterhal-

tungskoſten des Capitals.

§. 131.

Fertigung der Anſchlagsakten.

Während aller jener Anſchlagsarbeiten wird ein allgemeines

Geſchäftsprotokoll über den Verlauf der Veranſchlagung ge-

führt, in welchem auch die Informationsprotokolle ihren Platz

finden. Dagegen aber machen die Auszüge, Verzeichniſſe und In-

ventarien beſondere Inſtrumente aus, auf welche ebenſo im Proto-

kolle, wie auf dieſes in ihnen verwieſen wird. Nach den Infor-

mationen und Auszügen, ſo wie, wenn dieſe nicht hinreichen, nach

[161/0183]

allgemeinen Erfahrungen werden die beſondern Rechnungen gefertigt,

welche das Spezielle zum ganzen Ertragsanſchlage liefern. Es gibt

beſondere Ausgaben, welche nur zu einzelnen Zweigen des Be-

triebes gehören, und allgemeine, die den ganzen Betrieb über-

haupt betreffen. Jene kommen ſchon in den ſpeziellen Rechnungen

in Abzug, dieſe aber erſt in der Rechnung, welche jene Reinerträge

zuſammenſtellt. Man verhüte einen zu hohen Anſatz der Einnahmen

und einen zu niedrigen von den Ausgaben. Das Reſultat gibt den

Durchſchnittsertrag, der aber in Geld auch nur nach Durch-

ſchnittspreiſen, ſchon in den ſpeziellen Rechnungen, berechnet ſein

darf. Daſſelbe kann man ungefähr auch gebrauchen, um vermit-

telſt der Capitaliſirung, indem man es als Zins eines Capitals

anſieht, den Capitalwerth einer Grube zu finden, wenn ſie abge-

treten werden ſollte (§. 129.). In dieſem Falle müſſen aber die

Werthe der Betriebscapitalien noch hinzugerechnet werden, weil

die Zinſen derſelben (§. 127.) auch in Abzug gekommen ſind.

II. Buch.

Landwirthſchaftslehre.

Einleitung.

§. 132.

Die Landwirthſchaftslehre iſt die wiſſenſchaftliche Dar-

ſtellung der Grundſätze und Regeln, wonach die pflanzlichen und

thieriſchen Körper zahmer Art mit Unterſtützung der menſchlichen

Kunſt erzeugt und erhalten werden (§. 42.). Die Feld- und Gar-

tenpflanzen und die zahmen (Haus-) Thiere ſind ihre Gegenſtände.

Die Pflanzen und Thiere bedingen ſich wechſelſeitig auf die manch-

fachſte Weiſe. Darum muß die Pflanzenzucht mit der Thierzucht

vereint getrieben werden. Die Landwirthſchaft iſt das älteſte Ge-

werbe, welches die Völker in ihren Urzeiten treiben. Aber bis

zur Wiſſenſchaft konnte ſie ſich immer erſt in der Zeit hoher Bildung

eines Volkes erſchwingen. Den alten Aegyptern, die in die

Geheimniſſe der Natur tief eingedrungen waren, war ſie eine feine

Kunſt und Wiſſenſchaft1). Die Griechen und die Römer hiel-

ten das landwirthſchaftliche Gewerbe für das ehrbare, und die auf

uns gekommenen Schriften der Lezteren über Landwirthſchaft zeu-

gen von tiefen Kenntniſſen und vielen Erfahrungen im Gebiete

derſelben2). Mit der Völkerwanderung und der Einführung des

Chriſtenthums nebſt allen ſeinen unzähligen heilſamen Folgen bildete

Baumſtark Encyclopädie. 11

[162/0184]

ſich im Abendlande ein neuer Zeitkreis für die Ausbildung der

Landwirthſchaft. Sie wand ſich aus den vielen Eigenthümlichkeiten

und Bedrückungen im Mittelalter3) kräftig hervor bis ins vorige

Jahrhundert. Dieſem und der neueſten Zeit war die Ausbildung

derſelben und ihre Befreiung von den vielen Laſten, die jene hem-

men, überlaſſen. Sie wurde eine Wiſſenſchaft, für deren Ausbil-

dung zwar ſchon Beckmann in Deutſchland ſehr Vieles gethan

hat, bis ſie aber A. Thaer auf den jetzigen rationellen Stand-

punkt erhob, indem er uns zuerſt auf die engliſche Landwirthſchaft

aufmerkſam machte4), welche im ganzen Abendlande am höchſten

ſteht, und dann durch ſeine theoretiſchen Werke die Wiſſenſchaft

und Praxis ſo bereicherte, daß mit ihm in der Geſchichte der

Landwirthſchaft eine neue Periode in Deutſchland beginnt. In

neueſter Zeit iſt die landwirthſchaftliche Literatur ſehr reich ge-

worden, und die Verdienſte anderer Männer außer und nach

Thaer ſind darin ſehr groß5), ſowohl in Betreff der beſon-

deren Landwirthſchaft einzelner Gegenden, als auch der allge-

meinen Landwirthſchaftslehre, welcher jene als Grundlage dient,

da ſie auf beſondere Erfahrungen, Naturgeſchichte, Ma-

thematik, Phyſik und Chemie, beſonders der Agricultur-

chemie, d. h. die wiſſenſchaftliche Zuſammenſtellung der auf die

Landwirthſchaft anwendbaren chemiſchen Grundſätze, geſtützt iſt6).

¹ Reynier, de l'économie publ. et rur. des Arabes et des Juifs. Paris. 1820.

Derſelbe de l'économie p. et r. des Perses et Phéniciens. Paris. 1819. Der-

ſelbe de l'économ. p. et r. des Egyptiens et Carthaginois. Paris. 1823. Einen

Auszug des Landwirthſchaftlichen aus dieſen Schriften enthält Fr. Damance, die

Landwirthſchaft der alten Völker mit Ausſchluß der Römer, nach dem Franzöſiſchen

von Reynier frei bearbeitet, mit einer Vorrede von Rau. Heidelb. 1833. 8.

² Die scriptores rei rusticae, in verſchiedenen Ausgaben, Virgilii Georgica,

Varro de re rustica.

³ Anton, Geſchichte der deutſchen Landwirthſchaft. Görlitz 17991802.

III Thle. 8.

⁴⁾ Thaer, Einleitung zur Kenntniß der engl. Landwirthſchaft. Hannover

1801. II Thle. in III Bdn. (v. I. Bd. eine 3te Aufl. 1806.) Auch gehört hierher

J. N. Schwerz, Anleitung zur Kenntniß der belgiſchen Landwirthſchaft. Halle

1807–11. III Bde.

⁵⁾ Vorzügliche Literatur: Beckmann, Grundſätze der teutſchen Landwirthſch.

Göttingen 1769. 6te Ausg. 1806. Thaer, Grundſätze der rationellen Landwirthſch.

Berlin 1809–11. IV. 4. 2te Aufl. 1822. 3te Aufl. nach dem Tode des Verf.

1831. IV. 8. Gerike's prakt. Anleitung zur Führung der Wirthſchaftsgeſchäfte.

Herausgegeben von A. Thaer. Grätz 1806–7. III Bde. 8. Young's Annalen

des Ackerbaues, überſetzt von Riemer und Hahnemann. Leipzig 1790–1802.

III Bde. 8. Sturm, Lehrbuch der Landwirthſchaft. Jena 1819–21. II Bde.

Burger, Lehrbuch der Landwirthſchaft. Wien 1819–21. II Bde. 3te Auflage.

1830–31. Trautmann, Verſuch einer wiſſenſchaftlichen Anleitung zum Studium

der Landwirthſchaft. 3te Aufl. Wien 1822. II Bde. Schwerz, Anleitung zum

praktiſchen Ackerbau. Stuttgart 1823–32. III Bde. Kreyſſig, Handbuch zu

einem natur- und zeitgemäßen Betriebe der Landwirthſchaft. Königsberg 1824–26.

[163/0185]

⁵⁾ VI Bde. Loudon, Encyclopädie der Landwirthſchaft. Weimar 1828–30. II Bde.

Geier, Lehrbuch der Landwirthſchaft. Sulzbach 1828 (kurz). Koppe, Unterricht

im Ackerbau und in der Viehzucht. Berlin 1829–31. III Bde. A. Block, Mit-

theilungen landwirthſchaftlicher Erfahrungen. Breslau. I. 1830. II. 1832. 4.

Pabſt, Lehrbuch der Landwirthſchaft. Darmſtadt. I. 1832. J. E. v. Reider,

Lehrbuch der Landwirthſchaft. Leipzig 1833. Eine ganz vollſtändige Angabe der

Literatur bis a. 1822 enthält Weber Handbuch der öconomiſchen Literatur. Berlin

1803–1823. 8. V Bde. Außerdem mehrere Zeitſchriften Landwirthſchaftlicher

Vereine in Deutſchland.

⁶⁾ Die Agrikulturchemie v. Chaptal, überſ. von Eiſenbach. II. Stuttgart

1824. Die Agrikulturchemie von Davy, überſetzt von Wolf. Berlin 1814. Die

Agrikulturchemie von Hermbſtädt. Grundſätze der Agrikulturchemie v. Schübler.

2 Thle. 1832.

Erſtes Hauptſtück.

Landwirthſchaftliche Gewerbslehre.

§. 133.

Die landwirthſchaftliche Gewerbslehre ſtellt ſyſtematiſch die

Grundſätze und Regeln dar, wie an ſich, ohne Bezug auf aus-

ſchließlichen zuſammenhängenden Betrieb die Mittel zur zahmen

Pflanzen- und Thierzucht am beſten hergerichtet, die Pflanzen und

Thiere am zweckmäßigſten behandelt, und ihre Erträge am beſten

eingezogen und aufbewahrt werden. Sie zerfällt daher in die

Landbaulehre und Thierzuchtlehre. Jene theilt ſich in die

Feldbaulehre und Gartenbaulehre. Aber ſowohl dieſe bei-

den, als auch die Lehre von der Thierzucht beruhen auf allge-

meinen Grundſätzen und Regeln, welche bei jeder Art von Feld-

und Gartenbau und Thierzucht vorkommen, und auf beſonderen

Grundſätzen und Regeln, welche nach den zu pflegenden und zu

ziehenden Gegenſtänden, Pflanzen und Thieren verſchieden ſind.

Daher hat jede einen allgemeinen und einen beſondern Theil.

Erſter Abſatz.

Die Landbaulehre.

Erſtes Stück.

Die Feldbaulehre.

Erſte Unterabtheilung.

Allgemeine Feldbaulehre.

§. 133. a.

Die allgemeine Feldbaulehre1) hat von der Beſchaffen-

heit und den Beſtandtheilen des Bodens (Agronomie, Boden-

11*

[164/0186]

kunde), von der Zurichtung des Bodens zum Feldbaue (Agri-

kultur, Bodenbearbeitung), von der Behandlung der Feld-

pflanzen (Pflanzenbau, Pflanzenpflege, Pflanzenkultur),

und von der Ernte und Aufbewahrung der Pflanzen und ihrer

Theile, im Allgemeinen zu handeln.

¹ Sinclair, Grundgeſetze des Ackerbaues, aus dem Engliſchen überſetzt von

Ritter v. Schreibers. Wien 1819. Fiſcher, Naturgeſetze des Feldbaues mit

wenig Stalldünger und ohne Sommerbrache. Wien 1830. Schönleutner, Theorie

des Ackerbaues. München 1830. Kreyſſig, Ackerbeſtellungskunde. II Thle. Leipzig

1832. Die angeführten Lehr- und Handbücher.

I. Die Bodenkunde oder Agronomie.

§. 134.

1) Der Boden als Bedingung des Pflanzenwachsthums.

Die Bodenkunde1), als Grundlage des ganzen künſtlichen

Pflanzenbaues, lehrt die Eigenſchaften, Theile, Miſchungsverhält-

niſſe und den Einfluß des urbaren Bodens auf das Wachsthum der

Pflanzen. Der Boden bedingt das Pflanzenwachsthum:

1) Chemiſch, indem er ihnen mit ſeinen Beſtandtheilen theils

ſelbſt zur Nahrung dient, dann aber ſtets die chemiſche Zerſetzung

der in ihm enthaltenen Nahrungstheile der Pflanzen bewirkt und

zuführt, und ihnen den zu ihrem Gedeihen nöthigen Grad von

Wärme gibt. Denn die Nahrungstheile der Pflanzen beſtehen aus

Luft, die der Boden aus der Atmosphäre anzieht, aus Waſſer,

welches der Boden enthält, aus Kohlenſäure, welche der Boden

bereitet, und aus Beſtandtheilen des Bodens ſelbſt, z. B. Salzen.

Die allgemeinen Bedingungen der Entwickelung der Pflanzen ſind

jene eines chemiſchen Proceſſes, nämlich Wärme, Luft und Feuch-

tigkeit, in mäßigem Zutritte.

2) Mechaniſch, indem er ihnen durch ſeine Feſtigkeit die

nöthige Haltung für die Wurzeln und den Stamm gibt.

¹ Hundeshagen, die Bodenkunde in land- und forſtwirthſchaftlicher Hin-

ſicht. Tübingen 1830. Koppe Unterricht II. Buch. Bd. I. S. 105. Burger

Lehrbuch (neue Ausg.). I. S 12. Geier Lehrbuch. S. 2. Thaer engliſche

Landwirthſchaft. I. 76. Trautmann Landwirthſchaft. I. S. 261. Thaer ration.

Landwirthſchaft. II. 43. v. Reider Lehrbuch. §. 27. Schübler, Ueberſicht der

für die Vegetation wichtigſten phyſiſchen Eigenſchaften der Erdarten. Stuttg. 1821.

Auch in Fellenbergs landwirthſchaftlichen Blättern. V. S. 5. Thaer Annalen

der Fortſchritte der Landwirthſchaft. I. 363. III. 384. Deſſelben Möglin.

Annalen. IV. 110. XXVII. 163. 199. XXIX. 440. Ueber Pflanzenmoder. XXIX.

212. Ueber Humus ſ. auch Thaer Annalen der Fortſchritte der Landwirthſchaft.

III. 485. Ueber Wichtigkeit des Waſſers im Ackerbau Thaer Möglin. Annalen.

XX. 59. Annalen des Ackerbaues. IX. 442. 446. Schnee, Landwirthſch. Zeitung.

I. 2. (Geonomie). XI. 100 (Humus). Schwerz Anleitung. I. 4.

[165/0187]

§. 135.

2) Der Boden, nach ſeinen Beſtandtheilen und

Eigenſchaften.

Die urbare Erde oder die Ackerkrume, welche zum Pflanzen-

baue hergerichtet wird, hat verſchiedene Beſtandtheile, und dieſe

haben verſchiedene Eigenſchaften an ſich und in Bezug auf das

Pflanzenwachsthum, alſo in Bezug auf ihr Verhalten zur Wärme,

Luft und Feuchtigkeit. Jene Beſtandtheile ſind:

1) Erdarten, d. h. einfache, unzerlegliche, weiße, pulver-

förmige, im Feuer unſchmelz- und unzerſtörbare, im Waſſer mei-

ſtens unauflösliche Körper. Davon kommen in der Ackerkrume vor:

a) Die Kieſelerde, welche nie rein vorkommt, aber ent-

weder im feinſten pulverigen Zuſtande oder als Sand. Reine

trockene Kieſelerde hält auf 100 Theilen 250–280 Theile Waſſer.

Der Sand, d. h. ein kleines glänzendes Körnchen, das beim Aus-

waſchen der Erdart niederſinkt und das Waſſer nicht trübt, hält

nach Schübler 25–29% Waſſer, im feinen Zuſtande; aber nur

0,2–9,25 % im gröberen Zuſtande; läßt es am ſchnellſten wieder

fallen, trocknet ſchnell aus, und zieht aus der Atmosphäre keine

Feuchtigkeit an. Seine Wärme haltende Kraft iſt 0,950 nach

Schübler, jene des Kalkſandes = 1000 angenommen.

b) Die Thonerde, welche nie rein vorkommt, aber ſich in

jedem Boden findet, und rein gewonnen 400% Waſſer hält und

behält; im Boden kommt ſie als eine verſchieden gefärbte Erdart

vor, welche mit Waſſer einen formbaren Teig bildet, beim Um-

rühren des Bodens im Waſſer dieſes trübt, und bei behutſamem

Abgießen damit abfließt. In dieſer Geſtalt heißt ſie Thon. Er

hält nach Schübler 70% Waſſer, ohne es fahren zu laſſen; iſt

am feſteſten unter den Erden, und läßt nicht halb ſo viel Waſſer

verdünſten, als der Sand; zieht viel Feuchtigkeit aus der Luft an,

nämlich in 48 Stunden 0,048, und verbindet ſich mit ihrem Sauer-

ſtoffe, nämlich mit 0,153 in derſelben Zeit, wo der Kalk 0,108

abſorbirt; ſeine Wärme haltende Kraft iſt = 0,667 nach Schübler;

er verliert durch Austrocknen 0,183 an Volumen nach Schübler.

c) Die Kalkerde, welche einen Laugengeſchmack hat und im

Waſſer auflöslich iſt. Der Kalk kommt mit Sand, Thon und mit

organiſcher Materie in Verbindung vor, fließt bei der Auswa-

ſchung der Ackerkrume mit dieſen ab, während er mit Sand nieder-

fällt und nur durch eine Säure von ihm getrennt werden kann;

er zieht im ätzenden Zuſtande das Waſſer aus der Atmosphäre

leicht an und zerfällt dabei in ein weißes zartes Pulver; er ver-

[166/0188]

ſchluckt, ohne naß zu werden, von aufgetröpfeltem Waſſer 0,309,

und es entwickelt ſich dabei viel Wärme; mit mehr Waſſer gibt er

den gelöſchten Kalk; in dieſem Zuſtande verliert er verhärtend

das Waſſer bald wieder. Er kommt vor als kohlenſaurer Kalk

(Kalk+Kohlenſäure+Kryſtalliſationswaſſer) und als ſchwe-

felſaurer Kalk, Gips genannt (Kalk+Schwefelſäure+

Kryſtalliſationswaſſer). Jener, gewöhnlich Kalk genannt, iſt im

Feuer nicht ſchmelzbar, aber dieſer, der dagegen nur wenig im

Boden vorkommt. Jener braust beim Begießen mit Säure auf,

denn es entweicht die Kohlenſäure in Bläschen. Aus ihm entſteht

die Kalkerde, wenn ſich durch Erhitzung das Kryſtalliſationswaſſer

verflüchtigt hat und die Kohlenſäure entwichen iſt; die Kalkerde

hält nach Schübler 85, noch Burger 97–127% Waſſer, ver-

dünſtet es aber ſchneller als die Thonerde, jedoch langſamer als der

Thon, nämlich dieſer 313, jene 280 von 1000 Theilen Waſſer in

derſelben Zeit; dabei vermindert ſich ihr Volumen um 0,05 nach

Burger; zieht in 48 Stunden 0,035 Feuchtigkeit aus der Luft an,

und verbindet ſich mit 0,108 Sauerſtoff, während der Thon 0,153

abſorbirt; ihre Wärme haltende Kraft iſt = 0,618 nach Schübler.

d) Die Bittererde oder Talkerde; ſie nimmt nach Burger

im trockenen, von Kohlenſäure befreiten Zuſtande 380–400%

Waſſer auf, verflüchtigt im Trocknen daſſelbe bis auf 40%, die

aber bei 40° Wärme ſich noch nicht verflüchtigen; ihr Zuſammen-

hang iſt gering, aber ſie bildet auch mit Waſſer keinen zähen

Teig; ſie kommt im Boden nur als kohlenſaure Bittererde vor

(Bittererde + Kohlenſäure + Waſſer); ihre Waſſer haltende

Kraft iſt nach Schübler = 456, nach Burger = 546; ihre

Cohäſionskraft iſt nach Schübler = 0,118, jene der kohlenſauren

Kalkerde = 0,050, was jedoch Burger für unrichtig erklärt; ſie

verdünſtet von 1000 Theilen 313 Theile Waſſer, und verliert da-

bei 0,154 ihres Volumens; ſie zieht in 48 Stunden 0,110 Feuch-

tigkeit aus der Luft an, und abſorbirt nach Schübler in 30 Tagen

17% Sauerſtoffgas aus der Luft; ihre Wärme haltende Kraft iſt

0,380 nach Schübler.

§. 136.

Fortſetzung.

2) Metalle, d. h. einfache unzerlegliche, eigenthümlich glän-

zende, verſchiedenfarbige, dehnbare und eigenſchwere Körper. Von

ihnen kommt in der Ackerkrume nur das Eiſen allgemeinhin vor,

und zwar a) als Eiſenoxyd (Eiſenkalk, Ocher), d. h. als ein

erdartiger pomeranzengelber, brauner oder ſchwarzer, geruch- und

[167/0189]

geſchmackloſer, im Waſſer auflöslicher und im Feuer für ſich un-

ſchmelzbarer Körper; b) als ſchwefelſaures Eiſen in unter

Waſſer ſtehenden und naſſem Boden; c) als kohlenſaures Ei-

ſen in Torf- und Moorboden.

3) Salze, d. h. im Allgemeinen in Waſſer auflösliche und

Geſchmack habende Körper, insbeſondere aber jene Verbindungen

von Säuren, Erden, Laugenſalzen oder Metallen, die in 500

Theilen Waſſer ſich auflöſen. Es gibt ungemein viele Salze. Für

den Landwirth ſind hauptſächlich die ſchwefel- und ſalpeter-

ſauren Salze wichtig, weil ſie eine reitzende Wirkung auf die

Pflanzen haben.

4) Organiſche Materie im Zuſtande der Zerſetzung oder

Fäulniß. Dieſe geht um ſo ſchneller vor ſich, je zuſammengeſetzter,

und um ſo langſamer, je mehr mit erdigen und metalliſchen Thei-

len gemiſcht jene iſt. Sie findet auch unter mäßigem Zutritte von

Luft, Feuchtigkeit und Wärme Statt. Iſt die Zerſetzung ganz

vollendet, dann iſt das Produkt der Humus (Moder), d. h. ein

ſchwarzgraues leichtes lockeres Pulver, das im Feuer verbrennt,

ſtets in Laugenſalzen, nicht immer aber in Waſſer ſich auflöst,

nämlich nur dann, wenn es mit Sauerſtoff verbunden iſt. Er hält

190 bis 200% Waſſer; verdünſtet von 1000 Theilen Waſſer 108

Theile nach Schübler; ſeine Wärme haltende Kraft iſt = 0,49

nach Schübler, aber 0,72 nach Crome; verliert beim Verdün-

ſten des Waſſers 0,1 an Volumen; hat weniger Cohäſion als die

Bittererde; ſaugt in 48 Stunden auf 1000 Theile 110 Theile

Waſſer aus der Luft, und in 30 Tagen 0,203 Theile Sauerſtoff

der Luft, und es bildet ſich durch dieſen in Verbindung mit ſeinem

Gehalte an Kohle die kohlenſaure Luft; er erwärmt und entwärmt

ſich ſehr ſchnell. So weit der Humus in der oberſten Erdſchicht

geht (§. 85.), heißt ſie die Dammerde.

§. 137.

3) Der Boden nach ſeinen Miſchungsverhältniſſen.

Nach der verſchiedenen Miſchung dieſer Beſtandtheile in der

Ackerkrume unterſcheidet man alſo folgende Bodenarten:

1) Thonboden, d. h. ein Boden, welcher wegen ſeiner Fe-

ſtigkeit nur ſchwer gepflügt werden kann, das Waſſer bis zur

Sättigung in ſich aufnimmt, alsdann über ſich ſtehen läßt, ſehr

langſam trocknet, dann ſich ſehr zuſammenzieht, ſogar zerſpringt

[168/0190]

und bis zur Unmöglichkeit des Aufpflügens von einem tüchtigen

Regen verhärtet1).

2) Sandboden, d. h. ein Boden, welcher durch geringen

Thongehalt im feuchten Zuſtande etwas zuſammenhängt, aber beim

Trocknen ſogleich wieder zerfällt2).

3) Kalkboden, d. h. ein Boden, welcher mehr als 2 bis

75% Kalk enthält, alſo die Eigenſchaften des Kalks (§. 136.) in

verſchiedenen Graden äußert, indem er mehr oder weniger, ſtets

aber mehr Waſſer als der Thonboden, in ſich aufnimmt, und es

geſchwinder fahren läßt, und bei geringerer Cohäſion wegen ſeiner

Fähigkeit, aus der Luft Feuchtigkeit aufzunehmen und an ihr

zu zerfallen, weniger Wärme nimmt und hält, als der Thon-

boden3).

4) Humusboden. Derſelbe enthält auflöslichen Humus,

und wird, wenn er über 50% Thon, Lehm und Sand hat,

thoniger, lehmiger und ſandiger Humusboden genannt; oder er

enthält größtentheils unauflöslichen, verkohlten, überſauern Humus;

oder endlich größtentheils unauflöslichen, faſerigen, vegetabiliſchen

Stoff, und iſt dann in Torf- und Moorboden zu unterſcheiden.

¹ Er heißt Letten-, Lehm- oder Klaiboden, nach dem ſteigenden Grade

ſeines Zuſammenhanges von der Zerreiblichkeit bis zur mühevollen Zerſchlagbarkeit

der Schollen. Man unterſcheidet a) den humpſen Thonboden mit 10–12%

Humus, 4–5% Kalk, 10% Sand und dem Reſte Thon; b) humoſen ſtren-

gen Boden mit 8–9% Humus, 4% Kalk und 6% Sand; c) reichen

Mergelboden mit 4% Humus, 36% Kalk und 22% Sand; d) humoſen

(loſen) mergeligen Boden mit 27% Humus, 10% Kalk und 49% Sand;

e) Mergelboden mit 2% Humus, 12% Kalk und 30% Sand; f) Thon-

boden mit 2% Humus und 38% Sand ohne Kalk; g) reichen Thonboden

mit 4% Humus, 2% Kalk und 36% Sand; h) Lehmboden, an Thon und

Sand ziemlich gleichhaltig, oder 50% Sand und 2% Humus; i) humoſen

Lehmboden mit mehr als 8% Humus; k) mergeligen Lehmboden mit

mehr als 4% Kalk; und l) ſandigen Lehmboden, mit nicht über 25% Thon.

² Iſt der Sand ganz fein, dann heißt er Flugſand, iſt er grob und ſtei-

nig, dann heißt er Grand- oder Schuttboden. Je nach der Miſchung mit

Thon gibt es: a) lehmigen Sandboden mit 14–18½, aber nicht über

25% Thon, 85 oder 80% Sand, und 1 bis 1½% Humus; b) Sandboden

mit 2–9%, aber nicht über 10% Thon und ½-1% Humus; c) humoſen

Sandboden mit mehr als 6% Humus.

³ Er heißt Kalkboden bei mehr als 75% Kalk; Mergel bei 1075%

Kalk; und kalkhaltig bei mehr als 2%, aber nicht über 10% Kalk. Ander-

wärts unterſcheidet man auch: a) thonigen Kalkboden mit mehr als 50%

Thon; b) lehmigen Mergelboden mit mehr als 30% bis 50% Thon;

c) ſandigen Lehm-Mergelboden mit mehr als 20% bis 30% Thon;

d) lehmigen Sand-Mergelboden mit mehr als 10% bis 20% Thon;

und e) humoſen Mergelboden mit mehr als 20% Humus.

[169/0191]

§. 138.

4) Der Boden nach ſeinen verſchiedenen Klaſſen.

Wegen der unendlichen Manchfaltigkeit der Miſchungsverhält-

niſſe und Eigenſchaften des Bodens wird es für die Landwirthſchaft

nöthig, denſelben nach den häufigſten Vorkommniſſen in Klaſſen

einzutheilen. Die Aufſtellung ſolcher Klaſſen heißt Klaſſifi-

zirung; das Einreihen eines gegebenen Bodens in eine beſtimmte

Klaſſe dagegen Klaſſirung1). Man unterſcheidet am beſten die

phyſiſche (natürliche) und die wirthſchaftliche Klaſſifizirung.

Jene richtet ſich nach den Beſtandtheilen und Miſchungsverhält-

niſſen des Bodens (§. 135–137.); dieſe aber nach allen Umſtänden,

welche den Ertrag des Bodens bleibend beſtimmen, und fußt daher

zuerſt auf der phyſiſchen Klaſſifizirung. Man hat daher bei der

Bodenklaſſifizirung folgende Punkte zu berückſichtigen: 1) Die

Beſtandtheile und Miſchungsverhältniſſe; 2) die Tiefe der Acker-

krume, ſowohl wegen der mechaniſchen als auch chemiſchen Unter-

ſtützung der Pflanzen (§. 134.); 3) den Untergrund, weil, wenn

derſelbe die der Ackerkrume entgegengeſetzte Eigenſchaften hat, dies

auf dieſelbe günſtig oder ungünſtig zurückwirkt; 4) die Form der

Oberfläche, weil davon die Trockenheit und Näſſe des Bodens,

Abſchwemmungen, Bergſtürze u. dgl. abhängen, abgeſehen von der

Schwierigkeit der Bearbeitung; 5) die phyſiſche Lage, und 6) die

klimatiſchen Verhältniſſe, weil davon die Kälte, Wärme, Trocken-

heit, Feuchtigkeit der Lage, das Ausgeſetztſein gegen Fröſte,

Winde u. dgl. abhängt; 7) die Lage zum Wirthſchaftshofe, wegen

der Aufſicht, der Arbeitskoſten und Zeitverſäumniſſe; 8) die Frei-

heit oder Beſchränktheit der Benutzung; 9) das Verhalten bei der

Bearbeitung; 10) die Hauptfrüchte und thunliche Fruchtfolge;

11) die Folgen früherer Cultur; 12) die gewöhnliche Benennung

des Bodens2); 13) den Düngungszuſtand und Bedarf; 14) die

erforderliche Einſaat an den Hauptfrüchten für den Boden; 15) den

durchſchnittlichen Ertrag bei üblicher Bewirthſchaftung3).

¹ Thaer, Ausmittelung des reinen Ertrags productiver Grundſtücke. §. 14.

Thaer, Ueber große und kleine Wirthſchaften und Werthſchätzung des Bodens.

S. 93. Block Mittheilungen. I. 392. Thaer, Möglin. Annalen. IX. 158.

Deſſelben ration. Landwirthſch. II. 141. v. Flotow, Anleitung zur Fertigung

der Ertragsanſchläge. I. §. 26. Koppe Unterricht. I. S. 105 Auch gehören

hierher die offiziellen Klaſſificationen in verſchiedenen Staaten und Landſchaften.

² Dieſelbe verändert zwar den Bodenertrag nicht; allein bei einer brauchbaren

Klaſſifizirung iſt ihre Berückſichtigung von Wichtigkeit.

³ Die wirkliche Durchführung einer Klaſſification würde hier zu viel Raum

einnehmen.

[170/0192]

II. Bodenbearbeitungslehre oder Agricultur-

lehre.

A. Von der Bodengeſtaltung (mechaniſchen Agricultur).

§. 139.

1) Urbarmachen des Bodens.

Ehe man die Pflanzgeſchäfte anfangen kann, muß der Boden

zur Pflanzung tauglich d. h. urbar gemacht ſein. Das Urbar-

machen1) kann auf zwei Arten geſchehen, nämlich:

1) Durch Hinwegräumung der auf und in dem Boden vor-

handenen Hinderniſſe des Pflanzenbaues überhaupt. Die auf die-

ſem Wege beurbarten Felder heißt man Neubrüche, Neureuden

oder Roden. Unter die hinwegzuräumenden Hinderniſſe gehören:

a) Bäume und große Sträuche, die man durch kahles Ab-

treiben, durch das Schwenden, d. h. die Tödtung des Baumes

durch Ablöſung eines großen Stückes Rinde am Boden, und durch

das Ausroden hinwegbringt; b) kleine Sträuche, z. B. Hei-

den und Ginſter, die man durch Abmähen und Aufbrechen des

Bodens vertreibt2); c) Flugſand, der nachbarliche Felder zu

bedecken droht, und hieran dadurch verhindert wird, daß man die

Sandflächen in einiger Entfernung von ihrem Ende von der Wind-

ſeite (N. W.) her mit Reiſig bedeckt oder Zäune pflanzt3);

d) große loſe und feſtſitzende Steine, die man durch Ab-

fahren und Sprengen entfernt4); e) ſtehendes Waſſer, welches

nur entfernt werden kann, wenn man ſeine Urſachen kennt. Dieſe

ſind entweder nahe gelegene Gewäſſer, oder unterirdiſche Quellen,

oder Zufließen des Waſſers von Anhöhen auf Flächen und in Ver-

tiefungen. Man kann ſolchen Boden entwäſſern (entſümpfen) durch

Dämme und Ableitungsgräben an den Gränzen des Feldes, durch

Abzugsgräben auf der ſumpfigen Fläche ſelbſt, die man bald über-,

bald unterirdiſch anlegt, oder endlich durch Ausfüllen von Ver-

tiefungen, wenn dieſe nicht gerade ſchon von Natur dazu dienen,

den Boden zu entſümpfen5).

2) Durch Umwandlung einer bisher benutzten Ackerfläche, z. B.

Wieſe, Weide u. dgl. zu anderen Nutzungen. Mürber, leichter

Boden kann ſogleich nach dem Umbruche beſäet werden, unter

Vorausſetzung hinlänglicher vegetativer Kraft. Aber feſter, bün-

diger, ſtark bewurzelter Boden wird erſt durch Verbrennung der

Grasnarbe und Unterackerung der Aſche urbar6). Zum Verbren-

nen iſt jedoch das Abſchälen des Raſens und das Zuſammenſetzen

deſſelben in größere Haufen erforderlich, ſo daß nach demſelben die

[171/0193]

Vertheilung der Aſche erſt geſchieht. Einerſeits verflüchtigt es

zwar viele Nahrungstheile, aber anderſeits zerſtört es die ſchädliche

Grasnarbe plötzlich, macht den Thonboden thätiger, und nimmt

ihm etwas von ſeiner hartnäckigen Waſſerhaltung. Denn das

Product der Verbrennung iſt Aſche, gebrannter Kalk, Gyps und

Salze7).

¹ Ueber das Urbarmachen überhaupt ſ. m. Burger Lehrb. I. 247. Traut-

mann Landwirthſch. L. I. 280. Schwerz belg. Landwirthſch. III. 297. 369.

Thaer ration. Landwirthſch. III. 105. Koppe Unterricht. II. 3.

² Ueber Urbarmachung des Heidebodens ſ. m. Thaer Annalen der niederſächſ.

Landwirthſch. IV. Jahrg. Stück 2. S. 271. Deſſelben Annalen des Ackerbaues.

II. 479 (auch von jener der Torfmoore). Schnee, Landwirthſch. Zeitung. II. 338.

Ueber die Maſchine zum Fortſchaffen der Erde von Poirier Gilberdrie ſ. m. eben-

daſelbſt. V. 325.

³ Thaer ration. Landwirthſch. III. 123. Man hat auch wegen Bildung

einer Grasnarbe ſchon, im Sande wachſende, Gräſer zu pflanzen, oder ihn mit

Fichtenreiſern mit den Aepfeln zur Beſaamung zu bedecken anempfohlen. S. auch

Schnee Landwirthſch. Zeitung. VI. 93.

⁴⁾ Jetzt erkennt man die kleinen Steine auch allgemein als ein Hinderniß an,

weil ſie den Boden loſe machen, austrocknen, das Pflanzenwachsthum verhindern,

die Bodenbearbeitung erſchweren und die Ackergeräthe verderben. Burger Lehrb.

I. 79. Koppe Unterricht. II. 6. Schnee Landwirthſch. Zeitung. XI. 425.

⁵⁾ Ueber Entſümpfungsanlagen ſ. m. Thaer engl. Landwirthſchaft. I. 221.

II. 1. 11. Deſſelben ration. Landwirthſch. III. 144. Young, The farmers

Calender. (Lond. 1805. VI. Edit.) p. 28. 35. 546. (Underdraiming, engl.)

Thaer Annalen des Ackerbaues. V. 689. Ueber eine durch den Wind bewegte

Entwäſſerungsmaſchine, ebendaſ. VIII. 30. Thaer Möglin. Annalen. XI. 109.

Zum Ziehen der Gräben hat man auch eigene Pflüge (Drain-, Trenching-, Schnitt-

oder Waſſerfurchen-Pflüge). ſ. §. 140. Note 5. Ueber Entwäſſerung ſ. auch Fel-

lenbergs Landwirthſch. Blätter. V. 154. Schnee Landwirthſch. Zeitung. XIII.

194. 259. 391. XIV. 29. 80.

⁶⁾ S. oben Note 2. Young, The farmers Calender. 75. 171. 286. 376. 417.

sinclair Grundgesetze. S. 283. Thaer engl. Landwirthsch. I. 185. (engl.

Paring, Burning, sodburning.) Koppe, Schmalz, Schweitzer und Teich-

mann, Mittheilungen aus dem Gebiete der Landwirthſchaft. I. 194. III. 251

(Brennen der Wieſen). Thaer Annalen des Ackerbaues. III. 748. Man bedient

ſich zum Abſchälen des Raſens eines eigenen Abſchälepflugs und der ſogenannten

Bruſtſchaufel. (Thaer Annalen des Ackerbaues. III. 764. Deſſelben Annalen

der niederſächſ. Landwirthſch. Jahrg. IV. Stück 2. S. 388.) Das Abbrennen ganzer

Waldungen geſchieht noch in Amerika; man haut die Bäume 3 Fuße über dem

Boden ab und zündet die Stumpen an. Solcher Boden ſoll 20–30 Jahre ohne

Dünger fruchtbar ſein. (S. Extracts of Lettres from Poor Persons, who emi-

grated to Canada. Lond. 1831. p. 17. 18. Quart. Review. Tom. 46. p. 367.

Schnee, Landwirthſch. Zeitung. I. 44. 449 (Plaggenhauen). IX. 37 (Raſen-

brennen). XV. 249. André Oeconom. Neuigkeiten. 1815. No. 29.)

⁷⁾ Davy Agrikulturchemie. S. 400. Schwerz belg. Landwirthſch. III. 360.

§. 140.

2) Weitere Bearbeitung des Bodens. a) Ackergeräthe.

Die Vorrichtung des Bodens zur Anpflanzung nach vollendeter

Beurbarung bezweckt die Lockerung, Befeſtigung, Wendung, Rei-

[172/0194]

nigung, Ebenung und Mengung der Ackerkrume. Man bedient ſich

dazu folgender Werkzeuge (Ackergeräthe)1):

A. Der ganz einfachen Hacken oder Hauen, Schaufeln oder

Spaten.

B. Der Eggen, mit hölzernen oder eiſernen Zähnen2).

C. Der Walzen, von Holz, Stein oder Eiſen3).

D. Der zuſammengeſetzteren Pflüge. Folgende Ueberſicht er-

leichtert ihre Unterſcheidung:

1) Der eigentliche Pflug. Man unterſcheidet an ihm:

a) die Schaar, d. h. das ſchaufelförmige, wagerecht ſtehende

und vorne am Pfluge angebrachte Eiſen, in der Form eines gleich-

ſchenkeligen oder (beſſer) rechtwinkeligen Dreiecks; b) das Soh-

lenſtück (Pflughaupt), d. h. das auf dem Boden (Sohle)

gehende Holzſtück, an dem die Schaar befeſtigt iſt; c) den Grin-

del (Pflugbaum), d. h. das zunächſt über dem Sohlenſtücke mehr

oder weniger horizontal angebrachte Holz zur Richtung der Zug-

linie; d) die Griesſäule, d. h. das feſte Band zwiſchen den

beiden Lezteren in der Mitte zwiſchen der Schaarſpitze und dem

Ende des Sohlenſtücks; e) den Sterz (die Handhabe), d. h. ein

oder zwei am hinteren Ende des Pflugs in die Höhe, krumme

auswärts ſteigende Hölzer zur Leitung des Pfluges; f) das

Streichbrett, d. h. ein bald feſtes bald bewegliches, an einer

oder an beiden Seiten des Pfluges gegen den Sterz zu vom Pfluge

ſchief abſtehendes, bald gekrümmtes bald gerades Brett, von dem

die Umwendung der Scholle abhängt; g) das Sech, d. h. ein

ſenkrecht abwärts dicht von der Schaarſpitze aus dem Grindel ab-

ſteigendes eiſernes Meſſer, das den Boden ſenkrecht aufſchneidet

und ſo der Schaar den Weg bahnt; endlich h) das Vorderge-

ſtell, d. h. ein vorne am Pfluge angebrachtes zwei- oder einräderi-

ges Geſtell oder auch eine bloße Schleife (Stelze) zur Erleichterung

der Bewegung und Haltung des Pfluges. Man unterſcheidet nun

nach dem verſchiedenen Vorhandenſein dieſer Pflugtheile die

Schwingpflüge (ohne Vordergeſtell), die Stelzen- und Rä-

derpflüge, die Wendepflüge (mit verſetzbarem [beweglichem]

Streichbrette), die Doppel- oder Leitenpflüge (zwei mit ein-

ander verbundene Pflüge, von welchen man abwechſelnd beim Hin-

und Herfahren den Einen und Andern gebraucht)4).

2) Die Hackenpflüge (Hacken, Aadl), d. h. Pflüge mit

einer Schaar, die ein gleichſchenkeliges Dreieck bildet, mit zwei

aufwärts gekrümmten Streichbrettern, und in der Regel ohne

Sech5).

[173/0195]

3) Die Reinigungspflüge (Cultivatoren). Es gehören

hierher:

a) Die Skarrifikatoren (Schröpfer, Aufkratzer), welche

blos mit mehreren ſcharfen Meſſern (Sechen) verſehen ſind6).

b) Reinigungspflüge mit mehreren größeren oder kleineren

Schaaren, nämlich:

α) Die Hobelpflüge (Entenfüße, engl. skim-ploughs),

mit platten Schaaren.

β) Die Wühlpflüge (Rührpflüge, engl. skuflers), mit

konvexen schaaren; hierher gehören:

a) Die Pferdehacken (engl. Horse-hoes), d. h. Wühl-

pflüge, die ſo ſchmal und mit drei in einem gleichſeitigen Dreiecke

ſo gegeneinander geſtellten Schaaren verſehen ſind, daß ſie zwiſchen

zwei Reihen von Gewächſen durchgezogen werden können7).

b) Die Exſtirpatoren, d. h. breitere mit ſieben bis dreizehn

in zwei Reihen angebrachten Schaaren verſehene Rührpflüge8).

4) Die Drillmaſchinen, d. h. verſchiedenartig conſtruirte

Ackergeräthe zur Ziehung der Furche, regelmäßigen Einlage der

Saat, und zum hinreichenden Bedecken derſelben9).

¹ Beſchreibungen und Abbildungen der Ackergeräthe, ausgenommen in landw.

Zeitſchriften und Monographien, vorzüglich bei Thaer Beſchreibung der nutzbarſten

neuen Ackergeräthe. 3 Hefte. Hannover 1805–1806. 4. und W. Bailey Beſchrei-

bungen der nützlichen Maſchinen und Modellen, welche in dem Saale der zur Auf-

munterung der Künſte c. errichteten Geſellſchaft aufbewahrt werden. Aus d. Engl.

überſetzt von J. K(ennedy). München (ohne Jahrszahl). gr. 4. Kap. 1–12.

oder S. 1–82. Kürzere Beſchreibungen ohne Abbildungen in Trautmann

Landw. L. I. 336. (mit vieler, zweckmäßig gewählter Literatur); Burger Lehrb.

I. 200. Koppe Unterricht. II. 49. Thaer ration. Landwirthſchaft. III. 10.

Deſſelben engl. Landwirthſch. I. 191. 418. und andere. Ueber die Wichtigkeit

guter landwirthſch. Maſchinen ſ. Thaer Möglin. Annalen. XVII. 474. Schnee

Landwirthſch. Zeitung. III. 121. André Oeconom. Neuigkeiten. No. 48.

² Die Form der Eggen iſt ſehr verſchieden. Man unterſcheidet die Triangu-

lar- und die viereckige franzöſiſche Eggen, die Vöſendorfer Neuriß- und Flügeleggen,

die belgiſche Eggen, die ſchottiſche Rhomboidaleggen, die Schlangeneggen (Thaer

engl. Landwirthſchaft. I. 255. Deſſelben Annalen des Ackerbaues. VIII. 551.

Schwerz belg. Landwirthſchaft. I. 91. Deſſelben Mittheilungen. S. 168.).

Eggen mit vorwärts gekrümmten Zinken, Quecken- und Straucheggen. Nach

Trautmann findet man auch Beſchreibungen davon in Mehlers Ackergeräth-

ſchaften. I. u. II. Sammlung. (Dresden 1794. 8.) Hierher gehört auch das Ge-

ſchlecht der Harken. Schnee Landw. Zeitung. XIII. 151. (ungar. Eiſeneggen).

³ Die Walzen ſind manchmal auch eckig und mit Stacheln verſehen. Daher

unterſcheidet man auch Stachelwalzen, Keilwalzen (von Gericke), canellirte und

Räderwalzen. Die belgiſche Walze iſt ſehr gut. Auch kennt man in Belgien ein

anderes Werkzeug, das man Schleife nennt (Schwerz belg. Landw. I. 93.),

ferner ein ſogenanntes Mollbrett zur Ebenung des Bodens (Deſſelben Mit-

theilungen. S. 166.). Ueber Saverlands Libellirmaſchine ſ. Bailey S. 116.

⁴⁾ Beſchreibungen von Pflügen ſind zu finden bei Thaer Annalen des Acker-

baues I. 150 (Brandenburg.). III. 169 (Anſpach-Baireuth). II. 369 (Holſtein).

II. 661 (Thüringen). II. 351 (Bailey u. Small'ſche). IV. 326 (Baireuther

[174/0196]

⁴⁾ Voigtland). X. 562 (Baden). XII. 449 (Polen). XII. 577 (Brabant). V. 607

(Pf. mit dopp. Streichbrett). Schnee Landw. Zeitung. I. 16 (Doppelpflug von

Krebs). S. 5 (Stelzenpflug). S. 203 (der Brabanter Pflug). S. 554 (Toskan.

Pflug). III. 109 (Gray's Schwingpflug). V. 129 (Loeſchers Pflug). VI. 77

(3 ſchaar. Pflug von Deſſau c.). Die berühmteſten, von einander abweichenden, Pflüge

ſind: Der belgiſche, Arbuthnot', oder Small'ſche, Bailey'ſche, Guilleaums'ſche,

Dombasle'ſche, der Aargauer und Norfolker Pflug; und die Doppelpflüge von

Arbuthnot, Duckel, Sommerville, Krebs, und der Doppelpflug aus Leiceſter. Auch

ein ſechsfacher Pflug von Gees, und ein dreifacher von Ducket iſt in oben cit.

Beſchreib. von Bailey S. 17. 26. beſchrieben. Ueber den Calenberger Pflug ſ. m.

Thaer Annalen der niederſächſ. Landwirthſch. Jahrg. IV. Stück 3. S. 33.

⁵⁾ Zu dieſen gehört der flandriſche Cultivator, der belgiſche Streichhacken

(Schwerz belg. Landw. I. 94.), die böhmiſchen Hacken (nach Trautmann in

Mehler beſchrieben), der meklenburgiſche (Thaer Annalen des Ackerbaues. X. 382.),

der ſächſiſche (Koppe, Schmalz c. Mittheilung. III. 169.), liefländiſche, und der

ſchleſiſche Rühr-Hacken, die preuß. Zogge, der Karrhacken, und die Stagutte

(Thaer Möglin. Annalen. Supplem. X. 413.). Zum Theile hierher, zum Theile

in die Note 4. gehören die Schnittpflüge und die Furchenzieher, unter denen beſon-

ders Lamberts Maulwurfspflug, Gray's Waſſerfurchenpflug, die Draimpflüge von

Knowle und Makie, der Trenchingpflug des Herrn Ducket, der Heidepflug und

Diſtelſchneider von H. Ringroſe, der Drainpflug von Clarke, welche größtentheils

von Bailey beſchrieben ſind. S. auch Thaer Annalen der niederſächſ. Landw.

Jahrg. IV. Stück 2. S. 388. Schnee Landw. Zeit. XII. 62.

⁶⁾ Der Scarrificator von Joh. Winn. Baker iſt bei Bailey S. 146. beſchrie-

ben, die Cultivatoren des Herrn de Chateau Veaux S. 133. 134. Thaer Annal.

des Ackerbaues. III. 745. André Oeconom. Neuigkeiten. 1811. No. 55 (Fiſcher's

Eilpflug).

⁷⁾ Hierher gehört die ſchottiſche Pferdehacke, Wilkie's Pferdehacke mit einer

Egge, Lloyd's Pferdehacke mit einer Egge, welche man beide auch Exſtirpatoren

nennt: die Pferdehacke von H. Hewet zur Vertilgung von Unkraut, Abſchälung von

Waſen und Abſchürfen der Ameiſenhaufen, bei Bailey. Ueber den Schaufelpflug

ſ. m. Thaer Annalen des Ackerbaues. V. 607. IX. 565., deſſen Verbeſſerung durch

Thaer ebendaſ. II. 494. Ueber den leichten Anhäufelpflug (Kartoffelhacke) ebendaſ.

V. 607. IX. 564. Fellenbergs landw. Blätter. I. 85. III. 83. André Oeconom.

Neuigkeiten. 1814. No. 58 (Fiſcher's Cultivator).

⁸⁾ Thaer Annalen des Ackerbaues. I. 399. V. 608. VII. 293 (Ausquecker).

Rüder Landwirthſch. Zeitung. Jahrg. 1833. S. 56 (Scarrificator von Fleck).

S. 93 (Beatſons Schröpfer). André Oeconom. Neuigkeiten. 1811. No. 5. 1814. No. 44.

⁹⁾ Es gehört auch hierher die eigentliche Säemaſchine. S. über dieſe Drill-

maſchine §. 144. Ueber die Kleeſäemaſchine von Bieraki bei Thaer Möglin.

Annalen. VI. 615. XI. 277. Ueber eine Rübſaamen- und eine Kleeſaamen-Säe-

maſchine auch Fellenbergs landwirthſch. Blätter. III. 113. 116., Getreide-

ſäemaſchine IV. 139., die Hofwyler Säemaſchine V. 99. Ueber den Säepflug von

Arter ſ. m. die Vaterländ. Blätter. Jahrg. 1815. No. 63–65. Ueber Ugazy's

Säemaſchine André a. a. O. 1815. No. 30. 32. und über Jordan's Saategge.

1813. No. 60.

§. 141.

Fortſetzung. b) Bearbeitung mit dieſen Geräthen.

Das Ebnen und Reinigen des Bodens geſchieht mit der

Egge, Walze und den Reinigungspflügen1); das Befeſtigen

deſſelben durch die Walze2); das Lockern und Mengen vermit-

telſt der Eggen, Skarrifikatoren und Extirpatoren, wovon die bei-

den Lezteren ſo konſtruirt ſein müſſen, daß jedes Meſſer einen

beſondern Strich macht, was aber bei der Egge bewirkt wird,

[175/0197]

indem man den Zugpunkt ungefähr im 4ten oder 3ten Theile einer

der 4 Seiten derſelben anbringt. Ein hoher Grad von Schwere

und Bindigkeit des Bodens erfordert entweder eiſerne Eggenzähne,

ganz eiſerne Eggen oder die Anwendung der beiden anderen In-

ſtrumente3). Die Wendung des Bodens geſchieht mit den

Pflügen, deren Güte nach der Vollſtändigkeit ihrer Leiſtung be-

meſſen wird, welche darin beſteht, daß eine gleiche, gerade, reine

Furche gebildet und der abgeſchälte Erdſtreifen vollſtändig umge-

kehrt wird4).

¹ Ueber das Eggen und Walzen vorzüglich Thaer engl. Landwirthſch. I. 214.

Koppe Unterricht. II. 83., die in Note 3 des §. 142. cit. Schriften. Block Mit-

theilungen. I. 6. 12. Schnee Landw. Zeitung. IX. 332. und über Ackerbeſtellung

im Allgemeinen IX. 180. Man unterſcheidet das gerade- und krummlinige, und

bei jenem wieder das zwei-, vier- und ſechszähnige Eggen, je nachdem man blos

nach der Länge, nach der Länge und Quere, und nach dieſen beiden und noch ein-

mal nach der Länge das Feld übereggt. Die Wahl hierin trifft man nach der Art

und vorherigen Bearbeitung des Bodens. Man bedient ſich dazu am beſten der

Pferde, weil es ſchneller geht als mit Ochſen, deren Geſchwindigkeit ſich zu jener

der Pferde ungefähr dabei wie 2:4 verhält. Das Arbeitsmaaß im Eggen wechſelt

nach der Art deſſelben, nach der Art und Vorrichtung des Bodens, nach der Form

des Feldes, nach der Art der Zugthiere, nach der Breite und Schwere des Inſtru-

ments ſo wie des Ackers. Iſt die Diagonale der Egge 8', und die Breite des

Feldes 3° 2', alſo die Länge des preuß. Morgens 56° 2' 5'', ſo läuft dieſelbe

rund 169° (3x56° 2' 5'') lang bei einmaligem Ueberfahren, und braucht dazu,

wenn man 1000° auf 1 Stunde rechnet [FORMEL] Stunden oder 10½ Minuten,

und, wenn man 4½ Minuten fürs Umwenden und Putzen rechnet, ¼ Stunde

Zeit, folglich für 4 Morgen bei einmaligem Uebereggen 1 Stunde mit zwei Pferden.

Man kann daher in einem Tage

von 12 Stunden 48 Morgen 1 mal und 8 Morgen 6 mal übereggen.

11 " 44 " " " 7,3 " " "

10 " 40 " " " 6,6 " " "

9 " 36 " " " 6, " " "

8 " 32 " " " 5,3 " " "

7 " 28 " " " 4,6 " " "

Es iſt leicht hiernach die ungefähren Mittelſätze nach Proportion zu berechnen.

Rund eggt man mit 4 Pferden nach Thaer je nach der Bindigkeit des Bodens

14–16 Morgen täglich. Karbe nimmt 16–24 M. als Maaß an. Setzt man

nun 16. 18. 20. 22. 24., ſo eggt man ſo viel rund als in einem 8. 9. 10. 11.

12 ſtündigen Tage zweimal gerade.

² Nach Thaer und Meyer walzt man mit 2 Pferden täglich 20 Morgen.

Nimmt man, da dieſe Angabe unbeſtimmt iſt, die Dimenſionen von Note 1. an,

ſo braucht man, wenn für 20 Morgen 10 Arbeitsſtunden angenommen werden,

½ Stunde zum Ueberwalzen eines Morgens, oder ſo viel als zweimaliges Eggen.

³ Mit einer Pferdehacke bearbeiten nach Burger 2 Menſchen mit 1 Pferd

in einem Tage von 9 Stunden 6,7 pr. Morgen, nach Thaer 6 Morgen, nach

Klebe mit 2 Pferd. 4 Morgen Kartoffelland, nach Schmalz 3–4 Morgen;

mit einem 6 ſchaarigen Extirpator bearbeiten 2 Perſonen mit 1 Pferd nach Thaer

12–15 Morgen, mit dem 7 ſchaarigen Extirpator und 2 Pferden nach Burger

6,7 Morgen; mit dem 11 ſchaarigen großen Extirpator nach Thaer 2 Menſchen

mit 4 Pferden 18 Morgen, und mit dem kleinen 1 Menſch mit 2 Pferden 10

Morgen, nach Burger aber 10,15 Morgen; mit dem Schnittpfluge, der 2 Furchen

unter einander zieht, bearbeiten 3 Pferde 2½ Morgen nach Thaer; mit der

Drillmaſchine aber 2 Menſchen mit 1 Pferd 10–12 Morgen. Thaer rat. Landw.

I. 135. Burger Lehrb. II. 341. Klebe, Ueber Gemeinheitstheilungen. I. 220.

[176/0198]

⁴⁾ Unter der großen Anzahl von Pflügen iſt der belgiſche oder Schwerzi-

ſche der beſte. J. N. Schwerz, Anleit. zur Kenntniß der belg. Landw. I. 81.

Deſſelben landw. Mittheilungen. I. 160. Wo man den Pflug nicht anwenden

kann, wird das Land umgegraben; die Größe der Leiſtung richtet ſich unter übrigens

gleichen Umſtänden nach der Feſtigkeit des Landes und der Tiefe des Grabens. Ein

Mann vermag umzugraben in einem Arbeitstage

v. 9 Stunden v. 10 Stund. v. 11 Stund.

in zähem Thonboden 7° ̺͆ 7½° ̺͆ 8¼° ̺͆

in zähem Lehmboden 9° ̺͆ 10° ̺͆ 11° ̺͆

in zähem Sandboden 11¼° ̺͆ 12½° ̺͆ 13¾° ̺͆

Eine Frau aber überall ungefähr 2–3° ̺͆ weniger.

§. 142.

Fortſetzung. Das Pflügen insbeſondere.

Was insbeſondere das Pflügen betrifft, ſo hat man dabei

zu unterſcheiden: 1) Die Tiefe deſſelben. Sie richtet ſich nach

der Beſchaffenheit des Bodens und nach der Natur der Pflanzen;

nach der Lezteren, in ſoferne als die Pflanzen verſchieden zart und

ihre Wurzeln verſchieden lang ſind, nach der Erſteren, in ſoferne

als der Boden verſchieden tief und der Untergrund verſchiedenartig

iſt. Die eigentliche Dammerde muß ſtets umgepflügt werden, der

Untergrund iſt aber nur dann aufzupflügen, wenn er die Acker-

krume verbeſſern kann und ſoll, oder wenn er der Pflanzenwurzeln

wegen gelockert werden muß1). 2) Die Form der Ackerfläche

durch das Pflügen. Man pflügt im Allgemeinen entweder zuſam-

men, wenn der Acker durch zwei Furchen begrenzt ein gewölbtes

Beet bilden ſoll, oder auseinander, wenn er in der Mitte durch

eine Furche getheilt zwei nach entgegengeſetzten Seiten der Quere

abhängige Beete bildet. Man hat aber noch beſondere andere

Formen davon2). Die erforderliche Form des Pflügens richtet

ſich nach der Lage und phyſiſchen Beſchaffenheit des Bodens. Die

Vertheilung der fruchtbaren Erde und die Ableitung des Waſſers

beſtimmt die Wahl der Form. Denn was hierin von der Natur

verſagt iſt, ſoll durch das Pflügen bewirkt werden. 3) Die Zeit

des Pflügens. Zu jeder neuen Frucht iſt daſſelbe nöthig. Ob der

Boden hierzu mehr als einmal gepflügt werden ſoll, hängt davon

ab, ob die Lockerung, Wendung und hierdurch die Sättigung des

Bodens aus der Luft und den Düngemitteln nach einer Pflügung

hinreichend iſt oder nicht3). Es beruht hierauf das Weſen der

Brache.

¹ Man unterſcheidet mit Burger ein ſeichtes (5'' tiefes), mittleres (6''

tiefes) und tiefes Pflügen (über 6'' tief), aber mit Thaer ein flaches (2–4''

tiefes), ein mittleres (4–7'' tiefes), tiefes (8–12'') und ein noch tieferes

(das ſogenannte Rajolen). Burger Lehrb. I. 227. Thaer rat. Landw. III. 89.

[177/0199]

¹ Das Ruſchottiren iſt nur eine Anwendung des Rajolens. S. Note 2. Ueber die

Tiefe des Pflügens ſ. m. auch Schnee Landw. Zeit. IV. 46. 231. 246. 306.

X. 104. 127. 225. Rüder Landw. Zeit. Jahrg. 1833. S. 201 (Riolen). Young

Annalen. III. 58.

² Eine ſehr ſchöne Darſtellung der verſchiedenen Pflügformen gibt Schwerz

belg. Landw. I. 100–166. und Thaer rat. Landw. III. 64–105.

³ Ueber die Pflugarbeit ſehe man auch noch: Thaer engl. Landw. I. 198.

Koppe Unterricht. II. 66. Trautmann Landw. L. I. 346. Crud Oeconomie

der Landw. (aus dem Engl. überſ. von Berg). Leipzig 1823. S. 176. 183.

Gerike Anleitung. II. §. 210. Young The farmers Calender. 538–553.

v. Reider Landw. L. §. 61–65. Gejer Landw. L. §. 17. 20–22. Block

Mittheilungen. I. S. 14–30. Thaer Annalen des Ackerbaues. I. 574. V. 382.

VII. 278. 299. VIII. 656. Young Annalen. I. 28 (Kraft z. Pflugziehen).

§. 143.

Fortſetzung. Die Brache.

Unter Brache verſteht man den Zuſtand eines Feldes, ver-

möge deſſen es ein Jahr mehrmals blos gepflügt, geeggt und ſonſt

bearbeitet wird, um es für die nächſte Fruchtfolge vorzubereiten.

Dieſelbe iſt verwerflich; denn 1) ſie kann nach einer 2–4 maligen

Beackerung, während welcher der Boden gar nichts erträgt und

ſich die Nahrungstheile oft verflüchtigen, die Zinſen des Capitals

von 2 Jahren nicht erſtatten; 2) ein mürber Boden bedarf einer

ſo häufigen Wendung und Lockerung gar nicht, der bindige Thon-

boden wird durch ſie doch nicht völlig gewendet und gelockert, und

der nämliche Zweck kann durch die Anpflanzung behackter Früchte

erreicht werden1); 3) die Nahrungstheile, welche der Boden durch

die Brache gewinnen ſoll, werden während der Lezteren keiner

Pflanze außer dem Unkraute zugeführt. Dieſelbe iſt alſo nur als

Folge der Nothwendigkeit in denjenigen Gemeinden zu halten, wo

es der Felderverband erheiſcht, oder bei Feldſtücken, welche der

Entfernung wegen nicht in die ganze Fruchtfolge jedesmal auf-

genommen werden können. Die Bracharbeiten beſtehen a) im

Stürzen, b) im Wenden, c) im Rühren und endlich d) im Saat-

ackern2). Alle vier müſſen den Boden aus verſchiedenen Tiefen

aufackern. Das Erſte geſchieht am beſten entweder ſogleich nach

der Ernte oder im Herbſte; das Zweite im Herbſte oder Frühling;

das Dritte kann oft ganz unterbleiben, und das Vierte geſchieht

beim Säen. In feuchtem Klima geht man im Herbſte beim Stür-

zen nur ſeicht, in trockenem Klima aber tief in den Boden, damit

er ſich im erſten Falle nicht verſäure und im zweiten nicht ver-

trockne. Im Frühjahre findet das Umgekehrte Statt, wenn man,

wie es faſt allgemein fehlerhaft geſchieht, alsdann ſtürzt3).

¹ Daher ſpricht man (uneigentlich) auch von einer bebauten, behackten,

beſömmerten oder Sömmerungsbrache.

Baumſtark Encyclopädie. 12

[178/0200]

² Ueber die Brache ſehe man beſonders: Trautmann Landw. L. I. 357.

Burger Lehrb. I. 237. Block Mittheilungen. I. 1. Schwerz belg. Landw.

I. 251. Thaer engl. Landw. I. 229. Deſſelben rat. Landw. I. 295. Deſ-

ſelben Annalen des Ackerbaues. II. 16. 29. 316. 493. V. 126. 373. 28 (entſtand

zwiſchen dem 17. u. 18ten Jahrhundert). VII. 297. XII. 216. Ueber den Bau

der Brachfrüchte XII. 216. Schnee Landw. Zeit. III. 292. 553. IV. 244. 404.

VI. 133. VII. 212. IX. 13. X. 306. XV. 75. vrgl. mit S. 49. Koppe Unter-

richt. I. 199. Sinclair Grundgeſetze. S. 301–12. Young The farmers Ca-

lender. 411. 471. 523. Deſſelben Annalen. III. 107. 203. 219.

³ Nach dem Bisherigen ſind die Ausdrücke Dreiſchpflügen (Dreiſch = mehr-

jährig öde gelegenes Land), Brachpflügen, Sturzpflügen, Wendepflügen, Rühr-

pflügen und Saatpflügen leicht erklärbar. Das Pflügen iſt daher verſchieden ſchwer

nach der Art des Bodens (Klay-, Lehm- und Sand-Boden) und des Pflügens

ſelbſt. In gleicher Zeit arbeiten überhaupt dabei 2 Pferde ſo viel als 3 Ochſen.

Man vermag mit ihnen an einem Tage von 7–10 Stunden Arbeitszeit pflügen

auf Klayboden auf Lehmboden auf Sandboden

in der Dreiſchfurche 0,03 bis 1,30 pr. M. 0,66 bis 1,66 pr. M. 1,51 bis 2,00 pr. M.

in der Brachfurche 1,08-1,35 " 1,52-1,94 " 1,77-2,33 "

in der Wende-, Rühr-

und Sturzfurche 1,40-2,00 " 1,75-3,00 " 2,10-3,00 "

in der Saatfurche 1,24-1,77 " 1,55-2,22 " 1,86-2,60 "

Zwei Ochſen arbeiten alſo ungefähr immer ⅓ weniger als 2 Pferde. Bei einem

Geſpanne von Wechſelochſen hat man blos den Vortheil, daß man länger arbeiten

kann, indem die Ruheſtunden für die Thiere hinwegfallen.

§. 144.

Fortſetzung. Die Drill- oder Pferdehackenwirthſchaft.

Außer der gewöhnlichen Ackerbeſtellung mit Pflug, Egge und

Walze iſt beſonders auf großen Landgütern eine andere mit den

complizirteren Ackergeräthſchaften eingeführt. Sie iſt die Beſtel-

lung mit den Pferdehacken und den Drillmaſchinen1). Vor 100

Jahren (a. 1733) machte Yethro Tull, ein berühmter Englän-

der, eine Schrift2) bekannt, worin er zu zeigen ſuchte, daß der

Dünger durch Auflockerung der Ackerkrume und Anziehung der

Pflanzennahrung aus der Luft den Boden befruchten helfe. Da

man nun daſſelbe auch ohne Düngung durch die ſorgfältige Locke-

rung und Wendung des Bodens bewirken könne, ſo ſäete er den

Weitzen in dicke Reihen, die drei Fuße aus einander ſtanden, ſehr

ſorgfältig und bearbeitete dieſe Zwiſchenräume öfters mit einem

Cultivator, d. h. einem kleinen leichten Pfluge. Dadurch gewann

er zwei Dritttheile an der Saat, und zog eine viel bedeutendere

Ernte als die anderen Landwirthe bei ihrer üblichen Wirthſchaft.

In kleineren Wirthſchaften beſtellte man das Feld in nicht einmal

halb ſo dichten (9–12'') Reihen und bearbeitete es mit den

Handgeräthen durch Behacken, Reinigen und fleißiges Jäten. Bald

that man dies im Großen mit Maſchinen, wo es ausführbar war,

und nannte dieſe dritte Bauart auch noch Drill- und Pferde-

[179/0201]

hackenwirthſchaft3). Namentlich beim Baue der Getreide und

Hülſenfrüchte wendet man ſie an. Man hat beſonders zwei Ma-

ſchinen im Gebrauche, eine von Cook und eine von Ducket4).

Dieſer hat den Furchenzieher (mit 5 ſechartigen, umſchraub-

baren Meſſern), der 9 bis 18 Zoll von einander entfernte Furchen

für die Saat zieht (Drillpflug), die Säemaſchine, welche durch

Tuten den Saamen in 5 Rillen und von dieſen in jene 5 Furchen

bringt, die Egge und die Walze getrennt. Die Drillmaſchine des

Erſteren vereinigt den Furchenzieher und Säekaſten auf eine ſehr

zweckdienliche und dauerhafte Art. Die Pferdehacken, womit,

wenn die Saat nur zwei bis drei Zoll hoch heraus iſt, der Boden

bearbeitet wird, gehören in die Klaſſe der Aufkratzer und Wühl-

pflüge (§. 140.), und werden bei beiderlei Maſchinen angewendet.

Dieſe Drillwirthſchaft, welche beſonders auch an A. Young, der

darüber die ſorgfältigſten Verſuche angeſtellt hat, einen mächtigen

Gegner fand, iſt wegen der Müheſeeligkeit der Arbeiten, wegen

der unumgänglichen Nothwendigkeit der ſorgfältigſten Aufſicht auf

das Drillfeld und wegen der großen Pünktlichkeit in Bezug auf

die Zeit, wenn man mit der Pferdehacke, Handhacke und Schau-

fel zur Hand ſein muß, eine mißliche und gewagte Einrichtung.

Daher wird ſie bei ſehr vorgeſchrittener Landwirthſchaft für einen

ſehr aufmerkſamen land- und kapitalreichen Landwirth in demſel-

ben hohen Grade vortheilhaft und vergnüglich, als unter den ent-

gegengeſetzten Verhältniſſen nachtheilig und drückend ſein5).

¹ Der Name kommt vom Engl., wo to drill, Löchermachen heißt und

alſo anzunehmen iſt, daß man urſprünglich Löcher ſtach und die Saamen in dieſe

hineinwarf. Wegen der Müheſeeligkeit dieſer Arbeit hat Tull unſtreitig ſchon

Hand- und Pferdemaſchinen (den Drillkarren und Cultivator) angewendet. Später

aber machte die engere Ackerbeſtellung die zeiterſparende Anwendung größerer Ma-

ſchinen möglich. Beſondere Verdienſte um Verbreitung, Verbeſſerung und Prüfung

dieſer Wirthſchaft haben ſich Du Hamel de Monceau in Frankreich, De Chateau-

vieux in der Schweitz, D'Ebene, und die Engländer Anstruther, Anderdon und

Young erworben.

² Sie führt den Namen: Horse-hewing-husbandry (Pferdehackenwirthſchaft).

³ Die Wirthſchaft mit Säemaſchinen und mit Pferdehacken wird, wie ſpäter

öfters gezeigt werden ſoll, jetzt auf großen Wirthſchaften häufig angewendet. Daher

verſteht man unter der Pferdehackenwirthſchaft nicht immer die Drillwirthſchaft,

z. B. bei Kartoffeln, Mais, Rüben u. dgl. Das Charakteriſtiſche der eigentlichen

Drillwirthſchaft iſt halbe Brache.

⁴⁾ Der Ducket'ſche Drillpflug, ſo wie die Egge, Walze und Pferdehacke

wird von einem Pferde gezogen, die Säemaſchine aber blos von einem Menſchen

geſchoben, da die Leztere ein Karren mit zwei Rädern iſt. Der Drillpflug des

Herrn Willey, der in Bailey's Beſchreibungen nebſt jenen von Gainsborough,

Beſtland und Arbuthnot beſchrieben und abgebildet iſt, drillt, ſäet und eggt

zugleich, um den Saamen zu bedecken. Die von Sc. Mourgue verbeſſerte Drill-

maſchine drillt, ſäet, düngt und walzt zugleich. Ueber den Drillkarren oder die

Handdrille ſ. m. Thaer Annalen des Ackerbaues. IX. 566. Ueber die Drillmaſchine

12 *

[180/0202]

⁴⁾ von Cooke und Winter ſ. m. Young Annalen des Ackerbaues (überſetzt von

I. Riem). I. Anhang. Ueber die Young'ſche III. 82.

⁵⁾ Ueber die Drillwirthſchaft ſ. m. Thaer engl. Landwirthſchaft. I. 404.

III. 218. Deſſelben rat. Landw. IV. 98. A. Young The farmers Calender.

p. 530. Schwerz belg. Landw. I. 279 (obgleich ſie in Belgien nicht üblich iſt).

Trautmann Landw L. I. 383. Sinclair Grundgeſetze. S. 416. Thaer

Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. VI. Stück 3. S. 1 (Verſuche von a.

1797–1803). Deſſelben Annalen des Ackerbaues. III. 747. V. 8 (ſchon im

alten Indien und Perſien). Schnee Landw. Zeitung. II. 401. III. 118. XV. 396

(nach Sinclair's Schrift: On drilling). Young Annalen. II. 153. 247.

B. Von der Bodenmiſchung (chemiſchen Agricultur).

§. 145.

1) Verſchiedene Mittel der Miſchung. a) Dünger.

Die chemiſche Agricultur bezweckt, die Beſtandtheile des Bo-

dens durch Hinzufügung von neuen zu verbeſſern. Die neuen Zu-

ſätze ſind:

a) Der Dünger, d. h. chemiſch zerſetzte (verweste) pflanzliche

und thieriſche Stoffe und Abfälle1). Unter den Dünger gehören

daher:

1) Die verſchiedenen Arten des Miſtes, d. h. einer Verbin-

dung der thieriſchen Excremente mit Pflanzenfaſern. Unter den

thieriſchen Excrementen gebraucht man die Auswürfe der Menſchen,

des Hornviehes, der Schaafe, der Pferde, der Schweine und des

Geflügels. Unter pflanzlichen Stoffen, die man damit mengt,

zählt man hierher das Stroh, Laub, Schilf, Heidekraut, die

Heidenplaggen, Farnkräuter, Oelkuchen, den Teichſchlamm, Tang,

Torf, Ruß, Malzſtaub, die Gerberlohe und Modererde. Es iſt

nicht gleichgiltig, wie der Miſt bereitet wird. Die Lage und Form

der beſonders gewählten Miſtſtätte darf den Miſt weder zu großer

Trockenheit, noch zu großer Näſſe ausſetzen, aber auch der Luft

nicht zu ſehr Preis geben. Sehr wichtig iſt das ſorgfältige Zu-

ſammenſchlagen, öftere Umſtechen und Begießen mit Flüſſigkeit.

Mit ihm in einer Grube, oder getrennt von ihm iſt der Harn,

d. h. die friſche von den Thieren gelaſſene Flüſſigkeit, die Jauche

(Pfuhl), d. h. die aus dem Miſte ſich abſondernde dünne Flüſſig-

keit, die aber ſchon Auflöſungen feſter Auswürfe enthält, und die

Gülle, d. h. eine Jauche, die ſchon größere feſte Stücke von

Excrementen mit ſich führt2).

2) Die verſchiedenen thieriſchen Stoffe allein, wozu z. B. auch

noch Blut, Aas, Hornſpähne u. ſ. w. zu zählen ſind. Da ſie ſehr

raſch in Verweſung übergehen, ſo muß man dieſem durch Trocknen

oder Begießen mit Waſſer zuvorkommen3).

[181/0203]

3) Die verſchiedenen pflanzlichen Stoffe im grünen, trockenen

oder vermoderten Zuſtande allein. Die grüne Düngung beſteht

darin, daß man entweder von ſelbſt gewachſene oder künſtlich auf

dem Boden gezogene Pflanzen umpflügt. Weil die Pflanzen auch

Luft und Waſſer als Nahrung in ſich aufnehmen, ſo baut man,

da die übrige Nahrung dem Boden ſelbſt angehört, zu dieſem Be-

hufe Pflanzen, die meiſtentheils ihre Nahrung aus der Luft ziehen

und viele Säfte haben, d. h. Pflanzen mit dicken breiten Blättern

und ſaftigen Stengeln, als die Lupine, Wicken, Erbſen, den

Spörgel und Buchweitzen, die Kleearten, Luzerne und Eſparſette.

Die trockene pflanzliche Düngung iſt nicht vortheilhaft, weil

ſolche Stoffe, wie Stroh, Laub, Schilf, Heidekraut u. dgl. ſich

ſchwer zerſetzen und wenig Auflösliches enthalten. Vor ihrem

Gebrauche als Dünger muß daher für ihre Zerſetzung hinreichend

geſorgt, oder ſie müſſen darum mit thieriſchen Stoffen vermengt

ſein (N. 1.). Größtentheils oder ganz vermoderte Düngung,

wie z. B. Moder und Teichſchlamm, iſt ſchon ſo weit zerſetzt, daß

man ſie nach einigem Ausgeſetztſein in der Luft ſogleich anwenden

kann. Torf (noch unaufgelöster Humus) und ſaurer Humus ſind

aber als ſolche noch nicht mit Vortheil zu gebrauchen, ehe man

ſie mit kaliſchen Subſtanzen, z. B. Kalk, Aſche, zum Behufe der

Beſchleunigung der Zerſetzung und zum Behufe der Entſäurung

vermengt hat4).

¹ Der Begriff von Dünger iſt vielfach, z. B. auch von Burger, aber nicht

von Trautmann, unrichtig aufgefaßt. Blos ſolche Stoffe können Dünger werden,

welche fähig ſind, als Humus den Pflanzen ſelbſt Nahrung zu geben, alſo nur

organiſche Stoffe. Er iſt daher von den Reitzmitteln und Mengſtoffen, die die

Erhöhung der Bodenthätigkeit und Miſchung der Ackerkrume erzielen, wohl zu un-

terſcheiden. Trautmann Landw. L. I. 302. Vieles Aufſehen hat erregt das

Syſtem von A. Beatſon, neues Ackerbauſyſtem ohne Dünger, Pflug und Brache,

aus dem Engl. überſetzt von Haumann Ilmenau 1829. 2te Aufl. 1830. Ein

Nachtrag dazu, überſetzt von Mayer. Wien 1830.

² Die Zerſetzung des Miſtes hängt von mäßigem Zutritte der Luft, Wärme

und Feuchtigkeit ab. Je zuſammengeſetzter der organiſche Stoff, deſto ſchneller ſeine

Zerſetzung. Daher gehen animaliſche Stoffe ſchneller als vegetabiliſche in Ver-

weſung über, und ſind jene zu Dünger brauchbarer als dieſe. Eine Mäßigung der

Fäulniß, um den Dünger nachhaltiger zu machen, wird daher durch eine zweck-

mäßige Mengung dieſer beiden Stoffe bewirkt. Dieſelbe geſchieht entweder ganz

bis zur Ausfuhr im Stalle ſelbſt, zu welchem Zwecke man hinter dem Viehe einen

breiten vertieften Raum anbringt (Schwerz belg. Landw. II. 302. Thaer An-

nalen des Ackerbaues. VIII. 495.) oder nach periodiſcher Streuung mit jenen

Pflanzenſtoffen im Freien auf einer eigenen Dungſtelle. Trotz der großen Vortheile

der erſten Methode vor der Letzteren iſt ſie bei großem Düngerbedarfe ohne jene

Vorrichtung nicht immer ausführbar. Zur Abſonderung des Urins führen beſondere

Kanäle oder Gräben in ausgemauerte und cementirte Behälter. Aber die Dünger-

bereitung ſelbſt kann deſſelben nicht entbehren, denn er gibt dem Streumateriale

die Eigenſchaft, mehr Feuchtigkeit aus der Luft anzuziehen. Die menſchlichen

Excremente ſind als Dünger am ſtärkſten und ſchnellſten wirkſam. Jene des

[182/0204]

² Hornviehes, verſchieden nach Sommer- und Winterfütterung, ſind weniger

kräftig, aber leichter mit der Streu vermiſchbar und ſo nachhaltiger wirkſam. Die

der Schaafe wirken heftig, aber nicht andauernd und ſind ſchwierig mit Streu

vermiſchbar. Die Auswürfe der Pferde, Eſel und Maulthiere ſcheiden bei

ihrer Verſetzung mit Streu ſehr viel Wärme aus und ſind als Dünger anhaltender

wirkſam als Schaafsexcremente. Die Auswürfe der Schweine ſind ſehr wenig

Wärme entwickelnd, ſehr waſſerhaltig, langſam zerſetzlich und ſehr unwirkſam auf

dem Felde. Das Gegentheil gilt von jenen des Geflügels, die aber der Menge

nach nicht ſehr bedeutend ſind. Von den vegetabiliſchen Stoffen iſt Stroh das am

leichteſten zerſetzliche Streumaterial, nach ihm folgt das Baumlaub; Schilf und

Farnkraut iſt ſehr leicht zerſetzbar; Heidekraut und Heideplaggen aber

für ſich ſehr ſchwer; Gerberlohe iſt begreiflicher Weiſe ſehr unwirkſam, als ſehr

trockene, ſchwer auflösliche Holzfaſer; Tang, d. h. ans Ufer geworfene Seepflanzen,

verwest ſehr leicht und iſt nach Sinclair (Grundgeſetze S. 43.) ſehr wirkſam;

Oelkuchen und Malzſtaub ſind wegen des Gehaltes an Schleim und Zucker

ſehr vortheilhaft; der Ruß (Kohle, brenzliches Oel und Eſſigſäure) zerſetzt ſich

ſchnell und vertreibt das kleine Ungeziefer, auf die Oberfläche geſtreut. M. ſ. über

dieſe Gegenſtände auch Thaer Annalen des Ackerbaues. I. 129. 670. IV. 682.

VII. 302. IX. 221 (Eſelsmiſt, Federviehmiſt). IV. 451 (Hühnermiſt). II. 613

(Schaafmiſt). XI. 460 (Schorrmiſt). VI. 300. IX. 620 (Streuſurrogate). I. 316.

und III. 791 (Tang). Deſſelben Möglin. Annalen XXVII. 570 (Analyſe des

Kuhmiſtes von Morin). Deſſelben Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. IV.

Stück 1. S. 176. und Annalen des Ackerbaues I. 671. IX. 622 (Modder).

Schnee Landwirthſch. Zeitung. II. 277. 511. 570. III. 402. 472. 605. IV. 70.

Schnee Landwirthſch. Zeitung. VI. 17. 69. 115. 169. 504. 265 (Dünger).

VII. 247. 477 (Kohlenſtoff). VIII. 475 (Torfaſche). X. 306. 397. 405 (Dünger-

arten). XIII. 161. Rüder Landwirthſch. Zeitung (Fortſetzung von Schnee).

Jahrgang 1833. S. 169. 225.

³ Beſonders Menſchenexcremente trocknet man allein oder gemiſcht mit Mer-

gel, und ſtreut ſie als Pulver auf die Felder. Das iſt in China ſchon lange der

Ta-fö und in Frankreich die Poudrette. In Toskana gießt man dieſe Subſtanz

mit vielem Waſſer gemiſcht über die Pflanzen. Burger Lehrbuch. I. 103.

Trautmann Landw. L. I. 312. Schnee Landw. Zeitung. V. 321.

⁴⁾ Dies iſt die älteſte und natürlichſte Düngung. Thaer Annalen der

Fortſchr. der Landw. I. 250. v. Voght, Ueber manche noch nicht genug gekannte

Vortheile der grünen Bedüngung. Hamburg 1834. Schnee Landwirthſch. Zeitung.

IX. 409. X. 97. 104. Man ſehe aber über die Düngung überhaupt: Thaer rat.

Landw. II. 173. Crud Oeconomie. S. 165. Schwerz belg. Landw. III. 354.

und Deſſelben Mittheilungen. I. 100. Gerike Anleitung. II. §. 192 folg.

Thaer engl. Landw. I. 120. Koppe Unterricht. II. 90. Trautmann Landw.

L. I. 300. Burger Lehrbuch. I. 88. Young The farmers Calender. p. 48. 168.

185. 244. 313–320. Block Mittheilungen. I. 211. 242. v. Reider Lehrb.

§. 69–93. Schwerz prakt. Ackerbau. I. 47 folg. Geier Lehrbuch. S. 18.

I. 2. v. Hazzi, Ueber den Dünger. München 1829 (5te Ausgabe). Gazeri,

Neue Theorie des Düngers, überſ. von Berg. Leipzig 1823. Leuchs, Vollſtänd.

Düngerlehre. Nürnberg 1833 (2te Aufl.). Seutter, Theorie der Erzeugung und

Verwendung des Düngers. Ulm 1819. Bährens, Die natürlichen und künſtlichen

Düngmittel. Hamm 1820. III. Ausgabe. Der Dünger, oder Betrachtungen über

den Einfluß c. der bekannten Düngerarten. Sondershauſen 1831. Thaer Möglin.

Annalen. I. 166. IV. 42 (Auszug aus Gazeri's Schrift). XIX. 102. und

XXII. 1. und XXIX. 254 (Ueber den Einfluß des Düngers auf die Beſtandtheile

des Getreides). Deſſelben Annalen der niederſächſ. Landwirthſchaft. Jahrg. VI

Stück 1. S. 129. Deſſelben Annalen des Ackerbaues. IV. 399. VIII. 312.

IX. 174 folg. 617. Fellenbergs Landwirthſch. Blätter. IV. 128 (Düngerſtätte

und Jauchenbehälter). Young Annalen des Ackerbaues. I. 50. 187. II. 6. 265.

274. III. 199. 202. 295. Schmalz Lehre vom Dünger. Leipzig 1832.

[183/0205]

§. 146.

Fortſetzung. b) Reitzmittel.

b) Die Reitzmittel, welche nicht den Zweck haben, zu dün-

gen, d. h. dem Boden Nahrungstheile für die Pflanzen zu geben,

ſondern vielmehr auf Beförderung des Wachsthums der Pflanzen,

und der Thätigkeit des Bodens zu wirken1). Dieſelben müſſen

Stoffe ſein, welche ſich mit den Beſtandtheilen des Bodens ver-

binden können oder auch ſelbſt in Waſſer auflöslich ſind. Es ge-

hören folglich hierher:

1) Der Kalk, welcher ſowohl im ätzenden (reinen) Zuſtande,

als auch in Verbindung mit Kohlenſäure und Schwefelſäure an-

gewendet werden kann. Der ätzende Kalk muß, ehe er als

Reitzmittel dient, bis zum Zerfallen mit Luft oder Waſſer verbun-

den ſein, und wirkt auf den ſauren oder verkohlten Humus durch

Beförderung ſeiner Auflöslichkeit in Waſſer; in Boden ohne Humus

iſt er daher ſo zwecklos als auf Torf- und Moorboden vortheilhaft.

Der kohlenſaure Kalk (Kreide, Bauſchutt) wirkt in kalkloſem

Boden reitzend, in ſaurem Boden entſäurend. Der ſchwefel-

ſaure Kalk (Gips) wirkt reitzend auf den Boden und auf die

Pflanzen ſelbſt, zum Theile als Kalk, zum Theile wegen der in

ihm enthaltenen Säure2).

2) Der Schwefel, ſobald er auflöslich iſt. Er löst ſich durch

Kali (ätzenden Kalk oder Laugenſalze) in Waſſer und vermittelſt

der das Waſſer zerſetzenden Kohle in Waſſerſtoff auf. Weder zu

feuchter, noch zu trockener Boden, noch humusloſer Grund wird

daher durch Schwefelpulver gewinnen. Das durch Einfluß von

Luft und Waſſer ſich mit Sauerſtoff verbindende Schwefeleiſen

bildet ſchwefelſaures Eiſen, wie es öfters aus zerſetzten Stein-

kohlen und Torf hervorgeht. Auch dieſes hat die Erfahrung als

Reitzmittel bewährt.

3) Die Salze, nämlich die Laugenſalze, die ſalpeterſauren

und kochſalzſauren Salze. Die Laugenſalze (Kali oder Pottaſche,

Natrum oder Soda, und Ammonium) wirken im reinen Zuſtande

und in Verbindung mit Kohlenſäure auf die Auflöſung des Humus.

Sie werden für die Landwirthſchaft in der Holz-, Torf- und

Steinkohlenaſche, und in der Aſche von den Pottaſche-, Salpe-

ter-, Seifenſiedereien u. dgl. benutzt, abgeſehen von den andern

Beſtandtheilen der Aſche. Die ſalpeter- und kochſalzſauern

Salze (als leztere der Dorn- und Pfannenſtein von den Salinen)

wirken auf den Boden reitzend wegen des in ihnen enthaltenen

Laugenſalzes und Kalkes, wegen der Kalkerde und Säure, und

[184/0206]

wegen der Beſtandtheile des Salpeters und Kochſalzes (Stick-

und Sauerſtoff, Kali, und kochſalzſaures Natrum)3).

¹ Da ſie auch manchen Pflanzen als Nahrung dienen, ſo erſcheinen ſie aber

nur in ſoferne als Dungmittel. Ihre auflöſende Kraft iſt aber die wichtigſte und

allgemeinſte. Schwerz Anleitung. I. 232.

² Der Gips wirkt beſonders auf warmem Boden und Pflanzen mit ſaftigen

Blättern und Stengeln, z. B. Schmetterlingsblüthen, Buchweitzen, Kohl, Rübſen

u. dgl. gut. Unter den Geſichtspunkt des Kalkes gehört auch das Knochenmehl,

als Reitzmittel, und es läßt ſich erklären, warum dieſes und das Gipſen oft ſo

ſchlechte Wirkung gehabt hat. Ebner, Das Knochenmehl, ein Düngungsmittel.

Heilbronn 1830. 2te Aufl.

³ Nicht die metalliſchen Salze, weil ſie zu herb und zu ſchrumpfend ſind.

Die anderen Salze ziehen theils Feuchtigkeit aus der Luft an, befördern die Fäulniß

organiſcher Stoffe, verhüten Unkraut und ſchädliche Thiere und lockern zum Theile

den Boden. In Paris und Wien bereitet man auch ein künſtliches Dungſalz, das

ſogenannte Düngharnſalz (Urate calcaire), eine Mengung menſchlichen Urins

mit Gips und Kalk. S. Hericart de Thury, das Urat, ein neues Düngungs-

mittel der Herren Donat et Comp. Aus dem Franzöſ. überſ. Weimar 1820. *.

mit 1 Kupfertafel. S. auch Thaer Annalen des Ackerbaues. VIII. 216 (Dünge-

ſalz). Schnee Landw. Zeitung. II. 570. — Ueber dieſe Reitzmittel ſ. m. die im

vorigen §. citirten Schriften. Außerdem aber noch beſonders: Delius, Vom

Nutzen der Salzaſche zum Düngen. Leipzig 1773. II. Auflage. Piepenbring,

Ueber d. Dungſalz. Leipzig 1795. Weber, Von Benutzung der Abfälle bei Salinen

zum Behufe des Feldbaues. Neuwied 1789. 8. Mayer, Die Lehre vom Gips.

Anſpach 1789. 4. Deſſelben Vertheidigung des Gipſes. Frankfurt 1771. 8.

Rudolphi, Bemerkungen über Erd* und Dungmittel. Meißen 1800. Der Gips,

als Dungmittel. Bunzlau 1830. Thaer Möglin. Annalen. II. 518. VIII. 519.

IX. 291 (Aſchendüngung). Deſſelben Annalen d. Fortſchr. der Landwirthſchaft.

III. 407 (Aſchendüngung). Deſſelben Annalen der niederſächſ. Landwirthſchaft.

Jahrg. VI. Stück 3. S. 123 (Pottaſche). Deſſelben Annalen des Ackerbaues.

X. 192 (Steinkohlenaſche und Torfaſche). Thaer Möglin. Annalen. XVII. 147.

XXV. 231. XXIX. 244 (Knochenmehl). Deſſelben Annalen des Ackerbaues.

III. 190. VIII. 314. 496 (Kalk). Deſſelben Annalen der niederſächſ. Land-

wirthſchaft. Jahrg. IV. Stück 4. S. 255 Jahrg. V. Stück 4. S. 361 (Kalk).

Deſſelben Annalen der niederſächſ. Landwirthſch. Jahrg. IV. Stück 4. S. 326.

Jahrg. V. Stück 2. S. 289. Koppe, Schmalz c. Mittheilungen. III. 248

(Gips). Johnſon, Anwendung des Kochſalzes in Feld- und Gartenbau. Aus

dem Engl. überſ. Leipzig 1825. Ueber Düngung mit Eiſenvitriol ſ. m. Thaer

Annalen des Ackerbaues. X. 164. 201. Fellenbergs Landw. Blätter. III. 137

(Gips und Oelkuchen). Schnee Landw. Zeitung. IV. 98. V. 513. XI. 371 (Gips).

Rüder Landw. Zeitung (Fortſetzung von Schnee). Jahrg. 1833. S. 123. 156

(Knochendüngung). Young Annalen. I. 27. III. 130. 298 (Kalken).

§. 147.

Fortſetzung. c) Mengmittel, und d) Compoſt.

c) Die Mengmittel, d. h. Erdarten, durch deren Beimi-

ſchung im Boden ein beliebiges paſſendes Miſchungsverhältniß der

Beſtandtheile der Ackerkrume hervorgebracht werden ſoll (§. 137.).

Sie beſtehen aus den mineraliſchen Hauptbeſtandtheilen des Bodens,

die ſich gegenſeitig in ihren Wirkungen neutraliſiren. Es iſt hier-

her zu rechnen:

[185/0207]

1) Der Thon zur Verbeſſerung des Sand- und zu thätigen

Kalkbodens.

2) Der Kalk zur Verbeſſerung des Thonbodens.

3) Der Sand zur Verbeſſerung des Torf- und Moorgrundes,

nicht ſo ſehr aber zu jener des Thonbodens.

4) Der Mergel, d. h. eine Verbindung von Thon und Kalk

mit Beimiſchung von Sand als Nebenbeſtandtheil, die an der

Luft leicht in einen Staub zerfällt und ſich ſo zur Bodenverbeſ-

ſerung eignet. Je nach dem vorherrſchenden Beſtandtheile nennt

man ihn Thon- oder Kalk-, ſelbſt auch Sandmergel, und benutzt

ihn nach den bei 1–3 angegebenen Verhältniſſen1).

d) Der Mengedünger oder Compoſt, d. h. eine Zuſam-

menſetzung von den bisher genannten drei Arten der chemiſchen

Mittel zur Bodenverbeſſerung, die weder der einen noch anderen

Art allein angehört. Er beſteht aus Mergel, Moder, zerſetzt vom

Torfe, vegetabiliſchen und animaliſchen Subſtanzen aller genannten

Arten, welche regelmäßig übereinander geſchichtet oder unordent-

lich durcheinander verarbeitet, mit Jauche begoſſen und ſo öfters

umgeſtochen werden. Er iſt nur bei einer hinreichenden Menge ent-

behrlichen Miſtes zu componiren, weil man ohnedies damit zu viel

Arbeit und Zeitverluſt hat und den Miſt nicht auf längere Zeit

aufopfern kann2).

¹ Ueber dieſe Mengmittel ſ. Trautmann Landw. L. I. 288. Burger

Lehrbuch. I. 184. Thaer rat. Landw. II. 235. Koppe Unterricht. II. 3. Thaer

engl. Landw. I. 165. Young The farmers Calender. 46. 102. 171. 184. 383

(von Kalken). 39. 42. 307 (von Thonen). 39. 42. 102. 364 (von Mergeln).

Block Mittheilung. I. S. 254. und Andere. Seip, Abhandl. von dem Mergel.

Hannover 1763. Herrmann, Wie ſind die verſchiedenen Arten von Mergel zu

erkennen, c. c. Wien 1787. Fiedler, Anweiſung über die Kennzeichen und den

Gebrauch des Mergels. Caſſel 1795. Tobiſſen Anw. z. Mergeln. Altona 1817.

Iverſen Anl. z. Mergeln. Hamburg 1819. Deſſelben Anweiſung z. Mergeln.

Leipzig 1819. Thaer Möglin. Annalen. I. 624. III. 387. VII. 242. IX. 359.

XV. 442. 462. (Mergel) und XIV. 383 (Erde auf moorigte Wieſen). Deſſel-

ben Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. IV. Stück 4 S. 309. Jahrg. VI.

Stück 3. S. 114. Koppe, Schmalz c. Mittheilungen. I. 258. 280. III. 136.

Thaer Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. V. Stück 4. S. 431. Deſſel-

ben Annalen des Ackerbaues. I. 24. 809. II. 41. 376. 485. III. 95. 187.

IV. 108. V. 225. 334. VI. 654. VIII. 8. XII. 291. Schnee Landw. Zeitung.

I. 125. III. 310. 409. 512. 569 (Mergeln). IV. 16. 463 (Kalken). 353. 485.

V. 37. 175. XIII. 209. Young Annalen. I. 198 (Mergeln). Niebour Anweiſ.

z. Mergeln. Hannover 1829. III. Aufl.

² Ueber den Compoſtdünger ſ. Thaer ration. Landw. II. 205. Young The

farmers Calender. 98. Burger Lehrbuch. I. 159. Thaer engl. Landw. I. 144.

Schwerz Mittheilungen. I. 111. Crud Oeconomie. S. 169. Block Mittheil.

I. 256. Es gibt eine Menge von Recepten dafür. S. §. 149. Note 8. Thaer

Annalen des Ackerbaues. III. 302.

[186/0208]

§. 148.

2) Die Benutzung dieſer Miſchungsmittel.

a) Des Düngers.

Sind dieſe verſchiedenen Miſchungsmittel bereitet, ſo iſt das

Wichtigſte ihr Auf- und ihr Einbringen in die Ackerkrume. Man

hat dabei folgende Regeln:

a) Der Gebrauch des Düngers oder die Düngung richtet ſich

1) nach der Qualität deſſelben. Je zerſetzter, reicher an thieri-

ſchen Stoffen und waſſerloſer derſelbe iſt, deſto größer iſt ſeine

Wirkung1); 2) nach der Quantität deſſelben, die auf das Feld

gebracht werden muß. Sie hängt ab: von ſeiner Qualität, vom

Düngerzuſtande des Feldes (alſo von der vorhergehenden Pflan-

zung), von der Eigenthümlichkeit in der Folge der Früchte auf

dem Felde, von der Zeit, für welche die Düngung gelten ſoll,

von der Raſchheit des Bodens in der Zerſetzung, Auflöſung und

Haltkraft der Humustheile, endlich vom Klima, ſeinen Eigenſchaf-

ten in den lezten drei Beziehungen und ſeiner Verflüchtigung der

Düngertheile. Dieſelbe iſt daher örtlich und zeitlich ſehr abwei-

chend2); 3) nach der Zeit, wann gedüngt werden muß. Daſſelbe

geſchieht, wenn es der Acker nöthig hat, in beſtimmten regel-

mäßigen Perioden und zweckmäßiger in feuchter als trockener

Jahreszeit3); 4) nach der Vertheilungsart des Düngers.

Dieſe muß ſo gleichförmig als möglich geſchehen, und beſonders

iſt das lange Liegen der Düngerhaufen auf oder gar neben dem

Felde wegen ſeines Verluſtes an Gehalt zu verhüten4).

¹ Die Qualität des thieriſchen Düngers hängt von der Thiergattung,

Thiernahrung und Vollſtändigkeit der Verdauung ab (§. 145. Note 2.). Merkwür-

dige Verſuche hierüber hat Block (Mögliniſche Annalen der Landw. XI. No. 20.

in 4to beſonders gedruckt; ſ. auch Deſſelben Mittheilungen. I. 211; Thaer

Annalen des Ackerbaues. XI. 370. vrgl. mit 329. 354; und v. Daum Beiträge zur

Beförderung des Geſchäftsbetriebs der Regulirungs- und Gemeinheitstheilungscom-

miſſarien. II. §. 103.), Kreyſſig (Möglin. Annalen. XIII. 333.) und auch

Schmalz (Erfahrungen im Gebiete der Landw. II. 79.) mitgetheilt. Ihre Reſul-

tate laſſen ſich hier nicht mittheilen. In neuerer Zeit ſind darüber vielfache

Beobachtungen gemacht worden. Die Qualität des pflanzlichen Düngers richtet

ſich nach der Eigenthümlichkeit und Vollſtändigkeit der Zubereitung. Der Miſt nach

der Beſchaffenheit jener beiden, nach ihrer Verbindung und Zerſetzung. Bei völliger

Sättigung des Miſtes mit Pfuhl oder Gülle wird er nicht dem Schwinden durch

Erhitzen und Verbrennen ausgeſetzt ſein. Miſt aus kräftigem Futter wird unter

dieſer Bedingung bei 5 Fuß hoher Aufſchichtung nach 4 mal 24 Stunden ſchon

4–5 % des trockenen Gewichtes und 12–15 % des Volumens verloren haben.

Bei bereits ſpeckartig gewordenem Miſte iſt der Verluſt 25% des Gewichtes und

bis über 50% des Volumens. Daher muß man ſich vor zu großer Aufſchichtung

hüten. Die Auswürfe einer wohlgenährten Milchkuh haben 84%, jene des Pferdes

75%, und jene des Schaafes 66% Feuchtigkeit in ſich; reines Stroh kann nur

[187/0209]

¹ 7273% Feuchtigkeit aufnehmen, läßt ſie aber bald wieder fahren. Jeder Miſt

verliert mit dem Austrocknen allmälig auch von der Dungkraft. Völlig getrocknete

thieriſche Auswürfe nehmen aber bei der Anfeuchtung wieder obige [FORMEL] Waſſer an.

(Block). Ueber Düngung mit Jauche ſ. Thaer Annalen des Ackerbaues. VIII. 612.

Ueber Verdünſtung des Miſtes ebendaſelbſt IX. 409. Schnee Landw. Zeitung.

VI. 24. 6. VII. 22. 100.

² Sehr belehrende Verſuche über dieſe einzelnen Fragen hat auch Block

gemacht. Man ſ. deſſen Mittheilungen I. 227. 248. 185–210., weil ſich ſeine

Reſultate hier nicht mittheilen laſſen. Die Meinungen ſind aber darüber ſehr verſchieden.

Nach Thaer (rationelle Landwirthſchaft. II. 202.) ſind 10000 Pfund Miſt auf

1 Magdeburger Morgen eine ſchwache, 16000 Pfd eine gute, und 20000 Pfd.

eine ſtarke oder reiche Düngung. S. auch Deſſelben Annalen des Ackerbaues.

VII. 392. Die Qualität des Düngers iſt bereits oben auseinander geſetzt. Der

Einfluß der Fruchtfolge auf den Düngerzuſtand des Feldes iſt ſehr wichtig.

Durch vorhergehende Koppelweide erhält der Morgen Feld I ſter bis IV ter Klaſſe

1 Fuder (12 Centner), V ter Klaſſe ¾ und VI ter Klaſſe ½ Fuder Dünger pr.

Jahr, ſo lange die Weide währt. Die Brache erhöht den Düngerzuſtand des Fel-

dts pr. Morgen jährlich um ½ Fuder. Die Luzerne um 1 Fuder, die Kartoffeln,

der Weißkohl und die Rüben ſind in der Erſchöpfung des Feldes einer Roggenernte

(10 Scheffel Roggen = 100 Sch. Kartoffeln) gleich zu ſtellen, aber die Bearbeitung

wird wie die Brache angerechnet; der Raps erſtattet dem Boden 2, der Rübſen

1 Fuder Dünger pr. Morgen jährlich (Schmalz Anleit. zur Veranſchlag. ländlicher

Grundſtücke. §. 44.). Die Zeit bis zur Wiederholung der Düngung, ſo wie die

andern angeführten Umſtände laſſen keine allgemein giltige Beſtimmung zu.

³ Dieſe iſt bei den verſchiedenen Pflanzungen verſchieden und richtet ſich auch

nach der Menge des zu liefernden Düngers, alſo hauptſächlich nach dem Viehſtande

u. dgl. M. ſ. Thaer Annalen des Ackerbaues. II. 373. VIII. 314. IX. 475. 617.

⁴⁾ Eine andere Frage iſt die, ob die Pferchdüngung oder das Auffahren des

Düngers von der Düngerſtätte vorzuziehen ſei, ob man auf einmal ſtark oder öfters

ſchwächer düngen, und ob man den Dünger ſeicht oder tief unterpflügen oder aber

ob man ihn blos überſtreuen ſoll (Lezteres heißt man in England Topdressing).

Die Löſung der erſten Frage hängt von der vorhandenen Menge Streu, von der

Schaafzucht, und von der Zartheit der Schaafe ab; die Wirkung der Pferchdüngung

hängt von der Güte der Weide, von der Anzahl der Schaafe, von der Dauer und

der Fläche des Pferchens ab; man rechnet ſie im günſtigen Falle einer halben Miſt-

düngung gleich; der Pferchdünger verliert in der Luft 5 bis 6, der Weidedünger

ungefähr 16 % ſeines Gehaltes vor der Unterpflügung (Block Mittheilungen. I.

271. 251. v. Daum Beiträge. II. §. 107. Thaer ration. Landw. II. 216.

Thaer Annalen des Ackerbaues. I. 764. II. 284. IV. 700.). Die Löſung der

andern Fragen richtet ſich mehr nach örtlichen Verhältniſſen (Schnee Landw.

Zeitung. I. 345.). Die Menge Miſt, welche in einem Tage ausgefahren werden

kann, iſt nach der Thiergattung und Zahl, nach der Wagengröße und nach der

Entfernung des Feldes vom Wirthſchaftshofe verſchieden. Nimmt man eine Normal-

entfernung von 250° an und ſetzt man, daß 4 Pferde (= 6 Ochſen) 2200 Pfund

Miſt verfahren auf einem Wagen, ſo kann der Weg in 15 bis 20 Minuten hin-

wärts, aber in weniger Zeit zurückgelegt werden; braucht man auch zum Abladen

15 Minuten, ſo ſind bei Wechſelwagen für jede Fuhre nicht mehr als ¾ Stunden

nöthig. Es kann nach Meyer, v. Flotow und v. Padewils 1 Perſon täglich

4 vierſpännige Fuder Miſt laden. Was das Düngerbreiten anbelangt, ſo möchten

v. Padewils, Nicolai, Meyer, Thaer, Reyne, Klebe und Schmalz

irren, indem ſie dieſe Arbeit blos nach der Ackerfläche berechnen; denn es kommt

dabei ſehr viel auf den Dünger ſelbſt an. Nach v. Flotow's Angabe kann eine

Perſon täglich 8 zweiſpännige Fuder Miſt breiten.

[188/0210]

§. 149.

Fortſetzung. b) Der Reitzmittel; c) der Mengemittel; und

d) des Compoſts.

Es iſt aber der Gebrauch

b) der Reitzmittel und

c) der Mengemittel

nur dann und dort von Nutzen, wann und wo die ihnen entgegen-

geſetzten ſchädlichen Eigenſchaften des Bodens neutraliſirt werden

ſollen. Wenn dies nicht der Fall iſt, dann iſt derſelbe gewiß

ſchädlich. Auch iſt vorzüglich auf dieſem Wege zu erklären, warum

das Thonen, Mergeln, Sanden, Kalken und Gipſen vielfach

ſchlimme Folgen hatte und dieſe Materien in manchen Gegenden

ganz in Verruf gekommen waren. Es richtet ſich alſo die Quali-

tät und Quantität der zu wählenden Reitz- und Mengemittel nach

der Beſchaffenheit des Bodens. Nämlich: 1) der Thon darf nur

in gepulvertem Zuſtande auf einen ſandigen Boden gebracht wer-

den1); 2) der Kalk (auch das Knochenmehl) wird nur in dem

Thonboden in gepulvertem Zuſtande vortheilhaft ſein2); 3) der

Sand hat ſich meiſtens zur Verbeſſerung torfiger Gründe und

Wieſen nützlich erwieſen3); 4) der Mergel, beſonders in ge-

branntem Zuſtande, paßt für den Thonboden beſonders wegen

ſeiner Wohlfeilheit um ſo mehr, je größer ſein Kalkgehalt iſt,

derſelbe eignet ſich bei hauptſächlichem Thongehalte wegen ſeiner

geringen Koſten und ſeines leichten Zerfallens an der Luft noch

beſſer als der reine Thon4); 5) man muß beſonders beim Ge-

brauche des Thones ſich hüten, daß keine Klayklumpen entſtehen,

weil man den Acker natürlich dadurch verderbt; — 6) in Betreff

der Zeit, wann dieſe Miſchung geſchehen ſoll, iſt zu bemerken,

daß dieſe nur vor der Saat beſorgt werden muß, weil die Men-

gung ohne Unterackern nicht möglich und namentlich der kohlen-

ſaure Kalk den Pflänzchen ſchädlich iſt5); 7) das Gipſen dage-

gen hat gerade dann ſeine hauptſächliche Wirkung, wenn die

entſprechenden Pflanzen ſchon eine ziemliche Höhe erreicht haben6);

8) die Salze, beſonders Laugenſalze, werden hauptſächlich mit

Vortheil auf dem Wieſenboden angewendet7).

d) Der Gebrauch des Mengedüngers iſt ſehr vortheilhaft.

Man überdüngt damit blos und eggt ihn unter oder pflügt ihn

ganz ſeicht ein. Dies geſchieht in der Saatfurche. Man ſtreut

ihn aber, bisweilen erſt im Frühjahre auf die Winterfrucht, über

die etwas hervorgekommene Saat8).

¹ Lehm iſt dem Thone noch vorzuziehen. Beide müſſen vor dem Aufbringen

längere Zeit den Einflüſſen der Luft ausgeſetzt werden. Die Menge davon, welche

[189/0211]

¹ man aufzufahren hat, richtet ſich nach der Beſchaffenheit der Ackerkrume und des

Lehms und Thones ſelbſt. Nach Block (Mittheil. I. 270.) ſind bei großem Mangel

an Bindung 60 bis 80 Fuhren, jede zu 20 bis 25 Cub. Fuß, nicht zu viel für

1 preuß. Morgen. Bei einer Lockerung der Ackerkrume von 7–8 Zoll bringen

40 Fuhren Lehm zu 25 Cub. Fuß derſelben ungefähr 8–9%, aber 70–80

ſolche Fuhren 16–18% mehr Bindung und Lehmgehalt, und es nimmt die

Ackerkrume um ⅔ bis 1⅓ Zoll an Tiefe zu. Wenn man täglich im Winter 12

Fuhren verſchaffen könne, dann bleibe dieſe Verbeſſerung immer vortheilhaft.

Burger (Lehrb. I. 196.) rechnet auf den Thaer'ſchen Sandboden (= 0,09 an-

geſchwemmten feinen thonartigen Theilen + 0,90 Sand + 0,01 Humus) im

Ganzen 0,0331 Thonerde, wenn der Boden 0,07 voll haben ſoll.

² Auch hier richtet ſich die Menge des aufzubringenden Kalkes nach der Be-

ſchaffenheit des Bodens. Auf ſehr bindigen, viele verwesliche Stoffe verſchließenden,

oder ſauren, und viel ſauren Humus haltenden Aeckern iſt nach Block (Mittheil.

I. 259.) ein ſtarkes Kalken zu empfehlen. Ein ſtarkes Kalken iſt nach ihm pr.

Morgen 30–40 Cub. Fuß, ein mittleres 18–24 Cub. Fuß, ein ſchwaches

6–10 Cub. Fuß gebrannter Kalk. Thaer (rat. Landw. II. 243.) gibt als ge-

ringſte Quantität 16 preuß. Scheffel pr. Morgen an, ſagt aber zugleich, er habe

auch beſonders in England 150 Scheffel pr. Morgen angewendet gefunden. (Nach

ſeiner engl. Landw. I. 168. gibt man auf ſchwerem Klay für einen engl. Acre

= 1,584 preuß. Morgen, 400–500 Bushel = 264[FORMEL] bis 330[FORMEL] preuß. Scheffel.)

Young (The farmers Calender. p. 44.) rechnet auf 1 Acre 60, auch 100 La-

dungen, wovon jede 18 Bahren voll (Barrowfuls) enthält. Burger (Lehr-

buch. I. 189.) rechnet 400 bis 800 Metzen auf 1 öſtreich. Joch, alſo auf 1 preuß.

Morgen ungefähr 190 bis 380 Scheffel.

³ Nach Koppe (Unterricht. II. 47.) muß man dort den Sand 612 Zoll

hoch auffahren und nach Burger (Lehrbuch. I. 187.) ſind 800 einſpännige Fuder

à 6 Cub. Fuß nöthig, um 1 Joch 1 Zoll hoch zu bedecken, oder 351 ſolche Fuder

auf 1 preuß. Morgen.

⁴⁾ Block (Mittheilungen. I. 267.) rechnet bei ſtarkem bindendem Boden 30

bis 40 Fuhren Sandmergel oder 20 Fuhren Kalkmergel, und auf leichtem ſandigem

Boden 40 bis 50 Fuhren Thonmergel, jede Fuhr zu 25 Cub. Fuß. Thaer (rat.

Landw. II. 253.) gibt als eine ſchon gute Mergelung 20 bis 25 Ladungen zu

18 Cub. Fuß pr. Morgen auf lehmigem oder thonigem Boden an, wenn der Mer-

gel 60% Kalk und darüber hält; er rechnet auf ſandigem Boden 120 ſolche

Ladungen mergeligen Lehm, doch nehme man von Mergel, der 25% Kalk halte,

dazu auch nur 60 ſolche Ladungen. (Thaer's lehmiger Sandboden enthält 80 bis

85%, der ſandige Lehmboden aber 70–75% Sand, ration. Landw. II. 141.

No. 14–17.) Jenes iſt eine zöllige, dies eine halbzöllige Mergelung, welche

leztere Koppe (Unterricht. II. 26.) für die mittlere erklärt, und mit 108 einſpänn.

Ladungen zu 10 Cub. Fuß pr. preuß. Morgen bewirken will. Young (The far-

mers Calender. p. 39.) rechnet auf sand-, Mergel- oder Klayboden 50 oder 60

Cub. Yards pr. Acre, bei loſem feuchtem Lehmboden aber 100 Cub. Yards, oder

58,7-68,2-129,4 preuß. Cub. Fuß pr. preuß. Morgen.

⁵⁾ Der Kalk bildet eine Ausnahme bei den §. 146. Note 2. genannten Pflanzen,

auf deren Blätter und Wurzeln ſein Staub wie Gips wirkt, wenn die Pflänzchen

nicht zu jung ſind.

⁶⁾ Block (Mittheilungen. I. 261.) rechnet pr. Morgen 1½ bis 2 Centner

gemahlenen Gips für hinreichend, und 1 Centner Gips mit 2 Scheffel roher Aſche

vermiſcht für ſo wirkſam als 2 Centner Gips; aber 3 bis 4 Centner Gips pr.

Morgen hat nach ihm weit vortheilhaftere Wirkung; in günſtigen Jahren ſteigt

durch das Gipſen die Kleeernte um 40–50%, im Durchſchnitte aber ſicher um

25%, daſſelbe ſoll auf die folgende Frucht mit einer Erhöhung der Ernte um

6–8% noch wirken. Thaer (rat. Landw. II. 263.) rechnet zwiſchen 1 und 2

Scheffel pr. Morgen. Koppe (Unterricht. II. 117.) gibt das Maaß pr. Morgen

auch auf 1½-3–4 Centner, insbeſondere wo der Gips theuer iſt, zu 2 Centner

an. Der April und Anfang vom Mai iſt die beſte Zeit zum Gipſen, bei windſtillem

Wetter, wenn die Pflänzchen ſchon etwas vorgeſchritten ſind.

[190/0212]

⁷⁾ Thaer (rat. Landw. II. 267.) rechnet auf einen thonigen kalkigen Acker

30–36, auf einem ſandigen kalkigen Felde 15–18 Scheffel Kohle pr. Morgen,

und (S. 269.) 18–20-30 Scheffel Seifenſiederaſche pr. Morgen. Block

(Mittheilungen. I. 264.) gibt als gehöriges Maaß 80 Cub. Fuß ausgelaugte

Aſche pr. Morgen, und hält 120–160 Cub. Fuß für nicht zu viel; in Nieder-

ſchleſien gibt man dem Morgen 40 Cub. Fuß Seifenſiederaſche, gemiſcht mit

10 Cub. Fuß gebrannten Kalkes. Koppe (Unterricht. II. 126.) gibt als gewöhn-

lichſte Quantität ausgelaugter Aſche 2–3 Wagenladungen zu 24 Centner an.

Man ſtreut die Kohle blos über die Saatfurche oder Saat, die Aſche aber wird

ſeicht untergepflügt.

⁸⁾ Block (Mittheilungen. I. 256.) gibt als gutes Recept folgendes an: 4 Fu-

der Schlammerde oder Erde von Gräbenrändern u. dgl., 1 Fuder ausgelaugte Aſche,

Seifen- oder Pottaſchſieder-Aſche, 1 Fuder menſchliche Excremente und 1 Fuder

gebrannten Kalk, jedes Fuder zu 30 Cub. Fuß. Man kann auch Kalk und Aſche

doppelt nehmen. Dieſe Maſſe düngt 3 Morgen auf 2 bis 3 Jahre; iſt der Compoſt

aber ſchwächer, dann rechnet er 10–15 Fuder à 30 Cub. Fuß pr. Morgen.

III. Pflanzungslehre oder Pflanzenkulturlehre.

§. 150.

1) Das Einbringen der Pflanzen in die Erde.

Die Natur zeigt, daß ſich die Pflanzen durch Ausfallen des

Saamens, durch Verbreitung von Wurzeln, und Eingraben von

Zweigen fortpflanzen. Die Kunſt kann hier nur die Natur nach-

ahmen. Daher geſchieht das Einbringen der Pflanzen in den Bo-

den auf folgende Arten:

a) Durch die Saat (Ausſaat, Einſaat). Bei dieſer iſt zu

berückſichtigen vor Allem: 1) die Jahreszeit der Saat. Einfluß

auf ihre Beſtimmung hat die Natur der Pflanzen, das Klima, das

Wetter und die phyſiſche Beſchaffenheit des Bodens. Man unter-

ſcheidet daher die Sommer- und Wintergewächſe, je nachdem ſie

ſchon in einem Sommer oder in einem Winter und Sommer reif

werden und folglich im Frühjahre erſt oder im Spätjahre geſäet

werden1); 2) die Art und Beſchaffenheit des Saamens (der

Saat). Bei der Wahl der Art des Saamens kommt es auf das

Klima und die phyſiſche Beſchaffenheit des Bodens an, in Betreff

der Beſchaffenheit des Saamens aber hat man für gehörig reifen,

nicht zu alten, keimfähigen (lebendigen), und ſonſt weder durch

Unkrautſaamen verunreinigten noch durch Fehler in der Aufbe-

wahrung verdorbenen Saamen zu ſorgen; öfters bedient man ſich

äußerlicher Mittel zu deſſen Verbeſſerung2); 3) die Menge des

einzubringenden Saamens. Dieſelbe richtet ſich nach der Größe und

Natur der Pflanzen, nach dem Düngerzuſtande des Bodens, nach

der phyſiſchen Beſchaffenheit des Leztern, nach der Güte der vor-

herigen Bodenbearbeitung, nach der Saatzeit, nach der Beſchaf-

fenheit des Saamens und nach der Art des Säens3); 4) die

[191/0213]

Art der Vertheilung des Saamens; entweder ſäet man breit-

würfig, oder man wirft und ſteckt die Saamen einzeln ein oder

man ſäet mit Maſchinen4); 5) das Unterbringen deſſelben;

man unterſcheidet die Art und die Tiefe deſſelben und bedient ſich

dabei bald der Egge, bald des Rechens, bald der Pflüge und

Hacken, bald geſchieht es durch die Säemaſchine ſelbſt5).

b) Durch die Pflanzung. Sie geſchieht entweder mit

Wurzeln oder Ablegern, oder mit bereits erwachſenen Pflanzen.

Die beiden erſteren Methoden wendet man an, wenn ſich die Natur

der Pflanzen dazu eignet und eine Erziehung derſelben aus Saa-

men zu lange dauern würde. 6) Die lezte Methode wird benutzt,

bei empfindlichen und ſolchen Pflanzen, welche ſich erſt in mehreren

Jahren ganz entwickeln und weit auseinander ſtehen müſſen, um

ſich gehörig auszubilden6). Man ſäet ſie aber vorher in eigene

Beete, denen man eine beliebige Lage geben kann, zum Theile

wegen des Schutzes gegen klimatiſche Einflüſſe, zum Theile wegen

größerer Möglichkeit einer genaueren Sorgfalt in der vorläufigen

Behandlung7).

¹ Die Sommergewächſe, wie z. B. Buchweitzen, Taback, Bohnen, Mais,

ertragen nicht leicht Fröſte. Daher iſt ihre frühe Saat nicht räthlich. Andere ſind

durch Nachtfröſte nicht ſo aſſicirbar, wie z. B. die Sommergetreidearten, und dieſe

kann man ſchon frühe ſäen. Die Wintergewächſe werden, weil ſie ſtarken Froſt

ertragen, ſchon im Spätjahre geſäet. Dieſe Verhältniſſe begünſtigen eine ſchöne

Reihenfolge in der Saat und eine bequemere Theilung der Geſchäfte. Daher iſt

aber die Saatzeit auch wechſelnd nach der Oertlichkeit, obſchon man annehmen kann,

das bei Wintergewächſen die frühe Saat die vortheilhaftere iſt, weil die Pflanze

vor dem Eintritte der Kälte gehörig erſtarkt ſein muß.

² Die Keimfähigkeit des Saamens erprobt man durch Anfeuchten und Aus-

ſetzen an Wärme. Dieſelbe iſt von längerer oder kürzerer Dauer, je nach der

Pflanzengattung und der früheren Behandlung des Saamens, die weder zu große

Hitze noch Näſſe bereiten darf. An der Runzelloſigkeit, am Glanze, an der Glätte,

Fülle und Geruchsloſigkeit erkennt man den guten Saamen. Bei Getreide und

Kleeſaamen iſt der Betrug am leichteſten. (Ueber die Verfälſchung des Lezteren,

die man das Doctoriren (Doctoring) heißt, ſ. m. Babbage On the Economy

of Machinery and Manufactures. §. 151., überſetzt von Friedenberg. S. 133.)

Aus Mangel an eigenem Saamen und zum Behufe der Erneuerung einer Pflanzen-

art nimmt man oft fremde Saat. Dabei iſt es immer beſſer, guten Saamen aus

minder begünſtigten Gegenden, als diejenige iſt, in welcher er untergebracht werden

ſoll, zu nehmen (Thaer Möglin. Annalen. XXVII. 205. Ueber ſchlechte Saat-

getreide). Sogenannte Saamenbeitzen zur Beförderung der Keimfähigkeit, wie z. B.

in Alaun- oder Salpeterauflöſung, in Miſtjauche u. dgl. m., ſind, obſchon ſie das

Keimen beſchleunigen können, öfters wegen zu großer Schärfe gefährlich. Kalk,

Aſche, Kupfervitriol, weißen Arſenik u. a. braucht man auch als Mittel gegen

Brand. Allein ſie haben ſich nicht bewährt. S. auch Thaer Möglin. Annalen.

XXVII. 246. 252 (v. Zubereitung des Saamens, auch mit Chlor). Deſſelben

Annalen der niederſächſ. Landwirthſchaft. Schnee Landw. Zeitung. I. S. 67. 447

(Miſtjauche). S. 347 (Kalk, Aſche, Salz). vrgl. mit Sickler Deutſchlands

Feldbau. S. 185. Auch Schnee XV. 21 (Beitze gegen Schnecken).

³ Kräftigen und reichen Boden beſäet man nicht ſo dicht wie mageren. Dieſe

Regel gilt überhaupt von allen Fällen, in welchen der Boden der Pflanze zu ihrer

[192/0214]

³ Entwickelung mehr Mittel gibt, als ein anderer. Bei der Drillſaat braucht man

weniger Saamen, als bei einer andern. S. §. 144.

⁴⁾ In dieſer Hinſicht iſt die beſte Säemethode diejenige, welche die Saat am

gleichmäßigſten und ſo vertheilt, daß jede zukünftige Pflanze ihren gehörigen Stand-

ort in mechaniſcher und chemiſcher Beziehung hat. Das Legen und Stecken der

Saamen iſt das ſorgfältigſte und beſte, aber auch zeitraubendſte und koſtſpieligſte

Verfahren (Schwerz belg. Landw. I. 280.). Die breitwürfige Saat geſchieht

mit der Hand, aber begreiflicherweiſe iſt ſie nicht ſo vollkommen, wie jene Methode

und das Säen mit Säemaſchinen, durch welche die Saat nach mathematiſchen

Geſetzen gleichförmig geſchieht. Die Anwendung dieſer lezteren iſt aber auf kleinen

Gütern und wegen der Koſtſpieligkeit der Maſchinen nicht überall anwendbar.

S. oben §. 140. Schnee Landw. Zeitung. I. 162. (Säen mit der Hand).

⁵⁾ Die Wahl der einen oder andern dieſer Methoden richtet ſich nach der

Lockerheit, Reinheit und Bearbeitung des Bodens, und nach der Größe der Saa-

men; denn davon hängt die nothwendige Kraft der Maſchine und die Höhe der

über den Saamen zu deckenden Erdſchichte ab. Die Tiefe des Unterbringens richtet

ſich aber auch noch nach dem Bedarfe der Saamen und Pflanzen an Feuchtigkeit,

Wärme, Luftzutritt und mechaniſcher Haltung. Verſuche darüber bei Burger

Lehrbuch. I. 290. André Oeconom. Neuigkeiten. Juli 1817 und April 1818 (auch

erwähnt und mitgetheilt von Burger a. a. O.). Nach Burger iſt eine ſeichte

Saat ½ Zoll, eine mittlere 1–1½ Zoll, eine tiefe 1½-3 Zoll tief. —

Ueber die Saatgeſchäfte überhaupt ſ. m. Trautmann Landw. L. I. 366. Koppe

Unterricht. II. 127. Gerike Anleitung. II. §. 232. Thaer rat. Landw. IV. 6.

v. Reider Landw. L. §. 97. Burger Lehrbuch. I. 279. Geier Lehrbuch. §. 40.

Crud Oeconomie. S. 229. Thaer Annalen des Ackerbaues. II. 383. I. 406. 681.

III. 348. Nach Thaer kann ein Mann an kleinen Sämereien täglich 5 Morgen,

an Bohnen aber mit 1 Jungen nur ſo viel drillen. Breitwürfig wird ein Mann

in 9 bis 10 Stunden 16–24 preuß. Scheffel ausſäen.

⁶⁾ z. B. beim Taback, Kopfkraut, Runkelrüben, auch Raps, Bäumen. Man

verpflanzt aber auch ſogar Getreide. S. Schwerz belg. Landw. I. 291.

⁷⁾ Man ſieht bei Saamenbeeten darauf, daß ſie gegen Norden und Oſten ge-

ſchützt ſind, ſich aber gegen Süden neigen. Gehöriges Düngen im Herbſte und

Bearbeiten im Frühjahre iſt ein Haupterforderniß, ebenſo wie das Jäten, Begießen

und Ueberſtreuen mit Gips, Ruß, Aſche u. dgl. als Mittel gegen Unkraut, Trockniß

und Ungeziefer. Das Ueberſetzen der Pflänzchen geſchieht bei feuchter Witterung mit

dem Setzholze oder der Haue.

§. 151.

2) Pflege der Pflanzen in und auf dem Boden.

Der Zweck dieſer Geſchäfte iſt die Beförderung des Wachs-

thums der Pflanzen. Dieſe wird erreicht:

a) Durch Erfüllung der Bedingungen und Hinweg-

räumung der Hinderniſſe des Wachsthums. Man ſucht

den Pflanzen daher, wo und wann es nöthig und nützlich wird,

auf künſtlichem Wege beizubringen: 1) Wärme, nicht blos poſitiv

künſtlich, ſondern auch durch Schutz gegen Kälte1); 2) Feuch-

tigkeit, zum Theile durch Begießen, zum Theile durch Wäſſern2);

3) Lockerheit und Reinheit des Bodens, durch Behacken, Be-

häufeln und Jäten, oder Feſtigkeit deſſelben durch das Walzen3);

endlich ſucht man ihnen: 4) Schutz gegen ſchädliche Thiere und

Pflanzen zu verſchaffen4).

[193/0215]

b) Durch äußerliche und innerliche Veredelung der

Pflanzen. Dieſelbe geſchieht: 1) durch das Beſchneiden und

Blatten; 2) durch die verſchiedenen Arten der Veredelung ſelbſt;

und 3) durch Heilung derſelben von ihren verſchiedenartigen Krank-

heiten5).

¹ Es gehört hierher das Feueranmachen, das Dampfbereiten (beſonders auf

Weinbergen), das Schützen mit Einhängungen, das Bedecken mit Reiſig, und die

Treibbeete, deren Erklärung aber dem Gartenbaue angehört.

² Das Begießen iſt im Großen nicht anwendbar, und eignet ſich mehr für

gartenmäßige Kultur. Das Bewäſſern wird im Großen angewendet. In mancher

Gegend thut es die Natur durch Austreten der Flüſſe. Wo dies nicht der Fall

iſt, wird es blos bei Wieſen und wohl auch bei Weiden angewendet, und wird an

ſeinem Orte davon die Rede ſein; ebenſo vom Bewäſſern des Reißes.

³ Durch das Behacken, das man entweder mit der Handhaue oder bei

regelmäßiger Saat und Pflanzung mit den Pferdehacken u. dgl. vollführt, lockert

man blos die Erde um die Pflanzen herum. Auch bedient man ſich dazu, beſonders

beim Getreide, der Eggen, ohne daß, bei gehörig dichter Saat, viele Pflänzchen

ruinirt werden. Das Behäufeln, welches auch mit obigen Werkzeugen, nur

nicht mit der Egge, geſchieht, hat auch den Zweck, mit dem um die Pflanzen

zuſammengezogenen Grunde der Pflanze mehr Nahrung, Feuchtigkeit, Schutz gegen

zu vielen Regen und zu große Trockniß zu geben. Das Jäten, d. h. das Reinigen

des Bodens von Unkraut, geſchieht auch entweder mit der Hand- (eigentl. Jäten)

oder mit der Pferdehacke oder durch obiges Behacken und Behäufeln. Das Wal-

zen, beſonders der Getreide, des Rapſes u. dgl., iſt von ſehr großem Nutzen, im

Frühling, wenn der Boden nach ſtarken Fröſten beim Thauwetter aufzieht.

(Schnee Landw. Zeitung. X. 333. 435. 449. Rüder Landw. Zeitung. 1833.

S. 129. Beſchreibung und Abbildung einer Gelenkwalze von Hermes zu dieſem

Zwecke.) Nach v. Fredersdorf (Anleitung zur Veranſchlag. S. 179.) werden zum

Jäten eines preuß. Morgens in einem Tage 40 Frauen erfordert, nach Reyne

aber nur 24 Frauen. Der Durchſchnitt für einen 10 ſtündigen Arbeitstag wäre

ſonach 32 Frauen für den Morgen. Allein die zu berechnenden Umſtände ſind zu

verſchiedener Art, als das man eine allgemeine Angabe mit Zuverläſſigkeit benutzen

könnte. Nach den meiſten Erfahrungen aber kann man annehmen, daß zum Be-

hacken und zum Behäufeln eines Morgens in 10 ſtündigen Tagen in zähem Thon-

boden 7, in Lehmboden 6, und in Sandboden 4 bis 5 Frauen nöthig ſind. Die

Anſicht, daß 1 Perſon täglich 1 Morgen behacke, welche v. Daum in ſeinen Bei-

trägen II. §. 343. aus dem nach Thaers Angabe zu zahlenden Lohne von 3 Pfenn.

für 40 Ruthen Länge, ſo daß 1 Perſon täglich 5 bis 6 gGr. verdiene, abſtrahirt

hat, verdient gar keinen Glauben.

⁴⁾ Zu den Unkrautspflanzen ſind beſonders zu rechnen: a) Einjährige:

die Wucherblume (Chrysanthemum segetum), der Hederich (Raphanus Raphani-

strum), der Windhafer (Avena fatua), der Schwindelhafer (Lolch, Lolium temu-

lentum), der Kuhweitzen (Wachtelweitzen, Melampyrum arvense), die Kamille

(Matricaria Chamomilla), das Flohkraut (Poligonum persicaria), der Ackerſenf

(sinapis arvensis), der Ackerhahnenfuß (Ranunculus arvenvis), die Kornblume

(Centaurea cyanus), die Kornrade (Agrostemma githago), die Korntreſpe (Bromus

secalinus), die Klatſchroſe (Papaver Rhocas), das Täſchelkraut (Tlaspi arvense und

Tl. bursa pastoris), der weiße und der grüne Gänſefuß (Chenopodiam album,

viride), der Hahnenkamm (Rhinantus crista galli), das Klebkraut (Galium apa-

rine), die gemeine Gänſediſtel (sonchus oleraceus), der Ritterſporn (Delphinium

consolida). b) Zwei- und mehrjährige: der Kandelwiſch (Equisetum arvense),

der Ackerwindling (Convolvulus arvensis), die Ackerdiſtel (serratula arvensis), die

knollige Platterbſe (Lathyrus tuberosus), der Huflattig (Tussilago farfara), die

Vogelwicke (Vicia cracca), der Natterkopf (Echium vulgare), der Attich (sambu-

cus ebulus), der Ackerampfer (Rumex acetosella), die Ackergänſediſtel (sonchus

Baumstark Encyclopädie. 13

[194/0216]

⁴⁾ arvensis), die Brombeere Rubus fruticosus), die Ackerbeere (Rub. caesius), und

das Queckengras (Triticum repens). (S. Trautmann Landw. L. II. S. 54.)

Zu den ſchädlichen Thieren gehören die verſchiedenen Arten von Wild, die

Feldmäuſe, Hamſter (Mus cricetus), die Sperlinge, die Saatkrähen (Corvus fru-

gilegus), die Maikäfer (Melolontha majalis) und ihre Larve (Engerling), die

Ackerſchnecken (Limax agrestis), die Zugheuſchrecken (Gryllus migratorius), die

Frühlingsrockenraupe (Phalaena nictitans), die Rockenraupe (Ph. secalis), die

Gerſtenmade (Musca frit, secalis, calamitosa, hordei), die Getreideſchänder (Ti-

pula cerealis). — Beiträge zur Lehre von der Vertreibung der Unkräuter und

ſchädlichen Thiere finden ſich in den landwirthſchaftlichen Zeitſchriften zerſtreut.

Insbeſondere ſind aber folgende Schriften darüber anzuempfehlen: Gmelin, Von

den Arten des Unkrauts in Schwaben. Lübeck 1779. 8. Mund, Abhandl. vom

Unkraute. Leipzig 1787. Lüders Bedenken über das Unkraut. Flensburg 1772.

Boehmeri Commentationes IV. de plantis segeti infestis. Viteb. 1789–1791, 4.

Ejusdem Progr. de plantis auctoritate publ. extirpandis. Ibid. 1795. Bechſtein,

Muſterung aller bisher als ſchädlich erachteten Thiere. Gotha 1805. 2te Auflage.

Crönfeld, Von der Ausrottung des ſchädlichen Ungeziefers. Leipzig 1794.

v. Reuß, Mittel zur Vertilgung ſchädlicher Thiere. Leipzig 1799. 2te Auflage.

Smith, Handbuch zur Vertreibung der ſchädlichen vierfüßigen Thiere. Aus dem

Engl. überſetzt. Hannover 1800. — Die beſten Mittel gegen die in der Oeconomie

ſchädlichen Thiere. Quedlinburg 1802. 2te Aufl. 8. Werner, Art und Weiſe,

das Ungeziefer ohne Gift zu vertreiben. Breslau 1803. Leuchs, Darſtellung der

Mittel zur Abhaltung u. ſ. w. aller ſchädlichen Thiere. Nürnberg 1822. 2te Aufl.

Eine Menge von Monographien über einzelne ſchädliche Thiere gibt Weber im

Handbuch der öconomiſchen Literatur an. Ueber die Wanderheuſchrecke ſ. m. Thaer

Möglin. Annalen. XX. 520. XXI. 135. XIII. 149.

⁵⁾ Dieſe drei Sachen gehören in der beſonderen Feldbaulehre beſonders abge-

handelt. Ueber Pflanzenpflege im Allgemeinen ſ. m. aber Burger Lehrb. I. 317.

Gejer Lehrbuch. §. 46. v. Reider Landw. L. §. 104. 115. Gerike praktiſche

Anleitung. II. §. 224. 228. Koppe Unterricht. II. 149. Schwerz belg. Landw.

I. 263. u. Andere. Ueber Pflanzenkrankheiten ſ. André öconomiſche Neuigkeiten.

1814. No. 36.

IV. Erntelehre.

§. 152.

1) Von dem Schnitte.

Die Reife iſt das Zeichen zur Ernte, d. h. zum Einſammeln

der Feldbauproducte. Man unterſcheidet die natürliche und die

wirthſchaftliche Reife. Erſt die völlige Ausbildung des Saa-

mens iſt das Zeichen der Erſteren; die Leztere aber tritt oft ſchon

früher ein1). Alsdann werden die ganzen Pflanzen oder deren

Theile, auf welche man beim Baue abzielte, abgebrochen, abge-

ſchnitten, ausgezogen, ausgehackt, abgehauen oder abgeſägt. Das

Eine oder das Andere geſchieht entweder mit der Hand durch

Handwerkzeuge oder aber mit Maſchinen. Zu jenen gehören die

Meſſer, Hibben, Aexte, Sägen, Sicheln, Senſen, Hacken, Kar-

ſten; zu dieſen die einfachen und complicirten Pflüge und die

Mähemaſchinen2). Bei der Ernte gibt es aber Unfälle3).

¹ Weil nämlich manche Pflanzen ſchon vor der Reife geerntet werden müſſen,

z. B. der Klee, Flachs, das Wieſengras, die Hirſe. Man ſ. aber über die Ernte-

[195/0217]

¹ geſchäfte: Burger Lehrbuch. I. 329. v. Reider Landw. L. §. 118. Gejer

Lehrbuch. S. 41. Koppe Unterricht. II. 155. Gerike prakt. Anleit. III. §. 349.

welche ſie zuſammen dargeſtellt haben. Dagegen aber: Thaer ration. Landwirthſch.

IV. 38. III. 258. Crud Oeconomie. S. 244. u. 222. Trautmann Landw. L.

II. 38. 106. welche ſie im beſondern Theile zerſtreut vortragen. Thaer Annalen

des Ackerbaues. I. 453. II. 363. 664. IV. 82. 100. VI. 48. Schnee Landw.

Zeitung. IX. 185.

² Ueber Mähe- und Erntemaſchinen ſ. m. Palladius de Re rustica. lib. VII.

tit. 2 (Beſchreibung einer im alten Gallien gebrauchten einfachen Erntemaſchine).

Schnee Landw. Zeitung. IV. 3 (Gladſtone's Erntemaſchine). XII. 226. und

XIII. 197 (Smiths Mähemaſchine). XIV. 437. 480 (Verſuche mit Lezterer).

Beſchreibung derſelben auch bei André Oeconom. Neuigkeiten. 1817. No. 5 folg.

Beſchreibungen und Abbildungen verſchiedener Arten von Sicheln und Senſen bei

Gerike a. a. O. Taf. 3–6. Die bis jetzt erfundenen Mähemaſchinen haben ſich

nicht erprobt. Die Form der Sicheln und Senſen iſt bekannt; Leztere haben aber

noch manchmal beſondere Vorrichtungen, welche entweder in einem Korbe, Bügel

oder in der Gabel beſtehen. Ob man den Schnitt mit der Senſe oder jenen mit

der Sichel vorziehen ſoll, das hängt davon ab, womit die Arbeit am vollkommen-

ſten und ſchnellſten geſchieht. Die in einer Gegend einheimiſche Geſchicklichkeit in

der einen oder andern Methode iſt dabei ſehr wichtig.

³ Der allgemeinſte und ſchlimmſte davon iſt regneriſche Witterung. Die

Maßregeln dagegen richten ſich nach der Art des Productes. Man ſ. Putmaret's

Erfindung bei einer naſſen Getreideärndte die Früchte zu trocknen. Münſter 1771.

Untrügliche Art, wie bei regenhafter Witterung die Feldfrüchte in Sicherheit zu

bringen ſind. Weimar 1801. Helfenzrieder Beſchreibung einer Trockenſcheune.

Augsburg 1787. Thaer Annalen des Ackerbaues. IV. 82. Brandenburg Mit-

tel, das Ausfallen des Getreides auf dem Felde zu vermeiden. Berlin 1820.

Werner Anweiſung, bei ſchlechtem Aerndtewetter das Getreide gut zu erhalten c.

Leipzig 1816. Pſeiner, die verbeſſerte Getreideharfe (ein Trockenhaus). Wien

1822. Mit 16 Tabellen und 1 Kupfer. Mehreres auch in landw. Zeitſchriften.

§. 153.

2) Von der weiteren Gewinnung.

Manche landwirthſchaftliche Producte müſſen, ehe ſie weiter

gewonnen werden können, getrocknet werden, manche aber nicht1).

In beiden Fällen iſt aber oft erforderlich, daß man ſie noch von

ihrer äußeren rauhen Umgebung befreit. Dies geſchieht bald in-

dem man die Laubhüllen hinwegzieht, das Kraut abſchneidet, die

Schotten und Hülſen hinwegnimmt, die Kapſeln aufſchneidet,

bald indem man die Saamen von der Spreu befreit2). Das

Leztere iſt das Dreſchen. Man unterſcheidet das Dreſchen mit

Flegeln, das Ausdreſchen durch Thiere und den Druſch mit

Maſchinen3), welche man in Dreſch-Walzen,- Stampfen

und -Mühlen eintheilt (ſchottiſche Dreſchmaſchinen), je nachdem

in ihnen der Druſch durch die im Namen enthaltene Methode ge-

ſchieht. Das Flegeldreſchen eignet ſich für kleine Güter und

volkreiche Gegenden, das Thierdreſchen nur für ganz reifes,

leicht ausgehendes Geſäme, das Maſchinendreſchen aber blos

für große Güter und menſchenleere Gegenden. Zwar wird in

13 *

[196/0218]

gleicher Zeit auf beide leztere Methoden weit mehr gedroſchen, als

auf erſtere Art, allein das Stroh wird durch ſie mehr oder we-

niger unbrauchbar4). Auf das Dreſchen folgt das Reinigen der

Körnerfrüchte5).

¹ z. B. Getreide, Heu, Klee, Rüben, Kartoffeln.

² z. B. Mais, Runkelrüben, Bohnen, Mohn, Getreide, Kleeſaamen.

³ Ueber alle ältere Dreſchmaſchinen ſ. m. Krünitz Oeconom. Encyclopädie.

IX. 505. Röſſig in den öconom. Heften. Dezember 1798. Die älteſte a. 1670

zu Paddern in Kurland erbaute Dreſchmaſchine ſoll, nach Trautmann (II. 44.),

in der Breslauer Natur- und Kunſtgeſchichte beſchrieben ſein. Ueber neuere aber

ſ. m. Peßler's vollſtändige Beſchreib. und Abbild. einer neuen Dreſchmaſchine.

Braunſchweig 1797. vergl. mit Karſten, die Peßleriſche Dreſchmaſchine nach

Theorie und Erfahrung beurtheilt. Celle 1799. Thaer rat. Landwirthſch. IV. 45

(ſchottiſche). Melzer Abbild. und Beſchreibung einer neuen Dreſchmaſchine. Leip-

zig 1803. Sickler Beſchreib. einer Dreſch- c. Maſchine. Erfurt 1806. Bailey

Beförderung der Künſte. S. 103 (Evers Dreſchmühle, die zugleich mahlt).

Danninger Beſchreibung der auf der Herrſchaft Nutzendorf ſeit 1813 errichteten

Dreſchmaſchine. Wien 1815. Mit 6 Kupfern. Ueber andere Dreſchmaſchinen ſ. m.

Schnee Landw. Zeitung. I. 136. 105. 175. 277. 451 (Veroneſiſche Dreſchwalze).

II. 121. 323 (die Roſenthal'ſche und Wigfull'ſche). V 160 (Dreſchwalze von

Puymarin). 118 (die kurländiſche). XI. 187. 320. XII. 125. 431 (ſchottiſche

Dreſchmühle). XIII. 99 (Moroſi's Dreſchmühle). 356 (franzöſiſche, mit Flegeln).

Die neueſte Dreſchmaſchine iſt von Frêche, in Frankreich, eine Walze. Man ſ.

darüber Bulletin de la société d'encouragement des Arts. Août 1831. p. 343.

Dingler polytechn. Journal. Bd. 42. Heft 2. S. 146. Weber ſchleſ. landw.

Zeitſchr. I. Jahrg. (1832.) I. Bd. 2. Heft. S. 56. Ueber Dreſchmaſchinen über-

haupt auch Thaer Annalen des Ackerbaues. I. 397. II. 178.

⁴⁾ Ueber die Dreſcharbeit ſ. m. überhaupt die im §. 152. Note 1. erwähnten

Schriften.

⁵⁾ Das Reinigen der Körnerfrüchte von gröberen Sämereien geſchieht durch

Siebe, jenes von leichteren Beimengungen durch das Werfen gegen den Wind mit

einer Schaufel, oder durch das in die Höhe Werfen und Wiederauffangen mit

breiten Wannen, oder durch die Fegemühle. Ueber dieſe Leztere ſ. m. Clauſ-

ſen Beſchreibung zweier Maſchinen zum Reinigen des Korns. Leipzig 1792.

Mitzel Abbildung und Beſchreibung einer Maſchine, die nicht nur Korn driſcht

und fegt, ſondern auch den Hanf c. bricht und erweicht. Dresden 1803. v. Stahl

Abbildung und Beſchreibung erprobter Maſchinen, wodurch das Getreide gereinigt

werden kann. Grätz 1806. Mit 5 Kupfern. Auch findet ſich eine Beſchreibung von

einer Fegemühle bei Bailey a. a. O. S. 97 (v. Evers). Dieſelben ſind übrigens

bekannt genug.

Zweite Unterabtheilung.

Beſondere Feldbaulehre.

§. 153. a.

Die einzelnen Zweige des Feldbaues unterſcheiden ſich nach

den drei Hauptnutzungen des Feldes als Acker-, Wieſen- und

Weide-Land. Der Bau der beiden Lezteren iſt einfacher als der

Ackerbau. Dieſer aber zerfällt in den Bau der Getreide-, der

Wurzel- und Knollen-, der Baſt-, Gewürz-, Farb-, Oel-,

Gewerks- und Futter-Pflanzen1).

¹ S. auch Schubarth Anbau der Feldgewächſe. Leipzig 1832. II Thle.

[197/0219]

I. Von dem Ackerbaue.

A. Vom Getreidebaue.

§. 154.

1) Begriff, Weſen und Arten der Getreide.

Unter Getreiden (Cerealia, Frumenta) verſteht man die-

jenigen landwirthſchaftlichen Pflanzen, welche vorzüglich mehlreiche,

zur menſchlichen Speiſe dienende und der Brodgährung fähige

Saamen liefern. Man unterſcheidet daher:

1) Die Halmfrüchte (Grasgetreide, eigentliche Getreide),

d. h. Gräſer mit großen Saamen, welchen obige Eigenſchaften zu-

kommen. Ihre Nutzung beſteht in den Körnern und im Stroh.

Sie haben lange Halme mit Knoten und langen geſtreiften Blät-

tern. Jene endigen in einen Spindel, d. h. einen Stiel, woran

die Aehrchen, d. h. zwei oder drei Blütchen (Körner), zwiſchen

zwei gemeinſchaftlichen Kelchblättchen (Umhüllung) ſitzen. Sind

dieſe Aehrchen nicht geſtielt, dann bilden ſie eine Aehre (Spica);

ſind ſie aber geſtielt, eine Riſpe (Panicula) oder einen Kolben

(spica cylindrica seu panicula spincata), je nachdem die Stiel-

chen lang oder kurz ſind. An den Aehrchen unterſcheidet man die

Spelzen, d. h. die Umhüllung der Körner, die Grannen, d. h.

die an der Spitze der Spelzen angewachſenen Haare, und die

Blüthchen, d. h. zwei die Befruchtungstheile enthaltenden

Spelzchen.

2) Die Krautfrüchte (Krautgetreide), d. h. Kräuterpflan-

zen mit großen, zum Theile auch in Hülſen aufbewahrten Saamen,

welchen obige Eigenſchaften mehr oder weniger zukommen. Anſtatt

der Halme haben ſie ſaftige oder auch etwas holzige Stengel,

aber ſtatt der langen geſtreiften breite ſaftige gerippte Blätter1).

¹ Man ſ. über die Getreide: seringe Melanges botaniques. Bern. 1818.

Tom. I. pag. 220. Metzger Europäiſche Cerealien. Heidelberg 1824. Andere

Schriften gibt Lezterer und auch Weber (Handbuch der öconom. Literatur) an.

S. auch Reum öconom. Botanik. S. 117. v. Haller Beſchreibung der Ge-

ſchlechter c. des Getreides. Bern. 1781.

§. 155.

2) Anbau der Getreidearten. a) Halmfrüchte. — Weitzen.

Roggen. Gerſte. Hafer.

Der Getreidebau iſt der allerverbreitetſte1). Unter den Halm-

früchten ſind folgende die wichtigſten:

1) Der Weitzen (Triticum). Unter den verſchiedenen Arten

deſſelben2) iſt der gemeine Weitzen (Trit. vulgare) und die

[198/0220]

Spelze, Veſen oder Dinkel (Trit. spelta) am meiſten be-

kannt. Jenen theilt man wegen der Zeit des Anbaues und Wachs-

thumes in Winterweitzen (Trit. vulg. hibernum) und Som-

merweitzen (Trit. vulg. aestivum) ein3).

2) Der Roggen (secale cereale), welchen man, ebenfalls

in Winter- und Sommerroggen (hibernum und aestivum) ein-

theilt4).

3) Die Gerſte (Hordeum), von deren Arten die ſechszei-

lige (Hordeum hexastichon) die eigentliche Wintergerſte (hi-

bernum) iſt5).

4) Der Hafer (Avena), der nur als eine Sommerfrucht

gebaut wird6).

¹ Böcklin, Abhandlung vom Urſprung des Getreidebaues. Frankfurt 1786.

Riem, das Ganze des Getreidebaues. Hof 1800. Springer, Abhandl. vom

deutſchen Getreidebau. Göttingen 1767. Parmentier, Abhandl. über die Vor-

theile c. (des Getreides). Ueberſ. von Riem. Hannover 1806. II. Fiſcher,

Ueber den Anbau ausländiſcher Getreide. I. Heft. Nürnberg 1805. (Neue Ausg.

1818. Leipzig.) Wagini, Ueber Anbau der Getreidearten. Wien 1818. Da vom

Getreidebaue in allen Hand- und Lehrbüchern der Landwirthſchaft und in allen

landwirthſch. Zeitſchriften ungemein viel gehandelt wird, ſo wird hier nicht beſon-

ders auf Literatur verwieſen. Der Verf. hält es für beſſer, den Raum der Noten

zu praktiſchen Bemerkungen zu benutzen, und gibt daher in denſelben theils das

Botaniſche, theils das die Cultur Betreffende in Form von Aphorismen, um auch

hierin an Raum zu erſparen. Daſſelbe ſoll auch bei den folgenden Zweigen der

Landwirthſchaft geſchehen.

² Der gemeine Weitzen hat eine 4ſeitige, 34 Zoll lange, zuſammen-

gedrückte Aehre, mit 2–3 ſaamigen ausgebreiteten Aehrchen, mit aufgeblaſenen,

an der Spitze gedrückten Spelzen und länglich-ovalen abgeſtumpften Saamen. Der

Halm wird 3–4 Fuß lang. Die Spelz hat 2 ſaamige, locker in einander liegende

Aehrchen, abgeſtumpfte, zuſammengedrückte, bald gegrante, bald ungegrante Spelzen,

ovale, abgeſtumpfte, mehr glaſige Saamen, welche in den Spelzen bleiben. Vom

Weitzen überhaupt gibt es noch folgende verſchiedene Arten: Trit. turgidum (eng-

liſcher W.), Trit. durum (Bart W.), Trit. polonicum (polniſcher W.), Trit.

amyleum (Emmer W.), Trit. compositum (vielähriger, Wunder W.), Trit. mo-

nococcon (Einkorn). Darunter gibt es aber noch ſehr viele Abarten.

³ Winterweitzen: Thonboden; viel Dünger; Boden nach Hackfrüchten

einmal, und nach Halmfrüchten mehrmals zu pflügen; Saatzeit Ende Septembers

und erſte Hälfte Oktobers; Einſaat 1¼-3 Scheffel pr. Morgen (preuß. Maaß);

Ertrag 10–25 Sch. pr. M.; auf 100 Pfund Körner 180–250 Pfd. Stroh. —

Sommerweitzen: thonigen Boden; Saatzeit lezte Hälfte vom April; Saat dich-

ter als bei jenem; Ertrag etwas geringer. Der Scheffel Weitzen wiegt 90 Pfund.

Spelz: Winterfrucht; Einſaat bis zu 5 Scheffel pr. Morgen, weil das Korn in

den Spelzen ſteckt; Ertrag doppelt ſo groß als beim Weitzen; lagert ſich wenig,

leidet nicht vom Vogelfraß wie der Weitzen; oft als Mengſel unter Roggen.

⁴⁾ Der Roggen hat die Blüthen in einer Aehre, 2 ſaamige Aehrchen in 2

Reihen abwechſelnd an der Spindel, 2 klappige Kelchſpelzen mit gleichen ſchmalen

in eine feine Spitze ausgehenden Klappen, aber 2 klappige ungleiche Blumenſpelzen,

wovon die äußere gegrant, am Rücken ſcharf, und mit einer Reihe ſteifer Haare

beſetzt iſt. Der Saamen iſt cylindriſch abgeſtumpft, der Halm 4–5 Fuß hoch,

und die Aehre 3–6 Zoll lang und gebogen. Winterroggen: leichter, nicht

feſter Boden; weniger Dünger als für Weitzen in gleichem Boden; Ackerbeſtellung

wie beim Weitzen; Saatzeit 25ten Auguſt bis 15ten September, je nach der Ge-

[199/0221]

⁴⁾ gend; Einſaat 12 Scheffel pr. Morgen; Ertrag 1017 Scheffel; auf 100 Pfd.

Körner 200–300 Pfd. Stroh. — Sommerroggen: Klima und Boden wie

beim Winterroggen; gefährdete, minder ergiebige Getreideart; viel Dünger; feuchte

Frühlinge; Saat früh, ſchon im April, dichter als beim Winterroggen; Körner-

ertrag geringer, Strohertrag größer, als beim Weitzen und bei anderen Saamen-

getreiden. Ein Scheffel Roggen wiegt 86 Pfund.

⁵⁾ Die Gerſte hat die Blüthen auch in einer Aehre, einblüthige, einſaamige

Aehrchen, und zwar 3 beiſammen in einem Büſchel, von denen manchmal nur das

mittlere fruchtbar iſt. Die Kelchſpelzen ſind 2 klappig-pfriemenförmig, die Blumen-

ſpelzen ungleich, oft mit den Saamen verwachſen, die äußeren gegrant und 5 nervig,

die Saamen länglich, aufgeblaſen und zugeſpitzt nach beiden Enden. Halm 2½ bis

3 Fuß hoch, Aehre 3–3½ Zoll lang. Verſchiedene Arten: Hordeum hexastichon

(ſechszeilige Gerſte), Hord. vulgare (gemeine, vierzeilige Gerſte), Hord. distichon

(zweizeilige Gerſte), Hord. zeocriton (Reis- oder Pfauen-Gerſte). Es gibt viele

Abarten. Die Gerſte verlangt in warmem Klima einen mäßig bindigen, in feuch-

tem Klima aber einen leichten, loſen Boden; reichlichen Dünger; lockeres und

reines Feld; Saatzeit für Sommergerſte Ende des März und Anfang Aprils, für

Wintergerſte im September; Einſaat 1¼–3 Scheffel pr. Morgen; Ertrag 10

bis 26 Scheffel; auf 100 Pfd. Körner 140–161 Pfd. Stroh; der Scheffel Gerſte

wiegt 75 Pfund.

⁶⁾ Der Hafer hat Blüthen und Aehrchen in einer Riſpe, 2–6 blüthige,

2–4 ſaamige Aehrchen, die Blumenſtielchen ſind an der Spitze verdickt, die Kelch-

ſpelzen 2 klappig gleich, die Blumenſpelzen umſchließen meiſt den Saamen, der fein

behaart iſt. Der Halm iſt 3½-4 Fuß hoch, die Riſpe 8–10 Zoll lang. Ver-

ſchiedene Arten: Avena sativa (Riſpen-Hafer), Av. orientalis (Fahnen-Hafer),

Av. chinensis (chineſiſcher Hafer), Av. nuda (nackter Hafer), Av. fatua (Flug-

Hafer), Av. strigosa (Sand-Hafer), Av. brevis (kurzer Hafer). Der Hafer ver-

langt loſen trockenen, aber nicht mageren, Boden; wenig Feuchtigkeit, ohne durch

Näſſe und Kälte zu leiden, wie die Gerſte; kein zu trockenes Klima; iſt ſtark gegen

Frühlingsfroſt; einmaliges Pflügen in lockerem Boden nach Winterbrache; die frühe

Saat im April und Mai iſt beſſer als die ſpätere am Ende Mai's und Juni's;

Einſaat 1¼–2¾ Scheffel pr. Morgen; Ertrag 4–16 Scheffel; auf 100 Pfd.

Körner 160–200 Pfd. Stroh. Der Scheffel Hafer wiegt 50 Pfd.

§. 156.

Fortſetzung. Reiß. Glanzgras. Moorhirſe. Hirſe. Mais.

5) Der Reiß (Oryza sativa), deſſen Anbau mit vieler

Mühe verbunden iſt, gedeihet nur in warmem Klima auf frucht-

barem Boden, weshalb er für unſere Felder nicht wohl paßt. Er

muß bewäſſert werden1).

6) Das Kanarien- (Glanz-) Gras (Phalaris canariensis)

iſt eine Sommerfrucht, aber nicht von beſonderem wirthſchaftlichen

Werthe2).

7) Die gemeine Moorhirſe (sorghum vulgare, oder

Holcus sorghum), welche ein ſüdliches Klima erheiſcht, paßt

nicht für Deutſchland, beſonders da ihr Mehl ſehr unſchmack-

haft iſt3).

8) Die Hirſe (Panicum) iſt eine ſehr vortheilhafte Getreide-

art, welche als Sommerfrucht in vielfacher Hinſicht verdiente,

mehr gebaut zu werden, als wirklich der Fall iſt4).

[200/0222]

9) Der Mais oder das Welſchkorn (Zea Mais, M. vul-

garis), wovon es eigentlich nur Spielarten in Menge gibt, iſt

eine vielgebaute vortreffliche Sommerfrucht. Man baut davon den

gemeinen großen Mais, und den gemeinen kleinen Mais

(Dreimonats- Mais, in Italien Cinquantino genannt, weil er

ungefähr in 50 Tagen ſchon reif iſt)5).

¹ Der Reiß iſt riſpenförmig, die Aehrchen ſind einblüthig, die Kelchſpelzen

zweiklappig, die Klappen ſehr klein und ſpitzig; die 2klappigen Blumenſpelzen bilden

eine Schaale über dem Saamen, die äußere Klappe iſt 5eckig und größer als die

innere, Saamen oval, ſtumpf, zuſammengedrückt und eckig. Der Halm iſt 3–4

Fuß hoch, und die Riſpe ausgebreitet. Man unterſcheidet den gegranten und un-

gegranten Reiß. Saatzeit früh im Frühling. Reife nach 6 Monaten. Das Feld

wird zur Bewäſſerung beſonders durch Dämme und Gräben zugerichtet, und

bewäſſert vor der Saat. Der, vorher eingeweichte, Saamen wird auf das Waſſer

geſäet, ſinkt unter, und wächst aus dem Waſſer hervor. Im Mai läßt man das

Waſſer ab, und jätet; hierauf wird das Waſſer wieder mehrmals zu- und abge-

laſſen, bis man im Oktober das Feld, als Vorbereitung zur Ernte, ganz trocken

legt. Unter ſeinen Spielarten iſt der Bergreiß (Oryza montana) beſonders

darum zu bemerken, weil er auf trockenem Felde gebaut werden kann.

² Saatzeit im April; Reife am Ende Juli; verlangt guten leichten Boden;

iſt als Brodfrucht unbedeutend, aber für Kanarienvögel ſehr gut.

³ Die gemeine Moorhirſe hat eine dichte zuſammengezogene Riſpe,

1–2blüthige kurzgeſtielte Aehrchen, 2klappige, lederharte, ovale, glänzende, die

Saamen umſchließende Kelch-, aber dünnhäutige, zarte, kurz oder gar nicht gegrante

Blumen-Spelzen, verkehrt eiförmige, aufgeblaſene, glatte, mehlige Saamen. Der

Halm ſehr ſtark, 4–6 Fuß hoch, die Riſpe 3–4 Zoll lang und 2–2½ Zoll

breit. Arten: Holcus halepensiss (ſchmalblättrige M.), H. Cafer (mit dolden-

artiger Riſpe), H. spicatus (mit langer dichter Aehre), Holcus cernuns (mit oben

krummem Halſe), H. saccharatus (Zucker-M., mit ſehr ausgebreiteter Riſpe),

H. nigerrimus (pyramidiſche Riſpe), und H. bicolor (zweifarbige M., mit langer,

ſeitwärts zuſammengezogener Riſpe). Saatzeit bei uns Ende Aprils; Reife in

der Hälfte Septembers; warmer Sommer; Ertrag 200 fältig.

⁴⁾ Blumen und Aehrchen in Riſpen oder Kolben; Aehrchen einblüthig; Kelch-

ſpelzen 3klappig; Blumenſpelzen den Saamen umſchließend, 2klappig; Körner rund

und verſchieden groß. Bei der Riſpenhirſe Halm 1½-2 Fuß hoch, und die Riſpe

nach einer Seite hängend; bei der Kolbenhirſe Halm 2–4 Fuß hoch, Kolben von

verſchiedener Größe, Spindel haarig. Arten: Panicum miliaceum (Riſpenhirſe),

Pan. italicum (Kolbenhirſe), beide mit mehreren Abarten. Warmes Klima für

Wein. Verträgt Trockenheit und Hitze; daher tauglich für ſandigen Boden, für

Neubrüche; verlangt guten Düngungszuſtand und Reinheit des Ackers; Saatzeit

April, ſelbſt noch Mai; Einſaat 3–5 Metzen pr. Morgen; Ertrag 8–10 Schef-

fel, zu ernten vor völliger Reife mit der Sichel, wegen des Ausfallens der Körner;

100 Pfund Körner geben 137–140 Pfd. Stroh und 1 Scheffel wiegt 75 Pfd.

⁵⁾ Die männlichen Blüthen in der Riſpe, die weiblichen in der Aehre. Sten-

gel 2¾-18 Fuß hoch, bei uns gewöhnlich 5–7 Fuß. Klima wie für die Hirſe;

in warmen Ländern einen bindigen, in kälteren einen leichteren Boden; reichliche

und friſche Düngung und fleißige Reinigung des Bodens; Saatzeit des großen Mais

im April, des kleinern im Juni; lezteren ſäet man in die Stoppel nach der

Ernte; Einſaat ¾ bis 1 Scheffel pr. Morgen, in gleich weit von einander ent-

fernten Reihen: zweimaliges Behacken und dann Behäufeln: die Riſpen geben gutes

Rindviehfutter, dürfen aber der Befruchtung wegen nicht zu früh abgeſchnitten

werden; Ertrag, je nach der Weitwürfigkeit der Saat, 11–25 Scheffel pr. Mor-

gen; 100 Pfund Körner geben 135 Pfund Stroh; 1 Scheffel wiegt 78 Pfund.

[201/0223]

§. 157.

Fortſetzung. b) Krautfrüchte. Buchweitzen. Hülſenfrüchte.

Unter den Krautfrüchten ſind folgende die wichtigſten:

1) Der Buchweitzen oder das Heidekorn (Polygonum).

Er iſt eines der unzuverläſſigſten und empfindlichſten landwirthſchaft-

lichen Gewächſen, obſchon er ſich wegen ſeiner Schnellwüchſigkeit

und geringen Düngerbedarfs empfiehlt1).

2) Die Hülſenfrüchte. Die, Schoten tragenden, Ge-

treidepflanzen ſind alle nur einjährig, und blos, mit Mehl von

Halmfrüchten gemiſcht, zu Brod zu gebrauchen. Sie ertragen

keine eindringliche Kälte und ziehen einen großen Theil ihrer Nah-

rung durch Stengel und Blätter aus der Luft. Ein feuchtes Klima

iſt für ſie daher ſelbſt dann noch gut, wenn die Halmfrüchte nicht

gedeihen. Ihre Kultur erſchöpft eben darum auch den Boden

nicht, dieſer erhält durch ihre Bearbeitung und durch die abfal-

lenden Blätter ſogar noch einen Grad natürlicher Düngung, und

bleibt durch ihre Blätter beſchattet, ſo wie durch dieſen Schatten

und ihren dichten Stand vor Unkraut geſchützt. Die wichtigſten

von ihnen ſind:

a) Die Erbſe (Pisum), von welcher man die gemeine

Erbſe (Pisum sativum) und die Kronerbſe (P. corymbosum)

beſonders pflanzt2).

b) Die Bohne (Vicia faba), wovon man die große

Pferde- oder Saubohne (V. f. major), die eigentliche

Pferdebohne (V. f. minor) und die Kaffebohne (V. f. mi-

nima) beſonders baut3).

c) Die Wicke (Vicia sativa), welche, als Sommerfrucht,

ganz beſonders auch zu Futter ſich eignet4).

d) Die Linſe (Ervum Lens), wovon man die Pfennig-

linſe (E. L. major) und die kleine Linſe (E. L. minor) kul-

tivirt findet5).

e) Die Fiſole (Phaseolus), von deren vielen verſchiedenen

Arten und Spielarten die Zwergfiſole (Ph. Nanus) im Stocke

die kleinſte iſt6).

f) Die Platterbſe (Lathyrus sativus) und

g) Die Kicher (Cicer arietinum), welche aber jetzt beide,

da ſie den anderen Hülſenfrüchten in jeder Hinſicht nachſtehen,

nicht mehr viel gebaut werden.

¹ Mit gefärbtem Kelche, der 5mal getheilt iſt, keine Blumenkrone hat, und

3 eckige Saamen gibt. Saamen dreieckig, ſpitz, von dem Kelche feſt umſchloſſen.

Stengel 2–3½ Fuß hoch. Arten: Polygonum fagopyrum (gemeiner B.), P.

tartaricum (tartariſcher B.) und P. emarginatum (großer B.). Wenig Bedarf an

[202/0224]

¹ Feuchtigkeit; daher Fortkommen in Sandboden; iſt empfindlich gegen Kälte und

dürre Winde; Saatzeit gewöhnlich im Mai, aber öfters noch im Juli, alsdann iſt

er jedoch zweite Frucht; verlangt warmen Boden ohne viel Humus; iſt er erſte

Frucht, dann wird der Acker zweimal, — iſt er aber zweite Frucht, dann wird

jener nur einmal gepflügt; Einſaat 1¼-1½ Scheffel pr. Morgen; Ertrag, ſehr

wechſelnd, oft kaum die Saat, und dann wieder bis zu 18 Scheffel pr. Morgen.

² Man unterſcheidet die Pahl- (Früh-, Mark-, grüne, langhälſige, graue,

braune und Zwerg-Erbſe) und die Zuckererbſe (Säbel- und niedrige Zuckererbſe).

Reum öconom. Botanik. S. 301. Die beſten Erbſen blühen weiß. Die Kron-

erbſe hat weiße große, die gemeine Erbſe grüne, graue und weiße Körner. Leztere

iſt immer Früherbſe, und von den Erſteren nur die grünen und weißen entweder

Spat- oder Früherbſen; ſie lieben das Klima des Winterweitzens; nicht zu loſen,

beſonders aber Kalkboden; zu ſtarke Düngung treibt ſie ſehr in die Stengel und

gibt unvollkommene Körner; Vorbereitung des Bodens, wie bei den Sommerfrüch-

ten, nämlich Brachackerung vom Herbſte an, ſo daß man im Frühjahre nur ſeicht

pflügt; die Saat im Mai iſt ſchon ſpät und nicht ſo gut wie frühere; Einſaat

⅔-2 Scheffel pr. Morgen; Ertrag 3–10 Scheffel; Behacken oder Uebereggen

ſehr vortheilhaft; 100 Pfund Körner geben 260–285 Pfund Stroh, und 1 Sch.

Erbſen wiegt 100 Pfund.

³ Sie hat weiß- und ſchwarzgefleckte Blumen, viereckige hohle Stengel und

ſaftige Blätter. Die Saubohne hat flache große weißgelbe oder blutrothe Saamen;

die Pferdebohne hat kleinere rundliche und braungelbe Körner; ihr iſt die Kaffebohne

ähnlich, aber kleiner. Durch Kultur unterſcheidet man auch die kleine, die Garten,

Windſor-, Magazin- und Zwerg-Puffbohne. Reum öconom. Botanik. S. 303.

Sie verlangt das Klima des Sommerweitzens, mehr Feuchtigkeit als die Erbſe,

hauptſächlich Thonboden, und nur bei feuchtem hühlem Klima einen loſen Grund,

aber unter allen Hülſenfrüchten am meiſten Dünger; Pflügen und Düngen ſchon im

Herbſte; Saatzeit im Mai iſt ſchon ſpät; das Behacken iſt nöthig; Einſaat 1–2

Scheffel pr. Morgen; Ertrag 6–10 Scheffel; 100 Pfund Bohnen geben 134 bis

144 Pfund Stroh und 1 Scheffel Bohnen wiegt 100 Pfund.

⁴⁾ Sie hat rothe Blüthen, ſchwarze Schoten, runde Saamen von verſchiedener

Farbe; Kultur im Gemiſche mit Gerſte und Hafer; zu Futter kann ſie dann grün

gemähet werden, und ſelbſt ſpäter ein nahrhaftes Heu geben: daher beſonders ge-

eignet zur Sommerbrache; in England gibt es Winterwicken, die ſchon im Mai

gutes Futter geben. Die Wicke verlangt mehr Feuchtigkeit und weniger Wärme

als die Erbſe, und ſchon auf magerem Boden nicht zu ſtarke Düngung; frühe Saat

iſt beſſer, als jene im Mai; ſie bedarf keiner beſonderen Kultur; Einſaat 1¼ Sch.

pr. Morgen; Ertrag 6–8 Scheffel; auf 100 Pfund Körner ſind 260–285 Pfd.

Stroh zu rechnen, und 1 Scheffel Wicken wiegt 100 Pfund.

⁵⁾ Sie hat bläulich-weiße, unter einander verſchlungene Blüthen, und kleine

Schoten mit 2–4 flachrunden Saamen. Sie verlangt bei trockenem Klima einen

thonigen, bei regneriſchen aber einen ſandigen Boden; wenig Dünger, recht frühe

Saat, eine Bodenbearbeitung wie bei gedüngter Sommerfrucht, und das Behacken

bei vorhandenem Unkraut. Einſaat ½-1¼ Scheffel pr. Morgen, und Ertrag

5–7 Scheffel. Reum (öconom. Botanik. S. 306.) unterſcheidet die Feld-,

Pfennig- und gelbe Linſe.

⁶⁾ Hauptſächlich Gartengewächſe, weil ſie meiſtens rankend ſind und alſo

Stangen haben müſſen. Sie vertragen keinen Froſt, aber Hitze, in naſſen Jahren

einen mürben, nur keinen Thonboden, und in heißen Jahren keinen Sandboden.

Sie lieben aber einen guten Düngungszuſtand, und ſind ſehr häufig in Maisäckern

als Zwiſchenfrucht gepflanzt.

§. 158.

3) Schlimme Zufälle der Getreidearten.

Die Getreide ſind verſchiedenen Unfällen ausgeſetzt. Es ge-

hört hierher, beſonders beim Weitzen: a) das Auswintern bei

[203/0225]

naſſem Boden und heftigem Winterfroſte; b) das Verſcheinen

und Gelbwerden im kalten Frühlingen1); c) das Lagern, als

Folge zu dichter Saat, zu ſtarker Düngung, anhaltenden Regens

u. dgl.; d) das Taubblühen bei ſchlechter Blüthezeit; e) der

Brand. Man unterſcheidet den Staubbrand (Uredo carbo,

franz. Nielle, Charbon) und den Steinbrand (Uredo Caries,

franz. la Carie)2); f) das Gichtkorn, wenn der Saame

einſchrumpft und ſchwindet; g) der Honigthau, eine honigartige

ausgeſchwitzte Feuchtigkeit; h) der Roſt, wenn Blätter und Sten-

gel gelbe Flecken bekommen, platzen und einen braunen Staub von

ſich geben; i) das Mutterkorn (beſonders beim Roggen), das

aus mißgeſtalteten langen hornartigen violetten Körnern beſteht,

die eine ſchädliche mehlige Subſtanz enthalten.

¹ Man ſ. darüber Thaer Annalen der niederſächſ. Landwirthſch. Jahrg. IV.

Stück 3. S. 54.

² Von dieſem Uebel handeln vielfach alle Zeitſchriften für Landwirthſchaft.

Beim Staubbrande findet ſich in den Spelzen ein ſchwarzbrauner Staub; er entſteht

durch ſchlechten Boden, ſchlechtes Wetter u. dgl. und iſt nicht erblich. Der Stein-

brand, bei dem das Korn noch beſteht, aber braun und übel riechend und ſchmeckend

iſt, ſoll erblich ſein. Man ſ. z. B. darüber Reum Oekonom. Botanik. (Leipzig

1833.) S. 60. Dann außer den angegebenen Lehr- und Handbüchern noch Thaer

Möglin. Annalen. VI. 324. VIII 103. 158. IX. 293. XIV. 359. XXVII. 228.

Deſſelben Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. IV. Stück 1. S. 98. Stück 2.

S. 306. Jahrg. VI. Stück 1. S. 61. Deſſelben Annalen des Ackerbaues. II.

334. 561. IV. 642. vrgl. mit 364. XII. 384. Schnee Landw. Zeitung. I. 466.

491. und in jedem folgenden Bande. André Oekonom. Neuigkeiten. Jahrg. 1811.

No. 4. u. and. Jahrg. 1812 an mehreren Stellen, und jedem folgenden Jahrgange.

§. 159.

4) Die Getreideernte.

Das Getreide wird in Schwaden geſchnitten oder gemäht,

dann getrocknet, nöthigenfalls gewendet und in Garben gebunden.

Die Garben ſelbſt werden zum Behufe völliger Abtrocknung in ver-

ſchiedenen Formen über einander geſtellt, oder auch auf Stangen-

gerüſte (Harfen) gehängt. Nach völliger Abtrocknung wird es

nach Hauſe gefahren1) und dort aufbewahrt, und zwar entweder

in Scheuren (Scheunen) oder im Freien in Triſten (Frimen2),

bis zum Druſche. Nach dem Lezteren und nach der Reinigung hebt

man daſſelbe entweder auf Schüttboden, oder in Getreide-

käſten oder endlich in unterirdiſchen Gruben (Silo's) auf3).

Die Erſteren ſind bequem, aber koſtſpielig und weder vor Inſekten

noch vor Mäuſen geſchützt; die hölzernen mit Eiſenblech beſchlage-

nen Kaſten ſind darum vorzuziehen; die unterirdiſchen, birnför-

[204/0226]

migen Gruben ſind nur in dichtem, waſſerhaltigem, ausgebranntem

und mit Stroh gefüttertem Thone anwendbar.

¹ Es mähet 1 Mann bei 10ſtündigem Arbeitstage, bei mittlerer Dichtigkeit

des Getreides und gehöriger Geſchicklichkeit, an Winterfrucht 2,09 preuß. Morgen,

an Sommerfrucht 2,645 preuß. Morgen, an Schotenfrüchten 2,315 preuß. Morgen.

Es kann aber 1 Perſon in 12ſtündigem Arbeitstage im Durchſchnitte nur 0,50 Mor-

gen ſchneiden. Nach v. Podewils Wirthſchaftl. Erfahr. I. 45. macht 1 Perſon

täglich 10 Schock Strohſeile. Eine Perſon ſammelt, bindet und ſetzt zu Mandeln

auf, an einem 10ſtündigen Arbeitstage, im Durchſchnitte das Wintergetreide von

1,63 preuß. Morgen, das Sommergetreide von 1,78 preuß. Morgen, und die

Schotenfrüchte von 1,12 preuß. Morgen, ohne Rückſicht auf Maht oder Schnitt.

Im Durchſchnitte wiegt eine Weitzengarbe 23, eine Roggengarbe 22, eine Gerſten-

garbe 20, und eine Hafergarbe 17 Pfund. Man darf daher zu einer vierſpännigen

Ladung ſchon 105 Weitzengarben (2415 Pfd.), 105 Roggengarben (2310 Pfund),

120 Gerſtengarben (2400 Pfd.) und 135 Hafergarben (2295 Pfd.) rechnen, wenn

ſie ſich nur laden laſſen. Nach den im §. 148. Note 4. angenommenen Normal-

ſätzen beim Düngerfahren kann man für jede Fahrt 1 Stunde rechnen, weil das

Garbenladen mehr aufhält. Die Erbſen- und Wickenfuhren ſind leichter; daher

kann man ein vierſpänniges Fuder Erbſen auf 2000 Pfund, und Wicken auf 2200

Pfund ſchätzen (v. Daum Beiträge. II. §. 326,). Man wird daher auf 1¼ Stunde

unter obigen Normen eine Fahrt rechnen können, da man zum Aufladen leicht

¾ Stunden braucht. Eine Mandel Pferdebohnen wiegt 408 Pfund, Buch-

weitzen 295 Pfund. Da ſich beide dicht laden laſſen, ſo darf man auf ein vier-

ſpänniges Fuder ſchon 6 Mandeln von dem Erſteren (2448 Pfund), und 8 Man-

deln von den Lezteren (2360 Pfund) rechnen. Die Zeit für jede Fahrt iſt wie

beim Getreide. Man wird alſo von den bisher genannten Ladungen bei Wechſel-

wagen füglich im Tage 10 einbringen können. Für das Aufladen muß 1 Aufſtaker,

1 Nachharker und 1 Packer gerechnet werden. Da das Abladen ſehr raſch gehen

muß, ſo braucht man, um nicht aufzuhalten, immer noch einmal ſo viel Abſtaker

als Aufſtaker, und auf jeden im Durchſchnitte 3 Taſſer, worunter wenigſtens

1 Mann ſein muß. Daher im angegebenen Beiſpiele 2 Abſtaker, 6 Taſſer, wovon

2 Männer ſind. — Ueber Hanbury's Stangenhaken zum Ernten ſ. m. Bailey

a. a. O. S. 125.

² Ueber Getreidefeimen ſ. m. Thaer Möglin. Annalen. IX. 417. Thaer

engl. Landw. II. 154. 215. Weber prakt. Handbuch der Feldwirthſch. II. 152.

Sinclair Grundgeſetze. S. 751. Leideritz, Ueber Diemen- und Feimengerüſte,

Zerbſt 1801. Ueber Edgeworth's Vorrichtung ſ. m. Bailey a. a. O. S. 139.

Drei Dreſcher dreſchen in einem 7 ſtündigen Arbeitstage ungefähr 108 Garben

(9 Scheffel) Weitzen; oder 108 Garben (8,3 Scheffel) Roggen; oder in eben ſo

viel Garben 11,94 Scheffel Gerſte; oder 13,23 Scheffel Hafer; oder 144 Garben

(18 Scheffel) Buchweitzen; oder 11,72 Scheffel Wicken; oder 8 Scheffel Erbſen.

Der 5tägige Erdruſch kann von ihnen auch in einem Tage gereinigt werden.

³ Man ſ. über dieſe unterirdiſchen Getreidemagazine: Thaer Mögliniſche

Annalen. XI. 26. XIX. 68. Schlier, Ueber unterirdiſche Getreidemagazine.

Würzburg 1825. Schnee Landwirthſch. Zeitung. II. 488. André Oeconomiſche

Neuigkeiten. 1813. Nro. 34 u. 35 (Magazin von Mauerwerk). Burger Lehrb.

I. 344. Trautmann Landwirthſch. L. II. 46. Ueber Fagot's Magazin ſ.

Schreber Sammlung. X. 264., über Engelmann's Magazin ſ. Preisſchriften

und Abhandl. der ökonomiſchen Geſellſch. zu Petersburg. I. 89., über Norberg's

Magazin ſ. Neue Abhandlungen der ſchwediſchen Akademie der Wiſſenſch. X. Bd.

1792. Nro. 5., über das Cheshire'ſche Magazin ſ. Sinclair Grundgeſetze.

S. 757. Ueber Delacroix's Aufbewahrung des Getreides ohne Silo's ſ. m.

Telnart, Die Kunſt, den Boden fruchtbar zu machen. Aus dem Franzöſ. überſ.

von Haumann. Ilmenau 1830. Die gefährlichſten Thiere in den Kornhäuſern

ſind: der weiße Kornwurm (Wolf, d. h. Made der Phalaena granella), der

rothe Kornwurm (Glander, Reiter, Wippel, Curculio frumentarius), und der

ſchwarze Kornwurm (Krebs, Curculio granarius). Der Lezte iſt der ſchädlichſte.

Schnee Landwirthſch. Zeitung. II. 93. 143. 368. 475.

[205/0227]

B. Vom Wurzel- und Knollengewächsbaue.

§. 160.

1) Begriff, Weſen und Arten der Wurzel- und Knollen-

gewächſe.

Man verſteht unter denſelben diejenigen Krautpflanzen, welche

wegen der in oder auf der Erde wachſenden Knollen oder Wurzeln,

die ſowohl den Menſchen als Hausthieren zur Nahrung dienen,

gezogen werden. Sie gehören botaniſch ganz verſchiedenen Ge-

ſchlechtern oder Familien an.

1) Die Wurzelgewächſe unterſcheiden ſich, abgeſehen von

ihrem botaniſchen Charakter, von den andern durch ihre zum Theile

in der Erde wachſenden fleiſchigen, bald länglichen, bald runden,

weißen, rothen und gelben Wurzeln, welche ſämmtlich in ſchwanz-

artiger Verlängerung in der Ackerkrume endigen.

2) Die Knollengewächſe ſind von jenen durch ihre bald

runde, bald längliche, bald breit gedrückte fleiſchige Knollen von

rother, gelber oder blauer Farbe verſchieden, welche nach beiden

Enden ſtumpf oder ſtumpfſpitzig ſind, keine glatte, ſondern eine

ſolche Fläche haben, die mit mehreren Vertiefungen (Augen,

Knoſpen) verſehen ſind, und durch eigene Wurzeln unter ſich und

mit dem Stocke zuſammenhängen1).

¹ Ueber Kartoffelbau ſ. m. Ludwigs Abhandlung von den Erdäpfeln.

Bern 1770. Eugel Anweiſung c. über den Erdäpfelbau. Bern 177374. II.

Leonhardi, Ueber den Kartoffelbau in England. Aus dem Engliſchen überſetzt.

Leipz. 1797. Buſchendorf, Unterricht über den Anbau der Kartoffeln Leipz. 1806.

Juch, Das Ganze des Kartoffelbaues. Ulm 1818. Putſche, Verſ. einer Monographie

der Kartoffeln. Herausgegeben von Bertuch. Weimar 1819. Weber, Handbuch

des Futterbaues. S. 361. Kreyſſig, der Futterbau. §. 174. Thaer engliſche

Landw. I. 314. 266. III. 311. Hübner, Anleitung zur Pflanzung der Kartoffeln.

Salzburg 1807. Der Kartoffelbau in ſeiner höchſten Cultur c., nach den viel-

jährigen Erfahrungen des Freiherrn v. D. zu K. Wien 1820. Jacobi, Ueber

die Kartoffeln. Nürnberg 1818. Die Kartoffelfrucht, Anleitung zu ihrem Anbau c.

Rudolſtadt 1830. 4te Ausgabe. Kögel, Unterricht zum Anbaue der Kartoffel.

Quedlinburg 1831. 2te Aufl. Kade, Ueber den Anbau der Erdäpfel, Hel. tuberos.

Breslau 1820–1823. III Hefte. 4.

§. 161.

2) Anbau der Wurzel- und Knollengewächſe. a) Wurzel-

gewächſe.

Die vorzüglichen Wurzelgewächſe ſind folgende:

1) Die Möhre oder gelbe Rübe (Daucus Carotta), welche

von außerordentlichem Nutzen iſt, aber wegen der Mühe des Be-

hackens und Jätens, das mit der Hand geſchehen muß, in Deutſch-

[206/0228]

land ungleich weniger als in England gebaut wird1). Ihre Blätter

ſind doppelt gefiedert.

2) Die Paſtinake oder Hammelsmöhre (Pastinaca sa-

tiva), welche zu dem Geſchlechte der Möhren gehört, und dieſen

landwirthſchaftlich auch ſehr ähnlich iſt2).

3) Die Runkel-, Dick- oder Burgunder-Rübe (Beta

cicla altissima), hauptſächlich als Viehfutter gebraucht. Sie hat

große rothbraune und grüne gerippte Blätter, aber äußerlich rothe,

innerlich weiße und roth gekreiste Rüben von 1–16 Schwere3).

4) Die Rübe (Brassica). Man baut davon beſonders die

a) Kohlrübe (Art von Brassica Napus, welche man Br.

Napus rapifera oder auch Br. Napobrassica nennt). Sie hat

bläulichgrüne leierförmige glatte Blätter, und weiße, gelbe und

röthliche Wurzeln. Sie heißt auch Kraut- oder Unterkohlrübe,

Bodenkohlrübe, Dorſche, engliſch Turnep Cabbage, with the

Turnep under ground, franz. Chou navet, ſchwediſch Rutebag-

ger, woher der Name Rutabaga kommt.

b) Kohlrabe (Art der Brassica oleracea, welche man Br.

oleracea Caulo-rapa oder auch Br. oler. gongylodes nennt).

Sie hat über der Erde am Strunke eine kopfartige blaue oder

weiße Rübe mit blau- oder weißgrünen kleineren glatten Blättern.

Sie heißt auch Oberkohlrübe, Rübenkohl, engl. Turnep rooted

Cabbage, franz. Chou rave, ſchwediſch Kolrabi.

c) Saatrübe (Art der Brassica Rapa, die man Br. R.

rapifera nennt), mit dunkelgrünen, ſteifhaarigen Blättern und

langen, runden oder länglichten, weißen, gelben oder rothen Rüben

(engl. Turnip, franz. Rave, ſchwed. Rufar)4).

¹ Sie wird in Deutſchland mehr klein und im Kleinen in Gärten zur menſch-

lichen Speiſe, in England aber im Großen groß auf dem Felde zu Futter gebaut,

verlangt einen tiefgelockerten, reinen, fruchtbaren, aber nicht friſch gedüngten

Boden, ein gemäßigtes Klima, und wird im März geſäet. Einſaat 3–4 Pfund

pr. Morgen; Ertrag 140 Centner Wurzeln und 15 Centner grünes Kraut pr. Mor-

gen, im Thonboden, und Sandboden geringer, in mürbem Lehmboden am größten.

Es gibt übrigens eine gelbe, weiße und rothe (dunkelgelbe, faſt rothe) Möhre.

Reum Oekonom. Botanik. S. 313.

² Sie verlangt einen trockenen, ſehr tiefen, mürben, weichen Boden, iſt der

Möhre ſonſt landwirthſchaftlich gleich, und ſoll eine noch größere Nahrhaftigkeit

haben.

³ Man unterſcheidet auch die große Runkelrübe, mit weißlichem roth-

aderigem Fleiſch, die dicke Runkelrübe, mit weißem Fleiſche und rothem Halſe,

und die gelbe Runkelrübe, mit langen gelblichen Rüben. Reum Oekonomiſche

Botanik. S. 280. Sie liebt das Klima des Winterweitzens, einen tief gelockerten,

mürben, reinen, nicht friſch gedüngten Boden (beſonders wenn ſie zur Zucker-

fabrikation gebaut wird), und wird in Beete geſäet, aus denen man ſie am

Anfange des Juni in 2füßigen Reihen 1½ Fuß in der Linie von einander entfernt

ſetzt, wozu man ſich eigener Setzrechen bedient (André, Oekonom. Neuigkeiten.

[207/0229]

³ 1814. Nro. 28.). Saatzeit Ende des März. Einmaliges Behacken mit der Hand-

baue und zweimaliges mit der Pferdehacke. Ihre Blätter werden abgenommen, erſt

wenn ſich die Wurzel ſchön gehörig ausgebildet hat. Ertrag 145–150 Centner

Rüben und 38 Centner grüne Blätter pr. Morgen.

⁴⁾ Die Kohlrübe liebt ein Klima, wie die Runkelrübe, einen ziemlich bin-

digen Boden; ſie wird wie die Runkelrübe gebaut und hat bald weißes, bald gelbes

Fleiſch. Ertrag 140–145 Centner Rüben und 18 Centner grünes Kraut pr. M.

Die Saatrübe kommt in jedem Klima fort, verlangt ein friſchgedüngtes, lockeres,

reines Feld, wird im Juni, Anfangs Juli oder Auguſt geſäet, und heißt im lezten

Falle Stoppel-, und im erſten Brachrübe. Behacken, aber nicht Verſetzen,

iſt nöthig. Ertrag der Brachrüben bis zu 200 Centner, der Stoppelrüben bis zu

140 Centner Rüben und 12 Centner grüne Blätter. Die Kohlrabe, mehr ein

Gartengewächs, iſt ſammt dem Kraute bis zu 20 Pfund ſchwer, und gibt einen

Ertrag von 200 Centner Rüben. Man ſ. über den botaniſchen und ökonomiſchen

Unterſchied, ſo wie über den Anbau dieſer Rüben: Metzger, Syſtematiſche Be-

ſchreibung der kultivirten Kohlarten. Heidelberg 1833. S. 46. 33. und 52.

(Ausgezeichnet.)

§. 162.

Fortſetzung. b) Knollengewächſe.

Die vorzüglichſten Knollengewächſe ſind folgende:

1) Die Kartoffel oder Erd-, Grundbirne (solanum

tuberosum). Man unterſcheidet runde Knollen (gelb, roth,

blau), wovon es 12, — längliche Knollen (gelb, roth, blau),

wovon es 7, breite Knollen (gelb, roth), wovon es 3, und

unregelmäßige Knollen, wovon es 4 Abarten gibt1).

2) Die Topinambur (knollige Sonnenroſe, Erdapfel, Heli-

anthus tuberosus), ein beſonders für das Vieh beſtimmtes Knol-

lengewächs mit hohen markigen breitblättrigen stengeln und gelben

sternförmigen Blumen2).

3) Die Erdnuß (Erdmaus, Lathyrus tuberosus) und

4) Das Cyperngras (Cyperus esculentus) ſind Beide un-

vortheilhaft und nicht mehr gebaut.

¹ Reum Oekonom. Botanik. S. 223. Sie gedeihet in jedem Klima und

Boden, nur nicht in reinem Thonboden und Sumpfe, verlangt vielen Dünger und

ſteht im Ertrage mit dieſem in geradem Verhältniſſe. Als Sommerfrucht wird ſie

bearbeitet. Man erneuert ſie durch Saamen, pflanzt ſie aber durch die Augen der

Knollen fort, die man auch in Stücken zerſchnitten mit Erfolg in die Erde bringen

kann, was am vortheilhafteſten und angemeſſenſten iſt, wenn es mit Sorgfalt

geſchieht. Einſaat ganzer Kartoffeln 8–10 Scheffel pr. Morgen, geſchnittener

Kartoffeln 4–6 Scheffel, und ausgeſtochener Augen 3 Scheffel. Die Saat geſchieht

mit dem Pfluge oder mit der Hacke, am Anfange Mai's, Ende April's, weit beſſer

als im März. Mit 2 Pflügen, 6 Kartoffellegern und 2 Pflugleitern beſtellt man

täglich 3,33 bis 3,77 preuß. Morgen. Zur Beſtellung eines Morgens täglich mit

der Hacke und Hand bedarf man im Ganzen 9 Perſonen. Die Kultur im Großen

beſteht im Uebereggen beim Erſcheinen der Keime, ſpäter im Behacken mit der

Pferdehacke und dann im Behäufeln mit derſelben, — im Kleinen aber blos im

zweimaligen Rühren mit der Handhaue und im Behäufeln mit derſelben. (Eine

eigene Kartoffelhacke iſt erwähnt bei Thaer Annalen des Ackerbaues. II. 604. 610.,

die eigene Kartoffel-Furchenegge von Schröer iſt beſchrieben und abgebildet bei

Schnee Landw. Zeitung. VI. 200.) Zum Behacken und Behäufeln mit der Hand-

[208/0230]

¹ haue bedarf man bei 10ſtündigem Arbeitstage für den Morgen in zähem Thonboden

7, in Lehmboden 6, in Sandboden 4–5 Franen. Das frühere Abſchneiden des

Krautes bringt im Ertrage Nachtheil. Ertrag nach der erſten Saatmethode 11,

nach der zweiten 15–20, nach der dritten aber 30 fach. Der Scheffel wiegt

100 Pfund und gibt 6–8 Pfund dürres Kraut. Man unterſcheidet auch Früh-

und Spätkartoffeln.

² Sie wird wie die Kartoffel behandelt. Wo ſie einmal angebaut iſt, kann

ſie nur ſchwer ausgerottet werden. Einſaat 5–6 Scheffel pr. Morgen. Ertrag

40–45 Scheffel à 104 Pfund. Auf 100 Pfund Knollen kann man 9¾-12 Pfd.

dürres Laub und 11–12 Pfund dürre Stengel rechnen.

§. 163.

3) Unfälle, und 4) Ernte der Wurzel- und Knollen-

gewächſe.

Außerdem daß dieſelben durch Trockniß ſehr im Wachsthum

aufgehalten werden, iſt vorzüglich die Kartoffel einer Krankheit,

Kräuſel (engl. curl) genannt, ausgeſetzt. Dabei trocknet das

Kraut ganz ein und die Stöcke haben wenig Knollen1). Die

Urſache kennt man davon noch nicht, aber die rothen ſind ihr mehr

als die gelben unterworfen und dürfen, wenn ſie die Krankheit

haben, nicht zur Saat benutzt werden.

Die Ernte derſelben findet im Spätjahre Statt. Die Rüben

werden mit den Händen ausgezogen und, nachdem das Kraut ab-

geſchnitten iſt, entweder im Freien in länglich-viereckigen Gruben

oder im Keller aufbewahrt. Die Reife der Kartoffeln erkennt man

äußerlich am allmäligen Verdorren der Blätter. Sie werden aber

in der Regel entweder mit der Handhacke, dem Karſten, gewöhn-

lichen Pfluge oder Hackenpfluge auf die Oberfläche gebracht2),

zuſammengeleſen, und, wenn ſie zur Saat dienen ſollen, im Keller,

ſonſt aber auch in Feldgruben aufbewahrt.

¹ Dieſe Krankheit haben die Engländer entdeckt. Man vermuthet, ſie komme

von einem Inſektenſtiche.

² Einen eigenen Kartoffelheber beſchreibt Thaer Ackergeräthſchaften.

III. Heft. S. 19. Mit einem Pfluge reißt man täglich 3–4 Morgen Kartoffel-

feld und bedarf zum Aufleſen nach Schmalz (Anleit. §. 17.) 15 Perſonen. Dem-

nach ſind für 1 Morgen 2 bis 2½ Stunden zum Aufpflügen und 4 Perſonen zum

Aufleſen erforderlich, womit v. Flotow und Klebe übereinſtimmen. Setzt man

nun mit Caſpari (Ueber Naturalienertrag. Heft II. S. 22. = Thaer Möglin.

Annalen. 1829.) den vierjährigen Durchſchnittsertrag des Morgens = 6147 Pfund

= 61,47 Scheffel, ſo kann beſtimmt 1 Perſon an einem 8–9ſtündigen Arbeitstage

15,3 Scheffel aufleſen. Werden die Kartoffeln mit Handinſtrumenten ausgemacht,

ſo erfordert ein Morgen, um in 9 Stunden geräumt zu werden, im Durchſchnitte

5 Frauen und 9 Kinder, oder, wenn die Aufhacker ſelbſt aufleſen, 14 Perſonen;

dann muß aber beim ſpätern Pflügen des Ackers noch ein Kind hinter jedem zwei-

ſpännigen Pfluge zum Aufleſen hergehen. Eine Perſon kann alſo 4–5 Scheffel

täglich ausmachen. Zum Ausziehen der Rübgewächſe braucht man auf 2 Morgen

bei mitteldichtem Stande täglich 1 Frau, und eine ſolche zieht daher wohl täglich

292 Scheffel Rüben aus. Zum Abſchneiden des Krautes rechnet man für 1 Morgen

5 Perſonen, ſo daß alſo 1 Perſon dies Geſchäft an 5,8 Scheffel thut.

[209/0231]

C. Vom Gewürzpflanzenbaue.

§. 164.

1) Begriff, Weſen und Arten der Gewürzpflanzen.

Man verſteht unter denſelben diejenigen landwirthſchaftlichen

Pflanzen verſchiedenen botaniſchen Geſchlechts, deren Theile dem

Menſchen wegen ihres gewürzhaften ätheriſchen Oeles brauchbar

ſind. Man unterſcheidet unter denſelben:

1) Solche, bei denen die Blätter das Gewürzöl enthalten,

und nach einer Vorbereitung gebraucht werden.

2) Solche, von denen die Fruchtboden jenes Gewürzöl führen,

und nach vorgängiger Trocknung verwendet werden.

3) Solche, von denen die Narbe den Gewürzſtoff enthält1).

¹ Ueber den Tabacksbau ſ. m. Dransfeld, der verbeſſerte Tabacksbau.

Breslau 1796. Chriſt, Nachricht und Anweiſung zum Tabacksbau. Frankf. 1798.

2te Auflage. Rieben, Anleitung zum Tabacksbau. Dresden 1790. Kling, der

Tabacksbau. Mannheim 1778. Trunk, Von den Vortheilen des Tabacksbaues.

Frankfurt 1803. Anweiſung zum Tabacksbau. Meißen 1804. Agardh, Conspectus

specierum Nicotianae. Aus dem Schwed. überſetzt. Kopenhagen 1821. Hermb-

ſtädt, Anleitung zur Kultur der Tabackspflanze. Berlin 1821. Kolbeck, Abhandl.

über den Taback. Nürnberg 1822. Ueber den Hopfenbau ſ. m. Bauder,

Abhandlung von der beſten Art den Hopfen zu bauen; von Riem beſorgte neue

Auflage. Nürnberg 1796. Ettler, Unterricht zur Kultur des edlern Hopfens.

Leipzig 1799. Möller, die einträglichſte Art den Hopfen zu bauen. Dortmund

1803. III. Auflage. Breitenbach, das Ganze des Hopfenbaues. Erfurt 1803.

Ackermann, Anweiſung zum Hopfenbaue. Karlsruhe 1822.

§. 165.

2) Anbau der Gewürzpflanzen.

Die wichtigſten, bei uns auf dem Felde gebauten Gewürz-

pflanzen ſind folgende:

1) Der Taback (Nicotiana), von welchem man den Vir-

giniſchen (N. tabacum), den großblättrigen (Jungfern-

taback, N. macrophylla) und den gemeinen (Bauerntaback, N.

rustica) auf dem Felde, aber den chineſiſchen (N. chinensis)

und den Riſpen-Taback (N. paniculata) nur in Gärten bei

uns pflanzt1).

2) Der Hopfen (Humulus Lupulus), von welchem man die

Saamenſchuppen der weiblichen Pflanze wegen eines gelben harzi-

gen Mehles (Hopfenmehles), das ſie führen, zur Bierbrauerei

benutzt, um dem Biere einen angenehmen bittern gewürzigen Ge-

ſchmack zu geben2).

3) Der Safran (Crocus sativus), welcher auch zugleich

der Farbe wegen gepflanzt wird3).

Baumſtark Encyclopädie. 14

[210/0232]

¹ Der Virginiſche Taback hat ſtraußförmig ſtehende blaßrothe lange bauchige

Blüthen, und ſitzende länglich-lanzettförmige zugeſpitzte, oft über 1 Fuß lange und

4 Zoll breite Blätter, von denen die unteren herablaufend ſind, und einen 2–6

Fuß hohen Stengel. Der Jungferntaback hat roſenrothe aufgeblaſen-bauchige Blu-

men mit kurz zugeſpitzten Zipfeln, und breit-eiförmige, am Grunde geröhrte, kurz

geſpitzte Blätter. Der Bauerntaback aber hat grünlichgelbe Blumen mit cylindriſcher

Röhre und rundlich-ſtumpfen Zipfeln, aber geſtielte herzförmige, ovale, ganzrandige

Blätter, und höchſtens 4 Fuß hohe Stengel. Der chineſiſche Taback (auch N. fru-

ticosa genannt) iſt ſtrauchartig und ſoll die faſt unglaubliche Höhe von 16–18 Fuß

erreichen. Der Riſpentaback hat blaßgelbe riſpenförmig ſtehende Blumen, und iſt,

zum Unterſchiede von den anderen Arten, faſt ganz aſtlos. Reum Oekonomiſche

Botanik. S. 231. Der Taback verträgt das Klima des Winterweitzens, und ver-

langt einen leichten, mäßig bindigen, humusreichen Boden. Man ſäet ihn früh im

Frühling in Saamenbeete, aus denen man ihn am Ende des Mai verſetzt. Er

wird behackt und behäufelt. Man bricht die Stengelſpitzen und den Geitz, d. h.

die in den Blattachſeln hervorſtechenden neuen Blätter, ab. Der Ertrag iſt pr.

Morgen 577–666 Pfund getrockneter Blätter.

² Die männlichen Blüthen ſind in Riſpen, die weiblichen aber in Zapfen oder

Kätzchen mit häutigen Schuppen, welche den Saamen in Hüllſchuppen bewahren.

Der Stengel iſt rankend und windet ſich links. Es gibt verſchiedene Arten von

Hopfen. Gewöhnlich hat man Frühhopfen und Späthopfen, je nachdem er ſchon

im Auguſt oder erſt im Herbſte reift. Er liebt einen geſchützten Thonſandboden,

und wird durch Keime (Fechſer, Senker) der weiblichen Ranke fortgepflanzt.

Dazu wird der Boden im Herbſte ſehr tief umgearbeitet und gedüngt. Dann wer-

den die geſunden Keime 4–6 Fuß weit von einander geſetzt. Nach einigem

Hervorſchießen dieſer Fechſer wird die Erde um ſie herum aufgegraben; ſpäter bei

1–2 Fuß Höhe werden ſie an ſehr hohe Stangen angebunden. Der Ertrag

kommt erſt im dritten Jahre, in der Zwiſchenzeit muß aber ſorgfältig gejätet,

gehackt und gedüngt werden. Im Frühjahre deckt man die Wurzeln auf, beſchneidet

und reinigt ſie, ſpäter bindet man die Pflanzen wieder an (Anweiſen), und blättert

ſie aus, d. h. befreit ſie von den unteren großen Blättern. Der Ertrag iſt aber

ſehr wechſelnd, je nach der Beſchaffenheit des Jahres. Man ſoll auf 1 Morgen

4000 Stangen, und an jeder Stange 3–6 Hopfenſtauden rechnen, und den Ertrag

zu 4 Centner pr. Morgen annehmen können.

³ Er wird bei den Färbepflanzen (§. 174.) näher betrachtet werden.

§. 166.

3) Unfälle und 4) Ernte der Gewürzpflanzen.

Der Taback iſt in der Jugend dem Froſtſchaden und Schnecken-

fraße ausgeſetzt, und leidet ſpäter auch durch Frühfröſte im Herbſte,

durch Hagel, Sturmwind und Roſt, bei welchem die Blätter gelb

werden und abdorren. Der Hopfen aber iſt von ungünſtigem Wet-

ter am meiſten gefährdet. Der ſchnelle Wechſel von Temperatur

bringt Honig- und Mehlthau hervor, deſſen Folge der Regel nach

die Blattläuſe ſind. Eigenthümliche Krankheiten des Hopfens ſind

der Kupferbrand, der ſchwarze Brand, und das Bodenroth.

Beim Taback ſind gelbe Flecken, Steifheit und Krümmung

die Zeichen zum Abblatten. Die unterſten Blätter heißen Sand-

(Erd-) Gut, die mittleren Mittel-, und die oberen Beſt-Gut.

Man fädelt die Blätter zuſammen und trocknet ſie an der Luft.

Im November ſchichtet man ſie dann in große Haufen auf ein-

[211/0233]

ander, in welchen ſie ſich bald erwärmen. Bemerkt man dies,

dann wirft man ſie zum Abkühlen aus einander. So fährt man

fort, bis alle Feuchtigkeit verſchwunden, eine blaue Farbe ein-

getreten und die Geruchstheile mehr entwickelt ſind. — Die Frucht-

zapfen des Hopfens ſind reif und zu ernten, wenn ſie beginnen

gelblich zu werden, ſtark riechen, und nach dem Zerreiben auf der

Hand ein Oel zurücklaſſen. Acht Zolle über der Erde ſchneidet

man die Ranken ab, zieht ſie mit den Stangen aus, ſtreift ſie

von denſelben ab, und zupft die Zapfen hinweg, die man dann

nach geſchehener Trockenung aufbewahrt.

D. Vom Baſtpflanzenbaue.

§. 167.

1) Begriff, Weſen und Arten der Baſtpflanzen.

Die Baſtpflanzen ſind ſolche landwirthſchaftliche Gewächſe ver-

ſchiedener botaniſcher Art und Geſchlechts, welche man wegen des

ihre Stengel umgebenden Baſtes baut. Sie ſind von zweierlei

Art, nämlich:

a) Neſſelpflanzen (Urtica), mit getrennten kleinen Blü-

then ohne Blume, wenig Staubfäden und zwei Narben, deren

Saamen in einem Schlauche ſitzt (Nußſaamen).

b) Hyperiken, mit vereinigten Blüthen, ausgebildeten Blu-

men, und verwachſenen vielen Staubfäden und Bälgen, deren

Saamen in einer Kapſel ſitzt1).

¹ Ueber den Bau derſelben ſ. m. Vollſtändige Abhandlung über die vortheil-

hafteſte Methode den Hanf- und Flachsbau zu betreiben. Hannover 1794. La Hard

Abhandlung vom Hanfe. Leipzig 1785. Biallon Anleitung zum Flachs- und

Hanfbau. Hannover 1795. Duhamel Art de la corderie perfectionnée. 2 Edit.

Par. 1769. 4. Marcandier Traité du chanvre. Par. 1758. 4. überſ. Freiſtadt 1763.

Dallinger, Ueber die Cultur der großen Neſſeln. Weißenburg 1798. Neue Aufl.

1804. Leipzig. Bertuch, Magazin für den deutſchen Flachs- und Hanfbau von

Rothenſtein. Weimar 1819–21. III Hefte. 4. Lüder, Beſchreibung vom

Leinbau. Flensburg 1770. Seiferth, Von Erbauung und Zurichtung des Flachſes.

Dresden 1780. Riem, Praktiſche Anleitung zum Flachsbau. Pirna. 2te Auflage.

1807. Rafn Anleitung zum Flachsbau. Kopenhagen 1809. Jeniſch, Unterricht

über den Anbau c. des Flachſes. Prag 1817. Kolbeck, Abhandl. über Leinbau.

Herausgegeben von Campe. Regensburg 1822. Breitenbach, Handbuch des

Flachsbaues. Erfurt 1804. 2 Bde. v. Stoixner, Abhandlung vom Seiden-,

Flachs- und Hanfbau. Nürnberg 1807. 2te Aufl. Schubarth, Erfahrungen und

Beobachtungen über Flachskultur u. ſ. w. Leipzig 1829. Morgenroth, Ueber die

Verbeſſerung im Anbau des Flachſes. Baireuth 1830. Nagel prakt. Unterricht

im Leinbau. München 1832.

§. 168.

2) Anbau der Baſtpflanzen.

Die hauptſächlichſten Baſtpflanzen, die man auf dem Felde

baut, ſind folgende:

14 *

[212/0234]

1) Der Hanf (Cannabis sativa), mit zweihäuſigen Blüthen,

wovon, da die Geſchlechter getrennt ſind, die männlichen riſpen-

förmig, die weiblichen aber einzeln ſtehen. Der männliche Stengel

(Fimmel) iſt blaßgrün und ungefähr Manns hoch, der weibliche

dunkelgrün, höher und ſtärker. Dieſer gibt die Saamen, aus

welchen ein Oel bereitet wird, jener den Baſt zu Geſpinnſten1).

2) Die große Neſſel (Urtica dioica), deren Blüthen in

den Blattwinkeln als äſtige Trauben erſcheinen, zweihäuſig, doch

aber auch den Geſchlechtern nach gemiſcht ſind. Sie diente mit

ihrem Baſte früher zum Neſſeltuche, iſt aber jetzt nicht mehr von

Wichtigkeit.

3) Der gemeine Lein (Linum usitatissimum, Flachs),

mit riſpenförmigen Blüthen von ſchönen blauen Blumen. Der

Saamen, platt je zu 2 in einer 5klappigen Kapſel ſitzend, gibt

das bekannte Oel, der Stengel aber den Baſt. Man unterſcheidet

außer dem ausdauernden (ſibiriſchen, ruſſiſchen) Leine (Lin.

perenne), der ſich durch lange Stengel, wenige Aeſte, und feinen

vielen Baſt auszeichnet, bei uns den Klanglein, welcher von den

ſelbſt aufſpringenden Saamen ſeinen Namen hat, und einen kurzen

feinen, weißen, weichen Flachs gibt, und den Dreſch- oder

Schließlein, deſſen Saamenkapſeln wegen ihrer Geſchloſſenheit

gedroſchen werden müſſen und deſſen Baſtfäden länger, ſtärker und

gröber ſind, als bei jenem2).

¹ Er verlangt ein warmes, hinreichend feuchtes Klima, und einen tiefen

lehmigen, lockeren, reinen, mehr feuchten Boden, und wird im Mai geſäet. Ein-

ſaat 1¼-2 Scheffel pr. Morgen. Er bedarf in der früheſten Jugend nur des

Jätens, aber nicht einmal immer dieſes, denn er wächst ſchnell und kräftig. Ertrag

pr. Morgen an Körnern 6 Scheffel, an Hanf aber 1400 Pfund roh. Der Scheffel

Körner wiegt 62 Pfund.

² Er verlangt einen mürben, reinen, lockeren, mäßig feuchten Boden von

vielem Humusgehalte, und wird im April (Frühflachs), Mai (Mittelflachs) und

Juni (Spätflachs) geſäet, obſchon eine frühe Saat immer die beſſere iſt. Einſaat

1–1½ Scheffel pr. Morgen. Er muß gejätet werden. Ertrag des Baſtleins

pr. Morgen Boden beſter Qualität = 4½ Scheffel Körner à 80 Pfund, und

1200 Pfund roher Flachs. Ertrag des Saamenleins an Körnern 6½ Scheffel

à 86½ Pfund, und 840 Pfund roher Flachs; an Spreu 30 Pfund.

§. 169.

3) Unfälle, und 4) Ernte der Baſtpflanzen.

Der Hanf iſt im Ganzen wenig Unfällen unterworfen. Nur

ein Unkraut, eine Schmarotzerpflanze, nämlich der Hanfwürger

(Orobranche major, und ramosa) ſchadet ihm, — iſt aber doch

nicht häufig. Derſelbe entſteht auf der Wurzel des Hanfes und

hat büſchelförmige äſtige Stengel und bläuliche Blumen.

[213/0235]

Der Lein leidet aber ſehr vom Unkraute, beſonders vom Lein-

dotter (Myagrum sativum) und von der Flachsſeide (Cus-

cuta europaea, auch Teufelszwirn genannt). Ein Uebel des

Leins, welchem wegen der ſtarken Stengel der Hanf nicht ausge-

ſetzt iſt, iſt ſein Lagern. Um es zu verhüten, hat man das

Stängeln (Rändern, Ländern) angewendet, indem man auf

ſchmalen Beeten das Feld gitterförmig mit Stäben belegt, welche

auf der Seite der Beete auf Holzgabeln ruhen1).

Was die Ernte anbelangt, ſo rauft man den Hanf, wenn er

anfänglich ins Gelbliche geht. Den Lein aber rauft man, wenn

er feinen Flachs geben ſoll, ſobald ſich die Körner in den Kapſeln

gebildet haben, — jedoch ohne dies, wenn die Körner ganz reif

ſind. Beim Klangleine iſt indeß große Sorgfalt nöthig. Das

Leztere geſchieht auch beim Saamenhanf. Nach der Ernte wird

der Flachs zum Abziehen des Saamens durch die Rüffelkämme

gezogen. Um aber den Baſt zu erhalten, muß bei beiden das

Bindemittel zwiſchen dieſem und dem Stengel aufgelöst werden.

Dies geſchieht durch das Röſten (in Süddeutſchland auch Röt-

ſen, Rözen, Reetzen genannt), in Waſſer (Waſſerröſte),

oder auf Wieſen durch Luft, Feuchtigkeit und Sonnenwärme

(Thauröſte). Jene gibt einen weißen, dieſe einen grauen Hanf2).

Nach dieſer Röſte werden beide getrocknet, mit Maſchinen gebrochen

(gebrecht), und um Stangen geſchwungen, um den Baſt von

den Annen (Igeln) zu reinigen, was aber ohne Anlage von

Darren, auf denen man ſie dörrt, nicht geſchehen kann3).

¹ Schwerz Belg. Landw. II. 117. Neumann, Beſchreibung der Behand-

lung des Flachſes auf niederländ. Art. Prag 1820.

² Auch hat man ſich einer Walzmaſchine bedient, um das Röſten zu erſetzen.

S. darüber Bertuch Magazin. I. Heft. 1819. Chriſtian, Ueber die Art und

Weiſe, Flachs und Hanf ohne Röſte zu bearbeiten. Aus dem Franzöſ. überſ. von

v. Lawätz. Kopenhagen 1820. (Meyer) Ueber die Bearbeitung des Flachſes

und Hanfes im ungeröſteten Zuſtande durch Maſchinen. Hannover 1820. Ueber die

Methode, den Flachs und Hanf zu brechen mit der Maſchine von Giov. Catli-

netti. Aus dem Ital. überſ. von Pohl. Leipzig 1822. Hermbſtädt Techno-

logie. I. §. 209. 210. Sie hat den Erwartungen nicht entſprochen. Ueber die

2 andern Röſtmethoden handeln die §. 167. angeführten Schriften.

³ Im Kleinen iſt das Baſtabziehen des Hanfes (das Schleißen) auch eine

Winterabendunterhaltung der deutſchen Bauernfamilien. Es geben 100 Pfund roher

Hanf 16, alſo der Morgen 224 Pfund gebrechten Hanf, es gehen durch die Brech-

annen 59 Pfund, durch das Röſten, Verſtäuben u. ſ. w. 25 Pfund ab. Es geben

100 Pfund roher Flachs 20 Pfund gebrechten, alſo der Morgen Baſtlein 240 Pfd.

Verluſt beim Röſten, Dörren c. 20 Pfund, und durch Brechannen 60 Pfund.

(Block Mittheilungen. I. §. 147. 148. 155.)

[214/0236]

E. Vom Oelpflanzenbaue.

§. 170.

1) Begriff, Weſen und Arten der Oelpflanzen.

Unter die Oelpflanzen können hier keine anderen als diejeni-

gen landwirthſchaftlichen Gewächſe von verſchiedenem botaniſchen

Charakter gerechnet werden, welche wegen ihrer ölhaltigen

Saamen in den Lauf der Feldwirthſchaft aufgenommen ſind1).

Es gehören unter dieſen Begriff außer dem Taback, Lein und

Hanf, wovon bereits gehandelt iſt,

1) Kohlpflanzen, eine Gattung, welche einen aufrechten

oder abſtehenden Kelch, verkehrt-eirunde Blumenblätter, und ſtiel-

rundliche Schoten hat, die in einen kegeligen Schnabel endigen,

und innerhalb zweier gewölbter Klappen die in der Reihe liegen-

den kugelrunden Saamen einſchließen2).

2) Mohnpflanzen, eine Gattung, welche 2 und 4 zählige

Blumen, und eine ſchotenartigen Saamenkapſel mit ſtrahliger

Narbe hat, welche viele ſehr kleine Saamen an Wandleiſten in

ſich ſchließt3).

3) Häderichpflanzen, eine Gattung mit 4 blättrigen Blu-

men, und runden oder walzigen, aber nicht klaffenden Schötchen

oder Schoten4).

¹ Der Oelbaum, die Olive, der Nußbaum, die Buche gehören alſo nicht

hierher. Man ſ. aber über den Bau der Oelpflanzen: Anleitung zum Anbau ver-

ſchiedener Oelgeſäme. Wien 1768. Breitenbach Oelökonomie c. Berlin 1806.

Anweiſung zum Anbau der vorzüglichſten Oel tragenden Gewächſe. Nürnberg 1821.

(Rozier) Abhandlung über die beſte Art den Raps und Kohlſaat zu bauen. Aus

dem Franzöſ. überſ. Bern 1775. Unterricht über den Kohl- und Rübſaatbau im

Oeſterreichiſchen. Wien 1780. Der Rübſen und der Raps, als Sommer- und

Winterfrucht. Leipzig 1808. Ueber den Mohnbau in England, von X. Y. Z., aus

Young's Reiſen gezogen. Berlin 1817. Zeller, die Drillkultur des Rapſes nach

Erfahr. von Hohenheim. Mit lithograph. Tafeln. 4. Suttg. 1831. Schwerz

Belg. Landwirthſch. II. 141. Mittheilungen. I. 84. Iverſen, der Rapſaatbau

im Holſteiniſchen. Bremen 1806. Grandi, Vollſtändiger Unterricht über den

Anbau des chineſiſchen Oelrettigs. Leipzig 1804. 2te Aufl.

² S. Metzger Kultivirte Kohlarten. 11. 39. 49.

³ u. ⁴⁾ Reum Oekonom. Botanik. S. 277. 264.

§. 171.

2) Anbau der Oelpflanzen.

Man pflanzt auf dem Felde beſonders folgende Arten derſelben:

1) Kohlreps (Brassica Napus oleifera, eine Art von Br.

Napus. §. 161. 4. a.). Man pflanzt davon einen Winterkohl-

reps (Br. Nap. ol. biennis, ſonſt Br. campestris oleifera ge-

nannt), und einen Sommerkohlreps (Br. Nap. ol. annua,

[215/0237]

ſonſt als Sommerſpielart der Br. campestris oleifera aufgeführt).

Er heißt in England Rape, in Flandern Slooren, in Frankreich

Colza, in Holland Cosezaat, und in Deutſchland auch Kohlſaat,

Raps, Reps1).

2) Rübenreps (Brassica Rapa oleifera, eine Art von Br.

Rapa. §. 161. 4. c.). Man pflanzt davon auch einen Winter-

(biennis) und Sommerrübenreps (annua), und nennt ihn

auch ſonſt Br. campestris oder praecox. Er heißt in Frankreich

Ravette und Navette, in Deutſchland aber Rübſaamen, Rübſen2).

3) Mohn (Papaver somniferum), auch Magſaamen genannt,

mit weißen, rothen und violettrothen Blumen, runder Saamen-

kapſel, und bis über 3 Fuß hohen Stengeln3).

4) Dotter (Myagrum sativum), deſſen Blüthen in langen

ſchlaffen Endtrauben mit blaßgelben Blumen beſtehen, deſſen Schöt-

chen umgekehrt-eiförmig, aufgeblaſen, glatt und mehrſaamig ſind,

und deſſen äſtiger Stengel 1 bis 2 Fuß hoch wird4),

5) Chineſiſchen Oelrettig (Raphanus chinensis olei-

ferus), als Winterſaat. Allein er hat nicht viel Beifall gefunden.

¹ Winterkohlreps: Saatzeit September; Saat breitwürfig oder mit der

Repsſäemaſchine; verlangt als ſolche einen milden Winter; auch iſt Saat in Beeten

und Verpflanzung gebräuchlich. Sommerkohlreps: Saatzeit Mai und Anfangs

Juni; verlangt das Klima des Winterweitzens; ſonſt wie jener. Beide lieben

einen mürben Lehmboden, in völlig reinem, gepulvertem und düngerreichem Zu-

ſtande. Einſaat 1¼-1½ preuß. Metzen pr. Morgen. Ertrag des Winter-

repſes 5–10 Scheffel, des Sommerrepſes 3–6 Scheffel pr. Morgen, je

nach Boden, Klima und Düngung. Der Scheffel wiegt 75 Pfund und gibt 18,18

Pfund Oel.

² Wie Note 1. Nur wiegt der Scheffel Saamen 68–69 Pfund und gibt

16,36 Pfund Oel.

³ Liefert nach den Oliven das beſte Oel, und iſt ſehr trefflich für die Bienen-

zucht. Klima wie für's Getreide. Boden mürb und reich. Saatzeit bis zu Ende

Aprils. Jäten und Behacken. Ertrag 4½-8 Scheffel pr. Morgen. Der Schef-

fel wiegt 61–75½ Pfund und gibt 16⅓-27¼ Pfund Oel, je nach der Aus-

bildung des Saamens.

⁴⁾ Verlangt warmen, vor 1 Jahr gedüngten, nicht zu loſen ſandigen Boden.

Saatzeit im Frühling vom März bis Mitte Mai's. Jäten und Behacken. Ertrag

5–8 Scheffel pr. Morgen. Der Scheffel wiegt 68–74 Pfund und gibt 16⅓

bis 21 Pfund Oel.

§. 172.

3) Unfälle, und 4) Ernte der Oelpflanzen.

Der Reps und Rübſen leiden von Näſſe, Froſt und Spätreif,

durch Inſekten der verſchiedenſten Art und durch Schnecken, ſo

daß die Felder oft ganz verdorben werden. Der Dotter aber iſt

unter dieſen Pflanzen allein faſt gar keinen Unfällen ausgeſetzt.

[216/0238]

Die Ernte des Repſes und Rübſens, welche beginnt, noch ehe

die Saamen ganz reif ſind, iſt wegen der nöthigen großen Sorg-

falt ſehr ſchwierig, weil der Saamen bei voller Reife leicht aus-

fällt. Die Ernte des Mohn beginnt im Auguſt, wo man die Köpfe

deſſelben abſchneidet und ſpäter aufſchneidet. Beim Reps, Rübſen

und Dotter wird aber der ganze Stock abgeſchnitten.

F. Vom Färbepflanzenbaue.

§. 173.

1) Begriff, Weſen und Arten der Färbepflanzen.

Man verſteht unter ihnen alle jene landwirthſchaftliche Pflan-

zen, welche darum Gegenſtand des Feldbaues wurden, weil irgend

ein Theil derſelben einen brauchbaren Färbeſtoff in ſich führt. Sie

gehören verſchiedenen botaniſchen Gattungen und Arten an, wes-

halb der Gattungscharakter hier nicht voraus bezeichnet wird1).

¹ v. Reuß, Vom Anbau der Färberröthe. Leipzig 1779. Miller, Ab-

handlung von der Färberröthe. Nürnberg 1776. Pfannenſchmidt, Praktiſcher

Unterricht von der Färberröthe. Mannheim 1769. Graßmann, Abhandlung von

dem Anbau des Saflors. Berlin 1792. Dallinger, Abhandlung vom Saflor-

und Waubau. Ingolſt. 1799. Neue Auflage 1805. Vom Anbau des Waidkrauts.

Wien 1788. Schwerz, Belg. Landwirthſch. II. 199. Heinrich, Abhandlung

über die Cultur des Waids. Wien 1812. Gehlen, Anleitung zum Bau der

Waidpflanze. München 1814. Wagner, der Wiener Safran in Baiern. München

1783. Petrak, Praktiſcher Unterricht, den niederöſterreichiſchen Safran zu bauen.

Wien 1797.

§. 174.

2) Anbau der Färbepflanzen.

Die vorzüglichen Färbepflanzen ſind folgende:

1)Der ächte Safran (Crocussativus), ein mehrjähriges

Zwiebelgewächs mit langröhriger und regelmäßig 6theiliger Blume,

welche eine hochrothe oder braungelbe dreifach getheilte Narbe von

durchdringendem Geruche und gelbfärbendem Pigmente1) hat.

2) Der Waid oder deutſche Indigo (Isatistinctoria),

eine zweijährige Pflanze, mit vielen gelben kleinen in dichten End-

trauben ſtehenden Blumen, und im erſten Jahre geſtielten, am

Stocke ſitzenden, cilanzettförmigen, im zweiten Jahre am Stengel

ſitzenden, pfeilförmigen glatten Blättern. Dieſe Blätter enthalten

einen blauen Färbeſtoff und ſind zur Auflöſung des indiſchen In-

digo unentbehrlich2).

3) Der Wau (Reseda luteola), eine zweijährige auch wild-

wachſende Pflanze, deren Blüthen in einer blaßgelben langen Aehre

ſtehen, deren Blätter aber lanzettförmig, glatt, oft unten zwei-

[217/0239]

zähnig ſind und deren Stengel eckig, kurzäſtig, aufrecht ſteht. Die

ganze Pflanze führt einen gelben Färbeſtoff3).

4) Die Färberröthe (Rubia tinctorum, Krapp), eine

perennirende Pflanze, deren Blüthen eine weite Riſpe mit drei-

gabeligen Aeſten von gelben Blumen bilden, deren braunrothe,

lange, am Ende faſerige Wurzel ein rothes Pigment führt4).

5) Der Saflor (Carthamus tinctorius), eine Art von

Diſtelpflanze, deren doldentraubenförmige gelbrothe Blüthen oder

Blumenköpfe ein gelbes und rothes Pigment liefern5).

6) Die Färberſcharte (serratula tinctoria), mit purpur-

farbiger Blüthe, und äſtigen holzigen Wurzeln, welche ein gelbes

Pigment geben.

¹ Klima des Weines. Sonnige windloſe Lage eines mürben Lehm- oder

Sandmergelbodens. In das ausgegrabene gedüngte Feld werden am Ende Auguſts

die Zwiebeln, die im Juni aus dem alten Felde gezogen worden waren, in ein

vierzölliges Quadrat gegeneinander geſetzt. Im darauf folgenden 2ten und 3ten

Jahre Behacken des Feldes im Juli und Auguſt.

² Wächst in Deutſchland auch wild; verlangt aber einen leichten, gut geacker-

ten und gedüngten Boden. Saatzeit im März oder Frühherbſte. Zweimaliges

Behacken.

³ Verlangt einen mürben ſehr fruchtbaren Boden. Saatzeit im Frühling mit

einem Sommergetreide, oder im Auguſt, welche leztere den größten Ertrag gibt.

Zweimaliges Behacken, nämlich im Herbſte und im Frühling.

⁴⁾ Verlangt einen tiefen lehmigen düngerreichen Sandboden, in reinem und

gepulvertem Zuſtande. Anfangs Saat in Sommerbeeten; ſpäter aber Pflanzung durch

junge Schoſſe von 10–12 Zoll Höhe mit hinreichender Wurzel. Pflanzzeit im

Mai, wo man ſie in der Reihe ½, und in der Weite 1½ Fuß weit auseinander

ſetzt. Im erſten Sommer Behacken mit der Handhaue; in den 2 folgenden jedes-

mal 2 maliges Behäufeln und 1 maliges Behacken.

⁵⁾ Verlangt einen mittleren, tief gelockerten, doch aber nicht friſch gedüngten

Boden. Reihenſaat durch Stecken der Saamen im Frühjahre, worauf man das

Feld übereggt. Jäten und Behacken. Blüht im Juli und Auguſt.

§. 175.

3) Unfälle, und 4) Ernte der Färbepflanzen.

Hauptſächlich der Safran nur leidet von Maulwürfen, Mäu-

ſen, Winterfröſten, Fäulniß und Brand (einer Art Schwamm) in

den Zwiebeln.

Die Ernte iſt verſchieden: 1) Vom Safran werden am Ende

des September Morgens die ausgeblühten Blumen abgebrochen,

die Narben zu Hauſe abgepflückt und vorſichtig auf dem Ofen ge-

trocknet. Die Zwiebeln werden alle 3 Jahre im Juni ausgegraben

und im Schatten getrocknet, um die brauchbaren für die nächſte

Pflanzung aufzubewahren. Daher ſind 3 verſchiedene Felder erfor-

derlich. 2) Iſt der Waid im März geſäet, dann ſchneidet man

die Blätter im Juni und im Herbſte ab. Iſt er aber im Früh-

[218/0240]

herbſte geſäet, dann bricht man ſie im folgenden Jahre zum erſten-

mal, wenn die Blumen anfangen hervorzukommen. Man kann dies

drei bis vier mal wiederholen. Die Blätter werden gewaſchen und

getrocknet. 3) Den Wau erntet man, wenn die Pflanze anfangt

gelb zu werden. 4) Die Wurzeln des Krapps werden im Herbſte

des dritten Jahres ausgepflügt, geſammelt, getrocknet und ge-

reinigt. 5) Wenn die Blüthen des Saflor braunroth und welk

werden, ſo nimmt man ſie Morgens ab und trocknet ſie im

Schatten1).

¹ Rutt's Vorrichtung zum Trocknen der Färberröthe beſchreibt Bailey

a. a. O. S. 94. Ertrag pr Morgen: Safran 4 Pfund und drüber; Waid 19

Centner und drüber; Wau 6 bis 17 Centner; Krapp 9 Centner und drüber;

Saflor 45 Pfund Blüthen und 14 Scheffel Körner.

G. Vom Gewerkspflanzenbaue.

§. 176.

Man hat hier beſonders die Weberdiſtel (Dipsacus fullo-

num) zu bemerken, die gebraucht wird zum Aufkratzen der Woll-

tücher. Sie iſt eine zweijährige Pflanze, welche erſt im zweiten

Jahre die Köpfe (Fruchtboden mit den krummſtacheligen Kelchen)

treibt. Sie liebt ein feuchtes Klima und Jahr, trockenen, mäßig

feſten, ſtark und tief gepflügten Boden. Man ſäet im März und

April in Saamenbeete und verſetzt die Pflanzen dann im Auguſt

und September auf einen ſo eben abgeernteten Acker in 2füßigen

Quadraten gegeneinander. Im erſten Jahre behackt man ſie ein-

mal mit der Hand- und einmal mit der Pferdehacke, dagegen mit

Lezterer im zweiten Jahre zweimal. Man ſchneidet die Diſtelköpfe

nach völliger Ausbildung aller Blumen daran ab, und hängt ſie

dann zum Trocknen auf1).

¹ Ertrag 26,70044,450 Stück Köpfe durcheinander. Die Ernte dauert

ſehr lange, weil die Köpfe ungleich zeitig werden.

H. Vom Futterpflanzenbaue.

§. 177.

1) Begriff, Weſen und Arten der Futterpflanzen.

So bezeichnet man diejenigen Feldgewächſe, welche, weil ſie

ein vorzügliches Futter ausſchließlich für die Thiere geben, auf

dem Ackerlande mit der bisher mehrfach beſchriebenen Sorgfalt

behandelt werden. Sie bilden den Gegenſtand des ſogenannten

künſtlichen Futterbaues im Gegenſatze des nicht künſtlichen

auf Wieſen und Weiden1). Man pflanzt als ſolche Futterpflanzen:

[219/0241]

1) Gräſer, von beſonderer Größe und beſonderem Wohl-

geſchmacke, als das franzöſ. Raygras (Avena elatior), das Ho-

niggras (Holcus lanatus), den weißen Windhalm (Agrostis

alba, das Fioringras der Engländer), das engliſche Raygras

(Lolium perenne), den Wieſenfuchsſchwanz (Alopecurus pra-

tensis), das Ruchgras (Anthoxantum odoratum), das Riſpen-

gras (Poa aquatica und trivialis), das Knaulgras (Dactylis

glomerata), den Wieſenſchwingel (Festuca elatior), das Wieſen-

lieſchgras (Phleum pratense), und dann auch noch Hafer, Gerſte

und Wicken, für ſich und im Gemengſel.

2) Kräuter, von verſchiedenem botaniſchen Charakter, die

aber ſehr wohl ſchmecken, und kraut-, ſtrauch- oder baumartige

Stengel und gefiederte oder doch 3theilige Blätter, beide aber ſehr

ſaftig, haben2).

¹ Dieſer Gegenſatz iſt aber ganz unlogiſch, denn auch der Wieſenbau wird

künſtlich getrieben. Unrichtig iſt es auch, die Wurzel- und Knollengewächſe als

Futterpflanzen aufzuführen, denn ſie ſind noch mehr.

² Anweiſung für den Landmann, die 4 beſten Futterkräuter, Luzerne, Eſpar-

ſette, Klee und Raygras zu bauen. Mannheim 1770. Praktiſche Anleitung zum

vortheilhaften Anbau der Futterkräuter (eine Sammlung von Schriften, auch z. B.

von Schubart). Berlin 1783. Schubarth v. Kleefeld, Oekonom. kameraliſt.

Schriften. 6 Thle. Leipzig 1786. Weber, Handbuch des Futterbaues. S. 297.

Gotthardt, Kultur der vorzügl. Futterkräuter. Erfurt 1797. Krome, der

Futterkräuterbau. Lemgo 1800. Bergen, Anleitung zur Viehzucht oder vielmehr

zum Futtergewächsbau und zur Stallfütterung des Rindviehes. Herausgegeben von

Thaer. Berlin 1800. Leopold, der Futterbau. Hannover 1805. Klapmeyer,

Vom Kleebau. Leipzig 1799. 2te Aufl. II Thle. Tſchiffeli, Briefe über die

Stallfütterung und den Kleebau in der Schweitz. Bern 1774. 1789. Wimmer,

Ueber den Kleebau. Wien 1796. Happe, Schreber und Sturm, die Kleearten

Deutſchlands, in Abbildungen. Nürnberg 1803 u. 1804. 2 Hefte. (Heft 15 u. 16

der Flora Deutſchlands.) Meyer, Ueber den Anbau der Luzerne. Leipzig 1796.

Schreber, Beſchreibung und Abbildung der Gräſer. 2 Thle. Folio. Leipzig 1769.

1779. 1810. Host, Icones et descriptiones graminum Austriacorum. fol. 4 Voll.

Thaer engl. Landwirthſch. I. 445. III. 469. Schwerz Belg. Landwirthſch. II. 1.

Mauke Grasbüchlein. Leipzig 1801. Kreyſſig, der Futterbau. Königsb. 1829.

Mit 48 lithogr. Tafeln. (Vorzüglich.) Medicus, Zur Geſchichte des künſtlichen

Futterbaues Nürnberg 1829. Hetzel, Abhandlung über die ſämmtlichen Arten

des Kleebaues. 2te Aufl. Heilbronn 1829. Schnädelbach, Belehrung über den

Anbau des Ackerſpergels. Ilmenau 1831. Mittheilungen über den Futterbau, Ab-

handlungen von Spazier und von Lux. Bruan 1831.

§. 178.

2) Anbau der Futterpflanzen.

Außer den genannten Gräſern, deren Anpflanzung keine be-

ſondere Schwierigkeit macht, ſind beſonders folgende Krautfutter-

pflanzen mit großem Vortheile angebaut:

1) Die Klee- oder Trifolienarten, zwei- bis dreijährige

Futterpflanzen. Man baut davon den Wieſenklee (Trifolium pra-

[220/0242]

tense), den röthlichen Klee (Trif. rubens), den Incarnartklee

(Trifol. incarnatum), den weißen Klee (Trifol. repens), den

Hopfenklee (Trif. agrarium), den Baſtardklee (Trif. hybridum),

den Bergklee (Trifol. montanum) und den gelben Klee (Trifol.

alexandrinum)1).

2) Der Schneckenklee, ewige Klee, oder die Luzerne

(Medicago sativa), die vorzüglichſte ſüdeuropäiſche Futterpflanze,

mit dicken holzigen tief eingehenden Wurzeln, äſtigen hohen Sten-

geln, kleeartigen Blättern, veilchenblauen traubenartigen Blüthe-

büſcheln und ſchneckenförmig gedrehten Saamenhülſen2).

3) Der Eſper (Süßklee, die Eſparcette, Hedysarum

onobrychis), mit langährförmigen Blüthen von blaßrothen Blu-

men, ſtacheligen geſchloſſenen Hülſen, vielgefiederten Blättern,

hohen äſtigen Stengeln und ſehr tiefen ſtarken Wurzeln3).

4) Der Spergel (Knötterig, das Mariengras, sper-

gula arvensis), mit büſchelförmigen weißen Blüthen, ſchmalen,

kahlen, gefurchten, ſternförmig in den Wirbeln zuſammenſitzenden

Blättern, und äſtigen, dünnen, fettigen, nicht langen Stengeln4).

¹ Hält das Feld in fruchtbarem Zuſtande und paßt in jede Folge der Früchte.

Er verlangt einen feuchten kühlen Mai und April, ohne viel Wärme anzuſprechen;

einen bindigen kalkhaltigen humusreichen lockern reinen Boden mit friſcher oder

vormjähriger Düngung. Die frühe Saat, in der Regel in Winter- oder Sommer-

frucht, iſt die beſte. Einſaat (breitwürfig) 6–10 Pfund pr. Morgen. Bei ihm

iſt das Gipſen ſehr vortheilhaft. Ertrag an Kleeſaamen 1 Scheffel 6 Metzen, und

10 Centner Stroh. Grünes Futter aber in zwei Schnitten auf beſtem Boden

200 Centner; an Heu 44½ Centner, jedoch regelmäßig bei zwei Schnitten im

zweiten Jahre nur 26½ Centner. Zu Kleeſaamen läßt man den zweiten Schnitt

ſtehen. Die Bereitung des Heues iſt ſehr wichtig.

² Verlangt einen trockenen, reinen, mürben, ſehr gedüngten, mäßig bindi-

gen, humusreichen Boden. Saatzeit Mai bis Auguſt. Einſaat 10–15 Pfund

pr. Morgen. Jährliches Jäten und Uebereggen mit ſcharfem Zahne. Dauer 12 bis

16 Jahre. Vortheilhaft iſt das jährliche Gipſen und Düngen. Ertrag bei 2 bis

8jährigem Stande jährlich 20–25 Centner Heu pr. Morgen und drüber, je nach

Klima und Boden, an Saamen 2[FORMEL]–3[FORMEL] Scheffel pr. Morgen. Das Feld wird

umgeriſſen, wenn die Lücken zu zahlreich und zu groß werden.

³ Dauer derſelben 1620 Jahre. Verlangt ein nicht zu rauhes Klima,

und keinen ſo guten Boden wie die Luzerne, ſondern nimmt auch mit magerem,

weniger vorbereitetem Boden fürlieb. Aber je beſſer der Boden, deſto höher der

Ertrag, doch nie ſo hoch wie bei der Luzerne. Saatzeit April bis Auguſt. Ein-

ſaat 2–3 Scheffel pr. Morgen. Behandlung wie bei der Luzerne. Ertrag in

2 Schnitten von gutem Boden 18 Centner Heu pr. Morgen, und an Saamen

6–7 Scheffel.

⁴⁾ Schnell wüchſig, daher beſonders zum Abweiden tauglich. Man ſäet ihn

daher auch außer im Mai noch nach der Ernte in Rockenfelder. Schon Sandboden

iſt ihm gut genug. Einſaat 5–8 Pfund Saamen pr. Morgen; Ertrag an Heu

= 560 Pfund, an Grünfutter 28 Centner und Saamen 5–8 Scheffel pr. Morgen.

[221/0243]

§. 179.

3) Unfälle, und 4) Ernte der Futterpflanzen.

Die Klee leidet am meiſten von Boden, Klima und Wit-

terung, — kommt, wenn ihm dieſe ungünſtig ſind, dem Unkraute

nicht zuvor, und ſtirbt aus. Die Luzerne leidet in der Jugend,

wenn ſie breitwürfig geſäet und nicht gedrillt iſt, ſehr durch Un-

kraut; darum ſäet man ſie mit einem Saamengetreide aus, oder

in Saamenbeete, um ſie ſpäter zu verpflanzen. Ihr gefährlichſtes

Unkraut iſt das Filzkraut (Cuscuta europaea), eine Schling-

pflanze. Es muß ausgeſtochen werden. Auch die Eſparcette leidet

von Unkraut, und wird darum wie die Luzerne behandelt.

Der erſte Schnitt des Klees findet im folgenden Jahre nach

der Einſaat Statt. Die Luzerne und Eſparcette kann aber erſt

im dritten Jahre mit Vortheil geſchnitten werden. Man trocknet

dieſe Pflanzen beſſer als auf dem Boden, auf Geſtängen, welche

man Heintzen oder Hübeln heißt. Das Klee-Heu kann man

aber in Haufen durch die Erwärmung in ſich ſelbſt und plötzliches

Auseinanderlegen ſo zubereiten, daß man es halbſaftig einbanſen

kann, mit Zwiſchenlagen von Salz.

II. Von dem Wieſenbaue.

§. 180.

A. Begriff, Weſen und verſchiedene Arten der Wieſen.

Die Wieſen ſind Plätze, welche auf längere Zeit dem Gras-

wuchſe ausgeſetzt ſind, um, wenn derſelbe eine bedeutende Höhe

erreicht hat, das Gras mähen und heuen zu laſſen. Es gibt auch

verſchiedene Klaſſen der Wieſen, je nach ihrer Güte. Ihre Güte

hängt außer von den Bodenverhältniſſen, der Lage an waſſerreichen

Orten und dem Klima, von den Arten der Gräſer ab, welche ſie

haben. Dieſe ſind aber entweder ſüße, ſaure, oder frühe, ſpäte1),

und ſo kann man auch die Arten der Wieſen unterſcheiden, nur

nennt man in lezterer Hinſicht dieſelben 1. 2. oder 3ſchürig, je

nachdem man ſie im Sommer 1. 2. oder 3mal abmähen (ſcheeren)

kann2).

¹ Die beſten Wieſengräſer und Kräuter ſind außer den im §. 177. erwähnten:

das glatte und das jährige Riſpengras (Poa pratensis und annua), das Schwaden-

gras (Festuca fluitans), Kammgras (Cynosurus cristatus), der Goldhafer (Avena

flavescens), der Melilotenklee (Trifolium melilotus), der weiße und der rothe Wie-

ſenklee (Trif. repens, und pratense), der gelbe Klee (Trif. procumbens, agrarium),

der Hopfenklee (Medicago lupulina), die Vogel- und die Zaunwicke (Vicia cracca

und sepium), die Lothusarten (beſonders Lothus corniculatus), die Wieſenplatt-

[222/0244]

¹ erbſe (Lathyrus pratensis), die Schaafgarbe (Achillea millifolium) und der Wie-

ſenkümmel (Carum carvi). Gute Gräſer und Kräuter ſind: das Zittergras (Briza

media), der Schaafſchwingel (Festuca ovina), das Hundſtrausgras (Agrostis ca-

nina), der Wieſen- und der haarige Hafer (Avena pratensis und pubescens), der

Alpenklee (Trifolium alpestre), die weiche Treſpe (Bromus mollis), der Kälber-

kropf (Chaerophyllum sylvestre), die Arten des Wegerig (Plantago), der Scabioſa

(scabiosa), das Tauſendgüldenkraut (Gentiana Centaureum), der Quendel (Thymus

serpillum), die Arten der Schlüſſelblumen (Primula), das Knotenlieſchgras (Phle-

um nodosum), und die Pimpinelle (Poterium sanguisorba, sanguisorba officinalis

und Pimpinella saxifraga). Die anderen ſind zum Theile ſchlecht, zum Theile

giftig. Ueber die Futtergräſer ſ. m. Kreyſſig Futterbau. S. 52–171. Deren

Werth Schnee Landw. Zeitung. XI. 127. 301. André Oeconom. Neuigkeiten.

1815. Nro. 38.

² Man ſ. über den Wieſenbau: Schwerz Anleitung. I. 489. Thaer rat.

Landwirthſchaft. III. 224. Deſſelben engl. Landwirthſchaft. I. 498. III. 525.

Gericke Prakt. Anleitung. III. §. 339–376. Kreyſſig Futterbau. S. 352 bis

554. Trautmann Landw. L. II. 100. Burger Lehrbuch. II. 98. Koppe

Unterricht. III. 3. Block Mittheilungen. II. 1–46. Crud Oeconomie. S. 218.

v. Reider Landw. L. §. 173.

§. 181.

B. Bau der Wieſen.

Die Pflege der Wieſen, wenn ſie ſorgſam ſein ſoll, hat fol-

gende Momente zu beſorgen: 1) die Beſaamung derſelben mit

den beſten Wieſengräſern1); 2) die Trockenlegung der zu naſ-

ſen Wieſen vermittelſt der Abzugsgräben und Waſſerfänge2);

3) die Entſäurung derſelben durch Aufführen von Kalk, Heerd-

aſche und Mauerſchutt; 4) die Düngung derſelben mit Kompoſt,

kurzem Stallmiſte, Jauche u. ſ. w.3); 5) das Abwechſeln auf

demſelben Grunde, wenn es angeht, mit Acker- und Wieſenbau;

6) das Verjüngen derſelben entweder durch Aufkratzen der Ober-

fläche vermittelſt ſcharfer Eggen und Wieſenſchröpfer (Schröfen),

oder durch das 2–4 Zoll hohe Ueberſchütten mit Grund, um die

Pflänzchen zu nöthigen, tiefere Wurzeln zu ſchlagen, oder endlich

durch das Belegen derſelben mit 3'' ̺͆ breiten Raſenſtücken, in

eine gegenſeitige Entfernung von 6 Zoll (Einimpfen)4); und

endlich 7) das Bewäſſern entweder auf natürlichem Wege durch

Bäche, Flüſſe, Teiche, oder auf künſtlichem Wege durch Kanäle,

Schleuſen, Rinnwerke und Schöpfmaſchinen. Daſſelbe iſt entwe-

der Ueberſtauen, wenn der ganze Boden auf einmal einige Zeit

unter ſtehendes Waſſer geſetzt, oder Ueberrieſeln, wenn der Wie-

ſenplatz von einer nur dünnen Waſſerſchicht längere Zeit überfloſſen

wird5).

¹ Man wählt zur Erziehung des Saamens eigene Plätze, welche der Natur

der Graspflanzen entſprechen, auf einer ſehr guten Wieſe. Die Ernte, der Druſch,

die Reinigung, Aufbewahrung, wie beim Getreide.

² Ueber Wieſenentſümpfung ſ. m. Schnee Landw. Zeitung. XIII. 194. 391.

[223/0245]

² XIV. 80. André Oeconom. Neuigkeiten. 1821. Nro. 39 folg. Ueber Maſchinen

zum Furchenziehen ſ. m. Schnee. V. 258. Schröer's Waſſerfurchenzieher. IX. 172.

und Lange's Waſſerfurchenzieher. XII. 145. Young Calender. 45. 87. 161.

222. 462.

³ S. Schnee Landw. Zeitung. IX. 125. 321. X. 229. XII. 93. 247.

⁴⁾ Ueber Wieſenverjüngung ſ. m. auch: Thaer Annalen des Ackerbaues. V. 104.

IX. 274. Ueber den Wieſenſchröpfer.

⁵⁾ Von der Bewäſſerung handeln auch: Thaer Annalen des Ackerbaues. III.

291 (Behandlung bewäſſ. Wieſen). II. 80. 550. VIII. 56. Deſſelben Annalen

der niederſächſiſchen Landwirthſchaft. Jahrg. II. Stück 3 (v. Meyer). Weber,

Handbuch des Futterbaues. S. 422. Sinclair Grundgeſetze. S. 335. Young

The farmers Calender. 226. 294. 343. 543. Bertrand, die Kunſt Wieſen zu

bewäſſern. Neue Ausgabe. Nürnberg 1774. Anleitung über Wäſſerung der Wie-

ſen. Herausgegeben von der naturforſchenden Geſellſchaft. Zürich 1774. Scheyer

Anweiſung zur Wäſſerung der Wieſen. Leipzig 1795. Wittmann, Unterricht zur

Bewäſſerung der Wieſen nach lombard. Art. Wien 1810. Ueber die Wäſſerungs-

maſchinen ſ. m. Schnee Landw. Zeitung. II. 402. 409 (W. M. von Mont-

golfier). Beſchreibung des hydraul. Widders als der beſten Wäſſerungsmaſchine.

Leipzig 1807. 2te Auflage. Ernſt, Abbildung und Beſchreibung einer Pendular-

windmaſchine zur Ent- und Bewäſſerung der Wieſen. Leipzig 1807. Deſſelben

Abbildung u. Beſchreibung eines Staber-Schöpfrades zur Wieſenwäſſerung. Leipzig

1803. Beſchreibung und Abbildung der Wäſſerungs- und Entwäſſerungsmaſchine

von Saubert und der Waſſerhebemaſchine von Sergeant. Leipzig 1805. Ueber

die Anlage der ſogenannten Schwemmwieſen ſ. m. Thaer ration. Landwirthſch.

III. 205. Weber Handbuch des Futterbaues. S. 88. u. 100. Obige Abhandlung

von Meyer, welche a. 1807 von Thaer in Celle beſonders herausgegeben und

auch in deſſen kleinen Schriften Bd. I. abgedruckt iſt.

§. 182.

C. Unfälle des Wieſenbaues und D. Heuernte.

Zu den Unfällen des Wieſenbaues gehören: 1) die giftigen

Wieſenpflanzen1); 2) die Maulwurfs- und Ameiſenhaufen2);

3) die Vermooſung der Wieſen3); 4) zu große Hitze und aus-

trocknende Winde, gegen welche man ſie durch Zäune ſchützt;

5) das Behüten der Wieſen mit Vieh, wenn es zu lange dauert4);

6) die Larven der Maikäfer5), das Heupferd (Gryllu̺͆ verruci-

voru̺͆), der Regenwurm und die Grasraupe (Phalaena gra-

mini̺͆).

Die Zeit zur Heumaht iſt da, wenn die Riſpen der Gräſer

ausgebildet zu blühen anfangen. Das Gras wird gemähet, mehr-

mals mit Handgabeln oder Pferdeinſtrumenten gewendet, und wenn

es trocken iſt, aufgeladen und heimgefahren6). Man macht ent-

weder grünes (d. h. ſchnell und gut getrocknetes) oder braunes

(d. h. nicht völlig getrocknetes) Heu. Das Trocknen geſchieht ent-

weder auf dem Boden oder auf Gerüſten (Heintzen, §. 179.).

Das Einbanſen (oder Taſſen) deſſelben geſchieht entweder in

luftigen Scheunen oder in Heufeimen (Schobern) auf dem Felde.

Der Ertrag der Wieſen iſt ſehr verſchieden nach ihrer Güte,

[224/0246]

und die zweite und dritte Schur heißt Grummet (Grummaht,

Ohmaht)7).

¹ Die giftigen Wieſenpflanzen ſind: das Bilſenkraut (Hioscyamus niger),

der Stechapfel (Datura stramonium), Waſſerſchierling (Cicuta aquatica), Pferde-

ſaamenkraut (Phellandrium aquaticum), die Zeitloſe (Colchicum autumnale),

die Küchenſchellen (Anemone nemorum, bulbosa, u. ſ. w.), die giftige Laktuke

(Lactuca virosa), die Euphorbien (Euphorbia), die Hundspeterſilie (Aethusa ci-

napium) und der Eppich (sium latifolium).

² Sie werden entweder mit der Handhacke oder mit Pferdeinſtrumenten hin-

weggeſchafft und die Maulwürfe gefangen. S. Thaer Ackergeräthe. II. Taf. 7.

³ S. Schnee Landw. Zeitung. III. 573. Kniphof Phyſical. Unterſuchung

des Pelzes auf Wieſen. Erfurt 1753.

⁴⁾ S. Gottſchald, Der Nutzen bei Abſchaffung der Frühhütung auf den

naſſen Wieſen. Wittenberg 1782. und andere Schriften über die Hutgerechtigkeit.

⁵⁾ S. Steeb, Von den Maikäferarten, wie ſie vorzüglich auf den Wieſen

vertilgt werden können. München 1789.

⁶⁾ Dieſe Arbeiten dauern zwei bis drei Tage. Eine ſolche Maſchine zum

Wenden und Luften des Heues, nämlich eine Egge, iſt, wie Thaer (rat. Landw.

III. 265.) erwähnt, beſchrieben von Bloys v. Treslong in den Schriften der

Rotterdamer Societät. II. 88. Ferner die Maſchine hierzu von dem Engländer

Middleton in Leonhardi Abbildung und Beſchreibung einer neuen engliſchen

Maſchine zur ſchnellen Abführung des Heues. Aus dem Engl. überſ. Leipzig 1797.

(Auch in Geißler Auszüge aus den engl. Transactionen. III. 244.) S. Cancrin

Abhandlung von einer Fruchttriege zum Trocknen des Heues bei naſſem Wetter,

in dem Anhange. 2te Aufl. Marburg 1799. Ein Schwadenzieher ſoll auch

beſchrieben ſein in Mehlers böhm. Landw. III. Bd. I. Abthl. S. 123. Tab. 2.

Fig. 4. Ein Mann kann im Durchſchnitte täglich 1,8 preuß. Morgen Gras und

2 Morgen Klee mähen. Eine Frau kann ohne beſondere beſchwerende Umſtände

täglich 6 bis 6¼ Centner Grasheu wenden und heuen. Zur Ladung eines Fu-

ders Heu von 2200 Pfund ſind 2 Männer und 3 Frauen erforderlich, und dieſe

laden bei Wechſelwagen Stund für Stund ein Fuder, wenn ſie von den Abladern

nicht aufgehalten ſind, bei der ſchon mehrmals angenommenen Normalentfernung

der Wieſe. Beim Abladen und Banſen rechnet man auf 1 Abſtaker 1 männlichen

und 2 weibliche Banſer, um alle Stunden ein obiges Fuder abzuladen und zu

banſen.

⁷⁾ Die beſten Wieſen geben 18–24 Centner Heu und drüber; die IIter Klaſſe

15–18 Centner, IIIter Klaſſe 12–15 Centner, in 2 Schnitten, die IVter Klaſſe

9–12 Centner, die Vter Klaſſe 6–9, und die VIter Klaſſe nicht über 6 Centner

Heu, in einem Schnitte.

III. Von dem Weidebaue.

§. 183.

Dem Weidebaue widmet man mit Unrecht öfters nur geringe

Sorgfalt; und doch ſind bei ihm dieſelben Fragen wichtig, wie

bei dem Wieſenbaue. Sie ſind folgende, und betreffen:

1) Den Begriff, das Weſen und die Arten der Wei-

den. Weiden ſind die zur Abgraſung durch das Vieh beſtimmten

Grasplätze. Man unterſcheidet die Anger- (Raſen-), Wald-,

Wieſen-, Saat-, Brach- und Stoppelweiden, welche

ſämmtlich ſchon dem Namen nach erkenntlich ſind, — und die

[225/0247]

Dreſch- (Dreiſch-) Weiden, auf Aeckern, nachdem ſie länger

zum Feldbaue gedient haben. Die vier Lezteren nennt man auch

Ackerweiden. Die eigentlichen Weideplätze werden nach den

Klaſſificationsprinzipien überhaupt (§. 138.) und jenen der Wieſen

insbeſondere (§. 180. 182.) auch in Klaſſen getheilt. Daher kommt

die Unterſcheidung in Fett-, Niederungs-, Gebirgs-,

Heide-, Moor-, Sand- und Sumpfweiden.

2) Den Bau der Weiden. Der Bau der Acker-, beſon-

ders der Dreſchweiden, ſteht mit dem Wirthſchaftsſyſteme in Ver-

bindung, und iſt der eigentliche künſtliche Weidebau. Der Bau

der Wieſen- und Angerweiden fällt bei gehöriger Sorgfalt mit

dem Wieſenbaue in Eines zuſammen.

3) Die Unfälle der Weiden. Sie ſind zum Theile jene

des Acker-, zum Theile jene des Wieſenbaues (§. 151. 182.).

4) Die Benutzung der Weiden. Hierbei iſt der Beſatz

der Weiden, die Folge des Beſatzes mit verſchiedenen Vieharten,

und die Länge der Weidezeit von Wichtigkeit. Man muß dabei

berückſichtigen, daß ſowohl der zu große als der zu geringe Beſatz

ſchädlich wird, daß man die Schaafe vor dem Rindvieh zum Weide-

gange läßt, und daß ein zu langer Weidegang der Vegetation und

den Thieren ſchädlich wird. Der Ertrag der Weiden iſt nach der

Güte verſchieden1). Ueberhaupt concurrirt bei Allem dieſem die

Localität.

¹ Tabellen über den Ertrag nach dem darauf zu ernährenden Vieh finden ſich

bei Thaer Ausmittelung des Reinertrags. §. 48. Deſſelben ration. Landw.

I. 281. III. 274. Meyer Gemeinheitstheil. III. 29. Pachtanſchläge. S. 65.

Schmalz Anleitung zur Veranſchlagung ländlicher Grundſtücke. §. 119. 120. 121.

Koppe Unterricht. I. 173.

Zweites Stück.

Gartenbaulehre.

Erſte Unterabtheilung.

Allgemeine Gartenbaulehre.

§. 183. a.

Die Gartenbaulehre, welche ebenfalls ihre eigene Litera-

tur1) und Geſchichte2) hat, zerfällt, der allgemeinen Beziehungen

nach, in dieſelben Theile wie die Feldbaulehre. Die allgemeine

Gartenbaulehre bezieht ſich gerade, jedoch mit beſonderer Be-

ziehung in ſoferne der Gartenbau ſich als den Landbau in der

höchſten Kultur darſtellt, auf dieſelben Gegenſtände, welche im

Baumſtark Encyclopädie. 15

[226/0248]

§. 133. a. als Gegenſtände der allgemeinen Feldbaulehre ange-

geben ſind.

¹ Vorzügliche Literatur: Walther, Praktiſche Anleitung zur Gartenkunſt.

Stuttg. 1779. IIIte Aufl. 1819. als allgemein. deutſch. Gartenbuch. Sickler,

Deutſchlands Gartenſchatz. Erfurt 1802. III Bde. Dieterich, Das Ganze des

Gartenbaues. Neue Auflage. Leipzig 1806. II Bände. Blotz und Chriſt, Die

Gartenkunſt. IIIte Auflage von Becker und Kühne. Leipzig 1819. III Bände.

Ideler, Die wirthſchaftliche Gärtnerei. Neue Ausgabe. Berlin 1822. II Bände.

Pohl, Vollſtändiges Handbuch der Gärtnerei, nebſt Engel's, Krauſe's und

Leonhardi's Monatsgärtner nach der VIIten Auflage. Leipzig 1821. Schmidt

und Müller, Vollſtändiger Gartenunterricht. IXte Auflage. Leipzig 1820.

Bredow, Der Gartenfreund. Berlin 1833. IVte Auflage. Loudon, Encyclo-

pädie des Gartenweſens. Aus dem Engliſchen überſetzt. Weimar 1823–1828.

II Bde. (Ausgezeichnet und am umfaſſendſten.) Noiſette, Vollſtändiges Handb.

der Gartenkunſt. Aus dem Franzöſ. überſetzt von Sigwart. Stuttg. 1826–30.

V Bde. 8. (Sehr gut und ſehr ausgedehnt.) Metzger Gartenbuch. Heidelberg

1829. (Sehr praktiſch.) Leibitzer, Der Gartenbau. Peſth 1831. III Bdchn.

Ritter, Allgem. deutſches Gartenbuch. Quedlinburg 1833. IIte Aufl. in 2 Ab-

theilungen. Außerdem einige Zeitſchriften. Ueber ältere Literatur ſ. m. Weber'ſ

in §. 132. citirtes Handbuch, und über die ausländiſche Literatur Loudon Ency-

clopädie. II. 1421–1483.

² Ueber die Geſchichte des Gartenbaues ſ. m. Loudon Encyclopädie. I. S. 3

bis 129. und Noiſette Handbuch. I. Bd. 1ter Theil.

I. Bodenkunde.

§. 184.

Was in den §§. 134–137. hiervon geſagt iſt, gilt auch hier.

Von einer Klaſſifizirung des Gartenbodens (§. 138.) könnte aber

nur in ſo weit die Rede ſein, als man von der erſten Klaſſe des

Bodens noch verſchiedene Abtheilungen nach den Momenten der

Klaſſifizirung annehmen wollte. Der Gartenbau unterſcheidet ſich

von dem Feldbaue hauptſächlich dadurch, daß er auf einem einge-

friedigten Grundſtücke beſter Qualität betrieben wird; daß darin

diejenigen Pflanzen gebaut werden, welche vorzüglichen Boden,

geſchützte Lage und vorzügliche Pflege bedürfen; und endlich daß

die Behandlung des Bodens höchſt ſorgfältig geſchehen muß. Die

Wahl des Bodens hängt daher von den verſchiedenſten äußeren

Umſtänden ab. Die wichtigſten derſelben ſind die Beſchaffenheit,

Größe, Lage und Befriedigung des Bodens, die Nachbarſchaft

von Waſſer, und die Annehmlichkeit der Gegend1).

¹ Man bereitet ſich daher die Erde für beſondere Gewächſe auch beſonders

durch Miſchung und Umſtechen der beſten Erdarten mit organiſcher Materie, um ſo

recht lockern, warmen, humusreichen Boden zu bekommen, und es iſt zweckmäßig,

dazu in jedem Garten einen paſſenden Platz oder ein Magazin zu halten, wohin

man zugleich Pflanzabfälle u. dgl. bringt. Beſonders gut iſt die ſchwarze, ſandige,

leichte, aufgelöste, Heidetheile enthaltende Heideerde, vom Saume der Waldun-

gen genommen. Die Einfriedigung der Gärten, zugleich abhängig vom guten Ge-

ſchmacke, ſei ſie eine lebendige oder todte, iſt dann die vorzüglichſte, wenn ſie

[227/0249]

¹ unter übrigens gleichen Umſtänden den Wind am beſten abhält, daß Einſitzen ſchäd-

licher Thiere nicht geſtattet, und die Sonne nicht vom Boden abwehrt. Wenn

fließendes Waſſer mangelt, iſt ein Brunnen im Garten unentbehrlich.

II. Bodenbearbeitungslehre.

A. Von der Bodengeſtaltung.

§. 185.

Bodengeräthe.

Ein friſch beurbarter Boden (§. 139.) eignet ſich, ohne vor-

herige Bebauung mit Hackfrüchten1), noch nicht zum Gartenbaue.

Erſt nach jener kann er zum wirklichen Gartenbaue weiter bear-

beitet werden (§. 140.). Die zur Bearbeitung des Gartenbodens

erforderlichen Geräthe ſind folgende:

1) Bodengeräthe im eigentlichen Sinne. Es gehören hier-

her: a) die Picken, zur Auflockerung harten Bodens; b) die

Hebel (Brecheiſen), zur Fortſchaffung großer Steine; c) die

Spaten, zum Umſtechen; d) die Gabeln, zu verſchiedenen

Zwecken; e) die Hacken, zum Anziehen, Umwerfen und Umhacken

des Bodens; f) die Rechen, von Holz oder Eiſen, zum Reinigen,

Ebenen und Pulveriſiren des Bodens; g) die Rechenhacken, wo

beide lezteren Geräthe vereinigt ſind; h) die Raſeneiſen und

Raſenſcherer, zum Aus- und Abſtechen des Raſens; i) die

Raſenſtampfer, zum Feſtſtoßen der Raſen; k) die Raſenfeger,

Reiſig- und Drahtbeſen, zum Fegen und Reinigen; l) die

Wurzelngäter, zum Ausziehen langer kegelförmiger Wurzeln;

m) die Gartenwalzen.

2) Richtgeräthe. Es gehören hierher: a) die Richt-

ſchnüre; b) die Nuthen und Meßketten; c) die Richt-

ſcheite; d) die Viſirſtäbe; e) die Bodenzirkel; f) die Ab-

ſteckpfähle.

3) Die Gefäße. Hierher gehören: a) die Erdſiebe von

Rohr oder Draht; b) die Erdtrichter und Erdkörbe; c) die

Erdtöpfe und Erdkaſten; d) die Erdkarren.

¹ Loudon Encyclopädie. I. 365. Ideler Wirthſchaftl. Gärtnerei. XVIII.

Brief. Ueber eine Gartenhäckelmaſchine von Schröer ſ. m. Schnee Landwirthſch.

Zeitung. IX. 221.

§. 186.

Arbeiten mit dieſen Geräthen.

Alle die Bodenarbeiten, welche beim Feldbaue mit Maſchinen

geſchehen, verrichtet man hier mit Werkzeugen der Hand. Da in

15*

[228/0250]

einem Garten alles regelmäßig eingerichtet ſein muß, ſo bedient

man ſich bei den Bodenarbeiten faſt immer der Schnur oder an-

derer Richtgeräthe. Dieſer Schnur nach geſchieht das Picken,

Rajolen, Graben oder Umſtechen; das Umbrechen und Ausgraben,

beſonders aber das Nivelliren des Bodens, welches oft das Hin-

und Hertragen der Erde erfordert, wenn man mit dem Rechen

nicht ausreicht, und das Walzen. Um aber den Grund recht fein

und rein zu machen, wird die Erde geſiebt und geſichtet. Dieſes

geſchieht beſonders bei der Zurichtung des Grundes für Töpfe und

Kaſten. Die Arbeiten ſelbſt aber wechſeln nach der Manchfaltigkeit

der Pflanzen und nach dem Zuſtande des Bodens, dabei aber auch

nach den der Gartenfläche zu gebenden Geſtalten, welche ſehr ver-

ſchiedenartig ſind.

B. Von der Bodenmiſchung.

§. 187.

Miſtbeete.

Die Mittel der Bodenmiſchung ſind dieſelben, wie bei der

Feldwirthſchaft (§. 148.). Die Miſchung ſelbſt aber muß weit

ſorgfältiger geſchehen als bei jener (§. 148.). Eine beſondere Art

derſelben ſind die Miſtbeete. Man verſteht unter denſelben be-

ſondere, ſtark und vorzüglich gedüngte, mit der fruchtbarſten und

reinſten Erde angefüllte Plätze zur Pflanzung fremder zarter und

einheimiſcher frühzeitig zu gewinnender Gewächſe. Man theilt ſie

in ganz freie, eingefaßte und völlig geſchloſſene ein. Die

Lezteren werden mit Fenſterdeckeln, dieſe aber noch mit Bretter-

deckeln verſehen. Ihre Lage muß ſie zum Empfange der Sonnen-

ſtrahlen beſonders tauglich machen. Der tauglichſte Dünger dazu

iſt der Pferdemiſt, wegen ſeiner Wärme und hitzigen Natur, und

wird ſchichtenweiſe zu unterſt aufgetragen. Auf ihn kommt die

Miſtbeete-Erde, wozu man ſich der Erde, die noch nicht getragen

hat (Jungfernerde), bedient. Man arbeitet ſie vorher mit et-

was Sand und Rindviehmiſt durch, und ſiebt ſie, um ſie von allen

Klumpen und Unreinigkeiten zu befreien1).

¹ Loudon Encyclopädie. I. 469.

III. Pflanzungslehre.

§. 188.

1) Das Einbringen in die Erde, oder die Fortpflanzung.

Die Fortpflanzung der Gartengewächſe geſchieht: a) durch die

Saat, entweder von Saamen oder Knollen, welche bald breitwürfig,

[229/0251]

bald mit dem Setzholze, bald mit der Hacke geſchieht. Sonſt iſt

bei derſelben hauptſächlich auch das zu bemerken, was ſchon oben

(§. 150.) darüber geſagt iſt1); b) durch das Stecken von Zwie-

beln und Wurzeln; c) durch das Verpflanzen der in Beeten

aus Saamen gezogenen Gewächſe. Man verpflanzt in Löcher, in

Gräben, durch Zugraben (indem man zur Bedeckung der in ein

Gräbchen geſetzten Pflanzen ein neues Gräbchen aufſticht), in

Spalten, in den Ausſtich, in Säelöcher, durch Zudecken, in Fur-

chen, mit dem Steckholze, mit der Pflanzkelle, mit dem Erdklum-

pen, in Töpfe, und mit dem Einſchlämmen2); d) durch Senk-

linge, d. h. abgeſchnittene oberirdiſche Theile der Gewächſe. Man

hat für verſchiedene Stecklinge zu ſorgen, ganz abgeſehen von der

Natur der Pflanzen ſelbſt, je nachdem ſie ins freie Feld, in

Gewächs- und Treibhäuſer beſtimmt ſind, und bei großer Obhut

iſt ſogar eine Fortpflanzung durch bloße Blätter möglich3). End-

lich e) durch Ableger oder Abſenker, d. h. durch junge Pflan-

zenzweige, welche man vom Stocke aus in die Erde biegt und erſt

von demſelben abſchneidet, wenn ſie ſchon Wurzeln gefaßt haben,

um ſie hierauf zu verpflanzen. Man unterſcheidet die einfachen

Ableger, jene mit dem Einſchnitte (der Länge nach am unteren

Ende), jene von Schößlingen, und endlich Ableger in Senktöpfen

(an den Stöcken ſelbſt)4).

¹ Loudon Encyclopädie. I. 488. Metzger Gartenbuch. S. 38. Ideler

Wirthſchaftl. Gärtnerei. XXIter Brief. Die Anzucht des Saamens iſt wichtig,

weil die Gewächſe ſehr leicht in Gärten ausarten. Noiſette, die Erhaltung und

Vermehrung der Pflanzen. S. 135–161. u. 161–169. (Stecken von Zwiebeln c.)

² Loudon Encyclopädie. I. 490. vrgl. mit 366. Ideler Wirthſchaftl.

Gärtnerei. XVIII. u. XXII. Brief. Noiſette a. a. O. 212. Zum Verpflanzen

bedient man ſich des Steck- oder Setzholzes, der (keilförmig gabeligen) Forſthacke,

der (doppelten) Pflanzhacke, der (dreieckförmigen, kurzgeſtielten) Pflanzkelle, der

Spitzhacke, der (zungenförmigen, ebenen oder halbcylindrigen) Gartenkelle, und des

Verpflanzers, der (z. B. für Bohnen und Erbſen) mehrentheils rechenförmig oder

aus mehreren Setzhölzern zuſammengeſetzt iſt, oder aber auch aus 2 halbcylindrigen

Eiſenſtücken mit kurzen Handgriffen beſteht, die ſo in die Erde geſchoben werden,

daß in ihnen eine Pflanze mit einem Erdklumpen Platz hat, und dazu dienen,

nachdem ſie mit Schrauben an einander befeſtigt ſind, die Pflanzen ſammt dem

gehörigen Erdklumpen herauszuziehen. Das Ausheben der Pflanzen und Zurichten

des Bodens iſt dabei ſehr wichtig.

³ Loudon Encyclopädie. I. 472. Metzger Gartenbuch. S. 42. Beſonders

Pflanzen mit lockerem Zellgewebe eignen ſich dazu. Man ſchneidet die Stecklinge

fürs freie Feld im Februar und Anfange des März 1–1½ Fuß lang. Noiſette

a. a. O. S. 169.

⁴⁾ Loudon Encyclopädie. I. 473 folg. Metzger Gartenbuch. S. 46.

Noiſette a. a. O. S. 185.

§. 189.

2) Weitere Pflege der Gartengewächſe.

Dieſelbe hat auch, wie bei den Feldpflanzen (§. 151.), haupt-

ſächlich die folgenden Zwecke:

[230/0252]

a) Die Erfüllung der Bedingungen des Wachs-

thums. Hierin beſteht die meiſte Sorgfalt beim Gartenbaue.

Dieſelben Arbeiten, welche bereits oben (§. 151.) erwähnt ſind,

müſſen hier mit beſonderer Sorgfalt zum Theile vermittelſt der

bloßen Hand, zum Theile vermittelſt gewiſſer Handwerkzeuge ge-

ſchehen.1). Da aber im Gartenbaue auch Gewächshäuſer vor-

kommen, ſo muß beſonders bemerkt werden, daß das Licht den

Pflanzen zum Fortkommen meiſtens ſehr nöthig iſt, aber auch oft

künſtlich Schatten hervorgebracht werden muß. Was jedoch ins-

beſondere die Wärme anbelangt, ſo wird ſie den Pflanzen theils

durch Miſtbeete (§. 187.), theils durch Gewächs- und Treib-

häuſer2) zugebracht, zugleich aber muß man Mittel haben, um

auch die Hitze von den Pflanzen abzuhalten. Endlich iſt der Schutz

der Pflanzen vor ſchädlichen Thieren und Unkraut beim Garten-

baue von der höchſten Wichtigkeit3).

b) Die Veredlung der Gartengewächſe ſelbſt. Dieſe,

auch ſchon oben (§. 151.) erwähnt, iſt das eigentliche Geſchäft

des Gärtners. Es gehört in dies Gebiet das Beſchneiden u.

dgl.4), das Veredeln5) und die Heilung der Pflanzen von

Krankheiten6).

¹ Hierzu bedient man ſich zum Theile der in §. 185. erwähnten Bodengeräthe

im eigentlichen Sinne. Zum Begießen hat man die gewöhnlichen Gießkannen, die

franzöſiſchen (auch mit Röhren im Zickzack zur Hemmung des heftigen Waſſerſturzes),

das Gießrohr (eine zinnerne Röhre, mit einem Trichter, unten einen Rechtwinkel

bildend, und oben zuweilen mit einer Brauſe verſehen), die Gartenſpritze (von

verzinntem Eiſen, Kupfer oder Meſſing, gegen 2 Fuß lang und 2 Zoll weit), die

Handpumpe, das (zu fahrende) Waſſerfaß, und die wäſſernde Walze (auf einem

Wagengeſtelle ein Waſſerfaß, darunter eine eiſerne Walze). Zum Beſchützen der

Pflanzen hat man tragbare Leinwand- oder Gazedecken, geölte Papierdecken (Form

eines Handglaſes), Stroh- und Gartennetze, Stroh-, Baſt- und Schilfmatten,

Gaze- und Papierbeutel, horizontale Läden, Pflanzenſchirme (ähnlich dem Regen-

ſchirme), Schutzkäfige (von Draht oder Weiden), irdene Schirme (wie ein Blumen-

topf mit einer Seitenöffnung), bleierne und kupferne Handgläſer (tragbare kleine

Glasgehäuſe mit Blei- und Kupferſtreifen), das Handglas von Gußeiſen (es wird

aus mehreren gegoſſenen Stücken zuſammengeſchraubt), jenes von geſchweißtem Eiſen

(aus eiſernen Schiebſtangen zuſammengeſetzt, beliebig zu erhöhen und zu geſtalten),

die grüne Glas- und die Kryſtallglocke, Pflanzenſtützen und Baſt. Loudon Ency-

clopädie. I. 378. 381. 387. Noiſette, die Erhaltung u. Vermehrung der Pflan-

zen. S. 226. (vom Begießen).

² Ueber Anlage der Treib- und Glashäuſer ſ. m. Metzger Gartenbuch.

S. 314–316 (ſehr praktiſch). Loudon Encyclopädie. I. 389–449 (vollſtändige

Darlegung aller im Gartenbaue vorkommenden Strukturen und Bauten). Der

Gärtner wirkt nicht blos beſchleunigend, ſondern auch aufhaltend auf die Vegetation.

Jenes durch die Geſtalt des Bodens (der Beete), durch Schutz gegen, und Anſetzen

an die Sonne, durch das Einbringen in das Haus, durch künſtliche Wärme von

Mauern, durch Bedecken mit Glaskäſten und Cylindern, durch ummauerte Gruben,

durch Warmhäuſer (Grünhäuſer, trockene und feuchte [oder Loh-] Erdhäuſer) u. dgl.

Dieſes durch Bewirkung der Ruhe in kalten Räumen, durch Geſtaltung und Lage

der Beete, durch künſtlichen Schatten und durch Kalthäuſer. Loudon Encyclopädie.

I. 509–520.

[231/0253]

³ Die vorzüglichſten Unkräuter ſ. m. oben im §. 151. Eben ſo über die

wichtigſten ſchädlichen Thiere. S. aber auch Metzger Gartenbuch. S. 58. Noi-

ſette, die Erhaltung und Vermehrung der Pflanzen. S. 110–117. Ideler

Wirthſch. Gärtnerei. XXIII. Brief. Loudon Encyclopädie. I. 382, über die

Schutzmaßregeln und -Maſchinen.

⁴⁾ Die Zwecke des Beſchneidens, Ausputzens, Blattens u. dgl. ſind: a) Beför-

derung des Wachsthums; b) Beſtimmung des Umfanges; c) Beſtimmung der

Geſtalt; d) Beförderung der Blüthenknoſpen; e) Vergrößerung der Früchte;

f) Herſtellung des richtigen Verhältniſſes zwiſchen den Aeſten, Stämmen und Wur-

zeln; g) Verjüngung ſterbender Pflanzen; und h) Abhaltung und Heilung von

Krankheiten der Pflanzen. Loudon Encyclopädie. I. 495.

⁵⁾ Die Veredelung geſchieht auf die verſchiedenſte Art, indem man den Pflan-

zen ſchon von der Zucht und Auswahl der Fortpflanzungs-Vehikeln an bis zur

Ernte nicht blos in einem Jahre, ſondern in mehreren Jahren hinter einander

die Bedingungen ihrer Entwickelung immer ſorgfältiger und ausgewählter dar-

reicht. Der Gartenbau iſt an ſich ſchon eine Pflanzenveredelung. Daher ſind

die Urformen vieler Gewächſe botaniſch nicht mehr zu erkennen, und nur durch eine

alle Nüancen der Pflanzung erſchöpfende verſuchsweiſe Kultur wieder zu finden;

wie z. B. neuerlich Metzger mit den Kohlarten es gethan hat. Noiſette, die

Erhaltung und Vermehrung der Pflanzen. S. 194.

⁶⁾ Außer den bereits im §. 151. erwähnten ſind hier noch folgende Krank-

heiten zu nennen, nämlich die Läuſeſucht (Blatt- und Schildläuſe), die Verdrehung,

der Wurm, Krebs, Blutſturz oder Harzfluß, Erſtickung, Auszehrung, Schmarotzer-

pflanzen, das Uebertragen, und die Unfruchtbarkeit u. ſ. w. Man ſ. darüber und

über die Heilmittel vorzüglich Noiſette, die Erhaltung und Vermehrung der

Pflanzen S. 96–135, aber auch Metzger Gartenbuch S. 49. Ideler Wirthſch.

Gärtnerei. XXIV. u. XXV. Brief.

IV. Erntelehre.

§. 190.

Die Ernte iſt hier daſſelbe wie beim Feldbaue. Sie trennt

ſich auch in:

1) Die Geſchäfte der Ernte im eigentlichen Sinne durch

verſchiedene Operationen, und dieſe ſind je nach der Manchfaltig-

keit der Producte verſchieden. Die nach dem Einſammeln noch nö-

thigen Trennungs- und Reinigungsgeſchäfte unterliegen den bereits

oben angegebenen Regeln (§. 152.).

2) Die Geſchäfte der Aufbewahrung der Producte ſind

eben ſo verſchieden als die Arten dieſer lezteren, und die Zwecke,

wozu man ſie beſtimmt hat und gebraucht1).

¹ Loudon Encyclopädie. I. 523.

Zweite Unterabtheilung.

Beſondere Gartenbaulehre.

§. 190. a.

Da man es in der Landwirthſchaft oder vielmehr im Landbaue

nicht mit dem Anbaue und der Pflege der wilden Bäume und

[232/0254]

Geſträuche zu thun hat, ſo kann dieſe Unterabtheilung nach den

Zwecken der Gartenzucht auch nur in die Lehre von dem Blu-

men-, Gemüſe- und Obſtgartenbaue zerfallen.

I. Von dem Blumengartenbaue.

§. 191.

Vor allem Anderen iſt es von Wichtigkeit:

1) Begriff, Weſen und Arten der Blumengärten zu

beſtimmen. Nach ihrem Zwecke, blos zum Genuſſe des Schönen,

wie es die Natur mit unendlicher Manchfaltigkeit in den Blumen

entfaltet, lebendige Blumengruppen anzulegen, ſo daß man zu

jeder Jahreszeit einen möglichſt reichen Flor beſitze, kann ihr Begriff

und Weſen leicht beſtimmt werden. Die Blumengartenkunſt treibt

man zum Theile im Zimmer in Töpfen, zum Theile in kleinen

geſchmackvoll angelegten und eingerichteten Gärten1).

2) Anlage und Bau der Blumengärten geſchmackvoll

und ſorgfältig einzurichten. Die Lage derſelben richtet ſich nach

den manchfachſten Umſtänden; man theilt ſie aber in Quartiere,

und dieſe wieder in Beete, beide regelmäßig und feſt in verſchie-

dener Geſtalt, ein, zwiſchen denen Gänge und Wege angelegt ſind,

die, nicht breit, mit feinem Sande beſtreut werden, und wohl auch

zu Lauben, Tempeln und dergl., die mit Zierlichkeit angebracht

ſein müſſen, führen. Zur Scheidung der Wege von jenen beiden

Geſtaltungen werden die Rabatten, Rondelle, Halbzirkel, d. h.

ſo geformte etwas erhöhete kleine Beete, angelegt, welche man

mit Seegras, Nelken, Buchs, Lavendel und dgl. einfaßt. Ein

niedliches Gewächshaus dient ihnen als nutzbare Zierde.

3) Zucht und Bewahrung vor Unfällen bei den einzel-

nen Blumengewächſen ſorgſam zu beobachten. Beide ſind verſchie-

den nach der Art der Pflanzen ſelbſt2). Bei der Wahl der Pflanzen

zur Gruppirung richtet man ſich nach Dauer, Größe, Blüthezeit

und Farbe der Blüthen der Pflanzen. Aber der gute Geſchmack

hat hier ein unabſehbares Feld von Combinationen. Außer den

bereits erwähnten Krankheiten und Feinden (§. 189.) iſt zu große

Hitze und Regen ein Verderbniß der Blumen, wogegen man ſie

durch Schirme und Verſtellen zu ſichern ſucht.

4) Ernte zur gehörigen Zeit und mit erforderlicher Umſicht

zu halten. Die Ernte erſtreckt ſich dabei nur eigentlich auf die

Einſammlung zeitigen Saamens, und das Abſchneiden von Blumen

zu Sträußen u. dgl.

¹ S. Kißling Hand- und Taſchenbuch der eleganten Gartenkunſt. Nach

dem Franzöſ. bearbeitet. Mit einer Vorrede von Metzger. Heidelberg 1833. 8.

[233/0255]

¹ v. Reider, die Geheimniſſe der Blumiſterei. Nürnberg 182230. III Bände

Deſſelben Annalen der Blumiſterei. Nürnberg ſeit 1825. Deſſelben Blumen-

kalender (für jeden Monat). Frankfurt 1829. Boſſe Handbuch der Blumengärt-

nerei. Hannover 1830. III Abthlgn. Leibitzer Gartenbau. Peſth 1831. II. Bdchn.

(die Blumengärtnerei). Metzger Gartenbuch. S. 286. Loudon Encyclopädie.

II. 1049. Noiſette Handbuch. III. u. IV. Bd. und andere allgemeine Garten-

bücher.

² Die wichtigſten Blumenpflanzen ſind folgende: 1) Krautartige, und

zwar auserleſene, beſondere Sorgfalt erheiſchende: die Hyacinthe, Tulpe, Ranun-

keln, Anemonen, Narciſſe, Schwertlilie (Iris), Kaiſerkrone, Lilie (Lilium), Ama-

ryllis, Iria, Tuberoſe, Päonie, Dahlia, Primeln, Aurikeln, Nelken, Nachtviole,

Cardinalsblume, Pyramidenglockenblume, Goldlack, Hortenſie, Balſamine, Reſeden;

die Rabattenblumen aber ſind ſehr verſchiedener Art, ſehr manchfach und nach Far-

ben zuſammengeſtellt, z. B. bei Loudon II. 1154–1177. und nach ihm bei

Metzger S. 301–314. in ſehr engem Drucke. 2) Buſch- und Strauch-

artige: beſonders die Roſen von verſchiedenen Farben und Abarten, und ameri-

kaniſche und Moorerdepflanzen, als Magnoliaceae, Magnolia, Rhodoraceae, Rho-

dodendron, Azalea, Kalmia, Cistus, Arbutus, Vaccinium, Andromeda, Erica,

Daphne u. A. Man ſ. über dieſe und viele andere z. B. Loudon. II. 1190–1211.

Metzger S. 360–366. Ueber die exotiſchen Glaskaſten-, Grünhaus-, trockene

und feuchte Warmhauspflanzen ſ. m. z. B. Loudon II. 1212–1262, welcher

überhaupt in dieſen Sachen ebenfalls außerordentlich reichhaltig iſt.

II. Von dem Gemüſegartenbaue.

§. 192.

Auch dieſe Gärtnerei betrachtet man am beſten unter obigen

Rubriken (§. 191.). Nämlich:

1) Begriff, Weſen und Arten der Gemüſe- und Küchen-

gärten laſſen ſich leicht beſtimmen, da ſie zum Zwecke haben, die-

jenigen Gartenpflanzen zu bauen, welche den Bedarf für die Haus-

wirthſchaft zu Gemüſeſpeiſen ausmachen und liefern. Es gibt

reine Gemüſegärten, und Gemüſegärten mit Obſtbau, welchen man

ſchon darum in denſelben treibt, um eine natürliche Beſchattung

zu bewirken1).

2) Anlage und Bau der Gemüſe- oder Küchengärten. Man

legt ſie paſſender hinter als vor den Wirthſchaftsgebäuden an. Sie

dürfen nicht zu hoch, nicht zu tief, nicht zu frei und nicht zu ein-

geſchloſſen ſein. Sicherheit vor reinem und anderem Nordwinde

iſt ihnen ſehr nöthig und vermittelſt hoher Mauern oder Nadelholz-

mäntel zu bewirken. Auch dieſe Gärten werden regelmäßig einge-

theilt und mit Wegen durchzogen (§. 191.).

3) Zucht und Bewahrung vor Unfällen der Küchen-

gewächſe. Die Wahl der zu ziehenden Pflanzen richtet ſich nach

eigenem Bedarfe und nach dem Begehre auf dem Markte. Es ſind

derſelben ſehr viele2). Es eignen ſich aber für dieſe Gärten keine

hohen, am wenigſten ſchattige Kernobſtbäume, ſondern Zwergbäume

und Beerſträucher in den Rabatten, feine Steinobſtſpaliere an die

[234/0256]

öſtlichen Mauerwände. Die Feinde und Krankheiten der Küchen-

gewächſe ſind die früher ſchon erwähnten.

4) Ernte der Küchengartenproducte. Sie betrifft theils

die reife Saat u. dgl. zur Fortpflanzung, theils die zu verzehren-

den Erzeugniſſe. Faſt jede Pflanze hat aber darin ihr Eigen-

thümliches.

¹ Loudon Encyclopädie. I. 544. Noiſette Handbuch. II. Bd. S. 1–196.

Metzger Gartenbuch. S. 63. Reichart Anweiſung zum Küchengartenbaue, bear-

beitet von Bölcker. Erfurt 1822. Seidel, der Küchengemüſegärtner. Dresden

1822. v. Reider, der Küchengarten. Nürnberg 1829. Leibitzer Gartenbau.

1s u. 2s Bdchn. Andere allgemeine Gartenbücher.

² Man theilt die Küchengewächſe in folgende ſieben Ordnungen. Nämlich:

I. Wurzelgewächſe: Schwarzwurzel (scorzonera hispanica), Haferwurzel

(Bocksbart, Trapopogon porrifolium), Zuckerwurzel (sium sisarum), Möhre

(Daucus Carotta), Paſtinake (Pastinaca sativa), Rapunzel (Oenothera biennis),

der Meerrettig (Cochlearia armoracia), die Batate (Convolvulus Batatas), der

Rettig (Raphanus sativus), die Rübe (Brassica Rapa), rothe Rübe (Beta vulgaris),

Zellerie (Apium graveoleus). II. Zwiebelgewächſe: die Zwiebel (Allium

Cepa), Roccambol (Allium scorodoprasum), Schnittzwiebel (Allium fistulosum),

Schalotte (Allium ascalonicum), der Knoblauch (A. sativum), Lauch (A. Porrum),

Schnittlauch (A. schoenoprasum). III. Salat- und Gemüſegewächſe:

a) Salate: der Salat (Lactuca sativa), Endivie (Cichorium Endivia), die

Cichorie (C. Intybus), der Ackerſalat (Valeriana locusta), die Gartenkreſſe (Lepi-

dium sativum), Brunnenkreſſe (sisymbrium nasturtium). b) Gemüſe: die Melde

(Atriplex hortensis), der Spinat (spinacia oleracea), Mangold (Beta cicla),

Cardon (Cynara Cardunculus), Rhabarber (Rheum), Hopfen (Humulus lupulus),

Spargel (Asparagus officinalis), c) Kohlarten (§. 161.). IV. Blüthenge-

wächſe: die Artiſchocke (Cynara scolymus), Kapern (Capparis spinosa).

V. Fruchtpflanzen: a) Hülſenfrüchte: Erbſen (Pisum sativum), Bohnen

(Phaseolus vulgaris), Ackerbohnen (Vicia faba), Spargelbohnen (Lotus tetragono-

lobis), Kichern (Cicer arietinum), Aſtragal (Astragalus baeticus), Linſe (Ervum

Lens), b) Fleiſchfrüchte: Gurke (Cucumis sativus), Melone (Cucumis Melo),

Waſſermelone (Cucurbita Citrullus), Kürbis (Cucurbita Pepo), Liebesapfel (sola-

num Lycopersicum), Ananas (Bromalia Ananas), Erdbeere (Fragaria) u. ſ. w.

VI. Gewürzpflanzen, wie z. B. Boraſch (Borrago officinalis), Peterſilie

(Apium Petroselium), Körbel (scandix), Sauerampfer (Rumex) u. ſ. w.

VII. Schwämme: nämlich Champignon (Agaricus edulis) und Trüffel (Lycoper-

don tuber). — Dieſe Gewächſe werden zum Theile auch in Treibhäuſern gezogen.

III. Vom Obſtgartenbaue.

§. 193.

Am ſyſtematiſchſten muß bei dem Obſtgartenbaue oder bei den

Baumſchulen verfahren werden:

1) Begriff, Weſen und Arten des Obſtgartenbaues. Man

verſteht unter demſelben den gartenmäßigen Anbau derjenigen

Bäume und Geſträuche, welche zahm ſind und uns Obſt geben.

Er hat alſo als weſentliches Merkmal die Veredelung der Obſt-

pflanzen, wie ſie wild wachſen. Es gibt verſchiedene Arten deſſel-

ben, nach der Obſtſorte. Man kann ſie aber mit Bezug auf die

[235/0257]

verſchiedene Behandlungsweiſe in eigentliche Obſtgärten und

Weingärten eintheilen, wenn man einen logiſchen Fehler über-

ſehen will1).

2) Anlage und Anbau der Obſtgärten. Sie verlangen

im Allgemeinen gemäßigte Gebirgsgegenden, und tiefen kühlen

Boden; daher lieben ſie Thäler und den Fuß der Gebirge, um

gegen Frühfröſte und rauhe Winde geſchützt zu ſein2).

¹ Außer den allgemeinen Gartenbüchern ſ. m. über Obſtbau: Sickler

deutſcher Obſtgärtner. Weimar ſeit 1794 bis 1802. 22 Bde. Deſſelben Allgem.

Geſchichte der Obſtkultur. Frankfurt 1802. Chriſt Handbuch der Obſtbaumzucht.

Frankf. 4te Auflage. 1817. Abercomby Anleitung zur Erziehung der Obſt- und

Fruchtbäume. Aus dem Engl. überſetzt von Lüder. Leipzig 1812. v. Heintl,

Unterricht über Obſtbaumzucht. Wien 1810. Reichart, Anweiſung zum Obſtbau.

6te Auflage von Völker. Erfurt 1819. Geiger, die Baumzucht. 2te Auflage.

München 1821. 4 Bdchn. Gruner, Unterricht in der Obſtbaumzucht. Leipz. 1822.

Noiſette Handbuch. II. Bd. 2r Thl. S. 197. folg. Loudon Encyclopädie. I.

477. 495. II. 1265. Metzger Gartenbuch. S. 139. v. Reider, das Ganze der

Obſtbaumzucht. Nürnberg 1831. Leibitzer Gartenbau. IIItes Bändchen. 1832.

Ueber Weinbau ſ. m. Müller Deutſchlands Weinbau. Leipzig 1803. Rau,

Anweiſung über den Weinbau. Frankfurt 1804. Sickler, Deutſchlands Weinbau.

Erfurt 1810. II. Bde. Geiſt, Ueber Verbeſſerung des Weinbaues. Würzbg. 1814.

v. Heintl Weinbau. Leipzig 1832. Metzger, der rheiniſche Weinbau. Heidel-

berg 1827. Kolbe Anweiſung, dem Weinſtocke den höchſten Nutzen abzugewinnen.

Neue Auflage. Erfurt 1828. Bronner, Verbeſſerung des Weinbaues. Heidelberg

1830. Röber, Verſuch einer rationellen Anleitung zum Weinbau. Leipzig 1832.

Jullien, Topographie aller Weinberge und Weinpflanzungen. Aus dem Franzöſ.

Leipzig 1833. Henderſon, Geſchichte der Weine. Aus d. Engl. Weimar 1833.

Gatterer, Literatur des Weinbaues. Heidelberg 1833.

² Zum Weinbaue insbeſondere iſt ein leichter, lockerer, reiner, fetter und ſtark

gedüngter Boden nöthig; beſonders gut iſt ihm Boden mit Kalk- und Kieſelgehalt

und vulkaniſches Gebilde. Derſelbe verlangt ein warmes Klima, eine ſonnige,

gegen Wind und Froſt geſchützte Lage, und verträgt weder Näſſe noch naſſe Kälte.

Vor der Anpflanzung muß der Boden ſehr tief umgegraben werden, was in Bergen

tiefer als in der Ebene geſchehen muß, wo man ihn ½ Fuß tiefer umgraben und

wenden muß, als die Stecklinge in der Regel lang ſind.

§. 194.

Fortſetzung.

3) Zucht und Bewahrung der Obſtpflanzen von Un-

fällen. Die Bäume und Sträucher fordern nach ihrer Natur

auch eine beſondere Behandlung1). Im Allgemeinen hat aber der

Baumgärtner, abgeſehen von dem Umgraben, Lockern und Reinigen

des Bodens, beſtimmte periodiſche Verrichtungen, wozu manchmal

die Bäume verſchiedenen Alters auch in verſchiedenen Garten-

abtheilungen ſtehen. Man unterſcheidet:

a) Die Saatſchule (Anzucht der Wildlinge). Im Herbſte

oder Frühlingsanfange werden die gut gewählten geſunden reifen

Kernen oder Steine oder Schaalen reihenweiſe in die Erde ge-

bracht und leiſe bedeckt. Jede Obſtſorte hat ihr eigenes Beet,

[236/0258]

eigene Nummer und eigenen Namenspfahl. Oft pflanzt man aber

die Bäume auch durch Ableger u. dgl. fort2).

b) Die Pflanzſchule (Veredelung der Wildlinge). Im

zweiten Jahre ſind die Wildlinge der Saatſchule entwachſen. Man

verſetzt ſie in dieſe und veredelt ſie (auch wenn ſie an einem Orte

verbleiben)3). Das Verſetzen — auch im Herbſte oder Frühlings-

anfange — erfordert ſchon bei der Ausnahme und dann bei der

Verſetzung ſelbſt große Sorgfalt. Denn es ſind dabei leicht Be-

ſchädigungen möglich. Jene darf nicht gewaltſam, dieſe aber nicht

zu tief und nicht zu ſeicht geſchehen. Die gegenſeitige Entfernung

hängt von der natürlichen Wurzelerſtreckung ab. Die Erde muß

ganz zerkrümmelt um die Wurzeln gezettelt und eingeſchlämmt

werden.

c) Die Baumſchule (Pflege der ausgewachſenen Edelbäume).

Ganz abgeſehen davon, ob und in welcher Anzahl die Bäume aus

der Pflanzſchule verſetzt werden oder nicht, in dem eigentlichen

Baumgarten befindlich erſcheinen die Bäume, wenn ſie veredelt und

zur Fruchttragung entwickelt ſind. Hier in dieſer Periode beginnt

das Beſchneiden der Bäume4). Die bereits oben angegebenen

Krankheiten kommen auch hier vor.

4) Ernte in den Obſtbaumgärten. Die Zeit dazu gibt die

Reife des Obſtes an. Daſſelbe wird gepflückt, abgeſchnitten, abge-

ſchwungen u. dgl.

¹ Die Hauptarten ſind: I. Kernobſt: der Apfel (Pyrus malus) mit 167

Abarten; die Birne (Pyrus communis) mit 103 Abarten; die Quitte (Pyrus Cy-

donia) mit 4 Abarten. II. Steinobſt: der Pfirſich (Amygdalus persica) mit

30 Abarten; die Apricoſe (Prunus Armeniaca) mit 10 Abarten; die Pflaume

(Prunus domestica) mit 30 Abarten, worunter auch die 4 Abarten von Zwetſchen;

die Süßkirſche (Prunus Avium) mit 30 Abarten; die Sauerkirſche (Prunus Cerasus)

mit 29 Abarten; die Mahalebskirſche (Prunus Mahaleb) und die Kornelkirſche

(Cornus Mascula) mit 2 Abarten. III. Halbſteinobſt: die Miſpel (Mespilus

germanica) mit 3 Abarten; Azarolbirne (Crategus Azarolus) mit 3 Abarten; der

Spierling (sorbus domestica) mit 3 Abarten, und die Hagenbutte (Rosa villosa).

IV. Schalenobſt: die Mandel (Amygdalus communis) mit 10 Abarten; Wallnuß

(Juglans regia), die Kaſtanie (Fagus Castanea) und die Haſelnuß (Corylus Avel-

lana) mit 3 Abarten. V. Beerenobſt: die Maulbeere (Morus nigra und alba),

die Himbeere (Rubus Idaeus) mit 3 Abarten; die Stachelbeere (Ribes Clossularia)

mit 45 Abarten; die Johannisbeere (Ribes nigrum und rubrum) mit 4 Abarten;

die Weintraube (Vitis vinifera) mit 41 Hauptfamilien, worunter der Gutedel,

Muscateller, Sylvaner, Ortlieber (kleiner Räuſchling oder Rießling), Orleans,

Clävner und Traminer die bekanntern ſind, mit einer Menge von Abarten; die

Berberitze (Berberis vulgaris). und der Hollunder (sambucus nigra). VI. Feigen,

wovon es eine weiße, gelbe oder grünliche, und eine röthliche, violette oder bräun-

liche Art gibt. Metzger Gartenbuch. S. 179. Loudon Encyclopädie. I. 882 bis

981. Noiſette Handbuch a. a. O. Ueber die Vermehrung edler Obſtarten ſ. m.

Thaer Möglin. Annalen. XXVII. 211,

² Gerade die Weinreben pflanzt man fort entweder durch Schnittlinge,

d. h. jährige, nicht zu dünne noch zu dicke, nach völliger Reife abgeſchnittene Reb-

[237/0259]

² gerten oder durch Würzlinge, d. h. ſolche Rebgerten, denen man ſchon in

einem Beete Würzelchen wachſen ließ, oder endlich durch Abſenker, d. h. blos

neben dem Stocke in die Erde gebeugte Bogen. Die beiden Lezteren wachſen

ſchneller, die Erſteren aber geben kräftigere Stöcke. Sie werden in 1½-2 Fuß

tiefe Gruben, bis auf 2 Augen eingelegt, mit kleinen Steckpfählen verſehen, und

ringsum alsdann der Boden fleißig behackt.

³ Unter der großen Menge von Veredelungsarten (von Noiſette Handbuch.

II. Bd. 1r Thl. S. 1–131. werden 137 Arten deſſelben, von Loudon Encyclop.

I. 476 folg. nur wichtigere beſchrieben) kann man folgende als die Grundformen

anſehen. Die Veredelung iſt entweder eine einfache oder doppelte, — dieſes,

wenn man zuerſt eine Baumſorte aufſetzt in der Abſicht, erſt, wenn dieſe völlig

gewachſen iſt, die lezte gewünſchte Gattung auf dieſes Mittelreiß zu ſetzen. Die

Leztere bezweckt homogeneren und ſtärkeren Saftumlauf und man nimmt deshalb

dazu als Mittelreißer Obſtſorten vom ſtärkſten Triebe. Als allgemeinſte Regel gilt

aber, daß nur gleiche Geſchlechter ſich wechſelſeitig annehmen. Die Veredelungs-

arten ſind aber a) das Pfropfen, d. h. jene durch Einſetzen von Zweigen ent-

weder in eine Spalte auf dem Aſte oder Stamme (Spalt-Pfropfen) oder zwiſchen

die Rinde und den Grundſtamm (Borke-Pfropfen) oder in die Rinde im Umkreiſe

(Kron-Pfropfen). b) Das Aeugeln (Occuliren), d. h. jene vermittelſt der Ein-

ſetzung eines Auges in den Stamm oder Aſt, welches man Aeugeln mit dem

wachenden Auge nennt, wenn es während des Sommerſolſtitiums, und mit dem

ſchlafenden Auge, wenn von Mitte Auguſts bis in den September geſchieht.

c) Das Binden (Copuliren), d. h. das Aufeinanderſetzen von gleich dicken gegen-

ſeitig rehefußartig geſchnittenen Aeſten oder Stämmchen, wobei Rinde, Holz und

Mark auf einander paſſen. d) Das Abſäugen (Ablactiren), d. h. das Einſetzen

des Pfropfreißes in den Wildling, ohne es vom Mutterſtamme abzuſchneiden, ehe

es mit Erſterem ganz verwachſen iſt. — Auch Weinſtöcke pfropft man, aber

gerade über der Wurzel.

⁴⁾ Die Formen des Beſchneidens, deſſen Zwecke oben (§. 189.) angegeben

wurden, ſind folgende: der Hoch- und der Halbſtamm, der Zwergbaum, die Pyra-

mide, der Keſſelbaum und der Spalier. Näheres über dieſe Haupt- und viele

Nebenformen ſ. m. bei Noiſette a. a. O. S. 132 folg. Loudon. I. 495 folg.

Metzger. S. 165 folg. — Beim Weinbaue beſtehen die Zucht-Arbeiten im Be-

ſchneiden, Behacken, Ausblatten und Ausäugeln. Man zieht die Reben aber ent-

weder an Geländern (Lauben, Kammern, Rahmen und Spalieren), an Pfählen

(mit oder ohne Schenkel) oder an keinem von beiden (Stockwingert und Bockſchnitt).

Zweiter Abſatz.

Die Thierzuchtlehre.

Erſtes Stück.

Allgemeine Thierzuchtlehre.

§. 194. a.

Die Thierzuchtlehre bezeichnet die Grundſätze und Regeln

von der Anſchaffung, Erhaltung und Veredelung der zahmen

(Haus-) Thiere und ihrer nutzbaren Theile. Wegen der Wichtig-

keit der Thierzucht für den Landbau iſt ein richtiges Verhältniß

zwiſchen beiden von Bedeutung. Die allgemeine Thierzuchtlehre,

welche die Grundſätze und Regeln lehrt, die bei der Zucht aller

Arten von Hausthieren gelten, kann daher nur die Anſchaffung

[238/0260]

und Paarung, Zucht und Pflege, und die Mäſtung der

Hausthiere betreffen1). Die beſondere aber richtet ſich und zer-

fällt nach den einzelnen Arten von Hausthieren.

¹ Vorzügliche Literatur: Bergen Anleitung zur Viehzucht. Mit Zuſätzen

von A. Thaer. Berlin 1800. Meisner, das Ganze der Viehzucht. Neue Ausg.

Leipz. 1808. Weber, Handb. der größeren Viehzucht. Frankfurt a. a. O. 1810. II. Bde.

Reichart, Landwirthſch. Viehſchatz. Leipzig 1832. III. Thle. Schmalz Thier-

veredelungskunde, mit 17 Steindrucktafeln. Königsberg 1833. André Oekonom.

Neuigkeiten. 1813. Nro. 25 folg. (Zuzucht). Schnee Landw. Zeitung. VII. 129

(Viehzucht und Maſt nach Bakewell). Koppe Unterricht. III. 49. Traut-

mann Landw. L. II. 268. Burger Lehrbuch. II. 182. Gejer Lehrbuch. S. 149.

Block Mittheilungen. II. 49. Gericke Anleitung. I. 23. Thaer rat. Landw.

IV. 297. v. Crud Oeconomie. S. 365. Thaer engl. Landw. I. 518. II. 122.

III. 617. Schwerz belg. Landw. II. 209. III. 238. Kreyſſig Futterbau.

S. 557. (beſonders Futtermittel und Fütterung). v. Reider Landw. L. §. 230 folg.

I. Von der Anſchaffung und Paarung der Thiere.

§. 195.

Es gibt eine Manchfaltigkeit von Abarten (Raſſen) der

Hausthiere, welche, im Klima, in der Nahrung und Lebensweiſe

derſelben begründet, nach dieſen Umſtänden wechſelt. Die Aufgabe

des Thierzüchters iſt daher, ſich die beſten und den Landesverhält-

niſſen am meiſten entſprechenden Raſſen zu verſchaffen. Man hat

hierzu folgende Mittel: a) Die Veredelung der einheimiſchen Raſſe

durch ſich ſelbſt (Inzucht). Dieſe Methode1) iſt, wenn ſie um-

ſichtig und aufmerkſam betrieben wird, zwar am ſchwerſten, aber

am intereſſanteſten und nützlichſten. Nur muß man ſich dabei ſtets

an die nächſte Blutsverwandtſchaft halten. b) Die Herbeiſchaf-

fung einer fremden beſſeren Raſſe beiderlei Geſchlechts und Fort-

pflanzung derſelben. Dieſe Methode hat bei ihrer ſehr großen

Koſtſpieligkeit den Nachtheil, daß die Thiere, wenn man ihnen

nicht dasjenige bieten kann, was ihnen ihr Vaterland gab, mit

der Klimatiſirung ihre Natur zu leicht verändern, wenn ſie nicht

ſchon früher ſterben. c) Das Kreutzen, d. h. die Veredelung

der einheimiſchen Raſſe durch ausländiſche, zur Paarung gebrauchte,

edle, männliche Thiere anderer Raſſen. Dieſe Methode entſpricht

dem Zwecke der allmäligen Gewöhnung an das neue Klima, und

gibt edle Raſſen, wenn man nur die weiblichen Thiere ſtets aus

dem neuen Wurfe wieder mit den ächten edlen männlichen Thieren

mehrere Jahre ſich kreutzen läßt und zum Sprunge keine neu ge-

worfenen Männchen nimmt2). Ueberhaupt aber dürfen die zur

Paarung beſtimmten Thiere nicht zu jung, nicht zu alt, und müſſen

geſund, munter und kräftig ſein, aber zugleich auch gut im Fut-

ter ſtehen3).

[239/0261]

¹ Auf dieſe Weiſe hat man z. B. beſonders bei Rindvieh und Schaafen ganz

neue Raſſen gebildet, z. B. die Raſſe des Herrn Bakewell zu Diſhley. Thaer

engl. Landw. I. 524. 549. III. 637.

² In Betreff der Schaafe hat man bereits ſchöne Erfahrungen über die arith-

metiſche Progreſſion der Veredelung gemacht, aber weniger beim Rindviehe und am

wenigſten bei den Pferden. Thaer engl. Landw. III. 640.

³ Ueber Paarung ſ. m., außer Thaer's angef. Werk., Burger. I. 184.

Gejer. S. 164. Koppe. III. 85. v. Reider. §. 230., beſonders das im

§. 194. a. angeführte vortreffliche Buch von Schmalz. Auch Thaer Möglin.

Annalen. X. 143. Schnee Landwirthſch. Zeitung. II. 564 (Einführung fremder

Viehraſſen).

II. Von der Zucht und Pflege der Thiere.

§. 196.

Die Pflege der Thiere beginnt ſchon vor ihrer Geburt,

indem man während der Trächtigkeit der Mutter auf das Junge

durch Schonung und Nahrung der Erſteren wirkt1). Nach der

Geburt überläßt man am beſten der Mutter das Junge zur Pflege

und läßt es an derſelben die Nahrung finden. Dabei muß die

Erſtere aber gut gefüttert werden. Die Zeit der Entwöhnung

hängt von der Beſtimmung des Jungen, von der Kraft der Mutter

und von der Nothwendigkeit der Milch zu anderen Zwecken ab.

Sie muß aber ſorgfältig geſchehen, damit weder das Junge noch

die Alte leide. Die fernere Zucht des Jungviehes bis zum rechten

Alter ſeiner Benutzung iſt verſchieden nach Geſchlecht und Art der

Thiere. Für Alle aber iſt eine kräftige, ſtärkende und den Körper

möglichſt frei bildende Zucht die beſte. Ueber die Nährungsart der

Thiere, wenn ſie ganz ausgebildet ſind, iſt man jetzt noch, obſchon

weniger als früher, getheilter Meinung. Sie betrifft die Stall-

fütterung und den Weidegang2). Der Hauptvortheil der

Erſteren beſteht darin, daß man gewiß drei Thiere kräftig ernähren

kann mit dem Futter von einer Grundfläche, worauf beim Weide-

gange nur eines Nahrung findet, — daß ſich alſo mittelbar der

Bodenertrag ſehr vermehrt, die Ackerkrume durch die Dünger-

bereitung in beſſerem Düngungszuſtande erhalten wird, und nicht

allein die Pflege der Thiere verbeſſert3), ſondern auch jedes unge-

bundene Syſtem in der Folge der Feldfrüchte eingeführt werden

kann. Was man gegen ſie eingewendet hat, nämlich Mangel an

Streumaterial wegen des nöthigen Futterbaues, Unmöglichkeit der

Haltung eines hinreichenden Futtervorrathes, Mangel an Boden

zum erforderlichen Futterbaue oder Vernachläſſigung des Getreide-

baues, Erziehung eines ſchwächlichen Viehſtandes u. dgl. mehr, iſt

durch die Erfahrung nicht nur nicht erwieſen, ſondern ſogar

widerlegt.

[240/0262]

¹ z. B. bei Pferden und Zugkühen Befreiung von ſchwerer Arbeit.

² Man ſ über Stallfütterung in dieſer Hinſicht Schnee Landw. Zeitung.

II. 233. 604. VII. 133. 284. 415. XIV. 161. 173. Thaer Annalen des Acker-

baues. IV. 344. 697. V. 163. VI. 307–365. 451–485. 697–712. Deſ-

ſelben Möglin. Annalen. XXIV. 389. Trautmann. II. 310. Koppe. III. 149.

Thaer ration. Landw. I. 364. Deſſelben engliſche Landw. I. 653. Bergen

Anleitung zur Viehzucht. S. 282. Weber Handbuch der Viehzucht. II. 70.

Schwerz Belg. Landw. II. 225. u. A.

³ Das Vieh bekommt alle Jahreszeiten ein kräftiges Futter in gleichen Gaben,

wird viel leichter beobachtet, vor Krankheiten bewahrt, zu einem regelmäßigen Leben

gewöhnt u. dgl. mehr. Da man aber darin einig iſt, daß man die Thiere im

Winter nicht auf der Weide laſſen kann, ſo betrifft obige Controverſe eigentlich nur

die Sommer- und Herbſtſtallfütterung. Das Tüdern ſteht in der Mitte zwiſchen

Stall- und Weidefütterung. Das Vieh wird dabei auf der Weide angebunden.

III. Von der Mäſtung der Thiere.

§. 197.

Die meiſten Hausthiere werden zugleich des Fleiſches wegen

gezogen. Deshalb mäſtet man ſie, wenn die Verhältniſſe das Aus-

märzen verlangen. Der allbekannte Zweck der Mäſtung1) wird

nur erreicht, indem man die Thiere zum Freſſen reizt, und von

jeder größeren, öfters von aller Bewegung abhält. Bei kleineren

Thieren, z. B. Geflügel, Kälbern, wendet man bei der Mäſtung

Gewalt an, indem man ſie ſtopft. Mit der Menge von Nahrung,

welche die Thiere zu verdauen haben, ſteht ihr Fettwerden unter

übrigens gleichen Umſtänden in geradem Verhältniſſe. Sorgfältig

iſt aber die Unverdaulichkeit bei der Mäſtung zu verhüten. Die

Art der Nahrung richtet ſich nach der Natur und Gattung der

Thiere. Zur Erweichung der Gefäße bedient man ſich zuerſt wei-

cher und gegohrener Nahrungsmittel in reichlicher Menge. Später

geht man zu härterem Futter über, und richtet es in der Regel

ſo ein, daß in der einen Hälfte der Maſtzeit die Futtermenge ſteigt

und in der anderen Hälfte eben ſo gleichmäßig abnimmt. Jeden-

falls iſt es nothwendig, die Nahrungsmittel durch Schneiden,

Kochen u. dgl.2) vorzubereiten, um den Thieren eine Unterſtützung

im Kauen und Verdauen zu geben. Regelmäßige Fütterung und

reinliche Behandlung iſt unumgänglich. Das Kaſtriren, beſonders

der männlichen Thiere, verbeſſert die Maſtung und den Geſchmack

des Fleiſches, weil die Verwendung der edelſten Säfte zur Saamen-

bildung unterbleibt. Die Zeit der Mäſtung richtet ſich nach der

Vergütung, welche dafür zu erhalten iſt und alſo auch nach der

Gewichtszunahme des Thieres3).

¹ Man ſ. über Mäſtung Schnee Landw. Zeitung. XII. 198. und über künſt-

liche Mittel, zur Erweckung der Freßluſt. II. 405 Thaer Annalen des Ackerb.

III. 169. V. 112. Burger. II. 198. Trautmann. II. 393. v. Reider.

§. 331. 332.

[241/0263]

² Man hat zum Zerkleineren allerlei Maſchinen, nämlich zum Reinigen,

Zerſchneiden, Zerreiben und Zerſtampfen. S. André Oekonom. Neuigkeiten. 1811.

Nro. 29 (die Maſchinen zur Reinigung der Wurzeln, Lettowitz). Nro. 36

(Prechtl's Reibmaſchine für Runkelrüben). 1813. Nro. 2 (Häckerlingsmaſchine

von Sag). Nro. 6 (Runkelrüben-Schneidmaſchine von Hillard). 1814. Nro. 44

(Häckſelmaſchine von T.). 1815. Nro. 69 (Schneidmaſchine für Wurzeln, von

Heymer). Thaer Annalen der Fortſchritte der Landw. IV. 197 (Häckſelmaſchine

von Leſter). Schnee Landw. Zeitung. I. 6. 139. II. 143 (engl. Handſchrot-

maſchine). II. 70 (Kartoffelreibmaſchine von Reſch). S. 273 (Rübſchneidmaſchine

von Engelke). XIII. 455. 465 (Häckſelmaſchine). 258 (Kartoffelreibmaſchine

von Szakácſy). Ueber Hollefreund's verbeſſerte Häckſelmaſchine ſ. m. Deſ-

ſelben Landwirthſchaftslehre. Berlin 1830. II Bde. und über Edgill's Häckſel-,

und deſſen durch Bailley verbeſſerte Rübſchneidemaſchine die ſchon öfters ange-

führten Beſchreibungen von Bailley S. 82. 88.

³ Meſſen, Wägen und Befühlen ſind die Mittel zur Beſtimmung der Fort-

ſchritte der Mäſtung. S. Thaer Annalen des Ackerbaues. IV. 354 (Wägen).

X. 121 (Ausmeſſen). XI. 329. Eine Wage iſt abgebildet in Dickſon prakt.

Ackerbau. Aus dem Engl. überſetzt von Thaer. I. 103 (2 Bde. Berlin 1807 bis

1808. 4.). Schnee Landw. Zeitung. II. 294.

Zweites Stück.

Beſondere Thierzuchtlehre.

I. Von der Pferdezucht.

§. 198.

1) Raſſen der Pferde. Man kann bei dem Pferde drei

Hauptraſſen unterſcheiden, nämlich die edle aus trockenen Gegen-

den, die zweite aus mehr feuchten Gegenden mit reicher Weide,

und die gewöhnliche Landraſſe1).

2) Zweck der Pferdezucht. Im Allgemeinen zieht der

Landwirth ſich die Pferde zur Arbeit auf. Allein Viele treiben

die Pferdezucht im Großen oder Einzelnen auf den Verkauf. Für

ſeine eigenen landwirthſchaftlichen Zwecke hat derſelbe aber nicht

ſowohl auf die Schönheit als vielmehr wegen der ſchweren Arbeit

auf Kraft, Geſundheit und Ausdauer der Pferde zu ſehen.

3) Zucht der Pferde. Zu welchem Zwecke man auch das

zukünftige Pferd beſtimmen mag und in welcher Ausdehnung man

auch die Pferdezucht treibt, — die Beſchäler (Hengſte) müſſen

durchaus fehlerfrei ſein und es muß in der Kreutzung eine Regel-

mäßigkeit mit Ausdauer durchgeführt werden. Die Wahl derſelben

hängt von dem Zwecke der zukünftigen Raſſe ab, und man nimmt

ſie im dritten Lebensjahre ſchon im Frühlingsanfange zur Beſchä-

lung. Die Mutterpferde gehen 40 Wochen trächtig. Die Füllen

(Fohlen) müſſen wenigſtens 3 Monate lang auf der Muttermilch

bleiben. Viele Bewegung und Weidegang iſt ihnen zur guten Ent-

wickelung nöthig. Man zieht ſie auf entweder einzeln auf dem

Baumſtark Encyclopädie. 16

[242/0264]

Wirthſchaftshofe ſelbſt oder zuſammen in wilden, halb-

wilden und zahmen Geſtüten2). Man gewöhnt ſie nach und

nach bis zum vierten Jahre an die Pferdenahrung. Mit dieſem

Jahre aber dürfen ſie zur Zucht und Arbeit angewendet werden3).

4) Krankheiten der Pferde. Die inneren Krankheiten

der Pferde ſind: die Druſe, der Rotz (Steindruſe), der Wurm,

die Krätze, die Urinverhaltung, die Kolik, der Koller,

die Hirſchkrankheit, der Durchfall, die Eingeweidewür-

mer, die Mundfäule, die Lungenentzündung. Die äußeren

aber ſind: Augenkrankheiten, die Mauke, Stein- und

Flußgalle, der Stollſchwamm, Piephacken, Spath, die

Lähmung, Hornkluft und Verwundungen4).

¹ In Bezug auf das Vaterland rechnet man zur Erſteren die arabiſchen,

barbariſchen, türkiſchen, ſpaniſchen und neapolitaniſchen, — zur Zweiten die däni-

ſchen, oſtfrieſiſchen, holſteiniſchen, meklenburgiſchen, ungariſchen und ſiebenbürgiſchen

Pferde. Man ſ. jedoch über Pferdezucht außer den angeführten Lehr- und Hand-

büchern der Landwirthſchaft insbeſondere: Wollſtein, Anweiſ. zu einer richtigen

Zuzucht und Wartung der Füllen bis zum 4ten Jahre. Mit Anmerkungen von

E. Viborg, aus dem Franzöſiſchen und Däniſchen überſetzt von Markuſſen.

Kopenhagen 1800. Gotthard, das Ganze der Pferdezucht. Erfurt 1800. II Thle.

Das Pferd und die Pferdezucht c. mit 27 Kupfern von Flörke. Berlin 1809.

Naumaun, Ueber die vorzüglichſten Theile der Pferdewiſſenſchaft. Berlin 1810–15.

III. Theile. 4. 2te Auflage. v. Hochſtetter, Handbuch der Pferdezucht, mit 16

Kupfern von Vollmar. Bern 1821. III. v. Pöllnitz, das Pferd oder vollſtänd.

Anleitung c. Erfurt u. Gotha 1818. v. Knobelsdorf, Ueber die Pferdezucht in

England. Berlin 1820. (Aus dem IV. Bande der Möglin. Annalen.) Ammon,

Ueber die Zucht und Veredlung der Pferde durch Geſtüte. Berlin 1818. v. Ten-

necker, Lehrbuch der Geſtütswiſſenſchaft. Prag 1822. II Thle. Ithen, Gemein-

nütziger Unterricht über Kenntniß der Pferde und des Rindviehes, ihre Fütterung-

Chur 1829. II Thle. 2te Auflage. Bachmann, Anleitung zur Verbeſſerung der

Pferdezucht. Berlin 1830. 3te Aufl. Enslin, Beiträge zur edeln Pferdezucht.

Würzburg 1831. 2te Auflage. Juſtinus hinterlaſſene Schriften über die wahren

Grundſätze der Pferdezucht c. Herausgegeben von A. v. Kâpotſâny, mit Anmerk.

von Hörmann. Wien 1831. Ammon, Ueber die Verbeſſerung und Veredelung

der Landes-Pferdezucht durch Landesgeſtütanſtalten. Nürnb. 1829–1831. III Thle.

Schwab, Anleitung zur äußeren Pferdekenntniß. München 1831. 2te Auflage.

Weidenkeller, Katechismus von der Pferdekenntniß. Nürnberg 1831. v. Ten-

necker, Wiſſenſchaft für Pferde-Liebhaber. Leipzig 1831. 2te Aufl. Wüpper-

mann Hippologie. Osnabrück 1832. v. Tennecker, Jahrbuch für Pferdezucht c.

Ilmenau ſeit 1823. André Oekonom. Neuigkeiten. 1815. Nro. 17 folg. 1814.

Nro. 5. 6. 41. Thaer Mögliniſche Annalen. IX. 94. X. 1. XI. 185. Block

Mittheilungen. II. 49.

² Die Landgeſtüte haben mit jenen nichts gemein, denn ſie ſind blos eine

öffentliche Unter- und Bereithaltung paſſender Hengſte zur Pferde-Veredelung im

Lande. Bei zahmen Geſtüten iſt das Pferd nur im Sommer blos über Tag auf

der Weide, bei halbwilden aber den ganzen Sommer, und bei ganz wilden

bleiben dieſelben ohne beſondere Wartung in unangebauten Revieren, aus denen

man ſie ſpäter fängt. Die Auswahl der Weide muß in Bezug auf Lage, Gras

und Projection ſehr ſorgfältig gewählt werden. beim Ankaufe erkennt man das

Alter der Pferde an der Menge, Geſtalt, an dem Wechſel, an der Verkürzung,

Stellung und Richtung der Zähne.

³ Das Wallachen wird aber im dritten Jahre vorgenommen, entweder

durch den Meſſerſchnitt oder durch Zerquetſchen (bistourner), worunter jenes ſicherer

[243/0265]

³ iſt. Geräumigkeit, Luftigkeit der Ställe, gehörige Abſonderung der Stände, und

richtige Höhe der Krippen, und Regelmäßigkeit in Fütterung und Reinigung der

Pferde ſo wie der Ställe iſt von der größten Wichtigkeit. Eben ſo auch der richtige

Hufbeſchlag. Im Durchſchnitte erhält ein Ackerpferd täglich 3,3 Metzen Haber,

9,3 Pfund Heu, 15 Pfund Stroh zu Häckſel und Streu; aber ein Reitpferd nur

2⅓ Metzen Hafer. Man hüte die Pferde vor dem Tränken in Hitze und Schweiß.

Das Futter wechſelt aber nach Raſſe, Größe und Anſtrengung, und iſt in der

Sprung- und Wurf- (Abſetz-) Zeit größer.

⁴⁾ Ueber Pferde-Krankheiten und Heilung ſ. m. v. Kerſting, Manuſcripte

über Pferde-Arzneiwiſſenſchaft, herausgegeben von Sothen. Braunſchweig 1818.

5te Auflage. Deſſelben Anweiſung zur Kenntniß und Heilung äußerer Pferde-

Krankheiten. Marburg 1819. 6te Auflage. v. Tennecker, Handbuch der Arznei-

mittellehre für Pferde-Aerzte. Leipzig 1799. Waldinger, Ueber Krankheiten an

Pferden c. Wien 1816. 2te Aufl. Rohlwes, Der Taſchenpferdearzt, ein Hand-

buch c. Berlin 1819. 3te Auflage. Ammon, Taſchenbuch für angehende Pferde-

Aerzte. Frankfurt a. M. 1812. Merk, der praktiſche Pferdearzt. München 1820.

The Pocket Farrier, der Taſchenſchmidt, oder Taſchenroßarzt. Nach dem Engl.

bearbeitet von v. Tennecker. Leipzig 1819. 11te Aufl. Sind, der ſichere und

wohlfeil heilende Pferde-Arzt. Mit Zuſätzen von v. Tennecker. Frankfurt a. M.

1820. 8te Aufl. v. Tennecker, der Militair- und Civil-Pferdearzt c. Leipzig

1820. Block Mittheilungen. II. 173.

II. Von der Rindviehzucht.

§. 199.

1) Raſſen des Rindviehes. Man unterſcheidet die Nie-

derungsraſſe (ſchwerfällig, feiſt, mit kurzen dicken Vorderfüßen

und ſtarken Hängehaut am Halſe), die Bergraſſe (behend, pro-

portionirt, mit leichten ſtarken ſchlanken Füßen und Körper, mit

ſtarken Hinterbeinen und ausgebildetem Kreutze, und ſehr munter)

und die gewöhnliche Landraſſe (in der Mitte zwiſchen jenen

beiden)1).

2) Zweck der Rindviehzucht. Nach dieſem, nach Klima,

Boden, Weide und Futter beſtimmt ſich die Wahl der Rindvieh-

raſſe. Man zieht das Rindvieh entweder zur Zucht und zum

Milchbezuge, oder zur Arbeit und Mäſtung. Zu Arbeitsvieh

wählt man große kräftige Ochſen (kaſtrirte Stiere) lieber als

Kühe, weil dieſe zu ſchwach ſind, im Milchertrage, wenn ſie ar-

beiten, zu geringe ſtehen, aber jene nach der völligen Verarbeitung

zur Mäſtung vortheilhafter ſind als dieſe. Zu Melkvieh taugen

beſonders kurzbeinige langgeſtreckte Kühe mit ſchlankem dünnem

Halſe und Kopfe, mit feinen durchſcheinenden Hörnern, mit ein-

gefallenen Bäuchen, fleiſchigem Euter, ſtarker Milchader längs des

Bauches, und mit geſchmeidigem Knochenbaue, welche ſich ohne

Widerſtand melken laſſen2). Bei dem Maſtviehe ſteht man auf

Ausbildung des Körpers.

3) Zucht des Rindviehes. Das Zucht- und Melkvieh liebt

feuchte humusreiche üppige Weide, beſonders von Marſchboden,

16 *

[244/0266]

mit recht ſchmackhaften Gräſern und Kräutern. Die Stallfütterung

iſt ſeiner Natur angemeſſener, aber dann verlangt es auch grünes

ſaftiges Futter. Nach zwei Jahren iſt das Rindvieh zur Fort-

pflanzung tauglich; die Kuh geht 41 Wochen trächtig. Die Zucht-

kälber müſſen, wenn ein guter Schlag entſtehen und bleiben ſoll,

wenigſtens 6 Wochen lang an der Mutter ſaugen, die Märzkälber

längſtens drei Wochen. Die Sommerfütterung iſt meiſtens grün,

die Winterfütterung beſteht aus Heu, Stroh und Wurzelge-

wächſen3). Sorgfältige Behandlung von Jugend auf erhöht den

Milchertrag. Neumilchende Kühe melkt man dreimal, altmilchende

nur zweimal des Tages. Die Einträglichkeit an Milch hängt von

der Art der Pflege und Wartung ab, wenn man gleiche Güte des

Viehes an ſich vorausſetzt. Man rechnet aber, daß der dritte Theil

des auf Heu reducirten Futters, das nach Abzug des zum Lebens-

unterhalte noch nöthigen Futterquantums noch übrig bleibt, Pfund

für Pfund 2,4 Milch gibt4). Man zählt auf 30 Kühe einen

Stier oder Bullen. Was man ſonſt an männlichen Thieren dieſer

Gattung aufzieht, kaſtrirt man noch in früher Jugend, und ver-

wendet ſie zu Arbeit und Mäſtung5), dies entweder ſogleich oder

nach den eigentlichen Arbeitsjahren. Zur Arbeit ſind die Ochſen

in der Regel nur 6 Jahre brauchbar, und haben eigentlich vom

10ten bis 12ten Lebensjahre die meiſte Kraft und Ausdauer. Sie

müſſen beſonders vor großer Hitze bewahrt, und während der Ar-

beitszeit gut gefüttert werden6). Das Anſpannen muß ihnen die

möglichſt freie Bewegung und Kraftanſtrengung geſtatten. Daher

iſt das tiefſtehende Doppeljoch, obſchon es dem öfters zu findenden

auf die Nackenmuskeln aufzulegenden Einzeljoche vorzuziehen iſt,

dennoch nicht ſo vortheilhaft, als wie das Einzel-Stirnjoch mit

Strängen7).

4) Krankheiten des Rindviehes. Die ſchrecklichſte der-

ſelben iſt die Löſerdürre (geradezu Rindviehſeuche, Viehpeſt ge-

nannt), dann folgt der Milzbrand, die Lungenſeuche, die

Entzündungskrankheiten, Koliken, die Bläheſucht (Wind-,

Trommelſucht), das Blutharnen, die Franzoſenkrankheit,

der Zungenkrebs, die Klauenſeuche, der Grind und das

Blau- und Blutmilchen8).

¹ Neuerdings hat es Burger (Lehrbuch. II. 212.) wieder verſucht, das

Rindvieh in zwei Raſſen, nämlich in die große weiße und kleine rothe einzutheilen.

Allein da nichts unweſentlicher iſt als die Farbe, ſo kann ſie auch nur unweſentliche

Spielarten, aber keine Raſſen begründen. Die Größe, von Bedeutung im Fleiſch-

gewichte, nicht immer aber für den Milchertrag, iſt zur Unterſcheidung der Raſſen

auch kein recht günſtiges Kriterium, weil auch ſie wandelbar iſt. Es ſind vielmehr

der Bau, die Höhe, die Beweglichkeit, die Kraft und der Anblick die wahren

[245/0267]

¹ Kennzeichen der Raſſen. Das holländiſche Vieh gehört zur Niederungs-, das

ſchweitzeriſche Alpenvieh, wovon das Thalvieh daſelbſt verſchieden iſt, zur

Bergraſſe. Die ſonſt noch wichtigen Länderraſſen ſind die friesländiſche, däniſche

oder jütländiſche, die polniſche, ungariſche, die Märzthaler in Steiermark, die

Tyroler und die engliſche Raſſen, unter denen die Holderneß-, Lancaſter-, Suffolk-,

Leiceſter- (oder Bakewell'ſche) und die hornloſe Raſſe (polled oder galloway Catle)

die berühmteſten ſind. S. darüber Thaer engl. Landw. III. 658. Ueber Deutſch-

lands Raſſen ſ. m. Thaer Annalen der Fortſchritte der Landw. III. 417. Ueber

die Voigtländiſche Raſſe Koppe u. A. Mittheilungen. III. 200.

² Erſt 2 oder 3 Jahre nach dem erſten Kalben gibt die Kuh ihren vollen

Milchertrag. Jedesmal 4 bis 6, ja ſogar ſchon 8 Wochen vor dem Kalben ſteht

die Kuh gelte, nach dem Kalben iſt der Milchertrag am bedeutendſten und nimmt

in den erſten Wochen zu. Rechnet man die Geltezeit der Kuh und die Saugzeit

des Kalbes zuſammen, ſo bleiben 274 Tage Melkzeit übrig. Schnee Landwirthſch.

Zeitung. I. 65. Thaer Annalen des Ackerbaues. II. 290.

³ Eine große Kuh erhält täglich 1618, eine mittlere 1214 Pfund,

und eine kleinere 10–12 Pfund Heu (oder darauf reduzirtes Futter) und 3 Pfund

Streuſtroh, in gewöhnlichen Verhältniſſen und bedarf zum eigentlichen Lebensunter-

halte 7–10 Pfund. Salzfutter iſt für den Winter beſonders nützlich, weshalb

man im Spätjahre dazu allerlei ſaftiges Grünfutter einmacht. Riſſe von einem

Behälter für Salzfutter im Großen finden ſich z. B. in den Landw. Blättern von

Kiel. 1833. 1tes Quartal. Im Kleinen iſt auch ein ſteinerner Trog, der gut

geſchloſſen und beſchwert werden kann, gut. Die Art des Futters hat auf den

Milchertrag den entſchiedenſten Einfluß (Schnee Landw. Zeitung. XIII. 274.).

⁴⁾ Ueber den Gehalt der Milch ſ. m. Schübler in Fellenbergs Landw.

Blätter. V. 117., auch Schnee Landw. Zeitung. III. 106., und Rumy's Analyſe

bei Rüder Landw. Zeitung. 1833. S. 25. Man hat auch Milchmeſſer, z. B. von

Cadet de Baux und Neander (Schnee Landw. Zeit. II. 352. VIII. 154. 373.),

von Gyllenbourg (Thaer Annalen des Ackerbaues. IV. 150.). In England will

man von verſchnittenen Kühen 2 bis 3 Jahre anhaltend hohen Milchertrag bezogen

haben (Rüder Landw. Zeitung. 1833. S. 3.).

⁵⁾ Die Mäſtung auf Fettweiden iſt nur ſelten möglich. Daher geſchieht ſie

meiſtens im Stalle. In Dampf gekochte Kartoffeln (Thaer Mögliniſche Annalen.

XIX. 130.), Pferdebohnen (Koppe u. A. Mittheilungen. II. 303.), Rutabaga

(Schnee Landw. Zeitung. III. 152.), Möhren (Young Annalen. III. 210.), und

andere Materialien ſind dazu ſehr gut. Man ſ. auch Thaer engl. Landw. III. 447.

Young Annalen. III. 177. Schnee Landw. Zeitung. V. 589. Thaer Möglin.

Annalen. XXIV. 165. v. Podewils Wirthſchaftserfahrungen. II. Thl. 58.,

über Viehmäſtung. Thaer Möglin. Annalen. XXVII. 63.

⁶⁾ Man ſ. André Oekonom. Neuigkeiten. 1815. Nro. 1 (Kühe als Arbeits-

thiere). Thaer Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. VI. Stück 1. S. 1

(Zugochſen). Schnee Landw. Zeitung. III. 237. 413. 559. IV. 344 (Zugochſen

vrgl. mit den Pferden). Der Ochs, als wiederkäuendes Thier, braucht mehr Futter

als das Pferd. Man gibt ihm nämlich 22,6 Pfund Heu (oder anderes hierauf

reduzirtes Futter) täglich, und bei angeſtrengter Arbeit noch 0,4 Metzen Schrot-

getreide.

⁷⁾ André Oekonom. Neuigkeiten. 1815. Nro. 13 folg. 39.

⁸⁾ Geräumigkeit, Reinlichkeit und Helligkeit der Ställe, ſo wie Sorgfalt und

Regelmäßigkeit in der Fütterung ſchützt ſehr vor Krankheiten. Man ſ. über die-

ſelben v. Beneckendorf Abhandl. von den Seuchen und Krankheiten des Rind-

viehes. Berlin 1791. 2te Aufl. Wilburg Anleitung für das Landvolk in Abſicht

auf die Heilungsart der Krankheiten des Rindviehes. Nürnberg 1804. 7te Auflage.

Rindvieharzneibuch, ſowohl für die gewöhnlichen Rindviehkrankheiten, als auch für

Viehſeuchen. Tübingen 1803. 2te Aufl. Torkos, Ueber die Krankheiten des Horn-

viehes c. Presburg 1807. Waldinger, Ueber die gewöhnlichſten Rindvieh-

Krankheiten. Wien 1818. 2te Aufl. Greve, Wahrnehmungen am Rindvieh c.

Oldenburg 1819. Ites Bdchn. Tſcheulin, die Kunſt, Rindviehſeuchen zu erken-

[246/0268]

⁸⁾ nen c. Carlsruhe 1821. 2te Aufl. Ribbe, Unterricht zur Kenntniß der Krank-

heiten des Rindviehes. Leipzig 1822. Block Mittheilungen. II. 212. Traut-

mann. II. 333. — Aber über Rindviehzucht im Allgemeinen ſ. m. außer den

(§. 194. a.) angegebenen Schriften insbeſondere: Gotthard, das Ganze der

Rindviehzucht. Erfurt 1797. Fuß, Verſuch eines Unterrichts von der Rindvieh-

zucht. Prag 1797. Leopold, die landwirthſchaftliche Viehzucht. Hannover 1805.

Weber, Handbuch der Viehzucht. Bd. II. Walther, das Rindvieh u. ſ. w.

Gießen 1816. Franz, prakt. Anleitung zur rationellen Rindviehzucht. Leipz. 1832.

Ithen Unterricht c. (ſ. §. 198. Note 1.). Pabſt Anleitung zur Rindviehzucht.

Stuttg. 1829. Thaer engl. Landw. I. 518. III. 658. Schwerz belg. Landw.

II. 224. 294. Koppe Unterricht. III. 138. André Oekonomiſche Neuigkeiten.

1813. Nro. 12. 22. — 1815. Nro. 14. Schnee Landw. Zeitung. VIII. 271. 431.

IX. 249 folg. Young Annalen. III. 125 (Erziehung der Kälber). Block Mit-

theilungen. II. 85.

III. Von der Schaafszucht.

§. 200.

1) Raſſen der Schaafe. Die ſehr verſchiedenen Raſſen

der Schaafe laſſen ſich auf die Niederungs-, Berg- und

Landſchaafraſſe zurückführen. Die Erſte lebt in den Niederun-

gen auf fetten Weiden, hat einen großen Körper und ſchlichte,

grobe Wolle. Zur Zweiten gehören die auf Bergen lebenden klei-

neren Schaafe mit dichter, kurzer, krauſer Wolle. Die Dritte

ſteht in der Mitte zwiſchen den beiden genannten Raſſen1).

2) Zweck der Schaafszucht. Die Wahl der Raſſe richtet

ſich nach dem Zwecke der Nutzung. Dieſe aber beſteht in folgenden

Gegenſtänden: a) In der Wolle. Die auf einem Schaafe lie-

gende Geſammtmaſſe von Wolle heißt man das Vließ, und dieſes

beſteht aus einzelnen zuſammenhängenden Büſcheln, die man

Stapel nennt. Das Vließ beſteht aus glänzenden ſteifen Haaren

(Stichelhaaren) von verſchiedener Grobheit, und aus der

Wolle, d. h. mehr oder weniger gekräuſelten, weniger glänzenden,

weichen und feinen Haaren. Feinheit, Elaſticität, Stärke, Länge

und Kräuſelung ſind die Eigenſchaften, wonach man die Vorzüge

der Wolle, folglich der Raſſe in dieſer Hinſicht beſtimmt. Man

hat hiernach vier Hauptklaſſen der Wolle nach abnehmender Güte

feſtgeſtellt, nämlich die Rafina (vom Rücken bis zur Bauchwöl-

bung), die Fina (vom Halſe, von der Bruſt, vom Bauche und

von den Oberſchenkeln), die Terzera (von dem Kopfe und den

Unterſchenkeln) und die Kayda (von Stirne, Schweif und Unter-

füßen)2). Die Wolle wird entweder erſt nach der Schur oder

noch auf dem Schaafe gewaſchen, um ſie von der Unreinigkeit zu

befreien. Das eigentliche Wollfett wird ihr erſt vom Fabrikanten

genommen. Die Schur findet entweder blos im Frühling oder aber

auch zugleich im Herbſte Statt3). b) In der Milch. Die meiſten

[247/0269]

Urtheile über das Melken der Wollſchaafe ſind mißbilligend, weil

Ertrag und Güte der Wolle darunter leiden. Die Melkzeit liegt

aber zwiſchen dem 23ten April und Ende des September. Ein

Schaaf gibt im Durchſchnitte täglich in dieſer Zeit ⅛ Quart oder

ungefähr ¼ bis ½ Milch, welche mehr Butter- und Käſetheile

hat als die Kuhmilch. Man bedient ſich daher mehr der Nie-

derungsraſſe zu Melkſchaafen4). c) In dem Fleiſche. Auch zu

dieſem Zwecke nimmt man am beſten die Niederungsſchaafe, weil

ſie die größten ſind. Zur Mäſtung eignet ſich das Schaaf vor-

trefflich, beſonders die Gelteſchaafe und die Hämmel. Die Mäſtung

geſchieht entweder auf Weiden oder im Stalle. Im lezten Falle

bedient man ſich am beſten des Branntwein- und Malzſpülichts

und des Getreides. Die Maſtzeit dauert im Winter nicht unter

acht Wochen5).

4) Zucht der Schaafe. Die Paarung derſelben kann ſchon

mit einem Alter von 1½ Jahr beginnen. Dieſelbe geſchieht ent-

weder einzeln (bei feinen Raſſen) oder in der Heerde (bei Land-

ſchaafen). Das Schaaf geht 21 Wochen trächtig. Man zählt auf

30–40 Mütter einen Widder. Nach dem Lammen werden die

Erſteren mit den Lämmern abgeſondert und dieſe ſaugen 3 Monate

lang, während welcher man ſie auch allmählig an anderes Futter

gewöhnt. Naſſe Weiden (von Regen oder Thau) ſind den Schaafen

ſchädlich. Die Weidezeit fällt zwiſchen den October und März ein-

ſchließlich und beträgt ſo 120–160 Tage. Die Sommerſtallfüt-

terung6), mehrmals auch mit gutem Erfolge verſucht, iſt wegen

der Koſtſpieligkeit und Beförderung der Krankheiten in Mißkredit

gekommen. Die Winterfütterung beſteht aus Heu, Stroh von

Hülſenfrüchten und Wurzelgewächſen7).

5) Krankheiten der Schaafe. Dieſelben ſind die Fäule

(Faulfreſſen), die Drehekrankheit (Segeln), die Traber-

(Kreutzdreher-) Krankheit, der Schlagfluß (Blutfluß,

Rückenlut), die Lungenſucht, die Harnruhr (Blutharnen),

der Durchfall, die Faden- oder Eingeweidewürmer (Egel-

ſchnecken, Planaria latiuscula oder Fasciola hepatica), die

Blähe- (Trommel-) sucht, die Räude (Grind, Krätze), die

Pocken, die Klauenſeuche (die gut- und die bösartige), die

Eutergeſchwülſte und die Schaafinſekten (Schaafzecke, Acarus

reduvius, ricinus, und die Schaaflaus, Pediculus ovis und

Hippobosca ovina)8).

¹ Dem Vaterlande nach gehören in die erſte Raſſe das ungariſche, engliſche,

das Marſchſchaaf, die ſpaniſchen Churos, und die Heidſchnuke in den niederſächſiſchen

Heiden, welche Burger (Lehrbuch. II. 260.) zur Bergraſſe zählt. In die zweite

[248/0270]

¹ Raſſe ſind zu rechnen: das wälſche, paduaniſche, hochſchottiſche, das norwegen'ſche

Schaaf, und die ſpaniſchen Merinos. Der dritten Raſſe gehören hauptſächlich die

deutſchen Landſchaafe und auch die ſpaniſchen Metis an. Die Merinos gebraucht

man in Deutſchland zur Kreutzung. Man theilt ſie in Bezug auf ihre Lebensart

in Transhumantes (wandernde) und Estantes (ſtehende) ein, und hebt in Betreff

der Stammheerden von beſonderen Eigenthümlichkeiten beſonders die Escurial- und

Negretti- Schaafe hervor, außer welchen aber noch die Paular-, Guadeloupe-,

Iranda- und Infantado- Heerden u. dgl. ſehr berühmt ſind. Von den Merinos

transhumantes zieht man die Leoneſiſche Raſſe (Segoviſche) der Sorianiſchen

vor. Ueber die Merinos ſ. m. Thaer Möglin. Annalen. VII. 1. IX. 67. 425.

X. 99. 271. XI. 90. XIII. 120. XXI. und XXVII. 395. Deſſelben Annalen

des Ackerbaues. V. 35. 308 XII. 459. X. 673. Pictet, Erfahrungen über die

Merinoſchaafe. Aus dem Franzöſiſchen. Wien 1820. Schnee Landw. Zeitung.

III. 191. André Oekonom. Neuigkeiten. 1815. Nro. 27. 1813. Nro. 36 folg.

(Lezt. Aufſ. h. v. d. Merinozucht nach Teſſier). 1822. Nro. 1. 2. Ueber den

Nutzen der Einführung vollkommener Raſſen ſ. m. Thaer Möglin. Annalen. XVI.

556 (aus dem Franzöſ. des Ternaux überſetzt von Körte), und über Veredelung

ſelbſt Thaer Annalen der Fortſchritte der Landwirthſchaft. I. 1. Deſſelben

Annalen des Ackerbaues. V. 303. VI. 222. IX. 99. XII. 462. Möglin. Annalen.

VI. 1. III. 237. André Oekonom. Neuigkeiten. 1813. Nro. 5. und 1815. Nro.

17–28. 46 folg. Ueber Schaafraſſen überhaupt ſ. m. André a. a. O. 1812.

Nro. 55–57. Beim Ankaufe iſt auf das Alter zu ſehen, das man an den Vor-

derzähnen der unteren Kinnlade erkennt. Man nennt ſie nach dem zunehmenden

Alter mit Bezug auf die Hervortretung der Zähne Zwei-, Vier-, Sechs- und

Achtſchaufler, im 1. 2. 3. 4. und 5ten Jahre.

² Außer dieſen gibt es aber noch eine Menge von Unterabtheilungen. S.

Sturm, Ueber die Schaafwolle. Jena 1812. Luccock, Ueber Wolle. Aus dem

Engliſchen überſetzt von Schilling. Leipzig 1821. 2 Thle. Wagner, Beiträge

zur Kenntniß der Wolle. Berlin 1821. 2te Auflage. Weſtphal, Anleitung zur

Kenntniß der Schaafwolle und deren Sortirung. Berlin 1830 (Dieſer unterſcheidet

§. 48. im Ganzen 33 Sortimente, und insbeſondere §. 55. von der Lammwolle

11 Sortimente). Thaer Möglin. Annalen. VIII. 229. XIII. 352 XVII. 303.

Rüder Landwirthſch. Zeitung. 1832. Nro. 32–34. und 1833. Nro. 11. André

Oekonomiſche Neuigkeiten. 1813. Nro. 7 folg. (nach obiger Schrift von Sturm).

1814. Nro. 3. 1816. Nro. 15. 1817. Nro. 32 folg. Block Mittheilungen. II. 381.

Zur Beſtimmung der Feinheit der Wolle bedient man ſich der Wollmeſſer (Mikro-

oder Eirometer), und es gibt darunter namentlich einen Winkler'ſchen, Vogt-

länder'ſchen, Dollond'ſchen und Gravert'ſchen. Ueber dieſen ſ. m. Thaer Möglin.

Annalen. XXVI. 1. XXVII. 79.

³ Ueber Wollwäſche ſ. m. Thaer Möglin. Annalen. XI. 1., über Wollwaſch-

werke (in Spanien) Schnee Landw. Zeitung. VII. 508. André Oekonomiſche

Neuigkeiten. 1812. Nro. 11 (nach Petri). XIII. 51 (zu Schierau in Schleſien).

XIV. 357. und Block Mittheilungen. II. 375. Ueber die Nachtheile des zweimaligen

Scheerens ſ. m. Thaer Annalen des Ackerbaues. IX. 95. I. 727., über einmaliges

II. 668. Eine Perſon ſchwemmt täglich 50–60 Schaafe, waſcht aber nur 17

nach v. Podewils Geſchoren werden ſie am beſten im Verding. Eine Angabe,

wie viele Schaafe eine Perſon ſcheeren kann, iſt zu geben verſucht bei Schnee

Landw. Zeitung. V. 54. Es gibt im Durchſchnitte an ungewaſchener Wolle jährlich

ein Niederungsſchaaf 8–10 Pfund, ein Bergſchaaf 7–8 Pfund, ein Bock 8 bis

10 Pfund Wolle. Nach der Pelzwäſche aber gibt von einer Merinoheerde ein Wid-

der 4–5 Pfund, ein Hammel 3–4 Pfund, ein Mutterſchaaf 2–2½ Pfund,

ein Jährling 1⅓-1⅔ Pfund, ein Lamm ⅓-⅔ Pfund, ein Landſchaaf nur

1⅝-2 Pfund, und ein Lamm dieſer Raſſe blos ¼-½ Pfund. Die Größe des

Schaafes iſt dabei von Einfluß. Man ſ. darüber André Oekonom. Neuigkeiten.

1814. Nro. 22.

⁴⁾ Ueber das Melken der Schaafe ſ. m. z. B. Schnee Landw. Zeitung.

XII. 192. André Oekonom. Neuigkeiten. 1811. Nro. 21–23.

[249/0271]

⁵⁾ Aber bis zu 4½ Monaten, je nach der Beſchaffenheit des Thieres. Block

Mittheilungen. II. 337. Man kaſtrirt die Widderlämmer bei 6–7 wöchentlichem

Alter, oder ſchon früher.

⁶⁾ Ueber die Sommerſtallfütterung ſ. m. Thaer Möglin. Annalen. XV. 78.

XVI. 168. Koppe u. A. Mittheilungen. I. 36. Schnee Landwirthſch. Zeitung.

III. 463. 469. XIV. 169. Andr'é Oekonom. Neuigkeiten. 1812. Nro. 48. 1816.

Nro. 1. 24. 44. 49. 1817. Nro. 15. 18. 38. Weber Handbuch der Viehzucht.

II. 339. und die beſonderen Schriften darüber von Hedenus (Leipzig 1818.),

Lipp (Wien 1818.), Viborg (Kopenhagen 1820.). Ueber Winterſtallfütterung

und Hürdenſchlag ſ. m. Thaer Annalen des Ackerbaues. IX. 83. XII. 25. 462.

Ueber Schaafſtälle Thaer Möglin. Annalen. XVII. 122. André Oekonomiſche

Neuigkeiten. 1814. Nro. 32 (für 800 Schaafe). Block Mittheilungen. II. 334

(für 600 Schaafe). Ueber Schaafraufen Block a. a. O. André Oekonomiſche

Neuigkeiten. 1813. Nro. 20. 1815. Nro. 23. 37. Koppe Mittheilungen. III. 234.

⁷⁾ Lämmer erhalten täglich 1½-1¾ Pfund Heu, Erſtlinge (von 2–2½

Jahre) und Zeitvieh (von 2½-3 J.) 2–2½ Pfund Heu, alte Schaafe 2½

bis 3 Pfund, ein edles trächtiges Mutterſchaaf kurz vor dem Lammen 2 Metzen

Hafer, nach dem Lammen 3 Metzen Hafer, ein edler Widder während der Sprung-

zeit 1 Scheffel Hafer, ein Hammel, Widder und Mutterſchaaf der Landraſſe 2½

bis 3 Pfund Heu, oder auf dieſes reducirtes Futter, und ½-¾ Pfund Stroh

zu Unterſtreu. Das Futter hat Einfluß auf Wolle, Talg und Geſundheit der

Schaafe. S. Thaer Möglin. Annalen. VI. 93. XXI. 177 (von Caſpari, auch

beſonders abgedruckt a. 1828). XXII. 41. XV. 26.

⁸⁾ S. darüber die landwirthſchaftlichen Zeitſchriften, beſonders Thaer von

Band II. an in jedem folgenden Bande der Möglin. Annalen. Auch Block Mit-

theilungen. II. 399 Trautmann Landw. L. II. 373. und eine Unmaſſe von

einzelnen Schriften über einzelne Krankheiten. Gegen die Pockenkrankheit ſchützt

man die Schaafe durch Impfen. — Ueber Schaafzucht überhaupt ſ. m. André

Unterricht über die Wartung des Schaafviehes. Brünn 1818. Germershauſen,

das Ganze der Schaafzucht. 3te Auflage von Pohl. Leipzig 1818. 2 Theile.

Gebhardi, Handbuch für Schäfer. Tilſit 1821. Elsner, Ueberſicht der europ.

veredelten Schaafzucht. Prag 1828. 2 Theile. Petri, Mittheilungen aus dem

Gebiete der höheren Schaaf- und Wollkunde. Wien 1830. Ir Bd. Petri, War-

tung, Pflege und Zucht der Schaafe. Leipzig 1831. v. Ehrenfels, Geſchichtliche

Darſtellung meiner Schaafkultur. Prag 1831. Elsner, Handbuch der veredelten

Schaafzucht. Stuttgart 1832. Thaer Möglin. Annalen. I. 1. XXI. 343. Schnee

Landw. Zeitung. XI. 373. 385 393. Young Annalen. II. 231. André Oekonom.

Neuigkeiten. 1812. Nro. 1–14. 1815. Nro. 18–21.

IV. Von der Ziegenzucht.

§. 201.

Man zieht bei uns nur die gemeine oder Hausziege1)

beſonders wegen ihres Felles, ihrer Milchnutzung, ſchnellen Ver-

mehrung und äußerſt wohlfeilen Ernährung. Im Großen kann ſie

nur im Gebirge gezogen werden. Feuchte und naſſe Weiden ertra-

gen ſie nicht. Mit trockenem Futter und Wurzeln füttert man ſie

im Winter. Die Ziege, mit dem zweiten Jahre mannbar, geht

5 Monate trächtig und wirft 1–3 Jungen. Man rechnet bis

100, ja 150 Ziegen auf 1 Bock.

¹ Die meiſten Verſuche, bei uns die Caſchmir-, die Angora-Ziege einzu-

führen ſind mißglückt. Hückel, Abhandlung von den Ziegen und zahmen Schweinen.

Leipzig 1756. Gotthard, das Ganze der Ziegenzucht. Helmſtädt 1801. Krauſe

Ziegenzucht. Leipzig 1832.

[250/0272]

V. Von der Schweinezucht.

§. 202.

1) Raſſen der Schweine. Man unterſcheidet das euro-

päiſche und chineſiſche Schwein, obgleich ſie nur Abarten des

Schweines ſind. Das Leztere iſt ſchwarz, klein, hat einen tiefen

Leib und ſehr kurze Beine. Das Erſtere iſt von verſchiedener Form

und Farbe, immer aber höher auf den Beinen und länger.

2) Zweck der Schweinezucht. Man zieht das Schwein

des Fleiſches und Fettes wegen, entweder zum eigenen Gebrauche

oder zum Verkaufe. Darum mäſtet man daſſelbe. Die Mäſtung

fällt zwiſchen das erſte halbe und die erſten 2 Jahre, beſſer als

ins dritte und vierte Jahr, weil es nicht darauf berechnet iſt, auf

einem Landgute überhaupt große Schweine zu mäſten. Die Schweine

werden darum in der Jugend kaſtrirt. Den Anfang der Mäſtung

machen Wurzeln und Knollen, das Ende aber Getreide, Schrot

und Mehl, im gekochten oder gegohrenen Zuſtande1).

3) Zucht der Schweine. Schon mit einem Alter von ¾

Jahren ſind die Schweine zur Paarung brauchbar. Man rechnet

auf 10 derſelben einen Eber. Das Mutterſchwein geht 16 Wochen

trächtig, und wirft jährlich in zwei Würfen 10–15 Jungen

(Ferkel). Zuchtferkel ſaugen bis zu 8 Wochen, Schlachtferkel

höchſtens 4 Wochen an der Mutter. Man füttert ſie mit Abfällen

von der Küche, von Brennereien, Brauereien, mit Getreide, Kar-

toffeln, Rüben, und ſchickt ſie auf die Weide, beſonders in Moor-

und Bruchweiden2).

4) Krankheiten der Schweine. Sie können größtentheils

durch Aufmerkſamkeit in der Pflege verhütet werden, und ſind:

die Bräune, die Finnen und der Grind3).

¹ Man unterſcheidet auch eine halbe und ganze Mäſtung. Sehr intereſſante

Verſuche über Schweinemäſtung bei Young Annalen. I. 246. III. 167.

² Es erhält: Schwein größerer Raſſe täglich 1 Metze Kartoffeln und ¼ Sch.

Spreu, ein trächtiges oder ſäugendes Mutterſchwein Milch, Kleie, Schrot als Zu-

lage, und 4wöchige Ferkel 2½ Pfund Milch.

³ S. über Schweinezucht beſonders: Gotthard, das Ganze der Schweine-

zucht. Altona 1798. Gaudich Schweinezucht. Leipzig 1802. Viborg, Anleitung

zur Erziehung des Schweins. Kopenh. 1806. Mäſtung und Zuzucht der Schweine.

Nordhauſen 1828. Dietrichs, Von der Zucht der Schweine. Leipzig 1832.

VI. Von der Federviehzucht.

§. 203.

Die Federviehzucht hängt ganz von der Oertlichkeit ab. Man

zieht gewöhnlich Enten, Gänſe, Hühner, Puter und Tauben.

[251/0273]

Anderes Geflügel dient meiſtens zum Vergnügen und zur Zierde.

Die Ente legt im Frühling 30–45 Eier, brütet im Durchſchnitte

8 Jungen aus, und man rechnet auf 10 Enten 1 Enterich. Die

Gans legt 24–30 Eier, brütet 8 Jungen aus, gibt 8 Loth, ein

Gänſerich 11 Loth Federn, und man rechnet auf 8 Gänſe 1 Gän-

ſerich. Die Puterhenne legt 25–30 Eier, brütet 18–20 Jun-

gen aus und man rechnet auf 8 Hühner einen Puter. Ihre Zucht

geht oft, z. B. in Weſtphalen, ganz ins Große. Das gewöhn-

liche Huhn legt 45–60 Eier, brütet 14 Jungen aus und man

hält auf 16 Hühner 1 Hahn. Ein Paar Tauben gibt jährlich

etwa 3 Paare Junge1).

¹ Man kann an Futter folgendes rechnen: Täglich für 10 Enten 1 Scheffel

Gerſte oder 2 Metzen Kartoffeln im Winter; für 10 Gänſe 4 Metzen Kartoffeln,

für 10 Truthühner 4 Metzen Gerſte, für 10 gewöhnliche Hühner 1 Metze Gerſte

und für 18 Paar Tauben 1 Metze Gerſte. S. Schmalz Anleitung zur Veran-

ſchlagung ländl. Grundſtücke. §. 209. 216. Ueber die Federviehzucht ſ. m. Gott-

hard, das Ganze der Federviehzucht. Erfurt 1806. 2te Aufl. Rohlwes Feder-

viehzucht. Berlin 1821. Dietrichs, Von der Zucht des Federviehes. Leipz. 1832.

VII. Von der Bienenzucht.

§. 204.

Die Bienenzucht fordert ein ſtilles mildes Klima, eine pflanzen-

und blumenreiche Gegend, unausgeſetzt fleißige Pflege, Sicherung

der Stände vor Staub und Rauch, und kleine nahe Gewäſſer1).

Die Wohnungen der Bienen ſind entweder gewölbte Strohkörbe,

oder Bretterkäſten (Stöcke) oder Klotzbeuten (aus Baum-

klötzen gehauen)2). Der ganze Bienenſtaat beſteht aus einer

Mutterbiene (Weiſel, Königin), aus den männlichen Bienen

(Drohnen, zur Befruchtung der Königin) und aus den Arbeits-

bienen (welche geſchlechtslos ſein ſollen). Die Zellen ſind zum

Theile Wohnkammern der Bienen, zum Theile Vorrathskäſten für

den Honig. Die Trennung der jungen Brut von dem alten Stocke

geſchieht entweder durch das Schwärmen (d. h. inſtinktmäßige

Auswandern der Brut) mit ihrer jungen Königin, in welchem

Falle ſie aufgefangen (gefaßt) werden muß, oder durch Ableger

(d. h. das Ausſchneiden der Brutſcheiben und Einſetzen derſelben

in andere Käſten oder aber das Verwechſeln der Körbe ſelbſt).

Oft müſſen die Bienen, beſonders im Winter, ernährt werden,

und dies geſchieht am beſten durch Magazine, d. h. durch Unter-

ſätze mit Schiebern, in welche man das Honiggefäß hineinſetzt.

Dieſe Magazine können zugleich auch zur Trennung eines Theiles

der Bevölkerung vom anderen gebraucht werden3). Den Honig

[252/0274]

und das Wachs erhält man entweder durch Tödtung des Stockes

oder durch das Ausſchneiden der Honigwappen (Zeideln). Die

Feinde und Krankheiten der Bienen ſind ſehr ſchädlich. Zu jenen

gehören die Raubbienen und allerlei Inſekten u. ſ. w. Zu dieſen

aber die Faulbrut und der Durchfall.

¹ Ueber Bienenzucht iſt die Literatur außerordentlich groß. Die wichtigſten

neueren Schriften darüber ſind folgende: Sickler Bienenzucht. Erfurt 1808–1809.

2 Bde. Knauff, Behandlung der Bienen. Jena 1819. 2te Aufl. Chriſt, An-

weiſung zur Bienenzucht. Leipzig 1819. 5te Aufl. von Pohl. Riem und

Werner, der praktiſche Bienenvater. Leipzig 1820. 4te Aufl. Lucas, Anweiſung

zur Ausübung der Bienenzucht. Prag 1820. 2 Bände. Dinkel, Anleitung zur

Bienenzucht. Heilbronn 1830. v. Ehrenfels, die Bienenzucht. Prag 1829. I. Thl.

Ritter, die Lehre von den Bienen. Leipzig 1832. Ramdohr, die einträglichſte

und einfachſte Art der Bienenzucht. Berlin 1833. André, Oekonom. Neuigkeiten.

1812. Nro. 26–29. 62. 1813. Nro. 1. 1814. Nro. 31. 1815. Nro. 44. 1817.

Nro. 30. vrgl. mit 68. 69. 56. und andere Zeitſchriften.

² Ueber pyramidiſche oder ſchottiſche Bienenſtöcke mit 3 Körben von Ducouedic

und Coligny ſ. m. André a. a. O. 1812. Nro. 36. Bailey Beſchreib. S. 122.

³ Ein Magazin von Konrad iſt abgebildet bei André a. a. O. 1812.

Nro. 58, andere beſchrieben ebendaſelbſt 1814. Nro. 54. Eine Bienenſchwarmfalle

von Rudloff ebendaſelbſt. 1812. Nro. 10.

VIII. Von der Fiſchzucht oder Teichfiſcherei.

§. 205.

1) Arten der Fiſche. Man zieht in den Fiſchteichen vor

allen andern Fiſchen die Karpfen, Forellen und Hechte.

Allein man trifft dieſe Gattungen nicht blos für ſich allein in den

Teichen, ſondern auch untermengt mit Karauſchen, Barſchen,

Schleien, Schmerlen, Weißfiſchen u. ſ. w.

2) Zweck der Fiſchzucht. Die Fiſche werden hauptſächlich

wegen ihres Fleiſches gezogen. Aber in manchen Gegenden ge-

währt auch der Verkauf der Fiſchſchuppen, als Material zur Fer-

tigung der Glasperlen, ein beträchtliches Einkommen.

3) Zucht der Fiſche. Dieſelben werden in Teichen gezo-

gen, bei deren Anlage man die natürliche Lage und Beſchaffenheit

des Bodens, die Eigenſchaften, den Zu- und Abfluß des Waſſers

zu berückſichtigen und zur Sicherung gegen wilde Fluthen Dämme

und Waſſerabzüge zu bauen hat1). Beim ganz regelrechten Be-

triebe der Teichfiſcherei hat man folgende drei Teiche oder Zucht-

perioden, nämlich a) den Streich- oder Laichteich, in welchen

man die alten Fiſche in geringer Anzahl zum Laichen (Erzeugen

der Fiſchbrut) einſetzt; b) den Streck- oder Schulteich, in

welchen die jungen Fiſchlein zur weiteren Erziehung eingeſetzt

werden, bis ſie in c) den Satz- oder Hauptteich gebracht werden

können, in welchem man den ſchon erwachſenen Fiſch noch ſo lange

[253/0275]

ernährt, bis er entweder gemäſtet werden kann, verkauft oder

verzehrt wird, was oft ſchon darum geſchehen muß, damit es im

Hauptteiche für den Nachwuchs Platz gibt2).

4) Krankheiten und Feinde der Fiſche ſind: die Schwäm-

me, die aus Verwundungen entſtehen, die Blattern, — und die

Fiſchottern, Wildenten und -Gänſe, Raiger, Täucher,

Fiſchaare, Eidechſen, Fröſche, Fiſchkäfer und andere

Thiere3).

¹ Schon der natürliche Standort der Hauptteichfiſche zeigt die verſchiedenen

Anforderungen, welche ſie an den Teich in dieſen Hinſichten machen. Die Forelle

will raſches, helles, hartes, friſches Waſſer auf Kieſelboden; der Karpfen aber

ein ſtilles, ſtetes, weiches, mäßig kaltes Waſſer auf fettem Lehmboden, und der

Hecht, ein höchſt unruhiger, freßluſtiger, nimmerſatter Raubfiſch, unverträglich

mit den beiden anderen, einen beſonderen Teich von den Eigenſchaften des Forellen-

teiches. Die Dämme — von Erde, Schutt oder Mauerwerk — müſſen ſtark und

hoch genug ſein, um den bekannten ſtärkſten Druck und höchſten Stand des Waſſers

der Gegend ſicher zu überſtehen. Durch die Waſſerabzüge muß man nicht blos

das überflüſſige, ſondern auch ſämmtliches Waſſer nach Bedarf abziehen können.

Für dieſe Fälle, beſonders für den lezteren, ſind dazu Gerinne angebracht, welche

man mit Gittern oder Rechen verſieht. Sehr zweckmäßig iſt die Anlage eines

Grabens (Keſſels, Bettes oder Stiches) im Teiche ſelbſt, damit ſich die Fiſche

bei großer Hitze oder Kälte zurückziehen können. Ueber den Fiſchteichbau ſ. m. die

Schriften von v. Cancrin (1791), Herrmann (1791) und Riemann (1798).

² Man rechnet auf 1 Morgen Laichteich 2 Milchner (männlich) und 4 Rogner

(weiblich), auf 1 Morgen Streckteich nach der Güte 300–700 Stück Brut,

70–200 Stück zweijährigen oder 45–120 Stück dreijährigen Satz, und auf

1 Morgen Hauptteich 90 Stück ein- oder zweijährigen Satz Die Karpfen ſetzt

man im April, die Forellen im Herbſte in den Laichteich, und verſetzt nach einem

Jahre die Brut in den Streckteich, wo die Fiſche zwei Jahre bleiben. Um den

Fiſchen Luft zu geben, wird die Eisdecke im Winter mit Löchern (Wuhnen,

Wacken) verſehen. Zum Behufe des Fiſchfanges wird das Waſſer abgelaſſen, und

die zu mäſtenden Fiſche kommen in Fiſchkäſten.

³ Man ſ. über Fiſcherei: Du Hamel de Monceau, Von der Fiſcherei. Aus

dem Franzöſiſchen überſetzt von Schreber. Königsberg 1773. III Abthlgn. 4.

(der 11–13te Bd. des Schauplatzes der Künſte und Handwerker). Bieriſch An-

weiſung, die zahme und wilde Fiſcherei zu betreiben. Leipzig 1798. Jokiſch

Handbuch der Fiſcherei. Ronneburg 1802. II Bde. Riemann, Abriß des Fiſcherei-

weſens. Leipzig 1804. Tſcheiner, der wohlerfahrene Fiſchmeiſter. Peſth 1821.

Teichmann Teichfiſcherei. Leipzig 1832.

IX. Von der Seidenraupenzucht.

§. 206.

Die Seidenraupe (Phalaena bombyx Mori), welche ſich

von den Blättern des weißen Maulbeerbaumes (Morus alba)

nährt1), ſpinnt ſich in eine goldgelbe Hülle ein, welcher ſie ſpäter

als Schmetterling entſchlüpft. Die Hüllen (Galetten, Coccons,

Geſpinnſte) beſtehen aus dem feinſten Seidenfaden. Die Raupe

kommt nur in trockenem warmem Klima, oder in ſolcher Temperatur

fort, daher man ſie in Sälen auf Gerüſten zieht, und jene warm

[254/0276]

hält. Man zieht ſie aus Eiern, welche von einer Wärme von 18°

Reaum. oder 68° Fahrenh. ausgebrütet werden. Die jungen Rau-

pen werden mit ganz neu ausſchlagenden Blättern gefüttert. Sie

häuten ſich viermal, und erſt nach der erſten Häutung kommen ſie

auf die Gerüſte. Ihre Gefräßigkeit ſo wie die Abſcheidung von

Unrath wird immer ärger, weshalb die Sorge für gutes und vieles

Futter ſo wie für fortwährende Reinigung immer größer werden

muß. Nach der vierten Abhäutung ſpinnen ſie ſich ein, und werden

zu dieſem Behufe auf die Spinngerüſte von Reiſern verſetzt,

wenn ſie eine eigenthümliche Unruhe zeigen und zu freſſen auf-

hören. In 7–8 Tagen iſt die Einſpinnung geſchehen. Von den

Puppen werden nur die ſchönſten und dichteſten zur Fortpflanzung

genommen, die übrigen aber in einem geheitzten Backofen getödtet.

Die aus jenen ausgeſchlüpften Schmetterlinge begatten ſich und

das Weibchen muß die Eier auf Leinwand oder Papier legen.

Dieſe werden dann kühl aufbewahrt, die todten Puppen aber an

die Fabrikanten verkauft. Die Raupen ſelbſt leiden an Gelb-

und Weißſucht, Verſtopfung, Durchfall und Schwind-

ſucht, als den Folgen ſchlechten Futters, Lagers und Wetters.

¹ Auch iſt ſchon der Löwenzahn (Leontodon taraxacum), Leindotter

(Myagrum sativum) und der Hartriegel (Cornus sanguinea), jedoch ohne guten

Erfolg, als Futter angewendet worden. Man ſ. aber über Seidenzucht aus der

neuen Literatur: Gotthard, Unterricht in Erziehung und Wartung der Seiden-

raupen. Erfurt 1804. Blaſchkowitz, Unterricht zur Seidenkultur. Wien 1820.

Henne, Erfahrungen über den Seidenbau. Erlangen 1832. Knoblauch, Be-

ſchreibung des Seidenbaues. Nürnberg 1832. 2te Ausg. (unverändert). Hout,

Aufmunterung zur Seidenzucht in Deutſchland. Mannheim 1832. Sterler,

Deutſchlands Seidenbau. München 1832.

Zweites Hauptſtück.

Landwirthſchaftliche Betriebslehre.

§. 206. a.

Die landwirthſchaftliche Betriebslehre, deren Begriff nur dem

Gegenſtande nach von jenem der bergmänniſchen verſchieden iſt

(§. 119.), iſt in den Handbüchern der Landwirthſchaftslehre ge-

wöhnlich Hauswirthſchafts- oder Haushaltlehre genannt.

Allein dieſe Benennung iſt unrichtig (§. 40. I. §. 41. §. 63.).

I. Von den allgemeinen Bedürfniſſen des landwirth-

ſchaftlichen Betriebes.

§. 207.

Zum Betriebe der Landwirthſchaft1) gehören folgende Gegen-

ſtände und Verhältniſſe:

[255/0277]

1) Naturmittel in möglichſt vollſtändigem Zuſtande. Es

gehört hierher a) der Boden, nach ſeiner Verſchiedenheit für die

eigenthümlichen Nutzungen in beſtimmter Flächenausdehnung. In

lezter Beziehung iſt die Frage, ob man viel oder wenig Grund

und Boden für vortheilhafter halten müſſe, leicht entſchieden.

Denn je größer der Beſitz an Boden von brauchbaren Eigenſchaf-

ten, um ſo großartiger kann der Betrieb werden, wenn dazu die

anderen Gewerbsmittel nicht fehlen. Jedenfalls iſt die Abrundung

oder das Zuſammenliegen der einzelnen Parzellen von großem Nutzen

und man unterſcheidet ſo das Landgut von dem Grundſtücke.

Unter jenem verſteht man den Inbegriff einer Zahl Grundſtücke,

welche im Zuſammenhange liegen, des darauf befindlichen Vieh-

ſtandes und des Kapitals nebſt allen dazu gehörigen Gerechtſamen,

Pflichtigkeiten und anderen gewerklichen Nutzungszweigen. b) Der

Viehſtand oder Dünger. Ohne dieſen kann die Landwirthſchaft

nicht betrieben werden, und je größer der Grundbeſitz iſt, um ſo

weniger iſt man im Stande, ihn käuflich zu erlangen. Darum iſt

ein beſtimmter Viehſtand erforderlich, ganz abgeſehen von den

Vortheilen, welche aus der Gegenſeitigkeit und Unterſtützung der

Viehzucht und des Landbaues entſpringen2). Welche Gattung von

Vieh man wählen ſoll, und unter dieſer, welche Raſſe die vortheil-

hafteſte ſei, das hängt von den localen Verhältniſſen des Gutes

und von den Verkehrsumſtänden ab.

¹ Ueber die landwirthſchaftliche Betriebslehre ſ. m. Thaer Leitfaden zur

allgemeinen landwirthſch. Gewerbslehre. Berlin 1815. Deſſelben rat. Landw.

Bd. I. (vorzüglich). v. Crud Oekonomie der Landw. S. 1–162. Trautmann

Landw. L. II. 429. Burger Lehrbuch. II. 324. Koppe Unterricht. Bd. I.

(ſehr praktiſch). Block Mittheilungen. I. §. 287 folg. Geier Lehrbuch. §. 194.

v. Reider Landw. L. §. 294 folg. Schwerz Anleitung. Bd. III. (ausgezeichnet).

Putſche, Allgemeine Encyclopädie der geſammten Land- und Hauswirthſchaft der

Deutſchen. Leipzig 1825–1833. XII Bde. (Enthält auch die geſammte Landwirth-

ſchaftslehre u. ſ. w. und iſt eine Art Bibliothek.) Schnee, der angehende Pachter.

Halle 1829. 3te Aufl. André, Darſtellung der vorzügl. landw. Verhältniſſe c.

Prag 1831. 3te Aufl. von Rieger. — Koppe und Klebe Oekonomie oder die

Lehre von den Verhältniſſen der einzelnen Theile der Landwirthſchaft zu einander

und zum Ganzen. Leipzig 1831. 2 Thle. Nebbien, Einrichtungskunſt der Land-

güter auf fortwährendes Steigen der Bodenrente. Prag 1831. 3 Bde. vergl. mit

Rüder Landw. Zeitung. 1833. S. 153 (Auszüglich).

² Die Frage über die im Verhältniſſe zum Landbaue zu haltende Viehmenge

löst ſich in die zwei anderen auf, wie viele Arbeitsthiere und wie viel Dünger man

für die Wirthſchaft brauche. Erſteres findet man durch Veranſchlagung der jährlich

nöthigen thieriſchen Arbeit nach den bisher angegebenen Sätzen, mit ſteter Rückſicht

darauf, was man durch Ochſen, und was durch Pferde verrichten kann, denn die

Ochſen ſind unter übrigens gleichen Umſtänden wegen den geringeren Ankaufskoſten,

wegen des Düngers und Fleiſches (Mäſtung) vorzuziehen. Das Andere aber berech-

net man nach dem jährlichen Düngerbedarfe und nach dem Düngerertrage des

Viehes, der wieder von der Futtermenge abhängt, die man auf dem Landgute

ziehen kann. Richtet ſich zwar jener nach localen beſondern Umſtänden, ſo hat man

[256/0278]

² in Betreff des Lezteren allgemeine Erfahrungen (§. 148. Note 1.). Der Acker muß

für ſein geliefertes Stroh den Miſt bekommen, welcher aus 3 Theilen Stroh und

1 Theil Heu, oder beſſer aus 2 Theilen Stroh und 1 Theil Heu, oder 2 Theilen

Heu und 3 Theilen Stroh entſtanden iſt, wenn er in ſeinem gehörigen Zuſtande

bleiben ſoll (Thaer, Verſuch einer Ausmittelung des Reinertrags. S. 479. folg.).

Allein aus dem Streu- und Heuvorrathe kann man den Dünger noch nicht berech-

nen, das Gewicht des entſtehenden Düngers iſt größer. Die Erfahrung hat viel-

mehr Multiplicatoren angegeben, mit denen man den Streu- und Futtervorrath

multipliciren muß. Dieſe ſind 2 nach v. Flotow, 2,3 nach Thaer, 1,8 nach

Meyer, und 1,6 nach Schmalz, und haben ſich wirklich bei verſchiedenen Vieh-

raſſen und in verſchiedenen Gegenden erprobt. Eine ſolche Berechnung des zu

ziehenden Düngers iſt jedenfalls beſſer, als jene nach der Kopfzahl des Viehes,

weil dieſe im Mißverhältniſſe zur Wirthſchaft ſtehen kann. Allein auch durch die

Weide wird Miſt erzeugt, und man hat darüber Berechnungen angeſtellt. S. Thaer

ration. Landw. I. 233–285. Deſſelben Gewerbslehre. S. 121. v. Flotow,

Anleitung zur Verfertigung der Ertragsanſchläge. I. 68. Meyer, Ueber Gemein-

heitstheil. III. 69. Ueber Pachtanſchläge. S. 18. Schmalz, Veranſchlagung

ländlicher Grundſtücke. §. 24 folg. Burger Lehrbuch. II. 344. Thaer, Annalen

der niederſächſiſchen Landwirthſchaft. Jahrg. VI. Stück 4. S. 187 (Verhältniß

des Viehſtandes zum Ackerbau).

§. 208.

Fortſetzung.

2) Verkehrsmittel. Wenn der Grundbeſitz nicht ſo klein

iſt, daß man nur den Hausbedarf ziehen kann, und wenn auf dem

Landgute nicht andere techniſche Nutzungen in ſolcher Menge und

Ausdehnung ſind, daß in dieſen der Reſt an Producten nach Abzug

des eigenen Wirthſchaftsbedarfes verarbeitet wird; dann iſt der

Abſatz an landwirthſchaftlichen Producten und das Vorhandenſein

gehöriger Transportmittel und -Wege zur Fortſetzung des

landwirthſchaftlichen Betriebes unumgänglich nothwendig. Daher

iſt auch die Lage eines Gutes in Bezug auf die Bevölkerung des

Landes oder der Gegend, gegen den großen und kleinen Markt,

gegen gute Handelsſtraßen zu Land und zu Waſſer von eben ſo

großer Wichtigkeit, als es diejenigen Einrichtungen ſind, welche

den Unterſchied der Entfernungen von den Marktorten verringern,

z. B. Eiſenbahnen, Dampfwagen, herumziehende Getreide-,

Wolle-, Viehhändler u. dgl.1)

3) Tüchtige Arbeiter in zureichender Menge. Hier gilt,

was ſchon oben (§. 67 u. 68.) geſagt iſt2).

4) Hinreichendes Capital. Es ſind zum landwirthſchaft-

lichen Capitale zu rechnen: ſämmtliche landwirthſchaftliche Gebäu-

lichkeiten, das Saatkorn im weiteſten Sinne des Wortes, der

Dünger und die ſonſtigen Bodenverbeſſerungsmittel, die landwirth-

ſchaftlichen und Viehzuchtsgeräthſchaften aller Art nebſt den dazu

nöthigen periodiſchen Erhaltungs-, Reparatur- und ähnlichen

Koſten, das Nutzvieh, das Arbeitsvieh und ſein Geſchirre, nebſt

[257/0279]

Unterhaltungskoſten, das Hausgeräthe nebſt ſeinen Unterhaltungs-

auslagen, die Vorräthe an Producten der Feld-, Garten- und

Viehwirthſchaft, die ſonſtigen Natural- und Geldauslagen zum

Betriebe der Wirthſchaft, und die verſchiedenen zum Landgute ge-

hörigen Gerechtſamen, die den Ertrag erhöhen helfen. Bei der

Berechnung deſſelben muß man ſich ſehr hüten, etwas davon dop-

pelt zu rechnen.

5) Freiheit des Betriebes. Jede Beſchränkung dieſer Art

iſt gleich der Entziehung eines Theiles vom Capitale. Es gehören

hierher Leiſtungen in Geld und Naturalien (ſtändige und unſtändige

Gefälle, wie z. B. der Zehnte, die Gülten u. dgl. m.), perſönliche

Dienſtleiſtungen (Frohnden, Roboten oder Dienſte, die man rück-

ſichtlich des Maaßes in gemeſſene und ungemeſſene, aber rückſicht-

lich der Werkzeuge in Hand- und Spanndienſte eintheilt) und

verſchiedene Pflichtigkeiten (Weide- und Jagdpflichtigkeit), zu

welchen insgeſammt das Gut, ohne hinreichende wirthſchaftliche

Entſchädigung verpflichtet iſt.

¹ Ueber den Ankauf von Landgütern bei Städten ſ. m. André Oekonomiſche

Neuigkeiten. 1812. Nro. 14–18.

² Ueber den Werth der Frohnddienſte ſ. m. Thaer Möglin. Annalen. I. 174.

Löhnung der Arbeiter in Naturalien. XIII. 438. Berechnung des wirthſchaftlichen

Tagelohns Thaer Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. IV. Stück 2. S. 225.

Ueber Arbeitstheilung Schnee Landwirthſch. Zeitung. XIII. 107. 277. 289. 297.

Sinclair Grundgeſetze. S. 91.

II. Von der Organiſation des landwirthſchaftlichen

Betriebes.

§. 209.

Iſt der Staat der Eigenthümer des Landgutes, ſo heißt man

daſſelbe Domäne (Kammergut, Staatsdomäne u. dgl.), welchen

Namen man auch den fürſtlichen Privatlandgütern gibt. Gehöre

daſſelbe übrigens dem Staate, oder einer Gemeinde (in welchem

Falle man es Allmend, Gemeinheit u. dgl. nennt), oder einer

Stiftung, oder einer Korporation, oder endlich einem Privatmanne,

ſo kann es auf folgende Weiſe bewirthſchaftet werden: 1) durch

Selbſtverwaltung, indem nämlich der Eigenthümer ſelbſt oder

an deſſen Stelle ein beſoldeter Verwalter (Schaffner, Amtsver-

walter) mit mehreren untergebenen Beamten (Vögten) und Dienſt-

beten die Wirthſchaft betreibt. Man thut ſehr wohl daran, wenn

man dadurch, daß man die Beſoldung des Lezteren mit dem Guts-

ertrage ſteigen und fallen läßt, denſelben ſo in das Intereſſe mit

zu verflechten ſucht, daß er ſchon ſeines eigenen Vortheils willen

Baumſtark Encyclopädie. 17

[258/0280]

die Wirthſchaft ſorgfältig führt. Denn Nachläſſigkeit und Unter-

ſchlagung von Seiten derſelben iſt die ſchlimmſte Beziehung dieſer

Bewirthſchaftungsart1); 2) durch Verpachtung, d. h. indem

man daſſelbe einem Anderen gegen eine Vergütung (Pachtzins)

zur Nutzung überläßt. Geſchieht dies blos auf einige Jahre, dann

heißt ſie Zeitpacht, — auf die Lebenszeit des Pachters, dann

Vitalpacht, — endlich aber auf die Erben des Pachters, als-

dann Erbpacht2). Da ſich die Leztere mehr dem Eigenthume

nähert, ſo iſt ſie ſchon als Garantie für die ſichere Einnahme des

Zinſes (Kanons) ſehr vortheilhaft. Durch die Erſtere ſetzt ſich

der Eigenthümer aber einem Verderbniſſe des Gutes, weil der

Zeitpachter gerne nur ſeinen Vortheil und nicht den Schaden des

Eigenthümers berechnet, um ſo mehr aus, auf je kürzere Zeit der

Pachtcontrakt geſchloſſen iſt. Daher iſt auch die Vitalpacht, wenn

man in der Wahl des Pachters nicht ganz unglücklich iſt, der

Zeitpacht vorzuziehen. Uebrigens kommt es bei Allem vorzüglich

auf den ſorgfältigen Abſchluß des Pachtcontraktes und der ver-

ſchafften Garantien an3). 3) Durch Verleihung zu Lehen auf

beſtimmte Zeit, Erblehen und Schupflehen (bei welchen auch An-

dere als Erben ins Lehen eintreten können), oder in Erbbeſtand

gegen Dienſte, Natural- und Geldleiſtungen verſchiedener Art,

welche aber mehr zur Anerkenntniß der Oberherrlichkeit, denn als

Vergütung für die Nutzung erſcheinen. Wirthſchaftlich iſt dieſe

Methode für den Eigenthümer nicht, ſo edel und klug auch die

Gründe ihrer Einführung ſonſt ſein mögen.

¹ Ueber den Charakter eines Wirthſchaftsbeamten: André Oekonom. Neuigk.

1811. Nro. 12. Beſoldung Nro. 52 Inſtruction 1815. Nro. 41 folg.

² Ueber Verpachtung ſ. m. Thaer ration. Landw. I. 80. André Oekonom.

Neuigkeiten. 1813. Nro. 53 folg. 1814. Nro. 13 folg. Schnee Landw. Zeitung.

IX. 361–393. XIV. 294. 489. 501. XV. 101., im Vergleiche mit der Verwal-

tung I. 369. II. 21. 253., Verpachtung an den Meiſtbietenden IV. 357. 582.

X. 289. Thaer Annalen des Ackerbaues. II. 670. Ueber Zeit- und Erbpacht

Thaer Möglin. Annalen. III. 449. Rüder Landw. Zeitung. 1833. S. 221.

Schnee Landw. Zeitung. I. 539. Thaer Annalen des Ackerbaues. VII. 452

³ Die Fertigung der Pachtcontrakte iſt äußerſt ſchwierig, und meiſtens an

Localitäten hängend. Wichtige Punkte dabei ſind: die Länge der Pachtzeit, die

Größe des Pachtzinſes, die Termine ſeiner Zahlung, die Gewährleiſtung des Pach-

ters, die Veränderungen der Pachtſtücke, die Behandlung der Untergebenen, die

Ceſſion der Pacht, die Art der Uebernahme und die Unterhaltung des Kapitales,

die Art und Höhe der Caution, die Remiſſionen (totale und partiale), und die

Aufſtellung eines ſorgfältigen Inventariums über alle zum Gute gehörige und über-

nommene Realitäten. Es iſt daher die Controle beim Abzuge des alten Pachters

und die Abrechnung deſſelben mit dem aufziehenden neuen Pachter von äußerſter

Wichtigkeit, weil es ſich dabei um Schadenerſatz von Seiten des Erſteren an das

Gut, und um Entſchädigung von Seiten des Lezteren an den Erſteren handelt.

v. Thumb, Handbuch über Pacht- und Verpachtungs-Verträge. Wiesbaden 1822.

Stenger, Ueber das Verpachtungsgeſchäft. Berlin 1820. v. Ferber, Ueber

[259/0281]

³ landwirthſchaftliche Contrakte. I. Thl. Kauf-, II. u. III. Thl. Pacht-Contrakte.

Schwerin und Roſtock 1801. 1804. 1817. v. Griesheim, Anleitung zum Han-

deln bei Kauf ... und Pacht ... c. Jena 1809. Meyer, Grundſätze zur Ver-

fertigung richtiger Pachtanſchläge. Hannover 1809.

III. Von der Leitung des landwirthſchaftlichen

Betriebes.

§. 210.

1) Verſuche. 2) Betriebsarten.

Sowohl von Seiten des Gutsverwalters als von Seiten des

Pachters iſt dies die wichtigſte Thätigkeit. Sie zerfällt in folgende

Hauptzweige:

1) Wahl und Betrieb der Verſuche. In allen Zweigen

der Feld- und Gartenwirthſchaft ſo wie der Viehzucht iſt in dieſer

Hinſicht noch außerordentlich viel zu thun, ſo daß die Wiſſenſchaft

ſelbſt bei größter Weitläufigkeit auch nicht einmal annäherungs-

weiſe erſchöpfend ſein kann. Beſonders haben die landwirthſchaft-

lichen Vereine mit ihren Feldern hierfür einen herrlichen Wir-

kungskreis, nicht blos um die Verſuche im Kleinen zu beginnen,

ſondern auch hauptſächlich um auf ihre Fonds die Capitalauslagen

für ſolche Verſuche zu nehmen, welche nur im Großen angeſtellt

werden können, und deshalb von Einzelnen vermieden werden.

Umſicht, Allſeitigkeit, Hervorhebung der verſchiedenartigſten Be-

ziehungen, durchgehende Combination, ſcharfſichtige Beobachtung,

und ſtrenge ſorgfältige Aufzeichnung der Reſultate jeder Art mit

Angabe ihrer wirklichen oder wahrſcheinlichen Urſachen ſind dabei

die erſten unerläßlichen Bedingungen1). Ein mißlungener Verſuch

iſt, wenn auch wirthſchaftlich nachtheilig, dennoch immer wichtig,

und darf von einer Wiederholung nicht in allen Fällen abſchrecken.

2) Wahl und Leitung der Betriebsarten. Der oberſte

Grundſatz hierbei iſt, daß man durch einen zweckmäßigen Zuſam-

menhang aller Theile des ganzen Betriebs dieſe im Ganzen und

Einzelnen ſo vollſtändig und vortheilhaft als möglich, ohne der

Wirthſchaft die Nachhaltigkeit zu rauben, benutze, um ſo mit der

geringſten Mühe und Auslage, nicht blos ohne Verderbniß des

Gutes, ſondern auch mit, wo möglich, ſteigender Verbeſſerung

deſſelben, den größten Reinertrag beziehen zu können. Das Erſte,

um dies zu erreichen, iſt daher eine zweckmäßige Vertheilung,

Verbindung und Folge der Arbeiten, welche nur die Erfahrung

lehren kann und feld- und gartenwirthſchaftliche Kalender an-

geben (§. 69.); das Zweite aber iſt eine ſyſtematiſche Anordnung

(Organiſation) und Zuſammenhaltung der Hauptnutzungszweige

17 *

[260/0282]

eines Landgutes. Es gibt mehrere Arten derſelben, und man

nennt ſie landwirthſchaftliche (Feldbau- oder Wirthſchafts-)

Syſteme2).

¹ Es gehört dazu ein eigenthümliches Talent, und einzelne Beiſpiele ſind

darüber wohl belehrender als allgemeine Regeln. So hat z. B. Metzger neuer-

dings meiſterhafte, in ihrer Art einzige, Verſuche über die Kohlarten angeſtellt und

bekannt gemacht. S. §. 161. Note 4. a. E.

² Ueber die Felderſyſteme ſ. m. außer den im §. 207. Note 1. genannten

Schriften noch v. Seutter, Darſtellung der vorzügl. Hauptlandwirthſchaftsſyſteme.

Lübeck 1800. vergl. mit Thaer engl. Landw. I. 529. 605. II. 225. III. 135.

172. Koppe, Reviſion der Ackerbauſyſteme. Berlin 1818. Nachtrag 1819.

Kreyſſig, Oekonom. und phyſikaliſche Beleuchtung der wichtigſten Feldbau- oder

Wirthſchaftsſyſteme Europas. Leipzig 1833. André Oekonom. Neuigkeiten. 1811.

Nro. 6. 7. Thaer Mögliniſche Annalen. XX. 76 (v. Kreyſſig). XXII. 94.

Schnee Landw. Zeitung. IX. 65. XIV. 489. 501. 509. Thaer Annalen des

Ackerbaues. V. 275.

§. 211.

Landwirthſchaftliche Syſteme.

Sind die Fragen entſchieden, welche Productionen den ſicher-

ſten und lohnendſten Abſatz haben, welche davon dem Boden und

Klima eines Landgutes am meiſten entſpricht, welche Mittel am

zuverläſſigſten und wohlfeilſten zu ihrer Ausführung helfen, ſo

ſchreitet man zur Wahl des landwirthſchaftlichen Syſtemes. Es

muß nach dem im vorigen §. angegebenen Grundſatze dasjenige

Syſtem am vollkommſten ſein, welches das beſte Verhältniß der

Pflanzen- und Thierzucht herſtellt, die Bodenkraft, den Dünger

und den Standort für die Gewächſe am beſten anwendet, Zeit

und Koſten am beſten verwendet, und die Naturkräfte am beſten

zu Gute macht1). Da die Gewächſe den Boden in verſchiedenen

Graden ausſaugen2), eine Pflanzengattung fruchtbareren und die

andere einen weniger reichen Boden verlangt, und da das Feld,

wenn es in gehörigem Zuſtande erhalten werden ſoll, nicht blos

für das Arbeits-, ſondern auch für das Düngervieh das Futter

liefern muß, ſo iſt die Einführung einer Abwechſelung in dem

Anbaue des Gutes mit Früchten (d. h. eine zweckmäßige Frucht-

folge, Rotation, ein Turnus, Umlauf) von höchſter Wich-

tigkeit3), um in Zwiſchenzeiten den Acker zum Fruchttragen wieder

gehörig vorzubereiten. Man hat daher verſchiedene Syſteme zu

dieſem Zwecke erfunden, nämlich folgende:

1) Felderſyſteme. Ihr Charakteriſtiſches iſt, daß ein Theil

des Bodens abgeſondert beſtändig zu Grasland (Wieſen und Wei-

den), ein anderer zu Ackerland liegen gelaſſen und benutzt wird,

und blos auf Lezterem ein Turnus, aber auch nur mit Nichtfutter-

[261/0283]

gewächſen Statt findet. Dieſe Syſteme ſind wegen des gewöhn-

lichen Mangels an Grasland zum Unterhalte von ſo viel Vieh, als

zur Production der Düngermenge nothwendig gehalten werden

muß, wenn das Feld im tragbaren Zuſtande ſein ſoll, um ſo ver-

werflicher, als das Ackerland durch mehrjähriges Tragen ausſau-

gender Früchte unverhältnißmäßig dungbedürftiger iſt, denn anderes.

Nach Ablauf mehrerer Jahre des Anbaues tritt immer ein Jahr

der Ruhe ein, wo Brache gehalten und gedüngt wird. Um nun

jährlich bauen zu können, zertheilt man das Ackerfeld in mehrere

Theile (Felder), wovon jährlich Einer brach liegt. Begreiflich

wird die Brache um ſo häufiger kommen, je geringer die Anzahl

der Felder iſt. Es gibt bis jetzt ein Fünf-, Vier- und Drei-

felderſyſtem, bei welchem lezteren man wieder ein ein-, zwei-,

drei- und vierfältiges unterſcheidet, je nachdem es 3, 6, 9

oder 12 Felder zum Turnus hat4).

2) Wechſelſyſteme. Ihr Charakteriſtiſches iſt, daß ſie den

Gras- und ſonſtigen Futterbau mit in die Rotation aufnehmen,

und nicht auf abgeſonderten Feldern betreiben. Je nach der Be-

nutzungsart des Feldes in der Rotation unterſcheidet man hier

wieder:

a) Die Koppelwirthſchaften (Weide-Wechſelwirthſchaf-

ten), wobei das ganze Feld in 10–14 Koppeln oder Schläge,

von denen ein Theil jedes Jahr zur Weide niedergelegt, beſaamt

und benutzt iſt. In Deutſchland ſind die holſteiniſche, meklen-

burgiſche und märkiſche Koppelwirthſchaften die ausgezeich-

netſten5).

b) Die Freiwirthſchaften (Stallfütterungs-Wechſelwirth-

ſchaften, die Wechſelſyſteme im engen Sinne, die engliſchen Sy-

ſteme), wobei das Feld nach einem freien Plane, ohne Weide

abgeben zu müſſen, mit Nichtfutter- und Futterbau in beſtimmtem

Turnus ſo beſtellt wird, daß man Stallfütterung halten kann6).

¹ Kreyſſig Wirthſchaftsſyſteme. §. 1261.

² Ueber Ausſaugung der Bodenkraft durch Pflanzen ſ. m. Kreyſſig's Aufſatz

in Thaer's Möglin. Annalen. XVIII. 105. und Rüder Landw. Zeitung. 1833.

S. 190.

³ Man ſ. Kreyſſig's Abhandlung darüber in Thaer Möglin. Annalen.

XI. 321.

⁴⁾ Koppe Unterricht I. 247. erwähnt auch eine Zweifelderwirthſchaft. Dieſes

Syſtem iſt um ſo ſchädlicher, je länger das Feld ohne Dünger zu tragen hat, alſo

iſt das Fünf- und Vierfelderſyſtem ſchädlicher als das Dreifelderſyſtem. Dieſes aber

iſt ein verbeſſertes, wenn beſommerte Brache dabei eingeführt iſt, wie bei den

zuſammengeſetzten Arten deſſelben. Kreyſſig Wirthſchaftsſyſteme. §. 62 folg.

André Oekonom. Neuigkeiten. 1811. Nro. 3. 46. 49. 50. 58. 1816. Nro. 25.

Schnee Landw. Zeitung. III. 133. IV. 157. 169. XII. 237. Thaer Annalen

des Ackerbaues. II. 15.

[262/0284]

⁵⁾ Die Holſteiniſche hat die Weidejahre, die Meklenburgiſche aber die Frucht-

und Brachſchläge vorherrſchend, und die Märkiſche hat den Bau der Hackfrüchte in

die Hauptſchläge aufgenommen. Man unterſcheidet in Meklenburg Haupt-, Außen-

und Nebenſchläge in Bezug auf die Lage, aber Weide-, Saat- und Brachſchläge in

Betreff ihres Zuſtandes. Kreyſſig Wirthſchaftsſyſteme. §. 127 folg. § 192 folg.

Thaer Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. VI. Stück 2. S. 330. Thaer

Annalen des Ackerbaues. II. 259. 371. VII. 585. XII. 552 (Holſteiniſche). Auch

die Egarten wirthſchaft gehört hierher. Man. ſ. darüber Herrmann Beſchreib.

der Egartenwirthſchaft in Salzburg c. Stuttgart 1819.

⁶⁾ Man verzeihe den neuen Namen „Freiwirthſchaften!“ Er ließe ſich

vielleicht gründlich vertheidigen. Ueber dieſes Syſtem vrgl. man aber noch insbe-

ſondere Kreyſſig Wirthſchaftsſyſteme. §. 354–464. André Oekonom. Neuigk.

1811. Nro. 28. 1812. Nro. 8. 40. 1813. Nro. 14 folg. Thaer Annalen der

Fortſchritte der Landw. I 317. Deſſelben Annalen des Ackerbaues. I. 504.

III. 105. IV. 169. V. 180. VII. 395. Schnee Landw. Zeitung. V. 211. VI. 161.

381. VII. 157. 205 folg. IX. 133. 278. X. 53. 194. XII. 62. Karbe, Ein-

führung der engl. Wechſelwirthſchaft. Berlin 1805. = Thaer Annalen der nieder-

ſächſiſchen Landw. Jahrg. IV. Stück 3. S. 359. 403. Meyer, Vom Fruchtwechſel

und Futterbau. Berlin 1804. Friederich, Herzog zu Schleswig-Holſtein-Beck.

Ueber die Wechſelwirthſchaft. Leipzig 1803. = Thaer Annalen der niederſächſ.

Landw. Jahrg. V. Stück 3. S. 163. Fiſcher, Anleitung zur Wechſelwirthſch.

Prag 1817. v. Forſtner, Dreifelder- und Wechſelwirthſchaft. Ulm 1818. Pohl

Archiv der teutſchen Landwirthſchaft. 1817. May. Juni., beſonders abgedruckt

unter dem Titel: Schweitzer, die Wechſelwirthſchaft. Berlin 1817.

§. 212.

3) Grund- und Lagerbücher.

Je größer das Gut iſt, um ſo ſchwieriger iſt es, beſonders

beim engliſchen Wechſelſyſteme und bei der verbeſſerten Dreifelder-

wirthſchaft, ſeinen Beſtand zuſammen zu faſſen, ohne äußere Hilfs-

mittel. Ganz abgeſehen alſo von den Vortheilen, welche eine

Gutsbeſchreibung bei Anſchlägen, Verkäufen, Verpachtungen,

Erbverhältniſſen u. dgl. gewährt, ſo iſt ſie ſchon für den jährlichen

Betrieb vielfach unentbehrlich. Eine ſolche Beſchreibung gewährt

das Grund- und Lagerbuch mit ſeinen Beilagen, als da ſind:

eine vollſtändige Charte nebſt einzelnen Plänen, ein Vermeſſungs-

und Klaſſirungs- oder Bonitirungsregiſter, ein Gebäude-, Wehr-

und Brückenverzeichniß, ein Verzeichniß ſeiner ſämmtlichen Gerech-

tigkeiten, und ein ſolches ſeiner ſämmtlichen Pflichtigkeiten. Ohne

genaue Kenntniß der Angaben, welche dieſe Schriften gewähren,

darf und kann auch keine richtige Rotation eingeführt werden.

Nach ihnen bildet ſich der Director der Wirthſchaft den Nutzungs-

plan, der natürlich nach dem Felderſyſteme verſchieden iſt, und

periodiſch im Einzelnen wechſelt. Dieſe Veränderungen müſſen aber

beſonders bemerkt werden, damit man den ganzen Verlauf der

Rotation deutlich verfolgen und überſehen kann. Die Wichtigkeit

dieſer Einrichtung iſt klar, denn von ihr hängt zunächſt die Be-

ackerung, Bedüngung und Beſaamung des Feldes ab.

[263/0285]

IV. Von der landwirthſchaftlichen Betriebswirthſchaft.

§. 213.

1) Landwirthſchaftliche Betriebsausgaben.

Die Betriebswirthſchaft hat auch hier die Ausgaben zu be-

ſtreiten, die Einnahmen zu beziehen und über Beides Rechnung

zu führen (§. 126.). Die landwirthſchaftlichen Betriebsaus-

lagen, oder die Verwendungen des Betriebskapitals geſchehen:

a) Für die materielle Verbeſſerung oder Erhaltung

des Bodens durch Dünger, Reitzmittel, Mengemittel u. dergl.,

ganz gleichgiltig, ob man ſie in Natur vom eigenen Gute und

Hofe bezieht, oder aber von Anderen kaufen muß.

b) Für Anſchaffung und Unterhaltung des ſtehenden

Capitals, an Gebäulichkeiten, Geräthſchaften, Arbeits- und

Nutzvieh ſammt Geſchirre, Hausrath und Gerechtſamen, — und

des umlaufenden Capitals, an Saatkorn im weiteſten Sinne

des Wortes und an Productenvorräthen anderer Art, ſowohl in

Natur als Geld.

c) Für Beſoldung, Löhnung und Unterhaltung der

Beamten, Dienſtboten und Arbeiter, ſowohl in Natur als in Geld.

Alle dieſe Ausgaben laſſen Abtheilungen bis ins Allerkleinſte

zu und werden auch ſo in mancher Hinſicht nicht erſchöpfend ſein.

Was aber die Art ihrer Beſorgung anbelangt, ſo hat man

neuerdings vielfach angefangen, um Erſparniſſe zu machen, Stück-

oder Gedingarbeit, wo es immer thunlich iſt, anzuwenden.

Allein einem ſolchen Syſteme unbedingt anzuhängen, gehört un-

fehlbar zu den perſönlichen Liebhabereien und bringt der Wirth-

ſchaft ohne allen Zweifel Schaden. Aber mit Vorſicht am gehörigen

Orte angewendet, kann es große Vortheile gewähren (§. 68.).

§. 214.

2) Landwirthſchaftliche Betriebseinnahmen.

Das rohe Einkommen bei dem landwirthſchaftlichen Betriebe

beſteht aus:

a) Naturaleinnahmen an Feld-, Garten- und Thierpro-

ducten. Auch hier gibt es Haupt- und Nebenproducte, welche

ſämmtlich nach ihrer Eigenthümlichkeit aufbewahrt werden müſſen.

Die deshalb errichteten Anſtalten und erbauten Magazine ſammt

innerer Einrichtung ſind daher außerordentlich manchfaltig.

b) Geldeinnahmen aus dem Verkaufe roher Producte.

Derſelbe geſchieht auf die verſchiedenſte Weiſe an die Conſumenten

[264/0286]

ſelbſt oder an Händler. Es kommt auf den Ort und die Zeit des

Verkaufes an, ob man die richtigen, einem hohen Preiſe günſtigen,

Verhältniſſe trifft.

c) Oft finden ſich auf Landgütern auch techniſche (gewerkliche)

Nutzungszweige, wie Brennereien, Brauereien, Mühlen, Bleichen

u. dgl. Dieſe können nicht blos eine vortheilhafteſte Verwerthung

der Rohproducte für die eigentliche Landwirthſchaft, ſondern auch

für ſich ſelbſt große Einnahmen geben. Auch ihre Einnahmen in

Geld und Natur ſind mit zu berechnen. Doch aber haben ſie eine

beſondere Bewirthſchaftung.

Der Reinertrag iſt zu finden, wenn nach Abzug der Betriebs-

ausgaben von den Einnahmen ein Reſt der Lezteren übrig bleibt,

und wenn man von dieſem noch in Abzug bringt: 1) die Zinſen

des Betriebscapitals; 2) die Statt findenden Abgänge an Natural

und Geld; 3) etwaige Transportkoſten und damit verbundene Ab-

gaben; 4) Proviſionen, Gebühren u. dgl. mehr. Dieſe Abzüge

ſind von höchſter Bedeutung, aber ſehr verſchieden.

§. 215.

3) Landwirthſchaftliche Buchführung.

Auch bei dieſer Buchhaltung1) gelten die allgemeinen Grund-

ſätze jeder Buchführung (§. 79–82.). 1) Die gewöhnliche ein-

fache Buch- (Regiſter-) führung beſteht außer dem Jour-

nale und Manuale noch aus einem Geld-, einem Naturalien-

und einem Vieh-Rechnungsbuche. Allein ſie iſt mangelhaft,

da ſie z. B. ſchon kein beſonderes Arbeitsbuch führt. 2) Eine

andere iſt die Tabellarmethode, nach welcher man neben den

Hauptbüchern beſondere überſichtliche Tabellen für Ausſaat,

Ernte, Dünger, Arbeit u. ſ. w. führt, aus denen man die

Poſten in das Hauptbuch überträgt. Aber es iſt 3) die doppelte

Buchhaltung um ſo nöthiger, je complicirter der Betrieb und

ſchwerer die Controle iſt. Iſt ſie eingeführt, ſo liegt es auch in

ihrem Charakter, daß jeder Zweig der Wirthſchaft im Hauptbuche,

gleichſam als Perſon, ſeinen beſondern Conto hat, alſo z. B. in

einer Pachtwirthſchaft ein allgemeiner, und ein jährlicher Pacht-

conto, Getreidebau-, Schäferei-, Kuherei-, Schweine-, Garten-,

Wieſen-, Weide-, Gefäll-, Dienſt-, Brau-, Brenn-, Mühlen-

Conto u. dgl. m. vorkommt. Daneben aber werden ſo viele beſon-

dere Journale (Tagebücher) geführt, als Hauptwirthſchaftszweige

vorhanden ſind, als z. B. ein Caſſa-, Naturalien-, Arbeits-,

Viehzuchts-Journal, Journale für die Nebengewerbe, und ein-

[265/0287]

zelne Spezialrechnungen, wie z. B. über Ernte, Druſch, Saat,

Düngung u. dgl. m.

¹ Gewöhnlich theilt man die Buchhaltung der Landwirthſchaft in eine ſte-

hende (§. 212.) und eine umlaufende oder jährliche ein, unter welcher

lezterer man die im §. oben ſkitzirte verſteht. Man ſ. über dieſelbe außer den in

§. 207. Note 1. erwähnten Werken noch Beckmann die landwirthſchaftliche dop-

pelte Buchhaltung. Cöslin 1829. Elze doppelte ökonomiſche Buchhaltung. Leipzig

1830. Kobatz Anweiſung zur doppelten Buchhaltung für die Landwirthſchaft.

Wien 1830. 2 Bde. Meißner Darſtellung einer leichten Methode, Landwirth-

ſchaftsrechnungen nach kaufmänniſcher Art zu führen Berlin 1807. Müller, das

landwirthſchaftliche Rechnungsweſen. Braunſchweig 1820. Thaer Annalen des

Ackerbaues IV. 123. 467. V. 553. 575. 609 folg. André Oekonom. Neuigkeiten.

1813. Nro. 41. u. A.

V. Von der Verfertigung landwirthſchaftlicher

Anſchläge.

§. 216.

Arten der Anſchläge.

Man muß bei den Landgütern die Ertragsanſchläge von

Gutsanſchlägen unterſcheiden. Jene ſind ſchon im Namen de-

finirt, dieſe aber ſind Schätzungen des wirklichen Capitalwerthes

von Landgütern. Als eine beſondere Art von Gutsanſchlägen

müßten eigentlich die Grundanſchläge erſcheinen, unter denen

man die Beſtimmung des Capitalwerthes der Bodenfläche des Gutes

mit dem Zugehörigen verſteht, wenn man nicht den lezteren Aus-

druck gewöhnlich mit jenem als gleichbedeutend gebrauchen würde.

Die Pachtanſchläge ſind eben ſo nur eine Modification der

Ertrags-, wie die Kaufanſchläge eine ſolche der Gutsanſchläge

ſind. Auch hier dienen Informationen und Auszüge als die

eigentlichen Mittel zum Auffinden derjenigen Thatſachen, welche

zur Fertigung eines Anſchlages unentbehrlich ſind (§. 129 u. 130.).

Man macht die Anſchläge entweder in Pauſch und Bogen oder auf

die Grundlage einer genauen Erörterung des Capitalwerthes und

Ertrages im Einzelnen. Die leztere Methode iſt die müheſamſte,

aber auch die ſicherſte. Auch kann man durch Capitaliſirung des

durch einen Ertragsanſchlag gefundenen Reinertrags den Capital-

werth eines Landgutes bei üblicher Betriebsart berechnen 1).

¹ v. Jordan, Ueber Abſchätzung der Landgüter. Prag 1800. Nicolai,

Grundſätze der Verwaltung des Domänenweſens im preuß. Staate. Berlin 1802.

2 Thle., beſonders der II. Thl. Borowsky, Preuß. Finanz- und Cameralpraxis.

Berlin 1805. 2 Bde., beſonders der I. Bd. Sturm, Lehrb. der Cameralpraxis.

Jena 1810. Thaer, Ueber Werthſchätzung des Bodens. Berlin 1811. Deſſelb.

im §. 138. Note 1. angegebenen zwei Schriften. 1812 und 1813. v. Flotow,

Anleitung zur Verfertigung der Ertragsanſchläge. Leipzig 1820. 1822. 2 Bde.

v. Daum, Materialien zu einer verbeſſerten Abſchätzung des Acker-, Wieſen- und

[266/0288]

¹ Weidebodens. Berlin 1828 (IIter Theil ſeiner citirten Beiträge). Schmalz,

Anleitung zur Veranſchlagung ländlicher Grundſtücke. Königsberg 1829. Linke,

Grundſätze zur Abſchätzung des Reinertrags c. Halle 1832. Krauſe, Ueber Ge-

meinheitstheilungen. III Hefte. Gotha 1833. Kretzschmer, Oeconomia forensis.

Berlin 1833. 2 Bde. 4. Beckmann, Ueber Taxen und Abſchätzungen ländlicher

Grundſtücke. Cöslin 1833. Außerdem ſ. m. §. 209. Note 3., praktiſche landwirth-

ſchaftliche Schriften jeder Art, und die offiziellen Taxationsprinzipien einzelner

Staaten.

§. 217.

Informationen, Auszüge und Beſichtigung.

Man beginnt am beſten mit Beſichtigung aller Realitäten

des Landgutes, um ſpäter durch dieſes Geſchäft nicht mehr auf-

gehalten zu ſein, und läßt ſich die Regiſtratur öffnen und die Wirth-

ſchaftsbücher ausliefern. Hierauf kann die Veranſchlagung der

Gefälle und Gerechtſame folgen. Nach ihr beginnt zuerſt die Ver-

anſchlagung des Feldbaues, dann des Gartenbaues, hierauf der

Viehzucht und endlich der gewerklichen Nutzungen des Landgutes.

Iſt die Klaſſirung (Bonitirung) des Bodens nicht ſchon früher

geſchehen, ſo wird ſie mit Anfang der Veranſchlagung des Feld-

baues vorgenommen. Allein bei allen Zweigen des Betriebes iſt

es gut, ſowohl die Informationen als auch die Auszüge

jedesmal, als Materialſammlungen, voraus vorzunehmen und zu

fertigen. Beim Feldbaue betreffen die Auszüge Saat, Ernte

und Druſch, den Heuerwachs, den Grünfutterwachs, die Ver-

zehrung des Hausgeſindes, deſſen Speiſeordnung, und hiernach

wird die Futter- und Streuberechnung, auf dieſe hin die Quan-

tität des füglich zu haltenden Viehes, dann die Einſaat, die abzu-

gebenden Zehnt- und Zinsfrüchte, der Dreſcherlohn, der Verbrauch

an Naturalien für Arbeitsvieh, Geſinde und Arbeiter berechnet,

worauf die Berechnung des Inventariums in Betreff der Abnutzung

und Unterhaltungskoſten folgt, um ſo den Roh- und Reinertrag

des Feldbaues zu beſtimmen und in eine Rechnung zu bringen.

Bei dem Gartenbaue und den einzelnen Theilen der Viehzucht und

der gewerklichen Nutzungen iſt die Veranſchlagung nicht ſo com-

plicirt im Rechnungs-, Informations- und Auszugsweſen. Unter

dem zu veranſchlagenden Gartenbaue begreift man blos die

Gemüſe- und Obſtgärten. Bei der Viehzucht folgt jedesmal bei

jedem Zweige auf die Ermittelung der Menge des zu haltenden

oder gehaltenen Viehes, die Berechnung des Rohertrages nach den

ſich von ſelbſt ergebenden Nutzungen, und alsdann jene des Rein-

ertrages durch Berechnung und Abzug der Koſten. Daſſelbe iſt

auch allgemeine Regel bei den Gewerksnutzungen des Landgutes.

Sind dergeſtalt alle Reinerträge der einzelnen Zweige des Land-

[267/0289]

gutes ermittelt, ſo ſtellt man ſie zuſammen in eine Rechnung.

Das Reſultat iſt aber noch nicht der eigentliche Gutsreinertrag

im Ganzen. Es müſſen vielmehr jetzt erſt noch alle Ausgaben,

Verluſte u. dgl. zuſammengeſtellt und abgezogen werden, welche das

ganze Landgut betreffen. Mit dieſen kommen auch, wenn es nicht

ſchon bei den einzelnen Rechnungen geſchehen iſt, die Zinſen des

Inventariums und jene des Betriebskapitals in Abzug. Der Reſt

iſt der Reinertrag.

§. 218.

Fertigung der Anſchlagsakten.

Von dieſer Arbeit gilt das bereits oben (§. 131.) Geſagte,

wobei man blos den Gegenſtand, um welchen es ſich handelt, zu

verändern braucht.

III. Buch.

Forſtwirthſchaftslehre.

Einleitung.

§. 219.

Die Forſtwirthſchaftslehre iſt die wiſſenſchaftliche Dar-

ſtellung der Grundſätze und Regeln, wonach die pflanzlichen und

thieriſchen Körper wilder Art mit Unterſtützung der menſchlichen

Kunſt erzeugt und erhalten werden (§. 42.). Die Wald- und

Hainpflanzen und das Wild ſind ihre Gegenſtände. Das wichtigſte

Wild lebt in den Wäldern und kann daſelbſt großen Schaden an-

richten, ſo wie auch leicht die Grenzen der Waldungen überſchrei-

ten. Darum muß das Waidwerk mit der Forſtwirthſchaft betrieben

werden. Die natürlichſte und erſte Ernährungsart der Menſchen,

ehe ſich das zeigt, was man Gewerbe nennt und erſt beim Beginne

der Landwirthſchaft bemerkt, iſt die Jagd. Weil aber in den

Urzeiten der Erdboden überall, wie noch in Amerika zu bemerken

iſt, mit Wäldern überſäet war, blieb der Gedanke an den Wald-

betrieb ſo lange ferne, als man nicht wegen Ueberhandnahme der

Bevölkerung einen Holzmangel befürchtete oder fühlte. So kam es

denn, daß in unſeren abendländiſchen Staaten ſelbſt jetzt noch

fühlbar iſt, daß früher die Forſtleute hauptſächlich Jäger waren,

denen man auch den Hieb der Waldungen überließ. Nebenbei war

das Forſtweſen zu einem Regale geworden und die Privaten

[268/0290]

beſaßen wenige oder gar keine Waldungen. Geſellt ſich endlich

noch der Umſtand hinzu, daß ſich über die Waldwirthſchaft nur in

einigen Jahrzehenten Verſuche und Erfahrungen genügender Art

machen laſſen, ſo iſt leicht einzuſehen, warum die Forſtwirthſchafts-

lehre erſt vor 120 Jahren in dem Bereiche der Möglichkeiten er-

ſchien, erſt eigentlich in der Mitte des vorigen Jahrhunderts

anfängt, dieſen Namen zu verdienen, und endlich im lezten Fünft-

theile deſſelben ſich wirklich in die Reihe der Wiſſenſchaften ſtellen

durfte1). Es hat ſich beſonders Beckmann (1756) nebſt ſeinen

Beurtheilern Büchting und Käpler, dann auch Moſer (1757),

Cramer (1766), Gleditſch (1774) um ihre Bearbeitung viele

Verdienſte erworben. Allein erſt v. Burgsdorf ſchrieb ein Syſtem

derſelben, und gründete ſo die Wiſſenſchaft, um deren Bearbeitung

und Förderung ſich neuerdings mehrere Theoretiker und Praktiker

in hohem Grade verdient gemacht haben2). Jedoch die Natur

dieſer Wiſſenſchaft und die Unordnung, mit welcher man in

früherer Zeit zum Theile in den Waldungen wirthſchaftete, zum

Theile Erfahrungen ſammelte, ſind die Gründe, warum eigentlich

bis auf den heutigen Tag noch mehr dunkle als aufgeklärte Plätze

im Gebiete der Forſtwiſſenſchaft ſind, trotz dem daß die beſon-

dere Forſtwirthſchaft einzelner Länder und Gegenden für die

allgemeine Forſtwiſſenſchaft viele Beobachtungen darbietet und

die Leztere die Naturgeſchichte, Mathematik, Phyſik und

Chemie durch beſondere Anwendung ihrer Lehrſätze als weſent-

liche Theile in ſich hineingezogen hat.

¹ Ueber die Geſchichte der Forſtwirthſchaft und Forſtwiſſenſchaft ſ. m. Anton.

Geſchichte der teutſchen Landw. (ſ. §. 132 oben) Stiſſer, Forſt- und Jagd-

hiſtorie der Deutſchen. Jena 1737. Vermehrte Auflage von Franken. Leipz. 1754.

Moſer Forſtarchiv. Thl. XVI. S. 179–207. Walther, Grundlinien der Forſt-

geſchichte. Gießen 1816. Hazzi, Aechte Anſichten der Waldungen. München 1805.

2 Bde. I. S. 5–144. Beckmann, Oekonom. Bibliothek. Bd. III. XIV. u. XVII.

Außer Anton nichts Vollſtändiges, das Meiſte noch zerſtreut.

² Beckmann, Anweiſung zu einer pfleglichen Forſtwiſſenſchaft. Chemnitz

1759. 4te Aufl. 1785. Deſſelben Verſuche von der Holzſaat. Ebendaſ. 1756.

4te Auflage 1777. Deſſelben Beiträge zur Verbeſſerung der Forſtwiſſenſchaft.

Ebendaſ. 1763. 3te Aufl. 1777. 4. Neue Ausg. dieſer Schriften von Laurop.

Leipzig 1805. III Bde. Moſer, Grundſätze der Forſt- Oekonomie. Leipzig 1757.

II Bde. Cramer, Anleitung zum Forſtweſen. Braunſchweig 1766. Folio. Neue

Auflage 1797. 4. Gleditſch, Syſtematiſche Einleitung in die Forſtwiſſenſchaft.

Berlin 1774. 1775. II Bde. 8. v. Burgsdorf, Verſuch einer Geſchichte vorzüg-

licher Holzarten. Berlin 1783–1800. II Thle. in 3 Bänden. Deſſelben Forſt-

handbuch. I. Thl. Berlin 1788. 4te Auflage 1800. II. Thl. Berlin 1796. 3te

rechtmäßige Ausgabe Berlin 1805. Walther, Lehrbuch der Forſtwiſſenſchaft.

Gießen 1803. I. 2te Aufl. und II. 1809. Medicus Forſthandbuch. Tübing. 1802.

Meyer Forſtdirectionslehre (Würzburg 1810. in 4.). §. 173–558. S. 198–584.

Hartig, Lehrbuch für Förſter. Stuttgart 1828. III Bde. 7te Aufl. Deſſelben

Forſtwiſſenſchaft in gedrängter Kürze. Berlin 1831. Hundeshagen, Encyclopädie

der Forſtwiſſenſchaft. Tübingen 1828–1830. III Bde. 8. 2te Aufl. Klein Forſt-

[269/0291]

² handbuch. Frankfurt 1826. Cotta, der Waldbau. Dresden. 3te Auflage. 1821.

Pfeil, Neue Anleitung zur Behandlung der Forſten. Berlin 1829. 2te Ausg.

(I. Abthl. Literatur, II. Abthl. Holzerziehung, III. Abthl. Forſtſchutz, IV. Abthl.

Forſttechnologie, V. Abthl. Forſttaxation). Behlen und Reber, Handbuch der

Forſtwiſſenſchaft. München 1831–32. I. III. u. V. Band. Laurop, der Wald-

bau. Gotha 1822. Bechſtein, Forſt- und Jagdwiſſenſchaft nach allen ihren

Theilen. Erfurt 1818–1831. XV Thle. (eine ganze Forſtbibliothek). Heraus-

gegeben von Laurop. Außerdem die Zeitſchriften von Moſer (fortgeſetzt von

Gatterer), Hartig, Bechſtein, Laurop, Mayer, Behlen, Hundes-

hagen, Wedekind, — welche aber, das Moſer'ſche Archiv ausgenommen,

ſämmtlich nie die Bedeutung der landwirthſchaftlichen Zeitſchriften erhalten haben

und nie lange beſtanden. Ueber die Literatur ſ. m. Pfeils Repertorium, Gat-

terer's Repertorium. Ulm 1796–1802. Laurop's Handbuch der Forſt- und

Jagdliteratur. Erfurt 1831. und Weber's Handbuch der ökonomiſchen Literatur

(ſ. §. 132. Note 5.).

Erſtes Hauptſtück.

Forſtwirthſchaftliche Gewerbslehre.

§. 220.

Die forſtwirthſchaftliche Gewerbslehre iſt eine ſyſtematiſche

Erklärung der Grundſätze und Regeln, wonach, ohne Rückſicht auf

beſonderen zuſammenhängenden gewerblichen Betrieb, die Mittel

zum Waldbaue und zum Waidwerke am beſten beſtellt, die Wald-

pflanzen und das Wild am zweckmäßigſten behandelt, und ihre

Erträge am beſten eingezogen und aufbewahrt werden. Sie zerfällt

darum in die Waldbaulehre und Wildbahnlehre, wovon die

Erſtere ſich wieder in die Forſtbaulehre und Hainbaulehre

(Lehre von den Luſtgärten) theilt. Auch hier wird die Tren-

nung der Grundſätze in allgemeine und beſondere von der

Sache ſelbſt verlangt (§. 133.).

Erſter Abſatz.

Die Waldbaulehre.

Erſtes Stück.

Die Forſtbaulehre.

Erſte Unterabtheilung.

Allgemeine Forſtbaulehre.

§. 220. a.

Die allgemeine Forſtbaulehre zerfällt eben ſo wie die

allgemeine Feldbaulehre (§. 133. a.), nur mit beſonderem Bezuge

auf die Eigenthümlichkeiten der Forſte.

[270/0292]

I. Die Bodenkunde oder Agronomie.

§. 221.

Hier gilt daſſelbe, was ſchon oben in der Landwirthſchaftslehre

darüber (§. 134–138.) geſagt iſt1).

¹ Laurop, die Hiebs- und Culturlehre der Waldungen. Karlsruhe 1816.

S. 19–40. v. Seutter, Handbuch der Forſtwirthſchaft (Ulm 1808. II Bde. 8).

S. 213 (welche Schrift im §. 219. nicht erwähnt iſt, weil ſie blos das natur-

wiſſenſchaftlich Vorbereitende enthält). Hartig Lehrbuch. I. Band. I. Theil.

3. Abſchn. 3. u. 4. Kap.

II. Die Bodenbearbeitungslehre oder Agriculturlehre.

§. 222.

1) Urbarmachen des Bodens.

Eine Haupteigenthümlichkeit des Waldbaues iſt, daß derſelbe

keinen Dünger bedarf, weil durch die Abfälle der Waldpflanzen

ſich der Humusgehalt des Bodens erneuert. Daher findet hier nur

eine mechaniſche Agricultur Statt. Auch zum Anbaue der Wald-

pflanzen iſt das Urbarmachen des Bodens nöthig. Da ſich aber

demſelben die nämlichen Hinderniſſe darbieten, wie dem Feldbaue,

ſo werden gegen dieſe auch dieſelben Mittel ergriffen. Nur er-

ſtrecken ſie ſich in der Regel auf größere Flächen, als beim Land-

baue (§. 139.). Man bebauet ſogar den zu Wald beſtimmten Boden

vor ſeiner Benutzung hierzu und nach ſeiner Urbarmachung, mit

Feldpflanzen, als Kartoffeln, Roggen, Hafer, Buchweitzen, wozu

man ihn ganz landwirthſchaftlich herrichtet, wenn man dem Boden

wegen ſeiner Lage mit den Ackergeräthen zukommen kann. Oefters

aber geht dies nicht an und fehlt das Saatkorn für ſo große

Flächen, wenn man auch vor Thier- und Wetterſchaden geſichert

wäre1).

¹ Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 238246. vrgl. mit §. 232. Ueber

natürliche Walddüngungsmittel ſ. m. André Oekonom. Neuigkeiten. 1814. Nro. 4.

50. 56. 57. 1815. Nro. 19. 44. 45. 63 folg. 1816. Nro. 1 folg. 1817. Nro. 34. 37.

§. 223.

2) Weitere Bearbeitung des Bodens.

Sei es nun, daß ein Boden ſchon urbar iſt, oder aber beur-

bart wurde, oder endlich ſo wenig verwildert liegt, daß die Urbar-

machung mit der Bearbeitung Hand in Hand gehen kann, ſo löſen

ſich ſämmtliche agricultoriſchen Geſchäfte in folgende auf: a) das

bloße oberflächliche Aufkratzen des Bodens vermittelſt der Hand-

[271/0293]

rechen und Straucheggen1). b) Das bloße oberflächliche Reinigen

des Bodens von Geſtrippe und Unkraut vermittelſt des Abhauens,

Abraufens, Abſchneidens und Abſengens2); c) das Abſchwülen

oder Abplaggen deſſelben, d. h. indem man ihn 1–1½ Zoll

tief abſchürft, die ſo entſtehenden Plaggen verdorren läßt, und

wenn dies geſchehen iſt, ausklopft und verbrennt3); d) das Hai-

nen, d. h. das 2 Zoll tiefe ſtreifenweiſe Abſchälen der Oberfläche

vermittelſt der Hainhacke4); e) das Pflügen des Bodens,

wenn er von Steinen und Wurzeln frei und für Saat- und

Baumſchulen beſtimmt iſt. Je nach der Beſchaffenheit des Bodens,

nach der Art, Größe und Stärke des Ueberzuges mit Geſtrippe,

Gebüſch, Moos und Gräſern wendet man dieſe verſchiedenen Ar-

beiten an, und zwar ſowohl einzeln als in wechſelſeitiger Verbin-

dung. Die Bearbeitung des Bodens dadurch iſt aber entweder

eine volle oder eine ſtreifenweiſe oder plaggenweiſe, je

nachdem es der Boden bedarf5).

¹ Gewöhnliche Handrechen von Holz oder Eiſen, und gewöhnliche Eggen mit

Reiſig, beſonders Dornbüſchen.

² Bei der Anwendung des Feuers darf der Schutz der noch ſtehenden Bäume

nicht außer Augen gelaſſen werden.

³ Man läßt die Plaggen über den Winter liegen, deshalb geſchieht dieſe

Arbeit ſchon im Sommer. Man hat dazu eine eigene Plaggenhacke.

⁴⁾ Die ſo erhaltenen Plaggen werden getrocknet, auf die Häufen des auf der

Fläche des Bodens geſammelten Reiſigs gedeckt und zuletzt das Ganze von der Wind-

ſeite angezündet. Dieſe Waldungen nennt man Brandhaine. Man wendet dieſe

Bearbeitung vor der Bebauung mit Feldgewächſen an und vertheilt deshalb erſt im

Sommer die entſtandene Aſche mit der Hainkratze, einer Art Rechen.

⁵⁾ Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 225–237. Deſſelben Beiträge

zur Forſtwiſſenſchaft. Bd. II. Heft 1–3. Pfeil Anleitung (Bd. II. des Hand-

buchs). S. 95. 341. Hartig, Lehrbuch für Förſter. II. Bd. 1. Thl. 2. Abſchn.

2. Abthl. 6. Kap. Beckmann Holzſaat (Ausgabe von Laurop). I. 15. Ueber

die Culturgeräthe ſ. m. Walther Beſchreibung und Abbildung der in der Forſt-

wirthſchaft vorkommenden Geräthe. Hadamar 1796. 1803. II Hefte. André

Abhandlungen aus dem Forſt- und Jagdweſen. III. Bd. 1. Hundeshagen Bei-

träge. II. 3. Hartig Archiv. Bd. VII. Wedekind Jahrbücher. Heft 1.

Pfeil kritiſche Blätter. V. 1.

III. Die Pflanzungslehre oder Holzculturlehre.

§. 224.

1) Das Einbringen der Holzpflanzen in die Erde.

a) Holzſaat.

Man überläßt entweder die Ausſaat der Natur, damit dieſe

von freien Stücken den Wald durch Saamenausfall und durch

Ausſchlagen der Holzſtöcke erhält und man blos ſpäter der Pflanzen

zu pflegen hat (natürliche Holzzucht) oder aber man ſäet die

[272/0294]

Waldfläche ein und pflegt alſo der Holzpflanzen künſtlich bis zur

Benutzung (künſtliche Holzzucht). Dieſe leztere Methode wird

aber auch öfters nöthig1). Man kennt auch hier nur zwei Haupt-

methoden der Fortpflanzung (§. 150.), nämlich jene:

a) Durch die Saat. Bei derſelben iſt hauptſächlich zu be-

rückſichtigen: 1) die Jahreszeit der Saat. Es finden hier

dieſelben Rückſichten Statt, deren bereits (§. 150.) erwähnt iſt.

Auch hier hat die Natur die Linien vorgezeichnet, denen man zu

folgen hat. Denn der natürliche Saamenausfall von den Bäumen,

der theils im Herbſte theils im Frühjahre Statt findet, gibt auch

die natürliche Saatzeit an. 2) Die Art und Beſchaffenheit

des Saamens. In Betreff der Wahl der Erſteren kommt es

auf klimatiſche und agronomiſche Verhältniſſe2), bei der Lezteren

aber darauf an, daß man reifen, nicht zu alten, keimfähigen, in

der Aufbewahrungszeit nicht verdorbenen Saamen nehme3). 3) Die

Menge des einzubringenden Saamens. Dieſelbe iſt bei den

einzelnen Holzpflanzen verſchieden, und richtet ſich aber nach der

Größe und Natur der Pflanzen, nach den klimatiſchen Verhält-

niſſen, nach der Beſchaffenheit und Bearbeitung des Bodens, nach

der Jahreszeit der Saat, nach der Art der Vertheilung und Unter-

bringung des Saamens, nach der Güte deſſelben und nach dem

Schutze, welchen man der Saat gegen äußere ſchädliche Einflüſſe

des Klima und der Thiere zu geben vermag4). 4) Die Art der

Vertheilung des Saamens. Man ſäet nur breitwürfig. Aber

man unterſcheidet die Voll- (Breit-) von der Streifen- und

Plaggenſaat, je nachdem man eine Waldfläche ganz oder nur

in Theilen beſäet, ein Umſtand, der ſchon bei der Bodenbearbeitung

(§. 223. a. E.) vorgeſehen war. Jedoch auch bei der Vollſaat

ſteckt man der Regelmäßigkeit halber den Säern Saatgänge

vor. 5) Das Unterbringen deſſelben. Dabei iſt die Art und die

Tiefe des Unterbringens zu berückſichtigen. Abgeſehen davon, daß

hier auch die Größe des Saamens entſcheidet, ſo werden beide

Rückſichten dadurch beobachtet, daß man je nach Erforderniß der

Saamenart entweder durch Schnee und Regen einſchlemmt, die

beſäete Fläche mit der Strauchegge oder Reiſigbüſcheln überfährt,

den Saamen durch Menſchen oder Thiere antreten läßt, mit dem

Rechen unterharkt, oder mit der Hand und Handgeräthen einhackt

und einſcharrt5).

¹ Nämlich a) wenn es an Saamenbäumen bei der natürlichen Holzzucht fehlt;

b) wenn in einem natürlichen Waldbeſtande Blößen eingetreten ſind; c) wenn in

localen, phyſicaliſchen und klimatiſchen Verhältniſſen Hinderniſſe der natürlichen

Fortpflanzung liegen; d) wenn die Holzarten ganzer Waldbeſtände umgeändert werden

[273/0295]

¹ ſollen. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 247. Pfeil Handbuch. II. 333.

Harrig Lehrbuch. II. Bd. I. Thl. 2. Abſchn. 2. Abthl. Beckmann Holzſaat.

I. S. 98. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 198–201. Schmitt Anleitung zur

Erziehung der Waldungen. Wien 1821. Hartig wohlfeile Kultur der Waldblößen.

Berlin. Deſſelben Anweiſung zur Holzzucht. Marburg 1818. 7te Auflage.

Laurop, die Hiebs- und Culturlehre. IIr Thl. Karlsruhe 1817. Friedel Lehrb.

der natürlichen und künſtlichen Holzzucht. Ausgabe von v. Neuhof. Erlangen 1810.

Hundeshagen Beiträge. II. Bd. 1–3. Heft. Hartig Forſt- und Jagdarchiv.

Bd. VII. Moſer Archiv. XXI. 199.

² Bei dem Waldbaue iſt nicht blos das geographiſche (nach der Lage gegen

die Himmelsgegenden), ſondern auch das phyſiſche (nach der Erhebung des Bodens

über der Meeresfläche, und nach ſeiner Form, Lage und Bedeckung beſtimmte)

Klima von Wichtigkeit Man unterſcheidet daher das Seeklima (feucht und

regneriſch), das Klima der Freilagen (den Winden und der Sonne ausgeſetzt,

öſtlich trocken, weſtlich feucht, ſüdlich heiß, nördlich kalt), jenes der Hochebenen

(ſehr trocken), das Thalklima (geſchützt, aber im Sommer warm, im Herbſte

und Frühjahre in der Nacht kalt, ebenſo Morgens beim Sonnenaufgange), das

Waldklima (die Bedeckung gibt einen bedeutenden Schutz), das Sand- und das

Sumpfklima (jenes heiß, dieſes krank). Von dieſen klimatiſchen Eigenſchaften

einer Gegend hängt der Thau, Regen, Reif, Schnee, Wind und Froſt ab, welche

ſämmtlich in den Wäldern großen Schaden anrichten können. Pfeil Handbuch.

II. S. 7–24.

³ Man muß daher ſchon bei dem Einſammeln und Aufbewahren des Saamens

— was erſt bei der Lehre von der Ernte gezeigt wird — ſehr behutſam ſein.

Wenn man bald nach dem Einſammeln deſſelben, das nur bei völliger Reife vor-

theilhaft iſt, ſäen kann, ſetzt man ſich den Gefahren längerer Aufbewahrung nicht

aus, und folgt in Betreff der Saatzeit den Spuren der Natur.

⁴⁾ Die erſteren Umſtände ſind zu ſpeziell, als daß ſich dafür allgemeine Regeln

von Bedeutung aufſtellen ließen. Schutz gewährt man aber dem eingebrachten

Saamen a) durch das Stehenlaſſen von Bäumen und Büſchen auf dem Saatplatze

ſelbſt; b) durch das Stehenlaſſen von Bäumen an der den Stürmen beſonders aus-

geſetzten Seite (Mantel); c) durch das Zudecken der Saat mit Reiſig; d) durch

die Unterſaat des Holzſaamens mit Getreide, was aber oft den Thierfraß vermehrt,

ohne in der Regel länger als im Vorſommer zu ſchützen und ohne auf großen

Flächen anwendbar zu ſein; e) durch die Unterſaat der zärteren Holzarten mit

kräftigeren und dauerhafteren, was aber nicht wirkſam iſt, wenn die Lezteren nicht

vor den Erſteren geſäet werden, weil dieſe ohnedies keinen Schutz in der erſten

Zeit haben, in der ſie deſſelben am meiſten bedürfen; und f) durch Umzäunung

und Anbringen von allerlei Scheuchen gegen ſchädliche Thiere. (Dieſe Maßregeln

heißt man Schonung.)

⁵⁾ Man ſäet, beſonders bei der lezteren Art des Unterbringens, auch in

Stecklöcher und Rinnen, Gräben u. dgl.

§. 225.

Fortſetzung. b) Holzpflanzung.

b) Durch die Pflanzung. Sie iſt zwar theurer als die

Saat, allein vortheilhafter angewendet: 1) wenn die ſo eben ge-

nannte Schonung nur kurze Zeit angewendet werden kann; 2) wenn

der Anflug (junge Keimpflänzchen) leicht erſticken könnte; 3) wenn

die Blößen zwiſchen altem Holze zu klein ſind, als daß man das

Aufziehen der Bäume aus Saamen mit Sicherheit erwarten

dürfte, und 4) wenn empfindliche Holzarten überhaupt oder auf

ungünſtige Lagen gepflanzt werden ſollen1). Man pflanzt aber:

Baumſtark Encyclopädie. 18

[274/0296]

1) Entweder Pflänzlinge, d. h. wirkliche, beſonders aus Saa-

men gezogene, bewurzelte junge Baumpflanzen. Sie werden in

Pflanzſchulen gezogen. Dazu muß eine paſſende Stelle gewählt

und eingefriedigt werden, in welcher man den Boden ſorgfältig

bearbeitet, und die Pflänzlinge mit Schonung und Reinlichkeit er-

zogen werden2). Iſt dies ſo weit geſchehen, daß ſie verpflanzt

werden können, was von der Größe derſelben abhängt, ſo iſt eine

beſondere Sorgfalt anzuwenden, in Betreff der Jahreszeit und Art

des Aushebens derſelben, des Fortſchaffens und Vertheilens der-

ſelben, ihres Beſchneidens, des Aufgrabens der Pflanzlöcher, des

Einſetzens der Pflänzlinge, ihrer gegenſeitigen Entfernung auf dem

Waldboden, der Befeſtigung derſelben im Boden, und ihrer näch-

ſten Wartung3). 2) Oder Stecklinge, d. h. größere oder klei-

nere Baumäſte, welche, in die Erde geſteckt, Wurzeln treiben,

wie z. B. von Weiden, Pappeln. Sie ſind entweder Setzſtangen

(größere Aeſte von 8–10 Zoll Länge und 2 Zoll Dicke) oder

Setzreiſer (eigentliche Stecklinge, d. h. kleinere Aeſte und Zweige

von drei Jahren und 15–30 Zoll lang)4). 3) Oder endlich

Ableger, wenn man nämlich Aeſte, ohne ſie vom Stamme zu

trennen, an einer Stelle ſo mit Erde umwickelt oder in den Boden

gräbt, daß ſie Wurzeln zu ſchlagen vermögen5).

¹ Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 263. 282. 285. Pfeil Handbuch.

II. 392. Hartig Lehrbuch. II. Bd. I. Thl. 2r Abſchn. 3–5te Abthl. v. Burgs-

dorf Erziehung der Holzarten. I. Bd. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 202 folg.

Walter Nicol, der praktiſche Pflanzer, überſetzt von Roeldechen. Berlin 1800.

Kaepler, die Holzkultur. Leipzig 1803. v. Seutter, Anleitung zur Anlage der

Saamen- und Baumſchulen. Ulm 1807. Hartig Journal. I. 1. 3. II. 3.

Deſſelben Archiv. V. 3. Laurop Annalen. V. Band. 2. Heft. Wedekind

Jahrbücher. Heft 5. Pfeil kritiſche Blätter. V. 1. André Oekonom. Neuigkeiten.

1829. Nro. 7.

² Ein tauglicher Pflänzling muß die Wurzeln, den Schaft und die Krone

recht ausgebildet haben, weil er ohne dies nicht fortkommen kann. Die Culturen

oder Baumſchulen wollen eine geſchützte Lage und einen klimatiſchen agronomiſchen

Standort, der ihrem ſpäteren entſpricht, ohne ſie zu verweichlichen oder verkümmern

zu laſſen. Man ſchonet ſolche Plätze durch Gräben, Stangenzäune, Geflechte, Palli-

ſaden und Planken. Die Saat geſchieht ſo, daß die Pflänzlinge 1–2½ Fuß

auseinander ſtehen, weßhalb ſie ſtreifen- und furchenweiſe beſſer als voll geſchieht.

Das entſtehende Unkraut wird am beſten durch frühzeitiges Ausraufen und Abſchnei-

den vor der Saamenbildung hinweggebracht.

³ Das Verſetzen iſt entweder blos einfach (aus der Pflanzſchule ins Freie),

oder doppelt (vor der Pflanzung ins Freie noch einmal in der Schule ſelbſt). Es

muß hierauf ſchon bei der Saat Rückſicht genommen werden, weil die Pflänzlinge

im erſten Falle eines größeren Raumes bedürfen. Das erſte Verſetzen in der Pflanz-

ſchule findet ſchon im erſten Sommer oder in den folgenden zwei Frühlingen Statt.

Einen Platz zur Zucht kleiner Holzpflanzen aus Saamen, die vor dem Verſetzen ins

Freie noch einmal verpflanzt werden ſollen, nennt man Saatkamp; den Ort,

wohin ſie vorher verſetzt werden, aber Pflanzkamp (Pfeil Handbuch. II. 421.).

Das Verſetzen ins Freie darf aber erſt geſchehen, wenn die Stämme ſich bis zu

3 Zoll Durchmeſſer erweitert haben. Man wählt dazu immer die ſtärkſten, um den

[275/0297]

³ ſchwachen mehr Raum zur Entwickelung zu geben. Weniger als 1 Fuß lang, alſo

jünger als höchſtens 3 Jahre alt, dürfen ſie nicht ſein. Zum Verpflanzen paßt die

Zeit zwiſchen dem Abfalle und Wiederausbruche des Laubes, obgleich man es auch

im Frühjahre und Herbſte thun kann. Man ſticht die Pflänzlinge ſammt einem

Erdballen aus, und zwar die kleinſten mit dem Pflanzenbohrer (d. h. einem,

auf der einen Seite noch etwas offenen zylinderförmigen, Hohlſpaten), die mittleren

mit einem blos halb-zylinderförmigen Hohlſpaten, mit welchem man von beiden

Seiten abſtechen muß, oder mit einem gewöhnlichen flachen Spaten, mit dem man

von allen vier Seiten abſticht, und endlich die größeren mit dem Stoßſpaten

(d. h. einem etwa 1 Fuß langen und oben ¾, aber unten ½ Fuß breiten Spa-

tenblatte, das an einem ſtarken Stiele ſitzt), mit dem man die Erde rings um den

Stamm in einer Entfernung von ¾ bis [FORMEL] Fuß ſchief gegen die Wurzel losſticht.

Beim Transporte auf Karren iſt die Reibung der Pflänzlinge zu verhüten. Vor

dem Verſetzen beſchneidet man ſowohl die Wurzeln als auch die Krone, und zwar

die Leztere in dem Verhältniſſe, als jene ſchon durch das Ausſtechen beſchnitten iſt.

Mit der Trockenheit und Sonnigkeit der Lage ſteht die Stärke der Beſchneidung der

Krone in geradem Verhältniſſe, und man will ſogar durch das gänzliche Abhauen

des Stammes bis 7 oder 9 Fuß über die Wurzel bedeutende Vortheile im Ausſchlage

erreicht haben (Hundeshagen. I. §. 275.). Man verſetzt ſie in 3–6, 6–12

und 12–24 Fuß Entfernung von einander, je nach der Größe der Pflänzlinge, in,

ſich ebenfalls nach dieſer und nach dem Erdballen richtende, Löcher, und zwar

entweder in geraden Reihen oder je 3 in der Form eines gleichſeitigen Dreieckes

(Dreiverband), oder 4 in der Form eines Rechtecks (Vierverband) oder in der

lezteren Form mit einem 5ten Pflänzlinge in der Mitte (Fünfverband). Eine

Tabelle darüber, wie viele Stämme nach den drei erſten Formen auf 1 preuß. Mor-

gen gehen, findet ſich bei Pfeil Handbuch. II. S. 402. Zum Lochmachen kann

man ſich bequem auch der Ausſtichgeräthe bedienen, da man die Pflänzlinge höch-

ſtens in ſehr lockerem trockenem Boden 1 bis 2 Zoll tiefer, ſonſt aber gleich tief

einſetzt, als ſie früher geſtanden haben, um denſelben die gleichen Bedingungen

des Wachsthums zu erfüllen. Der Pflänzling muß im neuen Loche noch feſtgedrückt

oder getreten werden. Die weitere Wartung ſolcher Pflanzſchläge beſteht im An-

binden an Pfähle u. dgl., und im Abſchneiden der am Stamme hervorſchlagenden

Sproſſen im Sommer während der erſten Zeit.

⁴⁾ Man legt die Setzreiſer ſchief bis auf 23 Zoll Spitze in 12 Zoll tiefe

Gräben in eine Entfernung von 1½ Fuß auseinander, und verſetzt ſie nach ge-

hörigem Ausſchlage.

⁵⁾ Um das Abbiegen zu erleichtern, darf man auch einen Einſchnitt in den

Aſt machen, den man ſammt ſeinen Reiſern in die Erde biegt und bis auf weniges

bedeckt. Nach drei Jahren haben ſich dann an den jungen Zweigen ſchon Wurzeln

und Triebe gebildet, ſo daß man ſie vom Aſte abſtechen und nach 1–2 Jahren

verſetzen kann.

§. 226.

2) Weitere Pflege der Holzpflanzen oder Holzzucht.

Die weitere Pflege der Holzpflanzen (§. 151.) hat zum Zwecke,

in der kürzeſten Zeit mit den geringſten Koſten, ohne die Wald-

wirthſchaft zu zerſtören, den größten Naturalertrag aus denſelben

zu beziehen und den Wald nachhaltig zu machen. Die verſchie-

denen Arten der Holzzucht hängen alſo außer von äußeren Um-

ſtänden noch von der Natur und Beſchaffenheit der Holzpflanzen

ab. Es muß alſo vor der Anwendung irgend einer Methode der-

ſelben folgendes berückſichtigt werden: a) Der Organismus

der Holzpflanzen. Dieſelben beſtehen aus Holz- und Rinden-

18 *

[276/0298]

körper. Zu dem Erſteren gehört das Mark (ein ſaftiges, nur

bei jungen Pflanzen vorhandenes, Zellengewebe), und das Holz

(ein harter, das Mark zunächſt umgebender, aus Zellen und

Spiralgefäßen beſtehender Körper), welches jährlich in concentri-

ſchen Ringen anſetzt, von denen der äußerſte jüngſte und weichſte

der Splint (Alburnum) heißt. Zu dem Anderen gehört der Baſt

(Liber), welcher ſich gerade außerhalb an den Splint anſchließt

und aus ſehr feinem ſchlauchförmigem Zellgewebe und ſo vielen

dünnen Häuten beſteht, als das Holz Jahre alt iſt, — die Rinde

(Cortex), welche die äußere Bekleidung des Stammes ausmacht,

— und die Oberhaut (Epidermis), welche bei jungen Bäumen

gefunden wird und zuletzt noch die Rinde umſchließt. b) Die

äußere Form der Holzpflanzen. In dieſer Hinſicht unter-

ſcheidet man die Bäume (mit einem Stamme), Sträuche (mit

oder ohne Hauptſtengel) und die Stauden (Halbſträuche). Die

Wurzeln ſind entweder Pfahl-, Seiten- oder Saugwurzeln. In

Betreff der Bekleidung der Zweige unterſcheidet man Laub- und

Nadelhölzer, deren weſentlicher innerer Unterſchied jedoch darin

beſteht, daß der Pflanzenſaft bei jenen wäſſerig, bei dieſen aber

harzig iſt, und daß jene ein beſſeres Reproductionsvermögen haben

als dieſe, welches ſich in der öfteren Erneuerung der Blätter und

darin zeigt, daß ſie nach dem Abhauen des Stammes aus dem

Stocke Schößlinge und Blätter treiben können1). Auf dieſen Ei-

genthümlichkeiten beruhet der Unterſchied und die Behandlung des

Hochwaldes, Niederwaldes, Mittelwaldes, Kopfholz-

waldes, der Hecken und der Uebergang von einem zum andern.

¹ Dieſe Angaben ſind Reſultate der Botanik, beſonders der Forſtbotanik,

worüber auch die Forſthand- und Lehrbücher handeln, aber insbeſondere empfohlen

werden können: v. Seutter Forſtwirthſch. L. II. Bd. Bechſtein Forſtbotanik.

Gotha 1821. 4te Aufl. Reum Forſtbotanik. Dresden 1825. 2te Aufl.

§. 227.

a) Holzzucht. α) Hochwaldwirthſchaft1).

Das Charakteriſtiſche derſelben iſt, daß man die Hölzer ihr

volles Wachsthum und ein ſolches Alter erreichen läßt, daß ſie bei

der Abholzung durch den natürlichen Auswurf von Saamen ſich

wieder vollſtändig erneuern können. Daher muß der Raum der

Baumkronen über dem Waldbeſtande ſo vor einem dichten gewölb-

ten Schluſſe bewahrt werden, daß Licht und Feuchtigkeit, ſo viel

zum Aufkommen der jungen Pflänzchen nöthig iſt, auf den Boden

eindringen können. Daher müſſen Baumfällungen oder Hiebe Statt

finden, welche man Saamen- (oder dunkle) Schlagſtellung

[277/0299]

nennt, und es muß dabei das Aufkommen der Forſtunkräuter ver-

hütet werden. Man wählt zum Hiebe begreiflicher Weiſe die be-

ſchädigten tiefäſtigen und ſaamenarmen Bäume. Dieſe Lichtſtellung

geſchieht entweder ſogleich nach dem Saamenabfalle, oder auch

ſchon früher, einige Jahre vor dem zu vermuthenden Saamen-

abfalle. Wenn Lezterer erſt ſpät eintritt, ſo wächst anſtatt des

Anfluges das Unkraut, indem es den Saamenhieb benutzt; und doch

iſt man oft wegen Holzbedarf dazu genöthigt. Damit der Saamen

beſſer keimen kann, iſt es gut, die Decke von Moos und Laub auf

dem Boden vorher zu erhalten, oder den Boden mit Rechen ein

wenig zu verwunden. Je mehr der Anflug oder Aufſchlag wächst,

deſto nothwendiger wird ihm das Licht. Daher müſſen von den

Saamenbäumen nach und nach wieder periodiſch ſelbſt welche aus-

gehauen werden. Dieſe Operation heißt man Lichtſchlagbeſtel-

lung, und den Platz derſelben Lichtſchlag. Sie geſchieht im

Herbſte. Aber in dieſer Periode darf in dem Schlage weder Vieh-

hütung noch Streu- und Grasſchnitt Statt finden. Iſt endlich

das neue Holz über die Gefahren des Klima hinausgewachſen, ſo

wird die noch übrige Maſſe von Schutz- und Saamenbäumen vol-

lends ausgehauen, und dieſe Operation heißt Abtriebsſchlag.

Die unbeſaamt gebliebenen Plaggen werden dann künſtlich beſäet

(§. 224.). Je mehr das junge Holz raſch fortwächst, deſto dichter

wird es ein Ueberzug über den Boden. Man ſagt, es ſchließe

ſich, und nennt es junges Dickigt. Jedoch bald ſtechen die

Stämmchen hervor und unterdrücken anderen Nebenwuchs und

Nachbaren. Man ſagt, das Dickigt ſchneidle ſich aus und

nennt es Reidelholz. In dieſer Periode bildet ſich auch die

natürliche Bedüngung durch Abſterben und Verweſen der unter-

drückten Stöcke. Um aber den hervorſtechenden Stämmen mehr

nachzuhelfen, wird das abgegangene Holz ausgehauen, und dieſe

Operation heißt Durchforſten (dunkles Pläntern)2).

¹ Ueber Waldwirthſchaften ſ. m. außer den angeführten Lehr- und Hand-

büchern noch Krünitz Oekonom. Encyclopädie. XXIV. S. 650. Laurop, der

Waldbau. Gotha 1822. S. 22. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 183. 186.

Papius, die verſchiedenen Betriebsarten. Aſchaffenburg 1821. Hartig Archiv.

VI. Bd. Journal I. 2. Heft. Deſſelben Forſtbetriebseinrichtung. Kaſſel 1825.

Moſer Archiv. III. 1. Laurop Forſtwiſſ. Heft. 1tes Heft. Hundeshagen

Beiträge. Bd. I. u. II. Schmitt, Anl. z. Erziehung der Waldungen. Wien 1821.

Insbeſondere ſ. m. über Hochwaldwirthſchaft Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 94.

Pfeil Handbuch. II. S. 223 folg. Hartig Lehrbuch. II. Bd. I. Thl. 1r u. 3r

Abſchn. Laurop Hiebs- und Culturlehre. S. 93. 108. und Andere.

² Durchforſtungen dürfen erſt Statt finden, wenn das Holz über die Gefahren

von Schnee und Reif hinausgewachſen ſind. Die Zeit iſt aber ſonſt von der Natur

der Holzart abhängig, ſo wie von der Dichtigkeit des Standes und der Güte des

Bodens; denn davon hängt die Schnelligkeit des Höhetriebes ab, wie umgekehrt die

[278/0300]

² Verſtärkung des Stammes. Die Krone ſelbſt darf nicht ausgebrochen, ſondern blos

todtes und abſterbendes Holz herausgenommen werden; höchſtens iſt erlaubt, fremd-

artiges Holz herauszuhauen. Auch die Häufigkeit der Durchforſtungen hängt von

beſonderen äußeren Umſtänden ab, weil nicht blos die Wüchſigkeit des Holzes,

ſondern auch Verkehrsverhältniſſe darüber gebieten. Doch finden ſie in der Regel in

Zeiträumen von 10 bis 20 Jahren Statt, obſchon es auch früher ſein könnte.

Man ſ. über Durchforſtungen noch insbeſondere Pfeil Handbuch. II. 326. Späth,

Ueber periodiſche Durchforſtung. Nürnberg 1802. André Oekonom. Neuigkeiten.

1828. Nro. 4. 1829. Nro. 7. Wedekind Jahrbücher. 3s u. 6s Heft. Pfeil

Krit. Blätter. IV. 2s Heft. Hartig Archiv. V. Bd. Meyer Forſtdir. L. §. 196.

Hundeshagen Beiträge. I. u. II. Bd. Laurop Annalen. VI. Bd. 2s u. 4s Heft.

Laurop Hiebs- und Kulturlehre. S. 129.

§. 228.

Fortſetzung. β) Niederwaldwirthſchaft1).

Das Bezeichnende für dieſelbe iſt, daß man in gewiſſen Perioden

die herangewachſenen Waldbeſtände über der Wurzel abhaut, ſo

daß ſich der Stock durch Lohdentrieb aus den Wurzeln und durch

das Ausſchlagen des Stockes verjüngen kann. Wie oft nach jedes-

maligem Abhiebe ein Ausſchlag erfolgt, läßt ſich allgemeinhin nicht

beſtimmen. Der Leztere findet in der Zeit zwiſchen dem Ausbruche

des Laubes und der Mitte des Juli Statt. Geſchieht der Hieb

vor dem Laubausbruche unmittelbar, ſo entſteht das Bluten

(Saftrinnen) des Stockes, welches in ein Verbluten (oder Er-

ſticken im Safte) ausarten kann, wenn es an Sonne und Licht

mangelt2). Die Niederwaldwirthſchaft paßt auf mageren oder

nicht tiefen Boden, weil in ihr das Holz weder einen ſo tiefen

Stand, noch ſo viel Nahrung bedarf als im Hochwalde, und weil

der niedere Holzſtand eine beſſere Bodenbeſchattung bewirkt. Dieſe

Art Holzzucht kann alſo im Hochgebirge, aber auch in rauhem

Klima darum noch leicht Statt finden, weil die Hölzer nicht hoch

zu wachſen haben. Sträuche ſind aber überhaupt dazu ſehr brauch-

bar. Die beſte Zeit des Wiederausſchlages (des Umtriebes) iſt

jedoch nach der Natur der Holzgattung verſchieden. Allein je länger

der Umtrieb verſchoben werden kann, wenn das Holz recht im

Wachſen iſt, deſto vortheilhafter wird es an ſich ſein in Bezug auf

den Holzertrag. Die gewöhnlichen Umtriebsperioden ſind 10, 20,

30, 40 bis 45 Jahre. Man hat einen Saft- und einen Herbſt-

oder Winterhieb, je nachdem man kurz vor dem Laubausſchlage

oder kurz nach dem Laubabfalle fällt. Im Vorſommer den Hieb

anzuwenden verdirbt den Ausſchlag. Die andere Wahl hängt von

beſonderen Umſtänden ab. Bei der Ausführung des Abtriebes darf

der Stock, der bei jungem Beſtande tief, bei altem aber höher

geſchehen muß, nicht zerſplittert werden und der Hieb muß glatt

ſein. Reine Niederwaldwirthſchaft findet Statt, wenn man alles

[279/0301]

Holz auf der Wurzel haut und dieſe ganze Fläche einen neuen

Stockausſchlag (Unterholz) bildet. Man läßt aber oft einzelne

Stangen in gegenſeitiger Entfernung von 15–20 Schritten (ſo-

genannte Lasreidel) ſtehen, die man erſt beim nächſten Umtriebe

nimmt und durch andere vertauſcht.

¹ Ueber Niederwaldwirthſchaft ſ. m. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 155.

Pfeil Handbuch. II. S. 292. Hartig Lehrbuch. II. Bd. I. Thl. 2. Abſchn.

1. Abthl. Ders. Ueber die beſte Hauzeit des Wurzelholzes. Leipzig 1807. Laurov

Hiebs- und Culturlehre. S. 104. 166. Käppler durch Erfahrung erprobte Holz-

cultur. Leipzig 1805. vergl. mit Schmitt Bemerkungen über den Käppler'ſchen

Safthieb. Gotha 1804. Meyer Forſtdir. Lehre. §. 183. 187. Hartig Journal.

I. Heft 3. Archiv. V. Heft 1. Pfeil krit. Blätter. IV. Heft 2. Laurop An-

nalen. IV. Heft 1. Auch ſoll Freſenius (Abhandlungen über forſtwiſſ. Gegen-

ſtände. Frankfurt a. M. 1811.) darüber handeln.

² Das Bluten kann geſtillt werden durch das Auftragen von Aetzkalk oder

Holzaſche auf die Schnittfläche. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 157. Note a.

§. 229.

Fortſetzung. γ) Mittelwaldwirthſchaft1).

Sie iſt ein Mittelding zwiſchen den beiden genannten (§. 227.

228.), indem man zwiſchen den Stöcken des Niederwaldes (Un-

terholz) zerſtreute Hochſtämme (Oberholz) ſtehen läßt, wie ſie

im Hochwalde vorkommen. Man verbindet dabei die Vortheile

jener beiden Wirthſchaftsarten, beſonders da das Oberholz dem

Unterholze Schutz und Schatten gewährt. Die Regeln der genann-

ten Wirthſchaftsmethoden kommen alſo hier vermiſcht vor. Man

liebt als Oberholz die ſchön und kräftig gebildeten, nicht zu

äſtigen, Holzſorten. Wenn man aber für jede Umtriebszeit auch

Oberholz zu ſchlagen haben will, ſo muß man auch Stämme von

verſchiedenen Altersklaſſen haben, die jedoch ſämmtlich dem Unter-

holze voraus ſind. Das Oberholz von einer Umtriebszeit heißt

man Lasreidel, von 2 und mehr Umtriebsperioden aber Ober-

ſtänder, und in der Folge, wie das Alter um eine Umtriebszeit

zunimmt, angehende Bäume, Hauptbäume, alte Bäume.

Es iſt leicht erſichtlich, daß die Anzahl der Stämme von dieſen

Altern je mit dem Alter ſelbſt im umgekehrten Verhältniſſe ſteht,

denn von den jüngern geht immer eine gewiſſe Zahl bis zum

vollen Alter zu Grunde und werden auch manche beim Hiebe früher

mitgenommen. Je mehr man, ohne Schaden des Unterholzes

durch die Dichtigkeit des Kronſchirmes, der keine oder wenig

Feuchtigkeit durchläßt, Oberholz bauen kann, um ſo vortheilhafter

iſt der Mittelwald2). Man hat alſo bei der Frage über die Stärke

der Beſetzung mit Oberholz zuerſt auszumitteln, wie viele Jahre

[280/0302]

eine Holzſorte zu einer beſtimmten Ausbildung brauche, wie groß

die Krone derſelben in beſtimmten Altern ſei, welche Fläche ſie

alſo beſchirmen werden (Schirmfläche), wie groß die Schirmfläche

ſämmtlicher Stämme einer Klaſſe ſein werde, wie viel auf der

Fläche des Schlages Schirm ſein darf, und wie viel man alſo

auf dieſelben Bäume jeder Klaſſe ſetzen darf. So entſtehen nun

die Bewirthſchaftungspläne für den Mittelwald unter Annahme

einer beſtimmten Periode und Fläche.

¹ Ueber Mittelwaldwirthſchaft ſ. m. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 169.

Pfeil Handbuch. II. S. 303. Hartig Lehrbuch. II Bd. I. Thl. 2. Abſchn.

1. Abtheil. 5. Kapit. Pfeil, Behandlung des Mittelwaldes. Züllichau und

Deſſelben Krit. Blätter. I. 1. Heft. Krünitz Encyclopädie. XIV. 572. XXIV.

634. Laurop Jahrbücher. I. 3. Heft. Deſſelben Hiebs- und Kulturlehre.

S. 182.

² Hundeshagen (Encyclopädie. I. §. 172.) gibt folgenden allgemeinen

Maaßſtab an: a) daß, je beſſer der Boden und die Wachsthumskraft der Holzarten

ſei, das Unterholz um ſo weniger von der Beſchirmung leide; b) daß im entgegen

geſetzten Falle eine ſtarke Beſchirmung nachtheilig, aber eine mäßige gleiche Be-

ſchattung die Bodenfeuchtigkeit erhalte und die Blätterausdünſtung hemme, alſo für

den Ausſchlag förderlich ſey; c) daß folglich unter erſteren Verhältniſſen bei hohem

(30–40 jähr.) Betriebe der Oberholzſchirm über ¾ der Grundfläche betragen und

zum Theile aus 160–170 jährigen Stämmen beſtehen dürfe, ohne ſchädlich zu

werden, dagegen aber unter den anderen Umſtänden die Beſchirmung nur ½-[FORMEL]

der Bodenfläche treffen und höchſtens 60–90 jähr. Bäume enthalten dürfe.

§. 230.

Fortſetzung. δ) Kopfholzwirthſchaft1).

Dieſelbe beſteht darin, daß man durch periodiſches Abhauen

der Aeſte gegen dem Kopfe des Baumes das Wiederausſchlagen am

Stamme bewirken will. Man wird dieſe Methode auch dort alſo

anwenden können, wo man die Bodenfläche zu Viehweide verwen-

den will und das Holz nicht gegen Wildſchaden bewahren könnte,

wenn es niederſtehende Aeſte hätte. Dieſelbe iſt durchaus künſtlich,

indem man die Bäume auf die Fläche in ſolche Entfernungen ſetzt

daß zwiſchen ihren Kronen einige Fuße Zwiſchenraum bleibt. Die

Umtriebszeit iſt 5, 10, 15, 20–30 Jahre, welche beide Lezteren

ſchon zu den Seltenheiten gehören. Der Hieb findet, wann ſonſt

(§. 228.), auch Statt. Man haut entweder blos die Seitenäſte

der Krone ab (Schneideln), oder man nimmt die ganze Krone

bis auf 6–10 Fuße über der Erde2).

¹ S. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 176. Pfeil Handb. II S. 321.

Hartig Lehrbuch. II. Bd. a. a. O. (ſ. §. 229.) 7s Kap. Hobbe Anweiſung zur

beſſeren Holzkultur. Münſter 1791. Laurop Hiebs- und Kulturlehre. S. 179.

Finger Abhandlung vom Köpfen der Bäume. Kaſſel 1794. Weiſe Anweiſung

zur Behandlung der Kopfweide. Rudolfſtadt 1804. Pfeil Krit. Blätter. V. 1.

Hartig Archiv. I. Heft 3.

[281/0303]

² Auch hier iſt die Gefahr des Erſtickens der Bäume im eigenen Safte vor-

handen. Daher bedarf es eines vorſichtigen Hiebes. Auch ſoll das Stehenlaſſen

eines Aſtes (Zugaſtes) auf dem Baume bis zum nächſten Jahre ein Mittel

dagegen ſein.

§. 231.

Fortſetzung. ε) Heckenwirthſchaft.

Die Zucht der Hecken, wozu man blos Geſträuche brauchen

kann, iſt in doppelter Hinſicht, nämlich als Mittel zur Einhegung

in Feld und Wald und als eine Art von Holzzucht, wichtig. Um

ſie recht betreiben zu können, muß man Holzarten wählen, welche

bei bedeutender Ausſchlagfähigkeit aus Wurzeln und Gerten einen

ſperrigen Wuchs haben und gut zu beſchneiden ſind. Hauptſache

bei der Pflanzung iſt aber, daß man dem Boden entſprechende

Geſträuche nimmt. Man erzieht die Stöcke entweder in Pflanz-

ſchulen oder man nimmt ſie aus Schonungen, um ſie zu verſetzen.

Zu dieſem Zwecke zieht man um den einzufriedigenden Platz zuerſt

einen Graben, und wirft den Ausſtich nach innen. Denn auf die-

ſen, wenn er hinlänglich eben gemacht iſt, ſetzt man die Pflanzen

1–2 Fuß auseinander, ſchlägt in der Entfernung von 1 Ruthe

jedesmal einen Pfahl ein und verbindet dieſe gegenſeitig immer

mit einer Querlatte in einer Höhe von 3–4 Fuß, zum Anheften

der Pflanzen. Alles Folgende beſteht nun noch im Beſchneiden,

Formen, Verflechten und Ergänzen der Hecken durch neue Ein-

pflanzungen1).

¹ Pfeil Handbuch. II. S. 324. v. Burgsdorf Erziehung der Holzarten.

I. 91. Krünitz Encyclopädie. XXII. 619. Beckmann Oekonom. Bibliothek.

XV. 587 (Auszug aus der Schrift von Amoureux, sur les haies destinés sur la

cloiture etc. Paris 1787.). Walther Forſtwiſſenſchaft. §. 383. Moſer Archiv.

X. 192. Stahl Magazin. V. 63. Bei Hecken, die man nicht beſonders pflegen

und verdichten kann, ſucht man den Mangel an Dichtigkeit durch eine breite

Pflanzung (von 1 Ruthe und drüber) zu erſetzen.

§. 232.

Schluß. η) Uebergang von einer Wirthſchaft in die andere1).

Die Holzarten lieben ſelbſt oft einen Wechſel in der Beſteckung,

ſo daß die Natur ſelbſt eine Umwandlung vornimmt; und oft ſind

Umwandlungen die Folge von ſchlechter Waldwirthſchaft.

Von dieſen Arten der Umwandlung iſt hier nicht die Rede, ſon-

dern vielmehr von dem abſichtlichen und kunſtmäßigen Ueber-

gange aus einer Wirthſchaft in die andere. 1) Zum Ueber-

gange vom Hochwalde in Nieder- und Mittelwald muß

man zuerſt wiſſen, ob derſelbe noch das rechte Alter zum Stock-

ausſchlage hat oder nicht. Im erſten Falle treibt man den Wald

[282/0304]

bis auf die Stöcke ab (man ſetzt ihn auf die Wurzel), und läßt,

wenn es einen Mittelwald geben ſoll, ſo viel Lasreidel ſtehen, als

zur Beſchirmung nöthig ſind, nimmt aber, wenn es einen reinen

Niederwald geben ſoll, ſelbſt auch dieſe hinweg. Im zweiten Falle

muß durch Saamenſchlageinrichtung für den Nachwuchs geſorgt

und, um Mittelwald zu bilden, geſundes Baumholz ſtehen gelaſſen

werden. 2) Zum Uebergange vom Niederwalde in den

Hochwald muß zuerſt ausgemacht ſein, daß noch aus dem Unter-

holzbeſtande ein geſchloſſener Hochwaldbeſtand gebildet werden kann.

Man nimmt dann das zu Stammholz unbrauchbare Unterholz her-

aus, und füllt die ſo periodiſch entſtehenden Lücken durch Pflanzung

aus, wenn der umzuwandelnde Strich klein und für ſich beſtehend

iſt. Eine beſondere Aufmerkſamkeit verdient aber das Verhältniß

der Altersklaſſen der Bäume, wenn der umzuwandelnde Wald

ſpäter für ſich ein Ganzes in der Bewirthſchaftung bilden ſoll.

Dazu gelangt man am ſicherſten, wenn man den Niederwald in

regelmäßigen Parthien (Schlägen) nach und nach jährlich abtreibt

und in jedem ſolchen Schlage ſo viel Stämme oder Lasreidel

ſtehen läßt, als zu einer gehörigen Beſchirmung durch Schluß

nöthig ſind. Das Wichtigſte dabei iſt aber, daß man den Beſtand

in ſo viele Schläge theilt, daß nach dem Umtriebe die beim Ab-

triebe jedesmal gebliebenen Bäume Saamen zu tragen beginnen

können. 3) Zum Uebergange vom Mittelwalde in den

Hochwald iſt ein ſehr vielfach abweichendes Verfahren nöthig,

weil die Verhältniſſe der Mittelwaldbeſtände äußerſt verſchieden

ſind. Das Unterholz ſtirbt allmälig aus, wenn das Oberholz der

Menge und Beſchirmung nach überſchritten wird. Man hat ſo von

der Natur ſelbſt den Gang bei dieſer Umwandlung im Allgemeinen

vorgezeichnet. Es muß demnach das Unterholz abgetrieben und nur

derjenige Theil von Lasreideln ſtehen gelaſſen werden, der noch

zur Vervollſtändigung des Hochwaldſchluſſes dienen muß. Auch

kann man den Hochwald durch Beſaamung beginnen und wendet

jedenfalls auf Blößen die Pflanzung an. Sehr zweckmäßig ſind

beſonders bei Umwandlung großer Waldungen die Eintheilungen

der ganzen für den künftigen Hochwald einzuführenden Umtriebs-

zeit in mehrere Perioden, und die Wahl der Waldparthien, welche

in dieſen Perioden verjüngt werden ſollen. So entſtehen dann ſo

viele Altersklaſſen in den Beſtänden, als Perioden gemacht wurden.

Es iſt leicht wahrzunehmen, daß die Mittelwaldwirthſchaft noch in

den nächſten Perioden während der Umwandlung fortgeführt wird.

¹ Hundeshagen Encyclop. I. §. 198. 212. Pfeil Handb. II. S. 314.

Hartig Journal. I. Bd. 2s Heft. Laurop Annalen. II. Bd. 4s Heft.

[283/0305]

§. 233.

b) Forſtſchutz.

Wenn die Holzzucht gedeihen ſoll, ſo müſſen nicht blos die

poſitiven Bedingungen des Wachsthumes der Bäume erfüllt, ſon-

dern auch möglichſt alle Gefahren, welche daſſelbe hindern oder

zerſtören könnten, abgehalten werden. Das iſt der Zweck des

Forſtſchutzes1), der wegen ſeiner großen Wichtigkeit in der

Forſtwiſſenſchaft eine ſehr bedeutende Stelle einnimmt. Die Thä-

tigkeiten und Maßregeln deſſelben richten ſich nach der Art der

Gefahren. Dieſe ſind folgende:

1) Gefahren von Seiten der Menſchen. Sie beziehen

ſich entweder auf das Eigenthum ſelbſt, oder auf die Nutzung des

Waldes, oder auf beide zugleich. Zum Schutze des Waldeigen-

thums dienen die verſchiedenartigen Grenzen, als Haupt-,

Beholzungs-, Weide-, Behutungs-, Jagdgrenzen u. dgl., welche

man durch äußere Zeichen andeutet. Die Nutzung wird gefähr-

det ſowohl durch Mißbrauch der Hauptnutzungen (z. B. ſchlechte

Waldwirthſchaft irgend einer Art) als auch durch Mißbrauch der

Nebennutzungen (Weide, Gras, Streu, Laub, Mäſtung, Rinden-

ſchälen, Saft- und Harzreißen, Jagd u. dgl.). Beides zugleich

iſt gefährdet durch Diebſtahl, andere Waldfrevel, Brand u. dgl.

Hier ſind gute Polizeigeſetze zum Schutze nöthig.

2) Gefahren von Seiten der Thiere. Der Schaden

entſteht zum Theile von vierfüßigen Thieren2), zum Theile von

Vögeln3), zum Theile von Inſekten4) und zum Theile von

Schmetterlings- und Blattweſpen-Raupen oder Larven5). Die

Mittel gegen dieſelben finden ſich zum Theile in der Natur ſelbſt,

indem dieſe durch Witterung und andere Thiere, welche jenen

Feind ſind, dagegen wirkt, zum Theile ſind ſie künſtlich, entweder

indem man die Feinde ſolcher Thiere hegt, oder indem man die

ſchädlichen Thiere zu entfernen und ihren Verheerungen vorzu-

beugen ſucht. Man hat dazu aber ſehr viele verſchiedene Wege.

3) Gefahren von Seiten der Natur im Allgemeinen.

Es gehören hierher vor Allem die Krankheiten der Bäume6), die

Schaden durch klimatiſche Veränderungen7) und durch Natur-

ereigniſſe8). Auch für dieſe Fälle ſind ſo viele Mittel angerathen,

daß ſie hier nicht erwähnt werden können.

¹ Laurop Grundſätze des Forſtſchutzes. Heidelberg 1811. 2te Ausg. 1834.

Bechſtein Forſtbeſchützungslehre. Gotha 1813 (IV. der Forſt- und Jagdwiſſenſchaft).

Schilling, der Waldſchutz. Leipzig 1826. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 463.

u. III Bd. Hartig Lehrbuch. II. Bd. II. Thl. Pfeil Handbuch. III. Abthl.

[284/0306]

² Es gehört hierher das Hirſch- und Schweinwildpret, das Eichhörnchen,

der Maulwurf in Pflanzungen, der Haaſe und die Mäuſe, nämlich die große

Haſelmaus (Mus quercinus), die kleine Haſelmaus (M. avellanarius), die Wan-

derratte (M. decumanus), die große Feldmaus (M. sylvaticus), die Brandmaus

(M. agrarius), die kleine Feldmaus (M. arvalis), die große Reitmaus (M. amphi-

bius seu terrestris), und der Siebenſchläfer (M. glis), deren Hauptfeinde der Fuchs,

der Igel, die Wieſel, die wilde Katze und die Eule ſind.

³ Man hat hierher den Auer- und Birkhahn, das Haſelhuhn, die Finken,

Kreutzſchnäbel, Ammern, die wilden Tauben und Heher zu zählen.

⁴⁾ Es gibt nicht weniger als 700 Inſekten, die in forſtlicher Hinſicht ſchädlich

ſind. Die vorzüglichſten ſind folgende: der Maikäfer (Melolontha majalis seu vul-

garis), der Juniuskäfer (Melolontha solstitialis), der Juliuskäfer (scarahaens

fullo), der Gartenlaubkäfer (sc. horticola), der Hirſchſchröter (Lucanus cervus),

der Balkenſchröter (L. parallelipipedus), der gemeine Borkenkäfer (Bostrichus s.

Dermestes typographicus), der Kiefernborkenkäfer (B. pinastri), der Fichtenborken-

käfer (B. piniperda), der Lerchenborkenkäfer (B. laricis), der Kupferſtecherborken-

käfer (B. Chalcographus), der Tannenborkenkäfer (B. micrographus), der Zeichner-

borkenkäfer (B. polygraphus), der Kolbenborkenkäfer (B. scolytus), der Pappeln,

Blattkäfer (Chrysomela populi), der Vierpunkt-Blattkäfer (Chrysomela quadri-

punctata), der Fichtenrüſſelkäfer (Curculio pini), der violette Rüſſelkäfer (C. viola-

ceus), der beſtäubte Rüſſelkäfer (C. incanus), der Aurora-Rüſſelkäfer (C. aurora),

der rothſüßige Rüſſelkäfer (C. rufipes), der Buchen-Blattminirkäfer (C. fagi), der

Erlenverderber (C. Lapathi), der ausſpähende Bockkäfer (Cerambyx inquisitor),

der ſeehundfarbige Bockkäfer (Cerambyx Carcharius), der finniſche Bockkäfer (C.

finnicus).

⁵⁾ Hierher: der Weidenſpinner (Phalaena Bombyx salicis), der Weißdorn-

ſpinner (Ph. B. chrysorhoea), die Nonne (Ph. B. monacha), die Kiefernſpinner

(Ph. B. pini), der Weißbuchenſpinner (Ph. B. neustria), der Fichtenſpinner (Ph.

B. pytyocampa), der Weidenholzſpinner (Ph. B. cossus), der Roßkaſtanienſpinner

(Ph. B. aesculi), die Pflaumeneule (Phalaena noctua quadra), die Kieferneule

(Ph. noctua piniperda), der Fichtenſpanner (Phal. geometra piniaria), der Frul-

bornſpanner (Phal. geometra trumata), der Kahneichenwickler (Phal. tortrix viri-

dana), der Fichtenwickler (Ph. tortrix hercyniara), der Kiehnſproſſenwickler (Ph.

tortrix resinana), der Tannenzapfenwickler (Ph. tortrix strobilona), der Nadel-

wickler (Ph.tortrix piocana), die Tangelmotte (Ph. tinea dodecella), die Kien-

motte (Ph. tinea turionella), die Eichrindengallweſpe (Cynips quercus corticis),

die dickſchenkelige Blattweſpe (Tenthredo femorata), die Rothtannen Blattweſpe

(T. abietis seu pini), die rothköpfige Blattweſpe (T. erythrocephala), die Fähren-

blattweſpe (T. pinastri).

⁶⁾ Die Krankheiten der Waldbäume ſind entweder örtlich (Wunden, Geſchwüre,

Auswüchſe) oder allgemein, und rühren im lezten Falle entweder von vermehrter

Lebenskraft her (Saftfülle, Rothfäule, Saftfluß, Bleich-Gelbſucht, Entzündung,

unreifer Splint) oder von verminderter Lebenskraft (Auszehrung, Trockniß, Gipſch

dürre, Fäulniß, Honig- und Mehlthau, Ausſatz).

⁷⁾ Solche Beſchädigungen entſtehen durch Sturmwinde, Fröſte, Schnee und

Rauhreif.

⁸⁾ Hierher gehören die Ueberſchwemmungen, Dürre, Flugſand u. ſ. w. Li-

teratur bei Pfeil Handbuch I. S. 141.

IV. Die Ernte- oder Hiebslehre1).

§. 234.

1) Hauptforſtnutzung. a) Der Hieb im Allgemeinen.

α) Haubarkeit.

Die ganze Forſtnutzung zerfällt in die Haupt- und in die

Nebennutzungen. Die Hauptnutzung iſt der Ertrag an Holz

[285/0307]

für den Landbau, Waſſerbau, Erd- und Grubenbau, Schiffsbau,

Maſchinenbau, Bloch- und Schnittbau, für Handwerkszwecke, Wirth-

ſchaft und Geſchirre. Es iſt durchaus nicht gleichgiltig, wann das

Holz geſchlagen wird. Denn der Ertrag iſt immer noch im Stei-

gen, ſo lange der Baum nicht ſeine Vollkommenheit erreicht hat,

und nimmt alsbald ſteigend ab, wenn er über dieſe Periode hinaus

ſtehen bleibt. Die Zeit der Haubarkeit, welche im einzelnen

Falle nicht blos nach der Natur der Holzarten, ſondern auch nach

der Art der Waldwirthſchaft (§. 227–232.) verſchieden iſt, rich-

tet ſich im Allgemeinen alſo nach natürlichen und nach wirthſchaft-

lichen Umſtänden. Daher unterſcheidet man die natürliche und

die wirthſchaftliche Haubarkeit. Jene tritt ein, ſobald das

Wachsthum der Bäume den höchſten Zuwachs erreicht hat, und iſt

äußerlich zu erkennen2). Dieſe aber tritt ein, wenn der Hieb

von den Regeln einer nachhaltigen Wirthſchaft geboten wird, folg-

lich wenn die größte Holzmenge erzielt werden kann, wenn der

größte Erlös zu erwarten iſt, und wenn die Reproduction dadurch

nicht vernichtet wird, weßwegen der Hieb nicht Statt finden ſoll

vor dem Tragen reifer Saamen oder ſo lange die Saamen- oder

Schößlingserzeugung dauert, je nachdem das Eine oder Andere

von der Art der Waldwirthſchaft verlangt wird.

¹ Zur Literatur: Laurop, die Hiebs- und Kulturlehre. (Karlsruhe 1816.)

S. 55. Schmitt Forſtgehaubeſtimmung. Wien 1818. II Bde. v. Kropff Sy-

ſtem und Grundſätze. S. 113. Duhamel de Monccau, Von der Fällung der

Wälder. Aus dem Franzöſiſchen überſetzt von Oelhafen v. Schöllenbach.

Nürnberg 1766–1767. II Theile. Hundeshagen Encyclopädie. I §. 391.

Beckmann, Von der Holzſaat. I. 197. Moſer Archiv. XV. 29. Hartig

Archiv. V. 3. Laurop Annalen. IV. 1. Hartig Lehrbuch. III. Bd. IV. Thl.

² Laurop (Hiebslehre S. 57.), welcher auch noch gegen die Regeln der

Logik zu der natürlichen und wirthſchaftlichen Haubarkeit eine techniſche annimmt,

gibt (§. 38.) als ſicherſtes Merkmal der natürlichen Haubarkeit, neben mehreren

unſicheren, die unvollkommene (!) Ausbildung der äußeren Theile des Baumes und

das Abſterben der Gipfel deſſelben an.

§. 235.

Fortſetzung. β) Hauptregeln beim Hiebe.

Es iſt leicht einzuſehen, daß hier nicht von dem Hiebe, als

dem weſentlichen Theile einer Art von Waldwirthſchaft, ſondern

nur von Operationen und Rückſichten die Rede ſein kann, welche

bei der Fällung des Holzes Statt finden müſſen. Es leiten dabei

folgende Regeln: 1) In Betreff der Anordnung des Hiebes.

Man darf den Wald nicht auf einmal ganz abhauen, ſondern muß

jährlich oder periodiſch nur einen Theil des ganzen Waldbeſtandes

dem Hiebe unterwerfen, um nach gleichen Perioden gleichviel Holz

[286/0308]

zu gewinnen. Der Hieb darf nicht regellos geſchehen, ſondern es

muß dabei eine beſtimmte Ordnung gehalten werden. Iſt nun

eine regelmäßige Waldwirthſchaft eingeführt, ſo wird nach der

Regel gehauen, welche derſelben zu Grunde liegt. Iſt eine bis-

herige Waldwirthſchaft in eine andere zu verwandeln, ſo geſchieht

der Hieb nach den Uebergangsgrundſätzen. Iſt ein Gehölz oder

ein Forſt in Betreff des Alters, der Größe und Art des Holzes

ganz unregelmäßig bewachſen, ſo muß er für die Zukunft ſobald

als möglich in einen geregelten Beſtand verwandelt werden. In

dieſem Falle geſchieht der Hieb nach den Grundſätzen zur Anlage

der ſpäteren Wirthſchaftsart, und die Wahl der nächſten Wirth-

ſchaftsart hängt von dem jetzigen Beſtande des Waldes ab, welcher

auch nach allen Beziehungen ſo mangelhaft ſein kann, daß man

eben das Holz ſämmtlich abtreiben und einen ganz neuen Wald-

beſtand anfangen muß. 2) In Betreff der Bezeichnung der

Bäume, Sträuche oder Waldſchläge, welche gehauen werden ſollen.

Man nennt dieſes das Anweiſen, und hat dazu allerlei Zeichen,

z. B. auch das Anſchlagen mit der Axt. 3) In Betreff der

Jahreszeit des Hiebes. Dieſe liegt zwiſchen dem Abfallen des

Laubes und ſeinem Wiederausbruche. Geſchickter iſt dieſe Fällung

in ſoferne, als das im Winter gefällte Bauholz im Walde nicht

leicht ſtockig wird, das ſo gefällte Handwerksholz wegen des lang-

ſamen Austrocknens nicht leicht Riſſe bekommt, und das Brennholz

an Brennkraft gewinnt. Das Erſtere trocknet dagegen auch, wenn

es im Winter gefällt iſt, nicht ſo leicht aus, wie das im Sommer

gefällte; das Andere wirft ſich, im Safte gefällt, nicht ſo ſehr,

wenn es hinlänglich ausgetrocknet iſt; und das Leztere brennt

beſſer, wenn es im Sommer ſaftig gehauen und zur Trocknung

gut aufbewahrt iſt. 4) In Betreff der Führung des Hie-

bes. Durch die Fällung ſollen weder die gefällten Bäume ſelber,

noch das ſtehende Ober- und Unterholz beſchädigt werden. Man

muß ſuchen vom Stamme ſelbſt ſo viel als möglich zu benutzen.

Daher ſtrebt man darnach, die Bäume ſo tief als möglich, ſelbſt

ſammt den Wurzeln zu fällen. 5) In Betreff der Räumung

der Hiebsfläche. Zum Theile wegen der Erhaltung des gefällten

Holzes ſelbſt, zum Theile und hauptſächlich wegen des ungehin-

derten Fortwachſens und wegen der Verhütung von Beſchädigungen

in den Schlägen jeder Art iſt die ſchleunigſte Hinwegſchaffung der

Stämme, das baldige Ausroden der Wurzelſtöcke, Zuſammenſchla-

gen der Aeſte und Aufleſen der Holzſpähne eine Hauptregel. Sehr

gut iſt es, wenn man dazu im Walde recht gute Transportmittel

hat. Es muß aber ſchon bei der Führung des Hiebes, und ſelbſt

[287/0309]

ſchon bei der Eintheilung des Waldes in Schläge hierauf Rück-

ſicht genommen werden.

§. 236.

Fortſetzung. b) Das Sortiren und Aufarbeiten des Holzes.

Das Holz muß je nach ſeinen Zwecken ausgeſucht und zum

Gebrauche weiter hergeſtellt werden. Man beſtimmt die Güte deſ-

ſelben nach ſeiner Textur, Dichtigkeit, Feſtigkeit, Härte, Feder-

kraft, Trennungsfähigkeit, Zähigkeit, Farbe, Dauerhaftigkeit,

Waſſeranziehungskraft, chemiſchen Zuſammenſetzung, Brennkraft,

und ſonſtigen natürlichen Fehlern. Je nach denjenigen dieſer Ei-

genſchaften, welche ein Holz je nach den (§. 234.) genannten

Zwecken des Gebrauchs haben muß, wird es nun ausgeleſen, ſo

weit zugerichtet, daß es verkauft werden kann, um von den Ge-

werken verarbeitet zu werden1). Alsdann wird daſſelbe ordnungs-

mäßig aufgeſchichtet, und zum Theile im Freien, zum Theile aber

in Magazinen aufbewahrt. Lezteres geſchieht jedenfalls mit dem-

jenigen Holze, das zu gewerklichen Zwecken irgend einer Art

beſtimmt iſt. Daher findet man auch kurz daſſelbe nur in zwei

Sortimente (Nutz- und Brennholz) oder in vier Sortimente

(Bau-, Werk-, Geſchirr- und Brennholz) abgetheilt, und

man ſcheidet dann für dieſe Sortimente wieder die Stämme

(ganze Heiſter, ganze Stangen), die Klötze (Blöche, Abſchnitte),

und die Schnittſtücke (Kloben, Trummen, Schnittlinge), deren

einzelne Stücke man Scheiter oder Spälter nennt.

¹ Es werden hierzu Kenntniſſe in den entſprechenden Gewerken vorausgeſetzt.

Man ſ. die Sortimente im Einzelnen bei Hundeshagen Encyclopädie. I. 377.

Pfeil Handbuch. IV. Abtheil. Hartig Lehrbuch. III. Bd. IV. Thl. 2r u. 3r

Abſchn. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 214 folg. Jägerſchmidt, Handbuch für

Holztransport- und Floßweſen. (Karlsruhe 1827. 2 Bde.) I. 1–215. II. 525.

(Mit einem Atlas von Steindrücken in Querfolio.) Laurop Grundſätze der Forſt-

benutzung. Heidelberg 1834. Deſſelben Waldbenutzung. Erfurt 1821. Jeſter

Anleitung zur Kenntniß und Zugutmachung der Nutzhölzer. Königsberg 1816. Die

Literatur über das Einzelne dieſes Theiles der Forſtwiſſenſchaft iſt ſehr groß, beſon-

ders jene über die einzelnen Eigenſchaften des Holzes. Man ſ. darüber Pfeil

Repertorium (Handbuch I.). S. 157–165.

§. 237.

2) Nebenforſtnutzung.

Zu den Nebennutzungen der Forſte gehören a) die Rinden

der Hölzer. Sie dienen theils zum Gerben, zu Baſt, theils zum

Färben. Will man ſie gut benutzen, ſo muß das Holz geſchlagen

werden, wenn das Laub anfänglich hervorſticht. In 3–4 Fuß

Länge haut man dann die Rinde ringsum ab, und ſtößt ſie mit

[288/0310]

der Axt oder dem Loheiſen (meiſelförmig) ab. b) Die Säfte

der Bäume. Sie werden zur Bereitung von Terpentin, Harz,

Zucker und geiſtiger Getränke gebraucht, da der Saft entweder

Oel und Harz oder Zuckerſtoff führt (§. 226.). Um das Harz zu

gewinnen, ſchält man am Nadelholze im Frühling unten am

Stamme 3–4 Fuß lange ſchmale Streifen (Lachten) von der

Rinde ab. Der bald herausfließende Saft wird während des

Sommers ganz dick über den aufgeriſſenen Lachten, daß er mit

einem Harzeiſen (hackenförmig) in einen Beutel (Harzmeſte,

einen Korb) abgeriſſen werden kann. Dieſe Operation kann an

demſelben Baume bis zu 40 Jahren lang alle Frühjahre wieder

geſchehen, indem man neue Lachten macht, und die alten erweitert

(anzieht). Zur Gewinnung des Zuckerſaftes bohrt man die

Stämme bei warmem Wetter und bringt eine Rinne an, die den

Saft in ein Gefäß leitet. c) Die Früchte der Bäume. Sie

werden zum Theile eingeſammelt, zum Theile aber zur natürlichen

Beſaamung und zur Mäſtung des Viehes liegen gelaſſen. Man

ſammelt ſie zur Ausſaat oder zur Nahrung der Menſchen. Zum

Erſten dieſer Zwecke ſammelt man ſie am beſten vom Baume ſelbſt.

Darauf luftet man ſie an einem trocknen Orte ab. Es gibt auch

Saamen, welche in holzigen Zapfen ſtecken, aus denen man ſie

ziehen muß. Man hat dazu die Auskleng-Anſtalten, d. h.

Gebäude mit Darrſtuben, in welchen die Zapfen auf Horden von

Draht gedörrt werden, bis ſie ſich öffnen (ausklengen), wozu eine

Wärme von 18–20° Reaum. hinreichend iſt. Auch in der Sonnen-

hitze kann dieſe Operation geſchehen. Die Aufbewahrung der Holz-

ſaamen in der Zeit zwiſchen dem Herbſte und Frühling erfordert

ſehr viele Sorgfalt, weil die Keimkraft derſelben ſehr leicht zerſtört

werden kann, da ſie ſehr von Feuchtigkeit, Wärme und vom Sauer-

ſtoffe in der Atmosphäre leiden. d) Das Laub und e) das Wald-

gras1). Man bedient ſich derſelben theils zu Viehfütterung im

Stalle oder auf der Weide, theils zur Stallſtreu. Die Benutzung

von Beiden iſt nur mit großer Behutſamkeit zu geſtatten, weil je

nach der Art der Waldwirthſchaft dadurch große Schäden ange-

richtet werden können.

¹ Die Gräſer des Waldes ſind keine andere als die gewöhnlichen Schädlich

ſind aber folgende: Der Windhalm (Agrostis), das Hirſegras (Milium), das

Haargras (Elymus), das Perlgras (Melica), die Schmiele (Aira), das Riſpen-

gras (Poa), die Quecke (Triticum repens), das Riedgras (Carex).

[289/0311]

Zweite Unterabtheilung.

Beſondere Forſtbaulehre.

§. 237. a.

Auch hier werden, entſprechend wie in der Feld- und Garten-

baulehre, die beſonderen Regeln von dem Anbaue und der Zucht

der einzelnen Waldbäume vorgetragen.

I. Von dem Laubholzbaue.

§. 238.

1) Anbau der Laubholzbäume. a) Der Buche. b) Der Eiche.

Die wichtigſten Laubholzbäume ſind für Deutſchland folgende:

a) Die Buche (Fagus sylvatica). Ihre gewöhnliche Dauer

iſt 120–150 Jahre, oft auch 300 Jahre, ihre Länge oder Höhe

140 Fuß. Sie wird mit dem 60ſten Jahre fruchtbar, und iſt

gegen ſtarke Hitze und Kälte ſehr empfindlich, obſchon ſie 6500

Fuß über der Meeresfläche noch fortkommt. Sie gibt beſonders

gutes Nutzholz, und ihres Holzes Brennkraft iſt = 100. Zu

Bauholz iſt ſie nur an ganz naſſen oder ganz trockenen Stellen zu

brauchen. Ihre Frucht, zu einem guten Oele brauchbar, iſt in

einer zweitheiligen Kapſel. Am beſten ſagt ihr ein friſcher Sand-

lehmboden zu. Sie iſt beſonders zu Hochwald, weniger zu Nieder-

wald, wohl aber auch zu Mittelwald gut1). Im Hochwalde zeigt

ſie einen Zuwachs von 20–50 Kub. Fuß, bei geſchloſſenen Be-

ſtänden, im Niederwalde nur 20–34. Kub. F., im Mittelwalde

den Durchſchnitt hiervon, und als Kopfholz weniger als im Nie-

derwalde. Der Werth der Buchenkohlen iſt = 84. Die Buche iſt

auch durch Pflänzlinge fortzupflanzen, und zwar ſchon bei einer

Dicke von 1½-2 Zoll. Sie leidet ſehr vom Wilde, beſonders

vom Haaſen.

b) Die Eiche (Stieleiche Quercus pedunculata, Trauben-

eiche Q. Robur). Ihr Wachsthum reicht bis zu 170–200 Jahren,

und ſie dauert 800 Jahre, wird 120–140 Fuß lang und 6–9

Fuß dick. Ihre Fruchtbarkeit tritt mit dem 90–100ſten Jahre

ein. Sie verlangt am liebſten Lage und Klima warm, und kommt

noch bei 4300–4500 Fuß über der Meeresfläche fort. Sie liebt

einen tiefen Flußboden, einen humoſen Lehmboden. Als Nutzholz

braucht man ſie mit dem 160–200ſten Jahre, als Landbauholz

mit dem 120–160ſten Jahre, und als Brennholz in Schlägen mit

20–40 Jahre. Sie paßt beſonders für Hochwald, für Nieder-

Baumſtark Encyclopädie. 19

[290/0312]

wald nur in kurzen Umtrieben2). In Erſterem zeigt ſie einen

Zuwachs von 30–80 Kub. Fuß. Ihre Brennkraft iſt = 76,

und der Werth der Eichkohle = 100. Man zieht ſie aus Saamen.

Sie leidet auch ſehr vom Wilde, beſonders von Inſekten.

¹ Der Saame reift im September und fällt im Oktober. Man ſäet ihn in

Rillen 3–4½ Zoll tief unter, und man braucht pr. Morgen 2 Scheffel Bucheln.

Die Saat iſt dem Wild- und Mäuſefraße ſehr ausgeſetzt, und die Pflänzlinge ſind

empfindlich gegen Kälte und Licht. Daher ſind ihr geſchützte Lagen am zuträg-

lichſten. Im Hochwalde wird ſie nach folgenden Regeln erzogen. Die Saamen-

ſchlagbeſtellung bewirkt einen Schluß faſt bis zum Berühren der Blätter der Bäume,

doch auch bei ungünſtiger Lage, unpaſſendem und ſehr fettem Boden einen ſtärkeren.

Die jungen Schläge bedürfen des Schutzes vor dem Begehen und Behuten Der

Lichtſchlag kann bei gutem Boden bis auf die Hälfte bei einer Höhe der Pflänzchen

von 1 Fuß, bei weniger gutem trockenen Boden ſchon im zweiten Spätjahre nach

geſchehenem Aufſchlage, aber nicht ſo ſtark, vorgenommen werden. Im lezten Falle

hilft man ſpäter noch nach. Der Abtriebsſchlag findet, wenn der richtſchlag gehörig

vollendet iſt, bei einer Höhe des Aufſchlags von 2–4 Fuß Statt. Die Durch-

forſtungen können mit dem 25–50ten Jahre beginnen und alle 12–20 Jahre

wiederholt werden. Man kann die Buche im Hochwalde aber auch mit Ahorn,

Eſchen, Eiſchen, Fichten, Weißtannen pflanzen. Für den Betrieb des Nieder-

und Mittelwaldes der Buchen bedarf es hier keiner beſonderen Grundſätze.

Ueber Buchenwaldungen ſ. m. v. Seutter, Ueber Wachsthum, Bewirthſchaftung

und Behandlung der Buchenwaldungen. Ulm 1799. Saurauw, Beiträge zur

Bewirthſchaftung buchener Hochwaldungen. Göttingen 1801. v. Witzleben, Be-

handlung der Rothbuchen-Waldungen. Leipzig 1805. 2te Aufl. Hundeshagen

Encyclopädie. I. §. 27. §. 112. Pfeil Handbuch. II. 78. 244. 300. 408.

Hartig Lehrbuch II. Bd. I. Thl. 1r Abſchn. 1–3s Kap. — 2r Abſchn. 2s Kap.

(Ueber die Saat der einzelnen Waldbäume ſ. m. 2r Abſchn. 2te Abtheil. 7s Kap.)

Beckmann, Von der Holzſaat. I. 75–194 (von ſämmtlichen Holzarten vermiſcht

die Saatregeln). v. Kropff Syſtem und Grundſätze. I. S. 153 (Laubholzforſte).

Hartig Journal. I. 13. II. 4. III. 2. Heft. Laurop Annalen. IV. Jahr-

bücher. I. 1. Deſſelben Hiebs- und Kulturlehre. §. 74. 120. Moſer Archiv.

XXIV. Stahl Magazin. II. Hundeshagen Beiträge. II. 2.

² Die Eicheln ſammelt man im September, und bewahrt ſie mit trockenem

Sande vermengt an trockenen Plätzen, oder im Freien mit Laub untermiſcht auf.

Ihre Saatzeit iſt aber der Herbſt; länger als bis zum Frühjahre, wo man ſie auch

wegen der Sicherung gegen Waſſerfluthen, Thiere und Froſt erſt geſäet hat, halten

ſie ſich nicht keimfähig. Man ſäet ſie entweder in Rinnen, welche in lockerem

Boden 6–8, in raſigem aber 12–18 Zoll tief aufgelockert ſind und 1–1½

-2–3-4 Fuß auseinander liegen; oder in Platten, wobei man 10–12

Eicheln in 4–5 Fuß von einander entfernte 1½-2 Fuß tiefe Pflanzlöcher von

1–2 Quadratfuß ſteckt, nachdem der ausgeſtochene Raſen unten hin gelegt und die

untere Erde heraufgefüllt iſt; oder durch das Unterhacken, wobei man mit einer

Hacke die Erde hebt und 2 Eicheln 3–4 Zoll tief in dieſen Hackenſchlag wirft,

wenn der Boden gut und locker iſt; oder endlich durch das Stopfen, d. h. indem

man mit einer Hohlſchaufel ein ½ Fuß tiefes 2–2½ Zoll weites Loch bohrt,

zwei Eicheln hineinwirft und die Erde wieder zerkrümmelt hineinzettelt. Man

bedarf je nach der Art und Weite der Saat 1½-5 Scheffel Eicheln. Aber ſie

dürfen ſeichter als ½ Fuß nicht unter der Erde ſein. Die Saat leidet ſehr durch

Maikäferlarven, Mäuſe und Wild. Im Hochwalde, in welchem ſie ſich mit

Buchen, Tannen, Ahorn, Hainbuchen und Kiefern gemiſcht beſſer noch als allein

befindet, ſollen ſich im Beſaamungsſchlage die Bäume mit den Seitenäſten faſt

berühren, wenn der Umtrieb nicht hoch iſt und der Boden leicht Unkraut führt, ſonſt

aber dürfen ſie damit ſelbſt 15 Fuß auseinander ſtehen. Vor dem Saamenfalle,

der zur Beſaamung benutzt werden ſoll, läßt man zur Reinigung des Bodens von

Unkraut, Engerlingen u. dgl. und zur Auflockerung deſſelben Schweine in den

[291/0313]

² Schlag. Der Lichtſchlag geſchieht ſchon im Winter nach der Beſaamung oder

ſpäteſtens im zweiten Jahre. Der Abtriebſchlag kann ſchon im dritten

und

vierten Jahre Statt finden. Eine Hauptdurchforſtung kann ſchon im 40ſten

Jahre mit dem Stangenholze vorgenommen werden. Im Niederwalde dient die

Eiche zur Gewinnung der Rinde (Spiegelrinde). So bildet ſie die Schälwal-

dungen von 12–18 jähr. Umtriebe, welche auf gutem Boden pr. Morgen

24–27 Centner Rinde geben ſollen. Man ſ. über Eichenwaldungen Finger,

Anlegung von Eichengärten und Pflanzung der Eichen. Nürnberg 1802. 2te Aufl.

Saurauw, Ueber die Holz-, beſonders Eichelſaat. Kiel 1802. Fuchs Lehrbuch,

die Eiche zu erziehen. Wien 1824 Krünitz Oekonomiſche Encyclopädie. Bd. X.

Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 28. §. 120. Pfeil Handbuch. II. 68. 253.

299. 359. 407. Hartig Lehrbuch. II. Bd. I. Thl. 1r Abſchn. 5–9s Kap.

2r Abſchn. 1s Kap. Laurop Hiebs- und Kulturlehre. §. 94. 117. Deſſelben

Jahrbücher. II. 1. Stahl Magazin. III. 105. IX. 16. Hartig Archiv. III.

v. Kropff Syſtem und Grundſätze. I. 345. v. Sierſtorpff Inländ. Holzarten.

I. §. 205–438.

§. 239.

Fortſetzung. c) d. Birke; d) d. Erle; e) d. Pappel.

c) Die Weißbirke (Betula alba) erreicht ein Alter von

80–150 Jahren, eine Höhe von 60–80 Fuß und eine Dicke von

2 Fuß. Ihre Fruchtbarkeit beginnt mit dem 30–40ſten Jahre,

und ſie kommt in jedem kälteren Klima, 6000 Fuß über der Meeres-

fläche noch fort, aber verſchwindet gegen Süden immer mehr, und

liebt einen friſchen lehmigen Kiesboden. Sie eignet ſich zu Nieder-

wald in kurzen Umtrieben, auch zu Mittelwald, aber nicht zu

Kopfholz1), leidet ſehr von Inſekten, hat einen jährlichen Zu-

wachs von 20–30 Kub. Fuß, und iſt als Schlagholz ſchon mit

15–20 Jahre zu brauchen. Ihre Brennkraft iſt = 86.

d) Die Erle (Alnus glutinosa die ſchwarze, A. incana

die weiße) verhält ſich faſt ganz wie die Birke2). Ihre Frucht-

barkeit beginnt mit dem 40ſten Jahre, dieſelbe kommt noch bei

3500–4000 Fuß über der Meeresfläche fort, liebt einen feuchten

Boden, Wärme, feuchte Sommer, Niederungen, Thäler, Wieſen-

ränder, leidet von Spätfröſten, eignet ſich zu Schnittholz vor-

trefflich, und iſt als Bauholz bei ſteter Näſſe, z. B. zu Röhren,

Grundpfählen, ſehr brauchbar. Ihre Brennkraft iſt = 57.

e) Die Pappel (Populus nigra die ſchwarze, alba die Sil-

ber-, tremula die Zitter-Pappel) erreicht ſelten ein Alter von

80–90 Jahren, eine Höhe von 60–80 Fuß, eine Dicke von

1½-2 Fuß, und ihre Fruchtbarkeit im 30–40ſten Jahre. Als

Baumholz iſt ſie mit 50, als Schlagholz mit 20, als Buſchholz mit

8–10 Jahren zu brauchen, und verlangt einen humoſen feuchten

Sandboden, oder lockeren kräftigen Lehmboden, und ein kaltes

feuchtes Klima. Dieſelbe iſt als Waldbaum höchſt untergeordnet,

und iſt nur aus den Wurzeln ausſchlagsfähig, daher man auch

19 *

[292/0314]

über ihren Ertrag an Holzmaſſe nichts Beſtimmtes weiß, als daß

ſie mit dem 50–60ſten Jahre das Volumen einer 90–100 jähr.

Buche hat3).

¹ Reifzeit des Saamens Ende Auguſts, Septembers, Anfang des Oktobers,

je nach warmer oder bergiger Lage ihres Standortes. Man ſammelt ihn, wenn

die Zäpfchen bräunlich zu werden anfangen. Man muß ihn luftig und dünn aus-

breiten und häufig umwenden. Er hält ſich höchſtens bis zum Frühling, weßhalb

man ihn im Herbſte, noch beſſer als im Winter auf den Schnee, ausſäet. Derſelbe

muß auf gut bearbeitetem Boden fallen; daher pflügt man dieſen öfters ſchon im

Sommer vor der Saat, wenn es lokal thunlich iſt. Der Saamen wird in weiten

Rinnen oder Platten geſäet und ¼-½ Zoll untergebracht. Man reicht mit

2 Scheffel Saamen pr. Morgen aus, und ſäet bei windſtillem Wetter. Im Hoch-

walde, wo ſie auch vorkommt, braucht nur alle 20–30 Schritte eine Saamen-

birke zu ſtehen; denn die Birke pflanzt ſich ſehr leicht fort, obſchon ſie eigentlich

faſt nie, ohne Unterbrechungen fortlaufende, große Beſtände bildet; da unter ihrem

Schluſſe Unkräuter wuchern und die Pflänzchen ſelbſt nur bei großem Humusgehalte

des Bodens kräftig aufſchießen. Im Niederwalde gehen auch die Stöcke ſehr

gerne ein, weßhalb man auf dem Morgen immer einige Saamenſtangen zur Bil-

dung neuer Stocke ſtehen läßt. Sie liefert ſo Beſenreiſig und Faßreife, wegen

deren Erziehung man die Beſtände recht ſchließt, damit die Stangen ſehr dünn

und hoch werden. S. v. Seckendorf Benutzung der Birke. Leipzig 1800.

Kropff Syſtem und Grundſätze. I. S. 176. Laurop, Vom Anbau der Birke.

Leipzig 1796. Gotthard, Cultur der Birke. Mannheim 1798. Pfeil Handbuch.

II. 111. 256. 300. 372. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 30. §. 259. 129.

Hartig Lehrbuch. II. Bd. I. Thl. 1r Abſchn. 10s Kap. 2r Abſchn. 3s Kap.

Moſer Archiv. IV. 264. Hartig Journal. I. 4. Stahl Magazin. I. 281.

Laurop Annalen. V. 3. Deſſelben Jahrbücher. I. 1.

² Der Erlenſaamen reift im Oktober, wird aber erſt im November geſam-

melt, weil der Nachtfroſt die Schuppen beſſer öffnet. Man ſammelt entweder den

abgefallenen Saamen, oder knickt ihn ſammt den Zweigen ab, an welchen er hängt.

Dieſe hängt man dann zuſammengebunden auf, damit ſie an der Luft trocknen, und

driſcht ſie aus. Der Saamen hält ſich dann 1 Jahr lang in Säcken. Man ſäet

ihn im Frühling auf nicht ſtark gelockertem Boden, weil er durch das Auffrieren

ſehr leidet. Da er in Brüchern von mäßiger Feuchtigkeit am beſten aufgeht, ſo

kommen einzeln ſtehende einſchaftige Bruchgräſer, nachdem ſie geſchnitten ſind, dem

Schutze der Erlenſaat ſehr zu Statten, und man bedarf für einen Morgen dann

nur 6–8 Pfund Saat. Iſt der Boden ſehr benarbt, dann ſchält man den Raſen

leicht ab, ehe man ſäet. Im Hochwalde iſt für ſie ein Saamen- und Lichtſchlag

nicht leicht vortheilhaft. Man ſchlägt den ganzen Beſtand daher ab, wenn in einem

guten Saamenjahre der Saamen auszufallen anfängt. Das dann zugleich auf-

wachſende Gras wird hierauf im Vorſommer ſorgſam abgeſichelt. Im Niederwalde

gibt die Erle bei 40 jähr. Umtriebe ein brauchbares Spälterholz. Drüber hinaus

kann der Umtrieb, ſelbſt bei einer 20 jährigen Durchforſtung bei dickem Schlage,

nicht ohne Mangel in der Erneuerung der Saamenſtöcke getrieben werden. Ueber-

haupt iſt ein kurzer Umtrieb im Holzertrage vortheilhafter, als ein langer. Die

Abfuhr des geſchlagenen Holzes iſt ſchwer wegen des unſicheren Bodens, und das

Aufſetzen im Bruche muß auf Unterlagen geſchehen. S. Gedanken über den Anbau

des Erlenholzes. Leipzig 1797. Bioern, Ueber die Erlen und deren Behandlung.

Danzig 1819. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 31. 259. 130. Pfeil Handb.

II. 118. 258. 301. 375. 410. v. Kropff Syſtem und Grundſätze. I. 192.

Stahl Magazin. V. 1. 4. XI. 88.

³ Man pflanzt die Pappeln durch Stecklinge fort, braucht dazu 12 jährige

Zweige, und ſetzt ſie in der Regel in Alleen. Um dieſe Stecklinge vor dem Pap-

pelbohrer (Phal. Bombyx Terebrai) zu ſichern, der ſeine Eier an den Stamm legt,

ſoll man ſie mit einem dünnen Brei von Lehm beſtreichen. Pfeil Handbuch. II.

104. 413. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 284. §. 33.

[293/0315]

§. 240.

Fortſetzung. f) d. Hainbuche; g) d. Ahorn; h) d. Rüſter;

i) d. Eſche.

f) Die Hainbuche (Weißbuche, Carpinus Betulus) erreicht

ein Alter von 100–200 Jahren und drüber, eine Höhe von 40 bis

60 Fuß, eine Dicke von 1¼ Fuß, und ihre Fruchtbarkeit mit dem

40ſten Jahre. Dieſelbe liebt ein mäßiges feuchtes Klima, iſt em-

pfindlich gegen Hitze und Trockniß, erträgt aber die größte Kälte.

Im Gemiſche mit Buchen kommt ſie vor, beſonders im Nieder-

walde, und verlangt einen friſchen kühlen Boden. Die Ausſchlags-

fähigkeit derſelben iſt ſtark und dauert ſehr lange. Sie gibt mit

80 Jahre Baumholz, mit 30–35 J. Schlagholz und mit 10–12

J. Buſchholz. Ihr Volumenertrag ſteht etwas unter jenem der

Buchen, man zieht ſie aber am beſten als tiefen Stockausſchlag

und Wurzelbrut. Die Brennkraft ihres Holzes iſt = 107.

g) Der Ahorn (Maßholder, der gemeine, Acer pseudo-

platanus, der Spitzahorn, A. platanoides, der kleine Spitzahorn,

A. campestre) erreicht ein Alter von 150–200 J., eine Höhe

von 80 Fuß, eine Dicke von 2–3 Fuß, und ſeine Fruchtbarkeit

im 40–50ſten Jahre. Er kommt noch 5200 Fuß hoch über der

Meeresfläche fort, verlangt eine Lage gegen friſche Mitternacht-

ſeiten und einen humoſen, nicht bindigen Lehmboden, wächst im

Gemiſche mit Buchen, beſonders im Mittelwalde und auf Höhen

im Erlenbruche, und liefert ein beſonders hartes Nutzholz. Seine

Brennkraft iſt = 115.

h) Die Ulme (Rüſter, Ulmus campestris) wird 200 Jahre

alt, 100 Fuß hoch und 3 Fuß dick, und im 50ſten Jahre frucht-

bar. Sie kommt im ſüdlichen und weſtlichen Deutſchland, gewöhn-

lich aber nur eingeſprengt in den Laubholzwaldungen, vor; ver-

langt einen friſchen, tiefen, humusreichen, nicht zu feſten Boden,

ein mildes, beſonders See-Klima; und eignet ſich namentlich als

Oberholz in den Mittelwäldern mit Buchen, Hainbuchen, Ahorn,

Eſchen u. dgl. Ihre Ausſchlagsfähigkeit iſt reichlich und lange

dauernd am ganzen Stamme, doch aber paßt ſie nicht gut zum

Kopfholzbetriebe. Sie liefert Bau- und Brennholz von 87

Brennkraft.

i) Die Eſche (gemeine, Fraxinus excelsior) wird 100 J.

alt im Hochwalde, und 30 J. im Niederwalde, ſo hoch wie die

anderen Laubholzbäume, 2½-3 Fuß dick, und mit dem 20 bis

50ſten Jahre fruchtbar. Sie will eine geſchützte Lage und einen

feuchten, lockeren, humusreichen Sandboden, paßt hauptſächlich

[294/0316]

aber zu Mittel- und Hochwald, findet ſich im Gemiſche mit

Buchen, und liefert beſonders gutes Nutzholz. Die Brennkraft

iſt = 1011).

¹ Keiner von dieſen Bäumen kommt für ſich als Waldbeſtand vor, ſondern

immer untermiſcht mit anderen. Daher iſt eine beſondere Behandlung derſelben

nicht zu erwähnen. Es reift der Saame des Ahorn am Ende des September,

der Ulme am Ende des Mai, der Eſche am Ende Oktobers, und der Hainbuche

eben dann. Man ſammelt ihn entweder durch Schütteln, Streifeln u. dgl. oder

durch Abzwicken der äußerſten Zweige, die man dann zuſammenbindet und trocknet.

Derſelbe muß luftig aufbewahrt, häufig umgeſtochen werden, und hält ſich kaum

ein Jahr. Beſonders leicht verderblich iſt der Ulmenſaamen. Es geſchieht die

Saat des Ahorn entweder ſogleich im Spätjahre oder im nächſten Frühjahre, jene

der Ulme im Juni noch, jene der Eſche noch im November oder nächſten Früh-

jahre, ebenſo wie jene der Hainbuche. Man bedeckt den Ahornſaamen ½ bis

1½ Zoll, den Eſchenſaamen 1 Zoll, den Hainbuchenſaamen ½-1 Zoll tief mit

Erde, den Ulmenſaamen vermengt man blos mit derſelben. Es ſind an Ahornſaat

12–18 Pfund, an Ulmenſaat 6–8 Pfund, an Eſchenſaat 30–40 Pfund, und

an Hainbuchenſaat 25–40 Pfund pr. Morgen erforderlich. Man ſ. darüber

Pfeil Handbuch. II. 367–372. 86–99. 125. Hundeshagen Encyclopädie.

I. §. 32. 34–37. v. Sponeck, Anbau der ſpitzblättrigen Ahorne. Mannheim

1800. Schmitt, Erziehung des Ahorn. Wien 1812. v. Werneck, Anleitung

zur Ahornzucht. Marburg 1815. Laurop Annalen. II. 2. III. 7. Hartig Jour-

nal. I. 1. III. 2 (Hainbuche). Spitz, Erziehung der Ulme. Erfurt 1796. Stahl

Magazin. VI. 207. XI. 73.

§. 241.

Fortſetzung. k) d. Linde; l) d. Weide; m) und anderen.

k) Die Linde (Tilia europaea, die Sommer-, T. cordala,

die Winterlinde) wird ſelbſt über 800 Jahre alt, ſo hoch und dick

wie die Eiche, und mit dem 30–60ſten Jahre fruchtbar. Sie

kommt in ganz Deutſchland vor, aber als Hochholz nur einge-

ſprengt in Wäldern, liebt einen feuchten Grund, und kommt auch

im ſandigen Lehmboden fort, aber nicht auf ſtrengem Thonboden und

eiſenhaltigem Moorgrunde. Sie eignet ſich vorzüglich zu Schlag-

holz, als welches ſie mit 20–25 Jahre, während ſie als Baum-

holz mit 60–80 Jahre genommen werden ſoll. Dieſelbe iſt bis

ins ſpäte Alter ausſchlagsfähig. Die Brennkraft des Lindenholzes

iſt zwar ſehr gering, aber ſie dient zu Schnittholz. Der Saame

reift im Oktober.

l) Die Weide, nämlich die Baumweide (salix alba die

Weiß-, sal. fragilis die Knack-, sal. pentandra Lorbeer-, sal.

amygdalina Mandel-, und sal. vitellina Gelb-Weide), unter

deren Arten die zwei Erſten am vortheilhafteſten ſind, kommt in

Deutſchland meiſtens in Niederungen von gemäßigtem Klima in

feuchtem und naſſem Boden vor. Sie ſind für den Forſtbau ei-

gentlich von keinem Werthe, obſchon ſie für die Landwirthſchaft

in holzarmen Gegenden weſentliche Vortheile geben, indem ſie als

[295/0317]

Kopfholz ſehr ſchnell auf Stellen wachſen, die man nicht leicht auf

andere Art benutzen kann. Als Niederwald, ſelbſt bei nur 12 bis

18 jährigem Umtriebe, hat ſie jene Vortheile nicht. Sie wird durch

2–3 jährige Stecklinge fortgepflanzt, die man, zum Schutze gegen

die Vertrocknung des oberen Bodens, ſehr tief, bis zu 2 Fuß und

drüber, eingräbt, weßhalb ſie bis 3 Fuß lang ſein müſſen. Die

Pflanzung zwiſchen dem Auguſt und Mai iſt nicht ſchädlich1).

m) Die anderen, für den Forſtbau aber höchſt unwichtigen,

Waldbäume ſind die Ebereſche (sorbus aucuparia gemeine, —

domestica zahme, und hybrida der Vogelbeerbaum), die Birne

(Pyrus Pyraster gemeiner Birnbaum, P. malus Apfelbaum,

P. aria Mehlbirnbaum, P. torminalis Elzbeerbaum), die Vogel-

kirſche (Prunus avium), die Traubenkirſche (P. padus).

¹ Ueber die Weide ſ. m. v. Jeitter, Anbau und Erhaltung der Saatweide.

Stuttgart 1798. Weiſe, Behandlung der Kopfweide. Rudolfſtadt 1804.

Bioern, Behandlung und Benutzung der preußiſchen Weidenarten. Danzig 1804.

Moſer Archiv. V. 1. Stahl Magazin. III. 275. Wedekind Jahrbücher.

Heft 5.

§. 242.

2) Anbau der Laubholzſträucher.

Die wichtigeren Geſträuche dieſer Art ſind folgende: Der

Haſel (Corylus avellana), die Faulbeere (Rhamnus frangula),

der Schlehendorn (Prunus spinosa). der Weisdorn (Crataegus

oxyacantha), die Hülſe (Jlex aquifolium), der Hartriegel (Cor-

nus sanguinea), die Strauchweiden (salix helix Bach-, sal.

viminalis Korb-, s. aquatica Waſſer-, s. caprea Saal- Weide),

die Himbeere (Rubus idaeus), die Beſenpfrieme (spartium

scoparium), der Färberginſter (Genista tinctoria), die gemeine

Heide (Erica vulgaris), die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus).

Das Charakteriſtiſche bei ihnen iſt, daß ſie ſich ſowohl durch

Sproſſen als auch durch Saamen fortpflanzen, nach Abnahme des

Stockes wieder friſch treiben, den Boden dicht überziehen und be-

ſchatten. Daher ſind ſie als Forſtunkräuter nur zu vertilgen, wo

ſie dem beſſeren Betriebe anderer Baumarten hinderlich ſind.

II. Von dem Nadelholzbaue.

§. 243.

1) Anbau der Nadelholzbäume. a) Der Kiefer; b) der Tanne;

c) Fichte; d) Lärche;

Die Nadelhölzer ſind von der größten Wichtigkeit wegen ihres

ſchnellen Wachsthumes, wegen ihrer Einwirkung auf Verbeſſerung

[296/0318]

des Bodens, wegen ihrer Tauglichkeit zum Anbaue von Blößen

und wegen ihres Gebrauches zu Bau-, Bretter- und Spaltholz.

Es gehört hierher:

a) Die Kiefer (Pinus sylvestris). Sie erreicht ein Alter

von 200 Jahre, eine Höhe von 120–130 Fuß, eine Dicke von

3–4 Fuß und ihre Fruchtbarkeit im 20ſten Jahre. Dieſelbe

kommt 6000 Fuß über der Meeresfläche noch fort, und in reinen

Beſtänden vor, verlangt einen feuchten, tiefen, humusreichen Bo-

den, und verträgt jedes Klima. Als Brennholz iſt ſie mit 60 bis

80 Jahren, als ſtarkes Bauholz mit 100–120 Jahren ſchon

brauchbar, und gibt einen jährlichen Holzzuwachs von 4–80,

aber im Durchſchnitte einen ſolchen von 20–60 Kub. Fuß1).

Die Brennkraft ihres Holzes iſt = 88.

b) Die Weißtanne (Tanne, Pinus abies). Sie kommt zu

einem Alter von 300–400 Jahre, einer Höhe von 180 Fuß, einer

Dicke bis 8 Fuß und zur Fruchtbarkeit mit 50–60 Jahren. Man

findet ſie noch 6000 Fuß über der Meeresfläche. Sie wächst in

reinen Beſtänden und im Gemiſche mit Rothbuchen und Roth-

tannen, verlangt einen lockeren friſchen nahrhaften Boden, ein

mehr feuchtes Klima, verträgt ſich aber nicht mit einer zu ſonnigen

Lage. Ihr Holz, zu Brett- und Bauholz ſehr tauglich, iſt ſehr

fein und zähe und hat eine Brennkraft = 70. Beſonders gut iſt

ſie als Stockholz2).

c) Die Rothtanne (Fichte, Pinus picea). Sie erreicht

ein Alter von 200–300 Jahren, eine Höhe von 180 Fuß, eine

Dicke bis zu 6 Fuß, ihre Fruchtbarkeit mit 50–60 Jahren und

kommt 5500–6000 Fuß über der Meeresfläche fort. Man findet

ſie in reinen Beſtänden und im Gemiſche mit Buchen und Weiß-

tannen, verlangt einen friſchen tiefen kräftigen Boden, geſchützte

Mitternachtſeiten zu ihrem Standorte und erträgt keine Hitze. Zu

Bau- und Brennholz, aber nicht für feine Holzarbeiten, iſt ſie

brauchbar3). Die Brennkraft ihres Holzes iſt = 78.

d) Die Lärche (Pinus larix). Sie wird bis 200 Jahre alt,

80–100 Fuß hoch, 2–3 Fuß dick, und ſchon mit dem 6–8ten

Jahre fruchtbar, und kommt im Norden am beſten 1200–2500

Fuß über der Meeresfläche fort. Sie verlangt einen tiefen friſchen

kräftigen Lehmboden und erreicht auch auf humoſem Sandboden

ein Alter von 60 Jahren4). Die Brennkraft des Lärchenholzes

iſt = 71.

¹ Man ſammelt die Saamen zwiſchen dem November und März, und kann

ſie, im Schutze gegen Luft und Sonne, 1 Jahr lang aufbewahren. Sind ſie aber

ausgeklengt, ſo halten ſie ſich 3–4 Jahre lang. Man ſäet im Frühjahre, ent-

[297/0319]

¹ weder in Zapfen oder ausgeklengt, entweder in die Pflugfurche oder in Hackenlöcher

und -Rinnen, oder in das ſchon etwas hervorgewachſene Getreide. Wenn die

Zapfen aufzuſpringen anfangen, ſo müſſen ſie gewendet werden. Dies geſchieht

zugleich durch das Kehren mit einem ſtumpfen Beſen, damit die Saamen ausfallen.

Dieſe aber werden höchſtens 1 Zoll hoch mit Erde bedeckt, und man bedarf für

1 Morgen höchſtens 6 Scheffel Zapfen oder 6 Pfund guten Saamen. Sie eignet

ſich blos zum Hochwalde. Im Saamenſchlage ſind die Mutterbäume 12–15 Fuß

auseinander zu ſtellen, um ⅓–⅓ der Fläche zu beſchirmen; denn freier Stand

iſt ihm nicht gefährlich. Der Lichtſchlag erfolgt ſehr ſtark nach geſchehenem Anfluge

ſogleich und der Abtriebsſchlag dann, wann die jungen Pflanzen 1 Fuß hoch ſind,

die Durchforſtung beginnt ſchon mit dem 20–25ſten Jahre. Man ſ. Hundes-

hagen Encyclopädie. I. §. 45–49 (Botanik der Nadelhölzer). §. 132–154

(Hochwalde derſelben). Pfeil Handbuch. II. 147. 258 (ebenſo). 378 (Saat).

Hartig Lehrbuch. II. Band. I. Theil. 1r Abſchn. 11–16s Kap. (ebenſo).

v. Sponeck, Ueber unſere Nadelhölzer, in Hinſicht auf Hiebsbeſtellungen. Marburg

1815. v. Kropff Syſtem und Grundſätze. I. 113. Lindenthal, Verſuch über

Kiefernſaaten. Frankfurt a. d. O. 1800. Kaepler, Anbau und Benutzung eines

Kiefernwaldes. Leipzig 1798. Hartig, Kultur der Waldblößen. Berlin 1827.

Moſer Archiv. IV. 244. XVI. 1. Hartig Journal. I. 2. Archiv I.-IV.

Pfeil Krit. Blätter. III. 2. Laurop Annalen IV. 4. Hundeshagen Bei-

träge. II. Bd. Laurop Hiebs- und Kulturlehre. §. 110.

² Der Saamen wird am Ende Septembers und Anfange Oktobers reif. Hat

man ihn geſammelt und ausgeklengt, ſo muß er noch durch das Sieb gereinigt

werden, ehe man ihn ſäet, was am beſten noch im Spätjahre geſchieht. Man

ſäet ihn nur auf hinlänglich geſchützte Waldblößen im Freien, ſonſt aber nur in

Pflanzgärten, weil ihr Aufkommen anders zu ſehr gefährdet iſt. Aus dieſen verſetzt

man ſie in entſprechende Miſchbeſtände. Man kann ſie aber auch in alte Beſtände

ſäen, wenn man die Unkräuter zu vernichten weiß. An den alten Bäumen haut

man in dieſem Falle die unteren Aeſte ab, hackt die Erde auf und bringt den

Saamen 1–1½ Zoll tief unter. Für den Morgen rechnet man 40 Pfd. Saamen,

weil die Weißtanne gerne dicht ſteht. Der Saamenſchlag iſt ungefähr wie bei

der Buche; der Lichtſchlag aber dichter, weil die Weißtanne den Schatten gut

erträgt; endlich iſt der Abtriebsſchlag ebenfalls wie bei der Buche zu machen.

Die Durchforſtung darf erſt mit dem 40ſten Jahre beginnen und nur alle 15 Jahre

wiederholt werden. S. Laurop Hiebs- und Kulturlehre. §. 103. Deſſelben

forſtwiſſ. Hefte. Nürnberg 1828. 2s Heft.

³ Reife und Sammeln des Saamens wie bei der Kiefer. Man ſäet blos

ausgeklengten Saamen, und zwar im Frühjahre, wenn keine Fröſte mehr zu er-

warten ſind, und kein Vogelfraß mehr zu fürchten iſt. Die Plattenſaat iſt vor-

zuziehen, weil die Fichte dieſen Stand von Natur liebt, und man macht Platten

von 1 bis 3 Quadr. Fuß in Entfernungen, ſelbſt von ½ Ruthe, indem man den

Waſen vollſtändig ausreißt, und zum Schutze der Pflänzchen gegen Süden aufſetzt.

Man braucht je nach den äußeren Umſtänden 8–20 Pfund Saamen. Doch aber

iſt die Pflanzung auch bei der Fichte ſicherer als die Saat, weil dieſe ſehr durch

Ausfrieren und Thierfraß leidet. Alle Nadelhölzer, beſonders aber die Fichten,

leiden ſehr durch Windbruch. Daher ſucht man ſie nicht blos in der Lage des

Beſtandes, ſondern auch durch den Hieb davor zu ſchützen. Es gibt daher für ſie

folgende eigenthümliche Hiebsmethoden: a) Der Kahlſchlag, bei welchem man

die Schläge in der Richtung von Nordoſt nach Südweſt in Streifen anlegt, die

nicht länger als der höchſte Stamm des Schlages ſind, alsdann bei einem zu er-

wartenden Saamenjahre das Holz kahl abtreibt, und zur Erleichterung der

Beſaamung den Boden aufreißt; b) der Wechſelſchlag (Keſſel- oder Couliſſen-

hieb), der als ein Kahlſchlag erſcheint, bei welchem man immer zwiſchen zwei

gleichzeitigen parallelen Kahlſchlägen einen gleichen Streifen Baumholz ſtehen läßt,

und erſt abtreibt nach der Bildung des Anfluges, welches Leztere man ohne Schaden

thun kann, da auch die Couliſſen beſaamt ſind; c) der Beſaamungsſchlag in

dem Sinne wie bei den anderen Hölzern; bei ihm wird der Saamenſchlag ungefähr

wie bei den Buchen gehalten, der Lichtſchlag 2–3 Jahre nach geſchehenem Anfluge

[298/0320]

³ vorgenommen und bis zur einfüßigen Höhe der Pflänzchen fortgeſetzt, worauf dann

der Abtriebsſchlag erfolgt. Die Durchforſtungen können ſchon mit dem 30ſten Jahre

beginnen. Man ſ. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 140–148. Deſſelben

Beiträge. I. 1. II. 1. Moſer Archiv. V. 62. 251. Hartig Journal. I. 1.

Archiv. III. 4. Laurop Annalen. VI. 4. Jahrbücher. I. 3. II. 1. u. 4. Pfeil

Krit. Blätter. III. 1. IV. 2. V. 1. Laurop Hiebs- und Kulturlehre. §. 105.

v. Sierstorpff Inländ. Holzarten II. Thl.

⁴⁾ Man ſammelt den Saamen am beſten im Februar und März, weil man

ihn dann am beſten ausklengen kann. Er hält ſich 2–3 Jahre lang. Die Erzie-

hung in Culturen iſt der Saat ins Freie vorzuziehen. Man ſäet ihn aber in

Platten, die 6–8 Fuß von einander abliegen, und baut dazwiſchen Fichten. Die

Saat geſchieht im Mai auf lockeren Boden ſeicht. Im folgenden Jahre darf man

den Erwachs ſchon verſetzen. Zur Saat in Rillen braucht man für die Culturen

pr. Morgen 8–10, im Freien nach obiger Methode blos 1–2 Pfund Saamen.

Ueber ihren Hochwaldbetrieb fehlt es an Erfahrungen. Man ſ. aber Hoeck Er-

ziehung des Lärchenbaums. Nürnberg 1797. Moſer Anbau der Lärchen. Hoff 1799.

Drais Abhandl. von Lärchenbäumen. Ulm bei Stettin 1801. Lemke, Ueber den

Lärchenbaum. Hannover 1828. Kaſthofer Bemerkungen auf einer Alpenreiſe.

S. 85. 111. 143. Deſſelben Bemerkungen über die Wälder der Berner Alpen.

S. 13 (weil die Lärche daſelbſt vorzüglich gebaut wird). Hartig Journal. I. 1.

Archiv. I. 4. Hundeshagen Beiträge. II. 2. Wedekind Jahrbücher. 6s Heft.

Pfeil Krit. Blätter. V. 1.

§. 244.

2) Anbau der Nadelholzſträucher.

Obſchon ſich dieſe weder durch Anzahl noch beſondere Eigen-

ſchaften, als durch die größere Reproductionskraft von den Nadel-

holzbäumen auszeichnen, ſo müſſen ſie hier doch genannt werden. Sie

ſind der Wachholder (Juniperus communis) und die gemeine

Eibe (Taxus baccata).

Zweites Stück.

Die Hain- oder Luſtgartenbaulehre.

§. 244. a.

Unter dem Luſtgartenbaue oder der Landſchaftsgärt-

nerei verſteht man die Anlage und Unterhaltung von ſolchen

Gärten, in welchen man blos des Vergnügens halber ganze Land-

ſchaften und einzelne Anſichten im Kleinen darſtellen will. Aus

dem Gebiete des Pflanzenreiches werden darin größtentheils euro-

päiſche und außereuropäiſche Waldgewächſe, obgleich auch mit

Blumen und Obſtbäumen untermiſcht, gepflanzt. Darum gehört

ſie in die Forſtwirthſchaft und nimmt in derſelben eben die Stel-

lung ein, welche auch die Blumen-, Küchen- und Obſtgärtnerei

in der Landwirthſchaft einnimmt. Dieſelbe iſt die Forſtwirthſchaft

in der höchſten Veredelung und Feinheit. Sie ſoll das Ohr durch

den Geſang der Vögel und das Auge durch plaſtiſche Darſtellung

[299/0321]

der Natur, im Ideale aufgefaßt, ebenſo ergötzen, als der Fantaſie

Nahrung und Schwung geben, dem Gemüthe in einer Stimmung

entſprechen oder eine neue hervorrufen. Es wetteifern in ihr die

Malerei, Bildnerei und die Baukunſt dermaßen, daß ſie mit Recht

in das Gebiet der bildenden Künſte gehört. Dieſe drei Künſte und

Gärtnerei ſind ihre Hilfswiſſenſchaften. Sie ſelbſt aber iſt als

Kunſt ſchon ſehr alt, denn ſchon die älteſten, uns bekannten,

Völker haben ſie in hohem Grade beſeſſen1).

¹ Zur Literatur: Die Lehr- und Handbücher der Gärtnerei (§. 183.a.),

insbeſondere aber Loudon Encyclopädie des Gartenweſens. II. 1351. Noiſette

Handbuch der Gartenkunſt, überſetzt von Sigwart. I. Bd. 1. Thl. III. u. IV. Bd.

Metzger Gartenbuch. S. 336. Leibitzer, der Gartenbau. IV. Bdchn. 1832.

I. Allgemeine Grundſätze.

§. 245.

Die allgemeinen Grundſätze des Luſtgartenbaues ſind:

1) Jene der Land- und Forſtwirthſchaft, wie ſie bereits

oben angegeben ſind und hier nicht wiederholt zu werden brauchen.

Sie treten aber auch mit einer Eigenthümlichkeit hier auf, in ſo

ferne als man bei der erſten mechaniſchen Bearbeitung oder Geſtal-

tung des Bodens ſchon auf die beſonderen Anlagen Rückſicht neh-

men muß.

2) Jene der genannten Künſte, wie ſie das Schöne in

einen manchfaltigen Idealen nach dem allgemeinen Prinzipe der

Aeſthetik darzuſtellen ſuchen. Darin entſcheidet das Genie und der

gute Geſchmack, welche ſich über dasjenige ausbreiten, was als

Grundcharakter des Ideales einer Zeit ſich dargeſtellt hat. So

wie die Alten als Grundcharakter ihres Ideales die Ruhe (das

Tragiſche) erkannten, ſo ſcheint in der neueren Zeit derſelben in

der Bewegtheit (dem Romantiſchen) zu liegen. Aus Beiden iſt

die Steifheit und Verzerrung verbannt, oder ſollte es wenig-

ſtens ſein.

In der Geſchichte jeder Kunſt erſcheinen aber Abſchnitte, in

welchen man ſich im wahrhaft Unäſthetiſchen bewegte, und es iſt

zu bedauern, wenn ſich dieſes zu einem ſogenannten Style einge-

bürgert hat. Auch in der Luſtgartenkunſt iſt dies geſchehen, ſo daß

man jetzt den geometriſchen und den natürlichen Styl unter-

ſcheidet. Jener, auch altfranzöſiſcher Styl genannt, unterwirft

das Wellenförmige und unregelmäßige Manchfaltige in der Natur

der geometriſchen Conſtruktion, und den friſchen Wuchs des Baum-

ſchlages zu Dächern, Kronen, Gebüſchen u. ſ. w. der Gartenſcheere,

[300/0322]

gerade ſo wie man die natürliche Farbe und den ungezwungenen

Fall des Haupthaares dem Puder, Wachs und der Scheere des

Friſeurs unterwarf, und es entſtanden jene langweiligen, geiſter-

tödtend regelmäßigen, ebenen Gärten. Der andere Styl nimmt

ſich aber als Vorbild die Natur, und ſucht ihre Formen in mög-

lichſter Aehnlichkeit ohne Zwang im Ideale darzuſtellen. Er iſt

jetzt der Herrſchende.

II. Beſondere Grundſätze.

§. 246.

Auch die beſonderen Grundſätze und Regeln der Luſtgartenkunſt

zerfallen in zwei Hauptſtücke. Sie ſind folgende:

1) Die Pflanzung der Luſtgewächſe. Auch hier muß

jede Pflanze nach ihrer natürlichen und wirthſchaftlichen Eigen-

thümlichkeit behandelt werden. Auch hier leiten die an mehreren

Orten ſchon angegebenen Regeln. Allein es iſt unnöthig, ſie hier

zu wiederholen, und der Raum zu beſchränkt, um die Luſtgarten-

pflanzen hier anzugeben, noch viel mehr, um die Eigenthümlich-

keiten ihrer Behandlung zu lehren1).

2) Die kunſtgerechte Anlage des Bildes im Ganzen

und in den einzelnen Parthien. a) Das Erſte iſt, ſich eine

rechte Ueberſicht des für die Gartenanlage beſtimmten Feldes zu

verſchaffen; dies geſchieht durch Zeichnung oder Reviſion eines

Planes, unter Berückſichtigung der chemiſchen, mechaniſchen und

klimatiſchen Verhältniſſe der Bodenfläche. b) Das Zweite iſt die

Berückſichtigung des Zweckes der Anlage und der Proſa der auf-

zuwendenden Geldmittel. Zu den Privat-Luſtanlagen ſind die

Landgüter, Villen, Maiereien, Sommerhäuſer u. dgl. ſehr paſſend.

Zu öffentlichen Luſtanlagen gehören nicht blos die Parke für

Fußgänger oder Reiter, Boulewarde, öffentliche Plätze in den

Städten, ſondern auch botaniſche Gärten. c) Das Dritte iſt die

Verfertigung eines Planes, wonach die Projektirung, Nivellirung

u. dgl. vorgenommen wird. Dies iſt ſehr ſchwierig, weil hiervon

die ganze Anlage abhängt, und es darauf ankömmt, über die

Fläche ſo zu diſponiren, wie es ihre Natur mit ſich bringt. d).Das

Lezte iſt endlich die Ausführung deſſelben. Indem man alles Ent-

ſtellende entfernt, muß man zugleich darauf ſehen, die Gehölze

und Gebüſche, die Gebäude jeder Art, die Waſſerparthien, die

Teiche, Thäler und Hügel, und die Felſenparthien ſo anzulegen,

daß ſie als Bild nicht blos einen ſchönen gruppirten Anblick mit

Vor- und Hintergrund darſtellen, ſondern ſelbſt auch, wenn man

[301/0323]

auf ihnen verweilt, ſchöne Nah- und Fernſichten gewähren. Jede

ſpeziellere Regel iſt hierfür faſt unmöglich, und die Studien dazu

kann man nur an der Natur ſelbſt machen.

¹ Man ſtellt ſich zum Behufe der leichteren Benutzung die verſchiedenen Ge-

ſträuche und Bäume vorher am beſten in Bezug auf Höhe, Farbe, Blüthe und

Ausdauer in Klaſſen (Catalogen, Regiſtern) zuſammen, um ſich ſo die Wahl zu

erleichtern. Solche Zuſammenſtellungen finden ſich z. B. bei Metzger Gartenbuch

S. 353–363, bei Loudon an verſchiedenen Orten, und bei Andern.

Zweiter Abſatz.

Die Wildbahn- oder Jagdlehre.

§. 246. a.

Unter dieſer verſteht man die Lehre von den Grundſätzen und

Regeln von der Haltung (Bahn), Pflege (Hegung) und dem

Fangen oder Erlegen (Jagd) der Wildthiere in Wald und Feld.

Sie iſt wichtig theils als eine ſehr einträgliche Benutzung des von

der Natur dargebotenen Wildes, theils als Schutz gegen die Be-

ſchädigung der Wälder, theils als Mittel gegen die Verheerungen

der Felder durch großes Wild. Die allgemeine Wildbahnlehre,

obige Lehren mit Bezug auf alle verſchiedenen Wildgattungen zuſam-

mengenommen vortragend, kann alſo auch nur obige drei Abſchnitte

erhalten, worauf dann die beſondere dieſelben je nach den ein-

zelnen Wildgattungen modificirt1).

¹ Bechſtein, Handbuch der Forſt- und Jagdwiſſenſchaft. Ir Thl. in 3 Bde.

Nürnberg 1801–1806. Neue Ausgabe in V Bdn. (Zoologie, Technologie, Zucht,

Jagd und Anatomie) von Laurop. Erfurt 1818–1822. Orphals Jägerſchule.

Leipzig 1806 u. 1807. III Bde. Boſe, Wörterbuch der Forſt- u. Jagdwiſſenſchaft.

Herausgegeben von Leonhardi. Leipzig 1808. III Bde. (I. Forſtwiſſenſchaft, II.

in 2 Thle. Jagdwiſſenſch., und III. Fiſcherei, jeder wird auch beſonders verkauft).

Hartig Lehrbuch für Jäger Tübingen 1822. II Bde. 4te Auflage. Aus dem

Winkell, Handbuch für Jäger. Leipzig 1818–1822. 2te Auflage. III Bände.

Jeitter Jagdkatechismus. Ulm 1816.

Erſtes Stück.

Allgemeine Wildbahn- oder Jagdlehre.

I. Von den Wildbahnen im eigentlichen Sinne.

§. 247.

1) Freie Wildbahnen.

Man verſteht unter einer Wildbahn denjenigen Theil einer

Bodenfläche, auf welchem das Wild gehalten wird. Der Wild-

ſtand aber iſt die Menge von Wild, welches ſich auf einer Wild-

[302/0324]

bahn befindet oder das Verhältniß dieſer Menge zur Wildbahn.

Das ſich auf einer Wildbahn aufhaltende eßbare Wild heißt

Standwild. Je nach dem Umſtande, ob der Wildſtand im freien

Walde oder in geſchloſſenen Revieren gehalten wird, gibt es fol-

gende Wildbahnen:

1) Freie Wildbahnen (Wildbeſtände). Bei ihrer Anlage

hat man folgende Umſtände zu berückſichtigen: a) die Lage und

ſonſtigen, die Erhaltung des Wildſtandes betreffenden Eigenſchaften

des Waldreviers, wo ſie angelegt werden ſollen. Denn nicht überall

hält ſich jedes Wild gerne auf. Manches bleibt ſo ziemlich auf

einer Fläche beſtändig (Standwild); Manches trennt ſich nach

Jahreszeiten von dem vorigen Stande (Wechſelwild); Manches

durchzieht gewiſſe Gegenden nur auf den Wanderungen im Früh-

ling und Herbſte, (Strichwild); endlich hat Manches zur Winters-

zeit ſeine Unbeſtändigkeit im Stande (Zugwild). In Bezug auf

die Plätze, wo ſich das Wild auf dieſe Weiſe zeigt, unterſcheidet

man das Wald-, Feld-, Sumpf- und Waſſerwild. Das Klima,

die Nahrung (Aeſung) und die Feinde beſtimmen das Wild zur

Beibehaltung und Veränderung ſeines Standes. b) Die Schäd-

lichkeit der Wildſtände. Die Wildſtände dürfen nicht ſo an-

gelegt werden, daß der durch ſie in Feld und Wald angerichteten

Schaden den von ihnen gewährten Nutzen überſteigt, oder über-

haupt im einen oder anderen Betrachte erhebliche Nachtheile für

andere Eigenthümer entſtehen. Wildſtände von Zug- und Strich-

wild, von Raubwild, und von wenig oder gar nicht nutzbarem

Wilde ſind daher nicht zu halten. Bei den anderen Gattungen und

Arten kommt es auf Anzahl, Hegung und Jagd an. c) Das

Alter und Geſchlecht der zu hegenden Wildarten. Dieſer Um-

ſtand und das Verhältniß, in welchem Jung und Alt, Weibchen

und Männchen gegeneinander der Zahl nach geſtellt ſein müſſen,

iſt nach Gattung und Art des Wildes verſchieden. d) Die

Stärke des Wildſtandes im Ganzen nach der Bahn und im

Einzelnen nach den unter b. und c. angedeuteten Umſtänden. Die-

ſer Umſtand bezieht ſich eigentlich nur auf das Standwild, und

der anzurichtende Schaden iſt, wenn ſich das Wild vermehrt, die

Richtſchnur dafür, weil ſich dieſes nur dort und ſo weit vermehrt,

wo und als es Aeſung findet. Die Stärke des Wildſtandes wird

alſo nach der Oertlichkeit des Jagdrevieres, nach der Holzart,

nach der Bewirthſchaftungsweiſe des Waldes, nach den Wildarten,

die gehegt werden ſollen, nach dem Vorhandenſein einer künſtlichen

Aeſung, nach der Nähe des Feldes, nach der Art ſeines Anbaues.

[303/0325]

und nach den dem Landwirthe zu Gebote ſtehenden Abwehrmitteln

gegen das Wild, alſo auch nach den Jagdgeſetzen beſtimmt1).

¹ S. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 76. folg. u. A.

§. 248.

2) Geſchloſſene Wildbahnen.

2) Geſchloſſene Wildbahnen (Thier- oder Wildgärten).

In ihnen wird das Wild innerhalb eines eingezäunten oder um-

mauerten Revieres mit noch größerer Sorgfalt als im Freien

gezogen. Es müſſen in ihrer Anlage dieſelben Punkte, wie bei

geſchloſſenen Wildbahnen, berückſichtigt werden, aber nur mit

größerer Aufmerkſamkeit im Einzelnen. Man hat alſo darauf zu

ſehen: a) daß der Boden ſammt dem Graswuchſe, Holzzucht u. dgl.,

ſammt hinreichendem Waſſer der Natur und Menge des zu halten-

den Wildes entſpreche; b) daß man ſelbſt Grasplätze zur natürlichen

Aeſung im Sommer unterhalte, wodurch es möglich wird, im

Thiergarten mehr Wild zu halten, als im Freien auf demſelben

Reviere möglich wäre; c) daß man die gehörigen Vorrichtungen

zur Winterfütterung, als Scheunen, Magazine, Füttertröge,

Raufen, Sulze und Suhlen (Salzlecken und Plätze zum Abküh-

len) u. ſ. w., wie es eben der Wildart entſpricht, hinſtelle; d) daß

man Häuſer für die Inſpektoren darin erbaue, und die zur Jagd

gehörigen Gänge (Pürſchwege), Anſtände u. dgl. m. herrichte;

e) daß man durch Umhägungen, Umzäunungen, Ummauerungen

u. dgl. ſich vor dem Entſpringen des Wildes, dieſes vor dem

Raubwild, und die nahen Felder vor Beſchädigung ſichere; f) daß

man nur die paſſende Art von Wild, in Bezug auf Alter, Ge-

ſchlecht und Menge regulirt, auf dem gewählten Reviere zu er-

halten ſuche.

II. Von dem Hegen des Wildſtandes.

§. 249.

Unter dem Hegen (Schonen) verſteht man alle Thätigkeiten,

Aufmerkſamkeiten und Anſtalten, welche dazu dienen, einen freien

oder geſchloſſenen Wildſtand in ſeinem, den (im §. 247 u. 248.)

angegebenen Punkten entſprechenden, Normalverhältniſſe ſo zu er-

halten, daß die Jagd nachhaltig, d. h. ohne daß ſie mit dem

Wildſtande eingeht, betrieben und benutzt werden kann. Durch

das Hegen wird alſo nicht blos der Normalwildſtand erhalten,

ſondern auch ein verdorbener wieder hergeſtellt.

[304/0326]

1) Die Erhaltung eines guten Wildſtandes erfordern:

a) daß man dem Wilde weder das natürliche noch das künſtliche

Geäſe entzieht, und nöthigenfalls ſelbſt noch mit Aeſung unter-

ſtützt; b) daß man das Gehölze ſtets weder durch Auslichtungen

noch häufigen Hieb für das Wild unbewohnbar macht; c) daß man

überhaupt Alles entfernt hält, was im Gehölze Unruhe erregen

und das Wild verſcheuchen kann; d) daß man die Raubthiere ab-

hält oder ausrottet; e) daß man, wenn die geſchloſſenen Gehege

mit Wald umgeben ſind, die Einhägung mit Einſprüngen und

Fallthoren verſieht, durch welche von Außen das Wild herein,

aber von Innen nicht hinaus kommen kann; f) daß man der

Wilddieberei ſteuert; g) daß man nicht zu unrechter Zeit Jagden

veranſtaltet, nämlich bei zu dünnem Wildſtande, in der Brunſt-

und Sprungzeit, in der Setz- und Brutzeit, welche Perioden man

die Hegezeit heißt; h) daß man weder Weibchen noch vom anderen

Geſchlechte ſo viel ſchießt (pürſcht) oder fängt, daß der Nach-

wuchs, bei dem man auch auf Sterbeabgang rechnen muß, nicht

den Verluſt erſetzen kann.

2) Die Wiederherſtellung eines verdorbenen Wild-

ſtandes. Im ſpeziellen Falle kommt es auf die Gründe des

Ruines an. Dieſe müſſen beſeitigt werden. Sie können nur im

Mangel an den Bedingungen bei Anlage der Wildbahnen und bei

dem Hegen des Wildes liegen. Es iſt in dieſen Fällen nicht ſchwer,

die betreffenden Anordnungen zu treffen. Als feſtſtehende Regel

wird aber ſtets die Unterlaſſung des Jagens und Fangens, bis die

Wiederherſtellung weit genug gediehen iſt, erſcheinen.

III. Von der Jagd.

§. 250.

1) Unterſtützungsmittel zur Ausübung der Jagd.

Die Jagd kann ohne Hilfsmittel zum Suchen, Fangen und

Erlegen des Wildes nicht betrieben werden. Man wendet dazu an:

a) Thiere, nämlich Hunde, Vögel und Pferde1). b) Geräth-

ſchaften zum Erlegen2), zum Fangen3), für die Jagdzeichen

und zum Anlocken4), zum Transportiren der Geräthſchaften5)

und des Wildes6); c) Gebäude theils zum Aufenthalte der

Jäger, theils für die Jagdthiere und das Jagdzeug7).

¹ Unter den Jagdhunden unterſcheidet man die Suchhunde und eigent-

lichen Jagdhunde. Jene ſind Leithunde (zum Suchen des Wildes nach ſeiner

Fährte oder Spur), Schweißhunde (zum Suchen nach ſeinem Blute) und

Hunde, welche nach dem Geruche eines Wildes auf oder unter der Erdoberfläche

[305/0327]

¹ und in der Luft ſuchen (ſie werden nach dem Wild genannt, z. B. die Hühner-

hunde, Dachshunde, Saubeller und dergl.). Die Anderen ſind Hatzhunde (zum

Fangen, beſonders der Wildſchweine), Koppelhunde (Bracken, zum Verfolgen

des Wildes, bis es der Jäger erlegen kann), Windhunde (zum Einholen von

Haaſen, Füchſen und Rehen), Dachsfänger (zum nächtlichen Aufſuchen und

Anbellen der Dachſe, wenn ſie ihre Baue verlaſſen haben) und Parforcehunde

(zum ſo langen gemeinſchaftlichen Verfolgen des Wildes, bis es ermattet iſt). —

Die Jagdvögel heißt man Beitzvögel. Es gehören daher der Hühnerhabicht

(Falco Palumbarius), der Sperber (Falco Nisus), der Wanderfalke (F. peregri-

nus), der Baumfalke (Falco subbuter), der Thurmfalke (F. tinunculus), der

Geyerfalke (F. gyrfalco), und der Uhufalke (strix Bubo). — Die Pferde dienen

bei der Jagd theils als Renner, theils als Schießpferde, welches leztere zum ver-

bergen des Jägers dient.

² Nämlich die Pürſchbüchſe (leichte Kugelbüchſe), Jagdflinte (leichtes Schrot-

gewehr) und die Piſtolen, mit ihren Nebengeräthen und Materialien; und andere

Waffen.

³ Es gibt ſolches Jagdzeug, das zum Einſperren des Wildes in einem be-

ſtimmten Waldrevier dient (Sperrzeug); ſolches, das zum Zurückſchrecken deſſel-

ben in einen ſolchen gebraucht wird (Blendzeug); und ſolches, das zum Fangen

angewendet wird (Fangzeug). Das Erſtere iſt entweder Dunkelzeug (aus

Tuch) oder Lichtzeug (aus Netz), wird aufgehängt, und muß daher von verſchie-

dener Höhe und Stärke ſein. Das Andere iſt entweder eine mit Tuchlappen

behängte ausgeſpannte Leine, oder ein eben ſolcher mit Raubvögelkielen verſehener

Bindfaden, welche man auf Stangen und Stäben, die mit Haken verſehen ſind,

zum Zurückſcheuchen ausſpannt (dockt). Das Dritte endlich iſt entweder ein

Garn, oder eine Schlinge, oder eine Falle, oder ein Fang, oder eine

Grube. Die Garne oder Netze ſind Fallgarne (für Haarwild), Klebgarne

(für Federwild), Deckgarne (zum Fange vermittelſt des Zudeckens von kleinem

Wild), Steckgarne (zum ſenkrechten Aufſtecken für Federwild), Sackgarne

(ſackförmige Netze), und Schlaggarne (zum plötzlichen Zuſammenziehen über dem

Wilde vermittelſt einer Zugleine). Die Schlingen oder Schleifen (von Meſ-

ſing, oder Eiſendraht, oder von Pferdehaaren) ſind Laufdohnen, wenn ſie mit

Stäben ſo über die Erde befeſtigt ſind, daß die Vögel mit den Köpfen hineinlaufen,

und Hängdohnen, wenn ſie an Rahmen oder Bügeln aufgehängt ſind. Die

Fallen ſind von Eiſen (Berlinereiſen oder Schwanenhälſe, Teller- oder Tritteiſen,

und Angeleiſen) oder von Holz (Klappfallen, Prügelfallen und Mordfallen). Die

Fänge ſind nach der Wildgattung verſchieden.

⁴⁾ Die Hörner und Inſtrumente zum Nachahmen der Wildſtimme, z. B. der

Hirſch- und Rehruf, die Haaſenquäcke, die Pfeifen für Haſel- und Feldhühner, und

jene für die Wachteln.

⁵⁾ Die Zeugwägen, Pürſchwägen u. dgl.

⁶⁾ Käſten und Säcke, Taſchen und Rantzen, Tragen und Bahren, für ver-

ſchiedenes Wild.

⁷⁾ Jagdhäuſer, Schießhütten, Schirme, Hundeſtälle, Zwinger u. dgl.

§. 251.

2) Ausübung der Jagd ſelbſt.

Die Jagd geſchieht entweder durch Erlegen oder durch Fangen.

Daher unterſcheidet man in dieſer Hinſicht:

1) Die Schußjagden, wobei das Wild durch Gewehre er-

legt wird. Sie ſind entweder Treibjagden, wenn nämlich das

Wild den Schützen durch Menſchen zugetrieben wird, oder Pürſch-

gänge, wenn man blos einzeln mit den Hunden zur Schußjagd

Baumſtark Encyclopädie. 20

[306/0328]

geht. Bei den Treibjagden iſt die Poſtirung der Schützen und die

Anordnung des Triebes das Wichtigſte und Schwerſte. Beim

Pürſchgange geht man entweder auf den Anſtand, wenn man das

Wild auf einem Standpunkte erwartet, z. B. bei Zug- und

Strichwild, oder auf die Suche (das Buſchiren), wenn man

das Wild ſelbſt mit Hunden aufſucht. Zum Buſchiren gehört alſo

auch das Kreißen (d. h. das Aufſuchen des Wildes nach ſeiner

Spur, z. B. auf friſchem Schnee), bei welchem man das Wild,

wenn ſein Schlupfwinkel gefunden iſt, entweder durch Ausſtöbern,

Aushauen, Ausgraben oder Ausräuchern aus ſeinem Aufenthalte

und ſeiner Höhle treibt.

2) Fangjagden, bei welchen man das Wild entweder durch

anhaltendes Verfolgen ermattet und fängt, oder durch die oben

(§. 250. Note 3.) erwähnten Fangvorrichtungen liſtiger Weiſe in

ſeine Gewalt bekommt. Jene Methode wird bei den Parforce-

oder Hatzjagden angewendet.

3) Zeug- oder eingerichtete Jagden, wobei das Wild

zuerſt gefangen oder geſperrt, dann losgelaſſen und geſchoſſen wird.

Man theilt dieſelben in kleine und große ein. Nach der Art,

wie ſie betrieben werden, unterſcheidet man die Lappenjagden,

wobei von einer Seite durch Tuch und Lappen den Schützen das

Wild zugeſcheucht wird, — die Keſſel- oder Contrajagden,

wobei man das Wild von allen Seiten einſchließt und dem Mittel-

punkte der Bahn zutreibt, auf welchem ſich die Schützen befinden,

— und Beſtätigungsjagden, wobei man den Stand der Hirſche

mit Dunkel- oder Lichtzeug umſtellt, nachdem man ihn vermittelſt

eines Leithundes ausfindig gemacht (beſtätigt) hat, und ſie dann

darin ſchießt1).

¹ In Bezug auf das Terrain, wo die Jagden geſchehen, unterſcheidet man

die Land- (Wald- und Feld-) und Waſſerjagden.

Zweites Stück.

Beſondere Wildbahn- oder Jagdlehre.

I. Von dem Haarwilde.

§. 252.

1) Das Wildpret.

Man hat bei jeder Gattung von Wild (Haar-, Federwild und

Fiſchen) das eßbare (Wildpret) und das Raubwild zu unterſchei-

den. Zum Wildpret aus dem Haarwilde iſt zu rechnen:

[307/0329]

a) Der Hirſch (Edel- oder Rothwild, Cervus Elephas).

Der Hirſch hat ein Geweihe, das alle Frühjahr durch ein neues

erſetzt wird und bis zu ſeinem 16ten Jahre wächst. Das Thier

(Weib) hat kein ſolches. Die Brunſtzeit iſt der September und

Oktober. Das Thier geht 38–40 Wochen trächtig und wirft

(ſetzt) 1 Kalb, ſelten zwei1).

b) Der Damhirſch (Damwild, Cervus Doma). Dieſer iſt

kleiner als jener und trägt ein vielzackiges, oben ſchaufelförmiges

Geweihe. Die Brunſtzeit iſt der Oktober und November. Das

Thier iſt 30–32 Wochen trächtig (beſchlagen) und wirft ſo

viele Kälber als das Hirſchthier2).

c) Das Reh (Cervus Capreolus). Der Bock trägt ein

kleines Geweihe, das er im November abwirft, die Ricke aber auch

keines. Die Brunſtzeit iſt im December. Die ſchon im Auguſt

vorkommende Brunſt heißt der Waidmann Afterbrunſt. Die Ricke

iſt 21 Wochen mit 2 Kälbern (Kitzen) trächtig3).

d) Das Wildſchwein (Schwarzwild, sus ferus). Die

Brunſtzeit iſt im December und Januar und während derſelben

findet man die Keiler (männl.) bei den Bachen (weibl.). Dieſe

ſind 16 Wochen trächtig und werfen 4–10 Friſchlinge4).

e) Der Haaſe (Lepus timidus). Die Rammelzeit iſt vom

Anfange des Frühjahrs bis in den Herbſt. Das Rammeln geht

mehrmals vor und die Häſin wirft nach 4 Wochen 2–4 Häschen5).

¹ Im Alter von ¾ Jahren heißt derſelbe Spießer, mit 2 Jahren Gabler,

im dritten Jahre Sechsender, wenn er männlichen Geſchlechts iſt; mit 1 Jahr

Schmalthier, mit der Mannbarkeit Göltthier, ſpäter Altthier, wenn ſie

weiblichen Geſchlechts ſind. Aufenthalt: große Laubholzwälder; Geäſe: Gras, junge

Holztriebe, Getreide, Kohl, Rüben, Klee, Kartoffeln, wildes Obſt, je nach der

Jahrszeit. Darnach richtet ſich die Wahl der Rothwildbahn oder des Rothwild-

gartens, wobei man auf Dickicht, Suhlen, fließendes Waſſer und eine 9 Fuß hohe

Umzäunung zu ſehen hat. Unter 20–30 Morgen darf ein ſolcher nicht wohl

betragen.

² Im erſten Jahre heißt der Bock Damſpieß (Damſchmalſpießer), im

folgenden Damhirſch, im nächſten Damſchaufler, und ſpäter bei ſchweren

Schaufeln Capitalſchaufler. Die weiblichen Hirſche nennt man, ehe ſie be-

ſchlagen ſind, Damſchmalthiere. Im Uebrigen kommen ſie den Edelhirſchen

faſt gleich.

³ Nach dem erſten Jahre ungefähr heißen die Böcke Spießböcke, in der

Folge Gabelböcke, ſtarke Böcke, Capitalböcke mit zunehmendem Alter und

Körper. Das Reh iſt gerne in Gebirgswaldungen. Das Geäſe iſt wie bei den

Hirſchen, aber Waſſer müſſen ſie nothwendig haben. Laub- und beſonders Nieder-

wälder und Gehölze ſind zu Rehbahnen und Gärten zu wählen, wozu aber beſtimmt

10–15 Morgen Fläche und ein 7 Fuß hoher Zaun gehört.

⁴⁾ Bis zum beendigten erſten Jahre heißen ſie immer noch Friſchlinge, im

zweiten Jahre überlaufene Friſchlinge, im dritten Jahre Keuler und

Bachen, im folgenden angehende Schweine und dann Hauptſchweine. Der

Bruch (das Geäſe): Bucheln, Eicheln, Kaſtanien, Nüſſe, Wildobſt, Kartoffeln,

Bohnen, Rüben, Saudiſteln, Würmer, Schnecken, Inſekten, Mäuſe, Haaſen u. ſ. w.

20 *

[308/0330]

⁴⁾ Es liebt gemiſchte Laub- und Nadelholzwälder mit großen Suhlen, Brüchen, Fel-

dern und Wieſen. Dickicht iſt ihnen unentbehrlich. Ein Saugarten iſt mit einem

7 Fuß hohen Zaune zu umgeben.

⁵⁾ Noch nicht ganz ausgewachſene Haaſen nennt man Halbgewachſene

und Dreiläufer. Ihr Aufenthalt iſt Feld und Wald. Ihr Geäſe iſt bekannt.

Für Haaſengehege ſind weite Fruchtfelder, mit Buſchhecken, an Vorgehölzen ſehr

gut, aber von Raubwild müſſen ſie freigehalten werden.

§. 253.

2) Das Raubwild.

Zu den Raubthieren aus dem Haarwilde ſind in Deutſchland

zu rechnen:

a) Der Wolf (Canis lupus). Seine Ranzzeit iſt Januar

und Februar. Die Wölfin iſt 9–10 Wochen trächtig und wölft

4–8 blinde Junge.

b) Der Fuchs (Canis vulpes). Seine Ranzzeit iſt der

Januar und Februar. Die Füchſin iſt 9–10 Wochen trächtig und

wirft 3–6 blinde Junge.

c) Der Luchs (Felis lynx). Er ranzt im Januar und

Februar, und die Luchſin wirft nach 9 Wochen der Trächtigkeit

2–4 blinde Junge.

d) Die wilde Katze (Felis ferus). Sie ranzt oder rollt im

Februar. Die Katze iſt 9 Wochen trächtig und wirft 4–6 blinde

Junge.

e)Der Fiſchotter (Mustela lutra). Er ranzt im Februar,

und die Otterin wirft dann nach 9 Wochen 3–4 Junge.

f) Der Marder (Baum-M. Mustela Martes, der Stein-M.

Mustela Faina). Die Ranzzeit iſt der Januar und Februar.

Das Weibchen wirft dann nach 9 Wochen 3–5 Junge.

g) Der Iltiß (Mustela Putorius) und

h) Das Wieſel (Mustela Erimnia) ebenſo.

i) Das Eichhorn (sciurus vulgaris). Es ranzt im März

und April, das Weibchen geht 4 Wochen trächtig und wirft 2–4

blinde Junge.

k) Der Dachs (Ursus metes). Er ranzt im November, die

Dächſin trägt 9 Wochen und wirft 3–4 blinde Junge1).

¹ Er hält ſich theils in Felſen-, theils in Erdbäuen auf, die aus dem

Keſſel (Hauptbau) und den Röhren (Nebengängen) beſtehen. Aus dieſen muß

er herausgezwungen oder gegraben werden.

[309/0331]

II. Von dem Federwilde.

§. 254.

1) Das Wildpret.

Man unterſcheidet bei dem eßbaren Federwilde folgende Ka-

tegorien:

a) Das Waldgeflügel. Es gehört hierher das Auerhuhn

(Tetrao Urogallus)1), das Birkhuhn (Tetrao totrix)2), das

Haſelhuhn (Tetrao bonasia)3), der Faſan (Phasianus colchi-

cus)4), die Waldſchnepfe (scolopax rusticola)5), die wilde

Taube (Columba), die Droſſel (Turdus).

b) Das Feldgeflügel. Es gehört hierher das Rebhuhn

(Perdix cinerea), die Wachtel (Perdix coturnix), die Lerche

(Alauda arvensis) und der Trappe (Otis tarda)6).

c) Das Sumpf- und Waſſergeflügel. Es gehört hierher

das Meerhuhn (Gallinula chloropus), der Schnaar (Wachtel-

könig, (Gallinula crex), die Schneegans (Anas Anser ferus),

die Wildente (Anas boscha, Stockente und andere)7).

¹ Es liebt Buch- und Nadelholzwälder im Gebirge. Es lebt von Knoſpen,

Beeren, Saamen, Inſekten und Würmern. Seine Falz- oder Balzzeit iſt der

März und April.

² Es liebt Birkenwaldungen mit Oberholz, Büſchen und Heiden. Falzzeit:

April und Mai.

³ Es liebt große einſame Nadelholz- und Laubholzwälder, Haſelbüſche im

Gebirge, und falzt zu Ende des März und im April.

⁴⁾ Er lebt in dicken Laub- und Buſchwaldungen mit friſchem Waſſer. Er

falzt im März und April. Er wird in eigenen Gärten, Faſanerien, gezogen,

welche mit 8 Fuß hohen Bretter-, Lehm- oder Mauerwänden umgeben ſind.

⁵⁾ Ein Strichvogel, der beim Einbruche rauher Witterung hinwegzieht, und

im März und April wieder kommt.

⁶⁾ Sie paaren ſich ſämmtlich im Frühjahre. Die Wachtel iſt ein Zugvogel,

der zwiſchen dem September und Mai ſtreicht. Der Trappe hält ſich in waſſerreichen

Gegenden auf, er falzt im März und April und iſt ein, wegen ſeiner Schüchtern-

heit, ſchwer zu jagender Vogel.

⁷⁾ Sie raihen im Frühjahre, halten ſich im Waſſer und an Sümpfen auf

und ſind ſehr ſcheue Vögel. Man hat zum Habhaftwerden der Enten beſondere

Entenfänge.

§. 255.

2) Das Raubwild.

Zu dem Raub-Federwilde gehört:

a) Das Geiergeſchlecht. Der gemeine (Vultur cinereus)

und der Haaſengeier (V. cristatus).

b) Das Adlergeſchlecht (Falco), wozu die eigentlichen

[310/0332]

Adler, die Weyhe, die Buſſarte, Habichte und Falken gehören

(§. 250. Note 1.)

c) Das Eulengeſchlecht. Der Uhu (strix bubo), die

Ohreule (st. otus), Nachteule (st. aluco), Baumeule (st.

stridula), Schleyereule (st. flammea), der große Kautz (st.

ulula) und der kleine Kautz (st. passerina).

d) Das Raben- und Krähengeſchlecht. Der Kolkrabe

(Corvus corax), der gemeine Rabe (C. corone), die Saatkrähe

(C. frugilegus), Nebelkrähe (C. cornix), Dohle (C. monedula)

und Elſter (C. pica).

e) Das Würgergeſchlecht. Der Neuntödter (Lanius ex-

cubitor), der graue, rothköpfige und der rothrückige Würger (L.

minor, pomeranus und spinitorquus).

III. Von den Fiſchen.

§. 256.

Hier iſt nicht von der Teichfiſcherei (§. 205.), ſondern von

der Wildfiſcherei die Sprache. Ihre ganze Thätigkeit iſt der Fiſch-

fang auf dem Meere, auf Seen, Strömen, Flüſſen, Bächen, der

Fang aller Schaalthiere des Waſſers, und jener der nutzbaren und

ſchädlichen Amphibien aller Art. Man bedient ſich zum Fange

derſelben folgender Mittel: a) Der Angeln, deren Geſtalt bekannt

iſt; b) der Garne und Netze, als Fiſch- und Streichwathe,

Treib- oder Keutelnetze, Wurf-, Senk- und Sackgarne, Rafflen,

Taupelgarne, Hahmen und Kötſcher1); c) der Reußen, d. h.

tiefer Weidenkörbe mit trichterförmig ſich verengender Oeffnung,

die bis hinein geht, wo ſich der Korb wieder erweitert, ſo daß die

Fiſche nicht mehr zurück herauskommen und doch darin leben kön-

nen; d) der Fiſchwehren oder -Zäune, d. h. in Flüſſen ange-

brachten, durch zuſammengefügte Pfähle verfertigten Trichter, die

mit dem weiten Ende gegen den Strom ſtehen, am ſpitzigen Ende

aber mit einem Garnſacke verſehen ſind, ſo daß die Fiſche hinein,

aber nicht mehr ſelbſt hinauskommen; e) der Eggen (3 oder

4 eckig) mit Holz- oder Eiſenzinken, die dann beſonders zum Fange

der Schaalthiere in der Ebbenzeit bei niederem Waſſerſtande von

Thieren durch den Sand gezogen werden, während man hinten-

nach Fiſche und Schaalthiere aufliest; f) der Gabeln, Hacken,

Harpunen, Pfeile, Spieße und Stecheiſen; g) der Vögel, die

zum Fiſchfange abgerichtet ſind, beſonders des Seeraben (Kor-

moran, Pelecanus Carbo) und der Tauchergans; h) der Pfeile

und Bogen, ſo wie der Schießgewehre zum Schießen der

[311/0333]

Fiſche; i) der bloßen Hände, wenn man es wegen Beſchaffenheit

des Waſſers und Gewäſſers kann. Man fiſcht entweder bei Tage,

wozu man nicht ſelten mit der Fiſchtrampe (einer Stange zum

Auftreiben der Fiſche) jagt2), oder bei Nacht, wobei man ent-

weder am Nachen angebrachte Laternen mit Lichtern, oder ſolche

Laternen, die im Waſſer ſelbſt ſtehen und ein Licht in ſich, gegen

Waſſer geſchützt, halten können, gebraucht, weil ſowohl Fiſche als

Krebſe dem Lichte nachziehen. Man fiſcht aber auch unter dem

Eiſe, indem man das dazu eigens eingerichtete Netz (Eisnetz)

durch eine große Wuhne einſenkt, und unter dem Eiſe durch einige

in einiger Entfernung von einander angebrachte kleine Wuhnen

forttreibt, bis es unter einer zweiten großen Wuhne angekommen

iſt, aus welcher man es dann herauszieht.

¹ Nähere Beſchreibungen und Abbildungen dieſer Netzarten, anderen Vorrich-

tungen und Fiſchereigeräthe ſ. m. auch bei Boſe, Wörterbuch der Forſt- und

Jagdwiſſenſchaft nebſt Fiſcherei. IIIr Theil. Krünitz Oekonomiſche Encyclopädie.

XIII. 655. S. auch oben §. 205.

² Beſonderer Erwähnung ſind auch die Fiſchweiden, als eigenthümliche

Arten, viele Fiſche auf einen Platz zu locken, werth. Es ſind dies die Garenen,

d. h. quer über einander geſchichtete Reiſigbunde, die man in einen Fluß, Teich

u. dgl. legt und mit einem Pfahle befeſtigt, — und die Fiſchporte, d. h. in das

Waſſer geſenkte nicht große Steine, auf welche man breite und lange Bretter legt,

damit die Fiſche einen Schattenplatz bekommen. Dahinein ſammeln ſich die Fiſche

innerhalb 14 Tagen, worauf man ſie vorſichtig annähernd mit Garnen umſtellt, die

Fiſchweiden allmälig auflöst und aushebt, mit der Fiſchtrampe jagt und alsdann

das Netz zieht.

Zweites Hauptſtück.

Forſtwirthſchaftliche Betriebslehre.

§. 256. a.

Die forſtwirthſchaftliche Betriebslehre ſtellt die Grundſätze und

Regeln dar, wonach das ganze forſtwirthſchaftliche Gewerbe, als

ein Zuſammenhängendes eingerichtet, gehandhabt und geleitet wer-

den ſoll (§. 119.). Es müſſen alſo auch in ihr alle Hauptmomente

vorkommen, welche bisher bei den Betriebslehren anderer Art

(§. 206. a.) gefunden worden ſind.

I. Von den allgemeinen Bedürfniſſen des forſtwirth-

ſchaftlichen Betriebes.

§. 257.

1) Naturmittel.

Man muß zum Betriebe der Forſtwirthſchaft1) folgende kör-

perliche und körperloſe äußere Güter beſitzen:

[312/0334]

1) Naturmittel in möglichſt paſſendem Zuſtande. Es iſt

hierher zu rechnen: a) der Boden in derjenigen Beſchaffenheit,

welche den zu ziehenden Baumgattungen und der Wirthſchaftsart

entſpricht, in beſtimmter Flächenausdehnung. In Betreff der Be-

ſchaffenheit unterſcheidet man den abſoluten von dem relativen

Waldboden, und verſteht unter jenem einen Boden, der vermöge

innerer Eigenſchaften und ſeiner Lage eben nur zu Waldbau mit

Vortheil verwendet werden kann, unter dieſem aber einen ſolchen,

der auch nach dieſen Umſtänden zu Landwirthſchaft tauglich iſt,

aber zum Waldbaue benutzt werden ſoll, wenn man ihn zu jener

nicht bedarf oder durch Holzzucht überhaupt mit größerem Vor-

theile verwenden kann. Was aber die Flächenausdehnung anbe-

langt, ſo iſt man allgemein darüber einig, daß nach der Natur

der Forſtwirthſchaft ein vortheilhafter nachhaltiger Betrieb der-

ſelben nur auf einer ſehr großen Fläche geführt werden kann.

Dies verlangt der Schutz, den ſich der Wald ſelbſt geben muß, —

der periodiſche Verluſt, welcher in dem Waldbaue Statt findet, —

und die Wirthſchaftsmethode. Auch hat die Erfahrung zur Genüge

gezeigt, daß ſich kleine Waldparzellen nicht rentiren und bald in

einem ſolchen verſchlechterten Zuſtande ſind, daß ſie eingehen müſſen,

wenn man nicht des Vergnügens halber weder Koſten noch Mühe

ſcheut. b) Die Wildbahn. Dieſelbe ſteht zwar zur Forſtwirth-

ſchaft durchaus nicht in dem abſolut nothwendigen Verhältniſſe,

wie die Viehzucht zur Landwirthſchaft. Allein das Wild iſt eine

Zierde der Waldungen, ein einträglicher Nutzungszweig derſelben,

wenn die Jagd mit Sorgfalt und Umſicht gehandhabt wird, und

gibt viele Veranlaſſungen zum Beſuche der Waldungen, ſelbſt an

Plätzen, auf welche man der Beſichtigung halber ſonſt nicht wohl

kommen würde2).

¹ Ueber die forſtwirthſchaftliche Betriebslehre ſ. m. Hundeshagen Encyclo-

pädie. II. Bd. v. Kropff Syſtem und Grundſätze. II. Bd., oder XIII. Kap. u. folg.

Schmitt Forſtgehaubeſtimmung (ſ. oben §. 234.). v. Burgsdorf Handbuch.

II. Bd. Hartig Grundſätze der Forſtdirection. Hadamar 1814. Laurop Staats-

forſtwirthſchaftslehre. Gießen 1818. Meyer Forſtdirectionslehre (ſchon mehrmals

citirt).

² Welches Verhältniß zwiſchen Wild und Wald Statt finden ſoll, das iſt

bereits bei der Lehre von den Wildbahnen und Gehegen allgemein angegeben. Die

ſpezielle Löſung der Frage hängt aber zugleich auch von der Art des Wildes ab.

§. 258.

Fortſetzung. 2) Verkehrsmittel.

2) Verkehrsmittel. Ohne Abſatz kann eine bedeutende

nachhaltige Forſtwirthſchaft nicht Statt haben. Deshalb ſind

[313/0335]

gehörige Transportmittel und -Wege1) ganz unentbehrlich.

Man transportirt:

A) Zu Land das Holz durch Tragen in Körben und Holz-

tragen, durch Fahren auf Karren, Wagen und Schlitten, durch

Walzen auf der bloßen Erde und Unterlagen, durch Schleifen

am Lotteiſen (Keil, der mit einer Zugkette verſehen iſt und in die

Blöche geſchlagen wird), das man allein oder mit dem Lottbaume

(einer Deichſel für zwei Menſchen oder Thiere), oder mit einem

halben Wagen anwendet, um die Zugkraft zu erleichtern und zu

verſtärken, und endlich durch Rutſchen entweder auf der bloßen

Erde oder in Rieſen (d. h. entweder in die Erde gegrabenen und

mit Holz befeſtigten oder durch Eiſen, Stangen, Blöche und

Bretter verfertigten künſtlichen Rinnen, — Erd-, Eiſen-, Stangen-

rieſen), oder auf Rutſchen (Holzwegen), oder an Seilen, indem

man das herabzulaſſende Holz entweder auf oder ohne Unterlagen

und Walzen an Seilen hält und allmälig gleiten läßt. Auf den

Heerſtraßen und andern Fahrwegen darf es nur mit Wagen trans-

portirt werden. Bevor es aber zu dieſen oder zu einer Waſſer-

ſtraße gelangt, wird es auf eigenen Holztransportwegen weiter

geſchafft. Dieſe aber ſind entweder Winter- (Schnee-) Wege

oder Sommer- (Schmier-) Wege, und bei Beiden unterſcheidet

man wieder die Schiffbau-, Langholz- (Bloch-) und Feuerholz-

wege. Die Winterwege ſind nur bei einer durch den Schnee her-

vorgebrachten natürlichen Glätte, die Sommerwege nur bei einer

durch Waſſer, Speck oder Talg hervorgebrachten künſtlichen Glätte

fahrbar. Sie ſind ſämmtlich mehr oder weniger mit Längen- oder

Querhölzern (Streichrippen) befeſtigte Wege, auf welchen die

Holzſchlitten und Holzarchen (eigene Gerüſte von Holz) mit Holz

beladen von Menſchen oder Thieren hingezogen werden. Da nun

in Gebirgen oft Unterbrechungen der Wege Statt finden oder auf

Sumpfboden kein Schlittenweg angelegt werden kann; ſo wird es

oft nöthig, die Wege auf Jöchern u. dgl. brückenartig anzulegen.

So entſtehen die Sumpfſchlittwege (über Sümpfen), die

beweglichen Schlittwege (über Klüften) und die Leiter-

wege (leiterförmig über Schluchten). Neben dieſen Schlittwegen

ſind in der Regel auch gewöhnliche (Weich-) Wege angelegt, auf

denen die Thiere und Menſchen zurückgehen2).

B) Zu Waſſer unmittelbar auf der Waſſerfläche (Flößerei)

oder mittelbar zu Floß als Oblaſt und zu Schiffe, wenn ein

ſolches Gewäſſer vorhanden iſt, auf welchem dies geſchehen kann

(das ſchiff- oder floßbar iſt). Wenn weder Waſſermangel noch

plötzliches und häufiges Anſchwellen der Flüſſe, niedriger Stand

[314/0336]

der Ufer, ihre Begangbarkeit, Felſen und Sandbänke in der Floß-

ſtraße, unzureichende Breite derſelben, zu ſeichtes und zu hohes

Gefälle des Fluſſes, zweckwidrige Richtung und Krümmungen

deſſelben, Mangel an Landplätzen, noch Waſſerbauten, bei denen

keine Schleußen angebracht ſind, der Flößerei entgegenſtehen, ſo

iſt ſie eine ſchnelle, bequeme und wohlfeile Transportmethode,

welche auf den guten Betrieb der Waldwirthſchaft vortheilhaft zu-

rückwirken muß3). Der Schifftransport des Holzes aber iſt

von den Bedingungen der Schifffahrt im Allgemeinen abhängig.

¹ Ueber Holztransport und Floßweſen ſ. m. Jägerſchmid Handbuch für

Holztransport und Floßweſen. (Ganz ausgezeichnet gut, ſ. §. 236. Note.)

König, Beiträge zur praktiſchen Forſt- und Floßhandelswiſſenſchaft. Ulm 1790.

v. Sponeck, Handbuch des Floßweſens. Stuttgart 1825. Stahl Magazin. I.

VII. VIII. XI. Bd. Moſer Archiv. II. VII. XII. XIII. Bd. Du Hamel de

Monceau, Du transport, de la conservation du bois. Paris 1767. 4. Leroy,

Mémoire sur les travaux qui ont rapport à l'exploitation de la mâture dans les

Pyrenées. Paris 1776. 4. Ueberſetzt in Laurop Annalen. Bd. I. II. VI. von

Eggerer. Krünitz Oeconomiſche Encyclopädie. XIV. 288. Mehr Literatur in

Jägerſchmid's Handbuch. II. 26–28.

² Jägerſchmid Handbuch. I. 216 folg.

³ Nachtheile der Flößerei ſind: die Verſchüttung der Flußbette, Beſchädigung

der Ufer, daran liegenden Grundſtücke, der Waſſerbauten, der Fiſcherei und Waſſer-

werke durch Stillſtand. Ueber dieſe ihre Vortheile und Hinderniſſe ſ. m. Jäger-

ſchmid Handbuch. II 38–69.

§. 259.

Fortſetzung. Flößerei insbeſondere.

Die Flößerei im eigentlichen Sinne transportirt das Holz,

welches verſendet werden ſoll, unmittelbar ſelbſt auf dem Waſſer;

die Flößerei als Oblaſt aber transportirt das zu flößende Holz

auf eigens aus Stämmen gefertigten Tragflößen aus Tannenholz,

oder, weil es wegen der Schwere nicht von ſelbſt ſchwimmt, in

Verbindung mit den leichteren Tannenholzſtämmen, oder endlich

aus demſelben Grunde auf waſſerdichten verpichten Tonnen. Was

a) die Art des Flößens anbelangt, ſo iſt ſie entweder ungebun-

dene oder gebundene (geſpannte, regelmäßige) Flößerei. Bei

jener ſchwimmt das Holz in einzelnen Stücken, bei dieſer aber in

Flößen einher, und zwar wird auf beide Methoden Brenn- und

Langholz geflößt. Bei der gebundenen Langholzflößerei unterſchei-

det man die Geſtörflöße, welche aus zuſammengeknüpften Abthei-

lungen (Geſtören) beſtehen, die aus einzelnen Floßhölzern zuſam-

mengefügt ſind, und Hauptflöße, welche nach allen Ausdehnungen

eine große ganze Maſſe bilden. Die Geſtörflößerei iſt auf kleinen

ſeichten Flüſſen, die Hauptflößerei auf breiten tiefen Strömen an-

wendbar. Bei jener gebraucht man die Flößſtange, bei dieſer die

[315/0337]

Ruder, und jene führt daher dieſer von Seitenflüſſen das Holz zu.

Der Platz, wo man die Flöße bindet, heißt Bindſtätte (Ein-

bindſchaft)1). Was aber b) die Floßſtraße anbelangt, ſo iſt

ſie entweder ein natürliches oder ein künſtlich gefaßtes

Flußbett. Zu dem Erſteren gehört das Selbſtwaſſer (der

Selbſtbach), wenn ſich das Waſſer dazu in gehöriger Menge von

Natur ſelbſt immer ſammelt; der Keuter, wenn man nämlich das

ſpärlich herzufließende Waſſer durch eine Querſperre im Fluſſe mit

Holz, Reiſig, Moos und Erde ſo lange hält, bis man es, mit

einer Holzmenge beladen, loslaſſen kann; die Waſſerſtube, wenn

man zu demſelben Zwecke, wozu die Keuter dienen, ganz regel-

mäßige und ſtarke Waſſerbauten mit Stellfallen und Gerinnen an-

legt; die gewöhnlichen Wehre und Deiche, welche dazu dienen,

der Floßſtraße das Waſſer zuzuführen, und bloße, verſchiedenartig

laufende, Dämme von Faſchinen, Holz oder Steinen ſind; und

endlich die Schwellungen (Klauſen), große, künſtlich zugerich-

tete, Waſſerſammelplätze aus Quellen, Bächen u. dgl., welche das

Waſſer ſo im Großen ſammeln ſollen, daß ſie, wenn man ſie los-

läßt, allen Waſſermangel auf der Floßſtraße zugleich decken, indem

ſie das Holz mit ſich fortreißen. Zu dem Anderen gehören aber

Waſſerbauten verſchiedener künſtlicher Art, je nach der Lang- und

Kurzflößerei. Sie ſind entweder blos Verwahrungen der Ufer oder

wirklich ganz künſtlich gefaßte Floßſtraßen, und beſtehen für beide

Zwecke aus Dämmen, Faſchinenbauten, Flechtwerk und

Holzeinwandungen, für die Kurzholzflößerei insbeſondere aber

aus Waſſerrieſen, d. h. rieſenartig gebauten Kanälen aus Stan-

gen, aus der Kähnereinrichtung, d. h. rinnenförmig zuſammen-

geſetzten ausgehöhlten Baumſtammhälften (Kähner), aus hölzernen

Floßkanälen, und aus gebruckten und gedammten Floß-

ßraßen, d. h. Rieſen-, Kähner- und Kanaleinrichtungen voriger

Art, welche man über Klüfte und Schluchten auf Geſtellen oder

Brücken leiten muß. Was endlich c) die äußeren Mittel zur

Flößerei in dieſen verſchiedenen natürlichen und künſtlichen Floß-

ſtraßen anbelangt, ſo gehören dahin die Einrichtungen ſowohl von

Landungsplätzen und Holzmagazinen (Holzgärten) als auch von

Holzfängen und Rechen2).

¹ Die Geſtörflöße bindet man am beſten mit Zaum und Kegel, d. h.

mit Weiden an eingeſchlagenen hölzernen Keilen, die am ſtumpfen Theile hierzu mit

einem tiefen Einſchnitte verſehen ſind; in geſpannter Weide mit Wettſtangen

und Zweck, d. h. mit Weiden, welche man um geſägtes Holz, z. B. Bretter

(Bord), Latten, das auf kleine Häufen geſchichtet iſt, ſchlingt, und zur Verbin-

dung der Geſtöre mit einander um eine Querſtange windet, wo man ſie dann mit

Holzſtücken (Zwecken) feſtſpannt; in verbohrter Weide, d. h. indem man an

[316/0338]

¹ beiden Enden der Holzſtücke zwei Löcher für die Mittelſtücke des Geſtöres, und nur

ein Loch für die Seitenſtücke bohrt, und die Weiden zum Verbande durch dieſe

Löcher zieht; oder endlich mit Zenkelſtangen, d. h. Querſtangen, an welche das

zu verflößende Holz durch lange Eiſennägel oder Zenkel angenagelt oder gezenkelt

wird. Die Hauptflöße werden auf nicht unähnliche Art geknüpft, nur muß die

Verbindung dort ſtärker, ein großer Vorrath von Floßgeräthen, eine Rudereinrich-

tung und ein Gerüſte zur Hemmung (ein Bietig) des Floßes vorhanden ſein.

² Nämlich: die Verfällung des Floßwegs durch Baumſtämme, indem

man Bäume mit gut ausgebildeter Krone in den Fluß legt und am Stammende auf

dem Ufer befeſtigt; die Flug- und Streichfänge, ebenfalls ähnliche Abwehren,

von verſchieden großem und ſchwerem Holze zuſammengebunden, theils um das

Flößholz; von den Ufern und von Gewerkskanälen abzuhalten; die ſchwimmenden

und ſteifen Hauptfänge, nämlich in größeren Flüſſen angebrachte, floßartig

verbundene, mit Balken, die in das Flußbett gerammt ſind, befeſtigte lange und

ſehr ſtarke Abwehren, um das Flößholz von ganzen Flußarmen abzuhalten; die

Nothfänge, gebaut wie die genannten Hauptfänge, aber blos dazu dienend, die

bei großem Waſſer unter den Hauptfängen durchgehenden Holzſcheiter aufzufangen;

die ſtehenden Holzfänge (Floßrechen)- zur Aufhaltung ungeheurer Holzmaſſen

verſchiedener Art, ungeheure rechenförmige, ſich um mehrere Morgen Fläche ziehende,

auf Steinpfeiler geſtützte, Abwehren oder Fänge, auf großen und mächtigen Flüſſen;

und die Floßrechen für Scheiterholz, welche kleiner und ſchwächer ſind als jene.

§. 260.

Fortſetzung. 3) Arbeiter; 4) Capital: 5) Freiheit.

3) Tüchtige Arbeiter in erforderlicher Anzahl. Was ſchon

oben geſagt (§. 208.) iſt, gilt auch hier, nicht blos bei der Boden-

bearbeitung und Saat, ſondern namentlich beim Hiebe und bei der

Aufbereitung des Holzes zu den verſchiedenen Sortimenten.

4) Hinreichendes Capital. Dieſes beſteht bei der Forſt-

wirthſchaft nicht aus jenen vielen Einzelheiten, wie bei der Land-

wirthſchaft. Es gehören die ſämmtlichen Forſt- und Jagdgebäu-

lichkeiten, die Holzſaat, der Holzerwachs1), die verſchiedenen

Wirthſchaftsgeräthe, das forſtliche Arbeitsvieh ſammt den Unter-

haltungsausgaben und etwaigen Geſchirrſtücken, die verſchiedenen

Holztransporteinrichtungen und dazu nöthigen jährlichen Unter-

haltungsausgaben, die jährlichen anderen Betriebsausgaben, wie

Arbeitslohn u. dgl., die Vorräthe von verſchiedenen Holzſortimenten

in den Magazinen, und die Waldgerechtſame verſchiedener Art,

deren der Forſt und deſſen Betrieb genießt.

5) Freiheit des Betriebes. Beſchränkungen derſelben,

welcher Art ſie auch ſein mögen, erſcheinen wie ein dem Eigen-

thümer entzogener Theil des Capitals. Gerade beim Waldbaue

ſind deren eine bedeutende Anzahl, als: das Recht eines Anderen,

aus dem Walde jährlich einen beſtimmten Theil des Holzertrages

unentgeltlich zu beziehen; die Verpflichtung, einem Anderen ein

gewiſſes Holzquantum unbeſtimmter Gattung aus dem Walde zu

verabfolgen; dieſelbe Verpflichtung zur Abgabe beſtimmter Holz-

[317/0339]

ſortimente; das Recht eines Andern, aus dem Forſte unentgeltlich

ſein ganzes unbegrenztes Holzbedürfniß zu befriedigen; jenes, ohne

Entgelt aus dem Forſte alles Aſt- und Reiſigholz (Zopfholz) zu

nehmen; die Verpflichtung des Waldeigenthümers, alle Weichhölzer

an einen Andern abzugeben; die Gerechtſame eines Dritten, im

Forſte das Raff- und Leſeholz zu ſammeln; und die Berechtigung

auf den Bezug aller abgeſtorbenen Bäume, Lagerhölzer, Stöcke

und Wurzelhölzer; die Waldweide- und Maſtungsgerechtigkeit mit

verſchiedenen Viehgattungen in beſtimmter oder unbeſtimmter An-

zahl, und das Recht zur Waldſtreunutzung. Alle dieſe Beſchränkungen

ſind nicht blos ſchädlich, in ſoferne ſie einen oft ſehr bedeutenden

Theil des Ertrages entziehen, ſondern auch in ſoferne, als ſie die

Einführung einer angemeſſeneren Betriebs- und Wirthſchafts-

methode verhindern und in einen bereits eingeführten den Fortgang

durch allerlei Beſchädigungen verhindern.

¹ Der Holzerwachs, wenn er noch ſteht, gehört auch zum Capitale. Dieſer

Holzvorrath unterſcheidet ſich von demjenigen, der ſchon nach Sortimenten in den

Magazinen ſitzt, als Capital, beſonders auch dadurch, daß er in ſich ſelbſt und im

Boden das Prinzip ſeiner Vermehrung trägt, während dies beim todten Holze nicht

der Fall iſt. Der Wald erſcheint ſo ſelbſt gleichſam als ein rentirendes Magazin.

II. Von der Organiſation des forſtwirthſchaftlichen

Betriebes.

§. 261.

Das Eigenthum an Waldungen kann Jeder im Staate erlan-

gen. Daher finden ſich auch Privat-, Gemeinde-, Staats-,

Stiftungs- und Corporationswaldungen. Unter welchem Titel man

auch einen Forſt beſitze, ob durch Eigenthum, Pacht oder Ver-

leihung, ſo iſt es immer von der größten Wichtigkeit, daß er nur

nach wirthſchaftlichen Regeln verwaltet werde und daß ein Ver-

walter (Forſtmeiſter, Förſter) an der Spitze ſtehe, der ſich wiſſen-

ſchaftlich und praktiſch gehörig gebildet hat. Denn ohne das geht,

wie aus der Gewerbslehre zu erſehen iſt, der Wald weit ſicherer

dem Verderben und weit größerer Zerrüttung entgegen, als ein

Landgut oder Grundſtück, und der Schaden wird weit nachhaltiger

als bei dieſen, weil ein Forſtbau auf große Zeitperioden hinaus

angelegt wird. Was nun aber

1) Die wirthſchaftende Perſon, welche das Waldeigen-

thum haben ſoll, anbelangt, ſo ſteht die Forſtwirthſchaft unter

einem anderen Geſichtspunkte als die Landwirthſchaft, und zwar

a) weil ein Waldbetrieb ohne großes Waldeigenthum nicht wohl

mit Nachhalt und nach den nöthigen Kunſtregeln möglich iſt,

[318/0340]

folglich ein ſehr großes Forſtgrundeigenthum erfordert wird;

b) weil folglich ſchon zum Ankaufe eines ſolchen Forſtes ein großes

Capital aufgewendet werden muß und die Betriebsplane ſo weit

ausſehend ſein müſſen, daß ſich das ſtehende und das Betriebs-

capital nur erſt nach vielen Jahren rentirt und erſetzt; c) weil

der Zins, welchen das Forſtcapital gibt, ſehr wandelbar, von

äußern Natur- und Verkehrsumſtänden abhängig, iſt, abgeſehen

davon, daß man keine hinreichende Erfahrung über ſeinen Fuß

hat. Die Forſtwirthſchaft eignet ſich darum, mit Ausnahme jener

in kleinen Büſchen, welche nicht leicht regelrecht betrieben werden

kann, nur mehr für moraliſche Perſonen, deren Exiſtenz als

immerwährend angenommen wird und deren Capitalbeſitz groß genug

iſt, nämlich vorzüglich für den Staat, die Gemeinden, Stiftungen

und Geſellſchaften. Einzelnen Privaten iſt der Ankauf und Betrieb

von Forſten deshalb blos dann anzurathen, wenn ſie leicht ein

großes Capital weitausſehend anlegen können, und die Familien-

verhältniſſe ſo beſchaffen ſind, daß die Familie mehr als eine

moraliſche Perſon angeſehen werden kann, bei welcher eine Thei-

lung des Grundeigenthumes nicht zu erwarten iſt, entweder weil

das Majorat gilt, Fideicommißeinrichtungen beſtellt ſind oder die

Beſitzungen im Namen der einzelnen Erben als Geſammtmaſſe ver-

waltet werden müſſen. Was dagegen

2) Die Bewirthſchaftungsart anbelangt, ſo hat man

dieſelben dafür, welche auch ſchon oben (§. 209. —) erwähnt

ſind. Es gilt auch hier im Allgemeinen, was dort darüber geſagt

iſt. Jedoch ſind Zeitpachtungen der Natur der Sache nach

nicht zuläſſig, es ſei denn, daß man den Uebergang des Pachtes

auf die Erben des Pachters bis zum Ablaufe der Pachtzeit geſtat-

tet habe. Auf dieſe Art nimmt die Zeitpacht aber die Natur der

Vererbpachtung an, welche der Natur der Waldungen und

Forſtwirthſchaft am meiſten entſpricht, unter den Bedingungen,

welche an die Perſon nach obigen Grundſätzen gemacht werden,

die einen Wald nachhaltig bewirthſchaften will. Die Präcautionen

ſind hier im Ganzen dieſelben, wie bei der Verpachtung von

Landgütern1).

¹ Nur muß dabei mehr noch auf die Einhaltung einer regelmäßigen Wirth-

ſchaftsmethode und eines eben ſolchen Hiebes geſehen werden als bei einem Landgute,

und dann aber folgt man bei Regulirung des Erbpachtzinſes (Kanons) eigen-

thümlichen Prinzipien. Es muß a) eine einmal begonnene Betriebsart ganz durch-

geführt werden, und erſt nach deren Vollendung iſt es dem Erbpachter erlaubt, eine

neue zu beginnen. Es muß b) der Erbpachtskanon nach demjenigen Holzbeſtande

beſtimmt werden, in welchem ſich der Forſt bei der Vererbpachtung befand, aber

nach den ſo regulirten Sätzen wird dann bei Beſtandsveränderungen derſelbe neu

regulirt, indem man den Geldwerth der in Natur beſtimmten Leiſtung als Regulativ

[319/0341]

¹ annimmt. Z. B. das Klafter Eichenholz koſte 5 Thlr., und der feſtgeſetzte Kanon

in Natur ſei 30 Klafter = 150 Thlr., ſo dauert dieſer Kanon fort, ſo lange kein

anderer Holzbeſtand eingeführt iſt; folgt aber ein Nadelholzbeſtand, wovon das

Klafter 4 Thlr. koſtet, ſo muß die Naturalleiſtung um ¼ der früheren mehr be-

tragen, denn da ſich die Preiſe wie 4:5 verhalten, ſo muß die Naturalleiſtung

wie 5:4 ſtehen, und alſo im Nadelholze = 37½ Klafter ſein, welche ebenfalls

= 150 Thlr. ſind. Da nun aber hiermit der Eigenthümer weder vor Verluſten je

nach der Betriebsart noch vor ſolchen nach dem veränderten Geldwerthe geſichert iſt,

ſo behält er ſich c) eine Reviſion nach ſolchen Veränderungen bevor, ein Umſtand,

der auch für den Erbpachter wichtig iſt. Z. B. es ſinke der Preis des Eichenholzes

wegen Geldmangel u. ſ. w. auf 4¾ Thlr., und der Kanon ſei in Geld zu 150 Thlr.

beſtimmt, ſo würde der Erbpachter, wenn er dieſe Summe bezahlen müßte, offenbar

mehr leiſten, als urſprünglich beſtimmt iſt, weil die 4¾ Thlr. jetzt ſo viel Werth

haben als 5 Thlr., und es wird für ihn vortheilhaft ſein, nur 4¾x30 = 142½

Thlr. zu bezahlen, ohne daß der Eigenthümer Schaden leidet, da 142½ Thlr. dem

Werthe nach jetzt ſo viel ſind, als ehemals 150 Thlr. Stiege aber z. B. der Preis

auf 5⅓ Thlr. aus gerade entgegengeſetzten Urſachen, ſo daß jetzt 5⅓ Thlr. nicht

mehr Werth haben, als ehemals 5 Thlr., ſo liegt es im Intereſſe des Eigenthümers,

ohne daß er dem Pachter reellen Schaden zufügt, fortan 5⅓x30 = 160 Thlr.

zu verlangen. Aendert ſich aber der Holzbeſtand und mit ihm der Umtrieb bei

gleichbleibenden Preiſen, ſo iſt ebenfalls eine Veränderung nöthig. Z. B. bei einem

Kanon von 30 Klafter Buchenholz = 150 Thlr. von jedem 50 jährigen Umtriebe

erhält der Eigenthümer in 100 Jahren 300 Thlr.; tritt aber eine Veränderung des

Beſtandes in ein Nadelholz von 33 jährigem Umtriebe ein, und müſſen deshalb

37½ Klafter zu 4 Thlr. entrichtet werden, ſo erhält der Eigenthümer nicht 300,

ſondern 450 Thlr. Im umgekehrten Falle findet auch das Umgekehrte Statt. Bei

eingetretenen Veränderungen im Holzbeſtande, Umtriebe und Geldwerthe wird die

Regulirung darnach combinirt.

III. Von der Leitung des Betriebes der Forſtwirthſchaft.

§. 262.

1) Betriebsarten.

Da ſich im Forſtbaue nicht leicht beſondere Verſuche anſtellen

laſſen, weil ſie mit zu großem Aufwande verbunden ſind, und da

jeder etwaige Verſuch im Großen ſogleich die Natur einer wirk-

lichen Betriebsart annimmt, ſo bezieht ſich die Leitung des forſt-

wirthſchaftlichen Betriebes nur auf zwei Hauptgegenſtände. Sie

ſind:

1) Die Wahl und Leitung der Betriebsart1). Die

Wirthſchaft verlangt überhaupt Nachhaltigkeit verbunden mit dem

größten und ſicherſten Ertrage. Wenn daher die Forderung erfüllt

iſt, wonach man die den klimatiſchen und Bodenverhältniſſen am

meiſten entſprechende Holzgattung rein oder vermiſcht und die paſ-

ſendſte Wirthſchaftsmethode (§. 227–232.) wählen muß, ſo iſt

darauf zu ſehen, den Boden und deſſen Beſtand am zweckmäßigſten

und vortheilhafteſten zu benutzen, um auf immer eines Ertrages

in gewiſſen Perioden ſicher zu ſein. Dies aber hängt von der Be-

triebsart ab. Man hat folgende Betriebsarten:

[320/0342]

a) Den Ausſetzbetrieb (ausſetzenden, intermedirenden),

nach welchem jede Forſtabtheilung, insbeſondere aber eine kleine

Waldung, wenn ihre Umtriebszeit eingetreten iſt, regelmäßig ganz

abgeholzt und wieder erneuert wird.

b) Der Nachhaltsbetrieb, nach welchem man periodiſch

einen Theil der Waldfläche oder eine Forſtabtheilung abholzt und

wieder verjüngt, um ſo einen regelmäßig periodiſchen oder jähr-

lichen Ertrag zu ſichern, vom Boden den größten Nutzen zu ziehen,

und für die fortwährende Nutzung zu ſorgen2). Man kann die

hierher gehörenden verſchiedenen Betriebsweiſen folgendermaßen

zuſammenſtellen:

α) Rein forſtliche Nachhaltsbetriebsarten, d. h. ſolche,

bei welchen blos eine nachhaltige Bewirthſchaftung des Forſtes auf

Holz bezweckt, und die übrigen Nutzungen als Nebenſache betrachtet

werden. Es ſind dies folgende:

a) Der Fehmel- (Fimmel-, Schleich- oder Plänter-)

Betrieb, d. h. derjenige, bei welchem man forſtweiſe und einzeln

den Hieb anlegt und die Verjüngung bezweckt3).

b) Der Schlagwaldbetrieb, d. h. derjenige, bei welchem

man die ganze Waldfläche in mehrere gleiche regelmäßige Theile

(Schläge) eintheilt, von welchen man dann einen nach dem an-

dern beſaamt, um wieder in gleichen Perioden einen nach dem

andern abholzen und wieder verjüngen zu können u. ſ. f., wodurch

ein fortwährender regelmäßiger Umtrieb eintritt4).

β) Landwirthſchaftlich forſtliche Nachhaltsbetriebs-

arten, d. h. ſolche, bei welchen man dem Waldboden nicht blos

den größten nachhaltigen Forſtertrag, ſondern auch zugleich eine

erhebliche landwirthſchaftliche Nutzung abzugewinnen ſucht, folglich

die ſonſtige Nebennutzung an Futter, Streu und Getreide auch zu

Hauptnutzungen erhebt. Es gehören hierher:

a) Der Hackwaldbetrieb, d. h. derjenige, bei welchem man

in Niederwaldungen ſogleich nach dem Hiebe die Erde zwiſchen den

Stöcken beackert und beſäet, um daraus einige Getreideernten zu

beziehen5).

b) Der Baumfeldbetrieb, d. h. derjenige, bei welchem

man den Wald in Schläge eintheilt, von dieſen jährlich einen ab-

holzt, in dieſem die Stöcke ausrodet, den Boden für Feldbau zu-

richtet, einige Jahre als Feldboden landwirthſchaftlich benutzt,

dann eine entſprechende Holzart in Reihen der Ackerfurchen nach

anpflanzt, zwiſchen dieſen Reihen den Feldbau fortſetzt, bis dies

wegen der Größe der Bäume nicht mehr angeht, hierauf die Hälfte

der Bäume herausnimmt, ſobald ſich die Bäume durch ihre Größe

[321/0343]

im Wachsthume hindern, dieſe Durchholzung wiederholt, ſo oft

und ſo lange es nach der Natur der Bäume und nach dem Zwecke

der Baumzucht erforderlich iſt6), und ſo mit jedem Schlage es

nachmacht.

c) Der Waldfeldbetrieb, d. h. derjenige, bei welchem man

wo möglich noch im Herbſte nach der Abholzung und Räumung

jedes Schlages den Boden feldbaumäßig bearbeitet, die Holzüber-

bleibſel auf dem Boden verbrennt, die gewonnene Aſche ausſtreut,

den Boden ſo dem Winterfroſte Preis gibt, im nächſten Frühjahre

(manchmal bei gehöriger Lockerheit des Bodens ſogleich im Herbſte)

mit 4–7 jährigen Waldbäumen nach localen Umſtänden bepflanzt,

— zur rechten Zeit zwiſchen die Baumreihen Hackfrüchte (Kartof-

feln, Rüben, Mais) bauet, um ſo den Baumpflanzen den Boden

gehörig zu lockern und zu befruchten, — nach 2–4 Jahren dem

Fruchtbaue die Grasnutzung eben ſo lange folgen läßt, weil der

Boden für jenen zu beſchattet und zu entkräftet iſt, — und endlich

von dieſer Zeit an den Boden und Wald in Ruhe und Schonung

läßt7).

¹ Man iſt bisher in der Unterſcheidung zwiſchen den Wirthſchaftsmethoden

und Betriebsarten ebenfalls gar nicht genau geweſen. Und doch ſind beide Begriffe

ſehr von einander verſchieden. Die Wirthſchaftsmethoden in der Forſtwirthſchaft,

nämlich Hoch-, Nieder-, Mittelwald- und Kopfholzwirthſchaft, ſind daſſelbe, was

die Pflug-, Drill- und Pferdehackenwirthſchaft im Feldbaue; die landwirth-

ſchaftlichen Betriebsarten, nämlich das Felder- und Wechſelſyſtem, ſind im Feld-

baue daſſelbe, was obige Betriebsarten in der Forſtwirthſchaft. Die Wirthſchafts-

methode iſt die Art der Bodenbearbeitung, Saat und Pflanzung der Gewächſe ohne

Rückſicht auf Zuſammenhang und Nachhaltigkeit des Betriebes. Die Betriebsart

iſt aber die Art des Zuſammenhaltens und der Folge der Wirthſchaft, um das

Gewerbe nachhaltig am beſten zu betreiben. Man ſ. über Betriebseinrichtung im

Allgemeinen Cotta Anweiſung zur Forſteinrichtung. I. 1820. Klipſtein Anweiſ.

zur Forſtbetriebsregulirung. Gießen 1823. Hartig Forſtbetriebseinrichtung. Kaſſel

1825. Laurop Staatsforſtwirthſch. L. S. 297. und Deſſelben Waldbau. S. 22.

Papius, die verſchiedenen Betriebsarten. Aſchaffenburg 1821. Hartig Anweiſung

zur Ausführung jährlicher Wirthſchaftsplane. Kaſſel 1826. Hundeshagen Ency-

clopädie. II. §. 604. 648.

² Während der Ausſetzbetrieb ſich auf kleinen Waldflächen und von geringen

Privatwaldbeſitzern betrieben findet, ſo iſt er doch unwirthſchaftlich, weil er den

regelloſen Betrieb begünſtigt, die Wälder auf dieſem Wege zu leicht ruinirt, übri-

gens bei regelrechter Durchführung Capital und Zinſen nur in ſehr großen Zeit-

räumen erſtattet und erträgt, und das Holz nebſt den Nebenproducten nicht ſo

liefert, daß der Waldwirth ſie bei der ſich einſtellenden guten Gelegenheit verwerthen

kann, ſondern vielmehr Hieb und Nutzung zu Zeiten erfolgen kann, wo dem Mangel

bereits abgeholfen oder wirklicher augenblicklicher Ueberfluß an Waldproducten iſt, —

die günſtige Zeit zu ihrer Verwerthung aber ſelten und dann nur zufällig getroffen

wird, wenn man den Hieb nicht anlegt in einem Zeitabſchnitte, wo es die Forſt-

wiſſenſchaft im Intereſſe des Materialertrages und der Nachhaltigkeit verbietet.

Dieſe Nachtheile finden beim Schlagwaldbetriebe nicht Statt. Hundeshagen

Encyclopädie II. §. 608.

³ S. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 184. 595. Pfeil Handbuch. II.

S. 277. Hartig Lehrbuch für Förſter. II. Bd. I. Thl. 1r Abſchn. 19s Kapit.

Baumſtark Encyclopädie. 21

[322/0344]

³ Pfeil kritiſche Blätter. II. 2. Daezel Anleitung zur Forſtwiſſenſchaft. I. 67.

Schmitt Anleitung zur Erziehung der Waldungen. S. 27. 126. Deſſelben

Forſtgehaubeſtimmung. II. 80. 149. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 183. a. E.

Hundeshagen Beiträge. II 1. — Von einem Betriebe, nach welchem man ganz

regellos nach Laune und Willkühr im Walde um ſich haut, kann die Wiſſenſchaft

nicht ſprechen. Der wahre und verbeſſerte Fehmelbetrieb, ſowie er zwar an beſon-

deren Localitäten unumgänglich, aber doch nicht allgemein der Schlagwirthſchaft

vorzuziehen iſt, beſteht darin, daß man mit beſonderer Berückſichtigung der Umſtände,

welche ihn befehlen, auf ganzen Waldflächen entweder die ſtärkſten unter den Bäumen

einzeln herausnimmt, oder aber ganze Horſte völlig abholzt, um aber auf dem einen

oder anderen Wege die Beſaamung, Beſchattung und Lichtung, überhaupt die Ver-

jüngung des Beſtandes nach Bedürfniß und zum Behufe der Nachhaltigkeit gehörig

zu leiten. Localitäten, wo nur Fehmelbetrieb Statt finden kann, ſind rauhe ſtür-

miſche Höhen, kalte, ſtürmiſche, der Verſandung ausgeſetzte Seeküſten, hohe Ge-

birgswälder zur Sicherung gegen Lavinen, ſteile Felſen, die ſich ſpärlich ſelbſt

beſaamen, und Waldungen mit Bäumen (z. B. Weißtannen), welche eines langen

und ſorgfältigen Schutzes bedürfen. In allen dieſen Fällen darf eine Fläche nie

ganz entblößt werden. Soll aber ein Fehmelwald, wo man ſeiner nicht bedarf, in

einen Schlagwald umgetrieben werden, und iſt er regelmäßig genug geführt, ſo

wird blos mit der ſtellenweiſen Abforſtung der älteſten Forſtfläche begonnen und in

ihrer Umwandlung in Saamenſchläge fortgefahren; iſt der Fehmelbetrieb aber regel-

los, ſo kann man nur nach und nach durch eine Ausforſtung nach einigen, z. B.

drei, Hauptaltersklaſſen zur Umwandlung gelangen, weil das Holzalter zu verſchieden

iſt. Dabei machen aber die Nadelhölzer mehr Schwierigkeit als die Laubhölzer,

weil man durch kahlen Abtrieb dieſe Lezteren in verſchiedenem Alter zum Stock-

ausſchlage bringen und auf dieſe Art zu gleichem Alter zwingen kann. S. Pfeil

Handbuch. II. 286. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 215–219.

⁴⁾ Bei der Schlagwirthſchaft iſt zu berückſichtigen: a) die Größe der

Schläge, welche ſich nach der Größe und Beſchaffenheit der Waldfläche, nach dem

Holzbedürfniſſe, alſo nach dem periodiſch zu ſchlagenden Holzquantum richten muß,

und nach der Wirthſchaftsmethode, weil auf gleichen Flächen nicht immer gleiches

und gleichviel Holz wächst; b) die Form der Schläge, welche man möglichst

regelmäßig, geradlinig zu machen ſucht und nicht zu breit ſtellt, um der völligen

Beſaamung kein Hinderniß in den Weg zu legen, da der Saamen, vom Winde

getrieben, auf beſtimmte Entfernungen fliegt; c) die Richtung der Schläge,

bei welcher man auf Begünſtigung des Nachwuchſes, auf Ertheilung von Schutz

gegen Sturm, Schnee u. ſ. w. und auf gehörige Beſchattung des Anfluges und

Nachwuchſes bedacht ſein muß; d) die Lage der Schläge, um durch ſie bei

Durchforſtungen und Hieben die Abfuhr des Holzes ſo unſchädlich als möglich zu

bewirken. S. Laurop Hiebs- und Kulturlehre. §. 50–54. Pfeil Handbuch.

II. S. 214. v. Kropff Syſtem und Grundſätze. I. 1–203. Meyer Forſt-

directionslehre. §. 37.

⁵⁾ Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 189. Pfeil Handbuch. II. S. 204.

Medicus Forſthandbuch. S. 294. Hundeshagen, Ueber die Hackwaldwirth-

ſchaft. Tübingen 1821. Hartig Journal. I. 1. II. 1. III. 2. Archiv. II. 1.

Laurop Annalen. I. 2. 3. Wedekind Jahrbücher. 4s Heft.

⁶⁾ Pfeil Handbuch. II. 205. Cotta, die Baumfelderwirthſchaft. Dresden

1819–22. 4 Hefte (Erſter Begründer dieſes Syſtems). Krebs, Von der Be-

handlung der Erdrinde. Beitrag zur Cottaiſchen Baumfelderwirthſchaft. Dresden

1822. Hundeshagen, Prüfung der Cottaiſchen Baumfelderwirthſchaft. Tübingen

1821. v. Seutter, Ueber die Einführung der Hackwaldwirthſchaft (mit beſonderer

Beziehung auf Hundeshagens Prüfung c.). Stuttgart 1821. Liebich, der

aufmerkſame Forſtmann. I. II. u. III. Bd. Kaſthöfer, Bemerkungen auf einer

Alpenreiſe. S. 75. Deſſelben Lehrer im Walde. Bern 1829. II. 77. Laurop

Jahrbücher. II. 4. Annalen. VI. 2. Hartig Archiv. V. 2.

⁷⁾ Liebich, der Waldbau als die Mutter des Ackerbaues. Prag 1834 (Erſter

Begründer dieſes Syſtems). Das Weſentliche in dieſem neuen Vorſchlage Liebichs

iſt, daß er neben Getreide und Gras zugleich das Reiſig als Viehfutter benutzen

[323/0345]

⁷⁾ will, und daß er auf den einmal bearbeiteten Boden mit dem Holzſaamen Stauden-

korn und Hafer (oder ein anderes Sommergetreide) zugleich ausſäet, um im erſten

Jahre noch Lezteres, im zweiten das Staudenkorn ernten zu können, noch ehe man

an das Ausſetzen der Bäume geht. Es iſt nicht zu läugnen, daß dieſe Betriebs-

ſyſteme in unſerer Zeit bei zunehmender Bevölkerung alle drei einer großen Auf-

merkſamkeit ſehr werth ſind, beſonders da ihre Begründer ſelbſt zugeben, daß ſie

nicht gerade überall und in allen Waldungen, aber auf einem ſehr bedeutenden

Theile des jetzigen Waldbodens in Gebirgsländern anwendbar ſind.

§. 263.

2) Forſtbeſchreibung oder Forſtſtatiſtik.

Während bei der Landwirthſchaftslehre (§. 212.) dieſer Theil

der Betriebslehre ſich für die Einführung einer Wirthſchafts-

methode, für Verkauf und Verpachtung gleich nützlich zeigt, ſo

findet daſſelbe auch bei der Forſtwirthſchaft Statt, nur mit dem

Unterſchiede, daß er in dieſer die Natur der Statiſtik annimmt,

da es Jahrhunderte dauert, bis die Umtriebszeit vollendet iſt, und

da die Reſultate ſtets als ſolche eines Verſuches erſcheinen und

den Forſtwirth für die Einführung des nächſten Syſtemes beſtim-

men können. Die Forſtſtatiſtik, welche dieſen Namen um ſo

mehr verdient, wenn ſie ſich über alle Waldungen des Landes

erſtreckt, wird daher den Forſt in phyſikaliſcher (Grenze, Lage,

Boden, Klima, Vegetation) und in ökonomiſcher Hinſicht (Eigen-

thümer, Beſtand, Betriebsart, Wirthſchaftsmethode, Alter, Ma-

terialbeſtand, Zuwachs, Aufwand, Material- und Geldeinnahme,

Abſatz, Transportmittel, Gerechtigkeiten und Pflichtigkeiten) be-

ſchreiben, je nach den periodiſch vorgehenden Veränderungen. Es

iſt alſo nöthig, daß man Grenz-, Forſt- und Beſtandscharten

fertigt. Sind die Reſultate bekannt genug, um ſich für eine

Kulturmethode danach entſcheiden zu können, ſo verfertigt man

a) den Forſtkulturplan, nach welchem die Kulturgeſchäfte ge-

leitet werden, und in welchem nach näherer Angabe des Platzes,

ſeines Zuſtandes, des bezweckten Kulturvorſchlages, der Flächen-

raum, der zur Saat oder Pflanzung verwendet werden ſoll, beſtimmt

und ein Ueberſchlag des Kulturaufwandes für Arbeit, Saat,

Pflanzung u. dgl. gemacht wird. b) Den Forſtfällungsplan,

welcher aus der Wirthſchafts- und Betriebsmethode hervorgeht.

Derſelbe bezeichnet die Schläge, ihren Beſtand, die anzulegende

Wirthſchafts- und Betriebsmethode, den Hieb, die Größe der

Schläge, einen Ueberſchlag des Materialertrages, der Sortirung

und Verwendung des Holzes nebſt den wahrſcheinlichen Holzpreiſen,

alſo auch einen Geldüberſchlag.

21 *

[324/0346]

IV. Von der forſtwirthſchaftlichen Betriebswirthſchaft.

§. 264.

1) Forſtwirthſchaftliche Betriebsausgaben und -Einnahmen

oder forſtliche Statik.

Man verſteht unter der forſtlichen Statik die Erfahrungs-

wiſſenſchaft von den Urſachen (Kräften) der forſtwirthſchaftlichen

Ergebniſſe, von der Art und Stufenweiſe ihrer Wirkung, und von

dem Erfolge dieſer Wirkung ſelbſt in ihrem Zuſammenhange, nicht

als ſpezielle Notirung von irgend einem Forſte oder Forſtbezirke

(denn dieſe gibt die Statiſtik), ſondern als allgemeine aus der

Natur des Holzes, Bodens und der Vegetation überhaupt entnom-

mene Erfahrung. Es ſind alſo auch hier zu betrachten:

a) Die Betriebsausgaben. Sie beziehen ſich, da von

einer chemiſchen Agricultur im Forſtbaue nicht die Rede iſt, blos

auf Beſoldung, Löhnung und Unterhaltung der Beamten, Dienſt-

boten und Arbeiter, und auf die Anſchaffung und Unterhaltung

ſowohl des ſtehenden Capitals (Gebäulichkeiten für Wald und

Jagd, Holztransporteinrichtungen, Holzbeſtand, Geräthſchaften,

Wildſtand, Arbeitsvieh ſammt Geſchirre, und Gerechtſame) als

auch des umlaufenden (Saat, Pflänzlinge, magazinirte, überhaupt

ſchon gewonnene Productenvorräthe) in Natur und Geld (§. 213.)

b) Die Betriebseinnahmen. Es laſſen ſich dabei unter-

ſcheiden:

α) Die Naturaleinnahmen an Haupt- und Nebenproducten

von Wald und Jagd. Die Erſteren hängen unter übrigens gleichen

Umſtänden von dem jährlichen Holzzuwachſe ab, welcher bis zu

einem beſtimmten Alter Statt findet. Man unterſcheidet dabei das

Höhenwachsthum, das Dickenwachsthum und die Kronen-

ausbreitung für ſich, und die Maſſenzunahme im Ganzen

bei welcher lezteren man wieder den einzelnen Stamm im Freien

und die ganze Beſtandsfläche ihrem Schluſſe nach zu betrachten

hat, deren ſtufenweiſe Maſſenzunahme von der Anzahl der Stämme

von der Wirthſchaftsmethode und dem darin vorhandenen Längen

und Dickenwuchſe, und endlich von der Vollwüchſigkeit des Beſtan-

des abhängt1). Man bedient ſich zur Berechnung des cubiſchen

Inhaltes der Stämme eigener Inſtrumente, der Baummeſſer2).

β) Die Geldeinnahmen aus dem Verkaufe der rohen Pro-

ducte. Man verkauft das Holz entweder an den Meiſtbietenden oder

aus der Hand. Daſſelbe kann aber auf dieſe Methoden entweder

im Walde oder aus Magazinen abgeſetzt werden, in welchem erſteren

[325/0347]

Falle der Verkauf entweder noch auf dem Stocke (ſtehend) oder

nach geſchehener Fällung und Aufarbeitung vorgenommen werden

kann3).

γ) Oft finden in den Forſten für Verarbeitung der Haupt-

und Nebenproducte techniſche (gewerkliche) Nutzungszweige Statt,

wie Köhlereien, Schwelereien, Kalkbrennereien u. dgl. Was von

den landwirthſchaftlich techniſchen Nutzungszweigen dieſer Art

(§. 214. c.) geſagt iſt, gilt auch von dieſen.

Ueber die Berechnung des Reinertrags ſehe man am angeführ-

ten Orte nach.

¹ Der Höhenwuchs richtet ſich nach der Tiefe und Güte des Bodens, und

nach dem Schutze gegen Winde, und iſt in der Jugend am größten; der Dicken-

wuchs aber nach der Dichtigkeit des Beſtandes unter übrigens gleichen Umſtänden;

mit dieſen Beiden wächst auch die Kronenausdehnung, aber doch ſteht die

Schirmfläche, verglichen mit dem unteren Stammdurchmeſſer, ſelbſt in umgekehrtem

Verhältniſſe zum Alter der Bäume. Die Maſſenzunahme einzelner freier Bäume

ſchreitet nur in der frühen Jugend wie die Quadrate der wachſenden Durchmeſſer

des Stammes vor, ſpäter wird ſie faſt eine gleichbleibende Größe; in geſchloſſenen

Beſtänden gilt dies Geſetz nicht, weil wegen der Lichthiebe, Durchforſtungen, des

Abſterbens u. dgl. die Stammzahl auf der Fläche immer abnimmt. Hundes-

hagen Encyclopädie. II. §. 562–576. Deſſelben Beiträge. II. 2. Laurop

Jahrbücher. II. 4. Liebich Aufmerkſamer Forſtmann. II. 1. Wachsthumſcalen

ſ. m. bei Hoßfeld Forſtabſchätzung. I. §. 25. Schmitt Forſtgehaubeſtimmung.

I. S. 95. Späth Handbuch der Forſtwiſſenſchaft. II. §. 133.

² Die Baumſchafte von der Wurzel bis zum Anfange der Aeſte (Zopfende)

können als Kegel, als paraboloidiſche Kegel und als abgekürzte Kegel betrachtet

werden. Darnach werden ſie auch ſtereometriſch verſchieden gemeſſen. Der Baum

wird entweder am Stocke oder wenn er ſchon gefällt iſt gemeſſen. Je nach dieſem

Umſtande, und weil, um den kubiſchen Inhalt zu finden, Durchmeſſer und Höhe

gekannt ſein müſſen, bedient man ſich eines Höhemeſſers (Dendrometers), des

Klaftermaaßes, des Gabelmaaßes (für die Dicke), der Meßſchnur oder

des Zollſtockes. Man hat nach allen dieſen Erfahrungen eigene Cubiktafeln berechnet.

Hundeshagen Encyclopädie. II. §. 620–628. Hoßfeld Lehrbuch der Forſt-

abſchätzung. I. Bd. (Hildburghauſen 1823.) König Anleitung zur Holztaxation.

Gotha 1813. Es finden ſich Tafeln jener Art auch bei Hundeshagen a. a. O.

S. 135. Beſonders herausgegebene ſind die v. Reimer (Hamburg 1782), Kra-

mer (Göttingen 1789), Krüger (Torgau 1790), Dinzer (Mannheim 1791),

Lutz (Frankfurt a. M. 1809), Adam (Marburg 1811), Dove (Hannover 1811),

Geyondat (Hamburg 1811, ſehr gut), Fabricius (Marburg 1813), Han-

ſtein (Göttingen 1814), Pfeil (Züllichau 1821), Däzel (München 1823),

Cotta (Dresden 1823), Rudorf (Dresden 1825), Sartorius (Eiſenach 1827),

Hartig (Berlin 1828), Jägerſchmid (Raſtatt 1829, — in Commiſſion zu

Frankfurt a. M.) für gefälltes Holz, — aber von König (Gotha 1813), Cotta

(Dresden 1821) und Hubert (München 1828) für ſtehendes Holz. Dendrometer

ſind beſchrieben von Krünitz (Oekonom. Encyclopädie. I. 171.), Braun (Celle

1805), v. Oppen (Kopenhagen 1788), Winckler (Wien 1812), Böckmann

(Gießen 1815), Laurop (Annalen. I. III.), Hartig (Archiv. III. 1., der

Diaſtimeter von Romershauſen; V. 2. Baummeſſer von Spangenberg).

Ein Inſtrument dazu von Roger iſt beſchrieben bei Dingler polytechn. Journal.

XVII. S. 283.

³ Die Vorzüge der einen oder andern Methode im Allgemeinen ſind nicht

ſchwer zu beſtimmen. Die Anwendung im ſpeziellen Falle kann hier nicht gelehrt

werden. Hundeshagen Encyclopädie. II. §. 727. Laurop Staatsforſt-Wirth-

ſchaftslehre. S. 381.

[326/0348]

§. 265.

2) Forſtwirthſchaftliche Buchführung.

Die forſtwirthſchaftliche Buchhaltung bietet diejenigen Ver-

wickelungen nicht dar, welche bei der landwirthſchaftlichen (§. 215.)

vorherrſchen. Denn weder in den Nutzungszweigen noch in den

Ausgaben herrſcht eine ſolche Manchfaltigkeit vor. Die Einnahmen

und Ausgaben bei den (§. 264. γ.) genannten techniſchen Nutzun-

gen abgerechnet, welche bei hinreichender Ausdehnung eine eigene

und einfache Rechnungsführung haben, bleibt blos die Einnahme

und Ausgabe an Haupt- und Nebenproducten in Natur (Holz,

Wildpret; — Rinde, Harz, Saft, Laub, Saamen, Gras —) und

in Geld zu notiren und zu verrechnen. Die Folge, in welcher ſie

auf einander kommen, iſt ſchon zum Voraus durch die Kultur-

und Fällungspläne (§. 263.) beſtimmt. Außerordentliche Nutzungen

ſind gegen die Prinzipien einer geregelten Forſtwirthſchaft; da ſie

indeſſen doch vorkommen, ſo bilden ſie in der Forſtrechnung doch

keine Unregelmäßigkeit. Die ganze Buchführung zerfällt in zwei

Hauptzweige, nämlich in

a) Das Voranſchlags- oder Etatsweſen; indem nämlich

zur Erleichterung der Controle eine ungefähre Vorherbeſtimmung

der jährlichen rohen und reinen Natural- und Geldeinnahme ge-

macht wird, was immer nur mit Bezug auf den Kultur- und

Fällungsplan geſchehen kann. Daher entſtehen die forſtlichen Na-

tural- und Geldetats.

b) Das Rechnungsweſen ſelbſt, welches eine einfache Buch-

führung über Natural- und Geldausgabe und -Einnahme iſt, die

ſich in allen Poſten auf Quittungen, Atteſte und Belege anderer

Art bezieht. Bei kleinen Forſtverwaltungen wird Natural- und

Geldrechnung in Einem geführt. Bei großer Forſtverwaltung aber

iſt eine Trennung derſelben ein weſentliches Mittel zu Controle,

ebenſo wie für beide es auch die Etats ſind, in ſoferne nämlich

bedeutendere Abweichungen von denſelben genau motivirt werden

müſſen.

V. Von der Verfertigung forſtwirthſchaftlicher

Anſchläge.

§. 266.

Arten der Anſchläge. Mittel zu ihrer Verfertigung.

Was oben (§. 216.) von den Arten der Anſchläge geſagt iſt,

das gilt auch hier, nur von den Forſten. Aber die Arbeiten zur

[327/0349]

Verfertigung derſelben ſind weſentlich von den landwirthſchaftlichen

Taxationsgeſchäften (§. 217.) verſchieden1). Da ſich bei der Land-

wirthſchaft der Ertrag jedes Jahr erneuet, ſo iſt man dort auf

Informationen und Auszüge aus den Wirthſchaftsbüchern ange-

wieſen und muß annäherungsweiſe beſtimmen, was bei einem ge-

wiſſen Syſteme für ein Ertrag erfolgen mag. Bei der Forſtwirth-

ſchaft erſtreckt ſich ein Umtrieb auf viele Jahre, und man hat es

mit einem beſtimmten feſten Beſtande zu thun, deſſen Maſſe in der

Gegenwart und für die Zukunft berechnet werden muß2). Will

man daher den gegenwärtigen Beſtand abſchätzen (Maſſen-

aufnahme), ſo braucht man ſich blos auf das an Holz, Wildpret

und Gras Vorhandene zu beziehen. Soll aber der zukünftige

Beſtand ermittelt werden (Aufnahme des periodiſchen Ertrags),

ſo iſt vorerſt der jetzige zu berechnen, der periodiſche Zuwachs zu

beſtimmen und Alles dasjenige mit in Abzug zu bringen, was, aus

irgend was für Gründen, an Naturale und Geld in Abgang ge-

räth. Dazu können aber nur blos allgemeine Erfahrungen und

beſondere Verhältniſſe des abzuſchätzenden Forſtes und Jagdrevieres

die geeigneten Haltpunkte geben, und es läßt ſich leicht erklären,

warum das forſtliche Taxationsweſen noch unvollſtändiger als die

Forſtwiſſenſchaft im Ganzen iſt. Die Abſchätzung

A. Der Hauptnutzung zerfällt in jene der Jagd und des

Holzes. Erſtere kann nur nach den Jagdregiſtern, nach Infor-

mationen über den gegenwärtigen Wildſtand u. dgl., und nach

allgemeinen Regeln des Hegens ermittelt werden. Die Holznutzung

aber, ſei ſie vom gegenwärtigen Beſtande oder von dem zukünftigen

auszumitteln, ſetzt immer eine Abzählung und Meſſung der

Stämme voraus. Dieſe geſchieht nun a) entweder durch wirk-

liches Abzählen, Meſſen und Klaſſiren der Stämme des Beſtandes3),

b) oder durch Vornahme dieſes Geſchäftes auf Probeflächen von

⅛-1 Morgen, wovon man dann das Reſultat mit der Morgen-

zahl des ganzen Beſtandes multiplizirt; c) oder durch Vergleichs-

(Erfahrungs-, Ertrags-) Tafeln4) über den Holzmaſſegehalt von

Beſtänden verſchiedener Alter, Gattung und Wirthſchaftsmethode.

Mit dieſer Abzählung findet zugleich eine Sortirung des Holzes in

Brenn- und Nutzholz Statt, und nach dem berechnet man jeden

Stamm und jede Klaſſe einzeln durch Multiplication der Kreisfläche

mit der Höhe, oder aber ſo, daß man alle einzelnen Stammkreis-

flächen in Quadratfußen beſtimmt, dieſe einzelnen Reſultate in eine

Hauptſumme bringt, und dann den Kubikinhalt berechnet, indem

man jene Hauptſumme mit der Durchſchnittshöhe der Stämme des

Beſtandes multiplizirt. Das Reiſig und Buſchholz wird nach dem

[328/0350]

Augenmaaße oder nach Maaßgabe einer abgeholzten Fläche be-

rechnet. So gelangt man zur Kenntniß des gegenwärtigen Beſtandes.

Will man aber den zukünftigen Beſtand vorausbeſtimmen, ſo muß

auch der Zuwachs berechnet werden. Dies geſchieht nun a) ent-

weder nach Ertragstafeln (empiriſch), indem man die Maſſe eines

jüngern Holzbeſtandes von jener des älteren abzieht, wobei der

Reſt als Zuwachs für die ganze Periode, um welche der Leztere

älter iſt, erſcheint und der jährliche blos durch die Diviſion dieſes

Abſatzes mit der Zahl der Jahre gefunden wird, während der

allgemeine durchſchnittliche Zuwachs durch die Diviſion der Holz-

maſſe des ganzen Beſtandes mit der Zahl ſeiner Altersjahre ermit-

telt werden kann; b) oder durch Abzählen der Jahresringe von

der Peripherie gegen das Centrum an abgehauenen oder ſelbſt

mehrmals durchſchnittenen Stämmen, und hiernach (mathematiſch)

annäherungsweiſe die Berechnung des Zuwachſes5); c) oder endlich

bei richtiger Schlageintheilung, um den Zuwachs des ganzen Be-

ſtandes zu beſtimmen, dadurch, daß man dieſen Lezteren als eine

fallende Progreſſion anſieht, deren erſtes Glied dem einjährigen

Zuwachſe des ganzen Beſtandes, deren leztes aber dem Zuwachſe

des jährlich zu hauenden Beſtandtheiles, und wobei die Anzahl

der Glieder jener der Jahre des Abtriebes gleich iſt, — und hier-

auf dieſe Progreſſion ſummirt, wovon die Summe den ganzen

Zuwachs während der Abtriebszeit beträgt und nur zu der Total-

beſtandsmaſſe addirt zu werden braucht, um durch Diviſion mit den

Jahren der Umtriebszeit in die entſtehende Hauptſumme den jähr-

lichen Ertrag zu finden.

B. Der Nebennutzungen der verſchiedenen Art geſchieht

nach Informationen und Auszügen auf dieſelbe Weiſe wie man in

dem landwirthſchaftlichen Betriebe den Wieſen- und Weideerwachs,

Fruchtertrag u. ſ. w. veranſchlägt.

Hat man ſo den Naturalertrag berechnet, ſo verfertigt man

jedesmal, wenn es erforderlich iſt, nach Taxen oder Durchſchnitts-

preiſen den Geldanſchlag. Von dem ſo ermittelten Rohertrage

zieht man alsdann die verſchiedenen Ausgaben ab, welche zum

Theile mit dem Betriebe verbunden ſind, zum Theile aus Pflich-

tigkeiten herrühren, und in Geld oder Naturale beſtehen6).

¹ Die Forſttaxation iſt außer in den bisher genannten Hand- und Lehrbüchern

beſonders abgehandelt von Däzel (München 1786), Wieſenhavern (Breslau

1794), Hennert (Berlin 1803), Hartig (Gießen 1819, 4te Aufl. — Sehr

gut. S. auch André Oekonom. Neuigkeiten. 1811. Nro. 2. 19. 21–23. 44.

1812. Nro. 12. 13. 41. 42. 1813. Nro. 23. 1815. Nro. 49. 1816. Nro. 4),

v. Cotta (Berlin 1803), König (Gotha 1813), Hoßfeld (Hildburghauſen 1823.

III Abthlgn.), von Schmitt (Forſtgehaubeſtimmung), von Hundeshagen (Tw-

[329/0351]

¹ bingen 1826, ſ. Pfeil Kritiſche Blätter. IV. 1.), Reber (Bamberg 1827).

Hartig Journal. II. 1. 3. 4. Laurop Annalen. II. 4. V. 1. Jahrbücher. I. 2.

Moſer Archiv. XXI. 49. Pfeil Krit. Blätter. I. 2. Auch ſoll eine Abhandlung

dieſes Gegenſtandes von Huber ſich in den Jahrgängen 1824, 1825 und 1826 von

Behlen's Zeitſchrift für Baiern finden.

² Zum Behufe einer gehörigen Forſteinrichtung gehört auch eine Forſt-

abſchätzung. Und dieſe iſt alſo mit Bezug auf die Zukunft insbeſondere anzuſtellen.

Wird eine ſolche Abſchätzung auf einen voraus berechneten beſtimmten Wirthſchafts-

plan vorgenommen, dann heißt ſie mechaniſche Ertragsgleichſtellung oder Fach-

werksmethode. Geſchieht ſie aber blos auf ein arithmetiſch ausgemitteltes

Verhältniß zwiſchen dem Materialbeſtande und der möglichen jährlichen Nutzung,

dann wird ſie die mathematiſch-rationelle Methode genannt. Man ſ.

darüber z. B. Hundeshagen Encyclopädie. II. §. 617. 3. §. 648–675.

§. 676–691.

³ Man mißt entweder die Stämme und bildet hiernach Klaſſen, oder man

macht dieſe Lezteren ſchon nach einer bloßen Beſichtigung des Waldes tabellariſch

und ſchreibt dann die abgemeſſenen Stämme hinein.

⁴⁾ Solche Erfahrungstafeln finden ſich z. B. bei Hundeshagen Encyclopädie.

II. S. 162. 257. 267., bei Pfeil Anleitung zur Ablöſung der Waldſervitute.

Berlin 1828 (v. Hartig), und Cotta Hilfstafeln für Forſttaxatoren. Dresd. 1821.

⁵⁾ Man zählt entweder einige Jahresringe auf dieſe Art blos an der Schnitt-

fläche, ſchließt von dieſer Zunahme des Stammes auch auf eine ſolche in den künf-

tigen Perioden und berechnet, nachdem dieſer muthmaßliche Zuwachs zur Kreisfläche

des Modellſtammes gezählt iſt, ſeinen Kubikinhalt darnach und zieht von dieſem den

wirklichen jetzigen Kubikinhalt deſſelben ab — oder man verſägt den Stamm in

Rundſtücke von 4–6 Fuß Länge und zählt auf der unteren Fläche eines jeden die

Jahresringe, wobei man den Vortheil hat, auch die den Altersperioden zukommen-

den Schafthöhen zu erkennen.

⁶⁾ Von der eigentlichen Forſtwerthsbeſtimmung handelt Hartig Anleitung zur

Berechnung des Geldwerthes eines Forſtes. Berlin 1812 (auch Anhang des in

Note 1 erwähnten Werkes). v. Seutter Werthsbeſtimmung der Waldungen.

Ulm 1814. Cotta Waldwerthberechnung. Dresden 1819. 2te Aufl. Hoßfeld

Werthsbeſtimmung der Wälder. Hildburghauſen 1825. Hundeshagen Forſt-

abſchätzung. 2te Abtheilung.

§. 267.

Fertigung der Anſchlagsakten.

Die bei der Forſtabſchätzung zu fertigenden Aktenſtücke ſind

aus dem Bisherigen im Allgemeinen leicht zu entnehmen. Außer

den Informationsprotokollen, Auszügen, Durchſchnittsberechnungen,

Charten, Beſichtigungs- und Vermeſſungsregiſter und dergleichen

mehr, iſt es auch räthlich, ein ganzes Geſchäftsprotokoll zu ent-

werfen. Doch richten ſich die einzelnen Rubriken nach beſonderen

Verhältniſſen, während in jedem Lande dazu beſtimmte Normen

und Formularien gegeben ſind.

[330/0352]

Zweite Abtheilung.

Kunſtgewerbslehre.

Einleitung.

§. 268.

Unter Kunſtgewerbslehre (Gewerkslehre, Technolo-

gie) verſteht man die ſyſtematiſche Darſtellung der Grundſätze und

Regeln, wonach die der Natur abgewonnenen Rohſtoffe durch Ver-

edelung und Verarbeitung ſo zugerichtet werden, daß ſie für die

Zwecke der Menſchen brauchbarer ſind, als im Urzuſtande. Es

gehört alſo in ihr Bereich nicht blos die eigentliche Verarbeitung

roher Stoffe zur Bildung neuer Producte, ſondern auch die Aus-

beſſerung und Wiederherſtellung derſelben. Es iſt nicht blos ihre

Aufgabe, die verſchiedenen Verfahrungsweiſen zu erzählen, ſondern

vielmehr auch alle die einzelnen Gewerkszweige durch Zurückführung

auf mathematiſche und naturwiſſenſchaftliche Prinzipien zu begrün-

den. In dieſer lezteren Art und mit dieſem lezteren Zwecke iſt ſie

erſt in der zweiten Hälfte des 18ten Jahrhunderts hervorgetreten,

und namentlich hat ſich Joh. Beckmann um ſie damals ſehr

große Verdienſte erworben. Dagegen beſtand ſie vor dieſer Zeit

mehr nur in den einzelnen kunſt- und gewerbsmäßig betriebenen

techniſchen Zweigen ohne eigentlichen inneren wiſſenſchaftlichen Zu-

ſammenhang und ſelbſt im Einzelnen ohne wiſſenſchaftlich tiefe

Begründung1). Ihr Gegenſtand iſt von ſolcher Ausdehnung und

Manchfaltigkeit, daß ſelbſt nur eine ſtrenge Ueberſicht deſſelben eine

bis jetzt unerreichbare Aufgabe war, und er wird ſich auch noch

immerfort erweitern, je mehr ſich die Hilfslehren der Technologie,

— nämlich die Mathematik, Mechanik, Phyſik, Chemie

und Naturgeſchichte, — und der Gewerbseifer mit dem Wohl-

ſtande der Völker ausdehnen. Es gehört ihr Alles an, was zwi-

ſchen der kunſtloſeſten Verarbeitungsthätigkeit und der höchſten

bildenden Kunſt ſeinen Platz findet. Als wiſſenſchaftlicher Erkennt-

nißzweig ſchließt ſie jedoch die Gewerke, zu deren Kenntniß keine

wiſſenſchaftliche Kenntniß nöthig iſt und blos Uebung gehört, aus

und beſchäftigt ſich dagegen nur mit den anderen. Obſchon ihre

Literatur, als umfaſſende Technologie, keineswegs übermäßig groß

iſt2), ſo ſind die Schriften und Belehrungen über die einzelnen

Gewerksthätigkeiten und Gewerkszweige von ganz ungeheurer Aus-

dehnung, ſo daß viele Erfindungen ganz unzugänglich wären, wenn

es nicht technologiſche Zeitſchriften3) gäbe, welche als die

[331/0353]

literariſchen Gemeinplätze für Alles dasjenige gelten, was für die

Kunſtgewerbslehre theoretiſches und praktiſches Intereſſe hat.

¹ Poppe, Geſchichte der Technologie. Göttingen 18071810. II Bände.

Donndorff, Geſchichte der Erfindungen. Quedlinburg 1817–1820. VI Bände.

Buſch, Handbuch der Erfindungen. Eiſenach 1802–22. XII Bde. 4te Auflage.

Minola's Beiträge zu dieſem Werke. Ehrenbreitſtein 1806. Ir Bd. Beckmann,

Beiträge zur Geſchichte der Erfindungen. Leipzig 1784–1805. V Bde. Voll-

beding, Archiv nützlicher Erfindungen. Leipzig 1792 u. 1795. II Bde. v. Gülich,

Geſchichtliche Darſtellung des Handels, der Gewerbe und des Ackerbaues. Jena 1830.

II Bde. Fiſcher, Geſchichte des deutſchen Handels, der Schifffahrt, Erfindungen c.

Hannover 1795–97. II Bde.

² Beckmann, Anleitung zur Technologie. Göttingen 17761802. 1ſte bis

5te Aufl., 1809 die 6te Aufl. Broſenius Technologie. Leipzig 1806–7. III Thle.

in II Bdn. Deſſelben Lehrbuch der Technologie. Leipzig 1819. Poppe, Handb.

der Technologie. Frankfurt a. M. 1806–10. IV Abthlgn. in II Bdn. Deſ-

ſelben Lehrbuch der allgemeinen Technologie. Frankfurt 1809. Stuttgart 1821.

Deſſelben Lehrbuch der ſpeziellen Technologie. Tübingen 1819. Langsdorf,

Erläuterungen höchſt wichtiger Lehren der Technologie. Heidelberg 1807. II Bde.

Hermbſtädt, Grundriß der Technologie. Berlin 1814. II Bde. 1830 2te Aufl.

(die IIIte Abthlg. iſt ein bloßes Compendium zu Vorleſungen, welchem dieſe II Thle.

als Erläuterung dienen). Kölle, Syſtem der Technik. Berlin 1822 (auch Urge-

werbslehre enthaltend). Jacobſon, Technologiſches Wörterbuch. Herausgegeben

von Hartwig. Berlin 1781–1784 (als Supplement, und hiernach geordnet:

Roſenthal Literatur der Technologie. 1793–95). VIII Bde. Tiemann, artiſt.

technolog. Encyclopädie. Berlin 1806. Ir Bd. Poppe, Technologiſches Lexicon.

Tübingen 1815–20. V Bde. Schmidts Handbuch der mechaniſchen Technologie

(auch alphabetiſch). Züllichau 1819–21. III Bde. Dictionnaire technologique.

Paris 1822–32. XX Tomes, bis Thon. v. Keeß Darſtellung des Fabriks- und

Gewerbsweſens c. 2te Aufl. 1824. IV Bde. Fortgeſetzt von Keeß und Blu-

menbach: Syſtematiſche Darſtellung der neuen Fortſchritte in den Gewerben und

Manufacturen. Wien 1829–30. II Bde. Prechtl, Technologiſche Encyclopädie.

Stuttgart 1830–33. I-IVr Bd., bis Edelſteine (ganz vorzüglich).

³ Außer den älteren Zeitſchriften von Gatterer, Hermbſtädt, Leuchs

u. A. insbeſondere die neueſten, nämlich: Dingler polytechniſches Journal. Wien

1820–33. L. Bde und Prechtl Jahrbücher des polytechniſchen Inſtituts zu Wien.

Wien 1819–33. XVI Bde., welche wegen ihrer reichhaltigen Mittheilungen die

ausländiſchen Journale, deren Zahl ungemein groß iſt, entbehrlich machen. Nur

wäre im Erſteren öfters eine größere Genauigkeit in den Angaben und Zeichnungen zu

wünſchen. Ueber technologiſche Literatur ſ. m. außer Roſenthal noch Hermb-

ſtädt Bibliothek der neueſten phyſiſchen, chemiſchen, metalliſchen, technologiſchen

und pharmaceutiſchen Literatur. Berlin 1788–89. II Bde. Krieger Handbuch

der Literatur der Gewerbskunde. Marburg 1822. II Bände. Weber Handbuch

(ſ. §. 132. oben). Leuchs polytechn. Bücherkunde. Nürnberg 1829.

Erſtes Hauptſtück.

Werkmänniſche Gewerbslehre.

Erſtes Stück.

Allgemeine Gewerkslehre.

§. 268. a.

Die werkmänniſche Gewerbslehre ſtellt diejenigen Grund-

ſätze und Regeln der Kunſtgewerbe dar, wonach, ohne Beziehung

[332/0354]

auf das Zuſammenhalten und Leiten des Gewerkes als eines aus-

ſchließlichen gewerblichen Betriebes, die veredelnde Verarbeitung

der Rohſtoffe vorgenommen wird, nachdem man dazu das gehörige

Material und die anderen Hilfsmittel herbeigeſchaft hat. Da alle

Gewerke in Betreff der Wahl des Materials, ſo verſchiedenartig

dies auch ſein mag, — in den zu brauchenden Geräthſchaften, und

in den Operationen ſelbſt, welche theils chemiſch theils mechaniſch

ſind, vieles Uebereinſtimmende haben, ſo läßt ſich dieſes ſehr zweck-

mäßig in die allgemeine Gewerkslehre zuſammenfaſſen, wäh-

rend man die Darſtellung des einem jeden Gewerke Eigenthümlichen

in die beſondere Gewerkslehre verweist. Jene hat daher im

Allgemeinen von den zu verarbeitenden Stoffen, von den zu brau-

chenden Maſchinentheilen, von den allgemeinen Gewerksoperationen,

und von den Erzeugniſſen ſelbſt zu handeln.

I. Werkmänniſche Stoffkunde oder techniſche

Materialienkunde.

§. 269.

Man braucht in jedem Gewerke Stoffe, welche die veredelnde

Veränderung erleiden ſollen (Verwandlungsſtoffe), und an-

dere, welche blos dazu dienen, jene Veränderung zu befördern

(Hilfsſtoffe)1). Beide ſind entweder noch ganz rohe Materien

oder aber ſchon bis zu einem gewiſſen Grade verarbeitet2). Dieſe

verſchiedenen Stoffe ſind es, welche zum Betriebe eines Gewerkes

gekannt ſein müſſen, in ſoferne ſie in daſſelbe gehören. Dieſe

Stoffkunde erſtreckt ſich daher:

1) Auf die Unterſuchung, welche Eigenſchaften und Beſtand-

theile die Stoffe überhaupt nach dem Zwecke ihrer Verwendung

haben müſſen, um gebraucht werden zu können2).

2) Auf die Frage, welche Art von Stoffen zu dieſer Verwen-

dung am beſten zu gebrauchen ſind3).

3) Auf die beſondere Kenntniß über die innerlichen und äußer-

lichen Eigenſchaften, ſo wie über die äußeren Verhältniſſe derſelben,

als da ſind a) die Orte ihres Entſtehens, und unter dieſen diejenigen,

wo ſie am beſten erzeugt werden und zu haben ſind; b) die eigen-

thümlichen äußeren Abzeichen zur Beglaubigung ihrer Aechtheit;

c) die Art ihrer Erzeugung an ſich und unterſchieden in Betreff

ihrer Vorzüglichkeit; d) die eigenthümlichen Ingredienzien oder

Stoffe, aus denen ſie verfertigt werden, in ſoweit nämlich kein

Gewerksgeheimniß darüber liegt, und wenn ſie keine bloßen Natur-

producte ſind; e) ihre beſte Einpackung und Verſendungsart, da

[333/0355]

hiervon ſehr oft ihre Güte abhängt; f) die Jahreszeit ihrer beſten

Production und Gewinnung, wovon ihre Brauchbarkeit, ihre Ver-

ſendungszeit und ihr Erſcheinen auf den entfernteren oder näheren

Märkten bedingt iſt; g) die Berechnung der Hervorbringungs- und

Verſendungskoſten, um hiernach den wahrſcheinlichen Preis der-

ſelben zu beſtimmen, oder, wenn dies nicht zu erörtern iſt, h) die

gewöhnlichen Preiſe, um welche ſie im Handel zu haben ſind, nebſt

den Urſachen, von welchen ihr Steigen und Fallen abhängt; i) die

beſte Methode ihrer Aufbewahrung, zum Behufe ihres Verbrauches

im Gewerke ſelbſt4).

¹ Z. B. Gerſte, Hopfen und Waſſer zu Bier; das vom Erze gewonnene und

hämmerbare Eiſen für die Schmiede; der rohe Zucker zum Raffiniren; das gewalzte

Blech zu Ofenröhren; der Draht zu Ketten und Spiralen; die Rädchen und Stifte

für die Taſchenuhren. Dies ſind Verwandlungsſtoffe. Als Hilfsſtoffe erſcheinen z. B.

die Feuerungsmaterialien und Kühlapparate in chemiſchen Gewerken; das Oel und

Fett zum Schmieren der Maſchinen; die manchfachen Zuſätze zur Bewirkung von

Stoffauflöſungen und Verbindungen, ſo wie zur Einleitung von Gährungen u. ſ. w.

² Z. B. für die Gerberei iſt Gerbſtoff nöthig; der Gerber muß daher die

Eigenſchaften des Gerbſtoffes überhaupt kennen, um entſcheiden zu können, welche

Gegenſtände überhaupt dazu tauglich ſind, als wie Eichenrinde, Heidelbeerſträuche u. dgl.

³ Z. B. ob Steinkohlenfeuer dem Holzfeuer vorzuziehen ſeie, ob Guß- oder

Hämmereiſen zu Dampfkeſſeln beſſer ſeie, welches Holz zur Theerſchwelerei taug-

licher ſeie, u. ſ. w.

⁴⁾ Es gehören alſo hierzu technologiſche, land- und forſtwirthſchaftliche, geo-

graphiſche, naturwiſſenſchaftliche, merkantiliſche Kenntniſſe u. ſ. w. v. Keeß (Dar-

ſtellung. Bd. I.) hat dieſen Theil der Technologie behandelt. Dieſe Stoffkunde,

auf möglichſt viele Artikel ausgedehnt, wird auch Waarenkunde genannt. Die

vorzüglichen Schriften darüber ſind: Nemnich, Waarenlexicon in 12 Sprachen.

Hamburg 1797. Schumann, Verſuch einer vollſtändigen Waarenkunde. Zwickau

1802–7. II Bände (unvollendet, blos von Waaren aus Haaren und Federn).

Schedel, Allgemeines Waarenlexicon. 4te Aufl. von Poppe. Offenbach 1814.

Neueſte Ausg. Leipzig 1828. II Thle. Supplement von 1830. Kaufmann, Diction-

nary of Merchandise and Nomenclature in all European Languages. London 1815.

Buſe, Handbuch der Waarenkunde. Erfurt 1806–17. IX Bde. (unvollendet).

Poppe, Gemeinnützige Waarenencyclopädie. Leipzig 1818. Euler Waarenlexicon

(deutſch, franzöſiſch und italieniſch). 3te Ausg. von Jacobi. Heilbronn 1829.

III Bde. Zenker, Mercantiliſche Waarenkunde, mit Kupfern. I. Bd. II. Bd.

1–3s Heft. Jena 1829–33. Thon Waarenlexicon. Ilmenau 1830. Ir Bd.

Bohn, Wörterbuch der Producten- und Waarenkunde. Hamburg 1832. II Bde.

II. Werkmänniſche Geräthskunde.

§. 270.

Vorbegriffe.

Es kommen in allen Gewerken gewiſſe allgemein gebrauchte

Geräthſchaften vor. Manche davon ſind zwar ganz einfach, aber

manche auch ſehr zuſammengeſetzt. Die Zuſammenſetzung iſt ver-

ſchiedenartig, obſchon man faſt allenthalben ähnliche und gleiche

Theile findet. Dies rührt daher, weil man darnach ſtrebt, in

[334/0356]

jedem Gewerke die Kraft, ſei ſie mechaniſch oder chemiſch, ſo gut

als möglich zu benutzen. Die Lehre von dieſen allgemein gebrauch-

ten Geräthſchaften iſt die werkmänniſche Geräthskunde.

A. Von den chemiſchen Geräthſchaften und Vor-

richtungen.

§. 271.

In den chemiſchen Gewerken, bei welchen Verbindungen und

Trennungen der Stoffe in mehr oder weniger naſſem und flüſſigem

Zuſtande vermittelſt verſchiedener Grade von Wärme und Kälte

veranlaßt werden, ſind verſchiedene Geräthe und Vorrichtungen

erforderlich, welche aber nach der Natur des Gewerkes weſentlich

oder unweſentlich von einander in der Form, Größe und im Ge-

brauche abweichen. Es gehören daher die Heerde, Oefen, Töpfe,

Röhren, Keſſel, Bottiche, Kübel, Tiegel, Retorten, Gläſer,

Filtern u. dgl. m., von verſchiedener Form und verſchiedenartiger

Einrichtung.

B. Von den mechaniſchen Geräthſchaften, Maſchinen-

theilen und Maſchinen.

§. 272.

A. Werkzeuge. B. Maſchinen.

Zu der Vollführung mechaniſcher Arbeiten, bei denen alſo die

Bewegung das lezte Prinzip iſt, bedient ſich der Werkmann:

1) Der Werkzeuge, d. h. einfacher mechaniſcher Geräthe,

welche ihm zur unmittelbaren Unterſtützung ſeines Körpers bei

mechaniſchen Veränderungen der Stoffe dienen. Dieſelbe haben

theils blos den Zweck ihn zu ſchützen, theils jenen, die Werk-

thätigkeit ſeiner Gliedmaßen zu verſtärken, zu erleichtern, zu rich-

ten u. dgl. Ihre Anzahl und Arten ſind ſehr verſchieden, und

auch im Allgemeinen bekannt genug1).

2) Der Maſchinen, d. h. zuſammengeſetzter mechaniſcher Ge-

räthe, bei welchen diejenigen Theile, deren Beſtimmung iſt, unmit-

telbar auf den Stoff zu wirken, durch verſchiedene Mittelglieder

mit denjenigen verbunden ſind, die die Wirkung der bewegenden

Kraft unmittelbar aufnehmen2).

¹ Altmütter, Beſchreibung der Werkzeugſammlung des polytechniſchen In-

ſtituts Wien 1825.

² Die Lehre hiervon iſt die Maſchinenkunde. Die Mechanik entwickelt

die Grundſätze, worauf alle dieſe verſchiedenen Maſchinenvorrichtungen beruhen. Sie

iſt alſo hier Hilfswiſſenſchaft. Die Maſchinenkunde aber iſt ein integrirender Theil

[335/0357]

² der Technologie. Sie werden aber, praktiſch bearbeitet, immer mit einander ver-

bunden. S. Eytelwein, Handbuch der Mechanik. Berlin 1801. Poppe, Ency-

clopädie des Maſchinenweſens. Leipzig 1803–1818. VII Bde. Deſſelben Lehrb.

der Maſchinenkunde. Tübingen 1821. Baumgärtner, die Mechanik in ihrer

Anwendung auf Künſte und Gewerbe. Wien 1823. 2te Aufl. 1834. Karmarſch,

die Mechanik in ihrer Anwendung auf Gewerbe. Wien 1825. Mit 1 Kupferatlas.

v. Langsdorf, Syſtem der Maſchinenkunde. Heidelberg 1826. 4 Thle. in II Bdn.

4. Mit 4 Kupferatlanten. v. Gerſtner, Handbuch der Mechanik. Prag 1831–33.

Ir u. IIr Bd. 4. (Soll 3 Bde. ſtark werden, mit 100 Kupfertafeln). Borgnis,

Traité complet de mechanique appliquée aux arts. Paris 1818 sqq. VIII Tomes. 4.

Deſſelben Dictionnaire de mechanique appliquée aux arts. Paris 1821. 4.

Christian, Traité de mechanique industrielle. Paris 1823–25. III Tomes.

Mit 1 Kupferatlas.

§. 273.

Fortſetzung. 1) Maſchinentheile zur Aufnahme und Fort-

pflanzung der Kraft.

Die verſchiedenen Beſtandtheile der Maſchinen im Allgemeinen

ſind außerordentlich zahlreich; ſie laſſen ſich indeſſen doch unter

folgender logiſcher Eintheilung zuſammenfaſſen. Sie ſind:

a) solche, welche die Wirkung der bewegenden Kraft geradezu

aufnehmen (Empfänger, Récepteurs). Sie ſind nach der bewe-

genden Kraft verſchieden1). (§. 274.)

b) Solche, welche auf den zu bearbeitenden Stoff unmittelbar

die Wirkung ausüben (Bearbeiter, Opérateurs). Sie ſind je

nach der Art der beabſichtigten Wirkung in den einzelnen Gewerken

verſchieden2).

c) Solche, welche zwiſchen dieſen beiden Theilen die Vermitt-

ler oder Ueberträger ſpielen (Mittheiler, Communicateurs). Sie

ſind wieder von verſchiedener Art, aber auch mehr oder weniger

verbunden in den Maſchinen der einzelnen Gewerke3). Nämlich:

α) Entweder pflanzen ſie die Bewegung fort, indem ſie der-

ſelben eine beſtimmte Richtung geben (Directeurs)4).

β) Oder ſie pflanzen ſie fort, indem ſie dieſelbe erhöhen und

vermindern, um ſo das Verhältniß der beiden Faktoren abzuändern

(Modificateurs)5).

γ) Oder endlich ſie pflanzen ſie fort, indem ſie derſelben mehr

Gleichförmigkeit geben (Regulateurs)6).

¹ Borgnis, Méchanique appliquée aux arts. I. (Composition des Machines)

§. 18 sqq.

² Borgnis, Méchanique appliquée aux arts. I. §. 912 sqq.

³ Borgnis, Méchanique appliquée aux arts. I. §. 482 sqq. Prechtl Ency-

clopädie. II. 47–96.

⁴⁾ Es gehört hierher:

a) Der Wagbaum (Balancier), d. h. ein großer zweiarmiger Hebel, der

auf eine Unterlage gezapft und dazu beſtimmt iſt, eine geradlinige Bewegung

[336/0358]

⁴⁾ parallel fortzupflanzen, und gedreht werden kann. Da er aber bei dem Auf- und

Abgehen mit der Spitze einen Bogen, und keine ſenkrechte Linie beſchreibt, ſo

bringt man an derſelben oft folgende verbeſſernde Theile (Correcteurs) an: α) an

jeder Spitze deſſelben einen Kreisabſchnitt, an den ſich von oben herab eine Kette

anlegt, mit welcher erſt die Stange verbunden wird, die der Balancier aufziehen

und wieder ſinken laſſen ſoll; β) oder zwei ganze Kreiſe mit einer ſolchen Kette;

γ) ein verſchiebliches Parallelogramm, an das die Stange erſt befeſtigt wird.

Baumgärtner Mechanik (neue Ausg.). §. 350.

b) Das Kunſtkreutz, d. h. ein Kreutz von Balkenſtücken, das um einen

Zapfen in ſeinem Mittelpunkte drehbar iſt, um eine horizontale geradlinige Bewe-

gung in eine Winkelbewegung zu verwandeln, indem man die hin- und hergehende

Stange mit dem oberſten Kreutzbalken, eine ſenkrechte Stange aber mit dem queren

Kreutzbalken verbindet. Statt eines ganzen nimmt man auch nur ein ¾ oder ¼

Kreutz (einen Rechtwinkel). Prechtl Jahrbücher. II. 336.

c) Die Kurbel, d. h. eine zweimal rechtwinkelig gebogene Stange, wovon

ein Ende mit der bewegenden Kraft verbunden, das andere aber an einer Welle

oder an einem Rade im Centrum, im Halbmeſſer oder an der Peripherie der

Scheibe befeſtigt iſt. So entſteht aus der umdrehenden Bewegung eine geradlinige

oder umgekehrt. Weil aber der Bug (das Knie) wegen des Druckes oder Wider

ſtandes leicht bricht, ſo bringt man ſtatt der Kurbel eine kreisförmige Scheibe an,

an deren äußerer Seite ein Zapfen (eine Warze) ſteht, mit welcher dann die

ſenkrechte Kurbelſtange in Verbindung iſt. Baumgärtner Mechanik. §. 148. 198.

Prechtl Jahrbücher. III. 355. 41.

d) Die Daumwelle, d. h. eine Welle (Walze) mit hervorragenden Zapfen

(Daumen), welche unter einen eben ſolchen Zapfen an einer ſenkrechten Stange

greift, um ſie zu heben und wieder fallen zu laſſen. Nicht blos für jede Stange

einen, ſondern zwei, drei Daumen kann die Welle haben, um die Erſtere ein

oder mehrmals zu heben. Baumgärtner Mechanik. §. 266. 273. v. Langs-

dorf Maſchinenkunde. I. §. 384.

e) Die excentriſche Scheibe, d. h. eine kreisförmige oder anders runde

Scheibe, welche ſich nicht um ihr Centrum, ſondern um ein in einem ihrer Hand-

meſſer liegendes Punkt dreht, um einen an ſie andrückenden Körper beim Umdrehen

in verſchiedene Entfernungen zu ſchieben, ohne mit ihm außer Berührung zu kom-

men. Es gehört hierher die ovale, die kleeblatt- und die herzförmige Scheibe, bei

welchen zwei Lezteren aber das Drehpunkt in der Mitte liegt. Baumgärtner

Mechanik. §. 192. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I. §. 396.

f) Die gezahnte Stange, d. h. eine Stange mit Zähnen, welche durch ein

eingreifendes auch gezahntes Rad fortgeſchoben wird. Weil ſo die Stange bis ins

Unendliche fort nach einer Richtung geſchoben würde, ſo kann man, um das Zurück-

gehen derſelben zu bewirken, α) ein zur Hälfte gezahntes Rad anwenden, und die

Stange durch eine andere Kraft zurückbringen, wenn die Zähne des Rades vorüber

ſind; β) zwei ſolche halbgezahnte, aber nach entgegengeſetzten Richtungen umlaufende

Räder unter- oder nebeneinander anbringen; oder γ) ein halbgezahntes Rad in

einen an beiden Seiten nach Innen gezahnten Rahmen ſetzen. Baumgärtner

Mechanik. §. 186.

g) Die Ventile, d. h. Vorrichtungen, welche einer Flüſſigkeit den Durchgang

geſtatten, bis ſich dieſelbe den Rückweg ſelbſt verſperrt. Man unterſcheidet Klop-

pen-, Kugel-, Kegel- und Muſchel-Ventile. Baumgärtner Mechanik. §. 312.

Borgnis, Méchanique appliquée aux arts. I. §. 848 (Directeurs). §. 907

(Correcteurs).

⁵⁾ Es gehören hierher:

a) Das Rad an der Welle, d. h. eine Walze, um deren Peripherie ein

Rad befeſtigt iſt, ſo daß die Peripherie des Lezteren mit jener concentriſch iſt.

Baumgärtner §. 148. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I. §. 272.

b) Der Haſpel, d. h. eine Welle, von deren Peripherie aus, anſtatt ein

ſolches Rad, bloße Arme ausgehen, die als Fortſetzung einiger Halbmeſſer der

Scheibe der Walze erſcheinen. Baumgärtner §. 143.

[337/0359]

⁵⁾ c) Die verzahnten Räder, d. h. Räder, welche mit Zähnen verſehen ſind.

Sie ſind α) Stern-, Stirn- oder Zahnräder, wenn die Zähne bloße Fortſetzungen

der Durchmeſſer ſind; β) Kron- oder Kammräder, wenn die Zähne mit der Axe

parallel laufen; γ) koniſche oder Kegelräder, welche aus abgekürzten Kegeln beſtehen.

Kleine Stirnräder mit wenigen Zähnen heißt man Getriebe. Baumgartner

§. 168. 173. 177. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I. §. 360. 374. Prechtl

Jahrbücher. III. 317. V. 166 (Zahnform).

d) Die Trillinge, d. h. zwei durch cylindriſche Stäbe (Triebſtöcke) mit ein-

ander verbundene Scheiben. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I. §. 376.

e) Die Schnüre, welche um zwei Räder gezogen werden, und ſo die Bewe-

gung fortpflanzen, und zugleich durch die Reibung etwas hemmen. Kreuzt ſich die

Schnur, ehe ſie das andere Rad umgibt, dann haben die Räder entgegengeſetzte

Bewegung; aber eine gleiche, wenn ſie ſich nicht kreuzt. Baumgartner §. 185.

f) Die Schraube, d. h. ein Cylinder (Spindel), um den eine ſchiefe Ebene

gewunden iſt. Dieſe Schraube wird entweder in eine Höhlung mit Schrauben-

gängen, die den Namen Schraubenmutter führt, eingeſchraubt, um einen

Druck zu verurſachen oder eine Laſt zu heben, oder ſie geht an einem gezahnten

Rade auf und ab. Im lezteren Falle heißt ſie Schraubenrad oder Schraube

ohne Ende. Baumgartner §. 156–158. Prechtl Jahrbücher. IV. 363.

V. 204. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I. §. 335. 359. Borgnis Mechanique

appliquée aux arts. I. §. 782.

⁶⁾ Hier ſind zu nennen: a) das Schwungrad, d. h. ein ſchweres, metalle-

nes, oder mit Metall beſchwertes, ſehr großes Rad, an einer Welle, beſtimmt,

Ungleichförmigkeiten in der Bewegung auszugleichen und eine Kraft oder Bewegung

längere Zeit fortzuſetzen. b) Die Schwungkugeln, d. h. zwei Metallkugeln,

von bedeutendem Gewichte, welche durch Arme an einer drehbaren ſenkrechten

Stange befeſtigt ſind, ſo daß ſie ſich um ſo mehr von der Stange entfernen, je

ſchneller ſich dieſelbe dreht. Bringt man ſie mit einem an der Stange haltenden,

aber auch auf- und abwärts beweglichen, Ringe vermittelſt zweier Arme in Ver-

bindung, welche an die Kugelarme greifen, ſo kann man dadurch eine Bewegung

auf einen andern Maſchinentheil übertragen. Baumgartner Mechanik. §. 198. 202.

Prechtl Jahrbücher. III. 41. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I. §. 409. Borgnis

Mechanique appliquée aux arts. I. §. 780.

§. 274.

Fortſetzung. 2) Maſchinen zur Aufnahme und Fortpflanzung

der Kraft. a) Thiermaſchinen.

Die Maſchinen ſelbſt, welche, zuſammengeſetzt aus jenen ein-

zelnen Theilen (§. 273.), die Kraft aufnehmen und fortpflanzen,

ſind verſchieden im Allgemeinen nach der Art der Kraft. Dieſe iſt

entweder Thier-, oder Waſſer-, oder Luft-, oder Dampf-

kraft. Die hierher gehörenden Maſchinen zur Benutzung der

thieriſchen Kraft, wozu auch die körperliche des Menſchen ge-

hört, ſind folgende: 1) das Laufrad, d. h. ein großes wagrechtes

Well-Rad mit zwei Kränzen, in welchem unten auf der tiefſten

Stelle ein Menſch oder ein Thier durch Aufwärtsſteigen die Um-

drehung bewirkt1); 2) das Tretrad, d. h. ein Wellrad dieſer

Art, an welchem der Menſch oder das Thier außen auf die Quer-

bretter tritt, welche zwiſchen den beiden Kränzen angebracht ſind2);

3) das Spillenrad, d. h. ein haſpelförmiges Wellrad, an deſſen

Kranze auf beiden Seiten Stäbe angebracht ſind, auf die ein

Baumſtark Encyclopädie. 22

[338/0360]

Menſch mit Hand und Fuß zugleich außen wirken kann3); 4) die

Tretſcheibe, d. h. eine große hölzerne Scheibe, welche an einer

Welle höchſtens in einer ſchiefen Stellung gegen den Horizont von

20° umläuft und von Thieren bewegt wird, welche darauf fort-

gehen, indem ſie auf angenagelte Leiſten treten4); 5) der Haſpel,

die Winde und der Göpel. Die Winde iſt ſonſt nichts als ein

Haſpel, deſſen lange und dicke Welle ſenkrecht ſteht, um oben ein

Seil aufzunehmen, während Menſchen unten an den Armen drückend

umhergehen. Die Welle heißt Spindelbaum, die Arme aber

Schwungbäume. Der Göpel iſt ſonſt nichts als eine Winde

für die Pferdekraft, welche am Schwungbaume angebracht wird

und die Spindel herumdreht, während ſich das Seil am oberen

Ende um einen cylindriſchen oder koniſchen Trilling (Treibkorb)

windet5).

¹ Baumgartner Mechanik. §. 245. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I.

§. 303.

² Baumgartner. §. 246. v. Langsdorf. I. §. 303.

³ Baumgartner. §. 243. Es kann auch als Haſpel betrachtet werden.

⁴⁾ Baumgartner. §. 247. v. Langsdorf. I. §. 309.

⁵⁾ Baumgartner. §. 248. v. Langsdorf. I. §. 319.

§. 275.

Fortſetzung. b) Waſſermaſchinen.

Die in die Gewerkslehre gehörenden Maſchinen zur Benutzung

der Kraft des Waſſers ſind folgende: 1) die Waſſerſäulen-

maſchine, d. h. ein communicirendes Gefäß mit einem weiteren

und kürzeren Arme als der andere iſt, in deſſen weiterem Arme ein

Kolben, mit einer Kolbenſtange verſehen, ſitzt, und durch den

Druck des Waſſers in die Höhe getrieben, aber durch das Ablaufen

des Waſſers wieder ſinken gelaſſen wird. Durch den engeren län-

geren Arm ſtrömt das Waſſer von oben herein und dem weiteren

kürzeren zu, um in ihm den Druck auf den Kolben von unten zu

bewerkſtelligen. Wird nun, wenn der Leztere hoch genug ſteht,

der Waſſerzufluß aus dem engeren Arme gehindert, und der Abfluß

des Waſſers im weiteren Arme veranſtaltet, dann ſinkt der Kolben

wieder durch ſeine eigene Schwere allein oder noch gedrückt durch

von oben herab wirkendes Waſſer. Iſt er wieder unten, ſo fängt

das Spiel der Maſchine von Neuem an. Hebt das Waſſer den

Kolben blos, ſo daß er aus eigener Schwere zurückſinken muß, ſo

iſt die Maſchine einfach wirkend. Drückt aber das Waſſer den

Kolben auch noch herab, nachdem es ihn gehoben hat, dann heißt

ſie doppelt wirkend1). 2) Die Waſſerräder, d. h. große

[339/0361]

Räder von Holz, auf welche das Waſſer entweder durch den Stoß

oder durch ſeinen Fall wirkt. Man unterſcheidet die verticalen

und die horizontalen Waſſerräder. Bei jenen ſteht die Welle,

bei dieſen das Rad horizontal. Bei jenen fällt das Waſſer von

der Seite auf mehr oder weniger ſchiefe Schaufeln2). Bei dieſen

aber wirkt es von oben, oder auf die Mitte, oder unten. Im

erſten Falle heißen ſie oberſchlächtig, und beſtehen aus einer

Welle, ſtarken Armen und zwei Kränzen, welche immer durch einen

hölzernen Boden verbunden ſind, der durch Brettſtücke (Schaufeln)

in Zellen (Waſſerſäcke) abgetheilt wird, in welche das Waſſer

ſtürzt, um ſo das Rad zu bewegen3). Im zweiten Falle heißen

ſie mittelſchlächtig, weil das Waſſer, bei gleicher Conſtruktion

derſelben, erſt am Ende des horizontalen Durchmeſſers vom Rade

auf die Schaufel fällt, da nämlich ſeine Quantität für ein ober-

ſchlächtiges Rad zu gering iſt4). Im dritten Falle iſt das Rad

ein unterſchlächtiges, und einige ſeiner Schaufeln ſind beſtän-

dig, ſo lange es geht, im Waſſer5). 3) Die hydrauliſche

Preſſen. Man hat zwei, nämlich jene von Bramah und jene

von Real. Jene Erſtere beſteht aus zwei mit einander com-

municirenden Röhren, wovon jede einen Kolben hat. Die Eine

derſelben iſt weiter als die andere und heißt Stiefel oder Treib-

cylinder, der andere aber enger und heißt Druckcylinder. In bei-

den geht ein engſchließender Kolben auf und ab; nur endigt der

Druckkolben in eine Stange, welche durch einen Mechanismus ge-

hoben und geſenkt werden kann, und der Treibkolben in eine ebene

Platte, welche den Druck auf den zu preſſenden Körper ausübt6).

Die Real'ſche Preſſe beſteht aus einem hohlen zinnernen Cylinder,

welcher im Innern eine bewegliche ſiebartige Platte hat, unten

durch eine ſiebartige Platte geſchloſſen iſt und in einen Trichter

endigt, oben aber von einem Deckel verſchloſſen wird, auf welchen

ſelbſt eine lange dünne Röhre paßt, die ebenfalls in eine trichter-

förmige oder cylindrige weitere Oeffnung ausgeht. Man bedient

ſich derſelben, um Exſtrakte aus pulveriſirten Gegenſtänden zu

machen7).

¹ Baumgartner Mechanik. §. 275279. v. Langsdorf Maſchinen-

kunde. I. §. 603. Bei der einfachen Säulenmaſchine geſchieht der Abfluß des

gebrauchten und die Verſperrung des drückenden Waſſers entweder durch Hahnen

oder durch Kolben, und man unterſcheidet darnach die Hahnen- und die Kolben-

ſteurung. Die Erſtere hat einen doppelt gebohrten Hahn, die andere aber einen

Druckkolben zum Schließen und Oeffnen. Beide Vorrichtungen ſind aber mit der

Bewegung der Maſchine ſo verknüpft, daß ſie mit derſelben ihre Operation machen.

Bei der doppelten Säulenmaſchine, deren Conſtruction ohne Zeichnung nicht wohl

beſchrieben werden kann, iſt weſentlich, daß in dem Druckſtiefel eine Stange mit

drei Kolben geht, die das Waſſer abwechſelnd, je nachdem ſie ſteigen oder fallen,

22 *

[340/0362]

¹ oberhalb und unterhalb den Treibkolben leiten, daß derſelbe mit dem Treibſtiefel

an den beiden Enden des Leztern durch gleich dicke Röhren verbunden iſt, wovon

die Oberſte das Waſſer über, und die Unterſte daſſelbe unter den Treibkolben leitet;

daß der Druckſtiefel gerade oberhalb der oberſten und unterhalb der unterſten Ver-

bindungsröhre nach der entgegengeſetzten Seite ausgehende Röhren hat, in deren

Mitte ſich eine nach unten gekrümmte Abflußröhre befindet, die das Waſſer in einen

Behälter leitet, wenn es oberhalb des Treibkolbens wegen des Aufſteigens deſſelben

abfließen muß; und daß ſich über der oberſten dieſer lezten Röhren ein mit einem

Hahne verſehener kleiner Kanal befindet, welcher dasjenige Waſſer ableitet, was in

dem Druckſtiefel über dem oberſten Kolben ſteht und abfließen muß, wenn ſich die

Kolbenſtange zufolge des beiſtrömenden Waſſers hebt.

² Zwei Arten der horizontalen Waſſerräder gibt es, nämlich dasjenige, welches

bei ſehr großer Geſchwindigkeit des Waſſers in einem Behälter umläuft, in welchem

auf daſſelbe das Waſſer einſtürzt, und dann das Segner'ſche Rad, deſſen Weſent-

liches in Folgendem beſteht. Es iſt ein hohler Cylinder, an deſſen unterem Ende

nach beiden Seiten zwei rechtwinkelig abgehende gebogene kleine Röhren das Waſſer

ableiten, welches am oberſten Ende durch einen Trichter einfällt. Es entſteht ſo

eine umdrehende Bewegung des Cylinders, wobei ein oben angebrachtes Rad ſich

horizontal bewegt, während das Waſſer vertikal abläuft. Baumgartner Mecha-

nik. §. 289. 290.

³ Zwei Stücke bilden in der Regel die Schaufel, nämlich ein äußerſtes (die

Setz- und Stoßſchaufel) und ein inneres (die Kropf- oder Riegelſchaufel). Prechtl

Jahrbücher. IV. 198. Baumgartner Mechanik. §. 280–282. v. Langsdorf

Maſchinenkunde. I. §. 492.

⁴⁾ Baumgartner Mechanik. §. 283. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I.

§. 520. Prechtl Jahrbücher. VI. 253.

⁵⁾ Bei großer Geſchwindigkeit des Waſſers und bei Mangel an ſolchem gibt

man dem Rade nur einen Kranz, und läßt die Schaufeln beiderſeits hervorſtehen

(Strauberrad); muß die Flaſche zum Stoßen groß ſein, ſo ſetzt man breite

Schaufeln zwiſchen zwei Kränze (Strauberrad); bei vielem aber ſehr langſamen

Waſſer und Nothwendigkeit großer Kraft gibt man dem Rade mehrere Kränze, und

alſo auch größere Schaufeln, welche noch unter ſich zuſammenhängen (Panſterrad).

Baumgartner Mechanik. §. 284–288. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I.

§. 526. Prechtl Jahrbücher VI. 204.

⁶⁾ Der Druckcylinder geht in einem Waſſerbehälter. Wird nun der Druckkolben

in die Höhe gezogen, ſo ſtrömt das Waſſer durch ein Ventil herauf, bis dies durch

das Waſſer geſchloſſen iſt; drückt man nun den Druckkolben herab, dann ſtrömt das

Waſſer durch einen horizontalen Verbindungskanal in den Treibſtiefel durch die in

jenem angebrachte Ventile, vollführt dort den Druck und kann wegen des Ventils

nicht mehr zurück, wenn der Druckkolben wieder in die Höhe gehoben wird. Iſt

des Druckes durch den Treibkolben genug, ſo läßt man das Waſſer durch einen Hahn

auf der andern Seite ab. Baumgartner Mechanik. §. 84. v. Langsdorf

Maſchinenkunde. I. §. 358. *

⁷⁾ Den pulveriſirten Gegenſtand ſchüttet man nach einer kleinen Anfeuchtung

gerade auf die Siebplatte oberhalb des Trichters im Cylinder feſt auf, legt darauf

die obere bewegliche Siebplatte, und füllt den übrigen Theil des Cylinders mit der

entſprechenden Flüſſigkeit aus. Jetzt wird die Druckröhre darauf geſetzt, vermittelſt

eines Hahnes unten nahe über dem Cylinder geſchloſſen, und mit Flüſſigkeit angefüllt.

Hierauf öffnet man den Hahn, und es erfolgt die Extraction durch Druck, wobei

das aus dem Trichter fließende Extract aufgefangen werden muß. Baumgartner

Mechanik. §. 89.

§. 276.

Fortſetzung. c) Luftmaſchinen.

Von den Maſchinen, welche die Kraft und Zuſammen-

ſetzung der Luft benutzen, gehören hierher: 1) der Stechheber,

[341/0363]

d. h. ein Gefäß, welches nach unten in eine lange Röhre ausgeht,

nach oben aber in einen dünnen kurzen Hals mit einer Handhabe

endigt. Es dient zum Herausnehmen von Flüſſigkeit, indem man

es in dieſe einſteckt, mit dem Munde ſaugt, und dann den Hals

oben mit dem Daumen zuhält. So bringt man Etwas von der

Flüſſigkeit heraus, die ſo lange im Heber bleibt, bis man den

Daumen wieder hinweg thut1). 2) Der gekrümmte Heber,

d. h. eine zweimal, aber in ungleich lange Schenkel, gebogene

Röhre, welche man mit dem einen Schenkel in eine Flüſſigkeit

ſtellt, und durch Saugen am anderen Ende ſo weit der Luft be-

raubt, daß die Flüſſigkeit die Röhre bis in den äußeren Schenkel

füllt. Iſt dies geſchehen, dann ſtrömt, wenn man den Heber nicht

wegnimmt, die Flüſſigkeit ſo lange nach, als die innere Röhre

noch in ihr ſtehet2). 3) Die Pumpe, d. h. cylindrige Röhre

(Pumpenſtock), in welcher eine Stange mit einem Kolben (Kolben-

ſtange) auf- und abwärts bewegt wird, um eine Flüſſigkeit bis an

gewiſſe Ventile zu bringen. Man hat Saug- und Druckpum-

pen. Bei der Erſteren befindet ſich unter dem Pumpenſtocke,

aber luftdicht mit ihm verbunden, eine etwas engere, in die Flüſ-

ſigkeit reichende Röhre (Saugröhre), welche an ihrem oberen

Ende gegen den Pumpenſtock hin mit einem aufwärts gehenden

Ventile gedeckt iſt; ein eben ſolches Ventil iſt auch im Pumpen-

kolben ſelbſt angebracht, ſo daß, wenn man mit der Stange den

Kolben hinabdrückt, die Luft, welche zwiſchen dem Kolben und dem

Ventile der Saugröhre ſteht, dadurch nach oben entweicht, und ſo

möglich macht, daß die Flüſſigkeit aus der Saugröhre, das Ventil

hebend, nachſteigt, bis es endlich oben durch eine Seitenröhre ab-

fließt. Bei der Anderen, im einfachſten Zuſtande, iſt keine Saug-

röhre vorhanden. Doch aber findet man ſie wie bei der Saugpumpe.

Der Kolben hat kein Ventil, dagegen geht ſogleich oberhalb des

Ventils der Saugröhre ſeitwärts ein ſogenanntes Steigrohr in

die Höhe, welches mit einem aufwärts gehenden Ventil im Innern

geſchloſſen wird, das denſelben Dienſt thut, wie das Kolbenventil

bei der Saugpumpe, bis endlich die Säule der Flüſſigkeit ſo hoch

geſtiegen iſt, daß ſie oberhalb daſſelbe tritt und durch die Abfluß-

röhre hinwegfließt3). 4) Das Gebläſe, d. h. eine Vorrichtung

zum Einziehen und Ausſtoßen von Luft. Es gibt gewöhnliche

Blasbälge in verſchiedener Form, und ſogenannte Kaſten- oder

Cylindergebläſe. Man hat einfache und doppelte Cylinder-

gebläſe. Bei beiden kommt ein cylindriger oder prismatiſcher

Kaſten vor, in welchem ſich an einer Stange ein feſt anſchließender

Kolben auf- und abbewegt. Beim einfachen Gebläſe iſt der Kolben

[342/0364]

mit einem oder zwei Ventilen verſehen, welche beim Aufziehen die

Luft unter den Kolben ſtrömen laſſen und ſich ſchließen, wenn der

Kolben herabgeht, ſo daß die Luft unten am Kaſtenboden durch

ein auswärtsgehendes Ventil in einer Röhre hinausgetrieben wird,

das ſich aber ſchließt, ſobald der Kolben in die Höhe geht. Das

Doppelgebläſe ſoll die Luft, nicht bloß ſtoßweiſe unterbrochen wie

jenes, ſondern in einem anhaltenden Strome ausſtoßen. Daher

hat bei ihm der Kolben kein Ventil, während aber am Deckel und

am Boden des Kaſtens ein nach innen ſich öffnendes Ventil auf

der einen Seite der Kolbenſtange angebracht, dagegen auf der

anderen Seite ebenſo oben und unten aus Deckel und Boden zwei

Röhren durch auswärtsgehende Ventile die Luft in einen gemein-

ſchaftlichen Kaſten leiten, wovon ſie alsdann zum Gebrauche weiter

geht. Steigt der Kolben, dann ſchließt das Deckelventil und die

Luft ſtrömt durch die Deckelröhre in das gemeinſchaftliche Rohr,

während das Ventil an der Bodenröhre ſich ſchließt, und durch

das offene Bodenventil Luft ſo lange einſtrömt, bis der Kolben

ganz oben iſt, worauf dann beim Abgehen deſſelben ſich das Deckel-

ventil öffnet, das Bodenventil ſchließt, und die Luft durch die

Bodenröhre in das gemeinſchaftliche Rohr hinausſtrömt, deſſen

Ventil an der Deckelröhre geſchloſſen bleibt, bis der Kolben wieder

anfängt zurückzugehen u. ſ. w.4). 5) Die Windflügel, welche

zur Aufnahme des Windſtoßes dienen, in eine rotirende Bewegung

kommen, und ſo ein Rad an einer Welle umdrehen können. Es

gibt horizontale und vertikale. Sie müſſen nach jedem Winde ge-

dreht werden können, weßhalb ſich entweder das ganze Gebäude,

an dem ſie angebracht ſind, um eine vertikale Axe drehen läßt,

oder bloß der Dachſtuhl mit ſeinen Flügeln5).

¹ u. ² Zum Abſchließen hat man auch öfters Hahnen, und zum Saugen

noch beſondere Nebenröhren mit kugelförmigen Erweiterungen, um die Flüſſigkeit

vom Munde fern zu halten u. dgl. m. Baumgartner Mechanik. §. 299–301.

³ Baumgartner a. a. O. §. 302314. Eine beſondere Art von Pum-

pen ſind die Drehpumpen von Ramelli u. A., die Centrifugalpumpen,

und die Spiralpumpen von Würz. Man ſ. darüber Baumgartner a. a. O.

§. 315. 316. 317.

⁴⁾ Baumgartner a. a. O. §. 321324. v. Keeß Darſtellung. II. 110.

Anhang 82. Eine ſehr ſchöne Einrichtung, welche auch hierher gehört, da ſie

ebenfalls z. B. einem Feuer die gehörige Luft zuführt, iſt das hydroſtatiſche

Gebläſe von Baader. Man ſ. darüber Baumgartner a. a. O. §. 325.

Prechtl Jahrbücher. I. 206 (Blaſebalg von de la Forge).

⁵⁾ Baumgartner a. a. O. §. 327–330. v. Langsdorf Maſchinenkunde.

II. §. 56. Prechtl Jahrbücher. VII. 85.

[343/0365]

§. 277.

Fortſetzung. d) Dampfmaſchinen.

Die Maſchinen, in welchen das in Dampf verwandelte Waſſer,

d. h. der Waſſerdampf, die bewegende Kraft bildet, heißt man

Dampfmaſchinen1). Zur Dampfbildung iſt eine Siedhitze

nöthig. Die Ausdehnbarkeit der Waſſerdämpfe iſt jener der atmo-

ſphäriſchen Luft gleich, aber ihre Zuſammendrückbarkeit geht nur

auf einen gewiſſen Grad, in welchem ſie wieder tropfbar flüſſig

werden. Die Spannkraft des Dampfes nimmt mit der Wärme zu,

und mit der Erkaltung ab, ſo daß ſie ſich in jenem Falle immer

mehr ausdehnen, und in dieſem in tropfbare Flüſſigkeit verwandeln

können. Die Spannkraft deſſelben wird bemeſſen: a) nach der

Höhe der Queckſilberſäule, welcher der Dampf das Gleichgewicht

halten kann, b) nach dem Drucke, den er auf eine Fläche (z. B.

einen Quadratzoll) ausübt. Die Atmosphäre hält an den nieder-

ſten Punkten der Erde in luftleerem Raume einer Queckſilberſäule

von 28 par. Zoll das Gleichgewicht, und man ſagt daher, der

Dampf habe eine Kraft von ¼, ½, 1, 2, 3, 3½ Atmosphären

u. ſ. w., je nachdem er einer ¼, ½, 1, 2, 3, 3½ mal höheren

Queckſilberſäule u. ſ. w., als jene der Atmosphäre iſt, das Gleich-

gewicht hält. Die Queckſilberſäule von 28 Zoll Höhe, d. h. die

Atmosphäre, drückt auf 1 Q. Zoll mit 12½ Wiener Pfunden,

und es kann der Druck des Dampfes auf eine Fläche leicht berech-

net werden, wenn man ihre Ausdehnung und die Atmosphären der

Spannkraft des Dampfes kennt2). Der Druck des Dampfes wird

auf einen Kolben angewendet. Daher iſt es leicht einzuſehen, daß

das Weſentliche bei jeder Dampfmaſchine in folgenden Vorrich-

tungen beſteht: a) im Dampfkeſſel, worin die Dämpfe erzeugt

werden, indem unter ihm gefeuert wird3); b) in einem Dampf-

cylinder, in welchen der erzeugte Dampf geleitet wird4); c) in

einem Kolben, welcher in dem Cylinder, luftdicht ſchließend,

auf- und abgeht5); d) in einer Steuerung, d. h. einer Vor-

richtung von Ventilen u. dgl., wodurch der Dampf in den Cylinder

geleitet und von demſelben abgehalten wird6); und e) in einem

Verdichter oder Condenſator, d. h. einem Gefäße, das von

kaltem Waſſer umgeben iſt, und die einſtrömenden Dämpfe abkühlt

und verdichtet7). Außerdem kommen aber bei den Dampfmaſchinen

noch ſehr wichtige Nebenbeſtandtheile vor, von denen die ſelbſtſtändige

Wirkung derſelben ebenfalls abhängt8). Man unterſcheidet aber

verſchiedene Arten von Dampfmaſchinen:

a) Je nach der Richtung, welche die Dämpfe in den Cylin-

der nehmen. Wird der Kolben im Cylinder durch ihn blos herab-

[344/0366]

gedrückt, dann aber durch eine andere mechaniſche Kraft wieder

gehoben, dann heißt man ſie einfach wirkende; rührt aber das

Sinken und das nachherige Steigen des Kolbens vom Dampfe

her, in ſoferne er bald über bald unter denſelben im Cylinder

ſteigt, dann nennt man ſie doppelt wirkende.

b) Je nach den Mitteln, womit die Maſchinen die mechani-

ſche Wirkung hervorbringen. Wird der Mechanismus blos durch

die Spannkraft des Dampfes bewegt, dann werden ſie Hochdruck-

maſchinen genannt9); bewirken die Dämpfe aber einen luftleeren

Raum durch Verdichtung derſelben, und überlaſſen ſie dann dem

Drucke der Luft die Führung des Kolbens, dann heißen ſie

atmosphäriſche Dampfmaſchinen10), wirken aber beide Mit-

tel zur Bewegung des Kolbens, dann nennt man ſie nach ihrem

Erfinder Watt'ſche Dampfmaſchinen11); wird bei der Dampf-

maſchine beſonders von der Eigenſchaft des Dampfes, ſich ins

Unendliche auszudehnen, Gebrauch gemacht, und ſein Eintritt

unter den Kolben ſchon verhindert, ehe der Kolben ganz oben an-

gekommen iſt, damit ſich der Dampf unter ihm ausdehne, ſo haben

ſie den Namen Expanſionsmaſchinen12).

c) Je nach dem Vorhandenſein oder Nichtvorhanden-

ſein des Kolbens und was dazu gehört, um die geradlinige ſenk-

rechte Bewegung deſſelben in eine umdrehende zu verwandeln.

Wird nämlich durch die Dampfmaſchine ſelbſt, ohne Kolben, ſchon

eine kreisförmige Bewegung hervorgebracht, dann heißt ſie eine

rotirende Dampfmaſchine13). Jedoch ſind dieſe bis jetzt nur

von geringem Gebrauche14).

¹ Den erſten Gedanken von der Benutzung des Dampfes als bewegende Kraft

hatte der Marquis v. Worceſter in der Schrift: A Century of the Names and

scantlings of such Inventions, as at present i can call to mind. Glasgow 1655.

Eine Maſchine conſtruirte zuerſt Moreland a. 1683 und Capitain Savary legte

eine eigene der königl. Societät in London a. 1699 vor (Philosophical Transactions

253. p. 228., an Engine for raising Water by the help of fire, by Thomas

savary). Eine Beſchreibung ſeiner von den jetzigen ſehr verſchiedene Dampfmaſchine

findet ſich in ſeiner Schrift: The Miners Friend. Lond. 1699, in den Actis Eru-

ditorum 1700 p. 29, bei Leupold Theatr. machin. generale Tabul. LII. und

Weidler Tract. de machinis hydraulicis p. 84. Tab. V. Aber der Marburg'ſche

Profeſſor Dionys Papin hatte gegen das Ende des 17ten Jahrhunderts noch

größere Verſuche und Wirkungen des Waſſerdampfes bekannt gemacht, und dieſes

ſoll erſt Worceſter auf jenen Einfall gebracht haben. Auch bekennt Papin ſelbſt

(in ſeiner Schrift: Ars nova ad aquam ignis adminiculo efficacissime elevandam

1707.), daß er a. 1698 auf den Befehl des Landgrafen eine Feuermaſchine zum

Heben des kalten Waſſers vollendet habe. Erſt a. 1705 erfanden Newcomen und

Cawley die Dampfmaſchine mit Keſſel, Cylinder und Kolben, an dieſem den

Balancier, und das Mittel der Condenſirung oder Verdichtung der Dämpfe, und

jener errichtete die erſte Dampfmaſchine dieſer Art a. 1712. Es erfolgten bald

mehrere Verbeſſerungen derſelben durch dieſe Beiden, durch Potter, durch einen

Töpfersjungen v. Humphry und durch Beyothon. Aber es war endlich Boul-

[345/0367]

¹ ton (a. 1768) und Watt (a. 1768) überlaſſen, die Dampfmaſchinen mit Hilfe

der Chemiker Black und Roebuck zu unterſuchen, und neue derartig verbeſſerte zu

bauen, daß ſie allen ſpäteren verbeſſerten Maſchinen bis auf den heutigen Tag zu

Grunde liegen. Man ſ. das Geſchichtliche der Dampfmaſchinen bei Buſch Handb.

der Erfindungen. III. Thl. 2te Abthlg. S. 20. Green Journal der Phyſik. I. Bd.

1s Heft. S. 63. Ueber Dampfmaſchinen überhaupt beſonders: Marestier Mémoire

sur les bateaux à vapeur. Paris. 1824. 4. Mit 1 Kupferatlas Bernoulli, die

Dampfmaſchinenlehre. Stuttgart 1824. Beuth, Abhandlungen der königl. techn.

Deputation für Gewerbe. Berlin 1826. Fol. I. Thl. S. 1–360. Mit 1 großen

und 1 kleinen Kupferatlas. v. Langsdorf Maſchinenkunde. II. §. 1. §. 15.

Baumgartner Mechanik. §. 331 folg. Prechtl Encyclopädie. III. 493. 525.

574. 586. v. Keeß Darſtellung. II. 495. Anhang S. 109. Tredgold, The

steam-Engine. Lond. 1827. Farey, Treatise on the steam-Engine. Lond. 1827.

Birkbeck and Adcock, The steam-Engine. London 1827.

² Tabellen finden ſich darüber z. B. bei v. Langsdorf Maſchinenkunde. II. Bd.

1. Abthl. S. 10–19. u. II. Bd. 2. Abthl. die Tabelle. Prechtl Encyclop. III. 497,

dieſelben bei Baumgartner S. 307., ebenſo auch bei Bernoulli, Mareſtier,

Beuth und bei Anderen. Einen verbeſſerten Druckmeſſer für ſehr ſtark zuſammen-

gedrückte Dämpfe c., von Seaward und Ruſell bei Dingler polytechniſches

Journal. XII. 153.; über mechaniſche Kraft des Dampfes XXI. 480.; XXVII.

358., von Dufour; XXVIII. 49.; XXXIX. 367., von Flauti; über ſeine

elaſtiſche Kraft bei verſchiedener Temperatur, von Ivory XXIV. 381., über das

mathematiſche Geſetz von der Zunahme der Elaſticität des Dampfes nach der Tem-

peratur, von Roche XXXII. 329. Prechtl Jahrbücher. I. 144. Man bemißt

die mechaniſche Kraft der Dampfmaſchinen nach Pferdekräften. Prechtl

(III. 230.) gibt als allgemeine Annahme an, daß ein mittleres Pferd in 1 Sekunde

400 Pfunde einen Fuß hoch heben könne, ſo viel als 6⅔ Menſchen; das ſind alſo

in 1 Minute 24,000 Pfunde. Watt gibt jenes Bewegungsmoment auf 540 Pfd.

an, und rechnet alſo eine Pferdekraft = 32,460 Pfd. in der Minute. Es iſt be-

greiflich, daß nach dem Pferdebeſchlage eines Landes auch die Pferdekraft verſchieden

berechnet werden kann. Ueberhaupt verſteht man aber unter 1 Pferdekraft jenes

mechaniſche Moment. S. Dingler polytechn. Journal. XXII. 373 (Beſtimmung

nach Watt). XXV. 457. 458.

³ Der Dampfkeſſel, gleichſam der Magen des großen Thieres Dampfmaſchine,

iſt meiſtens cylindrig oder länglich rechteckig, wird von ſtarkem Kupfer oder Eiſen-

blech gemacht, aber nicht von Gußeiſen, weil dies nicht gleichförmig genug iſt, zu

häufig Fehler hat, ſich bei der Zunahme der Hitze nicht gleichmäßig ausdehnt, leicht

riſſig wird und beim Zerſpringen in Stücken auseinander fährt (daſſelbe zu gebrauchen

iſt ſogar geſetzlich verboten, wie z. B. in Frankreich). Die wichtigſten Momente

bei demſelben ſind: a) das Vernageln (Nieten) der Blechtafeln, nach welchem man

die Fugen erſt noch mit einem Kitte, z. B. aus 16 Thln. Eiſenfeile, 2 Thln.

Salmiak und 1 Thl. Schwefel verkittet; b) die Größe deſſelben, die für jede

Pferdekraft 10–15 Kub. Fuß beträgt; c) die Heitzung deſſelben, von einem

eiſernen Roſte aus, mit Holz oder Steinkohlen, wobei aber zu bemerken iſt, daß

die ausgediente heiße Luft, bevor ſie ausgelaſſen wird, noch in einem gemauerten

Kanale um den Keſſel herum geleitet wird, damit ſie die Wärme der äußeren Wand

deſſelben annimmt; d) die Nachfüllung des Waſſers in denſelben (Speiſung), welche

von der Maſchine ſelbſt nach dem Bedürfniſſe an Waſſer beſorgt wird, indem auf

dem Waſſer im Keſſel eine Kugel oder ſonſt Etwas ſchwimmt (Schwimmer,

flotteur), das ſchwer genug iſt eine Pumpe zu ziehen, um durch eine Röhre

(Speiſeröhre) Waſſer einzugießen, ſobald jenes im Keſſel ſo tief geſunken iſt, daß

der auf ihm liegende Schwimmer die Pumpenſtange, an der er hängt, herabzieht;

e) die Regulirung des Feuers durch Zulaſſen und Abhalten der Luft, welche durch

eine ſchließbare Schubthüre geſchieht; ſie wird auch durch die Maſchine ſelbſt bewirkt,

indem nämlich die Schubthüre durch eine Kette über Rollen mit einem Gleichgewichte

in Verbindung ſteht, welches in der Speiſeröhre hängt, und den Schieber ganz offen

hält, wenn es in der Speiſeröhre nicht mit Waſſer umgeben iſt, denſelben aber

verhältnißmäßig zuſinken läßt, wie der entſtehende Dampf auf die Waſſerfläche im

Keſſel drückt, mehr Waſſer in die unten etwas gebogene Speiſeröhre eintritt, das

[346/0368]

³ Gewicht umgibt, und ſo erleichtert, daß es mit der Zunahme des Dampfes immer

mehr an Gewicht verliert, und vom Schieber in die Höhe gezogen wird, bis jener

die Thüre ganz ſchließt, — und umgekehrt; f) die Sicherung gegen das Berſten

des Keſſels zufolge des zu großen Dampfdruckes, welche man zu Stande bringt,

entweder durch Zapfen von einer Metallcompoſition, welche bei einer Wärme des

Dampfes ſchon ſchmilzt, die gefahrdrohend iſt, oder durch ein nach Außen ſich

öffnendes Ventil (Sicherheitsventil), welches man mit einem Gewichte von

Außen beſchwert, das aber nicht hinreicht, derjenigen Druckkraft des Dampfes zu

widerſtehen, welche Gefahr bringen könnte, dagegen aber von der ſchadloſen Span-

nung des Dampfes auch nicht gehoben werden kann, — oder durch ein mit

Queckſilber gefülltes Rohr, das mit dem Dampfraume des Keſſels in Verbindung

ſteht; g) die Oeffnung (Einfahrt, Mannsloch) am Deckel des Keſſels, um den

Leztern dadurch putzen zu können; dieſelbe iſt mit einem Deckel zugeſchraubt, aber

wegen des im Keſſel ſich bildenden Anſatzes (Pfannſteines) nöthig, und trägt auch

das Sicherheitsventil. Ueber die verſchiedenen Verbeſſerungen der Dampfkeſſel ſelbſt

ſ. m. Dingler polytechn. Journal. XXII. 17 (Statik der Dampfkeſſel). 300 (Ver-

beſſerung nach Clark). XIII. 76. XVI 26 (Ofenbau nach Perkins). 193. 437.

XX. 122. XXI. 408. XXII. 192. XXIV. 387. XXV. 24. XXVI. 289. 292.

XXVIII. 249. XXIX. 180. XXX. 337. XXXI. 163. 241. XXXV. 169. XXXVII.

81. 161. XXXIX. 241. 329. XLI. 401. XLII. 313. 314. XLIII. 241. XLIV.

247. 249. 461. XLV. 167. 321. Ueber die Verbeſſerungen der Speiſung XVII.

158. XIX. 132. XXIII. 304. XXIX. 321. XXXVII. 325. XL. 35. XLIV. 161.

Ueber die Urſachen des Berſtens XXIV. 295. XXV. 279. 353. (von Taylor).

XXIV. 484 (v. Perkins). XXVI. 394. (v. Hazard). XXXI. 257. (v. Mare-

ſtier). XXXII. 396. (v. Alban). XXXIX. 88 (v. Hebert). XLIII. 242 (von

Earle). Ueber Sicherheitsklappen XXI. 490 (v. Socke). XXIII. 502 (v. Hick).

XXIV. 303. XXVI. 457. (v. Gaultier de Glaubry). 92 (v. Perkins) vrgl.

mit XXVIII. 43 (v. Davy). XXXI. 254 (v. Singler). XXXIX. 161 (von

Hebert). XLIII. 180 (v. Cochaux)und XLV. 84 (v. Dunbar). Eine Vor-

richtung gegen Verunreinigung des Keſſels v. Scott XXXI. 101. Vergleichung

der Dampfkeſſel mit hohem und niederem Drucke XIX. 516.

⁴⁾ Der Dampfcylinder erhält den Dampf durch eine Röhre, welche ihn mit

dem ſogleich neben ihm ſtehenden Keſſel verbindet. Er iſt aus Gußeiſen, unten

und oben mit einem angeſchraubten Deckel verſehen, wovon der obere an der Stelle,

durch welche die Kolbenſtange ein- und ausgeht, mit einer ſogenannten Stopfbüchſe

verſehen iſt, welche mit Werg und Fett gefüllt iſt. Man ſ. auch Dingler poly-

techniſches Journal. XXXVII. 325.

⁵⁾ Der Kolben geht im Dampfcylinder auf und ab. Durch ihn wird die Kraft

des Dampfes vermittelſt verſchiedener Hilfsſtücke dahin geleitet, wo ſie wirken ſoll.

Er iſt aus zwei aneinander gefügten Metallplatten gemacht, und muß ohne Reibung

luftdicht ſchließend ſpielen. Darum iſt der zwiſchen dem Kolben und der Cylinder-

wand liegende Zwiſchenraum entweder mit Leder (Liederung im eigentlichen

Sinne) oder Hanf (Hanf-Liederung) oder Metall (ſogenannten Metall-Liederung)

ausgefüllt. S. Dingler polytechn. Journal. XII. 155 (Methode den Stempel

der Maſchine zu leiten, von Saulnier). XXI. 245 (von Dingler). XXXII.

153 (Metall-Liederung, nach Alban).

⁶⁾ Dieſelbe beſteht aus verſchiedenartig conſtruirten und an verſchiedenen

Punkten angebrachten Ventilen, welche den Dampfſtrom aus dem Keſſel unter und

über den Kolben im Cylinder, von da entweder nach Außen oder in den Conden-

ſator führen und abhalten, je nachdem der Dampf an Ort und Stelle ſeine Wirkung

gethan hat und nach dem Auf- und Abgehen des Kolbens zugelaſſen oder hinweg-

gedrängt wird. Man bedient ſich dazu entweder eines vierröhrigen Hahnes (Vier-

weghahnes) oder T förmiger Klappen, oder zapfenförmiger in eine Kapſel

einpaſſender Schieber (Schubventile), oder zweier kreisrunder gut aufeinander

paſſender Metallſcheiben, wovon ſich die obere (Drehſcheibe) dreht, während die

untere (Bodenſcheibe) feſtſteht und an verſchiedenen Stellen röhrenartig durchbohrt

iſt, um ſo, je nachdem jene mit ihrer einzigen Bohrung auf die Bohrung der

anderen zu ſtehen kommt oder nicht, den Dampf nach einer Richtung abzuſchließen

[347/0369]

⁶⁾ und nach der anderen zu leiten. Dieſe Ventile werden ſämmtlich von dem Kolben,

oder vom Schwungrade u. dgl. aus, womit ſie in Verbindung ſind, geöffnet und

geſchloſſen, da ſie blos nach dem Gange des Kolben zu operiren haben.

⁷⁾ Geht der ausgediente Dampf ins Freie, dann bedarf es des Condenſators

nicht. Im entgegengeſetzten Falle aber iſt unter dem Cylinder ein Behälter (Con-

denſator) angebracht, in welchem der über oder unter dem Kolben geweſene Dampf

anlangt und wieder zu Waſſer verdichtet (condenſirt) wird, indem aus einer Seiten-

röhre kaltes Waſſer einſpritzt. Dieſes kalte Waſſer wird durch eine Pumpe (Kalt-

waſſer-Pumpe) herbeigeſchafft, und das Product der Condenſirung, nämlich

warmes Waſſer und Luft, durch eine andere (Warmwaſſer- und Luftpumpe)

hinweggeſogen. Da ſich auch dieſe Vorgänge nach dem Kolbenſpiele richten müſſen,

ſo ſind die Stangen dieſer beiden Pumpen ebenfalls mit dem Kolben in Verbindung

geſetzt. Ueber Bower's Erſatz der Luftpumpe ſ. m. Dingler polytechn. Journal.

XXI. 488. Ueber Apparate, das Condenſionswaſſer in den Keſſel zu ſchaffen XLI. 161.

⁸⁾ Zunächſt mit der Stange des Kolbens oben ſteht ein gußeiſerner Balancier

(§. 273. (4).) mit dem einen Ende in Verbindung, der in der Mitte ſeinen Stützpunkt

hat und an ſeinen beiden Armen die Stangen aller bereits genannten abwechſelnd

mit dem Sinken und Steigen des Kolbens auf- und abwärts gehenden Pumpen-

ſtangen führt, und mit dem entgegengeſetzten Ende eine vertikale Stange trägt,

die mittelſt eines Zapfens an ein Schwungrad befeſtigt iſt (§. 273.(5).). Die

Welle dieſes Schwungrades ſteht in der Regel durch eine Schnur ohne Ende mit

einer Welle in Verbindung, mit welcher ſich der Stab dreht, an welchem die

Schwungkugeln (§. 273. (6).) ſich herumfliegend um ſo ſchneller bewegen, je

ſchneller die Bewegung der Maſchine iſt. (Auch iſt dieſer Regulator oft auf andere

Weiſe mit dieſer Bewegung verbunden.) So wie der zunehmende Schwung die

Kugeln immer weiter auseinander treibt, ſo ſteigt die Büchſe, an der die Kugel-

armen befeſtigt ſind, immer weiter in die Höhe. Dieſe Büchſe ſteht aber durch

Hebelgeſtänge mit der Axe einer Scheibe (Droſſelventil) in Verbindung, welche

in der Röhre ſitzt, durch die der Dampf vom Keſſel in den Cylinder geht. Iſt der

Dampfſtrom zu ſtark, ſo geht die Maſchine ſchneller; dem zufolge drehen ſich auch

die Schwungkugeln ſchneller, und die ſteigende Büchſe dreht die Axe des Droſſel-

ventils, welches dann die Dampfröhre ſo lange mehr ſchließt, bis die Bewegung

der Maſchine wieder langſamer iſt, die Kugeln langſamer gehen und mit der Büchſe

ſinken. S. Dingler polytechn. Journal. XIII. 309 (Regulator von Preuß).

⁹⁾ Man ſ. Dingler polytechn. Journal. VI. 137 (v. Baillet). XI. 466

(Vergleichung der Maſchinen mit einfachem, mittlerem und hohem Drucke). XII.

129. 133. XIII. 302. XV. 448. XIX. 5. XXVI. 89. 378. XXVII. 346. 347.

XXVIII. 329. XXIX. 177 (v. Perkins). XIII. 159 (v. Evans). XIX. 513

(über Dampfmaſchinen mit hohem Drucke, von Prideaux). XXVII. 410 (von

Gilman). XXVIII. 81 (das Prinzip der Hochdruckmaſchinen, vertheidigt von

Alban). XXXII. 1. 86 (von Alban). XL 323 (von Chriſtie).

¹⁰⁾ S. z. B. Prechtl Encyclopädie. III. 617. Baumgartner §. 336. u. A.

¹¹ S. z. B. Prechtl a. a. O. III. 621. Baumgartner §. 336. u. A.

Es gibt Watt'ſche Maſchinen von einfacher und doppelter Wirkung.

¹² Sie ſind eigentlich nur Watt'ſche Maſchinen, denn ſchon Watt ſchloß

die Dampfröhre früher, als der Kolben ſeinen höchſten Stand erreicht hatte, um

den Dampf ſich ausdehnen (expandiren) und dadurch auch wirken zu laſſen. Aber

der Apparat mit zwei Cylindern, die mit einander durch Röhren verbunden ſind,

von Hornblower und Woolf, iſt hier ſehr bemerkenswerth. S. Prechtl

Encyclopädie. III. 627. Baumgartner §. 345. Ueber Edwards Dampf-

maſchinen ſ. m. Dingler polytechn. Journal. I. 129.

¹³ Man ſ. über die rotirenden Dampfmaſchinen Dingler polytechn. Journal.

II. 129 (v. Morey). XII. 307 (v. Thayer). XVI. 18 (v. Browne). XX. 125.

XXI. 487. — XXII. 17 (v. Eve). 377. — XXIII. 201 (eine von White be-

ſchriebene). XXVIII. 334 (von de Combio). XXIX. 338 (von Pecqueur).

XXXV. 416 (v. Bakewell). Prechtl Encyclopädie. III. 671 (jene v. Stiles).

[348/0370]

¹³ 674 folg. (Ueber die kolbenloſen Dampfmaſchinen von Savary, Keir, Nan-

carrow, Congreve, Maſterman und Bernhard, welche leztere auch bei

Dingler polytechn. Journal XXXIV. 415. beſchrieben iſt.)

¹⁴⁾ Die Dampfmaſchinen haben erſtaunlich viele Modificationen und Ver-

beſſerungen erfahren. Unter dieſen ſind folgende hier noch nachzutragen mit Angabe

der Stelle im Dingleriſchen Journal, nämlich jene von Brunel (XI. 70.),

Brunton (XI. 267.), Eggell (XIII. 162.), Stephenſon (XIII. 307.),

Wigſton (XVI. 20.), Hall (XVII. 132. XIX. 130.), Alban (XIX. 494. XX.

332.), Taylor (XX. 11.), Vaughan (XX. 124.), Foreman und Moore

(XX. 334. 335.), Wright (XXII. 193.), Howard (XXIV. 3.), Teiſſier

(XXVI. 194.), Poole (XXVI. 294.), Coſtigin (XXVII. 401. XXIX. 10.),

Saulnier (XXVIII 169.), Gurnay (XXIX. 1.), Cavé (XXIX. 12.),

Clegg (XXXI. 161.), Banks (XXXVII. 248.), Evsdan (XXXVIII. 161.),

Haycraft (XLI. 321.), Morgan (XLII. 250.), Broderip (XLIV. 1.),

Seguier (XLIV. 5.).

III. Werkmänniſche Operations- und Prozeßkunde.

§. 278.

Es kommen bei den chemiſchen Prozeſſen und mechaniſchen

Verrichtungen aller Gewerke gewiſſe allgemeine Verrichtungen vor,

deren Beſchreibung und nähere Betrachtung zwar nur mit dem

Formellen der einzelnen Gewerkszweige ohne Rückſicht auf das zu

liefernde Objekt derſelben und mit den Hilfsmitteln und -Wegen,

um dazu zu gelangen, bekannt macht, — auch das Ineinander-

greifen der Gewerksverrichtungen eben ſo wenig lehrt, als den

Grund ihrer Aufeinanderfolge, — deren Zuſammenſtellung und

Analyſe doch den wichtigen Vortheil gewährt, daß man an und in

ihnen Verbeſſerungen eher einſieht, anwendet und unter ihnen neue

Verbindungen bewerkſtelligen lernt. Alle dieſe einzelnen Arbeiten

ſind aber praktiſcher Natur; darum können ſie auch hier nur über-

ſichtlich genannt werden. Sie ſind mechaniſch und chemiſch und

dienen:

1) Zur Geſtaltung der Stoffe und ſind: das Formen,

Schneiden, Hauen, Dehnen, Stempeln, Bohren, Biegen, Drehen,

Schleifen und Glätten; das Kryſtalliſiren, Aetzen, Färben und

Drucken u. dgl.

2) Zur Zerkleinerung der Stoffe, nämlich durch Zerreißen,

Ziehen, Zupfen, Spalten, Schneiden, Sägen, Zerreiben, Zer-

ſchlagen, Zerdrücken, Zerſtampfen, Auspreſſen und Sieben; Extra-

hiren auf flüſſigem Wege, durch Wärme und Kälte u. dgl.

3) Zur Verminderung der Cohäſion der Stoffe durch

Trennung auf trockenem und naſſem Wege, durch Schütteln und

durch Zwiſchenmittel; durch Schmelzen, Geſchmeidigmachen u. ſ. w.

4) Zur Verdichtung der Stoffe durch Schlagen, Stampfen,

Drücken; Leimen, Adſtringiren, Gerben u. dgl.

[349/0371]

5) Zur Vereinigung der Stoffe durch Mengen, Heften,

Stecken, Drehen, Flechten und Schlingen; durch Miſchen und an-

dere chemiſche Verbindung1).

¹ Man ſ. Poppe's oben citirte allgemeine Technologie, und, was die kurze

Zuſammenſtellung anbelangt, Rau's Grundriß der Kameralwiſſenſchaft §. 157–160,

der übrigens auch ganz Poppe gefolgt iſt.

IV. Werkmänniſche Productenkunde.

§. 279.

So wie bei den bisherigen Gewerben, ſo gibt es auch in den

Kunſtgewerben einen Moment, in welchem das Product vollendet

iſt und von dem Gewerksmanne in Empfang genommen wird. Zur

Gewerkskenntniß gehört es alſo zu wiſſen: 1) wann und ob das

Product vollendet iſt; 2) ob es die gehörigen Eigenſchaften eines

vollendeten Productes hat; 3) wie man die bekommenen Erzeug-

niſſe ſortirt, und 4) wie man ſie zu ihrer Erhaltung am beſten

aufbewahrt.

Zweites Stück.

Beſondere Gewerkslehre.

§. 279. a.

Die beſondere Gewerkslehre ſtellt die jedem einzelnen Ge-

werke gehörenden, in einem gewiſſen Zuſammenhange zur Erzielung

des Productes erfolgenden, Gewerksverrichtungen dar. Die Menge

der einzelnen Gewerke iſt zu groß, als daß hier mehr als von jeder

Gattung ein und das andere Beiſpiel angeführt werden könnte;

und ſelbſt dieſe können nur andeutungsweiſe dargeſtellt werden,

weil eine auch nur einigermaßen genügende Darſtellung von jedem

Einzelnen mehrere Bogen ausfüllen würde. Wegen der Anordnung

des Stoffes ſehe man oben (§. 42.).

Erſte Unterabtheilung.

Von der Verarbeitung mineraliſcher Producte.

I. Das Hüttenweſen.

§. 279. b.

Das Hüttenweſen iſt der Inbegriff aller derjenigen Anſtalten

und Prozeſſe, welche dazu dienen, die bergmänniſch geförderten

mineraliſchen oder halbmineraliſchen Körper ſo weit zu veredeln

[350/0372]

und rein darzuſtellen, daß ſie weiter verarbeitet oder ſchon ſo ver-

arbeitet unmittelbar gebraucht werden können. Die Lehre davon

iſt die Hüttenkunde, welche nach der Art der gewonnenen, noch

zu verändernden, Producte in metallurgiſche Hüttenkunde

(eigentliche Hüttenkunde) und Salzwerkskunde zerfällt, da nur

die verſchiedenen Erze und die Salzſoolen einer weiteren chemiſchen

Behandlung bedürfen. Hier aber iſt das Hüttenweſen blos in ſei-

nem beſonderen eigentlichen Sinne genommen1).

¹ Zur Literatur: Cancrin, Erſte Gründe der Berg- und Salzwerkskunde.

Bd. VIII. und IX. (4 Bde.) Scopoli, Anfangsgründe der Metallurgie Mann-

heim 1789. Gmelin, Grundſätze der Probir- und Schmelzkunſt. Halle 1786.

Göttling, Anfangsgründe der Probirkunſt. Leipzig 1794. Fiedler, Handbuch

der Metallurgie. Kaſſel 1797. Bauquelin Probirkunſt. Aus dem Franzöſiſchen

überſetzt von Wolf. Königsberg 1800. Garney, Abhandlung vom Baue und

Betriebe der Hochöfen in Schweden. Aus dem Schwediſchen überſetzt von Blum-

hof. Freiberg 1800–1801. Sonnenſchmidt, Beſchreibung der ſpaniſchen

Amalgamation. Gotha 1810. Deſſelben Commentar einer Beſchreibung der

ſpaniſchen Amalgamation. Leipzig 1811–13. Klinghammer, Grundſätze des

Schmelzweſens. Leipzig 1811. Lampadius, Handbuch der allgemeinen Hüttenkunde.

Göttingen 1801–1818. II Theile in V Bdn. und II Suppl. Deſſelben

Grundriß der allgemeinen Hüttenkunde. Ebendaſ. 1828. Karſten, Grundriß der

Metallurgie und metallurgiſchen Hüttenkunde. Breslau 1818. Lempe Magazin.

Bd. XI. u. XII., ſo wie auch die in der Bergbaulehre erwähnten und citirten an-

deren berg- und hüttenmänniſchen Zeitſchriften.

§. 280.

1) Das Vorkommen der Erze und Aufbereitungskunſt1).

Die Erze ſind entweder derb, d. h. ganz rein, oder ſie ſind

eingeſprengt. Im lezteren Falle müſſen ſie mechaniſch getrennt

und ſo weit als möglich verkleinert (aufbereitet) werden. Die

Trennung derſelben von den tauben Bergen (das Aushalten)

iſt noch Sache des Grubenarbeiters. Die Scheidung der Erze

geſchieht aber entweder durch Handarbeit oder durch Maſchinen

oder auch durch das Abliegen an der Atmosphäre und Umlegen.

Die beiden erſteren Methoden ſind die wichtigſten und folgen in der

Regel auf einander. Die Scheidung durch Handarbeit beſteht

im Ausſchlagen, im Handſcheiden, im Läutern und im

Klauben2). Die Scheidung durch Maſchinen folgt auf jene,

und beſtehet im Pochen und Mehlführen. Auf dem Wege des

Pochens wird alles derbe Erz und dasjenige zerkleinert (gepocht),

was von dem gewonnenen Erze, weil es zu fein eingeſprengt iſt,

auf jene Methode nicht geſchieden werden kann. Nicht alles Erz

wird gepocht. Kommt das derbe Erz ſogleich aus der Grube in

die Schmelzhütte, dann heißt es Stufferz. Kommt es von dem

Waſchwerke ſogleich auf die Hütte, dann nennt man es Waſcherz.

[351/0373]

Die gepochten Erze aber heißt man Pocherz oder Pochgänge.

Zum Behufe des Pochens kommt das Pocherz entweder auf die

Pochhämmer oder auf die Pochwerke oder auf die Walz-

(Quetſch-) Werke3). Die Poch- oder Quetſcharbeit iſt ent-

weder trocken oder naß, jenes, wenn das Erz ganz derb, dieſes,

wenn es noch eingeſprengt iſt. In dieſem Falle geht in den Poch-

trog Waſſer und leitet das Pochmehl durch Gerinne in Sümpfe4).

So werden die ſchwereren von den leichteren Erztheilen ſchon vorn-

weg getrennt, und die Sümpfe ſpäter ausgeſchlagen, um das darin

befindliche Erz (Haufwerk) zu gewinnen, welches röſch und

zähe genannt wird, je nach der Grobheit und Feinheit des Korns.

Das Haufwerk kommt alsdann unter die Waſcharbeit. Dieſe

hat den Zweck, das Erz von der Gebirgsart oder auch ſelbſt von

einem mit eingeſprengten Erze zu trennen. Zu dieſem Behufe wird

das Haufwerk auf den Waſchheerden5) durch Sieb- oder

Setzarbeit und Schlämmgräben von einander gebracht6).

Man muß überhaupt ſuchen, die Trennung des Haufwerkes, beſon-

ders des röſchen, von den Pochwerktrüben, d. h. erdigen Be-

miſchungen im Pochwaſſer (Schlamm), ſo vollſtändig als möglich

zu bewirken. Das auf die Weiſe aufbereitete Erz heißt man

Schlieg (Schliech), wenn es ganz fein iſt, und Graupen, bei

einer Erbſengröße des Kornes. Jener iſt entweder ein röſcher oder

ein zäher (Schlamm-) Schlieg, je nachdem er gröber oder feiner

(todt) gepocht worden iſt. Die Schliege ſind ohne Erzverluſt

nicht ganz rein darzuſtellen, und der Grad der Reinheit, d. h. der

Gehalt derſelben, hängt von der Gebirgsart und der Aufberei-

tungsarbeit ab7).

¹ Karſten Grundriß. §. 5764. Schroll, Beiträge zur Kunſt und Wirth-

ſchaft der Aufbereitung der Erze. Salzburg 1812. Stifft, Anleitung zur Auf-

bereitung der Erze. Nürnberg 1818. Lampadius Handbuch. II. Thl. I. Bd.

S. 78. Cancrin, Berg- und Salzwerkskunde. VIII.

² Beim Ausſchlagen werden die aus der Grube geförderten großen Gang-

ſtücke, welche auch unhaltbares Gemenge haben, in fauſtgroße Stücke zerſchlagen,

und man unterſcheidet dann ganz unhaltige Stücke (Berge), Pochgänge (viel Berge

und wenig Gänge) und Scheidegänge (viel Gänge und wenig Berge). Die Hand-

ſcheidung zerkleinert die Scheidegänge weiter in nuß- und erbſengroße Stücke in

der Scheideſtube und auf der Scheidebank. Man gewinnt dabei ganz reines Erz,

Setzerz (klein und gemengt), Pocherz und Berge. Das Läutern und Klauben

geht Hand in Hand. Man bringt dabei das ganz zerkrümmelte Erz (Erzklein)

in die Läuterwäſche, d. h. treppenförmig unter einander ſtehende Drahtſiebe von

immer größerer Feinheit, bei deren jedem eine wagrechte Holztafel (Klaubbühne)

angebracht iſt. Das von oben herein aufſchlagende Waſſer ſchwämmt das ins oberſte

Sieb geworfene Erzklein durch u. ſ. w., bis alles Erdige hinweggebracht und in

jedem Siebe das ſeiner Feinheit entſprechende Erz geblieben iſt, worauf es auf die

Klaubbühnen genommen und von den Bergen gereinigt wird. Das mit dem Waſſer

durchgehende Feinſte läuft durch ein Gerinne in einen Sumpf und ſetzt ſich darin

ab. — Dies iſt die im ſächſiſchen Erzgebirge übliche Methode. Ueber die Aufbereitung

[352/0374]

² auf den Frankenſcharrner Hütten bei Clausthal ſ. m. Lampadius Handbuch.

II. Thl. II. Bd. S. 11.

³ Die Quetſchwerke ſind nichts anderes als wagrechte neben einander lie-

gende Gußwalzen, alſo eigentliche Walzwerke. Die Pochwerke ſind Pochſtem-

pel, welche ſenkrecht in einem Pochtroge auf die Pochſohle (deſſen gußeiſerne

Unterlage) fallen. Man unterſcheidet den Unterſchur-, den Mittel- und den

Austrageſtempel, drei Stempel machen einen Satz, und ſoviel Sätze ein Poch-

werk hat, ſoviel hübig iſt es zu nennen. Um das Pochwaſſer mit dem Poch-

mehle abzuleiten, hat man entweder ein blechernes Sieb, oder ein Drahtgitter,

oder eine Cylinderröhre, oder ein offenes Loch, oder einen Spalt, und man ſagt,

das Pochen und Austragen gehe über das Blech, über das Gitter, über's Auge,

über den Spund oder durch den Spalt. S. über das Pochen Cancrin a. a. O.

§. 39–64. Lampadius. II. Thl. I. Bd. S. 83. Karſten Grundriß. §. 60.

⁴⁾ Durch ein Gerinne (Austragsgerinne) geht das Pochmehl und -Waſſer in

Behälter (Mehlführungen), wovon der Erſte das Gefälle heißt; dieſes enthält

das Gröbſte und die beiden folgenden Mehlführungen immer Feineres. Doch unter-

ſcheidet man zwei Sortimente im Gefälle und in den mittleren Mehlführungen,

nennt ſie dort Röſch- und Zäh-Häuptel, hier Röſch- und Zäh-Setzſchlamm,

in den lezten Mehlführungen Sumpfſchlamm und dasjenige, was mit den

Pochwerkstrüben noch aus dieſen hinweggeht, das Schwänzel. Ueber das Röſten

ſ. auch v. Marcher Beiträge zur Eiſenhüttenkunde. V. 31–150.

⁵⁾ Es gibt überhaupt folgende Waſchheerde: liegende (wenn ſie unweglich

ſind), Stoßheerde (wenn ſie durch Stoß beweglich ſind); Planheerde (wenn ſie mit

großen Tüchern bedeckt werden müſſen), Schlammheerde, Kehrheerde und Glauch-

heerde, welche lezteren drei ſich durch ihre innere Conſtruction unterſcheiden und

insgeſammt keine Plane haben. Alle dieſe Heerde ſind mehr oder weniger abhängig

ſtehende glatte bodenartige Holzgerüſte, über welche das Waſſer bequem hinrieſelt

und die leichten nicht metalliſchen Theile mit ſich hinwegſchwemmt. Beim liegenden

Heerde ſchiebt man mit einer hölzernen Krücke (Küſte) die Erztheile dem Waſſer

entgegen; bei den Stoßheerden, welche an vier Punkten hängen, geſchieht dies

durch den Stoß. S. auch Cancrin Berg- und Salzwerkskunde. VIII. §. 76–93.

v. Marcher. V. 24.

⁶⁾ Die Sieb- und Setzarbeit beſteht darin, daß man ein mit Erzklein oder

Setzerz gefülltes eiſernes Drahtſieb in ein mit Waſſer gefülltes Waſſer- (Satz-) Faß

ſchnell eintaucht, und das Waſſer wieder zurücklaufen läßt, wobei ſich das Erzklein

hebt und der Schwere nach niederſinkt, ſo daß man das Unhaltbare mit der Abhebe-

ſchaufel oder Abſetzküſte abheben kann. Der Rückſtand im Siebe heißt Aftern.

(Lampadius II. Thl. I. Bd. S. 82. Cancrin a. a. O. §. 24–36.) Man

hat aber dazu auch complicirtere Maſchinen, nämlich die Räder- und die Setz-

maſchine und die Kralwaſche. (M. ſ. darüber Cancrin a. a. O. §. 31. 32. u. 33.)

Bei der Schlämmarbeit iſt als Werkzeug die Schlämmküſte und der

Schlämmgraben gebraucht, unter welchem man einen langen gerinneförmigen

Holzkaſten verſteht, in welchem man eine unten gekerbte Krücke anbringt, unter der

das Waſſer durchläuft, und ſammt dem Schlamme in einen Sumpf geleitet wird.

Man ſetzt in der Regel drei zuſammen, und davon heißt der Erſte Schußgerinn-

graben, der Andere Mittelgraben, und der Dritte Reinmachsgraben. In

dieſen Gräben wird nur geſchlämmt. Man ſ. darüber auch Cancrin a. a. O.

§. 67–75.

⁷⁾ Um dem Mehle die höchſte Feinheit zu geben, hat man auch Mahlwerke.

S. Karſten Grundriß. §. 63.

§. 281.

2) Das Röſten, das Deſtilliren und das Verwittern

der Erze.

Weil die auf die bisher beſchriebene Weiſe aufbereiteten Derb-

erze und Schlieche in ihrem damaligen Zuſtande nicht immer zur

[353/0375]

Hüttenbehandlung zugelaſſen werden können, ſo macht man ſie

durch einen Prozeß im Feuer oder an der Luft dazu tauglich. So

entſtehen folgende Behandlungsweiſen der Erze:

a) Das Röſten (Calciniren, Brennen, Zubrennen), d. h. ein

Verdampfen der in den Erzen enthaltenen flüchtigen oder dem wei-

teren Hüttenprozeſſe ſchädlichen Subſtanzen, ohne die Abſicht, das

Verflüchtigte aufzufangen1). Man röſtet entweder in Haufen2)

(mit oder ohne Bedachung), oder in Roſtſtätten3) (unter freiem

Himmel, unter Schuppen, mit Zügen), oder in Gruben4), oder

endlich in Oefen5) (Röſt-, Reverberir-, Brennöfen). Die lezte

Methode iſt die beſte und zweckmäßigſte, und man röſtet auf die-

ſelbe die Gold- und Silbererze, die Rohſteine und Schwefelkieſe,

die Kupfererze und Steine, die Bleierze und Steine, die Eiſen-

ſteine, Zinnerze, Kobalterze, die Alaun- und Vitriolerze.

b) Das Deſtilliren und Sublimiren, d. h. eine Ver-

dampfung der flüchtigen Subſtanz im Erze, in der Abſicht die

Dämpfe in einem kalten Raume aufzufangen, damit ſie ſich dort

tropfenweiſe verdichten (abtröpfeln, deſtilliren) oder ſogleich aus den

Dämpfen ſich als ein trockener Körper niederſchlagen (ſublimiren).

Entweder benutzt man das Deſtillat allein oder auch zugleich den

Rückſtand6). Die Deſtillation und Sublimation wird vorgenom-

men, um das Queckſilber aus ſeinen Erzen zu trennen, den Schwe-

fel aufzufangen und zu reinigen, Arſenik zu bereiten, und um den

Zink aufzufangen.

c) Das Verwittern, d. h. das Ausſetzen der Erze an die

freie Luft (Wetter), um ſie den Einflüſſen der Beſtandtheile der

Lezteren Preis zu geben7). Ber Zweck iſt die Oxydation, und

bei dieſem Prozeſſe kommt das Effloresziren oder Beſchlagen,

d. h. das Anſetzen eines Salzanfluges auf der Oberfläche vor. Die

Verwitterung kommt bei dem Alaun-, Vitriol- und Kobalterze,

und bei den Eiſenſteinen vor.

¹ Lampadius Handbuch. I. Thl. §. 223. Karſten Grundriß. §. 64.

Cancrin Berg- und Salzwerkskunde. IX. Thl. I. Abthl. §. 46. Man röſtet

a) um vorzüglich Schwefel, Arſenik, Waſſer und Kohlenſäure zu verflüchtigen;

b) die Erze zu oxydiren; c) um härteres Erz zur Pocharbeit vorzubereiten; d) um

gewiſſe Zuſätze (Zuſchläge) auf die Erze wirkſam, und e) um Erze ſchmelzbar zu

machen. Beim bloßen Verflüchtigen muß der Prozeß der Luft möglichſt abgeſchloſſen

ſein; beim Oxydiren aber iſt Luftzutritt Bedingung; wegen der Zuſchläge iſt es

nöthig, ſowohl dieſe als die Erze gehörig zu zerkleinern; die Vorbereitung des

Erzes zum Schmelzen liegt darin, daß es trockener, mürber und vom Feuer durch-

dringlicher wird.

² Im freien Haufen röſtet man am beſten Erze mit vielem Schwefel-, aber

wenig Metallgehalte, oder aber auch erdharziges Erz. Die Haufen ſind 4ſeitig

pyramidenförmig, oder haben die Form eines Kugelſegments. Die Röſtung kann

mit jedem, nicht viele Erdtheile hinterlaſſenden Brennmateriale geſchehen. Das

Baumſtark Encyclopädie. 23

[354/0376]

² gröbſte Erz kommt zu unterſt auf die erſte Holzſchicht, auf die zweite feineres u. ſ. w.

zu liegen. Zum Anzünden macht man von oben hinein einen Kanal von Holz-

ſcheitern, den man mit Holzbränden und Kohlen füllt, oder auch einen oder mehrere

von unten, wenn nämlich das Erz ſchwer entzündlich iſt. Unter'm Schuppen

(d. h. unter einem auf Mauerpfeilern ruhenden Dache, röſtet man reichhaltigere

und ſchwer brennbare oder auch ſchon im Freien geröſtete Erze. Die Haufen ſind

darunter kleiner und die Schuppen mit Läden oder Klappen verſehen, um den Wind

zu leiten. Cancrin IX Tab. X.

³ Röſtſtätten ſind trockene mit Mauerung umgebene Plätze zum Röſten; ſie

ſind viereckig, rund oder oval; die Sohle wird mit Schlacken verſtürzt und darauf

mit Steinen in Lehm ausgepflaſtert; die ¾ bis höchſtens 3 Ellen hohe Mauer hat

Zuglöcher, die nach Belieben geöffnet und geſchloſſen werden können; auch hier

bildet das Brennmaterial eine erſte Schicht und wechſelt ſo ſchichtenweiſe immer mit

Erz ab; vom Eingange hin wird der Zündkanal angelegt. Cancrin IX. Tab. LII.

⁴⁾ Die Gruben macht man in feſtem Grunde, 1620 Fuß im Quadrat,

und 3–8 Fuß hoch. Der Kanal, ausgemauert und mit einer Thüre verſehen,

durch deren Oeffnen und Schließen man den Luftzug dirigirt, führt von Außen auf

den tiefſten Platz der Grube, die entweder in Stein gehauen oder ausgemauert iſt.

⁵⁾ Das Charakteriſtiſche hierbei iſt die Trennung des Feuers vom Erze. Die

weſentlichen Theile des Röſtofens ſind: a) der Feuerheerd nebſt Aſchenfall; b) der

Röſtheerd (Röſtraum) von niedrigem Gewölbe nebſt dem Trockenheerde; c) die

Fluggeſtübekammern, in welchen ſich Erzſtaub niederſetzt; und d) der Auszugskanal

oder die Eſſe, zur Ableitung des Rauches. Man unterſcheidet Röſtöfen mit dem

Fuchs (wo der Feuerheerd unter dem Röſtheerde iſt und die Flamme durch einen

Seitenkanal heraufſteigt), doppelte Brennöfen (wobei der Feuerheerd zwiſchen

zwei Röſtgewölben in der Mitte liegt und die Flamme nach beiden Seiten geht)

und die ungariſchen Brennöfen, deren nähere Beſchreibung Lampadius

Handbuch I. Thl. §. 239. Tab. B. gibt. Zuerſt wird auf dem Trockenraume das

Erz durch leiſe Wärme abgetrocknet; dann wird es in ein lebhaftes Feuer geſetzt;

hierauf brennt das Erz von ſelbſt fort (ſchwefelt, liegt im Schwefeln); nach Abgang

des Schwefels und Arſeniks wird es wieder kalt; dann zündet man daſſelbe noch

einmal tüchtig an, um die lezten Säuren noch hinwegzubringen.

⁶⁾ Die Deſtillationsarbeiten ſind: a) ſolche, wobei das Brennmaterial mit

dem Erze ſelbſt in Verbindung gebracht, und b) ſolche, wo das Erz von der Luft

und dem Brennmateriale nicht berührt wird. Auf jene Methode geht zugleich eine

Oxydation von Statten, man braucht weniger Brennmaterial und verliert an

Deſtillat; bei der zweiten iſt das Gegentheil der Fall. Für die erſte Methode hat

man entweder Röſthaufen oder Schachtöfen mit Condenſatoren (ſ. den folg. §.);

für die andere Methode aber zur Deſtillation des Schwefels den Schwefeltreib-

oder Röhrenofen, und den Schwefelläuterofen, — zum Vitriolölbrennen

den Galeerenofen, — zum Abtreiben des Queckſilbers den Cylinderofen, —

zum Reinigen des Giftmehles den Sublimirofen, und zur Gewinnung des Zinkes

die Zinköfen. Beſchreibungen und Abbildungen ſolcher finden ſich bei Lampadius

Handbuch. I. Thl. §. 258. Tab. O (nicht C., wie fehlgedruckt iſt). §. 262. Tab. F

(Deſtillir- und Ausglüheofen). Cancrin Berg- und Salzwerkskunde. IX. §. 50.

55. 58. 59 (Röſt- und Calciniröfen). Scopoli Metallurgie. Tab. X. u. XVII

(Arſenik- und Queckſilberöfen). Abbildungen von Schwefeltreib- und Läuteröfen

finden ſich bei Schlüter Unterricht von Hüttenwerken. Braunſchweig 1738. Tab.

XV. XVI. u. XVIII.

⁷⁾ Es geſchieht das Verwittern auf Haufen, Halden oder Bühnen im Freien

oder unter'm Schuppen. Die Sohle der Haufen härtet man mit Lehm oder Thon

aus, und legt oft darauf noch Bretter oder Eſtrich. Die Halden ſind rund, lang

oder pyramidenförmig. Auch dienen zur Beförderung der Oxydation Röhren, welche

man ſchichtenweiſe in den Halden anlegt. Lampadius Handbuch. I. Thl. §. 271.

Cancrin IX. §. 43.

[355/0377]

§. 282.

3) Das Zugutmachen oder Ausbringen der Erze.

a) Das Schmelzen.

Das ſo vorbereitete Erz wird nun zum Ofen gebracht, um

durch Schmelzung vollends zugutgemacht werden zu können. Die

Prozeſſe, welche hier mit demſelben vorgehen, laſſen ſich am beſten

nach den Arten der Schmelzöfen1) darlegen, in welchen es be-

handelt wird. Sie ſind folgende:

1) Die Schachtöfen mit Gebläſe, welche ihren Namen

von ihrem Haupttheile, nämlich von einem ſenkrecht in die Höhe

ſtehenden Kanale (Schacht), haben und in welchen das Erz

ſchichtenweiſe mit Holzkohlen eingeſchüttet, das Feuer durch ein

Gebläſe lebhaft gemacht und das Erz geſchmolzen und reducirt,

d. h. zugleich der Sauerſtoff entnommen wird. Die Schachtöfen

haben folgende Theile: a) den Aufgebungsraum (Gicht), auf

welchen man die Beſchickung (d. h. Füllung) des Ofens vornimmt

und welcher entweder ganz frei oder mit einem kreisrunden Kranze

oder viereckigen Aufſetzmäuerchen umgeben iſt; b) den Röſtungs-

raum, zwiſchen der Gicht und dem Roſte, auf welchem die

Schmelzung vor ſich geht; c) den Schmelzraum, vom Roſte an

bis unter die Form (d. h. den Windkanal), durch welchen die

geſchmolzene Maſſe tröpfelt und in welchem ſich alſo an der Rück-

ſeite das Formgewölbe und an der Vorderſeite die Vorwand

befindet, die nach dem Zumachen jedesmal eingeſetzt wird; d) den

Sammlungsraum (Heerd, Tiegel, Spur, Geſtell, Schmelz-

heerd), in welchen ſich die Schmelzmaſſen anſammeln. Weil dieſer

Raum erſt hingeſtellt wird, wenn der obere Ofen ſchon ſtehet, ſo

heißt jenes Geſchäft das Zumachen oder Zuſtellen des Ofens2).

Dieſer Raum hat vier Seiten, nämlich die Formſeite, die

Windſeite (jener gegenüber), die Tümpelſeite (die vordere,

den Ofen verſchließende) und die Rückſeite (jener gegenüber).

Es iſt begreiflich, daß dieſe Seiten verſchieden heftiger Wirkung

des Gebläſes ausgeſetzt und alſo auch verſchieden zu mauern ſind3).

Im Allgemeinen gibt es verſchiedene Arten von Schachtöfen, je

nach der Höhe und der daher rührenden Art der Beſchickung,

nämlich a) Hochöfen, von mehr als 16 Fuß Höhe; b) Halb-

hochöfen, von 8–16 Fuß Höhe, bei welchen beiden die Be-

ſchickung ſeitwärts auf einer Treppe oder Brücke hergebracht

(aufgelaufen) wird, und c) Krummöfen, niedriger als jene4).

2) Die Reverberirſchmelzöfen mit oder ohne Gebläſe,

welche ihren Namen von der charakteriſtiſchen Eigenſchaft haben,

23 *

[356/0378]

daß die Schmelzmaſſe vom Brennmateriale nicht unmittelbar berührt

wird, und in welchen man entweder mit dem Schmelzen zugleich

reduciren, oder ſeigern (d. h. einen ſtrengflüſſigen von einem leicht-

flüſſigen Körper ſondern), oder verkalken (oxydiren, der Schmelz-

maſſe Sauerſtoff zuführen) will. Für den erſten Zweck gebraucht

man das Gebläſe nicht, wohl aber für den lezten. a) Die Luft

wird durch den Aſchenfall und durch den Roſt eingeleitet, durch

den Rauchfang gehen aber die Dämpfe und die von der Schmelz-

maſſe ſich entwickelnde Luft ab. Je lebhafter das Feuer ſein ſoll,

um ſo mehr Luft muß zugeführt, alſo um ſo höher der Aſchenheerd

und Rauchfang werden. Soll desoxydirt (reducirt) werden, dann

darf der Luftzutritt nicht ſtark ſein; ſoll aber oxydirt werden, ſo

muß noch Luft durch ein Gebläſe eingebracht werden. b) Der

Schmelzraum iſt von jenem der Schachtöfen verſchieden. Die

Beſchickung ſchmilzt auf einer ſchiefen Fläche, und ſammelt ſich in

einer Vertiefung, aus welcher ſie, wenn die Schlacke abgezogen

iſt, ausgeſchöpft oder durch einen Stich in einen Stichheerd ge-

leitet wird5). Als ſolche Reverberirſchmelzöfen iſt der engliſche

oder Cupuloofen, der Villacher Bleiofen, der Treibeheerd,

der Garheerd, der Darrofen, der Seigerofen mit Flammen-

feuer und der ſibiriſche Ofen zu betrachten6).

3) Die Schmelzheerde mit oder ohne Gebläſe, deren

Eigenthümlichkeit es iſt, die Schmelzmaſſe zwiſchen dem Brenn-

materiale ohne Schacht zu ſchmelzen. Sie werden meiſtens nur

zum Reinigen der Erze gebraucht. Sie ſind bloße Vertiefungen,

und von der Leitung des Windes hängt es ab, ob in ihnen reducirt

oder verkalkt wird, je nachdem man die Luft aus der Form blos

über die Beſchickung ſtreichen läßt oder auf ſie leitet. Man rechnet

hierher den kleinen Garheerd (zum Reinigen des Kupfers),

den Seigerheerd (zum Scheiden des Bleies von Kupfer), den

Bleiſeigerheerd (zum Reinigen des Bleies), den Zinnfloß-

heerd, den ſteyeriſchen Eiſenbratofen und den Eiſenfriſch-

heerd7).

4) Die Tiegelöfen mit oder ohne Gebläſe, d. h. Schacht-

oder Reverberiröfen, in denen man die Beſchickung in Tiegeln

ſchmelzt. Sie verhüten die Verkalkung am vollſtändigſten, da ſie

die Luft von der Schmelzmaſſe ganz abhalten. Sie dienen beſon-

ders zur Schmelzung ſehr reichhaltiger Erze. Die Tiegel ſind von

Thon, oder von Thon und Kieſel, oder von Thon und Graphit

(Ipſer Tiegel). Die Schmelzung geſchieht entweder in Wind-

öfen unter Kohlenfeuer, oder in Flammenöfen auf Heerden

(Bänken), oder in Schachtöfen mit Gebläſefeuer. Unter die

[357/0379]

Tiegelöfen gehört der Meſſingofen, Blaufarbenofen,

Schmelzofen für Gold und Silber, der Spießglanzſeiger-

ofen von Scopoli, der engliſche Eiſenfriſchofen und der

Wismuthſeigerofen8) 9).

¹ Man ſetzt ſie auf trockenen Grund, und um dieſen befeuchten oder abkühlen

zu können, legt man in ihm Anzüchten (d. h. Kanäle) an. Sie werden aber

entweder aus feuerfeſten Steinen und Ziegeln, oder aus künſtlichen Heerdmaſſen,

aus Lehm und Kohlen, gebaut, welche entweder zugleich desoxydirend auf die Schmelz-

maſſe wirken (Geſtübe) oder nicht. Im erſten Falle hat man Geſtübeheerde, im

lezteren aber Lehm-, Thon-, Quarz-, Treibeheerde und Geſtellmaſſen aus Kieſel

und Thon. Muß dem Schmelzofen Luft zugeführt werden, ſo geſchieht es durch

das Gebläſe, und man hat Windtrommelgebläſe, prismatiſche Blasbälge, Wind-

kaſten-, Cylinder-, Kaſten-, Baader'ſche (Cylinderwaſſer-) Gebläſe und ein ſolches,

das man Aeolipila nennt. (Lampadius Handbuch. I. §. 286–93. §. 294–309.

Karſten Grundriß. §. 128–142. Deſſelben Eiſenhüttenkunde. I. 477–583.

Cancrin Berg- und Salzwerkskunde. Bd. IX. Abthl. I. §. 142 folg.) Die Luft

geht durch eine eiſerne, kupferne, thonene oder ſteinerne Röhre (Form genannt)

in den Ofen. Sie ſteht in einem Gewölbe (Formſtall), und verengert ſich gegen

den Ofen hin, weßhalb man an ihr den Rüſſel oder die Düſe oder Tieſe

(d. h. die Mündung), den Bauch (die nächſte Erweiterung) und die Platte

(den unterſten platten Theil) unterſcheidet. (Lampadius. I. §. 308–317.

Karſten Grundriß. §. 129.) Man ſagt, es werde ein-, zwei-, dreidüſig

geblaſen, wenn ſoviele Düſen die Luft in den Ofen führen; man bläst aber

parallel oder über's Kreutz, wenn die Luftſtröme nebeneinander oder kreutz-

weiſe aufeinander gehen, ſo daß ſie in einem Punkte zuſammen kommen.

² Man ſ. darüber Lampadius Handbuch. I. §. 328332.

³ Man ſchmilzt a) übers Auge, wenn die geſchmolzene Maſſe auf einer

ſchüſſigen (horizontalen) Sohle durch eine Oeffnung (Auge) in der Vorwand

heraus in einen Vorheerd oder eine Vertiefung (Augentiegel) läuft; b) über

das Spur, wenn dieſelbe bis zu einer gewiſſen Höhe im Ofen bleibt, bis ſie

über den Heerd wegläuft. Das ganze Schmelzgeſchäft iſt folgendes: Zuerſt wird

der Ofen zur Befreiung von Feuchtigkeit angefeuert (angewärmt), anfänglich

mit Holz, dann aber mit Kohlen, von einem kleinen bis allmälig zum ſtärkſten

Feuer, worauf das Gebläſe anfängt; dann wird die Beſchickung in Gichten (Schich-

ten) von Kohlen und Erz aufgegeben; hierauf iſt die Hauptaufmerkſamkeit auf

das Gebläſe und des Regirung gerichtet; dieſes bläst entweder über die Naſe

(d. h. einen Schlackenanſatz unter dem Formrüſſel) oder mit lichter Form

(ohne eine ſolche Naſe); die Schlacken (verglaste Materien) laufen, wenn ſie

leichtflüſſig ſind, von ſelbſt ab, oder müſſen, wenn ſie ſtrengflüſſig ſind, abgehoben

werden und ſammeln ſich dann in einem beſonderen Raume in der Hütte (in der

Schlackentrift) an; iſt die Maſſe gar, ſo wird ſie durch die Vorwand, die bisher

geſchloſſen war, abgelaſſen, indem mit einem glühenden Eiſen (Stecheiſen) ein

bisher verſchloſſen geweſenes Loch (Stich) in derſelben geöffnet und der drinnen

ſtehende Tiegel am tiefſten Punkte mit einer Oeffnung verſehen wird, damit die

geſchmolzene Maſſe herausſtröme und ſich in einer Vertiefung auf der Hüttenſohle

(Stichheerd) ſammle; will man aber der Schmelzmaſſe eine beſtimmte Form

geben, dann wird ſie nicht ausgeſtochen, ſondern ausgeſchöpft. Hierauf wird der

Ofen gereinigt und ausgeblaſen (d. h. durch das Gebläſe abgekühlt).

⁴⁾ Zu den Hochöfen gehören auch noch die hohen Floßöfen in der Steier-

mark; zu den Halbhochöfen auch die Blauöfen zum Schmelzen des Eiſenſteins,

und die Schüröfen; endlich zu den Krummöfen auch die Stücköfen, welche man

früher in der Steiermark gebrauchte, und einige Friſchöfen. Beſchreibungen und

Abbildungen von Hochöfen finden ſich bei Garney Abhandlung vom Baue und

Betriebe der Hochöfen. Tab. VI. VII. VIII. Cancrin Berg- u. Salzwerkskunde.

Bd. IX. Abthl. I. §. 195. Tab. XXXII-XXXIX. v. Marcher Beiträge zur

Eiſenhüttenkunde. Bd. IV. und Andern; ſolche von Krummöfen bei Schlüter

[358/0380]

⁴⁾ Unterricht von Hüttenwerken. Tab. XXVII. Cancrin a. a. O. Bd. IX. Abthl. I.

§. 135. §. 190. folg. Tab. XXI-XXVIII.; ſolche von Halbhochöfen bei Can-

crin a. a. O. §. 194. Schlüter a. a. O. Tab. XXXVII-XLI.; von Floß-

öfen bei Scopoli Metallurgie. Tab. VII. XIV.; von Schüröfen bei demſelben

Tab. XIII.; von Blauöfen bei Cancrin a. a. O. §. 369. Tab. LXVIII-LXX.;

von einem Friſchofen bei Lampadius Handbuch. I. §. 347. Tab. H., der

übrigens §. 339–346. alle dieſe Ofenarten kurz beſchreibt. Ueber Schachtöfen und

deren Prozeß überhaupt ſ. m. auch Karſten Grundriß. §. 94–129.

⁵⁾ Das Schmelzverfahren iſt im Allgemeinen daſſelbe, wie bei den Schachtöfen.

Da man aber hier zugleich verkalken oder reduciren will, ſo läßt man für den

erſteren Zweck, ſobald die Schmelzmaſſe eingeſchmolzen iſt, das Gebläſe ſpielen und

zieht beſtändig die Schlacken ab, während man für den anderen Zweck verſchiedene

Zuſchläge (Zuſätze) und Kohlenklein auf die Maſſe deckt. Auch hier erkennt man

den Gang des Ofens aus den Schlacken, — aus der Flamme, welche durch eine

Queeröffnung an der Vorwand (offnen Bruſt) erſichtlich iſt, — in Fällen, wo

keine Flamme zum Vorſchein kommen darf (wo mit dunkler Gicht geſchmolzen

wird), an den ſich zeigenden kleinen tanzenden blauen Flämmchen, und, wo die

Flamme zum Vorſcheine kommen muß (wo mit heller Gicht geſchmolzen wird),

nach dem Erſcheinen der Gichtflamme, — aus Schöpfproben, Probeſpänen, dem

Fluſſe mit heller Oberfläche (hellem Blicke) u. dgl., und es muß hiernach

geholfen werden. Karſten Grundriß. §. 110 folg. §. 142 folg. Lampadius

Handbuch. I. §. 351.

⁶⁾ Dieſe Oefen ſind beſchrieben ſammt dem Schmelzverfahren bei Lampadius

I. §. 352–375. Schlüter a. a. O. Tab. XLII-LII. Cancrin a. a. O.

IX. Bd. I. Abthl. §. 226–230. §. 279–281. Tab. XLIV-LIII-LXIV.

IX. Bd. II. Abthl. §. 441. Tab. I-XIII. Ein Cupuloofen bei Cancrin

a. a. O. IX. Bd. I. Abthl. Anhang mit 8 Tafeln und in ſeiner Schrift: Abbildung

und Beſchreibung eines neuen Spleiß- und Treibeofens. Halle 1800.

⁷⁾ Lampadius Handbuch. I. §. 376–382. beſchreibt die meiſten davon

genauer. Auch finden ſich Abbildungen bei Schlüter Unterricht. Tab. LI. Sco-

poli Metallurgie. Tab. XIII. folg. und bei Cancrin a. d. angeführten Stellen.

⁸⁾ Karſten Grundriß. §. 156 folg. Lampadius I. §. 383. Dieſer Leztere

beſchreibt ſolche Oefen. Auch findet man Beſchreibungen und Abbildungen bei

Scopoli a. a. O. Tab. X. XXIII. XX. Cancrin a. a. O. IX. II. 507.

Tab. XV-XXII-XLIII.

⁹⁾ Da überhaupt dies die Prozeſſe ſind, welche mit den meiſten Metallerzen

vorgenommen werden, ſo wird man die beſonderen Verfahrungsarten und Oefen in

denjenigen Schriften zu ſuchen haben, welche über die beſondere Hüttenkunde dog-

matiſch, hiſtoriſch oder ſtatiſtiſch handeln. Es gehören hierher die Schriften über

das Hüttenweſen überhaupt, worunter Lampadius Handbuch das allervorzüglichſte

iſt, aber die älteren Schriften wegen der Kupfer nicht entbehrt werden können.

Da nun aber Lampadius Keinem, der ſich im allgemeinen und beſonderen Hüt-

tenweſen orientiren will, fehlen darf, ſo iſt es überflüſſig, hier die Literatur zu

häufen, weil er ſie (Thl. II. Bd. II. S. 240. Bd. III. S. 402. Bd. IV. S. 340.)

mit großer Vollſtändigkeit angegeben hat. Daſſelbe hat übrigens auch Karſten in

ſeinem Grundriſſe gethan.

§. 283.

b) Die Amalgamation oder das Anquicken.

Mit der im vorigen §. betrachteten Art der Zugutmachung der

Erze ſind alle Behandlungsweiſen derſelben noch nicht erſchöpft.

Da ſich die Metalle unter Zutritt von Wärme in Queckſilber auf-

löſen und, durch daſſelbe kryſtalliſirt, aus der Auflöſung wieder

gewonnen werden können, ſo hat man, namentlich bei Gold und

[359/0381]

Silber, die Verbindung dieſer Metalle auf mechaniſch-chemiſchem

Wege (die Amalgamirung, das Anquicken) benutzt, um ſie auszu-

bringen. Das mechaniſch anhängende Queckſilber kann durch mecha-

niſche Mittel, — das chemiſch als Kryſtalliſationsqueckſilber mit

demſelben verbundene aber nur durch Deſtillation von demſelben

getrennt werden. Auf dieſen Umſtänden beruhen die Vorgänge bei

der Amalgamation, von welcher es ältere1) und neue Methoden

gibt, unter welchen lezteren beſonders die ſächſiſche2) die meiſten

Vorzüge hat. Ihre Hauptvorgänge ſind folgende. Man unterſchei-

det 1) die Vorarbeiten: Nachdem die Silbererze gepocht und

gewaſchen ſind, werden ſie geröſtet, und da nur das gediegene

Silber im Erze ſich geradezu in Queckſilber auflöst, ſo muß durch

einen Zuſchlag das vererzte Silber möglichſt rein gemacht werden,

und dies geſchieht durch Röſten mit 10% Kochſalz3). Hierauf

wird das geröſtete Silbererz in einer eigenen Siebmaſchine ge-

ſiebt, theils um die zuſammenhängenden Erz-, Salz- und Ziegel-

maſſen herauszubekommen, damit man ſie zerſchlagen und noch

einmal mit 3% Kochſalz vermiſcht röſten könne, theils um die Sorten

des Erzes nach der Feinheit (Siebgrobes, -Mittleres und

-Feines) zu unterſcheiden4). Das nach dem Sieben übrig blei-

bende Allergröbſte heißt man Röſtgröbe. Nach dem wird das

Sieberz gemahlen, weil die Vollkommenheit des Anquickens von

der Feinheit deſſelben abhängt. Man hat dazu eigene Mühlen5).

2) Das Anquicken ſelbſt, welches in wagerechten, um ihre Axe

ſich drehenden Fäſſern geſchieht, in denen man zuerſt Erz mit

Waſſer zu einem Brei vermengt, dann das Queckſilber nachgießt

und dazu noch neue geſchmiedete Eiſenplatten gibt. Dabei entſteht

eine Wärme bis zu 30–35° Reaum.6). 3) Die Nacharbeiten,

welche darin beſtehen, daß man zuerſt das amalgamhaltige Queck-

ſilber abläßt, in zwillichene Preßſäcke bringt, um das als Lauge

dabei befindliche Queckſilber wegzupreſſen und den Amalgamrückſtand

bis zur Deſtillation aufzubewahren, und dann die Rückſtände in

den Fäſſern verdünnt und zum Verwaſchen in eigene Waſchbottiche

bringt, in denen das Waſchen durch Mechanismus geſchieht7).

Hat man ſo alles Amalgam erhalten, ſo wird es deſtillirt und

zwar nach unten, wobei ſich das Queckſilber vom Silber trennt

und in ein mit Waſſer gefülltes Gefäß tröpfelt. Das ſo gewonnene

Silber iſt ungleich haltbar, und um es zu proben, nimmt man

mit ihm das Eiſenſchmelzen vor, indem man es in Fluß bringt

und davon eine Probe nimmt. Die noch folgenden Prozeſſe ſind

Schmelprozeſſe.

[360/0382]

¹ Dieſe ſind beſchrieben bei Lampadius Handbuch. I. §. 393–401. Kar-

ſten Grundriß. §. 884–889. Man weiß, daß ſchon a. 1571 Velasco in Amerika

die Amalgamation anwendete, daß dieſe durch Alonſo Barba a. 1640 weſentlich

verbeſſert wurde, und daß die Amalgamation der Alten oder Amerikaner ohne

Waſſer, oder mit Waſſer ohne künſtliche Wärme, oder mit Waſſer durch künſtliche

Wärme geſchah.

² Die neue oder europäiſche Amalgamation iſt entweder warm in kupfernen

Keſſeln, oder kalt in ſtehenden Holzcylindern, oder kalt in beweglichen Fäſſern,

welche leztere Art die beſte, übliche und in Freiberg angewendete iſt. Lampadius

Handbuch. I. Thl. §. 402 folg. II. Thl. I. Bd. S. 116–355. Karſten Grund-

riß. §. 890. Winkler, die europäiſche Amalgamazion der Silbererze. Freiberg

1833. Prechtl Encyclopädie. I. S. 248.

³ Da man nur Silbererze in Gangarten (dürre Silbererze) und in Schwefel-

kies (kieſige Silbererze) daſelbſt anquickt, ſo will man hiermit den Schwefel in den

Kieſen oxydiren, damit ſich Schwefelſäure bilde, welche das Kochſalz zerlegt, wobei

ſalzige Säure frei wird, wovon ein Theil an den Silberkalk übergeht, der durch

die Röſtung aus den Erzen befreit wurde. Die Hauptproducte der Röſtung ſind ſo

Glauberſalz und Hornſilber.

⁴⁾ Bei Lampadius Handbuch I. Thl. §. 407. Tab. C. iſt eine ſolche Maſchine

beſchrieben und abgebildet.

⁵⁾ Eine ſolche Mühle iſt abgebildet und beſchrieben bei Lampadius a. a. O.

§. 408. Tab. D

⁶⁾ Das Eiſen, die ſalzige Säure des Hornſilbers an ſich ziehend, verhindert

die Auflöſung des Queckſilbers Die Beſchreibung und Abbildung eines Anquickſaales

mit allem Zugehör findet man bei Lampadius a. a. O. §. 409. Tab. E.

⁷⁾ Auch dieſe Einrichtung iſt dargeſtellt von Lampadius a. a. O. §. 410.

Tab. G.

II. Das Siedwerksweſen.

§. 284.

1) Die Alaunſiederei.

Die Siedwerke haben das Eigenthümliche, daß ſie eine Kry-

ſtallbildung aus einer Flüſſigkeit bezwecken, in welcher auf künſt-

lichem oder auf natürlichem Wege irgend ein Salz aufgelöst ent-

halten iſt. Die Flüſſigkeit nennt man in jenem Falle Lauge, in

dieſem aber Soole. Es gehört hierher die Alaun-, Vitriol-,

Salpeter- und Salzſiederei.

Der Alaun kommt in den Alaunerzen, nämlich als natür-

licher Alaun, Alaunſtein, Alaunſchiefer und Alaunerde vor. In

Italien wird derſelbe (römiſcher Alaun) aus Alaunſtein, ſonſt

aber aus dem Alaunſchiefer und der Alaunerde bereitet1). Das

gewonnene Alaunerz wird geröſtet (§. 281.) und verwittert,

und es bildet ſich ſo durch Einfluß von Luft, Waſſer und Wärme

ſchwefelſaures Eiſen (Eiſenvitriol) und ſchwefelſaure Thonerde2).

Nach dieſer Operation wird das ſo veränderte Erz ausgelaugt,

d. h. in Waſſer aufgelöst. Dieſes Auslaugen geſchieht entweder

auf Halden (Haufen) oder in Sümpfen (in die Erde befeſtigten

[361/0383]

Laugkäſten) oder in Laugbottichen3). Die Lauge zieht man

hierauf ab und bewahrt ſie in ſogenannten Rohlaugenſümpfen

(Käſten obiger Art) bedeckt auf, bis ſie ſich aufgeklärt hat.

Iſt ſie aber, wie man ſich durch Aräometer überzeugen kann, zu

ſchwach, dann läßt man ſie vorher noch länger unter Fortſetzung

des Umrührens mit Stangen auf dem Erze ſtehen, oder gießt ſie

noch einmal auf eine zweite Erzmaſſe (Verdoppeln der Lauge).

Dieſe Lauge heißt nun ſchwach, weil ſie nur etwa 8% Salztheile

hat, und muß, um gar zu werden, verſotten werden, bis ſie

33% Salztheile gelöst enthält. Dieſes geſchieht in metallenen Pfan-

nen (meiſtens von gegoſſenem oder geſchlagenem Blei), welche ent-

weder von unten und ſeitwärts, oder von oben, indem die Flamme

über ſie hinſtreicht, oder ſo geheitzt werden, daß ein Ofen ſich in

dem inneren Raume der Pfanne befindet4). Die ſo weit abge-

dampfte Lauge muß geklärt werden, und dies geſchieht durch das

Sedimentiren auf den Sedimentir- oder Schlammkäſten

(von Holz, länglichviereckig, und unter den Pfannen angebracht),

indem ſich in dieſen der Schlamm niederſetzt. Die klare Lauge

wird nun abgezogen und in die Präcipitir- (Rüttel-) Käſten

gebracht, um daſelbſt mit Kali oder Ammoniak präcipitirt zu wer-

den5). So wird das Alaunmehl niedergeſchlagen, und nachdem

die darüber ſtehende Mutterlauge abgezogen iſt, herausgenom-

men, um verwaſchen (§. 280.) zu werden, wobei ſich das reine Mehl

niederſetzt, und ſeine frühere graugrüne Farbe mit der weißen,

den Vitriolgeſchmack mit dem alaunartigen vertauſcht6). Dieſes

Alaunmehl kommt jetzt in eine Pfanne (Wachspfanne) mit 40%

ſeines Gewichtes Waſſer, wird unter Siedhitze aufgelöst und als

Auflöſung in die Wachsfäſſer gegoſſen, wo ſich der Alaun in

ſchwarzen und weißen Kryſtallen anſetzt. Dieſe Lezteren werden in

Stücke zerſchlagen, noch einmal verwaſchen, dann getrocknet und

verpackt7).

¹ Lampadius Handbuch. I. §. 416. II. Thl. III. Bd. S. 338 folg.

Hermbſtädt Technologie. II. §. 605. Poppe, Handbuch der Technologie. IV. 198.

Monnet, Traité de la vitriolisation et de l'alunation. Amsterdam et Paris 1769. 12.

Ries, praktiſche Abhandlung von der Zubereitung des Alauns. Marburg 1785.

Prechtl Encyclopädie. I. 195–216. Gmelin techniſche Chemie. I. 154.

Cancrin IX. III. §. 609.

² Denn der darin enthaltene Schwefel geht eine ſtärkere Verbindung mit

dem Eiſen ein und bildet ſo einfach geſchwefeltes Eiſen, welches den Sauerſtoff des

Waſſers an ſich zieht und zu ſchwefelſaurem Eiſenoxydul (Eiſenvitriol) wird, wäh-

rend der Waſſerſtoff als Gas entſteigt. Dieſes ſchwefelſaure Eiſenoxydul, längere

Zeit der Verwitterung ausgeſetzt, zieht noch mehr Sauerſtoff aus der Luft an, und

wird ſo zu rothem Eiſenoxyd umgewandelt; dieſes aber läßt einen Theil ſeiner

Säure fahren, und die ſo frei gewordene Schwefelſäure verbindet ſich mit der

[362/0384]

² Thonerde zu ſchwefelſaurer Thonerde. Die Effloreszenz beim Vermittern iſt ſchwe-

felſaure Thonerde (Alaunblüthe).

³ Beſchreibung davon bei Lampadius a. a. O. §. 418 u. 419.

⁴⁾ Lampadius. I. §. 422 folg.

⁵⁾ Als ſolche Zuſätze gebraucht man Holzaſchenlauge, oder gefaulten menſchlichen

Urin, oder in Waſſer gelöstes ſalzſaures Kali (Chlorkali), oder ſo gelöstes ſchwefel-

ſaures Kali. Das ſalzſaure Kali zerſetzt das mit der ſchwefelſauren Thonerde ge-

mengte ſchwefelſaure Eiſen. Die frei werdende Schwefelſäure geht zum Kali und es

entſteht ſchwefelſaures Kali, das Chlor (die Salzſäure) verbindet ſich mit dem

Eiſenoxyd zu Chloreiſen, und dieſes bleibt gelöst zurück. Da aber der Alaun nur

in 18 Theilen Waſſer bei mittlerer Temperatur ſich auflöst, ſo kann er in der

concentrirten Lauge nicht mehr gelöst bleiben, ſondern ſcheidet ſich vom Chloreiſen.

⁶⁾ Das in das Geſümpfe ablaufende Waſſer, welches neben Unreinigkeit auch

noch Alauntheile enthält, wird dann ſpäter mit neuer Lauge wieder verſotten.

⁷⁾ Künſtlich bereitet man auch den Alaun, indem man Thonerde, Schwefel-

ſäure und Kali mit einander verbindet. Dieſe Erfindung haben Chaptal und

Curaudau gemacht. Man ſ. darüber Bergmann, De Confectione aluminis, in

seinen Opuscul. phys. chem. I. 279. Lampadius, Sammlung chem. Abhandl.

III. 95. Robinson, Process of making Alum, in Repertory of Arts and Manu-

factures IV. 364. Chaptal, Observations sur l'alun, in den Annales de Chymie

III. 46 Chaptal, Ueber die Bildung des kryſtall. Alauns, in ſeinen Anfangs-

gründen der Chemie, überſetzt von Wolf. Königsberg 1792. II. 70. Curaudau

in den Annales de Chymie. XLVI. 218. Gehlen Journal der Chemie. III. 435.

§. 285.

2) Die Vitriolſiederei.

Vitriol im beſonderen Sinne nennt man diejenigen Salze,

welche aus einer Verbindung von Schwefelſäure und Eiſen-,

Kupfer- oder Zinkoxyd hervorgegangen ſind und hiernach Eiſen-,

Kupfer- oder Zinkvitriol genannt werden. Jener iſt von hellgrü-

ner, der Andere von blauer, und der Lezte von gelblich weißer

Farbe. Den Erſten bereitet man, obſchon er auch natürlich gedie-

gen angetroffen wird, aus Eiſenkies; den Zweiten aus Kupferkies

und den Dritten aus Zinkerz. Das Verfahren bei ihrer Bereitung

hat nicht blos unter ſich keine weſentliche Abweichung, ſondern

ſtimmt auch mit der Alaunſiederei ſehr überein1). Man entzieht

den Erzen zuerſt durch Röſtung einen Theil ihres Schwefels2).

Um dieſelben zu vitrioliſiren, verwittert man ſie in Halden, unter

Einſprengung von Waſſer, an der Luft, bis ein Salz effloreszirt.

Die verwitterten Kieſe werden, wie die Alaunkieſe, ausgelaugt,

und zwar in der Regel in Laugekäſten oder Bottichen (Trekbütten,

von dem niederſächſiſchen Worte austreken = ausziehen),

welche treppenförmig übereinander liegen oder ſtehen. Alle werden

mit Kies gefüllt, der Kies im oberſten mit Waſſer begoſſen, die

unter Umrühren gebildete Lauge auf den Kies im zweiten, dritten

Kaſten oder Bottich u. ſ. w. abgelaſſen, bis ſie geſättigt iſt. Hier-

auf wird die Lauge geläutert oder geklärt, alsdann verſotten3)

[363/0385]

und darnach zum Kryſtalliſiren in Wachskäſten gebracht, welche

mit Holzſtäben durchſtochen ſind. Nach geſchehener Kryſtalliſation

wird die Mutterlauge (Salzlauge) hinweggenommen, der Kry-

ſtall abgeſchlagen, zum Trocknen auf Horden gelegt, und wenn

jenes geſchehen iſt, verpackt.

¹ Monnet Traité (ſ. §. 284. Note 1.). Schlüter, Unterricht von Hütten-

werken. S. 597. Cancrin, Berg- u. Salzwerkskunde. Bd. IX. Abthl. III. §. 582.

Beckmann, Beiträge zur Oekonomie und Technologie. IV. und V. Ferber,

Beiträge zur Mineralgeſchichte verſchiedener Länder. I. Band (Mitau 1788).

Beckmann, Von der Verfertigung des Kupfervitriols bei Lyon, in ſeinen Bei-

trägen. Bd. VI Demachy Laboratorium im Großen. Bd. II. S. 207 (Leipzig

1784). Lampadius Handbuch. I. §. 416. II. Thl. III. Bd. S. 297. Deſſel-

ben Sammlungen chem. Abhandl. Bd. I., Bergmänniſches Journal. 6r Jahrg.

II. Bd. 290. I. Bd. 560. Tromsdorff, Journal der Pharmacie. I. Band.

2s Stück. S. 117.

² Entweder im Schwefeltreibofen, in welchem Röhren von gebranntem Thone

oder von Gußeiſen nebeneinander liegen, von der einen Seite, wo ſie mit den

Kieſen gefüllt werden, mit Stöpſeln verſchloſſen ſind, und an der anderen ſich ver-

engern und den verflüchtigenden Schwefel in eine Vorlage führen, — oder auf dem

Röſtheerde, wo die Kieſe pyramidaliſch aufgeſchichtet, mit Lehm umgeben und oben

mit einer Decke von Geſtübe (§. 282. N. 1.) zugemacht ſind, welche mit halbkugel-

förmigen Vertiefungen verſehen wird, in denen ſich der verflüchtigende Schwefel

ſammeln muß, wenn der Haufen von unten angezündet iſt. Hermbſtädt Techno-

logie. II. §. 629. Poppe Handbuch der Technologie. II. S. 218.

³ Man verhindert die Trennung des Eiſenoxyds und erhöht den Gewinn des

reinen (kupferfreien) Vitriols, indem man die Lauge in Eiſenpfannen verſiedet und

altes oder neues Eiſen in die Lauge bringt. So wird nämlich Kupfer ausgeſchieden.

§. 286.

3) Die Salzſiederei oder das Salinenweſen.

Nicht die bergmänniſche Gewinnung, ſondern blos die Berei-

tung des Kochſalzes aus der Soole iſt Gegenſtand dieſes Zweiges

der Gewerkslehre1). Das Kochſalz iſt im Seewaſſer und in den

eigentlichen Salzſoolen enthalten, und aus dieſen muß es gewon-

nen werden. Man gewinnt das Seeſalz entweder durch Ab-

dampfen des Meerwaſſers an der Sonnenwärme in heißem Klima

in flachen Vertiefungen, am beſten im Thonboden, und mit Mauern

umgeben2), oder durch Abdampfen deſſelben am Feuer in länglichen

2–4 Fuß tiefen ſchmiedeeiſernen Pfannen3). Die Gewinnung

des Soolenſalzes aber, welche in Deutſchland ſchon am längſten

geübt und am paſſendſten iſt, erheiſcht einen anderen Prozeß und

andere künſtlichere Einrichtungen. Die Soole iſt, ſo wie ſie ge-

fördert wird, von verſchiedenem Salzgehalte4), aber ſie enthält

mehr oder weniger Kohlen-, Schwefel-, Hydriod- und Hydro-

bromſäure, Kali, Kalk, Bitter-, Alaun- und Kieſelerde, Eiſen-

oxyd, Eiſenoxydul, erdharzige Subſtanzen, organiſche Materie u. dgl.

mehr. Aber alle dieſe Theile ſind neutraliſirt, nämlich ſchwefelſaures

[364/0386]

Natron, Kalk und Bittererde, kohlenſaurer Kalk und Bittererde,

ſalzſaurer Kalk, Bitter-, Alaunerde und Eiſen, obſchon alle dieſe

Salze nicht zugleich darin vorkommen können, da ſich manche da-

von zerſetzen5). Man prüft die Soole auf ihren Gehalt vermittelſt

mancher Reagentien, und behandelt ſie, wenn ſie gereinigt iſt, auf

Salz. Iſt ſie nämlich ſchon concentrirt genug, ſo daß ſie mit

Vortheil verſotten werden kann, ſo kommt ſie ſogleich zum Ver-

ſieden. Iſt ſie aber noch zu ſchwach dazu, ſo hat man zwei Mittel,

ſie zu concentriren, nämlich man löst entweder bis zu ihrer Sät-

tigung in ihr noch Steinſalz auf oder man wendet die Gradirung

an, d. h. die Concentrirung durch freie ſich ſelbſt überlaſſene Ver-

dünſtung und Gefrieren. Bei freiem Luftzutritte verdampft die

Soole noch mehr als das Waſſer durch bloße Verdünſtung unter

dem Siedpunkte. Daher geſchieht dieſes Verdünſten entweder in

der gewöhnlichen Luft oder in der Kälte oder in der Son-

nenwärme6). Die Luftgradirung iſt die gewöhnliche und man

hat davon zwei Hauptarten, nämlich die Dorngradirung und

Pritſchen- oder Dach- oder Tafelgradirung7). Bei jener

läuft die Soole über Wände von Reiſig, und bei dieſer über ver-

ſchieden große ſchiefe dachförmige Ebenen von Brettern. Das

Wichtigſte iſt dabei, der Luft eine möglichſt große Oberfläche dar-

zubieten. Daher geht die Soole bei der lezteren Gradirmethode

von einer ſchiefen Ebene auf die andere, und bei der erſteren, die

hier beſchrieben werden ſoll, von einer Dornenwand auf die andere.

Die Dornengradirhäuſer ſind ſtockwerks- oder pyramidenförmig auf

einander errichtete, möglichſt dem Windzuge dargebotene, aus

Reiſig verfertigte, etwa 14–24 Fuß hohe Wände, auf welche

ſtufenweiſe, zuerſt auf die oberſte, von dieſer auf die zweite u. ſ. w.,

die Soole herabrieſelt, nachdem ſie durch irgend eine Waſſerkunſt

ſo hoch gehoben iſt8). Unter dem Dache des Gradirhauſes iſt ein

Soolenbehälter (Tropfkaſten) angebracht, aus dem ſie durch

Hahnen in Rinnen, welche ſie auf die Wände leiten, läuft, bis

ſich dieſelbe endlich in einem allgemeinen Sammelkaſten befindet,

den man Baſſin, Hälter oder Sumpf nennt9). Man wieder-

holt die Gradirung, bis die Soole concentrirt genug iſt, um ver-

ſotten zu werden, aber nicht bis zur völligen Concentrirung, weil

in dieſem Falle zu viel durch mechaniſches Fortreißen vermittelſt

des Windes und durch Angefrieren an das Reiſig verloren gehen

würde10). Die gradirte Soole iſt ſiedwürdig, wenn ſie 24löthig

(in 100 Thln. Soole 24 Thle. Salz haltend) oder auch ſchon,

wenn ſie 16pfündig (d. h. im Kubikfuße Soole 16 trockenes

Salz haltend) iſt.

[365/0387]

¹ Zur Literatur: K. C. Langsdorf, Vollſtändige Anleitung zur Salzwerks-

kunde. Altenburg 1784–1796. V Thle. in 4. Deſſelben neue leichtfaßliche

Anleitung zur Salzwerkskunde. Heidelberg 1824. (Lezteres Werk iſt hauptſächlich in

halurgiſch-geognoſtiſcher und bergmänniſcher, das Erſtere vorzüglich wegen des

eigentlichen Salinenweſens bemerkenswerth.) J. W. Langsdorf, Einleitung zur

Kenntniß in Salzwerksſachen. Frankfurt a. M. 1771. Deſſelben Ausführliche

Abhandlung von Salzwerken. Gießen 1781. J. W. und K. C. Langsdorf, Samm-

lung praktiſcher Bemerkungen und Abhandlungen für Freunde der Salzwerkskunde.

Altenburg 1785–96. III Thle. Hermbſtädt Technologie. II. §. 642. Poppe,

Handbuch der Technologie. II. Abthlg. S. 326. Cancrin, Berg- und Salzwerks-

kunde. Bd. X. Brownring Kunſt, Küchenſalz zu bereiten, v. Heun. Leipz. 1776.

² Das Meerſalz heißt auch Bay- oder Boyſalz. Auf dieſe in Frankreich

und Spanien übliche Weiſe wird das Waſſer concentrirt und hierauf in große flache

Kaſten gepumpt, wo es ſich kryſtalliſirt, und die, ſchwefelſaure Bittererde haltende,

Mutterlauge zurückläßt. Solches Salz iſt aber immer noch wegen ſalzſaurer Bitter-

erde unrein. Auch laugt man in Frankreich den ſalzigen Meerſand aus und verſiedet

die Lauge in Bleipfannen.

³ Dieſe Methode iſt in England und Holland gebräuchlich. Die Pfannen ſind

55 Fuße lang, 35 Fuße breit und 2–4 Fuße tief. Dies Verfahren iſt im Ganzen

daſſelbe, welches im folgenden §. beſchrieben wird.

⁴⁾ Die kürzeſte Methode, den Gehalt (die Löthigkeit) zu prüfen, iſt a) die

hydroſtatiſche Abwägung und der Gebrauch des Aräometers (der Salzwaage, Salz-

ſpindel). b) Sicherer iſt das Abdampfen einer gewiſſen Quantität der Soole bis

zur völligen Trockenheit, das darauf folgende Digeriren des Rückſtandes mit dem

ſechsfachen Gewichte von Alcohol, um die zerfließlichen Salze hinwegzubringen, und

endlich das Auflöſen des dermaligen Rückſtandes mit Waſſer, wornach blos der

Gips ungelöst zurückbleibt. Nach geſchehener Kryſtalliſirung hat man aber das Salz

nicht immer rein, ſondern öfters noch mit Glauberſalz und ſchwefelſaurer Talgerde

vermiſcht, falls dieſe in der Soole waren. Daher thut man beſſer c) wenn man

die Quantität der Soole mit einer Auflöſung von eſſigſaurem Baryt fällt, wodurch

alle ſchwefelſauren Salze, die darin ſind, niedergeſchlagen werden, — dann die

Flüſſigkeit über dem Niederſchlage hinwegnimmt, abdampft, den trockenen Rückſtand

mit Alcohol digerirt, der das eſſigſaure Natron, den eſſigſauren Kalk, die ſich durch

den früheren Prozeß gebildet hatten, auflöst, und das reine Kochſalz, blos mit

Erdetheilen gemengt, zurückläßt, — und endlich dieſen Salzrückſtand, um ihn von

den Erden zu trennen, auflöst, und dieſe Salzauflöſung wieder abdampft. — Ueber

den Gehalt der Soole haben wir Tabellen von Lambert (Lambert in der

Histoire de l'Académie des sciences de Berlin. Tom. XVIII. Anno 1762. pag. 27.

Bild Beiträge zur Salzkunde. Winterthur 1784. Langsdorf Vollſtändige An-

leitung. V. S. 37. I. 47. Hermbſtädt Technologie. II. §. 647.), von Dommes

(Hermbſtädt Technologie. II. §. 649.), von Watſon (Philosophical Transactions.

Vol. LX. pag. 325. Langsdorf Vollſtänd. Anleitung. V. 48. I. 48. Deſſen

Leichtfaßliche Anleitung. S. 15. Beckmann Technologie. S. 343.), von Wild

(in ſeiner oben angeführten Schrift, — bei Langsdorf Vollſtändige Anleitung.

V. S. 38), von Biſchoff (Gilbert Annalen der Phyſik. XXXV. 1810. S. 311.

Langsdorf Leichtfaßliche Anleitung. S. 13. Karſten Archiv für Bergbau und

Hüttenweſen. XI. S. 211.) und von Langsdorf (a. a. O.), welcher die älteren

verbeſſert und neu berechnet hat. Allein auf den Salinen ſelbſt hat man verſchie-

dene Gradirungen, z. B. jene zu Reichenhall (Langsdorf Leichtfaßliche Anleitung.

S. 14.), eine andere zu Montiers im Tarentkreiſe (Dingler polytechn. Journal.

XXXIV. 70.) u. dgl.

⁵⁾ Z. B. das ſchwefelſaure Natron und der ſalzſaure Kalk. S. auch Langs-

dorf Leichtfaßliche Anleitung. S. 22 folg. Deſſelben Vollſtänd. Anleit. S. 57.

⁶⁾ Die Eisgradirung bezweckt, der Soole durch das Gefrieren von ihrer

Wäſſerigkeit etwas zu entziehen. Die Sonnengradirung wird in ſüdlichen Ländern,

wie ſchon geſagt, auch bis zur völligen Salzbildung fortgeſetzt. Auch in Deutſch-

land iſt ſie ſchon angewendet worden. Senf Verſuche über den Erfolg verſchiedener

[366/0388]

⁶⁾ Ausdünſtungsarten des Waſſers aus Salzſoole in Gren's Journal der Phyſik.

VIII. 84. 351. und Hermbſtädt in den Mémoires de l'Académie des sciences

de Berlin, an. 1803. pag. 91. Langsdorf Vollſtändige Anleitung. I. 99. 111.

Nacherinnerung S. VII. und Thl. V. S. 137. Deſſelben Leichtfaßliche Anleit.

S. 542. 545.

⁷⁾ Langsdorf Leichtfaßliche Anleitung. S. 547. Vollſtändige Anleitung. I.

125. IV. 80. V. 140. Die Dornengradirung heißt man auch Tröpfelgradirung

und Leckwerke.

⁸⁾ Man ſ. über die angewendeten Waſſerkünſte Langsdorf Vollſtänd. Anleit.

I. 229–372. V. 178. Leichtfaßl. Anleit. S. 568.

⁹⁾ Die Wände ſind auf Gerüſte geſtellt, indem das Reiſig um jene herum

geflochten wird, nachdem es mit einer eigenen Schneidmaſchine dazu hergeſchnitten

iſt. Auf dieſelben fließt das Waſſer durch Einſchnitte aus den Gerinnen. Man

muß ſuchen, ſie nach dem Winde zu richten, wenn die Gradirung regelmäßig fort-

gehen ſoll. Dazu hat man eine Vorrichtung, Geſchwindſtellung genannt,

wodurch, wenn ſich der Wind dreht, die Soole auf die andere Seite der Wände

geleitet wird. Dieſelbe beſteht entweder aus einem Geſtänge, das die Rinnen

bewegt und beliebig unter die Hähne leitet, oder aus einem Haupthahne, durch

deſſen Oeffnung allen kleineren (Tropfhähnen) die Soole zugeführt wird.

¹⁰⁾ Bei großer Kälte und ſtarkem Winde iſt darum dieſe Tröpfelgradirung

nicht ſehr vortheilhaft, weil leicht ein Verluſt von - durch jene Umſtände

bewirkt wird. Am Reiſig ſetzt ſich immer ein unreines Salz (Leckſalz, Leck-

oder Dornſtein), beſtehend aus ſchwefelſaurem und kohlenſaurem Kalke mit Koch-

ſalz und kohlenſaurer Bittererde vermiſcht, an. In den Sümpfen aber ſetzt ſich ein

Schlamm (Zunder, eigentlich aber Sinter) an, der aus denſelben Beſtandtheilen

und Eiſenoxyd beſteht.

§. 287.

Fortſetzung.

So weit zugerichtet kommt die ſiedwürdige Soole in die

Siedhäuſer (Salzkothen), um dort in Pfannen verſotten zu

werden. Die Siedpfannen ſind von Eiſenblech, und die Böden

daran ſtärker als die Wände, dabei aber von verſchiedener Größe1).

Entweder hängen ſie an Ringen in großen Hacken oder ſie ſind

eingemauert, und zwar in einer ſchiefen Lage nach der Vorderſeite

des Heerdes. Sie werden von verſchiedenen Brennmaterialien ge-

heitzt, und hiernach richtet ſich auch der Bau des Heerdes2).

Ueber ihnen ſteht aber ein pyramidiſcher Fang (Schwaden-,

Dunſt- oder Brodenfang) zur Abführung der beim Verſieden

aufſteigenden Waſſerdämpfe. Beim Verſieden ſelbſt haben die

Salzwirker (Haloren) drei Hauptgeſchäfte, wofür man nicht

ſelten auch drei verſchiedene Pfannen hat, obſchon man mit zweien

auch ſchon ausreicht. Zuerſt wird die Soole in der Wärme-

pfanne, die ganz angefüllt wird, erwärmt, und, wenn das Ge-

ſchäft beginnt, auch zugleich die darunter angebrachte Sied- oder

Störpfanne geſpeist. Die Heitzung beginnt unter der Lezteren,

weil die hier ſchon benutzte Hitze noch hinreicht, der Wärmepfanne

die gehörige Temperatur zu geben. Das Verdampfen geht in der

[367/0389]

Siedpfanne vor ſich, und in demſelben Verhältniſſe wird aus der

Wärmepfanne nachgegoſſen, bis endlich zufolge des Siedens ſich

eine Salzhaut auf der Oberfläche der Soole in der Siedpfanne

bildet3). Jetzt ſagt man, die Soole ſei gar, und ſchreitet zum

Soggen (Soogen, Soken) derſelben. Dies geſchieht entweder

in der dritten (Soggenpfanne) oder in der Siedpfanne, und

beſteht in dem allmäligen Abdunſten der Soole bei mildem Wärme-

grade, ſo daß ſie nie zum Sieden kommt. Die erſte Haut fällt

kryſtalliniſch zu Boden, es folgt ihr eine andere, eine dritte,

vierte u. ſ. w.; bis dies aufhört, wird das Feuer noch unterhalten

und dann entfernt4). Dieſes geſoggte Salz nimmt (wirkt) man

mit ſchaufelförmigen Inſtrumenten (Soggenſtiel) aus der Pfanne.

Man füllt es in Weidenkörbe und läßt es oberhalb der Pfanne

darin abtropfen, bis es trocken genug iſt, um in die ſogenannte

Trockenkammer zum völligen Abtrocknen gebracht werden zu

können, wo mit warmer Luft geheitzt wird5).

¹ Länger als 72 Fuße rhein. ſollen ſie nach Langsdorf nicht ſein und ſchon

11 Fuße ſind eine bedeutende Länge, ebenſo ſoll auch ihre Breite nicht über 20

rheinl. Fuße betragen. Die gewöhnlichen Siedpfannen ſollen aber nicht über 20

Zolle rheinl. tief ſein. Die Pfannen zum Kryſtalliſiren ſollen 16–20 Fuße lang,

6–12 Fuße breit, aber an der tiefſten Stelle 30 Zolle tief ſein. Als eine zum

Sieden und Kryſtalliſiren brauchbare empfiehlt Langsdorf eine ſolche von 20 Fußen

Länge, 17 Fußen Breite und 14 Zollen Tiefe für 24löthige Soole; die Größe einer

ſolchen Pfanne ſoll überhaupt mit der Löthigkeit der Soole in umgekehrtem Ver-

hältniſſe ſtehen. (Langsdorf Vollſtändige Anleitung. III. 375. 582. V. 231 folg.

Leichtfaßliche Anleitung. S. 619.) Hermbſtädt (Technologie. II. §. 655.) will

als beſte Dimenſion 28 Fuße Länge, 26 Fuße Breite und 16 Zolle Tiefe, oder

16 Fuße Länge, 12 Fuße Breite und 14 Zolle Tiefe erprobt haben. Ueber Ver-

beſſerung der Pfannen ſ. m. auch Dingler polytechn. Journal. XXX. 63.

² Man verſieht, wenn auch mit Steinkohlen, Braunkohlen und Torf geheitzt

werden ſoll, denſelben mit einem Roſte, Luftzuge und Aſchenheerde. Ueber die

Wahl des Brennmaterials ſ. m. Langsdorf Vollſtändige Anleitung. I. 438.

Deſſelben Leichtfaßliche Anleitung. S. 599.

³ Man ſetzt hier auch oft Ochſenblut, Eiweiß, oder Milchſchleim bei, um die

durch Unreinigkeit entſtehende Trübung der Soole als Schaum wegzuziehen. Das

hier ſchon gebildete feine Salz nennt man auch Treibſalz; um es in größeren

Kryſtallen zu bilden, muß man die Soole in größerer Ruhe bei gelinderer Wärme

abdampfen. Eine verbeſſerte Methode des Abdampfens von Furnival iſt beſchrie-

ben bei Dingler polytechn. Journal XLIII. 26. Eine ſolche von Johnſon

ebendaſelbſt. XXXI. 36., eine andere von Braithwaite und Ericſſon daſelbſt.

XLI. 233. In der Siedpfanne ſetzt ſich auf dem Boden eine ſteinige Maſſe von

ſchwefelſaurem Kalke, Glauberſalz und Kochſalz feſt, welche man Pfannenſtein

nennt; der darüber liegende Ueberzug von Salz wird Branntſalz genannt, und

die rückſtändige nicht mehr kryſtalliſirbare Flüſſigkeit heißt Mutterlauge.

⁴⁾ Dieſes ſo gebildete Salz iſt größer als das andere und heißt Soggſalz.

Man ſ. über die Siedarbeiten Langsdorf Vollſtändige Anleitung. I. 424. IV. 59.

Deſſelben Leichtfaßliche Anleitung. S. 653.

⁵⁾ Ueber Anlage der Trockenkammern ſ. Langsdorf Vollſtändige Anleitung.

I. 391. 455. V. 253. Deſſelben Leichtfaßliche Anleitung. S. 665.

[368/0390]

III. Die Metallverarbeitung.

§. 288.

1) Die Meſſingbereitung.

Das Meſſing wird aus Zink und Kupfer bereitet. Der Zink

kommt nämlich in der Natur entweder in Verbindung mit Sauer-

ſtoff, als Galmey und Zinkſpath, oder metalliſch geſchwefelt, als

Blende, vor. Der Beiſatz von Zink zu Kupfer macht das Leztere

gelb, geſchmeidig und vom Sauerſtoffe der Luft weniger affizirbar1).

Eine Metallcompoſition dieſer Art iſt das bekannte Meſſing, deſ-

ſen Verfertigung der Gegenſtand ſehr bedeutender Gewerke iſt2).

Man reinigt nämlich den Galmey auf mechaniſchem Wege (Hand-

ſcheiden, Pochen, Verwaſchen, §. 280.) von allem Fremdartigen,

und bringt ihn dann, um das in ihm enthaltene Waſſer und die

Kohlenſäure aus demſelben zu entfernen, in einen Röſtofen, glüht

ihn und macht ihn unzuſammenhängend. Er verliert an Gewicht

dadurch 10–12% und ſein Volumen ſteigt dagegen um 33%.

Hierauf pocht oder mahlt man ihn fein und läßt ihn durch das

Sieb gehen. Je reiner das Kupfer iſt, deſto beſſer wird das

Meſſing, man nimmt daher vom reinſten Garkupfer und zerkleinert

daſſelbe, entweder indem man die Kupferſcheiben mit Scheer-

maſchinen verſchneidet, oder aber indem man daſſelbe in Tiegeln

ſchmilzt und granulirt, d. h. körnt. Die Kohle, welche zur Ver-

wandlung des Kupfers in Meſſing und zur Desoxydirung des Zink-

kalkes nöthig iſt, wird ebenfalls gepocht oder gemahlen und geſiebt.

Dieſe drei Ingredienzien bringt man in thonenen Tiegeln in einen

Windofen3); nachdem man die Kohle angefeuchtet und mit dem

Galmey vermengt hat, füllt man mit dieſem Gemenge und Kupfer

ſchichtenweiſe die Tiegel auf und gibt obenauf noch eine Decke

von Kohle4). Die Tiegel müſſen gleichviel gleiches Material und

gleiche Größe haben. Man ſtellt in der Regel ſechs gefüllte und

in der Mitte derſelben einen leeren in einen Kreis um den Roſt.

Dann füllt man den Ofen mit Kohlen, ſo daß die Tiegel 3–4

Zolle hoch bedeckt ſind, wirft glühende Kohlen darauf, wartet bis

die Kohlen entzündet ſind, füllt hierauf den Ofen ganz mit Kohlen

aus und ſchließt die obere Oeffnung deſſelben. So bleibt der Ofen,

bis das Abgebranntſein der Kohlen einen neuen Zuſchub an Lez-

teren nöthig macht, wobei oben wieder geöffnet werden muß. Iſt

auch dieſe zweite Zulage abgebrannt, dann iſt auch das Meſſing

gebildet, und ſeine fernere Behandlung hängt davon ab, ob daſſelbe

Guß- oder Stückmeſſing geben ſoll. Im erſten Falle hebt man

[369/0391]

den mittleren leeren Tiegel aus dem Ofen und ſetzt ihn ſogleich

neben der Oeffnung des Ofenſchachtes in eine lange, breite, tiefe,

viereckige Grube. Jetzt nimmt man auch die vollen Tiegel Einen

nach dem Anderen heraus, und gießt ſie in dieſen leeren aus, auf

welchem dann die Schlacke abgehoben und der reine Reſt der Be-

ſchickung zwiſchen glatten ſteinernen Platten in Tafelform aus-

gegoſſen wird. Um Stückmeſſing zu bilden, hat man keinen leeren

Tiegel in den Ofen zu ſetzen, ſondern man gießt die Beſchickung

aus den Tiegeln nur in die Grube aus, wovon das Meſſing als-

dann, wenn es conſiſtent, aber noch glühend iſt, weggenommen und

in Stücke zerſchlagen wird. Der Abfall, welcher aus Kohle und

Meſſingkörnern beſteht, und im einen wie im andern Falle ſich

bildet, wird hüttenmänniſch verwaſchen, um das bei der nächſten

Schmelzung beizuſetzende Meſſing rein zu erhalten.

¹ Es bildet ſich ſogar ſchon Meſſing, wenn man blos die Zinkdämpfe auf glü-

hendes Kupferblech ſtreichen läßt oder wenn man das Kupfer mit Kohle und Galmey

in verſchloſſenen Gefäßen glüht, d. h. cementirt. (Lampadius Handbuch der

Hüttenkunde. Thl. I. §. 438.) Dieſe Bereitungsweiſe findet in den Fabriken des

unächten oder leoneſiſchen Goldes Statt. Lampadius a. a. O. II. Thl. III. Bd.

S. 175.

² Zur Literatur: Lampadius a. a. O. Thl. II. Bd. III. S. 174206.

Gallon Kunſt, Meſſing zu machen. Ueberſetzt von Schreber. Leipzig 1766.

Beckmann Technologie (5te Aufl.). S. 598. Schauplatz der Künſte. Bd. V. S. 14.

Hermbſtädt Technologie. II. §. 817.

³ Die Tiegel ſollen 33½ Fuß hoch, oben 2 Fuß weit ſein und ſich nach

unten zu verengern. Unten im Ofen ſollen 6–7 Tiegel Platz haben, ohne ſich zu

berühren, und erſt ſoll in der Mitte noch Einer geſetzt werden können. Einige

Zolle oberhalb der Tiegel verengt ſich der Ofen plötzlich zu einer 3 Fuß hohen

immer enger werdenden runden Oeffnung, ſo daß man mit einer Zange die Tiegel

aus- und einheben kann. Dieſelbe iſt durch einen eiſernen Deckel ſchließbar, in

welchem ſich ein kleines rundes Loch zum Entweichen der Kohlenſäure befindet. Ein

unterirdiſcher Kanal leitet den Oefen Luft zu.

⁴⁾ Die engliſche Beſchickung iſt = 70 Pfd. Kupfer, 19 Pfd. Zink (granulirt)

50 Pfd. Kohlenſtaub. Lampadius räth folgende Beſchickung:

No. I. = 33⅓% Kupfer, 66⅔% Galmey.

No. II. = 30 " " 36 " " und 34% alt. Meſſing.

No. III. = 40 " " 60 " "

No. IV. = 38 " " 62 " "

Bei der Meſſingfabrication zur Ocker am Unterharze hat man folgende:

Zu Mengepreſſe (beſtes Meſſing) = 60 Pfd. Lauterberger Garkupfer, 80

Pfd. Galmey, 20 Pfd. Kohlenſtaub.

Zu Tafelmeſſing (ordinair. Meſſing) = 35 Pfund Mengepreſſe, 40 Pfund

Lauterberger oder Mansfelder Garkupfer, 27 Pfd. Abfallmeſſing, 60 Pfd.

Galmey und 25 Pfd. Kohlenſtaub.

Zu Stückmeſſing (ſchlechteſtes) = 40 Pfd. Gekrätzkupfer von Fr. Marien-

Seigerhütte, 100 Pfd. Gekrätz von Meſſingmachern, 50 Pfd. Galmey,

10 Pfd. altes Meſſing, 15 Pfd. Kohle.

Lampadius a. a. O. II. Thl. III. Bd. S. 175. 178. 187–191.

Baumſtark Encyclopädie. 24

[370/0392]

§. 289.

2) Die Drahtzieherei.

Unter Draht1) verſteht man Metallfäden, welche entſtehen,

indem man Metallſtangen durch beſtimmt geformte Löcher mit Ge-

walt durchzwängt, ſo daß ihr Durchmeſſer den des Loches annimmt,

durch das ſie gezwängt wurden, und ihre Länge ſich auf Koſten

der Dicke vergrößert. Man macht ſolchen aus Eiſen, Stahl, Kupfer,

Meſſing, Silber und Gold, auch aus Platina und Zink. Der

Draht erhält dem Querſchnitte nach entweder eine kreisrunde,

oder irgend eine andere, ovale, eckige, halbmondförmige, ſtern-

förmige, roſenförmige u. ſ. w. Geſtalt. Allen nicht runden Draht

nennt man gaufrirt oder façonirt, und es gibt verſchiedene

Dicken des Drahtes, deren Darſtellung aber darum nicht thunlich

iſt, weil jede Fabrik ihre eigenen Dimenſionen und Bezeichnungen

hat2). Die Drahtzieherei beruht alſo auf der Streckung oder

Verlängerung der Metallſtange und man hat dazu zwei Hauptein-

richtungen, nämlich a) Drahtwalzwerke, welche jedoch weniger

als die folgenden in Anwendung ſind. Sie beſtehen aus drei neben

einander ſtehenden Gerüſten von Gußeiſen, in welchen gußeiſerne

Walzen von 8 Zoll Durchmeſſer feſt aufeinander liegen, ohne we-

niger oder ſtärker geſpannt werden zu können. Die Walzen ſind

außen herum mit Gerinnen verſehen, welche, wenn zwei derſelben

gerade aufeinander paſſen, eine Oeffnung machen, welche den

Querdurchſchnitt hat, die dem Drahte gegeben werden ſoll. Wenn

die Walzen nun gegeneinander umlaufen, ſo ziehen ſie die hinge-

haltene Eiſenſtange durch dieſe immer beſtehende Oeffnung zwiſchen

ſich hinein und auf der anderen Seite heraus. Das erſte Walzen-

gerüſte hat drei Walzen mit viereckigen Rinnen über einander, um

den Draht, wenn er ein Walzenpaar paſſirt iſt, auf der andern

Seite ſogleich durch das andere Paar hindurch zurückgehen zu laſſen.

Das zweite Gerüſte, nur aus zwei Walzen beſtehend, hat ovale

Löcher, um einen Uebergang zum dritten Gerüſte zu machen, das

kreisrunde Oeffnungen hat, und den Draht nicht mehr ſtreckt,

ſondern nur formt. Die Walzen werden durch irgend eine bewe-

gende Kraft vermittelſt verſchiedener Maſchinerie in Bewegung

geſetzt3). b) Drahtziehwerke, von denen auch das Geſchäft

ſeinen Namen hat. Das allgemeine Charakteriſtiſche derſelben iſt,

daß die Metallſtange nicht durch Walzen gezwängt, ſondern durch

harte Platten (Drahtzieheiſen), welche mit Löchern verſehen

ſind, gewaltſam durchgezogen werden. Dieſe Zieheiſen haben trich-

terförmige Löcher, um die Verdünnung allmälig zu bewirken, —

[371/0393]

dieſe Löcher müſſen ganz glatt und ſchartenfrei ſein, aber mit ihrer

Größe ſteht auch jene des Eiſens in geradem, mit der Größe des

Eiſens aber die Anzahl der Löcher in umgekehrtem Verhältniſſe4).

Das Durchziehen geſchieht nur im Kleinen mit der Hand, im

Großen aber durch Maſchinen, wegen des größeren Bedarfes an

Kraft und wegen der größeren Geſchwindigkeit. Der weſentlichſte

Theil der durch irgend eine bewegende Kraft getriebenen Zieh-

maſchine beſteht in derjenigen Vorrichtung, welche den Draht faßt

und hinwegzieht. Man hat dazu entweder Zangen oder Walzen

(Scheiben), welche in der Maſchine ſelbſt ihr bewegendes Mo-

ment finden. Eine Art von Zangen faßt den Draht ſogleich am

Zieheiſen, zieht ihn ſo weit fort als ſie reichen kann, läßt ihn

dann los, kehrt zum Zieheiſen zurück, faßt ihn von Neuem und

zieht ihn wieder ſo weit heraus u. ſ. w. Dieſe heißt man wegen

ihrer Bewegung Stoßzangen, und die ganze Gewerkseinrichtung

Drahtmühle5). Eine andere Art von Zangen faſſen den Draht

nur einmal, ziehen ihn auch in einem Zuge durch, und kehren

nur zurück, um einen andern zu holen. Man heißt ſie auch wegen

ihrer Bewegung Schleppzangen, und die ganze Gewerksvorrich-

tung Ziehbank6). Das Ziehen durch Walzen geſchieht, indem

der auf die Walze geſteckte Draht, indem dieſe umläuft, ſich auf-

wickelt und angezogen wird. Die Gewerkseinrichtung nennt man

Scheiben- oder Walzenzug7).

Ehe nun der Mechanismus in Thätigkeit geſetzt wird, muß

ſchon das Metall zugerichtet ſein, und dies geſchieht, indem man

daſſelbe zu Stäben der erforderlichen Dicke formt. Dieſe Geſtalt

gibt man den Stäben entweder durch Schmieden, Gießen, dieſes

und jenes aufeinander, durch Walzen, oder durch Zerſchneiden

von Blech oder Platten, ſei dies durch große Scheeren, ſei es

durch Schneidewalzen, welche durch beſonderen Mechanismus in

Bewegung geſetzt werden8). Ehe aber ein ſolcher Drahtſtab zum

Zuge kommt, wird er etwas geſpitzt, um ſo beſſer in die Oeffnung

der Walzen oder Zieheiſen zu paſſen. Das Durchziehen geſchieht

immer ohne abſichtliche Erhitzung des Metalls, und man ſchmiert

den Draht mit Fett, Oel, Talg oder Wachs, um ihn beſſer

rutſchen zu machen. Allein das Metall wird durch das Ziehen

hart und ſpröde, und dagegen muß man operiren, je größer die

Verdünnung des Metalls iſt und je mehr das Metall die Glühhitze

aushalten kann, aber dieſes Gegenwirken iſt um ſo weniger nöthig,

je dünner der Draht ſchon iſt, weil die Hitze beim Ziehen ſelbſt

ſein Hartwerden um ſo leichter verhindert. Zu dieſem Zwecke hat

man einen Glühofen oder Glühheerd in Bereitſchaft, worin oder

24 *

[372/0394]

worauf man durch Glühen des Drahtes ihn wieder weicher und

dehnbarer macht9). Auf dieſe Art im Allgemeinen, jedoch mit

Abweichungen in der Zubereitung des Metalles, wird aller Draht

fabricirt10).

¹ Prechtl Encyclopädie. IV. S. 141. Poppe Handbuch der Technologie. I.

S. 254. Altmütter Beſchreibung der Werkzeugſammlung. S. 176. (Werkzeuge

zum Drahtziehen). Karmarſch Mechanik in ihrer Anwendung auf Gewerbe. I.

228. II. 49.

² Prechtl a. a. O. IV. S. 143. Man hat zur Meſſung eigene Draht-

maaße (Drahtklinken, Drahtlehren), welche aus einem Stücke Metall

beſtehen, das mit Einſchnitten oder Löchern verſchiedener Größe und Nummer ver-

ſehen iſt, die den verſchiedenen Drahtdurchmeſſern entſprechen; oder ſie beſtehen aus

einzelnen am Ende gekrümmten und mit einer Oeffnung oder Spalte verſehenen

Drahtſtäbchen, und heißen Meß- oder Probering, haben aber jedes für ſich ihre

Nummern; oder ſie beſtehen, beſonders zur Meſſung des engliſchen Stahldrahtes,

aus einem mit mehreren Löchern verſehenen Stahlbleche. Eine ſinnreiche Erfindung

des Engländers Robiſon, womit man den Drahtdurchmeſſer in Hunderttheilen eines

Zolls beſtimmen kann, ſo wie noch ein anderes Meßinſtrument iſt auch bei Prechtl

S. 151. u. 152. beſchrieben.

³ Die Walzenpaare ſind ſämmtlich aneinander gekuppelt, damit ſie ſich wech-

ſelſeitig ihre Bewegung mittheilen. Bei einem Walzwerke, deſſen Walzen 8 Zolle

Durchmeſſer haben, kommen in einer Sekunde 8 Fuße 4½ Zolle Wiener Maaß

Draht aus dem Lezteren hervor; die Walzen machen 240 Umläufe in der Minute

und die Kraft der Maſchine iſt der von 8–10 Pferden gleich.

⁴⁾ Die kleinſten Zieheiſen ſind 56 Zolle lang und enthalten bis 400 Löcher.

Die größten haben eine Länge von 18–24, eine Breite von 3–6 und eine Dicke

von 1 Zoll. Ueber die Fertigung ſolcher Zieheiſen ſ. m. Prechtl a. a. O. IV.

158–164. Aber an die Stelle der Zieheiſen nimmt man neuerdings auch gebohrte

Edelſteine, als Diamante, Rubine, Saphire, Chryſolithe u. dgl. „Durch ein

Rubinloch von 0,0033 Zoll Durchmeſſer hat man einen, 170 Deutſche Meilen lan-

gen Silberdraht gezogen, deſſen beide Enden noch keinen meßbaren Unterſchied in

der Dicke zeigten. Ein gewöhnliches, in weichem Stahl gebohrtes Ziehloch wird

von dem Durchgange eines, nur 1400 Klafter langen Drahtes ſchon ſo ſehr erwei-

tert, daß es wieder kleiner gemacht werden muß.“ Prechtl a. a. O. S. 165.

⁵⁾ Nähere Beſchreibung eines ſolchen Werkes bei Prechtl a. a. O. IV. 176.

In der Regel beſteht eine ſolche Drahtmühle aus 2 Stockwerken, wovon das untere

die bewegende Maſchinerie, das obere aber die Ziehbänke hat. Dieſe Stoßzangen

paſſen nur für größeren Draht, da ſie den dünneren zu ſehr beſchädigen würden,

denn ſchon der Druck derſelben auf einen ſtarken Draht in verſchiedenen Abſtänden

verändert deſſen regelmäßige Geſtalt und gibt ihm eine unregelmäßige Dichtigkeit.

⁶⁾ Genaue Darſtellung eines Werkes dieſer Art auch bei Prechtl a. a. O.

181. Die Schleppzangen haben einen Zug von 5–30 Fuß Länge und dienen be-

ſonders zu feinem Silber- und Golddrahte.

⁷⁾ Dieſe Einrichtungen nennt man Rollen, Scheiben oder Leiern, und man

unterſcheidet, je nachdem ſie das Waſſer oder die Menſchenhand bewegt, die Waſ-

ſer- und Handleiern. Der ſogenannte Abführtiſch iſt nur eine ſtark gebaute

Handleier für ſtärkere Silber- und Golddrähte. Die Ziehſcheibe aber iſt ein für

die Fabrikation des feinſten Drahtes beſtimmte, vom Arbeiter ſelbſt bewegte Leier

von eigenthümlicher Form und Zuſammenſetzung. Prechtl a. a. O. IV. 188.

⁸⁾ Eine Beſchreibung eines ſolchen Mechanismus bei Prechtl a. a. O.

195 folg.

⁹⁾ Prechtl a. a. O. IV. S. 201.

¹⁰⁾ Darüber und von den Drahtverarbeitungen handelt auch Prechtl's Ency-

clopädie. IV. 204. 233. 256.

[373/0395]

§. 290.

3) Das Münzweſen.

Unter einer Münze verſteht man ein mit den Abzeichen, welche

Gepräge genannt wird, verſehenes Metallſtück von der Form ei-

nes kreisrunden niederen Cylinders. Die Münzen werden zu ver-

ſchiedenen Zwecken geſchlagen, entweder zum Gebrauche im Ver-

kehre als Tauſchmittel (Geldmünzen) oder zur Erinnerung an

wichtige Perſonen und Ereigniſſe (Denk- und Schaumünzen)

oder zur Auszeichnung für preiswürdige Thaten (Preis-, Ehren-

münzen oder Medaillen) oder zum Spiele als bloße Marken

(Spielmark-Münzen). Die Kunſt, ſolche Münzen zu fertigen,

heißt Münzkunſt und reicht in die bildenden Künſte erſten Ranges

hinauf, da es ſich oft um kunſtreiche Entwürfe handelt, welche

auf denſelben dargeſtellt werden ſollen. Man nimmt zu den Münzen

allerlei Metall und Metallcompoſitionen, aber zu den Geldmünzen

Platina, Gold, Silber und Kupfer, wovon die beiden mittleren

auch zu den feinſten Münzen anderer Art gebraucht werden. Die

Münzung1) zerfällt in folgende Operationen: a) Die Beſchickung,

worunter man urſprünglich die Füllung des Tiegels mit der zu

ſchmelzenden Metallmaſſe, dann aber jetzt beſonders die Miſchung

derjenigen Metalle verſteht, welche zur Münze zuſammengeſchmolzen

werden2). Der Schmelzer glüht und ſchmilzt die ihm vom Münz-

meiſter übergebenen Metalle in einem Tiegel im Windofen. Der

Münzwardein nimmt aus demſelben eine Probe (Tiegelprobe) zur

Unterſuchung der Feinheit der Maſſe. b) Der Guß der Stan-

gen oder Zainen. Hat die Tiegelprobe ihre Richtigkeit, ſo wird

die ganze Beſchickung in ein feuchtes Gemenge von Sand, Thon

und Kohlengeſtübe, oder in den Planenbogen (d. h. ein naſſes

zuſammengelegtes Zwillichſtück), oder in eiſerne Formen gegoſſen.

c) Das Strecken der Stangen oder Zainen. In dem bis-

herigen Zuſtande ſind die Zainen (Bleche oder Stangen) noch

nicht zu gebrauchen, ſie müſſen vom Streckmeiſter platt und

glatt gewalzt (geſtreckt) werden und kommen deshalb unter ein

Walz- (Streck-) Werk, nachdem ſie in einem Glühofen oder

in einer Glühpfanne durchgeglüht ſind3). d) Die Ausſtückelung

der Zainen (Münzſchienen). Haben die Zainen die gehörige

Gleichförmigkeit und Dicke der zu fabrizirenden Münzen, ſo ſchlägt

man (der Durchſchneider) aus ihnen die runden Münzſcheiben

(Platten) von der erforderlichen Größe. Dies geſchieht auf einer

Druckmaſchine, welche man Durchſchnitt nennt und deren unmit-

telbar auf die Zaine wirkender Theil ein ſenkrechter Stempel

[374/0396]

iſt4). e) Die Adjuſtirung der Platten. Da dieſe einzelnen

Platten dem Gewichte nach einander nicht gleich ſind, ſo müſſen

ſie einzeln gewogen, gefeilt und die zu leichten zurückgelegt werden.

Dies heißt man Adjuſtiren und thut der Juſtirer5). f) Das

Sieden der Platten. Die Platten, welche das gehörige Gewicht

haben, ſind nun äußerlich noch roh und unanſehnlich, deßhalb

erhält ſie der Sieder, welcher ſie in einer Flüſſigkeit ſiedet, die

denſelben ein ſchönes Anſehen gibt6). g) Das Prägen der

Platten zu Münzen. In dem jetzigen Zuſtande fehlt der Platte,

um eine Münze zu ſein, nur das Gepräge. Das Prägen geſchieht

jetzt allgemein durch das Präge- (Stoß-, Druck-) Werk oder

den Anwurf. Daſſelbe gibt der Platte den Avers (Bruſtbild-

ſeite) und den Revers (Wappenſeite) auf einmal, und ſein wich-

tigſter oder operirender Theil iſt eine verticale Schraube an einer

Preſſe, welche den Prägeſtempel, der den Avers führt, auf die

Platte drückt, die auf dem Prägklotze (dem unteren Stempel)

liegt, welcher den Revers führt7). Dieſes Geſchäft thut der

Präger. Die lezte Arbeit iſt aber h) das Rändeln der Münzen.

Um die Münzen vor dem Beſchneiden zu bewahren, gibt man ihrem

Rande noch gewiſſe Einſchnitte, wozu auch der daran oft befindliche

Wahlſpruch gehort (Rändelung oder Kräuſelung und Rand-

ſchrift). Man gibt denſelben dieſen Rand, indem man jede

Münze einzeln zwiſchen zwei Walzen oder Stangen von paralleler

Bewegung, die die Form der Rändelung und Randſchrift haben,

zwängt (Rändel- oder Kräuſelwerk). So iſt die Münze fertig.

Aber die Art der bewegenden Kraft in einer Münzſtätte iſt ſehr

verſchieden8). Auch gehört das Probiren der circulirenden Münzen

zu den Geſchäften des Münzers9).

¹ Poppe, Handbuch der Technologie. I. 269. Hermbſtädt Technologie. II.

§. 824. Beckmann, Anleitung zur Technologie. S. 641. v. Praun, gründliche

Nachricht von dem Münzweſen. Leipzig 1784. 3te Aufl. von Klotzſch. Buſſe,

Kenntniſſe und Betrachtungen des neueren Münzweſens. Leipzig 1795 und 1796.

II Bde. Flörke, Münzkunſt und Münzwiſſenſchaft. 1805 (97r Bd. der Oekonom.

Encyclopädie von Krünitz). Dieze, Geſchichtliche Darſtellung des alten und

neuen deutſchen Münzweſens. Weimar 1817. Weilmeyer, allgemeines Münz-

wörterbuch. Salzburg 1817. II Thle. Prechtl Jahrbücher. VII. 75.

² Zum Behufe der Legirung oder Beſchickung iſt eine Gewichtseinheit

nothwendig, nach der dieſelbe vorgenommen wird. Dieſe iſt in Deutſchland die

kölniſche Mark = 8 Unzen = 16 Loth = 64 Quentchen = 256 Pfennig-

gewichten = 4352 Etzchen = 65,536 Nichtpfenniggewichtchen = ½ Pfd. preuß.

= 13,36 Loth bairiſch = 14,89 Badenſch = 0,23 Kilogramm franzöſ. = 4864

holländ. Aen, für Silber; aber dieſelbe kölniſche Mark = 24 Karat = 288 Gran,

für Gold; — in Frankreich für beides 1 Kilogramm = 10 Hectogrammen

= 100 Decagr. = 1000 Grammen = 10,000 Decigrammen zu 2 holländ. Aen

Gewicht, alſo = 20,8128 holländ. Aen; — und in Großbrittannien das

Pound Troy (Troypfund) = 12 Ounces (Unzen) = 240 penny weights (dwts

[375/0397]

² = Pfenniggewichten) = 5760 Crains = 7766 holländ. Aen = 25,5234 preuß.

Loth. für Silber, und ein ſolches = 24 Carats = 96 grains = 384 quarters für

Gold. Die Legirung mit Kupfer heißt die rothe, jene mit Silber die weiße,

und jene mit beiden zugleich die gemiſchte. Die unlegirte Mark heißt fein,

die legirte aber rauh. Der Gehalt einer Goldmünze an Gold, und einer Silber-

münze an Silber heißt Feingehalt, jener an Beſchickung aber Legirung, das

ganze Gewicht einer Münze jedoch das Schrot, und das Verhältniß des Fein-

gehaltes zu dieſem Korn. Dieſes iſt alſo der in einem Bruche ausgedrückte Fein-

gehalt, und wird beim Silber auf 16 Lothe, beim Golde auf 24 Karate berechnet,

welches beides den höchſten Grad der Feinheit bezeichnet. Daher ſagt man, eine

Silber-Münze halte z. B. 347[FORMEL] holländ. Aſſe fein, habe ein Schrot von 463 holl.

Aſſen, ſie ſei 12 löthig, womit man das Korn bezeichnet, oder eine Goldmünze

habe eine Schrot von 72 holländ. Aſſen, einen Feingehalt von 71,43 holl. Aſſen,

und ein Korn von 23 Karat. 7,1 Gran oder ſei 23[FORMEL] karätig. Was als Münz-

koſten oder Gewinn für das Prägen von dem Münzmetalle genommen wird, heißt

Schlag- oder Prägeſchatz.

³ Nach dem Strecken wird auch öfters noch eine Verdünnung auf der Ad-

juſtirbank (auf dem Adjuſtirwerke) vorgenommen. Ein verzahnter Balken von

Eiſen wird an zwei Kurben auf derſelben hin und her bewegt, und eine an ihm

ſitzende Zange zieht die Zainen dann zwiſchen zwei ſtarken Tafeln von Stahl

(Backen), die man zuſammen Durchlaß nennt, hindurch. Karmarſch Mecha-

nik. II. 52.

⁴⁾ Der Stempel hat einen verſtählten ſcharfen Rand, paßt gerade auf eine

verſtählte eben ſo ſcharfe Oeffnung in einer Unterlage, und ſchneidet im Herabgehen

aus den Zainen die gewünſchten Platten aus, die dann in eine Lade fallen. Man

kann denſelben durch die Hand, durch den Fuß oder auf andere Art bewegen.

Früher wurde die Münze mehr aus der Hand gearbeitet. Karmarſch a. a. O. II. 71.

⁵⁾ Es iſt, weil man es darin eben ſo wenig zu einer mathematiſchen Gleich-

heit bringen kann, als in der chemiſchen Vertheilung der Legirung bis ins Unend-

liche, dem Adjuſtirer eine arithmetiſche Gränze geſetzt, wie weit der Gehalt der

Münze vom eigentlich geſetzlichen abweichen kann. Dieſes Mehr oder Weniger heißt

Remedium. Ueber Gengembre's Maſchine dazu ſ. m. Karmarſch. II. 74.

⁶⁾ Zum Weißſieden des Silbers nimmt man Kochſalz und Weinſtein, aber

kein verdünntes Scheidenwaſſer, und nach dem Sieden ſcheuert man ſie in Kohlen-

geſtübe in Tonnen oder in Zwillichſäcken, und trocknet ſie dann in Siedeſchaalen auf

dem Weißſiedeofen. Die Goldplatten ſiedet man in einer Auflöſung von weißem

Vitriol, Salmiak und Spangrün.

⁷⁾ Man bewegt die Schraube durch einen, an beiden Enden mit Metallkugeln

verſehenen Schlüſſel, indem man dieſen durch Seile, welche an den Kugeln feſt-

gemacht ſind, hin und her ſchwenkt. Den Stempel hebt man aber in die Höhe

durch die Wippe, d. h. einen in einer Gabel hängenden Hebel, der an einem

Ende beſchwert iſt. Die Prägeeinrichtungen ſind übrigens im Einzelnen abweichend.

Früher prägte man mit dem Hammer, welchen der Zuſchläger auf die Platte

richtete, die auf dem Prägeſtocke lag. Für kleine Münzen iſt dieſe Methode noch

angewendet, indem aber blos ſtatt der Schraube ein Hammer wirkt. Man nennt

dieſes das Klip- oder Schlagwerk. Auch durch Walzwerke prägt man

Münzen, indem die eine Walze den Avers, die andere den Revers führt, und die

Platte zwiſchen beiden durchgeht. S. Karmarſch a. a. O. II. 75. 79.

⁸⁾ Menſchenkraft, Waſſer, Dampf. Jedenfalls iſt durch die lezte Kraft am

meiſten zu leiſten. Von dieſer Art iſt das bewunderungswürdige, mit Hilfe von

wenigen Menſchenhänden operirende, ja ſogar die Zahl der in gewiſſer Zeit gepräg-

ten Münzen ganz ſelbſt anzeigende Boulton'ſche Münzwerk in Birmingham

eingerichtet, in welchem 1 Druckwerk 8 Maſchinen in Bewegung ſetzt, welche

zuſammen ſtündlich 30–40,000 Geldſtücke liefern. Nemnich, Neueſte Reiſe durch

England, Schottland und Irland. Tübingen 1807. S. 327. Klüber, das Münz-

weſen in Deutſchland. Stuttgart und Tübingen 1828. S. 100–101. Nach

Lezterem liefert die Pariſer Münze in einer Stunde 2500 Goldſtücke von 40–20 frs.,

2000 Silberſtücke von 5 frs., 2500 ſolche von 2 und 1 frs. und 3000 ſolche von

[376/0398]

⁸⁾ ½ frs. Ueber die königl. Münze in England Dingler polytechniſches Journal.

XVI. 401. XVII. 74. XXXII. 72. 151. XXXIV. 234. XX. 409.

⁹⁾ Man ſ. darüber Poppe I. 290. Hermbſtädt II. §. 834 und 835.

Le Sage Kunſt, Gold und Silber zu probiren. Leipzig 1782. 8. Stratingh,

Chemiſches Handbuch für Gold- und Silberarbeiter. Aus dem Holländiſchen überſetzt

von Schultes. Augsburg 1829. Ueberhaupt die Schriften über techniſche Chemie.

IV. Die Erde-, Stein- und Brenzeverarbeitung.

§. 291.

1) Gipsabgießerei.

Ein Abguß iſt die Nachbildung eines Originals vermittelſt

des Gießens entweder in Feuer zum Fluſſe gebrachter und beim

Erkalten wieder erhärtender Materien (z. B. Schwefel, Metalle)

oder durch Flüſſigkeit erweichter und nach der Erweichung ſchnell

hart werdender Stoffe (z. B. Gips, Hauſenblaſe). Ganz vorzüg-

lich eignet ſich der Gips durch ſeine Eigenſchaften zu dieſem Ge-

brauche1). Es iſt begreiflich, daß man vor allen Abgußarbeiten

in der Wahl des Originals ſehr behutſam ſei, und, wenn es ſich

um eine kunſtgerechte treue Nachbildung von Werth handelt, nie-

mals eine Copie nehme, weil die Copien immer dem Originale

nicht gleich, ſondern blos ähnlich ſind, ſich nie die ſcharfen Züge

des Originals zueignen und ſich von der genauen Aehnlichkeit

immer mehr entfernen, in je entfernterem Grade die Copie vom

Originale abſtammt2). Hat man ein gewünſchtes Original, ſo

iſt die erſte Arbeit die Bildung des Gußmodels und die zweite der

Abguß ſelbſt. Die Manipulationen ſind aber dabei nach der Geſtalt

des Originals und Models verſchieden, und man hat hiernach fol-

gende Gußformen: 1) Der Guß in eintheiligen offenen

Formen, z. B. von Münzen, Medaillen, Platten nach hiſtoriſchen

Gemälden, Portraiten u. dgl. mit halberhabener Arbeit. Sie ha-

ben nur eine oder auch zwei zu gießende Seiten, aber die Mani-

pulation iſt im Grunde dieſelbe3). Um das Model zu bilden,

befeſtigt man, je nach der Größe des zu gießenden Bildes, um

den Rand des Originals auf irgend eine Weiſe, z. B. mit einer

Nadel, mit Wachs, Leim, Kleiſter, ein Stück Papier, Pappe,

Schindeln, Lehm u. dgl. (Zarge genannt) ſo, daß es um daſſelbe

hervorragend einen Cylinder von entſprechender Höhe und derjenigen

Form bildet, welche die Flächenbegränzung des Originals angibt.

Jetzt trägt man zuerſt mit einem feinen Pinſel den flüſſigen Gips

ganz fein und ſorgfältig auf das Original und gießt dann darauf

ſchnell noch Gips nach, bis der ganze hohle Cylinder ausgefüllt

iſt. Iſt die Maſſe erhärtet, dann hat man die Form, und auf

[377/0399]

dieſe blos zu gießen, um Abgüſſe zu erlangen4). 2) Der Guß

allſeitiger geſchloſſener und hohler Formen, z. B. von

Büſten, Statuen, Figuren u. dgl. Will man ganz einfache

Figuren, wie z. B. Kugeln, Eier, Obſt, Cylinder gießen, ſo

verfährt man anders, als beim Guſſe von zuſammengeſetztern,

manchfaltige Form habenden, Geſtalten. Die Bildung des Models

und deſſen Zuſammenſetzung iſt das Weſentliche und Schwierigſte.

Zur Modellirung jener einfachen Dinge legt man um den weiteſten

Umfang eine Zarge, wie ſie oben beſchrieben iſt, und gießt dann

ſo lange Gipsmaſſe darein, bis der Gegenſtand ganz bedeckt iſt.

Iſt die Gipsumhüllung ganz hart, ſo nimmt man ſie ab, ſchneidet

ſie eben an der Fläche, mit der ſie auf der Zarge aufſaß, und

macht in dieſelbe einige halbrunde Einſchnitte (Marken genannt).

Wenn ſie bis zum Klingen getrocknet iſt, ſo ſchmiert man ſie mit

Oel oder tränkt ſie mit Terpentinfirniß, legt den Gegenſtand wie-

der in dieſen Theil des Models, verſieht dies gegen die andere

Seite mit einer Zarge, gießt Gipsmaſſe auf und ſo bildet ſich der

andere Theil, es entſteht das Model fürs Ganze, und die zwei

Theile haben eine feſte Haltung auf einander, indem durch den

Guß am anderen Theile Zäpfchen entſtehen, welche gerade in die

Marken des unteren paſſen. Jetzt ſchneidet man nur von Außen

trichterförmig das Gießloch (den Einguß) in einen Theil der

Form und das Model kann zum Guſſe gebraucht werden. Es iſt

aber immer beſſer, wenn man mehr als zwei Theile aus einem

Modelle macht, und dies iſt unfehlbar nöthig bei der anderen zu-

ſammengeſetzteren Art von Formen. Zur Bildung der Modelle für

dieſe Güſſe hat man drei Methoden. Nämlich a) man fertigt zu

einem Originale mehrere Formen, und läßt jede in einigen Stücken

beſtehen, die, ein jedes für ſich, nur einen Theil des Abguſſes

bilden5); oder b) man überzieht das ganze Original mit einer

1–3 Zolle dicken Gipskruſte, theilt nach ihrer Härtung die Ober-

fläche deſſelben in paſſende Felder ein, wie man die Kruſte ſtück-

weiſe am beſten abnehmen kann, ohne die Verbindungsnahten über

rein und fein auszuarbeitende Theile des Abguſſes zu führen,

ſchneidet entweder mit der Säge oder arbeitet mit dem Meißel

dieſen Felderlinien nach den Gipsüberzug durch, jedoch nicht bis

auf's Original, ſondern ſo weit, daß derſelbe noch Zuſammenhalt

hat, und ſprengt endlich dieſe Felder ſorgſam los, wobei auch das

noch Zuſammenhängende zerbricht. Dieſe Theile fügt man dann

auf irgend eine Art zum Modelle zuſammen und hat ſo die hohle

Gußform, in welcher man den Guß vollführt6). Oder endlich

c) man zeichnet ſich auf dem Originale ſelbſt die Formfelder vor,

[378/0400]

begrenzt ſogleich Eines derſelben mit einer Zarge von Thon oder

Lehm u. dgl., trägt auf daſſelbe den Gips auf, nimmt das ſo

entſtandene Modelſtück ab, beſchneidet es an den Seiten keilförmig,

ſchneidet die erforderlichen Marken ein, legt das ſo geſtaltete

Modellſtück wieder auf ſein Feld, umzargt das nächſtliegende Feld,

verfährt mit demſelben ebenſo wie mit dem vorherigen, und ſo

fort, damit nach und nach das ganze Model entſteht, an welchem

die einzelnen Stücke durch Marken und Zäpfchen einen guten Zu-

ſammenhalt haben7). Will man nun nach dieſen Modellen voll

gießen, ſo wird die Gipsmaſſe eben eingegoſſen. Allein man gießt

die Copien leichter, wohlfeiler und gefahrloſer für die Modelle

hohl, indem man zuerſt einen dünnen Gipsbrei in das Model gießt,

und durch gehöriges ſorgfältiges Bewegen deſſelben das Ueberziehen

des Innern davon mit einer Gipskruſte bewirkt, hierauf aber,

noch ehe die Gipsmaſſe erhärtet iſt, unter derſelben Arbeit wieder

eine neue Quantität des Breies nachgießt8).

¹ Prechtl Encyclopädie. I. 68. Deſſelben Jahrbücher. XI. S. 1. Wenn

der Gips, gebrannt und fein gemahlen, mit Waſſer zu einem Breie erweicht wird,

ſo erhärtet er äußerſt ſchnell ſehr ſtark, und es entſteht in der Maſſe, wenn man

ſie blos mit der Hand berührt, eine Erwärmung und eine Vergrößerung des Um-

fanges. Man muß aber durch Praxis erfahren, wie lange und wie ſtark der Gips

geröſtet und wie viel Waſſer zum Behufe ſeiner entſprechenden Erhärtung beigeſetzt

werden muß. Wenn derſelbe vor dem Anrühren erwärmt wird, verhärtet er ſich

beſſer. Das Anrühren des Breies muß aber unter beſtändigem ſchnellem Umrühren

geſchehen, um Blaſen zu verhüten, und mit ſoviel Waſſer, daß ſich die Maſſe nicht

ſo ſchnell verhärtet. Andere Beimiſchungen von erdigen Theilen verbeſſern die Maſſe

nicht, ſondern benehmen ihr ihre Verhärtbarkeit.

² Bei der Benutzung derſelben hat man wegen Beſchädigungen ſehr behutſam

zu ſein, beſonders z. B. bei Antiken u dgl. Man kann aber nicht blos von todten,

ſondern auch von Händen, Füßen und Geſichtern lebender Menſchen Modelle nehmen.

Es wird das Geſicht z. B., wenn die Perſon auf dem Rücken liegt, mit Oel über-

ſtrichen, das Haar in demſelben mit einem Mehlkleiſter fein bedeckt, in jedes

Naſenloch zum Athmen entweder ein Röhrchen oder ein Papierdütchen geſteckt, eine

Zarge von Tuch gemacht und ein ſehr ſchnell verhärtender Gipsbrei aufgegoſſen.

³ Um der Gefahr nicht ausgeſetzt zu ſein, daß man das Model und Original

oder den Guß und das Model nicht mehr von einander trennen könnte, ſo ſchmiert

man das Leztere von Beiden entweder mit reinem Baumöle oder mit einer Salbe

aus Baumöl und in Waſſer aufgelöster Seife. Lezteres iſt beſſer, weil das Oel

allein, wenn man nur wenig nimmt, ſich in das Original hineinzieht, und dann

ein noch feſteres Ankleben des Models verurſacht, und weil, wenn man viel Oel

nimmt, daſſelbe die Vertiefungen des Originals ausfüllt und das Model ſtumpf

macht, aber auch den Gips nicht hart werden läßt.

⁴⁾ Eine auf beiden Seiten abzugießende Münze, Medaille u. dgl., wird mit

einer Zarge nach beiden Seiten umgeben, und auf beide Seiten Gipsbrei gegoſſen,

um für den Revers und Avers das Gußmodel zu haben. Für ſehr wenige Copien

kann man ſich von Münzen u. dgl. auch Modelle von Stanniol machen, welche

ſehr ſcharfe Abgüſſe liefern. Man umwickelt die abzumodellirende Fläche mit einem

Stanniolblättchen und ſchlägt mit einer ſteifen Bürſte ſo lange darauf, bis ſich das

Gepräge ganz ſcharf heraushebt, und nimmt davon den Stanniol ſorgſam ab, der

dann als Model dient.

[379/0401]

⁵⁾ Man umgibt den abzumodellirenden Theil mit einer Zarge von Thon und

pinſelt oder gießt, je nach Thunlichkeit, den Gipsbrei auf. Dieſe ſo erhaltenen

einzelnen Theile werden durch Eiſendraht und Gipsbrei möglichſt unmerklich mit

einander zu einem Ganzen verbunden, und dies als Model gebraucht. Es iſt leicht

begreiflich, daß dieſe Methode kein ſicheres Reſultat liefert.

⁶⁾ Man bedient ſich zur Verbindung dieſer Theile der Schnüre. Um aber das

Original vor Beſchädigung beim Sprengen zu bewahren, überſtreicht man es zuerſt

mit einer ½-1 Zoll dicken Gipsdecke, der man einen ſchwarzen Anſtrich gibt, ehe

man den übrigen Gipsbrei noch aufträgt. Die ſchwarze Decke dient als Grenze für

das Eindringen des Meiſels beim Sprengen. Auf dieſe Art kann man nur wenige

brauchbare Abgüſſe machen, weil ſich die gezackten Ränder der Modeltheile leicht

abreiben und bald ſehr ſtarke Gußnähte verurſachen.

⁷⁾ Man firnißt dieſe Formſtücke oder tränkt ſie mit Fett. Um aber denſelben

als einem Ganzen mehr Zuſammenhalt zu geben, modellirt man über dieſes noch

ein zweites, aus drei Theilen beſtehendes, Model, was leicht thunlich iſt, weil das

Aeußere jenes Models gar nicht ſcharf gerandet iſt. Das neue Model bildet ſo die

Schaale des Erſteren, das nach Nummern ſtückweiſe eingeſetzt wird, und ſogar,

wenn es nöthig wird, auch mit Drähten an die Schaale befeſtigt werden kann; nur

muß man zu dieſem Behufe Drahtöhre eingießen.

⁸⁾ Dieſe Abgüſſe können gefärbt und polirt werden. Erſteres, wenn man dem

Abgußbreie ein Pigment, z. B. Zinnober, Mennige, Bergblau, Beinſchwarz, als

Pulver beimiſcht oder den Gips mit gefärbtem Waſſer anmacht. Das Poliren be-

wirkt man durch Anſtreichen mit Seifenwaſſer und Abreiben mit feiner Leinwand;

oder durch Ueberſtäuben und Abreiben mit Federweiß; oder durch Tränken mit

einer Flüſſigkeit aus 3 Theilen Leinölfirniſſes und 1 Theil weißen Wachſes. Das

Bronziren, Mahlen u. dgl. iſt für gute Abgüſſe ſchädlich, weil es die Züge undeut-

licher macht.

§. 292.

2) Die Glasbereitung.

Glas nennt man eine aus Alkalien und Kieſelerde in heftigem

Feuer entſtandene reine, gleichförmige, durchſichtige, in Waſſer

unauflösliche, blos von Flußſpathſäure affizirbare, ſehr ſpröde

Schmelzmaſſe. Seine Fabrikation und Formung1) iſt einer der

wichtigſten Gewerkszweige. Man unterſcheidet in Bezug auf die

Farbe gewöhnlich, obſchon etwas unlogiſch, grünes, weißes,

halbweißes und farbiges Glas, — in Bezug auf ſeine Form

Hohl- und Tafelglas, — in Bezug auf beſondere Beſtandtheile

deſſelben Kryſtall- (wozu auch das Flintglas gehört), Kreide-,

Glauberſalz- und bleihaltiges Glas, — in Bezug auf den

Gebrauchszweck Bouteillen-, Fenſter-, Spiegel- und opti-

ſches Glas. — Es gehören aber auch die künſtlichen Edel-

ſteine, Emaille und Glasflüſſe anderer Art hierher. Die we-

ſentlichen Beſtandtheile der Glasmaſſe ſind die Kieſelerde und

Alkalien2). Dieſe werden in einem gewiſſen Miſchungsverhältniſſe

vermengt, um geſchmolzen zu werden, und heißen zuſammen Glas-

ſatz (Fritte). Die Vermengung und Schmelzung geſchieht in

abgeſtumpft pyramiden- oder kegelförmigen Tiegeln (Glashäfen),

welche auf der Glashütte ſelbſt (in der Glasfabrike) aus feuer-

[380/0402]

beſtändigem eiſenfreien Thone und gebranntem Thone oder Scherben

von alten Glashäfen gefertigt werden. Dies Schmelzen in Tiegeln

und überhaupt die ganze Glasbereitung geſchieht, bis auf die

Arbeiten des Glasblaſens, in Oefen. Man hat aber verſchiedene

Oefen auf der Glashütte, nämlich a) den Calcinir- oder Fritt-

ofen, in welchem die Fritte zuerſt nur roh zuſammengeſchmolzen

wird; b) den Glas-, Schmelz- oder Werkofen, in welchem

die Fritte noch vollends klar oder blank geſchmolzen wird, um das

Glas daraus blaſen zu können; c) den Kühlofen, welcher mit

dem Werkofen in Verbindung ſteht, durch deſſen Hitze zum Theile

erwärmt wird und dazu dient, das geblaſene Glas allmälig abzu-

kühlen; d) den Streckofen, ganz wie der Kühlofen geſtaltet,

und auch nur ein Kühlofen, in welchem das zu Tafeln beſtimmte

Glas die Flächengeſtalt erhält3). Der Glasſatz wird in den Tie-

geln des Frittofens unter Umrühren geglühet, bis er anfängt

zuſammen zu ſchmelzen. Hierauf wird derſelbe löffelweiſe ausge-

ſchöpft, und in die Tiegel des Werkofens, welche vorher ſchon

weißglühend heiß gemacht ſein müſſen, ſo portionenweiſe gegoſſen,

daß erſt, wenn die vorherige ganz geſchmolzen iſt, die neue hinzu-

kommt. Bei dem erſten Schmelzen wird die Kohlenſäure ausge-

trieben und dann ſteigt eine Schichte von verſchiedenen Salzen

oben auf, die man Glasgalle nennt und abſchöpft. Die 12 bis

30 Stunden dauernde Schmelzung iſt beendigt, wenn kein unauf-

gelöstes Körnchen mehr in der Fritte iſt, die trüben Streifen ver-

ſchwunden ſind, kein Schaum und keine Luftblaſen mehr erſcheinen.

Jetzt beginnt die mechaniſche Arbeit des Glasblaſers, der mit

der Pfeife (d. h. einem 3–5 Fuße langen ſchmiedeiſernen, am

Ende mit einem kleinen hohlen Knöpfchen verſehenen, oben mit

einem hölzernen Griffe zum Anfaſſen beſetzten Blaſerohre) ein

bißchen Fritte aus dem Hafen nimmt, durch Blaſen und Schwenken

einen hohlen Cylinder daraus bildet, und dieſen Cylinder auf einer

neben ihm liegenden Marmor- oder Kupferplatte rollt, um ihn

eben zu machen. Dieſe Arbeiten, welche man ſehen muß, um eine

klare Vorſtellung davon zu bekommen, geſchehen nicht ununter-

brochen fort, ſondern die ſo im Hüttenraume bearbeitete Fritte

muß immer von Zeit zu Zeit wieder in den Ofen geſteckt werden,

damit ſie ſich weich erhalte und leicht ausdehne. Die verſchiedenen

Formen erhält das Glas durch Eindrücken mit einem Eiſen und in

vorhandene Modelle. Soll aber Tafelglas gemacht werden, ſo wird

auf obige Weiſe ein Cylinder von verſchiedener Größe geblaſen,

geebnet, und dann mit einem Diamanten nach der Länge aufge-

ſchnitten. Von der Pfeife bringt man dann die Gläſer durch einen

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Schnitt mit der Scheere ab. Das Hohlglas kommt hierauf in den

Kühl-, das Tafesglas in den Streckofen, beides um durch all-

mäliges Abkühlen vor Sprödigkeit bewahrt, und Lezteres um in

die Tafelform vollends umgebildet zu werden4).

¹ v. Keeß Darſtellung. II. 840906. Loyſel, Verſuch einer Anleitung

zur Glasmacherkunſt. Aus dem Franzöſiſchen. Frankfurt a. M. 1802. Mit Kupfer-

tafeln. Hermbſtädt Technologie. II. §. 798. Poppe, Handb. der Technologie.

III. 598. Prechtl Jahrbücher. II. 136.

² Je reiner die Kieſelerde, deſto ſchöner das Glas. Man nimmt daher

am beſten Bergkriſtall, Quarz, Quarzſand oder Feuerſtein. Unreine Kieſelarten

müſſen zuerſt gereinigt werden. Vom eiſenhaltigen Thone, den ſie gar nicht haben

dürfen, werden ſie durch Verwaſchen oder Schlämmen befreit. Iſt dies aber nicht

genügſam, ſo ſoll man 50 Pfund Quarzſand in Waſſer legen, in welchem 1 Pfund

Salzſäure gemiſcht iſt. Um Quarzſtücke zu benutzen, müſſen ſie gepulvert werden,

und das geſchieht durch Röſten in heftigem Feuer und plötzliches Werfen in kaltes

Waſſer nach der Röſtung. Dies verurſacht Riſſe. — Von den Alkalien nimmt

man Natron, Kali oder Kalk. Erſtes iſt am zweckmäßigſten, und das kohlen-

ſaure Natron am reinſten, wenn es vom Kryſtalliſationswaſſer frei und getrocknet

iſt; ebenſo auch Glauberſalz; das Kochſalz gebraucht man dazu beſonders in

Verbindung mit Kali; boraxſaures Natron nimmt man wegen ſeiner Koſtbar-

keit in der Regel nur zu feinſten Glasarbeiten. Das Natronglas iſt das härteſte.

Vom Kali nimmt man in der Regel nur das kohlenſaure, nämlich Pottaſche,

von welcher ſich die Kohlenſäure gewiß trennt, da ſich die Kieſelerde leichter mit

Kali verbindet, als die Kohlenſäure, und ſo kieſelſaures Kali bildet. Das Kaliglas

wird glänzender als das Natronglas, daher man es zu Spiegeln und Leuchtern

nimmt. Der Kalk als Alkalizuſatz iſt für ſich unzureichend, weßhalb ihm noch

Natron oder Kali zugeſetzt werden muß. In der Regel nimmt man Kalkhydrat,

auch Kreide, auch Flußſpath (Fluorcalcium). Viel Kalkgehalt macht das

Glas von Waſſer und Säuren angreifbar. — Von dieſen beiden Ingredienzien

nimmt man am beſten ziemlich gleichviel. Ueberſchuß an Kieſelerde erſchwert das

Schmelzen, verurſacht Körner und daher Sprünge im Glaſe. Ueberſchuß an Alkali

erleichtert das Schmelzen und verhütet die Trübung des Glaſes durch die ſogenannte

Glasgalle, aber beim Erhitzen werden die Gläſer dadurch matt. Außer dieſen Zu-

ſätzen gibt man auch noch oxydirende und ſolche, um die Gläſer zu färben. — Das

Anführen von Glasrecepten würde hier unnöthigerweiſe viel Raum wegnehmen; es

finden ſich ſolche in obigen Schriften in außerordentlicher Anzahl; auch bei

Schweigger Journal der Chemie. XV. S. 90. Man macht auch Glas ohne

Pott- und Holzaſche (Le Guay in den Annales de l'Industrie nationale etc. Août

1822. Prechtl Jahrbücher. IX. 423.). Ueber Metallzuſätze zum weißen Glaſe

ſ. m. Dingler polytechn. Journal. IX. 233, und, wie Hermbſtädt angibt, im

New London Mechanics Register. N. 14. p. 313 (nach Cooper). Ueber Verfer-

tigung des rothen Glaſes ſ. m. Dingler polytechn. Journal. XXVIII. 299 (nach

Engelhardt), und über jene des blauen Glaſes ebendaſelbſt XXX. 412. und

Verhandlungen des Gewerbsvereins in Preußen. Jahrg. 1829. S. 180 (auch nach

Engelhardt). Man gibt dem Glaſe eine blaue Farbe durch Kobaltoxyd

(m. ſ. eine vortreffliche Darſtellung der Schmaltebereitung bei Lampadius Handb.

der Hüttenkunde. II. Thl. III. Bd. S. 86–142.); die grüne durch Kupfer-,

Eiſen- oder Chromoxyd; die rothe durch Eiſenoxyd oder durch Goldpurpur; die

violette durch Manganoxyd oder Braunſtein; die gelbe durch einen grünen

Birkenzweig, mit welchem man die Fritte umrührt, oder durch eine Beimiſchung

von Spießglanz- und Uranoxyd oder Silberchlorid (ſalzſaures Silber). Schwarzes

Glas wird durch Zuſatz von Eiſen, Braunſtein und Kobalt, grünes aber auch

noch durch Zuſatz von Kobalt- und Spießglanzoxyd mit Silberchlorid bereitet. —

Das Flintglas (Kieſelglas) iſt ein vorzüglich reines helles Glas; das Crown-

glas (Kronglas) aber ein ſehr dickes helles reines Tafelglas. Beide, Erfindungen

der Engländer, werden zu optiſchen Inſtrumenten gebraucht. v. Keeß a. a. O.

[382/0404]

² II. 886. 888., wo auch S. 889 verſchiedene Recepte für künſtliche Edelſteine aller

Art angegeben ſind; ebenſo Poppe Handbuch. III. S. 618. Hermbſtädt. II.

§. 808.

³ Der Werkofen bedarf einer beſondern Beſchreibung. Er iſt einem Back-

ofen nicht unähnlich. Unten an ihm befindet ſich das Aſchenloch; oberhalb dieſes

das Schürloch; über dieſem die Oeffnung zum Einſetzen der Glashäfen, die,

wenn dieſe darin ſind, geſchloſſen wird; die Glashäfen ſtehen darin auf einem her-

vorſpringenden Mauerwerk (Bank genannt) im Schmelzraume entweder im

Kreiſe oder an den vier Seiten, je nach der Geſtalt des Ofens; vor jedem Hafen

iſt ein Arbeitsloch (Fenſter), das zu den Arbeiten des Glasblaſers dient und

durch gebrannte Thonröhren (Hufeiſen) verengert werden kann; unter dem

Schmelzraume iſt der Feuerheerd und unter dieſem der Aſchenheerd angebracht.

⁴⁾ Die übrigen Verarbeitungen des Glaſes zu Spiegeln, Moſaik, Pokalen

u. dgl. ſind Gegenſtand anderer Gewerkszweige, finden ſich aber auch in obigen

technologiſchen Schriften beſchrieben.

§. 293.

3) Die Bleiſtiftverfertigung.

Die Bleiſtifte ſind kleine Stäbchen von Graphit, dieſer

aber iſt eines der brenzlichen Mineralien (Brenze). Man hat

natürliche und künſtliche Graphitſtifte. Jene ſind aus dem bis

jetzt nur in England gefundenen reinen dichten Graphit auch nur

in England gefertigt und daher zu beziehen. Dort verſägt man

die großen Graphitſtücke in Platten, glättet dieſe auf wagerechten

Scheiben aus und zerſägt ſie in Stifte von beliebiger Dicke, die

man dann entweder unmittelbar in die bekannten ſilbernen oder

überhaupt metallenen Hülſen bringt, oder auch in Holz faßt und

verkauft. Den Mangel an hinreichend wohlfeilen Bleiſtiften dieſer

erſten Klaſſe ſucht man durch künſtliche zu erſetzen, indem man

den, hauptſächlich in Böhmen und Baiern gefundenen, blättrigen,

erdigen und ſtaubartigen Graphit nimmt, mit andern bindenden

Materien miſcht, und entweder in große Maſſen formt, aus denen

man die einzelnen Stifte ſchneidet, oder aber noch im weichen

Zuſtande die Stifte bereitet1). Die früheren Bindemittel, als

Gummi, Leim, Tragalith, Hauſenblaſe, Schwefel, Kolophonium,

Schellack und roher Spießglanz ſind jetzt als mehr oder weniger

unbrauchbar von dem Thone verdrängt worden, denn dieſer macht

die Maſſe leicht formbar und bis zu jedem beliebigen Grade härtbar,

wenn er fett, zähe und frei von Kalk und Eiſenoxyd iſt. Thon

und Graphit wird im Stößer oder auf kleinen Handmühlen pul-

veriſirt, dann geſiebt, und hierauf (beſonders Erſterer) verwaſchen

oder geſchlämmt, bis alles Fremdartige, Grobe davon hinweg iſt.

Darauf werden dieſelben ſehr ſorgfältig nach den einmal durch

Erfahrung bewährten Verhältniſſen gemiſcht, welche ſich zwiſchen

4–8 Thln. Thon auf 5 Thle. Graphit herumbewegen, wenn die

[383/0405]

Stifte gut werden ſollen. Die Miſchung geſchieht in eigens dazu

gebauten Mühlen, die von Menſchen oder auf eine andere Art

bewegt werden2). So iſt der Teig ſchon zähe, aber noch nicht

im gehörigen Grade, weßhalb er erſt noch recht durchgearbeitet

wird, um ihn luftfrei und dicht zu machen. Zu dieſem Behufe

ſchneidet man mit einem, die Sehne eines Bogens bildenden,

Eiſendrahte von der Maſſe Blätter ab und knetet ſie, bis obiger

Zweck erreicht iſt. So wird der Teig ballenweiſe aufbewahrt bis

zur Bearbeitung. Um aber die Reißbleiſtifte zu bilden, hat man

folgende zwei Werkzeuge: a) Entweder Bretter mit parallelen

Rinnen (oder Nuthen) von der Dicke des zu bildenden Bleiſtiftes,

in welche mit der Hand oder durch eine Preſſe der Teig eingedrückt

wird. b) Oder kupferne, auch meſſingene Platten von der Dicke

des zu bildenden Stiftes, in welche ſolche parallele Einſchnitte

gemacht ſind, in die man auf die ſo eben angegebene Weiſe den

Teig eintreibt3); c) Oder, wenn man runde und vierkantige

Stifte machen will, ein Inſtrument, das aus einem Cylinder

(einer Büchſe) beſteht, in welcher ein Holz- oder Metallſtempel

durch eine Schraubenpreſſe hinabgedrückt werden kann, damit er

die in denſelben eingefüllte Reißbleimaſſe durch Löcher hinauspreßt,

welche, in der Weite des zu bildenden Stiftes, auf dem Boden

deſſelben angebracht ſind4). Die auf eine dieſer Methoden berei-

teten Stifte werden, um ihnen die gehörige Feſtigkeit zu geben,

in einer ſchwachen Rothglühhitze gebrannt, indem man ſie in Tie-

gel ſtellt, ganz in demſelben mit Kohlenſtaub umgibt und noch

einige Zolle hoch bedeckt, die Tiegel mit einem Deckel zukittet und

in den Windofen ſetzt, oder indem man ſie horizontal in feuerfeſten

Kapſeln mit Kohlenſtaub ſchichtet und dieſe bedeckt in den Ofen

legt5). So weit muß der Stift bereitet ſein, ehe er in metallene

Hülſen gefaßt, oder in Holz oder Schilfrohr eingeſetzt werden

kann. Zu dieſem Behufe ſchneidet man das zu gebrauchende Holz

auf Furnier-Schneidemühlen in dünne Brettchen, und dieſe wieder

in kürzere, bleiſtiftlange Stücke. Auf der gehobelten Fläche wer-

den mittelſt eigens dazu eingerichteter Hobel parallele Rinnen oder

Nuthen, von der Dicke eines einzulegenden Stiftes oder ſchmälere

abwechſelnd eingeſtoßen. Die weiteren Nuthen müſſen den Stift

aufnehmen, die engeren aber dienen zum leichteren Zerſchneiden

der Brettchen in Stäbchen6). Nachdem dieſe Stäbchen fertig

ſind, werden die Stifte mit Leim beſtrichen und in die Nuthen

eingelegt. Iſt der Stift ſo dick, daß auf der offenen Fläche des

Stäbchens ein dünnes Stäbchen eingeſchoben werden kann, ſo

wird ein ſolches eingeleimt. Iſt aber die Nuthe davon ganz aus-

[384/0406]

gefüllt, ſo wird auf die ganzen Fläche des Stäbchens, wo der

Stift frei iſt, ein Holzplättchen aufgeleimt. Dieſe eckigen Stifte

werden auf dem Werktiſche in halbrunde Rinnen geſpannt, ſo daß

jedesmal eine Kante nach oben kommt, und dann mit einem Kehl-

hobel von konkaver Schneide rund gehobelt.

So weit fertig werden die Bleiſtifte, mehrere in einer Reihe,

vermittelſt zweier Querleiſten, wovon die Eine je nach der erfor-

derlichen Länge der Bleiſtifte am Werktiſche geſtellt werden kann,

um den Bleiſtiften als Widerhalt zu dienen, die andere aber zum

Feſthalten von oben herab dient, abgemeſſen und angeſchraubt, um

ſie mit einer Säge gleich abſägen zu können. Das Glattſchneiden

der Enden derſelben geſchieht aus freier Hand mit einem beſondern

Meſſer, und das Poliren mit Schafthen, aber das Aufdrücken des

Fabrikzeichens durch eine Preſſe, und in England durch ein Walzwerk.

¹ Prechtl Encyclopädie. II. 437. v. Keeß Darſtellung. II. 936. Die

meiſten Erfindungen in dieſem Gewerke ſind von Herrn Conté. Nach ſeiner Me-

thode iſt es auch beſchrieben.

² Das Weſentliche dieſer Miſchmühlen, wenn man jene mit bloßen Sand-

ſteinen nicht rechnet, iſt ein gußeiſerner Cylinder, in dem ſich ein gußeiſerner Läufer

umdreht, der den Boden und die Wandung nicht berührt, hohl und zu einem

Trichter ausgefüttert iſt, und an ſeinem Boden Löcher hat, durch welche, wenn er

ſich um ſeine ſenkrechte Axe kraft des Räderwerkes dreht, die naſſe Reißbleimaſſe,

nachdem ſie in den Trichter eingegoſſen iſt, auf den Boden des Cylinders heraus-

geht, kraft der Centrifugalkraft im Cylinder in die Höhe ſteigt und ſelbſt wieder

in den Trichter geht, bis die Operation eingeſtellt wird. So wird die Miſchung

ſehr vollſtändig bewirkt.

³ Die Stifte werden durch gelinde Wärme allmälig getrocknet. Um aber

dieſelben vor dem Verziehen zu bewahren, werden ſie, noch in der Nuthe befindlich

und naß, mit einem Brette zugedeckt. Zum Herausbringen derſelben aus den

Nuthen bedient man ſich eines Werkzeugs, das aus kleinen Schienen an Querſtangen

beſteht, die gerade in die Einſchnitte der Platten paſſen.

⁴⁾ So kommen aus der Oeffnung an dem Boden Stängchen heraus, welche

man mit einem glatten Brette regelmäßig auffaßt, nach einigem Trocknen nach

Seitenleiſten gerade dicht neben einander legt, mit einem leichten Brette zudeckt

und ſo zum Trocknen in die Wärme bringt. Ehe ſie ganz trocken ſind, werden ſie

zu der Länge der Bleiſtifte zerſchnitten.

⁵⁾ Einen eigenthümlichen Ofen hierfür, auch von Conté erfunden, beſchreibt

auch Prechtls Encyclopädie. II. 444.

⁶⁾ Auch hierfür hat man Maſchinen, wodurch große Hobel oder Circularſägen

oder Schneideräder mehrere Nuthen auf einmal einſchneiden. Prechtl a. a. O.

II. 447.

Zweite Unterabtheilung.

Verarbeitung pflanzlicher Stoffe.

I. Verarbeitung mehlhaltiger Stoffe.

§. 294.

Das Getreide-Mühlenweſen1).

Das Mahlen des Getreides geſchieht durch zwei übereinander

liegende Mühlſteine, wovon der untere (Bodenſtein) feſtliegt

[385/0407]

und der obere (Läufer) ſich auf einer eiſernen Stange (Mühl-

eiſen) bewegt3). Dieſes Mühleiſen trägt den Läufer vermittelſt

einer ſtarken eiſernen Platte (Haue oder Haube), welche von

unten in denſelben gelegt iſt und das pyramidiſche obere Ende des

Mühleiſens aufnimmt, ſo daß der Läufer auf der Haube und dieſer

auf dem Mühleiſen ruht. Daſſelbe geht aber mitten durch den

Bodenſtein und durch den Boden des Mühlgerüſtes, auf dem jener

liegt, hindurch, führt unten einen Trilling, dem es als Axe dient,

und ruht dann als ſolche auf einer Unterlage (dem Stege), der

ſeinerſeits auf einem Balken (Tragbank) liegt, der auf irgend

eine Art auf einer Seite unterſtützt iſt, auf der anderen, nämlich

vorderen Seite oder am vorderen Ende, eine ſenkrechte Eiſenſtange

aufnimmt, welche bis hinauf zum Boden des Mühlengerüſtes reicht,

wo auf das ſchraubenförmige obere Ende eine Schraubenmutter

eingeſchraubt iſt, vermittelſt welcher die Tragbank, alſo der Steg,

Drilling und Läufer höher hinaufgezogen und herabgelaſſen werden

kann, je nachdem der Leztere dem Bodenſteine ferner oder näher

ſein ſoll. Dieſe Vorrichtung heißt die Stellſchraube, und die

Benutzung derſelben das Stellen der Mühle. Der Trilling (und

folglich mit ihm der Läufer) wird durch ein Kammrad umgedreht,

das im Innern der Mühle an derſelben Welle ſitzt, an welcher

außerhalb der Mühlwand, durch die ſie geht, dasjenige Rad,

überhaupt diejenige Vorrichtung iſt, welche die bewegende Kraft

aufnimmt3). So iſt alſo der einmal geſtellte Läufer in Bewegung

geſetzt, und wir verfolgen jetzt die Frucht vom Einſchütten bis

zum Mehle. Die Frucht ſchüttet man in einen oberhalb des Läu-

fers angebrachten umgekehrt pyramidiſchen Trichter von Holz

(Rumpf), welcher unbeweglich iſt, aber unten gerade über dem

Läufer dieſelbe in einen kleineren hölzernen Trichter (Schuh)

führt, der durch Schnüre von den Seiten her ſchwebend gehalten

wird. Dieſer Schuh iſt mit einem abwärts gehenden elaſtiſchen

Stabe verſehen, den man Rührnagel nennt. Dieſer Rührnagel

langt gerade bis in den oberen Theil der im Mittelpunkte des Läu-

fers durchgehenden runden cylindriſchen Oeffnung (Läuferauge

genannt), in welche ein Eiſenring (Staffelring) eingetrieben

iſt, der oben einige Zacken (Staffeln) hat, auf die der Rühr-

nagel eingreift, um dem Schuhe eine rüttelnde Bewegung zu geben,

wenn der Läufer herumgetrieben wird. So gelangt die Frucht

durch das Läuferauge auf den Bodenſtein, die Körner werden da-

ſelbſt zermalmt, können aber durch das Loch des Bodenſteines nicht

durchfallen, weil daſſelbe mit Holz ſo weit ausgebuchst iſt, daß

nur das Mühleiſen darin gehen kann. Es ſuchen daher die zer-

Baumſtark Encyclopädie. 25

[386/0408]

malmten Theilchen vermöge der Centrifugalkraft nach dem Rande

der Steine hin zu entweichen, aber dort können ſie auch nicht ent-

kommen, denn die Steine ſind mit einem hölzernen Gehäuſe (Lauf,

Zarge) umgeben; ſondern ſie müſſen in eine in den Bodenſtein

gehauene Rinne fallen, aus der ſie in ein Kanälchen geführt wer-

den, das außerhalb des Laufes ſchief abwärts geht, und dieſelben

in den darunter ſtehenden hölzernen Mehlkaſten leitet, worin die

Siebvorrichtung iſt. Dieſe beſteht darin, daß ſogleich am Ende

des Kanälchens ein weites Gewebe in Form eines Schlauches (ein

Beutel, von ſogenanntem Beuteltuche) befeſtigt iſt, welches bis

zur entgegengeſetzten ſenkrechten Wand des Mehlkaſtens geht, und

dort ebenfalls an einer Oeffnung befeſtigt iſt, welche äußerlich nach

Belieben durch einen Schieber geſchloſſen werden kann. Bringt

man nun eine Vorrichtung an, wodurch der Beutel gerüttelt wird,

ſo fällt das Mehl durch den Beutel auf den Boden des Kaſtens,

die gröberen Theile laufen aber durch die Schieberöffnung heraus.

Jenes Rütteln wird bewirkt durch das ſogenannte Beutelgeſchirr,

indem unten am Trillinge Zapfen ſchräg gegen Außen abwärts

gehen (Anſchlagzapfen), welche mit dem Umgehen deſſelben an

eine horizontale Latte (Vorſchlag, Anſchlag) anſchlagen, die

an einem Brette (Beutelzunge, Rädeſchiene) befeſtigt iſt,

das ſchief aufwärts geht, und am oberen Ende in einen hölzernen

Arm (Beutelſcheere) eingezapft iſt, welcher von ihm ſeitwärts

abgeht und mit ſeinem anderen Ende in einem kleinen Wellchen

(Beutelwelle) ſteckt, das zwei aufwärtsgehende Aerme hat,

zwiſchen denen der Beutel angeheftet iſt, alſo beſtändig in einer

rüttelnden Bewegung bleibt. Um nun aber die rüttelnde Bewegung

verſtärken und ſchwächen zu können, hat man auch außerhalb des

Kaſtens eine kleine Welle angebracht, und um dieſe eine Schnur

gewunden, deren anderes Ende an dem Vorſchlage befeſtigt iſt,

damit man durch Anziehen oder Nachlaſſen das Zurückfahren des-

ſelben und der Beutelzunge abkürzen oder verlängern kann4).

Was nun vorne durch den Schieber des Mehlkaſtens geht, das

läuft in den Kleienkaſten und wird Kleie genannt. Zuerſt wird

die Mühle (d. h. der Läufer) hoch geſtellt, und es gibt wenig,

aber das feinſte Mehl (Vorſchuß, Vormehl), und das Meiſte

geht in den Kleienkaſten. Dieſes wird aber, wenn die Mühle

jedesmal niederer geſtellt iſt, zum 2ten, 3ten, 4ten und 5ten Male

herausgenommen und aufgeſchüttet, und gibt jedoch jedesmal grö-

beres Mehl5).

¹ Ueber Mühlenbau ſ. m. Ernſt, Anweiſung zum praktiſchen Mühlenbau.

Leipzig 1804–6. III Thle. Neumann, der Waſſermühlenbau. Berlin 1810.

Lindt, Schauplatz der verbeſſ. Mühlenbaukunſt. München 1818. II Bde. 8. Mit 2

[387/0409]

¹ gr. Kupferatlanten. Leuchs, Beſchr. der verbeſſ. amerikan. Mahlmühlen. Nürnberg

1828. Kuhnert, Lehrbuch der Mühlenbaukunſt. Quedlinburg 1833. IIIte Aufl.

Poppe, der Mühlenbau. Tübingen 1831. Langsdorf, Erläuterungen höchſt

wichtiger Lehren der Technologie. I. S. 1 folg. Deſſelben Syſtem der Maſchinen-

kunde. II. §. 243. 246. Poppe, Handbuch der Technologie. I. S. 41. Außerdem

gibt es auch noch ältere Werke darüber von Beyer (1767), Füllmann (1778),

Behrens (1789), Hahn (1790), Clauſſen (1792) und Meltzer (1793.

III Thle.), welche Poppe angeführt hat.

² Nicht alle Steine ſind zu Mühlſteinen zu gebrauchen. Sie müſſen hart und

poröſe ſein, damit ſie das Korn nicht ſowohl zerquetſchen als vielmehr zerſchneiden,

und ſich durch das Abnutzen ſelbſt gleichſam immer wieder ſchärfen. Die beſten

gibt es zu Wendelſtein bei Nürnberg und Crawinkel in Sachſen Gotha.

Allein man fertigt auch künſtliche durch Zuſammenſetzen einer Maſſe vermittelſt eines

Kittes und eiſerner Bänder, oder durch Compoſition einer gebrannten porzellanharten

Maſſe. Ein Britte, Pratt, hat eine ſehr taugliche Maſſe dieſer Art erfunden.

Der Müller bekommt die Steine roh, folglich müſſen ſie noch behauen werden,

d. h. ſie müſſen die gehörige Ründung bekommen, der Läufer muß mit einem run-

den Loche (Auge) und mit dem Lager für eine Eiſenplatte (die Haube) verſehen

werden, und die einander zugekehrten Flächen beider Steine müſſen mit Rinnen

(Hauſchlägen) behauen werden, welche vom Centrum aus ſpiralförmig nach der

Peripherie hin laufen, jedoch auf beiden Steinen ſo entgegengeſetzt, daß ſie ſich

ebenſo wie die Rämmel (d. h. die zwiſchenliegenden Erhöhungen) kreutzen. Zu-

dem aber wird der Läufer auf der unteren Fläche nicht eben gelaſſen, ſondern

hyberboliſch oder gegen das Centrum ſchief gehauen, ſo daß er im Centrum gar

nicht, aber gegen die Peripherie hinaus immer ſtärker auf dem Bodenſteine liegt.

³ Man unterſcheidet darnach Dampf-, Waſſer-, Wind- und Roßmühlen,

wenn man von den Handmühlen abſehen will. Die Lehren vom Baue dieſer Vor-

richtungen ſind aber eigentlich Gegenſtände der allgemeinen Technologie, der Bau-

kunſt, Maſchinenlehre und Mechanik. Ihre Darſtellung würde hier alſo zum Theile

nicht am Platze ſein, zum Theile zu weit führen.

⁴⁾ Dieſe bisher beſchriebene Einrichtung nennt man einen Mühlengang

(Mahlgang). Man hat Mühlen mit mehreren Gängen, und kann leicht zwei

davon durch eine Welle und Rad in Bewegung ſetzen. Dieſe Einrichtung und die

Lehre von den ſämmtlichen Dimenſionen aller Theile eines Ganges kann in obigen

Schriften nachgeleſen werden.

⁵⁾ Unter Schrot iſt gemahlenes aber ungebeuteltes, daher ſogleich vom Laufe weg

in Empfang genommenes Getreide, worin Mehl und Kleie vermengt iſt, zu verſtehen.

Hieraus weiß man ſogleich, was eine Schrotmühle iſt. Unter Grütze verſteht man

ſonſt nichts, als Gerſte (oder Buchweitzen), welche durch eine Stampfeinrichtung

(§. 273. N. 4. d.) von der Hülſe befreit, hierauf geſiebt und zulezt geſchroten, d. h.

auf obige Art zerriſſen iſt. Dies geſchieht in der Grützmühle, in welcher alſo

ein Stampfwerk und eine Schrotmühle ſein muß. Die Graupen ſind nicht bloßes

Gerſtenſchrot, ſonder hülſen- und mehlfreie regelmäßige runde Körner von ver-

ſchiedener Feinheit, wovon die feinſte Sorte Perlgraupen heißt. Sie unter-

ſcheiden ſich von den Mahlmühlen weſentlich blos dadurch, daß ſie nur einen

Stein haben, der jedoch auch mit einem Laufe verſehen iſt, um das Getreide zwi-

ſchen dem Rande des Steines und der inneren Wand des Laufes ſo lange herum-

treiben zu können, bis die Hülſen hinweg und die Körner abgerundet ſind. Die

Außenſeite dieſes Graupenſteines iſt rauh, und die Laufwand mit einem, reibeiſen-

artig durchlöcherten und geſchärften, Eiſenbleche beſchlagen. Sind die Graupen ſo

gebildet, dann kommen ſie auf das Siebwerk, in welchem drei Siebe mit immer

feineren Löchern unter einander ſtehen. Die Graupen gießt man durch einen Rumpf

ein, und ſie fallen auf, und nach ihrer Feinheit durch die drei Siebe, ſo daß unter

das lezte Sieb blos das Mehl fällt und in einem Tuche aufgefangen wird. Die

Siebe aber werden hin und her bewegt, indem ein, an der Welle des Mühlſtein-

getriebes ſitzendes Kammrad in einem wagerechten Trilling eingreift, und dieſer

vermittelſt einer Kurbel und eines Geſtänges (Schiebwerk) die ſchief ſtehenden

Siebe hin und her zieht. Um aber die Graupen ganz mehlfrei zu machen, bringt

man drei Windflügelräder an, welche durch ihren Wind das Mehl hinwegwehen.

25 *

[388/0410]

II. Verarbeitung ölhaltiger Stoffe.

§. 295.

1) Das Oehlmühlenweſen.

Das Oel iſt eine flüſſige Materie, welche mit Waſſer nicht

zu vermiſchen, im Weingeiſte unauflöslich, im reinen Zuſtande ohne

ſtarken Geruch und Geſchmack, ſpezifiſch leichter als das Waſſer

und erſt bei 600° Fahrenh. zum Sieden zu bringen iſt. Von ſo

manchfachem Gebrauche es iſt, von ſo vielerlei Pflanzenſtoffen wird

es auch künſtlich bereitet. Man gewinnt es vorzüglich aus drei

oben (§. 170–171. §. 168.) angegebenen Geſämen und Früchten,

als da ſind die Olive (Frucht des Oelbaumes), die Mandeln, die

Bucheln, die Wall- und Haſelnüſſe, die Lindenſaamen, der ge-

meine Hartriegel, der Rübenreps, der Kohlreps, der chineſiſche

Oelrettigſaamen, der weiße Senf, der Lein- und Hanfſaamen,

der Mohn, die Sonnenblumenſaamen, die Kürbiskernen, Salat-

ſaamen, Traubenkernen, Erdmandeln u. ſ. w. Um gutes Oel zu

erhalten, muß man recht reifen, völlig getrockneten, von allem

Fremdartigen völlig gereinigten Oelſaamen nehmen, denſelben von

Schaalen und Hülſen befreien, die nackten Saamen einigemal in

ſiedendem Waſſer umrühren und abtrocknen laſſen, und erſt dann

zur Oelbereitung geben, um das Oel möglichſt rein von Schleim,

Harz u. dgl. Theilen zu befreien. Das Gebäude ſammt Einrich-

tung, wo das Oel bereitet (geſchlagen) wird, heißt Oelmühle1).

Die auf jene Weiſe zubereiteten Geſäme werden in der Oelmühle

vor Allem zerdrückt, und dies geſchieht entweder durch Stampfen

oder durch Quetſchen, wonach man auch die Stampf- und

Quetſch-Oelmühlen unterſcheidet. 1) Stampf-Oelmühlen

zerdrücken den Oelſaamen durch Stempel (Stampfen), welche von

einer Daumwelle (§. 273. N. 4. d.), deren Umdrehung durch Pferde,

Waſſer, Wind oder Dampf bewirkt wird, gehoben und wieder fal-

len gelaſſen werden. Die Saamen liegen in einzelnen, den Stem-

peln entſprechenden, Löchern (Grubenlöchern), welche in einen

Eichenklotz oder -Stamm (Grubenſtock) eingehauen ſind, und

eben ſo viel ſein müſſen, als Stempel vorhanden ſind, wenn es

eine holländiſche Stampfmühle geben ſoll, während eine ſolche,

worin in jedes Grubenloch zwei Stempel fallen, eine deutſche ge-

nannt wird. Leztere Art iſt vorzuziehen und man nennt ſie nach

der Anzahl der Stempelpaare ein-, zwei- und mehrpaarig,

dagegen aber ein-, zwei- bis vierhübig, wenn die Welle einen

bis vier Daumen hat. 2) Quetſchmühlen gibt es von verſchie-

dener Art, nämlich Kegel-, Walz-, Läufer- und Roll-

[389/0411]

quetſchmühlen. Bei den Kegelmühlen liegen die Saamen

auf einem großen runden Bodenſteine offen da. Durch die Mitte

derſelben geht ſenkrecht ein großer Wellbaum, der entweder durch

Pferde als ein Göpel, durch Waſſer, Wind oder Dampf unter

Vermittelung verſchiedener Mechanismen umgetrieben wird. Durch

den Wellbaum iſt ein dünnerer wagrechter Baum geſteckt und bil-

det an demſelben zwei Arme, an welchen zwei koniſche Laufſteine

eingekeilt ſind, die mit dem Wellbaume einen Kreis auf dem

Bodenſteine beſchreiben und ſo das Geſäme zerquetſchen. Bei der

Walzmühle liegen aber zwei große ſteinerne Walzen neben ein-

ander auf einer Fläche und ſind ſo dicht an einander gelegt, daß

ſie die zwiſchen ſie hineingeſchütteten Saamen zerquetſchen und auf

der entgegengeſetzten Seite wieder herausbringen, da ſie gegen

einander gewälzt werden. Auch die Bewegung dieſer Walzen kann

auf verſchiedene Arten bewerkſtelligt werden2). Bei den Läufer-

mühlen geſchieht das Quetſchen durch einen Läufer (§. 294.),

der gerade ſo wie bei den Getreidemühlen auf einem Mühleiſen

herum geht, und ebenſo wie bei den Graupenmühlen (§. 294.

Note 5.) keinen Bodenſtein unter ſich hat. Man kann ſich eine

Vorſtellung vom Läufer machen, wenn man ſich einen Mühlſtein

denkt, der nach den beiden Enden ſeiner Axe, in deren Mittel-

punkte ſein weiteſter Durchmeſſer iſt, gleiche abgekürzte Kegel ge-

bildet habe, von denen der untere bis auf die Hälfte oder ein

Dritttheil abgeſchnitten worden ſei, ſo daß die Tiefe des unteren

Kegels nur halb oder ein Dritttheil ſo groß, als die Höhe des

obern, oder deſſen unterſter Durchmeſſer noch einmal oder noch

zweimal ſo groß als der oberſte iſt. Denkt man ſich nun noch an-

ſtatt eines Bodenſteines einen eiſernen, an ſeiner inneren Wand

geſtreiften, ringförmigen Lauf, innerhalb deſſen ſich der untere

Kegel des Steines ſo herum bewegt, daß die Körner zerquetſcht

werden, welche man in die kleine Spalte zwiſchen dem Läufer und

Laufe hineingeſchüttet hat, ſo hat man auch eine Vorſtellung von

der Operation. Unterhalb des Läufers iſt noch ein hölzerner Kaſten

zur Aufnahme der durchfallenden Geſämtheilchen angebracht3).

Die Rollmühle, nicht von beſonderer Bedeutung, hat das Eigen-

thümliche, daß die Zerquetſchung der Saamen durch einen Laufſtein

am horizontalen Arme eines lothrechten Wellbaumes geſchieht, in-

dem jener in einem gekrümmten Holzgerinne oder -Kanale hin und

her geht. Die auf die eine oder andere dieſer Methoden zerdrück-

ten Oelfrüchte werden nun, um aus ihnen das feinſte oder Jungfern-

Oel zu gewinnen, im kalten Zuſtande unter Stampfen oder Häm-

mer gebracht und nicht vollgewaltig ausgepreßt, da nur das in

[390/0412]

ihnen frei ſtehende Oel dadurch gewonnen werden ſoll. Sonſt und

wenn dies geſchehen iſt, wird die Quetſchmaſſe auf einer Kupfer-

platte erwärmt4), und dann vollends ausgepreßt. Das Leztere

geſchieht entweder durch eine Schraubenpreſſe oder durch eine

Keilpreſſe. Bei der Erſteren5) iſt das Weſentliche, daß die

Preßkraft von einer Schraube kommt, welche ſenkrecht abwärts

geht. Bei der Anderen6) wird die Preßkraft durch eingetriebene

Keile auf die Quetſchmaſſe geleitet. Dieſe aber liegt in einem

langen und dicken eichenen Stamme (Preß- oder Oellade),

welche horizontal auf Tragbäumen liegt, und eine oder mehrere

Oeffnungen (Kammern) hat, in die man die Quetſchmaſſe, mit

Haartuch umwickelt, auf verſchiedene Weiſe7) einſetzt. Die Kam-

mern ſind auf dem Boden mit Rinnen und Kanälchen verſehen,

um das ausgepreßte Oel hinwegzuleiten, worauf daſſelbe außerhalb

in Gefäßen aufgefangen wird.

¹ Zur Literatur: Rozier, Observations sur la physique. VIII, 417 (Paris

1776), wo die Oliven- oder Baumölmühlen, — und X. 417 (Paris 1777), wo

die holländiſchen Oelmühlen beſchrieben ſind. v. Cancrin praktiſche Abhandlung

von dem Baue der Oelmühlen. Frankfurt und Leipzig 1799. Langsdorf Erläu-

terungen. I. S. 191. Deſſelben Syſtem der Maſchinenkunde. II. §. 292.

Poppe Handbuch der Technologie. I. S. 89. v. Keeß Darſtellung. II. 359.

Hermbſtädt Technologie. II. §. 486. Jacobſon Technolog. Wörterb. III. 165.

v. Keyſerling in Hermſtädts Bülletin des Neueſten und Wiſſenswürdigſten.

XIV. Heft 4. Albrecht, die vortheilhafteſte Gewinnung des Oels. Quedlinburg.

Fontenelle, Handbuch der Oelbereitung und Reinigung. Ueberſ. von Haumann.

Ilmenau 1828. Matthiä, Beſchreibung und Abbildung der neueſten Erfindungen

in Betreff der Oelfabrikation. Quedlinburg 1828. Karmarſch Mechanik in ihrer

Anwendung auf Gewerbe. II. 349. 351.

² v. Cancrin, welchem wir die drei lezten Quetſchmühlen verdanken, gibt

z. B. folgenden Mechanismus an, um die Walzen umzutreiben. Eine Welle wird

durch ein Waſſerrad herumgetrieben; am entgegenſetzten Ende derſelben ſteht ein

Stirnrad, das durch einen über ihm liegenden Drilling, in den es greift, eine

zweite Welle umtreibt, an der nicht blos die eine Walze in gerader Linie ſteht und

bewegt wird, ſondern auch ein (kleineres) Stirnrad (als das vorherige), welches

einen unter ihm liegenden Trilling bewegt, der an derjenigen Welle ſitzt, welche die

zweite Walze bewegt. Beide Walzen müſſen ſo gegeneinander gehen.

³ Langsdorf hat an dieſer Einrichtung Verbeſſerungen angebracht, unter

andern auch eine Vorrichtung zum Schälen der Saamen. S. Deſſen Erläu-

terungen. I. S. 219.

⁴⁾ Langsdorf räth an, die Erwärmung mit Dampf zu machen, und gibt

daher einen Ofen mit Aſchen- und Feuerheerd an, in welchen ein kupferner Dampf-

keſſel gehängt oder eingeſetzt wird, und umgibt die Ofenmauer nach einem kleineren

rings um denſelben gehenden Luftraume mit einer zweiten (einer Art von Mantel),

in welche, über den Keſſel, die Kupferplatte eingeſetzt wird. Zugleich verſieht er

dieſe mit einem Röhrchen zum Speiſen des Keſſels, das durch ein Klappenventil

geſchloſſen iſt, welches durch den Druck des Dampfes hinweggedrückt wird, ſobald

ſeine Spannung zu groß iſt.

⁵⁾ Ein Trilling, von einer Handkurbel an ſeiner Welle bewegt, greift in ein

Kammrad ein, das an einem vorne ſtehenden Wellbaume ſitzt und alſo dieſen bewegt,

damit der an ſeinem oberen Ende angebrachte Trilling das Stirnrad eines zweiten

Wellbaumes bewege, um den eine Kette geſchlungen iſt, welche horizontal hinüber

[391/0413]

⁵⁾ geht, und ſich um ein Rad legt, deſſen ſenkrechte Welle nach oben in eine Schrau-

benſpindel endet, die in einer Schraubenmutter hängt. Unter dieſer Spindel liegt

die Preßlade, in deren Aushöhlung das Geſäme, in ein Haartuch eingeſchlagen,

gelegt und mit einer Metallplatte zugedeckt wird. Auf die Metallplatte kommen

noch hölzerne Pfannen zu liegen, auf welche die herabgehende Spindel wirkt, ſobald

die Handkurbel gedreht wird. — Dieſe Preſſe iſt von Francesco de Grandi.

S. Langsdorf Erläuterungen. I. S. 233.

⁶⁾ Es wird ein viereckiges Holzſtück mit einer cylindriſchen Oeffnung (die

Form) in die Kammer der Preßlade geſchoben, in dieſe cylindriſche Oeffnung ein

metallener auf Wänden und Boden durchlöcherter Napf gelegt, in die Oeffnung des

Napfes die Quetſchmaſſe eingelegt, und oben darauf der Kern geſetzt, d. h. ein

viereckiges Holz, das auf der einen Seite einen cylinderförmigen Vorſprung hat,

der gerade (gleichſam als Stöpſel) in die Oeffnung der Form paßt, und, wenn

ein Druck auf ihn geſchieht, die Quetſchmaſſe preßt. Dieſer Druck geſchieht, indem

man in den noch leeren Theil der länglichen Kammer zwei Keile einſchlägt, welche

in ihrer Mitte ein anderes Holzſtück (das Kreutz) haben. Der eine Keil heißt

Rück- oder Löſekeil, weil er zurückgeſchlagen wird, wenn das Preſſen beendigt

iſt; der andere aber Steck- oder Preßkeil, weil auf ihn der Preßſchlag mit dem

Hammer geſchieht. Um den Schlag zu machen, hat man folgenden einfachen

Mechanismus. Eine Daumwelle drückt mit ihrem Daumen eine vertikale Stange

abwärts, welche mit einer kleinen höher liegenden Walze durch einen im Winkel

abſtehenden Arm ſo verbunden iſt, daß ſie durch ihr Herabgehen dieſe Walze bis zu

einem gewiſſen Grade umdreht. An dem entgegengeſetzten Ende dieſer Walze iſt

aber eine ſenkrechte Stange mit einem Schlägel angebracht, welche, ſo wie ſich jene

dreht, eine mehr horizontale Stellung einnimmt, und mit dem Schlägel auf den

Preßkeil zurückfällt, ſobald der Daumen an der Daumwelle über den Schuh der

erſten Stange hinabgegleitet iſt.

⁷⁾ Statt der Form und des Kernes hat man auch Metallplatten, und dieſe

ſind namentlich auch angewendet, wenn die Keile nicht horizontal (wie in Note 6),

ſondern vertikal durch ein Rammelwerk eingeſchlagen werden, das aus bloßen

Stampfen beſteht. Uebrigens bringt man die Quetſchmaſſe auch in Säcke und

Leder. — Verſchiedene neuere Verbeſſerungen der Oelmühlen, welche bei Karmarſch,

der nur bis a. 1825 reicht, nicht beſchrieben ſind, finden ſich bei Dingler polytechn.

Journal. XXVIII. 280; XXXIII. 64 (von W. Benecke); XXX. 178 (von

Alban); XXXII. 177 (von Cazalis und Cordier); XXXIII. 86 (von Köch-

lin); XLII. 110 (von Maudsley); XLIII. 52 (von Blundell); im neuen

baieriſchen Kunſt- und Gewerbeblatte. Jahrg. 1824. S. 73 (von Arndts),

Jahrg. 1828. S. 476 (von Bienbar), Jahrg. 1829. S. 440 (von Marx);

in L'Industrie Journal. Vol. V. pag. 193 (von Dubrunfaut); Hermbſtädt

Bülletin. XIV. 102 (Wuttich's Beſchreibung der in Bucharien zu Samarkant

gebräuchlichen Oelpreſſe).

§. 296.

2) Die Theer-, Pech- und Kienrußſchwelerei1).

1) Unter Theer verſteht man eine dickflüſſige harzige brenz-

liche Oelmaſſe, welche durch das Ausröſten des Holzes, beſonders

des Nadelholzes, und namentlich der Wurzeln des Lezteren gewon-

nen wird2). Dieſe Operation heißt Theerſchwelen, und

geſchieht, abgeſehen von der in Schweden und Rußland üblichen

Methode, in Gruben zu ſchwelen, am beſten in einem beſonderen

Theerofen. Derſelbe iſt walzenförmig aus Steinen gebaut, hat

oben eine gewölbte Kappe mit Luftlöchern und iſt mit einer

Vormauer (einem Mantel) umgeben, welche ein Paar Schür-

[392/0414]

und Zuglöcher hat. Er hat zwei Löcher, nämlich das Setzloch,

dicht über dem Mantel, aber unter der Kappe, wodurch von oben,

— und das Kohlenloch, am Fuße des Ofens, wodurch von unten

das Holz eingelegt wird, weßhalb auch der Mantel daſelbſt eine

Oeffnung hat. Nach der Füllung des Ofens mit den Holzſtücken

(dem Stubbenholze) werden alle Oeffnungen deſſelben ver-

ſchloſſen und das Feuer unter dem Mantel entzündet. Die flüſſigen

Producte kommen unten heraus in einem in die Erde gegrabenen

und mit einer Hütte überbauten, oder mit einer Vorwand (Bruſt-

wand) verſehenen Behälter — und zwar zuerſt die Holzſäure

(Sauerwaſſer, Theergalle, Schweiß), d. h. eine brenzlich-ölige

Eſſigſäure, und dann erſt der mehr oder weniger dicke, verſchieden

dunkle Wagen-, Rad- und Schiffstheer. Die zurückbleiben-

den glänzenden Kohlen (Pechgriefen) können zu Kienruß benutzt

werden.

2) Die feſten harzigen Theile, welche beſonders im feineren

Theere mit dem Oele untermiſcht ſind, heißt man Pech oder

Harz, und man unterſcheidet nach den abnehmenden Graden der

Feinheit und Reinheit das weiße oder burgundiſche Harz, das

Geigenharz (Kolophonium), das gemeine Harz (Pichpech)

und das gemeine Pech (Schiffspech). Nimmt man das von den

Nadelholzbäumen gewonnene Harz (§. 237.) zum Schmelzen in

einen Kupferkeſſel und gießt es, geſchmolzen, durch Werg, ſo ver-

härtet ein reines gelbes Harz oder Pech. Behandelt man jene

Flüſſigkeit aber mit etwas Waſſer oder Eſſig zuſammen, ſo wird

daraus das weiße Harz. Schmilzt man dieſes noch einmal, bis

alles Waſſer verſchwunden und die Maſſe durchſcheinend iſt, dann

hat man das Kolophonium. Das gemeine Pech wird aber aus

dem Theere bereitet, indem man ihn in kupfernen oder eiſernen

Deſtillirblaſen mit Waſſer deſtillirt, damit das ätheriſche Oel (Kien-,

Krummholz- oder Templinöl) in die Vorlage entweicht und

das Harz in der Blaſe reſidirt, welches man in einem Keſſel

ſchmilzt und ſieden läßt, bis alles Waſſer verdünſtet iſt, und als-

dann in die bekannten Pechfäſſer gießt, und als Pichpech verkauft,

wenn es aus gelbem und braunem Theere verfertigt iſt, aber als

Schiffspech abſetzt, wenn es aus allen Theerarten zuſammen be-

reitet wurde.

3) Bei der Verbrennung von Kienöl, Harz und Nadelholz

verdichtet ſich der entweichende Rauch in der Kälte zu dem ſoge-

nannten Kienruße. Man fängt denſelben daher in einem langen

liegenden Rauchfange auf, der in eine luftdichte Bretterkammer führt,

an deren Decke ein mit einem kegelförmigen Siebe verſehenes Loch

[393/0415]

angebracht iſt. Daß der Luftzug dabei abgehalten werden muß,

bedarf kaum einer Erinnerung, weil das Verbrennen allmälig ge-

ſchehen, und der Rauch nicht zu Aſche verbrennen ſoll. Der feinſte

(oder Pfund-) Ruß ſetzt ſich im Siebe an3).

¹ Beckmann Technologie. S. 451. Hermbſtädt Technologie. II. §. 767.

Krünitz Oekonom. Encyclopädie. Bd. CVIII. Art. Pech. Hundeshagen Ency-

clopädie der Forſtwiſſenſchaft. I. §. 456–462. und die anderen forſtwiſſenſchaftlichen

Schriften. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 303. Wieſenhavern, Ueber das

Theerſchwelen oder Pechbrennen. Breslau 1793. Dichaeus Beſchreibung, welcher

Geſtalt Theer- und Kohlenöfen einzurichten ſind. Aus dem Schwediſchen. Lüneburg

1780. Bescrifning om Tilwerknings sätten of Harts Terpentin, Terpentin-Olja

och Kimröck. stockholm 1774. Du Hamel, Von Bäumen, Stauden, Sträu-

chern. II. 111. Schreber, Sammlung verſchiedener in die Kameralwiſſenſchaft

einſchlagender Abhandlungen. IV. Thl. 760 (v. Funck, Beſchreibung von Theer-

und Kohlenöfen). Leipziger Sammlungen. IX. 178 (vom Theerſieden). Riem,

Auserleſene Sammlung ökonom. Schriften. II. Jahrg. 2te Lief. S. 30 (Ueber das

Auffangen des Sauerwaſſers, von Karſten). Bulletin de la société d'Encourage-

ment. Année XXVII Jul. 1828. p. 187 (Fleury, Procédés d'extraction de la

térébenthin des matières résinéces qui la contiennent). Abhandlung der königl.

ſchwed. Akademie der Wiſſenſchaften. XVI. und Schreber a. a. O. (Kienrußbren-

nen, von v. Funck). Dingler polytechn. Journal. XVI. 244 (verbeſſerte Berei-

tung des Peches und Theeres von Hancoch).

² Beſonders eignet ſich die Kiefer, Weißtanne und die Krummholzfichte (Pi-

nus Pumilio) dazu. S. §. 243. oben. Auch aus Birken bereitet man Birkenöl.

S. Hermbſtädt Archiv der Agriculturchemie. VII. Bd.

³ Auch aus Steinkohlen macht man in Frankreich, England und Oberſchleſien

einen Ruß, der den Kienruß erſetzt. S. Hermbſtädt Bülletin des Neueſten u. ſ. w.

XIV. 367. Neuenhahn, Ueber ein neues Product, das ſtatt des Kienruſſes

dienen kann. Erfurt 1795.

III. Verarbeitung des Holzes.

§. 297.

1) Das Schneide- oder Sägemühlweſen.

Das Holz bedarf, wenn es zu Baulichkeiten verwendet werden

ſoll, noch vielfältiger Zurichtung in verſchiedenen Formen, als

Dielen (Planken), Bretter (Halbdielen), Latten, Schwellen, Rah-

men, Riegel u. ſ. w. Man ſchneidet ſie aus den Baumſtämmen

(Sägeblöcken), welche man deßhalb friſch auf die Sägemühle1)

bringt, weil ſie beſſer zu ſchneiden ſind, und friſch geſchnittene,

aber im Schatten allmälig getrocknete Dielen nicht ſo leicht riſſig

werden, wie andere. Das Sägen geſchieht durch eine, in der

Regel von Waſſer bewegte, Maſchine. Es wird eine große Welle

von einem Waſſerrade herumgetrieben, und bewegt vermittelſt eines

an ihr ſitzenden Stirnrades neben ſich eine kleine Welle, indem es

in deren Trilling eingreift. Dieſe kleine Welle trägt am vorderen

Ende eine Kurbel2), mit welcher eine ſenkrechte Stange (der

Lenker) verbunden iſt, welcher alſo mit ihrem Walzen auf und

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abgeht. An dieſem Lenker oben iſt ein viereckiger Rahmen (das

Sägegatter) befeſtigt, in welchem die große Säge eingeſpannt

iſt3) und alſo mit ihm durch den Lenker auf- und abwärts bewegt

wird. Dieſer ſenkrechten Bewegung des Sägegatters4) muß nun

der Sägeblock horizontal entgegenkommen. Darum ſitzt auf dem

oberſten Queerbalken (Riegel) des Gatters ein durchlochtes Eiſen

oder Brett, in das eine mäßig ſchief aufſtehende Stange geſteckt

iſt, ſo daß ſie mit ſeiner lothrechten Bewegung unter einem Winkel

horizontal hin- und hergeſchoben wird, folglich eine am anderen

Ende mit ihr verknüpfte kleine Welle rotirend hinüber und herüber-

bewegt. An dieſer Welle iſt ein Arm, in einem ſtumpfen Winkel

gegen jene Stange abwärts, befeſtigt, in deſſen Backen eine andere

längere Stange feſtgebolzt iſt, welche die Beſtimmung hat, ein

ſchief gezacktes Stirnrad (das Sperrrad) von Eiſen, mit ihrem

eiſernen Anſatze (Geisfuße) durch die Stöße, nach der entgegen-

geſetzten Seite umzudrehen, welche durch die Bewegung der kleinen

Welle vermittelſt des Armes hervorgebracht werden5). Das Sperr-

rad ſitzt an einer kurzen Welle, welche einen Trilling hat, der das

Stirnrad einer tiefer liegenden großen Welle, folglich auch dieſe

umdreht. Dieſe große leztere Welle hat zwei Trillinge und liegt

vor dem Ende zweier durch das ganze Mühlhaus hinlaufenden

Balken (Straßenbäume) dergeſtalt queer herüber, daß dicht

innerhalb eines jeden Balkens Einer der Trillinge ſich wälzt. Auf

jedem dieſer Trillinge aber liegt ein verzahnter Balken (Zahn-

baum) nach der Länge des zu ihm gehörenden Straßenbaumes.

Dreht ſich die Welle mit ihren Trillingen, ſo ſchiebt ſie die Zahn-

bäume horizontal zwiſchen den Straßenbäumen hin. Auf den

Straßenbäumen der Länge nach liegend, und auf Rollen gehend,

ſind ebenſo zwei Balken durch Eiſenbänder feſt mit den Zahnbäu-

men parallel neben einander verbunden und werden folglich mit

dieſen durch die Trillinge auf ihren Rollen, welche auf den

Straßenbäumen in Rinnen (Nuthen) gehen, hingeſchoben. Ver-

bindet man nun dieſe gezahnten und gerollten Längenbäume nahe

an ihrem Ende noch durch Queerbalken, ſo hat man eine Vorſtel-

lung vom ſogenannten Blockwagen, auf welchem der Sägeblock

liegend durch die vorher beſchriebene Einrichtung zum Schieben

(Schiebzeug) dem Sägegatter entgegengeſchoben wird. Auf den

Wagen werden parallel mit den Queerbalken zwei Lagerhölzer

(Schemmel) gelegt und dieſe tragen den durch Klammern befe-

ſtigten Sägeklotz. Der Eine davon iſt unverrückbar (Ruhe-

ſchemmel), der andere (Richtſchemmel) dagegen beweglich und

geht in Nuthen, welche die Wagenbalken haben. Iſt der Block

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der Länge nach durchgeſägt, ſo muß die Maſchine ſtille ſtehen,

und dies wird bewirkt, wenn man, bei der Waſſermühle, das

Waſſer vor dem Rade durch eine Schließe abſchließen kann. Dieſe

Schließe hängt an der einen Seite eines, in der Mitte unter-

ſtützten, Wagebalkens, deſſen anderes Ende mittelſt eines Seiles

und Bolzens in einer Säule des Sägegatters ſo abwärts gehalten

wird, daß die Schleuße offen iſt. Der Sägeblock aber ſtößt mit

einem an ſeinem Ende eingeſchlagenen Zapfen den Bolzen hinaus

und die Schließe fällt. Iſt das Werk im Stillſtande, ſo braucht

ein Knabe blos vermittelſt einer Kurbel die kleine Sperrradswelle

rückwärts zu drehen, dann läuft der leere Wagen zurück6).

¹ Zur Literatur: Langsdorf Erläuterungen. I. 126. Deſſelben Syſtem

der Maſchinenkunde. II. §. 333. Krünitz Oekonom. Encyclopädie. VI. u. CXXX.

Beckmann Oekonomiſche Bibliothek. XIII. Meyer Forſtdirektionslehre. §. 269.

Stahl Forſtmagazin. IX. Karmarſch Mechanik in ihrer Anwendung auf Ge-

werbe. I. §. 92. 101. 102. 118. II. §. 108, bei welchem die verſchiedenſten Con-

ſtruktionen beſchrieben ſind, bis a. 1825.

² Will man mehrere Sägen zugleich in Gang ſetzen, ſo braucht man der

Kurbel nur mehrere Windungen zu geben und jeder Windung einen Lenker nebſt

Sägegatter anzupaſſen.

³ Außer den zwei Queerbalken des Gatters, welche unbeweglich ſind und

Riegel heißen, liegt in der Mitte noch ein dritter beweglicher. In dieſem und

im unterſten unbeweglichen Riegel iſt die Säge mit ihren beiden Enden eingezogen;

der bewegliche aber liegt näher am oberſten unbeweglichen Riegel und wird mit

dieſem durch zwei Schraubenſpindeln, in welche oben über dem Lezteren zwei

Schraubenmuttern einpaſſen, verbunden, ſo daß durch ein Anziehen der Schrauben

die Säge ſtärker geſpannt werden kann. Das Sägegatter ſelbſt geht aber in den

ſenkrechten Falzen zweier ſenkrechten Bäume (der Gatterſäulen) auf und ab,

und wird durch hölzerne Spannklammern vor dem Herausfallen geſichert, welche,

auf der Außenſeite der Säulen eingeſteckt, mit ihrem einſeitig queer gehenden

Kopfe über die Gatterrahmen hinreichen.

⁴⁾ Hat man eine Circularſäge, ſo geht das Sägen ohne Unterlaß fort, wäh-

rend bei der anderen der Schnitt eigentlich nur beim Hinabgehen geſchieht. Man ſ.

Dingler polytechn. Journal. XX 33 (Säge der Gebrüder Bauwens). XIII. 13

(die Säge von Galloway), ebenſo Chriſtian Traité de mechanique. III. 360

(Brunel's Sägemühle).

⁵⁾ Das Sperrrad braucht nicht ganz von Eiſen, ſondern kann eine hölzerne

Scheibe ſein, die blos mit einem gezahnten eiſernen Ringe verſehen iſt. Damit es

aber, wenn es vom Geißfuße vorgeſtoßen iſt, nicht wieder zurücklaufe, während er

zurückgeht, ſo ſind an der Seite zwei Eiſen (Sperr- oder Klinkeiſen) ange-

bracht, welche ſich um ein Gewerbe drehen, und in die Zacken des Rades greifen,

ſobald es der Geißfuß verlaſſen hat.

⁶⁾ Verbeſſerte Sägemühlen ſind angegeben bei Dingler polytechn. Journal.

XX. 155 (von Shuttleworth, eine Handſägemühle); XXII. 468 (von Calla);

XXVI. 468 (eine andere); XXVIII. 34 (von Nicéville); XLII. 340 (ein

acentriſches Rad für Sägemühlen, von Bertin) und XLIV. 316 (franzöſiſche

Sägemühlen).

§. 298.

2) Die Kohlenbrennerei1) und Gewinnung der

Holzeſſigſäure.

Zur Verkohlung im Großen ſind, mit Ausnahme des Reiſigs,

alle Gattungen von Holz tauglich. Zu dieſem Zwecke wird das

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Holz ſortirt, in lange Stücke verſägt und geſpalten. Die Ver-

kohlung geſchieht auf folgende verſchiedene Methoden: a) In

ſtehenden Meilern. Dabei wird das Holz in halbkugelförmige

Haufen (Meiler) aufrecht und dicht zuſammengeſtellt und hernach

mit einer den Luftzug hemmenden Decke von Laub und Erde über-

ſchüttet. Hierauf zündet man den Meiler von innen an und unter-

hält das Feuer ſo, daß die Theile des Holzes, welche verdampfen

ſollen, ſich nicht entflammen, ſondern kraft der Hitze im Meiler

als Dämpfe durch die Decke entweichen2). b) In liegenden

Meilern. Dieſe Methode iſt von der Erſten blos dadurch ver-

ſchieden, daß hier die Holzſtücke wagerecht zu Meilern aufgeſchichtet

werden3). c) In Oefen oder Retorten. Zu dieſem Behufe

baut man Gewölbe, von 6000–10000 Kubikfußen inneren Rau-

mes, aus gebrannten Steinen. Hier hinein ſetzt man das Holz

auf, und verſtopft alle Zuglöcher. Das Anzünden geſchieht durch

Heitzkanäle, dergeſtalt, daß das Holz ebenfalls nur verdampft. Die

dabei ſich entwickelnden Dämpfe werden durch Eiſenkanäle zur Ab-

kühlung unter der Erde fortgeleitet, damit ſie ſich als Waſſer,

Holzſäure und Theer niederſchlagen, und in der Gewinnung dieſer

Producte liegt ein Hauptvortheil dieſer Verkohlungsmethode4).

d) In Gruben. Man gräbt in trockene Erde offene Gruben,

wirft Reiſigbündeln darein, zündet ſie an, und wirft, wenn das

darin Liegende zu flammen beginnen will, unter ſtarkem Aufdrücken

immer wieder neue Lagen darauf, bis die Grube ganz ausgefüllt

iſt. So verhütet man das Verbrennen, es entſteht blos ein ſtarker

Dampf, bei deſſen allmäligem Ausbleiben die Grube mit Erde be-

deckt wird, um die Kohlen auszulöſchen. Dieſe Methode iſt nur

wenig und blos bei Reiſig anwendbar, das ohnedies keine gute

Kohlen gibt.

¹ Zur Literatur: Hermbſtädt Technologie. II. §. 760. Du Hamel de

Monceau, die Kunſt des Kohlenbrennens. Berlin 1762. Späth, Anweiſung

über das Verkohlen des Holzes. Nürnberg 1800. Scopoli Kunſt des Kohlenbren-

nens. Bern 1800. Beſchreibung der ital. Kohlungsmethode. Wien 1813. Af-Uhr

Anleitung zur zweckmäßigen Verkohlung des Holzes in ſtehenden und liegenden

Meilern. Aus dem Schwediſchen überſetzt von Blumhof. Gießen 1820. v. Berg

Anleitung zur Verkohlung des Holzes. Darmſtadt 1830. Krünitz Oekonomiſche

Encyclopädie. XLIII. u. LXXVIII Bd. Stahl Forſtmagazin. Bd. IV. Hartig

Forſtarchiv. Jahrg. 1818. Heft 1. Moſer Forſtarchiv. II. u. VII. Bd. Außerdem

die Hand- und Lehrbücher der Forſtwirthſchaft. Hundeshagen Encyclopädie der

Forſtwiſſenſchaft. I. 510. v. M. Handbuch für Förſter. Berlin 1805. v. Werneck

Gemeinnützige Entdeckungen und Beobachtungen c. Karlsruhe 1811. II Bände.

(Ir Band.) Abhandlungen der ſchwed. Akademie der Wiſſenſchaften. XX. 195 (von

v. Palmſtierna). Freytag, Von der vortheilhafteſten Verkohlung des Holzes

in Meilern. Quedlinburg 1831.

² Man wählt eine von ſtarkem Luftzuge geſchützte Kohlungſtätte auf trockenem

Grunde. Am liebſten nimmt man jedesmal wieder die alten Stätten. Die beſte

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² Verkohlungszeit iſt vom Juni bis zum September einſchließlich, und man fällt das

Holz dazu vor dem Laubausbruche. Ein Meiler hat gewöhnlich für mäßig trockenes

Holz 1800–2400, und für friſches 1200–1500 Kubikfuße Raum. Die Feuer-

leitung geſchieht durch Verſtärkung und Verminderung der Meilerdecke, und alſo

umgekehrt des Luftzuges, und durch Einſtoßen von Löchern, was den Zweck hat,

das Feuer an einzelne Stellen zu leiten. In Meilern der erſteren Art verbrennen

ſo in 24–38 Stunden 100 Kubikfuße Holz. Man gewinnt je nach der Verſchie-

denheit des Holzes von 100 Pfd. Holz 12–21 Pfd. Kohle, und von 100 Pfd. ganz

trockenem Holze, das keine Zwiſchenräume hat, 25–32 Pfd. trockene Kohle ohne

Zwiſchenräume. Die Güte der Kohle hängt unter Vorausſetzung der gleichen Güte

der gebrauchten Hölzer von ihrer Dichtigkeit und Reichhaltigkeit an Brennſtoff ab,

und dieſe richten ſich nach der geringen Menge atmosphäriſcher Luft, welche bei der

Verkohlung Zutritt hat.

³ Dieſe Methode hat ſich hauptſächlich in Schweden und Schleſien als vor-

theilhaft gezeigt.

⁴⁾ Ein ſolcher Ofen iſt beſchrieben von v. Schwarz bei Prechtl Jahrbücher.

VIII 167. Man ſ. über dieſe Methode insbeſondere aber auch noch Pfeil Krit.

Blätter. V. 1. Hermbſtädt Bülletin des Neueſten. VIII. 165. Bair. Kunſt-

und Gewerbsblatt. VIr Jahrg. 1820 (von Henkel). Verhandl. des Vereins zur

Beförderung des Gewerbsfleißes in Preußen. VIr Jahrg. 1827 (von Anckasvaad

und Af-Uhr). Dingler polytechn. Journal. VII. 264 (von de la Chabeaussiere).

Auch ſoll ſich darüber Schätzenswerthes bei Behlen Neue Zeitſchrift für Baiern

Bd. VI. (Jahrg. 1828.) Heft 2. u. 3. finden. Hat ſich der Theer von der Eſſigſäure

abgeſondert, ſo nimmt man dieſe ſorgfältig ab und filtrirt ſie durch Holzkohlenpulver,

bringt ſie dann in eine Deſtillirblaſe mit zinnernem Helme und Kühlrohre und de-

ſtillirt ſie. Das Ergebniß iſt eine hellweingelbe wenig riechende Flüſſigkeit, aber

noch nicht die reine Eſſigſäure, welche man erſt erhält, wenn man jene mit ge-

löſchtem Kalke (Kalkmilch) neutraliſirt. Es entſteht eſſigſaurer Kalk, den man

zerſetzt, wenn man eine Auflöſung von Glauberſalz (ſchwefelſaurem Natron) dazu

bringt, wodurch ſich ſchwefelſaurer Kalk (Gips) bildet und niederfällt, aber eſſig-

ſaures Natron aufgelöst in der Flüſſigkeit bleibt. Man dampft dieſe Flüſſigkeit bis

zum Vertrocknen ab, und bringt den trockenen Salzrückſtand in einem Eiſenkeſſel

gelinde zum Schmelzen, wobei ſich brenzliche Dämpfe entwickeln. Bemerkt man

dieſe nicht mehr, ſo läßt man den Rückſtand erkalten, löst ihn in Waſſer auf und

hat ſo das reine eſſigſaure Natron, zu welchem man blos Schwefelſäure zu ſetzen

und dann das Gemiſche zu deſtilliren hat, um in der Vorlage die reine Eſſigſäure,

als Rückſtand aber wieder ſchwefelſaures Natron (Glauberſalz) zu bekommen. S.

Hermbſtädt Technologie. II. §. 766. und das Dictionnaire technologique. I. 61.

Leng, Darſtellung der verſchiedenen in Deutſchland, Frankreich und England ge-

bräuchlichen Methoden der Gewinnung des Holzeſſigs. Ilmenau 1829.

IV. Verarbeitung des Zuckerſtoffes.

§. 299.

1) Die Bierbrauerei.

Das Bier iſt eine flüſſige, in die Weingährung übergegan-

gene, Extraktion von Gerſte, Weitzen, Hafer oder Mais. Das

Getreidekorn beſteht aus Waſſer, Eiweißſtoff, Zuckerſtoff, Schleim

(Gummi), Kleber, Stärkmehl und Holzfaſern. Durch die Brau-

operationen1) ſoll die Verzuckerung des Stärkmehles einer Ge-

treideart bewirkt, und der Zucker in eine Weingährung gebracht

und zerſetzt werden. Unter ſämmtlichen Getreiden iſt die Gerſte

zum Bierbrauen am tauglichſten, und insbeſondere diejenige, welche

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auf ſandigem magerem Boden gewachſen und nicht durchnäßt iſt2).

Der Kleber iſt entweder gekeimt oder nicht gekeimt, und nur der

Erſtere iſt vermöge höherer Temperatur im Stande, im Keime des

Pflänzchens das Stärkmehl in Zucker zu verwandeln. Man will

zuerſt einen möglichſt reichen zuckerhaltigen Extrakt (eine Würze)

bereiten, und weil der Zucker und Schleim in dem Getreide nur

den kleineren Beſtandtheil ausmacht, ſo ſucht man das Stärkmehl,

welches den größten Beſtandtheil bildet, in Zucker zu verwandeln.

Dies geſchieht durch das Malzen3), durch welches man bezweckt,

die Getreidekörner zum Keimen zu bringen. Die gekeimten Körner

heißt man alsdann Malz; allein dieſes iſt noch nicht ganz fertig.

Daſſelbe muß eines Theils noch getrocknet werden, um ſeine Keim-

kraft zu unterdrücken, andern Theils aber ſoll dadurch, da das

Stärkmehl etwa zur Hälfte blos in Zucker verwandelt iſt, der Reſt

auch noch ſo viel möglich zur Verzuckerung gebracht werden, nicht

blos indem unter einem höheren Grade von Temperatur der Kleber

auf die noch feuchte Stärke wirkt, ſondern auch indem das Stärk-

mehl durch das Röſten gummiartig wird. Das Trocknen geſchieht

entweder an luftigen Orten (Luftmalz) oder in eigenen Darr-

kammern (Darrmalz), welche leztere Methode4) aus leicht ein-

zuſehenden Gründen vorgezogen wird, da das Darrmalz mehr

Zucker und Schleim enthält. Die vorher ſchon gebildet geweſenen

Wurzeln fallen jetzt entweder von ſelbſt ab, oder ſie werden durch

Treten und Schwingen entfernt, und das Malz wird durch Sieben

von demſelben befreit. So weit bereitet iſt das Malz tauglich,

um die Zucker- und Gummitheile aus ihm zu extrahiren. Dies

kann natürlicher Weiſe leichter geſchehen, wenn das Malz geſchro-

ten oder gequetſcht iſt, und darum kommt es vor einer weiteren

Behandlung auf eine gewöhnliche Schrotmühle, auf ein Quetſch-

werk oder auf eine eigene Malzſchrotmühle5). Jetzt läßt man das

Malzſchrot noch etwas an einem feuchten Orte der Luft ausgeſetzt

liegen, damit ſich daſſelbe mit Feuchtigkeit aus der Atmosphäre

ſchwängere. Hierauf folgt die Auflöſung des Zucker- und Schleim-

ſtoffes durch Behandeln des Malzes mit warmem Waſſer, welcher

Prozeß das Maiſchen heißt6). Das Produkt dieſes Auflöſungs-

prozeſſes iſt eine dicke Flüſſigkeit, welche man Würze nennt.

Dieſe bringt man in einen Keſſel (den Braukeſſel)7) und kocht

ſie einige Zeit. Während dieſes Kochens wird der Hopfen auch

zugeſetzt und mitgekocht. Derſelbe iſt wirkſam hauptſächlich durch

ſein eigenthümliches ätheriſches Oel, ſeinen Bitterſtoff und Harz,

aber auch dadurch, daß er die Gährung der Maſſe mäßigt und die

ſaure Gährung hindert8). Die ſo gekochte Flüſſigkeit muß jetzt

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gereinigt und abgekühlt werden, und dies geſchieht, indem man ſie

auf irgend eine Art aus dem Braukeſſel in einen Seiher (die

Seiherbutte, den Hopfenkorb oder Hopfenſeiher), und durch

dieſen hindurch in einen großen flachen offenen Behälter (das

Kühlſchiff, den Kühlſtock) ſchafft9), wo ſie bis zu 10–14°

Reaum. abkühlt. Endlich fehlt nur noch die Einleitung der Gäh-

rung. Zu dieſem Behufe kommt die Würze jetzt in den ſogenannten

Stellbottich, der von verſchiedener Größe ſein kann, aber für

die Gährung um ſo beſſer, je größer er iſt. Man verſetzt ſie zu

dieſem Behufe mit Hefe10), und es zeigen ſich dabei die gewöhn-

lichen Erſcheinungen wie bei der Weingährung. Die Nachgäh-

rung wird bewirkt, wenn man das Bier jetzt in Flaſchen oder

Krüge einſperrt; ſie findet ſogar noch in verpichten Fäſſern Statt,

weßhalb man dieſe nicht feſt verſchließen darf. Nach vollendeter

Gährung läßt man aber das Bier ab, und hebt es in Lagerfäſſern

einige Zeit auf. Es gibt verſchiedene Arten von Bier11); aber

ein Nebenprodukt der Bierbrauerei iſt die Bierhefe, welche man

an einem kühlen Orte aufbewahrt, und, um ſie zu erhalten, täg-

lich mit friſchem Waſſer begießt, nachdem man das alte abge-

laſſen hat.

¹ Zur Literatur: Prechtl Encyclopädie. II. 96. Poppe Handbuch. II. 362.

Beckmann Anleitung zur Technologie. S. 178. v. Keeß Darſtellung. II. 315.

Hermbſtädt Technologie. II. §. 529. Außer den beſondern älteren Werken dar-

über von Simon (Dresden 1771), Heun (Leipzig 1777), Richardſon (aus

dem Engliſchen überſetzt von Crell. Berlin 1788), Waeſer (Berlin 1793),

Jordan (Hannover 1799), ſind folgende neuere Werke darüber beſonders zu

bemerken: Schaal, Beſchreibung der Bierbrauerei. München 1814. Hermbſtädt,

Chemiſche Grundſätze der Kunſt Bier zu brauen. Berlin 1826. 3te Aufl. II Abthlgn.

Muntz, das Bierbrauen in allen ſeinen Zweigen. Neuſtadt a. d. Orla 1827.

Meyer, die bairiſche Bierbrauerei. Ansbach 1830. IIte Auflage 1832. Accum,

Abhandl. über die Kunſt zu brauen. Hannover 1831. Kögel, Anweiſung zum

Bierbrauen. Quedlinburg 1831. Leuchs, Vollſtändige Braukunde. Nürnberg 1831.

Auch führt Hermbſtädt folgende zwei engliſche Werke an: On the Preparation,

Perservation and Restauration of Malt-Liquors. London 1773. A. Morrice, A

Treatise on Brewing ........ London-portir, Brown-stout, Reading-beer,

Amber, Hock, London-Ale, souwy Grasi-Ale, Table-beer and shipping-beer.

London 1802. S. auch: Der Porterbrauer oder Anweiſung c. Berlin 1829.

IIIte Auflage.

² Sie hat in 1000 Theilen Mehl 100 Theile Waſſer, 12,3 Theile Eiweißſtoff,

56 Theile Zucker, 50 Thle. Schleim, 37,6 Thle. Kleber, 720 Thle. Stärkmehl,

2,5 Thle. phosphorſauren Kalk. Prechtl. II. 97.

³ Daſſelbe zerfällt in zwei Operationen: a) Das Einweichen in Waſſer im

ſogenannten Quellbottiche von Holz oder in einer ausgemauerten Erdgrube, ſo

daß das Waſſer noch eine Spanne hoch darüber ſteht. Durch das Umrühren kom-

men die leichten tauben Körner oben auf und werden mit einem Siebe abgeſchöpft.

Man thut gut, das Waſſer jeden Tag durch friſches zu erſetzen. Während dieſes

Prozeſſes, welcher 2 Tage und darüber dauert, quillt die Mehlſubſtanz auf und wird

zum Keimen gebracht. Daher darf das Einweichen auch nicht zu lange dauern,

weil ſonſt die Keimkraft erſtickt oder weil zu viel Zucker auf die Keimung verwendet

[400/0422]

³ wird. Spalten ſich die Körner an den Spitzen leicht durch einen Druck mit den

Fingern, dann iſt das Quellmalz gut. Hierauf läßt man die Maſſe noch 6–8

Stunden ſtehen, und dann folgt die zweite Operation, nämlich b) das Aufſchüt-

ten der Körner auf die Malztenne in 1–1½ Fuß hohe Haufen und das Liegen-

laſſen derſelben bis nach 24 Stunden, um ſo eine gleichförmige Keimung zu ver-

anlaſſen, wobei ſich die Oberfläche der Haufen abtrocknen, im Innern aber eine

Erwärmung Statt findet. Es zeigen ſich Würzelchen, und die Haufen werden,

ſobald ſich die Erwärmung und das Schwitzen zeigt, auseinander gezogen, um die

zu weite Keimung zu verhindern, aber wieder zu halb ſo hohen Haufen als die

vorigen waren zuſammengezogen. Man ſchaufelt dieſe täglich wieder einigemal um,

und macht ſie wieder niederer, der Keimprozeß wird aber als beendigt angeſehen,

wenn die Würzelchen ein wenig länger ſind als das Korn ſelbſt, und ſich die

Körner dadurch aneinander hängen, und die Haufen werden zum lezten Male in

1–2 Zoll hohe Haufen geſchaufelt. Nachdem ſie getrocknet ſind, kommen ſie auf

die Darre.

⁴⁾ Die Darrkammer iſt eine Stube, von 4 Mauern, auf welchen horizontal

die Darre, d. h. ein durchlöchertes Kupfer- oder Eiſenblech, oder ein Drahtſieb,

liegt, auf welches man die Körner 3–4 Zolle hoch aufſchichtet, dann durch

Heitzung vermittelſt eines Ofens allmälig bis 50° Reaum. und darüber erhitzt und

öfters umwendet, bis es eine gelbliche, gelbe oder braune Farbe hat, worauf man

dann das Feuer ausgehen und das Malz abkühlen läßt. Das Malzdarren dauert

2 Tage. Jene Farben hängen vom Grade der Temperatur ab. Dörrt man aber

das Malz an der Luft, ſo wird es auf den ſogenannten Welkboden ausgebreitet

und heißt auch Welkmalz, wie überhaupt alles ſchwach gedörrte Malz von einer

blaſſen Farbe. Daſſelbe wird in der Regel zu Weißbier genommen. Gutes Malz

hat einen ſüßen Geſchmack, einen angenehmen Geruch, wenn man es nicht kaut,

und iſt ſo voll weichen Mehles, daß man damit auf harten Gegenſtänden ſchrei-

ben kann.

⁵⁾ Eine ſolche Malzſchrotmühle beſchreibt Prechtl Encyclopädie. II. 148.

S. auch Dingler polytechn. Journal. XXII. 330. Karmarſch Mechanik in ihrer

Anwendung auf Gewerbe. II. 360.

⁶⁾ Man will durch das Maiſchen den Zucker und Schleim auflöſen, und vom

Reſte an Stärkmehl noch ſo viel als möglich verzuckern, indem man daſſelbe unter

Beigießen von heißem Waſſer mit Kleber vermiſchen und ſo in Zucker verwandeln

will. Das Waſſer wird daher im Braukeſſel bis wenigſtens 50°, höchſtens 60°

Reaum. erhitzt, das Malz aber kommt vorher in den Maiſchbottich, d. h. ein

unter dem Braukeſſel ſtehendes Gefäß mit zwei Boden, wovon der obere durchlöchert

iſt. Nun läßt man von jenem heißen Waſſer eine Quantität auf das Malz laufen,

und rührt immer mit Krücken um. Nach einiger Zeit läßt man von dem indeſſen

bis zu 75° erhitzten Waſſer abermals etwa ¾ der früheren Menge darauf und ſetzt

das Umrühren fort. Iſt die Maſſe eine gleichförmige Flüſſigkeit geworden, dann

läßt man ſie bedeckt im Maiſchbottich 1–1½ Stunden ruhen, und zieht die

gebildete Würze durch den Hahn, in ein noch tiefer ſtehendes Gefäß (Unterſtock)

ab. Sie muß klar ſein. Iſt ſie es nicht, ſo kommt ſie noch einmal in den Maiſch-

bottich. Dieſe Operation wird mit derſelben Maiſche dreimal wiederholt. Man

mißt den Gehalt der Würze durch eine Spindel, welche man Saccharometer

nennt. Gießt man über die bereits ausgewürzte Maiſche ſpäter noch einmal Waſſer,

ſo gibt der Extrakt die Würze für das ſogenannte Nachbier (den Kovent).

Eine verbeſſerte Vorrichtung zum Maiſchen ſchlägt Prechtl (a. a. O. II. S. 119)

vor, ſie dient zum Maiſchen, indem man zugleich den Waſſerdampf dazu benutzt.

Auch iſt zur Verfertigung der Würze ſchon die Real'ſche Preſſe vorgeſchlagen

worden.

⁷⁾ Der Braukeſſel iſt von Kupfer, und liegt auf eiſernen Stangen oder un-

zweckmäßiger auf Mauerpfeilern, mit ſeinem Boden auf. Zur Benutzung der von

dieſem Hauptkeſſel abgehenden Hitze iſt es ſehr zweckdienlich, noch einen zweiten

kleineren Keſſel anzubringen, der zugleich die Brauoperationen ſehr beſchleunigt.

Mit Vortheil kann man die Keſſel auch durch einen Deckel verſchließen, der in eine

[401/0423]

⁷⁾ Röhre zur Ableitung der Dämpfe ausgeht. Dieſe engliſche Einrichtung beſchreibt

auch Prechtl a. a. O. II 149–152.

⁵⁾ Durch das Kochen wird die Würze concentrirt. Der Hopfen enthält nach

Wimmer 0,12 Hopfenöl, 2,26 Gerbſtoff, 7,69 Extraktivſtoff, 4,91 Harz, 7,09

Gummi und 72,94 Faſerſtoff. Während des Kochens wird noch die Verzuckerung

eines Theiles von dem Reſte an Stärkemehl bewirkt, und beſonders durch den

Hopfenbeiſatz nicht blos veranlaßt, daß der Eiweißſtoff der Würze in Flocken

geronnen niederfällt, ſondern auch, daß der nicht verzuckerte lezte Reſt vom Stärk-

mehle ſich mit dem Gerbſtoffe des Hopfens verbindet und ſo ſpäter beim Abkühlen

des Bieres leichter ausgeſchieden wird. Braunbier muß länger kochen als Weißbier,

und die Würze iſt überhaupt genug gekocht, wenn ſich die Eiweißflocken zeigen und

niederſchlagen. Der Hopfen kann 2–6 Stunden lang darin gekocht werden, und

wird nachher noch zum Nachbiere gebraucht. Man weicht ihn vor ſeinem Einbringen

entweder in heiße Würze ein und gießt ihn dann ſammt dieſer in die Würze, oder

man macht auf chemiſchem Wege aus ihm einen Extrakt und gießt dieſen in den

Braukeſſel, oder aber man ſchüttet ihn ohne Vorbereitung auf die Oberfläche der

Würze, um ihn durch die Dämpfe zu erweichen und zu öffnen, und drückt ihn erſt

dann in die Würze. Für ſtärkeren engliſchen Ale und Porter rechnet man 1½ Pfd.

Hopfen auf 1 öſterreich. Metze Malz oder ungefähr eben ſo viel auf 1 preuß. Scheffel.

⁹⁾ Das Gebräue ſoll darin nicht höher als zwei Zolle ſtehen, und hat eine

Temperatur von 75–78° Reaum., welche allmälig bis auf 14–10° abnimmt.

Im Kühlſchiffe ſteht das Gebräue ganz ruhig, und es iſt erklärlich, daß die Luft

nach ihrer jeweiligen Beſchaffenheit darauf von großem Einfluſſe iſt. Die Abkühlung

erfordert 6–15 Stunden Zeit. Das Kühlſchiff ſteht entweder im Freien oder unter

einem leichten Dache, welches, wenn die Braueinrichtung recht vollkommen ſein

ſoll, beweglich ſein muß. Man kann die Abkühlung auch durch künſtliche Erkälter

(Refrigeratoren) beſchleunigen, wenn man das Gebräude vom Kühlſchiffe durch

Röhren in ein Gefäß leitet, das mit kaltem Waſſer umgeben iſt, auf ähnliche

Weiſe wie bei der Branntweinbrennerei. Prechtl a. a. O. II. 127. vrgl. mit

I. 29. u. III. 35. Ueber verbeſſerte Kühlmethoden ſ. m. auch Dingler polytechn.

Journal. XVI. 432 (Burdy's Anti-Evaporations-Abkühler). XXIV. 39. und

XXVIII. 279 (nach Deurbroucy). Bairiſches Kunſt- und Gewerbsblatt. XVI.

Jahrg. (1828). Bd. II. S. 171. Prechtl Jahrb. II. 256 (engl. Bierbrauerei).

¹⁰⁾ Mit obiger geringeren Temperatur wird die Gährung am beſten einge-

leitet, wenn die Luft 10° hat. Veränderungen in der Wärme der Atmosphäre

machen das Bier leicht ſauer. Daher muß hierbei große Sorgfalt angewendet wer-

den, und im Winter muß die Würze jedenfalls 2–4 Grade wärmer ſein als im

Sommer. Man rechnet 1 Thl. Hefe auf 100 Thle. Würze, und die Gährung

dauert 6–8 Tage. Es bildet ſich auf der Oberfläche des Gebraues ein Schaum,

und aus dieſem die Oberhefe, welche man mit einem Siebe abnimmt, wenn die

Gährung vollendet iſt. Das Bier wird dann ſchnell abgezogen, damit der Bodenſatz

(Unterhefe) daſſelbe nicht hefenbitter mache. In den Fäſſern kommt die Nach-

gährung, wobei die Oberhefe zum Spundenloche herausfließt, die Unterhefe ſich

aber ſetzt. Hört jenes auf, dann wird das Faß verſpundet. — Bei der erſten

Gährung finden auch die anderen Zuſätze Statt, zum Theile unſchädliche (Lakritzen-

ſaft, Süßholzwurzel), zum Theile den Magen ſtärkende (Kümmel, Anies, Kori-

anther, Ingwer, Zitronenſchaalen u. dgl.), zum Theile ſchädliche (Rosmarin,

Opium, Cocoli indici, Nießwurz, ſpan. Pfeffer). Man hängt dieſe Subſtanzen in

den Stellbottich. — Ueber die Methode, das Bier zu klären ſ. m. XVI 434

(nach Dikinſon); daſſelbe aufzubewahren XXXIX. 61 (nach Aitken); daſſelbe

vor dem Sauerwerden zu ſchützen XLI. 257 (von Mallett).

¹¹ Außer den Verſchiedenheiten und verſchiedenen Namen des Bieres nach der

Localität, welche leztere zum Theile höchſt wunderliche, derbe und lächerliche Aus-

drücke des Volkswitzes und von Hermbſtädt großentheils angeführt ſind, unter-

ſcheidet man nach Materiale und Stärke leichtes, mittelſtarkes, ſtarkes

(Doppel-) Bier, von welchem leztern das engliſche Ale das ſtärkſte iſt, — nach

der Farbe deſſelben, die von jener des Malzes und von der Länge des Kochens herrührt,

Weiß-, Gelb- und Braunbier; — und nach der Vollendung der Gährung

März- und Lagerbier, oder Jung- und Altbier. Dict. technologique. III. 61.

Baumſtark Encyclopädie. 26

[402/0424]

§. 300.

2) Die Branntweinbrennerei1).

Der Branntwein iſt ein zum Genuſſe für Menſchen taugliches

Gemiſche von Weingeiſt und Waſſer2). Zur Bereitung deſſelben

ſind alle Stoffe tauglich, welche Zucker und Gummi, Stärkmehl

und Kleber genug enthalten, um zur Bereitung eines Extrakts zu

dienen, der durch die Weingährung Alcohol bildet, welcher mit

Waſſer vermiſcht iſt, aber durch Deſtillation mit verſchiedener

Menge Waſſers verbunden, gewonnen werden kann. Man kann zu

Branntwein aus der Klaſſe der zuckerhaltigen Pflanzentheile

das Zuckerrohr (zu Rhum), die bei der Zuckerbereitung abfallende

Melaſſe, den Syrup, Rohzucker, Ahorn- und Birkenſaft, Palmen

(zu Arrak) u. ſ. w., Weinträbern, Aepfel und Birnen, Zwetſchen,

Kirſchen, Maul-, Heidel-, Erd- und Himbeeren, Wachholder-

beeren, die Früchte des Erdbeerbaumes und der Ebereſche, und

die Runkelrübe benutzen. Er wird aber auch aus ſtärkehaltigen

Pflanzenſtoffen, als: Getreide und Kartoffeln gemacht. Enthält

Einer von dieſen lezten Stoffen nicht Kleber genug, um das Stärk-

mehl in Zucker zu verwandeln, ſo muß noch eine andere ſtärke-

haltige Subſtanz dazu gemengt werden (§. 299.). Das erſte Ge-

ſchäft der Branntweinbrennerei iſt, wie bei der Bierbrauerei, die

Gewinnung eines zuckerhaltigen Extraktes aus jenen Stoffen und

die Einleitung einer Weingährung in demſelben. Die Darſtellung

jenes Extraktes iſt nach den zu löſenden Gegenſtänden verſchie-

den3), aber die Gährung wird ebenfalls durch Zuſatz eines Fer-

mentes, z. B. der Hefe bewirkt. Man nennt auch das Reſultat

dieſer Operationen Maiſche oder Würze. Auf dieſe wird die

Deſtillation angewendet, und man hat zwei Hauptmethoden der-

ſelben. Nämlich man deſtillirt entweder zuerſt aus der Maiſche

ein ſehr waſſerhaltiges Deſtillat und erſt in einer zweiten Deſtilla-

tion dieſes zu Branntwein, oder man bewirkt beide Deſtillationen

in einer Operation. Jene ältere ſo wie dieſe neuere Methode iſt

gebräuchlich und jede erheiſcht ihre beſonderen Apparate. A. Ael-

tere, auch manchfach verbeſſerte, Methode. Die Würze

kommt in die Deſtillir- oder Maiſchblaſe4), einen Keſſel, den

man mit derſelben, nachdem man ſie ſtark umgerührt hat, anfüllt,

jedoch nicht bis an den Rand, damit ſich die Maſſe ohne auszu-

laufen heben kann. Zur Beſchleunigung des Deſtillationsprozeſſes

thut man ſehr gut, wenn man die Würze vorher ſchon bis etwa

auf 60° Reaum. erwärmt5). Unter einer ſtarken Feuerung ſteigt

die Hitze der Maiſche bald bis an den Siedpunkt. Ehe ſie dieſen

[403/0425]

erreicht, dämpft man das Feuer und ſetzt auf die Maiſchblaſe den

ſogenannten Helm oder Hut6), ein oben geſchloſſenes gewölbtes

Gefäß von Kupfer, in welches die Dämpfe ſteigen, um von da

aus durch den Helmſchnabel, eine von oben zu hinabwärts-

gehende Röhre, zu entweichen, welche man mit einer anderen

(der Kühlröhre) verbindet, die ihr aus einem Apparate ent-

gegenkommt, der Kühlapparat (Refrigerator, Erkälter) heißt,

und dazu dient, die Dämpfe zu einer tropfbaren Flüſſigkeit nieder-

zuſchlagen7). Aus dem Refrigerator kommt die Kühlröhre auf

der anderen Seite hervor und es tröpfelt aus ihr ein ſehr waſſer-

reicher Branntwein (Läuter, Lutter) von nur 10–20° Tralles.

Dieſer Läuter muß alsbald, damit ſein Gehalt an Eſſigſäure keine

ſaure Gährung bewirkte, zum Behufe der zweiten Deſtillation

(Rectification) in eine zweite Deſtillir- oder in die Wein-

blaſe (von Weinen, wie man dieſe Deſtillation auch nennt)

gebracht und wie auf die erſte Art deſtillirt und abgekühlt werden.

Was zuerſt durch die Kühlröhre hervorkommt (der Vorlauf), iſt

weit ſtärker, als was nachkommt (der Nachlauf). Man leitet

beides durch einen Filter von Filz, der einem Hanswurſthute ſehr

ähnlich iſt, in ein Gefäß, nimmt den Vorlauf, ſobald man den

Nachlauf bemerkt, hinweg, fängt auch dieſen auf und bringt ihn

mit dem nächſten Lutter wieder in die Weinblaſe. Dieſe Brenn-

methode hat viele Verbeſſerungen erlebt, deren vollſtändige Auf-

führung8) hier nicht thunlich iſt. Eine der Weſentlichen iſt die

Einführung des Dampfbrennapparates9). B. Neuere, auch

manchfach verbeſſerte, Methode. Wie ſchon erwähnt iſt, ſo

beſteht das Charakteriſtiſche derſelben darin, daß man den Brannt-

wein in ſehr concentrirtem Zuſtande ſchon gewinnt, indem das

Deſtillat nur einmal durch den Brennapparat geht. Das Verfahren

iſt in jeder Beziehung abgekürzt und materiell vortheilhafter; allein

die Apparate dazu ſind zuſammengeſetzter und koſtſpieliger. Man

verfährt dabei nach zwei Prinzipien. Nach dem erſten Prinzipe

ſucht man eine mehrfache Deſtillation zu bewirken, um den Gehalt

des Branntweines ſtufenweiſe mit jeder neuen Deſtillation zu er-

höhen, indem die Siedhitze in den Gefäßen, die er durchwandern

muß, ſtufenweiſe abnimmt und derſelbe aus der Blaſe mit dem

niedrigſten Siedpunkte in den Kühlapparat geht10). Nach dem

zweiten Prinzipe ſucht man den Branntwein nicht durch wieder-

holte Deſtillation, ſondern vielmehr durch wiederholte ſtufenweiſe

Condenſirung oder Abkühlung verſchiedenen Grades zu concentriren.

Daher leitet man die weingeiſtigen Dämpfe aus der höheren Tem-

peratur in eine Röhre (Condenſator, Rectificator) von einer

26 *

[404/0426]

geringeren Temperatur; in dieſer verdichtet ſich ein Theil ſchon zu

einer reichen alcoholhaltigen Flüſſigkeit und es bleiben noch Dämpfe

unverdichtet; man ſucht deshalb die ſtarke weingeiſtige Flüſſigkeit

abzuziehen und leitet blos die noch übrigen Dämpfe in den Refri-

gerator, wo ſich ein ſehr concentrirter Branntwein niederſchlägt;

die zuerſt durch Verdichtung gewonnene weingeiſtige Flüſſigkeit lei-

tet man dagegen ſchnell, um ſie nicht erkalten zu laſſen, in die

Maiſchblaſe zurück, damit der darin enthaltene Weingeiſt dort von

ihr geſondert werde11). Der auf eine dieſer verſchiedenen Metho-

den gewonnene Branntwein riecht immer noch nach dem Stoffe,

aus dem er bereitet iſt, und namentlich hat der Kartoffel- und

der Getreidebranntwein einen ſogenannten Fuſelgeruch, durch

das in den Kartoffeln und im Getreide enthaltene Fuſelöl. Man

hat verſchiedene Mittel, ihm davon zu befreien12), und man be-

nutzt die verſchiedenen aus weniger edeln Stoffen gemachten

Branntweine auch zur Bereitung edler Arten13).

¹ Zur Literatur: Prechtl Encyclopädie. III. S. 172. Hermbſtädt

Technologie. II. §. 542. Poppe Handbuch der Technologie. II. 380. Als eigene

Schriften über Brennerei ſind außer den von Poppe angeführten älteren Werke

von Grotjan (Nordhauſen 1754. Neue Aufl. 1761), von Simon (Dresden 1765.

Neue Aufl. 1795), von Chriſt (Frankfurt a. M. 1785), von Neuenhahn

(Erfurt. IIte Ausgabe 1791. IIIte Ausg. Leipzig 1804 in II Bdn.), von We-

ſtrumb (Hannover. IIte Ausg. 1796) und Weiß (Leipzig 1801 in II Thln.)

beſonders folgende wichtig: Piſtorius, praktiſche Anleitung zum Branntwein-

brennen. Berlin 1821. Neue Aufl. 1829. Hermbſtädt, chemiſche Grundſätze der

Kunſt Branntwein zu brennen. Berlin 1823. II Thle. Bachwell, die Brannt-

weinbrennerei nach einer verbeſſerten Gährungsart. Dresden 1828. Roſenthal,

die Nordhäuſiſche Branntweinbrennerei. Nordhauſen 1828. IIte Auflage 1832.

J. Weſtrumb, Materialien für Branntweinbrenner, herausgegeben von A. We-

ſtrumb. Hannover 1828. Siemens, Beſchreibung eines neuen Betriebs des

Kartoffelbrennens. Hamburg 1829. IIIte Aufl. Praktiſche Anweiſung zum Brannt-

weindeſtilliren. Nordhauſen 1830. Schmidt, die verbeſſerte Kartoffelbranntwein-

brennerei. Berlin 1830. Koelle, die Branntweinbrennerei vermittelſt Waſſer-

dämpfen. Berlin 1830. (Leuchs) Sammlung der ſeit 30 Jahren in der Brannt-

weinbrennerei gemachten Beobachtungen. Nürnberg 1831. Gall, die Branntwein-

brennerei, von A. Koelle geprüft. Trier 1830. Muntz, Anleitung zum Schnell-

brennen des Branntweines. Neuſtadt 1830. Gall, Beſchreibung ſeines neuen

Dampfbrennapparats. Trier 1831. Richter, die Kartoffelbranntweinbrennerei durch

Dampf. Berlin 1832. Gall, der Gall'ſche oder rheinländiſche Brennapparat. Trier

1834. v. Keeß Darſtellung. II. 328. Duportal, Anleitung zur Kenntniß der

Branntweinbrennerei in Frankreich. Ueberſezt und mit Zuſätzen begleitet von

Hermbſtädt. Berlin 1812. Dingler polytechn. Journal. XX. 41. 52. XXX.

339 (Maiſchung nach More). XXXIV. 286 (Brennerei nach Stein). XXXV.

52 (Kartoffelbranntwein nach Pabſt). Dict. technologique I. 265. VII. 30.

279.

² Er hat höchſtens 22° Baumé oder 0,925 ſpezif. Gewicht. Sehr ſtarker

Branntwein heißt Aquavit Noch mehr deſtillirter Aquavit von 0,900 ſpezif.

Gewicht oder 25–26° Baumé iſt rectifizirter Weingeiſt; wird dieſer aber-

mals deſtillirt bis auf ⅔, ſo heißt das andere ⅓ höchſt rectifizirter Wein-

geiſt und hat 0,833 ſpez. Gewicht oder 38° Baumé. Durch ferneres Deſtilliren

des Lezteren bis zu 40° Baumé oder 0,825 ſpezif. Gewicht erhält man den

[405/0427]

² Alcohol, der aber immer noch 11% Waſſer hat. Wird er ganz waſſerfrei

gemacht, ſo heißt er abſoluter Alcohol, hat bei 12° Reaumur 0,7947 ſpez.

Gewicht und beſteht aus 52,66 Kohlenſtoff, 12,90 Waſſerſtoff und 34,44 Sauerſtoff.

Prechtl Encyclopädie. I. S. 222 folg.

³ Der Saft des Zuckerrohres, wie der Wein ohne Hefezuſatz gährungs-

fähig, hat friſch 12–16% Rohzucker. Syrup muß aber mit dem 20 fachen an

Waſſer verdünnt werden, ſich dann auf 20° Reaum. abkühlen, mit 8% ſeines

Gewichtes an Hefe verſetzt werden, um zu gähren und wird dann deſtillirt. Das

Abwaſchwaſſer vom Zuckerraffiniren braucht nur mit Hefe verſetzt, gekühlt und

deſtillirt zu werden. Der Rohzucker wird mit 10 fachem Gewichte Waſſer gelöst

und 10% Hefe verſetzt. Ein Pfd. Zucker liefert ½ Pfd. Alcohol. Weinträbern

rührt man blos mit Waſſer an und ſie gähren in einer Temperatur von 15–20°

Reaum. ohne Hefezuſatz. Aepfel und Birnen werden gequetſcht, dann mit dem

doppelten Volumen an heißem Waſſer zu einem Breie angerührt, und nach dieſem

noch verdünnt und der eigenen Gährung überlaſſen. Zwetſchen werden auch mit

Waſſer umgerührt und in wohlverſchloſſenen Gefäßen einige Monate im Keller ſtehen

gelaſſen und dann deſtillirt. Bei den Kirſchen zerquetſcht man aber zugleich die

Kernen mit dem Fleiſche, ehe man ſie ſo behandelt. Der Saft von Runkelrüben

hat 8% Zucker. Man kocht ſie, wenn ſie recht gereinigt ſind, mit Waſſerdämpfen

weich, zerquetſcht oder ſtampft ſie zu Brei, miſcht ſie mit [FORMEL] des Gewichtes ſieden-

dem Waſſer ein, ſeihet ſie durch ein Sieb, gibt noch halb ſoviel Waſſer dazu und

verſetzt die Maiſche nach ihrer Abkühlung bis auf 20° Reaum. mit 16 pr. Mille

des erſten Gewichtes der Runkelrüben an Hefe zur Gährung. Man muß aber der

erſten Maiſche 32 pr. Mille Gerſtenmalzſchrot zuſetzen, um den gehörigen Kleber-

gehalt in die Maiſche zu bringen. Es geben 100 Pfd. Runkelrüben 10–12 Pfd.

Branntwein von 45° Tralles. Das Getreide gibt ſehr guten und vielen Brannt-

wein. Man rechnet auf 100 Pfd. Weitzen 40–45 Pfd. Branntwein obiger

Stärke, auf 100 Pfd. Gerſte, Buchweitzen oder Mais 40 Pfd., auf 100 Pfd.

Roggen 36–42 Pfd. und auf 100 Pfd. Hafer 36 Pfd. Branntwein. Das Mai-

ſchen des Getreides ſammt den Vorarbeiten iſt weſentlich von dem Maiſchen bei der

Bierbrauerei nicht verſchieden und ſogar zu wünſchen, daß man dabei ebenſo ver-

fahren möchte. Nur braucht die Maiſche nicht klar zu ſein, und wird mit 4%

friſcher Oberhefe oder 8% Unterhefe an Gewicht verſetzt und in Gährung gebracht,

ehe ſie zur Deſtillirung kommt. Ehe man die Hefe beigießt, miſcht man ſie mit

etwas warmer Maiſche. Es entſteht beim Gähren keine Oberhefe, und es kann

ſogar etwas ſäuerlich werden. Nach 2½ bis 3 Tagen kann die Maiſche oder Würze

zur Deſtillation kommen. Die Kartoffeln, welche ſich zu Branntwein vortrefflich

eignen, werden gereinigt. Man hat dazu auch eigene Maſchinen (§. 197. Note 2)

und Prechtl a. a. O. III. S. 18. beſchreibt auch eine ſolche. Wenn hierauf die

Kartoffeln in Dampf gekocht ſind, wozu man auch eigenthümliche Bottiche hat, ſo

werden ſie zerquetſcht oder zerrieben. Dies geſchieht durch Walzen von Holz, wie

in Deutſchland, oder durch Walzen, welche mit einem Siebe aus Eiſendraht über-

zogen ſind, damit der Brei in den Cylinder fallen und auf einer ſchiefen Ebene aus

demſelben herausgleiten kann, wie in Frankreich üblich iſt. Um aber eine Abküh-

lung der Kartoffeln beim Quetſchen zu verhüten, bringt Siemens die Quetſchung

im Kochbottiche ſelbſt an (ſ. außer ſeiner Schrift auch Prechtl a. a. O. III. 19

bis 23.). Entweder in dieſem Siemens'ſchen Maiſchapparate ſelbſt, oder auf andere

Art miſcht man den Kartoffelbrei mit heißem Waſſer und zum Behufe der Auflöſung

des geronnenen Eiweißſtoffes und der Neutraliſation der Weinſteinſäure mit einer

Aetzlauge von 1 Pfd. in heißem Waſſer aufgelöster calcinirter Pottaſche und 1 Pfd.

gelöſchtem Kalke. Hierauf wird ihm, nachdem er durch ein Sieb gelaufen und von

den Träbern gereinigt iſt, ungefähr bis des Gewichts der Kartoffeln an

Malzſchrot zugeſetzt, nachdem daſſelbe mit dem halben Gewichte der Kartoffeln an

kaltem Waſſer vermiſcht iſt. Man wiederholt nach ein Paar Stunden denſelben

Waſſerzuſatz und läßt die Wärme ſo bis 20° Reaum. abkühlen. Alsdann ſetzt man

3–4% des Kartoffelgewichtes Hefe bei, worauf die Gährung mit einer ſehr

brauchbaren Oberhefe beginnt. Iſt ſie vollendet, ſo kommt die Maiſche in die

Deſtillirblaſe, und liefert 18–20% Branntwein von 45° Tralles. — Der Reſt

[406/0428]

³ nach dem Deſtilliren dieſer Materien heißt Spülicht oder Schlempe, Hermb-

ſtädt Bülletin. V. 118. VII. 251.

⁴⁾ Der Keſſel iſt von Kupfer, aber von verſchiedener Größe und Form. Die

mehr cylindriſche Form mit gewölbtem Deckel und Boden iſt die beſte. Auf jenem

iſt die Oeffnung zum Einſetzen des Helmes, welche ⅓-½ des Keſſeldurchmeſſers

beträgt. Am Boden des Keſſels iſt ein Rohr zum Abziehen des Spülichts anzu-

bringen, ſo das der Helm blos zum Putzen des Apparates abgenommen zu werden

braucht.

⁵⁾ Man wärmt im Vorwärmer die Maiſche zuerſt bis auf etwa 60° Reaum.

Die Deſtillation geht dann ſchneller, weil die Maiſche alsdann, ſo wie ſie in die

Blaſe kommt, anfängt zu deſtilliren. Man erſpart auch an Brennmateriale. Auch

er iſt von Kupfer, mit einem Deckel geſchloſſen, und muß die Maiſche für eine

Deſtillation halten. Man bringt ihn unter dem Schornſteine hinter dem Feuer-

heerde des Keſſels an.

⁶⁾ Der Helm, auch von Kupfer, ſitzt auf der Blase als ein umgeſtürzter, nach

dem oberen Theile ſich erweiternder gewölbter Cylinder. Die Wölbung ſchließt ein

gewölbter Deckel, in deſſen Mitte ſich eine verſpundete Oeffnung zum Nachfüllen der

Maiſche befindet. An der Seitenwand iſt der Schnabel oder das Helmrohr ange-

bracht, welches die Dämpfe in den Abkühler führt, und ſich gegen das Ende vom

Keſſel an gerechnet bis auf die Hälfte des Anfangs verengert. Auf dem Helme iſt

mit Vortheil ein Ring angelöthet, damit er ein Gefäß bildet, dem die Wölbung

des Helmes als Boden dient. Man kann dies mit Waſſer füllen.

⁷⁾ Im Refrigerator ſollen die Dämpfe ſich condenſiren und das Product

der Condenſirung abkühlen. Das Weſentliche deſſelben iſt ein mit kaltem Waſſer

gefülltes Gefäß, durch welches die Dämpfe in Röhren hindurchgeleitet werden.

Dieſe Röhren ſind entweder gerade (alte Form), oder ſchlangenförmig oder

zickzackig. Leztere ſind vorzuziehen, weil ſie dem Kühlwaſſer die größte Fläche

darbieten, ein Kühlfaß von geringerem Umfange verlangen, als jene, — doch die

Abkühlung ſehr vollſtändig und beſſer als jene bewirken und leicht zu reinigen ſind.

Es gibt aber noch andere Refrigeratoren, z. B. der von Gedda, welcher aus zwei

ineinander ſtehenden abgeſtutzten kegelförmigen Cylindern beſteht, und der Köll'ſche,

welcher gabelförmig iſt (Prechtl a. a. O. III. S. 35–43.).

⁸⁾ Die Hauptmängel der alten Methode ſind großer Zeitaufwand durch die

zweite Deſtillation-Unvollkommenheit dieſer Leztern, Verluſt an Product durch das

Erkalten des erſten Deſtillats, große Arbeit und bedeutender Aufwand an Brenn-

materiale. Eine Verbeſſerung deſſelben ſchlägt unter Anderen auch Prechtl

(a. a. O. III. 45.) vor, indem er zwiſchen die Blaſe und das Kühlfaß einen

Rectifizir- oder Läuterkeſſel ſtellen will, aus dem die Dämpfe zum zweitenmale durch

den Helm entweichen und erſt dann in das Kühlfaß gelangen.

⁹⁾ Ein erſt neuerdings wieder empfohlener Apparat dieſer Art iſt der Gall'ſche.

Man will die Maiſche bei dieſer Art von Apparaten durch Dampf von hoher Hitze

und Spannung deſtilliren, indem man ihn in die Maiſche ſelbſt einleitet. Man

hat daher, dem Weſentlichen nach, einen Dampfkeſſel, aus welchem die Dämpfe

vermittelſt einer Röhre in das Maiſchgefäß oder die Blaſe treten. Dieſe Methode

hat Vorzüge, nämlich die, daß die Maiſche nie anbrennen kann, und mit einem

Dampfkeſſel mehrere Deſtillirapparate geſpeist werden können und die Temperatur

bei der Deſtillation ſich gleich bleibt. Aber der gelieferte Läuter iſt ſchwächer als

bei den anderen Methoden. Jedoch hat man dieſem Uebelſtande durch Veränderungen

abgeholfen. Prechtl a. a. O. III. 47–53. Hermbſtädt Bülletin. VI. 214. 332.

VIII. 112. IX. 39. X. 218.

¹⁰⁾ Das Weſentliche dieſer, ohne Zeichnung nicht zu beſchreibenden, Apparate

iſt, daß man außer der eigentlichen Brennblaſe noch mehrere, mit der Zunahme

der Entfernung von dieſem immer kleiner werdende, Gefäße mit Maiſche füllt,

durch welche ſämmtlich die weingeiſtigen Dämpfe des Brennkeſſels ſteigen, bis ſie in

den Refrigerator gelangen. Die im Brennkeſſel gebildeten Dämpfe erhitzen die

Flüſſigkeit im nächſten Gefäße, — die in dieſem gebildeten Dämpfe jene des fol-

genden u. ſ. w., ſo daß die Stärke des Weingeiſts zu- und die Wärme abnimmt,

[407/0429]

¹⁰⁾ je näher derſelbe und das Gefäß dem Refrigerator ſteht. Es gehören hierher z. B.

die Apparate von Edw. Adam und Andern. Prechtl a. a. O. III. 53–56.

¹¹ Aus dieſer Darſtellung geht das Weſentliche dieſer Einrichtung hervor.

Es gehören hierher die Apparate von Curaudeau und von Derosne, ſo wie

von mehreren Anderen. Prechtl a. a. O. III. 56 folg.

¹² Dieſer Fuſelgeruch nimmt ab, je mehr der Weingeiſt rectificirt wird, und

je weniger man die Hitze übertreibt. Die beſprochene Aetzlauge als Beiſatz zur

Maiſche verhindert auch den Fuſelgeruch, beſonders mit gleichem Zuſatze von Eiſen-

oder Zinkvitriol, als wie an Pottaſche, weil ſich das Metalloxyd mit dem Fuſelöle

zu einer unzerſetzlichen Subſtanz verbindet. Auch Zuſätze von Eichenlohe zur Maiſche,

und von gereinigtem Baumöle, Wachs, Mandelöl u. dgl. zum Läuter verbinden ſich

als ein Ueberzug der Oberfläche mit dem Fuſelöle. Auch iſt von Erfolg, den

Branntwein über Mandelkleie abzuziehen. Am beſten hat ſich der Beiſatz von Koh-

lenſtaub, mit 1 Thl. Kohle auf 4 oder 6 Thle. Lutter dem Volumen nach, zur

Reinigung des Branntweins vom Fuſelöle bewährt. Doch ſoll die Kohle noch glü-

hend geſtoßen werden, um die Aſchebeimiſchung zu verhüten. Im Großen iſt das

bloße Filtriren des Branntweins durch Kohle ein gutes Mittel zur Reinigung.

Ueber den Apparat hierzu von Lenormand ſ. m. Prechtl a. a. O. III. 69.

S. auch Hermbſtädt Bülletin. II. 44. VIII. 193.

¹³ Ueber die Bereitung der feinen Branntweine, Liqueurs u. dgl. aus dieſen

rectifizirten ſ. m. obige Schriften.

Dritte Unterabtheilung.

Von der Verarbeitung thieriſcher Stoffe.

I. Haut- und Darmverarbeitung.

§. 301.

1) Die Gerberei.

Unter der Gerberei1) verſteht man jene Zubereitung der

Thierhäute, daß dieſelben, ihrer gewöhnlichen Zerſetz- und Faul-

barkeit als thieriſche Producte beraubt, zu einem harten, zähen,

dehnbaren, im Waſſer unauflöslichen und von demſelben mehr oder

weniger undurchdringlichen Producte umgewandelt werden, das

man allgemeinhin Leder heißt2). Man unterſcheidet im Ganzen

folgende drei Hauptmethoden der Gerberei, welche auch verſchiedene

lederartige Producte liefern. A. Die Lohe- oder Rothgerberei,

d. h. das Gerben durch Zuſatz von gerbſtoffhaltigen Pflanzen-

theilen3). Die Behandlungsweiſe der rohen (grünen) Häute iſt

verſchieden nach der Art des zu gewinnenden Leders. Die beiden

wichtigſten Lederarten, welche ſo bereitet werden, ſind das Sohl-

(Pfund-) und das Schmal- (Fahl-) Leder4). Zur Berei-

tung des Sohlleders nimmt man blos Ochſen- und Rindshäute.

Man legt ſie einige Tage in friſches Waſſer (wäſſert ſie, weicht

ſie ein) und ſchabt ſie von Zeit zu Zeit, um ſie von allen Fett-

theilen zu reinigen, an der Fleiſchſeite auf den Schabebaum

(einem halbrunden hölzernen Stamme, der mit dem einen Ende

[408/0430]

auf der Erde, mit dem andern aber auf einem Fuße liegt) mit

dem Schabeeiſen (einem Meſſer von ſtumpfer Schneide und zwei

hölzernen Griffen). Hierauf werden ſie mit Kochſalz eingerieben

und in der Schwitzſtube von einer Temperatur von 40° Reaum.

zum Schwitzen in Haufen übereinander gelegt. Es entwickelt ſich

dabei ein Faulgeruch und die Haare löſen ſich mit den Wurzeln

los. Nachdem ſie da herausgenommen ſind, werden ſie mechaniſch

vermittelſt des Putzmeſſers von den Haaren befreit (abgepälet

oder abgeböhlet), und in Waſſer abgeſchwenkt (ausgewäſſert).

Jetzt folgt das Treiben oder Schwellen der Häute, um ſie

locker und von Flüſſigkeit durchdringlich zu machen. Zu dieſem

Behufe werden ſie in die ſogenannte Treibfarbe eingeſenkt5).

Dieſelben ſchwellen darin auf und werden dick und heben ſich. Zeigt

ſich dies, ſo werden ſie lohegar gemacht, d. h. in der Lohegrube

mit dem Gerbeſtoffe eingebeitzt. Dies dauert 7–9-12 Monate6).

Nachdem es herausgenommen iſt, wird das Leder rein gebürſtet,

ausgebreitet, mit Brettern bedeckt und Gewichten beſchwert, noch

einmal mit trockener Lohe abgerieben, zum völligen Trocknen über

Stangen gehängt und mit einem geribbten Horne geſtrichen oder

mit Schlägeln geklopft, um es dichter zu machen. Zur Bereitung

des Fahlleders aber werden die Häute nach der Wäſſerung wegen

des Enthaarens in den Kalkäſcher7) und nach der erfolgten

Reinigung vom Kalke erſt zum Schwellen in eine ſchwächere Farbe

geſetzt, wozu man ſich wegen der Bewirkung einer ſauren Gährung

auch des Getreidemehls bedient. Endlich kommen ſie nur auf kurze

Zeit (3–4 Monate) in die Lohgrube. Feineres Fahlleder kommt

zuweilen gar nicht einmal in dieſelbe. Nach der geſchehenen Ger-

bung wird das Fahlleder mit Thran und Talg eingeſchmiert, ge-

trocknet, noch einmal eingefeuchtet und auf dem Falzbocke mit

dem Falzeiſen gefalzt, d. h. auf der Fleiſchſeite durch Schaben

verdünnt und gleichförmig dick gemacht8). B. Die Weißger-

berei, d. h. das Gerben mit einem Gemiſche von Alaun und

Kochſalz. Es iſt dabei bis zum Kalkäſcher einſchließlich Alles ſo

wie beim Gerben des Fahlleders. Nach dem Enthaaren werden

die Endſtücke abgenommen (was man Vergleichen heißt), die

Häute durch Einweichen und Streichen gereinigt, dann in einem

ſaubern Gefäße mit Holzkeulen unter Waſſerzuguß geſtoßen und

gewalkt, hierauf nach geſchehener Abſpülung mit lauwarmem Waſ-

ſer mit dem Streicheiſen auf der Fleiſch- und Narbenſeite ge-

ſtrichen, hernach noch zweimal in lauwarmem Waſſer gewalkt, und

endlich in einer Beitze, beſtehend aus lauwarmem Waſſer, Koch-

ſalz, Sauerteig und Weitzenkleie zur Gährung gefördert und dann

[409/0431]

ausgewunden9). Hierauf kommen ſie in die Alaunbrühe, d. h.

ein Gemiſche von Alaun und Kochſalz, zum Behufe der eigentlichen

Gerbung10). Nach der Herausnahme aus derſelben und nach ge-

ſchehener Trockenung werden ſie befeuchtet, geſtollt (d. h. über

die ſtumpfe Schneide einer halbrunden Eiſenſcheibe, die Stolle

genannt, hinweggezogen), um ſie auszudehnen und zu entfalten,

und auf dem Streichſchragen (Streichrahmen) geſtrichen, wozu

ſich der Gerber auch eines der Stolle ähnlichen Streicheiſens be-

dient, das aber eine ſchärfere Schneide hat11). C. Die Sämiſch-

gerberei, d. h. das Gerben mit Fett, womit die Häute gewalkt

werden. Nach der Behandlung der Häute im Kalkäſcher werden

die Haare mit einem ſtumpfen Meſſer (Abſtoßmeſſer) auf dem

Schabebaume geputzt, um das Eindringen des Oels zu fördern

und das Leder biegſamer zu machen. Die Häute kommen hierauf

neuerdings in den Kalkäſcher, werden dann auf der Fleiſchſeite

geſchabt, nachdem ſie öfters zum drittenmale im Kalkäſcher geſetzt

waren, in die Kleienbeitze gethan, darin mit der Keule geſtoßen,

dann ausgewunden und auf die Walkmühle gebracht, wo ſie mit

Thran eingeſchmiert unter den Walkſtock gebracht und öfters aus-

gebreitet werden. Nach dem Walken legt man ſie zur Gährung

über einander, damit ſie dadurch gelb werden. Man nennt dies

das Färben in der Braut. Um ſie endlich ganz vom Thrane

zu befreien (zu entfetten), wäſcht man dieſelben in Alkalilauge

(Pottaſchenauflöſung) aus und richtet ſie dann vollends mit dem

Stoll- und Streicheiſen zu12).

¹ Zur Literatur: v. Keeß Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 11. und Supple-

mentband I. S. 35. Hermbſtädt Technologie. II. §. 436. Poppe Handbuch

der Technologie. III. 395. Schauplatz der Künſte und Handwerke. IV. 85 V. 313.

VI. 17. Bautſch, Beſchreibung der Lohgerberei. Dresden 1793. Kaſteleyn,

der Gerber, Loh-, Weiß- und Sämiſchgerber Aus dem Holländ. Leipzig 1797.

v. Meidinger, Abhandl. über die Lohgerberei. Leipzig 1802. Hermbſtädt,

Grundſätze der Ledergerberei. Berlin 1805. II Thle. Leuchs, Zuſammenſtellung

der in den lezten 30 Jahren in der Gerberei gemachten Verbeſſerungen. Nürnberg

1833. IIe Ausg. Kummer, Hand-Encyclopädie der neueſten Erfindungen im Gerben c.

Berlin 1830. Verbeſſerungen in der Gerberei ſind auch beſchrieben bei Dingler

polytechn. Journal. XIII. 342 (von Spilsbury); XV. 310 (von Fletſcher);

XVI 356 (von Burridge); XVIII. 346 (von Aikin); XXV. 245, XXIX. 275

(von Knowly und Duesbury); XLII. 126 (von Jacquemart); XLV. 260

(von Cogswell); 377 (von Drake). Dict. technologique. XX. 254. 259. Weber,

Beiträge zur Gewerbs- u. Handelskunde (Berlin 1825–27). I. 436. II. 259. III. 306.

² Man nimmt dazu alle Arten von Häuten und Fellen haariger Thiere.

Auch die Häute des Geflügels, z. B. der Strauße, Enten, Kapaunen, werden dazu

verwendet.

³ Als ſolche Stoffe braucht man die Rinde und Blätter der Eichen und

Rinden, die Epheuranken, Fichtenrinden, Galläpfel, Knoppern, den myrthenför-

migen Gerberſtrauch (Coriaria myrtifolia), die Pfrieme (spartium scoparium),

die Rinde der Sandweide (salix arenaria), die Borke der Sahlweide (salix caprea)

u. ſ. w. S. Poppe a. a. O. S. 401. Dingler polytechn. Journal. IV. 78

[410/0432]

³ (Lärchenrinde); XVI. 211 (Eichenlaub, nach Swayne); XVII. 238 (Mimoſa-

Rinde, nach Kent); XX. 168 (Beſtimmungsmittel für die Gerbekraft, nach

Bell-Stephens); XXVI 130 (Gerbeſtoff der Galläpfel, Eichen- und China-

rinde, des Catachu und Kino, von Berzelius); XXX. 62 (Ausziehen des Gerb-

ſtoffes aus Lohe, nach Giles); XXXIII. 463 (Erſatzmittel der Eichenrinde). —

Die Eichenrinde wird gemahlen oder zerſtampft, und man hat dazu die Lohmüh-

len, welche entweder Stampf- oder faſt ganz gewöhnliche Mahlmühlen ſind.

⁴⁾ Man hat aber auch noch Juſten-, Corduan-, Safian- oder Maroquin-

und däniſch Leder. Man ſ. über das Eigenthümliche ihrer Bereitung die obigen

Schriften. Hier kann nur von jenen Hauptlederarten die Sprache ſein.

⁵⁾ Sie iſt eine ſaure adſtringirende Beitze aus der Lohegrube, manchmal mit

Sauerteig verſtärkt, welche in unterirdiſchen Holzgruben aufgehalten wird. Man

kann überhaupt ſaure und alkaliſche Farben unterſcheiden. Zu der vorher erwähnten

Reinigung der Häute vom Haare bedient man ſich auch der Maſchinen. Man ſ.

darüber Leuchs a. a. O. Dingler polytechn. Journal. XLII. 184 (Maſchine

von Bell). Bei jenem findet ſich auch eine Beſchreibung der Maſchine zum Rei-

nigen und Glätten der Häute von Royer. Auch ſollen nach Hermbſtädt's Angaben

die Annals of Arts IX. 271 eine Beſchreibung der ähnlichen Maſchine von

Bagnall geben. S. Karmarſch Mechanik. II. 126.

⁶⁾ Der Gerbeſtoff vereinigt ſich mit der Gallerte und dem Faſerſtoffe zu einer

Verbindung, die in Waſſer nicht auflöslich iſt. Eine ſolche Lohgrube wird mit

80–150 Häuten ſchichtenweiſe mit Lohmehl angefüllt. Das Uebergießen mit Waſſer

und das Beſchweren iſt nothwendig, um dem Leder Ebenheit zu geben. Es gibt

drei Verſetzungen mit Lohe, indem man zuerſt nach 2, dann wieder nach 3–4

Monaten die Grube öffnet, die Häute umkehrt, wieder mit Lohe ſchichtet, und

dann nach dem zweimaligen Vornehmen dieſes Geſchäftes noch 4–6 Monate lie-

gen läßt.

⁷⁾ Die Kalkäſcher ſind in die Erde gegrabene Fäſſer, angefüllt mit Kalkwaſſer.

⁸⁾ Soll daſſelbe Narben haben, ſo wird es gekriſpelt, d. h. mit einem ge-

kerbten Holze überfahren, und zwar zweimal auf der Narben- und einmal auf der

Fleiſchſeite. Jenes Holz heißt Kriſpelholz. Soll das Leder aber glatt ſein,

dann wird es pantoffelt, d. h. mit einem auf einer Seite mit Korkholz ver-

ſehenen Holze (Pantoffelholz) überſtrichen. Hierauf wird es geſchlichtet,

d. h. in einen Rahmen (Schlichtrahmen) geſpannt und mit der Schlichtzange ge-

zogen, um ſo mit dem Schlichtmonde (einer runden verſtählten ſcharfen Scheibe)

das überflüſſige Leder auf der Fleiſchſeite wegſchneiden zu können. Auch kann man

die Glättung mit der Plattſtoßkugel bewirken, indem man ſie an den Hand-

haben faßt und die vierkantige Platte derſelben auf das ausgebreitete Leder ſtößt. —

Eine eigene Methode der Schnellgerberei iſt die von Seguin. S. Annales de

Chimie. XX. 15. Hermſtädt Journal für Lederfabrikanten. I. 187. Hilde-

brandt, Chemiſche Betrachtungen der Lohgerberei. Erlangen 1795. Gall, die

Schnellgerberei in Nordamerika. Trier 1824.

⁹⁾ Beim Streichen werden etwa ein Dutzend Häute auf einander auf den

Schabebaum gelegt und jede davon auf beiden Seiten geſtrichen, wobei man vor

Verletzungen der Häute behutſam ſein muß. Nach dem Streichen walkt man ſie

noch zweimal. — Die genannte Beitze wird aber tüchtig durchgerührt. Dann zieht

man jede Haut zweimal durch, damit ſie ganz weich wird (die Beitze fängt),

und gießt erſt dann in einem beſonderen Gefäße die Kleienbeitze, warm, über ſie.

Schon in einem Tage beginnt die Gährung und die Häute bleiben blos 72 Stun-

den in der Beitze, und werden dann in ihr gewalkt. Man nimmt ſie dann auf

eine Stange heraus und drückt ſie zuſammen, damit der Reſt von Kleienbeitze noch

herausfließt. Dazu bedient man ſich des Windeiſens (eines knieförmig gebo-

genen Eiſens).

¹⁰⁾ Nach Hermbſtädt beſteht ſie für 10 Stücke (oder ein Decher) Häute

aus 1½ Pfd. Alaun, ½ Pfd. Küchenſalz und 12½ Pfd. Waſſer, die man zuſam-

men in einem kupfernen Keſſel wärmt bis zur völligen Auflöſung der Salze. Auch

hier werden die Häute zuerſt durch die Brühe gezogen, ehe ſie verſetzt werden, was

[411/0433]

¹⁰⁾ ſo geſchieht, daß man dieſe durchweichten Häute abtröpfeln läßt, zuſammenklatſcht

und in das Kleienfaß legt, um ſie gar werden zu laſſen, was auch in 1–3 Tagen

geſchehen iſt.

¹¹ Außer dieſer gewöhnlichen gibt es auch noch eine ungariſche Weißgerberei,

die das Alaunleder liefert, und eine franzöſiſche, welche das Erlanger-Leder bereitet.

Man ſ. obige Schriften, beſonders Hermbſtädt und Leuchs.

¹² Das beim Entfetten (Degraſiren) abfallende Waſſer wird durch Säure

von ſeinem Gehalte an Alkali befreit und die Fettigkeit wird, wenn ſie ſich am

Feuer nach Oben gezogen hat, abgeſchöpft. Dieſes Fett heißt Degras oder

Degrat, und dient dann zum Einſchmieren des lohegaren Leders.

§. 302.

2) Die Darmſaitenſpinnerei.

Die Verfertigung der Jedermann bekannten Darmſaiten bildet

dem Producte nach einen hübſchen Gegenſatz zur Drahtzieherei

(§. 289.). Zur Verfertigung der Darmſaiten werden die Därme

(Saitlinge) von Lämmern, Ziegen, Schaafen, Gemſen, Rehen

und Katzen gebraucht. Sogar auch von den Därmen des Seiden-

wurmes werden ſolche verfertigt1). Man verliest die Därme nach

ihrer Dicke und Dünne, weil die dicken zu groben und die dünnen

zu feinen Saiten verwendet werden. Dieſelben werden dann in

reinem Waſſer ſo rein als möglich gewaſchen. Um aber Fett und

Schleim noch vollends zu entfernen, werden ſie aufgeſchnitten und

auf den Schabebaum geſpannt, damit man ſie mit einem ſtumpfen

Schabemeſſer ſchaben kann. Wenn die Saiten nicht beſonders fein

werden ſollen, ſo werden ſie jetzt nur noch einmal mit Waſſer ge-

waſchen; im entgegengeſetzten Falle aber müſſen ſie noch beſonders

chemiſch behandelt werden2). Bei dem Schaben fallen Faſern ab,

welche dann zum Zuſammennähen der gereinigten Därme dienen.

Je nach der Feinheit der Saite nimmt man mehr oder weniger

Därme für Eine3). Denn ſie werden geſponnen, indem man ein

Ende des zu ſpinnenden Darmes an einen Pflock knüpft, das

andere aber an den Haken eines Seilerrades (Darmhaſpel)

bindet, und nun je nach der erforderlichen Dünne der Saiten eine

beſtimmte Anzahl von Drehungen macht4). Man dreht ſie in drei

Abſätzen und überreibt ſie nach dem erſten Male mit Schaftheu,

nach den beiden andern Drehungen aber mit einem Holze (Reib-

holze). Nach dem Spinnen werden die gemeinen Saiten zum

Trocknen aufgeſpannt und dann in Ringe gewunden und verkauft.

Die feinen Saiten aber werden in einen durchlöcherten Rahmen

geſpannt und, wenn ſie noch naß ſind, während der Spannung

mit Schnüren aus Pferdehaaren gerieben. Hierauf werden ſie

ſammt dem Rahmen in einen Schwefelkaſten gebracht, in dem ſie

während einigen Tagen von den Schwefeldämpfen gebleicht werden5).

[412/0434]

Sind ſie ſo weit fertig und trocken, dann glättet man ſie mit

Bimsſtein, und fettet ſie mit Baum- oder Mandelöl ein, ehe ſie

in Ringe gewunden werden. Dieſe Saiten werden wegen des

Gebrauches bei muſikaliſchen Inſtrumenten noch oft mit Metalldraht

umſponnen und man hat zu dieſem Geſchäfte eigene Maſchinen6).

¹ v. Keeß Darſtellung. II. Thl. II. Bd. S. 411. Aus den Därmen des

Seidenwurms werden die dünnen Darmfäden bereitet, welche man zu den Fiſch-

angeln braucht. Vor dem Einſpinnen werden die Würmer in Eſſig gebeitzt. Dann

werden ſie nach geſchehener Reinigung der Länge nach aufgeſchnitten und der Gedärme

entledigt, welche man dann weiter behandelt, wie die anderen Saitlinge.

² Dieſe Behandlung beſteht in einer Beitzung mit allmälig ſtärkerer Alkalk-

lauge (Pottaſchenlauge), nach welcher man die Därme jedesmal mit einer ſtumpfen

Meſſingklinge (dem ſogenannten Eiſen) ſchabt, um die Schleimtheile gänzlich zu

entfernen. Nach der gänzlichen Entfernung des Schleimes werden die Saitlinge in

eine noch einmal ſo ſtarke Lauge gebracht, worauf ſie zum Spinnen tauglich ſind.

³ Nach v. Keeß kommen auf das C des Contrabaſſes 120–130, auf das

C des Violoncell's 80, auf das D deſſelben 40, auf die lezte weiße Saite der

Harfe 22, auf das D der Violine 6 oder 7, auf das A derſelben 4 oder 5, auf

das E derſelben 3, auf die feinen Saiten der Harfen und Mandolinen nur 2 Därme,

und auf die feinſten Harfenſaiten nur 1 Darm. Jeder Darm wird aber beſonders

geſponnen und die einzelnen Fäden werden erſt ſpäter zuſammengedreht. Jede zu

drehende Saite muß für gewöhnliche Gebrauchszwecke 6, die feineren Saiten aber

müſſen zum Drehen 5½ Elle W. lang ſein. Für dieſe Leztere muß jede Saite

doppelt ſein, aber es liefert auch jeder Darm 2 einfache Saiten. Fehlt es dem

Darme an der Länge, ſo ſetzt man ein Stück an.

⁴⁾ Nach v. Keeß gehören zur Violin-D-Saite 40, zur A-Saite 60, zur

E- und G-Saite 80 Drehungen.

⁵⁾ Bekanntlich werden für Inſtrumente mit vielen unmittelbar mit der Hand

zu ſpielenden Saiten die Octavſaiten gefärbt. Roth färbt man ſie in einem Dekokte

von Fernambukholz mit Waſſer und Alaun, aber blau in einer Auflöſung von

Lakmus in Waſſer mit Pottaſche oder auch mit Indigo.

⁶⁾ Karmarſch Mechanik. II. S. 186. Das gewöhnliche Spinnrad hierzu

beſteht aus einer durch eine Kurbel zu drehenden wagrechten Welle, welche an ihren

Enden zwei verzahnte Räder hat, wovon jedes einen Trilling mit einem an der

Axe befindlichen Haken umdreht. Beide Haken ſtehen einander gegenüber, und jeder

von ihnen nimmt ein Ende der Saite auf. So muß ſich die Saite um ſich ſelbſt

drehen, während deſſen der Spinner den leoneſiſchen oder ächten Silberdraht mit

der Hand auf denſelben leitet. Der Engländer Saddington hat aber die Spinn-

maſchine verbeſſert. Seine ältere Maſchine verrichtet die Arbeit, indem die Saite

von einer Spule ab durch ein hohles ſich drehendes Rohr geht, welches am einen

Ende mit einer Circularſcheibe verſehen iſt, auf deren Fläche ſich von einer Spule

der Draht um die Saite herum abwickelt, da dieſe aus dem Rohre gerade heraus-

geht. Seine neue Maſchine umſpinnt zu gleicher Zeit 6 Saiten, welche, parallel

neben einander wagrecht ausgeſpannt, durch ein Schnurrad ſchnell um ihre Axe

gedreht werden und den Draht von einem Rahmen bekommen, in welchem die

Drahtſpulen angebracht ſind. S. auch Dict. technologique. II. 432.

II. Verarbeitung des Fettes.

§. 303.

1) Die Lichtzieherei und Lichtgießerei.

Bekanntlich ſind die Lichter entweder aus Wachs, aus Talg,

aus Wallrath oder aus einer Miſchung dieſer Subſtanzen. Die

[413/0435]

üblichſten ſind die Wachs- und die Talglichter1). Die Verferti-

gung der Dochte aus Baumwollefäden allein oder in Verbindung

mit Leinfäden iſt das erſte Geſchäft. Man hat dazu ein eigenes

Tiſchgeräthe, entweder einen Dochtſchneider oder eine Docht-

bank, worauf man die Fäden in beliebiger Länge zuſammen-

ſchneidet2). Sind die Dochte ſo weit fertig, ſo werden ſie in

glühender Aſche ausgetrocknet, und können ſo zum Lichtermachen

verwendet werden. Die Lichter werden entweder gegoſſen oder ge-

zogen. A. Die Lichtgießerei iſt aber bei den Talglichtern an-

ders als bei den Wachslichtern. Zum Gießen der Talglichter

nimmt man Rindnierentalg und Hammelstalg, ſchmelzt ihn in

einem verzinnten Eiſenkeſſel, bis er ganz klar iſt, mit einem kleinen

Waſſerzuſatze, und gießt ihn dann zur Abkühlung in einen Kaſten.

Man hat Lichterformen von Glas, Zinn, verzinntem Kupfer- oder

Eiſenblech von der erforderlichen Größe, welche nach unten ſich

trichterförmig zuſpitzen. In dieſe Formen wird der Docht geſteckt,

unten nämlich mit einem Stöpfel in der kleinen Oeffnung befeſtigt,

oben aber über einen Draht an dem Rande der Form geſpannt,

ſo daß er genau die Axe der Form bildet, und dann der abgekühlte

Talg mit einer Kanne eingegoſſen. So ſind dieſe Lichter, nach

dem Erſtarren des Talges zum Gebrauche fertig. Aber das Gießen

der Wachslichter iſt umſtändlicher. Das Wachs wird mit einem

Zuſatze von Terpentin oder weißem Talge in einem eben ſolchen

Keſſel geſchmolzen, der aber ringsum mit einem hölzernen Getäfel

verſehen iſt. Auf dem Boden der Werkſtätte iſt ein Wageſtock be-

feſtigt, auf welchem ein mittelſt einer Kette auf- und abwärts zu

richtender Balken liegt und über den Schmelzkeſſel hinreicht. An

dieſem Ende des Balkens hängt vermittelſt einer ſenkrechten dreh-

baren Eiſenſtange gehalten eine alſo auch drehbare Holzſcheibe,

an derem äußeren Rande in einiger Entfernung von einander

Nägel wagerecht eingeſchlagen ſind, um die Dochte daran aufhän-

gen zu können. Wenn der Wagebalken ruhig ſteht, ſo deckt die

eine Hälfte der Scheibe auch die Hälfte des Keſſels. Um denſelben

aber ſtellen zu können, wird das eine oder andere Ende deſſelben

zwiſchen die Zinken einer lothrecht neben dem Keſſel in die Höhe

ſtehenden Gabel geſteckt. Da nun die Scheibe doch beweglich iſt,

ſo dreht man ſie leiſe um und begießt die herabhängenden Dochte

von den Nägeln an einen nach dem andern mit Wachs, und fährt

ſo fort bis die Lichter die halbe Dicke haben. Dies iſt der Vor-

guß. Um aber die Lichter auch an den Spitzen ſo dick wie ſonſt

zu machen, wird die Scheibe ſchnell gedreht, ſo daß die Kerzen

ſich ſtark abfliegend im Kreiſe drehen, während deſſen man die

[414/0436]

Spitzen leicht mit Wachs verdicken kann. Dies heißt das Trö-

deln. Jetzt wickelt man die abgenommenen Lichter in Leinwand

ein und legt ſie in ein Federbett, um ſie vor dem ſchnellen Erkalten

zu bewahren, und rollt ſie dann auf einem glatten Holz- oder

Steintiſche mit einem naſſen Rollholze. So geglättet müſſen ſie

gebleicht werden, um die während der Verfertigung angenommene

gelbe Farbe zu vertreiben, und dann folgt der vollſtändige oder

Nachguß nebſt Trödeln, Rollen und Bleichen. Nachdem dieſelben

fertig ſind, werden ſie durch Schneiden aus der Hand von den

Unebenheiten befreit, nach einem Längenmaaße gleich geſchnitten

und an der Schnittfläche durch Hinrollen an einer Metallplatte

geglättet3). B. Die Lichterzieherei iſt anderer Natur. Um

Talglichter zu ziehen, werden die Dochte an dünnen langen

Stäben (Docht- oder Lichtſpießen) nebeneinander eingeſchoben,

oder auch durch die Löcher eines Brettes (Lichtbrettes) gezo-

gen und oben durch Querbolzen gehalten, damit man viele auf

einmal machen kann. Der Arbeiter faßt Spieß oder Brett an den

Handhaben und taucht die Dochte zuerſt in heißen und dann, wenn

ſie abgekühlt ſind, ſo oft in abgekühlten Talg, bis ſie ihre gehörige

Dicke haben, und nach der Erſtarrung des Talges ſind ſie fertig.

In Wachs werden blos die bekannten dünnen und verſchieden ge-

färbten Wachsſtöcke gezogen. Die Verfertigung der Dochte dazu

vorausgeſetzt4), geſchieht dies auf folgende Art, welche einiger-

maßen an die Drahtzieherei erinnert. Auf dem aus Latten gebauten

Werktiſche befindet ſich in der Mitte ein Platz für eine Pfanne

mit glühenden Kohlen, und auf der oberen Seite in einem Loche

ein ovales verzinntes Blechbecken eingehängt, an deſſen beiden

Seiten durch Gabeln die Ziehſcheiben befeſtigt ſind, d. h. Meſ-

ſingſcheiben mit mehreren nach der Peripherie hin weiter werdenden

concentriſch ſtehenden Löchern von reiner Kreis- oder façonnirte

Form. Auf dem Becken liegt ein Queerholz (der Steg), in

welches durch ein Loch ein hölzerner Schieber ſenkrecht geſteckt

wird, der mit einem Einſchnitte ſo verſehen iſt, daß der Docht,

indem er durch den Einſchnitt geht, zugleich durch das Wachs

gezogen wird. Auf jeder Seite des Werktiſches ſteht eine durch

eine Kurbel zu drehende Walze (die Trommel). Auf die Eine

davon wird der Docht gewickelt und, nachdem das Becken mit

Wachs, das auf der Pfanne geſchmolzen war, gefüllt iſt, unter

dem Stege durch den Einſchnitt durchgeſteckt, auch durch das

größte Loch der Ziehſcheibe gezogen und dann auf die andere

Trommel gewunden. Iſt der Wachsſtock abgetrocknet, ſo ſetzt man

die Ziehſcheibe auf die andere Seite des Beckens und leitet ſo den

[415/0437]

Wachsſtock zurück durch das Becken und ein engeres Loch der

Scheibe auf die andere Trommel und fährt ſo fort, bis der Wachs-

ſtock die gehörige Dicke, Gleichförmigkeit und Glätte hat. So

fertig geworden, wird er gekühlt, gebleicht5), gefärbt und in

Formen gewickelt.

¹ Zur Literatur: Hermbſtädt Technologie. II. §. 512. Poppe Handbuch.

IV. 294. Schauplatz der Künſte und Handwerke. Ir u. IIr Thl. v. Keeß Dar-

ſtellung. IIr Thl IIr Bd. S. 389. 428. Jacobſon technolog. Wörterb. IVr Thl.

Krünitz Encyclopädie. Bd. 78. Sprengel, Handwerke und Künſte in Tabellen,

fortgeſetzt von Hartwig. Berlin 1768–95. XVII Bde. Neue Auflage 1781.

Bd. XIII. 406. Karmarſch Mechanik. II. 355. Dict. technologique. IV. 401.

Neuer Schauplatz der Künſte und Handwerke. XLr Bd. Ilmenau 1829. Anweiſung

zum Seifenſieden und Lichtziehen. Berlin 1790. IIte Aufl. Die Kunſt des Seife-

ſiedens und Lichtziehens. Ilmenau 1822. S. auch Note 1. des §. 304.

² Der Dochtſchneider iſt ein zweitheiliger Tiſch, in deſſen Fuge (zwiſchen

den beiden Theilen) ein verſchiebbarer Zapfen durch eine unter der Tiſchtafel ange-

legte Schraube nach Belieben geſtellt werden kann. Ein ebenfalls bewegliches Stück,

jenem Zapfen gegenüber, kann durch eine an der Vorderſeite des Tiſches angebrachte

Schraube geſtellt werden. Am Ende des beweglichen Theiles ſteht eine dünne Eiſen-

ſtange, und auf der entgegengeſetzten Seite eine verſchiebliche Meſſerklinge. Die

Entfernung der feſten Stange und beweglichen Meſſerklinge von einander gibt die

Größe des Dochtes an. Die Dochtbank iſt eine Holzbank, an deren beiden langen

Seiten ſich in gerader Linie Dochtſtange und Dochtmeſſer befinden, lezteres ebenfalls

verſchieblich Nachdem das Dochtmeſſer geſtellt iſt, nimmt der Arbeiter die gehörige

Anzahl Fäden, legt ſie um die Dochtſtange, zieht die Dochte bis ans Meſſer und

ſchneidet ſie dort ab. An der Dochtbank können zwei Perſonen zugleich arbeiten.

³ Eine Maſchine zum Walzen und Rollen der Wachskerzen ſ. bei Dingler

polytechn. Journal. XXX. 408 (von Heilberg). Die Altarkerzen gießt man nicht,

ſondern man bedeckt die Dochte blos mit Wachs, das in heißem Waſſer erweicht

iſt, rollt und glättet die Kerzen dann. Eine Beſchreibung des Apparats zum

Gießen der Talglichter von Olaine ſ. m. bei Karmarſch a. a. O. II. 356.

⁴⁾ Die Fäden werden hier um eine Trommel gelegt, und nach der beſtimmten

Anzahl von Umdrehungen dieſer Leztern, wonach ſie die gehörige Länge haben, ab-

geſchnitten. Man hat auch andere Methoden.

⁵⁾ Das Bleichen des Wachſes, noch ehe es verarbeitet wird, geſchieht an

der Luft und Sonne durch die Einwirkung des Sauerſtoffs auf die Pflanzentheile,

welche das gelbfarbige Pigment im Wachſe ſind. Das Wachs muß daher möglichſt

dünn auf die Bleiche gebracht werden. Deßhalb ſchmilzt man es in einem verzinnten

Eiſen- oder Kupferkeſſel, und leitet es daraus in eine nahe ſtehende Wanne, und

von dieſer durch einen Hahn in einen viereckigen Kaſten von Zinn mit durchlöchertem

Boden, der aber in einem dreiſeitig prismatiſchen Kaſten ſteht, welcher auf beiden

Seiten einer Kante eine Reihe von Löchern hat. Unter dieſer Kante her ſteht ein

langer mit kaltem Waſſer gefüllter Trog, in welchem ſich unmittelbar unter der

Kante jenes Kaſtens eine durch eine Kurbel drehbare hölzerne dünne Walze befindet.

Auf dieſe Walze läuft das Wachs aus jenen Löchern, die Walze dreht ſich indeſſen

um, und ſo entſtehen durch die Abkühlung im Waſſer und die Walzenbewegung

viele Bänder von Wachs, welche von der Walze abgehen und aus dem Waſſer

gefiſcht werden. Dieſes Geſchäft heißt man Bändern, auch Körnen, und die

Maſchine wird Bänder- oder Körnmaſchine genannt. Die Wachsbänder kom-

men hierauf auf die Tafeln, Plane oder Carré's, d. h. Holzgerüſte auf einem

windſtillen, rauch- und ſtaubfreien Grasplatze, welche mit lang-viereckigen Lein-

wandſtücken überſpannt und am Rande eingefaßt ſind. Hier werden ſie von der

Sonne gebleicht, und nur an heißen Sommertagen zur Verhütung des Schmelzens

mit Waſſer begoſſen, aber mehrmals gewendet, bis ſie ganz weiß ſind, worauf ſie

umgeſchmolzen, abermals gebändert und gebleicht werden, da auch die inneren

[416/0438]

⁵⁾ Theile weiß ſein müſſen. Sind ſie wieder weiß, ſo ſchmilzt man ſie zuſammen in

beſtimmte Form und bewahrt das Wachs ſo auf. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß

die halbfertigen Lichter, wegen des Bleichens, alſo nicht gebändert zu werden

brauchen. Man ſ. über dieſe, über die franzöſiſche und über neuere vorgeſchlagene

künſtliche Bleichmethoden Hermbſtädt Technologie. II. §. 505 folg. Beckmann

Anleitung zur Technologie. S. 272. Dingler polytechn. Journal. XXIII. 523

(nach David) und XXIV. 279. Hermbſtädt Bülletin. II. 281. Lefepvre,

Neues chemiſches Verfahren, Talg auszulaſſen, zu bleichen u. ſ. w. Aus dem

Franzöſiſchen. Gotha 1830.

§. 304.

2) Die Seifenſiederei.

Die allgemein bekannte Seife iſt ein Erzeugniß aus irgend

einem Fette und aus Kali oder Natron, und löst ſich in Waſſer

und in Weingeiſt auf. Je nach den Materialien, welche zu ihrer

Bereitung genommen werden, hat ſie auch verſchiedene Namen,

und nach dieſem wird auch die Siederei1) genannt. Man unter-

ſcheidet hauptſächlich ſo die feſte (Weiß- oder Talgſeife), die

weiche (Schwarz-, Grün- oder Oelſeife) und die franzö-

ſiſche oder venetianiſche Oelſeife in Bezug auf das Fett,

aber Natron- und Sodaſeife in Betreff des Kalizuſatzes.

Außerdem hat die Seife noch ſpeziellere Namen, je nach der Art

des Fettes, Oeles und anderer wohlriechender Beiſätze2). Das

erſte Geſchäft des Seifenſieders iſt die Bereitung der Seifen-

ſiederlauge durch das Auslaugen eines Gemenges von Alkali

(Holzaſche, Pottaſche oder Soda), gebranntem Kalke und Waſſer3).

Je nach dem Gehalte derſelben, den man durch die Seifenſieder-

ſpindel (Laugenprober, ein Aräometer) prüft, unterſcheidet

man die Feuer- oder tragende oder Meiſterlauge (von 18

bis 25% Kaligehalt), die Abrichtelauge (von 5–17% Kali)

und die ſchwache Lauge (von 1–4% Kaligehalt). Die fol-

genden Geſchäfte ſind nach der Art der zu bereitenden Seife ver-

ſchieden. Zur A. Weißſeifenſiederei füllt man den Sied-

keſſel4) mit Feuerlauge und ſetzt dann Talg zu. Dieſes

Gemiſche wird einige Stunden unter periodiſchem Umrühren und

Zugießen von Feuerlauge ſo lange geſotten, bis es leimartig

(Seifenleim) wird und beim Erkalten eine dichte Gallerte bil-

den kann. Bildet ſich dieſer Seifenleim lange nicht, ſo gießt man

noch während des Siedens Abrichtlauge ein5). Iſt jener Leim

gebildet, ſo wird er mit Kochſalz vermiſcht (ausgeſalzen), unter

beſtändigem Rühren geſotten, bis ſich eine helle Flüſſigkeit davon

auszieht, und wenn ſich dies gezeigt hat, ohne Rühren noch fort-

geſotten, endlich aber das Feuer gelöſcht. Nun gießt man dieſes

Gemiſche durch ein Drahtſieb oder eine Filter von grober Leinwand

[417/0439]

zum Behufe der Reinigung in den Seihbottig, in welchem es

verbleibt, bis ſich Lauge und Seife von einander abgeſondert

haben. Die Lauge nimmt man unter der Seife hinweg, die Lez-

tere aber ſchöpft man in den Siedkeſſel, der vorher geputzt ſein

muß, und ſiedet ſie dort mit einem Quantum Abrichtlauge unter

ſtetem Umrühren einige Stunden, und gießt noch weit mehr

Abrichtlauge nach, bis die Seife wieder gallertig wird. Jetzt

wird ſie das zweitemal ausgeſalzen und fortgeſotten, bis der Sutt

Feſtigkeit und eine weiße Farbe zeigt, worauf das Garſieden, d. h.

das Sieden bis zur Bildung zäher Blaſen und einer Seife von

blättrigem Gefüge ohne Feuchtigkeit beginnt. Man nimmt nun

das Feuer hinweg, läßt die Maſſe ſich abkühlen und gießt ſie dann

in eine leicht zerlegbare Form. Iſt die Seife darin erſtarrt, dann

zerlegt man die Form, zerſchneidet die Seife in die bekannten

länglichen Stücke und läßt ſie an der Luft noch austrocknen. Zur

B. Oelſeifenſiederei miſcht man ein Gemiſche von ⅔ Lein-

oder Rüböl und ⅓ Hanföl mit ſchwacher Lauge, und ſiedet daſſelbe

unter ſtetem Umrühren, bis ſich das Oel mit der Lauge vereinigt

hat und der Sutt zu ſteigen anfängt, worauf man erſt allmälig die

Feuerlauge eingießt. Von der Milchfarbe, welche jetzt die Flüſſig-

keit hat, geht ſie allmälig mit der Vermehrung des Feuerlauge-

zuſatzes ins Braune über. Das Sieden wird fortgeſetzt, bis eine

Probe auf einem Glaſe weißſtrahlend und durchſichtig iſt, und das

Zugießen von Lauge hört auf, während man aber das Feuer ver-

ſtärkt und die Maſſe beim Steigen peitſcht, um ſie zurückzuhalten.

In kurzer Zeit iſt die Seife gar, und man hat nur das Kochen

noch fortzuſetzen, um den Rückſtand von Waſſer noch ganz zu ver-

dampfen, bis dieſelbe das Durchſcheinen der weichen Seife zeigt6),

worauf ſie in Tonnen gefüllt wird7).

¹ Zur Literatur: v. Keeß Darſtellung. IIr Thl IIr Bd. S. 422. Poppe,

Handbuch der Technologie. IV. S. 283. Hermbſtädt Technologie. II. §. 492.

Du Hamel du Monceau, L'Art du savonnier. Paris 1774. fol. Anweiſung zum

Seifenſieden, Lichtziehen c. Berlin 1790. Darcet, Lélièvre und Pellétier Ent-

deckung über das Seifenſieden. Leipzig 1800. Kögel, Anweiſung zum Seifenſieden.

Quedlinburg 1800. Hermbſtädt Grundſ. der Kunſt Seife zu ſieden. Berlin 1824.

IIte Auflage. Die Kunſt des Seifenſieders und Lichtziehers. Nordhauſen 1822.

Tancre, Handbuch der Schwarzſeifenſiederei. Stettin 1830. Gütle, Mittheilun-

gen für Seifen- und Lichterfabrikanten. Leipzig 1830. IIte Ausg. Greve, Anlei-

tung zur Fabrikation der Seife, — auch der Talglichter. Hamburg 1833. Krü-

nitz, Oekonom. Encyclopädie. CLIIr Bd. (a. 1831). Dingler polytechn. Journal.

XI. 423 (nach Chevreul). 436 u. 441 (nach Collin). XXII. 498. Diction-

naire technologique. XIX. 106.

² Die Sodaſeife iſt zum gewöhnlichen Zwecke am beſten. Man unterſcheidet

noch mediziniſche, Mandel-, Mohn-, Nuß-, Buchel-, Hanf-, Lein- u. dgl.

Oelſeifen, Schweineſchmalzſeife, Büttenſeife, Wachs-, Thran-, Harz-, Fiſchſeife,

Kakaoſeife u. dgl. Die wohlriechenden Seifen bekommen ihren Geruch durch den

Baumſtark Encyclopädie. 27

[418/0440]

² Zuſatz ätheriſcher Oele. Um die Seife marmorirt zu machen, miſcht man Eiſen-

vitriol unter eine Portion Abrichtlauge mit Seife, und arbeitet dieſes Gemiſch mit

der ganzen Seifenmaſſe um.

³ Soda muß immer mit gleicher Menge von Holzaſche vermengt ſein. Auch

kann man die Holzaſche, mit ½ oder ⅓ Pottaſche gemengt, brauchen, aber es

kommt dann auf 1 Thl. Pottaſche 1¼ Thl. gebrannter Kalk. Nimmt man Soda,

ſo rechnet man 1½ Thl. Kalk auf 2 Thle. Soda. Die Holzaſche von Laubhölzern

iſt am brauchbarſten nach der Soda. Man beſpritzt den Aſchenhaufen bis zum

Zuſammenballen mit Waſſer und ſchaufelt ihn um. In deſſen Mitte wird eine

Vertiefung gemacht, der Kalk hineingeſchüttet und mit Waſſer gelöſcht, während

deſſen man ihn mit Aſche bedeckt. Nach dem Durchſchaufeln der ganzen Maſſe iſt

die Laugmaſſe fertig und wird in den Aeſcher gedrückt, d. h. in ein abgeſtutzt

kegelförmiges hölzernes oder gußeiſernes Gefäß mit einem durchlöcherten und einem

ganzen Boden. Man gießt nun Waſſer auf, bis der Aeſcher nicht mehr einſaugt,

und öffnet dann den zwiſchen dem durchlöcherten und ganzen Boden angebrachten

Hahn, damit die Lauge in ein tiefer liegendes Faß (den Sumpf) ſtröme, in dem

ſie aufgehalten wird.

⁴⁾ Ein runder nach unten ſich verengender kupferner oder gußeiſerner Keſſel,

mit einem breiten Rande, auf welchem zur Verhütung des Ueberſteigens der Seife

ein abgekürzt kegelförmiges Faß ohne Boden geſtürzt, und durch einen Kitt aus

Gips und Hammerſchlag an den Keſſel gekittet wird. Daſſelbe heißt man den

Sturz.

⁵⁾ Der gebrannte Kalk verbindet ſich mit der Kohlenſäure des kohlenſauren

Kali, wodurch ätzendes Kali entſteht. Dieſes zerlegt den Talg in Talgſäure und

Oelſäure, und verbindet ſich mit denſelben zu einer weichen ſchmierigen Kaliſeife.

Um aber dieſe feſt zu machen, ſetzt man Kochſalz bei, deſſen Chlor ſich mit dem

Kali zu Chlorkali, und deſſen Natrium ſich mit dem Sauerſtoff des Aetzkali zu

Natron verbindet, welches Leztere ſich aber mit den Fettſäuren zu einer feſten

Natronſeife vereinigt, ſo daß blos eine Unterlauge von, in Waſſer gelöstem,

Chlorkalium zurückbleibt.

⁶⁾ Man macht dieſe Seife bunt durch Zuſatz von Würfeln weißer Seife,

Talgwürfeln oder Stärkekleiſter, oder auch Hammeltalg.

⁷⁾ Die franzöſiſche, marſeiller oder venetianiſche Oelſeife iſt eine

feſte Seife. Man hat davon weiße und marmorirte (Note 2.). Sie wird aus

ätzender Natronlauge und Baumöl gefertigt, und iſt alſo inſoweit eine Oelſeife, bis ſie

durch einen geringen Zuſatz von Küchenſalz feſt gemacht wird.

Vierte Unterabtheilung.

Von der Verarbeitung pflanzlicher und thieriſcher

Stoffe zuſammen.

I. Schaafwolleſpinn- und Weberei.

§. 305.

Die Tuchweberei1).

Die Arbeiten dieſes Gewerkes ſind folgende und geſchehen in

folgender Ordnung auf einander. Zuerſt wird die Wolle ſortirt in

kurze (Fettwolle) und lange (Waſchwolle), denn jene dient

blos zum Einſchießen in das Gewebe und wird deßhalb mit Fett

getränkt, dieſe aber dient zum wirklichen Garne und Hauptgewebe,

und wird vor dem Gebrauche gewaſchen2). Nach dem Waſchen

[419/0441]

wird ſie zum Behufe der Auflockerung gezaust, früher durch

Menſchenhand, jetzt durch die Zauſemaſchine3). Iſt ſie ſo

locker gemacht, ſo wird ſie geflackt, d. h. auf Horden gepeitſcht,

oder durch eine Maſchine (Wolf) maſchinirt (gewolft)4). Als-

dann wird dieſelbe geſchmalzt (eingefettet), d. h. durch Tränken

mit Butter (oder einem nicht austrocknenden, z. B. Baumöle)

geſchmeidig gemacht. Auf das Einfetten folgt das Kratzen

(Schrubbeln, Krempeln, Kardätſchen) mit der Hand oder

durch Maſchinen, d. h. Auseinanderziehen, um die kurzen Fäden

von den langen zu trennen, und dieſe untereinander zu bringen,

um ſie zum Verſpinnen tauglicher zu machen5). Die geſchrubbelte

Wolle wird jetzt entweder mit dem Spinnrade oder auf Spinn-

maſchinen (Spinnmühlen) geſponnen, d. h. in Fäden zuſammen-

gedrehet6). Das ſo entſtandene Garn wird alsdann gehaſpelt,

d. h. auf einen Haſpel gewunden, und dort in Strehnen und

Gebinde abgetheilt7). Von dieſen Strehnen kommt es auf eine

Winde und von daher auf Spulen (Bobinen), von welchen es

auf dem Spulrade doublirt oder driplirt, und dann gezwirnet,

d. h. zu zwei und drei Fäden zuſammengedrehet wird8). Das-

jenige Garn, welches zur Kette (Zettel, Werft, Aufzug, Schee-

rung), d. h. dazu dient, um auf dem Webſtuhle nach der Länge

und Breite des zu fertigenden Tuches oder Zeuges ausgeſpannt zu

werden, heißt Kettgarn. Dasjenige aber, welches dazu dient,

um zwiſchen die Fäden der Kette eingeſchoben oder -geſchloſſen zu

werden, das Einſchußgarn. Das Kettgarn wird vor ſeiner

Aufſpannung durch Leimwaſſer gezogen (geſchlichtet, geleimt),

um es ſteifer und feſter zu machen9). Nun kommt das Scheeren

(Schieren) der Kette, d. h. das Ordnen und Abtheilen der Ket-

tengarnfäden, damit es als Kette in den Webſtuhl geſpannt werden

kann10). Dieſes Aufſpannen auf den Webſtuhl11) heißt man das

Aufſcheeren der Kette, und iſt eine Arbeit, wozu ſehr viel Sorg-

falt erforderlich iſt12). Iſt die Kette aufgeſcheert, ſo wird das

Einſchußgarn, auf den Spülchen, auf welche es vorher ſchon ge-

ſpult wurde, in das Schiffchen gethan und das Tuch gewebt13).

Iſt das Tuch fertig, ſo wird es genoppt, d. h. von den nicht

dazu gehörenden eingewebten Theilen befreit, was entweder mittelſt

des Noppeiſens (einer Zange) aus der Hand oder durch die

Noppmaſchine14) geſchieht. Das genoppte Tuch wird hierauf

gewalkt, um es von ſeinen Unreinigkeiten zu befreien und filzig

zu machen. Dies geſchieht auf der Walkmühle unter verſchiedenen

reinigenden Zuſätzen15). Da durch das Walken das Tuch filzig

geworden iſt, ſo müſſen ſeine Haare jetzt wieder aufgelockert werden,

27 *

[420/0442]

damit man das Tuch ſcheeren kann. Dieſe Arbeit heißt man das

Rauhen und geſchieht auch entweder aus der Hand oder durch

die Rauhmaſchine16). Vor dem Scheeren muß das Tuch noch

einmal gereinigt werden und den Strich der Haare erhalten.

Dies geſchieht durch das Bürſten des Tuches mit der Bürſten-

maſchine17). Hierauf erſt wird daſſelbe geſchoren und man hat

dazu ebenfalls entweder Handtuchſcheeren oder Scheermaſchinen

(Scheermühlen), welche jetzt allgemein im Gebrauche ſind18).

Das zweimal geſchorene Tuch wird geſtreckt (gereckt), d. h. in

einen Rahmen geſpannt und auseinander gezogen, damit es die

Falten verliert und fadengleich wird, d. h. überall gleiche Breite

hat, hierauf aber zum leztenmal ausgeſchoren, d. h. noch einmal

aus der Hand genoppt, durch Stopfen ausgebeſſert, geſtrichen und

gepreßt. Lezteres geſchieht unter einer Schraubenpreſſe, zwiſchen

Preßſpänen (von Pappe, aus Papiermühlen), Preßbrettern und

warmen Preßplatten von Kupfer oder Eiſen19). Die Farbe wird

den Tüchern ſchon vorher gegeben20).

¹ Die Darſtellung des Spinn- und Webereiweſens hat ſchon, wenn ſie aus-

führlich ſein ſoll, die größten Schwierigkeiten. Bei einer encyclopädiſchen Erörterung

dieſer Gewerbe iſt es unmöglich, mehr als Ueberſichten und Andeutungen zu geben.

Zur Literatur der Wollenweberei ſ. m. Schauplatz der Künſte und Handwerke. V.

125. VI. 1. VII. 1. XVII. 3. Jacobſon, Schauplatz der Zeugmanufacturen.

Berlin 1773–76. IV Bde. 8. Weber, Beiträge zur Gewerbskunde. I. 155. II.

163. III. 183. v. Keeß Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 111. 227. I. Supplem.

S. 182. 375. Dictionnaire technologique. XII. 1. IX. 10. Poppe Handbuch.

I. S. 102. Hermbſtädt Technologie. I. §. 55. May, Anleitung zur rationellen

Webekunſt. Berlin 1811. Scheibler Anweiſung, wollene Tücher zu fabriciren.

Breslau 1806. Klinghorn, Beſchreibung und Abbildung der neueſten verbeſſerten

Web-, Spinn-, Scheer-, Doublir-, Zwirn-, Cattun- und Callicodruck-, ſo wie

ähnlicher Maſchinen c. Quedlinburg 1829. Mit 137 Abbildgn. Bonnet, der

Tuchfabrikant in größter Vollkommenheit. Aus dem Franzöſ. Ulm 1829. Borgnis,

Mécanique appliquée aux Arts. VII. (Machines, qui servent à confectionner les

Etofses.). Paris 1820. 4.

² Man waſcht ſie mit Seife, mit gefaultem Menſchenharne und Waſſer.

Auch anderer Materien bedient man ſich dazu. Borgnis l. c. pag. 10 et 11.

³ Sie iſt bei Hermbſtädt und den Anderen beſchrieben.

⁴⁾ Der Wolf iſt beſchrieben bei Hermbſtädt und in folgenden Schriften:

Borgnis I. c. p. 33. Christian, Mécanique industrielle. III. 219. 405 Planche

49. Karmarſch Mechanik. II. 139 (Klopfmaſchine von Walmsley, Thomas,

Bowden, Connop und Vautiers). S. 142 (der Wolf und deſſen Verbeſſerun-

gen, Maſchine von Douglas, Faux u. Georges, von Hughes u. Collier).

⁵⁾ Die Handwerkzeuge (Kratzen, Krempeln oder Kardätſchen) ſind eine Art

von Hecheln, und man unterſcheidet die Reiß- oder Brechkämme (von 40–50

Zähnen), Kratzen oder Krempeln (von 50–60 Z.) und Knieſtreichen,

Schrobbeln oder Kardätſchen (von 70–80 Z.). Durch die Schrobbeln erhält die

Wolle eine Verarbeitung zu viereckigen Blättern, und durch die Knieſtreichen

eine ſolche zu ſpindelförmigen Flieden, die man dann zu Locken oder

Flocken zuſammenrollt. Die Krempelmaſchine iſt von dem Barbierer Richard

Arkwright a. 1770 erfunden. Sie iſt unter Andern beſchrieben bei Hermb-

ſtädt. Man ſ. aber auch Borgnis I. c. p. 48. Christian I. et p. citt. et p. 406.

[421/0443]

⁵⁾ Weber, Beiträge zur Gewerbs- und Handelskunde. I. (1825) S. 173. II. 169.

Heß, Beſchreibung von den Kamm- und Spinnmaſchinen auf Wolle und Baumwolle

eingerichtet (Zürich 1806). S. 7. Karmarſch Mechanik. II. S. 146 (Krempel-

maſchine von Oberländer, gemeine Krempelmaſchine, jene von Sarrazin und

von Joubert). S. 148 (Wollkämm-Maſchine von Cartwright, von Wright

und Hawksley). Dingler polytechn. Journal. XIV. 29 (Kardätſchenwalze von

Woollams); XV. 303 (eine ſolche von Crighton); XVI. 450 (von Burn);

XXIII. 427 (Apparat zum Kämmen und Strecken der Wolle von Roß); XXV.

298 (eine ſolche von Anderton); XXV. 380 (eine ſolche von Brooke und

Hargrave); XXVIII. 117 (von Edmonds); XXXIII. 310 (von Don Marco

Bacon), S. 425 (eine ſolche v. Whitacker); XXXVIII. 163 (v. Buchanan);

XLII. 357 (Kämm-Maſchine von Platt); XLV. 258 (von Ford).

⁶⁾ Das gewöhnliche Spinnrad iſt von einem Steinmetzen Jürgens zu

Vatenbüttel im Herzogthum Braunſchweig a. 1530 erfunden und ſpäter vielfach

verbeſſert, ſo daß man jetzt doppelte hat, welche anfangen recht ſtark in Gebrauch

zu kommen. Die Spinnmaſchine hat ein engl. Zimmermann, James Har-

graves, erfunden, ſie wurde Jenny genannt und iſt jetzt ſo weit verbeſſert, daß

ein Mädchen 80–120 Spulen damit verſorgen kann. Die Haupterfindung daran,

nämlich, daß man nicht blos Einſchuß- ſondern auch Kettengarn darauf ſpinnen

kann, verdankt man ſeit 1771 dem bereits genannten Rich. Arkwright.

Weber Beiträge. I. 177. III. 184. Sprengel's Handwerke und Künſte. III.

Taf. IV. Fig. 4–7. Roland de la Platiére, L'Art du fabricant d'Etofses en laine.

Paris 1780. fol. Ueberſ. Nürnberg 1781 Hermbſtädt Bülletin. I. 309. Borgnis

l. c. p. 75 (Spinnräder) und p. 91 (verſchiedene Spinnmaſchinen). Christian I.

c. III. 258. 416. Glanche 50 et 51. Karmarſch Mechanik. II. 156 (Spinn-

räder) und 167 (Spinnmaſchinen). Dingler polytechn. Journal. II. 289 (verb.

Spinnen von Hadden); XV. 46 (von Liſter); XVI. 445 (von Taylor),

S. 446 (von Green); XVII. 422 (von Leach); XXL. 8 (von Chell), S. 395

(von Price); XXII. 325 (von Hirſt), S. 326 (von Bodmer); XXIV. 511

(von Andrew, Tarlton und Shapley); XXV. 39 (Verbeſſ. von Davis z.

Spinnen eines Fadens, an dem keine Haare mehr hervorſtehen); XXVI. 317 (von

Kay); XXVIII. 402 (von Goulding); XXXI. 212 (von Church); XXXII.

240. 323 (über den Regulator beim Spinnen, von Rayner), S. 313 (Spinn-

maſchine von Dexter); XXXV. 226 (Spinnmaſchine von Lee); XLII. (von

Sands); XLIV. 83 (von Molineur und Bundy); XLV. 374 (von Jelli-

corſe). Bulletin de la société d'Encouragement Année 1823 (Spinnmaſchine

von Belanger für Streichgarn). Heß Beſchreib. S. 11 folg.

⁷⁾ Hier wird das Garn auch nach den Sorten numerirt. S. Karmarſch in

Prechtl's Jahrbüchern. XIII. 131. und Hachette in Dingler's polytechniſches

Journal. XVIII. 414. Eine Beſchreibung des Haſpels (der Weiſe) bei Kar-

marſch Mechanik. II. 189. Borgnis I. c. p. 137 (mehrere Haſpel). Christian

III. p. 415. Planche 51.

⁸⁾ Ueber Spulräder ſ. m. Karmarſch Mechanik. II. S. 189. Ueber Spul-

maſchinen ſ. ebendaſelbſt. II. S. 190 (von Rouſſeau, Crager, Joubert und

Pride). Christian III. 417. Planche 51 et 52. Borgnis I. c. Ueber beides ſ.

m. auch die Abbildungen und Beſchreibungen bei Hermbſtädt. Ueber das Zwir-

nen und die dazu erforderlichen Maſchinen ſ. m. Borgnis I. c. p. 152. Christian

III. 288. Karmarſch Mechanik. II. 173. Jacobſon, technolog. Wörterb. IV.

240. 734. Dingler polytechn. Journal. XVII. 422 (Zwirnmaſchine von Leach);

XVIII. 344 (Zwirn- und Doublirmaſchine von Foſter Gimſon). S. auch We-

ber Beiträge. II. 213.

⁹⁾ S. Prechtl Jahrbücher. IX. 395 (Schlichtmaſchine von Stansfield).

Dingler polytechn. Journal. XVII. 420 (Schlichtmaſchine von Well); XL. 408

(Apparat zum Reinigen und Zubereiten des Wollengarns, von Harris). Christian

III. 420. Planche 52. Ueber Brierly's und Rhodes's Vorrichtung z. Trocknen

des geſchlichteten Garns ſ. m. Dingler's polytechn. Journal. I. 420. IV. 63.

Prechtl Jahrbücher. II. 400. III. 472. Karmarſch Mechanik. II. 195. We-

ber Beiträge. I. 131.

[422/0444]

¹⁰⁾ Ueber das Scheeren und Scheermaſchinen ſ. m. auch Borgnis I. c. p. 178.

Christian III. 297. 419. Planche 52. Ueber die Scheerrahmen auch Karmarſch

Mechanik. II. 194. Ueber eine Scheerlatte auf ſchiefer Ebene Dingler polytechn.

Journal. XX. 528.

¹¹ Beſchreibungen von Webſtühlen finden ſich bei Hermbſtädt, May und

den Andern. Borgnis I. c. p. 186 sqq. Christian III. 292. 422. Planche 53.

Karmarſch Mechanik. II. 196. 226 (Hand- und ſelbſtwebende Webſtühle). Die

Webſtühle haben viele Verbeſſerungen erfahren. Man ſ. darüber Dingler poly-

techn. Journal. XIII. 24 (von Goodman); XIV. 229 (Patentwebmaſchine von

Sconedall d' Arimond), S. 403 (von Biard); XV. 40 (von Buchanan);

XVIII. 67. und XX. 113 (von Stansfield, Briggs, Pritchard und Bar-

raclough); XIX. 19 (von Goſſet), S. 149 (Daniells Webmethode); XX.

247 (doppelter Webſtuhl v. Alchorne), S. 513 (Kunſtwebſtuhl v. Debergue);

XXI. 195 (von Tetlow), S. 385 (von Stansfield); XXII. 321 (von

Wilſon), S. 405 (Handwebſtuhl von Grant Smith); XXIV. 413 (von

Hanchett und Delvalle, Webſtuhl für Tücher von allen Breiten); XXV. 206

(Kunſtwebſtuhl von Daniell); XXVI. 109 (von Sadler), S. 205 (verbeſſertes

Webgeſchirr von Rothwell); XXVII. 1 (von Frank und May, ſ. auch die

Abhandlungen der techniſchen Deputation für Gewerbe. I. 379.), S 81 (von

Hurſt und Bradley), S. 82 (von Stansfield, Pritchard und Wilkin-

ſon); XXXIV. 213. und XXXV. 39 (verbeſſertes Webgeſchirr von Pownall).

XXXVI. 215 (von Heilmann); XXXVII. 105 (Parr und Bluett's Web-

ſtühle); XXXIX. 50 (verbeſſ. Tuchmanufactur von Hirſt); XLII. 185 (Webſtuhl

von Robert); XLIII. 17 (Kunſtwebſtuhl von White); XLIV. 455 (von Goul-

ding). Weber Beiträge. I. 182. II. 170.

¹² Es ſind in der Kette immer zwei Faden, nämlich die oberen (Ober-

ſprung) und die unteren (Unterſprung) nöthig, welche ſich durchkreutzen müſſen,

ſo daß ſich queer durch alle Kreutze das Einſchußgarn legt, wenn das Schiffchen

(Schütze) durchfährt. Man ſ. auch Borgnis I c. p. 187. Ueber eine Vorrichtung

und eine Maſchine zum Aufziehen und Spannen der Kette auf den Webſtuhl ſ. m.

Dingler polytechn. Journal. XVII. u. XXI.

¹³ Das Weben geſchieht, indem durch den Mechanismus wechſelweiſe der

Ober- und Unterſprung in Kreutzform geſtellt und das Schiffchen zwiſchen Beiden

durchgejagt wird, um das Einſchußgarn queer durchzulegen, damit daſſelbe bei dem

nächſten zu bildenden Kreutze eingeſchloſſen und feſt angeſchlagen werden kann.

¹⁴⁾ Die Noppmaſchine iſt von den Gebrüdern Weſtermann zu Paris.

Hermbſtädt Technologie. I. §. 121. Weber, Beiträge zur Gewerbs- und Han-

delskunde. II. 172.

¹⁵⁾ Man walkt mit gefaultem Urin, grüner und weicher Seife, und mit

Walkerde. Ueber Walkmühlen ſ. man v. Langsdorf Erläuterungen. I. 238.

v. Laugsdorf Maſchinenkunde. II. §. 337. Schauplatz der Künſte und Hand-

werke. V. 222. u. A. Verbeſſerungen an Walkmühlen ſind beſchrieben bei Ding-

ler polytechn. Journal. II. 298 (von Lewis); XXI. 141 (von Hurſt und

Wood); XXIII. 311 (von Bernon); XXVII. 103 (von Willan u. Ogle).

Hermbſtädt Technologie. I. §. 122. Beuth, in den Verhandl. des Vereins zur

Beförderung des Gewerbsfleißes in Preußen. Jahrg. VII. 1829. S. 132. Prechtl

Jahrbücher. VI. 529. Borgnis I. c. p. 277. Christian III. 442. Planche 57.

Karmarſch Mechanik. II. 251. Weber Beiträge. I. 185. II. 173. III. 186.

¹⁶⁾ Hier wird die Weberkardendiſtel gebraucht (§. 176.). Man hat auch ſchon

metallene Karden angewendet. S. Prechtl Jahrbücher. IX. 394. Dingler

polytechn. Journal. XXIV. 514 (Verbeſſerungen beim Streichen der Tücher, von

Shappard und Flint). Ueber Rauhmaſchinen ſ. man Borgnis I. c. p. 311.

Christian III. 438. Pl. 57. Karmarſch Mechanik. II. 263. Abhandlungen der

techn. Deputation für Gewerbe. I. S. 383. Weber Beiträge. I. 198. II. 180.

III. 190. Dingler a. a. O. III. 53 (eine Drahtrauhmühle von J. Lewis);

IV. 423 (Rauhmaſchine von Collier), S. 269 (eine ſolche von J. u. W. Lewis

[423/0445]

¹⁶⁾ und W. Davis); XX. 350 (von Lord, Robinſon und Forſter); XXI. 391

(von Hurſt, Wood und Rogerſon); XXIV. 514 (v. Sheppard und Flint);

XXXII. 318. XXXV. 296 (von Sevill); XLII. 359 (von Papps), S. 401

(von Charlesworth). Weber Beiträge. I. 198. II. 180.

¹⁷⁾ Weber Beiträge. I. 226. II. 183. III. 193. Die Bürſtmaſchine iſt von

den Gebrüdern Cockerill erfunden.

¹⁸⁾ Ueber die Scheermaſchine ſ. man Borgnis I. c. p. 313. Christian III.

p. 306. 443. Planche 58. 59. Karmarſch Mechanik. II. 267. 277. Abhandl.

der techniſch. Deputation für Gewerbe. I. 385. Dingler polytechn. Journal. II.

257. III. 276 (Scheermaſchine von J. Lewis); VI. 64. XVII. 300 (von W.

Davis); XI. 166 (von Collier); XIII. 184 (von Hobſon); XIV. 407 (von

Miles); XV. 43 (von Bainbridge); XIX. 25 (Maſchine zum Schleifen oder

Schneiden der Oberfläche der Tücher, von Slater); XX. 458 (Scheermaſchine

von Gardner und Herbert); XXV. 373 (von Sitlington); XXXI. 181

(von Marſhall); XXXVII. 433. XL. 98 (von Clatterbuck); XLIII. 233

(von Hooper); XLV. 253 (von Oldland). Ueber Swift's amerikaniſche

Tuchſcheere ſ. die Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbsfleißes

in Preußen. Jahrg. 1829. S. 231. Weber Beiträge. I. 209. II. 181. III. 193.

¹⁹⁾ M. ſ. Dingler polytechn. Journal. I. 420 (Streckrahmen v. Brierly);

III. 257 (ein ſolcher von W. Lewis); X. 393. XXXI. 43 (Zurichten der Tücher,

nach Daniell); XVI. 44 (ein ſolches nach Sevill); XIX. 498 (Methode, beim

Zurichten den Wollewaaren Glanz zu geben, nach Fuſell); XXIII. 51 (Zuricht-

maſchine von Haycock), S. 429 (eine ſolche von Smith); XXV. 33 (Walz-

maſchine, um den Tüchern Glanz zu geben, von Leroy); XXXV. 292 (Zuricht-

maſchine von Haden); XXXVIII. 135 (verbeſſerte Methode des Zurichtens, von

Gether); XXXIX. 33 (von Allen); XLIV. 99 (Zurichtmaſchine von Jones).

Karmarſch Mechanik. II. 291–293. Weber Beiträge. I. 222 folg. 227 folg.

II. 187. III. 194.

²⁰⁾ Die Tücher von der ächteſten Farbe ſind aus, bereits vor dem Spinnen

gefärbter, Wolle gewebt. Sonſt färbt man ſie erſt, wenn ſie gewebt und gereinigt

ſind. Tücher, welche ganz weiß ſein ſollen, werden, ehe man ſie zurichtet, ge-

ſchwefelt und gebläuet. — Das Decatiren der Tücher vor ihrer Verarbeitung iſt

ein Preſſen derſelben unter Wärme und Feuchtigkeit. Man benutzt dazu eigene

Maſchinen, wie z. B. auch die in der vorigen Note genannten von Haycock und

Jones. Man ſ. Hermbſtädt Technologie. I. §. 148. Verhandlungen des Ver-

eins zur Beförderung des Gewerbsfleißes in Preußen. IV. Jahrg. 1825. S. 134.

Jahrg. VI. 1827. S. 149. Weber, Zeitblatt für Gewerbtreibende. I. 440 (Ber-

lin 1828). — Ueber noch andere Zubereitungen der Wollenzeuge ſ. m. Borgnis

I. c. p. 286. Christian III. 441. 301. 112. 383. Hermbſtädt I. §. 150.

II. Baumwollſpinn- und Weberei.

§. 306.

Die Baumwollenzeug-Weberei1).

Die Baumwolle iſt eine wollige Pflanzenfaſer, durch welche

die Saamen der Baumwollenpflanze (Gossypium) in der Saamen-

kapſel umwickelt ſind. Man hat zwar verſchiedene Baumwollen-

pflanzen, aber der Farbe nach doch nur weiße und gelbe Baumwolle.

Sie wächst in Oſt- und Weſtindien, China, Aegypten, Kleinaſien,

auf den griechiſchen Inſeln im Archipelagus, und im ſüdlichen

Europa2). Die Baumwolle, wie ſie zu uns kommt, hat ſchon

[424/0446]

die Erntearbeiten3) erduldet und iſt in feſten Päcken zuſammen-

gepreßt4). Die Baumwolle wird daher vor der Verarbeitung

aufgelockert und zwar durch Klopfen aus freier Hand oder Klopf-

maſchinen5), oder durch den Wolf (Teufel)6), oder endlich

durch die Flaggmaſchinen7). Dadurch iſt die Baumwolle auf-

gelockert und zugleich in wattähnliche flache Stücke geſchlagen,

aber die Faſern ſind noch nicht ganz rein und haben noch keine

regelmäßige Lage. Dieſe Zwecke werden durch die Kratz- (Krem-

pel-, Flint- oder Streich-) Maſchinen8) erreicht, durch welche

ſie jetzt bearbeitet wird. So in Bänder geformt, kommt ſie nun

auf die Streckmaſchinen9), um dadurch die Fäden noch genauer

parallel zu legen (ſtrecken), was, damit die Bänder nicht reißen,

ſo geſchieht, daß man mehrere ſolche Bänder auf einander legt

und durch die Maſchine gehen läßt (doublirt). So iſt ſie zu

Spinnen vorbereitet, aber dieſes geſchieht in mehreren Operationen.

Das erſte Spinnen auf der Flaſchenmaſchine (Kammmaſchine,

Laternenbank) oder auf der Grobſpindelbank10) bewirkt blos

eine leiſe Drehung der Bänder zu fingerdicken Fäden. Das zweite

oder Vorſpinnen auf der Vorſpinnmaſchine (Grobſtuhl

genannt) oder auf der Spindelbank (Feinſpindelbank)11)

liefert aus jenen Fäden einen ſolchen von der Dicke eines Bind-

fadens. Dieſer Faden muß nun ebenfalls geſponnen werden und

dies iſt das dritte oder Feinſpinnen, welches durch die Water-

(Droſſel-), Jenny- und Mulemaſchinen12) geſchieht. Das

ſo gewonnene Baumwollgarn wird nun gehaſpelt und ſortirt13)

und, wenn es erforderlich iſt, gezwirnt (§. 305. N. 8.). Man

unterſcheidet auch, wie bei der Wollweberei, das Ketten- und

das Einſchußgarn, welches Erſtere feiner und feſter ſein muß

als das Leztere, weßhalb man jenes auf den Water- und Mule-

maſchinen, dieſes aber nur auf Lezteren ſpinnt. Das zum Ver-

weben beſtimmte Baumwollenkettengarn wird hierauf geleimt

(§. 305. N. 9.), und, wenn es wieder getrocknet iſt, geſpult,

d. h. durch das Spulrad oder die Spulmaſchine auf Spulen

gewunden, damit man es hiervon leichter zur Kette ſcheeren

kann (§. 305. N. 9. und 10.). Die Kette wird alsdann auf den

Webſtuhl14) geſpannt, geſchlichtet (wenn dies nämlich nicht

ſchon vor dem Aufſpannen oder Aufkämmen geſchehen iſt), und

das Baumwollenzeug verfertigt, wovon es außerordentlich viele

Arten gibt. Die fertigen Zeuge, beſonders alle glatten, werden

dann durch Sengen oder Brennen15) von den hervorſtehenden

Härchen befreit, dann in reinem Waſſer eingeweicht, gewaſchen

oder auf Walkmühlen und Prätſchmaſchinen16) gereinigt.

[425/0447]

So gereinigt, werden ſie gebleicht17), dreſſirt oder friſirt,

d. h. der haarigen Oberfläche eine beſtimmte Form gegeben18) und

dann finiſſirt, d. h. mit Glanz verſehen und geglättet19). Das

darauf erfolgende Färben und Drucken iſt ein anderes Geſchäft.

¹ Zur Literatur: Note 1. des §. 305. Prechtl Encyclopädie. I. 472614.

Le Blanc, Nouveau système complet de filature de Coton usité en Angleterre etc.

Paris et Bruxelles 1828. Bernoulli, theoret. prakt. Darſtellung der geſammten

mechan. Baumwollſpinnerei. Baſel 1830 (Hauptwerke). Martin, die engl.

Baumwollen- und Wollenzeugmanufactur. Aus dem Engl. überſetzt von Poppe.

Peſth 1819. Hermbſtädt Technologie. I. §. 176. Poppe Handbuch. I. 137.

v. Keeß Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 81. 179. Supplem. I. S. 120. 300.

Weber Beiträge. I. 271. II. 202. III. 222. Dictionn. technol. VI. 110. IX. 10.

² Ueber die verſchiedenen Sorten und Eigenſchaften der Baumwolle ſ. m.

auch Prechtl Encyclopädie. I. S. 472. 483. außer Hermbſtädt, Poppe, Ber-

noulli u. ſ. w. S. auch Borgnis I. c. p. 8.

³ Man hat die ſogenannten Egrenirmaſchinen zum Trennen der Saamen

von der Baumwolle. Sie ſind ausführlich beſchrieben z. B. bei Prechtl a. a. O.

I. S. 473; auch bei Hermbſtädt u. a. Prechtl Jahrbücher. VII. 293. Kar-

marſch Mechanik. II. 138.

⁴⁾ Eine Beſchreibung der Packpreſſen findet ſich auch bei Prechtl a. a. O.

S. 477 S. auch Borgnis I. c. p. 9.

⁵⁾ Prechtl a. a. O. I. S. 490. Borgnis I. c. p. 10. Christian III. 271.

405. Planche 49. Dingler polytechn. Journal. XVI. 1. XXIII. 97 (Schlag-

maſchine von Piyet); V. 135 (Schwingmaſchine von N. Smith). Karmarſch

II. 139.

⁶⁾ Karmarſch II. 141. Prechtl a. a. O. I. 491. S. auch §. 305.

Note 4, denn die in jenen Schriften beſchriebenen Maſchinen werden auch hier

angewendet.

⁷⁾ Prechtl a. a. O. I. 499. Dingler polytechn. Journal. VI. 182 (Flagg-

maſchine von Bernoulli). Man unterſcheidet die Putz- und die Watten-

maſchine; jene reinigt und dieſe ſchlägt die Baumwolle in eine wattförmige Fläche.

⁸⁾ Christian III. 237–257. 406. Pl. 49. Karmarſch II 145. Prechtl

a. a. O. I. S. 513. S. auch §. 305. Note 5. Man unterſcheidet die Vor- oder

Grobkratze und Feinkratze oder Auskarde; auch einfache und Doppel-

Karden. S. auch Hermbſtädt Technologie. I. §. 182. Die Auskarde formt

Bänder aus der Baumwolle. Um die Bänder in breite Watten zu vereinigen, hat

man die ſogenannten Lappingmaſchinen. S. Prechtl a. a. O. I. 522.

Dingler polytechn. Journal. XXVIII. 97.

⁹⁾ Karmarſch II. 152. Borgnis I. c. p. 92. 115. Christian III. 258. 407.

Planche 50. Prechtl a. a. O. I. S. 534.

¹⁰⁾ S. §. 305. Note 6. Prechtl a. a. O. I. 541. Dingler polytechn.

Journal. XXXIII. 1. (Lat. Spulmaſchine von Heilmann). Karmarſch II. 153.

Christian III. 409. Planche 50. Es gibt auch zugleich krempelnde Spinnmaſchinen.

S. Karmarſch II. 166. Borgnis I. c. p. 121. Ueber Drehung des Baumwolle-

garns, von Köchlin bei Dingler polytechn. Journal. XXXIII. 387.

¹¹ Prechtl a. a. O. I. 562. Karmarſch II. 161. Dingler polytechn.

Journal. XXVI. 204 (Vorſpinnmaſchine von Fr. Smith); XXIX. 385. XXXV.

439 (von Bayliffe); XXX. 89 (Spulmaſchine für Vorgeſpinnſte von Houds-

worth); XLIII. 429 (Selden's Maſchine zur Bewirkung der gehörigen Conſi-

ſtenz des Vorgeſpinnſtes).

¹² Prechtl a. a. O. I. S. 567. Karmarſch II. 163. Borgnis I. c.

p. 105 sqq. Dingler polytechn. Journal. VIII. 1. X. 388 (Spinnmaſchine von

[426/0448]

¹² Main); XII. 457 (von Tollenare); XXVII. 7. XXX. 211 (Verbeſſerungen an

den Mules, Jennies und Slabbers, von de Jongh); XXXI. 12 (Spinnmaſchine

von Heiſch); XLII. 13 (Spinnmaſchine von Hutchiſon); XLIII. 229 (Droſſel-

ſpindel von Lambert); XLIV. 353 (Verbeſſerungen an der Jennies, Mules c.,

von Roberts). S. §. 305. Note 6.

¹³ S. §. 305. Note 7. Prechtl a. a. O. I. 594. 595.

¹⁴⁾ Man unterſcheidet die Hand- und Maſchinenwebſtühle. S. Note 11. des

vorigen §. Sie ſind ſehr abweichend gebaut, weil verſchieden façonnirte Zeuge ge-

webt werden. S. Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbsfleißes

in Preußen. Jahrg. III. 1824. S. 194. Jahrg. VII. S. 129. Horrocks's Web-

ſtuhl bei Dingler polytechn. Journal. XI. 203.

¹⁵⁾ Ueber ſolche Sengmaſchinen ſ. m. Karmarſch II. 277. Christian III.

437. Planche 55. Prechtl Jahrbücher. VII. 298. Weber Beiträge. I. 302. II.

216. III. 246. Borgnis I. c. p. 306. Dingler polytechn. Journal. XVI. 450

(Burn's Sengmaſchine).

¹⁶⁾ S. §. 305. Note 15. Ueber die Prätſchmaſchinen (Pretſch M.)

ſ. m. Karmarſch II. 254. Borgnis I. c. p. 271. Dingler polytechn. Journal.

III. 4 (Reinigungsmaſchine von Dingler); V. 432 (eine andere). Ueber Waſch-

maſchinen auch Karmarſch II. 256. Dingler a. a. O. V. 424. 428–30

(engliſche); XII. 328 (von Smith); XV. 48 (von Flint). Prechtl Jahrb.

V. 363 (von Waroup), S. 364 (von Baylis), S. 459 (von Smith).

Ueber Maſchinen zum Auspreſſen der naſſen Zeuge ſ. Karmarſch II. S. 261.

Dingler polytechn. Journal. III. 6 (von Dingler), S. 10 (zum Auswinden).

Den Apparat von Southworth zum Trocknen beſchreibt auch Karmarſch II.

262., und Dingler a. a. O. XVI. 474.

¹⁷⁾ S. Dingler polytechn. Journal. III. 1 (Maſchine zum Bäuchen der

Kattune von Dingler); XIV. 433 (Bleichen nach Turner und Angell);

XX. 471 (nach Turner); XXXIII. 447 (nach Penot). Prechtl Encyclopädie.

II. 420. v. Keeß Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 95. 190. Supplem. I. 160. 330.

¹⁸⁾ M. ſ. Borgnis I. c. p. 286 sqq. Karmarſch II. 293.

¹⁹⁾ Dieſe Maſchinen kennt man unter dem Namen Mangen und Kalander.

Man ſ. Karmarſch II. 280. 286–89. Dingler polytechn. Journal. III. 12

(eine Appretirmaſchine v. Dingler); VI. 82 (Schlichten der Zeuge nach Dubuc);

X. 487 (Kalander von Smith); XII. 332 (Zurichtmaſchine von Wickham);

XXI. 17 (Appretirmaſchine von Bathgate); XXXIX. 49 (verbeſſ. Zurichtung

nach Smith): XLII. 194 (Zurichtmaſchine von Ferraboe). Vergl. §. 305.

Note 19. Beſchreibung der Mangen und Kalandermaſchinen. Nürnberg 1829.

III. Seidenſpinn- und Weberei.

§. 307.

Die Seidenweberei1).

Die Coccons der Seidenraupe (§. 206.) liefern die Seide,

von deren Bearbeitung hier die Rede iſt. Das Aeußere der Coc-

cons iſt ein etwas rauher Faſerſtoff (die Floretſeide); unter

dieſer liegt die feine eigentliche Seide, auf welche wieder ein grö-

berer faſeriger Ueberzug folgt, und endlich der Balg der Larve

kommt. Die Coccons werden auf einige Minuten in einen Keſſel

voll heißen Waſſers zum Auflöſen der Fäden gethan2) und dann

wird von ihnen die Seide auf einen eigenen Seidenhaſpel3)

[427/0449]

abgewunden. Die ſo gewonnene rohe Seide wird nach ihrer

Feinheit und Grobheit ſortirt, denn beim Haſpeln zieht man

mehrere Fäden zuſammen. Dieſelbe wird hierauf doublirt und

gezwirnt, was an der Stelle des Spinnens angewendet wird.

Man hat dazu die Doublir- oder Zwirnmaſchinen4) und

unterſcheidet nach dem Grade des Zwirnens die Tramſeide

(Einſchußſeide, ein Draht aus zwei oder mehr rohen Seidenfäden)

und die Organſinſeide (Kettenſeide, Draht aus mehreren be-

reits gedrehten Seidenfäden). Soll die Rohſeide gefärbt werden,

ſo muß ſie, wenn die Farben hell werden ſollen, entweder, was

ſeltener iſt, von Natur weiß oder gebleicht ſein5). Sie hat

aber eine ſteife und rauhe äußere Beſchaffenheit, welche ihr, wenn

ſie nicht zu ſteifen Geweben, wie z. B. Gaze, Flor, beſtimmt iſt,

genommen werden muß. Dies geſchieht durch das Degummiren

(Entſchälen), d. h. das Kochen derſelben mit Seife oder ſchwacher

Alcalilauge6). Die zubereitete, nämlich Tram- und Organſin-

ſeide, iſt zum Verweben geſchickt und wird nun auf den Web-

ſtühlen7), die man in einfache und zuſammengeſetzte unterſchei-

det, zu den manchfaltigen Geweben verarbeitet, welche man jetzt hat.

Vom Webſtuhle genommen, werden die Seidenzeuge noch vollends

appretirt, nämlich durch die Pflückmaſchine von den Faſern und

Unebenheiten, die nicht vorhanden ſein ſollen, befreit und dann

auf manchen, chemiſchen und mechaniſchen, geheimen Wegen noch

zugerichtet8).

¹ Zur Literatur: Dictionnaire technologique. XIX. 374. XI. 330. v. Keeß

Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 132. 283. Supplem. I. 222. 437. Hermbſtädt

Technologie. I. §. 239. Poppe Handbuch. I. 179. Weber Beiträge zur Ge-

werbskunde. I. 416. II. 273. III. 279. S. auch §. 305. Note 1. Dingler

polytechn. Journal. XXX. 126. XXXI. 126. XXXII. 66. XXXIV. 46. 143 (über

Seide und Seidefabriken von Ozonam).

² S. auch Dingler polytechn. Journal. XVII. 110 (Methode, die Coccons

aus kaltem Waſſer zu haſpeln, von Don Antono Regas); XXXVII. 251

(Dampfſibatorum zum Abwinden der Coccons, von Richardſon).

³ S. Borgnis I. c. p. 14. 16. 141. Karmarſch II. 174 (verſchiedene

Haſpel). Jakobſon Schauplatz. III. 80. Dingler polytechn. Journal. XVIII.

96 (Abwinden der Seide in Italien, von Nouailles); XXIII. 44 (verbeſſerte

Methode deſſelben von Heathcoat); XXIV. 398 (verbeſſerte Methode im Abwinden,

Doubliren, Zwirnen und Spinnen der Seide, von Badnall); XXVIII. 256 (ver-

beſſerter Seidenhaſpel von Fanſhaw). Der älteſte bekannte Haſpel wurde von

einem Bologneſer Berghaſano a. 1272 erfunden. S. auch Verhandlungen des

Vereins zur Beförderung c. VII. Jahrg. 1828. S. 79. Weber Beiträge. II. 281

(Haſpel von Jefferies und Drakefort); III. 294 (von Barbier, Scott,

Badnall u. ſ. w.). v. Türk, Anleitung zur Behandlung des Seidenbaues und

des Haſpelns der Seide. Potsdam 1829. III Thle.

⁴⁾ S. Borgnis I. c. p. 17. 160. Karmarſch II. 176. Jacobſon Schau-

platz. III. 101. Weber Beiträge. II. 284 (Tramſeidemaſchine von Shenton).

Dingler polytechn. Journal. XIII. 320 (Verbeſſ. im Spinnen und Zwirnen der

[428/0450]

⁴⁾ Seide, von Badnall); XVI. 338 (Spinnmaſchine von Shenton); XVIII. 186

(neue Methode, Seide zu ſpinnen und zu zwirnen, von Bradbury); XX. 31

(Hammersley's Eiſenhaſpel für Seidenmühlen); XXVI. 107 (verbeſſerter Zwirn-

und Spinnapparat, von Fanſhaw), S. 203 (verbeſſerte Putz- und Spinnmaſchine

für Seide, von Noyle); XXX. 57 (über Seidenſpinnerei); XLII. 262 (verbeſſerte

Spinn-, Doublir- und Zwirnmaſchine für Seide, von Needham). Ueber Seiden-

wickel- oder Spulmaſchinen ſ. m. Karmarſch II. 192. Borgnis I. c. pag. 172.

Jacobſon Schauplatz. III. 130. Weber Beiträge. II. 285 (von Belly).

⁵⁾ S. Dingler polytechn. Journal. XX. 348 (verbeſſerte Zubereitung der

Seide zum Weben, von Heathcoat). Hermbſtädt Magazin für Färber. I.

104 (Bleichmethode von Baumé); V. 122 (von Giobert). v. Keeß Darſtel-

lung. II. Thl. II. Bd. Anhang S. 33.

⁶⁾ Prechtl Encyclopädie. II. 433. Borgnis I. c. p. 18.

⁷⁾ Dingler polytechn. Journal. XVII. 429 (Methode zur Vorbereitung,

Reinigung, Zurichtung und Aufkämmung der Kette für Seidenzeuge, von Harwood

Horrock). Auch bei Weber Beiträge. II. 281. Der Webſtuhl von Jacquard

iſt jetzt der berühmteſte. Man ſ. Hermbſtädt Technologie. I. §. 259. Dingler

polytechn. Journal. VII. 52. XXVI. 410. Dict. technolog. XI. 330. Weber,

der vaterländiſche Gewerbsfreund (Berlin 1819). I. 151. Weber Beiträge. III.

305 (deſſen Verbeſſerung durch Jourdan), S. 301 (Webſtuhl von Covont);

II. 293 (neuer Lyoner Webſtuhl). S. §. 306. Note 14. und Dingler polytechn.

Journal. XIV. 33 (Wilſon's Webſtuhl für figurirte Zeuge), S 41 (für glatte

und figurirte von Robert); XV. 402 (Verbeſſerung an Maſchinen zum Weben

und Abhaſpeln); XIX. 546 (für figurirte Zeuge, von Potter); XXI. 389

(Wilſon's Sammetſtuhl).

⁸⁾ Hermbſtädt Technologie. I. §. 286.

IV. Lein- und Hanfſpinn- und Weberei.

§. 308.

Leinwandweberei1).

Nach der oben (§. 169.) angegebenen Gewinnungsart der Fa-

ſern von Flachs und Hanf, zu welcher man eine bedeutende Anzahl

von Maſchinen2) erfunden hat, werden ſie, namentlich die Hanf-

büſchel, wenn der Baſt breit iſt, auf die Reibmühle3) gebracht

und dort gerieben (nach dem ſüddeutſchen Ausdrucke geblault),

damit ſie geſchmeidiger werden. So für die Hechel vorbereitet,

bearbeitet ſie der Hechler mit der Leztern4), indem er ſie durch

dieſelben zieht. Das Product iſt eigentlicher Hanf oder Flachs

(die lange Faſer) und das Wergg (die kurze Faſer). Will man

denſelben vor der weiteren Bearbeitung noch verbeſſern, ſo brühet

man ihn mit heißem Waſſer mit oder ohne ätzende Zuſätze5) an,

um die beſonders die Bleiche erſchwerenden Stoffe zu extrahiren.

Nach dem völligen Trocknen wird er geſponnen, und zwar ent-

weder auf dem Handſpinnrade oder auf der Flachsſpinn-

maſchine6), zu verſchiedener Feinheit des Garnes je nach der

Feinheit und Grobheit der Leinwand. Hierauf folgt das Haſpeln,

dann das Spulen, von den Spulen ab das Scheeren, dann

[429/0451]

das Aufkämmen der Kette auf dem Leinenwebſtuhl7), das

Schlichten und das Weben. Die fertige Leinwand wird durch

Entſchlichten, Bäuchen und Bleichen8), Stärken, Mangen und

Glätten9) noch vollends appretirt und kommt ſo in den Handel.

Es gibt verſchiedene Arten von Flachs- und Hanfleinwand, nicht

blos nach der Feinheit, ſondern auch nach der Glätte und Figu-

rirtheit der Oberfläche.

¹ Zur Literatur: Dictionnaire technologique. IV. 427. XII. 303. v. Keeß

Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 50. 152. Supplem. I. 94. 262. Weber, Beiträge

zur Gewerbskunde. I. 334. II. 238. III. 260. Hermbſtädt Technologie. I. §. 205.

Poppe Handbuch. I. S. 160. S. auch §. 305. Note 1. und §. 167. Note 1.

Dingler polytechn. Journal. XV. 426 (Roxborough, über die Eigenſchaften

des Hauſes).

² Ueber das Röſten ſ. m. auch Borgnis I. c. p. 21., wo auch die Kunſtröſte

von Bralle und von d' Hondt d' Arey beſchrieben iſt. Ueber Flachszubereitung

ohne Röſten ſ. m. Prechtl Jahrbücher. II. 320. Ueber Flachs- und Hanfbrech-

maſchinen ſ. m. Karmarſch II. 129. Borgnis I. c. p. 28. Ueber Maſchinen zur

Reinigung des Flachſes oder Hanfes von den Annen, und Schwingmaſchinen ſ. m.

Karmarſch II. 136., ebenſo auch bei Weber a. a. O. und Dingler polytechn.

Journal. II. 290. XV. 307. (Bundy's Brechmaſchine); V. 168 (eine ſolche von

Lee); XVII. 234. (eine ſolche von La Foreſt); XXVIII. 33 (eine ſolche von de

la Guarde); XXXIV. 43 (Zurichtmaſchine für Hanf, von Lawſon u. Walker).

³ Sie ſind entweder Stampf- oder Quetſchwerke. S. Karmarſch II. 128.

Dingler polytechn. Journal. XVI. 41 (Methode, dem auf der Chriſtian'ſchen

Brechmaſchine bereiteten Flachſe und Hanfe die gehörige Weichheit zu geben, von

Delisle).

⁴⁾ Christian III. 227. Borgnis I. c. p. 65., wo auch die Hechelmaſchine von

Porthouſe beſchrieben iſt. Ueber dieſe, die Murray'ſche und gemeine Walzen-

hechelmaſchine ſ. m. Karmarſch II. 137. Die gemeine Hechel iſt bekannt.

Dingler polytechn. Journal. XXV. 473. XXXV. 311 (Hechelmaſchine von Ro-

binſon); XXXII. 316 (eine ſolche von Busk und Weſtly); XXXIII. 81 (von

Taylor).

⁵⁾ Z. B. von Pottaſche und Seife, Kartoffelbrühe und Hefe (nach Delisle),

mit Thonbrey und Kochſalz (nach Stahl) u. dergl. mehr. Weber Beiträge. I.

376–79. II. 247. Dingler polytechn. Journal. XVI. 459 (Einweichen nach

Inglis), S. 466 (Zubereitung ohne Gährung, nach Salisbury); XXIV. 228

Zubereiten und Bleichen, nach Emmett), S. 428 (Zubereiten und Bleichen,

nach Gill); XXVIII. 429 (Maſchine zum Zurichten, Ausziehen, Spinnen c. des

Flachſes u. ſ. w., von Lamb und Sutill); XXIX. 113 (Zurichten der Faſer-

ſtoffe, nach Wood); XXXIII. 461 (Zubereitung des Hanfes, nach Smedes).

⁶⁾ Man ſ. §. 305. Note 6. Dingler polytechn. Journal. I. 423 (Herr-

mann's Flachsſpinntiſch); XVI. 39 (Chell's verbeſſerte Hanfſpinnmaſchine);

XXIV. 403 (Maſchine zum Spinnen und Zwirnen des Flachſes, von Molineux);

XXVIII. 441 (Flachs- und Hanfſpinnerei, von Schlumberger); XXXV. 339

(Hanfſpinnmaſchine von Debezieux). Prechtl Jahrbücher. III. 394 (ein ſer-

biſches Spinnrad). Karmarſch II. 170 (mehrere Spinnmaſchinen), S. 153

(Flachsbandmaſchinen, welche den Flachs ſo, wie die Baumwolle, für die Spinn-

maſchine vorbereiten). Weber Beiträge. I. 346. II. 245. III. 246 (mehrere

Spinnmaſchinen). Hermbſtädt, Bülletin des Neueſten u. ſ. w. VIII. 78. XII. 15.

⁷⁾ Er iſt der einfachſte Webſtuhl. S. §. 305. Note 11.

⁸⁾ Das Bäuchen iſt das Reinigen von der Schlichte u. dgl. Man ſ. darüber

ſo wie über das Bleichen u. dgl. bei Weber Beiträge. I. 352 folg. II 247. 249 flg.

[430/0452]

⁸⁾ III. 266. Prechtl Encyclopädie. II. 398. Hermbſtädt Technologie. I. §. 384.

folg. v. Keeß Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 68. 161. Supplem. I. 103. 267.

⁹⁾ Man hat dazu die bereits §. 306. Note 19. erwähnten Geräthe und

Maſchinen.

V. Papiermacherei.

§. 309.

Fabrikation des gewöhnlichen Papiers1).

Zur Papiermacherei hat man thieriſche und pflanzliche Faſern

nöthig, die man in ihre kleinſten Theile, Urfaſern, auflöſen muß.

Lumpen (Hadern), Makulatur, Stroh, Maisblätter u. ſ. w. wer-

den als rohes Material gebraucht. Nehmen wir beiſpielsweiſe die

Erſteren dazu, ſo müſſen ſie mit Meſſer und Scheere ſortirt wer-

den2). Die brauchbaren Hadern werden durch Waſchen von ihren

Unreinigkeiten befreit und, wenn das Papier fein und weiß werden

ſoll, gebleicht3). So vorbereitet, werden ſie nun vom Lum-

penſchneider4) ganz klein zerſchnitten und nachher, um ſie ganz

vom Staube zu befreien, geſiebt, oder in einem Hammerwerke zur

völligen Entſtäubung geklopft5). So heißen ſie Zeug. Dieſes

wird in einem Gefäße mit Waſſer zum Behufe des Faulens ein-

gemacht6). Entweder hierauf oder auch ſchon nach der Entſtäu-

bung wird es auf das Geſchirr (eine Stampfmühle, in welche

die mit Eiſen beſchlagenen Stampfen auf die Lumpen in den

Löchern eines Löcherbaumes fallen und dieſelben verkleinern7).

Da beſtändig Waſſer in die Löcher geleitet wird, ſo entſteht ein

grober Brei, Halbzeug genannt. Aus dieſen wird es in ein

Eichenfaß (Leerfaß) geſchöpft, und in der Zeugſtube, nachdem

es mit der Zeugpritſche (einem Brette mit einer Handhabe) durch

Holzrahmen geſchlagen iſt, auf Haufen getrocknet. Um das trockene

Halbzeug in Ganzzeug zu verwandeln, d. h. zu einem feinen

Breie zu bearbeiten, wird es in dem Holländer8), einer

Schneidemaſchine, unter Waſſerzufluß zerkleinert. Von da aus

wird es durch Rinnen in die Werkſtube in den Ganzzeugkaſten ge-

leitet. Man nimmt daraus einen Theil in die Schöpfbütte,

d. h. eine Tonne, die oben mit einem breiten Rande (Traufe,

Leiſte) verſehen iſt und zwei von einer Seite zur andern laufende

Bretter (den großen und kleinen Steg) trägt. Während be-

ſtändigen Umrührens9) und fortwährender Warmhaltung10) ſchöpft

der Büttgeſelle die Papierbogen mit der Papierform11) aus

der Bütte und ein anderer Arbeiter (Gautſcher) ſchichtet ſie

zwiſchen Filz auf, d. h. auf viereckige ſchwach gewalkte Tuch-

ſtücke, die etwas größer ſind als die Papierbogen. Es bilden

[431/0453]

181 Bogen einen Pauſcht (Bauſch). Dieſer wird zur Entfer-

nung des noch übrigen Waſſers gepreßt12), damit das Papier

gehörig feſt werde. Nach der Vollendung des Preſſen wird das

Papier auf dem Trockenboden13) getrocknet, und kann alsdann

als Löſch- und Druckpapier in Bücher und Rieße gefalzt werden.

Um aber Schreibpapier zu machen, läßt man die Bogen noch einige

Zeit nach dem Trocknen loſe über einander liegen, und leimt

dieſelben, d. h. man zieht ſie durch einen Leim14), trocknet dieſelben

und zieht ſie noch einmal durch. Nach dem abermaligen Trocknen

bringt man das Papier bei friſcher und feuchter Luft, z. B. des

Morgens, nochmals 24 Stunden unter die Preſſe, und theilt es

ſchon unter dieſer in Bücher, Rieße und Ballen ein. Um aber

dem Papier den höchſten Grad von Glätte zu geben, wird daſſelbe

außerdem noch einmal beſonders geſtampft und geglättet15).

¹ Zur Literatur: Schauplatz der Künſte und Handwerke. I. 295. III. 369.

Dictionnaire technologique. XV. 194. v. Keeß Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 572.

Supplem. I. 580. Weber Beiträge. I. 384. II. 257. III. 268. (Keferſtein)

Unterricht eines Papiermachers an ſeine Söhne. Leipzig 1766. Demareſt, die

Papiermacherkunſt. Aus dem Franzöſ. überſetzt von Seebas. Leipzig 1803. 4.

Leuchs, Darſtellung der neueſten Verbeſſerung in der Verfertigung des Papieres.

Nürnberg 1821. Piette, Handbuch der Papierfabrikation. Aus dem Franzöſ. bear-

beitet, von Hartmann. Quedlinburg 1833. Hermbſtädt Technologie. II. §. 392.

Poppe Handbuch. I. 295. Krünitz Encyclopädie. Bd. 106 u. 107.

² Grobe Lumpen geben grobes Papier. Wollene und leinene Lumpen ſortirt

man ſchon dem Stoffe nach, — dann auch nach den Farben, unter denen die blaue

vor allen herausgeſucht wird. Man rechnet zu 1 Ries Poſtpapier 15 Pfund, zu

1 Ries Kanzleipapier 18 Pfd., zu 1 Ries Conceptpapier 20, und zu ſo viel Pack-

und Löſchpapier 25 Pfd. Lumpen. Die feinſten Leinwandlumpen ſind die beſten,

und überhaupt die abgetragenen tauglicher zu Papier als die neuen; ſeidene und

wollene geben nur ſchlechtes Papier. Dingler polytechn. Journal. XLII. 265

(Hotſon's verbeſſerte Methode, Klümpchen aus dem Zeuge zu ſchaffen, aus dem

das Papier bereitet wird). Piette Handbuch. S. 10.

³ Eine Lumpenwaſchmaſchine iſt von Wehr beſchrieben im Journal für

Fabriken, Manufakturen, Handel u. ſ. w. IX. (1795) S. 81. Zum Bleichen wen-

det man entweder die natürliche (Raſenbleiche) oder die künſtliche, nämlich Chlor-

bleiche an. v. Keeß und Blumenbach Darſtellung. I. 583. 587. Weber Bei-

träge. I. 394. Piette Handbuch. S. 14. 110.

⁴⁾ Derſelbe iſt verſchiedenartig conſtruirt. Das Weſentliche des gemeinen

Lumpenſchneiders aber iſt, daß ein Meſſer horizontal, mit der Schneide aufwärts,

unbeweglich liegt, während ein anderes durch eine Kurbel ſcheerenartig auf dieſes

bewegt wird, und die Hadern zerſchneidet, welche aus einem ſchiefen Kaſten durch

eine gekerbte Walze den Meſſern entgegen gezogen werden. Man ſ. Piette Handb.

S. 14. Karmarſch Mechanik. II. 296. Langsdorf Erläuterungen. I. 400.

Sprengel Künſte und Handwerke. XII. 445.

⁵⁾ Oft iſt das Sieb ſo beim Schneider angebracht, daß die Hadern ſogleich

auf daſſelbe fallen. Beſondere Siebmaſchinen ſind beſchrieben bei Karmarſch II.

295. (die gemeine und die Langsdorf'ſche Siebmaſchine).

⁶⁾ Dieſes Maceriren hat den Zweck, die Hadern gleichmäßiger und zum Zer-

kleinern tauglicher zu machen. Statt deſſelben bearbeitet man ſie zuweilen auch

länger im Geſchirre. Hermbſtädt empfiehlt anſtatt des Faulens das Maceriren

durch verdünnte Schwefel- oder Salzſäure. Piette Handbuch. S. 15.

[432/0454]

⁷⁾ Ueber dieſe Papiermühlen, ſo wie über die in Note 4. und 5. erwähnten

Maſchinen ſ. man v. Langsdorf Syſtem der Maſchinenkunde. II. §. 323.

Ueber Papiermühlen verſchiedener Art Karmarſch Mechanik. II. 297. Es gibt

auch Hammer- und Stampfgeſchirre. Piette Handbuch. S. 25.

⁸⁾ Karmarſch II. 298. v. Langsdorf Erläuterungen. I. 419. Spren-

gel Künſte und Handwerke. XII. 446. Journal für Fabriken c. VIII. 37 (von

Keferſtein); IX. 81 (von Wehr). Piette Handbuch. S. 27. Der Hollän-

der iſt ein Holzcylinder, der mit vielen Eiſenmeſſern (Schienen) verſehen iſt

und ſich in einer eichenen Kufe dreht, deren Boden auch mit einer Eiſenplatte

beſetzt iſt, die ſolche Meſſer trägt. Er dreht ſich, vermittelſt der am ganzen

Mechanismus der Papiermühle wirkenden bewegenden Kraft ſehr ſchnell um. Zuerſt

kommt das Zeug in den gröberen oder Halbzeugholländer. In ihm werden

die Hadern zermalmt. Nach etwa 6–8 Stunden iſt das Halbzeug bereitet, und

man nennt dies die Vorarbeit. Die eigentliche Vollendung bekommt aber das

Ganzzeug in dem feinen oder Ganzzeugholländer, in welchem das Halbzeug

noch unter beſtändigem Waſſerzufluſſe ſo lange herumgejagt wird, bis ſich das Waſſer

klärt, d. h. auf der andern Seite ganz rein von Schmutz herausläuft. Nun wird

dieſer Holländer geſtellt, d. h. aller Waſſerzu- und Abfluß gehindert. So wird

das Ganzzeug vollendet. — Anſtatt des Holländers und auch neben ihm wird noch

die Hammer- oder Stampfmühle gebraucht. Jener wird dann holländiſches,

und dieſe deutſches Geſchirr genannt.

⁹⁾ Es geſchieht, damit ſich das Ganzzeug gleichförmig erhalte, und zwar ent-

weder aus der Hand mit der Schöpfkrücke oder durch den ſogenannten faulen

Büttgeſellen, d. h. ein Paar durchlöcherte Schieber, die an Stäben befeſtigt

ſind und in horizontaler Lage durch das Maſchinenwerk auf- und abwärts bewegt

werden. Man ſ. über die Papierbereitung Piette Handbuch. S. 37 folg.

¹⁰⁾ Man ſucht dieſe durch Röhrenleitung, heiße Waſſerdämpfe oder durch

kupferne in die Bütte poſtirte Blaſen oder Pfannen zu bewirken.

¹¹ Man ſ. Karmarſch II. S. 300. Borgnis, Mécanique appliquée aux

arts. Tome: Machines employées dans diverses fabrications. Paris 1819. p. 203

(Papierfabrikationsmaſchinen). Weber Beiträge. I. 387. II. 257. III. 268. Man

unterſcheidet die Maſchinen zur Verfertigung der gewöhnlichen Papierbogen (z. B.

von Déſétable, Bramah und Leiſtenſchneider) und jene zur Verfertigung

des Papiers ohne Ende, d. h. von beliebiger Länge (z. B. von Bramah, Kefer-

ſtein. Dickinſon, Robert, Fourdrineer). (S. auch Piette Handbuch.

S. 134) Es ſind a) die Bogenformen, Geflechte von Meſſingdraht, eingefaßt

in einen viereckigen Holzrahmen und gerade in einen andern Holzrahmen paſſend.

Die gröberen (gerippten) Formen, auf welchen das Waſſer ſchnell abläuft

und das Papier-Linien erhält, haben den feinen oder Velinformen, bei

welchen das Waſſer tropfenweiſe abläuft, aber das Papier glatt bleibt, in der

Anwendung Platz gemacht. In dieſen Formen werden die manchfachen Fabrikzeichen

mit Draht, etwas erhöht, eingeflochten. Man hat neuerdings auch Formen, womit

zwei Bogen zugleich geſchöpft werden können, und Maſchinen erfunden, welche das

Schöpfen ſelbſt verrichten. Um die Erfindung b) der Maſchinen zur Fertigung des

Papieres ohne Ende ſtreiten ſich ein Deutſcher, Keferſtein, der Engländer

Bramah und der Franzoſe Didot Saint-Leger. Sie ſind jetzt allgemein

verbreitet. Ihr Weſentliches iſt entweder, daß eine Drahtwalze das Zeug aus

der Bütte ſchöpft (oder aus einer Rinne aufnimmt), das Waſſer abläßt und das

Papier auf eine mit Tuch (oder Filz) überzogene Walze führt, oder daß das Zeug

aus der Bütte vermittelſt eines Schaufelrades auf eine ſchiefe Ebene geſchöpft wird

und von dieſer auf die Form (ein Gewebe) abfließt. In beiden Fällen geht das

Papier zum Preſſen und Trocknen zwiſchen anderen Walzen hindurch und wickelt

ſich zuletzt um eine andere. S. auch Prechtl Jahrbücher. V. 333 folg. Dingler

polytechniſches Journal. XXIII. 45 (Denniſon's und Harris'ens Maſchine);

XXX. 356 (Maſchine von Dickinſon); XXXVIII. 126 und XLI. 253 (verbeſſ.

Verfertigung des Tapetenpapiers); XXXVIII. 237 (Maſchine zum Schneiden des

[433/0455]

¹¹ Papieres, von Crompton und Taylor); XLIII. 436 (Turner's Papier-

fabrikations-Maſchinen; XLIV. 64 (Cowper's Papierſchneidmaſchine), S. 180

(Newton's Methode und Maſchine zur Tapetenpapierfabrikation), S. 353

(Jaquier's Maſchine). Karmarſch Mechanik. II. 305 (Dickinſon's Papier-

Schneidmaſchine). Leuchs Darſtellung. S. 62 folg.

¹² Ueber die verſchiedenen Arten der Preſſen ſ. m. Karmarſch II. 303.

Hermbſtädt, Bülletin des Neueſten c. IX. 367 (Bramah's Papierpreſſe).

S. auch Piette Handbuch. S. 54.

¹³ Unter dem Dache eines Trockenhauſes, wo 36 Bogen durch hölzerne

Kreutze auf Schnüre geheftet werden, welche aus Pferdehaaren, Palmblättern oder

Kokosnußfaſern bereitet ſind, und auch manchmal durch ſpan. Röhre erſetzt werden.

Man wendet zum Trocknen auch künſtliche Wärme an. Hermbſtädt Bülletin.

IX. 370 (Bramah's Trockenhaus). Piette Handbuch. S. 56.

¹⁴⁾ Man hat in den Papierfabriken verſchiedene Leime; ſie beſtehen aber vor-

züglich aus Alaun und Leim, welcher Leztere der abweichende Zuſatz iſt. Der beſte

Leim iſt aus Pergamentſchnitzeln bereitet. Der gewöhnliche beſteht aus einem

Dekokte von Schaafsfüßen, Leimleder und Tiſchlerleim mit Alaun. Ueber Leim aus

Knochen ſ. m. Weber Beiträge. I. 404–406. Ueber das Leimen des Papieres

in der Bütte ſ. m. Weber III. 270 (nach Braconnot) und Dingler polytechn.

Journal. XXV. 382. 385. XXVI. 216. XXVIII. 20 (nach Merimée und

d'Arcet). S. auch Piette Handbuch. S. 70. 89. Anhang S. 48.

¹⁵⁾ Ueber das Glätten und Stampfen des Papiers und dazu dienende Maſchi-

nen ſ. m. Karmarſch II. 305. 308. Piette Handbuch. S. 50. A. 38. Dingler

polytechniſches Journal. XLII. 350 (Glätten, nach Gilpin). Ueber die anderen

Fabrikate aus Papier handeln die angeführten Werke ebenfalls. Nachträglich merke

man ſich aber noch: Dingler polytechn. Journal. XVI. 67 (Maroquin-Papier,

nach Böhn), S. 70 (Papier-Maché nach W. Lewis); XVII. 346 (Lambert's

Strohpapier); XXXII. 130 (über engl. Papierſorten, von Baddeley); XLII.

348 (Papierfabrikation, nach Thomas und Woodcock); XLIV. 67 (chineſiſches

Papier, nach Delapierre); XXII. 140 (eben ſolches); XXVII. (ſolches, nach

Metzger). Prechtl Jahrbücher. VII 151. XI. 94 (Papierfabrikation in China).

Fünfte Unterabtheilung.

Von der Verarbeitung der Producte aller drei

Naturreiche

oder:

Von der Baukunſt.

§. 310.

Dieſe hier darzuſtellen, iſt wegen der Ausgebreitetheit des

Stoffes durchaus unthunlich. Eine Ueberſicht des Gegenſtandes

ſetzt dies ganz außer allen Zweifel, ſelbſt wenn man vergeſſen

wollte, daß die Baukunſt die mächtigſte der bildenden Künſte iſt.

Man theilt ſie in der Regel in Landbau- und Waſſerbaukunſt

ein, wovon jene alle zu Lande zu errichtenden, dieſe aber die auf

und in dem Waſſer zu machenden Baulichkeiten zum Gegenſtande

hat. In Beiden kann man wieder diejenigen Bauten unterſcheiden,

welche den Menſchen zum Aufenthalte dienen und diejenigen, welche

Baumſtark Encyclopädie. 28

[434/0456]

ihre gegenſeitige Annäherung vermitteln. Zu jener Klaſſe ge-

hören einerſeits alle gewöhnlichen Aufenthaltsorte, als

Privathäuſer (Wohn-, Gartenhäuſer u. dgl.), Wohlthätigkeitshäuſer

(Armen-, Krankenhäuſer u. dgl.), die Zwangsaufenthaltsorte (Ge-

fängniſſe, Beſſerungs-, Strafhäuſer u. dgl.), die Häuſer für obrig-

keitliche Beſchäftigungen (Amts-, Rath-, Stadthäuſer u. dgl.),

Gebäude für Verſammlungen und Sammlungen zum Behufe des

Unterrichts und der Belehrung (Schulhäuſer, Akademien, Muſeen,

Univerſitäten, polytechniſche Schulen u. dgl.), Gebäude zur gemein-

ſchaftlichen Religionsübung (Kapellen, Kirchen, Klöſter, Synagogen

u. ſ. w.) und Häuſer für geſellige Unterhaltung (unter verſchiedenen

Benennungen, wovon aber der Name Muſeum der unpaſſendſte iſt)

— anderſeits aber die Gewerbsbaulichkeiten für Bergbau,

Land- und Forſtwirthſchaft, Gewerke, Schifffahrt und Handel,

und perſönliche Dienſtgewerbe, wovon bereits im Bisherigen ein

bedeutender Theil erwähnt iſt und im Folgenden noch vorkommen

wird. Zu der anderen Klaſſe dagegen gehören alle Land- und

Waſſerſtraßen, inſoweit Leztere gebaut werden können, nebſt allen

Baulichkeiten, welche ihre Benutzung befördern und leiten.

Zweites Hauptſtück.

Werkmänniſche Betriebslehre.

§. 310. a.

Die werkmänniſche Betriebslehre hat die Aufgabe, welche auch

die bisher ſchon erwähnten Betriebslehren haben (§. 256. a.). Nur

ſind die Gegenſtände weit manchfaltiger und ihre Darſtellung in

der Encyclopädie wird daher auch allgemeiner ausfallen, als bei

den andern.

I. Von allgemeinen Bedürfniſſen des werkmänniſchen

Betriebes.

§. 311.

1) Naturmittel.

Die Erforderniſſe zu dem Betriebe der Gewerke1) ſind in

qualitativer und quantitativer Hinſicht nach der Natur der Lezteren

ſehr verſchieden. Sie laſſen ſich aber unter folgenden allgemeinen

Rubriken aufführen:

1) Naturmittel. Zu dieſen gehört a) Grund und Boden,

zwar nicht zu den Zwecken, wie in den bisher betrachteten Gewer-

[435/0457]

ben, aber doch als feſte Stelle, auf welcher das Gewerk betrieben

werden kann. Es gibt Gewerke, welche mehr als andere an Grund

und Boden gebunden ſind, zum Theile, weil die größere Ausdeh-

nung der Gewerksanſtalten es verlangt, zum Theile, weil er an

ſich in manchen Gewerken unumgänglich nothwendig iſt2). Es

iſt daher leicht begreiflich, daß ſeine Eigenſchaften nicht blos für

die zu errichtenden Bauten, ſondern auch zur Unterſtützung des

Betriebes von größter Wichtigkeit ſind, und zwar ſowohl in Betreff

ſeiner phyſiſchen Beſchaffenheit als auch ſeiner klimatiſchen Lage.

Dies Lezte zeigt ſich ſchon in dem zweiten hierher gehörenden

Naturmittel, nämlich in der b) Luft, von welcher einerſeits der

Geſundheitszuſtand der beſchäftigten Arbeiter um ſo mehr abhängt,

in je größerer Anzahl ſie zugegen und bei einander ſind, — von

welcher aber anderſeits der Gewerbsbetrieb weſentlich inſoweit

unterſtützt wird, als das Gewerk ihrer zur Bewegung der Maſchi-

nerie (mechaniſch) und zu chemiſchen Stoffveränderungen bedarf3).

In lezteren beiden Eigenſchaften wird ſie daher dort entbehrlich

ſein, wo die Bewegung auf andere Weiſe bewirkt und chemiſche

Stoffveränderung durch künſtliche Mittel hervorgebracht wird oder

aber in dem Gewerke gar nicht vorkommt4). Als bewegende Kraft

iſt ſie entbehrlich, wo man das dritte Naturmittel, nämlich c) das

Waſſer in hinreichender Menge, gehöriger Lage und erforderlichem

Gefälle hat. Aber die Gewerke, welche der größten mechaniſchen

Kraft bedürfen, ſind in einem, früher nicht geahnten, Stand der

Ungebundenheit durch die Erfindung der Dampfmaſchinen geſetzt

worden. Iſt durch dieſe übrigens auch Luft und Waſſer an ſich

als bewegendes Moment entbehrlich geworden, ſo bedürfen dennoch

viele Gewerke des Lezteren zu chemiſchen Zwecken, und es iſt durch-

aus in dieſer Hinſicht nicht gleichgiltig, welche Eigenſchaften das

Waſſer beſitzt5). Bei der Anlage eines Gewerkes iſt alſo, je nach

ſeiner chemiſchen oder mechaniſchen Natur, die Unterſuchung der

Gegend nach dieſen Punkten vorauszuſchicken.

¹ Zur Literatur: Geyer, über den Haushalt in der Technik. Würzburg

1820. Ch. Babbage, On the Economy of Machinery and Manufactures. London

1832. IIIte Aufl. 1833. Ueberſetzung nach der IIten und IIIten vermehrten Auf-

lage, unter dem Titel: Ueber Maſchinen- und Fabrikenweſen von Ch. Babbage,

aus dem Engl. überſetzt von Dr. G. Friedenberg. Berlin 1833.

² Zu einem Fabriksgebäude, zum Hüttenweſen, zu einer Sägemühle u. dgl.

hat man einen größeren Platz nöthig, als zu dem Geſchäfte eines Schuſters, Schnei-

ders einer Näherin, Putzmacherin u. dgl. Zu einer Bleiche iſt ein ſonniger

Gartenplatz unentbehrlich, der Gerber bedarf eines Hofraumes zur Anlage der

Lohgruben, u. dgl.

³ Windmühlen können ohne Wind nicht mahlen, walken, ſtampfen u. ſ. w.

Die Raſenbleiche iſt ohne ſonnige Luft nicht möglich.

28 *

[436/0458]

⁴⁾ Die Luft, welche der Schmied, die Meſſingfabrik, der Schmelzofen u. dgl.

zur Erhaltung des Feuers bedarf, wirkt blos chemiſch und kann in der dazu erfor-

derlichen Menge allenthalben benutzt werden. Die Feuerdarre des Malzes hat die

Luftdarre entbehrlich gemacht, und die Chlorbleiche bedarf weder des Platzes noch

der Luft, welche die Raſenbleiche verlangt.

⁵⁾ Nicht jedes Waſſer iſt zum Waſchen zu gebrauchen, weil ſich die Seife nicht

in jedem gut auflöst. Waſſer von vielem Eiſengehalte iſt auch nicht in jedem Gewerke

zu gebrauchen.

§. 312.

Fortſetzung. 2) Verkehrsmittel; 3) Arbeiter; 4) Capital;

5) Gewerbsfreiheit.

2) Verkehrsmittel. Da die Gewerke mehr als jedes andere

der bisher betrachteten Gewerbe auf die Nachfrage hin produciren,

welche nach dem Erzeugniſſe von den Gebrauchern geſchieht und

Statt finden kann, ſo gilt von ihnen, was die Verkehrsmittel

anbelangt, in noch höherem Grade, was ſchon oben (§. 120. 208.)

darüber geſagt iſt1).

3) Tüchtige und ſachverſtändige Arbeiter, in hinreichen-

der Anzahl (§. 67 u. 68.) Da zu den Gewerksarbeiten weit mehr

Geſchicklichkeit als zu den andern gehört, ſo ſind die geſchickten

Arbeiter auch ſeltener. In den ſämmtlichen Gewerken erfordern

aber einige Arbeiten wieder mehr Kenntniſſe und Fertigkeit als

andere; deßhalb wird man auch eine Rangordnung unter den

Arbeitern finden, welche auf den zu bezahlenden Lohn und auf die

Behandlung derſelben wirkt. Es wird alſo hierdurch eine Theilung

der Arbeiten ſchon von ſelbſt nöthig, aber ſie muß auch darum in

Gewerken, worin mit einem Gegenſtande viele Operationen vor-

genommen werden, eingeführt werden, weil die Arbeit dadurch

raſcher vor ſich geht, und die Producte nicht blos leichter nach

ihrer Güte controlirt werden können, ſondern auch wirklich beſſer

ausfallen müſſen, wenn Einer durch anhaltende Beſchäftigung mit

einer Verarbeitung darin eine größere Geſchicklichkeit bekommt,

als wenn er in derſelben Zeit verſchiedene Verrichtungen zu vol-

lenden hat2).

4) Zureichendes Capital. Zu dem werkmänniſchen Capi-

tale ſind zu rechnen: a) die Rohſtoffe (das rohe Material),

worunter man die Verwandlungsſtoffe (§. 269.) verſteht, ſelbſt

wenn ſie ſchon vorher zu einem gewiſſen Grade verarbeitet ſind3).

Von ihrer Güte, Wohlfeilheit und ihrem Vorrathe hängt der vor-

theilhafte Betrieb des Gewerkes auch ab, wenn in dem zu ver-

langenden Preiſe die Fabricationskoſten jene des rohen Materials

weit überſteigen. b) Die Hilfsſtoffe, von welchen daſſelbe gilt;

[437/0459]

c) die werkmänniſchen Geräthe (§. 270–277.) der verſchie-

denſten Art4); d) die bereits gefertigten Producte, welche

bis zu ihrem Abſatze aufbewahrt werden (§. 279.); e) das etwa

angewendete Arbeitsvieh bei Maſchinen, für Karren, Wagen

u. ſ. w.; f) die Werkgebäude und Magazine für die Ver-

wandlungsſtoffe, Hilfsſtoffe und fertigen Erzeugniſſe; g) die Re-

paraturkoſten der Geräthe, Viehgeſchirre und Bauten; h) der

Arbeitslohn und die übrigen Gewerksauslagen in Natur und

Geld; i) die manchfachen Gerechtſame des Gewerkes, welche

den Ertrag erhöhen.

5) Freiheit des Betriebes. Außer mancherlei Beſchrän-

kungen grund- und leibherrlicher, oder politiſcher Natur iſt das

Zunftweſen die wichtigſte, d. h. das Beſtehen und die Eigen-

thümlichkeiten der Geſellſchaften, die, ſich unter einem gemeinſamen

Statute haltend, jedes Nichtmitglied von der Ausübung des be-

ſtimmten Gewerkes innerhalb der Grenzen ihres Aufenthaltes ab-

halten. Dieſe Vereine nennt man Zünfte, Innungen, Gülden,

und ihre ordentlichen Mitglieder Meiſter, deren Anzahl man in

dem Orte der Zunft auf ein Beſtimmtes beſchränkte, um den

vorhandenen den Abſatz zu ſichern. Man nennt ſolche Zünfte ge-

ſchloſſene, und diejenigen, welche dieſe Beſchränkung nicht haben,

freie. Ehe man Meiſter werden kann, muß man, wenn die ehe-

liche Geburt und das erforderliche Alter nachgewieſen iſt, gewiſſe

Jahre in der Lehre (Lehrjunge) geweſen, dann förmlich ledig

geſprochen (als Geſelle entlaſſen), und als ſolcher die beſtimmte

Jahresanzahl auf der Wanderſchaft (an fremden Orten, im

Auslande) geweſen ſein. Hat man dieſe Forderungen auch zur

Genüge erfüllt, ſo iſt man noch einer Menge von Plackereien und

Perſönlichkeiten ausgeſetzt, ehe man wirklich das Meiſterrecht

erhält, wenn nämlich in geſchloſſenen Zünften eine Meiſterſtelle

frei, das Meiſterſtück gemacht (eine eigene Probearbeit geliefert)

und die Gelder zur Abhaltung der dabei ſtatthaften Zunftfeſtlich-

keiten bereitgeſtellt ſind. Wer das Gewerk ohne erlangtes Meiſter-

recht übt (der Pfuſcher, Pön- oder Böhnhaſe), der wird

verfolgt. Dies alles zeigt, daß, wer ſich gewerklich irgendwo nie-

derlaſſen will, viele Beſchränkungen durch den Zunftzwang leidet,

aber nach ſeinem Eintritte in die Zunft durch denſelben um ſo

mehr Gewerbsvortheile empfängt, je ausgedehnter er ſich die

Kundſchaft macht.

¹ Abſatz, und folglich Leichtigkeit und Wohlfeilheit des Transportes ſind in

dieſer Hinſicht die wichtigſten Punkte, nach denen man ſich umſehen muß, ehe man

einen Gewerksbetrieb anlegt, pachtet oder ankauft. Allein es darf nicht vergeſſen

[438/0460]

¹ werden: a) daß durch die Errichtung von Gewerksanſtalten, ſelbſt wenn bisher in

der Gegend keines jener Erforderniſſe im gehörigen Maaße vorhanden war, ſich der

Abſatz dahin ziehen und eine Verbeſſerung der Transportmittel um die andere er-

folgen kann, und zwar um ſo mehr, je mehr es Andere für angemeſſen halten,

ſich auch daſelbſt niederzulaſſen oder mit dem rohen Materiale zum Verkaufe einzu-

finden. Kann nun dergeſtalt ein heilſamer Zuſammenfluß von Händlern und Ge-

werksleuten entſtehen, ſo iſt aber ferner immer zu bedenken: b) daß auch eine

Ueberfüllung des Marktes (engl. Overtrading) Statt finden kann, entweder mit

rohem Materiale oder mit fertigen Producten. Im erſten Falle können die Ge-

werksunternehmer durch den ſinkenden Preis gewinnen, im zweiten aber verlieren.

In beiden Fällen werden die Händler mit dem rohen Materiale in Nachtheil kom-

men, weil ſie im Erſteren an ſich einen niedrigen Preis erhalten, im Zweiten aber

der Gefahr ausgeſetzt ſind, zufolge der Einſchränkungen, welche die Gewerksunter-

nehmer im Betriebe eintreten laſſen, wenig oder nichts abzuſetzen. Beides iſt hier

der Erwähnung werth, weil manches rohe Material für ein Gewerk ſchon das

Product eines andern iſt. Für beide Theile ſind aber Commiſſionshändler,

die die Mittelsmänner machen, von Wichtigkeit, indem ſie eine Ausgleichung be-

wirken. England und Amerika geben einem Jeden zur Beſtätigung dieſer Sätze

viele Beiſpiele. Babbage, über Maſchinenweſen S. 232. 239. oder 23tes und

24tes Kapitel.

² Das Verhältniß zwiſchen den Arbeitern und Gewerksunternehmern iſt, wie

die neueſten Erfahrungen an den Arbeiterunruhen zeigen, außerordentlich wichtig.

Die Meinung der Unternehmer, daß ihr Vortheil ſich nicht mit jenem der Arbeiter

vertrage, und die Anſicht der Lezteren, daß jeder Vortheil des Herrn ſie beeinträch-

tige, ſind beide gleich unrichtig. Denn das natürliche Verhältniß zwiſchen beiden

iſt, daß der Arbeiter im Verhältniſſe ſeiner Arbeit an dem Vortheile, den das

fertige Product gewährt, ſeinen verhältnißmäßigen Antheil anzuſprechen hat. Allein

in der Wirklichkeit erſieht man bald a) daß der dem Arbeiter zukommende ſelbſt

verhältnißmäßige Vortheil (Arbeitslohn) nicht hinreicht, ihn zu erhalten; b) daß

die Herrn den Arbeitern nicht den wirklichen verdienten verhältnißmäßigen Lohn

bezahlen; c) daß die Arbeiter ihrerſeits auch von den Brodherrn mehr verlangen,

als dieſe ihnen ſchuldig ſind oder ohne Nachtheil zu bezahlen vermögen. Der erſte

Fall findet ſeinen Grund in dem geringen Gewinnſte, welchen das Gewerk abwirft

und welcher, da er ein Mißverhältniß zwiſchen Einnahmen und Ausgaben iſt,

ſowohl vom zu geringen Abſatze und Preiſe der Producte (Note 1.), als auch von

dem zu hohen Preiſe des rohen Materials und andern Koſten herrühren kann. Es

erfolgt dann in der Regel die Entlaſſung einer Anzahl von Arbeitern durch gegen-

ſeitige Aufkündigung, oder auch nicht ſelten zufolge anhaltenden Nachſinnens der

Gewerksunternehmer eine techniſche Verbeſſerung, welche eine beſtimmte Anzahl von

Arbeitern entbehrlich macht. Der zweite Fall iſt entweder die Folge einer zu

großen Concurrenz der Arbeiter, die den Arbeitslohn herabdrückt oder anderer

äußerer Zwangsumſtände, welche der Brodherr oft unedlerweiſe benutzt, um den

Lohn zu verringern, in der Vorausſicht, daß die Arbeiter ſich nicht anders zu helfen

wiſſen, als indem ſie den niedern Lohn ſich gefallen laſſen. Beſonders entſtehen

öfters gegenſeitige Verbindungen der Unternehmer zu ſolchen menſchen-

feindlichen Abſichten. Möchten ſie doch von einem ſo unſittlichen und ungerechten

Beginnen abſtehen, weil daſſelbe an ſich verwerflich und aber auch noch unklug iſt,

da der durch die Entrüſtung der Arbeiter möglicherweiſe entſtehende Schaden leicht

alle unrechtlich errungenen früheren Vortheile vernichten kann! Der dritte Fall

hat ſeine Urſache in dem Mißtrauen der niederen Klaſſe gegen Höhere und Reichere,

in der Noth, welche die armen Arbeiterfamilien oft ſchrecklich drückt, in dem Stre-

ben, derſelben baldigſt und reichlichſt abzuhelfen, in dem böſen Beiſpiele, das ſie

an anderen Gewerksunternehmern und Arbeitern ſehen, und in der Unſittlichkeit,

Laſterhaftigkeit, Einſichtsloſigkeit und im Starrſinne einzelner Arbeiter ſelbſt, welche

häufig noch durch ſchändliche politiſche Partheien, unter Vorſpiegelung der ſchönſten

Zukunft, angereizt werden. So entſtehen auch gegenſeitige Verbrüderungen

unter den Arbeitern, welche oft den Brodherrn, noch öfters aber den Arbeitern

ſelbſt ſchaden (ſ. II. Abſchnitt dieſes Theils). Eine gehörige rechtmäßige duldſame

[439/0461]

² wohlwollende Behandlung der Arbeiter iſt daher hier nöthiger als in jedem anderen

Gewerbe, und der Vertrag mit ihnen wird um ſo vollkommener, je mehr er bewirkt,

daß der Gewinn des Arbeiters von ſelbſt mit demjenigen, welchen das Geſchäft

abwirft, ſteigt und fällt. Denn der dadurch geſteigerte Eifer derſelben kommt dem

Unternehmer nicht weniger als ihnen zu Gute. — Muſterhaft iſt in dieſer Hinſicht

der Betrieb der königl. preuß. Gewehrfabrik zu Saarn an der Ruhr unter dem

jetzigen Beſitzer derſelben, Herrn Trenelle, organiſirt, wie ſich der Verf. durch

mehrmöchentlichen Aufenthalt daſelbſt hinreichend durch eigene Beobachtung in dem

gefährlichen Spätjahre 1830 überzeugt hat. Vorſchläge und überhaupt vieles Prak-

tiſche über dieſen Gegenſtand enthält Babbage a. a. O. S. 236. 249. 260. oder

26tes Kapitel.

³ Babbage a. a. O. S. 164.

⁴⁾ Die Erfahrung zeigt: a) daß gerade die Einführung von Maſchinen mit

um ſo mehr Gefahr für den Unternehmer verbunden iſt, je größer die Anzahl der

dadurch brodlos gewordenen Arbeiter und je bitterer das Schickſal derſelben iſt, es

iſt daher bei dieſer verbeſſernden Maßregel eine große Behutſamkeit nothwendig;

b) daß zwar die Anzahl der Erfindungen und Verbeſſerungen in dieſer Hinſicht als

erſtaunlich groß erſcheint, aber die Summe der wirklich brauchbaren und wichtigen

äußerſt gering iſt: deßhalb muß man bei der Wahl oder bei eigenen Entwürfen

ſehr ſorgfältig und umſichtig zu Werke gehen; c) daß freilich die Maſchinen für

ſich eine erhebliche Erleichterung in der Arbeit gewähren, dagegen anderſeits aus

ihrer Anwendung leicht Schaden für den Unternehmer entſtehen kann, wenn die

Abſatzverhältniſſe nicht günſtig ſind, oder einer Veränderung entgegengehen und wenn

überhaupt die Koſten der Maſchine und die Unkoſten bei ihrer Operation unver-

hältnißmäßig groß ſind: darum muß man vor ihrer Einführung alle jene Combi-

nationen und Berechnungen anſtellen, und namentlich bei der Anſchaffung neu

erfundener und conſtruirter Maſchinerien nicht zu voreilig ſein, da die zuerſt erbauten

immer theurer und unvollkommener als die folgenden ſind; d) daß es Fälle gibt,

wo die Anſchaffung von Maſchinen ſchon nach der Natur der Sache keine Vortheile

gewähren wird und ſich dieſelben blos für ſolche Arbeiten eigentlich empfehlen, durch

welche eine ſehr große Menge ganz vollkommen gleicher Producte geliefert oder aber

auch nur eine ganz geringe Anzahl, jedoch dieſe in höchſter mathemathiſcher Ge-

nauigkeit geſchaffen werden ſoll: man muß folglich den ergriffenen Productionszweig

nach dieſen Eigenheiten unterſuchen, ehe man eine Maſchine anſchafft; e) daß die

Maſchinen von verſchiedener Dauer ſind, welche mit berechnet werden muß, ehe

jene eingeführt werden: Da ſie nun von der uranfänglichen Conſtruction, von der

Sorgfalt bei ihrer Benutzung und von der geringen Maſſe, dem Stoffe und der

regelmäßigen geordneten Geſchwindigkeit derjenigen Theile abhängt, welche die Kraft

empfangen, fortbewegen und auf den Gegenſtand äußern, ſo ſind es auch dieſe

Momente, welche dabei einer beſonderen Beachtung bedürfen. S. Babbage a. a. O.

S. 273. 283. 300. oder 27–29tes Kapitel

II. Von der Organiſation des werkmänniſchen Betriebes.

§. 313.

Man hat auch hier die bereits oben (§. 209. 129.) erwähnten

Arten der Bewirthſchaftung, nämlich die Selbſtverwaltung,

Verpachtung und Verleihung, und ihre Vor- und Nachtheile

ſtehen im Allgemeinen auch unter denſelben Geſichtspunkten. Es

iſt aber leicht einzuſehen, daß die beiden lezteren Arten derſelben

nur bei ſolchen Gewerkseinrichtungen Statt finden können, wo in

Gebäuden und Maſchinerien ein bedeutendes Capital vorhanden

und nöthig iſt, während ſie bei ſolchen nicht wohl thunlich ſind,

[440/0462]

wo die Production von körperlicher Fertigkeit, überhaupt perſön-

licher Geſchicklichkeit, die nur von einfachen Werkzeugen unterſtützt

wird, abhängt. Wer aber den Betrieb, unter was auch immer

für einem Rechtstitel, übernommen hat, der wird um ſo weniger

das Geſchäft ohne Verwalter, Werkmeiſter, Factoren u. dgl.

führen können, je ausgedehnter und zuſammengeſetzter daſſelbe iſt.

III. Von der Leitung des werkmänniſchen Betriebes.

§. 314.

1) Verſuche. 2) Betriebsarten. 3) Inventarium.

Auch hierbei bezieht ſich die Sorgfalt, von welcher der gute

Gang des Gewerkes abhängt, auf folgende Momente:

1) Wahl und Betrieb der Verſuche. Das Feld für dieſe

iſt bei den Gewerken unbegrenzt, aber auch bei jedem beſonderen

Zweige ſo eigenthümlich und manchfach, daß überhaupt, und am

meiſten nach dem Zwecke der encyclopädiſchen Darſtellung, blos

allgemeine Andeutungen thunlich ſind, da man ſelbſt im Einzelnen

nur Aphorismen geben kann1). Man ſieht dies bei der Bemerkung

ſogleich ein, daß ſich die Verſuche auf folgende Punkte beziehen

können: a) auf die Etablirung einer beſtimmten Art von Gewer-

ken2), und, wenn dieſe Wahl getroffen iſt und das Gewerk be-

trieben wird, b) auf die Wahl des zu verarbeitenden rohen Ma-

terials (§. 269.), c) auf jene des einzuſchlagenden mechaniſchen

und chemiſchen Verfahrens, d) auf die Wahl und Verbeſſerung

der Werkzeuge, Maſchinen und chemiſchen Geräthe, e) auf die

Appretur und zweckdienlichſte Aufbewahrung der fertigen Producte.

Je ſubtiler die Verſuchsoperationen ſind, um ſo mehr Sorgfalt in

der Anſtellung und um ſo ſchärfere Beobachtung wird erfordert;

je größer aber der Aufwand dafür iſt und folglich der Verluſt ſein

kann, deſto nothwendiger iſt die Vorausberechnung auf möglichſt

ſichere Angaben und Erfahrungen3).

2) Wahl und Leitung der Betriebsart. Die oben

(§. 210. 2) angegebene allgemeine Regel iſt auch hier, nur bei

Veränderung der Sache, von der größten, noch größerer Wichtig-

keit, als dort, weil, namentlich in großen Etabliſſements, die

Operationen weit manchfacher ſind und darum die Arbeitstheilung

weit nothwendiger iſt. Es liegt aber in der Natur der Sache,

daß der Grad jener Wichtigkeit und dieſer Nothwendigkeit von der

Betriebsart beſtimmt wird. Man unterſcheidet nämlich die Hand-

werke einerſeits und die Fabriken und Manufakturen ander-

ſeits. Das Charakteriſtiſche der Erſteren iſt das Verfertigen,

[441/0463]

d. h. das veredelnde Verarbeiten des rohen Materials zu Gewerks-

producten im Kleinen, mit Werkzeugen einfacher Conſtruktion,

durch den Gewerksunternehmer ſelbſt im Vereine mit einigen Ge-

hilfen ohne Arbeitstheilung. Das Eigenthümliche der beiden

Lezteren iſt das Fabriziren, d. h. ein ſolches Verarbeiten jener

Rohſtoffe im Großen, unter Anwendung von Werkzeugen und

Maſchinen, durch Arbeiter verſchiedener Klaſſen und Grade bei

einer Arbeitstheilung im Einzelnen unter Direction des Unter-

nehmers, Werkmeiſters, Faktors u. dgl., welche aber nicht ſelbſt

mitarbeiten. Die Natur des Gewerkes und der Abſatz iſt es, was

zur Wahl der einen oder andern Betriebsart beſtimmt, wenn die

erforderlichen Hilfsmittel und Arbeiter vorhanden ſind4). Kann

eine Manufactur oder Fabrik nach Erwägung dieſer Umſtände er-

richtet werden, ſo wird der Unternehmer beſonders darum vor dem

Handwerker Vortheile voraus haben: a) weil er Arbeitstheilung

einführen kann (§. 312. 3), b) weil ihm die Einführung von

Maſchinen möglich iſt, und c) weil die Ausdehnung und der Ge-

winn ſeines Gewerkes ihm theils gebietet, theils erlaubt, ſich

wiſſenſchaftliche Bildung zu verſchaffen und die neuen Erfindungen,

ſeien ſie von ihm oder von Anderen, in ſeinem Gewerke anzuwenden.

3) Inventarium. Weder die Verſuche, noch der Betrieb

vermögen ihren gehörigen Gang zu gehen, wenn der Unternehmer

nicht einen vollſtändigen Ueberblick über ſeine materiellen Hilfs-

mittel hat (§. 311. u. 312.). Dieſen gewährt das Inventarium,

d. h. die ſchriftliche Aufzählung und Beſchreibung des an materi-

ellen Hilfsmitteln zum Betriebe Vorfindlichen (invenire). Eine

Vergleichung des Inventariums mit dem zum ferneren Betriebe

Erforderlichen wird zeigen, ob und was zu viel oder zu wenig

vorhanden und was im lezten Falle noch anzuſchaffen iſt (Super-

inventarium).

¹ Sehr vieles enthält auf dieſe Weiſe die angef. Schrift von Babbage.

² Die Wahrſcheinlichkeit des Verbrauchs der zu liefernden Producte und des

darnach ſich richtenden Abſatzes im Vergleiche mit dem Vorhandenſein der zum

Gewerksbetriebe ſonſt noch nöthigen Bedürfniſſe (§. 311.), die aber bei jeder Ge-

werksart wieder anders ſind, gibt die Entſcheidung. Babbage a. a. O. S. 251.

oder 25tes Kapitel.

³ Z. B. bei der Einführung von Maſchinen iſt die Berechnung der Hinderniſſe

ihres Ganges, welche in den Stoffen liegen, aus denen ſie verfertigt werden, —

jene der Hemmung, die die Maſchinen durch die Verbindungstheile, z. B. Seile,

Räderwerk, erleiden, — die Fertigung von Zeichnungen davon mit größter Ge-

nauigkeit, — die Ermittelung der wahrſcheinlichen Dauer der Maſchinen, der

Reparaturen, der vorauszuſehenden Verbeſſerungen u. dgl. von äußerſter Wichtigkeit.

S. Babbage a. a. O. S. 272. 300. oder 27s u. 29s Kap.

⁴⁾ S. auch Babbage a. a. O. S. 116. oder 13tes Kap. Rau politiſche

Oeconomie. I. §. 399.

[442/0464]

IV. Von der werkmänniſchen Betriebswirthſchaft.

§. 315.

1) Werkmänniſche Betriebsausgaben.

Die Gewerksausgaben ſind blos Entäußerungen des Betriebs-

kapitals und beziehen ſich auf folgende Punkte:

a) Auf etwaige vom Gewerke geforderte Verbeſſerungen

des Bodens und die Faſſung des Waſſers, wenn es als wir-

kende mechaniſche Kraft benutzt wird1). Die Luft kann hier nicht

erwähnt werden, weil ihre Wirkung auf die Maſchinen oder bei

chemiſchen Zwecken ohne Faſſung unmittelbar wirkt.

b) Auf Unterhaltung und Anſchaffung des ſtehenden Capi-

tals an Gewerksgebäuden, Geräthſchaften, Arbeitsthieren ſammt

Geſchirr, Gerechtſamen und Hausrath, inſoweit er für die Ge-

werksleute gebraucht wird, — und des umlaufenden Capitals

an Verwandlungs- und Hilfsſtoffen, fertigen Productenvorräthen

und Geld.

c) Für Beſoldung, Löhnung und Unterhaltung der

Verwalter, Werkmeiſter, Faktoren und Arbeiter. Dieſe iſt von

Bedeutung und die Wahl des Syſtems iſt namentlich bei Lezteren,

ſowohl was den Vortheil, die Sicherheit vor den Ausbrüchen ihrer

Wuth, als die Humanität anbelangt, einer der wichtigſten Punkte.

Die oben (§. 68.) hierfür angegebenen Syſteme ſind nicht, ein

jedes für ſich, überall anwendbar. Die Verbindung der Natural-

pflegung mit dem Geldlohne iſt bei den Handwerken anwendbar.

In großen Fabriken aber iſt ſie unausführbar, da die Menge der

Arbeiter zu groß iſt und dieſe öfters Familie haben. Man hat

daher hier nur das Geldſyſtem und aber auch als ein ſchauer-

liches Beiſpiel des Fabrikanteneigennutzes das Tauſchſyſtem,

d. h. die Löhnung der Arbeiter mit Artikeln, die ſie verbrauchen2).

Da kein Zweifel darüber ſein kann, daß die Löhnung im Gelde

dieſem lezteren Syſteme weit vorzuziehen iſt, ſo entſteht nur die

Frage, ob der Tage- und Wochenlohn dem Stücklohne, oder

dieſer jenem vorzuziehen ſei. Es iſt jedoch nach den im angeführten

Paragraphen gegebenen Prinzipien leicht einzuſehen, daß in einer

großen Fabrik bei gehöriger Arbeitstheilung der Stücklohn das

Räthlichſte iſt. Denn es kann und muß ſogar eine Commiſſion zur

Prüfung und Stempelung der gelieferten Producte jedes Arbeiters

vorhanden ſein und es hängt in dieſem Falle von dem Fleiße und

der Kunſt des Arbeiters ab, wie viel er verdient3). Uebrigens

[443/0465]

müſſen ſowohl wegen dieſes Umſtandes als auch wegen des ganzen

Betriebes die Koſten jedes Prozeſſes berechnet ſein4).

¹ Z. B. die Gerinne bei ober- und unterſchlächtigen Rädern. Sie könnten

zwar auch als Theile der Gewerksbäulichkeiten angeſehen werden: allein ſie ſind, da

ſie blos die Richtung des Waſſers verbeſſern und ſeinen Seitendruck unſchädlich

machen ſollen, doch anders zu betrachten, als z. B. die Windflügel oder das Waſſer-

rad ſelbſt, das zur Maſchine gehört, und als die Gewerksgebäude, die entweder

Werkſtätten oder Magazine ſind.

² Babbage a. a. O. S. 325 im 30ten Kapitel. Die Arbeiter bekommen

von ihren Herren, die öfters deßhalb einen kleinen Kramladen halten, um auch ſo

noch den Arbeitern ihren ſchwer verdienten Lohn zu entziehen, anſtatt ihnen dadurch

Erleichterung zu gewähren, ſchlechte Waare, z. B. ſchlechten Thee, Zucker u. dgl.,

anſtatt Geld, die ihnen für gute gerechnet wird, ſo daß ſie in ſolchen Gegenden ein

erbärmliches Leben führen und, was ſie anderes als ſolche Producte genießen wollen

oder haben müſſen, ſeien dies Sachen oder Dienſte, blos auf dem Wege des Tauſches

ſich erwerben können, wobei ſie natürlicherweiſe gezwungen ſind, ihre Verbrauchs-

artikel unter ihrem Werthe hinzugeben. Der engl. Parlamentsausſchuß hat Beiſpiele

ermittelt, daß ſolche Arbeiterfamilien blos Zucker hatten, um die Arznei in der

Apotheke zu bezahlen, — daß ½ Pfd. Zehnpfennigzucker und 1 Pfennig für das

Ausziehen eines Zahnes, und Thee für den Sarg und das Grab eines verſtorbenen

Kindes gegeben wurde.

³ So iſt es in der angeführten Gewehrfabrik in Saarn (§. 312. Note 2),

wo der Arbeiter das Materiale oder noch weiter zu verarbeitende Product eines

andern Arbeiters empfängt, ſich im Buche als Schuld aufſchreiben läßt und, was

er dann abliefert, als Forderung eingeſchrieben und nach den ausgemachten Preiſen,

wenn es geprüft und geſtempelt iſt, bezahlt erhält.

⁴⁾ Babbage a. a. O. S. 208 oder 21tes Kap.

§. 316.

2) Werkmänniſche Betriebseinnahmen.

Das rohe werkmänniſche Einkommen beſteht aus:

a) Naturaleinnahmen an fertigen Producten und Neben-

erzeugniſſen. Erſtere werden bis zu ihrem Verkaufe zweckmäßig

aufbewahrt, ebenſo auch Leztere, wenn nicht, was von großem

Nutzen und bei großen Fabriken ſehr wohl anwendbar iſt, noch

mit dem Gewerke andere Nutzungszweige verbunden ſind, in denen

ſie einträglich angewendet werden können1).

b) Geldeinnahmen aus dem Abſatze der Producte. Hier

trifft es ſich, daß mit der Ausdehnung des Geſchäftes alle kauf-

männiſchen Hilfsmittel ergriffen werden, um denſelben ſo vortheil-

haft als möglich zu machen, und daß ein Fabrikhaus in die Kate-

gorie der Handelshäuſer geſetzt wird, und ſo wie dieſe eine Firma,

d. h. einen Geſchäftsnamen annimmt2).

c) Einnahmen aus der Verwerthung der Haupt- und Neben-

producte in anderen mitverbundenen Gewerben.

Um den Reinertrag zu finden, werden auch die, oben (§. 314.)

erwähnten, Abzüge vom Rohertrage nothwendig.

[444/0466]

¹ Z. B. die Abfälle der Brauereien und Brennereien, der Mühlen c. auf

Landgütern zum Behufe der Mäſtung, — der Abfälle in Eiſenfabriken zur Bereitung

eines ſtahlartigen Schmiedeeiſens u. ſ. w.

² Daher ſind dieſe Fabriken z. B. in der preußiſchen Geſetzgebung auch als

Handelshäuſer betrachtet.

§. 317.

3) Werkmänniſche Buchhaltung.

Bei einfachem Handwerksbetriebe genügt die einfache Buch-

haltung, bei zuſammengeſetztem und beim Fabriksbetriebe aber iſt

die doppelte nothwendig. Dieſelbe wird wie im Handelsweſen ge-

führt; jede Perſon, die mit dem Geſchäfte in Verbindung ſteht,

vom Arbeiter bis zum auswärtigen Lieferanten und Commiſſionär,

und jeder Theil des Geſchäfts bis zur Kaſſe, hat ihren beſondern

Conto (§. 79–82.). Je mehr eine Fabrik einem Handelsgeſchäfte

gleicht, deſto übereinſtimmender ſind die Haupt- und Nebenbücher

mit jenen des Lezteren, von welchen ſpäter die Rede ſein wird.

V. Von der Verfertigung werkmänniſcher Anſchläge.

§. 318.

Was für Anleitung hierüber bei andern Gewerken gegeben iſt

(§. 216. 129.), das gilt im Allgemeinen auch hier. Jedoch hat

jedes Gewerke ſein Eigenthümliches, ein Umſtand, der hier eine

nähere Erörterung unthunlich macht. Sehr erleichtert iſt das

Anſchlagsgeſchäft durch die Buchführung und durch die Erleich-

terung der Informationen nach den Ausſagen der Verwalter,

Werkmeiſter, Faktoren und Arbeiter, ſowohl über den Umfang

des Geſchäfts als auch über den Rohertrag und die Auslagen1).

¹ Eine Veranſchlagung des Ertrags eines Gewerkes iſt aber mit einer Unmaſſe

von Schwierigkeiten verbunden, welche mit der Menge der einzelnen, ſämmtlich zu

erörternden, Prozeſſe, Werkzeuge, Maſchine u. ſ. w. immer noch ſteigen. Eine

kleine Anleitung, wie man Fabriken beobachten ſoll, gibt unter Andern auch

Babbage a. a. O. S. 110 oder 12tes Kap.

Dritte Abtheilung.

Umſatzgewerbs-Lehre.

Einleitung.

§. 319.

Mit Umſatzgewerbs-Lehre bezeichnet man die ſyſtematiſche

Darſtellung der Grundſätze und Regeln, wonach die Rohſtoffe und

[445/0467]

Fabrikate manchfacher Art gegen eine Vergütung zum Eigenthume

oder zur Nutzung abgetreten oder übergeben werden, um denjenigen

einen Gewinn zu verſchaffen, die zum Betriebe dieſer Geſchäfte

Güter (Capitalien) aufbewahren. Obſchon ſich ſo dieſe Wiſſenſchaft

in zwei Haupttheile, nämlich in Tauſch- und Leihgewerbslehre,

theilt (§. 42.), ſo hat dennoch die Leztere keine beſondere Literatur

erlangt, ſondern geht mit jener Hand in Hand, da die Kenntniſſe,

welche dieſelbe vorausſetzt, größtentheils weſentliche Theile der

Erſteren oder Handelslehre ſind und das Leihgeſchäft ſelbſt mit dem

Handelsgeſchäfte in Verbindung getrieben werden kann. Man kann

ſich daher füglich hier blos auf den Handel und die Handelslehre

beziehen.

Der Handel, mit Recht für die eigenthümlichſte Erſcheinung

im Leben und Treiben der Menſchen und für das Hauptmittel zur

gegenſeitigen Bildung der Völker erklärt, zeigt ſich ſchon in der

Wiege des Menſchengeſchlechtes im gegenſeitigen Austauſche, der

Beſitzthümer und bezeichnet das im Menſchen liegende Streben nach

allſeitiger Vervollkommnung. So weit die Geſchichte reicht, finden

ſich ſeine Spuren1). Die Phönizier und Karthager erregen

ſchon, nach den wenigen auf uns gekommenen Nachrichten, wegen

ihrer Schifffahrt und ihres Handels unſere Aufmerkſamkeit. Die

Griechen ſind uns als eine Nation bekannt, deren Handels- und

Schifffahrtseinrichtungen den wichtigeren Theil ihrer inneren und

äußeren Staatsverwaltung ausmachten2). Die Römer, welche,

wenn wir ihren Schriftſtellern, die auf uns gekommen ſind, trauen

dürfen3), den Handel im Kleinen ebenſo wie die Griechen für

verächtlich hielten, ſtanden aber doch mit den fernſten Gegenden der

damaligen Welt in ausgedehnter Handelsverbindung im Großen

und es iſt, wenn man nicht hohle Kriegs- und Eroberungsſucht

annehmen will, das Bedürfniß an den Producten der damaligen

Welt wohl eine Haupturſache ihrer Unterjochung der fernſten

Nationen. Jedoch abgeſehen davon, ſo bezeugen die Zolleinkünfte

des römiſchen Staates und die in entfernten Gegenden ſich auf-

haltenden römiſchen Kaufleute4) zur Genüge, daß ſeine Handels-

verbindungen ſehr ausgebreitet waren. Im Mittelalter veran-

laßten die Veränderungen in der Ländereiverfaſſung, der Zuſtand

der Landwirthſchaft, das Kirchen-, Kriegs- und das Ritterweſen

(dieſer charakteriſtiſche Beweis der eigenthümlichen Neigung der

abendländiſchen Völker nach Abentheuern), die Kreutzzüge, die

Geiſtlichkeit und der ſpätere allgemeine Wohlſtand des Bürgers im

ganzen germaniſchen Europa die örtlichen Anfänge und raſche

Ausbildung des Groß- und Kleinhandels mit ſeinen manchfachen

[446/0468]

Inſtituten, als da ſind die Börſen- und Waarenhallen, Märkte,

Meſſen, Wechſel u. dgl., welche ſchon durch ihre Exiſtenz die enge

Handelsverbindung zwiſchen den Hauptgebieten von Europa be-

zeugen5). Und die Entdeckung des Gebrauchs der Magnetnadel,

die Entdeckung von Amerika und des Weges um das Vorgebirg

der guten Hoffnung ſind der Beweiſe genug von dem Aufſchwunge

des Handels am Ende des Mittelalters, ſo daß man in die Einzel-

geſchichte des Handels der italieniſchen Freiſtaaten, Portugals,

Spaniens und Hollands hier nicht einmal näher einzugehen braucht.

Wie ſich dann England vom 16ten und beſonders 17ten Jahrhunderte

an bis auf unſere Zeit die Herrſchaft über die Meere angeeignet

hat, und ſeit der franzöſiſchen Revolution die Concurrenz der an-

dern europäiſchen Hauptſtaaten und Amerika's erregte, davon haben

wir die Beweiſe vor Augen.

Aber trotz dieſer reißenden Fortſchritte des Handels, welche

veranlaßten, daß derſelbe vom 16ten Jahrhunderte an das Prinzip

der äußeren Politik angab und ſich ein eigenes ſtaatswirthſchaft-

liches Syſtem nach den Grundſätzen des Handelsbetriebes6) bildete,

iſt doch die Handelslehre, als Wiſſenſchaft, erſt am Ende des 17ten

Jahrhunderts hervorgetreten und verdankt ihre wiſſenſchaftliche

Darſtellung erſt der neueren Zeit, nachdem A. Smith (§. 31.)

und ſeine Schüler in der Lehre vom Reichthume und vom Verkehre

der Völker die Bahn gebrochen haben7). Ihre Hilfswiſſenſchaften

ſind die Naturwiſſenſchaften, Kenntniß neuerer Sprachen,

Mathematik, Geographie, Handels-, Wechſel- und

Seerecht.

¹ Zur Literatur der Geſchichte des Handels: Anderſon, Geſchichte des

Handels. Aus dem Engl. überſetzt von Bamberger. Riga 1773–79. VII Bde. 8.

S. auch §. 208. N. 1. Berghaus, Geſchichte der Schifffahrtskunde der Völker

des Alterthums. 1792. III Bde. 8. Nowack, Grundriß der Handelsgeſchichte.

Wien 1799. v. Schlötzer, Verſuch einer Geſchichte des Handels c. der Alten.

Roſtock 1761. (v. Struenſee) Beſchreibung der Handlung der europ. Nationen.

Liegnitz 1778–82. II Bde. Raynal, Histoire des Etablissements et du Commerce

des Européens dans les deux Indes. X. Tom. Haye 1780. (Im Auszuge mit den

neueren Beobachtungen der Reiſenden verglichen von la Roche. Straßburg 1788.

2te Aufl. II Bde.) A. Martini, Degli Errori di Raynal, autore della storia degli

stabilinenti e del commercio degli Europei nelle due Indie, confutati. Breseia

1788–90. II Tom. Sam. Ricard, Handbuch der Kaufleute. Aus dem Franzöſ.

I. II. Bd. von Gadebuſch, III. Bd. von Wichmann überſetzt. Leipzig 1791 bis

1801. III Bde. S. auch Briganti, Esame Economico del sistema civile. Lib. II.

Cap. III. = Economisti Classici Italiani, Parte moderna XXVIII. pag. 273.

XXIX. p. 7–218. D'Arco, Dell' Influenza del Commercio sopra i talenti e

costumi = Economisti. P. m. Tom. XXXI. v. Mylius, der Handel, in ſeinem

Einfluſſe auf die Kultur. Köln 1829. Murhard, Theorie (I.) und Politik (II)

des Handels. Theorie S. 56. v. Brederlow, Geſchichte des Handels der Oſtſee,

reiche bis zum Schluſſe des 18ten Jahrhunderts. Berlin 1820. Sartorius, Ge-

ſchichte des Urſprungs der deutſchen Hanſe. Hamburg 1830. II Bde. 4. Heeren,

[447/0469]

¹ Ideen über die Politik, den Verkehr und Handel der Völker der alten Welt. Göt-

tingen 1815. IIIte Aufl. III Bde. S. auch §. 132. Note 1. Sartorius, Geſch.

des hanſeat. Bundes. Göttingen 1802–1808. III Bde.

² Bökh, Staatshaushalt der Athener. I. 50. 336.

³ Cicero de Officiis. lib. I. cap. 42. Aristoteles Politic. lib. I. cap. 811.

⁴⁾ Die nach sallustius Bellum Jugurthinum cap. 26, als von Jugurtha in

Cirta gefangen gehaltenen Leute ſcheinen blos Kaufleute geweſen zu ſein. Julius

Caesar Comment. de Bello gall. lib. VII. cap. 3. erzählt die Ermordung römiſcher

Kaufleute zu Gennabum (Orleans) bei einem Volksauflaufe. Cicero pro lege Ma-

niliae cap. 7. gibt als Hauptgrund des Feldzuges gegen Mithridates die Schutz-

loſigkeit der Kaufleute in Kleinaſien an. S. Hegewiſch Verſ. über die römiſchen

Finanzen. S. 100. Eine von den Friedensbedingungen zwiſchen dem perſiſchen

Könige Narſes und dem römiſchen Kaiſer Galerius war, die Stadt Niſibis zum

Stapelplatze zu machen. S. Gibbon, History of the fall and decline of the Romae

Empire. Chap. XIII. (London 1820.) II 152. Ueberſetzt von Schreiter. Bd. II.

S. 426. Mengotti, Del Commercio de' Romani = Economisti class. Ital., Parte

mod. XXXVI. p. 7–249.

⁵⁾ Hüllmann, Städteweſen im Mittelalter. Bd. I. v. Raumer, Geſch

der Hohenſtaufen. V. 337.

⁶⁾ Das Handelsſyſtem, wovon Näheres in der Volkswirthſchafts-Lehre.

⁷⁾ Zur Literatur der Handelslehre: Jacques savary, Le parfait Negociant etc.

1675. 6te Aufl. Lyon 1712. II voll. 4. Neueſte Aufl. Genève 1752. 4. Jacques

savary, fils, Dictionnaire universel de Commerce, continué par son frère Louis

savary. Paris et Genève 1742. III Tom. fol. (Erſchien auch zu Kopenhagen und

Amſterdam.) Ludovici, Eröffnete Akademie der Kaufleute Leipzig 1752–1756.

V Bde. 8. Neue Ausgabe von Schedel. 1797–1801 (nach jener bearbeitet).

Th. Morlimer, Dictionary of trade and Commerce. London 1766. II Voll. fol.

Schumann, compendiöſes Handbuch für Kaufleute c. Leipzig 17951796. III

Bände. 8. Beckmann, Anleitung zur Handelswiſſenſchaft. 1798. May, Verſuch

einer Einleitung in die Handlungswiſſenſchaften. Gera 1799. II Bände. Jung,

Lehrbuch der Handlungswiſſenſchaft. Leipzig 1799 Boucher, La science des Négo-

cians et teneurs de Livres. Paris 1803. II Tom. 4. II. 40me Edit. (I. p. 1–322

Buchhaltung; p. 223–369 Commentar über die Handelsordnung, vom März 1763;

u. 396 sqq. Dictionnaire de Commerce. II. p. 1–20 Erklärung der üblichen

Handelsausdrücke; p. 21 Münzkunde; das folgende bis p. 460 ſind praktiſche Münz-,

Maaß-, Gewicht- und Wechſelberechnungen). Meißner, Grundriß der Privat-

und Staatshandelswiſſenſchaft. Breslau 1804. II Bände. Buſe, das Ganze der

Handlung. Erfurt 1798–1817. XVI Bde. 8. Büſch, Darſtellung der Handlung.

Hamburg 1798. IIIte Ausgabe von Normann. Hamburg 1808. II Bände. 8.

Deſſelben ſämmtliche Schriften über die Handlung, von Normann. Hamburg

1824. V Bde. 8. Deſſelben ſämmtliche Schriften. Wien 1813 folg. XVI Bde. 8.

(Immer noch ſehr gut.) Leuchs, Syſtem des Handels. Nürnberg 1823. III Bde.

8. (der IIIte Band enthält die Literatur). Bleibtreu, Lehrbuch der Handels-

wiſſenſchaft. Carlsruhe 1830. (S. Meine Recenſion über dieſes Werk in der

Leipziger Lit. Zeit. 1831. Februar. Nro. 39–43.) Murhard, Theorie und

Politik des Handels. Gottingen 1831. II Bde. 8. (Mehr nationalökonomiſch, aber

ſehr zu empfehlen.) Mac-Culloch, Ueber Handel und Handelsfreiheit. Aus dem

Engliſchen überſetzt von Gambihler. Nürnberg 1834. 8. Mac-Culloch, Dictio-

nary of Commerce and Commercial Navigation. Nach dem Engliſchen bearbeitet

von Richter. Stuttgart und Tübingen 1833. Bis jetzt Ite Lieferung von S. 1

bis 320, es ſollen noch III Lieferungen kommen und dann wird das Werk II Bde.

ſtark ſein (ausgezeichnet gut). S. auch Belloni, sopra il Commercia. (Bologna

1750.) = Economisti class. Ital., P. mod. Tom II. Deutſch von Schumann.

Leipzig 1752.

[448/0470]

Erſtes Hauptſtück.

Umſatz-Gewerbslehre.

§. 319. a.

Die Umſatz-Gewerbslehre iſt derjenige Theil der Umſatz-

gewerbs-Lehre, welcher die Grundſätze und Regeln darſtellt, wo-

nach man bei den einzelnen Geſchäften des Handels und Leihweſens

zu verfahren hat, ohne an das Zuſammenhalten derſelben in einem

gewinnbringenden Gewerbe zu denken. Sie zerfällt (§. 319.) in

die Tauſchgewerbs- oder Handels- und in die Leihgewerbs-

lehre; wovon eine Jede aus den mehrmals angegebenen Gründen

ſich in einen allgemeinen und beſonderen Theil zertheilt.

Erſter Abſatz.

Die Handelslehre.

Erſtes Stück.

Allgemeine Handelslehre.

§. 320.

Die Handelslehre iſt die Wiſſenſchaft vom Handel, d. h.

von dem des Gewinnes wegen betriebenen Gewerbe der eigenthüm-

lichen Güterübertragung zwiſchen den Hervorbringern und Ge-

brauchern1). Da die allgemeine Handelslehre diejenigen Grund-

ſätze und Regeln entwickelt, welche allen verſchiedenen Handels-

zweigen zugleich angehören, ſo iſt es ſehr natürlich, daß ſie von

den verſchiedenen Gegenſtänden des Handels und ihren Verhältniſſen

handeln muß. Es hat aber bei jedem Handelsgeſchäfte ein Tauſch

Statt, und muß folglich dabei eine Gabe und eine Gegengabe

vorkommen, welche den Gegenſtand des Handels bilden.

¹ Der Begriff von Handel iſt mehr unrichtig als richtig aufgefaßt worden.

Leuchs (Syſtem. I. §. 1–6.) begnügt ſich, nachdem er den Standpunkt der

Handelsleute in der bürgerlichen Geſellſchaft weit bezeichnet hat, ihn für den Umſatz

der Waaren im Allgemeinen zu erklären; Murhard (Theorie. S. 3–7.) ſucht

das Weſen deſſelben im Werthumtauſche, unterſcheidet dann den Handel im weiteren

und engeren Sinne, und findet als Charakteriſtiſches des Lezteren den durch das

Tauſchgeſchäft bezweckten Gewinnſt. Was Jener Handel und Dieſer Handel im

weiteren Sinne nennt, iſt blos der Verkehr mit äußeren ſachlichen Gütern (§. 37.)

und beide Benennungen ſind vom Sprachgebrauche nicht gebilligt, welcher für alle

ähnliche Begriffe Wörter hat. Unter Tauſch verſteht man blos die des erwünſchten

Beſitzes willen vorgenommene gegenſeitige Abtretung von äußeren ſachlichen Gütern,

wie ſie in Völkern unter den Einzelnen vorkommt, wo ſich die Gewerbsſtände noch

keineswegs geſchieden zu haben brauchen. Dieſe Art des Verkehres heißt Tauſch-

verkehr. Beim Begriffe von Handel iſt aber das Merkmal weſentlich: a) daß

zufolge der Scheidung der Arbeit oder Gewerbe der Tauſchverkehr von einer beſtimmten

[449/0471]

¹ Gewerbsklaſſe betrieben wird; b) daß alſo dieſe die ſachlichen Güter eintauſcht, um

ſie wieder zu vertauſchen; c) und daß dieſes Tauſchgeſchäft ein für ſich beſtehendes

Gewerbe (§. 45) iſt, das der Gewerbsmann des Gewinnes willen betreibt.

Daher iſt Murhard's Handel im engeren Sinne der eigentliche Handel. (S. auch

Büſch Darſtellung [Ausgabe von Norrmann]. I. S. 3. Meine Recenſion von

Bleibtreu. S. 308.) Man hat jedoch auch das Weſen des Handels ſchon im

Gebrauche des Geldes geſucht; allein mit eben ſo viel Unrecht, weil das Geld

auch nur ein ſachliches Tauſchgut iſt, und in vielen Fällen des Handels gar nicht

wirklich ausbezahlt wird, indem man blos barattirt, d. h. Gut gegen Gut aus-

tauſcht und blos eine Vergleichung des Geldwerthes derſelben vornimmt (Büſch

Darſtellung. I. 185.). Das Hinzukommen des Geldes zum Tauſche bildet blos den

neuen Begriff des Kaufes, deſſen Hauptbeziehungen der Ein- und Verkauf ſind,

ebenſo wie man beim Tauſche den Ein- und Austauſch unterſcheidet. Eine

Handlung iſt ein gewerbsmäßig betriebenes Handelsgeſchäft.

Erſte Unterabtheilung.

Die Lehre von der Gabe im Handel.

§. 320. a.

Jedes bewegliche ſachliche Gut wird, ſobald es in den Handel

tritt, eine Waare genannt. Es muß alſo ſo vielerlei Waaren

geben, als es in den Handel tretende Güter jener Art gibt. Sie

laſſen ſich unter drei Hauptmaſſen zuſammenfaſſen; die Waaren

ſind entweder Erzeugniſſe des Gewerbsfleißes jeder Art (Waaren

im engeren Sinne) oder Geld, oder ſchriftliche Urkunden, welche

das Verſprechen einer Schuldigkeit oder Zahlung an Geld enthalten.

I. Von den Waaren.

A. Waarenlehre.

§. 321.

Unter Waarenlehre1) verſteht man die Lehre von den allge-

meinen Eigenſchaften und Erforderniſſen, welche ein Erzeugniß des

Gewerbsfleißes haben muß, wenn es überhaupt Waare werden

ſoll, und von denjenigen Beziehungen, welche ſich im Allgemeinen

beim Handel an jede Waare knüpfen laſſen. Der Gegenſtand der-

ſelben ſind alſo die qualitativen und quantitativen Verhältniſſe der

Waaren im Allgemeinen.

¹ Büſch Darſtellung. I. 121. Murhard Theorie. S. 21.

§. 322.

1) Die Handelswürdigkeit.

Die qualitativen Eigenſchaften eines Gewerbserzeugniſſes, um

Waare werden zu können, laſſen ſich am beſten in einem Worte

Baumſtark Encyclopädie. 29

[450/0472]

mit Handelswürdigkeit bezeichnen. Damit ein Gut handels-

würdig ſei, iſt erforderlich: a) daß daſſelbe überhaupt zu irgend

einem Zwecke dienlich ſei1); b) daß ein Hinderniß vorhanden ſei,

weßwegen es ſich nicht in Jedermanns Beſitze befindet oder nicht

von Jedermann ohne Mühe und Koſten erlangt werden kann;

c) daß es einen gewiſſen Grad von Dauerhaftigkeit habe; d) daß

es verſendet werden könne2). Denn ohne dieſe Verhältniſſe wird

es ganz unnöthig ſein und keinen Gewinn bringen, dieſe Güter

zu kaufen, um ſie wieder zu verkaufen.

¹ D. h. einen Gebrauchswerth habe (§. 3957.), weil es entweder ein

wirkliches oder nur vermeintliches Bedürfniß befriedigt (§. 46–49.). Der Werth

iſt alſo eine Urſache der Handelswürdigkeit (ſ. Meine Verſuche über Staatskredit.

S. 467.). In dieſer beſteht der Werth einer Waare für den Handelsmann.

Murhard (Theorie. S. 25–27.) unterſcheidet in dieſer Hinſicht, wie es Storch

(Cours d'Economie politique, überſetzt von Rau. I. 27.) vor ihm ſchon gethan

hat, einen unmittelbaren und mittelbaren Werth, je nachdem ein Gut an

ſich oder, indem es andere Güter zu ſchaffen im Stande iſt, Zwecke erfüllt. Allein,

wie er ſelbſt zugibt, läßt ſich dieſe Unterſcheidung weder objectiv noch ſubjectiv

durchführen, weil beide in einem Gute vorhanden ſind, ſobald es in den Handel

kommt. Es gibt aber eine unmittelbare und eine mittelbare Nutzung (§. 39.).

² Daher können einzelne Erd- und Felsarten, niemals aber Grundſtücke,

Felsparthien und Gebäude Waaren werden; und Rau (polit. Oekonomie. I.

§. 99.) dürfte den Begriff des Handels mit Unrecht zu weit ausgedehnt haben, da

er auch Grundſtücke als deſſen Gegenſtände bezeichnet. Unbewegliche Gegenſtände

können Gegenſtände des Tauſches, Kaufes und Verkaufes ſein, aber nicht eigentliche

Waaren, obſchon man Beiſpiele von Domänenkauf auf Speculation hat.

§. 323.

2) Maaß und Gewicht. a) Maaße.

Die quantitativen Beziehungen der Waaren ſind von großer

Wichtigkeit im Handel, und zeigen ſich entweder in der Ausdeh-

nung der Waaren im Raume (Maaß) oder in der Ausfüllung des

Raumes nach der Maſſe (Gewicht). Jene iſt die extenſive,

dieſe die intenſive Seite der Quantitätsbeſtimmung1). Die

hierzu nöthigen Maaße und Gewichte waren früher nicht blos ſehr

ungleich, ſondern auch veränderlich, ohne daß man ein Urmaaß

und Urgewicht gehabt hatte, welches man genau wieder aus irgend

einer Quelle berichtigen könnte. Mit dem Beſitze eines unver-

änderlichen Maaßes für eine Länge mußte man, da nach demſelben

ein Urgewichtsgefäß gefertigt werden könnte, auch eine Gewichts-

einheit erlangt haben. Zur Auffindung eines Urmaaßes wurden

daher am Ende des vorigen Jahrhunderts mehrere Vorſchläge ge-

macht, worunter folgende die bemerkenswertheſten ſind: a) den

Quadranten (¼ Theil) eines Meridiangrades zu meſſen, und

davon [FORMEL] = 443,441952 par. Linien = 3 Fußen 11[FORMEL]

[451/0473]

Linien als Urmaaß anzunehmen; b) ein Pendel, welches alle Se-

kunden eine Schwingung macht, d. h. ein Sekundenpendel ſeiner

Länge nach zur Maaßeinheit zu nehmen, welches nach Condamine

= 440,57, und nach Borda = 440,56 par. Linien iſt; c) dieſe

beiden Vorſchläge mit einander zu verbinden, entweder indem man

das Pendel für das Urmaaß, aber nicht für die Maaßeinheit zu

nehmen anrieth, oder vorſchlug, nach Auffindung des Urmaaßes

und der Maaßeinheit auf die erſte Methode dieſes als Pendel zu

gebrauchen und ſeine Schwingungen zu unterſuchen. Der Erſte

dieſer Vorſchläge ging in Frankreich durch, wo man das Metre

als Maaßeinheit = 443,441952 par. Linien annahm. Nach Annahme

einer Maaßeinheit kann es keine Schwierigkeiten mehr haben, das

Längen-, Flächen- (Quadrat-) und Körper- (Cubik-)

Maaß zu reguliren, und nach dem Decimal- oder Duodecimal-

ſyſteme einzutheilen2).

¹ Büſch Darſtellung. I. 155. Murhard Theorie. S. 256. Wild, Ueber

allgemeines Maaß und Gewicht. Freiburg 1809. II Bde. Dictionn. technologique.

XIII. 271. Krünitz, Oekonom. Encyclopädie. Bd. 85. S. 262. Rees, Cyclo-

pedia of Arts, science and Literature. Tom. XXIII. art. Measures. Mac-Cul-

loch, Handel und Handelsfreiheit. S. 34.

² Man ſuchte aber im Handel das unangenehme und ſehr ſchwierige Geſchäft

des Meſſens auf andere Weiſe zu erſetzen, nämlich a) bei tropfbar flüſſigen

Gegenſtänden durch kubiſche und cylindriſche Viſir- (Roie-) Stäbe oder

durch Annahme beſtimmter Behälter von bis auf Weniges gleichem Gehalte, worin

beſtimmte Waaren verkauft und verſendet werden, z. B. in Hamburg 1 Orhoft Wein

= 60 Hamburger Stübchen; b) bei Körnern, deren Meſſung ganz von der Will-

kühr des Meſſers abhängt, durch die Verbindung einer Wage mit dem Maaße oder

durch eine Vorrichtung, nach welcher die Körner mit gleicher Gewalt aus einem

Behälter in das Maaß fallen. Vorſchläge lezterer Art gibt Büſch Darſtellung. I.

158. II. 242–247. Mit einer Zeichnung. Ein Vorſchlag von Henneky in

London, der ihn auch in ſeiner Anſtalt angewendet hat, dient dazu, ſelbſt das

Viſiren zu erſetzen. Er iſt beſchrieben bei Vabbage, Ueber Maſchinenweſen.

§. 49. u. 50. oder 8tes Kap

§. 324.

Fortſetzung. b) Gewichte.

Zur Beſtimmung des Gewichtes der Waaren bedient man ſich

der Gewichtsſtöcke (Gewichte) und der Wagen. Die Gewichts-

ſtöcke müſſen ebenfalls von einer Einheit ausgehen und abgetheilt

oder zuſammengeſetzt werden. Die Gewichtseinheit findet man,

wenn man die Maaßeinheit benutzt, um darnach ein cubiſches Ge-

fäß zu fertigen, das man, am beſten mit deſtillirtem Waſſer ange-

füllt, ſeinem Gewichte nach annimmt, und in Frankreich hat man

dazu den Cubus eines [FORMEL] Meter als Gewichtseinheit angenommen

und Gramme genannt. Auch zur Gewichtseintheilung wählt man

Eines der genannten Zahlenſyſteme. Um nun aber das Gewicht

29 *

[452/0474]

der Körper beſtimmen zu können, hat man die Wagen1). Man

unterſcheidet das abſolute Gewicht, d. h. den ſenkrechten Druck

der Körper ohne Bedacht auf einen gewiſſen Raum, ſondern der

jedesmal gegebenen Maſſe nach, und das ſpeziviſche Gewicht,

d. h. jenen Druck derſelben unter Vorausſetzung eines beſtimmten

Raumes der Körper und hiernach verglichen mit einem als Einheit

angenommenen anderen Körper, nämlich mit dem Waſſer2).

Begreiflicher Weiſe hat man dazu verſchieden conſtruirte Wagen.

A. Wagen zur Beſtimmung des abſoluten Gewichtes

der Waaren. Ihre Conſtruction und Wirkung beruht auf den

Geſetzen des Hebels3). Es gibt nach den Arten des zweiarmigen

Hebels auch zwei Hauptarten von ſolchen Wagen, nämlich

α) Gleicharmige Wagen, welche der allgemeinen Anſicht nach

aus einem Wagebalken beſtehen, der in ſeinem Mittelpunkte ent-

weder aufgehängt oder von einem Wageſtocke unterſtützt iſt, ſo

daß er ſich nach beiden Seiten bewegen kann, und an deſſen beiden

Enden Wageſchaalen zur Aufnahme des Gewichtes und der

Waaren an Ketten oder Schnüren aufgehängt ſind4). β) Un-

gleicharmige Wagen5), welche von jenen dadurch verſchieden

ſind, daß der Theil des Wagebalkens, an welchem die Waare ge-

hängt wird, viel kürzer iſt als der andere, welcher das Gewicht

hält, und daß man dazu nur ein Gewicht nöthig hat, während

bei jener ganze Gewichtsſtöcke gebraucht werden6). Man hat in-

deſſen, beſonders zur Meſſung thieriſcher Kräfte, noch andere

Inſtrumente, welche man auch Wagen nennt7).

B. Wagen zur Beſtimmung des ſpeziviſchen Gewich-

tes der Waaren. Sie dienen zum Wägen ſolcher Körper, deren

Güte zugleich von dem ſpeziviſchen Gewichte abhängt8). Man hat

wieder zu unterſcheiden: α) hydroſtatiſche Wagen, d. h. ſehr

empfindliche Wagen obiger Conſtruktion, deren Wageſchaalen unten

mit Häckchen zum Einhängen der feſten Körper verſehen ſind, und

deren Wagebalken durch irgend eine Vorrichtung nach dem her-

geſtellten Gleichgewichte zwiſchen Körper und Gewicht geſenkt wer-

den kann9); β) Aräometer oder Senkwagen10), d. h. ſchwim-

mende Körper von Blech oder Glas, nach deren größerem oder

geringerem Einſinken von einer Flüſſigkeit das ſpeziviſche Gewicht

beſtimmt werden kann. Man unterſcheidet zwei Arten von Aräo-

metern, nämlich die Spindeln11), d. h. Senkwagen mit Skalen

zur gradweiſen Erkennung des Einſinkens, und Hydrometer12),

d. h. Senkwagen, mit veränderlichem Gewichte und ohne Skale.

¹ Krünitz, Oekonom. Encyclopädie. Bd. 18. S. 169. Rees, Cyclopaedia

of Arts etc. Vol. 38. Art. Weighing-Machine. Weights. Dict. technolog. XVI. 350.

[453/0475]

¹ v. Langsdorf, Syſtem der Maſchinenkunde. I. §. 260 b. v Gerſtner, Handb.

der Mechanik. I. §. 164 folg. Baumgartner Mechanik. S. 136. Schmidt,

Samml. phyſ. mathem. Abhandlungen. Gießen 1793. I. Bd. 1. Abh. Poppe,

Encyclopädie des geſammten Maſchinenweſens. V. 265. Lambert, Theoria state-

rarum, ex principiis mechanices universalius exposita, in den Actis Helveticis

physico-math.-anatom.-botanico-medicis. III. 13. Euler, de bilancibus Comm.

Petrop. X. 3.

² Z. B. man ſagt, ein Wiener Kubikfuß Waſſer wiegt 56,3 Pfd., ein Kubik-

fuß Stahl 433,5 Pfd., Glas 140,8 Pfd., Buchenholz 47,9 Pfd., Bier 57,4 Pfd.,

und dies iſt abſolutes Gewicht. Man ſagt aber, das Waſſer = 1,000 geſetzt, ſo

iſt das Gewicht des Stahls = 7,70, des Glaſes = 2,50, des Buchenholzes

= 0,85, und des Biers = 1,02, und dies iſt das ſpeziviſche Gewicht.

³ v. Langsdorf Syſtem. I. §. 57 v. Gerſtner, Handbuch der Mechanik.

I. §. 52. Baumgartner Mechanik. S. 134. Karmarſch Mechanik. I. §. 30.

Borgnis, Théorie de la Mécanique usuelle. Paris 1821. 4. p. 41. Borgnis, Traité

semplet de Mécanique. Composition des Machines. Paris 1818. p. 285. Christian,

Mécanique industrielle. II. 402. Man verſteht unter Hebel im rein mathematiſchen

Sinne (mathemat. Hebel) eine unbiegſame Linie, welche um ein in ihr liegendes

Punkt drehbar iſt. Er wird ein phyſiſcher genannt, wenn er in der Wirklichkeit

z. B. durch eine Stange, durch den Wagebalken dargeſtellt iſt. Man unterſcheidet

den einarmigen Hebel, wenn das Dreh- oder Unterſtützungspunkt am Ende der

Linie liegt, und den zweiarmigen Hebel, wenn das Stützpunkt in der Linie

liegt. Der Leztere kann nun gleicharmig und ungleicharmig ſein, und das

Hauptgeſetz iſt, daß der Hebel im Gleichgewichte ſteht, wenn das Product der Kraft

in einen Arme mit der Entfernung derſelben vom Stützpunkte dem Producte der

Kraft am andern Arme mit ihrer Entfernung vom Stützpunkte gleich iſt.

⁴⁾ Sie heißt auch Krämer- oder Schaalenwage. Beſondere, aber ſehr

wichtige Theile dieſer Wagen ſind: a) die Zunge, d. h. ein kleiner gerade auf dem

Stützpunkte ſenkrecht in die Höhe gehender ſpitzer Metallſtab, zur Beſtimmung des

Standes der Wage; anſtatt derſelben iſt auch an einem Ende des Wagebalkens ein

Kreisbogen angebracht; b) die Scheere, d. h. ein unbewegliches Gehäuſe, das

und beiden Seiten der Wagearme offen iſt, und zwiſchen deſſen beiden Wangen

die Zunge ſpielt, ſo daß ſie mit einer Vermehrung der Laſt oder Gewichte eine

Seitenabweichung (den Ausſchlag) macht. Je größer der Ausſchlag bei einer

kleinen Zulage iſt, deſto empfindlicher, je kleiner er iſt, deſto fauler wird die

Wage genannt. Ueber die Eigenſchaften einer guten Wage ſ. m. außer obigen

Schriften auch Ramsden bei Rozier, Observations sur la physique. XXXIII. 144.

und Tralles in Gilbert's Annalen. XXIX. 442.

⁵⁾ Sie heißen auch Schnell- oder römiſche Wagen; und dienen zum

ſchnellen Wägen großer Laſten.

⁶⁾ Es gibt davon hauptſächlich 3 Arten: a) die gewöhnliche Schnell-

wage, wie ſie oben beſchrieben iſt; b) die Brückenwage, bei Lagerhäuſern u. dgl.

angewendet, wobei das Gewicht im Hauſe iſt, aber die Laſt, z. B. ein ganzer

Wagen, außen auf eine Brücke oder Pritſche gewälzt oder geſchoben wird; (ſ. außer

obigen Schriften auch Leupold, Schauplatz der Gewichte und Wagen. Leipzig 1774.

Deſſelben Beſchreibung einer großen Schnell- oder Heuwage. Leipzig 1718. 4.);

und c) die Zeigerwage, eine kleine Wage dieſer Gattung, wobei der große zei-

gerförmige Arm an einem Gradbogen die Gewichte anzeigt. Große Wägemaſchinen

ſind auch beſchrieben bei Dingler polytechn. Journal. I. 414 (von Siebe);

III. 273 (von Beckway); eine Wage dieſer Gattung von Herapath ebendaſelbſt

VI. 317; hydrauliſche Wagen zum Wägen großer Laſten ebendaſelbſt XXV. 218

(von Medhurſt); XXXI. 170.

⁷⁾ S. Roſenthal, Beſchreibung einer gemeinnützigen Stahlfederwage. Erfurt

1735. 4. Transactions for the Encouragement of Arts and Manufactures. London

1791. Vol. X. 151 (Federwage, von Hanius). Geißler, Beſchreibung der

neueſten und vorzüglichſten Inſtrumente c. Zittau 1793. II. 122 (Federwage,

[454/0476]

⁷⁾ von Praſſe). Obige Werke über Mechanik und Dingler polytechn. Journal.

XXV. 356 (Kraftmeßwage von Freſez); XXIX. 410 (über dynamometriſche Wa-

gen, von Hachette).

⁸⁾ Z. B. Bier, Branntwein, Lauge der Seifenſieder, Salzſoole, Salpeter-

auflöſung, Pottaſchenlauge, Zuckerauflöſung, Milch, Moſt, Wein c. (Bierſpindel,

Alcoholometer, Laugenprobe, Salzwage, Salpeterſpindeln, Pottaſchenwagen, Sac-

charometer, Lactometer oder Milchmeſſer, Gleukometer oder Moſtmeſſer, Oenometer

oder Weinwagen) Die Namen Aräometer, Hydrometer und Spindel,

welche hier unterſchieden ſind, kommen als gleichbedeutend allgemein vor. Sie be-

ruhen ſämmtlich auf dem Satze, daß ein feſter Körper, in eine Flüſſigkeit geſenkt,

ſein Volumen von dieſer Flüſſigkeit aus dem Gefäße verdrängt und in derſelben von

ſeinem Gewichte an Wirkung im Verhältniſſe, als ihn die Flüſſigkeit zu heben

ſucht, verliert.

⁹⁾ Wenn das Gleichgewicht hergeſtellt iſt, ſo wird der feſte Cubikzoll in die

zu wägende Flüſſigkeit eingeſenkt, worin er einen Gewichtsverluſt erleidet. Um

dieſen zu finden, legt man entweder auf die Schaale des Cubikzolls noch Gewicht

oder man nimmt aus der Gewichtsſchaale ſo viel heraus, bis das Gleichgewicht

wieder hergeſtellt iſt. Dieſer Gewichtsverluſt verhält ſich dann zum abſoluten Ge-

wichte des Cubikzolls, wie das ſpeziviſche Gewicht der Flüſſigkeit zu jenem des

Cubikzolls. Oder man findet, da das Waſſer als Einheit angenommen wird, das

ſpez. Gewicht der zu wägenden Flüſſigkeit, wenn man das abſolute Gewicht des

Cubikzolls mit ſeinem Gewichtsverluſte dividirt. Dieſe Verſuche bedürfen aber

unendlich vieler Vorſicht. S. Brander Beſchreibung einer hydroſtatiſchen Wage.

Augsburg 1771. Mendelſohn in Gilbert's Annalen. XXIX. 153. Man hat

aber nicht blos Schaalen-, ſondern auch Schnellwagen dazu, z. B. Dingler poly-

techn. Journal. IV. 502. und VI. 190 (hydroſtatiſche Schnellwage von Coates),

und VI. 188 (eine ſolche von Lukens); XLII. 285 (hydroſtatiſche Ausmittelung

des Bleigehaltes in Zinngeräthen, nach dem Dict. technolog. XVII 338.).

¹⁰⁾ Prechtl Encyclopädie. I. 314. v. Gerſtner, Handbuch der Mechanik.

II. §. 28. Dictionnaire technologique. I. 105. Rees Cyclopaedia. II. Areometer.

XVIII. Hydrometer. Poppe, Encyclopädie des Maſchinenweſens. II. 169. Geh-

ler, phyſikaliſches Wörterbuch. I. 115. V. 50. Encyclopèdie Méthodique. Art.

Chimie. II. 356.

¹¹ Sie beſtehen aus einer Glas- oder Blechröhre mit Gradeſkalen und einem

Gefäßchen, das ein beſtändiges Gewicht trägt, z. B. von Queckſilber gefüllt iſt. Je

tiefer ſie einmal in die Flüſſigkeit ſinken, deſto ſpez. leichter iſt ſie. Man unter-

ſcheidet allgemeine (eigentliche Aräometer) und beſondere (eigentliche

Spindeln), und dieſe Lezteren dienen blos für beſtimmte Flüſſigkeiten (Note 8.).

Nach den Skalen, welches das Unterſcheidende iſt, hat man unter den allgemei-

nen Aräometern wieder zwei Arten zu unterſcheiden, nämlich ſolche, an deren

Skale mit ungleicher Eintheilung die Grade ſogleich geleſen werden können, und

ſolche, deren Skale gleiche Abtheilungen hat und folglich noch die Zuhilfnahme von

Tabellen nöthig macht. Von lezter Art ſind die Aräometer von Baumé, Cartier

und Beck. (Ueber Baumé'ſche Aräometer ſ. m. auch Dingler polytechniſches

Journal. XXVII. 63. XXXVII. 447. XXXVIII. 393.) — Die beſondern Aräo-

meter oder die Spindeln beſtimmen eigentlich den Gehalt der zu wägenden Flüſſig-

keit an aufgelösten Stoffen nach Procenten. S. Dubrunfaut, Ueber die Vorſicht

bei der Aräometrie in Dinglers angef. Journal. XXXVIII. 383. 448.

¹² Man hat zwei Hauptarten, nämlich jenes von Fahrenheit und ein

anderes von Nicholſon. Jenes, blos zum Wägen von Flüſſigkeiten brauchbar,

iſt wie ein Aräometer (Note 11) geformt, und hat am oberen Ende ein Gewichts-

ſchälchen, aber an der Röhre nur ein Zeichen, bis zu welchem nach dem Queckſilber-

gewichte im unteren Gefäßchen das Hydrometer im Regenwaſſer einſinken muß.

Bis zu dem ſo weiten Unterſinken in einer andern Flüſſigkeit muß jedesmal noch

ein Gewicht in das Schälchen gelegt werden, und es verhält ſich das ſpez. Gewicht

des Waſſers (= 1,000 angenommen) zu jenem der anderen Flüſſigkeit, wie das

[455/0477]

¹² abſolute Gewicht des Hydrometers (zum Voraus bekannt) nebſt dem Gewichtszuſatze,

um es in Waſſer bis an den Punkt einzuſenken, zu dem abſoluten Gewichte deſſelben

nebſt dem ganzen Gewichtszuſatze, um es in der andern Flüſſigkeit ſo weit einzu-

ſenken. Das andere Hydrometer, von Nicholſon, auch zum ſpez. Wägen feſter

Körper beſtimmt, iſt ein unten und oben koniſcher hohler Blechcylinder, aus deſſen

oberen Spitze ein Stänglein das Schälchen emporhält, während an der unteren

Spitze ein Eimerchen angehängt iſt. Der Gebrauch deſſelben beruht auf den bisher

erwähnten Prinzipien. Daſſelbe iſt manchfach verbeſſert worden.

B. Waarenkunde.

§. 325.

Die Waarenkunde iſt die Kenntniß von den verſchiedenen

Waaren ſelbſt nach allen Beziehungen, welche für den Handels-

mann von Wichtigkeit und Intereſſe ſind. Sie betrifft entweder

die qualitativen Verhältniſſe der Waaren und wird dann eigentlich

Waarenkunde genannt (§. 269.), oder die Maaße und Gewichte

der verſchiedenen Länder, und heißt dann Maaß- und Gewichts-

kunde1).

¹ Man findet ſie bald allein abgehandelt, bald in Verbindung mit der Münz-

kunde. Man ſ. unter der bedeutenden Anzahl von Schriften hierüber Nelcken-

brecher, Allgemeines Taſchenbuch der Münz-, Maaß- und Gewichtskunde. Berlin

1829. 14te Auflage. Crüger Comtoriſt. Hamburg 1831. Rau, Münz-, Maaß-

und Gewichtstafeln. Heidelberg 1829. II Tafeln. gr. Fol.

II. Von dem Gelde.

A. Geldlehre.

§. 326.

1) Vorbegriffe.

Das Geld (von gelten) iſt ein äußeres körperliches Gut,

welches im Verkehre (§. 37.) als allgemeiner Gleich- und Gegen-

werth für Güter und Leiſtungen angenommen und gegeben wird,

alſo umläuft. Die Geldlehre iſt die Wiſſenſchaft von den qualita-

tiven und quantitativen Verhältniſſen des Geldes im Allgemeinen1).

¹ Zur Literatur: S. §. 200. Note 1. und außerdem noch: Mac- Culloch,

Handel und Handelsfreiheit. S. 28. Büſch, Grundſätze der Münzpolitik. Hamburg

1779. Derſelbe Ueber Banken und Münzweſen. Hamburg 1801. (Auch in den

Ausgaben ſeiner ſämmtl. Schriften.) Buſe, Handb. der Geldkunde. III Bde. 8.

Erfurt 1803 (IIr Thl. von deſſen Ganzen der Handlung). (Cleynmann) Apho-

rismen aus dem Fache der Münzgeſetzgebung. Frankfurt a. M. 1817. (Deſſelben)

Materialien für Münzgeſetzgebung. Ebendaſelbſt 1822. Murhard, Theorie des

Geldes und der Münzen. Altenburg 1817. Deſſelben Theorie des Handels.

S. 260. Klüber, das Münzweſen in Deutſchland. Stuttgart und Tübingen 1828.

Meine Verſuche über Staatskredit c. S. 71198. Büſch Darſtellung. I. 7.

J. P. smith, The science of Money. London 1813. Wheatley, An Essay on

the Theory of Money. London 1807. 4. (blos I Vol.) Folgende italieniſche

Schriften, welche unter den Economisti classici Italiani in den eingeklammerten

[456/0478]

¹ Bänden zu finden ſind: serra, Breve Trattato delle cause, che possono far

abbondare li Regni d'oro e d'argento (Parte antica I.); Turbulo, sulle Monete

del Regno di Napoli (I. 181.); Davanzati, Lezione delle Monete (II.); scaruffi,

Discorso sopra le Monete (II. 69.); Montanari, Trattato Mercantile della Mo-

neta (III.), und Breve Trattato del Valore delle Monete in tutti gli stati (III.

287.); Broggia, Trattato delle Monete (IV. 301. e V.); Neri, Osservazioni

sopra il prezzo legale delle Monete (VI. und die Documenti dazu VII.); Pagnini,

saggio sopro il giusto preggio delle cose, la giusta Valuta della Moneta etc.

(Parte moderna II. 155.); Galiani, Della Moneta (III. e IV.); Carli, Dell'

Origine e del Commercio della Moneta (XII. e XIII.): Vasco, saggio politico

della Moneta (XXXIII.); Corniani, Riflessioni sulle Monete (XXXIX.).

§. 327.

2) Der Geldſtoff.

Aus dem Zwecke und Gebrauche des Geldes geht hervor, daß

es durchaus nicht gleichgiltig iſt, aus was für einem Stoffe das-

ſelbe beſteht. Die extenſiven, d. h. dem Geldkörper als ſolchem

angehörenden Eigenſchaften, nämlich wirkliche Sachlichkeit, Dauer-

haftigkeit, leichte Theil- und Vereinbarkeit, und die intenſiven,

d. h. dem Geldgute nach ſeinem Range unter den ſachlichen Gü-

tern, nach ſeinem Verhältniſſe zum Menſchen und Verkehre zukom-

menden Eigenſchaften, nämlich wirklicher hoher Werth, allgemeines

Anerkanntſein deſſelben, Handelswürdigkeit und Gleichförmigkeit

im Preiſe, ſind es, warum alle civiliſirten Völker die Metalle

als Geldſtoff brauchen1). Da man aber außerdem in manchen

Ländern auch noch Papier zu Geld genommen hat, ſo unterſchei-

det man das Metallgeld vom Papiergelde.

¹ Galiani, Della Moneta. I. 123. 114. (Plinius hist. natur. XXX. cap. 3.

§. 19.) Die Makute der Neger in Congo iſt ein blos fingirtes Tauſchmittel.

Dagegen fand man auf den engl. weſtind. Colonien Zucker, bei den nordamerikani-

ſchen Wilden rohe und gegerbte Häute und Biberfelle, bei den Aethiopiern Stein-

ſalz, in Neufundland Stockfiſche, in Virginien Taback, in Braſilien Cacaokörner,

in Indien und Africa die Cauris, d. h. eine Art von Muſcheln, die man auf den

Maldiven findet, als Geld gebraucht. Ein lebhafter Verkehr kann ſich jedoch mit

ſolchen Geldmitteln nicht mehr begnügen, und führt, wie die Geſchichte zeigt, nach

und nach das Metallgeld ein.

§. 328.

Fortſetzung. a) Das Metallgeld.

Die Geldmünze1) oder das Metallgeld iſt von verſchiedener

Art. Man unterſcheidet die wirklichen, d. h. aus einem Metalle

geprägten noch umlaufenden Münzen2) und die Rechnungs-

münzen, d. h. nicht wirklich curſirenden, ſondern nur idealiſch in

Rechnungen gebrauchten Geldmünzen3). Eigentliches Metallgeld

iſt nur die wirkliche Münze4) und dieſes bietet bei ſeiner Betrach-

tung folgende zwei Hauptſeiten dar: 1) Den inneren Gehalt.

[457/0479]

Das Metallgeld beſteht aus Platina, Gold, Silber oder Kupfer,

mehr oder weniger in reinem Zuſtande. Gold und Silber ſind

aber die Hauptmünzmetalle, und ihr Werth und Preis ſteht nach

den natürlichen Productionsverhältniſſen, nach dem Handelsgange

und nach ſtaatsgeſetzlichen Beſtimmungen in verſchiedenen Verhält-

niſſen5). Obſchon, was die Aufſtellung eines geſetzlichen Werths-

verhältniſſes dieſer Metalle anbelangt, die Münzgeſetzgebung noch

vielfach im Widerſpruche mit den Verkehrsprinzipien iſt6), ſo müſſen

die Staatsgeſetze dennoch über das Verhältniß der Münzen gegen

einander, nämlich über die Miſchung des Münzmetalls mit einem

andern Metallzuſatze und über den Gehalt und Werth der verſchie-

denen Geldmünzen gegen einander Beſtimmungen geben. Die Ge-

ſammtheit dieſer geſetzlichen Anordnungen heißt man Münzfuß.

Dieſer verfügt alſo außer den bereits oben (§. 290. N. 2.) ange-

führten Punkten, welche die Münzung betreffen7), noch über die

Würdigung (Werthsbeſtimmung, Valvation) der Münzen ver-

ſchiedener Gattung8) und über die Währung, d. h. die Anzahl

von geringeren Münzſorten, welche nach dem Geſetze den eigent-

lichen Werth eines Stückes höherer Sorte eines und deſſelben

Münzfußes ausmachen9). 2) Die äußere Form. Man muß

hier wieder die eigentliche Geſtalt in Bezug auf die Ausdehnung

im Raume, und das Gepräge, d. h. die Geſammtheit der auf

einer Münze gegebenen Abzeichen unterſcheiden10).

¹ S. oben §. 290., wo die Begriffe Münze u. ſ. w. auseinander geſetzt ſind.

² In Betreff des Metalls gibt es Platina-, Gold-, Silber- und Kupfer-

münzen, wenn Eines dieſer Metalle darin vorherrſchend iſt, — aber Billon-

münzen (ſpaniſch Velhon), wenn ſie mehr Kupfer als edles Metall haben, und

zwar Goldbillon, wenn ſie unter 12 Karat Gold, und Silberbillon, wenn

ſie unter 8 Loth Silber haben. Der Unterſchied zwiſchen Kupfer- und Billonmünzen

iſt der, daß jene ganz aus Kupfer beſtehen. Klüber, das Münzweſen. S. 77.

Galiani, Della Moneta. I. 194. Preuß. Staatszeitung von 1832. No. 136. S. 554.

In Betreff der Länder, für welche ſie gelten, unterſcheidet man die Land-

münzen, welche nur für ein gewiſſes einziges Land beſtimmt ſind, und allge-

meine Münzen, welche in andern Ländern auch Geltung haben. Jedoch war jener

Begriff in der alten Reichsverfaſſung, wo die Land- den Reichsmünzen gegen-

über ſtanden, mehr von Bedeutung. Klüber, das Münzweſen. S. 84.

³ Sie haben entweder bereits oder noch nie exiſtirt. Von jener Art ſind das

Pfund Sterling (L.), das Pfund Blämiſch (Lvl.), die Lire in Italien, die meiß-

niſchen Gulden; von der andern Art die Bankthaler (Thlr. Banco). Manche ſind

jetzt wieder gemünzt, wie z. B. die badenſchen und würtembergiſchen Guldenſtücke,

die engl. Schillinge, die engl. sovereigns (= 1 Pfd. Sterl.). Ihr Werth iſt ein

inländiſcher oder ein ausländiſcher, und man vergleicht ſie nach der Pro-

portion Z1:s1 = Z2:x (oder s2), wobei die Z = den Summen der auf die

feine Mark gehenden zwei Rechnungsmünzen, und die s oder s1 und x = den

Summen, deren Gleichwerth gefunden werden ſoll, iſt. S. auch Galiani, Della

Moneta. I. 152.

⁴⁾ Man kann aber wegen der in Note 2. angegebenen Punkten die Rechnungs-

münzen hierher zählen.

[458/0480]

⁵⁾ Das natürliche Werthsverhältniß richtet ſich nach den verſchiedenen pro-

ducirten Mengen dieſer Metalle auf der Erde. Das merkantiliſche aber nach

dem Zu- und Abfluſſe derſelben von einem Erdtheile oder Lande in ein anderes,

und das geſetzliche iſt durch den Münzfuß der Länder beſtimmt. Flörke Münz-

kunſt. S. 290. Galiani, Della Moneta. II. 10. Buſe Geldkunde. I. 48. Buſſe

Kenntniſſe und Betrachtungen. I. S. 68. smith, The science of Money. I. Book.

9. ch. §. 11. p. 211. Wheatley Essay. p. 116. Klüber, das Münzweſen. 199.

204. Meine Verſuche über Staatskredit. S. 93. 101. 132., wo auch noch mehr

Literatur angegeben iſt. Man findet das merkantiliſche Werthsverhältniß

a) aus dem Preiſe des ungemünzten Goldes und Silbers, b) aus den Courantpreiſen

der Münzen gegen Barren (d. h. gegen ungemünzte Metallſtangen), indem man

den Kettenſatz zu Hilfe nimmt, z. B.

a) ? Mark fein Silber = 1 Mark fein Gold.

1 M. f. Gold = 204 Thlr. preuß. Cour.

7 Thlr. preuß. Cour. = 12 fl. im 24 fl. Fuße.

24 fl. = 1 Mark fein Silber.

7x24:12x204 = 1:x = 1:14[FORMEL]

b) ? Mark fein Silber = 1 Mark fein Gold.

1 M. f. Gold = 38,72 Friedrichsd'or.

1 Friedr. d'or = 5,66 Thlr. preuß. Cour.

14 Thlr. = 1 Mark fein Silber.

14:5,66x38,72 = 1:x = 1:15,6542

Das geſetzliche Werthsverhältniß findet man aus der Proportion

v:V = 1:x

worin v = dem Werthe, wozu die feine Mark Silber, und V = demjenigen,

wozu die feine Mark Gold, in einer beſtimmten Münzſorte ausgemünzt oder geſetz-

lich angenommen wird. Z. B. a. 1793 wurde der Werth des brabanter Thalers

geſetzlich auf 2 fl. 42 kr. im 24 fl. Fuße tarifirt, und der Ducate auf 5 fl. 24 kr.,

der Souverain d'or auf 16 fl. taxifirt (Cleynmann Materialien. S. 377.). Die

Mark fein Silber wurde zu 16,01 fl. und die Mark fein Gold in Ducaten zu

270,27 fl., in Souv. d'or aber zu 367,35 fl. ausgeprägt; folglich entſtehen für dieſe

Fälle folgende Proportionen

16,01:270,27 = 1:x = 1:16,88

16,01:367,36 = 1:x = 1:22,94

⁶⁾ Die Nationalökonomie zeigt, daß es verwerflich iſt, ein geſetzliches Verhält-

niß zu beſtimmen. Dennoch beſteht ein ſolches noch in den meiſten Staaten.

⁷⁾ Hier alſo nachträglich blos die Methoden der Berechnung jener Punkte.

Man findet a) das Schrot einer Münze durch die Proportion Z:1 = M:S,

wobei Z = der Zahl der aus der rauhen Mark geſchlagenen Stücke, und M =

dem Gewichte der Mark in holländ. Aſſen; b) den Feingehalt durch die Pro-

portion Z:1 = M:F, wobei Z = der Stückelung der feinen Mark; c) das

Korn, für Silbermünzen in der Proportion S:F = 16:K, für Goldmünzen

in folgender: S:F = 24:K, wobei S = dem Schrote, und F = dem Fein-

gehalte der Münze iſt, deren Korn man finden will; d) die Stückelung der

rauhen oder feinen Mark durch Umkehrung der unter a. und b. angegebenen Pro-

portionen, wenn S, F und M bekannt ſind; e) den Schlagſchatz aber aus der

Proportion P:M = Z:x, wobei P = dem Preiſe, um welchen die Münzſtätte

die Mark fein oder rauh kauft, und Z = der Stückelung der rauhen Mark in

derſelben Münzſorte, worin P beſtimmt wird, und x = der Summe iſt, deren

Mehrbetrag über M den Schlagſchatz angibt, den man aber dann noch in Procen-

ten berechnen muß.

[459/0481]

⁸⁾ Sie betrifft entweder den inneren Werth (Feingehalt) der Münzen,

welchen man auch merkantiliſchen (Handels-) Werth nennt, da die größeren Münzen

im Handel blos nach ihrem Metallgehalte curſiren, oder den äußern Werth,

d. h. welcher durch äußere Umſtände beſtimmt und auch Zahlwerth genannt wird.

Die Beſtimmung des Erſteren nennt Buſe (Geldkunde. I. 77.) Würdigung und

jene des Lezteren Valvation. Obſchon man den inneren auch merkantiliſchen

Werth nennt, ſo iſt dieſer Leztere doch nur ein äußerer, gerade ebenſo wie ſein

Seitenverwandter, der landesherrliche oder Landeswerth. Denn die Münzen

haben ihren Preis, welcher im Handel nach allerlei Umſtänden abweicht (§. 58.

u. 59.), obſchon der innere Münzwerth ſeine Hauptgrundlage bildet, und welcher von

den Staatsgeſetzen für das Land feſtgeſetzt werden kann. Die Devalvation iſt

jene Valvation, wodurch ein Staat gewiſſe Münzen ihrem Zahlwerthe nach herab-

ſetzt oder ganz verruft, d. h. außer Curs ſetzt. Klüber (das Münzweſen. S. 249.)

hält ſie fälſchlich für etwas anderes als Valvation. Beide werden, wenn ſie mehrere

Münzen betreffen, in Valvationstabellen bekannt gemacht. Eine neue

griechiſche Tabelle dieſer Art findet ſich in der Allg. Zeitung 1833. Außerord.

Beilage Nro. 187.

⁹⁾ Die wichtigſten Währungen ſind: a) die rheiniſche (Reichswährung) nach

Gulden zu 60 kr. à 4 Pfennigen; b) die ſächſiſche nach Thalern zu 24 guten Groſchen

à 12 Pfennigen; c) die preußiſche nach Thalern zu 30 Silbergroſchen à 12 Pfen-

nigen; d) die lübiſche nach Marken zu 16 Schillingen à 12 Pfennigen; e) die

hollandiſche nach Gulden zu 100 Cents oder 20 Stüvern à 16 Pfennigen; f) die

franzöſiſche nach Franken zu 100 Centimen; g) die engliſche nach Pfunden Sterling

zu 20 Schillingen à 12 Pfennigen; h) die ruſſiſche nach Silberrubeln à 100 Kopeken

oder 10 Griven à 10 Kopeken.

¹⁰⁾ Galiani, Della Moneta. I. 234. II. 36. Da weder die Kugel- noch die

hohe Cylinderform tauglich iſt, ſo wählte man die Geſtalt eines flachen Cylinders.

Die Bequemlichkeit des Gebrauchs und die Verhütung der Abnutzung ſind in Betreff

der Wahl der Geſtalt entſcheidend (ſ. Preußiſche Staatszeitung von 1832. Nro.

133 folg.). Die Unterſcheidung zwiſchen Grobcourant und Kleincourant

(Scheidemünzen) bezieht ſich auf Geſtalt, Größe und Schwere der Münzen. Aber

die Scheidemünzen unterſcheiden ſich von dem Grobcourant intenſiv durch die ſtärkere

Legirung, den größeren Schlagſchatz und dadurch, daß man eine gleiche Quantität

Silber in Scheidemünzen, weil die Reinigungskoſten größer ſind, wohlfeiler kauft

als in Grobcourant. Klüber Münzweſen. S. 64.

§. 329.

Fortſetzung. b) Das Papiergeld. α) Natur und

Arten deſſelben.

Unter Papiergeld1) verſteht man Papiere, welche mit Zei-

chen verſchiedener Art verſehen ſind, die ihnen die gehörige Sicher-

heit und Bequemlichkeit geben, um im Verkehre das Metallgeld

beim gewöhnlichen Gebrauche vertreten zu können2). Nicht durch

die Uebereinſtimmung ſeiner Eigenſchaften mit jenen des Geld-

materials, ſondern dadurch hat und behält es ſeinen Umlauf, daß

ihm ein an ſich werthvoller Gütervorrath zur Grundlage gegeben

iſt, durch welchen der Papiergeldinhaber die Sicherheit erhält,

auf Verlangen ſogleich den Werth des Papiergeldſtücks in wirk-

lichem guten Metallgelde von Ausgeber des Papiergeldes ohne Abzug

in Empfang nehmen zu können3). Solches Papiergeld kann

emittiren (ausgeben), wer überhaupt in Bezug auf Perſon und

[460/0482]

Vermögen das gehörige Zutrauen beſitzt und die erforderliche Bürg-

ſchaft für die Einlöſung (Honorirung) des Papiergeldes auf jedes-

maliges Verlangen der Beſitzer leiſtet. Gibt es der Staat aus,

dann heißt es Staatspapiergeld (Papiergeld im gewöhnlichen

Sinne); geben aber Privaten, die dazu geſetzlich berechtigt

ſind, daſſelbe aus, dann heißt man es Privatpapiergeld4).

Zur Emiſſion des Lezteren vereinigen ſich in der Regel einzelne

Capitaliſten in Geſellſchaften. Man nennt die Papierzeichen, welche

ſie ausgeben, Noten (Zettel, Banknoten) und die Anſtalt ſelbſt

Zettel- (Noten-) Bank.

¹ Zur Literatur: Büſch's angeführte Schriften über Banken und Münzweſen.

Murhard, Theorie des Geldes und der Münzen. S. 106 folg. Deſſelben

Theorie des Handels. S. 303. 364. Nebenius, der öffentliche Credit (Karlsruhe

1829). I. 136. Ricardo, Proposals for an economical and secure Currency.

London 1816. senior, Lectures on the cost of obtaining Money and on some

Effects of Private and Governments Papermoney. London 1830. Wheatley, an

Essay on the Theory of Money. I. 330. smith, The science of Money. p. 312.

370. Meine Verſuche über Staatskredit. S. 250, wo auch die nationalökonomiſche

Literatur über dieſen Gegenſtand angegeben iſt.

² Daſſelbe muß alſo doch die intenſiven Eigenſchaften des Geldgutes entweder

ſchon an ſich oder von dem zu Grunde liegenden Metallgelde entlehnt haben. Es

muß, wie Metallgeld, ohne Schwierigkeit übertragbar ſein; einem Jeden, der es

beſitzt, das Recht auf die Einlöſung geben (d. h. au porteur, oder auf den Inhaber,

lauten); ſo wie Metallgeld, keinen Gewinn bringen, wenn es nicht in Umlauf iſt;

und, ſelbſt im Umlaufe begriffen, nur die Vortheile des Metallgeldumlaufes

gewähren.

³ Entgegengeſetzter Anſicht iſt z. B. Ricardo in obiger kl. Schrift und in

ſeiner Principles of political Economy. chapt. 27, nämlich, daß die Einlösbarkeit

nicht nothwendig ſei. Die nähere Erörterung dieſer Controverſe gehört in die

Volkswirthſchaftslehre. Hier iſt übeigens aus den Prinzipien des Tauſches und Han-

dels ſchon die Unrichtigkeit der Ricardo'ſchen Anſicht zu erweiſen. Denn in die-

ſem wird ſchon nach der Natur der Sache Niemand ein Gut ohne reellen Erſatz

oder ohne eine ſichere Anweiſung auf einen ſolchen Erſatz eigenthümlich abtreten.

Da im civiliſirten Verkehre Metallgeld das allgemeine Tauſchmittel iſt, ſo wird es

als Gegengabe geſucht werden oder ſtatt deſſelben eine zuverläſſige Anweiſung auf

ſolches. Das Papiergeld, an ſich werthlos, hat blos Geldwerth als Anweiſung; da

dieſe aber das Metallgeld vertreten ſoll, ſo kann ſie ihren Werth blos von dieſem

erhalten; dies iſt aber nur möglich, wenn es beliebig zu Metallgeld verwirklicht

(realiſirt, gegen ſolches ausgetauſcht) werden kann. Dieſes iſt durch beliebige Ein-

lösbarkeit allein ausführbar.

⁴⁾ Das Leztere kann man, in ſoferne es ſich im Verkehre ohne irgend ein

Erzwingen des Umlaufes im Werthe erhält, freies Papiergeld neunen. Auch

kommt dieſe Eigenſchaft ohne Zweifel jenem Papiergelde zu, welches der Staat

unter denſelben Bedingungen, wie die Privaten, ausgegeben hat und ohne Zwang

zum vollen Werthe im Umlaufe erhält. Alles andere Papiergeld iſt erzwun-

genes, aber es iſt begreiflich, daß es nur ein ſolches kraft eines Ausſpruches des

Staats geben kann. S. dagegen Rau polit. Oekonom. I. §. 295.

§. 330.

Fortſetzung. β) Banknoten und Notenbanken insbeſondere.

Unter einer Bank1) verſteht man eine Anſtalt des Handels,

geſtiftet vom Staate oder von Privaten, in welche gewiſſe Münz-

[461/0483]

ſummen zuſammengeſchoſſen und -gehalten werden, um dadurch ein

leichteres Zahlungsmittel, als ſelbſt das Metallgeld iſt, zu begrün-

den und zu garantiren. Eine Bank, welche als ſolches leichteres

Zahlmittel Noten oder Zettel ausgibt, heißt Notenbank. Zur

Gründung einer ſolchen Anſtalt werden Privaten ſich nur geſell-

ſchaftlich vereinigen, wenn ſie aus der Anwendung ihrer Geld-

capitalien Vortheile beziehen können. Dieſer Vortheil entſpringt

aus dem Zutrauen, welches die Bank genießt und kraft deſſen die-

ſelbe mehr Zettel in Umlauf ſetzen kann und darf, als ſie beſtändig

baares Geld in der Kaſſe vorräthig hat2). Es entſteht ſo ein

Ueberſchuß an Geldcapital, welcher zu anderen einträglichen Ge-

ſchäften verwendet werden kann3). Bei dieſen ſämmtlichen

Operationen der Notenbanken iſt aber eine große Behutſamkeit

nöthig, und ſie müſſen immer von dem Hauptgrundſatze ausgehen,

daß ſie ihre Kaſſe ſtets im Stande behalten, um die einlaufenden

Banknoten honoriren und überhaupt alle eingegangenen Baargeld-

verbindlichkeiten pünktlich erfüllen zu können. Es dürfen daher

1) nur ſolche Operationen vorgenommen werden, wodurch ſie im-

mer leicht in den Beſitz der erforderlichen Baarſchaft geſetzt werden

können und nicht von Verluſten bedroht ſind; 2) ſie dürfen im

Ausgeben von Banknoten nicht ſo weit gehen, daß dadurch das

Zutrauen erſchüttert und derſelben Verlegenheiten bereitet werden;

3) ſie müſſen Alles anwenden, um die zuſtrömenden Noten zu

honoriren; und 4) ſie müſſen die ſchleunigſten Mittel aufſuchen

und anwenden, um das Zutrauen wieder herzuſtellen, wenn es

einmal geſunken ſein ſollte.

¹ Büſch, über Banken und Münzweſen. I. Abthlg. Mac-Culloch, Dictio.

nary of Commerce. Art. Banks. Deutſche Bearbeitung. I 61. und Volkswirth-

ſchaftliche Schriften. S. §. 345.

² Die Bank kann dies darum thun, weil der Verkehr eine große Anzahl von

Noten ſtändig in ſich behält, und nur die geringere Menge der Bank zuſtrömt. Sie

vermag ſo viel an Noten zu emittiren, als das Hauptcapital der Bank an Metall-

gelde beträgt, aber alsdann nur einen Theil des Lezteren vorräthig halten; oder ſie

kann mehr Banknoten emittiren als jener Kapitalſtock beträgt.

³ Dieſe Geſchäfte ſind: a) die Einlöſung von Wechſeln vor der Zeit, wann

ſie bezahlt werden müſſen, gegen einen Abzug (das Discontiren), weßhalb man

fälſchlich auch Discontobanken unterſcheiden zu müſſen geglaubt hat; b) Dar-

leihen gegen Fauſtpfänder, Hypotheken, auf perſönlichen Kredit, Bürgſchaften und

laufende (Kaſſen-) Rechnungen, weßhalb Leihbanken fälſchlicherweiſe unterſchieden

worden ſind; c) Beſorgung von Zahlungen für andere Perſonen und Kaſſen;

d) Geſchäfte der Regierung im Staatsſchulden- und Steuerweſen; e) Verwahrung

gerichtlicher und anderer Depoſiten, daher ſie auch mit Unrecht in Depoſiten-

banken unterſchieden wurden; f) Kaufgeſchäfte verſchiedener Art, beſonders in

Edelmetall. — Das Bankproject der Saint-Simoniſten hat noch eine andere Be-

deutung. Man ſ. über deſſen Natur und Fehlerhaftigkeit meine Verſuche über

Staatskredit. S. 443.

[462/0484]

B. Geldkunde.

§. 331.

Vorbegriffe.

Unter Geldkunde verſteht man die Kenntniß der verſchie-

denen Arten des Geldes und der einzelnen beſondern Geldſtücke,

welche es zur Zeit in den Staaten gibt, die mit einander im Ver-

kehre ſtehen, mit Angabe ihrer gegenſeitigen Preis- und Werths-

verhältniſſe. Sie muß daher in zwei Hauptabſchnitte, nämlich die

Metall- und Papiergeldkunde zerfallen.

§. 332.

a) Metallgeldkunde.

Sie heißt im gewöhnlichen Leben Münzkunde, obſchon dieſes

Wort mehr bezeichnet, als obiges1). Wenn ſie Vollſtändiges lie-

fern ſoll, ſo muß ſie folgendes enthalten: a) eine Darſtellung der

verſchiedenen Münzfüße, welche ehedem gebräuchlich waren und es

noch ſind2; b) eine Beſchreibung und Berechnung aller gangbaren

Geld- und Rechnungsmünzen, wobei alſo die Angabe des Metalls,

aus dem ſie beſtehen, des Schrotes, Feingehaltes, des Korns, der

Stückelung, des geſetzlichen Werthes und des Werthes in andern

Münzfüßen nicht fehlen darf.

¹ S. §. 325. Note 1. Gerhardt, Taſchenlexicon der Rechnungsmünzen.

Leipzig 1817. Deſſelben Tafeln über Gold- und Silbermünzen. Berlin 1818.

Nopack, Handbuch der Münz-, Bank- und Wechſelverhältniſſe aller Länder und

Hauptplätze der Erde. Rudolſtadt. 1833. III Bde. Die Anzahl ſolcher Schriften und

Tabellen iſt in neuerer Zeit geſtiegen.

² Blos Deutſchland hatte die Unbequemlichkeiten von neunzehn verſchiedenen

Münzfüßen. Andere Staaten begnügen ſich mit einem einzigen. Jetzt ſind folgende

Hauptmünzfüße in Deutſchland üblich und wichtig: I. Silbermünzfüße: a) der

Leipziger Münzfuß von a. 1690 (ſpäter auch der Hannöveriſche 12 Thlr. oder

18 fl. Fuß bis a. 1818), welcher die ſeine Mark in 1 Thlr. Stücken (24 gGr.),

in ⅔ Thlrn. (16 gGr.), ⅓ Thlrn. (8 gGr.), und Thlrn. (4 gGr.) zu

12 Thlrn, in 2 Groſchenſtücken zu 12⅜, in 1 Gr. Stücken zu 12½, und in

Pfennigſtücken zu 13 Thlrn. oder 19½ fl. ausgeprägt; b) der Berliner (preußi-

ſche, graumänniſche) 14 Thlr. oder 21 fl. Fuß, welcher die Mark fein zu 14 Thlrn.

oder 21 fl. ausprägt, aber eine rauhe Mark von 12 Lothen Korn für 1 Thlr. Stücke

à 30 Sgr., von 10⅔ Loth K. für ⅓ Thlr. Stücke (10 Sgr.), 8⅓ Loth K.

für Thlr., und von 3[FORMEL] Loth Korn in den Silbergroſchen hat; c) der Lü-

biſche Courantfuß von a. 1726, der aus der feinen Mark 11⅓ Thlr. = 34 Marken

oder 17 fl. rhein., den Thaler zu 16 Loth Korn ausprägt; d) der Conventions-

oder 20 fl. Fuß, von a. 1753, welcher die feine Mark zu 13⅓ Thlr. à 24 gGr.

in Sachſen, und zu 10 Speziesthaler à 2 fl. in Oeſterreich ausprägt und der Mark

ein Korn 13⅓ Loth gibt; e) der 24 fl. Fuß, wonach keine Stücke wirklich

geprägt, ſondern in Süddeutſchland die andern Münzen, beſonders des 20 fl. Fußes

berechnet werden, indem man die feine Mark zu 16 Thlr. oder 24 fl., oder die

Münzen des 20 fl. Fußes um höher im Zahlwerthe rechnet; f) noch manchfache

Abweichungen von den lezteren beiden Münzfüßen, zu 24½, 25 fl. u. ſ. w.,

[463/0485]

² beſonders in Scheidemünzen. II. Goldmünzfüße: a) der Dukatenfuß, nach

welchem 68,027 Dukaten aus der feinen Mark geſchlagen werden und die rauhe

Mark 23⅔ Karat Korn hat; b) der Piſtolenfuß, wonach 38,7 Stücke Piſtolen

aus der feinen Mark geſchlagen werden und die Mark rauh 21 Karat 5,5 Grain

Korn hat. Man unterſcheidet übrigens geſetzmäßige und Paſſir-Dukaten und

Piſtolen. Jene ſind nach dem geſetzlichen Fuße ausgeprägt, dieſe aber abweichend

ausgemünzt und werden aber dennoch durch einander zu einem beſtimmten Werthe

angenommen.

§. 333.

b) Papiergeldkunde.

Sie iſt die Kenntniß der verſchiedenen Arten des im Verkehre

vorkommenden Papiergeldes, ſei es vom Staate oder von Noten-

banken emittirt. Da die Darſtellung der Papiergeldarten nicht

gründlich geſchehen kann, ohne die Verhältniſſe der daſſelbe aus-

gebenden Anſtalten zu erörtern, ſo iſt die Papiergeldkunde zugleich

die Geſchichte und Statiſtik der beſtehenden Staats- und

Privatnotenbanken1).

¹ Die wichtigſten Notenbanken ſind jetzt die Bank von England, die britiſchen

und iriſchen Privatbanken, die franzöſiſche Bank, die Oeſterreichiſche Nationalbank,

die Stockholmer, Kopenhagener, Petersburger Bank, die Notenbank zu Rio Janeiro,

Amſterdam, Chriſtiania, Warſchau, Brüſſel, Liſſabon und die nordamerikaniſchen

Privatbanken. Man ſ. über ihre Verhältniſſe Mac-Culloch, Dictionary of Com-

merce, Deutſche Ueberſetzung I. 72 folg. Die §. 327. Note 1 angef. Schrift von

Novack. Hufeland, Neue Grundlegung der Staatswirthſchaftskunſt. Bd. II. 143.

Cohen, Compendium of Finance. London 1822. gr. 8. storch, Cours d'Economie

politique, überſetzt von Rau. III. 63. smith, The science of Money. p. 151.

Rau, politiſche Oekonomie. I. §. 310 folg. say, Cours complet d'Economie po-

litique. III. 58. 98. Ueberſetzt von v. Th. III. 46. 77. Meine Verſuche über

Staatskredit, a. v. St.

III. Von den Effecten.

A. Effectenlehre.

§. 334.

Vorbegriffe.

Die Effecten (Verſchreibungen) ſind Schuldurkunden,

welche nicht als Umlaufsmittel wie das Papiergeld1), ſondern

blos als für Geld käufliche und verkäufliche Waaren umlaufen.

Die Effectenlehre iſt die Wiſſenſchaft von den qualitativen und

quantitativen Verhältniſſen der Verſchreibungen. Die Verſchrei-

bungen ſind entweder ſolche, welche die Schuld und Zinspflichtig-

keit des Ausſtellers ausſprechen, oder ſolche, welche keine Zins-

pflichtigkeit, aber die Schuld des Ausſtellers und in der Regel

einen Zahlungsauftrag an einen Andern ausdrücken2).

¹ Ihre Beſtimmung iſt nicht die des Papiergeldes (§. 329. N. 2); mit ihrer

Uebertragung auf Andere ſind Förmlichkeiten verbunden; ſie gewähren außerhalb des

[464/0486]

¹ Umlaufes Vortheile, z. B. Zinſen; ſie lauten nicht immer auf den Inhaber.

sismondi, Richesse Commerciale. I. 160. Rau, polit. Oekonom. I. §. 293. N. b.

² Eine durchgreifende Unterſcheidung iſt erſtaunlich ſchwer. Rau (Grundriß

der Kameralwiſſ. §. 180. 181.) ſondert ſie in ſolche, welche nur den Ausſteller

verpflichten, und ſolche, die einen Zahlungsauftrag enthalten. Dieſer Unterſchied

iſt nicht ſcharf genug; denn auch ein Bürge übernimmt gewiſſe Pflichten, und der

trockene Wechſel enthält keinen Zahlungsauftrag.

§. 335.

1) Zinsverſchreibungen. a) Privatſchuldbriefe, b) Actien.

Die im vorigen §. genannten Zinsverſchreibungen ſind aus-

gegangen:

a) Entweder von Privatleuten, verſchiedenen Vermögens und

Ranges, und heißen dann Privatſchuldbriefe (Privatobli-

gationen). Sie ſind entweder Pfandurkunden oder Hand-

ſchriften (Schuldſcheine), jenes wenn für die Schuld eine

Hypotheke ausgeſetzt, dieſes wenn keine ſolche gegeben iſt1).

b) Oder von einer Geſellſchaft, welche ihr Kapital an die

einzelnen Mitglieder ſchuldet und heißen dann Actien (Antheil-

ſcheine). Zum Behufe irgend einer Unternehmung, welche großen

Capitalſtock erheiſcht, z. B. zu Banken, Kanalbauten, Eiſen-

bahnen c. wird eine Geſellſchaft geſtiftet, welche das erforderliche

Capital in eine beſtimmte Anzahl gleicher Theile abtheilt, und,

wer Luſt zur Theilnahme haben ſollte, eingeladen. Wer eintritt,

der hinterlegt in den Fonds derſelben einen oder mehrere ſolcher

gleichen Summen (Miſen) baar und erhält für jeden einen An-

theilſchein, in der Regel gegen die gleichmäßige Verpflichtung,

ſeine Capitalſumme der Geſellſchaft nicht aufzukündigen, wogegen

dem Verbündeten (Actionnair) der Verkauf ſeiner Actie frei-

ſteht, damit er nicht immer als Actionnair gebunden zu ſein

braucht. Wer ſie kauft, tritt auch in des früheren Beſitzers

Rechtsverhältniß zur Geſellſchaft, worunter hauptſächlich ſein

Anſpruch auf den entſprechenden Theil der geſellſchaftlichen Capi-

talſtocks und auf den beſtimmten Theil (die Dividende) des

Gewinnſtes gehört, anderſeits aber auch der entſprechende Theil

an dem ſich ergebenden Verluſte gerechnet werden muß2). Andere

Rechte ſind aber z. B. die Theilnahme an der Verwaltung des

Vermögens und Geſchäftes, Wahlfähigkeit zu Beamtenſtellen der

Geſellſchaft u. ſ. w.

¹ Sie lauten meiſtens auf beſtimmte Perſonen, und ſind mit Förmlichkeiten

abtretbar. Es gibt aber auch ſolche von hohen Perſonen von großem Vermögens-

beſitze und haben dann öfters um ſo mehr die im §. 336. beſchriebene Ein-

richtungen, als ſie Antheilſcheine an einem großen Anleihen ſind, das wie ein

[465/0487]

¹ Staatsanleihen negoziirt iſt. Es gibt noch mancherlei Obligationen dieſer Art,

z. B. von ehemals ſouveränen fürſtlichen, gräflichen Häuſern u. dgl. In dieſem

lezten Falle geſchieht die Verzinſung und Tilgung auf ähnliche oder die nämliche

Art, wie bei den Staatsobligationen.

² Dieſe Actien lauten entweder auf den Inhaber oder auf beſtimmte Perſonen.

Die Geſellſchaft hat entweder die Verpflichtung eingegangen, periodiſch eine gewiſſe

Quantität Actien zu tilgen, oder ſie hat dies nicht gethan. Dies hängt von der

Natur des Geſellſchaftsgeſchäftes ab; ſowie es auch von den Handelsverhältniſſen

abhängt, ob, wann und wie viel Actien getilgt werden ſollen, wenn ſich die Geſell-

ſchaft hierin nicht beſchränkt hat. Die Verzinſung und Tilgung ſelbſt geſchieht in

der Regel unter den Formen der Staatsanleihen. Die Geſchäfte der Verwaltung

ſelbſt ſind aber nach der Natur der Unternehmung verſchieden.

§. 336.

Fortſetzung. c) Gemeindeobligationen; d) Staats-

obligationen.

Die Zinsverſchreibungen können auch ausgegangen ſein:

c) Von Gemeinden und heißen dann Gemeindeobligationen.

Sie ſind entweder Obligationen von Landgemeinden oder Stadt-

obligationen. Jene haben ſo wie die Obligationen kleinerer und

mittlerer Städte das Meiſte mit den Privatobligationen gemein.

Die Obligationen großer Städte, wie z. B. Wiener, Pariſer,

Londoner Stadtobligationen, dagegen haben meiſtens die Formen

von Staatsobligationen.

d) Oder von Staaten und heißen dann Staatsobligationen

St. Schuldſcheine, St. Papiere, franz. fonds publics, effets

publics, engl. stocks)1).

A. Arten der Staatsobligationen2). Dieſelben ſind

verſchieden nach der Art der Anleihen. Hiervon aber hat man

folgende:

1) gegenſeitig aufkündbare, mit landüblichen Zinſen und getrenn-

ter Tilgung und Verzinſung;

2) gegenſeitig unaufkündbare, unter dieſen aber wieder

a) ſolche, deren Tilgung und Verzinſung vertragsmäßig

beſtimmt und außerhalb der Willkühr der Contrahenten

geſetzt iſt, nämlich:

α) entweder Anleihen mit feſten Tilgterminen, ge-

trennt von der Verzinſung,

β) oder Anleihen mit feſten Tilgterminen, verſchmol-

zen mit der Verzinſung (Zeit-, Leibrenten, Ton-

tinen, Lotterieanleihen)3);

b) ſolche, deren Verzinſung in jährlichen Renten beſteht

und deren Tilgung blos durch Aufkauf aus dem freien

Verkehre Statt findet (immerwährende Renten)4);

3) einſeitig vom Staate aufkündbare (auch Renten genannt)5).

Baumſtark Encyclopädie. 30

[466/0488]

B. Negociation und Formen der Staatsanleihen

und Obligationen. Die Staatsanleihen werden entweder auf

Subſcription oder auf dem Wege der eigentlichen Negoziirung ver-

wirklicht, in welchem lezteren Falle der Staat die vortheilhafteſten

Anerbietungen annimmt. Die Obligationen lauten aber entweder

auf den Inhaber oder auf namentlich angeführte Perſonen. Im

lezteren Falle heißen ſie Inſcriptionen, weil ſie nämlich ſämmt-

lich in einem großen Buche aufgeſchrieben ſind, und jedesmal auf

einen anderen Beſitzer in demſelben umgeſchrieben werden, wenn

ſie an eine andere Perſon abgetreten werden. Zur Erleichterung

der Ueberſicht, der Zins- und Tilgoperationen, und aus polizei-

lichen Rückſichten werden ſämmtliche Obligationen eines Anleihens

in Reihen (Serien) und dieſe in einzelne Nummern abgetheilt.

C. Verzinſung und Tilgung der Staatsanleihen.

Die Zinſen der Staatsſchuld werden terminweiſe erhoben, und man

kann ſich zuweilen und in manchen Staaten auch an andern Plätzen

als in der Hauptſtadt, wo die Tilg- und Zinskaſſe iſt, ausbezahlen

laſſen. Bei jeder Zinszahlung gibt man eine von den Quittungen

(Coupons), welche den Obligationen beigegeben werden, hin, und

ſie werden erneuert, wenn ſie alle abgegeben ſind, ohne daß das

Anleihen anheim bezahlt wurde. Zuweilen erlaubt ſich ein oder der

andere Staat mit Einwilligung der Gläubiger eine Herabſetzung

der Zinſen (Zinſenreduction). Zur Anheimzahlung der Schul-

den haben die Staaten außerordentliche und ordentliche Quellen.

Die lezteren ſind planmäßig berechnet und bilden die Grundlage

der Tilgplane, wozu eigene Tilg- oder Amortiſationskaſſen

eingerichtet und beſonders verwaltet werden. Die Tilgung geſchieht

entweder in beſtimmten voraus ſtipulirten Terminen oder, wo dieſe

nicht einberaumt ſind, wie z. B. bei den immerwährenden Renten,

in der Art, daß die Tilgkaſſe durch Commiſſaire aus freier Hand

Aufkäufe an Obligationen macht. Im erſten Falle werden die

anheim zu bezahlenden Obligationen durch das Loos beſtimmt.

Die Ziehung, welche nach Serien und Nummern geſchieht, geht

der Zahlung immer einige Monate vorher.

¹ Zur Literatur: Nebenius, der öffentliche Credit. Carlsruhe 1829. 2te Aufl.

Ir Bd. (claſſiſch). v Gönner, Von Staatsſchulden. München 1826. 1te Abthl.

Bender, der Verkehr mit Staatspapieren. Göttingen 1830. 2te Auflage (mehr

juriſtiſch, als techniſch). Meine Verſuche über Staatskredit, Staatsſchulden und

Staatspapiere. Heidelberg 1833.

² Meine Verſuche S. 225. vrgl. mit Nebenius I. 314. v. Gönner I. §. 41.

³ Die Zeitrenten werden jedem einzelnen Gläubiger und deſſen Rechtsnachfolger

eine Reihe von Jahren hindurch, — die Leibrenten nur ſo lange, als er lebt, —

und die Tontinen an eine ganze Geſellſchaft, bis das lezte Glied geſtorben iſt, aus-

[467/0489]

³ bezahlt und enthalten in jeder Zahlung einen Theil des Capitals nebſt den Zinſen.

Die Lotterieanleihen haben ihren Namen daher, daß die Zinszinſen, ein Theil der

Zinſen oder ſelbſt auch ein Theil des Capitals zu einem gemeinſchaftlichen Fonds

zurückbehalten werden, aus dem jedes Jahr eine Summe zu verſchiedenen Gewinnſten

ausgehoben und abgetheilt wird. Das Loos entſcheidet ebenſo, wie über die anheim-

zuzahlenden Obligationen (Looſe), auch über die Treffer unter dieſen Lezteren und

der geringſte Bezug ſoll immer gleich dem urſprünglichen Capitale ſammt den rück-

ſtändigen Zinſen ſein, im Falle daß die Lezteren nicht jährlich ausbezahlt, ſondern

bis zur Schuldentilgung zurückbehalten werden.

⁴⁾ ⁵⁾ Den Namen Renten und immerwährende Renten (franz. Rentes perpe-

tuelles, engl. Perpetual Annuities) haben ſie daher, weil ihre Tilgungszeit ganz im

Belieben des Staats liegt.

§. 337.

2) Zinsloſe Verſchreibungen. a) Wechſel.

Unter Wechſel (franz. Lettre de Change, ital. Cambio,

engl. Bill of Exchange) verſteht man eine, den Namen Wechſel

ausdrücklich führende und darum unter beſondere Rechts- und

Prozeßgeſetze geſtellte ſchriftliche unverzinsliche Urkunde, welche

die von Jemanden übernommene Verbindlichkeit ausgedrückt ent-

hält, zu einer gewiſſen Zeit an beſtimmten oder unbeſtimmten Orte

eine Geldſumme ſelbſt oder durch einen Anderen an eine zweite

Perſon auszubezahlen1). Das Wechſelinſtitut an ſich bietet fol-

gende Hauptmomente der Betrachtung:

A. Entſtehung des Wechſels. Er verdankt ſie den mit

ihm verbundenen manchfachen Vortheilen im Handel und Verkehre,

nämlich nicht blos als Erleichterungsmittel der Zahlungen, als

Mittel zur ſchleunigen Benutzung des Kredits, als Urkunde von

der größten Sicherheit im Handel, und als Gegenſtand eines ge-

winnreichen Handels, ſondern auch wegen ſeiner Bequemlichkeit,

für jeden Reiſenden2).

B. Perſonen des Wechſels. Es kommen im Wechſel drei

Perſonen vor, nämlich der Wechſelausſteller (Zieher, Traſſant,

Tireur), der Wechſelkäufer (Inhaber, porteur, beziehungs-

weiſe auch Remittent, Präſentant) und der Wechſelzahler (Be-

zogene, Traſſat, beziehungsweiſe auch Acceptant)3).

C. Erforderniſſe und Umlauf des Wechſels. Der

Wechſel ändert ſeine Geſtalt nach den verſchiedenen Stadien ſeines

Umlaufes, und die ſich einſtellenden Erforderniſſe ſind, weil von

ihnen ſeine Rechtsgiltigkeit abhängt, von äußerſter Wichtigkeit.

Man unterſcheidet am beſten folgende Stadien des Umlaufs:

α) wann ihn der Ausſteller übergibt4); β) wann er von der Hand

eines Käufers in die des anderen übergeht5); γ) wann er beim

Bezogenen präſentirt wird6); δ) wann er vom Bezogenen bezahlt

(honorirt) wird7).

30 *

[468/0490]

D. Arten des Wechſels. Die Wechſel ſind verſchiedener

Art: α) je nach den darin genannten Perſonen8); β) nach der

Zeit, wann ſie bezahlt werden müſſen9); γ) nach der Uebernahme

derſelben10); δ) nach der merkantiliſchen Urſache der Zahlungs-

pflicht des Bezogenen11); ε) nach dem Orte der Fälligkeit der Zah-

lung12); ζ) und nach der Menge der ausgeſtellten Exemplarien13).

E. Aechtheit und Verfälſchung des Wechſels. Man

unterſcheidet die ächten, falſchen, d. h. ſchon falſch ausgeſtellten,

und die verfälſchten, d. h. während ihres Umlaufs trügeriſch

veränderten Wechſel14).

¹ Zur Literatur: Büſch Darſtellung. I. 56. Leuchs Syſtem. I. §. 239.

II. §. 483. Bleibtreu Handbuch. S. 64. Murhard Theorie. I. 357. Ben-

der Wechſelrecht. I. 213. Muſäus Wechſelrecht. §. 111. 116. und andere Schrif-

ten über Handels- und Wechſelrecht. Ueber den Begriff von Wechſel ſind die Rechts-

gelehrten uneinig. Die Handelslehre nimmt ihn von der rein merkantiliſchen Seite.

² Auch um die Entſtehung oder Erfindung des Wechſels ſtreiten ſich die

Rechtsgelehrten. In der Mitte des 13ten Jahrhunderts trifft man ſchon ſichere

Spuren; am Anfange des 14ten Jahrhunderts aber iſt das Wechſelinſtitut ſchon weit

ausgebildet. Ehe man Geldwechſelgeſchäfte kannte, alſo vor den Geldwechslern

(Campsores), kann der Wechſel nicht vorkommen. Hüllmann Städteweſen im

M. A. I. 442. v. Martens, Verſuch einer hiſtoriſchen Entwickelung des wahren

Urſprungs des Wechſelrechts. Göttingen 1797. S. 8 folg.

³ Auch über die Anzahl der Wechſelperſonen ſind die Juriſten im Streite.

Allein die Natur der Sache bringt ſchon drei mit ſich. Wenn mehrere Namen vor-

kommen, ſo drücken dieſe nur verſchiedene Beziehungen einer und derſelben Perſon

aus. S. unten Note 8.

⁴⁾ Er muß ausdrücken den Namen Wechſel, Ort und Zeit der Ausstel-

lung, Addreſſe des W. Empfängers mit dem Zuſatze „an die Verordnung (Ordre)“,

jene des Traſſaten, die Beſtimmung der Qualität und Quantität der W. Summe

(Valuta) in Zahlen und Buchſtaben, Ort und Zeit der Fälligkeit (Zahlbarkeit), die

Unterſchrift des Ausſtellers, die Beſcheinung und Anzeige der Art des Empfangs

oder der Verrechnung der Valuta durch die Beiſätze, z. B. Werth erhalten, ver-

gnügt, contant, W. in Waaren, W. verſtanden, W. in Rechnung u. dgl., und

die Notiz an den Traſſaten, wie er dem Traſſanten die Valuta verrechnen ſoll, z. B.

ob nach beſonderm Berichte, Avis u. dgl.

⁵⁾ Dann muß auf der Rückſeite des Wechſels die Uebertragung kurz angezeigt

werden. Man heißt dieſes das Indoſſament oder Giro, den Uebertragenden

aber Indoſſant oder Girant, und den Uebernehmer Indoſſatar oder Gira-

tar. Giro in bianco iſt ein Indoſſament mit leerem Platze für den Namen des

Giratars.

⁶⁾ Hier kommt vor die Beſcheinigung der Acceptation des Wechſels. Man unter-

ſcheidet die ordentliche und die außerordentliche Acceptation. Jene iſt die gewöhn-

liche Annahme des Wechſels ohne irgend einen Widerſpruch. Dieſe aber findet Statt,

wenn der Traſſat den Wechſel nicht in ſeiner vollen Form, oder wenn ihn der für

den Fall der Noth Addreſſirte (die Nothaddreſſe) oder ein Dritter im Wechſel nicht

Genannter zu Gunſten, Ehren oder Freundſchaft des Ausſtellers oder Inhabers

acceptirt. Dies iſt die Intervention zu Ehren. Im Falle einer ganzen oder theil-

weiſen Verweigerung der Acceptation wird die Erklärung des Nichtacceptanten auf

Veranlaſſung des Inhabers gerichtlich zu Protocoll genommen. Dieſe Rechtshandlung

heißt Proteſt.

⁷⁾ Dann wird auf den Wechſel die Zahlung beſcheinigt. Die Zahlung kann

aber in manchen Städten einige Tage (Reſpecttage) über den Verfalltag noch

[469/0491]

⁷⁾ hinaus verſchoben werden. Entweder zahlt der Traſſat aus eigenen Mitteln, oder

er hat die W. Summe vom Traſſanten (die Proviſion) zugeſchickt erhalten. In

der Regel hat er aber bereits einen Brief zur Nachricht (einen Aviſo) empfangen.

Man nennt dieſen Brief Spaccio (vielf. Zahl Spachi oder Spachij), wenn darin

mehrere Wechſel für einige Zeit angekündigt werden.

⁸⁾ Nämlich: a) trockene (eigene) Wechſel, worin der Ausſteller blos

verſichert, daß er nach Wechſelrecht bezahlen werde, und alſo die Perſon des

Traſſanten und Traſſaten vertritt; b) traſſirte (gezogene) Wechſel (Trat-

ten), worin dieſe beide Perſonen verſchieden ſind; c) Tratten auf eigene

Ordre, worin der Ausſteller für ſich ſelbſt und für eigene Verordnung (nämlich

W. Inhaber) traſſirt; d) fingirte Wechſel, worin der Name des Inhabers

blos fingirt iſt; e) Tratten für fremde Rechnung, worin der Ausſteller auf

Rechnung eines Zweiten für eine Forderung an denſelben und mit deſſen Erlaubniß

die Wechſelſumme auf einen Dritten traſſirt. Die Wechſel c und d werden aus-

geſtellt, z. B. um die Acceptation zu verſuchen. Die Wechſel e müſſen immer

einen Aviſobrief voraus haben.

⁹⁾ Nämlich: a) Sichtwechſel, zahlbar auf Sicht, d. h. bei der Präſen-

tation; b) Piacerewechſel (a volonté, a piacere), nach Belieben des Präſen-

tanten zahlbar; c) Uſowechſel (nach Uso), nach Gebrauch zahlbar; d) Dato-

wechſel (a Dato), eine beſtimmte Zeit nach dem Datum des Wechſels zahlbar;

e) Präciswechſel, auf dieſes Datum fällig; f) Meßwechſel, auf einer be-

ſtimmten Meſſe zu honoriren.

¹⁰⁾ Nämlich: a) Interimswechſel, d. h. Beſcheinigung desjenigen, der

den Wechſel ausſtellen will, daß er die W. Summe bereits erhalten und den Wechſel

in beſtimmter Zeit zu liefern habe; oder umgekehrt die Beſcheinigung desjenigen,

der den Wechſel nöthig hat, daß er denſelben erhalten und die W. Summe in

beſtimmter Friſt zu entrichten habe; b) Rückwechſel, d. h. die unter Wechſel-

form gegebene ſchriftliche Forderung, welche der Wechſelinhaber wegen verweigerter

Acceptation an denjenigen geſetzlich zu machen hat, der ihm den Wechſel verkauft

hat; c) gemachte Wechſel, d. h. ſolche, welche der W. Verkäufer ſchon von

anderen erhalten hat und durch Indoſſament übergibt; d) indoſſirte oder

girirte Wechſel (Note 5); und e) Wechſel von der Hand, von Verkäufer

ſelbſt neu ausgeſtellt.

¹¹ Hiernach ſind ſie verſchieden mit Bezug auf die im Wechſel deßhalb ge-

brauchten Ausdrücke (Note 4). Eine beſondere Art derſelben ſind die Abſchluß-

wechſel (Appunti, Appoints), die nämlich gerade für einen Schuldreſt beim Rech-

nungsabſchluſſe ausgeſtellt werden.

¹² Das ſind a) domicilirte Wechſel, welche an einem andern als dem

Wohnorte des Bezogenen zahlbar ſind; b) aller Orten zahlbar geſtellte

Wechſel; c) prolongirte Wechſel, die nach der erſten Verfallzeit auf eine

weitere Friſt verlängert werden.

¹³ Man unterſcheidet die Solawechſel, Wechſelduplicate und Wech-

ſelcopien. Die Solawechſel haben keine Duplicate, ſondern exiſtiren allein

in einem einzigen Originale. Die Duplicate, wovon die Exemplarien der Reihe

nach Prima, Secunda, Tertia, Quarta heißen, ſind lauter Originalien, und auf den

Secunda und folg. Wechſeln muß bemerkt ſein, wo Prima zu finden ſei. Es wird

nur ein Original honorirt. Die Wechſelcopie, welche es von jedem Wechſel

geben kann, iſt eine wörtliche Abſchrift des Wechſels mit Angabe von Ort und

Perſon, wo und bei welcher das Original deponirt iſt. Die Copie kann dann wie

ein Original umlaufen.

¹⁴⁾ Daher iſt in allen Wechſelgeſchäften die größte Behutſamkeit nöthig.

[470/0492]

§. 338.

Fortſetzung. b) Anweiſungen; c) Handelsbillets.

Unter Anweiſung (Aſſignation) verſteht man eine den Namen

Anweiſung, aber nicht Wechſel, führende Urkunde von der

übrigen Form eines Wechſels1).

Aber Handelsbillets ſind Scheine zwiſchen Handelsleuten,

worin die durch einen Kauf zugezogene Schuldſumme von dem

Käufer anerkannt und die Zahlung nach Ablauf einer Friſt (nöthi-

genfalls unter Wechſelſtrenge) verſprochen wird. Sie verdanken

ihre Entſtehung dem Handel, ſind aber jetzt auch ohne Handels-

geſchäft und unter Nichthandelsleuten gebräuchlich2). Es gibt

deren in Deutſchland3), Frankreich4) und England5) verſchiedene

Arten, und es iſt überhaupt in jedem Lande die beſondere Geſetz-

gebung darüber zu ſtudiren.

¹ Die kaufmänniſche Anweiſung dieſer Art hat eine andere Bedeutung als

die gewöhnliche. Bender Wechſelrecht. II. S. 33.

² Sie muß ausdrücken: die Kreditſumme nach Münzfuß und Währung, die

Zeit der Fälligkeit, den Grund der Schuld, die Unterſchrift des Schuldners, den

Namen des Gläubers, das Datum der Ausſtellung und die Anerkennung der Wechſel-

ſtrenge für den Fall der Noth.

³ Das Badiſche Handelsrecht Art. 190. unterſcheidet z. B. die Zettel auf

Erhebung (blos an den darin Genannten zahlbar), Zettel auf Umlauf (auf

jeden Giratar zahlbar) und die Zettel auf den Inhaber (blos vom Staate oder

offenen Wechſelhäuſern ausgeblich). In Preußen iſt wegen der Ausſtellung von

Papieren der lezten Art eine Verordnung vom 17. Juni 1833 erſchienen. S. Preuß.

Geſetzſammlung 1833. Nro. 11.

⁴⁾ In dieſem Lande hat man a) Billets à ordre, ein Handelsbillet mit dem

ausdrücklichen Zuſatze bon oder approuvé pour ...... welche vom Geſetze aner-

kannt ſind (Code civil. Art. 1326.); b) Billets à domieile, Handelsbillets mit

einem vom Ausſtellungsorte verſchiedenen Zahlungsorte (Merlin Répertoire. VIII.

767.); c) Billets au porteur, ſolche, die auf den Inhaber lauten oder worin der

Name des Inhabers nicht ausgefüllt iſt.

⁵⁾ In dieſem Staate gibt es: a) Promissory Notes, Scheine, worin der

Ausſteller nach beſtimmter Zeit an eine Perſon oder deren Ordre eine Summe zu

bezahlen verſpricht, ſie gelten in England für inländiſche Wechſel, ſind girirbar und

lauten oft auf den Inhaber; b) Bankers Notes, auf den Inhaber geſtellte Caſſa-

ſcheine, auf Sicht zahlbar und von Bankern ausgeſtellt, auch dieſe ſtehen den inlän-

diſchen Wechſeln gleich; c) Checks, Gutſcheine, welche im Clearinghouse (Abrech-

nungshauſe) zu London unter den Handelshäuſern, die ſich dazu vereinigt haben

und dort Commis zur Buchführung halten, wechſelſeitig für Forderungen übergeben

und abgeglichen werden. Babbage Maſchinenweſen. §. 141. 142.

B. Effectenkunde.

§. 339.

Die Effectenkunde iſt die Kenntniß von den verſchiedenen

Arten und Verhältniſſen der aufgeführten Verſchreibungen in den

[471/0493]

verſchiedenen Ländern. Sie muß, wenn ſie vollſtändig ſein ſoll,

nicht blos die verſchiedenen Verhältniſſe der Actiengeſellſchaften

und Actien, Staatsſchuldverhältniſſe und Staatsobligationen, wech-

ſelgeſetzlichen und wechſelgebräuchlichen Verhältniſſe der Länder,

ſondern auch diejenigen Privat- und Gemeindeobligationen und

Actien aufzählen und ihren Verhältniſſen nach erklären, welche im

Handel vorkommen1).

¹ Ueber Obligationen und Actien ſ. m. Feller, Archiv der Staatspapiere.

Leipzig 1830. Meine Verſuche über Staatskredit. S. 578. Heinemann, die

Staatspapiere und der Verkehr mit ſelbigen. Berlin 1832. Ueber die Wechſelver-

hältniſſe ſ. m. §. 332. Note 1.

Zweite Unterabtheilung.

Die Lehre von der Gegengabe im Handel.

I. Vom Preiſe im Handel.

§. 340.

Die Gegengabe im Handel iſt nichts als der Handelspreis (§. 56-

61.). Derſelbe richtet ſich nicht blos nach den Regulatoren des Preiſes

im Allgemeinen, ſondern iſt auch ebenſo verſchiedener Art als die Han-

delsobjecte. Insbeſondere werden, obſchon das Geld das allgemeine

Handelsmittel iſt, die Preiſe nicht immer in Geld bezahlt. Viel-

mehr je ausgedehnter das Handelsgeſchäft iſt, um ſo weniger ge-

ſchehen die Zahlungen zwiſchen den Handelsleuten ſelbſt unmittelbar

in Baarem. Deshalb iſt es unrichtig und hat ſchon viele falſche

Schlüſſe verurſacht, wenn man bei dem Ausdrucke Preis blos

einen Geldpreis dachte. Der Preis der Waaren muß übrigens,

wenn ſie aus der Hand des Kaufmannes bezogen werden, beſtehen:

a) aus dem Einkaufspreiſe, den derſelbe ausgelegt hat; b) aus

den Handelsunkoſten verſchiedener Art; c) aus den Zinſen des im

Waarenpreiſe vorausgelegten Capitals; d) aus dem die Waare

betreffenden Antheile an dem Zinſe des ganzen allgemeinen Hand-

lungskapitals, und e) aus dem entſprechenden Theile des Gewerbs-

gewinnes des Handlungsunternehmers.

II. Von der Erſtattung des Preiſes.

§. 341.

Entweder wird der Preis der Waaren ſogleich nach Empfang

derſelben in den üblichen Umlaufsmitteln bezahlt oder die Zahlung

wird mit Einverſtändniß des Verkäufers hinausgeſchoben oder ſie

geſchieht durch gegenſeitige Abgleichung von Forderungen und

[472/0494]

Schuldigkeiten, oder endlich ſie geſchieht durch Umſchreiben in

einem gemeinſchaftlichen Buche unter Zugrundelegung eines baaren

gemeinſchaftlichen Fonds.

A. Von der Bezahlung.

§. 342.

Die Bezahlung geſchieht entweder vor, oder zur, oder nach

der Zeit der Fälligkeit, wie ſie im Handel angenommen iſt. Der

erſte Fall geſtattet dem Zahler einen Zinſenabzug für die Zeit,

um welche er zu frühe bezahlt. Dieſer Zinſenabzug heißt Rabatt

oder Disconto1). Der lezte Fall aber berechtigt den Empfänger

zu einer Zinsforderung für die Zeit, um welche zu ſpät bezahlt

worden iſt. Der Schuldner macht ſeine Zahlung ſelbſt oder durch

einen Commiſſionär; ebenſo kann ſie auch der Gläubiger in Em-

pfang nehmen laſſen. Der Commiſſionär braucht dazu eine Voll-

macht, wenn er nicht durch Anweiſung, Wechſel oder Billet dazu

autoriſirt iſt. Auf die geleiſtete Zahlung erfolgt eine Quittung.

¹ Die Zahlung deſſelben beruht eigentlich auf dem Satze, daß, wenn z. B.

Einer eine Summe erſt nach 1 Jahr bezahlen ſolle, dieſelbe aber jetzt ſchon bezahlt,

er keineswegs den Zins von dem zu bezahlenden Capitale abziehen, ſondern nur ein

ſolches Capital bezahlen darf, welches nach einem gewiſſen Procente mit ſeinem

einjährigen Zinſe am Ende des Jahres gerade ſo viel ausmacht, als die wirkliche

Schuldſumme beträgt. Auf jene an ſich unrichtige Art wird er im Handel berechnet.

Auf dieſe, richtige, Methode findet man denſelben leicht nach der Formel

[FORMEL], wo S = ganzen Summe, wovon der Rabatt zu zahlen

iſt, p = dem angenommenen Procente und [FORMEL] = dem Rabatte von 1 (fl.,

Thlr., L., Mark c.).

B. Von dem Verſchieben der Zahlung.

§. 343.

Die Verſchiebung der Zahlung ſetzt den Kredit voraus, d. h.

das Zutrauen auf den Willen und das Vermögen des Schuldners

eine freiwillig eingegangene Verpflichtung oder verſprochene Leiſtung

zu erfüllen1). Der Geldkredit iſt nur eine beſondere Art des-

ſelben, und der Handelskredit iſt jenes hohe Zutrauen der Han-

delsleute unter einander in Bezug auf alle Verſprechungen, Lei-

ſtungen und Geſchäfte, welches dem Handel eigenthümlich iſt und

als lezte Grundlage dient. Der Kredit iſt entweder perſönlicher

(auf den Willen) oder hypothekariſcher (auf ausgeſetztes Ver-

mögen). Deshalb unterſcheidet man auch chirographiſche (hand-

ſchriftliche, Buch-, Current-) und hypothekariſche Schulden2).

[473/0495]

Jene Schulden ſind im Handel gewöhnlich unter den Kaufleuten

bis zur Abrechnung und ſie beruhen auf dem kaufmänniſchen Kre-

dite. Dem Handelsmanne muß daher viel an deſſen Erhaltung

gelegen ſein und er findet die Mittel dazu in der pünktlichen

Führung ſeiner Handlung, in ſoliden Geſchäften und Geſchäfts-

verbindungen, ſo wie durch genaue Erfüllung ſeiner Verbindlich-

keiten3). Es werden für die Buchſchulden im Handel keine Zinſen

bezahlt, aber für die anderen.

¹ Meine Verſuche über Staatskredit. S. 6.

² Büſch Darſtellung. I. 35. II. 61.

³ Büſch. I. 35. II. 54.

C. Von dem Compenſiren und Scontriren.

§. 344.

Es werden viele Baarzahlungen erſpart, wenn man gegenſeitig

im Handel die Schulden und Forderungen abgleichen kann. Denn

es bedarf in dieſem Falle höchſtens der Zahlung des Schuldreſtes.

Es treten, da man im Handel dieſes Mittel benutzt, hauptſächlich

zwei Fälle ein, nämlich a) das Compenſiren (Abrechnen, Ab-

gleichen), wenn zwei Handelsfreunde ihre gegenſeitigen Forderun-

gen, jeder ſeinerſeits zuſammenrechnen, dann gegenſeitig aufheben

und einen etwaigen Reſt ausbezahlen; b) das Scontriren (Ris-

contro, Contrapoſition, Ueberweiſung, Viremens), wenn eine

ſolche, aber natürlicherweiſe complizirtere, Abrechnung unter meh-

reren Handelsfreunden geſchieht, welche gegenſeitig im Schuldner-

und Gläubigerverhältniſſe ſtehen1).

¹ Eine eigenthümliche Einrichtung zu dieſen Zwecken iſt das Clearinghouse in

London (§. 338. Note 5. c.). Es werden darin täglich zwiſchen 2 und 15 Mill.

L. st. Baares ausgeglichen, ſo daß man im Durchſchnitte annehmen kann, man

bedürfe zur Berichtigung von 3½ Mill. im Ganzen blos 200000 L. st. Banknoten

und 20 L. st. Münze. senior, Three Lectures on the transmission of precious

Metals (2te Ausg.). p. 22. smith, the science of Money. p. 62.

D. Von den Giro- oder Umſchreibebanken.

§. 345.

Man verſteht unter den Girobanken1) Bankanſtalten, wobei

einzelne Theilnehmer Metallgeldſummen in vollwichtigen inländiſchen

Münzen, oder Barren oder ausländiſche Goldſtücke gleich Barren

gerechnet in einer gemeinſchaftlichen Kaſſe aufbewahren, mit dem

Zwecke, die Zahlungen anſtatt in Baarſchaft, durch bloßes Ab-

und Zuſchreiben in dazu beſtimmten Rechnungsbüchern zu machen.

[474/0496]

Das Weſentliche iſt alſo die Aufbewahrung und Unveränderlichkeit

der Geldmünzen und Barren. Obſchon ſie von den Zettelbanken

(§. 330.) weſentlich verſchieden ſind, ſo findet doch auf ſie die

allgemeine Anſicht der Banken Anwendung. Die Entbehrlichkeit

der Baarzahlungen, die Sicherheit der Münzen gegen Verſchlech-

terung, der höhere Werth des Bankgeldes2) gegen das Courant-

geld, und der aus dieſen Umſtänden entſtehende Gewinn3) für die

Bankglieder hat ihre Entſtehung veranlaßt4). Sind ſie nun

ſchon in allen bisher erwähnten Beziehungen ganz von den Zettel-

banken verſchieden, ſo ſind ſie es nicht weniger in Bezug auf ihre

Verfaſſung. Denn jedes Mitglied bekommt für ſeine Einlage

(Mise) keine Actie, ſondern in dem großen Bankbuche ein Folio

zur Aufzeichnung der Einlage, der Ab- und der Zuſchreibungen

eröffnet; die Umſchreibung, beziehungsweiſe die Zahlung, geſchieht

nur auf perſönlichen Conſens des Eigenthümers; die Bankgeſell-

ſchaft iſt eine geſchloſſene, welche Gewinn und Verluſt unter ſich

theilt, während bei Zettelbanken die Actien- und Noteninhaber

verſchiedene Intereſſen und Rechte haben5). Weil das Element

der Girobank die Unveränderlichkeit und Bereithaltung des Bank-

fonds iſt, ſo entſprechen ihrem Weſen auch keine anderen Opera-

tionen, als das Umſchreiben (Giriren) und das Deponiren und

Verwahren von Depoſiten, weßhalb ſie auch Depoſitobanken heißen6).

Und die oberſten Grundſätze ihrer Politik ſind die Unverletzlichkeit

der Depoſiten, Bewahrung eines ſtetigen Werthes und Curſes des

Bankgeldes und durchgreifende ſtrenge Geſchäftscontrole7).

¹ S. oben §. 330. Note 1. Auch Galiani Della Moneta. II. 210. Es hat

früher ſolche zu Venedig, Amſterdam, Nürnberg, Rotterdam und Berlin gegeben.

Jetzt iſt nur noch die Hamburger von Wichtigkeit. S. Büſch, Von den Banken.

S. 160 folg. Ganilh, Des systemes d'Economie politique. II. 158. storch,

Cours d'Economie politique. Ueberſetzt von Rau. III. 63. 463. Marverger,

Beſchreibung der Banquen. Leipzig 1723. 4. Rau polit. Oekonom. I. §. 283. und

andere nationalökonomiſche Schriften.

² Die Girobank nimmt nämlich das Courantgeld zu einem eigenen Werthe an.

Z. B. die Hamburger Bank rechnet das Silbergeld, welches ſie acceptirt, ſo an,

daß 9[FORMEL] Rthlr. à 48 Schilling. lüb. Banco auf die feine köln. Mark gehen. Man

hat ſich alſo hierher die Ausdrücke Banco und Courant zu erklären. (Buſe Geld-

kunde. II. 149. Büſch Darſtellung. I. 51.) Es wird daher auf das Courantgeld

ein Aufgeld (Agio) gegeben, oder vom Bankgelde ein Abgeld (Disconto) genommen.

³ Der Gewinn ergibt ſich aus den Erſparniſſen der Theilhaber und aus dem

(Note 2) Geſagten. Büſch, Ueber Banken. §. 8.

⁴⁾ Meine Verſuche. S. 129. Murhard Theorie des Handels. I. 361.

⁵⁾ Büſch, Ueber Banken. §. 6. 10. 11. 16. 17.

⁶⁾ Büſch a. a. O. §. 13. 14. 18. 21. 23. Doch findet man von ihnen auch

Darleihens- und Kaufgeſchäfte, jedoch ohne Veräußerung von deponirten Fonds,

ſondern auch blos durch Umſchreibung vollführt.

[475/0497]

⁷⁾ Es folgt daraus als Regel die Behutſamkeit in Geſchäften, im Ausgeben

von Folien, in der Einnahme von Fonds (Büſch a. a. O. §. 40.) und im Oeffnen

und Schließen der Kaſſe. Büſch a. a. O. §. 48. Deſſelben Darſtellung. I. 24.

II. 19–54. 167. 201.

Zweites Stück.

Beſondere Handelslehre.

§. 345. a.

Die beſondere Handelslehre gibt einen ſyſtematiſchen Un-

terricht von den verſchiedenen Arten des Handels. Es gibt zwar

eine große Anzahl von verſchiedenen Handlungsunternehmungen,

allein ſie laſſen ſich dennoch ſehr leicht nach den Objecten, Sub-

jecten und Wegen, auf welchen ſie betrieben werden, logiſch

ordnen.

Erſte Unterabtheilung.

Handelsarten nach den Handelsgegenſtänden.

I. Vom Waarenhandel.

§. 346.

Der Waarenhandel iſt der Handel mit Waaren (§. 320. a.) im

Gegenſatze des Geldes und der Effecten. Die Anzahl der Unter-

arten iſt außerordentlich groß; ſo daß hier eine Darſtellung derſel-

ben nicht wohl thunlich, ſelbſt wenn ſie auch meiſtens, wie nicht

der Fall iſt, einen wiſſenſchaftlichen Charakter hätten. Er kann

im Allgemeinen nur ein Handel mit Urerzeugniſſen und Kunſt-

erzeugniſſen ſein. Die Manchfaltigkeit dieſer beiden iſt aber er-

ſtaunlich groß1).

¹ Zum Handel mit Kunſterzeugniſſen gehört auch der Buch- und Kunſthandel,

welcher dermalen in Deutſchland ſeinen Mittelpunkt in Leipzig hat, wohin alle

ſüd- und norddeutſchen Verleger ihre Artikel in eigene oder Commiſſionslager ſchicken.

Es iſt daſelbſt jährlich eine Oſter- und Michaelis-Meſſe. Man unterſcheidet übri-

gens die Verlags- und die Sortiments-Handlungen. Jene nehmen Artikel in Verlag,

dieſe aber verſchaffen ſolche auf Beſtellung. Alle neuen Erſcheinungen in Wiſſenſchaft

und Kunſt (Novitäten) werden an die deutſchen Buchhandlungen zum Verkaufe ver-

ſendet, ſo daß alſo ſämmtliche unter ſich aus Auftrag gegen Gewinnſtprocente

(25%, 33⅓% Rabatt und drüber) den Verkauf möglichſt beſorgen (wobei ſie in

der Regel ſelbſt 10% Rabatt und drüber geben), und das, was ſie nicht abſetzen,

nach Jahresfriſt wieder zurückſenden (Remiſſionen).

II. Vom Geldhandel.

§. 347.

Mit Geldhandel bezeichnet man das Eintauſchen einer Geld-

ſorte gegen eine andere und das Vertauſchen der Lezteren gegen

[476/0498]

eine dritte des Gewinnes willen. Das Geld iſt dabei Waare und

Tauſchmittel1). Wer dieſen Handel treibt, heißt in der Regel

Banker (Banquier) und muß die genaueſten Kenntniſſe in der

Geldlehre und Geldkunde haben. Das Geld hat als Waare auch

ſeinen Preis, man nennt ihn nur Curs. Derſelbe richtet ſich nach

den oben (§. 58. und 59.) angegebenen Preisregulatoren, nur in

beſonderer Anwendung auf die Geldſorten und folglich nach allen

in der Geldſorte und in der Außenwelt gegebenen Umſtänden,

welche auf jene Preisregulatoren von Einfluß ſind. Man erfährt

den Geldcurs aus den Geldcurszetteln, d. h. aus gedruckten

obrigkeitlich beglaubigten Anzeigen über denſelben an einem Han-

delsplatze. Um dieſe zu verſtehen, muß man die unveränderliche

und die veränderliche Valuta unterſcheiden und jene zum

Voraus ſchon kennen. Jene iſt der Geldwerth, nach der üblichen

Währung ausgedrückt, nach welchem, da er ſtets gleich bleibt, die

Summe Geldes einer anderen Währung, um die man jenen Geld-

werth kaufen kann, bemeſſen wird. Die veränderliche Valuta iſt

dieſe leztere Geldſumme einer anderen Währung, die alſo nach

obigen Regulatoren Abweichungen erleidet. Blos dieſe Leztere wird

im Curszettel angezeigt, die Erſtere muß ſupplirt werden und iſt

auch in den verſchiedenen Handelsplätzen verſchieden2). Die Werth-

und Preisgleichheit zweier Münzſorten heißt Pari; ſind ſie wirklich

gleich, ſo ſagt man, ſie ſtehen al Pari, im andern Falle aber,

entweder die Eine ſtehe über, oder ſie ſtehe unter Pari3). In

dieſen Fällen findet im Handel auch das Agio und der Disconto

Statt (§. 345. Note 2.).

¹ Der Metall-Geldhandel beruht auf der ungleichen Vertheilung der edeln

Metalle auf der Erde, auf der ungleichen Vertheilung gewiſſer Münzſorten und auf

den Schwankungen im merkantiliſchen Werthsverhältniſſe der Edelmetalle; der Papier-

Geldhandel aber auf dem allgemeinen Bedürfniſſe nach einem leichteren Umlaufsmittel

und auf allen denjenigen Umſtänden, welche Metall-Geldhandel und Curs reguliren.

S. Meine Verſuche. S. 257 folg.

² Buſe Geldkunde. II. 595.

³ Man unterſcheidet a) das Pari des Korns, d. h. Gleichſtand des inneren

Werthes der Münzen, des Feingehaltes derſelben; man berechnet es nach der

Gleichung F1:F2 = 1:x, wo F = dem Feingehalte der zwei verſchiedenen

Münzſorten iſt; b) das Pari des Schrotes, d. h. des ganzen Gewichtes der

Münze; inſoferne dies im Handel vorkommt, wo die Münze ihren merkantiliſchen

Zahlwerth hat, heißt es auch Handelspari. Buſe Geldkunde. I. 123. II. Anh.

S. 49. Meine Verſuche. S. 90. Note 97.

III. Vom Effectenhandel.

A. Der Actienhandel.

§. 348.

Der Actienhandel1) iſt diejenige Art des Effectenhandels,

wobei man Actien gegen andere Effecten oder Geld eintauſcht oder

[477/0499]

einkauft, um ſie wieder mit Gewinn abzuſetzen. Er entſtand im

17ten Jahrhunderte, als die Handelscompagnien einen ſehr hohen

Schwung hatten und für das wichtigſte Mittel zu ungeheuerer

Bereicherung angeſehen wurden. Der Gewinn beim Actienhandel

hängt, ſo wie der Verluſt, von denjenigen Umſtänden ab, welche

Schwankungen im Curſe der Actien zur Folge haben. Der Curs

der Actien richtet ſich aber nach den allgemeinen Preisregulatoren

(§. 58. u. 59.), nur ſind es mehrere Umſtände, welche das Urtheil

über jene Preisregulatoren beſtimmen, namentlich iſt es der Werth

der Actien, welcher nach vielen Verhältniſſen und Ereigniſſen ver-

ſchiedenes Fallen und Steigen erleidet und daſſelbe im Curſe her-

vorbringt2). Um den Curs aber beurtheilen zu können, muß man

den Nominalwerth, d. h. diejenige Summe kennen, auf welche

die Actie lautet. Nach dieſer wird der Stand al Pari, über und

unter Pari beſtimmt3). Die Curszettel machen denſelben unter

Vorausſetzung des Nominalwerthes bekannt. Die Handelsge-

ſchäfte mit Actien ſind übrigens dieſelben wie im Staatspapier-

handel (§. 349.).

¹ Es kommen nur Privatobligationen von beſonderer Wichtigkeit im Handel

vor und die Stadtobligationen laufen ebenſo wie die Staatspapiere um; deßhalb

werden dieſe beiden Arten auch nicht als Gegenſtände eines beſonderen Handels

angeſehen, und man ſpricht blos vom Actien-, Staatspapier- und Wechſelhandel.

Büſch Darſtellung. I. 256. II. 323. 336. Bender, Verkehr mit Staatspapieren.

§. 1–3. v. Gönner, Ueber Staatsſchulden. §. 1. folg.

² Eine aufmerkſame Anwendung der allgemeinen Preisregulatoren auf dieſen

beſonderen Fall kann nicht ſchwer werden. Nur in Betreff des Werthes der Actien

iſt die Frage am ſchwerſten. Derſelbe iſt auch die Tauglichkeit für die Zwecke des-

jenigen, welcher ſich Actien anſchafft. Dieſe Zwecke aber ſind entweder die des

Actienhändlers (ein möglichſt großer und häufiger Gewinnſt im Handel) oder jene

des Capitaliſten (ein möglichſt großer ſicherer Zins für ſein ausgelegtes Capital).

Inſoweit der Werth auf den Curs der Actien influirt, richtet ſich der Leztere alſo

nach dem Kredite der Actiengeſellſchaft und Allem, was dieſen beſtimmt, alſo

hauptſächlich nach der Natur, Sicherheit und Einträglichkeit ihrer Unternehmung,

nach der Einrichtung und Bequemlichkeit der Actien ſelbſt (z. B. ob ſie auf den

Inhaber lauten, wo und wie die Dividende bezahlt wird), und nach der Natur des

Geldes, worauf die Actien lauten.

³ Die Frage, wie eine Actie über oder unter Pari ſtehen könne, da doch der

Nominalwerth von der Geſellſchaft einſtens bezahlt werde, iſt mit dem in der Note 2.

Geſagten leicht zu beantworten. Denn die Summe, welche der Capitaliſt für eine

Actie bezahlt, wird ſich immer nach derjenigen Geldmenge richten, welche man aus-

leihen müßte, um im gewöhnlichen Verkehre dieſelbe Zinsſumme zu bekommen, welche

die Actiengeſellſchaft durch die Dividende bezahlt. So oftmal in dieſer das gewöhn-

liche Zinsprozent enthalten iſt, ſo oftmal kann man ohne Verluſt 100 für eine Actie

geben, wenn ſie auch nur 50 Nominalwerth hat.

B. Der Staatspapierhandel.

§. 349.

Der Staatspapierhändler1) kauft Staatspapiere ein, und

wartet einen günſtigen Moment ab, um ſie wieder mit Vortheil

[478/0500]

verkaufen zu können. Es iſt indeſſen das Weſen des Staatspapier-

handels ſo umgekehrt worden, daß wohl bei weitem die größere

Anzahl der Handelsgeſchäfte bloße Spiele ſind, bei welchen nicht

an die reelle Lieferung der Papiere ſelbſt gedacht wird. Der

Staatspapierhandel iſt eigentlich eine bloße Uebertragung der Actien-

geſchäfte auf die Staatspapiere. Aber weil dieſe weit mehr Zu-

fälligkeiten darbieten, als die Actien, ſo iſt auch der Staatspapier-

handel mehr ausgebildet. Aller Gewinnſt und Verluſt hängt auch

hier von dem Curſe ab. Dieſer aber iſt ebenfalls nach den allge-

meinen Preisregulatoren zu bemeſſen (§. 58. und 59.). Auch hier

iſt, wie bei den Actien, der Werth, als Preisregulator, am

ſchwierigſten zu ermeſſen2). Aber zum Verſtändniſſe der Curs-

zettel muß man außer dem Nominalwerthe der Staatspapiere,

d. h. der Summe, auf welche ſie lauten, auch noch bei den Renten

den Realwerth bei der Negociation des Anleihens, d. h. diejenige

Summe kennen, welche von dem Uebernehmer des Anleihens an

den Staat für die Papiere bezahlt worden iſt. Das Pari, das

über und unter Pari kann nach dieſen beiden Sätzen berechnet

werden. Dieſer Cursſtand rührt aber bei Staatspapieren eben ſo

wenig, als bei Actien, immer von reellen Urſachen her, ſondern

iſt vielfach eine Folge der Operationen der Händler, welche in

ihren Geſchäften Alles aufbieten, um den Curs für ſich zu lenken.

Dies wird aber erſt an den verſchiedenen Geſchäften mit Staats-

papieren (auch mit Actien) klar. Man unterſcheidet nämlich

eigentliche 1) Kaufgeſchäfte, wobei ein wirklicher oder fingirter

Kauf oder Tauſch vorgeht3), 2) Verſatzgeſchäfte, wobei

Staatspapiere gegen Darleihen auf beſtimmte Zeit in Pfand gege-

ben werden, 3) Aſſecuranzgeſchäfte, wobei man ſich von einem

Anderen gegen eine Vergütung die Verſicherung geben läßt, daß

er, wenn bei der nächſten Ziehung ein Loos mit zu geringem Ge-

winnſte herauskomme, Einem eine noch liegende Nummer verſchaffe.

¹ Bender, der Verkehr mit Staatspapieren. S. 369. Nebenius, Oeffentl.

Kredit. I. 505. 557. 602 folg. Bressons, Des fonds publics. Paris 1824. p. 186.

193. 216. Coffimère, De la bourse et des speculations sur les effects publics.

Paris 1824. Deutſch von Schmalz. Berlin 1824. Fix, Revue mensuelle d'Eco-

nomie politique. 1838. Octobre (I. vol. N. 4. p. 255 sqq.). Meine Verſuche.

S. 470. 479.

² Auch gilt, was am Anfange der Note 2. des vorigen §. geſagt iſt. In

ſoweit der Werth der Staatspapiere auf den Curs derſelben Einfluß hat, richtet

ſich dieſer nach dem Kredite des Staats, welchen jedes bedeutende Verhältniß und

Ereigniß im inneren und äußeren Staatenleben beſtimmt, beſonders aber die

Finanz- und namentlich die Staatsſchuldverhältniſſe reguliren, nach der beſonderen

Beſchaffenheit und eigenen Einrichtung des Anleihens, zu dem die Papiere gehören

(z. B. Renten, Lotterieanleihe u. dgl.), nach der Form der Staatspapiere, von

welcher ihre Uebertragbarkeit abhängt, nach der Größe und Art der Erhebung der

[479/0501]

² Zinſen im Vergleiche mit dem gewöhnlichen Verkehrszinſe (wie Note 3. des §. 348.),

nach den bei der Zahlung ſonſt noch verbundenen Vortheilen (z. B. bei Lotterie-

anleihen) und nach der Natur des Zahlmittels, worauf ſie lauten.

³ Es gibt hier wieder andere Unterſcheidungen. Denn man macht a) Tags-

käufe (franz. Negociations au comptant, engl. Negotiations for Money), bei

welchen Papiere und Preis ſogleich ausgetauſcht werden, und Zeitkäufe (franz.

Marchés à terme, engl. Negotiations for Time), wobei die Lieferung der Papiere

erſt auf einen ſpäteren Tag feſtgeſetzt wird; b) Rückkäufe (franz. Marchés à

report), wobei Speculanten das Capital von Capitaliſten gegen Uebergabe der

Staatspapiere zum Curſe des Tages, um leichter Speculationen machen zu können,

entnehmen und alsdann ſpäter zu höherem Preiſe wieder abnehmen; c) Hoff-

nungskäufe, wobei der Inhaber eines Lotterielooſes dieſes einem Andern gegen

eine Prämie für die nächſte Ziehungszeit überläßt, mit dem Rechte, den etwa fal-

lenden Gewinnſt zu beziehen, aber mit der Pflicht, dem Prämieneinnehmer daſſelbe

Loos, oder, wenn es herausgekommen iſt, ein anderes nach der Ziehungszeit einzu-

händigen, und d) Arbitragengeſchäfte, wobei man Staatspapiere auf ver-

ſchiedenen Handelsplätzen, um von jedem günſtigen Curſe zu profitiren, herumſchickt

und unterdeſſen zu Hauſe alle Umſtände berechnet, welche da und dort vor- und

nachtheilig auf den Curs wirken können. Von den Zeitkäufen, deren es verſchie-

dene Arten gibt, ſind beſonders häufig: α) das Differenzgeſchäft, wobei man

keineswegs die bedungenen Papiere wirklich zu liefern gedenkt, ſondern blos die

Differenz zwiſchen dem Curſe am Abſchlußtage (Schlußtagscurs) und jenem am

Erfüllungstage des Contraktes (Verfalltagscurs) ausbezahlt; und β) das Prämien-

geſchäft, wobei ſich der Käufer den Rücktritt vorbehält und dafür dem Verkäufer

eine Prämie von ¼ bis 8% vorausbezahlt. (Ueber die anderen Zeitgeſchäfte ſ. m.

meine Verſuche und die andern citirten Schriften.) Alle Handelsgeſchäfte, welche

auf bloßes Spielen und nicht wirkliche Lieferung abzielen, heißt man Wind-

handel, auch wohl insbeſondere Stocksjobberey, im Gegenſatze der reellen

Geſchäfte.

C. Der Wechſelhandel.

§. 350.

Der Gegenſtand des Wechſelhandels ſind die Wechſel, Anwei-

ſungen und Handelsbillets. Der Kürze und Gleichheit der Grund-

ſätze wegen ſpricht man am beſten blos vom Wechſelhandel, und

verſteht darunter den des Gewinnes willen betriebenen Ein- und

Verkauf von Wechſeln, Anweiſungen und Billets. Derſelbe mußte

mit dem Wechſelinſtitute ſogleich entſtehen. Das ganze Weſen

deſſelben beruht auf gegenſeitigen Handelsverhältniſſen, Schulden

und Forderungen und auf den Geldverhältniſſen zweier Handels-

plätze gegen einander1). Auch den Preis der Wechſel nennt man

Curs, Wechſelcurs, und verſteht demnach unter dieſem diejenige

Geldſumme, welche an dem einen Handelsorte bezahlt wird, um

dafür einen Wechſel zu erhalten, der ſeinem Inhaber das Recht

gibt, ſich an einem zweiten Orte eine gewiſſe Geldſumme anderer

oder derſelben Währung gegen denſelben von einer dritten Perſon

ausbezahlen zu laſſen2). So wenig es den Anſchein hat, ſo be-

ſtimmen doch auch die allgemeinen Preisregulatoren (§. 58. u. 59.)

den Wechſelcurs, und es iſt ſehr nothwendig, wenn man ſich

[480/0502]

richtige Einſicht in den Wechſelhandel verſchaffen will, daß man

auch hier dieſelben beſonders anwendet. Der Werth des Wechſels,

d. h. nicht die Wechſelvaluta, ſondern die Brauchbarkeit deſſelben

für die Zwecke des Inhabers, iſt ebenfalls hier am ſchwerſten als

Regulator des Curſes zu erklären3). Zum Verſtändniſſe des

Wechſelcurszettels iſt aber gerade ſo wie beim Geldcurſe die

Unterſcheidung der unveränderlichen und veränderlichen Va-

luta erforderlich4), weil blos die Leztere in demſelben angegeben

iſt. Der Wechſelcurs ſteht al Pari, wenn er der Nominalvaluta

im Wechſel gleich iſt, ſonſt aber entweder über oder unter dem-

ſelben5). Je nach ſeinem Stande ſind die Wechſelhandels-

geſchäfte zu betreiben. Es gibt aber hiervon folgende Arten:

1) gewöhnliche Kaufs- und Verkaufsgeſchäfte, wobei ein Wechſel

eingetauſcht wird, den man ſich hernach vom Traſſaten oder einem

Giratar bezahlen läßt; 2) das Discontiren von Wechſeln, d. h.

das Ankaufen eines Wechſels vom Inhaber, wobei ſich dieſer einen

Abzug (Disconto) gefallen läßt6), und der Gewinnſt des Discon-

tirenden in dem Mehrbetrage einer ſpäteren vollen und höheren

Bezahlung des Wechſels beſteht; 3) die Arbitrage, d. h. das

urſprünglich vom Wechſel ausgegangene, ſpäter aber auf den an-

deren Effectenhandel auch übergegangene, bereits (§. 349. N. 3. d.)

beſchriebene ſehr complicirte Geſchäft; 4) die Wechſelreiterei,

d. h. das gefährliche unrechtliche Geſchäft, wobei man Wechſel auf

Einen ausſtellt und verkauft, die dadurch entſtehende Forderung

des Traſſaten mit dem Erlöſe einer neuen auf ihn geſtellten Tratte

tilgt und ſo fortfährt, um ſich ohne freies Borgen die Capitalien

Anderer nutzbar zu machen7).

¹ S. oben §. 337. N. .1 Meine Verſuche. S. 89. Note 97. Galiani,

Della Moneta. II. 264., und nationalökonom. Schriften.

² Im Grunde genommen iſt der Wechſelcurs blos ein ſpezieller Fall des Geld-

pari, und man würde nicht irren, wenn man denſelben für das auf das Geldpari

überhaupt geſtützte Pari zwiſchen der an einem Orte bezahlten und am anderen zu

erhaltenden Wechſelvaluta erklärte.

³ Der Werth des Wechſels hängt ab von dem Kredite des Traſſanten und

Traſſaten und allen denſelben berührenden Umſtänden, von der Lebhaftigkeit des

Handels- und anderen Verkehrs zwiſchen zwei Plätzen oder Ländern, von dem Koſten-

aufwande für Baarſendungen (Rimeſſen) von einem Orte zum andern, und von

allen Verhältniſſen und Veränderungen des Geldweſens in den Ländern, zwiſchen

welchen der Wechſelhandel beſteht. Büſch Darſtellung. I. 110. Buſe Geldkunde.

I. 144.

⁴⁾ S. §. 347. Buſe Geldkunde. II. 594632.

⁵⁾ Das Wechſelpari iſt eine bloße Anwendung des Geldpari auf die aus den

beſtimmten Geldſorten beſtehenden Wechſelſummen unter Einwirkung der den Werth

der Wechſel beſtimmenden Umſtände. Man unterſcheidet daher ſo viele Arten des

Wechſelpari als des Geldpari, und ſpricht beim Wechſelcurſe von Agio und Disconto

im nämlichen Sinne, wie beim Geldcurſe. Buſe Geldkunde. II. 527–591.

[481/0503]

⁶⁾ Es iſt daher nicht ganz richtig, wenn Rau (polit. Oeconom. I. §. 288.)

und Andere unter Discontiren einen bloßen Ankauf mit Zinſenabzug von der Wech-

ſelvaluta für die Zeit zwiſchen dem Disconto- und Verfalltage des Wechſels ver-

ſtehen, denn der Disconto kann auch Folge des Curſes ſein, ohne gerade Zins ſein

zu müſſen, und der Discontant daraus Gewinnſt beziehen. Den Zinsdisconto rechnet

man nach 360 Tagen pr. Jahr.

⁷⁾ Dieſe Reiterei wird entweder von zwei oder mehreren Perſonen gegenſeitig

getrieben. Eine beſondere Art derſelben ſind aber die ſogenannten Kellerwechſel,

wobei der Kaufmann, der gerade baar Geld nöthig hat, eine Tratte, als käme ſie

weit her, fingirt, ſich als letzten Giratar darauf ſetzt, dieſen Wechſel von einem

mit einverſtandenen Handelsfreunde acceptiren läßt, ihn dann in bianco girirt, und

alsdann einen neuen Giratar dafür ſucht, der ſich dann einſchreibt und die Valuta

bezahlt. Dieſen Kellerwechſel löst der Erſte nun nicht aus eigener Baarſchaft, ſon-

dern wieder mit Hilfe eines zweiten Kellerwechſels ein u. ſ. w. Bender Wechſel R.

II. §. 395. Büſch Darſtellung. I. 83. II. 139. 155. 163.

Zweite Unterabtheilung.

Handelsarten nach den Handelsſubjecten.

I. Vom Einzelhandel.

§. 351.

Der Handel, von der Seite der Subjecte betrachtet, iſt ent-

weder als von einem Einzelnen, oder von einer Geſellſchaft oder

von Staaten betrieben anzuſehen. Der Einzelhandel wird ent-

weder vom Handelsunternehmer ſelbſt für eigene Rechnung betrieben,

und heißt dann Eigen- oder Proprehandel1), oder er wird gegen

Vergütung und Erſtattung der Auslagen für die Rechnung und aus

Auftrag Anderer von einer Mittelsperſon geführt und heißt dann

Commiſſionshandel2). Diejenigen, welche die Aufträge er-

theilen, ſind die Committenten, und wer ſie erhält, iſt der

Commiſſionair. Dieſer führt ein Commiſſionsbuch zur Notirung

ſeiner Commiſſionsgeſchäfte. Wer von beiden Partheien die Ver-

kaufsgefahr übernimmt, der ſteht del credere, und die Rechnung

des Commiſſionairs über Unkoſten und Gebühren heißt Factura.

Der Commiſſionshandel iſt entweder Handel auf Lieferung oder

Handel auf Prämie. Bei jenem verſpricht der Commiſſionair die

Waare zu beſtimmter Zeit und beſtimmtem Preiſe zu liefern; bei

dieſem behält ſich der Committent vor, die Waare zur Lieferungs-

zeit auch nicht nehmen zu dürfen und bezahlt dem Commiſſionair

deßhalb zum Voraus eine Prämie3).

¹ Murhard Theorie. S. 178. Büſch Darſtellung. I. 184.

² Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 497. 498. Büſch Darſtellung.

I. 151. 197. 259. II. 240. Murhard Theorie. S. 181.

³ Alſo kommen die im Staatspapier- und Actienhandel (§. 349.) erwähnten

Geſchäfte auch in anderen Handelszweigen vor.

Baumſtark Encyclopädie. 31

[482/0504]

II. Vom Geſellſchaftshandel.

§. 352.

Unter Geſellſchafts- oder Compagniehandel verſteht

man denjenigen, welcher von mehreren Perſonen zugleich auf Ge-

ſammtrechnung mit Theilung des Verluſtes und Gewinnſtes betrie-

ben wird1). Die ſo verbundenen Perſonen bilden die Handels-

geſellſchaft oder -Compagnie. Die Dauer derſelben iſt ent-

weder zum Voraus beſtimmt oder nicht. Die Geſellſchaft ſteht

unter einem Directorium und führt, wenn ſie ſich öffentlich bekennt,

bei Unterſchriften einen eigenen Collectivnamen, den man nebſt den

anderen Wahrzeichen die Firma nennt, er mag in einem allge-

meinen Namen der Geſellſchaft oder in dem Namen eines Mitgliedes

mit dem Zuſatze und Compagnie beſtehen. Es gibt aber folgende

Arten von Handelsgeſellſchaften: 1) Gemeine (gewöhnliche,

offene) Geſellſchaften (sociétés générales, ordinaires on

collectives), wobei wirklich Mitglieder ſich zur Ausführung eines

Handelsgeſchäftes vereinigen, jedes derſelben ſeine Rechnung und

Antheil an Gewinn und Verluſt hat, ſelbſt mit thätig iſt, und ein

Mitglied ſeinen eigenen als Collectivnamen hingibt. 2) Gemäch-

liche (ſtille) Geſellſchaften (sociétés en Commandite,

Commanditen), wobei ein oder mehrere Theilnehmer blos ihre per-

ſönlichen Kräfte, dagegen ein oder mehrere Andere das Capital

beiſchießen; ſie ſind in der Regel in Betreff des Capitals und Be-

triebs mit einem Geheimniß umgeben und haben darum nicht viel

Kredit2). 3) Namenloſe (anonyme) Geſellſchaften (so-

ciétés anonymes), welche zwar eine von ihrer Unternehmung

gezogene Firma führen3), aber eigentlich aus lauter Commanditen

beſtehen, wobei, in der Regel auf Actien, Capitaliſten die gehöri-

gen Geldmittel zuſammenſchießen und nur mit dieſen Actien haften,

während die Leitung der Geſchäfte einem eigenen Directorium u. dgl.

mit beſoldeten Beamten übertragen iſt.

¹ Wenn auch nicht alle Theilnehmer jedesmal Geld beiſchießen, ſo nehmen ſie

doch alle Antheil am Gewinnſte oder Verluſte.

² Büſch Darſtellung. I. 196. II. 271.

³ Sie heißen auch öffentliche, weil ſie eines Privilegiums und der Geneh-

migung ihrer Statuten von der Regierung bedurften. Sie treiben ihre Geſchäfte in

der Regel nur in ferne Gegenden, z. B. Colonien u. dgl., und haben daſelbſt ihre

Niederlaſſungen (Factorien) und Agenten. Die wichtigſte hierher gehörende

Geſellſchaft iſt die britiſch-oſtindiſche Compagnie, ſie hat ein neues Privilegium

auf 20 Jahre mit bedeutenden, die Freiheit des Handels geſtattenden, Modificationen

ihrer Charte, die preußiſche Seehandlungsgeſellſchaft, die rheiniſch-

weſtindiſche Compagnie zu Elberfeld, die belgiſche Handelsgeſellſchaft, und die

Oſtſeehandelsgeſellſchaft zu Kopenhagen. Die anderen ſind eingegangen.

S. Rau polit. Oekonom. II. §. 234. Büſch Darſtellung. I. 225. II. 312.

[483/0505]

III. Vom Staatenhandel.

§. 353.

Betrachtet man die Staaten als Handel treibend, ſo ſind fol-

gende Handelsarten zu unterſcheiden: 1) der Binnenhandel,

welchen ein Volk innerhalb der Landes-Grenzen für und in ſich

treibt; 2) der Colonialhandel, welchen das Mutterland mit

den Colonien führt1); 3) der auswärtige Handel, welchen

ein Staat mit dem Auslande treibt. Der Leztere iſt entweder

Aus- und Einfuhr- oder Zwiſchenhandel. Die Bedeutung

des Erſteren liegt im Worte und es iſt Einer ohne den Anderen

nicht denkbar. Er heißt Activhandel, wenn ein Volk durch ſeine

Kaufleute ſeine Waaren zu einem fremden Lande ſchickt, dort Ver-

käufe und wieder Einkäufe macht; und Paſſivhandel, wenn ſich

ein Volk von einem andern die Waaren auf jene Weiſe bringen

läßt. Der Zwiſchenhandel iſt aber derjenige, welchen ein auslän-

diſcher zwiſchen zwei Staaten treibt. Bewegt ſich derſelbe durch

das Vaterland des Handelsmannes, dann iſt er für dies Land

Tranſit- oder Durchfuhrhandel; berührt er aber daſſelbe nicht,

dann iſt er eigentlicher Zwiſchenhandel im engern Sinne.

¹ Büſch Darſtellung. I. 145. 463. 595. II. 235. 580. Murhard Theorie.

S. 185 folg. und nationalökonomiſche Schriften.

Dritte Unterabtheilung.

Handelsarten nach den Handelswegen.

I. Vom Landhandel.

§. 354.

Der Handel zu Land iſt der älteſte, und war urſprünglich der

allgemeine Welthandel. Selbſt im Mittelalter reisten die Handels-

leute noch in Geſellſchaft als Karawanen1). Allein mit der ſtei-

genden Bildung und Induſtrie ward das Bedürfniß genaueren

Völkerverkehres lebhafter und mit der Erfindung der Schifffahrt,

des Compaſſes und der Entdeckung verſchiedener Wege auf Strömen

und Meeren trat an der Stelle des Landhandels allmälig der Han-

del zu Waſſer, insbeſondere jener zur See, als Welthandel hervor.

Der Karawanenhandel findet nur noch in Gegenden Statt, wo kein

anderer möglich iſt.

¹ Hüllmann, Städteweſen im M. A. I. 62.

31 *

[484/0506]

II. Vom Waſſerhandel oder von der Schifffahrt.

§. 355.

1) Allgemeine Schiffsverhältniſſe.

Die Kanäle, Flüſſe, Ströme, Seen und die See bilden zu-

ſammen auf der ganzen Erde ein Syſtem von Communications-

wegen für die ganze Menſchheit, worauf der Transport am ſchnell-

ſten, leichteſten und wohlfeilſten geſchieht. Der Seehandel insbe-

ſondere war anfänglich nichts als Küſtenhandel (Cabotage),

welcher auch heut zu Tage noch getrieben wird1). Die Schifffahrt hat

eine Menge eigenthümlicher Verhältniſſe. Die Schiffseigenthümer

heißen Rheder oder Mitrheder; ihr Verhältniß gegen einander

(Mit- oder Mederhederei) rührt davon her, daß Jeder Antheil

am Schiffe (ſeine Schiffsparte) hat2). Wenn ſie ihr Schiff

verpachten (verheuern), ſo heißt das Geſchäft Verheuerung

(Nolissement, Affrétement), die Rheder aber Verheurer und

die Pachter Befrachter. Der Befehlshaber des Schiffs, wenn

es zur See geht, heißt Patron oder Capitain3). Die Leute,

welche mit zu Schiffe gehen, um im Namen des Befrachters am

fremden Platze die Waaren zu verkaufen, heißen Cargo (Carga-

dores, Cargadeurs) und wer als der Erſte unter ihnen beſtellt

iſt, Supercargo4). Das verheuerte Schiff muß, wenn es zur

Seefahrt benutzt werden ſoll, folgende verſchiedene Urkunden mit

ſich führen: den Bielbrief, vom Schiffsbauer über den gehörigen

Bau des Schiffes ausgeſtellt; den Mählbrief, den Contract zwi-

ſchen dem Bauer und Rheder über die Qualität und den Bau des

Schiffes; den Meßbrief, obrigkeitliche Urkunde über die vor-

genommene Meſſung und den Tonnengehalt des Schiffes5); die

Muſterrolle, ein Verzeichniß der Schiffsmannſchaft (Beman-

nung) mit obrigkeitlicher Beglaubigung; die Certepartie

(Chartepartie), die Vertragsurkunde über die Verheuerung; die

Connoſſamente (Connaissements), die Frachtbriefe über die

geladenen Waaren; das Manifeſt, ein Hauptverzeichniß aller im

Schiffe enthaltenen Waaren; den Paß des Schiffes, und das

Tagebuch (Journal) des Steuermanns zur Aufzeichnung der

Schiffsvorfälle während der Fahrt.

¹ Büſch Darſtellung. I. 282.

² Sie theilen auch Gewinnſt und Verluſt. Mittermaier deutſches Privat-

recht. §. 488.

³ Sein Verhältniß zum Rheder iſt als ein Dienſtmiethvertrag angeſehen.

Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 489. 490.

⁴⁾ Leuchs Syſtem. II. S. 822.

⁵⁾ Eine Tonne = ½ Laſt = 2000 Pfd. Die Grenze des geſtatteten tiefſten

Eintauchens eines Schiffes heißt Waſſertracht.

[485/0507]

§. 356.

2) Die Haverei.

Das Schiff iſt während ſeines Laufes vielen Unfällen ausge-

ſetzt. Alle dieſe unvorhergeſehenen, von der Verladung an bis zur

Ausladung eintretenden, Schäden und Unkoſten des Schiffes heißt

man Haverei. Die Seegeſetze ſind über ihren Inbegriff ſehr ver-

ſchiedener Anſicht. Im Allgemeinen gibt es aber folgende Arten:

a) Die ordinaire oder kleine Haverei (holländ. gemeene

Avarye), welche die gewöhnlichen Schiffsausgaben ohne nothwen-

dige Vorausſetzung eines Schadens begreift z. B. Lichter-, Feuer-,

Pfahlgeld, Lootſenlohn u. dgl.

b) Die extraordinaire Haverei, welche außergewöhnliche

Ausgaben und Schäden des Schiffs begreift. Sie iſt entweder

α) große Haverei (franz. Avarie commune), wozu jeder

Schaden und jede Schiffsausgabe wegen drohender Gefahr

gehört, die das Schiff und die Ladung gemeinſam treffen1).

Oder

β) particuläre Haverei, wozu nur jene Schäden und wegen

drohender Gefahr gemachten Ausgaben gehören, die entweder

das Schiff oder die Ladung allein treffen2).

Nehmen mehrere Eigenthümer an der Haverei Antheil, ſo

heißen ihre Beiträge das Werfgeld. Darüber wird von beeidigten

Perſonen (Dispacheurs) eine Rechnung (Dispache) aufgeſtellt.

¹ Z. B. Seewurf; das Prängen, d. h. wenn ein Schiff hart an den Sturm

legen und ſo eine Zeit lang fortſegeln muß. Büſch Darſtellung. I. 358.

² Ueber die Tragung der Haverei entſcheiden die Geſetze. Mittermaier

deutſches Privatrecht. §. 224.

§. 357.

3) Die Sicherheitsmaßregeln. a) Bodmerei.

Wegen dieſer Nöthen und Schäden der Schiffe iſt man ſchon

bedacht, und es gibt folgende verſchiedene Einrichtungen deßhalb1):

a) Die Bodmerei (engl. Bottomry, franz. Contrat à la

Grosse, holländ. Bodemery), d. h. das Geſchäft oder der Ver-

trag eines Gelddarleihens gegen Verpfändung eines Schiffes oder

ſeiner Ladung oder beider zuſammen in der Weiſe, daß das Capital

ſammt ſehr hohen Zinſen nach glücklicher Beendigung der Fahrt

erſtattet und aber im Falle des Unter- oder Verlorengehens der

verpfändeten Sache nichts verlangt, ſondern blos das Uebrig-

gebliebene vom Gläubiger (Bodmereigeber) in Beſchlag genom-

men werden darf. Die Schiffer (Bodmereinehmer) wenden ſich

[486/0508]

an ſolche Leute, die jenes Geſchäft treiben, im Falle, daß ſie nicht

an irgend ein Handelshaus auf ihrer Fahrt auf eine Kreditſumme

angewieſen (conſignirt) ſind und die conſignirte Summe nicht

hinreicht. Vom Contracte (Bodmereibriefe) werden drei Exem-

plarien (für den Schiffer, Rheder oder Befrachter, und Bodmerei-

geber) verfertigt2).

b) Die Großapanturey (engl. Respondentia), d. h. das

Geſchäft oder der Vertrag eines Darleihens gegen ſehr hohe Zinſen

zu einer Seeunternehmung, in der Art, daß der Schuldner nur

im Falle der glücklichen Beendigung der Fahrt und Unternehmung

das Capital zu erſtatten hat. Der Contract heißt Seewechſel

(Cambio marino)3).

¹ Büſch, Allgemeine Ueberſicht des Aſſecuranzweſens. Hamburg 1795. Deſ-

ſelben Darſtellung. I. 309 folg. nebſt Zuſätzen im II. Bde. Benecke, Syſtem

des Aſſecuranz- und Bodmereiweſens. Hamburg 1805–1821. V Bde. Benecke,

Treatise on the Principles of Indemnity in marine Insurance, Bottomry and Re-

spond. London 1824. Franzöſ. Ueberſ. von Dubernad. Paris 1826. II Toms.

Dieſe beiden Lezteren ſind die beſten Schriften über dieſen Gegenſtand. Noch andere

ſind angegeben bei Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 211. N. 3.

² Die Bodmerei kann eine Werthserhöhung der verbodmeten Sache zur Folge

haben, wie z. B. jene zur Reparatur eines Schiffes, — oder auch nicht, z. B. jene

zur Rettung des nicht beſchädigten Schiffes. Der Bodmereibrief wird auch zuweilen

auf die Rückſeite des Connoſſaments geſchrieben. Er wird auch wie ein Wechſel

behandelt. Die Rechtsverhältniſſe der Bodmerei ſind aber in den Geſetzen verſchieden

beſtimmt. S. Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 219–221.

³ Weder blos Waaren- (wie Bleibtreu Lehr. §. 354. ſagt) noch blos

Geldgeſchäft (wie Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 218. N. 6. ſagt) iſt die

Großavanturey, ſondern ſie kann beides ſein. S. meine Recenſion von Bleib-

treu S. 325.

§. 358.

Fortſetzung. c) Seeaſſecuranz.

c) Die Seeaſſecuranz (engl. Insurance. franz. Assécu-

rance), d. h. dasjenige Verſicherungsgeſchäft, wobei Jemand (der

Verſicherer, franz. Assécurateur, engl. Insurer) die bei einer

Seeunternehmung für einen Anderen möglicher Weiſe entſtehende

Gefahr gegen Vorausbezahlung einer, ein gewiſſes Procent des

Werthes der verſicherten Sache ausmachenden, Summe (Aſſecu-

ranzprämie) übernimmt. Die Urkunde über den Aſſecuranz-

vertrag heißt Police, und man hat dazu gedruckte Formularien1).

Iſt ein Unglücksfall geſchehen und erwieſen, ſo muß der Verſicherer

in der beſtimmten oder geſetzlichen Zeit Zahlung leiſten2). Will

der Eigenthümer der beſchädigten oder theilweiſe verlorenen Sache

den Reſt nicht mehr an Zahlungsſtatt nebſt einer beſtimmten Zulage

zur Vollheit der Verſicherungsſumme annehmen, ſo kann er ſie dem

[487/0509]

Verſicherer überlaſſen, d. h. abandonniren und dieſe Handlung

heißt Abandon. Er hat aber immer auf die volle Entſchädigung

Anſpruch3). Zum Behufe der Rettung der Ladung geſtrandeter

oder geſcheiterter Schiffe iſt das alte Inſtitut des Strandrechtes

ſehr dienlich, wonach den Rettern des Schiffes oder der Ladung

eine Belohnung (das Berglohn) gegeben werden muß, die nach

manchen Geſetzen ein Dritttheil des Geldwerthes der geretteten

Sache ausmachen darf4). Läßt der Verſicherer ſich ſelbſt noch von

einem Anderen gegen den Schaden verſicheren, der ihm aus ſeiner

Aſſecuranz erwachſen könnte, ſo nennt man dies Geſchäft die

Reaſſecuranz. Er haftet aber doch ſeinem Verſicherten5).

¹ Auf die Police kommt das Meiſte an, deßhalb muß ihr Inhalt ſehr ſorg-

fältig erwogen werden. Sie muß folgende Angaben enthalten: a) die Namen der

Verſicherer mit dem Zuſatze für uns und unſere Erben; b) die Namen der

Verſicherten, mit dem Zuſatze, ob für eigene oder fremde Rechnung; c) die

verſicherte Sache, da man entweder auf Kasko (d. h. auf's Schiff ſammt Zugehör)

oder auf Stückgüter (d. h. auf die Ladung ſtückweiſe) Verſicherung nehmen kann,

was auf die Berechnung des Schadenserſatzes von Einfluß iſt, weil in der Regel

unter einer beſtimmten Summe nicht entſchädigt wird; d) die Zeit, wann die Ver-

ſicherung beginnt; e) die Einladungs- und Löſchungsplätze; f) die Art des zu ver-

ſichernden Schadens; g) die bedungene Prämie mit dem Zuſatze gegen Empfang,

weil die Verpflichtung des Verſicherers erſt nach der Zahlung derſelben beginnt;

h) den Namen des Schiffs und Schiffers; i) beſondere Nebenbedingungen; k) die

Zeit des Antrittes der Fahrt, denn die Gefahr iſt ſowie die Prämie darnach ver-

ſchieden und man unterſcheidet die Sommer- und Winterprämie; l) den

Namen des beeidigten Mäklers, der die Aſſecuranz abgeſchloſſen hat; m) das Datum

der Ausſtellung der Police, was nicht nothwendig iſt, wenn die Zeit des Beginnens

der Verſicherung darin angegeben iſt; n) die Unterſchrift aller Verſicherer mit Zu-

ſetzung der Aſſecuranzſumme eines Jeden, weil danach der Antheil an der Prämie und

an der Entſchädigungsſumme berechnet wird. Müſſen die Verſicherer aus aſſecuranz-

rechtlichen Gründen einen Theil, z. B. die Hälfte der Prämie, zurückerſtatten, dann

heißt dieſer Abzug Riſtorno.

² Der Beweis des Unfalles geſchieht, indem das Seegericht im nächſten Hafen

nach dem Tagebuche des Schiffes ein Zeugniß aufſtellt und die Intereſſenten davon

benachrichtigt. Für alle Ermittelungen dienen die Schiffspapiere und deren Ver-

gleichung mit Schiff und Ladung. Fehlen aber die Papiere, ſo geſchieht die Ver-

klarung, d. h. die Schiffsleute werden beeidigt und darüber vernommen.

³ Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 211217.

⁴⁾ Es ſind dabei viele Mißbräuche eingeſchlichen, welche den Zweck des Strand-

rechtes oft vereitelten. Mittermaier a. a. O. §. 145.

⁵⁾ Die Sicherheit wird dadurch größer, aber das Wagniß bei Seeunter-

nehmungen auch.

§. 359.

Beſchluß. d) Convoy und Admiralſchaft.

Zum Schutze gegen feindliche Anfälle dient das Convoy, d. h.

eine vom Staate beſtimmte Begleitung mehrerer Kauffahrteiſchiffe

durch Kriegsſchiffe, welche ein Geleitsgeld erhalten, das im

Geleitscontracte (Zeyn- oder Seynbriefe) angegeben iſt, oder

[488/0510]

die Admiralſchaft, d. h. eine die gegenſeitige und Geſammt-

ſicherheit bezweckende Verbindung mehrerer Kauffahrteiſchiffe, die

von einem gewählten Admirale geführt wird und in einem beſon-

deren Vertragsinſtrumente (Admiralitätspolice) beurkundet iſt1).

¹ Leuchs Syſtem. II. §. 621.

Zweiter Abſatz.

Leih-Gewerbslehre.

§. 360.

1) Allgemeine Beſtimmungen.

Die Leih-Gewerbslehre iſt die Lehre von der zweckmäßig-

ſten und vortheilhafteſten Weiſe, Vermögenstheile Anderen zur

Benutzung zu überlaſſen. Der Vortheil, welchen der Verleihende

(Rentner, Rentier) daraus bezieht, iſt in der Vergütung für die

erlaubte Benutzung (Rente) enthalten. Es können blos Grund-

ſtücke und Capital verliehen werden. Die Verleihungsarten von

Bergwerken, Grundſtücken, Forſten und Gewerksetabliſſements, bei

welchen theils Grund und Boden, theils Capital verliehen wird,

ſind bereits oben (§. 122. 209. 261. 313.) erwähnt und verglichen,

weil ſie dem Betriebe der entſprechenden Gewerbe angehören. Die

Rente aus der Verpachtung von Grundſtücken heißt Pachtzins.

Bei der Verleihung von Capitalien hat man aber jene von ſtehen-

dem, und jene von umlaufendem Capitale zu unterſcheiden

(§. 54. 55.). Von der Verleihung ſtehenden Capitals, z. B. von

Häuſern, Maſchinen, Büchern, Muſikalien u. ſ. w. (Vermie-

thung) bezieht man den Miethzins; von der Verleihung umlau-

fenden Capitals, nämlich von Vermögenstheilen, welche der Ent-

lehner verbraucht oder ausgibt, bezieht man die Zinſen und das

Geſchäft heißt Darleihensgeſchäft1). Unter dieſen lezten Leih-

geſchäften ſind die Gelddarleihen die wichtigſten, und wer ſie

zu ſeinem Gewerbe gemacht hat, der heißt vor allen anderen ein

Rentner, Capitaliſt, Banker.

¹ Da dieſe Darleihen z. B. in Gelde nicht wieder in specie, d. h. dieſelben

Stücke, welche geliehen worden ſind, ſondern blos in genere zurückgegeben werden

können, ſo haben die Rechtslehrer dieſe Geſchäfte den ſämmtlichen vorher genannten

gegenüber geſtellt, von welchen man ſagen kann, daß nach Ablauf der Pacht- oder

Miethzeit der Gegenſtand in specie zurückerſtattet wird. Die Zeit der Ueberlaſſung

zum Gebrauche iſt verſchieden. In der Regel werden die Zinſen in Gelde bezahlt.

§. 361.

2) Beſondere Grundſätze. a) Beſtandtheile des Zinſes.

Man wird ohne beſondere Nebengründe keinen Vermögenstheil

verleihen, wenn man in dem Zinſe nicht einen Erſatz für Auslagen,

[489/0511]

Verluſte u. dgl. und eine gewiſſe Vergütung für das Verzichten

auf den Gebrauch deſſelben, im Falle daß ihn der Entlehner ver-

braucht, oder den entſprechenden Antheil an dem Gewinnſte, wel-

chen der Entlehner aus deſſen productiver Verwendung bezieht,

empfängt. Es wird daher der Pachtzins und Miethzins ent-

halten müſſen: α) den Zins der Anſchaffungskoſten, β) eine Ver-

gütung der ſtets nothwendigen Koſten der Erhaltung; γ) einen

Erſatz für die allmälige aus dem Gebrauche hervorgehende Ver-

ſchlechterung; δ) eine Verſicherung für die etwaigen Unglücksfälle;

ε) eine Belohnung für die Mühe der Ausleihegeſchäfte; und η) eine

Wiedererſtattung der mit gerichtlichen Streitigkeiten verbundenen

Koſten u. dgl. Die Zinſen von Geldcapitalien haben nicht die-

ſelben Beſtandtheile. Der Erſte der erwähnten Beſtandtheile, wel-

cher dort auch nichts als der Zins für ein ausgelegtes Geldcapital

iſt, kann auch hier nichts anderes ſein, als die Entſchädigung für

das Verzichten auf deſſen eigene Verwendung; der zweite und dritte

Beſtandtheil fällt hier ganz hinweg, weil der Gegenſtand nicht in

specie zurückerſtattet wird1); die noch folgenden Beſtandtheile

bleiben aber auch hier beſtehen, nur hat man hier Mittel in der

Hand, den Satz der Sicherheitsprämie für Unglücksfälle zu

mildern2).

¹ Allein darum fällt bei einer Geſetzgebung, welche den Verkehrsgeſetzen einen

freien Lauf läßt, ein Erſatz für die Verſchlechterung der Münzen nicht hinweg.

Denn der Schuldner iſt verpflichtet, nicht eben ſo viel Münzen, ſondern einen ſol-

chen Werth zu erſtatten, als er empfangen hat, und muß alſo, wenn ſich die

Münze indeſſen verſchlechtert hat, auch eine größere Summe bezahlen. Entgegen-

geſetzter Anſicht iſt der Code Napoléon. Art. 1895. und Zachariä, Ueber das

Staatsſchuldenweſen der Staaten des heutigen Europa. (Aus den Jahrbüchern der

Geſchichte und Staatskunſt von Pölitz beſonders abgedruckt. Leipzig 1831.) S. 14

bis 20. Man ſ. aber dagegen Meine Verſuche. S. 119. 357.

² Es ſind dies die Hypotheken und Fauſtpfänder, weil ſie dem Gläubiger die

Garantie rechtlich und wirklich in die Hand geben.

§. 362.

Fortſetzung. b) Arten der Anlage von Geldcapitalien.

Es kann hier nur von der leihweiſen Anlage der Geldcapitalien

die Rede ſein, und es wird überhaupt als vorausgeſetzt betrachtet,

daß man das Capitaliſtengeſchäft einem Gewerbsbetriebe vorgezogen

habe1). Die ganze Aufmerkſamkeit des Geldcapitaliſten iſt eine

praktiſche, nach den ſpeziellen Fällen ſich richtende. Die Zwecke

deſſelben bei der Capitalanlage ſind: α) ein größtmögliches Ein-

kommen; β) die höchſte Sicherheit deſſelben und des Capitals;

γ) der Eingang der Zinſen in feſten Terminen; δ) die Verſicherung

der Erfüllung verſchiedener ſubjectiver Vortheile2). Dieſe Punkte

[490/0512]

ſind auch die Momente der Vergleichung verſchiedener Anlagsmetho-

den. Man kann aber wählen zwiſchen den Anlagen auf Privat-

obligationen, Actien, Gemeindeobligationen und Staatspapiere,

unter welchen Lezteren es, wie geſehen, verſchiedene Arten gibt

(§. 336.). Es gehören dazu die genaueſten Kenntniſſe von den

Verhältniſſen dieſer Perſonen, Geſellſchaften, Gemeinden und Staa-

ten, welche ihren Kredit beſtimmen3).

¹ Die Gründe dieſer Wahl ſind meiſtens perſönlicher Natur, z. B. Untaug-

lichkeit zu einem Gewerbe, Bequemlichkeit, Hoffnung auf außerordentliche Gewinnſte.

² Dieſe ſind ſehr manchfacher Art; gewiſſermaßen iſt auch hierher zu zählen,

daß manche bei der Anlage die Bequemlichkeit des leichten Austauſches der Obliga-

tionen, der Aufkündbarkeit u. dgl., manche aber die Feſtigkeit der Anlage, Unauf-

kündbarkeit vorziehen. Zu Schenkungen zieht man eine Anlagsart der anderen, z. B.

Staatspapiere und Actien den Privatobligationen vor u. dgl. m.

³ Je ausgedehnter das Capitaliengeſchäft iſt, deſto mehr gründliche Kenntniſſe

ſetzt es voraus, in den verſchiedenen Abſtufungen zwiſchen dem politiſchen und Pri-

vatleben, dieſe mitgerechnet. S. Meine Verſuche. S. 471 folg.

Zweites Hauptſtück.

Umſatz-Betriebslehre.

§. 362. a.

Die Umſatz-Betriebslehre ſtellt die Grundſätze und Regeln

auf, nach welchen das Umſatzgewerbe (das Handels- und Leih-

gewerbe) als ein zuſammenhängendes Gewerbe geleitet werden ſoll,

um daraus den größten Vortheil zu beziehen1).

¹ In ihrem ganzen Umfange iſt dieſe Abtheilung der Umſatz-Gewerbslehre

nicht abgehandelt, obſchon es eine unverzeihliche Menge von Schriften über kauf-

männiſche Briefſtellerei, Buchhalterei, Contorwiſſenſchaft u. dgl. gibt.

I. Von den allgemeinen Bedürfniſſen des Umſatz-

Betriebes.

§. 363.

1) Naturmittel; 2) Verkehrsmittel; 3) Arbeiter.

Die allgemeinen Erforderniſſe zum Betriebe des Umſatzgewerbes,

insbeſondere eines Handlungsgeſchäftes1), ſind zwar von denen der

anderen Gewerbe verſchieden, laſſen ſich aber doch unter den auch

dort aufgeſtellten Abtheilungen betrachten. Es gehören hierher:

1) Naturmittel. Dieſe ſind a) der Grund und Boden

für die Anlage der Gewerbsgebäude, von deſſen Lage und Beſchaf-

fenheit ſehr viel abhängt, weil jene auf den Abſatz, dieſe aber auf

die Güte der Waaren, z. B. Sicherung vor Feuchtigkeit, von

Einfluß iſt; b) die von der Natur dargebotenen Gewäſſer, die

[491/0513]

man als Transport- und Communicationswege benutzt, aber gerade

deßhalb auch zu den Verkehrsmitteln rechnen könnte, wenn man

die künſtlichen Bauten der Waſſerſtraßen nicht von den Gewäſſern

an ſich unterſchiede.

2) Verkehrsmittel. Der bei weitem größte Theil der all-

gemeinen Erforderniſſe zum Umſatzbetriebe beſteht in Verkehrsmit-

teln. Man hat hierher zu rechnen: a) den Abſatz, ohne welchen

der Handelsmann ſein Geſchäft gar nicht betreiben kann; b) die

Land- und Waſſerſtraßen im möglichſt beſten Zuſtande nebſt

den tauglichen Maſchinen und Anſtalten zur Weiterförderung der

Waaren auf denſelben2); c) Zeiten und Orte für beſondere

Zuſammenkünfte wegen der Abſchließung von Handelsgeſchäften,

als da ſind Wochen- und Jahrmärkte, Marktplätze für den großen

Welthandel mit Seehäfen, und Börſen3); d) Perſonen, welche

für Andere Handels- und Transportgeſchäfte übernehmen, nämlich

Mäkler und Commiſſionaire, Frachtfahrer und Spediteure4);

e) gute Maaße und Gewichte; f) gute Umlaufs- und Tauſch-

mittel, nämlich Metallgeld, Barren, Papiergeld, Wechſel u. dgl.;

und g) Kredit bei den Handelsfreunden.

3) Tüchtige und zuverläſſige Arbeiter. Man ſieht leicht

ein, daß ſie der Handelsmann nicht in dem Sinne und in der Aus-

dehnung braucht, wie die bisher genannten Gewerbsunternehmer.

Es gehört indeſſen zu den Dienſten des niederen Perſonales, wie

z. B. der Packknechte u. dgl., oft viele körperliche Geſchicklichkeit,

während die gewöhnlichen Commis ſich gleich durch Waarenkennt-

niß ſo wie durch äußeren Anſtand und Gefälligkeit empfehlen.

¹ Man kann das hier und im Folgenden Geſagte nur mit Unterſchied auf den

Handelsmann und Rentner anwenden. Denn ein gewöhnlicher Capitaliſt bedarf der-

jenigen Erforderniſſe zu ſeinem Gewerbsbetriebe nicht, welche dem Banker unent-

behrlich ſind; dieſer aber ſtimmt bis auf die Waaren und damit zuſammenhängende

Dinge in den Betriebsbedürfniſſen mit dem eigentlichen Handelsmanne überein; die

Handelsgeſchäfte ſelbſt machen von den erwähnten Bedürfniſſen verſchiedene Arten

nöthig. Man ſ. Murhard Theorie. S. 254 folg.

² Seen, Meere, Kanäle, Flüſſe, Ströme nebſt Häfen, Landungsplätzen,

Leuchtthürmen, Löſchungsplätzen, Werften, Krahnen, Lootſen; — Steinwege,

Eiſenbahnen; — gewöhnliche und Dampfwagen, gewöhnliche und Dampfſchiffe; —

Leinpfade; — Lagerhäuſer u. dgl.

³ Die Märkte und die Meſſen ſind bekannt. Die Marktplätze für

den Welthandel ſind alle großen Seeſtädte mit Häfen. Die Börſen ſind be-

ſtimmte öffentliche Verſammlungsorte der Handelsperſonen in einer Handelsſtadt zur

Abſchließung von Handelsgeſchäften, Mittheilung von Handelsnachrichten und Beſtim-

mung der gebildeten Waarenpreiſe oder Curſe Es gibt aber auch Plätze, welche

dem Handel wegen ihrer Vorrechte hinderlich ſind, wie z. B. die Stapelplätze.

Unter Stapelplätzen verſteht man Handelsörter, denen die Stapelgerechtig-

keit, d. h. das Recht zuſteht, die Kaufleute und Fahrzeuge, welche durch- oder

vorbeifahren, zu zwingen, ihre Waaren um- oder abzuladen, um ſie von deren

[492/0514]

³ Einwohnern weiter transportiren zu laſſen oder ſie zum Kaufe einige Zeit auszu-

ſetzen. (Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 520.)

⁴⁾ Wegen der Commiſſionaire ſ. §. 351. Die Mäkler (Senſalen, Courtiers)

ſind obrigkeitlich ermächtigte verpflichtete und immatriculirte Mandatare in Handels-

geſchäften, welche einen übernommenen Auftrag zum beſten Intereſſe des Commit-

tenten beſorgen müſſen. Sie führen obrigkeitlich vidimirte und foliirte Geſchäfts-

bücher zur pünktlichen Aufzeichnung ihrer Geſchäfte. Sie ſtellen am Ende jedes

Geſchäftes den Contrahirenden Schlußzettel (Mäklernotizen, Borderaux) zu,

welche dieſe unterzeichnen oder auch blos annehmen zum Zeichen des Geſchäfts-

abſchluſſes. Die Mäkler bekommen eine Belohnung (Courtage, sensarie) nach Pro-

centen oder Promillen des Werthes der Geſchäfte. Es gibt verſchiedene Mäkler,

aber ſie haben ihre beſondere Mäklerordnungen. (Büſch Darſtellung. I. 392.

Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 485.) Die Frachtfahrer ſind Perſonen,

welche die Waaren entweder zu Waſſer oder auf der Axe ohne Unterſuchung und

Haftung für etwa eingetretene Beſchädigungen blos an Ort und Stelle liefern, aber

für den Verluſt derſelben verantwortlich ſind. Die Spediteure vereinigen gleich-

ſam in ſich die Perſonen des Verſenders und Empfängers, da ſie Commiſſionaire von

beiden ſind; ſie haben daher nicht blos die Obliegenheiten des Frachtfahrers, ſondern

auch die Pflicht, noch vor der Verſendung die angekommenen Waaren zu unterſuchen

und die nöthigen Verbeſſerungen an der Einhüllung (Emballage) und Waare ſelbſt

vorzunehmen. Der Frachtfahrer kann im Dienſte der Spediteure ſtehen. Der

Frachtcontrakt wird entweder auf ein ganzes Fahrzeug oder nur ſtückweiſe (§. 358.

Note 1.) geſchloſſen und das Inſtrument darüber heißt Frachtbrief; es werden

von ihm drei Exemplarien verfertigt (für den Verſender, Frachtfahrer und Empfän-

ger), wenn nicht die Gewohnheit einen bloßen Empfangſchein (Rezipiß) für die

Waare eingeführt hat. Der Spediteur verſendet die Waaren mit einem Avis-

briefe entweder an den Addreſſaten oder an den nächſten Spediteur, und Einer

von dieſen bezahlt ihm die Speſenrechnung, d. h. das Verzeichniß ſeiner Aus-

lagen und Gebühren (Speſen). Er führt ſein eigenes Speditionsbuch. Das Ge-

wicht der Waaren allein ohne die Emballage heißt Nettogewicht; ſammt der

Emballage aber Brutto- oder Sporcogewicht; und der Unterſchied beider wird

Thara genannt. Die Berechnungsart davon iſt verſchieden. Leuchs Syſtem. I.

S. 241. 291. Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 486. 499.

§. 364.

Fortſetzung. 4) Capital; 5) Gewerbsfreiheit.

4) Hinlängliches Capital. Das Capital für die Umſatz-

geſchäfte hat folgende Beſtandtheile: a) die Waarenvorräthe

im weiteren Sinne des Wortes; b) die Geldvorräthe in der

Kaſſe; c) die Hilfsſtoffe, nämlich z. B. die Umhüllung der

Waaren, Schreibmaterialien u. dgl.; d) die Handlungsgeräth-

ſchaften verſchiedener Art; e) das Arbeitsvieh, z. B. zum

Transporte, für reiſende Diener u. dgl.; f) die Gewerbsge-

bäude und Magazine für die Waaren; g) die Reparaturkoſten

der Waaren, Geräthe, Geſchirre und Baulichkeiten; h) der Ar-

beitslohn in Geld und Natur; i) die Handlungsprivilegien.

5) Gewerbsfreiheit. Das Gewerbe des Capitaliſten be-

wegt ſich ganz frei und ſein Einkommen iſt nur in wenigen Staaten

einer Steuer unterworfen; die Beſchränkungen, welche das Hypo-

thekenweſen demſelben auferlegt, ſind nur zu ſeiner Sicherheit und

gegen ungerechte Bedrückungen der Schuldner gemacht, er kann

[493/0515]

ihnen aber entgehen, wenn er ſeine Capitalien in Actien und

Staatspapieren anlegt. Anders verhält es ſich mit dem Handel.

Dieſer iſt durch Ein- und Ausfuhrverbote und Zölle, welche eine

Menge läſtiger Controlmaßregeln nöthig machen, und ſelbſt auch

öfters noch durch Zunftverhältniſſe in den verſchiedenen Staaten

mehr oder weniger beſchränkt. Allein dieſe Beſchränkungen ſind

auch oft wieder von ſolcher Natur, daß von dem Handelsbetriebe

einer beſtimmten Art die ausländiſchen Handelsleute, ſelbſt auch

Inländer, unmittelbar oder mittelbar durch das Geſetz zurückge-

drängt werden und den Begünſtigten ein großer Vortheil zum

Schaden der Käufer und anderen Handelsleute geſchenkt wird.

Der Bevortheiligte wird daher aus eigenem Intereſſe die Erhaltung

ſolcher Beſchränkungen wünſchen, der Benachtheiligte ſie aber auf-

gehoben wiſſen wollen.

II. Von der Organiſation des Umſatzbetriebes.

§. 365.

Beim Beginne eines Handlungsgeſchäftes macht dies der Un-

ternehmer durch Briefe (Oblatorien) bekannt. Blos bei einem

Handlungsgeſchäfte ſind ebenfalls die oben (§. 313.) erwähnten

Bewirthſchaftungsarten, nämlich die Selbſtverwaltung, Ver-

pachtung und Verleihung anwendbar. Die Verpachtung iſt

jedoch nur möglich, wenn zu einer Handlung ein hinreichendes

Capital an Gewerbseinrichtungen vorhanden iſt; es kann ſich aber

hier der Beweis vorfinden, daß Privilegien und eine Kundſchaft

als wahre Capitalien zu betrachten ſind, indem der Pachtzins,

wenn dieſe garantirt ſind, um ein Bedeutendes ſteigt. Gerade bei

einem Handlungsgeſchäfte gibt unter übrigens gleichen, oft auch

ungleichen, Umſtänden die Perſönlichkeit des Unternehmers und der

Diener den Ausſchlag zum Vor- oder Nachtheile des Geſchäftes.

Die Verleihung, blos vom Staate geübt, äußert ſich der Natur

der Sache nach bei Handlungsgeſchäften meiſtens in der Erthei-

lung von Handelsprivilegien, z. B. an Handelsgeſellſchaften, Bank-

geſellſchaften, und von Gerechtigkeiten, z. B. Apothekergerechtigkeit

auf einem Hauſe oder in einer Familie. Die Organiſation des

Betriebes iſt in dieſen verſchiedenen Fällen der Bewirthſchaftung,

ausgenommen die oberſte leitende Perſon, welche namentlich bei

Geſellſchaften verſchiedenartig berechtigt und verpflichtet iſt, nicht

weſentlich verſchieden; ſondern auch hierbei ſind die verſchiedenen

Stufen der Geſchäftsführer und Diener, nämlich Buchhalter,

Commis u. dgl. ziemlich allgemein gleich beſtellt. Je größer das

[494/0516]

Geſchäft iſt, deſto genauer iſt die Arbeit getheilt, nicht blos was

den Kauf und Verkauf, ſondern auch was die Magazinirung, die

Geſchäfte der Buchführung und die Geſchäftsreiſen anbelangt.

III. Von der Leitung des Umſatzbetriebes.

§. 366.

1) Speculation. 2) Betriebsarten. 3) Inventarium.

Ein Punkt, welcher jedem Handelsmanne und Geldcapitaliſten

unumgänglich iſt, beſonders wenn er ſich in größere Geſchäfte ein-

laſſen will, iſt:

1) Die Speculation. Sie erſcheint in dieſem Gewerbe als

dasjenige, was bei den anderen unter der Aufſchrift Verſuche

vorkam. Es iſt dazu aber ein ſolcher eigenthümlicher Geiſt nöthig

und die äußeren Verhältniſſe, wonach ſie vorgenommen werden

muß, ſind ſo manchfach und verſchieden, daß ſie als etwas rein

Praktiſches erſcheint, wobei aber das Glück nicht fehlen darf. Man

verſteht unter der Handelsſpeculation die aus der Vermuthung

eines zu machenden Gewinnes erfolgende Anſchaffung von Waaren

mit dem Zwecke, ſie um einen höheren, als den Ankaufspreis,

wieder fortzubringen. Sie findet in allen Handelsarten, und am

meiſten im Geld- und Effectenhandel Statt. Der ſolide Handels-

mann zieht ein dauerndes, ſicheres, auch ein geringeres Gewinnſt-

procent abwerfendes, Geſchäft mit ſolider Speculation dem Wagniſſe

vor, welches, wie das Spiel, einmal ſehr reich, aber ein ander-

mal wieder ſehr arm macht. Die zur Beſtimmung der Wahr-

ſcheinlichkeit in ihren verſchiedenen Graden durch die Vernunft

und Erfahrung aufgefundenen Gründe für und wider eine Unter-

nehmung heißt man Conjuncturen, die Zuſammenſtellung dieſer

Conjuncturen aber Calculation. Dieſe erſcheint unter zwei

Hauptbeziehungen, nämlich als ſolche beim Einkaufe, und ſolche

beim Verkaufe der Waaren1). Bei beiden und bei der Ausführung

der Speculation iſt aber die Berückſichtigung der Concurrenz in

der Lezteren ſelbſt von der größten Wichtigkeit und daher kommen

die verſchiedenerlei Machinationen der Speculanten, um ihre Mit-

bewerber zu entdecken, ihnen zuvorzukommen und der Gegenparthei

entgegen zu arbeiten2).

2) Die Wahl und Leitung der Betriebsart. Der Zweck

des Umſatzbetriebes iſt, durch ein Zuſammenhalten der verſchiedenen

Theile und Beziehungen des Gewerbes ſich die Benutzung aller

eintretenden Umſtände und vortheilhafte Verwendung aller, auch

der kleinen, Hilfsmittel zum größt möglichen Reinertrage zu

[495/0517]

erleichtern. Dieſer Zweck wird nun auf verſchiedenen Wegen nicht

blos nach der Art des Handelsgeſchäftes, ſondern auch nach der

Betriebsart erreichbar ſein. Es gibt zwei Hauptbetriebsarten des

Handels3), nämlich a) den Großhandel, wobei man die Waaren

zu großen Parthien einkauft und in großen Parthien (en Gros)

wieder verkauft. Der Unternehmer heißt Großhändler. b) Den

Kleinhandel, wobei man die Waaren in nicht ſehr großen Par-

thien einkauft, aber jedenfalls in kleinen Parthien (en Detail)

wieder verkauft4).

3) Das Inventarium (§. 314. 3.), d. h. das Verzeichniß

von den Waaren- und Geldvorräthen, von den Forderungen an

Handelsfreunde, von ſonſtigen beweglichen und unbeweglichen Han-

delsvermögen nach Taxation und von den Schulden an Handels-

freunde. Daſſelbe muß am Ende jedes Jahrs wenigſtens verfertigt

werden, damit der Handelsmann oder Capitaliſt, die Verwaltung

einer Handels- und Bankgeſellſchaft u. dgl. genau wiſſe, mit wel-

chem Vermögen jedes Jahr das Geſchäft begonnen werde. Es iſt

leicht begreiflich, daß ohne dieſes ein geordneter Umſatzbetrieb auf

die Länge nicht mit Glück fortbeſtehen kann.

¹ Die Kaufleute helfen ſich wechſelſeitig darin durch öffentliche Bekanntmachung

und Ueberſendung a) von Preisverzeichniſſen (Preiscouranten, Curs-

zetteln), denen nicht ſelten noch Bemerkungen und Vermuthungen über gegen-

wärtige und zukünftige Verhältniſſe beigeſetzt werden; b) von Conti finti, d. h.

fingirten oder erdichteten Rechnungen über die mit einem Geſchäfte verbundenen

Nebenkoſten aller Art, welche aber nur ſo zu verſtehen ſind, daß ihnen nämlich noch

kein wirklich vollführtes Geſchäft zu Grunde liegt, und nicht ſo, als ob die Anſätze

nicht der Wahrheit oder Wahrſcheinlichkeit gemäß wären.

² Die Speculanten haben ſich daher die Namen Minirer und Contre-

minirer gegeben. Man ſpeculirt ſo auf Erhöhung (à la hausse), und auf Er-

niedrigung (à la baisse) des Curſes, ſowie auch öfters auf beide zugleich. Beſon-

ders im Effectenhandel iſt dies häufig der Fall.

³ Obſchon dieſe beide Beziehungen beim Capitaliengeſchäfte nicht ſo ſtrikt

herausgehoben ſind, ſo laſſen ſie ſich nichtsdeſtoweniger dennoch aufſtellen. Das

Geſchäft eines großen Bankers gibt äußerſt wenige Haltpunkte zur Vergleichung mit

jenem eines kleinen Capitaliſten.

⁴⁾ Murhard Theorie. S. 153. Die Abſtufungen in jeder Betriebsart ſind

ſehr verſchieden.

IV. Von der Umſatzbetriebs-Wirthſchaft.

§. 367.

1) Betriebsausgaben.

Die Betriebsausgaben des Geldcapitaliſten ſind höchſt unbe-

deutend, ſo lange das Leihgeſchäft nicht ins Große getrieben wird

und die Eigenſchaften eines Bankgeſchäftes annimmt. Jene in

Leihgeſchäften mit beweglichen Gütern, z. B. Meubles, Biblio-

[496/0518]

theken u. dgl. haben die meiſten Poſten der Betriebsausgaben im

Handelsgeſchäfte. Man kann daher im Umſatzgeſchäfte folgende

Betriebsausgaben aufſtellen:

a) Für Anſchaffung und Unterhaltung des ſtehenden Capi-

tals an Gewerbsgebäuden, Geräthſchaften, Arbeitsthieren nebſt

Geſchirr, auszuleihenden beweglichen Gegenſtänden (das Geld aus-

genommen), Hausrath und Gerechtſamen, — und des umlau-

fenden Capitals an Waaren- und Geldvorräthen (wobei die

Verluſte durch Verderbniß und ſchlechtes Geld nicht zu vergeſſen

ſind). Die leztere Klaſſe von Ausgaben iſt beim Handelsmanne

eigentlich blos der Waarenpreis, Geld- und Effectencurs, den er

zu bezahlen hat. In dieſer Hinſicht kommt alſo Alles auf den

Einkauf an, der um ſo wohlfeiler geſchieht, je näher die Waaren

beim Producenten geholt werden, weil der Satz der Zwiſchenkoſten

niedriger ausfällt. Um ſich aber, wenn man beim Kaufe nicht

ſelbſt zugegen iſt, vor ſchlechten Waaren zu ſichern, hat man auch

einen Kauf auf Probe und Beſicht und einen ſolchen auf Nach-

ſtechen eingeführt1). Wohlfeile und gute Einkäufe macht man

oft bei Auctionen (Licitationen, Verſteigerungen), ſie mögen

freiwillig oder von Rechts- und Polizeiwegen geſchehen2).

b) Für Beſoldung, Löhnung und Unterhaltung des Ge-

ſchäftsperſonales in dem Bureau, in den Magazinen und auf

Reiſen. Im Allgemeinen kennt man hierbei das Syſtem des

Stücklohnes nicht, ſondern jenes der jährlichen, halb- oder

vierteljährlichen Beſoldung und Löhnung, entweder mit oder

ohne Koſt und Wohnung. Es iſt übrigens auch hier rathſam, da,

wo es auf die Anzahl der gemachten Geſchäfte ankommt, z. B. den

Reiſecommis, von jedem Geſchäfte ein Beſtimmtes neben der fixen,

übrigens mit Bezug auf dieſe Accidenzien berechneten, Beſoldung

zu verwilligen. Dies kann auf die Geſchäftsbeſorgung einen vor-

theilhaften Einfluß haben.

¹ Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 510. Es hängt mit dieſer Ein-

richtung übrigens auch die ſogenannte Refractie (Fuſti, Gerbelut) zuſammen,

d. h. ein nach Handelsgewohnheiten (Uſancen) und Geſetzen ſich richtender Abzug

an der Zahlung, den der Verſender zu leiden hat, wenn die Waare durch die

Verſendung verſchlechtert wurde, den aber der Verkäufer tragen muß, wenn ſie von

Natur nicht gut war. Leuchs Syſtem. I. S. 117. Büſch Darſtellung. I. 164.

² Wenn die Concurrenz der Käufer klein, die Waarenvorräthe ſehr groß und

der Verkauf aus irgend einem wichtigen Grunde nothwendig iſt. Es finden ſolche

Auctionen von Zeit zu Zeit von Compagnien Statt, welche in gewiſſen Haupthan-

delsſtädten Niederlagen haben, welche man Kammern nennt. Dabei werden die

Waaren gattungsweiſe in Parthien geordnet und verſteigert, welche man Looſe

oder Cavelinen (vom holländiſchen Worte Kaveling) nennt. (S. §. 368.)

[497/0519]

§. 368.

2) Betriebseinnahmen.

Die Betriebseinnahmen beſtehen beim Handelsgeſchäfte in den

Preiſen für die abgeſetzten Waaren, und beim Leihgeſchäfte in der

Rente und den mit ihr zuſammenhängenden Vergütungen. Von

beiden Summen müſſen die Ausgaben einer beſtimmten Periode

abgezogen werden, um den Reinertrag zu finden. Allein beim

Handel entſteht die Frage: a) Ob es nützlich ſei, die eingekauften

Waarenvorräthe auf Beſtellung liegen zu laſſen, oder ſie ohne

vorherige Beſtellung (auf Conſignation) an Handelsfreunde

(Commiſſionaire) zum Verkaufe zu verſenden; ſie kann nur nach

praktiſchen Verhältniſſen gelöst werden. b) Ob und in welchen

Fällen man Auctionen mit Vortheil anſtatt des Verkaufes aus der

Hand anſtellen kann; ſie ſind meiſtens in Anwendung bei großen

Waarenvorräthen, die ſchnell abgeſetzt werden ſollen und von einem

Einzelnen nicht übernommen werden können, bei Waarenmaſſen,

deren Erlös ſchnell eingehen ſoll, um in ein anderes Geſchäft ge-

worfen zu werden, und zuweilen auch bei Gütern, wozu unter den

Handelsleuten wenige, aber zerſtreute, Liebhaber vorhanden ſind

und welche man doch zu ordentlichem Preiſe abſetzen möchte.

§. 369.

3) Verhältniß zwiſchen beiden.

Das Verhältniß zwiſchen Ausgaben und Einnahmen iſt um ſo

glücklicher, je mehr die Lezteren jene überſteigen. Der entgegen-

geſetzte Gang der Wirthſchaftsverhältniſſe führt endlich denjenigen

Zuſtand des Geſchäftes herbei, in welchem der Unternehmer ſeine

verfallenen Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlen kann. Tritt er

als Folge mißlicher Ereigniſſe ohne Verſchulden des Unternehmers

ein, ſo nennt man ihn Falliment (Fall, Fallissement); iſt er

aber im eigenen Verſchulden des Unternehmers gegründet, dann

wird er Bankerott (Bankbruch, Banqueroute) genannt. Be-

ſonders braucht man die Namen Fallit und Bankerotirer von

einem ſolchen Unternehmer immer in dieſem Sinne. Das Falli-

ment und der Bankbruch wird den Gläubigern ſchriftlich angezeigt,

und dieſe werden zuſammenberufen. Die urkundliche Auseinander-

ſetzung des Vermögensſtandes heißt man Status. Iſt die Zah-

lungsunfähigkeit blos eine unverſchuldete vorübergehende, ſo kann

der Schuldner eine obrigkeitliche Zahlungsfriſt (Moratorium,

Indult) anſprechen, und die ſchriftliche Ertheilung derſelben

durch die Obrigkeit heißt Anſtands- oder Indultbrief. Kann

Baumſtark Encyclopädie. 32

[498/0520]

er ſich, wenn er hierzu geſetzlich nicht befugt iſt, auch mit den

Gläubigern nicht auf einen Accord (Vergleich) verſtändigen,

dann wird das Falliment oder der Bankbruch gerichtlich öffentlich

erklärt, heißt dann Concurs und hat ein nach den Geſetzen ver-

ſchiedenes Proceßverfahren zur Folge1).

¹ Büſch Darſtellung. I. 424. II. 523 folg. Bleibtreu Lehrbuch. S. 372

(nach dem Bad. Landrechte). Leuchs Syſtem. II. 753. Schriften über Handels-

recht, Geſetzbücher und Prozeßordnungen. Bei den Bankern und Notenbanken er-

ſcheint dieſer Zuſtand zuerſt als Einſtellung der Baarzahlungen.

§. 370.

4) Kaufmänniſche Buchhaltung.

Die kaufmänniſche Buchhaltung, welche auch bei Leihgeſchäf-

ten angewendet wird, iſt, wie bereits oben (§. 79–82.) ſchon

dargethan wurde, entweder eine einfache oder eine doppelte1).

Es werden im Allgemeinen auch die daſelbſt erwähnten Haupt- und

Nebenbücher geführt. Allein jede Handlungsart hat außer dieſen

auch noch ihre beſonderen eigenthümlichen Bücher, nämlich a) das

Waarenſcontro zur chronologiſchen Aufzeichnung und Verrech-

nung der empfangenen und abgegebenen Waaren; b) das Wechſel-

ſcontro zur chronologiſchen Notirung aller eingenommenen und

ausgeſtellten Wechſel; c) das Kaſſenſcontro zu demſelben

Zwecke für die baaren Einnahmen und Ausgaben; d) das Bank-

ſcontro, zur Aufzeichnung der Ab- und Zuſchreibungen, welche

auf den Namen des Hauſes in den Büchern der Girobanken ge-

macht werden; e) das Waarencalculationsbuch, zum Auf-

zeichnen der gemachten Waarencalculationen; f) das Wechſel-

copirbuch, zur wörtlichen Abſchrift der Wechſel, weßhalb man

zwei, nämlich ein Trattenbuch und ein Rimeſſenbuch hat

und die Acceptation ſowie die Proteſtation bemerkt; g) das Han-

delsunkoſtenbuch, zur beſonderen Verrechnung der verſchiedenen

Auslagen der Handlung, deren Ergebniß man erſt monatlich in

das Kaſſabuch einträgt; h) das Briefcopirbuch; i) das Com-

miſſionsbuch, k) das Speditionsbuch, l) die Meßbücher,

welche Lezteren vier ſchon durch das Wort erklärt ſind; m) das

Contocorrentbuch, zur Aufſchreibung der Conti correnti2).

¹ Ueber die Literatur ſ. m. §. 79. N., worunter Bleibtreu als vorzüglich

zu empfehlen iſt. Es gibt aber auch eine eigenthümliche doppelte Buchhaltung,

welche man die engliſche nennt, da ſie von einem Engländer Jones erfunden

wurde. Sie iſt von der italieniſchen dadurch unterſchieden, daß die Poſten,

Debitoren, Creditoren, Debet und Credit, weit gedrängter und überſichtlicher als

bei dieſer aufgezeichnet ſind. Der Unterſchied wird am beſten aus der Vergleichung

von Schematen erkannt. Bleibtreu gibt ſolche zur Vergleichung.

[499/0521]

² Unter Conto corrente verſteht man ein auszügliches Verzeichniß aller von

einem Handelsfreunde in der Rechnungsperiode empfangenen und an denſelben abge-

lieferten Handelsartikel, nach Gattung und Betrag der Koſten ſpezifizirt und mit

den ſchuldigen Zinſen berechnet. Sie werden beim Schluſſe der Bücher und zum

Rechnungsabgleiche überſchickt. Das Buch über dieſe Conti correnti iſt das genannte.

V. Von der Verfertigung kaufmänniſcher Ertrags-

anſchläge.

§. 371.

Mit einer genauen Buchhaltung iſt der jährliche Ertrags-

anſchlag einer Handlung oder eines Leihgeſchäftes nothwendig ver-

bunden. Da den Unternehmern aus eigenem Intereſſe Alles daran

liegen muß, zuverläſſige Buchführung zu beſitzen, und da die Hand-

lungsbücher bis zu einem gewiſſen Grade einen geſetzlichen Beweis

abgeben, ſo iſt die Verfertigung kaufmänniſcher Ertragsanſchläge

im Durchſchnitte mehrerer Jahre ſehr erleichtert. Mangeln dieſe

Mittel, dann iſt ein ſolcher Ertragsanſchlag von auch nur einiger

Sicherheit, um ſo unausführbarer, je ausgedehnter das Geſchäft

iſt. Denn, wenn man auch das Capital eines Handelsmannes

kennt, ſo kann man daraus nicht auf den Gewinn ſchließen, weil

die Perſönlichkeit des Unternehmers, ſein Speculationsgeiſt u. dgl.

in Verbindung mit vielen äußeren Verhältniſſen auf denſelben

wirkt. Bei den Leihgeſchäften iſt dieſes Verfahren zuverläſſiger,

mit alleiniger Ausnahme der Geldleihgeſchäfte, bei denen die Aus-

mittelung des Capitalbeſitzes an das Unmögliche grenzt, weil das

Wechſel-, Actien- und Staatspapiergeſchäft alle Mittel der Ver-

heimlichung beſitzt, und ſonach blos die auf geſetzmäßige Hypo-

theken ausgeliehenen Geldcapitalien zu ermitteln ſind.

Zweiter Abſchnitt.

Dienſtgewerbslehre.

Einleitung.

§. 372.

Die Unternehmer aller bisher erörterten Gewerbe ſind darauf

bedacht, durch Hervorbringung, oder Umarbeitung, oder Umſatz

ſich ſelbſt und Anderen äußere ſachliche Güter zu verſchaffen,

welche man vorher nicht beſaß, alſo durch Aufopferung von Zeit,

Kraft und Vermögen überhaupt nicht vorhandene oder im Beſitze

anderer Menſchen und Gegenden befindliche Vermögenstheile zu

32 *

[500/0522]

erwerben. Die Dienſte (§. 41.) ſtimmen mit jenen gewerblichen

Thätigkeiten darin überein, daß auch ſie den Zweck des Erwerbes

ſachlicher Güter verfolgen, ſie unterſcheiden ſich aber von ihnen

weſentlich dadurch, daß ſie unmittelbar keine ſachlichen Güter

geben1), ſondern blos durch die Perſönlichkeit des Leiſtenden dem

Empfänger entweder einen wirthſchaftlichen oder einen per-

ſönlichen Vortheil verſchaffen. Man kann daher füglich wirth-

ſchaftliche und perſönliche Dienſtgewerbe unterſcheiden2).

Blos die Erſteren ſind Gegenſtand dieſes Abſchnittes der Kameral-

wiſſenſchaft, die Anderen aber nicht3). Zu denſelben gehören alle

wirthſchaftlichen Dienſte in den bürgerlichen Gewerben und in der

Hauswirthſchaft4), welche entweder in Gewerbsarbeiten, oder in

den Betriebsgeſchäften, oder in dem häuslichen Geſchäftsweſen

vorkommen. Einer weiteren Aufzählung bedarf es nicht, denn es

liegt nicht im Plane dieſer Schrift, ſie alle abzuhandeln5). Allein

es läßt ſich bei ihnen ebenfalls, wie bei den erwähnten Gewerben,

das Gewerbliche von der Betriebswirthſchaft trennen6).

¹ Eine ſcheinbare Ausnahme macht das Geſchäft der Gaſtwirthe. Allein

dieſe ſind nicht bloße Dienſtleiſtende, ſondern zugleich Handelsleute. Sie vereinigen

zwei Gewerbsarten in ihrem Geſchäfte; aber dieſes iſt weder wichtig noch eigen-

thümlich genug, um als eine dritte Gewerbsart nach den Dienſtgewerben beſonders

abgehandelt werden zu müſſen.

² Im Allgemeinen und für nationalökonomiſche Unterſuchungen muß dieſe

Unterſcheidung wohl eben ſo gleichgiltig ſein, als viele andere Begriffsſpaltungen.

Allein hier, wo es ſich um das Syſtem handelt, iſt ſie durchaus nicht gleichgiltig,

weil durch ſie entſchieden werden kann, welche Dienſte in die Kammeralwiſſenſchaft

gehören.

³ Denn ſie hat blos die rein wirthſchaftlichen Gewerbe, d. h. diejenigen zum

Gegenſtande, welche durch Einwirkung auf wirthſchaftliche Güter Vermögen zu

erwerben ſuchen. Dahin gehören aber niemals die Lehrer, Gymnaſtiker, Künſtler,

Geiſtlichen, Aerzte, Advocaten u. dgl., wohl aber die Bergleute, landwirthſchaft-

lichen Arbeiter, Verwalter, Ackervögte, Förſter, Waldmeiſter, Waldarbeiter,

Flötzer, Jäger, Handwerksgeſellen, Factoren, Werkmeiſter, Buchhalter, Commis,

Kellner, Köche, Küchendiener u. dgl.

⁴⁾ Beiſpiele ſ. in der Note 3. Es ſind aber die Hauswirthſchaftsdiener wohl

von den Haushaltungsdienern zu unterſcheiden (§. 40 u 63 folg.), denn zu den

Lezteren gehören auch die Ammen, Secretaire, andere Diener für die bloße Bequem-

lichkeit, Erzieher u. dgl., die aber alle nicht zum wirthſchaftlichen Perſonale gehören.

⁵⁾ Die Eintheilungen bei storch Cours d'Econom. polit., überſetzt von Rau

II. 353. und bei Rau Grundriß der Kameralwiſſ. §. 201. 202., vergl. mit 199.

u. 200. ſind in der That als ſehr mißlungen zu betrachten, denn es fehlt ihnen

beides, logiſche Schärfe und Vollſtändigkeit.

⁶⁾ Dies läßt ſich auch bei den anderen Dienſten, ſelbſt bei den höheren thun.

Allein das Gewerbliche, d. h. die theoretiſchen und praktiſchen Kenntniſſe und Ge-

ſchicklichkeiten eines Arztes, Lehrers, Advocaten, Rechtsbeamten c. ſind kein Gegen-

ſtand der Kameralwiſſenſchaft; das Betriebsweſen einer ſolchen Beſchäftigung reducirt

ſich dagegen auf die Hauswirthſchaft. Rau a. a. O. §. 201. hat daher zu viel

geſagt in der Behauptung, die Kunſtlehre der Dienſte ſei der Wirthſchaftslehre

fremd. Denn dies gilt nur von den rein perſönlichen Dienſtgewerben.

[501/0523]

Erſtes Hauptſtück.

Dienſt-Gewerbslehre.

§. 373.

Dieſe ſoll die Grundſätze und Regeln darſtellen, wonach die

verſchiedenen Gewerbsarbeiten und die hauswirthſchaftlichen Dienſte

geleiſtet werden müſſen, um vollkommene Producte zu liefern und

ſich die Arbeit ſo viel als möglich zu erleichtern und abzukürzen.

Es iſt daher ihre Aufgabe, den Zweck einer jeden ſolchen Arbeit

zu lehren, den Zuſammenhang derſelben mit den andern Geſchäften

zur Erreichung deſſelben Zieles zu zeigen, und die tauglichſten

Mittel und Wege anzugeben, wie man dazu gelangen kann. Da

die Mittel dafür der Körper, die Werkzeuge und Maſchinen, die

Wege dazu aber die menſchliche Thätigkeit zur Anwendung der-

ſelben ſind, ſo gehört in ihr Bereich die Erklärung der Werkzeuge

und Maſchinen, welche gebraucht werden, und des Hände- und

Fußwerkes bei der Arbeit. Man wird alſo ſo viele Abtheilungen

dieſes Hauptſtückes bekommen, als es wirthſchaftliche Dienſte

gibt. Dieſe aber laſſen ſich unter folgenden Klaſſen vollſtändig

darſtellen:

A. Gewerbsdienſte. Sie ſind:

1) Urgewerbsdienſte, nämlich in dem Bergbaue, in der

Feld-, Garten- und Forſtwirthſchaft, in der Viehzucht und in

der Jagd.

2) Kunſtgewerbsdienſte, nämlich in ſämmtlichen Gewerken.

Man muß aber bei ihnen diejenigen Gewerke, bei welchen Arbeits-

theilung eingeführt iſt und folglich jede Arbeit blos ein Theil der

Productionsthätigkeit iſt, von denjenigen unterſcheiden, wo jenes

nicht der Fall iſt und demnach die Arbeit des Dienſtleiſtenden die

Fertigung des ganzen Productes umfaßt.

3) Umſatzgewerbsdienſte, nämlich im Handel und im

Leihgeſchäfte.

B. Hauswirthſchaftsdienſte, wozu alle diejenigen zu

zählen ſind, welche in den oben genannten Geſchäften der Haus-

wirthſchaft vorkommen. Bei einer näheren Betrachtung dieſer

Dienſte zeigt ſich aber:

1) daß dasjenige, was die Wiſſenſchaft von den Gewerbsdien-

ſten lehren kann, in den einzelnen Gewerbslehren ſchon vorkommt;

2) daß die hauswirthſchaftlichen Dienſte einer wiſſenſchaftlichen

Faſſung nicht wohl fähig ſind; und

[502/0524]

3) daß das Weſentliche und Eigenthümliche bei der Dienſt-

leiſtung, nämlich die Geſchicklichkeit und Fertigkeit, nur in der

Ausübung zu erlernen iſt.

Daher würde man an dieſem Orte Zeit und Raum verſchwen-

den, wenn man eine beſondere Darſtellung der Dienſtgewerbe hier

geben würde1).

¹ Die Dienſt-Gewerbslehre gehört aber nichts deſto weniger in die Kameral-

wiſſenſchaft, wenn ſie auch hier blos formell berührt wird.

Zweites Hauptſtück.

Dienſt-Betriebslehre.

§. 374.

Die Dienſt-Betriebslehre ſteht mit der werkmänniſchen, mit

der land- und forſtwirthſchaftlichen, bergmänniſchen, mit der Um-

ſatzbetriebslehre und mit der Hauswirthſchaftslehre im innigſten

Zuſammenhange, weil der Dienſtbetrieb vom Gewerbsbetriebe und

von dem häuslichen wirthſchaftlichen Bedarfe abhängt. Es hat

zwar den Anſchein, als könnte bei den Dienſtgewerben kein Betrieb

in dem bisher mehrmals genannten Sinne Statt finden, weil die

Manchfaltigkeit der Mittel, Geſchäfte, Ausgaben und Einnahmen

fehlt, welche bei den Gewerben vorkommt. Allein gerade, weil

man ſelten einen geordneten Betrieb bei den Arbeiterklaſſen findet,

deßhalb iſt auch der wirthſchaftliche Uebelſtand unter ihnen ſo

häufig, wie man bemerkt. In ſehr vielen Fällen bereiten ſich die

Arbeiter ſelbſt ihr Unglück, weil ſie die zu Gebote ſtehenden Mittel

zu ſeiner Abwendung unbenutzt laſſen und Schritte thun, welche

ihnen poſitiven Nachtheil bringen1).

¹ Babbage, Ueber Maſchinen- und Fabrikweſen. S. 310 oder 30tes Kapit.

Brougham (brittiſcher Lord Kanzler), die Reſultate des Maſchinenweſens. Leip-

zig 1833. Ueberſetzung von Rieken, beſonders das 17. 18 und 19te Kapitel.

S. 217. (Eine ausgezeichnete Schrift.)

I. Von den allgemeinen Bedürfniſſen des Dienſt-

gewerbsbetriebes.

§. 375.

Die Güter, welche zum Betriebe der Dienſtgewerbe nöthig

ſind, können unter wenige Nummern gebracht werden, denn ihre

Manchfaltigkeit iſt nicht ſo groß, wie bei den Stoffgewerben. Sie

ſind folgende:

[503/0525]

1) Naturmittel. Sie beſtehen blos in den geiſtigen und

körperlichen Anlagen der Arbeiter und in der Manchfaltigkeit ihrer

Kenntniſſe und Geſchicklichkeiten. Es liegt im Intereſſe des Ar-

beiters: a) daß er ſich von dem ganzen Gewerbe, in welchem er

entweder Meiſter werden will oder blos beſtimmte Arbeiten zu lei-

ſten gedenkt, Kenntniß verſchaffe1); b) daß er ſuche, in einem

verwandten anderen Gewerbe ſich ſo viel Kenntniß und Gewandt-

heit anzueignen, um im Stande zu ſein, im Falle der Noth von

dem Einen zum Andern überzugehen2).

2) Verkehrsmittel. Ohne das Vorhandenſein hinreichenden

Capitals und deſſen Anwendung in Gewerben, alſo ohne Concur-

renz von Gewerbsunternehmern3), iſt eine Beſchäftigung der

Arbeiter und deren Löhnung nicht möglich. Es liegt alſo im In-

tereſſe der Arbeiter: a) nicht blos der Erhaltung und Vermehrung

des Capitals nicht hemmend und zerſtörend entgegenzutreten4),

b) ſondern auch dieſelbe durch Arbeitſamkeit zu befördern, und

c) durch ihr Benehmen den Reitz der Capitalbeſitzer, ihr Capital

in Gewerben nutzbar anzulegen, zu erhöhen5).

3) Capital. Manche Arbeiten oder manche Lohncontrakte

ſind ſo beſchaffen, daß der Arbeiter ſein Capital an Werkzeugen

bis zu einem gewiſſen Grade ſelbſt verſchaffen und erhalten muß6).

Die Auslagen hierfür ſind wahre Capitaltheile, während auch die

Koſten der Unterhaltung der arbeitenden Familie, in ſoweit ſie

zur Erhaltung der Arbeitsluſt und -Kraft erfordert werden, als

Capitalauslagen angeſehen werden können, obſchon ſie anderſeits

auch als Verbrauchsgüter erſcheinen.

4) Freiheit des Betriebes. Auch einzelne Dienſtgewerbe

ſind in manchen Städten zünftig7), und ſchon die Zunftverfaſſung

der Gewerke ſteht dem freien Betriebe der Arbeiter entgegen

(§. 312. 5.). Allein außerdem gibt es in manchen Ländern, z. B.

in Großbrittannien, beſchränkende Geſetze über das Auswandern

und den Aufenthalt der Arbeiter im Auslande, welche den Arbeitern

ſehr zum Nachtheile gerathen8), und in den Fabriken ſelbſt Ge-

wohnheiten unter den Arbeitern, welche der freien Anſiedelung der

Neulinge Hinderniſſe in den Weg legen9).

¹ Der geſchickte Arbeiter iſt überall vorgezogen und wird von den Unterneh-

mern ſo lange gehalten, als möglich. Wenn dagegen eine Arbeit in einer Fabrik

überſetzt, nicht einträglich genug für den Arbeiter iſt, oder wenn eine höhere Stelle

in einem Gewerbe oder in der Hauswirthſchaft frei iſt, ſo kann ſich derſelbe weiter

ſchwingen und ſeine Vermögensverhältniſſe verbeſſern. In dieſer Beziehung hat man

viele, ſogar ſträfliche Nachläſſigkeit unter der arbeitenden Klaſſe zu bedauern.

² Die Erfahrung lehrt, daß aus mancherlei Gründen oft Arbeiter entlaſſen

werden oder der Arbeitslohn zur Erhaltung der Familie nicht mehr hinreicht. Der

[504/0526]

² Uebergang von einem Gewerbe oder Dienſte in den anderen vermag einem ſolchen

böſen Zuſtande abzuhelfen.

³ Man hat viele traurige Beiſpiele, daß Fabriksherrn wegen der ungeſtümen

unbilligen Forderungen und wegen widerlichen Betragens der Arbeiter ihre Etabliſ-

ſements in ferne Gegenden, Länder, ja in andere Erdtheile verlegt haben, weil

ihnen der Fortbetrieb derſelben am alten Orte nicht ohne Verluſt möglich war. Die

Folgen der ſo verringerten Concurrenz ſind für die Arbeiter ſehr bitter. Wie oft

kommt nicht auch der Fall vor, daß Familien wegen der Inſolenz und Unbrauch-

barkeit der Geſindeperſonen einer Stadt ihren Wohnſitz verändern.

⁴⁾ Schon ſehr oft hat das Betragen der Arbeiter veranlaßt, daß Gewerbs-

unternehmer ihr Capital aus dem Betriebe gezogen und anders angewendet haben,

worauf Brodloſigkeit der Arbeiter erfolgte. Eben ſo oft aber hat es die Unter-

nehmer veranlaßt, ihre Aufmerkſamkeit auf ein beſſeres und wohlfeileres, Arbeiter

entbehrlich machendes, Gewerbsverfahren zu wenden; es glückte ihnen und die

Arbeiter wurden größtentheils entlaſſen.

⁵⁾ Zu den vielen anderen Gründen gegen die Capitalanlage in Gewerben

kommt neuerdings auch noch die Gefahr der Unſicherheit derſelben wegen der Zer-

ſtörungsſucht der Arbeiter.

⁶⁾ Dies iſt oft der Fall. Ein beſonderer Fall dieſer Art findet ſich im

Schwarzwalde, wo die reicheren Gewerksunternehmer gleichſam als Patrone die

Arbeiterfamilien in den umliegenden Dörfern, Weilern und Höfen beſchäftigen,

indem ſie ihnen das rohe Material liefern.

⁷⁾ Eine Ausnahme hiervon bilden Vereinigungen zur gegenſeitigen Unterſtützung

in Fällen der Noth, wie z. B. die Vereinigung der Herrendiener in Heidelberg zu

dem Zwecke, daß, wenn Einer derſelben erkrankt, die Andern für ihn ohne

Schmälerung ſeines Einkommens die Dienſte verrichten, oder jene der Sackträger,

um aus einer gemeinſchaftlichen Kaſſe einem Erkrankten aus ihrer Mitte eine Geld-

unterſtützung zu geben.

⁸⁾ Babbage a. a. O. S. 388. oder 34tes Kap.

⁹⁾ Z. B. daß jeder neu ankommende Arbeiter den übrigen eine Geldſumme

bezahlen muß, welche hernach vertrunken wird, u. dgl. m.

II. Von der Dienſtbetriebswirthſchaft.

§. 376.

Die Betriebsausgaben und Einnahmen ſind ſehr einfach. Jene

beſtehen, wenn der Arbeiter ſein eigenes Capital nicht zu halten

hat, blos in den Unterhaltungskoſten der Perſonen, die aber auch

für diejenigen Tage zu rechnen ſind, an welchen der Arbeiter aus

polizeilichen, Gewohnheits-, Krankheits- und ſtändigen Verkehrs-

gründen nicht beſchäftigt iſt1). Die Einnahmen beſtehen in Geld-

und Naturallohn (§. 68.). Haben ſich die Dienſtleiſtenden einer-

ſeits ſorgfältig vor Ueberliſtung mit ſchlechten Löhnungsſyſtemen

(§. 315. e.) zu hüten, ſo dürfen ſie aber anderſeits mit ihren

Forderungen auch nicht unbillig ſein, weil dies in der Regel mehr

ihnen als den Gewerbsunternehmern zum Nachtheile gereicht2).

Wenn ſich aber die Arbeiter gerade hierin auch nicht ſchaden, ſo

bereiten ſie ſich doch oft ein böſes Schickſal durch zügelloſe Lei-

denſchaften, welche zur Verſchwendung führen3). Die Einnahmen

werden von ihnen unklug gerade ſo verzehrt, wie ſie kommen, ohne

[505/0527]

Bedachtſamkeit und Vorſorge für die Zeiten der Arbeitsloſigkeit

und Arbeitsunfähigkeit, während die Arbeiter, unterſtützt von den

verſchiedenen Sparkaſſen, bei mäßigem genügſamem Leben Mittel

in der Hand haben, durch Zuſammenſparen kleiner Reſte ſich aus

dem Arbeiterſtande in jenen der kleineren Capitaliſten, wenn auch

nur zur Unterſtützung in Zeiten der Noth, zu verſetzen4).

¹ Z. B. Sonn- und Feiertage, Krankheitsfälle, und der Umſtand, daß manche

Gewerbe nur zu gewiſſen Jahreszeiten getrieben werden können.

² Außer den im vorigen §. angeführten ſchädlichen Folgen ſind hier noch die

zu erwähnen, daß die Dienſtherrn feſte Contrakte auf lange Zeit abſchließen, und

daß ſie den Arbeitern den Stand der Beſtellungen verheimlichen, wodurch den Ar-

beitern mancher Vortheil entgehen kann.

³ Es gehört hierher unter andern auch die üble Gewohnheit des blauen

Montags.

⁴⁾ Ueberhaupt ſollten nach dem Bisherigen Geſchicklichkeit, Fleiß, anſtändiges

Betragen und Sparſamkeit die Erſtrebungspunkte der Arbeiter ſein, denn ſie ſind

auch die Grundpfeiler ihres Glückes.

III. Von der Buchführung und Verfertigung dienſt-

männiſcher Anſchläge.

§. 377.

Ein ſehr paſſendes Mittel, um ſich auf ſeine Pflichten in

Betreff der Betriebswirthſchaft periodiſch aufmerkſam zu machen,

hat der Arbeiter1) in der periodiſchen Berechnung des Reinertrages

ſeines Gewerbes. Dieſe iſt aber ohne Aufzeichnung der Ausgaben

und der Einnahmen nach einem ganz einfachen Syſteme nicht

thunlich. Man kann ſie jedoch beim Tag-, Wochen- oder viertel-

jährigen Lohne füglich auf die Ausgaben beſchränken, deren perio-

diſchen Betrag man blos mit der periodiſchen Löhnung zu ver-

gleichen hat, um den Reinertrag zu finden. Bei dem Stücklohne

und bei anderen zufälligen Einzeleinnahmen muß ſie ſich aber auch

auf dieſe erſtrecken. Zur Verfertigung von Voranſchlägen ohne

ſolche poſitive Daten gehört dagegen eine Berechnung des häus-

lichen Bedarfes im Einzelnen, welche aber ſehr große Schwierig-

keiten darbietet, und eine Vergleichung deſſelben mit dem Geſammt-

betrage des üblichen Lohnes2).

¹ Von Dienſtleiſtenden höherer Art, z. B. von Mäklern, Commiſſionairen

u. dgl. erwartet man kaufmänniſche Buchführung.

² Indeſſen gibt es hier nicht blos Ertrags-, ſondern auch Capitalanſchläge,

wenn nämlich ein Dienſtgeſchäft an einen Anderen abgetreten wird, wie dies früher

häufig der Fall war. Es wird in ſolchen Fällen das durchſchnittliche reine Ein-

kommen capitaliſirt, z. B. bei Mäklergeſchäften, Wirthſchaftsgerechtigkeiten u. dgl.

[506/0528]

Zweiter Theil.

Gemeindewirthſchaftslehre.

Einleitung.

§. 378.

Die Gemeinden, von deren Wirthſchaft (§. 43.) hier die

Rede iſt, werden jetzt allmälig, nachdem ihr Weſen und ihre Be-

deutſamkeit für das Volks- und Staatswohl lange Zeit mißkannt

geweſen, von ihrer richtigen und wichtigen Seite betrachtet. Im

Mittelalter waren blos Städte die eigentlichen Gemeinden (Com-

munitates), und das Element, aus welchem ſie ſich ſelbſt, ihre

Verfaſſung und Verwaltung bildeten, waren die Kaufmanns- und

die Handwerksgeſellſchaften oder Gilden1), eine Thatſache, aus

welcher ſich erklären läßt, warum das ſtädtiſche Gewerbsweſen im

Gegenſatze des ländlichen der Inbegriff der Handelsgeſchäfte und

Kunſtgewerbe war. Sind dieſe Gemeinden auf dieſe Weiſe daher

als freie Vereinigungen zur Erzielung verſchiedener gemeinſamer

Zwecke zu betrachten, ſo dürfen die gemeinſchaftlichen Niederlaſ-

ſungen ähnlicher Art auf dem Lande, um eine Burg (Bürger,

Bürgerſchaften) u. dgl. ebenfalls nur als ſolche betrachtet werden.

Steigt man aber in jene tiefe Zeit hinab, wo ſolche Unterſchei-

dungen noch nicht vorhanden ſind, ſo findet man ſchon Genoſſen-

ſchaften, auf Stammgleichheit, Verwandtſchaft und anderen

Baſen beruhende gemeinſchaftliche Niederlaſſungen auf einem be-

grenzten Gebiete (einer Mark), welche ſich nach eigenen beſtimmten

Rechten im Innern und gegen Außen Schutz und Sicherheit ge-

währten (§. 7. 8.). Aus dieſen verſchiedenen kleineren ſtaatsähn-

lichen Verbindungen ging unſtreitig der größere Staatsverband

hervor. Die ſtädtiſchen Gewerbe und mit ihnen die ſtädtiſche Ver-

faſſung und Verwaltung entfalteten ſich theils unter dem Schutze

der Freiheit und Selbſtſtändigkeit, theils unter den Wohlthaten

manchfacher Gerechtſame und Privilegien zu einer Blüthe und zu

einem Reichthume, woraus ihre politiſche Bedeutſamkeit hervor-

ging, die ſie bei Staatsfragen mit den Hauptſtänden in den erſten

Rang ſtellte (§. 14. 20. 23.). So ſehr ſie anfänglich und längere

Zeit hindurch der Stolz der Staaten und Fürſten waren, ebenſo

erregten ſie ſpäter, als in der Wirthſchaft der Fürſten und Adeligen

der frühere Glanz und Reichthum der Armuth Platz gemacht hatte,

die Eiferſucht derſelben. Dieſe und das kräftigere nachdrückliche

[507/0529]

opponirende Auftreten des Bauernſtandes verurſachte allmälig nicht

blos, daß den Städten ihre Privilegien und Freiheiten genommen

wurden, und der Wohlſtand derſelben ſank, ſondern auch, daß mit

Verwiſchung des früheren gewerblichen Unterſchiedes neben den

Städte- auch Landgemeinden hervortraten. Beiden aber ge-

riethen dieſe und die nachfolgenden Veränderungen inſoferne zum

Nachtheile, als die Staatsgewalt, die Gemeinden zu Staats-

anſtalten machend, ſie auch ihrer Selbſtſtändigkeit beraubte, mit

Druck und Ungerechtigkeit zu ihren willkührlichen Zwecken benutzte,

und deren Verfaſſung und Verwaltung unter die Staatsvor-

mundſchaft ſtellte, unter welchem Titel Eingriffe in dieſelben

geſchahen, die vor dem Rechts-, Sittlichkeits- und Klugheits-

geſetze als gleich verwerflich erſcheinen2). Man glaubte ſich aber,

die perſönliche Schlechtigkeit einzelner Staats- und Gemeinde-

beamten abgerechnet, zur Anlegung jenes Zügels der Vormund-

ſchaft um ſo mehr berechtigt, als der Zweck der Gemeinden als ein

dem Staatszwecke entgegenwirkender erſchien3). In dieſem Stande

der Unterdrückung wanderten die Gemeinden aus dem vorigen in

dieſes gegenwärtige Jahrhundert, und das Maaß der Zerrüttung

des Gemeindeweſens wurde noch vollends gefüllt durch die verhee-

renden Kriege, welche die franzöſiſche Revolution geboren hat.

Der Aufklärung des jetzigen Zeitabſchnittes konnte dieſe Verirrung

von Wahrheit, Recht und Klugheit nicht entgehen. Man ſah die

Identität des Staats- und Gemeindezweckes ein und erkannte den

Wohlſtand der Gemeinden als einen Grundpfeiler des Staats-

wohles an. Die Wiedereinſetzung derſelben in ihre Selbſtſtändig-

keit als eine moraliſche Perſon mit beſtimmtem Eigenthume und

Rechte, und die Wiedererſtattung der alten Befugniſſe, inſoweit

ſie ſich mit dem Geiſte der Zeit vertragen, erſchien als das beſte

Heilmittel gegen die vielen Gemeindeübel. Das Königreich Preußen

ſchritt damit voran4) und es folgten nach einander mehrere andere

Staaten5). So weit gekommen, muß die Gemeindeverwaltung

nicht blos von allen altherkömmlichen Mängeln befreit, ſondern es

müſſen Grundſätze und Regeln von wiſſenſchaftlicher und praktiſcher

Begründung aufgeſtellt werden, woran ſich die ſelbſtſtändigen Ge-

meindebeamten in der Verwaltung des Gemeindevermögens und

Einkommens halten können6).

¹ S. darüber die oben §. 14. Note 4. angeführte Schrift von Wilda und

die beiden andern von Hüllmann und Raynouard.

² Aus dieſem Bedrückungsgange entwickelte ſich dann die grundfalſche Anſicht,

daß die Gemeinde eine Anſtalt des Staats, und erſt von dieſem durch Abtheilungen

gebildet und blos mit übertragener Gewalt verſehen ſei. Im Gegentheile, der

Staat iſt ein Verband Einzelner durch Gemeinden und Einzelner für ſich, die nicht

[508/0530]

² in eine beſtimmte Gemeinde als vollberechtigte Bürger gehören. Sie haben ſich aus

Rückſicht auf die beſſere Erreichung ihrer Zwecke unterworfen, ſind Staatsglieder,

wie die Einzelnen, und der Staat hat gegen ſie, wie umgekehrt ſie gegen den

Staat, die Verpflichtungen und Berechtigungen, welche zwiſchen jenem und den

Einzelnen beſtehen. Derſelbe hat ihnen aber auch zugleich Mehreres von ſeiner

eigenen Gewalt übertragen. In dieſer Beziehung ſtehen ſie ganz unter ſeinem

Befehle, in der andern aber hat er ſich in ihren Wirthſchaftsangelegenheiten nur zu

miſchen, um zu verhüten, daß ſie nicht dem Gemeinde- und Staatszwecke zuwider

geleitet werden, — um die Hinderniſſe ihrer Entwickelung hinwegzuräumen, und

dort unterſtützend einzuſchreiten, wo die Kräfte der Gemeinden zur Erreichung eines

Zweckes nicht groß genug ſind.

³ In früheren Zeiten war dies faktiſch im Einzelnen häufig der Fall. Allein

eine ſolche Reaction liegt nicht im Weſen der Gemeinden.

⁴⁾ Städteordnung vom 19ten November 1808. Revidirte Städteordnung vom

17ten März 1831. S. Preuß. Geſetzſammlung. Jahrg 1831. Nro. 3. S. 10 folg.

vrgl. mit Geſetzſammlung Jahrg. 1832. Nro. 16. S. 181 folg.

⁵⁾ Bairiſche Verordnung über die Verfaſſung und Verwaltung der Gemein-

den vom 19. Mai 1818 = Bair. Geſetzblatt. Jahrg. 1818. Stück V. S. 50.

Gemeindeumlagegeſetz vom 22. Juli 1819. = Geſetzblatt Jahrg. 1819. Stück VIII.

S. 84. Würtemberg. Verwaltungsedikt für Gemeinden vom 1. März 1822.

= Würtemberg. Staats- und Regierungsblatt. Jahrg. 1822. Nro. 17. S. 131.

Badiſches Geſetz über die Verf. und Verw. der Gemeinden vom 31. December

1831, Geſetz über die Rechte der Gemeindebürger c. von demſelben Datum, und

Geſetz über die Formen der Wahl zu verſchiedenen Gemeindeämtern vom 1. Juni

1832. = Regierungsblatt v. J. 1832. oder Handbuch für Badens Bürger (Carls-

ruhe 1832). S. 119. 189. 243.

⁶⁾ Die Literatur hierzu: v. Arretin, Staatsrecht der konſtitutionellen

Monarchie. IIr Bd. 2te Abthlg. (von v. Rotteck). S. 22 folg. Verhandlungen

der IIn Kammer der Bairiſchen Ständeverſammlung von 1819. Bd. I. S. 451.

467. III. 181. 188. 232. 274. 376–443. 447. 454. Verhandlungen der IIten

Kammer der Badiſchen Ständeverſammlung von 1831. Heft 10. 11. 13. 15. 16.

Beilageheft 3. 4. 5 (das Gemeindewirthſchaftsweſen).

Erſter Abſchnitt.

Gemeinde-Erwerbswirthſchaft.

§. 378. a.

Die Mittel, welche den Gemeinden zum Bezuge eines Ein-

kommens zuſtehen, ſind von jenen der Privatleute inſoferne ver-

ſchieden, als jene nicht blos aus eigenem Grundbeſitze und Capitale,

ſondern auch aus verſchiedenen eigenthümlichen nutzbaren Gerecht-

ſamen und aus der Befugniß, von den Gemeindegliedern verſchie-

denen Grades Steuern (Umlagen) zu erheben, Einnahmen beziehen.

Man iſt darum in der Regel auch abgeneigt, in der Gemeinde-

wirthſchaft von einem Erwerbe zu ſprechen, — jedoch mit Un-

recht, denn die Merkmale des Erwerbs finden ſich auch bei ihr

vor (§. 45.), und ſogar eigener Gewerbsbetrieb, wie z. B. Land-

[509/0531]

und Forſtwirthſchaft, gehört in ihr Bereich. Der Lehre von der

Gemeinde-Erwerbswirthſchaft (Gemeindewirthſchaft im en-

geren Sinne), welche blos die Theorie von der beſten Benutzung

der Einkommensquellen der Gemeinde an ſich (§. 48.) lehrt, muß

dagegen die Gemeinde-Hauswirthſchaftslehre (Gemeinde-

Verwaltungslehre) gegenüber geſtellt werden, welche mit beſonderer

Beziehung auf den Gemeindehaushalt gerade dieſelben Gegenſtände

hat, wie die allgemeine Hauswirthſchaftslehre (§. 63.).

Erſte Abtheilung.

Von dem Erwerbe aus dem Gemeinde-

vermögen.

I. Bewirthſchaftung der Gemeindeliegenſchaften.

§. 379.

1) Gemeindefelder und -Gärten.

Die Gemeindebürger zuſammengenommen bilden als Gemeinde

eine moraliſche Perſon, welche auch Vermögen im oben angegebenen

Sinne (§. 39.) beſitzen kann oder wirklich beſitzt. Daſſelbe kann

in unbeweglichen Vermögenstheilen oder Gemeindeliegenſchaften,

in mancherlei Gerechtſamen oder Berechtigungen aus privatrecht-

lichen und polizeilichen Gründen, und in Activcapitalien beſtehen.

Die Gemeindeliegenſchaften ſind in der Regel Felder

und Gärten, Waldungen, bergmänniſche Beſitzungen und einzelne

Gebäude.

Die Gemeindefelder und Gärten ſind nach altem Her-

kommen entweder von der Gemeinde als moraliſcher Perſon oder

von den einzelnen Bürgern nach Vertheilung und insgeſammt ge-

meinſchaftlich zu nützendes Gemeindeeigenthum. Jenes wird zu-

weilen Gemeinde-, und dieſes zum Gegenſatze Almendgut

genannt1). Da die Bürger auf die Nutzung dieſes Leztern ein

herkömmliches Recht haben, ſo iſt ſie ihnen auch nicht zu entziehen,

ſo lange die Mehrzahl derſelben nicht dazu beſtimmt, und es iſt

alſo der Bewirthſchaftung durch die Gemeinde als moraliſche

Perſon nicht unterworfen2). Das Erſtere aber wird von der Ge-

meinde als Geſammtheit bewirthſchaftet und ſie hat die Wahl zwi-

ſchen den oben (§. 209.) erwähnten Bewirthſchaftungsmethoden3).

¹ Namentlich gehören hierher Weideplätze, Wieſen, die Benutzung des Graſes

in Brüchern u. dgl. zu Futter und Streu.

² Obſchon dieſe Vertheilung oder gemeinſame Benutzung altherkömmlich iſt,

ſo hat ſie doch nicht immer Vortheile. Es läßt ſich zwar nicht läugenen, daß den

[510/0532]

² armen Bürgersfamilien ſowohl durch Zutheilung eines Stückes Acker, Wieſen oder

Weiden, ſo wie durch den Antheil an einer gemeinſamen Nutzung eine ſehr große

Wohlthat geſchehen kann. Allein bei einer Vertheilung, gewöhnlich durch's Loos

auf einige Jahre, verſchlechtern ſich die Grundſtücke ſo außerordentlich, daß die

Schlechtigkeit der Almendſtücke ſprichwörtlich wird; denn es iſt kein Intereſſe da,

ſie in gutem Zuſtande zu erhalten, noch viel weniger, ſie zu verbeſſern, weil die

Nutzungszeit zu kurz und die Wahrſcheinlichkeit eines ſchlechten Treffers bei der

nächſten Verlooſung ſehr groß iſt. Die Weidegemeinheiten ſind aber der Entwicke-

lung der Landwirthſchaft ſo ſchädlich, daß ihre Vertheilung aus nationalökonomiſchen

Gründen immer wünſchenswerther wird, während der Verſchlechterung der andern

theilbaren Almendſtücke nur durch Verlängerung der Nutzungszeit, aber alsdann

durch geſchärfte Aufſicht auf ihre Benutzung und Erhaltung vorzubeugen ſein möchte.

³ Wenn man auch gewöhnlich von den Gemeinheiten ſagt, ſie ſeien ſchlechte

Verwalterinnen oder Bewirthſchafterinnen und deßhalb durchaus der Verpachtung

von Grundſtücken der Gemeinde das Wort reden zu müſſen glaubt, um den Nach-

theilen der Selbſtbewirthſchaftung zu entgehen, ſo findet dies dennoch nicht in

gleichem Grade, wie beim Staate, auch in den Gemeinden Statt. Denn die Auf-

ſicht auf die Wirthſchaftsführung iſt bei dieſen ſehr erleichtert, die Gemeindever-

waltungsbehörden haben in der Regel (wenigſtens auf dem Lande und kleineren

Städten) ſpezielle praktiſche Kenntniſſe in der Landwirthſchaft, und bewegen ſich in

eigenen Geſchäften auch viel in der Gemarkung herum. Aus dieſen Rückſichten iſt

wenigſtens die Selbſtbewirthſchaftung nicht ſo unbedingt, wie in der Regel geſchieht,

zu verwerfen. Dies gilt zuverläſſig von botaniſchen Gärten, Baumſchulen u. dgl.

und von Gütern, welche in einer zweckmäßigen Arrondirung zuſammen liegen, —

aber nicht ſo von zerſtreut liegenden Gründen. Bei dieſen iſt die Verpachtung vor-

zuziehen. Ob man aber ein zuſammenhängendes Landgut ſtückweiſe (zerſchlagen)

oder im Ganzen verpachten ſoll, wenn überhaupt die Verpachtung vorgezogen wird,

das hängt von dem Grade der Zerſtückelung der Güter in der Gegend, von der

Theilbarkeit des Pachtgutes ſelbſt, von dem Stande der Landwirthſchaft und von

dem Vermögenszuſtande der Gemeindemitglieder ab. Denn man muß ſuchen, den

Vortheil der Gemeindekaſſe, die Erhaltung und Verbeſſerung der Ländereien, und

die Hebung der wirthſchaftlichen Verhältniſſe der Gemeindeglieder mit einander zu

verbinden. Jedenfalls befreit die Verpachtung die Gemeinde vom läſtigen Wirth-

ſchaftsdetail, und iſt aus denſelben Gründen für ſie unſchädlicher als für den Staat,

aus welchen es auch die Selbſtbewirthſchaftung weniger iſt.

§. 380.

2) Gemeindewaldungen. 3) Bergmänniſche Beſitzungen.

4) Gebäude.

Ein für die Gemeinden ſehr paſſender Beſitz ſind die Wal-

dungen (§. 261.). Allein ſie müſſen nach forſtwirthſchaftlichen

Regeln bewirthſchaftet werden; beſonders ſind die Benutzungen der

Wälder für außerordentliche Ausgaben, indem man einen unzei-

tigen, zu ſtarken oder unregelmäßigen Hieb vornimmt, um das

Holz ſobald als möglich zu verwerthen, ſehr zu mißrathen. Bei

regelmäßigem Betriebe kommt die mit gehörigem Waldſchutze ge-

ſtattete Benutzung der Waldſtreu, Waldgräſer und Früchte den

berechtigten Bürgern oft ſehr zu Statten, während das Holzbe-

dürfniß der Gemeinde leicht befriedigt und der Gemeindekaſſe ein

bedeutendes Einkommen zu Theil wird. Von einer anderen als

von der Selbſtbewirthſchaftung iſt hier gar nicht leicht die Sprache.

[511/0533]

Es finden ſich aber auf den Gemeindegütern häufig Stein-

brüche, Sand-, Kalk-, Lehm-, Mergelgruben, Torf-

moore u. dgl. mehr, deren Betrieb nicht Regal iſt und den Ge-

meinden vielen Nutzen gewähren kann. Auch bei dieſen Gemeinde-

beſitzungen iſt öfters, namentlich bei den Gruben, der Charakter

des Almendgutes maßgebend (§. 379.). Iſt dies aber nicht der

Fall, ſo ergibt ſich nicht ſelten, daß der pecuniäre Vortheil, wel-

chen die Gemeindekaſſe durch Fordern eines Preiſes für deren

Benutzung durch Gemeindeglieder beziehen könnte, das Hinderniß

keineswegs überwiegt, welche dadurch der Benutzung derſelben in

den Weg gelegt werden1). Man gibt ſie darum nach Umſtänden

lieber ganz frei. Im entgegengeſetzten Falle aber iſt dies nicht

nothwendig. Bei Steinbrüchen, Torfmooren u. dgl. iſt jedoch die

Frage über die Selbſtbewirthſchaftung und Verpachtung oder Ver-

leihung wichtig (§. 122.), denn ſie liegt gleich ſehr im Intereſſe

der Gemeindekaſſe wie des öffentlichen und bürgerlichen Wohles2).

In den Gemeinden gibt es auch zuweilen einzelne Gebäude,

welche zu einer beſtimmten Nutzung beſtimmt ſind, wie z. B. Lager-,

Kaufhäuſer u. dgl., oder derſelben, da ſie aufgehört hat, nicht

mehr dienen. Die Einnahmen aus jenen gehören unter II. Die

Lezteren aber werden, wenn ſie nicht einer anderen Verwendung

geweiht ſind, am beſten verpachtet, vorausgeſetzt, daß ihr Verkauf

nicht vortheilhafter befunden oder nicht durchgeſetzt wurde. Denn

ohne dies ſind ſie ein todtes Capital.

¹ Z. B. ein wenig Geld für jeden Karren oder Wagen Sand, Lehm, Mer-

gel, — zu Bau- und landwirthſchaftlichen Zwecken u. dgl.

² Z. B. Steine für Pflaſter, Straßen-, Waſſerbau, für Häuſerbau. Da zu

dem Abbaue ſolcher bergmänniſch zu gewinnenden Producte wenig oder gar keine

beſonderen Baulichkeiten, alſo keine großen Capitalanlagen erforderlich ſind, ſo kann

er durch die Gemeinde ſelbſt leicht gegen Stücklohn beſorgt und der Verkauf des

Gewonnenen übernommen werden. Man wird daher in ſolchen Fällen wohl leicht

den Selbſtbetrieb anrathen dürfen. Sind aber beſondere bergmänniſche Kenntniſſe

und größere Capitalauslagen erforderlich, um einen Bruch oder eine Grube abzu-

bauen, ſo wird ſich die Verleihung oder Verpachtung als vortheilhaft erweiſen.

II. Bewirthſchaftung der Gemeindegerechtſamen.

§. 381.

Es gibt eine ſehr große Anzahl verſchiedener Berechtigungen

der Gemeinden, welche größtentheils ihren Urſprung jener Zeit

verdanken, in welcher man die Städte durch Privilegien und nutz-

bare Vorrechte zu heben ſuchte. Sie ſind aber im Allgemeinen

von dreierlei Natur:

1) entweder rein privatrechtlich, d. h. ſolche, die auf ge-

wöhnlichem bürgerlichem Eigenthumsrechte beruhen, und es gehören

[512/0534]

z. B. hierher die Zehnt-, Gült-, Bodenzins- und andere Gefäll-

rechte1), die Jagd-, Fiſcherei- und Schäfereigerechtigkeiten2);

2) oder polizeirechtlich, d. h. ſolche, die auf dem den

Gemeinden vom Staate übertragenen Polizeirechte gegründet ſind

und man hat hierher z. B. zu rechnen die Marktrechte, Eichrechte

(von Eichanſtalten), Waagrechte, Waſenmeiſterei, Strafrechte3);

3) oder gemeinderechtlich, d. h. ſolche, welche ihnen kraft

eigenen Corporationsrechtes zukommen, wie z. B. die Gelder für

Bürgeraufnahme.

¹ Ueber ihre Entſtehung handelt die Einleitung (§. 7. 11. 16. 22.). Ihre

Unverträglichkeit mit Grundſätzen der Nationalökonomie, von welcher ſpäter die

Rede ſein wird, macht ihre Abſchaffung ſehr wünſchenswerth und es ſind dazu auch

von den meiſten europäiſchen Staaten bereits die geeigneten geſetzlichen Schritte

gethan. Deßhalb dürften ſie nach nicht langer Zeit aus der Gemeindeverwaltung

verſchwunden ſein. Manche davon ſind den Pfarr- und Schulfonds zugetheilt und

alſo ſchon aus dieſem Grunde in die Privatwirthſchaft der Pfarrer, Lehrer, Glöckner

u. ſ. w. übergegangen. Wo ſie aber als wirkliches Beſitzthum der Gemeinde ſelbſt

noch zu verwalten ſind, richtet ſich ihre Benutzung nach den, in der Finanzwirth-

ſchaft befolgten und alſo ſpäter zu berührenden, Grundſätzen und Regeln.

² Die Jagd in den Gemeindewaldungen und andere Jagdgerechtigkeiten ſind,

ſo wie die Fiſcherei, jedenfalls zu verpachten, weil ſich ihre Selbſtausübung durch

die Gemeinde aus leicht einzuſehenden Gründen mit dem Weſen der Lezteren durch-

aus nicht verträgt. Die Ausübung derſelben durch die Pachter hat aber jedenfalls

nach den betreffenden Kunſtregeln zu geſchehen.

³ Die Marktrechte, wozu man auch die Waagrechte zählen kann und

welche größtentheils in der Erhebung einer Geldabgabe, ſei es für eine Stelle auf

dem Marktplatze oder für das Feilbieten gewiſſer Gegenſtände oder geradezu bei

Löſung eines Marktſcheines beſtehen, können allerdings als Verkehrshemmniſſe be-

trachtet werden; auch kann nicht geläugnet werden, daß ſolche Abgaben Auswärtige

zugleich treffen, die mit dem Gemeindeverbande nichts zu thun haben. Allein welche

Steuer iſt nicht in irgend einem Grade ein Hinderniß der Gewerbſamkeit oder des

Verkehrs? und von welcher indirecten Gebrauchs- oder Verbrauchsſteuer läßt ſich

zeigen, daß ſie blos vom Inländer oder Gemeindegliede bezahlt werde? Das Markt-

recht iſt aber nichts anderes; denn der Händler, Kaufmann und Krämer ſchlägt

dieſelbe auf den Preis ſeiner Waaren. Bedenkt man dabei noch, daß dieſe Leute durch

den Markt und marktpolizeilichen Schutz Gemeindevortheile beziehen, ſo iſt um ſo

weniger einzuſehen, warum es „durch Gewohnheit zu Ehren gekommener —

autoriſirter Staub“ ſei, wie es v. Rotteck im angef. conſtitut. Staatsrechte

S. 79. nennt. Man hat blos Sorge zu tragen, daß ſolche Abgaben nicht zu hoch

ſind. Anders verhält es ſich aber mit Markt-Zwangsrechten, wie z. B. wenn

das einmal zu Markt gebrachte Getreide u. dgl. nicht wieder zurückgenommen werden

darf. Dieſe bewirken eine Uebervortheilung der Landbewohner und Händler zu

Gunſten der Städter. — Die anderen angeführten Rechte dieſer Art vertheidigen

ſich von ſelbſt. Sämmtliche aber haben noch eine ſicherheitspolizeiliche Grundlage.

III. Bewirthſchaftung der Gemeindeactivcapitalien.

§. 382.

Es gibt auch noch Gemeinden, welche Activcapitalien beſitzen,

für deren Verwendung zu Gemeindezwecken keine beſtimmte Gele-

genheit vorhanden iſt. Ihre Anlage iſt von Wichtigkeit. Allein

[513/0535]

die leitenden Regeln dabei ſtimmen im Ganzen mit dem oben

(§. 362.) Geſagten überein. So viele Vortheile auch die Anlage

in Staatspapieren oder Actien haben kann, ſo wird man nicht in

jeder Gemeinde einen Sachverſtändigen finden, welcher die Leitung

dieſer Anlagsmethode übernehmen könnte; da nun aber die Ge-

meinde zugleich die Pflicht hat, ſo viel in ihren Kräften ſteht, die

Betriebſamkeit und den Wohlſtand der Gemeindeglieder zu beför-

dern, ſo iſt es auch aus dieſem Grunde nicht wohl zu billigen,

daß ſie ſolche Capitalien der Nutzanwendung in den Gewerben

entzieht. Sie kann daher die Verleihung derſelben an Bürger zum

Gewerbsbetriebe gegen ſichere Hypotheken um ſo mehr vorziehen,

als ſie alle Mittel und Vortheile in der Hand hat, ſich vor Ver-

luſten an Zinſen und Capital zu ſichern, und als eine Gemeinde

von ſo guten Vermögensverhältniſſen nicht leicht ſich in der Noth-

wendigkeit ſieht, die Capitalzinſen als Hauptdeckungsmittel ihrer

Ausgaben zu benutzen und darum jeden Indult zu verſagen.

Zweite Abtheilung.

Von dem Erwerbe aus dem Gemeinde-

umlagsrechte.

I. Allgemeine Grundſätze.

§. 383.

Die Erörterung des Grundes und Maaßes der Beſteuerungs-

rechte der Gemeinde und der Steuerpflichten der Gemeindeglieder

iſt mit Schwierigkeiten verbunden1). Weil man ſich ehedem nicht

viel in Unterſuchungen darüber einließ, vielmehr immer den kurzen

Weg des Anhängens an die Staatsſteuern einſchlug, ſo ſind nach

und nach in der Gemeindewirthſchaft Gewohnheiten entſtanden,

deren Abſchaffung nach einem richtigen Grundſatze viele Hinder-

niſſe hat2). Die Gemeindezwecke erheiſchen ebenſo wie die Staats-

zwecke gewiſſe Ausgaben und dieſe dagegen beſtimmte Einnahmen.

Hierauf beruhet die Steuerpflicht der Gemeindeglieder überhaupt

und das Maaß derſelben, denn über die Befriedigung der Ge-

meindebedürfniſſe hinaus beizutragen ſind ſie nicht verpflichtet (§. 49.).

Dies iſt jedoch nur das allgemeine Geſetz der Steuerpflicht. Das

Prinzip zur Beſtimmung des Beitrages jedes einzelnen Mitgliedes

kann dem Rechte nach nur verlangen, daß ein Jeder im Verhält-

niſſe, als er an den Vortheilen des Gemeindeverbandes Antheil

nimmt, beitrage3). Dieſer Vortheil kann ſich nur auf die Perſon

nebſt den perſönlichen Rechten und auf das Vermögen nebſt den

Baumſtark Encyclopädie. 33

[514/0536]

Vermögensrechten erſtrecken. Da nun aber die Zwecke der Ver-

wendungen von verſchiedener Allgemeinheit und Beſonderheit ſind,

ſo entſtehen folgende drei Hauptfragen:

1) Welche Perſonen müſſen zu den Gemeindebedürf-

niſſen beitragen? — Darin, daß Einer Staatsbürger ſein kann,

ohne Gemeindebürger zu ſein, liegt der weſentliche Unterſchied der

perſönlichen Steuerpflicht für Staats- und jener für Gemeinde-

zwecke. Man unterſcheidet eigentliche Gemeindebürger, In-

ſaſſen (Schutzbürger, Schutzverwandte) und Ausmärker4).

Dieſe drei Klaſſen haben verſchiedene Rechte und Vortheile in der

Gemeinde, und müſſen ſämmtlich, aber nicht gleich viel, zu den

Gemeindebedürfniſſen beitragen. Nach dieſen Beziehungen iſt nun

die folgende Frage zu löſen.

2) Zu welchen Zwecken oder Ausgaben müſſen ſie

beiſteuern? — Aus Gründen des Rechts iſt Niemand zu einer

Aufopferung ohne eine entſprechende Gegenleiſtung verpflichtet;

denn das Recht iſt nur das Product eines gewiſſen Verhältniſſes

von Forderung und Leiſtung. Nimmt man aber die Leiſtungen

irgend eines Rechtsverbandes an, ſo folgt aus jenem Satze auch,

daß dieſer gerechten Anſpruch auf einen der Leiſtung entſprechenden

Beitrag zur Leiſtungsfähigkeit hat, inſoweit ohne ſolche Beiträge

die Leztere nicht beſtehen kann. Weil ſich aber die Beitragspflicht

auch nur auf dieſes Verhältniß ausdehnen darf, ſo folgt daraus,

daß auch jedes Gemeindeglied nur im Verhältniſſe der Vortheile,

die es aus dem Gemeindeverbande zieht, aus Rechtsgründen bei-

zutragen braucht. Die Gemeindebürger, Inſaſſen und Ausmärker

nehmen in verſchiedenen Graden an den Gemeindevortheilen An-

theil, ſeien es ſolche, welche die Gemeinde an ſich, oder ſolche,

welche ſie als eine mit einer gewiſſen Staatsgewalt bekleidete

Perſon gewährt; folglich haben ſie auch in verſchiedenem Grade

zu den Gemeindebedürfniſſen beizutragen5). Da nun aber dieſe

Vortheile nicht blos der Perſon, ſondern auch dem Vermögen zu-

kommen, ſo entſteht noch folgende Frage.

3) Mit welchem Vermögen iſt das Gemeindeglied

ſteuerpflichtig zu Gemeindebedürfniſſen? — Aus den bis-

herigen Gründen nur mit demjenigen, welches daſſelbe im Gemeinde-

verbande und in der Gemeindegemarkung beſitzt und genießt, denn

für Eigenthum, Beſitz und Genuß, dieſer mag aus- oder inmärki-

ſches Vermögen oder Einkommen betreffen, gewährt die Gemeinde-

verbindung Schutz6).

¹ Sehr viel Material zu demſelben bieten die Verhandlungen der IIten Bad.

Kammer v. J. 1831. Heft 10. S. 154. Heft 15. S. 97. 143. Beilageheft 4. S. 156.

[515/0537]

¹ Beilageheft 5. S. 37., weil v. Rotteck einen Zankapfel in die Verſammlung

warf, welcher viele Einſchüchterung und Becomplimentirung, aber auch glücklicher-

weiſe ſehr belehrende Discuſſionen erregte.

² Die Gemeinden erleichtern ſich die Umlage und Erhebung der Steuern,

wenn ſie die Quoten derſelben blos zu den Staatsſteuern ſchlagen. Dadurch entſtand

die Regel, die Gemeindeumlagen ſo zu erheben; allein mit Ungerechtigkeit, weil

das Gebiet des Beſteuerungsrechtes des Staats ein viel weiteres als jenes der Ge-

meinden iſt. S. unten Note 6. und v. Malchus Finanzw. I. §. 75.

³ Dieſen, nicht beſtreitbaren, Satz ſtellt auch v. Rotteck in den angeführten

Verhandlungen und im angeführten Theile des conſtitut. Staatsrechts §. 9. u. 10.

auf und ſucht ihn durchzuführen. Seine Conſequenz ſcheint aber hierbei in der

That nicht ſo ſtaunenswerth zu ſein, als die Badiſche Kammer damals erklärte.

Denn die Vortheile des Gemeindegliedes aus dem Gemeindeverbande ſind entweder

perſönlicher Natur oder fallen auf das Vermögen deſſelben. Auf die Erſteren hat

jeder Gemeindebürger gleiches Recht; aber die Vermögensvortheile ſind nach Art

und Größe des Vermögens verſchieden. Da aber eine Beſteuerung nach blos per-

ſönlicher Beziehung demnach numeriſch gleich und der Druck der Steuer jedenfalls,

ſie mag beſtehen, in was man will, höchſt ungleich und unverhältnißmäßig würde,

und da die Steuer, ſie werde umgelegt, auf welches Object und auf welche Art

man wolle, nach der Wirkung bemeſſen werden muß, die ſie auf die Steuerpflich-

tigen hervorbringt; ſo kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Vermögen der

abgeleitete Maaßſtab der Beſteuerung ſein muß, der ſich aus obigem Rechtsgrundſatze

ergibt. Wie man nun das Vermögen am beſten beſteure — ob geradezu, durchs

Einkommen und durch den Genuß, durch deſſen Beſteuerung man aber auch zugleich

eine perſönliche Abgabe auflegt — das iſt eine andere Frage. Aber jedenfalls

möchte ſich hieraus als gewiß ergeben, daß die Behauptungen von v. Rotteck, das

Vermögen ſei der ungerechte Steuermaaßſtab und man verwechſele, indem man es

als ſolchen annehme, die Perſonen mit den Sachen, nichts weniger als conſequent

und dazu völlig unrichtig ſind. Man ſ. mehr hierüber noch in der Finanzwiſſen-

ſchaft unten.

⁴⁾ Dieſe drei Klaſſen von Gemeindegliedern haben verſchiedene Rechte von der

Geſetzgebung erhalten. Die beiden erſten bilden die Bewohner der Gemeinde, die

Ausmärker aber beſitzen in derſelben unbewegliches Vermögen, ohne ſelbſt da zu

wohnen und die vollen Rechte eines Gemeindebürgers zu haben. Die Inſaſſen haben

blos das Aufenthaltsrecht und diejenigen Anſprüche, welche ſich aus dieſem ergeben

und von dem Geſetze näher beſtimmt ſind. Die Gemeindebürger bilden aber im

eigentlichen engeren Sinne die Gemeinde.

⁵⁾ Es gibt daher in der Gemeinde auch gemeindebürgerliche, einwohnerliche,

Ausmärker- und ſtaatsbürgerliche Vortheile; ebenſo gibt es Ausgaben, welche für

das Intereſſe dieſer Klaſſen gemacht werden; und folglich muß das Mitglied einer

jeden derſelben zu den betreffenden Ausgaben beitragen. Man kann nun freilich,

wie in den Bad. Kammerverhandlungen geſchieht, auch Ausgaben unterſcheiden, die

blos einzelne geſellſchaftlich verbundene Gemeindeglieder wegen eines beſondern

Zweckes zu tragen haben (Sozialausgaben), z. B. Ausgaben für ſämmtliche Vieh-

beſitzer, Handwerkerklaſſen u. dgl. Allein dieſe ſind eigentlich keine Gemeindeaus-

gaben mehr und es gehören alſo die Beiträge der Einzelnen dazu auch nicht in

den Begriff der Gemeindeſteuern. Eine nähere Beſtimmung der Beſtandtheile der

Ausgaben im Vergleiche zu deren Deckung wird im §. 390. u. 391. vorkommen.

⁶⁾ Dieſem Grundſatze wurde in der Praxis bisher am allermeiſten entgegen-

gehandelt, weil man, die Staatsſteuergrundſätze für die Gemeindeumlagen anneh-

mend, die Gemeindebürger und Inſaſſen nach ihrem vom Staate beſteuerten Ver-

mögen, Einkommen und Genuſſe mit Gemeindeabgaben belegte. Allein v. Rotteck

nimmt die Praxis deßhalb in Schutz und erklärt die Beſteuerung nach dieſem Prinzipe

für ungerecht, weil es den Reichen, der noch außerdem ein großes Vermögen beſitzen

könne, unmäßig begünſtige, und eine Menge von Armen unmäßig drücke. Es iſt

dies jedoch eine ſchreiende Inconſequenz in der Durchführung ſeines und unſeres

33 *

[516/0538]

⁶⁾ oberſten Grundſatzes (Note 3.), die blos die Beraubung der Reichen zur Folge

haben muß. Denn in Bezug auf das Vermögen, welches der Reiche nicht in der

Gemeinde beſitzt, bezieht er auch keine Vortheile vom Gemeindeverbande; der ſonſt

noch ſo reiche Staatsbürger, der in der Gemeinde wenig oder gar nichts beſitzt, iſt

in Beziehung auf dieſe als Beſitzer arm; und durch die Beſteuerung nach v. Rot-

teck's höchſt inconſequenter Meinung würde der Reiche, der in verſchiedenen Ge-

meinden Beſitzungen hat, für alle dieſe doppelt, dreifach u. ſ. w., überhaupt ſo

vielfach beſteuert werden, als in wie vielen Gemeinden er ſolche hat, weil ihn jede

Gemeinde nach ſeinem Vermögen überhaupt beſteuern würde. Es liegt ferner in

v. Rotteck's Anſichten eine Abweichung von ſeinem Prinzipe, welches ſagt, daß

die Gemeinde dadurch vom Staate auch hauptſächlich verſchieden ſei, daß der Leztere

auf das ganze Staatsgebiet, folglich auch auf die Gemeindemarkung ein Souveraine-

tätsrecht habe, während die Gemeinde blos innerhalb der Banngrenzen ihre Ge-

meindegewalt als Realrecht ausüben dürfe. Denn es fließt hieraus unmittelbar,

daß ſie ihr Steuerrecht nicht über die Banngrenze ausdehnen darf. Wer in der

Gemeinde ein Einkommen von auswärtigem Vermögen genießt, kann mit Recht

blos durch eine Genuß- oder Conſumtionsſteuer beigezogen werden. Allein

der H. v. Rotteck erklärt dieſe und die Gemeindefrohnden für Abweichungen

von unſerem Steuerprinzipe (Note 3.) und für Ausflüſſe des ſeinigen. Derſelbe

iſt jedoch im Irrthume und in Inconſequenz. Denn Frohnden ſind nicht blos

verwerflich, wenn das Wort „Herr“ oder „Staat“ davor ſteht, ſondern weil

ſie, wie ſpäter gezeigt werden ſoll, eine ſchreiend ungleiche Laſt ſind, welche die

Aermeren ſehr drückt, gleichviel durch wen, ob ſie in Natur oder Geld gefordert

werden. Sie ſind übrigens keine Steuern. Bei den Conſumtionsſteuern aber iſt

nicht blos das Bedürfniß, ſondern auch der Genuß belegt; überhaupt aber und

gerade darum iſt v. Rotteck's Bemerkung, das Bedürfniß ſei bei Allen gleich,

das Vermögen aber unendlich verſchieden, höchſt unwahr; auf keinen Fall könnte

derſelbe aber dieſen, die Conſumtionsſteuer verwerfenden, Satz conſequenter Weiſe

gebrauchen, um die Richtigkeit ſeines Steuerſyſtemes zu behaupten. Denn was man

für ungerecht und ſchlecht erklärt, das darf man nicht als Ausfluß eines gerechten

und guten Syſtemes benutzen. S. §. 385. Note 1.

II. Beſondere Grundſätze.

§. 384.

Aus jenen allgemeinen Grundſätzen erſieht man die Verſchie-

denheit der Beziehungen bei Umlage von Gemeindeſteuern im Ver-

gleiche mit jener der Staatsſteuern. Außer jenen Rechtsprinzipien

gibt es aber im Steuerweſen noch politiſche oder Klugheitsregeln,

welche aus nationalöconomiſchen Rückſichten fließen. Dieſelben ſind

zwar auch allgemein, aber ſie ſind die nämlichen, welche auch die

Finanzwirthſchaft beobachten muß, weßhalb ſie hier nicht erklärt

zu werden brauchen, wo es ſich blos um die Eigenthümlichkeiten

der Gemeindewirthſchaft handelt. Auch für dieſe Leztere können

zwar nur dieſelben Steuerobjecte mit Umlagen belegt werden,

welche man überhaupt, alſo in der Finanzwirthſchaft, beſteuern

kann, und die Beurtheilung einer Steuer an ſich beruht zwar

immer auf denſelben Prinzipien; allein ſchon jene allgemeinen

Grundſätze für Gemeindeumlagen gebieten der Gemeinde Modifi-

cationen und Abweichungen von der Staatsſteuerlehre. Denn bei

der Umlage von Gemeindeſteuern hat man vor Allem zu berück-

[517/0539]

ſichtigen: 1) daß man dabei die Gemarkungsgränzen nicht über-

ſchreite; 2) daß aber alle Gemeindemitglieder durch die Umlagen

zu den Gemeindebedürfniſſen beigezogen werden; 3) daß jedoch

jedes nur nach den Verpflichtungen der Klaſſe, wozu es gehört,

beitragen dürfe; und 4) daß ſtets berückſichtigt bleibe, daß vor

den Gemeinde- auch noch Staatsauflagen beſtehen, welche mit den

Erſteren die Bürgerlaſten erhöhen.

Die Gemeinde, als Staatsmitglied, darf überhaupt, alſo auch

in ihrem Umlagsweſen, nichts unternehmen, was den Staats-

finanzgeſetzen widerſpricht. Sie wird alſo für ſich ſchon darum,

und wegen der Aufſicht des Staats (§. 378.) ohne Staatserlaub-

niß keine neue Steuer umlegen dürfen. Auch ſchon ihr Verwal-

tungsintereſſe und die Einheit des Steuerweſens im ganzen Staate

erheiſcht, daß ſie ſich in ihrem Umlagsſyſteme an jenes des Staates

anſchließe, ſo weit es den Rechtsgrundſätzen der Gemeindebeſteuerung

nicht widerſpricht. Es kann ſich daher bei ihr nicht um die Auf-

ſtellung eines neuen Syſtemes, ſondern nur um die zweck- und

rechtmäßige Anwendung des im Staate angenommenen handeln.

Da es im Staate in der Regel und im Allgemeinen übereinſtim-

mend mit den Steuergrundſätzen Perſonal-, Vermögens- und

Genußſteuern gibt, ſo wird die Gemeinde zur Beſteuerung einer

jeden der genannten Klaſſen von Gemeindegliedern die paſſenden

unter ihnen zu wählen haben. Weil es aber gemeindebürgerliche,

einwohnerliche, ausmärkiſche und allgemeine ſtaatsbürgerliche (poli-

zeiliche) Vortheile gibt, nach welchen die Gemeindeglieder ſteuer-

pflichtig ſind, ſo müſſen auch hiernach die Gemeindeumlagen ge-

wählt werden.

§. 385.

Fortſetzung.

Es iſt ein großer Mangel im Gemeindeſteuerweſen, daß man

noch nicht von der rückſichtsloſen Beſteuerung aller Gemeindeglieder

abkommen konnte, wodurch Mancher zu Zwecken beitragen muß,

die ihm keinen Vortheil geben, während eben dadurch Andere,

denen an der Erreichung jener Zwecke gelegen ſein muß, eine un-

verdiente Erleichterung bekommen. Es wird zwar in der Praxis

immer noch ſchwierig ſein, eine vollſtändige Trennung der Ausgaben

und Steuern nach obigen Rubriken zu Stande zu bringen. Indeß

kann dies nicht abhalten, die Sache ſo weit durchzuführen, als es

angeht. Es kommt, wenn nicht Localverhältniſſe dagegen ſind,

Alles auf die Wahl der Steuern an.

[518/0540]

A. Von den Perſonalſteuern, ſeien ſie allgemeine oder

Klaſſenkopfſteuern, könnte man, was die Allgemeinheit der

Vertheilung anbelangt, allerdings zu ſtaatsbürgerlichen, einwohner-

lichen und gemeindebürgerlichen Zwecken oder Ausgaben Gebrauch

machen. Allein die Ungleichheit, womit ſie den Wirthſchaftszuſtand

der Einzelnen treffen, tritt ihrer Anwendung auch hier und um ſo

mehr entgegen, als dieſelbe in einer Gemeinde leichter als im

ganzen Staatsgebiete eingeſehen wird1).

B. Von den Vermögensſteuern kann man zu Gemeinde-

zwecken den bequemſten Gebrauch machen. Sie ſind entweder

Vermögensſteuern im beſonderen Sinne oder Einkommens-

ſteuern. Zu den Lezteren gehört die allgemeine Klaſſen-, die

Grund-, die Häuſer-, die Gewerbe-, die Beſoldungs- und die

Capitalienſteuer. Zuſammengenommen dienen ſie zur Erhebung der

Gelder für ſtaatsbürgerliche und einwohnerliche Zwecke. Will man

aber nur gewiſſe Klaſſen von Gemeindebürgern und Einwohnern

oder die Ausmärker für ihre beſonderen Gemeindevortheile beſteuern,

ſo hat man blos hiernach unter jenen Steuern die entſprechende

Gattung zu wählen2).

C. Von den Genußſteuern aber geſtatten einige blos

den Gebrauch zur allgemeinen, andere dagegen nur jenen zur

Klaſſen- oder Sozialbeſteuerung (§. 383. Note 5.). Die Genuß-

ſteuern ſind entweder Verbrauchs- (Conſumtions-, Verzehrungs-)

Steuern, wenn ſie nämlich auf Gegenſtände der Verzehrung um-

gelegt ſind3), oder Gebrauchsſteuern, wenn ſie für die Be-

nutzung gewiſſer öffentlicher Gemeindeanſtalten entrichtet werden.

In jenem Falle werden alle Verzehrenden, in dieſem Falle aber

nur diejenigen getroffen, welche Gebrauch von einer ſolchen Anſtalt

machen. Die Lezteren ſind ſehr manchfacher Natur und kommen

in den Gemeinden unter verſchiedenen Benennungen vor4).

Bei den Kopf- und Genußſteuern kann geradezu behufs der

Erhebung für die Gemeindezwecke ein Zuſchlag (Aufſchlag)

auf die Staatsſteuer gemacht werden. Bei den Vermögensſteuern

darf der Zuſchlag aber nur für das Vermögen oder Einkommen

gemacht werden, welches der Steuerpflichtige in der Gemeindemark

beſitzt oder aus einem in derſelben beſeſſenen Vermögen und daſelbſt

betriebenen bürgerlichen Gewerbe bezieht5).

¹ v. Rotteck im conſtitutionellen Staatsrecht. Bd. II. Abthlg. 2. §. 12.

und in den angef. Bad. Kammerverhandl. ſpricht der Perſonalbeſteuerung das Wort.

Man ſieht aber gerade auch hier die Inconſequenz ſeines Syſtems, und die nahe

Berührung, in welcher es mit Ungerechtigkeit und Deſpotismus ſteht. Denn es

folgt aus demſelben nicht blos die Kopfſteuer, welche als eine numeriſch gleiche

Steuer den Armen unmäßig drückt und den Reichen ſchont, ſondern vielmehr, wenn

[519/0541]

¹ er ſtreng conſequent die perſönlichen Vortheile als Maaßſtab der Beſteuerung durch-

führen will, auch geradezu, daß der Arme grundſätzlich mehr als der Reiche bezahlen

muß, weil er von der Gemeinde am meiſten Unterſtützung oder Vortheile genießt.

Allein v. Rotteck ſcheint dieſe einfache, aber fürchterliche Conſequenz nicht zu

kennen oder zu umgehen; denn er will auf die Umlage einer directen Kopfſteuer

verzichten, „weil ſie gegen vorgefaßte Meinungen zu ſehr anſtieße“, und dafür

Gemeindefrohnden („edler ausgedrückt Gemeindedienſte“) anordnen, welche

von ſämmtlichen Gemeindeangehörigen ſelbſt, oder durch Stellvertreter zu leiſten,

oder aber durch Geld nach einem feſten Tarife zu vergüten ſein ſollen. Dieſelben

ſind jedoch gleich ſchädlich, gleichgiltig, ob ſie Dienſte oder Frohnden heißen,

und werden auf dieſe Art nur zu einer allgemeinen Laſt geſtempelt in einer Zeit,

wo man mit aller Macht gegen ſie kämpfen ſollte und kämpft (ſ. v. Rotteck's

Commiſſionsbericht deßhalb in den Verhandl. der IIten Kammer der Bad. Land-

ſtände v. J. 1831. Heft XV. S. 105. Beilageheft II. S. 117.). Denn z. B. drei

Tage Gemeindedienſte drücken ebenſo wie drei Tage Gemeindefrohnden, aber beide

drücken den armen Bauer unverhältnißmäßig ärger als 3x16 Kreutzer den Capi-

taliſten oder drei Tage, während welcher der reiche Gutsbeſitzer Einen ſeiner

Arbeiter entbehren muß. Beſtehen dieſelben in einer oder jeder Gemeinde des

Landes, ſo ſind ſie ein Mittelding zwiſchen Kopfſteuer und willkürlicher Entziehung

der Vortheile einer dreitägigen Arbeit für Familie, Haushalt und Gewerbe, eine

im höchſten Grade ungerechte Forderung, welche, numeriſch gleich, den Reichen auf

Koſten des Mittelſtandes und dieſe beiden auf Koſten des Armen begünſtigt.

² Z. B. Steuern für beſondere Zwecke der Gemarkung ſind durch Zuſchläge

zu der Grundſteuer zu erheben; — die Ausmärker werden je nach ihrem Beſitze mit

der Grund-, Häuſer- oder Gewerbeſteuer getroffen u. dgl. mehr. Man hat aber

ſchon ſehr gegen die Beſteuerung der Ausmärker und der Staatsdiener in den

Gemeinden geſprochen, — gegen jene z. B., weil es ſchlimm genug ſei, wenn,

wie oft geſchehe, der auswärtige Capitaliſt ſtatt der Zahlung die Hypotheken zuge-

ſchlagen bekomme und auf dieſe Art Ausmärker werden müſſe und weil man mit

der Beſteuerung Ausmärker abhalten könnte, ſich Eigenthum in der Gemeinde zu

kaufen, welche der Wohlfahrt der Lezteren ſehr dienlich ſein könnten u. dgl. m., —

gegen dieſe aus Gründen gegen die Beſoldungsſteuer überhaupt und darum, weil

es z. B. den Ortsgeiſtlichen und Lehrern ſehr unangenehm ſein könne, ſich in die

Gemeindeſachen und verſchiedenen Partheien zu miſchen, weßhalb man für dieſe eine

Averſalſumme, über welche ſie ſich mit der Gemeinde zu vernehmen haben,

beantragte. Man hat jedoch nur zu verhüten, daß die Ausmärker nicht zu hoch und

nicht zu Zwecken beſteuert werden, an denen ſie keinen Antheil haben, dann fallen

dergleichen Bedauerungen und Befürchtungen weg. Gegen die Averſalſteuern der

Staatsdiener iſt aber eben nichts einzuwenden, obſchon ihr Antheil an Gemeinde-

ſachen, z. B. in Landgemeinden, ſehr nützlich ſein kann.

³ Es kommt nur darauf an, daß man ſolche Artikel wählt, wodurch auch

gerade diejenigen getroffen werden, welche man beiziehen will. Außer den gewöhn-

lichen Staatsconſumtionsſteuern können, beſonders in großen Städten, mit

großem Vortheile Luxusſteuern verſchiedener Art, z. B. auf Hunde, Pferde,

Wagen, Bedienten u. dgl. mehr eingeführt werden. Es gehören aber hierher die

verſchiedenen ſtädtiſchen Octrois, deren Anlage auch nach den Regeln der Finanz-

wiſſenſchaft geſchehen muß. S. §. 381.

⁴⁾ In dieſe Klaſſe gehören nicht blos die Abgaben für Flößerei und Schiff-

fahrt, welche oft Städte beziehen, ſondern auch die Gemeindeſporteln und Taxen,

die Weg-, Pflaſter-, Brücken- und Thorſperrgelder, ſelbſt die Standgelder auf

Märkten und Meſſen, die Abgaben der Viehzüchter für Benutzung des Gemeinde-

ſtiers und Ebers, die Beiträge zu Gemeindeaſſecuranzen verſchiedener Art u. dgl.

Unter dieſen Abgaben iſt an ſich keine verwerflich als die Thorſperre. Dieſe erſcheint

aber als ganz grundlos, unbequem und für ärmere Leute ſehr drückend; denn es

gibt andere beſſere Wege der Beſteuerung, ſie iſt eine Kopfſteuer für Menſchen und

Thiere und beläuft ſich oft ſo hoch, daß dem in der Stadt beſchäftigten Arbeiter

vom Lande ein ſehr bedeutender Theil ſeines Lohnes beim Ein- und Ausgehen ent-

zogen wird. Am verwerflichſten muß ſie dann erſcheinen, wenn ihr Betrag,

[520/0542]

⁴⁾ ſtrafenähnlich, mit jeder ſpäteren Stunde der Nacht in arithmetiſchem oder geome-

triſchem Verhältniſſe wächst. Alle anderen genannten Steuern dieſer Klaſſe ſind dem

Prinzipe nach durchaus gerecht, wenn ſie nicht auf eine Plusmacherei hinauslaufen,

ſondern wirklich als bloße Beiträge zur Erhaltung der betreffenden Anſtalten umge-

legt ſind, den Verkehr nicht hemmen und die Städter nicht auf Koſten der Land-

leute begünſtigen.

⁵⁾ Freiheit von den Genußſteuern kann Niemand verlangen. Von der

Perſonalſteuer kann nur Armuth, ſowie von den Gemeindedienſten blos gänzliche

oder augenblickliche Unfähigkeit und ein anderer dringender Umſtand nach dem

Ermeſſen der Gemeindebehörde frei machen. Es führt dies v. Rotteck (Verhandl.

Heft XV. S. 99.) als Erwiederung auf die Einwendungen der Note 2 an. Allein

damit weicht man blos der abſoluten Nothwendigkeit und die Ungleichheit wird der

Steuer nicht dadurch benommen. Von den Vermögens- und Einkommens-

ſteuern ſind alle öffentlichen Anſtalten, Gebäude u. dgl. und diejenigen Beitrags-

pflichtige frei, welche kein hinlängliches Vermögen und Einkommen haben. Manche

haben ſchon Steuerfreiheit für die zu Eigenthum oder zur Benutzung umgetheilten

Almendgüter verlangt; allein gewiß ſehr mit Unrecht. Denn dies iſt ein Haupt-

vortheil des Bürgers aus dem Gemeindeverbande, welchen man gerechter und kluger-

weiſe zuerſt oder doch wenigſtens mit dem anderen Vermögen zu Gemeindezwecken

beſteuern darf. Allein jedenfalls zeigt ſich dabei die Einkommensſteuer am paſſend-

ſten, weil dann nur das Einkommen aus ſolchen Gründen, alſo dasjenige Almend-

ſtück nicht beſteuert wird, das keinen hinlänglichen Ertrag gibt. Man ſchlägt daher

die Almendgüter am beſten dem übrigen Grundeigenthume der Bürger zu und be-

ſteuert beides zuſammen. Dabei wird dann natürlich der Dürftige, der vielleicht

wenig oder nichts mehr als das Almendgut beſitzt, jedenfalls befreit ſein, wenn ihm

ſein Beſitz ein zu kleines Einkommen gewährt. Sind aber die Almendgenüſſe groß,

ſo können ſie in außerordentlichen Fällen auch beſonders beſteuert werden, wenn zu

eigentlichen Gemeindezwecken Ausgaben nöthig werden, die ſonſt ohne Deckung ſind.

Dritte Abtheilung.

Von der Benutzung des Gemeindekredites.

§. 386.

Schon längſt hat die Erfahrung gelehrt, daß zu außerordent-

lichen Ausgaben, welche in dem Gemeindehaushalte zuweilen ent-

ſtehen, auch ſolche Einnahmen erforderlich ſind, wenn die Gemeinde

nicht hinlängliche Geldcapitalien im Vorrathe hat, über welche ſie

diſponiren kann. Unter den Quellen, aus welchen man ſolche

außerordentliche Einnahmen bezieht, iſt der Kredit der Gemeinden

eine der brauchbarſten (§. 343.). Die Benutzung deſſelben oder

das Contrahiren von Schulden durch die Gemeinden hat für ſie

denſelben Vortheil, wie die Staatsſchulden für den Staat, nämlich

die Vertheilung einer plötzlichen außerordentlichen Laſt, welche den

Gemeindegliedern zu drückend ſein würde, auf längere Zeit zum

Behufe allmähliger Deckung. Die Nachtheile des Schuldenweſens

auf den ganzen Gang des Gemeindehaushaltes ſtimmen aber auch

mit jenen der Staatsſchulden auf den Staatshaushalt ſo ziemlich

überein. Indeß herrſcht eine große Verſchiedenheit zwiſchen dem

Staate und den Gemeinden in Betreff der Grundlagen des Kredites.

[521/0543]

Zwar können dieſe auch nur auf dem Zutrauen zum Willen und

Vermögen der Gemeinden, ihre Schuldverbindlichkeiten zu erfüllen,

beruhen; allein die Folgerungen aus dieſem Grundſatze für die Wirk-

lichkeit ſind bei den Gemeinden andere als bei dem Staate. 1) Da

nämlich dieſer die höchſte Gewalt im Landesgebiete ausübt, ſo

gibt es über ihm keinen weltlichen Geſetzgeber und keinen weltlichen

Richter, ſo lange nicht poſitiv ein ſolcher kraft der Uebereinkunft

mehrerer Staaten oder des Staatsgrundgeſetzes beſtellt iſt. Es

ſteht demſelben aber außerdem für den Fall der Noth bei Zah-

lungsunfähigkeit außer dem Vergleichswege auch jener der geſetz-

gebenden Erklärung übrig, um ſeine Verbindlichkeiten (nicht zu

vernichten, ſondern) zu ſuſpendiren, bis er wieder im Stande iſt,

dieſelben zu erfüllen und die durch deren Suſpenſion Benachthei-

ligten zu entſchädigen. Dies iſt bei den Gemeinden nicht der Fall,

denn ſie ſtehen wie der einzelne Bürger unter dem Staatsgeſetz

und haben auf die geſetzwidrige Selbſthilfe verzichtet, ſind gericht-

lich zu belangen und unterliegen den Concursgeſetzen. 2) Deßhalb

und wegen des Hinblicks auf die weit größeren Hilfsmittel des

Staates aus einer blühenden Volksinduſtrie und endlich wegen der

Sicherheit, welche den Staatsgläubigern der Umſtand gewährt,

daß der Staat aus eigenem hochwichtigem Intereſſe der Erhaltung

ſeine Schuldverbindlichkeiten ſo lange als möglich erfüllen und

nach der Suſpenſion ſobald als möglich mit Entſchädigung wieder

beginnen muß, kann der Staat weit über den Werth ſeines Staats-

eigenthumes, ohne Hypotheke und blos gegen die Verſicherung

Schulden contrahiren, daß er zur Tilgung und Verzinſung die

Staatseinkünfte verwenden werde. Die Gemeinden genießen da-

gegen dieſe Wohlthat nicht, — doch höchſtens nur ausnahms-

weiſe1). 3) Aus jener größeren Unbeſchränktheit des Staates

ergibt ſich auch, daß derſelbe bei ſeinen Anleihen, deren Tilgung

und Verzinſung freiere Formen einführen kann als die Gemein-

den2). Da aber im Uebrigen, namentlich was das Verhältniß

der Staatsſchulden zu den Einkünften und Ausgaben anbelangt,

bei den Gemeinden blos in der Größe des Maaßſtabes eine Ver-

ſchiedenheit obwaltet, ſo reduciren ſich darin die Grundſätze der

Gemeinde- auf jene der Staatswirthſchaft3).

¹ Wenigſtens iſt die Unterſcheidung von Landgemeinden und Städten, bei

dieſen aber wieder jene zwiſchen den kleinen, mittleren und größten nothwendig.

Von Landgemeinden, kleinen und mittleren Städten gilt Obiges zuverläſſig. Die

größten Städte Europas, z. B. London, Paris, Petersburg u. ſ. w. näheren ſich

aber mehr einem kleinen Staate und bei dieſen kann wohl eine Aehnlichkeit mit

dem Staatsſchuldenweſen obwalten. Allein dies ſind ſehr ſeltene Ausnahmen.

² Die Landgemeinden und kleineren Städte verhalten ſich hierin, wie die

[522/0544]

² Privatleute und machen bei einem Capitaliſten gewöhnliche Anleihen mit gewöhn-

licher Verzinſung und Tilgung. Die mittleren, größeren und größten Städte

näheren ſich darin den Staatseinrichtungen und man findet dieſe bei den Lezten faſt

ganz nachgeahmt. Die Obligationen kommen in dieſen Fällen dann auch im

Handel vor. S. §. 336.

³ Z. B. die Gemeinde muß wegen der Verlegenheit, in welche ſie durch eine

unvorhergeſehene Aufkündigung gerathen könnte, ſuchen, ſich in der Tilgung mög-

lichſt freies Spiel zu laſſen; ſie muß nach einem möglichſt gleichen und geringen

Zinsfuße ſtreben; ſie kann daher auch Renten ausgeben u. dgl. mehr. S. die

Finanzwiſſenſchaft.

Zweiter Abſchnitt.

Gemeinde-Hauswirthſchaftslehre.

§. 386. a.

Die Gemeindehauswirthſchaft (§. 378. a.), das eigentlich

Praktiſche und nach beſonderen Gemeindeverhältniſſen auch Wan-

delbare der Gemeindewirthſchaft, hat zur Aufgabe, das Gemeinde-

vermögen zu erhalten, die Gemeindewirthſchaft im Zuſammenhange

zu behalten und das Gemeindeeinkommen der Verwendung zu den

beſtimmten Zwecken auf die wirthſchaftliche Weiſe nahe zu brin-

gen (§. 43.). Es ſind daher die hier folgenden Abtheilungen ihres

Objectes leicht zu rechtfertigen.

Erſte Abtheilung.

Von der Beſtellung der Gemeindewirthſchaft.

§. 387.

Die Verwaltung der Gemeinden, welche verſchiedene Dienſte

erheiſcht, iſt einem eigenen Organismus von Behörden zu über-

tragen, der im Allgemeinen einfach ſein muß, aber bei ſehr großen

Städten complicirter werden kann1). Im Allgemeinen iſt er aus

folgenden Behörden zuſammenzuſetzen:

1) Aus dem Bürgermeiſter (franz. Maire, engl. Major),

welcher, überhaupt mit der vollziehenden Gewalt bekleidet, dieſe

auch in der Gemeindewirthſchaft hat. Er leitet die Verwaltung

derſelben und bringt, was zu berathen und zu beſchließen, bei den

ihm beigegebenen Collegien und bei der Gemeindeverſammlung in

An- und Vortrag.

2) Aus dem Gemeinderathe, einem aus der Bürgerſchaft

gewählten Collegium, welchem unter Anderem auch die Berathung

[523/0545]

und der Beſchluß in Betreff der Wirthſchaftsangelegenheiten der

Gemeinde übertragen iſt, und ohne deſſen Uebereinſtimmung alſo

der Bürgermeiſter nichts beſchließen und anordnen kann.

3) Aus dem Bürgerausſchuſſe, einer Art von Gemeinde-

ſtänden, gewählt aus der Bürgerſchaft, welche an der Verwaltung

ſelbſt keinen Theil haben, aber dieſelbe controliren und den Anord-

nungen in Gemeindeangelegenheiten ihre Zuſtimmung geben müſſen.

Die Geſetze beſtimmen die Befugniſſe deſſelben verſchieden, aber

jedenfalls ſteht ihm die Beiſtimmung zu Veränderungen in den

Vermögensverhältniſſen der Gemeinden, bei Umlagen von Steuern,

bei Anordnungen im Gemeindeſchuldenweſen, und die Controle der

Gemeindehauswirthſchaft zu.

4) Aus dem Gemeindeverrechner, entweder Mitglied des

Gemeinderathes oder nicht, welcher die Einkünfte zu erheben, zu

verrechnen, nach Anweiſung zu den Ausgaben zu verabfolgen und

Rechnung abzulegen hat.

Außer dieſen allgemeinen Behörden gibt es aber auch noch:

1) Beſondere Gemeindediener für einzelne Zweige der Ge-

meindeverwaltung, z. B. in der Forſtwirthſchaft Förſter, Wald-

meiſter, deren Anſtellung bei großen Gemeindewaldungen ſehr

nützlich iſt.

2) Kanzlei- und Regiſtraturperſonale, z. B. Gemeindeſchrei-

ber u. dgl. — Bei den wichtigſten Verhandlungen in den Wirth-

ſchaftsangelegenheiten iſt aber die Gemeindeverſammlung,

deren Zuſammenberufung blos dem Bürgermeiſter zuſteht, zu be-

fragen, z. B. bei vorgeſchlagenen Veräußerungen oder Vertheilun-

gen von Gemeinde- und Almendgütern; zu allgemeinen Arbeiten,

z. B. bei Gemeindebauten, Reinigen von Gemeindebrüchen u. dgl.

mehr iſt es endlich gebräuchlich von ſämmtlichen Gemeindeeinwoh-

nern oder Bürgern, und ſelbſt die Ausmärker nicht abgerechnet,

Dienſte zu verlangen. Bei ſolchen außerordentlichen Umſtänden iſt

dagegen durchaus nichts einzuwenden, und der Bürgerſinn wird

auch wohl ſelten ſo fehlen, daß ſich die Gemeinde im Ganzen oder

ein Theil der Bürgerſchaft, z. B. derjenige, welcher Geſpann hat,

nicht dazu verſtünden. Aber ſolche Dienſte oder ein Dienſtgeld

ſämmtlichen Gemeindebewohnern oder Bürgern und Ausmärkern

als eine ſtändige geſetzlich ſchuldige Laſt von beſtimmter oder unbe-

ſtimmter Ausdehnung aufzubürden, muß, man mag ſie uneigentlich

als Steuern oder als eine Perſonallaſt anderer Art anſehen, in

beiden Beziehungen gleich verwerflich ſein, weil ſie durchaus un-

gleich auf die Familien- und Wirthſchaftsverhältniſſe der Bürger

wirkt (§. 385. Note 1.). Am ungerechteſten iſt die Vertheilung

[524/0546]

von Spann- und Handdienſten je unter diejenigen, welche Geſpann

haben oder nicht. Da aber durch ſie ohne Koſten der Gemeinde-

kaſſe große Arbeiten leicht vollführt werden können und es doch

zuweilen Einwohner gibt, welche lieber und auch leichter Dienſte

leiſten als Geld bezahlen, ſo kann man in ſolchen Fällen leicht den

Mittelweg wählen, bei ordentlichen und außerordentlichen Gemeinde-

arbeiten dieſer Art immer die freie Wahl zwiſchen perſönlichem

Dienſte und Geldbeiträgen zu geſtatten, aber dieſe Leztern als

Baſis anzunehmen, jedoch nicht in Form einer Kopfſteuer, ſondern

auf dem Wege der Repartition der angeſchlagenen Koſten der ganzen

Unternehmung nach irgend einem andern Vermögensſteuerfuße2).

¹ Man ſehe über die verſchiedenen Benennungen und Einrichtungen dieſer

Behörden die oben (§. 378. N. 4 u. 5.) citirten Gemeindeordnungen.

² Das Beiziehen der Ausmärker zu dieſen Gemeindefrohnden hat man auch

ſchon für verwerflich erklären wollen, aber im Allgemeinen, wenn die Frohndleiſtung

einmal ſtatuirt iſt, gewiß mit Unrecht. Denn auch bei ſolchen Arbeiten muß zuerſt

unterſucht werden, ob die Ausmärker daraus ſelbſt und für ihren Beſitz in der

Gemeinde Vortheil ziehen oder nicht. Iſt jenes der Fall, dann ſind ſie auch mit

Recht dienſtpflichtig.

Zweite Abtheilung.

Von der Erhaltung des Gemeindevermögens

und Einkommens.

§. 388.

Gemeindevermögen, Veräußerung, Umtheilung, Ver-

pfändung, Ankäufe.

Es ſtellen ſich hierbei verſchiedene für die Erhaltung der Ge-

meinden ſehr wichtige Fragen dar:

A. Ueber Räthlichkeit oder Mißräthlichkeit der Ver-

äußerung von Gemeinde- und Almendgütern. Da die Gemeinden

darnach ſtreben müſſen, ſich in Betreff des Einkommens ſo unab-

hängig als möglich zu machen, alſo ſichere Grundlagen deſſelben

zu erhalten; da aber ein Gemeindeverband, als ein kleineres

Gebiet, von weniger Menſchen bewohnt und mit nicht ſo verſchie-

denerlei Gewerben verſehen, als der Staat, ſich mit weit weniger

Sicherheit auf ein beſtändiges gleiches Einkommen aus Umlagen

und Gerechtſamen verlaſſen kann, um ſo weniger, als der Staat,

deſſen Einkünfte aus den Staatsgütern in der Regel bei Weitem

nicht für ſeine Ausgaben ausreichen, vorzüglich ſchon zum Voraus

hohe Steuern bezieht, deren Druck noch durch die Gemeinde-

zuſchläge erhöht wird; und da endlich überdies die Gemeinde nicht

[525/0547]

wenig zur Bewirthſchaftung von Gründen geeignet iſt (§. 379.

380.): ſo iſt die Erhaltung der Gemeinde- und Almendgüter als

Regel zu beobachten1).

B. Ueber die Vor- und Nachtheile der Vertheilung des

Gemeinde- oder Almendgutes zur Nutzung oder zu Eigenthum.

Was die Umtheilung von Gemeindegütern zur Nutzung unter die

Bürger, d. h. die Einführung neuer Almendgüter anbelangt, ſo

iſt ihre Räthlichkeit noch ſtreitig, obſchon die Umtheilung der be-

reits beſtehenden als etwas Herkömmliches den Bürgern ein Recht

gibt (§. 379.). Sie iſt es aber auch und noch in weit höherem

Grade bei der Umtheilung des Gemeinde- und Almendgutes unter

die Bürger als Eigenthum, denn es handelt ſich hierbei um eine

Entäußerung von Gemeindevermögen ohne einen Werthserſatz und

um eine Verzichtleiſtung der Gemeindekaſſe auf ein bedeutendes

Einkommen. Es ſpricht 1) für die Umtheilung zu Eigenthum vor

Allem die Entſtehung des Gemeindeeigenthums als Reſt der von

der Gemeinde ehemals occupirten Gemarkung, welcher von den

einzelnen Gliedern der Genoſſenheit (§. 378.) nicht in Beſitz ge-

nommen wurde2); ſodann der Umſtand, daß die Privatinduſtrie

in der Regel den wirthſchaftlichen Quellen mehr Vortheile abzu-

gewinnen vermag als eine Gemeinheit; ferner die Erfahrung, daß

der Eigenthümer aus Intereſſe ſein Gut beſſer bewirthſchaftet, als

der bloße Nutznießer; zudem die Rückſicht, daß dadurch dem Wohl-

ſtande der ganzen oder eines Theils der Bürgerſchaft in jeder

Beziehung aufgeholfen, die Bevölkerung gehoben und der Boden

weit beſſer derjenigen Bewirthſchaftung gewidmet werden kann, in

welcher er den größten Vortheil bringt3); und endlich die Mei-

nung, daß die wahre Conſolidirung der Gemeinden nicht ſowohl

auf dem Reichthume der Gemeindekaſſe, als vielmehr auf dem Wohl-

ſtande der Bürgerſchaft beruht und von dieſem das Volkswohl und

die Staatsſicherheit abhängt. Man wendet aber auch 2) gegen

dieſelbe ein vor Allem die unter A. erwähnten Rückſichten; dann

die Rückſicht, daß die Gemeindeverſammlung auf die Anſprüche

auf eine allmählige Weitervertheilung jenes Reſtes der Gemarkung

der Genoſſenſchaft verzichten könne; ferner die Betrachtung des

Gemeindevermögens als das Eigenthum einer ewigen moraliſchen

Perſon, worüber eine einzige Generation zum Nachtheile der noch

folgenden nicht ſo diſponiren dürfe und jedenfalls die ſpäter noch

eintretenden Gemeindebürger den von früher her ſchon aufgenom-

menen gegenüber benachtheiligt ſeien, indem ſie gleiche Laſten tra-

gen müßten, ohne gleiche Vortheile erhalten zu haben4); und

endlich die vielfältige Erfahrung, daß ſich nach der Vertheilung

[526/0548]

der Wohlſtand der Bürgerſchaft keineswegs gehoben, im Gegen-

theile die ganze Gemeinde bei der noch hinzutretenden Erſchöpfung

der Gemeindekaſſe, Vergrößerung der Armenklaſſe, Zunahme der

Armenunterſtützungen und Abnahme der Steuerfähigkeit immer

mehr geſunken ſeie5). Es iſt aus Gründen des Eintretens dieſer

verſchiedenen Wahrheiten in verſchiedenen Fällen eine allgemeine

Löſung der Frage nicht thunlich6).

C. Ueber die Auswahl der bei Contrahirung von Anleihen zu

verpfändenden Güter und Einkünfte. Zu Unterpfand dür-

fen öffentliche Gebäude, als Kirchen, Rath-, Pfarr-, Schul-

häuſer, Hoſpitäler, Waiſenhäuſer u. dgl. aus leicht einzuſehenden

Gründen auf keinen Fall verſchrieben werden. Ehe Almendgüter

dazu verwendet werden, hat man zuerſt Gefälle, Gerechtſame, dann

Gemeindegüter zu verpfänden, weil an den Erſteren der Bürger

ein Nutzungsrecht hat. Sind alle dieſe Pfänder erſchöpft, ſo hängt

die Wahl der zu verſetzenden Einkünfte eines Theils von den For-

derungen des Kredits, andern Theils von der Nothwendigkeit der-

ſelben für den Gemeindehaushalt ab.

D. Ueber die Räthlichkeit und Mißräthlichkeit des Ankaufs

von Gütern für die Gemeinde. Da die Nothwendigkeit keine Wahl

übrig läßt, ſo kann ſich's niemals darum handeln, ob in außer-

ordentlichen Fällen der Nothwendigkeit Ankäufe gemacht werden

ſollen, z. B. in Fällen von Peſt und Cholera der Ankauf von Ge-

bäuden zu Hoſpitälern, da man hierzu nicht wohl Privathäuſer

miethen kann. Sondern es handelt ſich um die zweckmäßige Ver-

wendung von diſponiblen Geldcapitalien der Gemeinde und um die

Benutzung einer günſtigen Gelegenheit, das Grundſtocksvermögen

der Gemeinde zu vergrößern7). Jedenfalls iſt die Anſchaffung von

Grundgütern aus den bei A. erwähnten Gründen der Anlage in

Staatspapieren, Actien oder Gemeindeobligationen vorzuziehen,

weil dieſe in allen Fällen mehr Unſicheres hat, — ſtets jedoch

vorausgeſetzt, daß dieſe Capitalien nicht zur Schuldentilgung oder

andern Gemeindeverbeſſerungen, z. B. Schulhäuſern, Kirchen,

Verbeſſerung der Schulfonds, Entwäſſerungen u. dgl. verwendet zu

werden brauchen (§. 382. 362.). Unter allen aber eignen ſich die

Waldungen vorzüglich zum Ankaufe von Gemeinden.

¹ Was das fahrende Gemeindevermögen anbelangt, ſo kann die Veräußerung

jedenfalls eher ohne Gefahr geſchehen, als das liegende, namentlich wenn davon

ſonſt kein vortheilhafter Gebrauch mehr gemacht werden kann. Ausnahmen von

der im Texte angegebenen Regel werden daher jedenfalls Statt finden können a) wenn

der aus dem Erlöſe zu ziehende Vortheil ſicherlich größer iſt als der Ertrag der

liegenden Gründe; b) wenn der Grundbeſitz der Gemeinden und der Almendtheil

der einzelnen Bürger noch hinlänglich groß iſt, um obige Garantien zu gewähren;

[527/0549]

¹ c) wenn die Vortheile, welche nach dem Verkaufe für den Wohlſtand der Bürger

entſtehen, ſehr beträchtlich ſind; d) wenn die zu verkaufenden Stücke vereinzelt

liegen oder der natürlichen Beſchaffenheit nach nicht zu der bisherigen Nutzung ver-

wendet werden ſollten, z. B. einzelne Waldparcellen, aber keineswegs Waldungen,

ausgenommen, wenn außer der Bedingung b noch erwieſen iſt, daß Rodungen in

der Hinſicht auf c ſehr nützlich ſind; e) wenn ſolche Stücke unbenutzt liegen, z. B.

ausgebrauchte Gebäude u. dgl. Man wählt zur Veräußerung am beſten den Weg

der Auction, wenn nicht beſondere Umſtände den Verkauf aus der Hand wünſchens-

werth machen. Die Größe der Parthien bei der Veräußerung iſt nach §. 379.

Note 3. zu beſtimmen. Als Käufer wird aber Niemand zugelaſſen, der nicht die

gehörige Caution ſtellen kann. Der Erlös muß aber wieder zum Grundſtocksver-

mögen der Gemeinde geſchlagen werden, ſei dies durch Schuldentilgung oder Capital-

anlage oder Güterankauf.

² Es wird nach dieſer Anſicht die Umtheilung fortwährend eine Befugniß und

ſelbſt unter Umſtänden eine Pflicht der Gemeinde ſein, weil man früher bei größerer

Menge von Gliedern weniger oder nichts mehr übrig gelaſſen hätte.

³ Z. B. Wälder zum Ausroden, aber nicht ohne die Rückſicht in der Note 1. c.

⁴⁾ Dieſe Anſicht beruht, wenn man das Leztere auch zugeben muß, doch auf

einem Irrthume, denn die jedesmalige Generation vertritt die folgende, aber ſie

hat die Pflicht, das Vermögen ſo wie alle Gemeindeſachen auch im beſten Intereſſe

der Zukunft zu verwalten. Wäre dies nicht, dann dürfte ſie überhaupt im Gemeinde-

haushalte gar nichts Wichtiges, was die Zukunft betrifft unternehmen, z. B. keine

Schulden contrahiren, keine Gerechtſame ablöſen u. dgl. mehr. Aus Conſequenzen

ſolcher Art, die auf bloßen Ideen beruhen, müßte für die Gemeinde viel Schaden

hervorgehen. Eben ſo theoretiſch und nichts ſagend iſt v. Rotteck's Anſicht, daß

ſich die Gemeinde aus dieſem Grunde, wenn auch blos des Prinzips wegen, irgend

etwas (z. B. 1 fl. oder kr.) bezahlen laſſen ſollte, anſtatt zu Eigenthum unent-

geltlich umzutheilen. S. Verhandl. der Bad. II. Kammer v. J. 1831. Heft 10.

S. 258 folg. Heft 11. S. 55 folg., worin viel Material über dieſe ganze Frage zu

finden iſt.

⁵⁾ Ein Hauptbeiſpiel gewährt der jetzige Zuſtand mancher Gemeinden in Eng-

land, wo die Theilung zur Unterſtützung der Armen vorzüglich Urſache an der uner-

träglichen Laſt der Armentaxen iſt, indem die Nutzungen verloren gingen und die

Armen ihre Ländereien nicht zu halten vermochten, ſo daß dieſe in andere Hände

übergingen und nun die Gemeinde ſelbſt keine anderen Unterſtützungsfonds als die

Armentaxe hat. (Nebenius in den angef. Verhandlungen. Heft 10. S. 260.)

⁶⁾ Es ſind daher alle dieſe Rückſichten in jedem beſondern Falle zu erwägen,

ehe man eine Vertheilung beſchließt. Ueber die Größe der Theile entſcheidet die

Zahl der Bürger und die Ausdehnung der Gutsfläche; denn die Vertheilung geſchieht

nach Köpfen.

⁷⁾ Man hat auch ſchon die Vertheilung derſelben unter die Bürger vorge-

ſchlagen. S. §. 391.

§. 389.

Gemeindeeinkommen, Erhebung, Cataſter, Kaſſenweſen.

Während man in der Staatsfinanzwirthſchaft zwei Arten der

Erhebung der Staatseinkünfte hat, nämlich diejenige durch Staats-

beamte und jene durch Pächter, ſo gibt es in der Gemeindewirth-

ſchaft nur eine Methode der Erhebung, nämlich jene durch den

Gemeindeverrechner. Er erhebt das Einkommen jeder Art ſelbſt

oder durch ſeine Untergebenen, ausgenommen das Einkommen

beſonderer Stiftungsfonds, welche ihre beſonderen Verwalter

(Pfleger, Schaffner) haben. Die Erhebung geſchieht auf den Grund

[528/0550]

von Cataſtern, zu welchen das Staatsſteuerweſen die Form an-

geben muß. Man wird in den meiſten Fällen keine beſonderen

Cataſter für jede Art der Steuer aufzuſtellen brauchen, ausgenom-

men nach den Klaſſen der verſchiedenen Umlagen in Bezug auf die

dadurch zu deckende Ausgaben (§. 385.). Bei den Genußſteuern,

wobei keine Vorausbeſtimmung einer Steuerquote möglich iſt, bedarf

es auch des Cataſters nicht. Der Verrechner iſt aber für die Er-

hebung verantwortlich. Unter ihm ſteht auch die Gemeindskaſſe.

Es gibt in der Regel nur eine Gemeindskaſſe, doch die beſondern

Stiftungskaſſen ausgenommen. In Städten aber, welche ein

ſtaatsmäßig complicirtes Schuldenweſen haben, iſt die Trennung

der eigentlichen Gemeindekaſſe von der Schuldentilgungskaſſe, wie

ſie im Staate beſteht, ebenfalls und aus denſelben Gründen anzu-

rathen. Solchen Falls erhält Leztere auch aus dem Gemeinderathe

eine beſondere Verwaltung.

Dritte Abtheilung.

Von der Verwendung des Gemeinde-

einkommens.

§. 390.

Ausgaben.

Die Zwecke der Verwendung des Gemeindeeinkommens ſind

entweder ordentliche oder außerordentliche, und es gibt dem-

nach auch eben ſo vielerlei Ausgaben. Der außerordentliche Auf-

wand kann von verſchiedener Art ſein und begreift jedenfalls alle

nicht laufenden Ausgaben, d. h. alle jene in ſich, welche zu ſolchen

Bedürfniſſen verwendet werden, die nicht jede Rechnungsperiode

wiederkehren; er iſt Folge von zu errichtenden beſonderen Gemeinde-

anſtalten, beſonderen Staats-, Gemeinde- und Naturereigniſſen,

und eben ſolchen Forderungen des Staats ſelbſt1). Der ordent-

liche Aufwand faßt alle laufenden Ausgaben in ſich. Allein die

außerordentlichen müſſen in irgend eine Rubrike der ordentlichen

Ausgaben fallen. Sie ſind in den Hauptrubriken folgende:

A. Für die Bewirthſchaftung des Gemeindevermö-

gens: 1) der Gemeinde- und Almendgüter; 2) der Gemeindewal-

dungen; 3) der verſchiedenen Gerechtſamen; 4) der Gemeinde-

activcapitalien.

B. Zur Entrichtung etwaiger Grund-, Staats-, Be-

zirks-, Lehenslaſten und dgl.: 1) Bodenzinſe, 2) Beede,

[529/0551]

3) Zehenten, 4) Lehnszinſe, 5) Beiträge zu Bezirksbauten, z. B.

Dammbaugelder, 6) ſolche zur Bezirksſchuldentilgung, 7) Staats-

ſteuer u. ſ. w.

C. Für Umlage und Erhebung der Gemeindeſteuern,

für die Kataſterarbeiten und Materialien, Erhebungsgebühren u. dgl.

D. Für Tilgung und Verzinſung der Gemeindeſchuld,

wenn regelmäßige Tilgplane angenommen ſind.

E. Für die Gemeindepolizeiverwaltung: 1) Gewerbs-

polizei, z. B. für Haltung des Gemeindezuchtviehes, Wege, Straßen,

Brücken, Dämme inner- und außerhalb des Ortes; 2) Sicherheits-

anſtalten, z. B. Aufſichtsperſonale fürs Innere des Orts und für

die Gemarkung, Gaſſenbeleuchtung; 3) Geſundheitsanſtalten, z. B.

Hebammen, Hoſpitäler, Leichenhäuſer; 4) Marktaufſicht, z. B.

Maaß und Gewicht; 5) Armenweſen; 6) Feuerlöſchanſtalten;

7) Verſchönerungspolizei, z. B. für Anlagen, gerade Richtung der

Straßen u. dgl. m.

F. Für Kirchen- und Schulweſen, z. B. Kirchenmuſik,

Glöckner; Lehrer, Prüfungen, Preisaustheilungen u. dgl. mehr.

G. Für den Amts- und Staatsverband, z. B. Amts-

koſten bei der Rechnungsabhörung, Amtsbotenlohn, Conſcriptions-

koſten u. dgl.

H. Für die allgemeine Gemeindeverwaltung, z. B.

verſchiedene Gehalte und Taxen der Gemeindebeamten und Diener,

Verwaltungsmaterial, öffentliche Blätter und Verhandlungen.

¹ Z. B. Errichtung neuer Bauten, Ausgaben bei Bürgermeiſterwahlen, Kriegs-

contributionen, Ueberſchwemmungen u. dgl.

§. 391.

Einnahmen. Verwendung. Ueberſchüſſe.

Auch die Einnahmen ſind ordentliche oder außerordent-

liche. Die Erſteren beſtehen aus den im I. Abſchnitte behandelten

Rubriken, mit Ausnahme der Umlagen der Gemeinden, welche,

wenigſtens in Landgemeinden und kleinen Städten, in der Regel

zu den außerordentlichen gerechnet werden müſſen. Außerordentliche

Einnahmen können bewirkt werden aus einem angelegten Gemeinde-

ſchatze, durch Umlage von Steuern oder Erhöhung der ſchon be-

ſtehenden, durch Vorausnahme (Anticipation) von ordentlichem

Gemeindeeinkommen, durch theilweiſe einſtweilige Einſtellung

(Suſpenſion) der Zahlung des ordentlichen Gemeindeaufwandes,

durch Veräußerung von Gemeindevermögen und endlich durch Be-

Baumſtark Encyclopädie. 34

[530/0552]

nutzung des Gemeindekredits. Die Wahl unter dieſen außerordent-

lichen Quellen richtet ſich nach beſonderen Umſtänden1).

Was nun aber die Verwendung des Gemeindeeinkommens

anbelangt, ſo muß dabei nach dem oben (§. 383.) angegebenen

Grundſatze der Beitragspflicht einer jeden Klaſſe von Gemeinde-

gliedern verfahren werden. Es iſt daher nothwendig, ſo weit als

möglich die verſchiedenen Rubriken der Ausgaben, ordentliche und

außerordentliche, nach den Klaſſen der Gemeindeglieder zu ſcheiden,

welche Vortheile davon ziehen.

1) An den ſtaatsbürgerlichen und einwohnerlichen Gemeinde-

ausgaben haben nicht blos ſämmtliche Gemeindebürger, ſondern

auch alle nicht gemeindebürgerlichen Einwohner ihren Antheil zu

bezahlen. Es gehören hierher z. B. Staatsſteuern der Gemeinde-

Kriegscontributionen, die Ausgaben für diejenigen Beſtandtheile

der Rubrik E. des §. 390., deren Vortheile nicht einer beſondern

Klaſſe allein zukommen, wobei aber jeder Ausmärker, welcher Ge-

bäude in der Gemeinde beſitzt, als Einwohner anzunehmen iſt,

weil ihm dann die meiſten Anſtalten lezterer Art zu Gute kommen

wie z. B. die Feuerlöſchanſtalten.

2) An den gemeindebürgerlichen Gemeindeausgaben hat blos

die Gemeinde und die Bürgerſchaft zu tragen. Allein es ſollen erſt

Umlagen veranſtaltet werden, wenn das eigentliche Vermögensein-

kommen der Gemeinde nicht mehr zureicht. Es gehören hierher die

Rubriken A. B. G. und H.; die Rubrik C. fällt jeder betreffenden

Steuereinnahme ſelbſt zur Laſt, zu welcher Klaſſe ſie auch gehören

mag; die Beiträge zu D. richten ſich, da dieſe Ausgaben außer-

ordentliche Urſachen haben, was die Steuernden betrifft, nach dem

Grunde der Schuldencontrahirung, welche aus allen genannten

Zwecken nöthig geworden ſein kann, — und es kann alſo Fälle

geben, daß auch ſtaatsbürgerliche Einwohner und Ausmärker dazu

beiſteuern müſſen; die Rubrik F. iſt bei ungemiſchten Gemeinden

hierher zu rechnen, bei gemiſchten aber zerfällt ſie in Beiträge

jeder Confeſſion, während das Schulgeld eine Privatausgabe jedes

Einzelnen, der Kinder in die Schule ſchickt, iſt.

3) Die Ausmärker nehmen, wenn ſie Grundeigenthum beſitzen,

an allen allgemeinen Gemarkungsausgaben Antheil; als Hausbeſitzer

fallen ſie billig in die Klaſſe der ſtaatsbürgerlichen Einwohner.

4) Die geſellſchaftlichen oder Socialausgaben werden blos von

den Theilnehmern getragen, z. B. die Ausgaben für die Gemeinde-

ſtiere, Eber u. dgl., ſelbſt auch oft Ausgaben zu Confeſſionszwecken2).

Bleiben nach der Verwendung der Einnahmen noch Ueber-

ſchüſſe, dann werden dieſe am beſten für die nächſte Rechnungs-

[531/0553]

periode verwandt oder auch als diſponible Geldcapitalien (§. 388.)

behandelt. Man ſollte ſie niemals vertheilen, weil zerſplittert ihre

Wirkung in der Gemeinde ſchnell verloren geht, während man ſie

zuſammengehalten ſehr vortheilhaft verwenden kann und weil jeder

Gemeindeangehörige auf dieſe Art indirekt ſeinen entſprechenden

Antheil erhält, was nach dem Grundſatze des Rechts nicht durch

Vertheilung geſchehen würde3).

¹ Sie geſchieht nach denſelben Rückſichten, wie in der Staatswirthſchaft. Man

hat aber in der Gemeindewirthſchaft die Zwecke, Klaſſe der Gemeindeangehörigen,

zu unterſcheiden, wofür die außerordentliche Ausgabe zu machen iſt. Bei rein ge-

meindebürgerlichen Ausgaben haben die Gemeinden die eigenthümliche außerordent-

liche Quelle der Beſteuerung der Almendantheile und -Genuſſe.

² Man hat für dieſe lezten Zwecke, für Kirchen- und Schulweſen, auch

für die Armen öfters beſondere Stiftungen, welche die Umlagen häufig ganz oder

theilweiſe entbehrlich machen.

³ Das Natürlichſte iſt, daß man die Gemeindeeinnahmen aus Umlagen nie-

mals höher macht, als das Bedürfniß erheiſcht. Dies entſpricht dem Weſen einer

ſolchen Hauswirthſchaft. Aus dieſen Steuerbeiträgen ſoll ſich alſo kein Ueberſchuß

bilden. Entſteht er aber dennoch, ſo gehört er der nächſten Rechnungsperiode an

und kommt als Erleichterung derjenigen Klaſſe zu, durch deren Beiträge er gebildet

iſt. Entſteht er aber aus den Einnahmen aus dem Gemeindevermögen, ſo ſuche

man ihn ſo gemeinnützig als möglich für die Gemeinde und Bürgerſchaft durch eine

von jenen vielen wohlthätigen und nothwendigen Anſtalten zu machen, für deren

Verbeſſerung und Errichtung immer Gelegenheit ſein wird. Sollte hierin augen-

blicklich nichts Noth thun, ſo lege man das Capital nutzbar an. Würde aber doch

einmal eine Vertheilung beſchloſſen, ſo wird v. Rotteck's Anſicht (Verhandl. der

IIten Bad. Kammer von 1831 Heft 16. S. 121.), daß auch die Ausmärker Antheil

bekommen müßten, bei der angegebenen Unterſcheidung der Herkunft ſolcher Ueber-

ſchüſſe, in ihrer Allgemeinheit keinen Beifall finden können. Ob die Vertheilung

nach Köpfen, Größe der Familie oder nach dem Vermögen und Einkommen geſchehen

ſoll, iſt leicht entſchieden; denn durch welche Umlagsweiſe die Steuer erhoben wurde,

ſo muß der Ueberſchuß auch wieder vertheilt werden. Ueberſchüſſe aus Verbrauchs-

ſteuern können billig nach der Größe der Familie der Einwohner, ſolche aus Ge-

meindevermögen nur nach Köpfen unter die Bürger, vertheilt werden. Uebrigens

wird eine ſolche Scheidung der Einkünfte jetzt faſt noch niemals thunlich ſein.

Vierte Abtheilung.

Von den Voranſchlägen der Gemeindeausgaben

und -Einnahmen.

§. 392.

Zur Erreichung einer möglichſten Uebereinſtimmung der Ge-

meindeausgaben und -Einnahmen und zur Verhütung einer Ueber-

ſchreitung der Beſteuerungsbefugniß von Seiten des Bürgermeiſters

ſind Vorausbeſtimmungen der Ausgaben und Einnahmen für die nächſte

Rechnungsperiode nothwendig. Man nennt ſie Voranſchläge

(Etats). Dieſelben werden in einen allgemeinen (Generaletat,

Budget) und in beſondere (Spezialetats) Voranſchläge ein-

34 *

[532/0554]

getheilt. Dieſe geben, ein jeder für ſich, eine Vorausbeſtimmung

der Ausgaben und Einnahmen für die einzelnen Theile der Ver-

waltung und ſind in der Gemeindewirthſchaft um ſo nöthiger,

wenn eine Scheidung der Ausgaben und Einnahmen nach §. 391.

vorgenommen wird. Der Generaletat aber enthält die Reſultate

dieſer Spezialetats zum Behufe der Geſammtvergleichung des Auf-

wandes und Einkommens. In der Regel ſtellt man in den Etats

die Einnahmen vor die Ausgaben. Beide können entweder genau

oder nur annäherungsweiſe durch Schätzung gefunden werden; zur

erſteren Beſtimmung führen feſte Rechnungen, zur andern aber der

Befund der vorhergehenden Jahre oder Ueberſchläge. Der Ver-

gleichung halber iſt es gut, zum neuen Anſchlage immer den Anſatz

aus der vorigen Rechnungsperiode beizuſetzen. In die Etats kön-

nen nur die ordentlichen Einnahmen und Ausgaben genommen

werden. Die außerordentlichen und die Socialausgaben und Ein-

nahmen bleiben davon ausgeſchloſſen. In den Spezialetats werden,

wie ſich von ſelbſt verſteht, die Deckungsmittel ganz beſonders be-

rechnet. Es werden jedoch die beſondern Inſtructionen und For-

mularien zu allen dieſen Etats von dem Miniſterium oder von den

Regierungscollegien angegeben1).

¹ S. z. B. die Großherzogl. Bad. Inſtruction dazu im Regierungsblatte vom

J. 1832. Nro. 58.

Fünfte Abtheilung.

Von der Verrechnung der Gemeinde-

einkünfte.

§. 393.

Auf den Grund des Generaletats hin werden die Einkünfte

verrechnet. Der Verrechner darf aber keine Rechnung bezahlen

ohne vorherige Decretur oder Anweiſung des Bürgermeiſters oder

Gemeinderaths oder der Staatsbehörde, je nachdem es das Ge-

meindegeſetz beſtimmt. Am Ende einer jeden Rechnungsperiode hat

der Gemeindeverrechner Rechnung abzulegen und die geſtellte Ge-

meinderechnung dem Gemeinderathe zur Prüfung vorzulegen, welcher

ſie, je nachdem es das Geſetz beſtimmt, entweder der Staatsbehörde

noch vorzulegen hat oder nicht. Es iſt klar, daß dabei alle Rech-

nungsbelege beigegeben und die Prüfungsbemerkungen (Reviſions-

notaten) beantwortet werden müſſen. Auch für alles dieſes hat

jeder Staat ſeine beſtimmte Normen und Formen.

[533/0555]

Dritter Theil.

Oeffentliche Wirthſchaftslehre.

Erſter Abſchnitt.

Volkswirthſchaftslehre.

Einleitung.

§. 394.

Vorbegriffe.

Die Volkswirthſchaftslehre (Nationalöconomie) iſt die

Lehre von der Volkswirthſchaft, d. h. von der Thätigkeit der Völker

zur Beiſchaffung, Erhaltung und Verwendung des Volksvermögens

(§. 31. 39.). Da nun eine Nation aus Einzelnen beſteht, dieſe

ſich auch wieder in beſonderen geſellſchaftlichen Verbindungen befin-

den können, und ſowohl die Einzelnen als die Geſellſchaften in der

Volkswirthſchaft mit thätig und aufopfernd ſind, ſo macht auch

ein Jeder nach ſeinem Mitwirken und nach ſeiner Aufopferung

gerechten Anſpruch auf einen verhältnißmäßigen Antheil am Pro-

ducte oder Reſultate der Volkswirthſchaft. Weil aber die Erhal-

tung und die Verwendung im Beſitze der Einzelnen geſchieht, ſo

muß auch unter dieſe eine Vertheilung Statt finden. Daher iſt

die Nationalöconomie die Lehre von der Beiſchaffung (Production,

Hervorbringung), Vertheilung (Distribution), Erhaltung und

Verwendung (Conſumtion) des Volksvermögens durch das Volk

ſelbſt. Die theoretiſche Frage, welche aber nicht auf Begriffen

und Abſtraction, ſondern auf Geſchichte und Erfahrung fußt, be-

trifft darin die Grundzüge des Völkerverkehrs und der National-

betriebſamkeit und die Grundſätze, wonach ſich Beide entfalten.

Die praktiſche Frage, welche auf jenen Verkehrs- und Betriebs-

geſetzen beruhet, iſt, ob und welcherlei Maaßregeln und Anſtalten

erforderlich ſind, um den Völkerverkehr und die Volksbetriebſamkeit

nicht zu hemmen, ſondern weiter zu fördern, damit das Volk zum

möglichſt hohen Grade von Wohlſtand gelange, und welches die

Klugheitsregeln für alle diejenigen Privat- und geſellſchaftlichen

Einrichtungen ſind, von deren Beſtande und Stiftung der allge-

meine Wohlſtand Impulſe empfängt. Man nennt den Theil der

Nationalöconomie, welcher die Erſteren abhandelt, den theoreti-

ſchen (Theorie des Volksvermögens, Volkswirthſchaftslehre im

[534/0556]

engern Sinne), und denjenigen, welcher die Andern erörtert, den

praktiſchen Theil (Lehre von der Volkswirthſchaftspflege oder

Wohlſtandsſorge, Gewerbspolizeiwiſſenſchaft). Man kann aber den

erſteren Theil wegen ſeines Inhaltes volkswirthſchaftliche

Gewerbs-, und den zweiten dagegen volkswirthſchaftliche

Betriebslehre nennen1). Denn jener betrachtet das Erwerbs-

und Gewerbsweſen der Völker aus dem Geſichtspunkte (nicht der

Vereinzelung, ſondern) des nationalen Zuſammenhanges und der

gegenſeitigen Einwirkung der bürgerlichen Erwerbs- und Gewerbs-

thätigkeit, als ein lebendigen Gemenges von Co- und Reaction der

Menſchen, und ſucht die Urſachen, Wirkungen und Folgen davon

zu erforſchen und zu erklären. Dieſem aber erſcheint jener Zuſam-

menhang als etwas Nothwendiges, deſſen Beſtande nicht blos nicht

entgegengewirkt, ſondern vielmehr jeder Vorſchub gelaſſen werden

muß, wenn die Völker ihrem Wohlſtande entgegengehen ſollen;

derſelbe hat daher zur Aufgabe, die Grundſätze und Maximen zu

lehren, wie jener ſelbſtſtändige Zuſammenhang des nationalen

Erwerbs- und Gewerbsweſens erhalten und befördert werden ſoll,

welche Maaßregeln und Anſtalten hierfür die beſten ſind, und wie

dieſelben am zweckmäßigſten eingerichtet und geleitet werden müſſen,

ſeien ſie von Privaten, Geſellſchaften, Gemeinden oder Staaten

angeordnet2).

¹ S. §. 41. und den durchgeführten Unterſchied zwiſchen Gewerbs- und Be-

triebslehre in den einzelnen Gewerbswiſſenſchaften. Die einzelnen Gewerbsclaſſen

erſcheinen hier als einzelne Zweige der ganzen Volksgewerb- und Volksbetriebſamkeit.

Die volkswirthſchaftliche Gewerbslehre betrachtet die einzelnen wirthſchaftlichen Er-

werbsarten, wie ſie ſich in den Gewerben darſtellen, als verſchiedene Aeußerungen

der Volksgewerbſamkeit. Die volkswirthſchaftliche Betriebslehre aber als

Beſtandtheile der Volksbetriebſamkeit. So wie der Einzelne ein recht ge-

werbſamer Mann ſein kann und doch dabei nicht in Wohlſtand kommt, weil er

den Betrieb ſeines Gewerbes nicht zu leiten verſteht oder vernachläſſigt (nicht be-

triebſam iſt); ſo kann ein Volk noch ſo gewerbſam ſein, (noch ſo viele gewerb-

liche Ausbildung, noch ſo viele Gewerbe in ſich vereinigen) und dennoch dabei nicht

zum Wohlſtande kommen, weil ihm die gehörige Leitung und Zuſammenhaltung

ſeiner Gewerbsthätigkeit und -Mittel von Seiten einer Centralkraft (der wahre

Betrieb) fehlt. Dies zeigt die Geſchichte an vielen fehlerhaften Staatseinrichtungen

in Betreff des Gewerbsweſens bei ſehr gewerbsfleißigen Nationen.

² Der Verf. iſt den Neuerungen in Wortauslegungen abhold, weil ſie in der

Regel Verwirrung und leere Schulſtreitigkeiten zu Folgen haben, die nicht zur

Sache gehören und der Förderung des Materiellen der Wiſſenſchaft Zeit und Kräfte

entziehen. Er legt daher dieſer Unterſcheidung und Neuerung an ſich keinen Werth

bei, und hofft, ſie werde den Forſcher im Gebiete der Nationalöconomie, der ein

anderes Syſtem gewöhnt iſt, nicht ſtören. Indeſſen ſcheint ſie ihm als eine Erör-

terung über den Gehalt dieſer Wiſſenſchaft in einer Encyclopädie nicht unwichtig zu

ſein, weil ſich daran der Grundtypus der ſämmtlichen Wirthſchaftslehren darſtellt,

und weil ſie die Einſeitigkeit der neueren Betrachtungsweiſe des Weſens und Zweckes

der ſogenannten Volkswirthſchaftspflege aufzudecken im Stande iſt, von welcher der

Gehalt der Wiſſenſchaft nicht unangeſteckt geblieben iſt. Denn man hat den prak-

tiſchen Theil der Nationalöconomie neuerlich in Deutſchland nur als eine Staats-

[535/0557]

² wiſſenſchaft, d. h. als eine Wiſſenſchaft für den Staat oder Staatsbeamten betrachtet,

gleich als ob er nicht eine weitere Bedeutung habe. Man vergaß, daß es ſehr

wichtige Einrichtungen im Verkehrsleben gibt, welchen der Staat ganz fremd bleiben

ſoll und für deren Stiftung die Nationalöconomie die Grundſätze und Maximen lehrt,

und daß der Staat dieſe blos zu befolgen nöthig hat, wenn er nothgedrungen z. B.

im Steuerweſen, oder zur Unterſtützung der Volksgewerbſamkeit, wo die Kräfte der

Nation nicht mehr zureichen, in das Gewerbsweſen und in den Verkehr eingreift,

während ſie dem Einzelnen und den Geſellſchaften im Gewerbsweſen ſtets unent-

behrlich ſind. Der Ausdruck volkswirthſchaftliche Betriebslehre vermeidet

dieſe Abwege und bezeichnet die nahe Verknüpfung, in welcher die Volkswirth-

ſchaftslehre zum praktiſchen Leben ſteht.

§. 395.

Geſchichtliches.

Die Wiſſenſchaft von der Volkswirthſchaft iſt, obſchon man

ſie als die erſte Bedingung für die Erforſchung des Völker- und

Staatslebens betrachten muß, in ihrer jetzigen Geſtalt erſt ein

Erzeugniß der neueren und neueſten Zeit. Wenigſtens iſt ſo viel

gewiß, daß die neuern abendländiſchen Staaten und Völker darin

keinen wiſſenſchaftlichen Unterricht von den alten ſüdländiſchen

empfangen haben, ſondern die Grundſätze aus eigenen Erfahrungen

und Studien ſammelten. Hieraus und aus dem Wenigen, was

uns in den literariſchen Reſten aus der alten Zeit darüber zu-

gänglich wurde, zu ſchließen, daß die Alten davon ſo viel als

nichts gewußt oder gar geahnet hätten, muß als ein Fehlſchluß

erſcheinen1). Das älteſte orientaliſche Völkerleben iſt für uns noch

in ein ſehr tiefes Dunkel gehüllt, allein was wir von demſelben

wiſſen, das ermächtigt uns mehr zu der Annahme, daß ſie den

Volkswohlſtand auf eine tiefe nationale Weiſe zu befördern wußten.

Es iſt hierher jedenfalls das phöniziſche Volk, Babylonien,

Aegypten und Karthago zu rechnen2). Die Griechen, ein

Handelsvolk, hatten verſchiedene Einrichtungen zur Förderung des

Handels und der damit zuſammenhängenden Gewerbe, wovon man

auf das Vollkommenſte berechtigt iſt zu dem Schluſſe, daß ſie es

recht gut verſtanden, die Volksgewerb- und Betriebſamkeit ſo weit

zu unterſtützen, als es nach ihren nationalen Anſichten geſchehen

mußte3). Die auffallende Verſchiedenheit des Charakters der

Griechen und Römer geſtattet jedoch auch in dieſer Hinſicht wenig

Aehnliches und Gleiches. Als ein kriegeriſches und räuberiſches

Volk konnten dieſe nicht auf die friedliche Verwaltung ihrer Colonien

und eroberten Länder in dem Grade kommen, wie Phönizier und

Griechen; ihre ganze Eigenthümlichkeit war dem Gewerbsweſen

nicht ſo geneigt, wie jene Völker. Dennoch aber beſchäftigte ſich

bekanntlich ihre Geſetzgebung ſehr angelegen mit der Leitung des

Ackerbaues und des Handels, der zwei Gewerbe, welche ihrer

[536/0558]

Nationalität am meiſten zuſagten4). Die abendländiſchen

Völker, nach der großen Völkerwanderung, haben vor den Alten

neben dem Hervortreten und neben der eigenthümlichen Geſtaltung

des Gewerbsweſens auch das voraus, daß ſie, nachdem das ganze

Mittelalter vorübergegangen und viele gemeinſame Erfahrungen in

der Geſchichte angehäuft waren, wie auch aus vielen anderen

Dingen, ebenfalls aus der Staatsverwaltung eine Wiſſenſchaft

machten. Allein es dauerte bis dahin mehrere Jahrhunderte, von

denen man aber keineswegs ſagen kann, daß ſie keine volks- und

ſtaatswirthſchaftlichen Sätze gekannt hätten5). Denn wenn auch

bei den Schriftſtellern, wie Bodin, Klock, Becher, v. Lotz

u. A. (§. 29. Note 2 u. 3), welche ſo ſehr viel Unbrauchbares

und grundſätzlich Unrichtiges haben, das Praktiſche ihrer Zeit nicht

leicht von den gelehrten Theorien zu ſcheiden iſt, ſo ſchreitet man doch

bei v. Seckendorf und v. Schröder (§. 27. N. 2 u. 3) immer

parallel mit der Staatspraxis, während ſich in der Finanzverwal-

tung von Sully und von Colbert (§. 29. N. 4 u. 5) die prak-

tiſchen Erfahrungen erſt eigentlich zu einem Syſteme zu kryſtalliſiren

beginnen6).

¹ Der Umſtand, daß wir noch faſt gar nichts von denſelben in dieſer Hinſicht

kennen, und daß, wenn ſelbſt mehr darüber auf uns gekommen wäre, zur Beur-

theilung volks- und ſtaatswirthſchaftlicher Zuſtände und Anordnungen eine genaueſte

Kenntniß des täglichen Lebens erfordert wird, als wir vom Alterthume haben, iſt

hinreichend, Obiges zu beſtätigen. Haben ſich ja doch Männer, wie der große

Niebuhr, nicht ſelten getäuſcht, weil ſie der kühnen Hypotheſe zu ſehr ihr Ohr

liehen, wo ſie auf Thatſachen fußen ſollten.

² Schon dasjenige, was Heeren in ſeinen Ideen (§. 319. Note 1) und

Reynier in ſeinen angeführten Werken (§. 132. Note 1) darüber mittheilen und

ſagen, ſollte, ſo ſpärlich es auch iſt, Obiges beſtätigen. Allein man muß bei dieſen,

ſo wie bei den beiden noch folgenden Völkern, nur nichts Anderes (etwas Allgemeines)

als ächt Nationelles (etwas Eigenthümliches) ſuchen und bedenken, daß blos dann

und dort Allgemeines oder Wiſſenſchaftliches in ſolchen Dingen entſtehen kann, wann

und wo man ſchon verſchiedene beſondere nationale Erſcheinungen ſuchen, vergleichen

und verbinden kann. Dies konnte aber bei dieſen Völkern zum Theile ſchon wegen

ihres damaligen Alters und hauptſächlich deßhalb nicht geſchehen, weil ſie alles nicht

Nationelle von ſich hinwegſtießen, ſo in Religion, wie in Politik.

³ Die neueren Unterſuchungen haben Vieles gezeigt, was man früher über

das Staatswirthſchaftsweſen der Griechen nicht geahnt hat (§. 319. N. 2). Gerade

an Griechenland läßt ſich zeigen, was in der Note 2 geſagt iſt. Die griechiſchen

Schriftſteller ließen ſich nicht auf praktiſche Verwaltungsfragen ein. Erſt Xenophon

und Ariſtoteles begannen über Politik zu philoſophiren, und Grundſätze der

Oeconomie aus allgemeinerem Geſichtspunkte zu bauen; und es läßt ſich nicht läugnen,

daß das Zeitalter des Lezteren viele Aehnlichkeit mit unſerer Zeit hat. Der Grieche

bedurfte übrigens des beſondern Unterrichtes in ſolchen Dingen nicht, weil er das

Praktiſche durch ſeine Theilnahme am öffentlichen Leben lernen mußte; es mochte

auch ſchon nach der Natur der Sache den griechiſchen Gelehrten klar ſein, daß die

Staatsverwaltung kein Gegenſtand der Speculation iſt; die griechiſchen Städteſtaaten

waren zudem klein, weßhalb von Erfahrungen und Maaßregeln, wie in großen

Ländern, dort nicht die Rede ſein konnte. Darum hatten die Griechen keine ſtaats-

und volkswirthſchaftliche Schulweisheit, wie wir, bis auf Ariſtoteles, deſſen

[537/0559]

³ Begriffsbeſtimmungen über Oeconomie man neuerlich in ein Syſtem zuſammengefaßt

hat. S. Rau Anſichten der Volkswirthſchaft. (Erlangen 1821.) S. 3 folg.

⁴⁾ Mit den Stellenſammlungen und Variantenvergleichungen aus römiſchen

Autoren, in Bezug auf Oeconomie —, wie wir ſie von Hermann (Diss. exhibens

sententias Romanorum ad oeconomsam universam s. nationalem pertinentes. Er-

langae 1823) und Calkoen (in den: Bydragen tot Regtsgeleerdheit en Wetgeving.

VI. 3 St. 1832. S. 413, mitgetheilt) haben — iſt äußerſt wenig gedient, aber

auch nichts weiter bewieſen, als mit ziemlicher Unſicherheit, daß die Römer keine

ſtaatswirthſchaftlichen Syſteme und Schulen hatten. Es wäre unendlich beſſer, wenn

man anſtatt nach ſolchen Stellen vielmehr nach Facten und Geſetzen im Felde der

Staatswirthſchaft bei den Römern, nach dem Geiſte und nach dem wahren Ver-

hältniſſe derſelben zu ihrer Zeit forſchte. So lange dies nicht geſchehen iſt, ſind

Aburtheilungen über die Römer in dieſer Beziehung eitel. Doch vielleicht hat

Schulz (Grundlegung zu einer geſchichtlichen Staatswiſſenſchaft der Römer. Köln

1833, — eine Schrift, welche neben manchem Bizarren doch viel Wahres enthält,

wie unter anderm der Aufſatz II. über das römiſche Geldweſen S. 132 folg., und

III. über die Staatsmittel S. 458. zeigt) hierzu neuen Anſtoß gegeben.

⁵⁾ Ein Blick in die Capitularien der fränkiſchen Könige, auf das Städte- und

Zunftweſen des Mittelalters u. dgl. möchte ſchon im Stande ſein, dies zu zeigen,

obſchon man nicht läugnen kann, daß z. B. das Leztere für unſere Zeitverhältniſſe

in ſeiner früheren Ausdehnung nicht paßt, während doch auch bei uns die größten

Gewerbseffecte durch geſellſchaftliche Vereinigungen hervorgebracht werden. Bücher-

gelehrſamkeit fehlte, aber darum nicht die Kenntniß, — ebenſo wie in den Künſten,

wo aber Niemand behaupten wird, man habe in älterer Zeit Nichts, oder weniger

geleiſtet als jetzt.

⁶⁾ Dieſe vielen Erfahrungen, das ausgebreitete Gewerbsweſen, und die wiſſen-

ſchaftlichen Syſteme, welche ſchon eben ſo viel geſchadet als genützt haben, ſind es,

was die neue Zeit vor der alten voraus hat. Dafür waren aber auch in dieſen

Dingen die Kenntniſſe der Alten ein größeres Gemeingut, als jetzt.

§. 396.

Fortſetzung.

Die Geſchichte ſchildert uns die Völker des Alterthums theils

als prachtliebend, theils als nach Gewinnſt durch Handel und

Colonien ſtrebend, theils als kriegeriſch. Es iſt daher nichts natür-

licher als die vorherrſchende Neigung der Perſer und Babylonier,

der Phönizier und Karthager, der Griechen und der Römer nach

Gold und Silber und nach Vermehrung des Geldes. Dies war

der Strebepunkt der Einzelnen ſo wie der Regirungen1). Dieſes

Streben war ſchon im Alterthume der Antrieb und die Veranlaſſung

zu vielen kriegeriſchen und Handelsunternehmungen und fand in

verſchiedenen Perioden durch analoge Ereigniſſe damals bereits

mehrmals Befriedigung. Es gehört hierher die Entdeckung Spa-

niens durch die Phönizier, der perſiſche Krieg Alexanders d. Gr.,

und die Eroberungen der römiſchen Republik im Oriente2). Nach

der Zerſtörung des römiſchen Reichs nahm auch in dieſer Beziehung

Europa ein anderes Ausſehen an. Die von den Römern bereits

ausgeſaugten Abendländer wurden von den Barbaren überſchwemmt,

und es mußten daher in Bezug auf Bevölkerung und Flächenaus-

[538/0560]

dehnung, um ſo mehr, wenn man die Zerſtörungswuth hinzurechnet,

die Menge von Gold und Silber und Geld ſehr verſchwinden2).

Was der ſo umgeſtalteten Bevölkerung Noth that, das waren feſte

Sitze; dies war der Strebepunkt ihrer Wanderung und das natür-

liche Ergebniß des niederen Grades ihrer Cultur. Daher fußte die

geſellſchaftliche Ordnung auf Ackerbau und Viehzucht, daher kam

das Naturalſteuerſyſtem, und dies Alles fand ſeinen Stützpunkt im

Chriſtenthume. Bei dieſem Syſteme konnten unſere Völker, wie

der natürliche Entwickelungsgang der Menſchheit zeigt, nicht ſtehen

bleiben, es veränderte ſich im Gegentheile die Cultur, die Bevöl-

kerung, das Gewerbsweſen und die Verfaſſung und mit dieſer die

Staatsverwaltung und Staatswirthſchaft4). Es mußten Mißver-

hältniſſe dadurch entſtehen; dieſe, für Viele in den Völkern drückend,

erregten einen Durſt nach allgemeinem Beſſerwerden und die ſelt-

ſamſte Miſchung der wilden Elemente des Abentheuers, der Kriegs-

luſt und wirthſchaftlichen und politiſchen Unzufriedenheit mit den

friedlichen und göttlichen der Religioſität trieb ſchon im erſten

Jahrtauſende der chriſtlichen Zeitrechnung unter den Bannern der

Kreutzzüge die abendländiſchen Völker nach dem fernen Orient.

Während von dort die Kunde von der gefundenen Befriedigung der

Einbildungskraft, des kriegeriſchen Muthes, der Mordluſt, Habſucht

und des religiöſen Durſtes ertönte, benutzte das Pabſt-, Kaiſer-

und Königthum von Europa dieſe Gelegenheit einer Art von Colo-

niſation immer mehr mit allen zu Gebote ſtehenden Mitteln. Herr-

ſchaft, Hof und Haus ward von Einzelnen zu Geld gemacht, um

zu wandern; die Päbſte ergriffen ſchlau alle unter dem Deckmantel

des Chriſtenthums anzuwendenden Mittel und Wege, um Geld zu

bekommen; die Naturalwirthſchaft der Staaten mußte der Geld-

wirthſchaft den Platz einräumen; die durch dieſe Auswanderungen,

unglücklichen Zurückkünfte und erwähnten Mißverhältniſſe erzeugte

Unſicherheit des Eigenthums und der Perſon machte den unbe-

kannten Beſitz von Gold, Silber und Geld ſehr wünſchenswerth;

die allgemeine immer ſteigende Münzverwirrung und das Hervor-

treten einer großen Erweiterung des Handels und Gewerbsweſens

veränderte den volkswirthſchaftlichen Zuſtand, beſonders kamen die

Städte und ſtädtiſchen Gewerbe in ſtaunenswerthe Blüthe und

wirkten wieder auf die Staatswirthſchaft zurück. Daher befanden

ſich die abendländiſchen Völker, wie ehemals die alten des Orients,

in einem Zuſtande des volks- und ſtaatswirthſchaftlichen Geld-

ſyſtems. Seine Macht auf die Gemüther, beſonders der Handels-

leute und Regenten, verſchaffte dem großen Columbus und Basco

de Gama die Geldmittel zu ihren Seefahrten. America und der

[539/0561]

Weg um das Vorgebirg der guten Hoffnung nach Oſtindien wurde

entdeckt. Die erſehnten Goldgruben waren ſo auch der abendlän-

diſchen Welt geöffnet und Aſien mit Europa und dies mit America

verbunden.

¹ Beweiſe dafür gibt das Schatzſammeln der Einzelnen, der Fürſten, Könige

und Regirungen, wovon die Geſchichte erzählt. Bei den Griechen war ſie ſo vor-

herrſchend, daß ſich Aristoteles Politic. Lib. I. 9. darüber luſtig macht, indem er

die Verkehrtheit davon zeigt. Bei den Römern war ſchon in der Republik (Cicero

pro Flacco cap. 28.) und ſpäter unter den Kaiſern (Plinius hist. natur. lib. XII.

cap. 18.) die Gold- und Silberausfuhr verboten. Von den andern genannten Völ-

kern zeigt es der Handelsgang und das Colonialſyſtem.

² Die Entdeckung Spaniens iſt eine Parallelſtelle in der Geſchichte mit jener

von America; durch Alexanders Eroberungen ward der Strom der edeln Metalle

aus dem Oriente nach dem Occidente eröffnet, und die Römer brachten unermeßliche

Gold- und Silberſchätze aus dem Oriente. Als Völkerzüge bilden ſie eine Parallele

zu den Kreutzzügen.

³ Wie viel ging bei dem Einſtürzen der Barbaren nicht durch Zerſtörung und

Vergraben verloren.

⁴⁾ Man ſ. die hiſtoriſche Einleitung oben von §. 7. an.

§. 397.

Syſteme.

Auf die beſchriebene Art bereitete ſich ein Syſtem der Staats-

und Volkswirthſchaft vor, welches in der Entdeckung des Weges

um das Vorgebirge der guten Hoffnung eher einen Todesſtoß, als

ein neues Lebenselement hätte erlangen ſollen, wenn die Gemüther

und Geiſter nicht zu ſehr ſchon aus den andern Urſachen in ſeinen

einzelnen Grundſätzen befangen geweſen wären1). Dieſes Syſtem

iſt 1) das Handels- oder Mercantilſyſtem. Es betrachtet

das Geld, Gold und Silber als den wahren Reichthum2) und

bezieht hierauf alle Maximen und Anſtalten für die Förderung des

wirthſchaftlichen Wohlſtandes der Staaten und Völker, weßhalb es

auch den Dingen blos einen Werth beilegt, inſoferne und im Verhält-

niſſe, als ſie Geld eintragen. Die nächſte politiſche Folgerung hier-

aus, daß alſo alle bürgerlichen Gewerbe, welche Gold und Silber

hervor- und ins Land bringen3), das Land bereicherten, bewirkte eine

künſtliche Leitung und mißleitende Verkünſtelung der gewerblichen

Verhältniſſe der Völker ſowie auch eine ganze Politik, wodurch Gewalt

und Privilegium an die Stelle des Rechts und der Gleichheit,

Geld an die Stelle der eigentlichen Mittel zur Befriedigung der

Bedürfniſſe, außerordentliche Ungleichheit der Vertheilung des

Vermögens unter die Staatsangehörigen an die Stelle verhältniß-

mäßiger Ausgleichung, Handelsgeiſt und Mißtrauen an die Stelle

wahrer Sittlichkeit, Ehre und Zutrauens traten. In Frankreich

[540/0562]

namentlich war dieſer Zuſtand durch Schwäche, Leidenſchaftlichkeit

und Unmündigkeit der Könige ſowie durch die Herrſchaft der

Geiſtlichkeit, der Adels- und der Geldariſtokratie auf die höchſte

Spitze getrieben, ſo daß eine Anzahl philoſophiſcher Köpfe und

zugleich edler Männer auf den Gedanken geriethen, den gerade

entgegengeſetzten Staatszuſtand nach einem ſelbſt geſchaffenen Ideale

auf dem Wege der Reform hervorzurufen. So entſtand 2) das

phyſiocratiſche oder Landbauſyſtem4). Daſſelbe wollte die

natürliche Ordnung (Ordre naturel, Physiocratie) wieder her-

ſtellen, und ſtellte daher als Grundſatz auf, daß der Natur der

Sache nach nicht das Geld, ſondern vielmehr die wirklichen Be-

dürfnißmittel den Reichthum ausmachen, das Geld aber, an ſich

ungenießbar, blos ein Verkehrsmittel ſei. Je mehr man an jenen

Bedürfnißmitteln ſelbſt beſitze oder über je mehr davon man ver-

fügen könne, ſagt dieſes Syſtem, um ſo reicher ſei man zu nennen.

Da es nun aber der Stoff ſei, den man gebrauche und verzehre,

ſo verſchaffe uns blos die Natur und durch ſie dasjenige Gewerbe

den Reichthum, welches der Natur Güter abgewinne, und folglich

ſei blos der Erdbau (Landbau) productiv unter den Gewerben.

Neben manchen andern Folgerungen aus dieſen Prinzipien5) ging

aus dem Fundamentalprinzipe hervor, daß der Staat der bürger-

lichen Induſtrie keine künſtliche Richtung geben, ſondern ihren

natürlichen ungeſtörten Entwickelungsgang laſſen ſolle (Laissez

faire et laissez passer), wie ihn die Natur und der Verkehr

erſchaffe6). Obſchon dies ganze Syſtem viel zu idealiſch war, als

daß es in der Staatspraxis hätte verwirklicht werden dürfen, ſo

war doch ſeine Schärfe, Selbſtſtändigkeit und theilweiſe Natür-

lichkeit die Urſache vieler Aufſchlüſſe über die wahren Natur- und

Verkehrsverhältniſſe der Menſchheit und es bildete die Grundlagen

eines neuen der Wahrheit näher kommenden Syſtemes. Dies iſt

3) das Induſtrie- oder allgemeine Gewerbsſyſtem. Das-

ſelbe tritt jenen Beiden entgegen7) und ſtellt als Grundſatz auf,

die Natur ſei zwar die lezte Quelle aller Güter, aber die Arbeit

verſorge den Menſchen mit den Lebensgütern und mit einem ſolchen

Vorrathe von Vermögen, den er wieder zur Erweiterung ſeines

Erwerbes verwende (Capital)8). Weder die Einträglichkeit an

Geld, noch die bloße Sachlichkeit der Güter ſei das Weſentliche

für das Menſchenleben, ſondern überhaupt der Grad ihrer Noth-

wendigkeit zu den verſchieden wichtigen Zwecken der Menſchen oder

ihr Werth. Unter anderen Folgerungen9) geht als die charak-

teriſtiſchſte hervor, daß alle Gewerbe productiv ſind, welche neue

Werthe hervorbringen, und von Seiten des Staates ſämmtliche

[541/0563]

geſetzliche wirthſchaftliche Thätigkeiten, gleiche Ungeſtörtheit in

ihrer Entwickelung anzuſprechen haben. Dieſes Syſtem iſt das

jetzt in der Wiſſenſchaft herrſchende und geht jetzt allmälig immer

mehr in die Staatspraxis über, da es Mühe koſtet, die Wirkungen

des Mercantilſyſtemes allmälig auszugleichen. Allein auch in der

Wiſſenſchaft iſt es erſt in der Entwickelung begriffen.

¹ Nichts war geeigneter, die Theorie des Geldes nach dem neuen Syſteme,

d. h. ſein Fundament umzuwerfen, als der neue Handel mit Oſtindien, denn gerade

dieſer mußte zeigen, wie eigentlich das Geld blos ein Tauſchmittel iſt und ſich nicht

innerhalb der Landesgrenzen bannen läßt, weil nämlich das Edelmetall dorthin

einen Hauptzug nahm. Die Verhältniſſe der engliſch-oſtindiſchen Geſellſchaft zeigten

dies gegen das Ende des 17ten Jahrhunderts und mehrere engliſche Schriftſteller

haben in dieſem Sinne ſchon damals gegen das neue Syſtem geſchrieben. Die vor-

züglichſten ſind: Child, A new Discourse on Trade. London 1668. 2te Ausg. 1690.

Dudley North, Discourses on Trade etc. London 1691. S. Mac-Culloch,

Grundſätze der polit. Oeconomie. Ueberſ. von v. Weber (Stuttg. 1831). S. 30–32.

say, Cours d'Economie politique. VI. 379. Ueberſ. von v. Th. VI. 285. Es iſt

daher nicht ganz richtig, wenn unſere Schriftſteller von Fach gerade jene Entdeckung

als eine Haupturſache der Aufnahme des Mercantilſyſtemes erwähnen.

² Dieſes Syſtem fand beſonders unter Colbert, Finanzminiſter unter Ludwig

XIV. von Frankreich (a. 1661–1683) ſeine Ausbildung in der Praxis. S. de

Monthion, Particularités et observations sur les Ministres des finances de là France

les plus célèbres (Paris 1812). p. 20. Die Schriftſteller, die daſſelbe beſonders

cultivirten, ſind hauptſächlich die §. 395. erwähnten Bodin, Klock, Becher,

v. Loen, v. Schröder und v. Horneck, außerdem aber noch v. Juſti Staats-

wirthſchaft. Leipzig 1755. 2te Ausg. II. Bd. Büſch, vom Geldumlaufe. Hamburg

1780. II. Bd. 8. 2te Ausg. 1800. de Bielfeld, Institutions politiques. A la Haye

1760. II. Bd. 4. Deutſche Ueberſ.: Lehrbegriff der Staatskunſt. 3te Ausg. 1777.

III Bde. Ferrier, Du Gouvernement considéré dans ses rapports avec le Com-

merce. Paris 1805 und auch 1821. (S. dagegen du Bois-Aymé, Examen de

quelques questions d'Econom. polit. et notamment de l'ouvrage de M. Ferrier-

Paris 1823.) de Cazaux, Bases fondamentales de l'Econom. polit. Paris 1826.

Mun, Treasure by foreign Trade. London 1664. S. auch oben Note 1. steuart,

Inquiry into the principles of political Economy. London 1767. II Tom. 4.

Deſſelben Works. London 1825. VI Tom. 8. Deutſche Ueberſ.: Unterſuchung der

Grundſätze der Staatswirthſchaft. Hamburg 1769 u. 1770. II. Bd. 4. Tübingen

1769–72. VI Bde. 8. und 1786. IV Bde. 8. Davenant, Political and Com-

mercial Works. London 1771. V. Tom. 8. serra, Turbulo, Davanzati, scaruffi,

Montanari, Broggia, Belloni. (S. oben §. 319. Note 7. §. 326. Note 1.)

Genovesi, Lezioni di Commercio osia d'Economia civile. Bassano 1769. II. 8.

Deutſch: Grundſätze der bürgerlichen Oeconomie, überſetzt von Witzmann. Leipzig

1776. II. 8. Die in den angeführten §§. erwähnten scrittori classici ſind von

Cuſtodi edirt zu Mailand (Milano) 1803–1804. Die Parte antica hat VII,

die P. moderna XXXII Bde. 8. Der 50te Bd. (1816) enthält das Sachregiſter.

S. aber auch Pecchio, storia della Economia publica in Italia. Lugano 1829.

Franzöſ. Ueberſ. von Gallois. Paris 1830. Die Literatur dieſes Syſtems iſt am

vollſtändigſten angegeben bei Steinlein Handbuch der Volkswirthſchaftslehre. I.

S. 14–33 (München 1831. Ir Bd.). Man ſ. aber Hiſtoriſches und Kritiſches

darüber bei A. smith Inquiry. II. 231. bis III. Ueberſ. von Garve. II. 233 bis

541. Kraus Staatswirthſch. IV. 4. 12–51. storch, Cours d'Econom. polit.

Ueberſ. von Rau. I. 57. III. 260. Galiani, Della Moneta. II. 173. cl. mit

I. 220 (scrittori III. e. IV.). Rau, Lehrbuch der polit. Oeconom. I. §. 33–37.

Mac-Culloch Principles. p. 23. Ueberſ. von Weber. S. 22. say Cours. III.

280. VI. 366. Ueberſ. von v. Th. III. 217. VI. 282. Schmitthenner, über

den Charakter und die Aufgaben unſerer Zeit (Gießen 1832. I. Heft). I. 169.

Buchholz neue Monatſchrift (J. 1833. Bd. 42.), beſonders Dec. S. 372.

[542/0564]

³ Daher kamen die Verbote der Einfuhr fremder Fabrikwaaren und der Aus-

fuhr inländiſcher Rohproducte und Edelmetalle; daher die Freiheit und die Begün-

ſtigung der Ausfuhr von Fabricaten und der Einfuhr von Rohſtoffen, beſonders

Edelmetallen; daher das Hervorrufen möglichſt vieler neuen Gewerbe, beſonders

Gewerke durch allerlei Unterſtützungsmittel, z. B. Privilegien, Vorſchüſſe, Prämien

u. ſ. w.; ferner das Geitzen und Kämpfen um Colonien, deren Alleinhandel, und

Handelsverträge, die Vegünſtigung und Monopoliſirung von Handelsgeſellſchaften.

⁴⁾ Schon Sully, Miniſter unter Heinrich IV. von Frankreich, hatte dem

Landbaue vorzüglich ſeine Sorgfalt und Begünſtigung geſchenkt, und damit Frank-

reich aus dem Zuſtande volkswirthſchaftlicher Zerrüttung gezogen. Allein Franc.

Quesnay (geb. 1694, † 1774), Leibarzt Ludwigs XV. von Frankreich, war der

Stifter dieſes Syſtems. Seine Schriften darüber ſind: Tableau economique.

Versailles 1758. und Maximes générales du Gouvernement economique. Ibid.

1758. Ihm folgten: V. de Riquetti, Marq. de Mirabeau (Père) L'ami der

hommes ou traité de la Population. Avignon 1756. III. Deutſch Hamburg 1759

II Bde. Deſſelben Théorie de l'impôt. Paris 1760. Deſſelben Philosophie rurale.

Amsterdam 1763. Deutſcher Auszug: Landwirthſchaftsphiloſophie, aus dem Franz.

von Wichmann. 1797–98. II Bde. de Gournay, Essay sur l'ésprit de la le-

gislation favorable à l'agriculture. Paris 1766. II Bde. Mercier de la Rivière,

L'ordre naturel. Paris 1767. Baudeau, De l'origine et des progrès d'une science

nouvelle. Paris 1768. Deutſche Ueberſ. Carlsruhe 1770. Turgot, Récherches sur

la nature et l'origine des Richesses. Paris 1774. Deutſche Ueberſ. von Mauvillon.

Lemgo 1775. Deſſelben Rélléxions sur la formation et distribution des Richesses.

Paris 1784 (ausgezeichnet; auch in ſeinen Oeuvres complet. Paris 1808–1811.

VIII Tom. 5ter Bd.). Le Trosne, De l'Ordre social. Paris 1777. Deutſche

Ueberſ. von Wichmann: Lehrbegriff der Staatsordnung. Leipzig 1780. Du Pont;

Physiocratie on Constitution naturelle du Gouv. etc. Yverdon 1768–69. VI. T.

(im I. Bde. obige Schriften von Quesnay). Garnier, Abrégé des principes

d'Econom. polit. Paris 1796. Le Pr. de G (allizin), De l'Esprit des Economistes.

Brunswik 1796. Deutſch: Duisburg 1798. Charles Fried. Markgr. de Bade, Abrégé

des principes d'Econom. polit. Carlsrouh. 1786. Paris 1772. Deutſch von Saß:

Grundſätze der Staatshaushaltung v. c. Deſſau 1782. Abgedruckt bei Will Verſuch

über die Phyſiocratie. Nürnb. 1782 und in Schlettwein Archiv für den Bürger

und Menſchen (Leipzig 1780–84. VIII. Bd. Neues Archiv 1785–88.). Bd. IV.

S. 234. schlettwein, Les moyens d'arrêter la misère publique. Carlsrouh 1772

(auch Deutſch). Deſſelben wichtigſte Angelegenheit für d. Publicum. Karlsruhe

1772–73. Neue Ausg. 1776. II Bde. Deſſelben Grundfeſten der Staaten.

Gießen 1779. Iſelin, Verſ. über die geſellſch. Ordnung. Baſel 1772. Deſſel-

ben Träume eines Menſchenfreundes. Baſel 1776. Neue Ausgabe 1784. II Bde.

Deſſelben Ephemeriden der Menſchh. v. J. 1776 an. Springer, Oeconom.

und cameral. Tabellen. Frankfurt 1772. Derſelbe Ueber d. phyſiocrat. Syſtem.

Nürnberg 1781. Mauvillon, Aufſätze über Gegenſtände der Staatskunſt. Leipzig

1776. II Bde. Deſſelben phyſiocrat. Briefe an H. Dohm. Braunſchweig 1780.

Schmalz (ſ. oben §. 35. Note 1), Handbuch der Staatswirthſch. Berlin 1808.

Deſſelben Staatswirthſchaftslehre in Briefen an einen deutſchen Erbprinz. Berlin

1818. Auch L. Krug Abriß der Staats-Oeconomie. Berlin 1807. Bandini, Dis-

corso economico (a. 1723 ſchon verfaßt, a. 1775 gedruckt) = Economisti classici

Ital. Part. mod. I. Beccaria, Elementi di Economia publica (geſchrieben a. 1769

bis 1771) = Economisti. P. mod. XI. e XII. Filangieri, Della Legislazione.

Napoli 1780–85. VII Tomi. wovon das IIe Buch in den Economisti class. Ital.

P. mod. XXXII. Das Ganze deutſch, Ansbach 1788–91. Gegen dieſes Syſtem:

de Forbonnais, Principes et Observations économiques. Amsterd. 1767. Deutſch

von Neugebauer. Wien 1767. de Mably, Doutes proposées aux philosophes

économ. Paris 1768. Dohm, Vorſtellung des phyſiocrat. Syſtems. Kaſſel 1778.

v. Pfeiffer Antiphyſiocrat. Frankfurt 1780. Will (ſ. oben). Ueber daſſelbe

hiſtoriſch und kritiſch: A. smith Inquiry. III. 267. Ueberſ. von Garve. II. 576.

Kraus Staatsw. II. 310. IV. 294. 337. Ganilh, Des systemes d'Econom. polit.

I. 82. storch Cours. Ueberſ. von Rau. I. 61. III. 263. simonde de sismondi.

Nouveaux principes d'Econom. polit. I. 39. say Cours. VI. 381. Ueberſ. von

[543/0565]

⁴⁾ v. Th. VI. 285. Mac-Culloch Principles. p. 43. 419. Ueberſ. von Weber. S. 37.

330. 340. Lotz, Handbuch der Staatswirthſch. I 109. Schmitthenner, Ueber

den Charact. unſerer Zeit. I. 121. Fix, Revue mensuelle d'Econ. polit. I. p. 10

(Paris 1833. July). Rau Lehrbuch. I. §. 38–43. S. vollſtändige Literatur bei

Steinlein Handbuch. I. 34.

⁵⁾ Nach dieſem Syſteme gibt der Landbau allein einen reinen Ertrag (produit

net) oder Ueberſchuß über die jährlichen Auslagen (Avances annuelles) und

urſprünglichen Auslagen (A. primitives), welcher aber noch die Grundauslagen (A.

foncières) z. B. für Urbarmachung u. dgl. enthält. Deßhalb ſind blos die Land-

wirthe die productive Bürgerklaſſe (Classe productive), die anderen Gewerbsleute

aber nicht (Cl. stérile) und in der Mitte zwiſchen beiden ſtehen die Grundeigen-

thümer (Cl. des propriétaires): die productive Klaſſe erſchafft die Subſiſtenzmittel

für die andere und das Material für die Arbeit derſelben, ſie hat die andere gleich-

ſam in Dienſt, Koſt und Löhnung. Darum ſind dem Emporkommen des Landbaues

alle Hinderniſſe zu benehmen, aber ebenſo den Gewerken und dem Handel, weil da-

durch die unproductiven Ausgaben verringert und die Genüſſe wohlfeiler werden.

Um aber die Gewerb- und Betriebſamkeit nicht zu ſtören, ſo darf auch blos der

Reinertrag beſteuert werden, und folglich darf es nur eine einzige Abgabe (Impôt

unique), die Landbauſteuer (Grundſteuer) geben.

⁶⁾ Dieſer Satz gilt durch dies ganze Syſtem hindurch. Daher möchten die-

jenigen vielleicht blos in der Unbeſtimmtheit des Ausdrucks Unrecht haben, welche

die Begünſtigung und Beförderung eines Gewerbes demſelben als Maxime zuſchrei-

ben, wie z. B. Rau Lehrbuch. I. §. 41. 1 u. 2.

⁷⁾ Die nähere Ueberlegung der Sätze dieſes Syſtemes wird eine Widerlegung

der irrigen Theorien der beiden vorherigen ergeben. Es heißt nach ſeinem Verfaſſer,

Adam Smith (§. 31.), auch das Smithiſche. Es gehören ſchon vor Ad.

Smith der Zeit nach in einzelnen Sätzen dieſem Syſteme an: Locke, Considera-

tions on the Lowering of Interest etc. London 1691. und Deſſelben Further

Considerations on Raising the Value of Money. London 1695. Eines Ungenannten

Considerations on the East India Trade. London 1701. Vanderlint, Money

answers all Things. London 1734. Decker, On the Causes of the Decline of

foreign Trade. London 1744. Hume, Moral and political Essays. Edinburgh 1742.

Deſſelben Political Discourses. 1752. Zuſammen in ſeinen Essays and Treatises

on several subjects. London 1753. IV Tom. 8. Hume's politiſche Verſuche,

überſ. (von Kraus). Königsberg 1800 und auch 1813. Harris, Essay on Money

and Coin. London 1757. Ferner aus der italieniſchen Schule: Pagnini, Galiani,

Carh (§. 326. Note 1), Beccaria (ſ. oben Note 4), Ortes, Dell Economia nazio-

nale. Venezia 1774. und Deſſelben Riflessioni sulla Popolazione. Ibid. 1794. =

Economisti class. Ital. XXI. e XXIV. Verri, Meditazioni sulla Econom. polit.

Milano 1771. = Economisti XV. Franzöſ. Ueberſ. Lausanne 1771. Paris 1808.

Deutſch von Schmid. Mannheim 1785. Nachfolger A. Smiths und Bearbeiter

ſeiner Lehre ſind I. im Deutſchen: Sartorius, Handbuch der Staatswirthſch.

Berlin 1796. Neue Ausg. Göttingen 1806 (Titel: Von d. Elementen des National-

reichthums). Deſſelben Abhandlungen, die Elemente des Nationalreichthums be-

treffend. Göttingen 1806. Lüder, Ueber Nationalinduſtrie. Berlin 1800–1804.

III Bde. (Auszug daraus: die Nationalinduſtrie. Braunſchweig 1808. Struenſee,

Abhandlungen über Gegenſtände der St. Wirthſch. Berlin 1800. III Bde. Kraus,

Staatswirthſch. Herausgegeben von v. Auerswald. Königsb. 1808–11. V Bde. 8.

(ſehr gut). Deſſelben Aufſätze über ſtaatswirthſch. Gegenſtände. Königsb. 1808.

II Bde. v. Jacob Nationalöconomie. Halle 1805. 3te Ausg. 1825. v. Schlößer,

Anfangsgründe der Staatswirthſch. Riga 1805–1807. II Bde. 8. v. Soden

Nationalöconomie. Leipzig 1805–23. IX Bde. 8., beſonders I.-VI. Hufeland,

Grundlegung der Staatswirthſchaftskunſt. Gießen 1807–1813. II Bde. (nicht

vollendet). Murhard, Ideen über wichtige Gegenſtände der Nationalöconomie.

Göttingen 1808. Lotz, Reviſion der Grundbegriffe der Nationalwirthſchaftslehre.

Coburg 1811–14. IV Bde. 8. Deſſelben Handbuch der St. Wirthſch. Lehre.

Erlangen 1821–22. III Bde. 8. (zu empfehlen). Harl, Handbuch der Staats-

wirthſchaft. Erlangen 1811. Weber, Lehrbuch der polit. Oeconom. Breslau 1813.

[544/0566]

⁷⁾ II Bde. 8. v. Leipziger, Geiſt der Nat. Oeconomie. Berlin 1813. II Bde.

v. Buquoy (ſ. §. 35. Note 1). Eiſelen, Grundzüge der Staatswirthſchaft.

Berlin 1818. (v. Ehrenthal) Staatswirthſchaft nach Naturgeſetzen. Leipzig 1819.

Arndt, die neuere Güterlehre. Weimar 1821. Rau, Anſichten der Volkswirth-

ſchaft. Leipzig 1821. Oberndorfer, Syſtem der Nat. Oeconomie. Landshut 1822.

v. Seutter Staatswirthſchaft. Ulm 1823. III Bde. Pölitz, Volksw., Staatsw.,

Finanzwiſſ. und Polizeiwiſſ. Leipzig 1823. (Auch II. Bd. der Staatswiſſenſchaft im

Lichte unſerer Zeit. Leipzig 1827.) Kaufmann, Unterſuchungen im Gebiete der

polit. Oeconomie. Bonn 1829 u. 30. I. Abthlg. II. Abthlg. Is Heft. Krauſe,

Verſuch eines Syſtems der National- und Staats-Oeconomie. Leipzig 1830. II Bde.

Steinlein, Handbuch der Volkswirthſchaftslehre. München 1831 (bis jetzt I Bd.,

wegen der vollſtändigen Angabe der Literatur zu empfehlen). Hermann, ſtaats-

wirthſchaftliche Unterſuchungen. München 1832 (ſehr gut). Zachariä, Staats-

wirthſchaftslehre. Heidelberg 1832. II. (In der Methode ſeiner 40 Bücher vom

Staate geſchrieben, deren V. Bd. ſie iſt.) Rau, Lehrbuch der polit. Oeconomie.

III Bde. Heidelberg. 2te Ausg. des I. Bds. 1833. 2r Bd. 1828. u. 3r Bd. I. Abth.

1833. II. Im Franzöſiſchen: Canard, Principes d'Econom. polit. Paris 1801.

Deutſch, Ulm 1806, und v. Völk, Augsburg 1824. J. B. say, Traité d'Econom.

polit. Paris 1802. II Tom. 5me Edit. 1826. Deutſch von v. Jacob. Halle 1807.

II Bde.; von Morſtadt nach der 5n Ausg. Heidelberg 1830–31. III Bde. 8.

3te Ausg. (enthält einen Auszug des Wichtigſten aus folg. Werke, als Zuſätze).

J. B. say, Cours complet d'Econom. polit. pratique. Paris 1828–1829. VI Tom. 8.

(Ganz vorzüglich). Beſte Ueberſetzung ins Deutſche von v. Th(eobald) unter dem

Titel: Vollſtänd. Handb. c. Stuttg. 182830. simonde de sismondi, De la

Richesse Commerciale. Genève 1803. II Tom. Deſſelben Nonveaux Principes

d'Econom. polit. Paris 1818. II Tom. Neue Ausg. von 1827. Ganilh, Des sy-

stemes d'Econom. polit. Paris 1809. II Tom. 2e Edit. 1821. Deutſch, Berlin

1811. II Bde Deſſelben Théorie de l'Econom. polit. Paris1815. II Tom.

2e Edit. 1822. Deſſelben Dictionnaire de l'Econom. polit. Paris 1826.

storch, Cours d'Econom. polit. st. Petersb. 1815. VI. Tom. 8. Paris 1823.

IV. Tom. (Mit Noten von J. B. Say), Ueberſ. und mit Zuſätzen verſehen von

Rau. Hamburg 1819. III Bde. 8. (ausgezeichnet). L. say (Bruder des Obigen)

Considérations sur l'Industrie etc. Paris 1822 Deſſelben Traité élémentaire de

la richesse individuelle et publique. Paris 1827. Destutt de Tracy, Traité d'Econ.

polit. Paris 1823. de Carrion-Nisas, Principes d'Econom. polit. Paris 1824

(auch in der Biblioth. du 19me sièele). suzanne, Principes de l'Econom polit.

Paris 1826. Deutſch, Mainz 1827. Blanqui, Précis élémentaire de l'Econom.

polit. Paris 1826. Deutſch, von Heldmann. Leipzig 1828. Droz, Econom.

politique. Paris 1829 Beſte deutſche Ueberſ. von Keller. Berlin 1830. Guyard,

de la Richesse on Essays de Ploutonomie. Paris 1829. II Tom. Fix, Revue

mensuelle d'Econom. polit. Paris, ſeit 1833. I. Tom. III. Im Engliſchen:

Malthus, An Essay on the Principle of Population. London 1806. II. Tom. 5te

Ausg. 1831. Deutſch von Hegewiſch, Altona 1807. II Bde. Deſſelben

Principles of polit. Economy. London 1820. Franzöſ. von Constancio. Paris 1821.

II Vol. Deſſelben Definitions in Polit. Economy. London 1827. Ricardo,

Principles of polit. Economy. London 1819. 2d. Edit. 1821. Franzöſiſch von

Constancio, mit Noten von say. Paris 1819. II Tom. Deutſch (nicht gut überſ.)

von Schmidt. Weimar 1821 (vorzüglich). Eine gute Darſtellung des eigenthüml.

Syſtems von Ricardo gibt das folgende Werk. Mill, Elements of polit. Economy.

London 1821. 2d Edit. 1826. Franzöſ. von Parisot. Paris 1823. Deutſch von

Jacob. Halle 1824. Torrens, An Essay on the production of Wealth. London

1821. Th. smith, An Attempt to define some of the first Elements of polit.

Econom. London 1821. Mac-Culloch, Principles of polit. Economy. Edinb. 1825.

2d Edit. 1830. Deutſch von v. Weber. Stuttg. 1831. Cooper, Lectures on the

Elements of polit. Economy. Columbia 1826. Read, polit. Economy. Edinburgh

1829. Whately, Introductory Lectures on polit. Economy. London 1831.

Chalmers, On polit. Economy. Glasgow 1832. Harriet Martineau, Jllustrations

of polit. Economy. London 1832. Deutſch, Leipzig 1834. 8. (In anziehenden

Novellen geſchrieben, noch nicht ganz vollendet.) Hopkins's Notions on polit.

[545/0567]

⁷⁾ Economy, by the Author of „Conversations on Chemistry.“ London 1833 (von

Miss Marcet). scrope, Principles of polit. Economy. London 1833. — IV. Im

Italieniſchen: Vasco und Corniani (ſ. §. 326. N. 1). Palmieri, Riflessioni

sulla publica felicita, und Della Ricchezza nazionale = Economisti. XXXVII.

XXXVIII. Parte mod. Mengotti J Colbertismo. Firenze 1791. = Economisti,

P. mod. XXXVI. Deutſch, von Utzſchneider, München 1794. M. Gioja, Nuovo

Prospetto delle scienze economiche. Milano 1815–17. VIII. T. 4. Bosselini,

Nuovo Essame delle sorgenti della privata e publica Ricchezza. Modena 1817.

II. T. Fuoco, saggi economici. Pisa 1825. Agazzini, La scienza dell' Econ.

publ. Milano 1817. scuderi, Principi di civile Econ. Nap. 1829. III. Tom.

Unter den Gegnern von A. Smith, über welche Näheres bei Sartorius Handb.,

Vorrede S. XV und storch Cours, Ueberſ. von Rau. I. 77. zu ſehen iſt, erſcheint

als der wichtigſte: Lauderdale, Inquiry into the Nature and Origin of public

Wealth. Edinb. 1804. Deutſch, Berlin 1808. Ueber dieſe und andere Literatur

dieſes Syſtems ſ. m. Steinlein Handb. I. 106. u. Schmitthenner, Ueber d.

Charakter unſerer Zeit. I. 129.

⁸⁾ Dieſer Satz findet ſich auch ſchon bei den Phyſiocraten: Les hommes ne

peuvent vivre que par le fruit de leurs travaux. S. Charles Fred. Markgr. de

Bade, Abrégé de l'Econom. polit. (Carlsrouhe 1786) p. 43. Man hat ſehr Un-

recht, dem Smith. Syſteme als Grundſatz unterzuſchieben, die Arbeit ſei die einzige

Güterquelle. S. den Beweis hiervon in Meinen Verſuchen über Staatskredit.

S. 510. Anmerkg. 24.

⁹⁾ Die Arbeit beſtimmt den Werth der Güter. Arbeitstheilung und Capital

erhöht die hervorbringende Wirkung der Gewerbe. Alle Gewerbe verdienen gleiche

Freiheit von Hinderniſſen. Alle können ein reines Einkommen geben, folglich ſind

auch alle zu beſteuern, aber mit der Rückſicht, ſie dadurch ſo wenig als möglich

zu hemmen.

Erſte Abtheilung.

Volkswirthſchaftliche Gewerbslehre.

Erſtes Buch.

Allgemeine Grundſätze.

§. 397. a.

Die volkswirthſchaftliche Gewerbslehre iſt die Wiſſen-

ſchaft von dem wirthſchaftlichen Erwerbe und von der Erhaltung

und Verwendung des Vermögens und Einkommens der Völker, als

genealogiſche und politiſche Einheiten einander gegenüber und als

Geſammtheiten verſchiedener einzelner und geſellſchaftlicher, wirth-

ſchaftlich thätiger Perſonen für ſich betrachtet. Sie betrachtet die

volkswirthſchaftliche Gewerbſamkeit, deren Zwecke und Reſultate

überhaupt (Allgemeine Grundſätze), und die volkswirthſchaft-

lichen Gewerbsklaſſen nach ihrer Entwickelung, gegenſeitigen Stel-

lung und Einwirkung in der Volkswirthſchaft, und nach ihrem

Antheile an der Förderung des wirthſchaftlichen Volkswohlſtandes

(Beſondere Grundſätze). In der allgemeinen volkswirth-

Baumſtark Encyclopädie. 35

[546/0568]

ſchaftlichen Gewerbslehre hat man aber, da ſie die wirthſchaftlichen

Thätigkeiten, Zwecke und Reſultate aus dem allgemeinſten Geſichts-

punkte zu Gegenſtänden hat, nicht blos den volkswirthſchaftlichen

Erwerb, ſondern auch die Hauswirthſchaft aus dem volkswirth-

ſchaftlichen Geſichtspunkte, zu betrachten, woraus ſich denn die

folgende Anordnung ihres Stoffes von ſelbſt ergibt (§. 40.).

Erſtes Hauptſtück.

Volkswirthſchaftliche Erwerbslehre.

§. 397. b.

Dieſer Theil der vorſtehenden Wiſſenſchaft unterſucht zuerſt die

Bedingungen, Vorgänge und Grundſätze des volkswirthſchaftlichen

Erwerbs überhaupt mit Bezug auf das Volk, Volksvermögen und

Volkswohl als Ganzes, und alsdann insbeſondere in Betreff des

Antheils, welchen die Einzelnen an den Quellen des Volksver-

mögens, an der volkswirthſchaftlichen Thätigkeit, am Volksver-

mögen und Volkseinkommen nehmen und empfangen. Das Erſtere

betrifft die Hervorbringung (Production), das Andere aber

die Vertheilung (Distribution) des Volksvermögens und -Ein-

kommens.

Erſtes Stück.

Von der Hervorbringung des Volksvermögens.

Erſter Abſatz.

Das Volksvermögen.

I. Inbegriff des Volksvermögens.

§. 398.

1) Begriff und Arten der Güter.

Die Beſtandtheile des Volksvermögens können nur dargeſtellt

werden, wenn der Begriff und die Arten der Güter beſtimmt und

unterſchieden ſind. Man ſupplire daher hier den §. 37. u. 38.

§. 399.

2) Begriff von Vermögen und Volksvermögen.

Was man unter Vermögen verſteht, ſehe man im §. 39. Unter

dem Volksvermögen (Vermögen des Volks) iſt daher alles Ver-

mögen in jenem Sinne zu verſtehen, welches ein Volk, als Collectiv-

begriff von Einzelnen und geſellſchaftlichen Vereinigungen, hat.

[547/0569]

§. 400.

3) Beſtandtheile des Volksvermögens.

Alſo gehören in das Volksvermögen nicht blos ſachliche (kör-

perliche), ſondern überhaupt alle von einem Volke ausſchließlich

beſeſſenen Güter von Gebrauchs- und Tauſchwerth1). Und es

ſind demnach als Beſtandtheile des Volksvermögens aufzuzählen:

a) Das inländiſche Vermögen der Staatsbürger, Stiftungen,

Geſellſchaften, Gemeinden und des Staates.

b) Jede Forderung dieſer vier Arten von Perſonen des In-

landes an ſolche im Auslande2).

Es gehören daher in das Volksvermögen alle in dieſen beiden

Theilen enthaltenen unbeweglichen und beweglichen, ſachlichen Güter

von Gebrauchs- und Tauſchwerth als ausſchließlicher Beſitz einer

Nation und alle unkörperlichen Güter von denſelben Eigenſchaften3).

¹ Es ſind Spaltungen in der deutſchen nationalöconomiſchen Schule darüber

vorhanden, ob auch die perſönlichen Güter und Dienſte (§. 372.) in das Ver-

mögen des Volks zu rechnen ſind oder nicht. Die ältere Anſicht ſcheidet ſie davon

aus, und rechnet blos ſachliche Güter in daſſelbe. (Rau polit. Oecon. I. §. 46.

46. a. A. Smith im angef. Werke. Zachariä St. Wirthſch. Lehre. S. 5. 42.

Droz, Econom. polit. p. 15. Kaufmann Unterſuchungen. II. Abthl. 1s Heft.

Lotz Handb. I. §. 8.) Die nach say Cours. I. 183. Ueberſ. von v. Th. I. 133.

storch Cours. Ueberſ. von Rau. II. und Gioja Nuovo Prospetto delle scienze

economiche (§. 397. N. 7) gebildete neuere Anſicht, welcher Steinlein Handb.

I. 220. und Hermann Unterſuchungen I. Abh. §. das Wort reden und auch

Pölitz Staatswiſſ. II. §. 18. und Hufeland Grundlegung I. 34. vorher ſchon

huldigten, will die perſönlichen Güter und Dienſte in das Vermögen gerechnet

wiſſen. Es iſt nicht zu läugnen, daß durch die Herrſchaft der ältern Anſicht eine

Einſeitigkeit und ein Materialismus in die Wiſſenſchaft und Staatspraxis kam,

welcher nicht wenig geſchadet hat. Die Gründe, welche Rau a. a. O. für die

Ausſcheidung der perſönlichen Dienſte aus dem V. Vermögen geltend macht, nämlich

daß ſie nur in einer Folge von Zeitmomenten erſcheinen, folglich nicht in einem Vor-

rathe beſeſſen werden können und daß ſie ihren Erfolg in den meiſten Fällen nicht

ohne Mitwirkung des Empfängers hervorbringen, können nicht entſcheiden. Denn

der Leiſtende beſitzt ſeine Leiſtungsfähigkeit ausſchließlich, deren Folge die Dienſte

ſind, wie die Benutzung der Naturkräfte der Erde, Luft u. ſ. w., er überläßt ſie

aber bei der Dienſtleiſtung dem Andern auf beſtimmte Zeit und in gewiſſem Grade

zur Nutzung, der ſie ſich in einer Menge von Dienern verſchiedener Art allerdings

anhäufen kann; eine Mitwirkung des Empfängers beim Dienſte findet nur Statt,

wenn er ihn für ſeine Zwecke anordnet und leitet oder wenn er ſelbſt den Dienſt

für ſich mitthut, allein im erſten Falle iſt er blos nutzender Empfänger und im andern

gleichſam ſein eigener Dienſtleiſtender. Jeder Dienſt erſcheint unter zwei Beziehungen,

inſoferne er nämlich von einer Perſon ausgeht und einer andern zu Gute kommt.

In der lezteren Beziehung erſcheinen die Dienſte dem Empfänger als äußere körper-

loſe Güter von Tauſchwerth und gehören während der Dienſtzeit zu ſeinem Ver-

mögen, das entweder werbend angelegt oder unmittelbar zum Genuſſe beſtimmt iſt;

in der erſteren aber ſind ſie als ausſchließlicher Beſitz des Leiſtenden von Gebrauchs-

und Tauſchwerth allerdings Vermögenstheile deſſelben. Allein ob und in wie weit

ſie in die Wirthſchaftslehre gehören, iſt eine andere Frage. Welche davon in die

Privatwirthſchaftslehre kommen, ſ. m. im §. 372 u. 373. Die Volkswirthſchafts-

lehre betrachtet allen wirthſchaftlichen Erwerb, die Vertheilung und die Verwendung

deſſelben unter einem höheren Geſichtspunkte (§. 397. a. u. b.). Sie kann daher

35 *

[548/0570]

¹ jedenfalls die wirthſchaftlichen Dienſte nicht aus ihrem Bereiche verdrängen, denn

ſie wirken ausſchließlich zur Wirthſchaft der Einzelnen, Stiftungen, Geſellſchaften,

Gemeinden und Staaten mit. Die blos perſönlichen Dienſte darf ſie nicht umgehen,

weil diejenigen, welche ſie leiſten, Antheil an dem geſammten Volksvermögen und

-Einkommen bei der Vertheilung nehmen und alſo für die Verzehrung deſſelben von

Wichtigkeit ſind. Die allen Dienſten zu Grunde liegenden geiſtigen und körperlichen

Kräfte nehmen aber unter den Güterquellen, ebenſo wie die Naturkräfte eine der

wichtigſten Stellen ein, und die Betrachtung derſelben von dieſer Seite gehört deß-

halb ohne Zweifel in die Nationalöconomie, auch wenn man ſie nicht ins Vermögen

rechnen darf, gerade ebenſo wie Sonnenſchein, Luft, Regen, Naturkräfte u. dgl.

Es folgt aber hieraus: a) daß die Anſicht von Storch, die Dienſte gehörten in

das Vermögen, weil ſie dem Einzelnen zu einem Einkommen verhelfen, welches aus

freiwillig geſuchter und bezahlter Arbeit herrühre, einſeitig und unrichtig iſt, allein

b) daß Rau a. a. O. dieſe Storch'ſche Meinung damit, daß jenes Einkommen

doch nur in einem Theile der erzeugten ſachlichen Güter beſtehe, durchaus nicht

widerlegen kann, weil dies einmal nur von den Gewerbsdienſten (§. 373. A.)

gelten kann und bei dieſen nur dann eintritt, wenn neben dem Dienſte auch noch

andere Güterquellen, z. B. Grund und Boden, Capital, Arbeit des Unternehmers,

zur Production mitgewirkt haben, nach deren Mitwirkung die Vertheilung des Pro-

ductes Statt findet; c) daß die von Say a. a. O. durchgeführte Analogie der

materiellen und immateriellen Producte nach Dauer, Ausdehnung und Form nichts

mehr beweist, als von welchem Nutzen ſie für den wirthſchaftlichen Wohlſtand ſind.

Den deutſchen Begriff von Vermögen kennt er gar nicht, denn richesses ſind ihm

auch die nicht wirthſchaftlichen Güter, z. B. Sonnenwärme (Cours I. 132. Ueberſ.

von v. Th. I. 99.), aber er nennt ſie nur naturelles im Gegenſatze der sociales,

welche die ſachlichen Beſtandtheile unſeres Begriffs von Vermögen bilden, da ſie

ausſchließlichen Beſitz oder Eigenthum vorausſetzen. Nur dieſe Lezteren ſind nach

ihm Gegenſtände der Nationalöconomie, und er rechnet die perſönlichen Eigenſchaften

und Dienſte ſo wie die nicht geſellſchaftlichen Güter blos als Mittel zur Erhöhung

der Menge und des Genuſſes der geſellſchaftlichen Güter in die Nationalöconomie.

(Cours I. 238. Ueberſ. I. 176.). Hiernach iſt auch Rau's Anſicht über Richesse

(polit. Oeconom. I. §. 6. N. a.) zu berichtigen. S. oben §. 39. N. 2., wozu

aber noch zu bemerken iſt, daß Hermann Unterſuchungen I. Abh. §. 7. eine nicht

ganz richtige Anſicht hat, da er ſagt, die Dienſte gehörten nicht in das Vermögen,

weil hierzu äußere Güter von Dauer nöthig ſeien, dieſelben aber dieſe Eigenſchaft

nicht haben; denn die Dauer iſt etwas ſehr Relatives und kann darum, wie Say

auch ſehr richtig zeigt, kein Vermögenscriterium ſein. Dieſes Criterium liegt viel-

mehr blos in dem Tauſchwerthe. Rau (polit. Oeconom. I. §. 50. N. c) beſchul-

digt jedoch die Gelehrten, welche dieſe Anſicht haben, eines Fehlers, weil ſie auch

ſagen, die Vertauſchbarkeit ſei durch vorausgegangene Arbeit und Koſten bedingt,

während doch auch ein, blos durch Naturkräfte entſtandenes Gut, z. B. ein noch

in der Erde liegendes Foſſil Tauſchwerth haben könne. Allein nicht ohne Unrecht,

denn der ausſchließliche Beſitz iſt der lezte Grund des Tauſchwerths, aber die Größe

des verwirklichten Tauſchwerthes hängt auch von den aufgewendeten Arbeiten und

Koſten ab.

² Rau (polit. Oeconom. I. § 49.) gibt daher die Beſtandtheile des Volks-

vermögens nicht vollſtändig an, indem er die Stiftungen, Geſellſchaften und Ge-

meinden nicht erwähnt. Das Staatsvermögen kann man dem Volksvermögen gegen-

über ſtellen; indeſſen es läßt ſich kein Grund denken, warum die Staatslandgüter-

Bergwerke und Regalien, wodurch für die Nation direct und indirect (durch Ver-

ringerung der Steuern) Vermögen gewonnen wird, nicht zum Volksvermögen zu

zählen ſind, da es doch der Fall iſt, nachdem ſie veräußert oder freigegeben ſind.

Rau rechnet aber auch das Eigenthum der Staatsbürger im Auslande zum Ver-

mögen der Nation, welcher ſie angehören. Würde das andere Land dagegen keine

Einwendungen machen? — Wenigſtens ſcheint die beſitzende Perſon und ihr Aufent-

haltsort (z. B. Philadelphia) weniger zu entſcheiden, als die Natur und Lage des

Eigenthums (z. B. Grundſtücke und Häuſer im Großh. Baden). Mit Schuldfor-

derungen iſt das Verhältniß ein anderes.

[549/0571]

³ Z. B. Privilegien der Einzelnen oder Geſellſchaften, Kundſchaften u. dgl.

äußere körperloſe Güter ſind keine Beſtandtheile des Volksvermögens, ſo lange ſie

blos Rechte oder Vortheile ſind, welche dem einen Inländer gegen den andern

zuſtehen. Sie können es aber werden, wenn ſie gegen das Ausland geltend gemacht

werden; denn es kann dadurch eine reelle Vergrößerung des übrigen Vermögens der

Nation bewirkt werden. Rau polit. Oeconom. I. §. 49. N. a., wo aber derſelbe

gegen ſeine frühere Anſicht (§. 46.), daß nur ſachliche Güter ins Vermögen gehör-

ten, erklärt, Zehntrechte u. dgl. gehörten dem Vermögen an.

II. Weſen des Volksvermögens.

§. 401.

1) Widerlegung der phyſiocratiſchen und merkantiliſchen

Anſicht darüber. Werth.

Der Grundſatz des phyſiocratiſchen Syſtems (§. 397. 2.) iſt,

obſchon es ihn nicht geradezu an die Spitze geſtellt und ausge-

ſprochen hat, doch zuletzt der, daß das Weſentliche des Ver-

mögens in der Materie liege1). Der letzte Grundſatz des Merkan-

tilſyſtems iſt ebenſo der, daß das Vermögen ſeinem Weſen nach in

Geld beſtehe2). Allein dies iſt offenbar unrichtig, weil man es,

wie ſchon im Begriffe von Gut liegt, nach dem Vortheile, welchen

die Güter für uns haben, ſchätzt und der Gebrauch, im gewöhn-

lichen Leben den Reichthum der Menſchen nach der Maſſe von

Geld, Grundeigenthum u. ſ. w. zu ſchätzen, darauf beruht, daß

man gleiche Gattungen von Vermögen vergleicht. Schätzte man

aber das Vermögen verſchiedener Perſonen, wenn es bei Einem

aus Staatspapieren, beim Andern aus Fabrikanlagen, bei einem

Dritten aus einem Handelsetabliſſement beſteht, ſo würde man ſich

gewaltig irren, wenn man dies nach dem Maaßſtabe der Materie

thäte. Das wahre Weſen des Vermögens beruhet alſo auf ſeiner

Nützlichkeit, d. h. überhaupt ſeiner Tauglichkeit für irgend eine

Nutzung (§. 39.). Der Grad dieſer Nützlichkeit für die Zwecke der

Menſchen wird Werth genannt3).

¹ Auch Mac-Culloch Principles p. 48. (der Ausg. von 1825) Ueberſ. von

v. Weber S. 37. hat dies gefunden.

² Kraus Staatswirthſch. IV. 4.

³ Rau (polit. Oeconom. I. §. 56. 2te Ausg.) möchte doch den Begriff von

Nützlichkeit zu eng definirt haben, da er ſie blos auf den Gebrauch der Güter

durch den Eigenthümer ſelbſt beziehen wiſſen will. Hermann's Anſicht aber

(Unterſuch. I. Abh. §. 4.), daß der Werth keine Vergleichung vorausſetze, iſt nicht

wohl zu vertheidigen.

§. 402.

2) Arten des Werthes.

Da die Nutzung und die Nützlichkeit der Güter unter zwei

Beziehungen erſcheint, nämlich als unmittelbare und mittelbare

[550/0572]

(§. 39.), ſo bietet auch der Werth zwei Geſichtspunkte dar, unter

denen er betrachtet werden muß.

a) Nimmt man ihn als Grad der Nützlichkeit für den unmittel-

baren Gebrauch, ſo kann man ihn Gebrauchswerth (mehr oder

weniger Verbrauchswerth) nennen1).

b) Nimmt man ihn aber als Grad der Nützlichkeit für den

mittelbaren Gebrauch, dann dürfte man ihn zur Unterſcheidung

Erwerbswerth heißen. Da man aber die Güter mittelbar nützen

kann, entweder indem man ſie zu Hervorbringung neuer Güter

oder zum Eintauſchen anderer Güter verwendet, ſo erſcheint der

Erwerbswerth wieder unter zwei Beziehungen, nämlich als Grad

der Nützlichkeit für die Production (Schaffwerth) und als

ſolcher für den Tauſch (Tauſchwerth)2). Jener Schaffwerth

und obiger Gebrauchswerth werden zuſammen gewöhnlich Ge-

brauchswerth genannt, als Gegenſatz des Lezteren3).

¹ Eine nicht unintereſſante Beziehung dieſes Gebrauchswerthes liegt darin,

daß er immer höher wird, je mehr man von der Art der Güter zur Gattung ſteigt

und einen Gattungsbegriff von Gütern als Mittel zu einem beſtimmten Zwecke

ohne Rückſicht auf Menge und Unterſcheidung der Arten anſieht. Z. B. Speiſe,

Trank, Kleidung, Obdach ſind Bedürfniſſe und Güter von äußerſt hohem Gebrauchs-

werthe; Getreide, Fleiſch, Wein, Bier, Waſſer u. ſ. w. geſtatten ſchon eine Aus-

ſcheidung von Gütern von geringerem Gebrauchswerth; Brod, Schwarzbrod, Milch-

brod, Ochſenfleiſch, Rehbraten, Seidenkleider, Leinenkleider, Hütte, Pallaſt u. ſ. w.

bezeichnen ſchon Dinge von weit verſchiedener Nothwendigkeit. Man könnte die

erſte Beziehung Gattungswerth, die andere Artswerth nennen. Auch Rau

(polit. Oeconom. I. §. 57. a. 2te Ausg.) macht eine ähnliche Unterſcheidung, indem

er aber einen Gattungswerth (Fähigkeit einer Gattung von Gütern zur För-

derung menſchlicher Zwecke, z. B. von einem Centner Waitzen) und concreten

oder Quantitätswerth (Gebrauchswerth je nach der Menge, deren man zu

einem Zwecke bedarf, wobei ſich ergibt, daß der Ueberſchuß über den Bedarf vom

Beſitzer nicht mehr nach dem Gebrauchswerthe, ſondern blos nach dem Preiſe ge-

ſchätzt wird) unterſcheidet.

² S. oben §. 57. N. 2. Der Unterſchied zwiſchen Gebrauchs- und Tauſch-

werth iſt ſchon von Aristoteles (Polit. I. 9.) gemacht. Rau a. a. O. §. 56.

(2te Ausg.) verwirft abermals (wie auch ſchon in den Zuſätzen zu Storch III. 248)

den Tauſchwerth; allein er ſcheint nur dieſes Wort nicht anerkennen zu wollen,

denn was er Preisfähigkeit nennt, das iſt nichts anderes, als was man ſonſt

mit jenem Worte bezeichnet. Der Tauſchwerth des Gutes iſt der Grad ſeiner

Tauglichkeit, vertauſcht werden zu können und der Grad der Nützlichkeit im Tauſche.

Derſelbe iſt alſo ohne Gebrauchs- oder Schaffwerth nicht denkbar, aber zugleich die

unentbehrliche Baſis, auf welcher im Tauſche die Gegengabe überhaupt und größten-

theils auch die Größe der Leztern beruht. Die Gegengabe von einem beſtimmten

Werthe im Tauſche iſt der Preis, d. h. alſo die Menge von wirthſchaftlichen

Tauſchgütern, welche man im Verkehre für andere Güter, die vertauſcht werden

können, erhält. Folglich kann der Tauſchwerth nicht Preis ſein. Es ſcheint übri-

gens dieſe große Verwirrung in Bezug auf Weſen und Unterſcheidung des Werthes

kommen von nichts Anderem, als von einem freilich etwas ſtarken Mißverſtändniſſe

der Behauptungen der Schriftſteller her. Wenigſtens möchte ſich Rau's Meinung

a. a. O., daß viele Schriftſteller den Grad des aus der Vertauſchung einer Sache

erwachſenden Vortheils Tauſchwerth, auch ſchlechthin Werth nennen, ſoweit

als unrichtig erweiſen laſſen, als ſich dieſe Anſicht bei keinem der von ihm und

oben (§. 57. N. 2.) angeführten Schriftſteller findet. Eine genaue Interpretation

[551/0573]

² derſelben, welche hier leider unterlaſſen werden muß, zeigt dies ganz klar. Auch

bei Mac-Culloch Principles p. 2. 211. Ueberſ. von v. Weber S. 57. 167. finden

ſie ſich nicht.

³ Man wirft A. Smith ſehr oft vor, daß er dieſen Gebrauchswerth in

ſeinem Buche nicht weiter verfolgt habe, — allein mit Unrecht. Es liegt vielmehr

darin eine feine Beziehung der Volkswirthſchaftslehre; weil der Gebrauchswerth,

ſo weſentlich er auch iſt, doch nur auf das gränzenloſe Gebiet der Subjectivität

führt, keine feſte Begränzung und Schätzung im Allgemeinen zuläßt und nur in

ſoweit in die Volkswirthſchaftslehre gehören kann, als er den urſprünglichen Grund

der Anwendung von Arbeit, den Antrieb zum Erwerbe und folglich neben dem

Eigenthume die andere Grundlage des Tauſchwerthes ausmacht, der den Begriff

des wirthſchaftlichen Gutes abſteckt. S. Whately, Introductory Lectures. p. 53.

= Quarterly Review. Tom. 46. (1832) p. 46–49. senior, Three Lectures on

the Rate of Wages. p. 16. 35. Die Unmöglichkeit der Durchführung einer Unter-

ſcheidung der verſchiedenen Grade des Gebrauchswerthes räumt auch Lotz Reviſion

I. §. 7. ein. Wozu aber das Verfolgen des Gebrauchswerthes führt, ſieht man an

v. Soden Nation. Oeconom. IV. §. 50., wo ein abſoluter, relativer (allgemein

und ſpeziell), poſitiver und Vergleichswerth unterſchieden wird, ohne den geringſten

Nutzen für die Wiſſenſchaft und das Leben. Ebenſo auch an Beccaria Elementi di

politica Economia = Economisti classici Ital. Tomo XIX. p. 339. Murhard,

Theorie des Handels. S. 25. Lotz Reviſion. I. §. 4. f. §. 8. f. Handb. I. §. 10–14.

§. 403.

3) Maaßſtab des Vermögens und Reichthums.

Da, wie gezeigt iſt, das Weſen des Gutes und Vermögens

auf dem Werthe beruht, ſo kann auch nur dieſer den wahren

Maaßſtab deſſelben abgeben. Weil es aber zwei Arten des Werthes

gibt, ſo iſt auch ihre Tauglichkeit zur Meſſung des Vermögens

unterſucht worden. Man hat zur Vermögensmeſſung ſchon vor-

geſchlagen:

a) Den Gebrauchswerth. Allein bei näherer Betrachtung

der Mittel, welche behufs dieſer Schätzung zu Gebote ſtehen, und

des Erfolges, der dabei zu erwarten iſt, iſt nicht zu verkennen,

daß man in das Bereich unberechenbarer Größen kommt, weil der

Gebrauchswerth eine ſubjective Beziehung iſt, und demnach die

Schätzung des Vermögens eine ſolche des irdiſchen Glückes ſein

müßte. Deßhalb iſt eine Schätzung des Vermögens hiernach in

der Privat-, wie in der Volkswirthſchaft unausführbar1). Allein

ganz abgeſehen hiervon, ſo muß dieſe Schätzung grundſätzlich als

einſeitig erſcheinen, weil das Vermögen zu zwei Nutzungen (§. 402.)

verwendbar iſt2). Man darf alſo ſchon aus dieſem Grunde

b) den Tauſchwerth, als Schätzungsmaaßſtab nicht außer

Augen laſſen. Zudem iſt er auch darum noch wichtiger als der

Gebrauchswerth, weil er das Criterium des Vermögens iſt (§. 39.),

und jedenfalls den Gebrauchs- oder Schaffwerth vorausſetzt3).

Nach dem Tauſchwerthe kann man aber das Vermögen ſchätzen,

entweder indem man ihn an ſich nimmt4), oder indem man ſich,

[552/0574]

wie im gemeinen Leben geſchieht, dazu des Preiſes bedient5).

Weil nun aber der Preis, wie ſchon oben (§. 58. 59.) dargethan

iſt, noch von anderen Umſtänden als vom Tauſchwerthe abhängt,

ſo kann er auch nicht immer den Tauſchwerth anzeigen und es

bleibt demnach dieſer Leztere als der beſſere Maaßſtab zur Schätzung

des Vermögens übrig6).

¹ Dieſen Maaßſtab vertheidigt Rau polit. Oeconom. I. §. 64. 65. Seine

Unbrauchbarkeit hierzu in der Privatwirthſchaft iſt klar, weil man von der Werth-

ſchätzung eines Anderen von ſeinem Vermögen keine Vorſtellung hat und den Ge-

brauchswerth des eigenen Vermögens nicht beſtimmen kann, da die Zwecke der

meiſten Güter zugleich verſchiedene ſind, jeder Zweck von verſchiedener Wichtigkeit

und jedes Gut zu verſchiedenen Zwecken verſchiedene Tauglichkeit hat. In der

Volkswirthſchaft iſt aber dieſe Schätzung ebenfalls unbrauchbar, — wie Rau §. 65.

auch zugibt —, denn der notoriſche Grad des Gütergenuſſes der Bürgerklaſſen,

wonach geſchätzt werden müßte, richtet ſich ſelber nach dem zu Schätzenden, nach

der Art und nach der Menge des Vermögens, z. B. in ärmeren Ländern herrſchen

weniger Bedürfniſſe als in reicheren, und es müßte bei einer Abtheilung der Ver-

mögenstheile nach Menge und Einfluß auf die perſönlichen Zuſtände der Geſellſchaft,

auf den Gebrauchswerth der rohen und auf die Werthserhöhung der verarbeiteten

Rohproducte genaue Rückſicht genommen werden, eine Forderung, deren Erfüllung

unmöglich iſt.

² Schon nach Rau's Anſicht vom Werthe iſt der Gebrauchswerth ein unvoll-

ſtändiger Maaßſtab, weil ſchon der Quantitätswerth nach ſeiner eigenen Erklärung

verurſacht, daß die Güterüberſchüſſe nur nach dem Preiſe zu ſchätzen ſind. S. §. 402.

Note 1.

³ Es muß hier auch noch bemerkt werden, daß die Stelle aus Torrens On

the Production of Wealth p. 10. and 11., welche Rau in der Note a. des §. 64.

zum Beweiſe anführt, daß auch dieſer Schriftſteller den Tauſchwerth (wie Rau

zuſetzt, den Preis) nicht für das Criterium des Weſens vom Vermögen annehme,

als aus dem Zuſammenhange geriſſen unrichtig aufgefaßt iſt. Denn Torrens

ſpricht an dieſer Stelle von den Wirthſchaftsverhältniſſen der Nationen vor dem

Begriffe und der Einführung von Eigenthum und Arbeitstheilung. In dieſem

Zuſtande der Völker gilt jene Anſicht allerdings; allein pag. 17–25. zeigt Tor-

rens auch, daß jenes nicht der Fall und der Tauſchwerth das Criterium des Ver-

mögens ſei, ſobald durch Eigenthum und Arbeitstheilung ein Jeder auf den Tauſch

angewieſen ſei. Zudem verſteht Torrens unter Tauſchwerth keineswegs den Preis.

Aber das Verſtändniß der engliſchen Autoren iſt unmöglich, wenn man ſie in der

Meinung liest, als ob ſie Tauſchwerth und Preis für gleichbedeutend hielten; denn

ſchon von A. Smith an iſt dies nicht der Fall.

⁴⁾ Da, wo Rau ſo meiſterhaft darthut, daß der Preis als Schätzungsmittel

des Vermögens unvollſtändig ſei, führt er auch als Grund an, daß es Güter gebe,

die gar nicht preisfähig ſeien (d. h., nach der natürlicheren Ausdrucksweiſe,

keinen Tauſchwerth haben). Allein ſolche Güter gehören nicht in das Vermögen

und ihre Schätzung auch nicht in jene des Volksvermögens. Eis, Schnee, Waſſer

u. dgl. können, ſo lange ſie keinen Tauſchwerth haben, eben ſo wenig als der

Sonnenſchein mit in der Vermögensſchätzung begriffen werden. Die Res sacrae der

Römer, die unveräußerlichen Grundſtücke der Spartaner, welche Rau auch zum

Beweiſe anführt, und ebenſo unveräußerliche Fideicommiſſe und Familienſtücke

neuer Zeit, haben doch einen Tauſchwerth und ihr Preis iſt doch ohne Zweifel wie

der jedes andern Gutes zu beſtimmen, das Tauſchwerth hat. Die von Rau ange-

führten Straßen, deren Koſten ſo weit hinter ihrem Nutzen zurückbleiben, ſind eben

ein rechter Beweis, wie unbrauchbar der Gebrauchswerth zur Vermögensſchätzung iſt.

⁵⁾ Dies zeigt say Cours. I. pag. 145–162. Ueberſ. von v. Th. I. 107–120.

und Rau polit. Oeconom. I. §. 63–67., jener ſehr anziehend, beide ſehr klar

und vollſtändig. Doch möchte es nur vom Marktpreiſe gelten.

[553/0575]

⁶⁾ Die Durchſchnittspreiſe können weit beſſere Maaßſtäbe als die Marktpreiſe

abgeben. Sie gleichen die äußeren bei der Preisbildung wirkenden Umſtände ihrem

Erfolge nach aus. Indeß iſt nicht zu läugnen, daß der geſunde Sinn der Völker

auch hierin dasjenige, was praktiſch am brauchbarſten iſt, gefunden haben, indem

ſie die Geldpreiſe zur Vermögensſchätzung nahmen, da der Gebrauchs- und Tauſch-

werth des Geldes am allgemeinſten bekannt iſt. Wegen der Brauchbarkeit der

Durchſchnittspreiſe ſ. m. unten bei der Lehre vom Preiſe.

Zweiter Abſatz.

Vom Einkommen und von den Einkommens-

quellen.

I. Die Production im Allgemeinen.

§. 404.

1) Die Production überhaupt.

Die wirthſchaftlichen Thätigkeiten der Menſchen haben zum

nächſten Zwecke die Erwerbung oder Vergrößerung des Vermögens.

Der Einzelne oder eine Geſellſchaft im Staate kann dieſe ſchon

zu Stande bringen, nicht blos indem er ſelbſt Güter ſchafft, ſon-

dern indem er ſie durch Leiſtungen materieller oder immaterieller

Art von Andern erwirbt. Eine Nation aber kann ihr Vermögen

nur vergrößern durch Hervorbringung (Production) neuer Werthe

im Sinne der Wirthſchaft, denn ſelbſt auch der Gewinnſt durch

Leiſtungen für andere Völker ſetzt Production im eigenen Lande

voraus. So erſcheint die Production als letzte Bedingung der

Volkswirthſchaft und des wirthſchaftlichen Volkswohles. Die wei-

tere Unterſuchung der Beziehungen der Production im Allgemeinen

iſt hier aus den §§. 50–52. zu ergänzen1).

¹ Am weitläufigſten handelt die Lehre von der Production der in der Note 1.

zu §. 50. nicht mitgenannte Gioja ab. Nuovo Prospetto delle scienze econo-

miche. Tom. I. und II. bis pag. 176.

§. 405.

2) Die Zweige der Production insbeſondere.

Die einzelnen Zweige der wirthſchaftlichen Production der

Nationen ſind außerordentlich manchfaltig. Allein ſie laſſen ſich

leicht in eine überſehbare Ordnung bringen, welche zugleich ihren

Zuſammenhang zeigt. Dieſelbe iſt aus den §§. 41. u. 42. erſichtlich1).

¹ Rau (polit. Oeconom. I. §. 95 und 101. der 2ten Ausg.) erwähnt auch

noch die Dienſte zur Erleichterung des Gebrauchs und der Erhaltung der Güter.

Es ſind dies aber keine andern als die oben §. 373. B. erwähnten Hauswirthſchafts-

dienſte. Man mag ſie betrachten, wie man will, ſo gehören ſie doch in verſchie-

[554/0576]

¹ denen Graden dem Gewerksweſen an. Sie ſind als beſondere Productionszweige

gar nicht herauszuheben, obſchon ſie bei der Zuſammenſtellung der verſchiedenen

Arten von Dienſten nicht fehlen dürfen.

§. 406.

3) Die Productivität der Gewerbe.

Die Frage, welche von den verſchiedenen Gewerben und in

welchem Grade ſie zur wirthſchaftlichen Production mitwirken,

d. h. productiv ſind, iſt an ſich nicht von Bedeutung für das Leben;

denn der Einzelne, überhaupt jeder Gewerbtreibende, beurtheilt

ſie nach dem aus ihnen für ihn hervorgehenden Vortheile, unbe-

kümmert um die Vermehrung des Volksvermögens (§. 404.). Aber

ſie iſt wichtig für die Widerlegung der Anſichten des merkantiliſchen

und phyſiokratiſchen Syſtems1). Die Criterien der Productivität

der Gewerbe ſind bereits oben (§. 50–52.) angegeben. Indeß

ſind die Meinungen doch ſehr verſchieden, zwar jetzt nicht mehr

über die Productivität des Bergbaues, der Land- und Forſtwirth-

ſchaft, der Handwerke, Manufacturen und Fabriken, aber über

jene des Handels, der Leihgeſchäfte und der Dienſte2). Allein

man ſtreitet ſich leider auch hier, wie in manchen anderen Para-

graphen unſerer Wiſſenſchaft, größtentheils um das Wort. Der

erſte Zweck der wirthſchaftlichen Production iſt die Schaffung neuer

wirthſchaftlicher Werthe, der letzte aber die Conſumtion. Man

will Bedürfniſſe befriedigen und genießen, um den hohen Zweck

des Menſchenlebens ſo gut als möglich zu erreichen (§. 71. u. 72.).

Wollte man aber die Beförderung des letzten Zweckes als Criterium

der wirthſchaftlichen Productivität anſehen, ſo dürfte ſich ſchwerlich

eine rechtliche, ſittliche, überhaupt vernünftige und kluge Handlung

auffinden laſſen, welche nicht in irgend einer Beziehung productiv

wäre. Da die wirthſchaftliche Production blos die wirthſchaftlichen

Güter zu dieſem letzten Zwecke ſchafft und alsdann ihren Zweck

erfüllt ſieht, ſo will ſie alſo blos die hierzu nöthigen Vermögens-

theile in Bereitſchaft bringen und halten. Alle Gewerbe und Be-

ſchäftigungen, welche die Volkswirthſchaft mit Erfolg dieſen Zwecken

widmet, ſind alſo productiv, ſei es indem ſie geradezu neue Werthe

erſchaffen (§. 50.) und durch ihre Hilfsmittel dies befördern

(direct), oder die erzeugten Güter unter den (§. 52.) erwähnten

Bedingungen in die Hände des Conſumenten bringen, oder, her-

vorgegangen aus dem Prinzipe der Sparſamkeit, die Dauer der

Vermögenstheile verlängern (§. 70.) und bewirken, daß die Be-

dürfniſſe und Genüſſe in gleicher Vollſtändigkeit mit weniger wirth-

ſchaftlichen Mitteln befriedigt und erreicht werden (indirect).

[555/0577]

Hieraus ergibt ſich die Productivität des Handels, des Capitaliſten-

geſchäftes, der Gewerbs- und Hauswirthſchaftsdienſte bei einigem

Nachdenken von ſelbſt3). Unter den Geſchäften der Dienſtleiſtenden

anderer Art, z. B. der Gelehrten, Staatsdiener, Advocaten,

Künſtler u. ſ. w. werden ſich auch die wirthſchaftlich productiven

leicht herausfinden laſſen; ſolche Dienſte überhaupt für wirthſchaft-

lich productiv zu erklären iſt, wenn ſie auch das Glück des Lebens

noch ſo ſehr fördern, ſo gewiß unrichtig, als ſich ihre Geſchäfte

nicht immer auf wirthſchaftliche Verhältniſſe beziehen, ſondern alle

Lebensbeziehungen umfaſſen4).

¹ Der Satz des phyſiokratiſchen Syſtemes, daß blos der Erdbau productiv

ſei, iſt nur eine Folgerung aus der im §. 401. widerlegten Anſicht deſſelben, daß

die Materie das Weſen des Guts ausmache. Sobald man eingeſehen hat, daß dieſes

der Werth iſt, ſo müſſen auch die anderen Werth ſchaffenden, erhöhenden, erſparen-

den und erhaltenden Beſchäftigungen productiv ſein. Ebenſo fließt der merkantiliſche

Satz, daß Handwerke, Fabriken und Handel die Quellen des Volksreichthums ſeien,

aus dem als unwahr bewieſenen Prinzipe, das Weſen des Vermögens beſtehe im

Gelde. Wenn man bedenkt, daß der Handel und die Gewerke ihre Stoffe erſt von

den Urgewerben entnehmen müſſen, und daß erſt der Werth die erſte Urſache des

Geldpreiſes iſt, ſo zerfällt auch dieſe Merkantilanſicht in ſich ſelbſt.

² Für die Productivität derſelben ſ. say Cours. II. 204. Ueberſ. von v. Th.

II. S. 151. Droz Econom. politique. p. 30. Mac-Culloch Principles. p. 151.

Ueberſ. von v. Weber. S. 110. 119. Malthus Principles. p. 442. Hermann

Unterſuchungen. S. 22 folg. Gioja Nuovo Prospetto. I. 246. Murhard Theorie

des Handels. I. 73. Kraus Staatswirthſch. IV. 18. Ganilh Des systemes. I. 91.

Gegen die Productivität derſelben ſ. Lotz Handb. I. §. 39. Auch wohl Rau polit.

Oeconom. I. §. 102–109., der zwiſchen mittelbarer und unmittelbarer Productivi-

tät ſpricht, und leztere nur den Stoffarbeiten mit Ausnahme des Handels zuſchreibt,

den er für mittelbar productiv erklärt, weil er als Vermittler zwiſchen Producent

und Conſument der Volkswirthſchaft weſentliche Erleichterungen gewährt.

³ Der Handel iſt aber in der That nicht blos mittelbar productiv, wie ihn

Rau nennt und erklärt, ſondern er ruft wirklich neue Werthe hervor oder ver-

wirklicht ſolche. Er ſetzt, wie andere Gewerbe, productive Arbeit in Bewegung

und verbringt die Güter, welche als Ueberſchüſſe des Einen für dieſen, um mit

Rau zu reden, keinen concreten Werth mehr haben, zu Andern und verſchafft ihnen

ſo wieder den concreten Werth. Es iſt dies alſo die Hervorrufung oder Erneuerung

eines Gebrauchs- oder Sachwerthes. Rau (a. a. O. §. 102.) irrt aber, ebenſo

wie Kraus (Staatswirthſch. I. S. 13 folg.), da er von A. Smith ſagt, dieſer

halte den Handel für productiv, weil die Verſendungs- und Handelskoſten anderer

Art den Tauſchwerth der Güter erhöheten. Dieſe von Rau angeführte Stelle

(Unterſuchungen II. 141. oder Inquiry II. 143.) iſt eine unweſentliche Aeußerung

von A. Smith, welche er auch (p. 142. der engl. Ausg.) vom Landbaue und den

Gewerken macht. Er will damit nur beweiſen, daß zufolge der Preiserhöhung der

Producte durch die Anwendung von Capital und Arbeit eine Vergütung der Aus-

lagen und ein Gewinnſt für die Einzelwirthſchaft realiſirt werde; dagegen ſetzt er

die volkswirthſchaftliche Productivität des Handels, wie der genannten anderen

Gewerbe, darein, daß ſie verſchiedene Mengen productiver Arbeit in Bewegung

ſetzen und den Werth des jährlichen Productes der Erde und der Arbeit mit ihren

Capitalien erhöhen. Daſſelbe ſagt er noch einmal (Inquiry II. 209 und 210.) mit

Hinblick auf die Geſchichte. Allein Rau ſcheint obige Anſicht mit der Anmerkg. b.

des §. 103. gegen say Cours II. a. a. O. beſtreiten zu wollen, indem er gegen

deſſen Behauptung, daß nicht der Tauſch, ſondern der Transport den Werth der

Güter erhöhe und ſo der Handel productiv ſei, da die örtliche Stellung eine Modi-

[556/0578]

³ fication der Exiſtenz der Güter ſei, einwendet, die Lage ſei nicht der Gebrauchs-

werth einer Sache und der Transport unnöthig, wenn ſich der Verzehrer zur

Waare begebe! Jedoch damit iſt Say nicht widerlegt. Dieſer gebraucht vielmehr

das Beiſpiel vom Bordeaux-Weine, wie er aus der Traube gewonnen und durch

den Handel nach Hamburg gebracht wird, um zu zeigen, daß das Geſchäft des

Handelsmannes hier für den Hamburger gerade ſo productiv iſt, als jenes des Wein-

gärtners für den Bewohner von Bordeaux, denn ohne ihn würde für jenen der

Wein ſo gut als nicht exiſtirend ſein. Wenn aber der Hamburger dem Weine

nachläuft, was Say auch erwähnt, ſo iſt dies ſo gut als eine Veränderung der

Stellung des Weines, aber dann iſt kein Handel vorhanden. Aber ſchwer iſt es zu

erklären, wie say (Cours II. p. 212–213. Ueberſ. von v. Th. II. 158.) den

Tauſch (Echange) nicht für productiv, aber den Handel (Commerce) für productiv

erklären kann, da doch der Leztere eine beſtimmte Art des Erſteren iſt und bei

beiden ſich obiges Criterium der Productivität findet. Beim Tauſche fehlt in der

Regel nur der Vermittler. Mac-Culloch und Hermann urtheilen ebenſo, und

wenn Rau gegen das vom Erſteren gewählte Beiſpiel der bergmänniſchen Förderung

der Kohle und der Verſendung zum Behufe des Verkaufs derſelben durch den Han-

delsmann einwendet, die Wirkung der erſteren Operation ſei dauernd und von allge-

meinem Nutzen, jene der lezteren komme aber nur gewiſſen Menſchen zu; ſo

zerfällt dieſe Gegenbemerkung in ſich ſelbſt, weil der Begriff von Production niemals

darauf beſchränkt werden kann, daß alle Menſchen oder Staatsbürger für ſich ihren

Erfolg empfinden und das Product dauernd ſei, ſondern es eine volkswirthſchaftliche

Production geben kann, welche nur Einzelnen Nutzen und ein Product von geringer

Dauer ſchafft. Wenn der Handel auch nicht gerade eben ſo ſehr productiv iſt, wie

ein anderes Gewerbe, ſo folgt daraus nicht, daß er es gar nicht ſei.

⁴⁾ S. auch Rau a. a. O. §. 107. u. 108.

II. Die Güterquellen insbeſondere.

§. 407.

1) Zuſammenſtellung der Güterquellen.

Nicht das Vermögen allein, wie man öfters glaubt, iſt die

Quelle der wirthſchaftlichen Güter oder neuen Vermögens, ſondern

auch vieles Andere, was nicht in das Vermögen gehört. Die Güter-

quellen ſind oben §. 53. u. 54. zuſammengeſtellt1).

¹ Ueber die verſchiedenen Anſichten der drei genannten Syſteme hierüber ſ. m.

§. 397. Es iſt daſelbſt gezeigt, daß A. Smith nicht behauptet hat, die Arbeit

ſei die einzige Güterquelle. Mac-Culloch ſucht aber (Principles pag. 60–72.

Ueberſ. von v. Weber S. 47–56.) zu zeigen, daß, da die Natur ohne unſere

Arbeit für uns wirthſchaftlich nutzlos und ſogar vielfach ſchädlich ſein würde,

aber allein im Stande ſei, Materien zu ſchaffen, während die ganze wirthſchaftliche

Production nur in der Aneignung und Werthserhöhung der Stoffe beſtehe, auch die

Arbeit die einzige Quelle der Güter ſei. Da nun die ganze Ricardo'ſche Schule,

dieſe Erörterung benutzend, auch das Capital als eine Folge der Arbeit betrachtet,

welches ihr wieder als Mittel erſcheint, um Arbeit in Bewegung zu ſetzen, ſo iſt

keinem Zweifel unterworfen, daß auch ſie die von der Deutſchen angenommenen

Güterquellen anerkennt. Und es iſt daher nicht Recht, wenn man, wie öfters,

z. B. auch von Rau polit. Oeconom. I. §. 85. N. b. geſchieht, ſo ohne Weiteres

ſagt, dieſe Schule und Mac-Culloch erkläre die Arbeit für die einzige Güter-

quelle. Nehmen doch alle, dieſen Satz ſo verbindungslos anführenden, deutſchen

Schriftſteller die Lehre von der Wirkſamkeit der Arbeit bei der Production, wie ſie

jene engliſche Schule und z. B. auch Gioja Nuovo Prospetto I. 25–37. durch-

führt, wenn ſie von der Arbeit reden, gänzlich an.

[557/0579]

§. 408.

2) Wirkſamkeit der Güterquellen. a) Der Natur.

Die Wirkſamkeit der Güterquellen zu betrachten, iſt eine der

wichtigſten und intereſſanteſten Aufgaben der Volkswirthſchaftslehre.

Blos die Natur und der menſchliche Geiſt kann außer der Gott-

heit, jene Materielles, dieſer Immaterielles ſchaffen, d. h. aus

nichts hervorbringen. Das letzte Wie über das Walten der Natur

iſt unerforſcht, obſchon man ſchon manchfache Kräfte entdeckt hat,

durch deren Wirkung mit den Stoffen Veränderungen hervor-

gebracht werden, welche mit dem Schaffen neuer Stoffe oft die

auffallendſte Aehnlichkeit hat. Man theilt ſie, freilich nur nach

der Verſchiedenheit der erzeugten Producte, in organiſche und

unorganiſche Kräfte ein, je nachdem ſie die Gegenſtände des

Thier- und Pflanzenreichs oder jene des Mineralreichs hervor-

bringen. Ihre Wirkung iſt in verſchiedenen Theilen und Punkten

der Erde verſchieden; wenigſtens erblickt man die verſchiedenſten

organiſchen Gebilde verſchieden vertheilt und die unorganiſchen

Stoffe, von denen man nicht weiß, ob die Natur in ihrer Erſchaf-

fung immer noch fortfährt, ſind nicht überall vorhanden und zu

finden. Dieſe örtliche und periodiſche Veränderlichkeit in der Wir-

kung der Naturkräfte rührt von den verſchiedenen Verhältniſſen der

Gegenſeitigkeit der vorhandenen Naturkörper im weiteſten Sinne

des Wortes her, nämlich: von jenen der Himmelskörper, der Erde,

Erdkörper (Naturkörper im engern Sinne), der Luft, und des

Waſſers. So iſt die Productivität der Länder von der Natur

bedingt1).

¹ S. Rau polit. Oeconom. I. §. 31. 121. storch Cours, Ueberſ. v. Rau.

I. 70. 84. 89. say Cours I. pag. 221. Ueberſ. von v. Th. I. S. 162. Lotz

Handb. I. §. 31–36. S. 149 folg. v. Jacob Nation. Oeconom. §. 49. der

3ten Ausg. Es wäre zu wünſchen, daß ſich Alex. v. Humboldt die Darſtellung

des Einfluſſes der Natur auf Staat und Völker zur Aufgabe machte.

§. 409.

Fortſetzung. b) Der Arbeit.

Ohne Arbeit iſt für den Menſchen die Natur nutzlos. Deß-

halb iſt die Arbeit auch die weſentlichſte Bedingung des Menſchen-

lebens. Sie iſt die Urſache, warum der Wohlſtand der Völker

nicht blos von der Natur abhängt, ſondern auf minder glücklich

begabten Ländern die Menſchen geiſtig und wirthſchaftlich höheren

Glückes genießen als die Bewohner der von der Natur am reich-

lichſten verſorgten Gegenden. Alſo auch bei ungleichen Natur-

[558/0580]

geſchenken iſt die Entwickelung des Menſchen in geradem Verhält-

niſſe zu ſeiner Arbeit, und die Geſchichte lehrt auch, daß die Ver-

beſſerungen in der Arbeit neue Beweiſe und Urſachen von den

Fortſchritten der Menſchheit ſind1). Es werden aber zugleich

durch die Arbeit der Menſchen die rohen Naturproducte ſo durch

chemiſche und mechaniſche Einwirkung verändert und ihre Werthe

werden dermaßen durch ſie erhöhet, daß es oft ganz unmöglich iſt,

ſie wieder zu erkennen2). Es iſt alſo in dieſer Beziehung die

Arbeit die vorzüglichſte und eigentliche Quelle des Vermögens,

und Alles, was ihre Wirkſamkeit erhöht, ſteigert auch die Wohl-

fahrt der Völker. Da die Arbeit aber einen ſicheren Gegenſtand

haben muß, ſo iſt die erſte Bedingung der Erhöhung ihrer Wirk-

ſamkeit: 1) die Sicherheit des Eigenthums. Das Eigenthum

hat nur in der Arbeit ſeinen Urſprung, und ſollte dieſe auch blos

in jener der Beſitzergreifung und Vertheidigung des von der Natur

Dargebotenen beſtehen. So erwerben ſich die Völkerſtämme ihr

Eigenthum, ſo auch die Einzelnen ihre Antheile an dem gemein-

ſchaftlichen Gute. Die Geſchichte beweist dies eben ſo gründlich,

wie es aus Vernunftgründen angenommen werden muß. Wo man

ſich nun aber der körperlichen oder geiſtigen Producte ſeiner Arbeit

nicht mit Sicherheit erfreuen kann, da wird man auch nicht

arbeitſam ſein und keine Verbeſſerung in der Arbeit einführen3).

Alle Anſtalten und Thätigkeiten, welche die Sicherheit des Eigen-

thums bewirken, ſind daher Mittel zur Erhöhung der productiven

Wirkung der Arbeit. Die zweite Bedingung einer productiven

Wirkung der Arbeit iſt 2) die geiſtige Entwickelung. Ohne

das geiſtige Element, welches den Körper des Menſchen überhaupt

in Bewegung ſetzt und dieſer Lezteren ihre dem Zwecke entſprechende

Richtung vorſchreibt, kann es keine productive Arbeit geben. Die

Erfahrung zeigt, daß, ſo groß auch die körperliche Kraft ſein

mag, die Arbeitsunfähigkeit des Menſchen immer um ſo geringer

iſt und wird, nicht blos je geringer die Geiſtesanlagen an ſich,

ſondern auch je weniger ſie ausgebildet ſind und werden. Deßhalb

hängt die productive Wirkung der Arbeit, wie ebenfalls die Ge-

ſchichte zeigt, von allen jenen Anſtalten und Thätigkeiten ab, welche

die geiſtige Entwickelung der Menſchen befördern. Unter dieſen

beiden Bedingungen wird den Erfolg der Arbeit noch bedingen

3) die Anzahl und körperliche Geſchicklichkeit des arbei-

tenden Theiles der Bevölkerung. Dieſe Bedingung der nutzbaren

Wirkung der Arbeit kann niemals die zweite genannte erſetzen.

Wohl aber können wenige recht unterrichtete Arbeiter eben ſo viel

und noch mehr leiſten als viele gar nicht oder wenig unterrichtete.

[559/0581]

Es iſt daher für die productive Wirkung der Arbeit in der Volks-

wirthſchaft das Zahlenverhältniß zwiſchen denjenigen der Bevölkerung,

welche mit productiver Arbeit beſchäftigt, und denjenigen, welche

dies nicht ſind, äußerſt wichtig. Für dieſelben ſind daher alle

Umſtände, Anſtalten und Thätigkeiten förderlich, nicht ſowohl

welche die Volksmenge, als vielmehr welche die arbeitſame Bevöl-

kerung erhöhen und die unarbeitſame verringern, und einen ge-

ſunden, kräftigen, wohlgebauten Menſchenſchlag erzeugen und er-

halten4). Eine Hauptbedingung der productiven Wirkung der

Arbeit iſt 4) die Arbeitstheilung. Dieſelbe bietet zwei Be-

ziehungen dar, nämlich die rein volkswirthſchaftliche, indem

ſich die Gewerbs- und Geſchäftsklaſſen eines Volkes und der Völker

von einander ſcheiden, bis der Handel in ihre Mitte tritt, und

die mehr privatwirthſchaftliche, indem die verſchiedenen Ver-

richtungen eines und deſſelben Gewerbes von einander geſchieden

werden. Jene tritt in der geſchichtlichen Entwickelung der Menſch-

heit als Folge zunehmender Bildung und Bevölkerung und inſofern

außerhalb der Willkühr der Menſchen ein, als die Natur nach

ihrer verſchiedenen Reichlichkeit und Aermlichkeit ſie dazu zwingt.

Dieſe aber, eine Folge der menſchlichen Ueberlegung, die durch

Verkehrsverhältniſſe angeſpornt wird, erſcheint erſt bei einem ſehr

hohen Grade der gewerblichen Cultur5). Die Gründe der großen

Wirkung der Arbeitstheilung ſind nicht weniger klar als intereſſant.

a) Durch die unaufhörliche Ausübung eines einzigen Geſchäftes

nimmt nicht blos die körperliche Geſchicklichkeit und Fertigkeit,

ſondern auch die geiſtige Aufmerkſamkeit und das Nachdenken über

Erleichterungsmittel der Arbeit zu6). b) Es wird dadurch der-

jenige Zeitverluſt verhütet, welcher mit dem Uebergange von dem

einen zu dem anderen Geſchäfte und namentlich mit dem Wechſel

der Werkzeuge verbunden iſt; c) die zur Erlernung eines Geſchäf-

tes nöthige Zeit wird um vieles verringert, weil mit Zunahme der

Einfachheit der Operation die Schwierigkeit des Erlernens ver-

ſchwindet. d) Während des Erlernens wird auch weniger Material

zu Grunde gerichtet, weil bei der Erlernung eines ganzen Gewer-

bes verſchiedene Operationen vorkommen, in denen chronologiſch

nicht blos mehr rohes, ſondern auch ſchon theilweiſe verarbeitetes

Material aus Ungeſchicklichkeit und Unachtſamkeit verdorben wird,

als wenn Einer ſeine Aufmerkſamkeit auf eine Operation heftet.

e) Nach eingeführter Arbeitstheilung braucht ſich der Unternehmer

für Arbeiten, wozu verſchiedene Kraft und Geſchicklichkeit erfor-

dert wird, an Arbeitern von den erforderlichen Eigenſchaften

gerade nur ſo viele zu verſchaffen, als für jeden Proceß nöthig

[560/0582]

ſind, während, wenn ein einziger Arbeiter das Product vollenden

ſollte, derſelbe für die ſchwierigſten und müheſamſten Operationen

kräftig und geſchickt genug ſein müßte und alſo bei minder bedeu-

tenden Operationen deſſelben Gewerbes ein großer Theil der Kraft

und Geſchicklichkeit unbenutzt liegen würde7). Die lezte Urſache

eines hohen Arbeitserfolges iſt 5) die Verbindung der Arbei-

ten, d. h. nicht blos der Zuſammenhang dieſer verſchiedenen ge-

theilten Gewerbe in der Wirthſchaft der Völker und jener der

Operationen in den einzelnen Gewerben, ſondern auch die geſell-

ſchaftliche Vereinigung verſchiedener geiſtiger und körperlicher Kräfte

und Geſchicklichkeiten8). Denn der Erfolg muß dadurch bei vielen

Verrichtungen größer ſein, während manche ohne dies nicht aus-

führbar ſind9).

¹ Sehr intereſſante und geiſtreiche Fingerzeige für die Unterſuchung der

Entwickelung der Menſchheit gibt Ferguson, Essay on the History of civil society.

p. 123. 146. 165. Dann iſt auch Krauſe's Verſuch einer Nation- und Staats-

Oec. aus dieſem hiſtoriſchen Entwickelungsgeſichtspunkte dargeſtellt. B. I. S. 1–70.

² Man kauft in England 400 Quadratzolle Goldblatt, ein Buch von 25 Blät-

tern, um 1½ Schill. (15 Sgr.), und über 1000 Quadr. Zolle Silberblatt, ein

Buch von 50 Blättern, um 1¼ Schill. Wie viel die Arbeit dabei mehr Werth

hervorbringt als das rohe Material hat, ſieht man aus dem Preiſe des Fabrikats,

der ⅔ und drüber höher iſt als jener des Rohmaterials. Es koſtet eine venetianiſche

Goldkette von 2 engl. Fußen Länge, die ſo fein iſt, daß ein Zoll davon 0,44 Gran

wiegt und 98–100 Gelenke hat, eben ſo viel als eine ſolche, von welcher ein Zoll

9,71 Gran wiegt und nur 32 Gelenke hat, nämlich 60 frs., obſchon dieſe Leztere

22 mal mehr Gold hat, ſo daß der Werth der Arbeit bei jener den des Materials

um das 30fache überſteigt. — Die Spiralfeder einer Taſchenuhr koſtet einzeln

2 Pence (etwa 2⅔ Kr.) und wiegt 0,15 Gran, während das Pfund Eiſen beſter

Qualität, woraus 50,000 ſolche Spiralfedern gemacht werden können, gerade ſo

viel koſtet. — In der Eiſengußwaarenfabrik von Devaranne in Berlin werden

Hemdeknöpfchen gefertigt, wovon 88,440 Stücke auf 1 Centner gehen, jedes einzeln

1⅔ Sgr. und alle zuſammen 19,653⅓ Rthlr. koſten, während der Centner grauen

Roheiſens durchſchnittlich nur 2 Rthlr. koſtet, ſo daß alſo durch die Verarbeitung

der Preis auf das 9827fache ſteigt. Aus der Preiserhöhung kann man auch hier

die Werthserhöhung ermeſſen. S. Babbage, Ueber Maſchinenweſen. S. 164. oder

18. Kap, wo noch mehr Beiſpiele angeführt ſind. Canard, Principes d'Econ. polit.

p. 6. Gioja, Nuovo Prospetto. I. 35. Volz, Gewerbskalender für 1833. S. 111.

³ Hiervon, von den Bedürfniſſen des Arbeiters und von der Ausſicht, ſein

Leben zu verbeſſern, hängt der Fleiß des Arbeiters ab. S. §. 67. über das Ver-

hältniß der freien und erzwungenen Arbeit gegen einander. Rau polit. Oec. I. §. 112.

⁴⁾ In Großbrittannien ſind unter je 100 Familien, folgende beſchäftigt geweſen:

            im Jahre:         im Ackerbaue:            im Handel, Manufactur u. ſ. w.         Reſt

England          1811    —        34,7     —        45,9     —        19,4

1821    —        33,0     —        47,8     —        19,6

1831    —        27,7     —        43,1     —        29,8

Wales  1811    —        56,2     —        27,7     —        16,1

1821    —        50,6     —        28,5     —        20,9

1831    —        43,9     —        26,9     —        29,2

Schottland      1811    —        31,3     —        42,1     —        36,8

1821    —        29,2     —        42,8     —        28,3

1831    —        25,2     —        51,3     —        33,5

(Ausland v. J. 1833 Nr. 343. Nach Parlamentspapieren) Dieſe Abnahme auf

[561/0583]

⁴⁾ der einen, und Zunahme auf der andern Seite iſt äußerſt wichtig. Die Anzahl der

Gewerbsunternehmer in Frankreich war:

a. 1802 = 791,500 patentiſ. Individuen, macht, die Familie zu 4 Perſonen = 3,166,000

a. 1817 = 847,100 — — — — — — — = 3,388,400

a. 1832 = 1,118,500 — — — — — — — = 4,494,000

Von 1802–1817 (Krieg) ſtieg dieſelbe um 222,400 Perſonen und von 1817–32

(Friede) um 1,105,600 Perſonen. S. Ch. Dupin Rede bei Eröffnung der Cour

du Conservatoire des Arts et Métiers, 24 Nov. 1833. = Moniteur Nr. 330.

⁵⁾ Von der Arbeitstheilung hängt zunächſt der Abſatz ab, der auf die Ge-

werbſamkeit einen großen Einfluß äußert. Rau polit. Oeconom. I. §. 119. 120.

Dieſe leztere Arbeitstheilung hat ihre Schranken a) in der Natur mancher Arbeiten

ſelbſt, z. B. in der Landwirthſchaft; b) in der Größe des aufzuwendenden Capitals

(say Cours. I. 367. Ueberſ. I. 276.) und c) in der Möglichkeit des Abſatzes

(Kraus Staatsw. I. 52. say Cours. I. 355. Ueberſ. I. 266.).

⁶⁾ Ein Beamter der engl. Bank verſah einmal in 11 Stunden 5300 Bank-

noten mit ſeiner aus 7 Buchſtaben beſtehenden Geſchlechtsnamens-Unterſchrift, die

Anfangsbuchſtaben ſeines Taufnamens nicht gerechnet, und ordnete die Banknoten

dabei noch in Lagen von 50 Stücken. S. Babbage a. a. O. §. 191. Ein ge-

ſchickter Nagelſchmied macht täglich 2300 Nägel, ein weniger geübter 200 bis höchſtens

1000. Es machen 10 Arbeiter bei Arbeitstheilung täglich 48000 Stück Stecknadeln

(A. Smith Inquiry. I. 12.). Bei Arbeitstheilung machen 30 Arbeiter täglich

15500 Spielkarten (say Cours I. p. 341. Ueberſ. von v. Th. I. S. 256.) Von

einem Knaben, der die Ventile an einer Dampfmaſchine zu richten hatte, kommt

die Erfindung, daß jetzt die Maſchine ſelbſt dies Geſchäft beſorgt (A. Smith).

Von einem andern, der eine oft auslöſchende Gasflamme immer wieder anzuzünden

hatte, rührt die Erfindung her, daß in den Docht ein Spiraldraht angebracht wird,

der mit ſeiner Gluth ſie immer von Neuem entzündet (Dingler Polytechniſches

Journal. XIII. 532.).

⁷⁾ Tabellen über die Arbeiten bei der Stecknadelfabrikation zum Beweiſe hier-

von führt Babbage a. a. O. S. 187 u. 188 an. Es machen 10 Arbeiter bei

gehöriger Arbeitstheilung und Anſtellung nach der Geſchicklichkeit in ungefähr 7½

Stunden 1 Pfd. Nadeln um nicht ganz 35 Kr. (1 sh. 1 p.) und der Arbeitslohn

iſt zwiſchen 12[FORMEL] Kr. (4½ p.) bis 3 fl. 13 Kr. (6 sh.) variirend. Machte nur

1 Perſon die Nadeln, ſo müßte ſie geſchickt genug ſein, auch den Arbeitslohn fürs

Drahtſpitzen (2 fl. 54¾ Kr. = 5 sh. 3 p.) und fürs Verzinnen der Nadeln

(3 fl. 13⅓ Kr.) zu verdienen. Dieſe Arbeiten machen [FORMEL] der ganzen nöthigen

Arbeitszeit aus, und der Arbeiter müßte ſich, während ſeine Hauptgeſchicklichkeit

nicht benutzt würde, in mehr als der Hälfte der Zeit mit 46,27 Kr. (1 sh. 3 p.)

Arbeitslohn für das Aufſetzen der Nadelköpfe begnügen, während er ſonſt 5 mal

ſo viel verdienen könnte.

⁸⁾ Die leztere der genannten zwei Beziehungen, welcher beſonders Gioja Nuovo

Prospetto I. 87. eine weitläufige Unterſuchung gewidmet hat, wofür ihn Steinlein

Handb. I. 319. mit Lob unter andern Schriftſtellern hervorhebt, iſt in der That

eine zwar nicht zu läugnende, aber im Ganzen weder tiefe noch auffallende, noch

wiſſenſchaftlich fruchtbare Wahrheit. Es iſt wahr, viele Kräfte bringen mehr zu

Stande als wenige. Viele Hunde ſind des Haſen und, um bei des Verf. Beiſpiel

zu bleiben, viele Pelicane der Fiſche Tod; aber viele Köche verſalzen auch die Suppe.

Man gibt als Folgen dieſer Art von Arbeitsverbindung unter anderen auch die

beſſere Qualität der Producte und Sicherung vor dem Verderbniſſe derſelben durch

die lange Dauer der vereinzelten Arbeiten an. Dies iſt in manchen Fällen wahr,

in vielen andern aber nicht. Es kommt hierbei vielmehr auf die Natur der Arbeit

weit mehr als bei der Arbeitstheilung an. —

⁹⁾ Ueber dieſe ganze Lehre von der Arbeit ſ. m. A. Smith Inquiry I. 6.

Ueberſ. von Garve I. 13. say Cours I. 191. 338. Ueberſ. von v. Th. I. 138.

253. storch Cours. Ueberſ. von Rau I. 91. III. 5. Babbage a. a. O. 19s

u. 20s Kap. S. 171 folg. Mac-Culloch Principles p. 73. Ueberſ. von v. Weber.

S. 57. Spittler, Vorleſ. über Politik, herausgegeben von Wächter (Tübingen

Baumſtark Encyclopädie. 36

[562/0584]

⁹⁾ 1828). S. 350 (ein ausgezeichnetes Buch). Gioja Nuovo Prospetto. I. 66. 87. 98.

Lotz Handb. I. §. 41–49. S. 202 folg. Rau polit. Oeconom. I. §. 92–126

Ferguson, Essay on the History etc. p. 273. Auch Kraus, Krauſe u. A.

§. 410.

Fortſetzung. c) Des Capitals.

Was unter Capital zu verſtehen iſt, wurde oben §. 54. ſchon

gezeigt. Die verſchiedenen Arten deſſelben ſind bereits im §. 55.

unterſchieden1). Die Beſtandtheile des Capitales, wie es in den

bürgerlichen Gewerben vorkommt, ſind aus den §§. 121. 208. 260.

312. 364. erſichtlich und den Hauptrubriken nach im §. 55. 4. zu-

ſammengeſtellt. Allein dieſem bürgerlichen oder Privatcapi-

tale ſteht das Nationalcapital gegenüber. Die weſentliche

Eigenſchaft des Capitales einer phyſiſchen oder moraliſchen Perſon

im Vergleiche mit dem Verbrauchsvorrathe iſt die wirthſchaftlich

productive Anlage, d. h. jene, welche eine Vergrößerung des Ver-

mögens der Perſon erzielt. So wie nun das Capital der Einzel-

nen, Stiftungen, Geſellſchaften und Gemeinden nicht ohne genaue

Beſtimmung des Vermögens einer jeden dieſer Perſonen beſtimmt

werden kann, ſo iſt dies auch vom Nationalcapitale nicht möglich

ohne die Beſtimmung des Nationalvermögens. Da nun jene Be-

ſtandtheile des Begriffes einer Nation erwerben, d. h. ihr Ver-

mögen durch vorherige nutzbare Aufopferungen vergrößern können,

ohne das Nationalvermögen zu vergrößern, z. B. im Verkehre, im

Handel unter einander, ſo folgt auch daraus, daß nicht Alles,

was als Privat-, Stiftungs-, Geſellſchafts- und Gemeindecapital

erſcheint, ſondern nur dasjenige davon auch Beſtandtheil des

Nationalcapitals iſt, was als Capital das Nationalvermögen zu

vermehren beſtimmt iſt2). Allein es folgt daraus noch weiter,

daß zum Nationalcapitale noch mehr als der ſo eben bezeichnete

Theil der genannten Capitalien, nämlich auch noch dasjenige

Capital gehört, was die Nation, nicht als Inbegriff der Einzelnen

und Corporationen, ſondern als moraliſche Perſon beſitzt3). Sind

die Unterſcheidungsmerkmale und Beſtandtheile des Privat- und

Nationalcapitals auf dieſe Art aufgefunden und erklärt, ſo muß

natürlicher Weiſe auch die Entſtehung dieſer Capitalien verſchieden

befunden werden. Es liegt ſchon im Begriffe vom Capital, daß

es aus Erwerb urſprünglich vermittelſt der Natur und Arbeit und

aus Ueberſparen hervorgeht. Der materielle Theil des National-

capitals entſteht alſo durch Production, Sparſamkeit und An-

wendung zu productiven Geſchäften4), jener des Privatcapitals

aus Erwerb, Sparſamkeit und gewinnbringender Anlage5); der

[563/0585]

immaterielle aber entweder durch den Verkehr und eigene Thätig-

keit, z. B. Kundſchaften, oder durch geſetzliche Beſtimmungen und

Gewohnheiten, z. B. Privilegien, dingliche Rechte u. dgl.6) Das

Capital bildete ſich erſt, als der Menſch anfing, über ſeinen täg-

lichen Güterbedarf hinaus Vermögenstheile aufzubewahren, und

nehm natürlich immer mehr zu, je mehr die Bevölkerung und die

Bedürfniſſe mit der Verfeinerung zuerſt über das von der Natur

zur Erhaltung der Menſchen Gebotene und ſpäter über das mit

Hilfe der immer ſinniger werdenden Arbeit von der Natur in

größerer Menge Abgewonnene hinauswuchs. In demſelben Ver-

hältniſſe als nun die fortwährend erfinderiſchere Arbeitſamkeit in

Verband mit dem bereits geſchaffenen Capitale, in ihrer Anwen-

dung auf die Natur, den Anforderungen der Volksmenge und ſtei-

genden Cultur nicht mehr genügte, folgten Erzeugungen, Erfin-

dungen und Verbeſſerungen von Capital auf einander, ſo daß

endlich ein Zuſtand entſteht, in welchem das Capital für die Ge-

ſellſchaft nicht blos eine eben ſo nothwendige Güterquelle wie die

Natur, ſondern ſogar ein noch unentbehrlicheres als die Arbeit

allein iſt und ein Volk ohne die Combination dieſer drei Güter-

quellen gar nicht exiſtiren könnte7). Denn das Capital macht es

möglich, Dinge zu vollbringen und Güter zu erzeugen, welche ohne

daſſelbe nicht ausgeführt und nicht producirt werden könnten; es

erſpart in allen Gewerben auf die manchfachſte Weiſe menſchliche

Arbeit; es befähigt die Gewerbe, die Arbeit beſſer und ſchneller

auszuführen und wohlfeilere Producte bei gleicher, ja weit größerer

Güte, als durch bloße Menſchenkräfte, zu liefern; endlich — es

iſt das einzige Mittel, um die in einem auch nur etwas vorge-

ſchrittenen Volke nöthige Arbeit für alle Bedürfniſſe und Bequem-

lichkeiten des Lebens in Bewegung zu ſetzen. So wahr dies Alles

iſt, ſo iſt es doch in der beſonderen Anwendung auf eine beſtimmte

Art des Capitals, nämlich auf die Maſchinen, ſehr beſtritten8).

¹ Rau (polit. Oeconom. I. §. 130. a.) ſagt, Ricardo (Principes d'Econo-

mie politique, trad. p. Constancio I. 32. oder Principles ef polit Economy.

p. 20 sqq.) ſetze das Unterſcheidungsmerkmal zwiſchen dem ſtehenden und umlaufen-

den Capitale in die ungleiche Dauer, und bekämpft dieſe Meinung. Allein ganz

umſonſt, denn Ricardo zeigt die Unrichtigkeit jener Meinung ſogleich nach ihrer

Darſtellung in der That noch beſſer als ſein deutſcher Gegner. — Hermann (Unter-

ſuchungen. Abh. III. §. 12.) thut dem A. Smith Unrecht, da er von ihm ſagt,

er rechne das Geld nur zum umlaufenden Capitals. Denn dieſer (Inquiry II. 22.)

zählt es zum ſtehenden, weil es wie dieſes Unterhaltungskoſten für die Nation er-

heiſcht, die ihrem Gebrauchsvorrathe entzogen werden, und (II. 11.) als allgemeines

Umlaufsmittel und Theilungsmaaß zum umlaufenden. Es kann als Privatcapital

Leih- und Werbcapital ſein, und erſcheint daher, weil es, in der Privatwirthſchaft

unproductiv angehäuft, ein todtes Capital iſt, in jener nur als umlaufendes

36 *

[564/0586]

¹ Capital. Für die Volkswirthſchaft hat es, als ſtets ſeiner Natur gemäß angelegt,

auch die Eigenſchaften des ſtehenden Capitals. Lauderdale (Inquiry chap. IV.

oder S. 46. u. 47. der deutſchen Bearbeitung) widerlegt dieſe Smith'ſche Anſicht

keineswegs damit, daß er zeigt, daß das Geld nützlich iſt, indem es den Handel

befördert. Das hat A. Smith nie geläugnet. S. auch Lotz Handbuch. I. 67.

Wichtig iſt aber das Verhältniß beider Capitalien gegen einander. S. Rau polit.

Oeconom. I. §. 131.

² Dieſe Begriffe werden in der Regel ſehr ſchlecht aufgefaßt und unterſchieden.

Es iſt aber kein Schriftſteller über dieſe Begriffe ſo verwirrt, als wie Krauſe

Verſuch eines Syſtems der National- und Staatsöconomie. I. §. 43. 44. 135. 136.

191. Dieſe Irrthümer rühren wohl ohne Zweifel von der Garve'ſchen Ueberſetzung

des Smith'ſchen Buches her (§. 31. N. 1). Er überſetzt z. B. die Stelle: As

the accumulation of stock is previously necessary for carrying on this great im-

provement in the productive powers of labor, so that accumulation naturally

leads to this improvement (Inquiry II. 3.) ganz kurz und bündig: „Der geſam-

melte und aufbewahrte Vorrath von Dingen, die einen Werth haben, iſt, was ich

Capital nenne.“ Dann die Stelle: The great stock of any country or society in

the some with that of all its inhabitants or members (Inquiry II. 8.) mit fol-

genden Worten: „Das Capital eines Landes oder einer bürgerlichen Geſellſchaft iſt

nichts anders, als die Summe alle Capitalien der einzelnen Einwohner“ (Garve

II. 20.), obſchon A. Smith (II. 5.) genau zwiſchen Stock (Vermögen) und Ca-

pital unterſcheidet.

³ Das Nationalcapital beſteht alſo 1) aus den im §. 55. 4. genannten Be-

ſtandtheilen, ausgenommen die unter h genannten Privilegien u. dgl., weil dieſe

blos dem Bürger gegen Bürger zuſtehen; 2) aus den Arbeitsthieren in den Ge-

werben; 3) aus den Nutzthieren in der Viehzucht; 4) aus den Unterhaltungskoſten

dieſer Capitalien und der wirthſchaftlichen Arbeiter; 5) aus allem im Auslande

angelegten Gelde in Anleihen; 6) aus allen vom Staate, Stiftungen, Geſellſchaften

und Gemeinden zur öffentlichen Benutzung im Gewerbsweſen errichteten Anſtalten

und Gebäuden, nebſt Unterhaltungskoſten, z. B. Lagerhäuſer, Häfen, Dotation von

Induſtrievereinen u. dgl.; 7) aus dem auf Straßen-, Brücken-, Canalbau u. dgl.

verwendeten Capitale in Geld oder Natura; 8) aus den Frachtgeräthen und deren

Unterhaltungskoſten, inſoferne ſie nicht ſchon unter einer von jenen Rubriken ent-

halten ſind. Hermann a. a. O. III §. 11. rechnet daher mit Unrecht die Kund-

ſchaften und Dienſtleiſtungen ohne weiteres zum Nationalcapitale.

⁴⁾ Lauderdale (Inquiry chap. IV. oder S. 51 folg. der deutſch. Bearbeitung)

ſucht zu beweiſen, daß die Sparſamkeit keine Güterquelle ſei. Seine Durchführung,

obſchon ganz unrichtig, iſt nicht ohne Scharfſinn. S. dagegen Lotz Handb. I. 210.

Rau polit. Oeconom. I. §. 133. u. 134.

⁵⁾ Jeder Erwerb iſt eine Production für das Privatvermögen, aber noch

kein Gewinn für das Volksvermögen, welches blos durch eigentliche Production

vermehrt werden kann.

⁶⁾ Alſo ſind überhaupt Quellen der Entſtehung des Capitals a) Natur, Arbeit

und Capital; b) Erſparniſſe an Capitalaufwand und Gebrauchsvorrath; c) Ent-

wickelung neuer einträglicher Verkehrsverhältniſſe im Naturgange des Verkehrs,

durch Gewohnheit und Geſetz. Ob das Wachſen des Tauſchwerthes der Capitalien

zufolge der Erhöhung ihrer bisherigen oder zufolge der Erfindung einer neuen

Nutzung eine Vermehrung der Capitalien ſei, wie Hermann Unterſ. S. 295. §. 6.

geradezu annimmt, das muß bezweifelt werden, weil nicht der wirkliche Ertrag

nach ſeiner Größe, ſondern blos die productive Verwendung überhaupt den Begriff

von Capital bildet.

⁷⁾ Die im Ackerbaue einerſeits, und im Handel und Gewerksweſen anderſeits

angewendete Geſammtkraft, reducirt auf Menſchenkräfte im Mannesalter, wurde

für Frankreich und Großbrittannien folgendermaßen angeſchlagen:

[565/0587]

⁷⁾

(Nach Duvin und Brougham in der Schr. die Reſultate des Maſchinenweſens,

überſetzt von Rieken S 271 folg.)

⁸⁾ Die vortheilhaften Wirkungen der Maſchinen ſind folgende: a) die menſch-

liche Kraft wird durch ſie erweitert, Zeit erſpart und es werden Stoffe geringen

Werthes benutzt, überhaupt mehr Producte geliefert als ohne ſie; b) die Erzeugniſſe

werden meiſtens vollkommener und werthvoller, als ohne ſie; c) es werden durch

ſie Arbeiten verrichtet und den Kräften Richtungen gegeben, welche der Menſch mit

Werkzeugen nicht leiſten und nicht veranlaſſen könnte; d) ſie verrichten ſchwere,

langweilige und ungeſunde Arbeiten, welche der Menſch nicht ohne Schaden und

Unvollſtändigkeit thun könnte, in kurzer Zeit weit vollkommener ohne ſchädliche

Folgen für die Menſchen; e) ſie veranlaſſen Erſparniſſe an Material; und f) be-

wirken eine Wohlfeilheit der Producte, die ohne ſie nicht erreichbar wäre. (Bab-

bage Maſchinenweſen. Kap. 1–11. Brougham, die Reſultate des Maſchinen-

weſens. Kap. 1–18. Edinburgh Review (a. 1833. April) p. 17. Kunth, Ueber

Nutzen oder Schaden der Maſchinen. Berlin 1824 und nationalöconom. Schriften.)

Die Gegner dieſer Anſicht (hauptſäch simonde de sismondi Nouv. Principes. I. 365.

II. 312. Fix Revue mensuelle d'Econ. polit. (a. 1834 Janvier) p. 73 sqq.)

geben dieſe Vortheile im Allgemeinen zu, aber ſie machen dagegen die Arbeitsloſig-

keit, Armuth, das Verderbniß der Geſundheit ſchon in der Jugend, die intellectuelle

und moraliſche Verſunkenheit der Fabrikarbeiter, das Steigen der Armenſteuern

und die Anfüllung der Gefängniſſe als unbeſtreitbare Erfahrungen geltend. Allein

man vergl. dagegen das im §. 312. u. 375. Geſagte und es wird ſich bei näherer

Unterſuchung ergeben, daß jene Erſcheinungen (namentlich in England, woher die

Erfahrung auch entlehnt iſt) noch ſo viele andere Urſachen in den Veränderungen

der Verfaſſung und Verwaltung haben, daß die Maſchinen dagegen faſt ganz ver-

ſchwinden müſſen. Leider würde es hier zu weit führen, wenn man ſie auseinander

ſetzen wollte. Daher vergeſſe man nicht, dabei zu überlegen, a) daß die arbeitende

Klaſſe auch conſumirt, und dies um ſo leichter, je wohlfeiler die Artikel ſind;

b) daß ſie zum Theile neben den Maſchinen und vielfach in andern Gewerben

Arbeit finden kann; c) daß bet ſteigendem Wohlſtande immer wieder neue Dienſte

entſtehen, wobei ſie Anſtellung finden kann; d) daß ſich die durch Maſchinen allein

entſtandenen Uebelſtände in einiger Zeit wieder ausgleichen; e) daß die Theuerheit

vieler Maſchinen ihrer Anwendung Gränzen ſetzt, und f) daß der Staat keine

unklugen Mittel zur Abwehrung ſolcher Uebel, wie z. B. Armentaxen, ergreifen

ſoll, weil dieſe die Sache nur verſchlimmern. S. say Cours I. 377. Ueberſ. von

v Th. I. 283. storch Cours, überſetzt von Rau. I. 287. say Lettres à M.

Malthus, notamment sur les Causes de la stagnation générale du Commerce.

Paris 1820. Ueberſ. von Rau. Hamburg 1821. S. 158. Ganilh, Des systemes

d'Econ. polit. I. 201. Dict. technologique. I. p. XLIII. Murhard Theorie des

Handels. S. 117. Hundeshagen Zeitbedürfniſſe. I. 134. Lotz Handb. I. §. 44.

[566/0588]

⁸⁾ S. 220. Rau polit. Oeconom. I. §. 118. 400–404. Mac-Culloch Principles.

p. 99–101. 165 sqq. Ueberſ. von v. Weber. S. 77–79. 130 folg.

III. Das Einkommen des Volkes.

§. 411.

Es laſſen ſich in dieſer Hinſicht die nämlichen Unterſcheidungen

in Bezug auf das Volk und ſein Vermögen machen, welche oben

im §. 56. und §. 62. gemacht ſind. Nur iſt zu bemerken, daß ein

Volk nur durch Production ein reines Einkommen bezieht, da der

Gewinnſt im auswärtigen Handel auch nur mittelſt der eigenen

Production und productiven Mittel gemacht wird1). Die Berech-

nung des Volkseinkommens, ſo ſchwierig ſie auch iſt, erſcheint

immer als ſehr wichtig, weil ſie zu verſchiedenen Zwecken der

Staatsverwaltung gebraucht wird. Man hat dazu zwei Haupt-

methoden. Entweder rechnet man die erzeugten rohen Stoffe eines

Zeitabſchnittes zuſammen, ſchlägt die Werthserhöhung der ver-

arbeiteten durch die Gewerke zu, verbindet dieſe Summe mit jener

der Einfuhr aus dem Auslande, und zieht dann von dieſer ganzen

Maſſe den Lebensunterhalt aller wirthſchaftlich arbeitenden Fami-

lien, die Hilfsſtoffe, die Abnutzung des ſtehenden Capitals und die

Ausfuhr ins Ausland ab, — oder man rechnet das reine Ein-

kommen aller wirthſchaftlichen Arbeiter, aller Gewerbsunternehmer,

aller Grundeigenthümer und aller Capitaliſten zuſammen2). Das

Reſultat iſt in beiden Fällen das reine Einkommen, deſſen Größe

aber für ſich eben ſo wenig als der Wirthſchaftsüberſchuß ein

Kennzeichen des Volkswohlſtandes iſt3).

¹ Rau polit. Oecon. I. §. 6872 Derſelbe nennt (§. 70.) diejenigen

Einnahmen, welche einer öfteren Wiederholung aus derſelben Quelle fähig, alſo

nicht blos eingetauſcht, geliehen, geſchenkt c. ſind, das rohe oder Brutto-

einkommen, eine Definition, um welche die erſte Ausgabe ärmer iſt. Allein wie

kann die Möglichkeit der öftern Wiederholung aus der nämlichen Erwerbsquelle,

etwas ſo Prekäres, einen Unterſchied zwiſchen Roh- und Rein-Einkommen bilden,

da das Leztere auch aus einer Quelle mehr als einmal glücklicherweiſe wiederholt

werden kann und jenes angebliche Criterium nicht einmal einen Unterſchied zwiſchen

Erwerb und Geſchenk oder Fund u. dgl. begründet! Das rohe Einkommen in der

allgemeinen Bedeutung iſt eben die Geſammteinnahme mit bloßem Bezuge auf ver-

ſchiedene Quellen, — im beſondern Sinne des Erwerbes iſt es das Geſammt-

product einer Erwerbsart, ſei dieſe von Privaten, Stiftungen, Geſellſchaften,

Gemeinden, dem Volke oder dem Staate gedacht. Das Einkommen in Bezug auf

die wirkliche Erhöhung des Vermögens gedacht, — da dieſe nur nach Erſtattung

der Auslagen möglich iſt — erſcheint als Reineinkommen. S. A. Smith Inquiry.

II. 18. v. Jacob Nat. Oecon. §. 682. Hermann Unterſuch. Abth. VII. §. 2.

S. 299. (Was nützt aber wohl die Unterſuchung des Letztern, ob Einnahme

oder Einkommen der Gattungsbegriff ſei? —).

² Beiſpiele von beiden Methoden bei Rau polit. Oecon. I. §. 247. u. 248.

S. auch Fulda über das Nationaleinkommen. Stuttgardt 1805. Wenn man nach

der erſten Methode nicht blos die Werthserhöhung der verarbeiteten Rohſtoffe,

[567/0589]

² ſondern das ganze Product der Gewerke mit einrechnet, ſo müſſen außer den

Hilfs- auch noch die Verwandlungsſtoffe mit abgezogen werden. Genau wird die

Berechnung nie werden, weil die Nationalinduſtrie keinen Halt macht, ſondern be-

ſtändig fortgeht. Die Berechnung Hermanns (Unterſuch. VII. §. 5. 8. 10),

welcher nach ſeinem Begriffe von Einkommen auch immaterielles mit einrechnet,

leidet an Unrichtigkeiten. Er ſieht das Volkseinkommen an als beſtehend a) aus

dem Einkommen ſämmtlicher Privatwirthſchaften aus wirthſchaftlichen Quellen, b) aus

dem Einkommen des Staats, der Gemeinden, Corporationen und Stiftungen aus

eigenthümlichem Vermögen, nachdem er ſchon §. 8. S. 306. das Steuereinkommen

des Staats, weil der Bürger dafür in den Staatsvortheilen Vergeltung erhalte,

zum Volkseinkommen gerechnet hat, und c) aus unmittelbaren Nutzungen von

Gütern. Es bleibt daher nach ihm außer Anſatz a) das Einkommen aus nicht

öconomiſchen Quellen, b) der Schuldzins zwiſchen Privaten und c) der Schuldzins

des Staats an Inländer. Allein von unkörperlichen Gütern können nur die imma-

teriellen Producte des Capitals zum Einkommen gezählt werden, aber niemals die

bloßen Genüſſe, alſo z. B. die Nutzung der Wohn- und Werkhäuſer, Maſchinen

u. dgl., aber nicht das verzehrte Fleiſch, Brod, Bier u. dgl.; das Einkommen des

Staats, der Gemeinden, Corporationen und Stiftungen aus Abgaben und Steuern

iſt blos Folge des Beſitzwechſels, aber deßhalb kein Volkseinkommen, und der Um-

ſtand der Vergeltung würde die zu zahlende Steuer eher noch zu einem Capitale

(Auslage) als einer Einnahme ſtempeln, ſelbſt wenn die Staatsvortheile wirth-

ſchaftliche Güter wären, wie ſie es nicht ſind; Schuldzinſen zwiſchen Inländern ſind

nur dann Theil des Volkseinkommens, wenn die Capitalien productiv verwendet

ſind; die von Ausländern bezahlten gehören aber jedenfalls dazu. S. simonde de

sismondi Nouveaux principes I. 86. 90. II. 376.

³ Es kommt vielmehr auf die Vertheilung deſſelben unter die Mitglieder der

Nation an. Daher iſt in der Volkswirthſchaft das rohe Einkommen von großer

Bedeutung, weil in ihm der Unterhalt der Arbeiter im Wirthſchaftsweſen enthalten

iſt. Rau a. a. O. §. 249. meint, es werde aus ihm der Unterhalt der ganzen

arbeitenden Klaſſe beſtritten. Allein dies iſt irrig, wenn er es anders verſtanden

hat, als in dem Sinne, daß blos die Gewerbs- und hauswirthſchaftlichen Arbeiter

dadurch erhalten werden, dagegen alle anderen Dienſtleiſtenden ihre Einnahmen aus

dem reinen Volkseinkommen beziehen. Jedoch Rau beſchuldigt daſelbſt auch Ricardo

(Principles chap. 26), derſelbe lege auf das rohe Volkseinkommen gar kein Gewicht

und halte nur das reine für volkswirthſchaftlich bedeutend. Allein was jener und

simonde de sismondi (Nouveaux principes I. 153) gegen eine ſolche Anſicht ein-

wenden, das trifft Ricardo gar nicht. Er iſt mißverſtanden. Er nimmt an, das

rohe Volkseinkommen ſei wegen der Menge beſchäftigter Arbeit ſehr wichtig, und

fragt dann, welcher Vortheil denn entſtehe aus der Anwendung einer großen Menge

von productiver Arbeit, wenn, ein Land möge dieſe oder eine noch größere Menge

anwenden, ſeine Rente und Gewinnſte zuſammen die nämlichen bleiben; da der

Arbeitslohn eine Folge der Nothwendigkeit ſei, ſo müſſe es auch ganz einerlei ſein,

ob die Nation aus 10 oder 12 Mill. Menſchen beſtehe, denn ihre unproductive

Arbeit müſſe in Proportion zum reinen Einkommen ſtehen und wenn 5 Mill. Men-

ſchen den Unterhalt für 10 Mill. producirten, ſo ſei dies nicht anders, als wenn

7 Mill. denſelben für 12 Mill. hervorbrächten. Ricardo erklärt alſo das rohe

Volkseinkommen keineswegs für unweſentlich, ſondern er ſagt, daſſelbe ſetze eine

beſtimmte Anzahl productiver Arbeiter ſchon voraus, die bezahlt werden müſſe,

um leben zu können, und die vorhandene Anzahl von Arbeitern in den productiven

Beſchäftigungen müſſe als nothwendig angeſehen werden, denn ſonſt wäre ſie nicht

beſchäftigt; ſo ſei die Ausgabe für dieſe eine nothwendige, jene für die unproduc-

tiven Arbeiter richte ſich nach dem reinen Einkommen. Ricardo kann dies nicht

anders verſtehen, weil er die Vortheile eines Geſchäftes für die Nation in der

Menge der in Bewegung geſetzten productiven Arbeit und in dem erfolgenden Rein-

ertrage findet und dieſe Anſicht im a. Cap. gegen A. Smith geltend macht, gegen

welchen er aber inſoweit Unrecht hat, als er von ihm meint, er ſei einer andern

Anſicht (§. 406. N. 3.). Vergl. aber auch Ganilh Des systemes. I. 213., der die

Anmerkung von say zu Ricardo in der französischen Uebersetzung angreift, um

Letzteren zu vertheidigen.

[568/0590]

Zweites Stück.

Von der Vertheilung des Volksvermögens

und -Einkommens.

I. Von dem Güterumlaufe.

§. 412.

A. Allgemeine Betrachtung deſſelben.

Wie im vorigen §. gezeigt iſt, hat die Größe des Einkommens

einer Nation gar keine beſondere Bedeutung zur Erforſchung des

wirthſchaftlichen Volkswohlſtandes, ſo lange man den Antheil nicht

erwägt, welchen die Mitglieder der Nation daran haben. Wer

zur Hervorbringung wirthſchaftlicher Güter mitwirkt, der hat

einen danach verhältnißmäßigen Anſpruch auf einen Theil des Pro-

ductes, und wer wirthſchaftlich unproductive Dienſte leiſtet, der

verlangt von dem Einkommen Anderer eine Belohnung. Außer

dieſen gibt es aber noch Perſonen, welche, ohne mitzuarbeiten,

erhalten werden müſſen, ſei es für früher geleiſtete oder ſpäter

noch zu leiſtende Dienſte u. dgl.1). Das erworbene Vermögen und

die producirten Güter vertheilen ſich daher in verſchiedenen

Theilen unter die Mitglieder der Nation. Dies iſt die Verthei-

lung2). Sie kann aber nicht gedacht werden, ohne daß die Güter

die Beſitzer und Eigenthümer wechſeln. Dieſe Veränderung ver-

urſacht der Güterumlauf (Circulation)3). Was man für die Gü-

ter, Nutzungen und Leiſtungen, welche man andern überläßt und thut

und welche alſo umlaufen, bekommt, iſt der Preis. Auf dieſem

Wege und mit dieſen verſchiedenen Hilfsmitteln kommt dem Ein-

zelnen ſein Einkommen zu, allein die Einkommenszweige ſind

verſchieden nach der Art und Anwendung der Güterquellen. Folg-

lich muß die Lehre von der Vertheilung der Güter oder von dem

Erwerbe der Einzelnen in der Volkswirthſchaft über dieſe drei

letzteren Verhältniſſe ſprechen.

¹ Es haben daher am Volkseinkommen Antheil a) die Eigenthümer von

Grundſtücken, Bergwerken, Gruben und Brüchen; b) die Capitaliſten; c) die

Gewerbsunternehmer; d) die Dienſtleiſtenden aller Art; e) und Perſonen, welche

ohne Gegenleiſtung erhalten werden, z. B. Greiſe, Kranke, Kinder u. dgl.

² S. R. Jones An Essay on the Distribution of Wealth and sources of

Taxation. London 1831. Rau polit. Oecon. I. §. 140. (§. 152. der I. Ausg.)

Lotz Handb. I. 306. Gioja Nuovo Prospetto. III. Tom Mac-Culloch Principles.

p. 210. Ueberſ. von v. Weber. S. 166. Mill Elements p. 27. say Cours.

IV. p. 55. Ueberſ. von v. Th. IV. 42. storch Cours. Ueberſ. von Rau. I. 173.

III. 296. Ein merkwürdiges Beiſpiel ſchlechter Güter- und Einkommensvertheilung

gewährt Frankreich vor der vorletzten Revolution a. 1789. Es bezog die Geiſtlich-

keit (316,038 Köpfe) 405 Millionen Liv., wovon ſie 27½ Millionen frs. Abgaben

[569/0591]

² zahlte; der Adel (150,000 Köpfe) 286 Millionen Liv., und nach Abzug der Steuern

u. dgl. 225 Millionen; endlich aber der dritte Stand (24,000,000 Köpfe) 960 Mill.

Liv., wovon er aber an Abgaben verſchiedener Art 936,100,000 Liv. bezahlen

mußte. (Nach Moreau de Jonnés im: Ausland v. J. 1833. Nr. 161.)

³ Die Lebhaftigkeit des Umlaufes richtet ſich nach der Menge und Häufigkeit

von Verhandlungen über Güterüberträge, Nutzungsverträge und Dienſtverträge in

einer Periode. Mit Zunahme der Production, der Lebhaftigkeit des Handels und

Verkehrs, und mit der Vergrößerung der Bevölkerung ſteht ſie in geradem Ver-

hältniſſe. S. Rau polit. Oeconom. I. §. 252. simonde di sismondi Nouveaux

Princip. II. 7. Richesse commerciale. I. 225. Galiani Della Moneta. II. 135.

Genovesi Lezione di Economia civile. III. 28. = Economisti P. mod. Tomo IX.

Beccaria Elementi di Econom. publ. II. 68. = Economisti. P. mod. Tomo XII.

Verri meditazioni. pag. 154. solera sur les Valcurs = Economisti. P. mod.

Tomo 46. pag. 322.

§. 413.

B. Umlaufsmittel. 1) Das Geld. a) Metallgeld.

Die Mittel, welche den Umlauf befördern, ſind das Geld und

der Kredit. Denn jenes iſt dasjenige ſachliche Gut, welches man

allenthalben anbringt und als Gegengabe für alle Güter, Nutzungen

und Leiſtungen gebrauchen kann, während dieſer die Verkehrsge-

ſchäfte erleichtert. Die nationalöconomiſchen Unterſuchungen über

das Geld beziehen ſich überhaupt auf deſſen Geſchichte, Werth

und Umlauf1). Die Entſtehung des Geldes überhaupt gehört in

die Urgeſchichte der Völker (§. 60.), als man ſchon ſo weit mit

der Theilung der Beſchäftigungen vorgeſchritten war, daß ſich ein

etwas lebhafterer allgemeiner Tauſch erhob. Doch beginnt der be-

deutendere Abſchnitt der Geſchichte des Geldes erſt mit der Ent-

ſtehung des Metallgeldes. 1) Geſchichtliches über das Me-

tallgeld. Obſchon man nicht beſtimmen kann, wann überhaupt

in der Geſchichte der Menſchheit das Metallgeld entſtanden ſei, ſo

zeigt doch die Geſchichte ſpäterer Völker und die geographiſch

ſtatiſtiſche Forſchung ſpäterer Zeit nicht blos, daß überhaupt nach

den Fortſchritten der Menſchen in der Civiliſation das Metall erſt

zu Geld gebraucht wird, nachdem vorher ſchon andere weniger

brauchbare Stoffe dazu gedient haben, ſondern auch, daß die

Völker mit der ſteigenden Lebhaftigkeit des Güterumlaufes unter

den Metallen nach einander ſtets dasjenige herauswählen, welches

der Schnelligkeit des Umlaufes am meiſten entſpricht2). 2) Werth

des Metallgeldes. Auch hier iſt die Unterſcheidung der zwei

Hauptbeziehungen des Werthes äußerſt wichtig. Das Metallgeld

dient als Umlaufsmittel und als Preismaaß, und nach dem

Grade ſeiner Tauglichkeit hierzu bemißt man die Höhe ſeines

Gebrauchswerthes. Dieſer doppelte Gebrauch des Geldes iſt

es, warum das Metall die meiſten Eigenſchaften hat (§. 327.),

[570/0592]

um als Geld verwendet werden zu können3). Die Lebhaftigkeit

des Güterumlaufes oder vielmehr die Urſachen derſelben erheiſchen

verſchiedene Leichtigkeit des Umlaufsmittels, um mit der geringſten

Mühe und mit dem wenigſten Zeitaufwande die größten Werthe

umzuſetzen. Daher kommt es auch, daß mit den Hauptperioden

im Steigen der Civiliſation auch immer eine neue Erſcheinung im

Geldweſen ſich herausſtellt, indem die Nationen ſtets das nächſt

werthvollere Metall als Umlaufsmittel gebrauchen4), ſich aber

auch zugleich nur eines Metalles als Hauptumlaufsmittels bedie-

nen und die andern blos als Ausgleichungsmittel von Bruchtheilen

oder kleineren Werthen benutzen. Denn ſo wie jedes Maaß, ſo

muß auch das Preismaaß eine möglichſt unveränderliche Einheit

ſein. Allein wenn auch die Wahl des Geldmateriales nach dem

Gebrauchswerthe getroffen iſt, ſo bleibt immer der Tauſchwerth

des Metallgeldes dasjenige Moment, woraus ſich eine große Menge

von Erſcheinungen im Völkerverkehre erklären läßt, weil ſeine

Veränderungen die Urſachen derſelben ſind. Derſelbe richtet ſich

nach der Menge von Schaffungsarbeit, welche auf das Geldmetall

und Metallgeld verwandt wurde5), und nach der Seltenheit oder

Menge, in welcher beide zu haben ſind6). Da dieſe Verhältniſſe

in verſchiedenen Ländern und Zeiten verſchieden ſind, ſo muß es

auch der Tauſchwerth des Metallgeldes daſelbſt ſein7). 3) Der

Umlauf des Metallgeldes. Derſelbe kann nur als die Folge

der Wirthſchaftsverhältniſſe der Völker betrachtet werden, weßhalb

ſich ſeine Lebhaftigkeit nach jener des allgemeinen Güterumlaufes

richtet. Je dichter die Bevölkerung, je raſcher die Production,

je größer der Reichthum und je höher die Manchfaltigkeit von

Gütern, Nutzungen und Leiſtungen iſt, deſto lebhafter und ſchneller

iſt der Geldumlauf. Kommt nun noch hinzu, daß verhältnißmäßig

wenig Geld vorhanden iſt, ſo muß unter übrigens gleichen Um-

ſtänden jedes Geldſtück ſchneller von Hand zu Hand gehen, wäh-

rend umgekehrt der Umlauf der Geldſtücke neben reißendem allge-

meinen Güterumlaufe abnehmen kann, ſobald ſich die Geldmenge

über den wahren Bedarf vermehrt. Aus dieſen Schwankungen

geht aber dann auch hervor, daß man weder die wirkliche

noch die erforderliche Geldmenge für eine Nation8) genau be-

ſtimmen kann, namentlich da man neben dem Metallgelde noch

andere Umlaufsmittel und andere Wege hat, gegenſeitige For-

derungen ohne Baarſchaft auszugleichen9).

¹ Zur Literatur, außer den im §. 326. N. 1. erwähnten Schriften: A. smith

Inquiry. I. 33. II. 17. steuart polit. Economy. Book III. say Cours. II. 352.

Ueberſ. von v. Th. II. 262. storch Cours, Ueberſ. von Rau. I. 415. simonde

[571/0593]

¹ de sismondi Richesse commerciale. I. 126. Mill Elements of polit. Econ, p. 128.

Thom. smith An Attempt to define etc. pag. 19. Torrens On the production of

Wealth. p. 290. Mac-Culloch Principles. p. 138. Ueberſ. von v. Weber. p. 109.

Deſſelben Dictionary of Commerce Deutſche Bearbeitung von Richter Bd. I.

S. 702. Hermann Unterſuch. S. 109. Rau polit. Oeconom. I. §. 257. Lotz

Handb. I. 66. 473. Krauſe Verſuch eines Syſtems. I. 129. Babbage Ma-

ſchinenweſen. Kap. 14. S. 120. Hufeland Grundlegung. Thl. II. v. Soden

Nat. Oeconomie. II. Bd. 3. Buch. S. 295. v. Ekendahl Allgem. Staatslehre.

II. 499. Pölitz Staatswiſſ II. 109. 232. Spittler Vorleſ. über Polit. S. 392.

Nebenins der öffentl. Credit. I. 89. 188. Gioja Nuovo Prospetto. III 58. 76.

Belloni Dissert. sopra il Commercio. = Economisti. P. mod II. p. 39. Genovesi

Lezioni di Econom. civile. II. 291. = Economisti P. mod. VIII. Beccaria Ele-

menti. II. 7. = Economisti. P. mod. Tom. XII. Verri Meditazioni sull' Econ.

politica. pag. 16. 164. = Economisti. P. mod. XV. Deſſelben Dialogo sul

disordine delle Monete dello stato di Milano nel anno 1762 und Consulta sulla

Riforma delle Monete dello stato di Milano, nel anno 1772 = Economisti. P.

mod. Tom. XVI 164. 290.

² Dies kann von allen Völkern, deren Geſchichte weit genug hinausreicht,

bewieſen werden. Von den Etruskern und Doriern in Italien und Sicilien, von

den Römern und Deutſchen, und von ſämmtlichen abendländiſchen andern Völkern

iſt es bewieſen (O. Müller, die Etrusker. I. 303. Deſſelben Dorier. II. 214.

Schulz, Grundlegung zu einer geſchichtl. Staatswiſſenſchaft der Römer. S. 130.

Meine Verſuche. S. 139.), daß ſie zuerſt Erz oder Kupfer und Eiſen, und dann

erſt Silber und Gold zu Metallgeld nahmen. Die älteſten bekannten Völker hatten

Silber, und beſonders Gold in Ueberfluß, allein nicht als Geld, ſondern bei dem

vorherrſchenden Tauſchhandel als Waaren; als ſolche oder als ein Naturale wurde

es nebſt andern Naturalien auch als Steuer bezahlt. So in Aſien überhaupt und

in Perſien (Heeren Ideen. I. Bd. 1. Abthl. S. 78. 360. nach Herodot. III.

95. 96.), bei den Phöniziern und Babyloniern (Heeren Ideen. I. Bd. 2te Abthl.

S. 90. 138.). Die Karthager hatten Gold- und Silbermünzen (Heeren Ideen.

II. Bd. 1te Abthl. S. 112. 144.) und Gold war ein Hauptgegenſtand ihres Han-

dels, allein dieſes Volk ſtand in der Zeit, aus welcher man dieſe Münzen hat, auf

einem hohen Grade von Cultur und war ein Handelsvolk erſter Größe. Bei den

Aethiopiern war das Erz und bei den Aegyptiern das Gold ſehr ſelten (Heeren

Ideen. II. Bd. 1te Abthl. S. 256. 266. 295. II. Bd. 2te Abthl. S. 173. 180.).

Letztere bezogen dieſes aus dem goldreichen Aethiopien, der Handel derſelben nach

Außen war ſehr gehemmt, bis die Griechen dahin gelangten, und von ihrem Münz-

weſen weiß man nichts. Die Chineſen hatten auch Kupfer- vor den Silber- und

Goldmünzen (Buſch Handb. der Erfindungen. 4te Aufl. IX. 400.). An Rußland

ſieht man dieſe Erſcheinung noch heut zu Tage. Nur Griechenland macht den Ge-

lehrten Widerſpruch, weil die Geſchichte lehre, daß es mit Silbermünzen angefangen

hätte (Böckh, Staatshaushalt der Athener. I. 15. Müller, die Etrusker. I.

305. Heeren Ideen. III. Bd. 1te Abthlg. S. 205) und dieſe Forſchungen wen-

dete der einſichtsvolle Beurtheiler meiner Verſuche über Staatskredit in den Göt-

tinger Gelehrt. Anzeigen. Jahrg. 1833. Stück 138. gegen meine obige Behauptung

ein. Allein die Periode vom trojaniſchen Kriege (Ilions Zerſtörung a. 1209 v. Chr),

bei deſſen Erzählung Homer noch gar kein Geld erwähnt, bis zum angeblich erſten

Erſcheinen der Silbermünzen (unter König Pheidon in Aegina a. 895 v. Chr.) iſt

nicht genug erforſcht; in derſelben müßte aber das Kupfer- oder Erzgeld gegolten

haben. Dafür aber, daß in derſelben dieſes Letztere in Gebrauch war, möchte ein-

mal der Umſtand ſprechen, daß Lycurg (a. 880 v. Chr.) den Spartanern Geld aus

Edelmetall verbot, alſo ungefähr in der Zeit, als Silbergeld in andern Theilen

Griechenlands eingeführt wurde. Griechenland war damals bereits ein bedeutender

Handelsſtaat Weil nun die Städte auf der argoliſchen Küſte die Handelsplätze für

den auswärtigen Handel waren, ſo konnte ihnen ein Nationalgeſetz wie obiges nur

ſchädlich ſein und die Einführung der Silber- anſtatt der Erzwährung war für ſie

im Intereſſe von Lakonien und Arcadien nothwendig. Aus ähnlichen Gründen hatte

in Sparta blos der Staat und der König das Recht, Silbermünzen zu haben, zum

Theile, weil die politiſchen Verbindungen mit dem Auslande und die Erhaltung

[572/0594]

² der Truppen daſelbſt ſolches und Goldgeld erheiſchten, zum Theile, weil die

Perioiken, die im Beſitze des Handels waren und alſo Silbergeld haben mußten,

wohl in ſolchem die Abgaben entrichteten. S. Müller die Dorier. II. 205 folg.

213. I. 157. Wachler Archaeol. numismaria. p. 33.

³ Das Metall allein hat die beſten Eigenſchaften, um für beide Zwecke

zugleich zu dienen, jedoch ſind ſeine Eigenſchaften als Umlaufsmittel beſſer denn

jene als Preismaaß. Denn die Edelmetalle erleiden ſelbſt in größeren Perioden

bedeutende Veränderungen im Preiſe, obſchon ſie von Jahr zu Jahr ſich darin ſo

ziemlich gleich bleiben. Die wichtigſten bekannten Perioden von ſolchen Veränderungen

ſind: die Entdeckung Spaniens durch die Phönicier; die Eroberung Perſiens durch

Alexander d. Gr.; die Eroberungen der römiſchen Republik im Oriente; die Völker-

wanderung; die Kreutzzüge; die Entdeckung von Weſtindien und America; jene des

Weges um das Vorgebirge der guten Hoffnung nach Oſtindien, weil dadurch der

Silberabfluß dahin begünſtigt wurde, der ſchon früher Statt gefunden hatte; die

amerikaniſche Revolution a. 1810, wobei die Bergwerke zu Grunde gerichtet wurden

(A. Smith Inquiry. I. 267. 398. Franzöſ. Ueberſ. von Garnier. V. 64. Rau

polit. Oeconom. I. §. 171. der 2ten oder §. 180. N. a. der 1ten Ausg. Galiani

Della Moneta. I. 86. Quarterly Review. Tom. 46. (a. 1830) p. 288. Meine

Verſuche. S. 161. 173. 358.). Wegen dieſer Unbrauchbarkeit der Edelmetalle, um

wenigſtens für alle Zeiten als Preismaaß zu dienen, hat ſchon A. Smith (Inquiry.

I. 44. 48. 291. Ueberſ. von Garve. I. 45. 49. 56.) danach geſtrebt, einen

möglichſt richtigen Maaßſtab des Tauſchwerthes (Exchangeable Value) und anſtatt

des Nominalpreiſes in Metall einen Realpreis der Dinge in irgend einem

andern Gute, das beſſer als Gold und Silber zum Preismaaße dienen könnte, zu

finden. Er erkannte als ſolchen Maaßſtab des Tauſchwerthes zuerſt a) die Arbeit

an, weil der Tauſchwerth der Güter für den Vertauſchenden der damit zu erfaſ-

ſenden Arbeitsmenge gleichkomme und für den Arbeiter eine gleiche Quantität

Arbeit örtlich und zeitlich gleichen Werth habe. Dieſer eben ſo einfache als richtige

Satz fand vielen Widerſpruch unter den neueren Gelehrten, aber in der That blos,

weil A. Smith mißverſtanden wurde. Kraus (Staatswirthſch. I. 84. Vermiſchte

Schriften. II. 102.), Rau (polit. Oeconom. I. §. 174. und 175. der 2ten oder

§. 183. und 184. der 1ten Ausg.), Malthus (Principles. ch. 1. sect. 6. ch. 2.

sect. 2 u. 3.), Jacob (Nat. Oeconom. S. 70. 114.), Lotz (Reviſion. I. §. 30.

31. Handb. I. S. 45.), Hermann (Unterſuch. S. 130.) und say (Traité. II. 118.

Cours. III. 3. Ueberſ. III. 3.) haben ſämmtlich eine unrichtige Vorſtellung von

jener Anſicht. Rau legt ihm die Behauptungen unter, die Arbeit ſei das Maaß

des Preiſes der Güter, man könne ſich aber wegen der Verſchiedenheit der Arbeit

nur der gemeinen kunſtloſen Arbeit dazu bedienen und es ſei daher die Arbeit nach

ihrem jedesmaligen Lohne dazu zu nehmen. Namentlich im letzten dieſer drei Sätze

ſtimmt mit ihm Kraus, v. Jacob und Hermann überein, im zweiten Mal-

thus und v. Jacob, im Erſten aber Lotz und die meiſten Gelehrten von Fach,

während Say und Hermann die Verſchiedenheit des Arbeitslohnes gegen

A. Smith geltend machen, der Erſtere zeigt, daß, wenn der Arbeitslohn ſich ver-

ändere, auch der Arbeiter indirect verſchiedene Arbeit dafür leiſte, der Andere aber

behauptet, daß die Arbeit nicht unmittelbar mit den Producten ſteige, indem auch

Capital zur Production verwendet werde, und Lotz gegen Smith einwendet, nicht

die Arbeit, ſondern der Grad der Tauglichkeit für die Menſchenzwecke beſtimme den

Werth der Güter. Allein dieſe kämpfen ſämmtlich gegen etwas, was A. Smith

nicht behauptet hat. Denn keine Stelle zeigt klarer, daß dieſer einen Unterſchied

zwiſchen Tauſchwerth und Preis macht; er erklärt die Arbeit für den Maaßſtab des

Tauſchwerthes, nicht des Preiſes; er ſagt ausdrücklich, es ſei wegen der verſchie-

denen Schwierigkeit der Arbeit und wegen der hiernach dazu erforderlichen Zeit und

Talente oft ſehr ſchwer, zwei Arbeiten mit einander zu vergleichen, weil ſich nur

hiernach ihr Werth beſtimmen laſſe, man nehme es aber im Leben nicht ſo genau,

indem die Beſtimmung darüber auf dem Markte durch das Feilſchen und Dingen

geſchehe, nach einer gewiſſen rauhen Gleichheit, welche, obſchon nicht genau, doch

hinreichend ſei zum Betriebe eines gewöhnlichen Geſchäftes; er ſagt nirgend, der

Arbeitslohn ſei das Maaß des Tauſchwerthes, noch weit weniger des Preiſes, ſon-

dern blos, gleiche Arbeit ſei in allen Zeiten und Orten für den Arbeitenden an ſich

[573/0595]

³ von gleichem Werthe, ein unbeſtreitbarer Satz, der Arbeiter mag dafür einen

höheren oder niederern Lohn erhalten, denn nicht die Arbeit, ſondern der Lohn

wechſelt; A. Smith zeigt beſſer als jeder andere die Ungleichheit des Arbeitslohns

(Inquiry. I. 104. 176. 210.); endlich darf nicht vergeſſen werden, daß er nicht

vom Maaßſtabe des Gebrauchswerthes, worüber ihn Lotz angreift, ſondern von

jenem des Tauſchwerthes ſpricht. So iſt die Anſicht der Smith'ſchen Schule zu

beurtheilen. Dieſer tritt die Ricardo'ſche Schule entgegen (Ricardo Principles.

chap. I. XXVIII. Mac-Culloch Principles. p. 214. 261. 313. 318. Ueberſ. von

v. Weber. S. 170. 208. 251. 256. Mill Elements. pag. 92. Torrens On the

production. p. 24. Auch Read Polit. Economy p. 236. ſoll, nach Hermann,

derſelben Anſicht ſein.) Ricardo (p. 8–14.) ſtimmt der Anſicht von A. Smith

bei, daß das Verhältniß zwiſchen den umzutauſchenden Arbeitsmengen die richtige

Regel für den Tauſch abgebe oder umgekehrt rückwärts geſchloſſen, daß die ver-

glichene Productenmenge einer Arbeit den relativen Werth der Letzteren beſtimme,

daß der Wechſel in der zu einer Arbeit nöthigen Geſchicklichkeit, Anlage und Zeit,

ſei ſie urſprünglich auch noch ſo ungleich, von Jahr zu Jahr ſehr unbeträchtlich ſei,

folglich auf den relativen Werth der Waaren für kurze Perioden wenig Einfluß

habe, und daß, wenn man die Arbeit als Tauſchmaaß gebrauche, nicht blos ihre

Menge, ſondern auch die dazu erforderliche Geſchicklichkeit und die Intenſität der-

ſelben zu berechnen ſei. Allein er greift denſelben (p. 4–6.) damit an, daß nicht

die für eine Arbeit im Verkehre einzutauſchende Gütermenge den Werth derſelben

beſtimme oder umgekehrt, daß die Productions- und Herbeiſchaffungsarbeit, aber

keineswegs diejenige Arbeit, über die es auf dem Markte verfügen kann, den

Tauſchwerth eines Gutes beſtimme; denn dieſe Letztere iſt fluctuirend, dagegen die

Erſtere unveränderlich. Dieſe äußerſt ſcharfſinnige Entgegnung iſt nicht blos richtig,

ſondern ſie zeigt auch wieder ſehr genau, wie man zwiſchen Tauſchwerth und Preis

unterſcheiden muß, welche beiden Begriffe A. Smith hier offenbar verwechſelt

hat, indem er den Preis der Arbeit für den Maaßſtab ihres Tauſchwerthes annahm.

In anderer Hinſicht möchte aber Ricardo Unrecht haben. Er bemerkt mit ge-

wohnter Schärfe (p. 8–10.), wenn eine noch ſo große Arbeitsmenge als früher

zur Production gewiſſer Lebensmittel geſucht werde, ſo könne ſich die Vergütung

des Arbeiters ein klein wenig verändern, und wenn dieſe früher eine gewiſſe

Quantität Lebensmittel geweſen ſei, ſo könne derſelbe jetzt nicht mehr leben;

die Lebensmittel ſeien jetzt im Werthe, nach der Productionsarbeit, geſtiegen, aber im

Werthe, nach der einzutauſchenden Arbeit, äußerſt wenig geſtiegen. A. Smith's

Anſicht könne daher nicht richtig ſein, da er behaupte, nicht der Werth der Arbeit,

ſondern jener der dafür eingetauſchten Güter habe ſich verändert, wenn jene manch-

mal mehr oder weniger Güter ertauſche. Denn Ricardo überſah wohl dabei, daß

A. Smith nicht von dem Werthe der Arbeit für Andere, ſondern von jenem für

den Arbeitenden ſelbſt ſpricht. Für dieſen bleibt gleiche Arbeit an ſich ſtets in

gleichem Werthe, obſchon der Preis dafür wechſeln kann, und wenn dies geſchieht,

ſo liegt der Grund davon im Urtheile Anderer über den Werth der Arbeit und

über jenen der hinzugebenden Güter. Mac-Culloch ſtellt dieſe Sätze auch zu-

ſammen, indem er ſehr intereſſant zeigt, daß, wenn dasjenige, was gleiche Mühe

koſte, ſich im Werthe gleich ſei und Producte von gleicher Arbeit auch gegen ein-

ander vertauſcht würden, damit noch nicht geſagt ſei, daß das Letztere auch immer

Statt finden müſſe und im Gegentheile vielmehr ſchon des Gewinnes willen mehr

Arbeit eingetauſcht werden müſſe. Man erſieht hieraus leicht, wie wenig Rau's

Einwendungen gegen dieſe Behauptungen entſcheiden. Denn, daß es kein Gut von

unveränderlichen Koſten gebe und daß ſich die Preiſe von den Productionskoſten ent-

fernen, gibt die Ricardo'ſche Schule jedenfalls zu, ohne ſich zu widerſprechen.

Daß aber die Productionskoſten nicht blos in Arbeit, ſondern auch in Capital be-

ſtehen und außer dieſen beiden auch die Natur mitwirkt, das gibt ſie eben ſo

entſchieden zu, allein ſie ſagt, das Capital ſei aufgehäufte Arbeit, und ohne dieſe

ſei die von ſelbſt vorhandene Natur nutzlos. Tiefer als die ſo eben genannten ſind

die Einwendungen von Hermann (Unterſuch. S. 132.), indem er ſagt, die

Capitalnutzung in zwei Producten könne nicht wohl gleich ſein, wenn es aber doch

ſo wäre, ſo vermöge doch die verſchiedene Arbeit nicht allein den Preis zu beſtim-

men, und wenn dieſe Sätze der Ricardo'ſchen Schule richtig wären, ſo könne es

[574/0596]

³ nicht blos heißen, 2 A. Arbeit gleich 2 mal ſo viel Arbeit als A., ſondern auch

A. Arbeit ſei ſtets gleich Q. Arbeit und es ſei folglich falſch, anzunehmen, jedes

Product tauſche mehr Arbeit ein, als es ſelbſt enthalte; denn wenn A.n =

B.[FORMEL].n, ſo könne B.n nicht = A.[FORMEL].n ſein, ein Widerſpruch, der Statt

finden müſſe, wenn jeder Producent gleichen Gewinnſt verlange, und es ſei thöricht,

für n Arbeit in A ohne weitere Vergeltung [FORMEL]n Arbeit zu geben, womit man

das A ja 1¼ mal herſtellen könne. Allein die erſte Behauptung iſt durch die

Erfahrung häufig widerlegt und der andern liegt ein Mißverſtändniß zu Grunde,

an dem Mac-Culloch's Deutlichkeit nicht Schuld iſt. Als mathematiſche Sätze

ſind jene Gleichungen nicht zu läugnen, aber gerade die mathematiſchen Formeln

taugen nicht zur Erläuterung von Verkehrsgeſetzen. Durch dieſelben muß Hermann

auch läugnen, daß Jemand im Tauſche gewinne. Wer [FORMEL].n Arbeit für ein Pro-

duct von 1n Arbeit gibt, der wird berechnet haben, daß er [FORMEL].n oder noch mehr

Arbeit ſelbſt anwenden mußte, um es ſelbſt zu machen und daß es eben mehr

Gebrauchswerth für ihn hat, als ſein Product von 1n oder [FORMEL]n eigener Arbeit.

Es darf nicht vergeſſen werden, welche Umſtände noch mit dem Tauſchwerthe auf

den Preis wirken. — So weit beide Schulen über die Arbeit, als Maaßſtab des

Tauſchwerthes! A. Smith ſchlug aber als conſtanteſtes Maaß des Preiſes für

große Perioden b) das Getreide vor, oder um ſein beſonderes Beiſpiel zu ge-

brauchen, er räth an, fixirte Renten eher in Getreide als in Edelmetall feſtzuſetzen,

weil der Preis des Getreides, zwar von Jahr zu Jahr, aber keineswegs in großen

Perioden nach Durchſchnitten (§. 61. N. 4.) ſehr verſchieden, weil es ein ſtändiges

und Hauptlebensmittel der arbeitenden Klaſſe, alſo fortwährend begehrt ſei und

dieſem mit der Bevölkerung ſteigenden Begehre auch entſprochen werden könne

(Inquiry. I. 51 folg. 292 folg.). Die Wahrheit hiervon erkannte man in dieſer

Ausdehnung allenthalben an, obſchon auch dieſer Maaßſtab nicht Alles leiſtet, was

man verlangt. Allein Ricardo (Principles. p. 6–8. und p. 478 folg.) wider-

ſpricht hierüber A. Smith wieder, indem er ſagt, Gold und Silber ſei nicht

weniger dazu tauglich als Getreide, denn ihre Quantität hänge von denſelben Um-

ſtänden in der Production und im Tauſche ab, und A. Smith habe insbeſondere

mit der Behauptung Unrecht, daß Alles, nur nicht Getreide und andere Vegetabilien,

mit den Fortſchritten der Geſellſchaft theurer werde, denn auch jene haben einen

veränderlichen Werth und auch das Korn erfordere etwas Beſtimmtes, was zu ſeiner

Production nöthig ſei. Allein A. Smith hat jenes gar nicht behauptet, dies zeigt

ſeine ganze Unterſuchung über die Kornpreiſe; auch ſagt er blos, das Getreide ſei

als allgemeinſtes Bedürfniß und wegen ſeiner beſſeren Productionsverhältniſſe, vor

allen Waaren, namentlich vor Silber und Gold zum Preismaaße für große

Perioden, dieſe Letzteren aber von Jahr zu Jahr beſſer als jenes dazu zu gebrauchen.

Unterſuchungen über Getreidepreiſe ſ. bei Kraus, Aufſätze über ſtaatswirthſchaftliche

Gegenſtände. I. 267. Frohn, Ueber Cultur, Handel und Preiſe des Getreides in

Baiern. München 1799. Unger, Von der Ordnung der Fruchtpreiſe. Göttingen

1752. v. Gülich, Geſchichtliche Darſtellung des Handels c. Tabellen. II. 22.

W. Jacob, Report on the trade in foreign corn. London 1826. Rau polit.

Oeconom. I. §. 177–178. der 2ten oder § 185. der 1ten Ausg. Hermann

Unterſuch. S. 122 folg. Meine Verſuche. S. 161. 253. A. smith Inquiry. I.

376 sqq. Ueberſ. von Garnier. V 152. Möglinſche Annalen. I. (1805)

S. 275. XIII. (1824) S. 250. 269. 432. statistical Illustrations. III. Edit.

pag. 97. Tooke, On the high and low Prices. Lond. 1823. II T. Eine Anlei-

tung zum Gebrauche des Getreides als Preismaaß ſ. m. unter Andern bei Her-

mann a. a. O. S. 117 folg.

⁴⁾ Erſt auf Blei, Eiſen, Erz und Kupfer folgte nach allgemeinen Reſultaten

geſchichtlicher Forſchung, Silber und Gold. Immer wird Eines als vorherrſchendes

Umlaufsmittel und Preismaaß gelten. Da Gold nicht mehr für die Umſätze hin-

reichte, ſelbſt nachdem man es ſchon in Barren (Stangen) brauchte, entſtand das

Wechſelinſtitut, das Papiergeld, und manche andere auf Kredit beruhende Umſatz-

und Ausgleichungsmittel.

⁵⁾ In dieſer Hinſicht bleibt er ſich ſo ziemlich gleich, weil auch die Gewin-

nungsarbeit ſo ziemlich dieſelbe bleibt.

[575/0597]

⁶⁾ Dies findet nach den oben angegebenen Prinzipien des Tauſchwerthes Statt

(§. 402.). Die in einem Lande vorhandene Geldmenge regulirt ſich aber immer

ſo viel als möglich nach dem Bedarfe daran. Iſt a) zu viel in demſelben, ſo ſinkt

ſein Tauſchwerth, ſo wie der des Metallgeldes, und der Tauſchwerth der anderen

Waaren, Nutzungen und Leiſtungen ſteigt relativ gegen jenen, wenn er an ſich auch

nicht größer geworden iſt, d. h. man gibt mehr Edelmetall oder Metallgeld dafür,

als zuvor und dadurch wird das Ausland angezogen, in dieſem Lande Waaren gegen

Gold abzuſetzen und dieſes mitzunehmen, was ſo lange fortgeht, bis das Gleich-

gewicht wieder hergeſtellt iſt. Iſt b) zu wenig in demſelben, ſo ſteigt ſein Tauſch-

werth und jener des Metallgeldes, woraus ein relatives Sinken des Tauſchwerthes

der andern Waaren, der Nutzungen und Leiſtungen entſteht, d. h. bewirkt wird,

daß man mehr Waaren u. ſ. w. für das Edelmetall und Metallgeld gibt und

wegen dieſer Wohlfeilheit der Güter, Nutzungen und Leiſtungen das Ausland zum

Eintauſche mit ſeinem Gelde angezogen wird, bis das Gleichgewicht: abermals her-

geſtellt iſt. Iſt c) zu viel Metallgeld im Verhältniſſe zu dem anderweitigen Ver-

brauche der Edelmetalle vorhanden, ſo finden nicht blos die Erſcheinungen unter a

Statt, ſondern es wird auch Metallgeld eingeſchmolzen, bis das Gleichgewicht wieder

hergeſtellt iſt, da der Tauſchwerth des Metallgeldes gegen jenen des Edelmetalls

gefallen, alſo jener des Letzteren geſtiegen war. Iſt aber d) zu wenig Metallgeld

im Verhältniſſe zum übrigen Verbrauche des Edelmetalls vorhanden, ſo ſteigt ſein

Tauſchwerth gegen jenen des Letzteren und es treten nicht die Erſcheinungen von b

ein, ſondern man wendet die Edelmetalle von ihrem andern Gebrauche jetzt mehr

ab, und der Münze zu, bis auch hier wieder das gehörige Verhältniß beſteht.

Man darf ſich aber nicht vorſtellen, als ob dieſe Veränderungen ohne Hinderniſſe

raſch auf einander folgten. Es gibt im Gegentheile allerlei entgegenwirkende Um-

ſtände, welche dieſe Erſcheinungen zwar nicht unmöglich machen, aber doch aufhalten.

Es gehören hierher a) die Aus- und Einfuhrverbote; b) die Auslagen, welche mit

der Waaren- und Metallſendung von einem Lande zum andern verbunden ſind,

und alſo den Preis derſelben erhöhen; c) der Umſtand, daß an ſich die Erſcheinung

der Waaren und Metalle auf dem vortheilhaften Markte nicht auf einmal erſcheinen

und folglich in einem Lande in verſchiedenen Bezirken und bei verſchiedenen Waa-

ren, Nutzungen und Leiſtungen eine Miſchung obiger Erſcheinungen eintreten kann;

d) der Umſtand, daß bei hohen Preiſen die Concurrenz der Producenten, Handels-

leute, Ausleihenden und Dienſtleiſtenden zunimmt und eine Verminderung der Preiſe

dadurch veranlaßt wird, die dem erſteren Grunde der Erhöhung wieder einigermaßen

entgegenwirkt, und daß bei niedrigeren Preiſen, Nutzungen und Leiſtungen ein

Streben entſteht, die Production zu verbeſſern und ſich verhältnißmäßig mehr ein-

zuſchränken, um die Güter, Nutzungen und Leiſtungen auch wohlfeiler geben zu

können, damit man von der Concurrenz nicht ausgeſchloſſen bleibe; und endlich

e) das Beſtreben der Gewerbsunternehmer, ihrerſeits der Verwohlfeilerung der

Producte, Nutzungen und Leiſtungen entgegen zu arbeiten. Allgemeiner ausdrückend

kann man alle dieſe Punkte damit zuſammenfaſſen, daß es die vielen andern Um-

ſtände, welche den freien Verkehr hindern, und diejenigen, welche den Preis

reguliren, ſind, wodurch jener Wirkung des Tauſchwerthes begegnet wird. S. auch

Rau polit. Oeconom. I. §. 268 folg. Nebenius, Der öffentliche Credit. I. 99.

storch Cours, Ueberſ. von Rau. I. 480. Ricardo Principles. pag. 481 folg.

A. smith Inquiry. II. 108. 240. Meine Verſuche. S. 74 folg. senior, Three

Lectures on the transmission of precions Metals. London 1830. Dieſe Sätze ſind

zugleich eine Widerlegung des mercantiliſchen Syſtems.

⁷⁾ Ueber die verſchiedenen Tauſchwerthsverhältniſſe von Gold und Silber in

verſchiedenen Ländern und Zeiten finden ſich Unterſuchungen in: Meinen Ver-

ſuchen. S. 93. 101. 163. 167 u. 168. Gioja Nuovo Prospetto. III. pag. 102.

Genovesi Lezioni II. 325. Galiani Della Moneta. II. p. 20. S. oben §. 328.

Note 5. Tooke a. a. O. I. 21.

⁸⁾ Berechnungen über die wirklich vorhandene Geldmenge in einzelnen Ländern

und Erdtheilen finden ſich angeführt bei Rau polit. Oeconom. I. §. 266. storch

Cours, Ueberſ. von Rau. III. 50. Auch in meinen Verſuchen S. 104. Ueber

die Metallproduction auf der Erde finden ſich Berechnungen bei W. Jacob, An

[576/0598]

⁸⁾ historical Inquiry into the production and consumtion of precious Metals. London

1831. II Tom. Quarterly Review. Tom. 43. (1830) p. 281. Biblioth. univer-

selle (1832). Août. Hesperus v. J. 1830. Nr. 29. Berghaus Annalen v. J.

1831. Februar. storch Cours, Ueberſ. von Rau. III. 34. Rau polit. Oeconom.

I. §. 277. a. der 2ten Ausg. say Cours. II. 400. Ueberſ. von v. Th. II. 297.

v. Gülich Geſchichtl. Darſtellung. II. 556. 579. Die nothwendige Geldmenge

richtet ſich nach dem Güterverkaufe und den außer dem Gelde noch gebräuchlichen

Umlaufsmitteln, ſie läßt ſich aber nicht wohl berechnen.

⁹⁾ S. oben Note 4. und §. 344. Note 1.

§. 414.

Fortſetzung. b) Papiergeld.

Ueber die Natur und Arten des Papiergeldes iſt bereits oben

(§. 329.) abgehandelt. Die nationalöconomiſchen Fragen über

daſſelbe beziehen ſich auch auf die beim Metallgelde hervorgehobenen

Punkte1). Was zunächſt 1) das Geſchichtliche über das

Papiergeld anbelangt, ſo iſt nichts klarer, als daß es im Ent-

wickelungsgange der Volkswirthſchaft ohne Zwang und Erkünſtelung

nur dann von ſelbſt entſtehen wird, wenn das Metallgeld und die

andern (§. 413. N. 4.) genannten Umlaufsmittel für die Lebhaf-

tigkeit und Manchfaltigkeit des Verkehrs nicht mehr zureichend

ſind und wenn der Kredit im bürgerlichen Verkehre hoch genug iſt,

um das gehörige Vertrauen auf ein ſolches Inſtitut zu gewähren.

Allein, — auffallend genug — die Geſchichte des Papiergeldes

zeigt, daß es nicht eigentlich aus jenen Gründen, ſondern vielmehr

in der Abſicht creirt worden iſt, um den Geldverlegenheiten der

Regierungen abzuhelfen, und daß auch hier die Staaten für ihr

unzeitiges Eingreifen in das Verkehrsleben ſchrecklich beſtraft wor-

den ſind2). In Beziehung auf 2) den Werth des Papiergel-

des iſt es wichtig, den Gebrauchs- und Tauſchwerth zu unter-

ſcheiden. Der Erſtere richtet ſich nach dem Grade der Nothwen-

digkeit und Nützlichkeit deſſelben für den Verkehr aus den ſo eben

angegebenen Gründen ſeiner natürlichen zwangloſen Entſtehung und

nach der Meinung, welche unter dem Volke darüber herrſcht, ſo

wie auch nach der äußeren Beſchaffenheit des Papiergeldes3). Was

den Tauſchwerth dagegen anbelangt, ſo erſieht man bei dem Papier-

gelde gerade ſehr deutlich, daß es ohne Gebrauchswerth keinen

ſolchen gibt. Es muß alſo hierbei ausdrücklich gemerkt werden,

daß ſich der Tauſchwerth des Papiergeldes außer nach den Regu-

latoren ſeines Gebrauchswerthes auch noch nach der umlaufenden

Menge davon und nach den Werthsverhältniſſen des Metallgeldes

richtet4). Was endlich 3) den Umlauf des Papiergeldes be-

trifft, ſo gelten von ihm auch die im vorigen Paragraphen über

[577/0599]

den Geldumlauf gemachten Bemerkungen. Es iſt aber, da daſſelbe

für ſich keinen Werth hat, zu bemerken, daß ſein Umlauf vor

Allem vom Zutrauen, welches es genießt, und von dem Verhält-

niſſe deſſelben zum umlaufenden Metallgelde5) abhängig iſt. Wäh-

rend man jedoch nach den Rechnungen der daſſelbe ausgebenden

Anſtalt die wirkliche circulirende Menge deſſelben bis auf dasjenige,

was zu Grunde und etwa ins Ausland gegangen iſt, beſtimmen

kann, ſo iſt es aber bei ihm noch weit ſchwieriger als beim Metall-

gelde, anzugeben, welche Menge davon für den Verkehr nöthig iſt,

da man außer den beim Metallgelde dafür angegebenen Haltpunkten

noch wohl die Quantität des circulirenden Metallgeldes und den

Einfluß der Papiergeldemiſſion auf jene berückſichtigen muß6).

¹ Zur Literatur ſ. §. 329. N. 1. und folgende Schriften: A. smith Inquiry.

II. 28. Ueberſ. von Garve. II. 29. say Cours. III. 54. Ueberſ. von v. Th.

III. 43. storch Cours, Ueberſ. von Rau. I. 436. II. 48. 102. Necker, de

l'administration des finances. III. 317. simonde de sismondi, Rich. commerc.

I. 60. Th. smith, An attempt etc. etc. chap. V. p. 36. Torrens, On the pro-

duction. sect. V. p. 290. Mill Elements. p. 146. 150. 152. Ricardo Principles.

ch. XXVII. Ravenstone, A few doubts. p. 367. Buchanan in ſeiner Ausgabe

von A. Smith. IV. Excurse II. pag. 87. = Hermes XIII. (1822) S. 139.

Rau polit. Oeconom. I. §. 293. Lotz Reviſion. II. §. 146. Handb. II. 354.

Hufeland Grundleg. II. 195. Thornton, der Papiercredit v. Großbrittannien.

Aus dem Engl. überſ. von Jacob. Halle 1803. storch, da papier-monnaie et

des moyens de le supprimer. Weimar 1810. (Aus der: Pallas, Stück 1, beſon-

ders abgedruckt.) Berghaus, das repräſentative Geldſyſtem c. Leipzig 1818.

Gioja Nuovo Prospetto. III. 135. Kraus Staatsw. III. 48.

² Die erſten Spuren eines ſolchen Vertretungszeichens für Metallgeld finden

ſich in der alten Stadt Carthago, wo man ſich für den inneren Gebrauch eines

Geldes bediente, das aus einem Stückchen Leder beſtand, in welches eine Maſſe

eingewickelt war, die Niemand außer der Staatsbehörde kannte. (Heeren Ideen.

Bd. II. Abthl. I. S. 113. Aeschines Dialog. edit. Fischer. p. 78) Bloße Münz-

zeichen hatten auch die griechiſchen Städte ſchon (Heeren Ideen. Bd. III. Abth. I.

S. 209.). O. Müller (die Dorier. II. 205.) hält das öfters genannte lederne

Geld für eine Fabel. Es ſcheint indeſſen kein großer Schritt nöthig zu ſein, um

von einem ſpartaniſchen Eiſengelde, deſſen Material chemiſch zu anderm Gebrauche

untauglich gemacht war, zu einem ledernen Münzzeichen für den innern Verkehr

überzugehen. In China kannte man daſſelbe bereits a. 807 nach Chriſtus, es

war mit Zwang vom Staate ausgegeben, ein anderes aber a. 1000 nach Chr. von

einer Geſellſchaft von Handelsleuten (Klaproth, Sur l'origine du papier-monnaie

in ſeinen Mémoires rélatifs à l'Asie. Paris 1824. = Biblioth. universelle. Litérat.

XXVII. 1.). Im 14ten Jahrhunderte fand Ihn Batuta daſelbſt blos Papiergeld

(Rau polit. Oeconom. I. §. 295. N. a.). Allein dies war ſchon um das Jahr

1270 nach Chr. der Fall, wie Marco Polo auf ſeiner Geſandtſchaftsreiſe nach

China daſelbſt bemerkte, es war aus Baumrinde verfertigt (Baldelli Boli, Il Mis-

sione di Marco Polo. Fireuze 1827. II. 199. Malcolm Geſchichte von Perſien,

aus dem Engl. überſ. von Becker. Leipzig 1830. I. 282.). In Perſien wurde

a. 1294 n. Chr. der erſte Verſuch gemacht (ſ. außer Malcolm auch Buſch

Handb. der Erfindungen. Bd. X. Abthl. 2. S. 65.). Kaiſer Friederich II. ließ

a. 1241 bei der Belagerung von Faenza wegen des Mangels an Metallgeld ein

Geld von Leder prägen und ausgeben. Es wurde angenommen und circulirte.

(v. Raumer, Geſchichte der Hohenſtaufen. III. 466. nach Malespini Historia Flo-

rentina. p. 130. und Villani Historie florentine. VI. 21., wobei er zugleich erwähnt,

unter Verweiſung auf Sanuto Vite de' Duchi di Venezia. p. 487., daß der Doge

Baumſtark Encyclopädie. 37

[578/0600]

² Dominico Michele ſchon a. 1123 ein ähnliches Mittel ergriffen habe, als ihm in

Syrien das Geld zur Löhnung der Matroſen mangelte. Er ließ Geld aus der

ledernen Zäumen der Pferde machen (ſ. Univerſaller. XXII. 467.). Daſſelbe

erzählt auch Enoch Widmann in ſeiner Chronik der Stadt Hof ad a. 1924.

(Buſch Handb. der Erfind. IX. 404., wo auch zugleich nach Oetters Geſch. der

Burggraf. v. Nürnb. I. 150. mitgetheilt wird, daß Kaiſer Wenzel a. 1385 den

Städten Nürnberg, Augsburg, Ulm und Hall den Gebrauch von Münzzeichen ge-

ſtattet habe). Als erſte Art einer Anſtalt in Europa, die wirklich Papiergeld

ausgab, war die Georgsbank in Genua, welche a. 1407, nicht geſtiftet, ſondern

ſchon beſſer eingerichtet wurde. Man ſ. über das Geſchichtliche derſelben und der

auf ſie folgenden Banken in andern Ländern die im §. 333. angef. Literatur.

Das erſte Beiſpiel eines Staatspapiergeldes in Europa findet ſich im J. 1701 in

Frankreich. S. Meine Verſuche. S. 242–249. 259–271. 281.

³ Die bloße finanzielle Noth eines Staates oder einer Geſellſchaft oder eines

Einzelnen wird nur in Zeiten großer Begeiſterung, aber alsdann auch nur einem

Papier- oder Ledergelde einen Umlauf geben, wenn man auf deſſen Bezahlung mit

Metallgeld oder auf eine andere Sicherung des Werthes der Menge, die man davon

beſitzt, nachdem beſſere Zeiten gekommen ſein werden, hoffen kann. Beiſpiele hier-

von gibt die Emiſſion von dem venetian. Dogen Michele und von Friedrich II.,

die in der Note 2. erwähnt ſind. Für längere Zeit und für den allgemeinen Um-

lauf ſind obige drei Vorausſetzungen nöthig. Denn a) ohne Zwang nimmt und

thut man im Verkehre nur das Nothwendige und Nützliche, ſo lange es dieſes iſt,

die Vortheile des Papiergeldes ſind aber die Erleichterung der Zahlungen, die

Entbehrlichkeit eines Theiles von Metallgeld für den Umlauf, ſo daß man denſelben

als Capital anwenden kann, und die Wohlfeilheit und beliebige Vermehrbarkeit der

Umlaufsmittel. Allein man darf darüber die möglichen großen Nachtheile des-

ſelben nicht vergeſſen, welche hauptſächlich darin beſtehen, daß leicht die Bedingungen

nicht erfüllt werden, unter denen es allein beſtehen kann, daß es leicht nachgemacht

werden kann (wie? ſ. bei Babbage Maſchinenweſen §. 94.) und daß der Tauſch-

werth deſſelben ſich mit den Schwankungen im Werthe des Metallgeldes oder Geld-

metalls verändert (Mill Elements p. 152.). Wenn aber das Papiergeld auch als

noch ſo nützlich erſcheint, ſo wird es ſich nicht halten können, ſo lange b) es die

öffentliche Meinung nicht für ſich hat, und dieſe hängt von dem Zutrauen auf das

Vermögen und die Perſon oder den Willen desjenigen ab, der es ausgibt, daß er

es, wenn man es präſentirt, auf der Stelle gegen Metallgeld, ſo wie er es beſtimmt

verſprochen hat, auch pünktlich einlöst. Dieſe Einlöſung darf ſich aber nicht blos

auf die ächten, ſondern ſie muß ſich auch auf die verfälſchten Papiergeldſtücke be-

ziehen, weil ſie gar ſchwer von einander zu unterſcheiden ſind. Dies iſt aber auch

eine Klugheitsmaßregel des Ausgebers, weil, wenn er es unterläßt, ein allgemeines

Mißtrauen gegen Papiergeld entſteht. Es iſt daher jedenfalls nöthig, daß man

c) dem Papiergelde eine ſo ſchwer als möglich nachahmliche Form gebe. S. Meine

Verſuche. S. 251–259. 265.

⁴⁾ Im Allgemeinen, ob ein Papiergeld Tauſchwerth habe, erſieht man aus

ſeinem ungezwungenen Umlaufe. Dieſen wird es aber nicht behalten, wenn es den

bezeichneten Gebrauchswerth nicht hat. Sinkt ſein Tauſchwerth aus Mangel hieraus,

ſo kann man ſagen, es ſinke abſolut im Tauſchwerthe. Papiergeld kann aber an

ſich, weil es dem Verkehre nöthig oder nützlich ſein würde, Gebrauchswerth haben,

während ſein Tauſchwerth immer mehr ſinkt. Dieſer letztere Fall tritt ein, ebenſo

wie beim Tauſchwerthe jeder Waare, wenn es in zu großer Menge umläuft und

wenn das Metallgeld aus andern Gründen im Tauſchwerthe ſteigt. In dieſen beiden

Fällen kann man ſagen, es ſinke relativ im Tauſchwerthe. Es iſt daher von

Wichtigkeit, über die Nothwendigkeit und Nützlichkeit einer Menge von Papiergeld

für den Verkehr Unterſuchungen anzuſtellen und die Wirkungen der Zunahme des

Tauſchwerthes des Metallgeldes auf jenen des Papiergeldes zu bezeichnen. Wenn in

einem Lande zu viel Metallgeld iſt, ſo findet es nach §. 413. ſeinen natürlichen

Abfluß. Dieſes iſt aber bei dem Papiergelde nicht der Fall, weil es im Auslande

in der Regel keine Geltung hat und als Materie werthlos iſt. Es folgt hieraus,

weil ein Land eines gewiſſen Werthes und Betrages von Umlaufsmitteln bedarf,

[579/0601]

⁴⁾ a) daß, wenn Papiergeld ausgegeben wird, Metallgeld aus dem Verkehre weicht.

Es haben ſich nun nach dieſem Prinzipe zwei verſchiedene Anſichten gebildet. Die

Smith'ſche Schule (A. Smith Inquiry. I. 372. 436. II. 149. 156. 158. 271.

III. 271.) nimmt eine ſtrenge gerade Verhältnißmäßigkeit zwiſchen der Menge vom

ausgegebenen Papiergelde und dem Entweichen des Metallgeldes aus dem Umlaufe

an und ſagt alſo: das umlaufende Papier- und Metallgeld zuſammen iſt nie mehr,

als vor der Emiſſion des Erſteren das Letztere betragen hat. Die Ricardo'ſche

Schule dagegen ſtellt den Werth des Umlaufsmittels voraus und ſagt: Ueberfluß an

Umlaufsmittel kann es nicht geben, denn vieles hat geringen und weniges hat

hohen Werth, das Papiergeld hat keinen Werth an ſich, aber es kann einen ſolchen

durch Beſchränkung ſeiner Menge bekommen, wie die Münzen, daraus folgt, daß

ſeine Einlösbarkeit zur Sicherung ſeines Werthes nicht nöthig iſt, ſondern vielmehr

blos ſeine Quantität nach dem Werthe des Metalls regulirt zu werden braucht,

welches als Umlaufsmittel gebraucht wird, ſei es Gold oder Silber; um aber das

Publicum vor jeder andern Werthsveränderung deſſelben zu ſichern und das Umlaufs-

mittel ſo wohlfeil als möglich zu machen, dazu gehört der möglich vollkommenſte

Zuſtand deſſelben und die Verpflichtung des Ausgebers, anſtatt Geldmünzen blos

ungemünztes Silber zur Werthsſicherung zu nehmen, denn dann wird das Papier-

geld, ohne eine Reduction ſeiner Menge nach ſich zu ziehen, nicht unter den Metall-

werth ſinken (Ricardo Principles. p. 447–453.) Erſtere Anſicht iſt bereits in

meinen Verſuchen S. 278 folg. an ſich und thatſächlich widerlegt. Es folgt näm-

lich daraus, daß A. Smith an verſchiedenen Stellen ſeines Buches zeigt, die

Geldmenge eines Landes hänge von ſeinem Kaufvermögen ab, ſtehe im geraden

Verhältniſſe zum wirkſamen Begehre und könne alſo die für den Umlauf nöthige

Summe nicht überſchreiten, obige Behauptung noch nicht; es kann vielmehr die

Induſtrie und der Umlauf in der Zwiſchenzeit lebhafter werden, woraus von ſelbſt

die Nothwendigkeit einer größern Menge von Umlaufsmitteln folgt. Es bleibt nun

freilich für A. Smith immer noch der Vorbehalt übrig, daß ſich dies von ſelbſt

verſtehe, und daß er aber dieſen Fall einer Veränderung der Verhältniſſe nicht

vorausgeſetzt habe (A. smith Inquiry. II. 42. The commerce being supposed the

same.). Deßhalb iſt auch Rau's (polit. Oeconom. I. §. 299. und 301. 1.) Be-

ſchränkung der Smith'ſchen Behauptung nicht hinreichend, um die ganze Frage

ins gehörige Licht zu ſtellen, und es hat auch hier Ricardo die Sache von der

rechten Seite aufgegriffen, indem er die Erforderlichkeit eines beſtimmten Werthes

von Umlaufsmitteln als Grundſatz feſthält. Auf dieſen (den Realwerth oder

Sachwerth) kommt es an und A. Smith hat darin gefehlt, daß er nicht ſo-

gleich annahm, daß dieſer zufolge der Papieremiſſion auch zunehmen muß, da durch

die Möglichkeit und Wirklichkeit der anderweitigen Verwendung des disponibel

gewordenen Metallgeldes einerſeits und durch die Gewerbserweiterungen zufolge der

ſteigenden Preiſe anderſeits die Induſtrie ſich erhöht, ſchon an ſich ein freies Papier-

geld nicht emittirt werden kann, ohne vorherige Fühlbarkeit eines größern Bedarfs

an Umlaufsmitteln und die daſſelbe ausgebende Anſtalt gerade in dieſer Mehraus-

gabe den Vortheil findet. Wenn aber nicht der Sachwerth des Umlaufsmittels

derſelbe bleiben kann, ſo muß ſich unter dieſen Umſtänden ſein Betrag (der No-

minal- oder Nennwerth) erhöhen. Aber Ricardo fehlt darin, daß er in der

Anwendung ſeines richtigen Prinzips dieſen Letzteren ganz bei Seite ſetzt und deſſen

Wirkungen für nichts achtet. Wir haben geſehen, daß der Tauſchwerth des Metall-

geldes ſehr ſchwankend, und daß dies jener des bloßen Edelmetalls in Barren we-

niger iſt. Den beſten Maaßſtab für den Tauſchwerth des Papiergeldes bilden daher

die Barren und man bedient ſich der verſchiedenen Preiſe der Letzteren in Papier-

geld zu verſchiedenen Zeiten zur Vergleichung. Je mehr man von dieſem für jene

geben muß, deſto mehr iſt ſein Tauſchwerth geſunken, und im Gegentheile, deſto

mehr geſtiegen. Allein hieraus kann nicht mit Richtigkeit gefolgert werden, daß

auch, ſtatt des Metallgeldes, blos Barren als Garantie des Papiergeldes deponirt

werden müſſen, weil dadurch die beliebige Einlösbarkeit vereitelt wurde, ſobald die

geringeren Papiergeldſtücke von ſo geringem Werthe ſind, daß Barren zu ihrer

Einlöſung im Einzelnen zu groß ſind. Jedoch gerade hierüber iſt Ricardo eigener

Anſicht, welche übrigens bis jetzt in der Regel unrichtig aufgefaßt wurde. Derſelbe

behauptet nicht, daß das Papiergeld uneinlösbar ſein ſolle, ſondern nur, daß es

37 *

[580/0602]

⁴⁾ ſeinen Tauſchwerth und Umlauf nicht von der Einlösbarkeit, vielmehr nur davon

habe, daß es in nicht größerer Menge circulire, als das vorher umlaufende noth-

wendige Metallgeld betragen habe. Der Fehler Ricardo's liegt nicht, wie Lotz

meint, darin, daß er die Geldmenge als eine der umlaufenden Waarenmaſſe ſelbſt-

ſtändig gegenüberſtehende Gütermaſſe anſieht, ſondern darin, daß er vergißt, wie

ſehr der Tauſchwerth des Papiergeldes ausgenommen von ſeiner Menge auch und

fundamental von ſeinem oben bezeichneten Gebrauchswerthe und von der öffentlichen

Meinung darüber abhängt, und wie leicht er bei einer ſehr geringen Menge von

Papiergeld doch fallen kann. Den daraus entſpringenden Uebelſtänden wird am

ſicherſten durch ſeine Einlösbarkeit, nicht gegen Barren, ſondern gegen Münzen

vorgebeugt und abgeholfen, weil dann der Empfänger nicht noch gezwungen iſt,

ſeine Barren zur Münzſtätte zu tragen, und die Einlösbarkeit der kleineren Papier-

geldſtücke nicht bloße Einbildung bleibt, was ſie ſein würde, wenn man mehrere

kleine Stücke haben müßte, um auf dieſelbe Anſpruch zu haben. Dies hängt zu-

gleich mit einem andern Satze, nämlich damit zuſammen: b) daß, wenn Metall-

geld und Barren aus irgend einem Grunde im Verkehre geſucht werden, das

Papiergeld aus dem Verkehre zu der daſſelbe einwechſelnden Kaſſe ſtrömt. Man

darf jedoch nicht meinen, dies erfolge blos, weil zu viel Umlaufsmittel im Ver-

kehre ſei, denn das Geld dient auch als Capital und kann, verſendet ins Ausland,

großen Vortheil gewähren. Die nächſte Folge iſt, daß das Papiergeld relativ gegen

Metallgeld im Tauſchwerthe ſinkt, und letzteres ein Agio erhält. Dieſer Satz iſt

mit geſchichtlichen Belegen in meinen Verſuchen S. 272 folg. gezeigt, aber es

hat in Schön's Recenſion über dieſelben (Verl. Jahrb. Jahrg. 1833 Nro. 51.

u. 52.) Widerſpruch gefunden. Allein ich bin dadurch nicht von der Unrichtigkeit

meiner Meinung überzeugt. Denn, während ſie auf Thatſachen fußt, wurde ſie

daſelbſt mit bloßen Vermuthungen bekämpft, welche durch jene Thatſachen zum

Theile völlig niedergeſchlagen werden.

⁵⁾ Die Frage, wie weit das Metallgeld von dem Papiergelde aus dem Umlaufe

verdrängt werden könne, iſt auch noch nicht gelöst. Man ſtreitet ſich noch ſehr

darüber. Gerade die Ricardo'ſche Schule hält dasjenige Umlaufsmittel für das

vollkommenſte, welches ganz aus Papier beſteht, vorausgeſetzt, daß es im Tauſch-

werthe derjenigen Geldmenge gleich ſteht, auf die es lautet (Ricardo Principles.

p. 460.). Sie nimmt alſo die gänzliche Verdrängung des Metallgeldes nicht blos

für möglich, ſondern auch für nützlich an. Die Anſicht, daß das Papiergeld eines

Landes niemals den Werth des Goldes und Silbers überſteigen könne, welches

daſſelbe im Verkehre vertritt oder welches in Umlauf war, ehe jenes emittirt wurde,

iſt keine neue, ſondern ſchon Smith'ſche Behauptung (Inquiry. II. 42.) Es

muß dabei derſelbe Verkehr und ganz zwangloſes Papiergeld vorausgeſetzt werden,

das beliebig einlösbar iſt. Beide Anſichten, ſo auffallend verſchieden ſie auch ſind,

wurden nicht blos vermittelſt einiger ſchlechten Folgerungen, die man aus der

Letzteren zog, ſehr oft mit einander verwechſelt, ſondern ſie haben der deutſchen

Schule auch viel zu ſchaffen gemacht. Es iſt zu bemerken, daß die Smith'ſche

Behauptung vom Werthe, nicht von der Menge, aufgeſtellt iſt. Sie wird daher

auch in jeder Beziehung wahr ſein. Eines beſtimmten Werthes an Umlaufsmitteln

bedarf der Verkehr. Iſt ihre Menge (der Geſammt-Nominalwerth) zu groß,

ſo ſinkt der Werth der einzelnen Theile des Umlaufsmittels ſo tief, bis ſie mit

ihrem Werthe der erforderlichen Geſammtwerth ausmachen; iſt ihre Menge zu klein,

ſo ſteigt der Einzelwerth ebenſo bis zu jenem Ziele. Der Geſammt-Realwerth

bleibt derſelbe. Hat das Papiergeld ſeine beliebige Einlösbarkeit, ſo wird ſich auch

durch das Zurückſtrömen zur Kaſſe ſein Geſammt-Nominalwerth ſenken. Indeß

entſteht jetzt die Frage, ob auch immer dieſer Nominalwerth ſich im geraden Ver-

hältniſſe ſo tief ſenken werde, daß er juſt ganz dem früheren Betrage des metalli-

ſchen Umlaufsmittels gleich ſein werde. Iſt dies der Fall, dann hat die Ri-

cardo'ſche Schule mit obiger Behauptung ganz Recht. Rau (polit. Oeconom.

I. §. 298. u. 299.) ſagt Nein, weil man, da zu ſehr geſtückeltes Papiergeld unbequem

und ſchädlich ſei, für kleinere Zahlungen immer noch Münzen haben, und weil

eben wegen der Einlösbarkeit eine entſprechende Menge Metallgeld in Bereitſchaft

ſein müſſe. Allein der letztere Grund beweißt nichts, weil das zur Einlöſung

bereite Metallgeld zwar im Inlande, aber nicht in Umlauf iſt. Wegen des erſteren

[581/0603]

⁵⁾ Grundes kann mit Recht noch geſtritten werden. Denn die ganze engliſche Schule

geht richtiger Weiſe davon aus, daß nur ein Metall eigentliches geſetzliches Zahl-

mittel ſei und ſein könne (Meine Verſuche S. 132 folg.). Die Münzen aus dem

nächſt unedlern Metalle (die Scheidemünzen, — in England aus Silber, in Deutſch-

land aus Kupfer und übermäßig legirtem Silber) erſcheinen nur als Münzzeichen

und ſind in der That blos eigentlich der Materie und Form, keineswegs aber dem

innern Werthe nach von dem Papiergelde verſchieden. Der minutiöſe Pfands-

charakter der geringhaltigſten Münze, welchen Lotz a. a. O. als weſentlichen Unter-

ſchied derſelben vom Papiergelde anführt, iſt in der That an ſich gar nichts, ſondern

hat blos eine Bedeutung als ein ſo und ſo vielſtes Theilchen von einer Anweiſung

auf einen Thaler, ein Pfd. Sterling u. ſ. w. Darum bleiben dieſe ganz außer

Rechnung und man ſpricht blos von der Vertretung des einen geſetzlichen Metall-

geldes von Gold oder von Silber, welches von beiden dem Verkehre angemeſſen iſt.

Jene Münzen brauchen durch Papiergeld nicht blos nicht vertreten zu werden,

ſondern es iſt ſogar unbequem, für ſie ein ſolches einzuführen. Nun ſind aber die

Länder darin auch verſchieden, wie hoch ſich der niederſte Werth der Papiergeld-

ſtückelung belaufen ſoll, und nimmt man England als Beiſpiel, wo das niederſte

Papiergeld 5 Pfd. Sterl. beträgt und wofür die engliſchen Schriftſteller ſchreiben,

ſo verliert die Ricardo'ſche Anſicht ihre Schroffheit, denn Barren können dann

bei gehöriger Einlösbarkeit für das Papiergeld eine ſicherere Garantie bilden als

Münzen. In dieſem Falle kann das zu Zahlungen von 5 Sfd. Sterl. und drüber

im Umlaufe gebrauchte Metallgeld gänzlich aus dem Verkehre weichen, die für

kleinere Zahlungen nöthigen Münzen, die aber noch nicht lauter Scheidemünzen

ſind, z. B. 1 Pfd. Sterl. = 1 Sovereign von Gold, werden in Umlauf bleiben

müſſen. Je weiter aber die Stückelung des Papiergeldes heruntergeht, deſto unbe-

quemer iſt ſein Gebrauch und deſto mehr verliert ſeine Einlösbarkeit an Wirklichkeit.

Wird ſchon aus dieſen Gründen das Metall dem Papiere nicht ganz weichen, ſo

hat man aber auch gar kein Mittel in der Hand, dem freien Metallverkehre ſeinen

Lauf zu nehmen und deßhalb kann auch der Fall nicht verhütet werden, daß das

Metall im Werthe gegen Papier ſteigt und dieſes der Kaſſe zuſtrömt. Der Recenſ.

meiner Verſuche in den Blättern für literar. Unterhaltung J. 1833 Nr. 244.

glaubte zwar, dieſe Anſicht widerlegen zu können, indem er daraus die abſurde

Folgerung zog, daß, wenn das Metall, im Auslande oder für den Schmelztiegel

geſucht, aus dem Umlaufe wandere und aus demſelben Grunde das Papier der

Kaſſe zu gehe, einmal im Verkehre weder Münze noch Papier ſein werde. Die

Folgerung iſt in der That höchſt abſurd, aber blos weil ſie nicht eintreten wird.

Denn der Rec. wird bemerken, daß ich in einem ſolchen Falle die kühne Fortaus-

gabe von Papiergeld anempfohlen habe. Geſchähe dieſe aber auch nicht, ſo müſſen

die im vorigen §. erörterten Gründe der Metall-Aus- und Einfuhr unter den Län-

dern einen ſolchen unſinnigen Zuſtand des Verkehrs verhüten.

⁶⁾ Alle dieſe Umſtände faßt man am kürzeſten zuſammen, indem man fort-

während den Tauſchwerth des Papiergeldes beobachtet. Als äußerliches Kennzeichen

deſſelben kann man ſeinen Preis nicht gegen Metallgeld, ſondern gegen Gold- oder

Silberbarren gebrauchen; denn die Tauſchwerths- und Preis-Schwankungen der

Letztern ſind nicht ſo häufig und ſtark wie jene des Erſtern. Dieſer Maaßſtab iſt

zwar der beſte, welchen man bekommen kann, aber darum doch nicht feſt. Steigt

der Papierpreis der Gold- oder Silberbarren, ſo iſt auch anzunehmen, daß der

Tauſchwerth des Papiergeldes ſinkt; ſinkt aber jener, ſo hebt ſich der Letztere wieder.

Aber in allen Fällen daraus oder aus dem Zuſtrömen des Papiergeldes zur ein-

löſenden Kaſſe zu ſchließen, daß die davon circulirende Menge zu groß ſei und daß

die fernere Emiſſion eingeſtellt werden müſſe, iſt fehlerhaft (ſ. Rau polit. Oeconom.

I. §. 307. Dagegen Meine Verſuche. S. 271–276.). Ein ſolcher Schluß

könnte nur richtig ſein, wenn Ricardo's Meinung wahr wäre, nämlich daß der

Tauſchwerth des Papiergeldes blos von ſeiner umlaufenden Menge abhinge, wenn

außer mit der Vermehrung der Letzteren blos noch mit dem Sinken ſeines Ge-

brauchswerthes ein ſolches des Tauſchwerthes verbunden ſein würde und wenn nicht

auch ein Zuſtrömen des Papiers zur Kaſſe blos zufolge des aus irgend anderen

Gründen ſteigenden Tauſchwerthes des Metalles und Metallgeldes eintreten könnte.

S. geſchichtl. Beweiſe dafür a. a. St. meiner Verſuche.

[582/0604]

§. 415.

Fortſetzung. 2) Kredit. a) Im Allgemeinen.

Was man unter Kredit1) verſteht, iſt im §. 343. ſchon ge-

ſagt. Hat er ſeine Grundlage in der Perſönlichkeit des Menſchen,

ſo heißt er Perſonal-, hat er ſie aber im Vermögen deſſelben,

dann wird er Realkredit genannt. Der Kredit vermehrt das

Volksvermögen nicht durch unmittelbare Production, aber er iſt

ein Beförderungsmittel des Güterumlaufs und bewirkt die produc-

tive Verwendung vieler Capitalien, dieſes, indem er die Capitalien

denjenigen zugänglich macht, welche ſie in ihren Gewerben anwen-

den wollen, und jenes, indem er nicht blos eine Menge von Geld

entbehrlich macht und ſeine Stelle als Umlaufsmittel weit leichter

vertritt, ſondern auch verſchiedene Einrichtungen in's Leben ruft,

welche den Güterumlauf erleichtern2). Lediglich dem Kredite ver-

danken die Banken, Anweiſungen und Wechſel, die Abrech-

nungen und Ueberweiſungen im Verkehre ihre Exiſtenz3).

¹ Zur Literatur: Rau polit. Oeconom. I. §. 278. Nebenius, der öffentl.

Credit. I. 1–17. storch Cours, Ueberſ. von Rau. II. 153. say Cours. II. 284.

Ueberſ. von v. Th. I. 213. Lotz Handb. I. §. 70. S. 420. Murhard, Theorie

des Handels. S. 347. simonde de sismondi, Rich. Commer. I. 177. Mac-Culloch

Principles. p. 114. Ueberſ. von v. Weber S. 89. Deſſelben Dictionnary of

Commerce-Art. Credit. Deutſche Bearbeitung. I. 429. Genovesi Lezioni. II. 354.

Beccaria Elementi. II. 158.

² Pinto, Traité de la circulation et du Credit. Amsterd. 1771. Ueberſetzt

in (v. Struenſee's) Sammlung von Aufſätzen. Liegnitz 1776. S. 145 folg. hat

die Wirkung des Kredits ſo überſchätzt, daß er ſogar die umlaufenden verzinslichen

Obligationen für eine Vermehrung des Volksvermögens anſieht. Es gehört auch

hierher: Hope, Lettres on Credit. p. 5. Zachariä, Ueber das Staatsſchulden-

weſen. S. 31. 42. 52. Ein Aufſatz in den Times v. 19. Dec. 1829 und v. 7.

und 30. Januar 1830. Die Schrift: Influence of the public Debt on the

Prosperity of the Country. London 1834. = Times v. 26. Febr. 1834. S. da-

gegen Meine Verſuche über Staatskredit. S. 487. Auf der andern Seite iſt die

Wirkung des Kredits auch nicht immer genug gewürdigt worden. Selbſt Rau

ſcheint in ſeiner Betrachtung nicht tief genug zu dringen. Denn das Capital iſt

auch ohne Arbeit nicht nutzbringend; der Kredit iſt dies ohne ſie auch nicht, er iſt

eine Art von National- und Privatcapital, ein äußeres immaterielles Gut, welches

das ſachliche Capital in einzelnen Gewerben zu erſetzen vermag, ſo daß es ander-

wärts productiv verwendet werden kann. Dies wird am klarſten durch die Betrach-

tung der Kreditanſtalten.

³ Das Papiergeld iſt ebenfalls als ein auf Kredit berechnendes Umlaufsmittel

anzuſehen, wenn es ganz frei iſt. Allein es iſt aus dem Bisherigen gewiß klar,

daß noch allerlei andere Umſtände auf ſeinen Beſtand Einfluß haben, weßhalb es

als angemeſſen erſcheint, daſſelbe unter der Erörterung über das Geld einer Be-

trachtung zu unterwerfen.

§. 416.

Fortſetzung. b) Krediteinrichtungen insbeſondere.

Die verſchiedenen Einrichtungen, welche dem Kredite ihre Ent-

ſtehung verdanken und als Umlaufsmittel zu betrachten ſind, wur-

[583/0605]

den bereits oben erklärt. Es genügt daher hier, 1) wegen der

Banken auf §. 330. 333. u. 346., 2) wegen der Anweiſungen

und Wechſel auf §. 337. u. 338., und 3) wegen der Abrech-

nungen und Ueberweiſungen auf §. 334. zu verweiſen1).

¹ Zur nationalöconomiſchen Literatur: a) über Banken ſ. m. noch A. smith

Inquiry. II. 36. 312. IV. 55. 152. say Cours. III. 83. cl. 58. Ueberſ von v. Th. III.

64. cl. 46. storch Cours, Uebers. von Rau. II. 103. 97. Ganilh Des syst. II. 146.

Lotz Handb. II. §. 115. S. 375. §. 116. S. 384. J. Pr. smith, The science

of Money. p. 142. 147 Broggia Delle Monete. II. 264. Galiani Della Moneta.

II. 206 (hiſtoriſch). Beccaria Elementi. II. 143. Verri Meditazioni. I. 150

(auch Geſchichtliches über die Mailänder Bank). Vasco in den Economisti Italiani.

XLII. pag. 137 (hiſtoriſch). Spittler, Vorleſungen über Politik. S. 399 folg.

und die Literatur über Papiergeld im §. 413. b) über Wechſel ſ. m. noch

A. smith Inquiry. II. 57. 306. say Cours. III. Ueberſ. von v. Th. III. 101.

storch Cours, Ueberſ. von Rau. II. 58. III 403. Nebenius, der öffentliche

Kredit. I. 193. Rau polit. Oeconom. I. §. 286. Wheatley Essay on Money.

I. 60. 175. J. Pr. smith The science of Money. pag. 235 (nach Wheatley).

Mill Elements. p. 182. Th. smith An Attempt. p. 104. TurLulo sulle Monete

= Economisti. Parte antica. I. 236. Davanzati Lezione delle Monete und No-

tizia de' Cambj = Economisti. P. A. II. 54. Broggia Delle Monete. I. 380.

II. 17. 200. Genovesi Lezioni. III. 121. Beccaria Elementi. II. 122. Verri

Meditazioni. p. 184.

II. Vom Preiſe.

§. 417.

A. Weſen des Preiſes.

Der charakteriſtiſche Unterſchied zwiſchen Werth (§. 402.) und

Preis beſteht darin, daß dieſer Letztere aus wirthſchaftlichen Gü-

tern beſteht, und im letzten Grunde eine Folge des Erſteren iſt1).

Der Gebrauchswerth bezeichnet ein Verhältniß der Güter über-

haupt zu den Neigungen, Wünſchen, Bedürfniſſen und Abſichten

der Menſchen im Allgemeinen; der Tauſchwerth dagegen, erſt

entſtanden durch das Zuſammenleben der Menſchen, iſt ein Ver-

hältniß der wirthſchaftlichen oder derjenigen Güter, welche in das

Vermögen oder in den ausſchließlichen Beſitz gehören, zu dem

Wunſche Anderer, dieſelben auch zu beſitzen. Jener iſt alſo ein

inneres, dieſer aber ein äußeres Verhältniß der Güter zum Men-

ſchen, während der Preis, ohne Tauſchwerth der Güter nicht

denkbar, aus einer Quantität wirthſchaftlicher Güter ſelbſt beſteht,

welche man im Verkehre für Güter, Nutzungen und Leiſtungen

hingibt oder bekommt2). Schon der Sprachgebrauch zeigt dieſen

nothwendigen Zuſammenhang des Preiſes und Tauſchwerthes, da

man, um jenen zu bezeichnen, auch den Ausdruck „werth“ ge-

braucht, der ſich blos auf den Tauſchwerth bezieht.

¹ Zur Literatur: A. smith Inquiry. I. 49. IV. 43. say Cours. II. 210.

311. 336. Ueberſ. von v. Th. II. 156. 231. 250. storch Cours, Ueberſ. von

[584/0606]

¹ Rau. I. 39. 239. 277. 286. III. 245. Lotz Handb. I. §. 15. S. 39. S. auch

oben §. 57. N. 2. und §. 61. N. Kraus Staatsw. I. 78. Rau pol. Oecon. I.

§. 146. der 2. und §. 158. der 1. Ausg. Hermann ſtaatsw. Unterſuch. S. 66.

Canard Principes d'Econ. polit. p. 26. Ganilh Des systemes. II. 33. Tooke On the

high and low Prices. Lond. 1823. II. Tom. vergl. mit Quarterly Review. T. 29.

p. 214 sqq. Ricardo Principles. p. 78. 492. Mill Elements. p. 87. Torrens

On the Production. p. 1. 339. Mac-Culloch Principles. p. 248. Ueberſ. von

v. Weber. S. 197. Babbage Maſchinenweſen. §. 149. 165. 169. oder 15. 16.

und 17. Kap. Gioja Nuovo Prospetto. III. p. 1–75. Montanari Della Moneta

= Economisti. P. A. III. 43. 93. 119. Neri Osservazioni sopro il Prezzo legale

delle Monete = Economisti. P. A. VI. p. 106. 127. Pagnini saggio sopra il

giusto Pregio delle Cose = Economisti. P. M. II. 155. 316 Galiani Della

Moneta. I. 58. Carli Dell' Origine e del Commercio della Moneta = Econo-

misti. P. M. XIII. 299. solera sur les Valeurs (saggio sui Valori) = Econo-

misti. P. M. XXXIX. 256. Bandini Discurso economico = Economisti. P. M.

I. p. 148. Genovesi Lezioni. I. 267. III. 151. Deſſelben Digressioni econo-

miche = Economisti. P. M. X. 326. Beccaria Elementi. I. 29. 339. II. 8.

Verri Meditazioni. p. 12. 121. Ortes Dell' Economia nazionale. II. 44.

² Das Weſen des Preiſes, ſo leicht es auch aufzufaſſen iſt, gehörig vom

Werthe zu unterſcheiden, iſt durch die große Menge von nutzloſen Wortſtreitigkeiten

und vergeblichen Verſuchen, auf den Sprachgebrauch mitzuwirken, ſowie durch eine

Menge von kleinlichen unförderlichen Unterſcheidungen, die ſich in unſere Wiſſen-

ſchaft eingeſchlichen haben, erſchwert. Selbſt Rau (polit. Oeconom. §. 57.) gibt

Criterien des Preiſes an, die es in der That nicht ſind. So z. B. ſagt derſelbe,

der Preis ſei von der Handlungsweiſe eines einzelnen Menſchen in der Regel

unabhängig, und doch hat die Subjectivität der Menſchen in Betreff der Beurthei-

lung des Werthes und der Größe des Preiſes den weiteſten Spielraum bei der

Preisbildung. Ferner heißt es dort, der Preis ſei die im Verkehre Statt findende

Gleichſetzung gewiſſer Quantitäten zweier Güter, deren Werth dabei ſehr ungleich

ſein könne. Man kann füglich fragen, wie dies gemeint ſei? Denn der Quantität

nach iſt es nicht der Fall, ausgenommen bei ganz gleichen Gütern zweier Beſitzer,

in welchem Falle ſie aber unter dieſen beiden keinen Tauſchwerth haben und keinen

gegenſeitigen Preis bilden können. Wie können alſo die Werthe ungleich ſein, da

es doch die Quantitäten ſind, wenn man nicht eine Ueberliſtung als Regel ſtatuirt?

Man fühlt hier recht die Lücke, wenn man keinen Tauſchwerth annimmt. Es findet

bei der Preisbildung eine Vergleichung des Gebrauchswerthes und eine Gleich-

ſetzung des Tauſchwerthes der beiden Gütermengen und nur dann eine Vergleichung

und Gleichſetzung der Quantitäten Statt, wenn jene Werthe der beiden Güter ſich

gleich ſind. Rau ſchreibt jenen Satz Condillac Le Commerce et le Gouverne-

ment. I. ch. 6. zu und ſagt, Say (Handbuch. I. 104. II. 154. = Cours. I. 141.

163. II. 208. und Anmerkungen zur franzöſiſchen Ausgabe von Ricardo. II. 89.)

ſehe den Preis als den von vielen Menſchen anerkannten Werth an und bekämpfe

obige Anſicht von Coudillac. Allein dieſer Letzte ſagt blos, die Meinung, daß

im Tauſche nur zwei gleiche Werthe vorkommen, ſei zwar allgemein, aber unrich-

tig, da jeder Tauſchende für einen höheren einen geringeren Werth hingebe und

ohne dies kein Gewinn Statt finden könnte. So begeht Condillac nur aus

Mangel an Kenntniß der Beziehungen des Werthes eine Einſeitigkeit, denn der

Werth, von welchem er ſpricht, iſt offenbar der Gebrauchswerth in Bezug auf die

Individualität der Tauſchenden und ihre beſondern Verhältniſſe, — eine Beziehung,

worin derſelbe ganz Recht hat, da der Gebrauchswerth beim Tauſche blos einſeitig

verglichen wird. Von dieſer Seite greift ihn Say auch nicht an, aber wegen des

Tauſchwerthes, weil dieſer bei beiden Tauſchgütern gleich ſein muß. Auch ſieht

Say den Preis nicht ſo, wie Rau behauptet, ſondern vielmehr den Tauſch-

werth als den durch die Induſtrie gegebenen und durch das Publicum anerkannten

Werth an.

[585/0607]

§. 418.

B. Regulatoren des Preiſes. 1) Im Allgemeinen.

Die Umſtände, wonach ſich die Preiſe geſtalten, ſind bereits

oben (§. 58. u. 59.) angegeben. Alle Veränderungen der Preiſe

haben in einem oder mehreren derſelben zuſammen genommen ihren

Grund. Die eigentlich nationalöconomiſchen Unterſuchungen über

die Regulatoren der Preiſe gehen jedoch weiter, als dort geſchehen

iſt. Es ſind daher hier noch folgende Betrachtungen nachzutragen:

1) In Betreff des Gebrauchswerthes als Preisregulators

ergeben ſich aus jenen Vorderſätzen noch verſchiedene Folgerungen,

nämlich a) daß diejenigen Güter unter einer Klaſſe den ſtändigſten

Preis haben, deren Güte äußerlich zu erkennen iſt oder welche gar

nicht verfälſcht werden können; b) daß die Beglaubigung z. B.

durch Stempel, Fabrikzeichen u. dgl. auf den Preis großen Einfluß

äußert, weil man weniger Riſico übernimmt und der Mühe oder

Koſten der Verbürgung überhoben iſt; c) daß eine nicht leicht zu

entdeckende Verfälſchung, Betrügerei u. dgl. die Preiſe der ächten

Güter vertheuert; d) daß zwar Gegenſtände von ſehr kurzer Dauer

bei ſehr großer Nachfrage einen hohen Preis erlangen können,

aber ſelbſt, wenn ſie ein Einziger darbietet, deren Preis doch nicht

in allen Fällen frei in dem Willen des Anbietenden ſteht, weil er

durch jenen Umſtand Verluſten ausgeſetzt iſt; e) daß Gegenſtände

von langer Dauer und von ſolcher Beſchaffenheit, daß ſie nicht

wohl bald oder öfters Verbeſſerungen zu gewärtigen haben, den

conſtanteſten Preis behalten1).

2) In Betreff des Koſtenſatzes und Mitbewerbes als

Preisregulatoren gilt als Hauptſatz, daß ſich die Preiſe immer

mehr dem Koſtenſatze zu nähern ſuchen oder beſtändig um ihn

gravitiren. Denn je tiefer ſie unter die Koſten fallen, deſto mehr

nimmt das Angebot ab und zwar bis ſie wieder einen höheren

Stand haben; und je höher dieſelben über die Koſten ſteigen, alſo

je mehr ſie Gewinnſt gewähren, um ſo mehr ſteigt die Concurrenz

in einem ſolchen Gewerbe und um ſo größer wird das Angebot,

wodurch ſich der Preis wieder ſenkt. Dies findet Statt in der

Vorausſetzung, daß die Schaffungskoſten und die Werthsſchätzung

des Gutes gleich geblieben ſind, aber es iſt zu bedenken, daß die

Unternehmer darauf ſinnen, die Güter um weniger Koſten ſchaffen

zu können. Wenn dies in vielen Fällen geht, ſo iſt es aber in

manchen andern nicht möglich, das Angebot nach Belieben zu

ſtellen, weil die Productionsquellen und Verkehrsverhältniſſe es

nicht geſtatten2), und der Begehr ſo ſchwankend ſein kann, daß

[586/0608]

er eine beſondere Behutſamkeit im Angebote verurſacht. Sinken

nun aber die Schaffungskoſten bei gleichbleibender Concurrenz, ſo

kommt der aus dem noch gleichbleibenden Preiſe entſtehende größere

Gewinn dem Anbietenden ſo lange zu, bis jenes unter den Be-

gehrenden bekannt wird; je wichtiger aber das Gut für's menſch-

liche Leben iſt, um ſo mehr ſind die Begehrenden in der Hand der

Anbieter. Steigen jedoch die Koſten bei gleicher Concurrenz, ſo

werden die Anbietenden auch ihren Preis zu erhöhen ſuchen; ob

und wie weit ſie dies vermögen, das hängt wieder von der Wich-

tigkeit des Gutes für das menſchliche Leben ab3). Die Concur-

renz wirkt übrigens bei der Preisbildung dann vorzüglich mit, wenn

ſowohl Angebot als Nachfrage unter Viele getheilt iſt.

3) In Betreff der Zahlfähigkeit als Preisregulators iſt

als allgemeinere Regel anzuſehen, daß jede bedeutendere Preis-

erhöhung in ſich ſelbſt wieder den Grund zur Erniedrigung hat,

indem nämlich eine Anzahl oder Klaſſe von Bürgern wegen ihrer

relativen Zahlunfähigkeit, die dadurch entſteht, aus der Menge

der Begehrenden zurücktreten müſſen. Aber umgekehrt die relative

Zahlfähigkeit nimmt auch mit der Erniedrigung der Preiſe zu, da

eine Anzahl oder Klaſſe mehr zur Anſchaffung der betroffenen

Sache in den Stand geſetzt wird, dem Begehre beitritt und da-

durch wieder etwas in die Wagſchale für das Steigen des Preiſes

legt. Dieſe Erſcheinungen und ihre Wirkung auf die Zuſtände

der Begehrer und Anbietenden richten ſich aber ebenfalls nach dem

Grade der Unentbehrlichkeit und Entbehrlichkeit der Sache.

4) In Betreff des Tauſchmittels als Preisregulators haben

die in den §§. 413. u. 4:4. angegebenen Beſtimmgründe des Tauſch-

werthes von Metall- und Papiergeld einen der wichtigſten Einflüſſe

auf die Preisbildung. Jede Senkung des Tauſchwerthes des Geldes

hat eine Erhöhung der Preiſe, und umgekehrt jede Steigerung

deſſelben eine Erniedrigung der Letzteren zur Folge. Jenes geſchieht

alſo durch Zunahme der umlaufenden Menge von Metallgeld, durch

Abnahme der Schaffungskoſten der edeln Metalle, durch Erniedri-

gung des Gehaltes der Münzen, durch die Emiſſion von Papier-

geld (wegen der Steigerung der Menge von Umlaufsmitteln),

durch die Vermehrung des Letzteren, durch die Ausgabe von mehr

oder weniger erzwungenem Papiergelde, durch das Sinken des

Papiergeldes in der öffentlichen Meinung oder durch den Verluſt

ſeines Kredits, welcher durch verſchiedene Umſtände hervorgebracht

werden kann. Das Andere geſchieht aber durch die gerade ent-

gegengeſetzten Urſachen4).

[587/0609]

Die Preisveränderungen ſind nun entweder vorübergehend oder

bleibend5), in Bezug auf ihre Dauer, dagegen entweder reell oder

nominell6) in Bezug auf ihre Urſachen. Im Ganzen aber richten

ſie ſich nach den Veränderungen in den Verhältniſſen der Bevöl-

kerung in quantitativer und qualitativer Hinſicht, nach politiſchen

und natürlichen Ereigniſſen, welche bei gleicher Bevölkerung die

Conſumtion erhöhen und erniedrigen, nach den Fortſchritten und

Stillſtänden im geſammten Gewerbsweſen, folglich nach der Zu-

und Abnahme des Volkswohlſtandes, und endlich nach den Ver-

änderungen im Geldweſen. Auf dieſen Hauptpunkten mit ſorg-

fältigem Eingehen ins Einzelne beruhen nicht blos die hiſtoriſchen

Unterſuchungen über die Veränderungen der Preiſe, ſondern man

kann auch bei genauer Scheidung der Preisveränderungen auf ihre

Urſachen zurückſchließen7). Allein das Eine wie das Andere iſt

erſtaunlich ſchwer.

¹ Babbage Maſchinenweſen. §. 149. 152. 159. 162. folg.

² Rau polit. Oeconom. I. §. 160 folg. der 2ten Ausg. oder §. 171. der

1ten Ausg.

³ Es darf nicht vergeſſen werden, daß alle dieſe Sätze nicht blos von den

Gütern, ſondern auch von den Nutzungen und Leiſtungen gelten. Was nun aber

den Preis der Waaren, den eigentlichen Preis, betrifft, ſo beſteht derſelbe aus

Koſten- und Gewinnſtſätzen. Der Koſtenſatz derſelben in der Hand des Verkäufers

beſteht in allen Auslagen, welche zur Hervorbringung und Herbeiſchaffung der

Waare nöthig waren; alſo a) aus dem Arbeitslohne; b) aus dem Lohne für die

Beſchäftigung des Unternehmers; c) aus dem Preiſe des angewendeten umlaufenden

Capitals; d) aus der bei der Production und Herbeiſchaffung Statt findenden

Abnutzung des ſtehenden Capitals. Aus mehr als dieſen Anſätzen kann derſelbe nicht

beſtehen. Andere, wie z. B. auch Rau (polit. Oeconom. I. §. 166. der 2ten oder

§. 171. der 1ten Ausg.), rechnen auch in denſelben noch den Zins für das benutzte

Capital, die Rente für die angewendeten Grundſtücke und den Gewinn des

Gewerbsunternehmers. Allein, was der Verkäufer im Preiſe anrechnet, iſt darum

noch kein Koſtenſatz. Auch iſt dieſer Streit kein bloßer Wortkram, ſondern er

führt zur genauen Erörterung, bis zu welcher Grenze der Preis der Waaren äußerſt

ſinken kann. Die letzteren Sätze ſind keine Koſten, ſondern Gewinnſte, deren Größe

nicht nach Belieben oder nach einer gewiſſen Nothwendigkeit durch die Gewerbtrei-

benden oder Verkäufer beſtimmt wird, ſondern ſich vielmehr nach den Verkehrs-

verhältniſſen geſtaltet, während es dagegen eine Höhe der Auslagen gibt, welche

für die Production und Herbeiſchaffung einer Waare abſolut nothwendig iſt. An

den Gewinnſten kann man ſich einen Abzug gefallen laſſen, aber nicht an den

Koſten, und man wird jenes ſo lange thun, als man nicht im Stande iſt, in einer

andern Gewerbsunternehmung nach Abzug der Umſiedelungskoſten und -Verluſte

höhere Gewinnſte zu beziehen. Wollte man hiergegen einwenden, daß doch der

Pacht- und Capitalzins, welchen ein Gewerbsunternehmer an den Grund-, Haus-

und andern Capitaleigenthümer zu entrichten habe, für ihn Auslagen, alſo Koſten,

ſeien, ſo iſt dies zuzugeben, aber nicht, daß ſie Productions- oder Herbeiſchaffungs-

koſten ſind, welche Weſenheit z. B. dem gemietheten Capitale, das er in ſein

Geſchäft verwendet und aus ihm erſtattet erhalten muß, um es zurück zu bezahlen,

zukommt. Der Gewerbsmann kann an die genannten Perſonen nicht mehr bezahlen,

als ihm nach Erſtattung der Koſten noch übrig bleibt, um es unter jene zu ver-

theilen. Jene müſſen ſich damit begnügen, wenn ſie ihr Dargeliehenes oder Ver-

pachtetes nicht zurück verlangen und ſonſt irgend wie anwenden wollen. Aber mit

[588/0610]

³ der Erhöhung oder Erniedrigung jener Koſtenſätze ſteigt oder ſinkt der Preis, wenn

nicht die Verkehrs- oder Concurrenzverhältniſſe entgegengeſetzt entſprechend eine

Erniedrigung oder Erhöhung der Gewinnſtſätze veranlaſſen. Ein berühmter Kampf

iſt aber gegen Ricardo und ſeine Schule erhoben worden. Es wird ihm von

Rau (polit. Oeconom. I. §. 159. der 2ten oder §. 170. der 1ten Ausg.) entgegnet,

er lege (Principles p. 84.) gar kein Gewicht auf die Hindernisse des Angebotes,

ſchreibe dem Mitwerben nur ſo vorübergehende Wirkungen auf den Preis zu, daß

es keine beſondere Aufmerkſamkeit verdiene, und nehme daher Koſten und Preis

als gleich an, weßhalb bei ihm Werth, Tauſchwerth, ſoviel als Koſtenbetrag,

natürlicher Preis heiße. Allein dieſe Anſichten hat Ricardo nicht. Er ſagt viel-

mehr p. 78–84., die Arbeit bilde den natürlichen Preis, von dieſem weiche der

Marktpreis zufällig und temporär ab, dieſer richte ſich nach Begehr und Angebot,

weil das Streben nach Gewinn die Menſchen zwinge, ein ſehr vortheilhaftes

Geſchäft mit andern zu theilen und ein unvortheilhaftes zu verlaſſen, es müſſe nun

wegen dieſer Reaktion der Marktpreis immer nach dem natürlichen gravitiren. Im

30ten Kap. S. 492–496. ſagt derſelbe zwar, die Productionskoſten regulireten

den Preis, aber mit der Beſchränkung, daß temporär auf ihn Begehr und Angebot

wirkten, und die Anſicht von Buchanan, Say (Traité I. 316. II. 26.) und Lau-

derdale (Inquiry p. 13.), daß blos Begehr und Angebot den Preis beſtimme, sei

ganz unrichtig und führe zu falschen Folgerungen, z. B. zu jener des Ersteren, daß

ſich der Arbeitslohn nicht nach dem Preise der Lebensmittel, sondern blos nach der

Concurrenz richte. Darin hat Ricardo und Mill (Elements p. 92–93.)völlig

Recht, denn Begehr und Angebot können nur auf einen urſprünglichen Preisſatz

influiren und ſie ſind ohne dieſen bedeutungslos. Im Grunde ſagt Rau (§. 163.

der 2ten oder §. 174. der 1ten Ausg.) nichts Anderes und daraus, daß Ricardo

die Hinderniſſe des Angebotes nicht zuſammenſtellt, ohne Zweifel, weil jeder nur

ein wenig denkende Leſer von ſelbſt darauf kommt, läßt ſich nicht ſchließen, daß er

überhaupt kein Gewicht darauf lege, denn er ſtatuirt ja den Einfluß des Angebots

und Begehrs auf den Preis. Allein Rau geht (polit. Oeconom. I. §. 166. der 2ten

oder §. 176. der 1ten Ausg.) noch weiter und ſagt, Ricardo (Principles chap. I.)

und Mill a. a. O. geben blos den Arbeitslohn als Koſtenbetrag an, weil ſie das

Capital als aufgehäufte Frucht früherer Arbeit und ſeinen Preis gleichfalls als Lohn

anſehen, während Torrens On the production p. 24. ſcheinbar entgegengeſetzt be-

haupte, der natürliche Preis richte ſich gänzlich nach dem angewendeten Capitale.

Rau wendet nun zwar gegen dieſe Sätze ein, ſelbſt wenn man den Preis des Capi-

tals auch ganz auf Arbeitslohn zurückführen könnte, ſo ſei doch die Capitalrente

für die Benutzung des Capitals ein Beſtandtheil der Koſten; die Anſicht von

Torrens ſei richtig, inſoferne alle Beſtandtheile des Koſtenſatzes Ausgaben und als

ſolche Capital des Unternehmers ſeien, aber die Anſicht (p. 51.), daß der Gewinn

kein Koſtenſatz, ſondern ein Ueberſchuß, neu entſtandenes Vermögen ſei, widerlege

ſich durch genaue Zergliederung der Zinsrente und des Gewerbsgewinnes und durch

die Bemerkung von ſelbſt, daß die übliche Zinsrente entweder wirklich ausgegeben

oder, wenn das Capital dem Unternehmer ſelbſt gehöre, wenigſtens aufgeorfert

werde. Eine Bekämpfung dieſer Einwendungen gibt ſchon der Anfang dieſer Noten.

Allein mit den Ricardo'ſchen Anſichten hat es eine andere Bewandtniß. Ricardo

zeigt im erſten Abſchnitte jenes Hauptſtückes, daß der Tauſchwerth eines Gutes von

der relativen Menge Productionsarbeit abhängt, und nicht von der größeren oder

geringeren Vergütung, welche für Letztere bezahlt wird; im zweiten, daß die

Anhäufung von Capital an ſich keinen Unterſchied in jenem Prinzipe ſtatuire; im

dritten, daß die in jenem vorgetragenen Grundſatze durch die Anwendung von

Maſchinen als ſtehendem Capitale beträchtlich modifizirt werden; im vierten endlich,

wie der Grundſatz, daß der Werth ſich nicht mit dem Steigen und Fallen des

Arbeitslohnes verändere, ebenſo modifizirt werde durch das Verhältniß des umlau-

fenden Capitals zum ſtehenden, durch die ungleiche Dauer des Letztern und durch

die verſchiedene Schnelligkeit, womit dies dem Unternehmer erſtattet werde. Es

iſt weſentlich dabei zu bemerken, daß Ricardo daſelbſt nicht vom Preiſe der

Waaren an ſich, ſondern vom gegenſeitigen verglichenen Preiſe derſelben ſpricht,

und daß er (p. 40.) ausdrücklich ſagt, es ſteige keine Waare im Tauſchwerthe,

blos weil der Arbeitslohn ſtieg, ſondern nur, wenn dieſer zufolge der größeren

[589/0611]

³ erforderlichen Productionsarbeit im Ganzen ſteige. Mills Anſicht iſt, daß der

Preis der Waaren ſich nach der Concurrenz und nach den beiderſeitigen Koſten der

umzutauſchenden Waaren, eigentlich aber blos nach den Productionskoſten richte,

da das Geſetz der Concurrenz den Preisſatz auf dieſe zu reduziren ſuche; die Pro-

ductionskoſten beſtünden im aufgewendeten Capitale und Arbeit zuſammengenommen,

und nur dann in Einem davon, wenn das Eine im Andern enthalten oder nur

Eines angewendet wäre; aber alles Capital ſei urſprünglich auch wieder nur Frucht

der Arbeit, weßhalb der Tauſchwerth nach Arbeit zu ſchätzen ſei. Sieht man

hieraus, daß ſeine Anſicht nicht ſo ſchroff iſt, wie Rau angibt, ſo muß doch

bemerkt werden, daß er den Gebrauchswerth und die Seltenheit eines Gutes als

Regulatoren des Tauſchwerthes und Preiſes nicht achtet, weßhalb er viele Mühe

hat, den hohen Tauſchwerth und Preis alten Weines zu erklären (ſ. aber auch

Mac-Culloch Principles. p. 313. Ueberſetzung von v. Weber. S. 251.). Die

Anſicht von Torrens iſt von der Mill'ſchen nicht verſchieden, ſondern er zeigt

nur, daß bei einem noch rohen Volke allein die Arbeit, bei einem civiliſirten

dagegen auch aufgehäufte Arbeit oder Capital den Tauſchwerth beſtimme (ſ. auch

Mac-Culloch Principles. p. 318. Ueberſ. S. 256.).

⁴⁾ Es verſteht ſich leicht, daß durch dieſe Preisveränderungen verſchiedene

Wirkungen auf die Induſtrie hervorgehen, namentlich auf die Arbeiterklaſſe und

Gewerbsunternehmer. Das Nähere kann erſt unter III. recht klar werden.

⁵⁾ Die Begriffe von theuer, wohlfeil und koſtbar ſind hiernach zu

erläutern. S. Rau polit. Oeconom. I. §. 180. folg. der 2ten oder §. 187. folg.

der 1ten Ausg.

⁶⁾ S. §. 420. über Real- und Nominalpreis, und oben N. 4.

⁷⁾ Beſonders wichtig iſt, die partielle Preisveränderungen von den allgemeinen

zu unterſcheiden. Nur ein gleichmäßiges Steigen oder Fallen aller Preiſe läßt auf

allgemeine Geldveränderungen ſchließen. Bei allgemeiner Veränderung in der Pro-

duction u. dgl. ſteigen oder fallen ſie nicht gleichmäßig. Rau polit. Oeconom. I.

§. 271–276. Die Anſicht von A. Smith (Unterſuch. I. 305.), daß in reicheren

Ländern die Edelmetalle gegen Getreide und Arbeit theuer ſeien iſt äußerſt ſcharf-

ſinnig und intereſſant widerlegt von Ricardo Principles. p. 478–484.

§. 419.

Fortſetzung. 2) Insbeſondere bei einzelnen Gütern.

Dieſe bisher gepflogenen Unterſuchungen beziehen ſich nicht

blos auf die Waaren im ſpeziellen Sinne, ſondern auch auf das

Metall- und Papiergeld, die Actien, Staatspapiere und Wechſel,

nur nennt man den Preis der Letzteren den Curs. Es iſt ſehr

belehrend und gibt der Lehre vom Curſe dieſer Dinge viele Gründ-

lichkeit, und beleuchtet die Lehre vom Preiſe von den verſchiedenſten

Seiten, wenn man die bisherigen Grundſätze auf ſie anwendet1).

¹ Man ſ. darüber §. 347350. und die Literatur b im §. 416. N. 1.

§. 420.

C. Arten des Preiſes.

Je nach den Beziehungen, unter welchen man die Preiſe be-

trachtet, kann man verſchiedene Arten unterſcheiden. Dieſer

Unterſchied iſt im §. 61. durchgeführt. Es bleibt hier noch blos

[590/0612]

in Bezug auf den Durchſchnittspreis eine Bemerkung zu machen.

Im §. 403. wurde unter den Maaßſtäben zur Schätzung des Ver-

mögens beſonders der Tauſchwerth am tauglichſten gefunden. Wenn

man für ihn einen ſchicklichen Ausdruck hätte, würde man der

Wahrheit am nächſten kommen. Der Durchſchnittspreis, mit ge-

nauerſter Sorgfalt berechnet, iſt wohl dazu grundſätzlich am brauch-

barſten. Der Preis iſt zwar allgemeinhin nicht der Ausdruck für

den Tauſchwerth, weil dieſer nicht das einzige Wirkende bei ſeiner

Bildung iſt. Allein bei dem fortwährenden Streben der Preiſe,

ſich an denjenigen Stand anzupaſſen, welcher dem Tauſchwerthe

entſpricht (§. 418. 2.), und bei der immer größern Ausgleichung

nicht blos der Marktpreiſe, ſondern auch der verſchiedenen Wirk-

ſamkeiten der Preisregulatoren, im Durchſchnittspreiſe, läßt ſich

leicht denken, daß dieſer einen Ausdruck bildet, welcher dem Tauſch-

werthe am leichteſten entſpricht. Freilich bleibt er als Mittel zur

Schätzung des Volksvermögens ſtets darum unvollſtändig, weil in

ihm die Wirkungen der andern Preisregulatoren neben dem Tauſch-

werthe nicht aufgehoben, ſondern nur immer mehr ausgeglichen

werden.

III. Von den Zweigen des Volkseinkommens.

§. 421.

A. Im Allgemeinen.

Das jährliche Volkseinkommen wird unter die Einzelnen nach

Maaßgabe der Mitwirkung zu deſſen Erzielung vertheilt. Wer und

inſoweit Jemand mit Hilfe der Naturkräfte producirt, der bezieht ein

Einkommen, welches man Naturrente nennen kann, das gewöhn-

lich aber Grundrente heißt; wer mit ſeiner Arbeit zur wirth-

ſchaftlichen Production mitwirkt, der bekommt die Arbeitsrente,

gewöhnlich Arbeitslohn genannt; wer die Production mit Capital

unterſtützt, der hat die Capitalrente, auch Zinsrente geheißen,

anzuſprechen; wer als Unternehmer eines Gewerbes ſich hinſtellt

und den ganzen Betrieb unter Zuſammenhalten aller drei wirth-

ſchaftlichen Güterquellen und mit Uebernahme des Riſico oder

Wagniſſes leitet, von dem ſagt man, er beziehe dafür ein eigenes

Einkommen, den Gewerbsgewinn (Gewinnſt, Profit). Man

bezieht dieſe Arten von Einkommen entweder aus eigener Anwen-

dung in einem ſelbſtſtändigen Gewerbe und dann kann man ſie

natürlich nennen; oder man bezieht ſie dafür, daß man einem

Andern Grundbeſitz, eigene Arbeitsfähigkeit und Capital zur

Nutzung überläßt und in dieſem Falle werden ſie ausbedungen

[591/0613]

genannt. Dasjenige Einkommen, welches man für die Mitwirkung

zur wirthſchaftlichen Production bezieht, heißt urſprüngliches;

dasjenige aber, welches man für nicht wirthſchaftlich productive

Unterſtützung Anderer, ſei es durch Dienſte oder Nutzungen, be-

zieht und welches man ohne eine Leiſtung empfängt, heißt man

abgeleitetes, da es nur aus dem urſprünglichen abgegeben

wird1).

¹ So Rau polit. Oeconom. I. §. 251. Lotz Handb. III. 162. 262. storch

Cours, Ueberſ. von Rau. I. 173 folg. say Cours IV. p. 55–112. Ueberſ. von

v. Th IV. 42–86. Anders Hermann Unterſuch. S. 313–315., welcher unter

abgeleitetem Einkommen blos das ohne Gegengabe empfangene verſteht. S. auch

v. Jacob Nat. Oeconom. §. 694.

§. 422.

B. Die Einkommensarten insbeſondere. 1) Natur- oder

Grundrente und Pachtzins.

In allen Gewerben wirkt die Productivkraft der Natur mehr

oder weniger zur Erzielung des Einkommens mit. In den Urge-

werben iſt es die gebundene Naturkraft im Grund und Boden, in

den Kunſtgewerben aber ſind es ungebundene Naturkräfte, welche

dazu wirkſam ſind. In ſämmtlichen aber verdankt der Gewerb-

treibende einen Theil ſeines Einkommens den Naturkräften, und

dieſer iſt die Naturrente (Grund-, Boden-, Landrente, welche

drei Namen die Meinung erweckt haben, als ob es blos in den

Urgewerben eine ſolche Rente gäbe)1). Vor der Ausbildung des

Eigenthums empfängt ſie der Benutzer, nach der Ausbildung des-

ſelben dagegen der Eigenthümer des Grund und Bodens und der

Benutzer der ungebundenen Naturkraft. Benutzt der Eigenthümer

dieſe Naturkräfte ſelbſt, dann wird das genannte Einkommen

Grundrente im eigentlichen Sinne (natürliche Grundrente) ge-

nannt; überläßt er ſie aber einem Andern zur Benutzung und

empfängt er hierfür eine Vergütung, ſo heißt dieſelbe Pacht-

zins (ausbedungene Grundrente). Dieſelbe läßt ſich nach einer

andern Beziehung in Sach- und Geldgrundrente unterſcheiden.

Jene beſteht in den als Rente gewonnenen Naturproducten ſelbſt,

dieſe aber in den für ſie erhaltenen Geldpreiſen2). Die Unter-

ſuchung über die Umſtände, wovon die Größe der Grundrente ab-

hängt, hat ſich alſo über dieſe verſchiedenen Arten derſelben zu

verbreiten. Es muß ſich a) die natürliche Sachgrundrente

nach der Beſchaffenheit des Bodens (§. 138.) und nach den Pro-

ducten richten, in welchen der Boden ſeiner Natur nach etwas

ertragen kann3). Dagegen richtet ſich b) die natürliche Geld-

[592/0614]

grundrente nach den Regulatoren der Sachgrundrente, nach den

mehrjährigen Durchſchnittspreiſen der bezogenen Producte und alſo

nach allen Umſtänden, welche den Preis der Producte beſtimmen4),

und man findet ſie, wenn man vom Rohertrage des Urgewerbes

den allgemeinen üblichen Zins des verwendeten Capitals, die Ab-

nutzung des ſtehenden und den ganzen Betrag des umlaufenden

Capitals und den üblichen Gewerbsgewinn in Abzug bringt5).

Aber c) die ausbedungene Grundrente oder der Pachtzins,

er werde ganz oder zum Theile in Geld und zum Theile in Na-

turalien entrichtet, iſt nichts als ein Preis für die geſtaltete

Bodenbenutzung und richtet ſich alſo nach den Preisregulatoren, näm-

lich nach dem Werthe der Nutzung, nach den zum Bezuge des

Ertrages zu machenden Koſtenauslagen, nach der Zahlfähigkeit des

Pachters, nach dem üblichen Pachtzinſe, nach den Concurrenzver-

hältniſſen, und nach dem Geldwerthe6). Faßt man alle dieſe

Umſtände zuſammen, ſo drängt ſich die Frage über das Verhältniß

der Größe der Grundrente zum wirthſchaftlichen Volkswohlſtande

von ſelbſt auf. Es ſteigt und ſinkt mit ihr der Preis des Grund

und Bodens in ſeiner verſchiedenen urgewerblichen Anwendung,

denn ſie iſt der Ausdruck für die Höhe des Schaff- und Tauſch-

werthes deſſelben. Sie ſteigt und ſinkt mit der Bevölkerung und

mit dem Volkswohlſtande, weil die Nachfrage nach Urproducten

ſich hiernach richtet und bewirkt, daß man entweder neuen weniger

ergiebigen Boden in Bearbeitung bringt oder bisher bearbeiteten

wieder liegen läßt. Man kann aber aus ihrer Höhe nicht immer

auf geſtiegenen und allgemein gleichen Volkswohlſtand zurück-

ſchließen, weil ſie auch Folge von bloßen Geldverhältniſſen ſein

kann und immer eine Erhöhung des Preiſes der Urproducte vor-

ausſetzt, welche den weniger begüterten Ständen die Exiſtenz

erſchwert.

¹ Nicht blos von dem zu Land- und Forſtwirthſchaft oder zum Bergbaue ver-

wendeten Boden bezieht man eine Rente, ſondern auch z. B. von dem auf einer

Bleiche wirkſamen Sonnenſcheine, von Waſſer und Luft als Triebkräften von

Maſchinen u. dgl. Man ſ. über die Lehre von der Rente: A. smith Inquiry. I.

223 folg. 392. say Cours. IV. 250–304. Ueberſ. von v. Th. IV. 192–233.

storch Cours. Ueberſ. von Rau. I. 234–249. III. 317. Kraus Staatswirthſch.

II. 99–257. Lotz Reviſion. III. S. 244–346. §. 222–243. Handbuch. I.

S. 507–547. §. 79–83. Rau polit. Oeconom. I. §. 206 folg. der 2ten oder

§. 141–144. und §. 214. folg. der 1ten Ausg. Krauſe, Verſuch eines Sy-

ſtems c. I. S. 339369. v. Thünen, der iſolirte Staat. Hamburg 1826.

Malthus, An Inquiry into the nature and progress of Rent. London 1815.

E. West, An Essay on the application of Capital to Land. Oxford 1815.

Ricardo Principles. p. 47. vergl. mit p. 326. Note. Mill Elements. p. 29 sqq.

Racenstone, A few doubts. p. 208. R. Jones, On the Distribution of Wealth.

Tom. I. (am ausführlichſten). = Quarterly Review. T. 46. p. 81 sqq. vergl.

Octob. 1827. No. 82. pag. 404. Torrens, On the production pag 103 folg.

[593/0615]

¹ Mac-Culloch Principles. p. 264287. Ueberſ. von v. Weber. S. 212230.

Ganilh, Des systemes. II. 1–24. simonde de sismondi, Nouv. Principes. I. 275.

L. say Considérations. p. 84 (über A. Smith). p. 168 (Ricardo). p. 268

(Malthus). Canard Principes. p. 5–8. — Die Lehre von der Grundrente iſt

aus mehreren Gründen bisher noch ſehr unvollſtändig, nämlich a) weil man den

Begriff der Grundrente mit jenem der Capitalrente und des Gewerbsgewinnes ver-

mengte, ein Fehler, dem ſchwer zu entgehen war, da kein Grund und Boden ohne

Capital und Arbeit zu bewirthſchaften iſt, da ſich viel Capital in den Boden fixirt,

ſo daß ſich deſſen Beſchaffenheit verändert, und da man erſt von einer Rente ſpricht

nach Eingang oder Verrechnung der Preiſe der Urproducte; b) weil man, anſtatt

die Urproduction und den Zuſtand der Bevölkerung im Vergleiche zum ganzen

Gewerbsweſen in möglichſt vielen Ländern und geſchichtlich zu betrachten, ſich mei-

ſtens blos auf ein Land, eine Betriebsart c. bezog, ein Fehler, in welchen die

Ricardo'ſche Schule verfiel, da ſie blos die Verhältniſſe Englands vor Augen

hatte, obſchon in Schottland und Irland unter ſich und im Vergleiche mit jenem

verſchiedene Verhältniſſe obwalten (Quarterly Review. Tom. 46. p. 83. Tom. 43.

p. 354.); endlich c) weil man die Lehre von der Grundrente zu ſehr auf das

gewohnte praktiſche Landbauſyſtem, namentlich auf das Pachtſyſtem, baute und ſo

ſtets die Rente nach ihrem Geldbetrage, alſo nach den Productenpreiſen berechnete,

und mit dem landwirthſchaftlichen Reinertrage verwechſelte.

² Der Begriff von Grundrente iſt zwar ſchwer, aber logiſch weit leichter zu

geben, als praktiſch zu finden und ſtatiſtiſch darzuſtellen. Es ging hier eine der

merkwürdigſten Verwechſelungen der Methodik, das Weſen der Rente begreiflich zu

machen, mit den Gründen der Entſtehung und Veränderungen der Rente vor.

Nichts iſt natürlicher, als die Methode von Malthus, Weſt, Ricardo, Mill,

Torrens, Jones a. a. O. I. 94., und Andern, daß ſie ſagen: Wenn die Be-

völkerung ſo zunehme, daß man gezwungen ſei, zur Befriedigung der Lebensbedürf-

niſſe immer neuen Boden von ſchlechterer Qualität urbar zu machen und zu bebauen,

ſo werde der Preis der Producte ſo hoch ſteigen, daß auch die größeren Productions-

koſten, die auf den ſchlechteren Boden verwendet würden, ſammt den üblichen Ge-

winnſten erſtattet und für die Eigenthümer des je beſſeren Bodens, der je weniger

Auslagen in der Bewirthſchaftung erheiſche, dadurch ein den Eigenthümern

ſchlechtern Bodens nicht zukommender Gewinn bereitet werde. Aber daraus zu

ſchließen, daß nur ſo und dann eine Rente entſtehe, wie dies Ricardo und ſeine

Anhänger allgemein gethan haben ſollen, iſt eben ſo viel, als zu behaupten, daß

die Productivkraft der Natur vor Entſtehung des Grundeigenthums und einer

großen Bevölkerung nicht beſtanden und nicht gewirkt habe. Die Grundrente iſt die

erſte, welche der Menſch im roheſten Zuſtande nebſt der Arbeitsrente bezieht, und

Folge der Productivkraft des Bodens. Ricardo widerſpräche ſich mit einer ſo

allgemeinen Folgerung ſelbſt, denn er erklärt die Grundrente mit Recht für den-

jenigen Theil des Products der Erde, welchen der Grundherr für den Gebrauch

der urſprünglichen unverwüſtlichen Kraft des Bodens erhält (p. 47.), und ſagt, ſie

werde nicht bezogen oder größer je nach dem theureren Verkaufe der Producte

überhaupt, ſondern in dieſer Erhöhung könne Handels- und Gewerbsgewinn liegen

und die Geſetze der Rente ſeien von denen des Letzten verſchieden (p. 48–49.).

Solche auffallende Widerſprüche hat man ſich nicht geſcheut einem Ricardo unter-

zuſchieben, obſchon ganz deutlich aus ſeiner Rentenlehre hervorgeht, daß er von der

entrichteten Rente ſpricht, welche vom Pachtzinſe ganz verſchieden iſt, da dieſer

auch Capitalzins enthalten kann für das mit dem Boden verpachtete Capital. Wenn

er nun (p. 50.) ſagt, in reichen Urländern mit Ueberfluß an Boden gebe es keine

Rente, weil Niemand für den Gebrauch des Bodens etwas bezahle, ſo lange dort

nicht Grundeigenthum beſtehe oder eine große Maſſe Landes unbeſeſſen ſei, da

Jedermann, wie Luft und Waſſer benutzen, ſo auch Boden nach Belieben anbauen

könne; ſo muß ihm wohl Jedermann auch Recht geben. Rau (§. 208. der 2ten

oder §. 144. der 1ten Ausg.) greift zwar Ricardo ſchon damit an, daß derſelbe

von der Rente ſogar diejenige Vergütung ausſchließe, welche man gebe, um die

bereits auf oder im Boden befindlichen Gegenſtände, z. B. haubares Holz, Stein-

kohlen u. dgl. wegnehmen zu dürfen. Allein an der Richtigkeit dieſer Anſicht

Ricardo's kann nicht gezweifelt werden, wenn man bedenkt, daß derjenige,

Baumſtark Encyclopädie. 38

[594/0616]

² welcher die Ernte, den Hieb oder die bergmänniſche Förderung einem Andern

überläßt, in der Vergütung dafür außer der Land-, Forſt- oder Bergrente auch

noch einen Erſatz des Capitals ſammt Zinſen, die Rente des Ankaufscapitals zur

Erwerbung des Eigenthums, den Unternehmergewinn und, wo möglich, noch einen

Antheil an dem zu machenden Handelsgewinnſte des Uebernehmers der Producte zu

erlangen ſucht. Uebrigens wirft Rau demſelben auch als Fehler vor, daß obiger

Begriff von Grundrente willkührlich zu verengt ſei, da doch nicht blos die urſprüng-

liche unzerſtörbare Bodenkraft, ſondern vielmehr jede die nutzbare Beſchaffenheit des

Bodens vermehrende Bodenverbeſſerung auch Urſache der Rentenerhöhung ſei, und

offenbar aus jenem engen Begriffe hervorgehe, daß Bergwerke u. dgl. keine Renten

geben, was offenbar unrichtig ſei. Allein Ricardo (p. 73–77.) zeigt, daß von

der Bergrente nach ihrer Natur auch dasjenige gelte, was von der Landrente geſagt

ſei, und dies mit vollem Rechte, weil bei dieſer die Naturkraft ſchon früher wirkſam

war und Dinge bereit geſtellt hat, zu deren Erzeugung der Menſch nicht mitwirken

kann. Daß aber der Mehrertrag über die bloße Naturkraftrente, welcher aus

ſolchen Meliorationen folgt, die Natur der Rente habe, das gibt Ricardo (p. 326.

Note), wie Rau ebenfalls erwähnt, zu. Derſelbe hätte aber noch weiter gehen

und ſagen ſollen, daß derſelbe trotz dieſem keine Rente, ſondern Capitalzins iſt,

der aus der Anwendung von Capital auf die Naturkraft hervorgeht. Man muß

unterſcheiden zwiſchen dem Capitalaufwande zur Verbeſſerung der phyſiſchen Beſchaf-

fenheit des Bodens an ſich (z. B. in der Landwirthſchaft §. 138. 1–6. einſchl.

und §. 139. 145–147.) und jenem zur beſtmöglichſten Benutzung des Bodens bis

zum vortheilhafteſten Abſatze der Producte (§. 138. 7 folg. und §. 140–144.

150–153. 208. 2.), zu welchem Letzteren aller bergmänniſche Betriebsaufwand

gehört. Die erſtere Art von Capitalien bringt eine dauerhaftere Wirkung auf der

Reinertrag in Land- und Forſtwirthſchaft hervor als die andere. Das Einkommen

daraus, ſei der Capitalaufwand vom Eigenthümer oder vom Pachter gemacht, muſſ

wenn dieſe ihn zu machen bereit ſein ſollen, den üblichen Zins geben und in

mehreren Raten das Capital erſetzen und iſt folglich Capitalzins mit Rentennatur.

Dieſer wird erſt dann wirkliche Rente, wenn jenes Einkommen ganz oder theilweiſe

noch fortbezogen wird, nachdem ſchon das Capital ſammt Zinſen erſtattet iſt. Denn

dann bleibt reine erhöhte Naturkraft übrig.

³ Außer dieſen Regulatoren ſpricht Rau (§. 215. u. 215. a. der 2ten oder

§. 219. der 1ten Ausg.) auch noch von dem Einfluſſe der Bodenbenutzung auf die

Rente. Allein was als Folge dieſer an Einkommen mehr bezogen wird, das iſt

keine Grundrente, ſondern Arbeits-, Capital- und Gewerbseinkommen, welches

auch mit der Rente verſchmolzen iſt. In ähnlicher Annahme und Verwechſelung

beſteht der Grundfehler der Rentenlehre von Ricardo. Er geht nämlich davon

aus, daß es oft beſſer ſei, anſtatt auf neuen Boden geringerer Qualität, auf den

bereits bebauten neue Capitalien zu verwenden, welche dann, wenn ſie auch den

Gewinn nicht in demſelben Verhältniſſe ſteigerten, als das Capital vermehrt wurde,

doch oft eine Erhöhung deſſelben um ſo viel herbeiführen, daß man für das neue

Capital noch mehr Ertrag erhält, als wenn man es auf neuen Boden verwendet

hätte. Daher erklärt er die zu entrichtende Rente für den Unterſchied (15 L.)

zwiſchen dem Producte (100 L.) des erſten Capitals (1000 L.) und jenem (85 L.)

des zweiten gleichen Capitals (1000 L.), ſo daß alſo je der nächſt niedrigere Ertrag

der nächſten Capitalanwendung (alſo hier 85 L.) keine Rente gibt, ſo lange nicht

ein drittes Capital von wieder weniger Ertrag angewendet iſt, und dieſes dritte

nicht, ſo lange kein viertes angewendet iſt u. ſ. w. Allein nicht vom Capitale,

ſondern von der Productionsfähigkeit des Bodens hängt die Grundrente ab, und

derſelbe muß alſo an und für ſich nach ihrer Verſchiedenheit verſchiedene Renten zu

geben verſchiedene Fähigkeit haben, keineswegs aber, weil ſchlechterer Boden ange-

baut oder ferneres weniger ergiebiges Capital auf denſelben Boden verwendet wird.

Die Bodenkraft zeigt ſich bei jeder neuen Capitalanlage weniger wirkſam, und bei

jeder wird der neue Betrag der Rente kleiner, während der Gewinnſtſatz ſich gleich-

bleibt. Warum die entrichtete Rente gerade jenen Unterſchied (15 L. in angef.

Beiſpiele) und nicht mehr und nicht weniger betragen könne, das hat Ricardo

gezeigt. Er ſagt, zwei verſchiedene Gewinnſtſätze (100 L. und 85%) von zwei

gleichen Capitalien könne es nicht geben, und deßhalb falle ihr Unterſchied dem

[595/0617]

³ Grundeigenthümer als Rente zu. Wenn man ſich die Ricardo'ſche Anſicht fort

und fort ausgeführt denkt, ſo kommt man auf einen Punkt, wo ein abermals an-

gewendetes neues Capital, auf demſelben Boden verwendet, nicht mehr ſo viel

erträgt, als wenn es in neuem ſchlechteren Boden angelegt wäre. In dieſem Falle

fiele alsdann die Wahl auf dieſen, u. ſ. w., bis endlich ein Capital den gewöhn-

lichen Gewinnſtſatz nicht mehr gibt. Dieſes wird dann eine beſſere Anwendung

ſuchen und bleibt nicht im betreffenden Urgewerbe, und folglich kann ein ſolcher

Zuſtand, wenigſtens auf die Dauer, bei freiem Verkehre nicht beſtehen. Aber aus

allem dem folgt nicht, daß keine Rente exiſtirte, ehe das zweite Capital angelegt

wurde; denn, wenn es keine zwei Gewinnſtſätze geben kann, ſo folgt noch nicht,

daß erſt beim zweiten Capitale der rechte Gewinnſtſatz gefunden und abgezogen

werde, er muß vorher ſchon exiſtiren. Und die ganze Ricardo'ſche Theorie ſagt

alſo im Ganzen nichts Anderes, als, die entrichtete Rente iſt der Reſt des Rein-

ertrags nach Abzug des üblichen Gewinnſtes und die Rente hört bei denjenigen

Grundſtücken auf, bezahlt zu werden, welche blos den üblichen Gewinnſt für Capital

und Arbeit geben.

⁴⁾ Ricardo geht, da er, wie geſagt, von der entrichteten Geldrente ſpricht,

in ſeiner ganzen Theorie davon aus, daß ſich der Preis der Urproducte nach den größten

vorhandenen, d. h. nach den Productionskoſten der Erzeugniſſe des unter den

ungünſtigſten Naturverhältniſſen bebauten Bodens richte. Dieſer Satz ſteht gerade

in Widerſpruch mit der Lehre von der Bildung des Preiſes, wo gezeigt wird, daß

der Preis immer nach dem Erſatze der niederſten Productionskoſten ſtrebt. Allein

je größer der Begehr wird, um ſo höher ſteigt der Preis, und man kann alsdann,

um dieſen mit dem Angebote zu entſprechen, ſchlechtern Boden mit mehr Koſten

bebauen, ohne im Preiſe der Producte zu verlieren. Alſo es ſteigt der Preis der

Bodenproducte nicht, weil bei ſchlechterem Boden mehr Koſten aufzuwenden ſind,

ſondern dieſer größere Aufwand kann gemacht werden, weil der Preis jener Pro-

ducte ſo hoch geſtiegen iſt.

⁵⁾ Denn ohne Erſtattung der Capitalauslagen und Ausſicht auf den gewöhn-

lichen Gewinn wendet kein Unternehmer Capital auf den Grund und Boden.

Allein daraus folgt nicht, daß der Boden ſchlechter Qualität gar nicht bebaut

werde. Denn es gibt ſchon in den Urgewerben verſchiedene Benutzungsarten mit

Pflanzungen, auf welche ein auf andere Art benutzt unergiebiger Boden einen

Ertrag und eine Rente geben kann, wenn man nur ſeine Natur und die ent-

ſprechende Pflanzung trifft. Zu Gewerbsbetrieben iſt aber mancher Boden, der ſonſt

wenig oder keine Rente gäbe, oft mit großem Vortheile zu benutzen. Schon aus

dieſen und auch noch aus den manchfachſten andern Verkehrsverhältniſſen iſt zu

ſchließen, daß die bisher vorgetragenen Grundſätze von der Rente nicht ſo ſtrikt und

abſolut eintreffen, ſondern in der Wirklichkeit Hinderniſſe und Modificationen

erleiden.

⁶⁾ Der Gebrauchswerth des Bodens liegt in ſeiner Güte, dieſe aber

beruht nicht blos auf der urſprünglichen Beſchaffenheit, ſondern auch auf Ver-

beſſerungen vermittelſt Capitals. Er findet ſeinen entſprechenden Ausdruck in dem

übrig bleibenden Theile des Reinertrags nach Abzug der Capitalauslagen und

Capital- und Gewerbsgewinnſte. Iſt kein Capital im und auf dem Boden mit

verpachtet, ſo iſt jener Reſt der höchſte Satz des Pachtzinſes. Die Koſten als

Regulatoren der Pachtzinſen ſind auf jene Art ſchon erklärt. Die Zahlfähigkeit

des Pachters hängt nicht von der Perſönlichkeit und Vermöglichkeit deſſelben allein,

ſondern auch von günſtigen und ungünſtigen Ereigniſſen ab, die auf den Ertrag

von Einfluß ſind. Dieſe veranlaſſen oft Remiſſionen. Letztere berechnet der Ver-

pachter nebſt ſeinen Verluſten durch ſchlechte Naturalien, ſchlechte Münzen u. dgl.

bei der Calculation des Pachtzinſes mit ein. Je ſicherer die Caution iſt, deſto

niedriger kann daher auch der Pachtzins werden. So ſtreng, als eben in der

Theorie gerechnet wird, geſchieht dies nicht in der Praxis, ſondern man geht da

mehr von dem üblichen Pachtzinſe aus, woraus natürlich bei veränderten

Verhältniſſen um ſo mehr Verluſte für die eine oder andere Parthie entſtehen

können, wenn der Contract nicht ſo geſtellt iſt, daß er mit veränderten Verhältniſſen

von ſelbſt fällt oder ſteigt, alſo eine fixe Summe beträgt. Die Concurrenz-

38 *

[596/0618]

⁶⁾ verhältniſſe ſind von höchſter Wichtigkeit. Die Menge von Grundeigenthümern

gegenüber der Menge von Bauern u. dgl., welche durch den Betrieb von Land-

wirthſchaft u. dgl. leben müſſen, bringt daher oft große Mißverhältniſſe vor und

auf dieſen Umſtänden beruhen die verſchiedenen grundherrlichen und bäuerlichen

Syſteme, welche die Geſchichte und Statiſtik aufweist und Jones a. a. O. p. 40

folg. p. 142 folg. beſchrieben hat. Was vom Einfluſſe des Geldweſens auf den

Preis überhaupt geſagt wurde, das gilt auch hier mit Bezug auf den Geldpacht-

zins. Wenn die Geldrente fix iſt, ſo entſtehen daraus je nach Zu- und Abnahme

des Geldtauſchwerthes für die eine oder andere Parthie ſchlimme Folgen, welche

aber für die Pachter und Bauern in der Regel am drückendſten ſind.

§. 423.

Fortſetzung. 2) Arbeitsrente und Arbeitslohn.

Kein Gewerbe, weder ein wirthſchaftlich productives noch ein

unproductives, iſt ohne Arbeit denkbar, ſelbſt das Geſchäft des

gewöhnlichen Geldcapitaliſten und Grundeigenthümers, welcher

ſeine Güter verpachtet, nicht ausgenommen. Es gibt aber in jeder

Nation eine Klaſſe von Mitgliedern, welche in ihren Gewerben

ſelbſt arbeiten und eine andere weit größere, insbeſondere ſoge-

nannte arbeitende Klaſſe, welche Andern gegen Belohnung

(Lohn, Löhnung, Honorar) Dienſte leiſtet. Jene bezieht die Ar-

beitsrente, dieſe den Arbeitslohn, denn ohne einen ſolchen

der Arbeit entſprechenden wirthſchaftlichen Erfolg würden ſich die-

ſelben der Arbeit nicht unterziehen1). Man könnte jene die na-

türliche, dieſe aber die ausbedungene Arbeitsrente nennen und

kann auch einen Sach- und Geldlohn unterſcheiden. Auch hier

entſtehen die zwei Fragen, wonach ſich die Arbeitsrente und der

Arbeitslohn richten und in welchem Verhältniſſe ſie zum Volks-

wohlſtande ſtehen. a) Die eigentliche Arbeitsrente muß groß

genug ſein, um den Arbeiter in ſeiner Jugend, im arbeitsfähigen

Alter und im ſpäteren Alter, d. h. alſo jeden Arbeiter ſammt der

arbeitsunfähigen Familie zu erhalten. Daher richtet ſie ſich nach

der üblichen Lebensweiſe der arbeitenden Familien beſtimmten

Grades, welche nach Klima, Sitten und Gewohnheiten wechſelt,

— nach dem Preiſe der Lebensmittel, welche die entſprechende

Arbeiterklaſſe braucht, — nach den Zwiſchenzeiten, in welchen nicht

gearbeitet werden kann oder darf, — und nach den Auslagen zur

Erwerbung der zur betreffenden Arbeit erforderlichen Geſchicklich-

keit2). Es iſt aber b) der Arbeitslohn ein Preis für die ge-

leiſtete Arbeit und richtet ſich folglich nach dem Werthe der Arbeit,

nach den zur Erlangung und Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und

Geſchicklichkeit nöthigen Koſten, nach der Zahlfähigkeit der Be-

gehrer (Lohnherrn), nach dem einmal marktüblichen Arbeitslohne,

nach den Concurrenzverhältniſſen, und nach den Geldverhältniſſen3).

[597/0619]

Es folgt hieraus, daß der Arbeitslohn in verſchiedenen Ländern,

Gegenden und Zeiten verſchieden iſt; daß ein hoher Arbeitslohn

die wirthſchaftlichen Zuſtände der arbeitenden Klaſſe verbeſſert,

und ein niederer verſchlimmert, Letzteres um ſo mehr, je größer

das Mißverhältniß zwiſchen dem Lohne und dem Bedarfe der

Arbeiterklaſſe iſt; daß ein hoher Arbeitslohn als ein Zeichen großen

Volkswohlſtandes erſcheint; und daß er auf den Preis der Dinge

einen entſchiedenen Einfluß ausübt, und zum Gewinne der Ge-

werbsunternehmer in umgekehrtem Verhältniſſe ſteht4).

¹ Zur Literatur: A. smith Inquiry. I. 96133. 151. say Cours. IV.

113–189. Ueberſ. von v. Th. IV. 86–145. storch Cours, Ueberſ. von Rau.

I. 151. 187–217. III. 299 folg. Ganilh Des systemes. II. 245. simonde de

sismondi Rich. Commerc. I. 88. Nouv. Principes. I. 353. L. say Considéra-

tions. p. 71 (A. smith). p. 179 (Ricardo). p. 279 (Malthus). Ricardo Prin-

ciples. pag. 85. Mill Elements. pag. 40. Ravenstone A few doubts. pag. 260.

Mac-Culloch Principles. pag. 229. 292. 326. Ueberſ. von v. Weber. S. 181.

234. 262. senior Three Lectures on the Rate of Wages. Oxford 1830. 2e Edit.

Gioja Nuovo Prospetto. III. 228. Kraus Staatsw. I. 197–248. II. 6. Lotz

Reviſion. III. 128–190. §. 195–211. Handb. I. 468. §. 77. folg. Rau polit.

Oeconom. I. §. 187. der 2. oder §. 194. der 1. Ausg. Krauſe Syſtem. I. 369.

² Es folgt aus dieſen für ſich leicht verſtändlichen Regulatoren der Arbeits-

rente, daß in der Geſellſchaft der Stand des Arbeitslohns je nach der Stellung der

Klaſſe von Arbeitern im weiteren Sinne verſchieden iſt, und daß eine vorübergehende

Theuerung der Lebensmittel mehr oder weniger drückende Folgen für dieſe Klaſſe

hat, weil ſich die Arbeitsrente nicht ſo ſchnell verändern kann. In dieſem Sinne

allein iſt es richtig, wenn Buchanan, in den Anmerkungen zu A. Smith, und

Gioja behaupten, die Arbeitsrente richte ſich nicht nach den Preiſen der Lebens-

mittel (ſ. dagegen Ricardo a. a. O. p. 259–268. und Ganilh a. a. O. p.

249–260.). Nur Beſonnenheit und Sparſamkeit kann ſie dann vor den ſchlimm-

ſten Folgen bewahren (ſ. oben §. 374–377.).

³ Der Werth der Arbeit kommt als Gebrauchs- und Tauſchwerth in Be-

tracht. Sowohl der Arbeiter als der Lohnherr macht ſein Urtheil darüber geltend.

Jener wird nach dem Zwecke, wozu der Lohnherr die Arbeit haben will, und nach

der Tauglichkeit des Arbeiters bemeſſen. Je kunſtvoller alſo unter gleichen Umſtänden

die Leiſtung, oder je höher die nöthigen Eigenſchaften, oder je nöthiger fürs Leben

der Dienſt, deſto höher der Arbeitslohn oder das Honorar. Der Tauſchwerth ent-

ſcheidet über den Lohn am meiſten bei Arbeitern oder Dienſten, wegen der größeren

oder geringeren Seltenheit einer betreffenden Arbeitsfähigkeit, einer gehörigen

Menge von Arbeitern für den betreffenden Dienſt und wegen der Mühe für

Erlangung der erforderlichen Bildung und Geſchicklichkeit. Wegen der Koſten als

Lohnregulatoren ſ. m. die Erörterung über die Regulatoren der Arbeitsrente unter a.

Am ſchwerſten iſt die Quote zu beſtimmen, welche von den Bildungskoſten im Lohne

oder Honorare enthalten iſt, weil die Lebensdauer ſehr verſchieden iſt, innerhalb

deren ſie erſtattet werden ſollen, und weil die Größe des Bildungsaufwandes zu

ſehr wechſelt. Der marktübliche Arbeitslohn oder das gewöhnliche Honorar

hat deßhalb Einfluß auf den Lohnſatz, weil man ſich einmal bei vielen Lohncontracten

und bei Forderung von Honorar an das Uebliche hält, und weil man ſich beim

Dingen beiderſeits darauf beruft, der Arbeiter, wenn ihm zu wenig geboten, der

Herr, wenn ihm zu viel gefordert wird. Was die Zahlfähigkeit der Lohn-

herrn anbelangt, ſo fällt ſie hier ganz genau mit der einen Seite der Concur-

renz, nämlich mit dem Begehre nach Arbeit, zuſammen. Denn nach den vorhan-

denen Mitteln zur Zahlung von Dienſten richtet ſich im Allgemeinen der Begehr

darnach. Man ſagt nun gewöhnlich, der Begehr nach Arbeit richte ſich nach der

Menge von disponiblem Capitale. Daß dies nicht vom Nationalcapitale und nicht

[598/0620]

³ vom Capitale überhaupt gelte, hat Rau (polit. Oeconom. §. 195.) gezeigt, weil

die ins Ausland wandernden Capitalien im Inlande nicht auf den Lohn wirken und

das ſtehende Capital ebenfalls nicht. Allein es iſt doch klar, daß nicht blos das

Capital, ſondern auch der Conſumtionsvorrath oder mit andern Worten, nicht blos

das rohe, ſondern auch das reine Einkommen, jenes Productivdienſte, dieſes auch

unproductive Arbeiten in Bewegung ſetzt. Die Unterſuchung der Folgen des Ver-

hältniſſes, wonach der einen oder andern Art von Dienſten Einkommen gewidmet

wird, iſt zur Erforſchung des wirthſchaftlichen und anderen Volkswohlſtandes ſehr

wichtig. Das Angebot von Arbeit richtet ſich nach der Menge von bereitſtehenden

Arbeitern, aber dieſe hängt ab nicht blos von der Größe der arbeitenden Bevölkerung

im Allgemeinen, ſondern vielmehr auch von der Menge von Arbeitern in jedem

beſtimmten Arbeitszweige, dieſe aber richtet ſich nach der Häufigkeit und Seltenheit

der dazu nöthigen Eigenſchaften, nach der Bereitſchaft von Mitteln zur Erlernung

einer Arbeit, nach der Gefahr und Unannehmlichkeit der Arbeit, und nach einer

Reihe ſubjectiver Rückſichten, als da ſind Sicherheit und Dauer der Anſtellung, Art

der Behandlung und Achtung u. dgl. m. Es iſt nun freilich im Grundſatze wahr,

daß niedriger Lohn zufolge geringen Begehrs oder anderer Urſachen die Arbeiter

beſtimmt, anderswo oder andere lohnendere Arbeit zu ſuchen. Allein dieſem Wechſel

ſtehen viele, oft unüberſteigliche Hinderniſſe entgegen. Sie ſind hauptſächlich fol-

gende: a) Mangel an Capital in andern Gewerben und größere Sparſamkeit in

unproductiver Conſumtion; b) fortwährende Gewerbsverbeſſerungen und Erfindungen

von Maſchinen, welche Arbeiter entbehrlich machen; c) Entfernung der Orte, wo

größere Nachfrage nach Arbeit Statt findet, Mangel an Mitteln in den Händen der

Arbeiter, um dorthin zu gelangen, und Staatsgeſetze, welche der Ueberſiedelung

entgegen ſind, als Geſchloſſenheit der Gemeinden, Zunftgeſetze, Verbot des Aus-

wanderns der Arbeiter, wie in Großbrittannien vor a. 1824; d) Seltenheit der

Geſchicklichkeit für verſchiedene Geſchäfte, größere oder geringere Untauglichkeit für

andere Arbeiten als Folge der Angewöhnung bei Arbeitstheilung, und Scheu vor

niederern Geſchäften, als die bisherigen waren. Entſtehen nun ſchon dadurch viele

Uebelſtände, ſo gehen auch ſolche aus periodiſchen Veränderungen im Geldweſen

hervor, welchen der Arbeitslohn in ſeiner Größe nicht immer ſogleich folgen kann,

ſo daß Mißverhältniſſe zwiſchen dem Lohne und den hohen Preiſen der Lebensmittel

entſtehen.

⁴⁾ Ueber die Priorität des Gedankens wegen des umgekehrten Verhältniſſes

zwiſchen Gewinn und Arbeitslohn ſ. m. Meine Verſuche. S. 87. Note. Eine

beſondere Aufmerkſamkeit verdient aber die Anſicht Ricardo's über den Einfluß

des Lohnes auf den Preis der Waaren, und Rau's Entgegnung auf dieſelbe. Die

Erſtere iſt blos eine Fortſetzung der oben (§. 418. N. 3.) ſchon angeführten Sätze.

Ricardo fährt nämlich (p. 25–28.) ſo fort: Keine Veränderung im Arbeitslohne

kann eine ſolche im relativen Werthe der Güter hervorbringen. Denn zur Erſtat-

tung eines umlaufenden Capitals von 100 L mit 10% Zinſen müſſen 110 L

eingehen, zur Erſtattung eines gleichen ſtehenden Capitals in zehn Jahren mit dem

nämlichen Gewinne müſſen jährlich 16,27L. eingehen, denn dieſe Rente macht in

10 Jahren auch obige Summe. Denkt man ſich in zwei ſo beſtellten Gewerben ein

Steigen des Lohnes um 10%, ſo werden beide gleich betheiligt, da zur Production

der früheren Gütermenge jetzt 10% umlaufendes Capital mehr nöthig werden

Früher mußten die ſämmtlichen producirten Güter um 100+10+16,27=126,27 L.

verkauft werden, jetzt aber nicht höher, obſchon der Capitalbetrag in beiden Gewerben

anſtatt der früheren 200 L. jetzt 210 L. macht. Die Gewinnſte reduciren ſich gleich-

mäßig und die Güter behalten gleichen relativen Werth. Kann aber mit dem

gleichen Capitale und Arbeitsquantum mehr von dem einen als vom andern Pro-

ducte hervorgebracht werden, ſo iſt das Gleichgewicht geſtört und es ſinkt der relative

Werth der in größerer Menge producirten Güter gegen jenen der Andern. Iſt das

Werthsmaaß unveränderlich, ſo iſt die äußerſte Grenze eines andauernden Steigens

der Preiſe der Waaren proportional zum Arbeitszuſatze für ihre Production. Ein

Steigen des Arbeitslohns erhöht ſie nicht im Geldwerthe und nicht relativ zu andern

Waaren, deren Production keinen Arbeitszuſatz erheiſchte, die nämliche Proportion

ſtehenden und umlaufenden Capitals anwendete, und ſtehendes Capital von gleicher

Dauer hat. Wird mehr oder weniger Arbeit in der Production der Waaren

[599/0621]

⁴⁾ erheiſcht, ſo verurſacht dies ſogleich eine Preisveränderung, allein dieſe rührt von

der nöthigen Arbeitsmenge und nicht vom Steigen des Arbeitslohnes her. — Den

beſten Commentar zu dieſer richtigen Anſicht gibt Mac-Culloch Principles. p. 288

-325. Ueberſ. von v. Weber S. 231–261. und Mill Elements. p. 105–107.

Die Bemerkungen, welche Rau §. 203. u. 204. bei der verſuchten Widerlegung

dieſer Anſicht macht, ſind in der That ſehr lehrreich, aber die Widerlegung ſcheint

nicht gelungen zu ſein, weil Ricardo weit entfernt iſt, Dinge zu behaupten,

welche Rau bekämpft. Denn er hat nirgends aufgeſtellt, daß jedesmal mit der

Zunahme des Arbeitslohns der Preis der Güter in demſelben Verhältniſſe ver-

mehrt werde, als jener ſtieg, alſo wenn der Lohn um 10% geſtiegen ſei, auch der

ganze, auch noch aus andern Sätzen beſtehende, alſo mehr als der bloße Lohn

betragende Preis um 10% ſteige. Er behauptet ſogar das Gegentheil, und gerade

eben weil der Capitalgewinnſt um die Summe ſinke, um die der Lohn geſtiegen ſei,

d. h. nicht um das nämliche %, da der Betrag des Erſteren ein anderer als der

des Letzteren iſt. Derſelbe ſagt an keiner Stelle, daß eine Veränderung der Preiſe

zufolge des geſtiegenen Arbeitslohnes allgemeinhin gleichförmig ſei, im Gegentheile,

er zeigt das Eintreten einer nothwendigen Ungleichförmigkeit wegen der verſchiedenen

Combination von Capital und Arbeit in den Fällen, wenn die Preiſe ſich verändern

zufolge der nöthigen größeren oder geringeren Menge von Arbeit oder Capital zum

Behufe der Production. Ricardo ſpricht nicht davon, daß ſich der Lohn in allen

Gewerben in gleichem Verhältniſſe erhöhen müſſe, ſondern vielmehr, daß im

Preiſe der Dinge die Veränderung deſſelben dem Unternehmer bei dem einen Ge-

werbe z. B. nicht zu Statten komme, weil in ihm nur der für eine gewiſſe

Beſchäftigung allgemein übliche Lohn berechnet werden könne, und verhältnißmäßig

am Gewinne abgehe, was ein Unternehmer an jenem mehr zu zahlen habe. Daß

die Concurrenz auch den Lohn beſtimmt, das weiß derſelbe auch, aber da bei

gewinnreichem Arbeitslohne das Angebot von Arbeit ſteigt, ſo wird der Lohn wieder

ſinken, ebenſo wie im umgekehrten Falle wieder ſteigen. Daher das Prinzip von

Ricardo, daß nur eine Veränderung im reellen Koſtenſatze, ſei es in Arbeit oder

Capital, eine bleibende Veränderung im gegenſeitigen relativen Werthe der Waaren

hervorbringe; derſelbe läugnet daher nicht, daß eine Erhöhung des Lohnes eine

Steigerung des Koſtenſatzes der Production und ein Anreitz des Producenten ſei,

den Preis ſeiner Producte zu ſteigern, aber wohl beſtreitet er, daß dieſer Verſuch

in der Regel Erfolg haben werde. Ricardo ſetzt deutlich zwei Gewerbe von

urſprünglich gleicher erforderlicher Capital- und Arbeitsmenge voraus, und folgert

aus einer Veränderung des einen Gewerbes hierin eine Störung des bisherigen

Verhältniſſes der relativen Werthe ihrer Producte; er kennt allerdings die Umſtände,

welche Preisabweichungen verurſachen, recht gut. Wenn nun aber endlich Rau

behauptet, die Ricardo'ſchen Sätze könnten nur richtig ſein, wenn unter den

andern auch die Vorausſetzung gelte, daß die Zinsrente und der Gewerbsgewinn in

allen Gewerbsarten im Gleichgewichte ſtehen, in allen zugleich zu- und zugleich

abnehmen; ſo müßte, ſelbſt wenn die Wahrheit jener Vorausſetzung wirklich noth-

wendig wäre, von Rau auch vorerſt bewieſen werden, daß die vorausgeſetzte

Gleichförmigkeit nicht Statt finde. Das Gegentheil hiervon ſoll, momentane Un-

gleichheiten abgerechnet, im folgenden bewieſen werden.

§. 424.

Fortſetzung. 3) Capitalrente und Capitalzins.

Das Capital iſt eine dritte Güterquelle. Wird das ſtehende

Capital in Gewerben verwendet und ſoll es die Gewerbsführung

immer möglich machen, ſo muß es, da es ſich abnutzt, alſo nach

und nach ganz verſchwinden würde, jedenfalls durch ſeine Anwen-

dung einen Erſatz für die allmälige Abnutzung geben. Würde es

aber ſtets blos dieſen Erſatz liefern, ſo könnte die Production im

[600/0622]

Verhältniſſe zur ſteigenden Bevölkerung keine Fortſchritte machen,

da ſie fortwährend von der Möglichkeit der Ueberſparung abhängig

iſt. Es muß alſo aus der Capitalanwendung ein zweiter Satz

hervorgehen, der es möglich macht, neues Capital zu ſammeln,

um durch Gewerbserweiterungen und Verbeſſerungen dem ſteigenden

Bedarfe zu entſprechen. Wird umlaufendes Capital in Gewer-

ben verwendet, ſo gilt im Allgemeinen auch das Geſagte. Nur

kann ſich bei dieſem der Erſatztheil blos auf die Verzehrung von

Capital und die Verluſte an ſolchem bei der Production und wäh-

rend der Aufbewahrung beziehen. Wegen der Verſchiedenartigkeit

dieſer Erſatzſumme bei beiden Capitalien müſſen der Regel nach

beide Poſten zuſammen beim umlaufenden Capitale größer als beim

ſtehenden ſein. Was man alſo aus einer ſolchen Capitalanwendung

bezieht, das heißt man Capitalrente (natürliche Capital-

rente); dasjenige aber, was man dafür bekommt, daß man einem

Andern ein Capital zur Nutzung überläßt, wird Capitalzins

(ausbedungene Capitalrente) genannt1). In Bezug auf

die Dinge, woraus die Capitalrente und der Zins beſteht, iſt eben-

falls die Sachrente (der Sachzins) von der Geldrente (Geld-

zinſe) zu unterſcheiden. Die letzten Urſachen und Sätze derſelben

ſind zwar in dem Obigen angegeben, allein es bedarf auch hier

noch einer beſondern Unterſuchung, wonach ſich die Größe des

Einen und Andern richtet, und wie ſie ſich zum Volkswohlſtande

verhalten. Da man früher die Begriffe Geld und Capital nicht

gehörig ſichtete, ſo war man allgemein der Meinung, der Zinsfuß

richte ſich blos nach der Menge des vorhandenen Geldes2). Dieſer

Irrthum muß aus Folgendem klar werden: a) Die Capital-

rente richtet ſich alſo nach zwei Hauptregulatoren. Während

nämlich der Erſatzpoſten derſelben beim ſtehenden Capitale ſeinen

feſten Regulator in der allgemeinen Dauerhaftigkeit des Capitals

hat, ſo bleibt für die Regulirung des Ertragspoſtens nur die

größere oder geringere Nothwendigkeit der Capitalvergrößerung zum

Behufe der Erweiterung der Production übrig; dieſe aber ſpricht

ſich in der Nachfrage nach den Gewerbsproducten des Capitals aus

und äußert ſich folglich im Preiſe derſelben3). Beim umlaufenden

Capitale richtet ſich der Erſatzpoſten in der Rente nach der Größe

der Capitalauslage ſelbſt und nach der Anzahl der Perioden, in

welchen der allmälige Erſatz Statt findet, während der Ertrags-

poſten ſich nach denſelben Regulatoren wie beim ſtehenden Capitale

und nach der Länge der Zeit richtet, in welcher die Rente eingeht,

weil vorausgeſetzt werden muß, daß, wenn ſie früher eingegangen

wäre, das Capital und die Rente wieder neuerdings productiv

[601/0623]

angewendet worden wären4). b) Der Capitalzins dagegen er-

ſcheint wieder als Preis der Nutzung von ſtehendem und umlau-

fendem, und beim Letzteren wieder von Sach- und Geldcapital.

Er richtet ſich nach dem Werthe des Capitals, nach den Koſten

ſeiner Anſchaffung und Erhaltung, nach der Zahlfähigkeit des

Entlehners, nach dem üblichen Zinsfuße ſelbſt, nach den Concur-

renzverhältniſſen und nach dem Wechſel im Geldweſen5). Es iſt

aus dieſen Sätzen leicht erſichtlich, daß ein bleibend niedriger

Zinsfuß allgemeinhin ein Zeichen hohen Volkswohlſtandes und

großer geſetzlicher Sicherheit iſt6). Denn er ſteigt beim Mangel

an Letzterer und bei unzureichendem Angebote von Capital für den

Begehr darnach. Allein man kann darum aus ſeiner Höhe und

Niedrigkeit nicht gerades Wegs auf geſunkenen und geſtiegenen

Volkswohlſtand ſchließen. Denn in ſich erſt, aber raſch entwickeln-

den Ländern, wo die Menge von Natur- und Arbeitskräften ſo

außerordentlich groß iſt, daß man nicht Capital genug zu ihrer

Verwendung hat und wo deßhalb die Capitalrente ſehr hoch iſt7),

da ſteigt der Zinsfuß bei hohem Wohlſtande; und ſelbſt in alten,

gewerblich ſehr ausgebildeten, Ländern bei hohem Wohlſtande

können vorübergehende Verhältniſſe reeller und nicht reeller Art

die Nachfrage nach Capitalien und den Zinsfuß ſteigern und Ver-

änderungen im Geldweſen andere Unregelmäßigkeiten im Zinsfuße

hervorbringen.

¹ Zur Literatur: A. smith Inquiry. I. 133. 152. 396. say Cours. IV. 190

-241. Ueberſ. von v. Th. IV. 145–191. storch Cours, Ueberſ. von Rau.

I. 218. II. 9–40. III. 310. 389. Ganilh Des systemes. I. 330. simonde de

sismondi Richesse Commerc. I. 47. 67. L. say Considérations. pag. 74. 80

(A. smith). 183 (Ricardo). 285 (Malthus). Ricardo Principles. p. 109. Mill

Elements. p. 68. Ravenstone A fav Doubts. p. 357. Mac-Culloch Principles.

pag 143. 244. 363. Ueberſ. von v. Weber. S. 113. 193. 293. Gioja Nuovo

Prospetto. III. 166. Kraus Staatswirthſch. I. 249. II. 28. Lotz Reviſion. III.

S. 157. §. 202. — S. 244. §. 221. Handb. I. 486. §. 78. Rau polit. Oec.

I. §. 222. der 2ten oder §. 145. 225 der 1ten Ausg. Nebenius, der öffentliche

Credit. I. S. 17–88. Hermann Unterſuch. S. 145–266. Meine Verſuche

über Staatskredit. S. 14. 17. 29.

² Dieſer Meinung ſind noch Steuart, Verri, Genoveſi und Andere

geweſen. Es kommt dieſelbe noch jetzt zuweilen zum Vorſcheine. S. dagegen Hume

Polit. Essays. IV. Das Geld iſt blos ein Mittel zum Capitalumſatze und iſt

nur inſoferne ein Theil des Capitals, aber nicht das Capital. Blos der Zins für

Gelddarleihen richtet ſich unter Anderem auch nach der Menge des Geldvorrathes.

Dann aber richtet ſich der Zins auch nach der Geldmenge inſoferne, als er in Geld

entrichtet wird, und dieſes nach ſeiner vorhandenen Menge verſchiedenen Tauſch-

werth hat, der ſinkend die Preiſe erhöht, und ſteigend dieſelben ſenkt. Aus dieſen

Gründen können Erſcheinungen, welche die Geldmaſſe vergrößern, den Zinsfuß

ſenken und im Gegentheile ſteigern. S. Meine Verſuche. S. 81. 127. Büſch,

Vom Geldumlaufe. II. 690. Hermann Unterſuchungen. S. 218. Es hat daher

Rau (polit. Oeconom. I. §. 235.) nicht ganz Recht, da er ſagt, es ſei entſchieden

ein Irrthum, daß der Zinsfuß falle, wenn die Menge des Geldes ſich vermehrt.

[602/0624]

³ S. Hermann a. a. O. S. 152 folg. Die Rente des ſtehenden Capitals

iſt daher davon abhängig: a) ob es vermehrbar iſt oder nicht. Im letzteren

Falle kommt dem Unternehmer der ganze Zins als Rente zu und ein ſolches Capital

muß einen höheren Tauſchwerth und Preis haben als ein anderes, weil ſich dieſe

nach Gewinn und Seltenheit richten. Iſt es verkauft, dann kann ſein Käufer nicht

mehr von erhöhetem Gewinnſte reden, weil ſein als Preis bezahltes umlaufendes,

aber jetzt fixirtes Capital mit dem Gewinnſte im gewöhnlichen Zinsfußverhältniſſe

ſteht. Doch aber der Verkäufer. Je vermehrbarer und abnutzbarer aber ein ſtehen-

des Capital iſt, deſto tiefer kann die Rente ſinken. Die Hinderniſſe der Vermehr-

barkeit des Capitals liegen aber in der Natur, Arbeit und Capitalanwendung ſelbſt.

Die Rente des ſtehenden Capitals hängt aber, die Vermehrbarkeit vorausgeſetzt,

auch ab b) davon, ob die neuen Capitalzuſätze gleich, mehr, oder

weniger ergiebig ſind, als das erſte. Denn danach nimmt die Concurrenz

der Unternehmer in dieſer oder jener Capitalanwendung zu und ab, erhöht und

erniedrigt das Angebot von Producten, ſenkt und ſteigert den Preis derſelben und

den Gewinn. Beiſpiele bei Hermann p. 165–185.

⁴⁾ Allein ſteigen die Productenpreiſe, dann ſteigt auch die Rente des umlau-

fenden Capitals, reell oder nominell. Im Gegentheile ſinkt ſie. Steigt der Abſatz,

dann ſteigt dieſe Rente reell, im Gegentheile ſinkt ſie. Je mehr ſich die drei

Güterquellen in der Production der Hilfs- und Verwandlungsſtoffe ſo wie der

Unterhaltsmittel wirkſam zeigen, um ſo mehr kann auch dieſe Rente ſteigen. Sinkt

aber die Rente, ſo daß ein Verluſt eintritt, ſo kann das umlaufende Capital

leichter, als das ſtehende aus dem Gewerbe gezogen werden. Wegen dieſes Vor-

theils vor dem ſtehenden Capitale iſt es auch im Stande, ſtets ſeinen vollen Zins

im Gewerbe in Anſpruch zu nehmen, ſo daß ſich das ſtehende Capital eher ſchlecht

rentirt, als jenes, woraus folgt, daß der Preis des ſtehenden bei ſeiner Ausziehung

aus dem einen Gewerbe ſinkt. Zum Theile hierin, zum Theile in der Natur der

Capitalien ſelbſt liegen die Hinderniſſe, weshalb es nicht beliebig aus den Gewerben

gezogen werden kann. Es bildet ſich daher in einem Lande eine allgemeine Capital-

rente, ein Durchſchnitt jener beiden, welche ſich durch das Zu- und Abwenden der

Concurrenz nach oder vor einer Capitalanlage je nach der größeren oder geringeren

Rente (Note 3) und nach der Umwandlung des ſtehenden Capitals in umlaufendes

und des Letzteren in jenes, je nach der größeren Einträglichkeit bildet. Denn ein

geſtörtes Gleichgewicht ſucht ſich immer wieder herzuſtellen, und nur vorübergehend

können verſchiedene Zinsſätze beſtehen.

⁵⁾ Der Werth des Capitals erſcheint hier als Nutzwerth, weil er nach dem

Vortheile bemeſſen wird, den die Nutzung deſſelben gewährt. Der Tauſchwerth

wird nur in Bezug auf die Nutzung berechnet, aber auch dieſer hat Einfluß auf

den Zins, weil, wenn man auch für ein Capital gerade wegen ſeines beſondern

Nutzwerthes mehr als den gewöhnlichen Zins verlangen oder wenn Jemand weniger

als dieſen bezahlen wollte, die Menge oder Seltenheit dieſer Capitalien den allge-

meinen Zinsſatz wieder herſtellen wird. Nach dieſen Sätzen richtet ſich auch der

Zins für unproductiv zu verwendende Capitalien, denn weniger als den allgemeinen

Zinsſatz läßt ſich der Capitaliſt nicht gefallen. Es hat darum Hermann a. a. O.

S. 202–204. Unrecht, wenn er ſagt, blos bei gewerbtreibenden Gläubigern richte

ſich der Zins nach dem Nutzertrage des Capitals und blos die Erſparung an Mühe

und Sorgen beſtimme ſie weniger zu nehmen. Denn dafür, daß ſie keine Mühe

und Sorge haben, beziehen ſie den Gewerbsgewinn nicht. Es geht aber hieraus

und aus der erſten Hälfte des §. hervor, daß Rau I. §. 222. die Nothwendigkeit

des Zinſes blos damit ſehr unſicher beweist, indem er ſagt, er müſſe bezahlt wer-

den, weil es der Gläubiger der auf den Genuß verzichte, einmal ſo wolle. Die

Anſchaffungs- und Erhaltungskoſten begründen die Entſchädigungs-

ſumme, wie der Anfang des §. und die Note 3 zeigen. Die Zahlfähigkeit

des Entlehners begründet den Kredit deſſelben. Nach dem Grade deſſelben und

nach den Erfahrungen über erlittenen Verluſt aus dieſen und ähnlichen Gründen

richtet ſich die Größe des Wagniſſes, welches der Gläubiger übernimmt und wofür

er eine Verſicherungsſumme im Zinſe anrechnet. Es erklärt ſich, warum

gute Geſetze über dieſe Verhältniſſe und ein notoriſch treuer Volkscharakter, eine

[603/0625]

⁵⁾ Hypotheke und ein Fauſtpfand den Zins erniedrigen. (Meine Verſuche S. 6.

Note.) Der übliche Zinsfuß iſt ein Zinsregulator, inſoferne ſich ſchon der

Capitaliſt damit begnügt. Wer aber ein zu verleihendes Capital zu hoch ſchätzt,

wer zu viele und zu große Verluſte erlitten hat, wer ein zu hohes umlaufendes

für ein auszuleihendes ſtehendes Capital bezahlt hat u. dgl. m., der wird doch nicht

mehr als den üblichen Zinsſatz erlangen, während denſelben auch derjenige bezieht,

welcher noch nie Verluſte oder ähnliche Mißfälle erlitten hat, und ſein Capital

wohlfeiler ausleihen dürfte. Die Concurrenzverhältniſſe, d. h. die Menge

von Anlagsplätzen für Capital im Verhältniſſe zur Menge von diſponiblen Capitalien

wirken wie beim Preiſe überhaupt. Die Nachfrage ſteigt mit dem zunehmenden

Begehre nach Gewerbsproducten und mit dem einen hohen Gewinn möglich machen-

den Preiſe derſelben. Das Angebot ſteigt mit der Productivität der Gewerbe und

mit der Sparſamkeit. Der Wohlſtand iſt am höchſten, wenn unter übrigens gleichen

Umſtänden dieſes Angebot am größten, alſo der Zinsfuß am niedrigſten iſt. Die

Hinderniſſe der Capitalanſammlung ſind auch Mittel zur Erhöhung des Zinsfußes.

Einen entſcheidenden Einfluß auf den Zins hat das Geldweſen in allen Fällen,

wo der Zins in Geld bezahlt und wo Geldcapitalien verliehen werden, weil der

Zins ein Preis iſt (§. 418. 4.).

⁶⁾ Die entgegengeſetzte Anſicht, wie ſie bei Mac-Culloch Principles. p. 102.

Ueberſ. von v. Weber S. 80, Ravenstone A few Doubts p. 360, in der Schrift:

Considerations on the accumulation of Capital etc. London 1822 und im Edin-

burgh Review, März 1824 p. 1–31 ausgeſprochen iſt, hat ſcheinbar für ſich, daß

die Entſchädigungs- und Verſicherungsſumme ſinken könne, aber der eigentliche

Rentenſatz wegen des größern Abſatzes an Producten ſteigen müſſe. Allein dies iſt

unrichtig, weil mit dem Steigen der Gewerbsverbeſſerungen die Waarenpreiſe

ſinken, die Gewerbsconcurrenz zunimmt, eine beſondere Capitaliſtenklaſſe entſteht,

das Angebot der Capitalien ſteigt, u. dgl. mehr.

⁷⁾ S. Meine Verſuche. S 14.

§. 425.

Fortſetzung. 4) Gewerbsgewinn.

Eine andere Rente als aus der Productivkraft der Natur,

aus Arbeit und Capital kann es nicht geben. Der Ertrag, den

ein Gewerbe gibt, kann nur aus dieſen drei Quellen fließen. Je-

des Gewerbe muß aber, wenn es fortbetrieben werden ſoll, dem

Grundeigenthümer, Arbeiter und Capitaliſten, inſoweit er mit

ſeiner Güterquelle mitwirkt, ſeine entſprechende Grundrente, Löh-

nung und Verzinſung geben. Der Unternehmer eines Gewerbes

vereinigt dieſe Güterquellen, und muß aus dem rohen Einkommen

deſſelben den Grundeigenthümer, Arbeiter und Capitaliſten befrie-

digen, Letzteren, indem er ihm den Zins für das ſtehende und

jenen für das umlaufende Capital nebſt dieſem Letzten ſelbſt bezahlt.

Inſoweit er jene Perſonen in ſich ſelbſt vereinigt, d. h. ſelbſt mit-

arbeitet und die Fonds liefert, gilt das Bisherige auch von ihm.

Wenn ihm nun nach Bezahlung oder Abzug aller jener Poſten,

die er zuſammen Gewerbsauslagen nennt, nichts mehr übrig bliebe,

ſo hätte er keinen wirthſchaftlichen Grund, ſich den Unternehme-

geſchäften zu unterziehen, denn er würde dabei nicht einmal leben

können. Der Unternehmer wird daher auf einen Ueberſchuß über

[604/0626]

ſeine Gewerbsauslagen (den Gewerbsgewinn) Anſpruch machen,

der, mit Beziehung auf ſeinen Stand modifizirt, gerade die Ver-

gütungen, welche als Regulatoren der Arbeitsrente (§. 423. a.)

angegeben ſind, und eine Entſchädigung für das etwaige Miß-

glücken ſeiner Unternehmung zu den letzten Beſtimmgründen hat1).

Die Größe des Gewerbsgewinnes wird ſich alſo nach dem Preiſe

der gelieferten Producte oder geleiſteten Dienſte in geradem Ver-

hältniſſe, und nach der Größe der Capitalauslagen, zu zahlenden

Grundrente, Arbeitslöhne und Capitalzinſen ſowie nach der Con-

currenz der Unternehmer in jedem Gewerbszweige in umgekehrtem

Verhältniſſe richten2). Aus dieſen Regulatoren ergibt ſich von

ſelbſt, daß mit dem ſteigenden Volkswohlſtande der Gewerbsgewinn

ſinkt, weil der Arbeitslohn, die Grundrente und die Concurrenz

ſteigen. Allein man kann deßhalb nicht auch immer aus niederem

Gewerbsgewinnſte auf hohen Volkswohlſtand ſchließen, denn es

können auch vorübergehende Urſachen eine Erhöhung jener drei

Punkte bewirken. Die Gründe vom Sinken des Gewerbsgewinnes

ſind die entgegengeſetzten.

¹ Da die Lehre vom Gewerbsgewinne hauptſächlich blos von storch Cours,

Ueberſ. von Rau. I. 249. Rau polit. Oeconom. I. §. 237. der 2ten oder §. 238.

149. 150. der 1ten Ausg. Hermann Unterſuch. S. 148 folg. 204–208. für ſich

ſelbſt, von den meiſten Schriftſtellern des Fachs aber mit dem Capitalgewinnſte

zuſammen abgehandelt iſt, ſo ſ. m. die Literatur in Note 1. des §. 424. Wie

Hermann erwähnt, ſoll auch Read political Economy. p. 243–250. 267. einen

Unterſchied zwiſchen beiden machen. Das Weſen des Gewerbsgewinnes iſt aber

ſelbſt von Rau nicht ſcharf aufgefaßt, denn er vermiſcht ihn noch mit dem Capi-

talgewinne, z. B. im §. 239., wo er unter andern Regulatoren deſſelben auch die

Aſſecuranzprämie für die nach der Größe des angewendeten Capitals verſchiedene

Gefahr erwähnt. Uebrigens verdient hier bemerkt zu werden, daß das Weſen des

Gewerbsgewinnes den andern Schriftſtellern nicht ſo unbekannt iſt, als man in

der Regel, z. B. auch Rau §. 238. vorgibt. Die Stelle, welche derſelbe von

Say anführt (Handb. IV. 49. 97. Cours IV. 64. 126.) iſt nicht allein entſcheidend.

Er verſteht (Cours I. 48. Ueberſ. I. 36.) unter Induſtrie jede bedachte Arbeit

(travail intelligent). Um die Induſtrie nun genauer zu entwickeln, muß er (Cours

I. 191. Ueberſ. I. 138.) die geiſtige (der Gelehrten), körperliche (der gewöhnlichen

Arbeiter) und die aus dieſen beiden combinirte (des Unternehmers) unterſcheiden,

und zeigt dann (Cours I. 204. Ueberſ. I. 149.), wie das Wort Arbeit (Travail)

zur Bezeichnung von Gewerb- und Betriebſamkeit (Industrie) durchaus unzureichend

ſei, wobei (und Cours II. 199. Ueberſ. II. 147.) er das Weſen der Betriebſamkeit

des Unternehmers ganz vollſtändig und äußerſt anziehend bezeichnet. Auch läßt ſich

gar nicht läugnen, daß der Unternehmegewinn Folge der eigenthümlichen Geſchick-

lichkeit und geiſtigen Kräfte des Unternehmers iſt, alſo ſeinen Grund in der Perſön-

lichkeit des Letztern hat, obſchon ihm äußere Umſtände dabei zu Hilfe kommen

müſſen. — Lotz iſt im Grunde durchaus nicht der Anſicht, daß der Gewerbsgewinn

eine Capitalrente ſei. Denn nach Erörterung des Capitalzinſes kommt er (I. S.

501–502.) auf die Frage, woher es denn eigentlich komme, daß die in den

Gewerben verwendeten Capitalien oft einen ſo enormen Gewinn abſetzen. Er ſagt,

man täuſche ſich, wenn man den ganzen Gewinn als Capitalrente betrachte; dieſe

habe nothwendig im ganzen Lande einen gleichen Satz, das Mehr über dieſen ſei

bloße Folge der Arbeit, der Art und Weiſe, des Sinnes und Zweckes, wie man

die Capitalien benutze und die Werkzeuge verwende. S. auch Deſſen Handb. I.

[605/0627]

¹ §. 43. S. 211. Kraus Staatsw. II. 2933. A. smith Inquiry. I. 7274.

80. 170., wo dieſelbe Anſicht zu finden iſt. — Canard (Principes. §. 4. p. 9–11.)

unterſcheidet ganz unlogiſch la Rente fonciére (Grundrente), industrielle (Indu-

ſtrierente) und mobiliaire (Handelsrente). — Ricardo, Mill und Mac-Culloch

unterſcheiden in der Darſtellung den Gewerbsgewinn und Capitalgewinn nicht von

einander, ſie ſprechen überhaupt vom Gewinnſte (Profit). Dagegen iſt die Unter-

ſcheidung im Quarterly Review Tom. 44. p. 20–22. nicht zu verkennen. Der

Profit mercantile im Gegenſatze des Intérêt du Capitaliste bei simonde de sismondi

Nouv. Principes. I. 359. iſt nichts als der Gewerbsgewinn, und gerade aus dieſer

von Rau wörtlich angeführten Stelle geht hervor, daß jener die Natur des Ge-

werbsgewinnes recht gut kennt.

² Nicht blos ſtrömen die Unternehmer einem Gewerbe zu, welches einen

höheren Gewinnſt als ein anderes gibt, und verlaſſen das weniger gewinnreiche,

ſondern ſelbſt Capitaliſten beginnen Gewerbsunternehmungen, wenn der Mehrbetrag

über den Capitalzins bedeutend genug iſt, daß ſie ihre Bequemlichkeit darum auf-

opfern möchten. — Es iſt leicht zu ermeſſen, wie ein Unternehmer ſeinen Gewinn

erhöhen kann, aber da dies bei den beſten Mitteln vom Talente des Unternehmers

abhängt, ſo iſt mit der Verſchiedenheit deſſelben leicht erklärlich, warum der Ge-

werbsgewinn ſo ausnehmend verſchieden iſt.

Zweites Hauptſtück.

Volkswirthſchaftliche Hauswirthſchaftslehre.

§. 425. a.

Entſprechend den §§. 397. a. und b. hat die volkswirthſchaft-

liche Hauswirthſchaftslehre die Erhaltung und Verwendung des

Volksvermögens und -Einkommens zum Gegenſtande. Nach dem

Inhalte der allgemeinen Hauswirthſchaftslehre (§. 63.) hat ſie

daher folgende Punkte zu unterſuchen.

Erſtes Stück.

Von der Bevölkerung.

§. 426.

1) Gegenſeitiges Verhältniß der Stände.

In Bezug auf die Volkswirthſchaft laſſen ſich alle Mitglieder

einer Nation in die zwei Stände der Zehrer (Conſumenten) und

der Erzeuger (Producenten) ſcheiden, und zwar ebenſo in Bezug

auf eine beſondere Gattung oder Art von Producten, wie auch in

Beziehung auf alle Producte der Volksbetriebſamkeit. Blos Con-

ſumenten ſind nur jene Mitglieder der Geſellſchaft, welche, ohne

wirthſchaftlich productiv zu ſein (§. 406.), mit dem Volkseinkom-

men erhalten werden, nämlich die wirthſchaftlich unproductiven

Dienſtleiſtenden, Kinder, Greiſe, Kranke, Arme u. dgl. Die

übrigen leiſten der Production einen Vorſchub, welcher mit ihrer

Conſumtion im Verhältniſſe ſteht. Der Grundeigenthümer kann

[606/0628]

kann blos ſeine Einnahme an Grundrenten, der Arbeiter die ſei-

nige durch Arbeitsrenten, der Capitaliſt die ſeinige durch Capital-

renten und der Gewerbsunternehmer jene durch die Gewerbsge-

winnſte verzehren, wenn man Einnahmen durch Schenkung, Be-

trug, Spiel u. ſ. w., die blos den entſprechenden Einnahmen ande-

rer entzogen ſind, abrechnet. Je größer daher die Zahl der wirk-

lichen bloßen Conſumenten in wirthſchaftlicher Hinſicht und der

Conſumenten, welche der Geſellſchaft auch ſonſt gar keine Vortheile

gewähren, iſt, um ſo weniger wird die Volkswirthſchaft im Stande

ſein, ſich zu heben, zum Theile weil der Production um ſo mehr

Hände entzogen und zum Theile weil das Ueberſparen zur Capital-

anlage vermindert wird1).

¹ Daher wenigſtens zum Theile die ſchlimmen Folgen von Kriegen, großen

ſtehenden Heeren, vieler Staatsbeamten, eines großen geiſtlichen Standes, der

Sinecuren u. dgl. auf die Volkswirthſchaft. Die Zahl der Kinder hängt mit der

Zunahme der Bevölkerung, dieſe aber mit der Production zuſammen.

§. 427.

2) Die Bevölkerung im Ganzen.

Die Menſchen verhalten ſich, was ihre Fortpflanzung anbe-

langt, nicht anders als die Thiere. Man ſieht die Menge der

Letzteren ſich vermehren, wann und wo ihnen die Natur und ihr

Inſtinkt genug Nahrung gibt und verſchafft. So einfach dies auch

iſt, ſo ſuchte man doch früher die Gründe der Zu- und Abnahme

der Bevölkerung in mehr zufälligen Ereigniſſen, wie z. B. in

Kriegen, Fehljahren, Hungersnoth, Zunahme der Heilkunſt, in

Staatsmaaßregeln zur Vermehrung der Bevölkerung u. dgl. mehr.

Allein die Geſchichte und Statiſtik zeigt, daß Gründe, wie die

drei erſteren, zwar local und kurz periodiſch die beſtehende Bevöl-

kerung verringern können, daß die ärztliche Kunſt in ihren Fort-

ſchritten das menſchliche Leben leidlicher und länger macht, und

daß die Maaßregeln der Regirung, als da ſind Beförderung oder

Erſchwerung der Verehelichung, des Aus- und Einwanderns wenig

oder gar nichts fruchten. Und dabei iſt immer nicht erklärt ge-

weſen, warum trotz aller jener Ereigniſſe die Bevölkerung bis jetzt

immer im Steigen begriffen war, und unbekümmert um Regi-

rungsmaaßregeln beſtändig ihren natürlichen Verlauf behielt. Ein

unabänderliches Naturgeſetz gibt auch der Bevölkerung ihren Lauf.

Sie ſteigt und fällt mit der Abnahme der Sterblichkeit und Zu-

nahme der Geburten, und mit der Zunahme der Erſteren und

Abnahme der Letzteren. Der Geſchlechtstrieb und die Annehmlich-

keiten des Familienlebens beſtimmen den Mann und das Weib zur

[607/0629]

Begattung, ſobald jener erwacht und ſobald die Ausſicht vorhan-

den, daß ſie und die Erzeugten mit ihrem Erwerbe an Exiſtenz-

mitteln leben können. Fülle an kräftigen Lebensmitteln vermehrt

die Geſchlechtsluſt und die Zeugungskraft; aber wenn auch alle

Männer und Weiber von einem beſtimmten bis zu einem beſtimmten

Alter vermögend und fruchtbar wären, ſo würde doch jedes Weib

in jenem Zeitraume jährlich nur ein Kind gebären können. Die

Laſterhaftigkeit, leichtſinnige Verheirathung, Unfruchtbarkeit,

Zwillings- und Drillingsgeburten ſind gegen dieſe Geſetze nur Aus-

nahmen. Die Menſchen vermehren und vermindern ſich daher

natur- und verkehrsgeſetzlich nach der Zu- und Abnahme der

Lebensmittel. Oder jede Nation ſteht mit ihrer Bevölkerung in

geradem Verhältniſſe zur wirthſchaftlichen Production, d. h. zu der

Größe und Vertheilung des jährlichen Volkseinkommens. Alles,

was dieſe befördert und hindert, erhöht und erniedrigt die Be-

völkerung. Darum iſt die Bevölkerung ſeit den älteſten Zeiten

trotz vieler periodiſcher ungünſtiger Ereigniſſe bis jetzt geſtiegen,

und iſt in jenen Ländern am größten, wo eine reichliche Natur die

Production begünſtigt, wo Sicherheit des Eigenthums und der

Perſon, die geiſtige Entwickelung, Geſchicklichkeit, Arbeitstheilung

und Arbeitsverbindung die productive Wirkung der Arbeit am mei-

ſten erhöhen, wo das meiſte Capital am zweckmäßigſten verwendet

iſt, wo der Güterumlauf durch Geld und Kredit am beſten beför-

dert wird, wo die Preiſe der Lebensmittel am niedrigſten, und

wo die Einkommensarten, nämlich Grundrente, Arbeitslohn, Ca-

pitalzins und Gewerbsgewinn am beſten und freieſten vertheilt ſind.

Wo die entgegengeſetzten Verhältniſſe obwalten, da wird ſie auch

am kleinſten ſein1). Die Bevölkerung richtet ſich daher beſtändig

nach dem Conſumtionsvorrathe, und dieſer wächst mit immer

neuer Capital- und Arbeitsanwendung auf die Natur. Dieſes

Gleichgewicht bleibt aber nicht ohne Unterbrechung, es gibt viel-

mehr vorübergehende Ereigniſſe, welche den Conſumtionsvorrath

im Verhältniſſe zur beſtehenden Bevölkerung, und welche die Letztere

im Verhältniſſe zu jenem übermäßig verringern, z. B. landwirth-

ſchaftliche Mißjahre, und verheerende Krankheiten. So erſchütternd

und traurig ſie auch ſind, ſo hat die Erfahrung doch gezeigt, daß

nach ihnen die Bevölkerung wieder raſcher zunimmt.

¹ Thatſachen hier mitzutheilen, würde zu weit führen. Gute Statiſtiken und

folgende Schriften über die Theorie der Bevölkerung enthalten dazu die Beweiſe.

A. smith Inquiry. I. 121. 255. say Cours. IV. 305–414, Ueberſ. von v. Th.

IV. 234–314. storch Cours, Ueberſ. von Rau. II. 392. III. 454. Beccaria

Elementi. I. 47. Ortes Dell' Econom. nazionale. II. 147. Deſſelben Rifles-

sioni sulla Popolazione delle Nazioni = Economisti. P. Mod. XXIV. p. 5. 23 sqq.

[608/0630]

¹ Briganti Esame economico. II. 219. Gloja Nuovo Prospetto. II. 177 sqq.

Mac-Culloch Principles. p. 193. Ueberſ. von v. Weber. S. 153. Lotz Handb.

I. 241. Rau polit. Oeconom. II. §. 11 u. 12. Lüder, Kritik der Statiſtik und

Politik. S. 204 (Göttingen 1812). Malthus An Essay on the Principle of Po-

pulation. London 1803. 4th. Edit. 1807. II. Additions to the fourth and former

Editions. London 1817. Ins Franzöſ. überſetzt von P. Prevost. Paris et Genéve

1809. III. und nach der 15. Aufl. von G. Prevost. 2de Edit. Paris et Gen. 1824.

IV. Ins Deutſche von F. H. Hegewiſch. Altona 1807. II. Dieſes die Wiſſen-

ſchaft von der Bevölkerung begründende ſcharfſinnige und geiſtreiche Werk hat viele

Kämpfe verurſacht. S. dagegen Ingram Disquisitions on Population. Lond. 1808.

Gray The happiness of states. London 1815. Deſſelben The Principles of

Population and Production. Lond. 1818. Purces The Principles of Population.

Lond. 1818. Ravenstone A few doubts. p. 25–207. Ueber dieſen Gegenſtand

ferner simonde de sismondi Nouv. Principes. II. livre 7. Erſch und Gruber,

Allgemeine Encyclopädie. Art. Bevölkerung (von Rau).An Inquiry into the

Principles of Population, exhibiting a system of Regulations for the Poor etc.

Lond. 1832. = Monthly Review. Januarv 1833. p. 51.Moreau de Jonnés Etu-

des statist. sur la Mortalité dans les diff. Contrées de l'Europe, vorgeleſen in der

franz. Academie am 4. Sept.1833. = Fix Revue mensuelle d'Econom. polit. I.

p. 228. Revue Encyclop. July et Août 1833 p. 96. Ueber die Bevölkerung der

Erde, überſ. aus den Nouv. Annales des Voyages im: Ausland 1833. Nr. 132

folg. Bickes, die Bewegung der Bevölkerung mehrerer europ. Staaten. Stuttg.

und Tübing. 1833.

Zweites Stück.

Von der Verwendung des Volksvermögens und

Einkommens.

§. 428.

1) Zweck und Arten der Verzehrung.

Die Verzehrung oder Conſumtion1) iſt das Gegentheil von

der Production, alſo nichts anderes als eine theilweiſe oder gänz-

liche Vernichtung der Brauchbarkeit der Güter, woraus eine Ab-

nahme oder ein gänzlicher Verluſt ihres Tauſchwerthes hervorgeht.

Entweder geht ſie mit Wiſſen und Willen der Menſchen durch ſie

ſelbſt oder ohne dies durch die zerſtörenden Kräfte der Natur vor

ſich. Sie iſt alſo immer eine körperliche Veränderung des Gutes;

in jenem Falle reicht es unter Vorausſetzung eines vernünftigen

Willens Vortheile dar, im letztern aber nicht (Gebrauch, Ver-

brauch, Zerſtörung)2). Jeder Ge- und Verbrauch iſt alſo

productiv im weiteſten Sinne, aber nicht in wirthſchaftlicher Be-

deutung. Wirthſchaftlich productiv dagegen iſt nur diejenige

Conſumtion, welche einen neuen wirthſchaftlichen Werth ſchafft.

Der Gegenſtand dieſer Art von Conſumtion iſt das Capital, und

ſie ſelbſt iſt Production. Wirthſchaftlich unproductiv iſt die-

jenige Conſumtion, welche keinen neuen wirthſchaftlichen Werth

hervorbringt. Ihr Gegenſtand iſt der Verbrauchsvorrath und ſie

ſelbſt iſt die reine Conſumtion. Die Nützlichkeit Beider wird nach

[609/0631]

den Zwecken, nach Art und Menge der gewählten Mittel hierzu

und nach dem Erfolge bemeſſen. In Bezug auf die Perſonen kann

man die Conſumtion in Privat-, Geſellſchafts, Gemeinde- und

Staatsconſumtion eintheilen, und es iſt wichtig, unter den ein-

zelnen Arten derſelben die productive von der unproductiven zu

unterſcheiden. Die unproductive Conſumtion richtet ſich nach der

Art der Vertheilung des Volksvermögens und -Einkommens, nach

der gewohnten Lebensart der Volksklaſſen, nach den Gemeinde-

und Staatseinrichtungen und deren Koſten. Sie trifft nur das reine

Einkommen. Die productive dagegen erhält ihren Anreiz ſtets von

den wachſenden Bedürfniſſen (§. 46–49.) oder von dem Streben,

immer mehr zum Genuſſe verwenden zu können. Dieſes Streben

geht bis zum Luxus (§. 49.), der nicht an ſich verwerflich iſt, da

er ſo lange als ein Beförderungsmittel der Production angeſehen

werden muß, als er nicht Folge oder Urſache von Sittenverderbniß,

Erzeugniß ungleicher Gütervertheilung iſt und ſo weit getrieben

wird, daß er alle Sparſamkeit für edlere Zwecke vernichtet. Er

iſt ein natürliches Ergebniß des Zuſammenlebens der Menſchen und

ſeine Erſcheinung eine hiſtoriſche Nothwendigkeit3).

¹ Ueber Conſumtion ſ. m. Lotz Handb. I. S. 548. §. 82. Rau polit.

Oeconom. I. §. 318. say Cours. V. p. 1 sqq. Ueberſ. von v. Th. I. 1. storch

Cours, Ueberſ. von Rau. II. 165. HermannUnterſ. S. 327. Mill Elements.

p. 219. Mac-Culloch Priciples. p. 389. Ueberſ. S. 314. Ganilh Des syste-

mes. II. 346. u. A.

² Eine bloße Aenderung des Urtheils über den Werth eines Gutes kann daher

keine Conſumtion begründen, wie Rau meint.

³ S. auch noch Spittler Vorleſ. über Politik. §. 89. S. 424.

§. 429.

2) Verhältniß zwiſchen Production und Conſumtion.

Der beſchränkte Blick auf das bürgerliche Leben und ſelbſt die

Geſchichte ſcheint zwar zu beſtätigen, daß ein beſtändiges Mißver-

hältniß zwiſchen der Production und Conſumtion exiſtire und daß

von Zeit zu Zeit daſſelbe unter ganzen Völkern mit einer Spaltung

hervortrete, die die Bevölkerung auf das ſchrecklichſte hinrafft.

Allein man würde, wenn man daraus auf ein beſtändiges Mißver-

hältniß dieſer Art in der Volkswirthſchaft ſchließen wollte, ſehr in

Irrthum gerathen; denn jene Erſcheinungen ſind Folgen des unzu-

friedenen unaufhaltſamen Weiterſtrebens der Menſchen, der un-

gleichen Gütervertheilung, momentaner Stockungen in den Erwerbs-

quellen und des Mangels an hinreichenden Mitteln und Wegen,

um dem Ueberfluſſe einer Gegend nach der anderen ärmeren ge-

hörigen Abfluß zu verſchaffen. Der Trieb zur Vervollkommnung

der Lebens- und folglich hauptſächlich der Wirthſchaftszuſtände iſt

Baumſtark Encyclopädie. 39

[610/0632]

im Menſchen ſo entſchieden, ſtark und tief, daß mit jedem Fort-

ſchritte in ſeiner Befriedigung wieder der Grund zu neuem Ver-

langen liegt. Es iſt daher nichts natürlicher, als daß ſich die

Production mit dem Begehren nach Conſumtion in geradem Ver-

hältniſſe erweitert und dann ihrerſeits wieder auf Ausdehnung des

Begehres wirkt. Hieraus ergibt ſich, als in der Natur der Men-

ſchen begründet, nothwendig ein Gleichgewicht zwiſchen Begehr

und Angebot oder Conſumtion und Production in der Volkswirth-

ſchaft als Regel, auf welcher bei jedem Volke die Stufe des Wohl-

ſtandes fußt. Periodiſche und locale Mißverhältniſſe als Ausnah-

men abgerechnet, ſo kann dieſes Gleichgewicht durch die Bevöl-

kerung andauernd nicht geſtört werden, weil dieſe ſelbſt mit der

Möglichkeit der Conſumtion, alſo mit der Production in geradem

Verhältniſſe ſteht. Da nun kein Volk mehr conſumiren kann, als

es zu produciren vermag, ſei es indem es ſeine eigenen oder durch

Eintauſch gewonnenen Erzeugniſſe verzehrt, und da ein ſolches auch

nicht mehr producirt, als es zu conſumiren wünſcht, indem näm-

lich ſeine Wünſche unendlich, aber die Productionsfähigkeit be-

gränzt iſt; ſo folgt auch, daß in einer Volkswirthſchaft Begehr

und Angebot im Ganzen genommen gleich groß ſind, ſo abweichend

ſie gegenſeitig auch auf einzelnen Märkten, in einzelnen Gegenden

und gewiſſen Perioden ſein mögen1).

¹ Rau polit. Oeconom. I. §. 328. u. 329., ſowie auch Mill Elemens. pag.

226 sqq., gibt dieſen Satz nur inſoferne zu, als der Ueberſchuß über den eigenen

Bedarf verkauft werde. Allein dieſer Geſichtspunkt iſt für eine ſolche Wahrheit in

enge. Denn Begehr und Angebot iſt auch bei den Pacht- und Capitalzinſe ſo wie

bei dem Arbeitslohne wirkſam, ſo daß dieſe von ſeinem Satze nicht ausgeſchloſſen

werden können, und es bleiben demnach nur noch die Eigenthümer der Güterquellen

und die Gewerbsunternehmer auszuſchließen. Jedoch der geſammte Begehr kann ſich

nur in der geſammten Conſumtion zeigen und unter dieſer iſt auch jene der zwei

letztern Klaſſen enthalten. Es iſt zum wirkſamen Begehre der Wunſch eines Gutes

ſo wie der Wille und die Macht, nicht, wie Mill meint, etwas hinzugeben,

ſondern überhaupt dafür aufzuopfern nöthig. Dies gilt von allen für wirthſchaft-

lichen Erwerb Thätigen und alſo auch von jeder Nation, die im Grunde ebenſo

ihre eigene Begehrerin und Anbieterin iſt, wie jede Perſon für ſich. Eine Nation

kann daher nicht mehr begehren und verzehren, als wie viel ſie anbietet und hervor-

bringt, und ſtrebt immer dahin, ſo viel anzubieten und zu erzeugen, als ſie begehrt

und verzehren will. Denn mit der Production ſteigen die Bedürfniſſe und mit

dieſen wider, ſo weit möglich, die Production.

Drittes Stück.

Vom Verhältniſſe des Volkseinkommens und

-Aufwandes.

§. 430.

Man kann von verſchwenderiſchen, habſüchtigen und geitzigen

Perſonen (§. 72.) und je nach dem Verhältniſſe der Einnahmen

[611/0633]

und Ausgaben von verſchiedenen Wirthſchaftszuſtänden der Einzel-

nen (§. 73.) für ſich reden. Aber alle dieſe Beſtimmungen ſind

bei einem Volke nicht anwendbar. Weil ſich die Volksbedürfniſſe

nach der Productionsfähigkeit und die Production nach den Be-

dürfniſſen richtet, ſo läßt ſich von keinem Volke an ſich ſagen, daß

es arm oder reich ſei, denn die nationale Genügſamkeit iſt eben

ſo wenig als bloße Tugendübung, wie der Luxus als Folge des

Sittenverderbniſſes anzuſehen, beide üben die Völker als Totalität

aus Nothwendigkeit. Von einem ſtändigen Mißverhältniſſe zwiſchen

Volkseinkommen und -Aufwand kann darum nicht die Sprache

ſein, obſchon ſie vorübergehend plötzlich übermäßig erhöht und ver-

mindert werden können. Vergleicht man aber die Völker wirth-

ſchaftlich mit einander, ſo ſtellt ſich eine große Verſchiedenheit der

Zuſtände heraus, nach welcher man die Grade des Volkswohl-

ſtandes bemißt. Eine genaue Unterſuchung darüber muß ſich über

alle bisher erörterten Verhältniſſe der Volkswirthſchaft ausdehnen.

Aeußerlich und weniger genau erkennt man den Grad des Volks-

wohlſtandes an der bleibenden Höhe der Grundrente und des Ar-

beitslohnes, an der andauernden Niedrigkeit des Zinsfußes und

Gewerbsgewinnes, an der Zunahme der Bevölkerung, an der Le-

bensweiſe des unteren und mittleren Standes, an der Aufklärung

derſelben, am Volkscharakter, an großen Privat- und geſellſchaft-

lichen Unternehmungen, und an der Leichtigkeit der Verwendung

für Staatszwecke1).

¹ Spittler, Vorleſ. über Politik. S. 446. §. 94. Rau polit. Oeconom.

I. §. 79–81.

Zweites Buch.

Beſondere Grundſätze.

Erſtes Hauptſtück.

Von den Urgewerben, als Zweig der Volkswirthſchaft.

§. 431.

1) Der Bergbau.

Die Producte des Bergbaues dienen zu den verſchiedenſten

häuslichen und techniſchen Zwecken als Rohmateriale. Die Wich-

tigkeit der unedlen Metalle, der Stein- und Braunkohlen, der

Erden, der Steine, Edelmetalle u. dgl. m. iſt ſo allgemein aner-

kannt, daß die Verwendung bedeutender Capitalien auf ihre Ge-

winnung für den Volkswohlſtand äußerſt nothwendig und nützlich

39 *

[612/0634]

erſcheint. Schon aus gewöhnlichen Urſachen iſt klar, daß alſo der

Bergbau auf die Edelmetalle nicht ſo wichtig iſt, wie jener auf

die unedeln und die andern roheren bergmänniſchen Producte. Der

Bau auf unedle Metalle und Mineralien kann ſogar wegen des

größeren Begehres darnach einen größeren Gewinn abſetzen als

jener auf edle Metalle, um ſo mehr, da die Verſendungskoſten der

Letztern gegen ihren Tauſchwerth ſehr gering ſind, und darum

die Concurrenz aller auswärtigen Länder auf dem Metallmarkte

weit mehr erleichtert iſt, als bei den unedeln1) und weil bei er-

heblichem Betriebe auf edle Metalle ſchon eine große inländiſche

Conſumtion erfordert wird, um dem jährlichen Erzeugniſſe im

Inlande Abſatz zu verſchaffen. Es gehört zum guten bergmänni-

ſchen Betriebe, worin ſich Deutſchland von jeher ausgezeichnet hat,

ſchon ein hoher Grad der Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften

und in der Mechanik. Es werden aber dazu ſo bedeutende Kräfte

erfordert, daß nur ungeheure Capitalien, wie ſie Einzelne nicht

leicht beſitzen, den erwünſchten Erfolg geben können, weßhalb er

ſich am beſten für Geſellſchaften eignet. Der Bergbau iſt eine

wohlthätige Erſcheinung, namentlich in ſonſt armen Gebirgsgegen-

den, weil er einem bedeutenden Theile der Bevölkerung nutzbrin-

gende Beſchäftigung gewährt. Indeſſen iſt er wegen der mercan-

tiliſchen Vorliebe für die Edelmetalle oft überſchätzt worden, und

auch zu weit getriebene Privatſpeculationen, aufgeweckt durch

großen momentanen Gewinn, können leicht fehlſchlagen, und das

Aufgeben von einzelnen oder ganzen Betrieben zur Folge haben,

wodurch viele Arbeiter brodlos und die betroffenen Gegenden ſehr

arm werden können, wenn die günſtigen Productions- und Abſatz-

verhältniſſe aufhören.

¹ Ein Pfund Eiſen iſt nicht ſchwerer als 1 Pfund Gold, aber dieſes hat

einen weit höheren Tauſch-, und jenes einen weit höheren Gebrauchswerth. S.

Rau polit. Oeconom. I. §. 350. say Cours. II. 114. Ueberſ. von v. Th. II. 84-

Lotz Handb. I. 265. A. smith Inquiry. I. 258. Kraus Staatswirthſch. II 152.

storch Cours, Ueberſ. von Rau. I. 386. Die Stein- und Braunkohlen ſind mit

dem Holze als Brennmaterial auf gleiche Stufe zu ſtellen.

§. 432.

2) Die Landwirthſchaft.

Die Landwirthſchaft iſt wegen ihres Einfluſſes auf Wohlſtand,

moraliſche Kraft und geſelliges Zuſammenleben des Volkes ſchon

im Anfange des Völkerlebens von der größten Wichtigkeit. Von

der Jagd gehen die mehr zerſtreuten Horden zur Thierzucht über

und dieſe zwingt ſie dann zu einem regelmäßigeren Ackerbaue. Von

Anfang iſt der Ertrag deſſelben ſehr ſpärlich, und erſt die Verbin-

[613/0635]

dung von Ackerbau und Thierzucht legt die Hauptgrundlage zur

Vervollſtändigung des Gewerbes. Sie gibt ſo das ſicherſte Ein-

kommen und die unentbehrlichſten Güter, und bildet den Kern der

Bevölkerung, nachdem ſie die verſchiedenen Stufen der Sclaverei,

Leibeigenſchaft und Hörigkeit durchwandert und allmälig eine freie

Ständeorganiſation begründet hat. Es ſind aber zu ihrem Betriebe

nicht ſo viele Arbeiter erforderlich, als ſie Menſchen mit ihren

Producten ernähren kann. Sie iſt für ihre Erzeugniſſe des Abſatzes

gewiß, obſchon er ſich mit mehr Erfolg für das Inland, als für

das Ausland eignet, weil mit der Entfernung die Schwierigkeiten

und Koſten der Verſendung wachſen. Ihr Intereſſe iſt dem der

übrigen Gewerbe nicht entgegengeſetzt, im Gegentheile ſie kann um

ſo weiter gedeihen, je blühender die andern Gewerbe ſind, weil

ſie in dieſen die meiſten Abnehmer für ihre zur Nahrung nothwen-

digen Erzeugniſſe findet. Da ihre nationalöconomiſchen Vortheile

hiervon, von der Betriebsart, von der Größe des Capitals und

von der Freiheit des Betriebs abhängen, ſo iſt die Frage beſonders

wichtig, ob die kleinen oder ob die großen Landgüter die

meiſte volkswirthſchaftliche Nützlichkeit haben; denn nach ihrer

Größe im Verhältniſſe zur Bevölkerung richtet ſich der Zuſtand der

Letzteren, die Vertheilung und Benutzung des Capitals1). Was

insbeſondere die Zweige der Landwirthſchaft anbelangt, ſo ſind die

Länder ſowohl in der Thierzucht, als im Feld- und Gartenbaue

verſchieden beſtellt. Das Verhältniß zwiſchen Acker-, Wieſen- und

Weidebau wird ſich nach dem Stande und Vortheile der Thierzucht

richten; der Erſtere erheiſcht die meiſte Arbeit, der Letztere die

wenigſten Koſten, aber gibt auch den geringſten Ertrag, weßhalb

ihm der Futterbau vorzuziehen iſt. Der Gartenbau zeigt ſich be-

ſonders in der Nähe von großen Städten ſehr vortheilhaft. Der

Weinbau insbeſondere iſt von den Zufälligkeiten der Witterung im

höchſten Grade abhängig, auch ſind die Bedingungen des guten

Ertrages des Acker-, namentlich des Futterbaues, jenen des

Weinbaues ſo entgegen, daß das Gedeihen Beider in hohem Grade

eine große Seltenheit iſt. Daher ſind diejenigen Gegenden am

beſten beſtellt, wo Beide mit einander in Verbindung getrieben

werden. Die Thierzucht erheiſcht nach ihrem vorherrſchenden Zweige

auch eine verſchiedene Einrichtung des Feldbaues. Bedeutende

Schaafs- und Pferdezucht kann nicht ohne große Weideſtrecken

mit Vortheil betrieben werden, während die andere Viehzucht mit

Stallfütterung der Weide gar nicht mehr bedarf2).

¹ Für große Güter ſpricht die Möglichkeit einzuführender Arbeitstheilung

des Maſchinengebrauchs, größerer Gebäude, worin man die Producte wohlfeiler als

[614/0636]

¹ in mehreren kleineren aufbewahrt, des Verkaufs und Einkaufs in größeren Maſſen

und mit weniger Koſten, mehrfältiger Combination verſchiedener Pflanzungen, welche bei

theilweiſem Mißwachs doch einen Ertrag ſichern, und der Boden- und Wirth-

ſchaftsveränderungen, die ein großes Capital erheiſchen. Allein die volkswirth-

ſchaftliche Rückſicht verlangt nicht einen relativ großen Reinertrag in wenigen Händen,

ſondern einen möglichſt großen Rohertrag, der ſehr vielen ſelbſtſtändig beſtellten

Staatseinwohnern ein ſicheres Einkommen gewährt, Lebensfriſchheit und Energie

unter der Bevölkerung erhält, die möglich gleichmäßigſte Gütervertheilung bewahrt,

und einen Gewinn geſtattet, der die Fortſchritte der Bildung und des Gewerbs-

weſens erleichtert. Dies kann aber durch große Landgüter nicht wohl erreicht wer-

den, wo ſich um wenige Grundherrn der größte Theil der Bevölkerung in wirklicher

und im Gefühle der Abhängigkeit des Taglöhners oder gar Leibeigenen befindet,

wenig oder gar kein Eigenthum beſitzt und die Früchte eigenen Fleißes dem größten

Theile nach dem Herrn abtreten muß. Die Kraft der Staaten beſteht in einem

wohlhabenden bürgerlichen Mittelſtande. Für mittlere und kleine Güter ſprechen

daher dieſe Verhältniſſe und die Erfahrung, daß ſich durch ſie die Zahl der Unter-

nehmer vergrößert, im Handel mit Landerzeugniſſen die Vortheile der größeren

Concurrenz der Verkäufer für alle andere Gewerbtreibenden entſtehen, manche land-

wirthſchaftliche Verbeſſerungen leichter eingeführt werden, und der Reinertrag ſo wie

der Rohertrag einer gleichen Fläche bei ſolcher Gütertheilung in der That größer

iſt, indem die Sorgfalt der Pflanzung und Pflege im Einzelnen dabei weit höher,

das Verhältniß zwiſchen Capital und Grundeigenthum weit paſſender, die Haltung

eines größeren Viehſtandes möglich und darum das Feld in einem beſſeren Dün-

gungszuſtande weit leichter zu erhalten iſt. Sobald aber die Theilung ſo weit

kommen würde, daß alle dieſe Vortheile verſchwänden, ſo entſtehen für den Volkswohl-

ſtand auch große Nachtheile. Allein ſolche Verhältniſſe können nicht andauernd

beſtehen, weil ſich dann die Bevölkerung nach dieſen Umſtänden nach und nach wie-

der beſchränkt, bis wieder größere Güter entſtanden ſind. Man ſ. über dieſe ſehr

wichtige und intereſſante Frage Rau I. §. 368–375. Deſſelben Anſichten der

Volksw. S. 179. Mohl Polizeiwiſſenſchaft. II. 13. Hatzel, Briefe über die

Wirthſchaft großer Güter. Heilbronn 1796. Bergius, Polizei- und Cameral-

magazin. Art. Landwirthſchaft. §. 10. u. 11. Kraus Staatswirthſch. V. 72.

Lotz Handbuch. II. 24. say Cours. II. 77. Ueberſ. von v. Th. II. 56. storch

Cours, Ueberſ. von Rau. II. 319. A. smith Inquiry. II. 173. Thaer engl.

Landw. II. 91. Deſſelben Annalen des Ackerbaues. Jahrg. 1806. Julius. S. 1

(von einem Ungenannten). S. 35 (von Thaer). Deſſelben Schrift: Ueber

große und kleine Wirthſchaften. Berlin 1812. (Aus den Annalen der Fortſchr. der

Landw. beſonders abgedruckt. Bd. III. Heft 3.) Schwerz belg. Landw. III. 460.

Sinclair Code of Agriculture. 3. Edit. p. 41. Sturm Beiträge z. deutſch. Landw.

I. (1821) Nr. 1. Beccaria Elementi. I. 133. 143.

² Ueber dieſen ganzen Gegenſtand ſ. m. A. smith Inquiry. I. 223. 339.

II. 165. say Cours. II. 1–88. Ueberſ. von v. Th. II. 1–65. storch Cours,

Ueberſ. von Rau. II. 226. 243. 258–313. Rau polit. Oeconom. I. §. 358-

382. Lotz Handb I. 254–262. Krauſe Syſtem. I. 10. 18. 26. 73. Torrens

On the Production. p. 103. Mac-Culloch Principles p. 201. cl. 143. Ueberſ.

von v. Weber. S. 159. vergl. mit S. 113. Galiani Dialoghi sul Commercio

dei Grani (sur le Commerce des Crains) = Economisti. P. mod. V. 43. sqq.

106 sqq. 245. 277. Genovesi Lezioni. III. 308 sqq. Verri Meditazioni. pag.

218 sqq. Briganti Essame economico. I. 121. 193 sqq. Palmieri Riflessioni

sulla pubblica felicità. p. 73. Della Ricchezza nazionale = Economisti. P. mod.

T. XXXVIII. 107. 206. Gioja Nuovo Prospetto. II. 1–56.

§. 433.

3) Die Forſtwirthſchaft.

Die Wälder ſind ſchon in den früheſten Perioden der Ent-

wickelung des Menſchen, wenn er ein wildes herumſchweifendes

[615/0637]

Leben führt, eine der wichtigſten Nahrungsquellen deſſelben durch

die Jagd. Sie erſtrecken ſich, von der Natur geſäet und gepflan-

zet, über ungeheure Ebenen und Gebirge. Da auf ſie in der

frühen Zeit der Menſchengeſchichte gar keine Arbeit verwendet

wird, ſo bildet ſich der Begriff des Waldeigenthums ſehr ſpät aus

und iſt, wenn er entſteht, blos als Geſammteigenthum einer an-

ſäßigen Völkerſchaft zu betrachten, an welchem ein Jeder das

Hiebs-, Jagd- und Weiderecht ausübt, während ſchon längſt ein

Privateigenthum am Felde exiſtirt. Aus jener Vorſtellung von

einem Geſammteigenthume ging leicht der ſcheinbar nur wenig ver-

ſchiedene des Staatseigenthums hervor, während die Jagd und

Weide noch immer frei war. Nach einer ſolchen Metamorphoſe

der Ideen mußte es ein Leichtes ſein, daß die Könige die Wälder

kraft der Oberhoheit einſchloſſen und aus den Staatswäldern könig-

liche Bannforſte machten, in denen auch die Jagd den Unterthanen

unterſagt ward. Durch die Verleihung von Gegenden als Lehen,

durch die Belehnung mit Jagdgerechtigkeit, durch das allmälige

in den Hintergrundtreten der Lebensverhältniſſe, durch die Ausbil-

dung der landesfürſtlichen Gewalt und durch das Emporkommen

der Gemeinden entſtanden ſo nach und nach Privat-, Gemeinde-

und Staatswaldungen in den verſchiedenen Ländern. Erſt mit der

ſteigenden Bevölkerung, welche mehr Feldboden, Brenn- und Bau-

material nöthig machte, mit der Entwickelung der Gewerke, welche

Holz verarbeiten, und mit der Einſicht in die regelloſe Waldver-

wüſtungen mußte der Gedanke des Waldbaues entſtehen. Er wird

mit der Zeit immer wichtiger, je weniger andere Bau- und Brenn-

materialien man beſitzt, denn er liefert ein unentbehrliches Material

und ſoll es nachhaltig liefern. Er erheiſcht verhältnißmäßig weniger

Arbeit, aber ein um ſo größeres Capital, welches lange auf dem

Boden gebunden bleiben muß, ehe es ſich bezahlt und rentirt. Es

eignet ſich der Forſtbau nicht wohl für einzelne Perſonen (§. 261.).

Aber ſein Verhältniß zum Volkswohlſtande bietet manche ſchlimme

Seiten, weil der Geldreinertrag von der Höhe der Holzpreiſe ab-

hängt, bei nachläſſigem, blos auf ſchnellen Geldgewinn abzielen-

dem, Betriebe die Möglichkeit der Befriedigung des Holzbedürf-

niſſes immer mehr verſchwindet, und aus beiden Gründen leicht

hohe Holzpreiſe entſtehen können, die der Nation eine Plage ſind.

Da ſich hierin das National- und Privatintereſſe wenigſtens ſo

weit entgegenſtehen, ſo wird der Forſtbetrieb dann volkswirth-

ſchaftlich am günſtigſten ſein, wenn er nachhaltig iſt, wenn der

Holzpreis keinen der Conſumtion läſtigen Preis hat, und wenn

man den dazu tauglichſten Boden ſorgfältig auswählt (§. 257.).

[616/0638]

Der Holzhandel in das Ausland iſt bei guten Transportmitteln

(§. 258. 259.) ein ſehr einträglicher, er wird um ſo gewagter, je

größer die Concurrenz und je koſtſpieliger der Transport iſt. Denn

die größten Capitalien gehen oft aus dieſen Gründen in fernen

Gegenden großentheils und ganz verloren1).

¹ Lotz Handb. I. 265. Rau polit. Oeconom. I. §. 383391. A. Smith

Inquiry. I. 259. Kraus Staatsw. II. 150. Mohl Polizeiwiſſenſchaft. II. 173.

Schenk, das Bedürfniß der Volkswirthſchaft. Bd. II. S. 1–570 (dieſe Schrift

wurde im §. 397. nicht angegeben, weil in beiden Bänden nur dieſes Stück von

Bedeutung, der erſte Band blos ein Auszug aus Rau's polit. Oeconom I. mit

einigen höchſt unbedeutenden Bemerkungen iſt und das ganze Buch von demjenigen,

was ſein Titel ſagt, nichts gibt, indem keine der obſchwebenden praktiſchen wich-

tigen Fragen darin abgehandelt wird). Pfeil, Grundſ. der Forſtw. in Bezug auf

Nat. Oeconom. u. Finanzw. Züllichau 1824. II. Hundeshagen Encyclopädie.

Bd. III. Forſtpolizei. Mac-Culloch Dict. of Commerce, Deutſch I. 917.

Zweites Hauptſtück.

Von den Kunſtgewerben, als Zweig der

Volkswirthſchaft.

§. 434.

Was der Menſch zuerſt von ſeinen gewonnenen Rohproducten

über ſeinen täglichen Bedarf anſammelte und aufbewahrte, war

blos Conſumtionsvorrath, oder wenigſtens Vermögen von unbe-

ſtimmtem Gebrauche. Erſt mit der Entdeckung der Wirkſamkeit von

gewiſſen Werkzeugen für die Geſchäfte der Jagd, Fiſcherei, Weide

und Feldarbeit und mit der erſten Theilung dieſer Beſchäftigungen

entſtand aus jenem Conſumtionsvorrathe das Capital. Einmal

vorhanden mußte es ſich wegen ſeiner großen und einleuchtenden

Wirkſamkeit bald und raſch vermehren, ſo wie die Bevölkerung

mit der Theilung der verſchiedenen Gewerbe. Aus der Bereitung

von Nahrungsmitteln und Werkzeugen ging zuerſt der Gedanke der

Verarbeitung roher Stoffe hervor, der ohne Capitalvorrath nicht

möglich iſt und die Gewerke hervorrief. Für ihre Entſtehung war

alſo Capitalvorrath und ein Theil von Bevölkerung nothwendig,

der bei den Urgewerben entbehrt werden konnte und folglich nicht

mit Vortheil beſchäftigt war. So entſtanden, entwickelten ſich die

Gewerke bis zu dem Stande in civiliſirten Nationen, und ihre Ent-

wickelung hing fortwährend von Capital- und Bevölkerungsüberſchuß

in den beſtehenden Gewerben ſo wie von der ſteigenden Wohlhaben-

heit und Cultur des Volkes ab. Die Gewerke ſind daher für die

Volkswirthſchaft äußerſt wichtig wegen der Vervollkommnung der

Güter für Production und Conſumtion, wegen der Beſchäftigung

und Unterhaltung eines großen Theils der Bevölkerung, wegen des

Verhältniſſes derſelben zu den Urgewerben und wegen des vortheil-

[617/0639]

haften Handels mit Gewerkswaaren nach dem Auslande. Sie ſind

alſo immer je nach dem Grade ihrer freien Ausbildung ein Beweis

von einem gewiſſen Grade von Volkswohlſtand und -Bildung, und

ihr Intereſſe geht mit dem der Urgewerbe Hand in Hand, da die

Bevölkerung Beider ſich wechſelſeitig den Abſatz ihrer Producte

verſchafft, um ſo mehr, je blühender ſie iſt. Es gibt nun Länder

und Gegenden, worin die Gewerksarbeit noch mehr gegen die

Urgewerbe im Hintergrunde ſteht, weil ſie entweder in der Ent-

wickelung noch ſo weit zurück oder weil ſie von der Natur beſon-

ders für die Letzteren begünſtigt ſind; ſolche, worin die Kunſt-

gewerbſamkeit die Urgewerbsarbeiten überflügelt, weil eine künſtliche

Leitung die Erſteren beſonders begünſtigte, oder die Natur mit

den Gaben für die Letztere ſehr ſpärlich verſehen iſt; und endlich

ſolche, worin beide Gewerbsarten in einem rechten Gleichgewichte

ſtehen. Am ſchlimmſten ſind die Zweitgenannten beſtellt, weil ſie

in Betreff der Urbedürfniſſe bei einer durch Gewerksweſen gehobe-

nen Bevölkerung vom Auslande, deſſen guten und Mißjahren ab-

hängen und in der Regel in einer Gebirgslage ſich befinden, wohin

der Transport der Urproducte ſehr ſchwer und koſtſpielig iſt. In

den beſten Verhältniſſen befinden ſich die Drittgenannten, weil ſie

in ſich ſelbſt alle Fonds zum Wohlſtande vereinigen. In ihnen

finden ſich jene von zwei Seiten geſchützten mittleren und kleineren

Gewerbsunternehmer, die zugleich für ihren häuslichen Bedarf

Landwirthſchaft treiben. In allen Dreien können ſich nicht blos

Handwerke, ſondern auch Fabriken und Manufacturen er-

heben, wovon die Letztern zwar entſchiedene Vortheile für die

Nationalwirthſchaft gewähren (§. 314. vrgl. §. 410. N. 8.), aber

doch nicht jene gleichmäßige Gütervertheilung und wohlhabende

Mittelklaſſe hervorrufen, welche den Wohlſtand allgemeiner machen

und namentlich eine Folge der freien Handwerke iſt, wo der

Meiſter zugleich auch als Arbeiter ſein Einkommen bezieht und mit

ſeinen Gehilfen die wirthſchaftlichen und ſittlichen Vortheile des

häuslichen Lebens genießt1).

¹ S. A. smith Inquiry II. 170. 191. say Cours. II. 122. Ueberſ. von

v. Th. II. 89. storch Cours. Ueberſ. von Rau. II. 325. Babbage Maſchinen-

weſen. S. 9 folg. Torrens On the Production. p. 83. Kraus Staatsw. II. 249.

V. 188. Lotz Handbuch. I. 280–300. Rau polit. Oeconom. I. § 392. Mac-

Culloch Principles. p. 146. 278. Ueberſ. von v. Weber. S. 115. 222. Krauſe

Syſtem. I. 198. Gioja Nuovo Prospetto. II. 56–117. Galiani Dialoghi. (S.

§. 432.) p. 49. 70. 199. Genovesi Lezioni = Economisti. P. m. T. X. p. 30 sqq.

Zanon Lettere sull' Agricoltura, sul Commercio e sulle Arti = Economisti. P.

mod. T. XVIII. 76. Paoletti Pensieri sopra l'Agricoltura = Economisti. P. mod.

T. XX. pag. 176. sqq. Beccaria Elementi. I. 20. 261. Mengotti Jl Colhertismo

= Economisti. P. m. T. XXXVI. p. 302. sqq. Palmieri Ricchezza nazionale I. I.

p. 322 Pubblica felicità I. c. p. 62.

[618/0640]

Drittes Hauptſtück.

Von den Umſatzgewerben, als Zweig der

Volkswirthſchaft.

§. 435.

1) Der Handel.

In den erſten Zeiten des Verkehrslebens brachte blos das

zufällige Zuſammentreffen gelegenheitlich einen und den andern

Tauſch hervor, weil blos beſondere Neigung für eine Sache wirk-

ſam war. Erſt als ſich die verſchiedenen gewerblichen Beſchäfti-

gungen getrennt hatten wurde er eine Nothwendigkeit, indem jene

Trennung ohne dieſen nicht beſtehen konnte. Indem nun die Ge-

werbstrennung immer weiter ging, ſich die Bevölkerung mehr hob

und mehr auseinander zog, wurde auch die Nützlichkeit einer Art

von Geſchäften fühlbar, welche blos den Tauſch zwiſchen den Be-

ſitzern und Begehrern beſorgten. So wie nun Menſchen, natürlich

nicht ohne Vergütung, dieſem Geſchäfte ſich widmeten, war auch

der Handel entſtanden, und mußte immer um ſo nothwendiger

werden, je mehr ſich die Arbeiten und die Bevölkerung trennten,

je mehr neue Bedürfniſſe entſtanden und je mehr man durch ihn

ſelbſt mit den Producten, Gewerben, Künſten, Wiſſenſchaften und

Lebensweiſen anderer Nationen bekannt wurde. Sein Nutzen iſt

darum groß, aber doch iſt aus den Gründen ſeiner Entſtehung klar,

warum es kein Volk geben kann, das nichts als Handel treibt,

und daß Handelsvölker nur ſolche ſind, welche ſich vorzüglich durch

den Handel vor den andern auszeichnen, weil ihr Geiſt und die

Lage des Landes beſonders dazu geeignet iſt. Ohne ihn iſt der

Gewerbsbetrieb der Völker in civiliſirterem Zuſtande nicht denkbar.

Es bleibt 1) beim Binnenhandel die Koſtenerſtattung für die

Handelsgüter im Preiſe blos zwiſchen den Inländern. Er iſt daher

zwei inländiſchen Gewerbsklaſſen und -Capitalien zugleich förderlich

und iſt bei großer Blüthe Eines der ſicherſten Zeichen großen Volks-

wohlſtandes von langer Dauer. Das Handelscapital läuft faſt be-

ſtändig um, ſo daß eine und dieſelbe Summe jährlich mehrmals

umgeſetzt wird. Der Gewinn iſt zwar ſelten ſo groß, wie beim

auswärtigen Handel, aber ſicherer, weil das Wagniß weit geringer

iſt. Als ein Hauptzweig deſſelben iſt beſonders der Kleinhandel

wegen ſeiner Hilfe in der Gütervertheilung wichtig. Er erheiſcht

wenig Capital, bietet manchem Beſitzer kleiner Capitalien Gelegen-

heit zur Gewerbsunternehmung dar, greift in die Fugen des Groß-

handels unterſtützend ein, und erleichtert die Befriedigung der

[619/0641]

Bedürfniſſe nach Luſt, beſter Zeit und in kleinen Quantitäten.

2) Der auswärtige Handel verlangt weit mehr eigenthümliche

begünſtigende Umſtände zu ſeiner Entſtehung und ein ſehr bedeu-

tendes ſtehendes und umlaufendes Capital. Die Aus- und Einfuhr

befördert den Gewerbsfleiß und erleichtert den Gütergenuß. Er

bewirkt eine gegenſeitige Aushilfe unter den Ländern mit ihren

eigenthümlichen Producten. Alle Völker haben dabei dieſen Ge-

winn, obſchon ſeine Einträglichkeit durch manche Hinderniſſe unter-

brochen werden kann. Sehr wichtig iſt das Verhältniß zwiſchen

der Aus- und Einfuhr, um welches ſich der Irrthum des Merkan-

tilſyſtems dreht in der Lehre von der Handelsbilanz. Seine

Grundanſicht iſt, daß ein Volk einen Ueberſchuß der Ausfuhr über

die Einfuhr haben könne und daß hierin der Gewinn liege, welchen

eine Nation im auswärtigen Handel mache. Allein aus der Theorie

der Gegenſeitigkeit des Handels, nämlich daraus, daß kein Tauſch

und Handel ohne gegenſeitige Abtretung gleicher Tauſchwerthe

Statt finden kann, wenn man keine Ueberliſtung ſtatuirt, ergibt

ſich leicht, daß in der That kein ſolcher Ueberſchuß beſtehen kann,

ſondern Ein- und Ausfuhr dem Tauſchwerthe nach gleich ſind.

Ergeben die ſtatiſtiſchen Berechnungen doch einen ſolchen, ſo iſt

dies eine Folge davon, daß man bei der Zuſammenſtellung einen

Stillſtand annimmt, obſchon im Verkehre nie ein ſolcher exiſtirt,

daß viele Arten der Aus- und Einfuhr Statt finden, die man gar

nicht berechnen kann, und daß die Angaben über die beſtimmbaren

Punkte unrichtig ſind. Die Erſtattung der Gegengabe geſchieht

zudem auf ſo manchfache, Baarſendungen entbehrlich machende,

Arten (§. 341–345.), und zufällige Störungen ſind dabei ſo leicht

möglich, daß man ſich auf die Berechnungen der Aus- und Einfuhr

nicht verlaſſen kann. Nichts deſto weniger iſt die Erörterung des-

ſelben wegen des Einfluſſes auf das Gewerbsweſen ſehr wichtig;

allein die ſtatiſtiſchen Mittel reichten bis jetzt zu einer vollſtändigen

Kenntniß deſſelben nicht hin. Denn der Wechſelcurs, der ſich noch

nach andern Umſtänden als nach der bloßen Ein- und Ausfuhr

richtet, berechtigt noch nicht zu einem Schluſſe auf dieſe (§.

350.) und die Zollliſten ſind an ſich wegen Verheimlichung und

Ungenauigkeit unzureichend. 3) Der Zwiſchenhandel übt einen

mittelbar förderlichen Einfluß auf die Gewerbſamkeit des Landes,

welchem der Kaufmann angehört und wodurch der Waarenzug geht.

Er erheiſcht viele Capitalien, iſt aber leicht durch Hinderniſſe der

Abſperrung, Abgaben u. dgl. mehr zu unterbrechen. 4) Der Co-

lonialhandel iſt für das Mutterland und die Colonien bei freiem

Betriebe hauptſächlich darum ſehr vortheilhaft, weil er die Ver-

[620/0642]

mittelung zwiſchen einem in friſcher Jugendkraft und Entwickelung

befindlichen und einem gewerblich ſehr ausgebildeten ältern Lande

macht und durch Aus- und Einfuhr das Gewerbsweſen hebt1).

¹ S. §. 319. N. 7. A. smith Inquiry. II. 152. 203. 209. 304. say Cours.

II. 204. III. 280. Ueberſ. von v. Th. II. 151. III. 217. storch Cours, Ueberſ.

von Rau. II. 216. 246. 269. 331. Ganilh Des systemes. II. 226. simonde de

sismondi Rich. Commerc. I. 189. Murhard Theorie des Handels. S. 167 folg.

222 folg. Kraus Staatsw. IV. 28–64 V. 259. Lotz Handb. I. 428. 439 bis

453. II. 205–227. Rau polit. Oeconom. I. §. 406. Krauſe Syſtem. I. 256.

Ricardo Principles. p. 135. Mill Elements. p. 118. 125. Torrens On the Pro-

ductioni pag. 147. 195. 228. 248. Th. smith An Attémpt to define. pag. 104.

J. Pr. smith The science of Money. p 208. Wheatley An Essay on the Theory

of Money. p. 84. 158. Mac-Culloch Principles. p. 119. Ueberſ. von v. Weber.

S. 94. Derſelbe Ueber Handel. S. 11. 55. Deſſelben Dictionnary of Com-

merce. Ueberſ. I. 756. 778. Gioja Nuovo Prospetto. II. 118–176. Algarotti

saggio sopra il Commercio = Economisti. P. mod. T. I. 290. Belloni sopra il

Commercio = Economisti. P. mod. II. p. 33. Zanon Lettere. (§. 434.) p. 124.

Deſſen Apologia della Mercatura = Economisti. P. mod T. XIX. 5 sqq.

Genovesi Lezioni = Economisti. P. mod T. X. p. 40. Beccaria Elementi. II 80.

Briganti Essame economico. I. 273. D'Arco Dell' Influenza del Commercio

= Economisti. P. mod. T. XXXI. p. 5 sqq. Palmieri sulla pubblica felicità.

p. 147. Della Ricchezza nazionale. pag. 242. Carli sopra i bilanci economici

delle nazioni = Economisti. P. mod. T. XIV. p. 321. Verri Meditazioni. p. 177.

Derſelbe Degli Elementi del Commercio = Economisti. P. mod. T. XVII. 349.

Mengotti Colbertismo. p. 395.

§. 436.

2) Das Leihgeſchäft.

Das Leih- oder Rentgeſchäft iſt volkswirthſchaftlich von ſehr

großer Bedeutung, da es mit ſeinen Capitalien viele fruchtbare

Unternehmungen unterſtützt oder die Genüſſe erleichtert. Es kann

erſt nach entwickeltem Gewerbsweſen, das Capitalerſparungen mög-

lich macht, entſtehen. Seine Ausdehnung hängt von der Größe

des Capitalbeſitzes und von der Geſuchtheit der Capitalien in pro-

ductiven Gewerben ab und es fördert die Volkswirthſchaft am wei-

teſten, wenn die meiſten Capitalien in dieſen Letztern angelegt

ſind. Es gibt aber, beſonders in den Geldgeſchäften, leicht

Stockungen, welche den Producenten oder Rentnern ſehr viel

Schaden verurſachen können, indem der Zinsfuß entweder zu hoch

ſteigt, oder tief ſinkt.

Viertes Hauptſtück.

Von den Dienſtgewerben, als Zweig der

Volkswirthſchaft.

§. 437.

In welcher Beziehung man auch (§. 372. 373.) die Klaſſe der

Dienſtleiſtenden betrachten will, wie ſie uns vom gemeinſten Arbeiter

[621/0643]

bis zum höchſten Künſtler, Gelehrten und Staatsbeamten erſchei-

nen, ſo müſſen ſie immer volkswirthſchaftlich als ſehr wichtig gelten.

Ihre Leiſtungen ſtehen mit dem Volkswohlſtande im unmittelbarſten

Zuſammenhange ſowohl in Betreff der Production als des Genuſſes,

und ihre ſtandesmäßige Exiſtenz iſt eine der wichtigſten Bedingungen

des Beſtandes der Staaten. Eine zu große Menge ſolcher Staats-

glieder ſenkt bei freier Concurrenz den Lohn und bringt dann Miß-

verhältniſſe zufolge von Nahrungsloſigkeit hervor, welche, wenn

der Bildungsgrad dieſer Klaſſe auch noch ſehr niedrig iſt, die

öffentliche und allgemeine Ruhe ſowie das Eigenthum auf das

Höchſte gefährden. Anderſeits aber dient die Lebensart und Be-

handlung der Arbeiter, beſonders in den Fabrikländern, öfters

dazu, eine ſchwächliche, unſittliche und geiſtig ganz verwahrloste

Bevölkerung zu creiren, ein Umſtand, der um ſo gefährlicher iſt,

je mehr die Gewerksarbeit die Oberhand über die Urgewerbe hat.

Niemals wird ſich in ſolchen Ländern eine gleichmäßige Güter-

vertheilung, und eben ſo wenig ein wohlhabender Mittelſtand von

Bedeutung herſtellen.

Zweite Abtheilung.

Volkswirthſchaftliche Betriebslehre.

Einleitung.

§. 438.

Die Aufgabe dieſes Theiles der Nationalöconomie iſt bereits

oben (§. 394.) erörtert. Obſchon derſelbe nicht bloße Staatswiſ-

ſenſchaft iſt, ſo gehört doch zum Theile ſein Gegenſtand unter die

Objecte der Staatsverwaltung, und es iſt nothwendig, den Grund-

ſatz feſtzuſetzen und feſtzuhalten, von dem die Regirung in der

Leitung der Volkswirthſchaft auszugehen hat. Derſelbe, ſo be-

ſtritten er auch iſt, ergibt ſich ſehr leicht aus dem Weſen und

Gehalte der Staatsverwaltung. Denn dieſe kann nur auf zwei

Hauptmaſſen Bezug haben, nämlich auf die Rechte und auf die

Güter (§. 37. 38.). Dieſe Scheidung rechtfertigt ſich von ſelbſt,

weil die Letzteren auch im Einzelleben der Menſchen vorhanden

ſein können, während die Rechte erſt ein Product des Zuſammen-

lebens der Menſchen ſind, aus welchem ſich das Rechtsgeſetz ergibt,

und weil die Rechte ſich nur auf Güter beziehen können. Was

den Erwerb, die Erhaltung und den Gebrauch von Rechten und

Gütern anbelangt, ſo ſtehen der Staat, als Totalität, die Ge-

[622/0644]

meinden, die Einzelnen, Geſellſchaften und Stiftungen einander

als ſelbſtſtändige Perſonen gegenüber. Jede derſelben verſchafft

ſich ihr Rechts- und ihr Gütergebiet. Die Thätigkeit und Sorge

für das ausſchließliche Gütergebiet von Tauſchwerth iſt die Wirth-

ſchaft, welche als Privat-, Gemeinde-, Volks- und Staatswirth-

ſchaft (Finanzwirthſchaft) erſcheint. Demnach hat die Staats-

gewalt objectiv drei Hauptrichtungen, nämlich die Juſtiz, Finanz,

und diejenige, welche ſich auf das Güterweſen der Einzelnen, Ge-

ſellſchaften, Stiftungen, Gemeinden und des Complexes dieſer

vier Letztern, nämlich des Volkes, bezieht und Polizei genannt

wird. In allen dreien tritt ſie oberaufſehend, geſetzgebend und

vollziehend auf. Die Strafgewalt ergibt ſich aus der Natur der

Geſetze und Menſchen von ſelbſt, wie die Strafe, als nothwendig,

und gehört allen drei Staatsgewalten im objectiven Betrachte an.

Die Polizei, ihrem wahren Begriffe nach und nicht in der zum

Theile nothwendigen zum Theile zufälligen Vermengung mit der

Juſtiz und Finanz genommen, hat keine Sorge für Rechte auszu-

üben, obſchon ſie beſtändig mit ſolchen eben ſo gewiß in Berührung

kommen muß, als in der bürgerlichen Geſellſchaft Güter und

Rechte nicht zu trennen ſind. Sie iſt vielmehr die nach den Prin-

zipien des Rechts, der Sittlichkeit und der Klugheit beſchränkte

Staatsſorge (entſpr. Staatsgewalt) für die Entwickelung und

Beförderung des Güterweſens der Nation nach ihren ſo eben ange-

gebenen Beſtandtheilen. Näher bezeichnet, ſie iſt die ſo begränzte

Staatsſorge für den Erwerb, die Vertheilung, Erhaltung und

Anwendung der Güter der Nation, als Geſammtheit der Einzelnen,

Geſellſchaften, Stiftungen und Gemeinden. Bringt man ihren

Inhalt nach den genannten Thätigkeiten in eine logiſche Ueberſicht,

ſo ergibt ſich eine Erwerbs-, Vertheilungs-, Erhaltungs- oder

Sicherheits- und eine Gebrauchspolizei. Führt man aber die lo-

giſche Trennung ihres Gehaltes nach den Objecten durch, auf

welche ſich dieſe Thätigkeiten beziehen, ſo ergibt ſich von ſelbſt eine

Polizei für die inneren Güter (Bildungs- und Sitten- und

Religionspolizei), für die wirthſchaftlichen äußeren Güter

(Wirthſchaftspolizei) und für die nicht wirthſchaftlichen

äußeren Güter, welche Einer von den genannten polizeilichen Thä-

tigkeiten anheim fällt, da ſie nur in ihrer Beziehung auf Bildung,

Geſittung, Sittlichkeit, Religion und Wirthſchaft Bedeutung haben,

weil das Weſen des Gutes in ſeiner Brauchbarkeit für die Men-

ſchenzwecke liegt. In jedem dieſer letztgenannten Zweige tritt die

Polizei als Erwerbs-, Vertheilungs-, Sicherheits- und Gebrauchs-

polizei auf, denn die entſprechenden Thätigkeiten der Nation beziehen

[623/0645]

ſich auf Bildung, Sitten und Religion, wie auf das Vermögen.

Die hier abzuhandelnde Volkswirthſchaftspflege (Gewerbspolizei)

iſt nichts anderes als die Wirthſchaftspolizei in Verbindung mit

demjenigen Theile der Bildungspolizei, der die gewerbliche Bildung

zum Gegenſtande hat. Sie ſteht alſo unter dem Prinzipe der Po-

lizei überhaupt, und dieſe unter dem letzten Grundſatze des Staats1).

Der Staat iſt eine hiſtoriſche Nothwendigkeit und umfaßt die Zwecke

der Menſchheit, aus einem Geſichtspunkte betrachtet, in welchem

ſie vom Einzelnen nicht erreichbar ſind. Wäre dies nicht, ſo würde

er nicht beſtehen. Die Staatsgewalt hat daher auch nur dort und

dann einzuſchreiten, wo und wann die Kräfte und der Wille der

Einzelnen nicht zuverläſſig iſt und nicht mehr zureicht, um einen

vernünftigen Zweck zu erreichen. Im Uebrigen ſteht dem Einzelnen,

zwar nicht Willkühr und Laune, ſondern rechtliche Freiheit zu.

Hieraus geht von ſelbſt hervor, daß die Wirkſamkeit des Staats

je nach dem Grade der Entwickelung der Nation verſchieden ſein

muß, und daß er in denjenigen Dingen am wenigſten einzuſchreiten

hat, worin vorausgeſetzt werden muß, daß der Einzelne, ohne

Andere zu beeinträchtigen, aus eigener Einſicht das Beſte wählt

und thut. Weil dies nun im Rechtsgebiete nicht zu erwarten ſteht,

ſo lange man eine Civiliſation nicht verwirklicht ſieht, für welche

kaum die Einbildungskraft Raum gibt, ſo wird der Staat auch

ſtets in jenem am meiſten einzuſchreiten haben. Am wenigſten wird

er dies bedürfen in den Wirthſchaftsangelegenheiten, in welchen

die eigene Einſicht und der Vortheil die Baſis bildet, auf welcher

ſich die Völker frei entwickeln. Hier reicht es hin, wenn er, mit

Geſtattung der Freiheit, nur einwirkt, wo Kraft, Einſicht oder

Willen der Einzelnen zur Erreichung eines guten Zweckes mangelt,

und es ſtehen demſelben, je nach der Natur der Gegenſtände, Hilfs-

anſtalten, Belehrung, Ermunterung, Hinwegräumung von Hinder-

niſſen, und, je nach der Dringlichkeit des Zweckes, auch Zwang

als Mittel zu Gebote2).

¹ Ueber die allmälige Ausbildung des Begriffs der Polizei bis zur Einführung

dieſes Wortes ſ. §. 23. Die verſchiedenen Verſuche, das Weſen der Polizei zu

beſtimmen, mußten mißlingen, da man nicht genug auf die hiſtoriſche Entwickelung

des Begriffs Rückſicht nahm und ſie entweder blos nach der Staatspraxis und Be-

hördenorganiſation einzelner Staaten oder nur nach ſtaatswiſſenſchaftlichen Syſtemen

zu definiren ſuchte. Es möchte ſich aus Obigem ergeben, daß man ihren Begriff

allerdings poſitiv beſtimmen kann, und daß die Meinung, ſie könne nur negativ

definirt werden, blos daher kommt, daß man keine reinen Polizeibehörden in unſern

Staaten hat, weil der Behördenorganismus keine Folge von theoretiſchen Syſtemen,

ſondern von praktiſcher Zweckmäßigkeit iſt. Die Begriffsanarchie war jedoch von

weſentlichen Folgen für das Staatsleben, weil man in dem Gebiete der Polizei

auch zu keinem allgemeinen Prinzipe kommen konnte und ſich in allen Zweigen der-

ſelben von Widerſpruch zu Widerſpruch wälzte.

[624/0646]

² Dieſe Sätze ſind die Grundpfeiler aller polizeilichen Thätigkeiten im Staate.

Nach ihnen muß auch die Richtigkeit und Unrichtigkeit der zwei ſich entgegenſtehenden

Anſichten entſchieden werden, ob nämlich der Staat blos negativ oder ob er auch

poſitiv zur Leitung der Volkswirthſchaft einſchreiten ſoll. Beide Anſichten ſind

übertrieben worden, indem man die Erſte der Sorgloſigkeit, die Zweite aber des

Zuvielregirens beſchuldigte; jene iſt das Prinzip des phyſiocratiſchen, dieſes der

Grundſatz des mercantiliſchen Syſtems. Auch A. Smith iſt ein Anhänger des

Syſtems der Negativität, aber in dem oben bezeichneten Sinne, indem er vom

Geſichtspunkte der ganzen Volkswirthſchaft und des Verbandes der einzelnen Gewerbe

als Beſchäftigungen beſtimmter Bürgersklaſſen ausgeht, und alſo jede wirthſchafts-

polizeiliche Maaßregel, welche dieſen Geſichtspunkt verliert, für fehlerhaft erklärt.

Es folgt daraus, daß die Regirung Alles zu verhüten hat, was eine Klaſſe vor der

andern begünſtigt oder benachtheiligt. Dies iſt die wahre Bedeutung des Prinzips

der Negativität nach A. Smith, und nicht, daß der Staat keine Anordnungen

und Anſtalten zur Förderung der Volkswirthſchaft im Ganzen und des Gewerbs-

weſens insbeſondere treffen dürfe. Es gibt in der Volkswirthſchaft wirklich ſchädliche

Einrichtungen und Verhältniſſe, es kann etwas Unrichtiges beſtehen und etwas

Richtiges mangeln; beide Umſtände ſind als Hinderniſſe hinwegzuräumen, ſei dies

direct oder indirect ausführbar. Erklärt man das Smith'ſche Prinzip für das

indirect negative, ſo iſt dies ein Irrthum, denn er behauptet auch das direct nega-

tive, welches man fälſchlich immer für das mercantiliſche oder poſitive ausgab.

Denn er iſt ganz für directe Hilfsanſtalten, für Ermunterung, für gewerbliche

Bildungsanſtalten u. dgl. So und nicht anders iſt auch die Stelle im Inquiry II.

274–275. zu verſtehen.

Erſtes Buch.

Allgemeine Grundſätze.

Erſtes Hauptſtück.

Vom Betriebe des volkswirthſchaftlichen Er-

werbs.

Erſtes Stück.

Einwirkung auf die Hervorbringung.

§. 439.

1) Beförderung der Benutzung der Naturkräfte.

Die Benutzung der Naturkräfte zur rechten Zeit und in der

rechten Art iſt ein ſehr großer Gewinn für die Production, denn

ſie ſind dauernd, wie weder die menſchliche Kraft noch das Capital.

Es ſind aber noch ſo viele Seiten der Natur nicht erforſcht, daß

man von den Naturwiſſenſchaften und der Mechanik, ſo weit ſie

jetzt auch gediehen ſind, mehr als von jeder andern ſagen kann,

ſie ſeien Stückwerk. Jede neue Entdeckung und Erfindung von

Wichtigkeit verdient daher eine wirthſchaftspolizeiliche Anerkennung

und es iſt ein Verdienſt, dieſelben, ſei es durch Preiſe, Unter-

ſtützung mit Apparaten, zu Reiſen u. dgl. mehr zu befördern, und

zu verbreiten. Noch wichtiger ſind aber die Erfindungen, um die

[625/0647]

neu entdeckten phyſikaliſchen, chemiſchen und mathematiſchen Geſetze

in der Wirthſchaft productiv anzuwenden. So berührt z. B. die

Entdeckung der Elaſtizitätsgeſetze des Dampfes das Gewerbsweſen

nicht ſo nahe, wie die Erfindung der Dampfmaſchine.

§. 440.

2) Beförderung der Arbeit.

Für die Beförderung der Arbeit iſt wichtig: a) die Sorge

für die rechtliche Sicherheit des Eigenthums und der

Perſonen, denn wo dieſe aus irgend was für Urſachen nicht be-

ſteht, da fehlen faſt alle wirkſamen Mittel der Gewerb- und Be-

triebſamkeit, als Arbeitsluſt, Capital, Kredit, guter Bürgerſtand,

Genuß u. dgl. b) Die Freiheit der Arbeiterklaſſe, alſo

Aufhebung der Sclaverei, Leibeigenſchaft und Hörigkeit (§. 67.)1).

c) Mittel zur Erhöhung ihrer Geſchicklichkeit, für die

verſchiedenen Gewerbe, mit der Rückſicht, daß die Arbeiter doch

wenigſtens zwei verſchiedene Geſchäfte erlernen. Es gehören hier-

her nicht blos die Elementar-, Induſtrie-, Real- und ge-

wöhnliche Gewerbsſchulen für Arbeiter und Handwerksleute,

ſondern auch die techniſchen Lehranſtalten und polytechniſchen

Inſtitute für alle verſchiedenen Gewerbe, in denen eine höhere

Bildung zu erlangen, die für den Fabrikanten, techniſchen Staats-

beamten u. dgl. nöthig iſt2). d) Die Begünſtigung der Errich-

tung von Kaſſen zur Unterſtützung untauglicher Arbeiter, deren

Wittwen, Waiſen und ſonſtigen Angehörigen3). e) Geſetzliche

Beſtimmungen über die Behandlung der arbeitenden Kinder

in den Fabriken, um ſie vor Mißbrauch, Mißhandlung, und gei-

ſtiger und ſittlicher Vernachläſſigung zu bewahren4). f) Ermun-

terung zur Einführung von guten Lohnſyſtemen (§. 312.

N. 2. §. 315. N. 3.) und zur Abſchaffung der verſchiedenen

Gewerbsmißbräuche (§. 375. 376.)5).

¹ Glücklicherweiſe für Deutſchland von keinem praktiſchen Intereſſe mehr.

² Natorp, Grundriß zur Organiſation allgemeiner Stadtſchulen. Duisburg

1804. (Jeſſen) Verf. der öffentl. Erziehungsſchulen in Städten. Altona 1818.

Dingler, Nothwendigkeit der Gründung einer polyt. Academie c. Augsb. 1821.

Hermann, Ueber polytechn. Inſtitute. Nürnb. 1826. Brougham, Observations

upon the Education of the working classes and their employers. London. 20th.

Edit. 1825. Ins Deutſche überſ. von Klöden. Berlin 1827. Kern, Einrichtung

der Bürgerſchulen. Berlin 1828. Köhler, Zweckmäßigſte Einrichtung der Gewerbe-

ſchulen und polytechn. Inſtitute. Gött. 1830. Kriegſtötter, Wichtigk. techniſcher

Bildungsanſtalten. Tübingen 1831. Nebenius, Ueber techniſche Lehranſtalten.

Carlsruhe 1833. Lehmus, die Gewerbſchule als Staatsanſtalt. Nürnberg 1833.

v. Klöden, Ueber die Fortbildung der Gewerbtreibenden, außer der Schule. Ber-

lin 1827. Verbreitung von techniſchen Kenntniſſen durch Journale; Pfennigmaga-

zine; Geſellſchaft für Verbreitung nützlicher Kenntniſſe.

Baumſtark Encyclopädie. 40

[626/0648]

³ Wittwen- und Waiſenkaſſen; Lebensverſicherungsbanken, §. 121. 4. Errich-

tet vom Staate oder Geſellſchaften.

⁴⁾ In der neueſten Zeit hat man in England, Frankreich und Preußen hier-

auf beſondere Aufmerkſamkeit verwendet.

⁵⁾ Aber nicht durch Zwang, denn ſie ſind zu tief eingewurzelt. S. über faſt

alle dieſe Punkte Rau polit. Oeconom. II. §. 11–21. §. 220–224. §. 368. u.

369. (Ein Theil ſeiner polit. Oeconom., in welchem man nicht leicht nach einer

vor a. 1827 bekannten wirthſchaftspolizeilichen Maaßregel nachſchlagen wird, ohne

gehörige materielle und literariſche Belehrung zu finden.) Mohl Polizeiwiſſenſchaft.

(Tübingen 1832 u. 1833. II Bde.) I. 93 (Bevölkerung). 443. 452 (Unterricht).

II. 4. 10. (Sklaverei und Leibeigenſchaft). v. Jacob, Grundſätze der Polizeigeſetz-

gebung (Halle und Leipzig 1809. II Bde.). I. 61 (Bevölkerung). 167 (Leibeigen-

ſchaft, Sklaverei). 265 (Unterricht). Lotz Handbuch. II. 43 (Bevölkerung).

55 (Unterricht). 68 (Sklaverei c.).

§. 441.

3) Beförderung des Capitalſammelns und Anwendens.

Der freie Verkehr ſchafft die Capitalien, beſonders jene von

Geld, von ſelbſt an die Orte, wo ſie ſich am beſten rentiren.

Zur Anſammlung von Capitalien dienen die Sparkaſſen1) und

Aufmunterung zur Sparſamkeit. Der Capitalumſatz und die Capi-

talanlage wird aber befördert durch gute Bankerottgeſetze und

zweckmäßige Einrichtung des Hypothekenweſens2). Was aber

die Art der Capitalanlage in Gewerben anbelangt, ſo ſteht dem

Staate nicht die Befugniß zu, hemmend einzuſchreiten3).

¹ Sparbanken, saving-Banks. Richardſon, Annalen der Sparkaſſen. Aus

d. Engl. überſ. von Krauſe. Breslau 1821. Bernoulli Schweizeriſches Archiv.

I. 1–28. Krug Staatswirthſch. Anzeigen. I. 1–30. Rau polit. Oeconom.

II. §. 365. storch Cours, Ueberſ. von Rau. III. 391.

² Reck, das deutſche Hypothekenweſen mit beſonderer Berückſichtigung des

hannov. und braunſchw. L Rechts. Gött. 1830 u. 1832. II Hefte.

³ Es gehört hierher die Frage über Beſchränkung des Maſchinenweſens, und

jene über die Freiheit in der Wahl und im Betriebe von Gewerben. Jeder Schritt,

der hierin zu hindern den Zweck hat, iſt eine Ungerechtigkeit, und widerſpricht dem

freien Entwickelungsgange der Volkswirthſchaft. S. Lotz Handb. II. 63.

Zweites Stück.

Einwirkung auf die Vertheilung.

Erſter Abſatz.

Beförderung des Güterumlaufes.

§. 442.

1) Das Geldweſen. a) Münzweſen.

Das Münzweſen iſt ein Gegenſtand von der größten praktiſchen

Wichtigkeit, weil, wenn es hierin an Zuverläſſigkeit fehlt, der

[627/0649]

ganze Verkehr darunter leidet und nach Umſtänden erſchüttert wer-

den kann. Es ſteht daher nothwendig unter der unmittelbaren

Leitung der Regirung und unter ſtrengen Staatsgeſetzen1). Die

Sorge des Staats hat ſich nicht blos auf die inländiſchen, ſon-

dern auch auf die ausländiſchen Münzen zu erſtrecken. Es ob-

liegen daher (mit Bezugnahme auf §. 290. 328. und 413.) der

Münzgeſetzgebung beſonders folgende Punkte:

1) Die Münz-Aus- und Einfuhr. Man hat lange nach

den Grundſätzen des Mercantilſyſtems der Anſicht gehuldigt, daß

es in der Macht der Regirung liege, die Münzmenge zu beſtimmen.

Allein die Erläuterung des Geldumlaufs hat das Gegentheil ge-

zeigt, woraus hervorgeht, daß die Münzaus- und Einfuhrverbote

ihren Zweck nicht erreichen. Die einzige Aufſicht, welche der Staat

in dieſer Hinſicht zu führen hat, iſt die, daß er die eingehenden

ausländiſchen Münzen valvirt, d. h. ihren Werth beſtimmt und

durch Valvationstabellen bekannt macht, und daß er mit

benachbarten Staaten Verträge über ein gleichförmiges Münzſyſtem

abſchließt, um das Land vor dem Eingange ſchlechter Münzen zu

ſichern, welche die guten Münzſtücke aus dem Umlaufe treiben und

Falſchmünzerei verurſachen, ſobald ſie einen häufigen Umlauf haben.

In großen Staaten ſind dieſe Maaßregeln weit weniger nöthig als

in kleinen, weil ſie im Stande ſind, ein eigenthümliches Münz-

ſyſtem zu bewahren. Die kleinen und mittleren Staaten befinden

ſich in der Regel, was dies anbelangt, ſchlimm, wegen Mangels

an Selbſtſtändigkeit und wegen der Umgebung mehrerer Staaten

von reell und nominal oder blos reell verſchiedenen, aber nominal

gleichen Münzſyſtemen. Für ſie kann eine Münzvereinigung nur

vortheilhaft ſein.

2) Der eigene Münzfuß für das Inland. Derſelbe muß

Beſtimmungen enthalten über alle (§. 290.) erwähnten Münzver-

hältniſſe. a) Die Form und das Gepräge ſollen ſchön und gut,

die Größe aber nicht unbequem, nicht zu groß und nicht zu klein

ſein. b) Die Münzmetalle ſelbſt betreffend, ſo iſt (aus §. 413.)

klar, daß es in einem Lande thatſächlich keine zwei Münzmetalle

geben kann, die zugleich eigentliches Umlaufsmittel ſind, ſondern

daß vielmehr je nach dem Stande des Verkehrs blos Eines der-

ſelben wirkliches Tauſchmittel, ein anderes aber blos zur Aushilfe

beſtimmt iſt. Weil man dieſe Wahrheit nicht erkannte, weil man

meinte, ohne Einwirkung des Staats könne ſich kein feſtes Tauſch-

werthsverhältniß der Münzmetalle gegenſeitig bilden und weil man

eine andere als geſetzliche Beſtimmung deſſelben unter den Münzen

gegenſeitig nicht für möglich hielt, ſo gab man ſtaatsgeſetzliche

40 *

[628/0650]

Werthsverhältniſſe der Metalle an2). Allein für Gold und

Silber, welche im Weltverkehre ſich leicht ausgleichen, iſt dies

ganz unnöthig und darum ſchädlich, weil man auf längere Zeit

das Handelsverhältniß nicht treffen kann. Beim Kupfer iſt dies

nicht ſo der Fall, zum Theile weil es ſich auf den Metallmärkten

nicht ſo leicht vertheilt, wie die Edelmetalle und weil die Kupfer-

münzen neben goldenen und ſilbernen ſtets mehr den Charakter als

bloße Münzzeichen annehmen3). Was c) die Legirung anbelangt,

ſo hat der Staat in ihr zwar ein Mittel zu Münzverſchlechterung

in Händen, aber ſie erſcheint zur gehörigen Härte der Münzen

nothwendig4), ſie erſpart Reinigungskoſten, weil das Edelmetall

in der Regel nicht rein vorkommt, und bei Scheidemünzen geringer

Art von Silber dient ſie zur Vergrößerung des Münzſtückes, wäh-

rend bei ihnen ohnehin eine hohe Feinheit nicht ſo nothwendig iſt,

wie bei Grobcourant, da ſie im Inlande und immer mehr mit

Charakter als Münzzeichen circuliren, je kleiner ſie ſind. d) Der

Schlagſchatz und das Remedium müſſen geſetzlich beſtimmt

werden. Beide ſind nothwendig wegen der Münzfabrication, und

jener jedenfalls bei Scheidemünzen größer, als bei den andern.

Es iſt kein Grund vorhanden, keinen Schlagſchatz zu nehmen;

denn die Münze als Fabricat verurſacht Fabricationsarbeit und

-Koſten, folglich ſteigt ihr Tauſchwerth und es kann auch füglich

ihr Preis ſteigen. Sie muß als Münze, um nicht zu häufig ein-

geſchmolzen zu werden, mehr Tauſchwerth haben als das bloße

Metall und der Staat würde bei freier Münzung nicht blos ver-

lieren, ſondern auch dem Handel nicht einmal einen beſondern

Dienſt leiſten5). e) Bei der Stückelung, wovon auch das

Schrot abhängt, iſt es räthlich, ein bequemes Rechnungsſyſtem

zu wählen. Das Decimalſyſtem hat darum ſehr viel für ſich. Mit

ihr iſt auch zugleich die Währung gegeben. Sehr zweckmäßig iſt,

in Veränderungen wenig gegen nationale Gebräuche und Gewohn-

heiten ſich zu verſtoßen. Ein einmal angenommener Münzfuß iſt

möglichſt unverändert zu bewahren, weil Münzveränderungen immer

eine Reform oder Revolution im ganzen Verkehre zur Folge haben,

da ſich alle Preiſe verändern und die Geldcapitalwerthe nicht die-

ſelben bleiben. Am verwerflichſten ſind aber die geheimen, als

Finanzmaaßregel benutzten, Münzverſchlechterungen, weil ſie in jener

Hinſicht ganz zwecklos, aber für das Inland nur ſchädlich ſind,

indem ſie alles gute Geld aus dem Umlaufe vertreiben, den Inlän-

dern bei ausländiſchen Zahlungen Verluſte verurſachen, die Schuld-

ner auf Koſten der Gläubiger bereichern, das Zutrauen allgemein

untergraben und der Falſchmünzerei freies Feld machen6).

[629/0651]

¹ Die Literatur ſ. m. in den oben citirten §§. Außerdem: Preuß. Staats-

zeitung. Jahrg. 1832. Nro. 133 folg. Drei Aufſätze über das Münzweſen. Berlin

1833. Dagegen ſ. m. Aufſätze in der Allgem. Zeitung von 1833. Außerord. Beil.

Nr. 267. 343. Mohl Polizeiwiſſ. II. 408–418. v. Jacob Polizeigeſetzgebung.

II. 597–619. Lotz Handb. II. 327–354. storch Cours, Ueberſ. von Rau.

I. 458–475. say Cours. II. 398. 418 sqq. Ueberſ. von v. Th. II. 296. 311

folg. Ganilh Des systemes. II. 84–146. Rau polit. Oeconom. II. §. 249–262.

² Ueber die Falſchheit der Anſicht von Wheatley Essay on the Theory of

Money I. 122, daß das weniger werthvolle und nicht das werthvollere Edelmetall

das Tauſchmittel ſei, ſ. m. Meine Verſuche S. 133–139.

³ Das churſächſiſche Münzgeſetz von 1763, das niederländiſche von 1816 und

das ſiciliſche von 1818 haben dieſe Werthsfixirungen aufgegeben. S. Klüber, das

Münzweſen in Deutſchland. S. 207.

⁴⁾ Neuerdings iſt Hofmann in den genannten Aufſätzen (Preuß. Staatszei-

tung von 1832 Nr. 133.) dieſer Anſicht entgegengetreten, indem er zeigt, daß die

Legirung mit Kupfer die Abnutzung befördere, zum Theile wegen Vergrößerung der

Fläche und wegen des Grünſpanziehens beim roth legirten Silber. Derſelbe erklärt

auch das reine Gold für das beſte Münzmetall (Nr. 136. a. a. O.).

⁵⁾ Schlagſchatz ſind blos die Prägekoſten. Ein Münzgewinn über dieſe hinaus

iſt eine Verſchlechterung der Münze. Gegen die Erhebung eines Schlagſchatzes z. B.

v. Jacob Staatsfinanzwiſſ §. 415. S. dagegen Meine Verſuche. S. 156.

⁶⁾ Ueber die Arten der Münzverſchlechterungen und deren Folgen, nach hiſtori-

ſchen Thatſachen ſ. m. Meine Verſuche. S. 111 folg.

§. 443.

Fortſetzung. b) Papiergeldweſen.

Die Aufſicht des Staats auf das Papiergeldweſen1) iſt zum

Theile nothwendig aus den im vorigen §. beim Münzweſen für die

Wirkſamkeit der Polizeigewalt angegebenen Gründen, zum Theile

aus beſondern im Papiergelde ſelbſt liegenden Urſachen; denn das

Papiergeld iſt leichter vermehrbar ohne bedeutende Koſten, es er-

ſcheint zugleich als ein Staatsfinanzmittel, das zu allem Miß-

brauche bereit liegt, und die Folgen eines im Curſe geſunkenen

oder entwertheten Papiergeldes ſind weit ſchrecklicher noch als die

der Münzverſchlechterungen, ſie bewirken aber, wenn die Letzteren

noch hinzukommen, zuſammen eine unbeſchreibliche Zerrüttung des

ganzen geſelligen Lebens bis in ſeine letzten Aederchen und Nerven2).

Die ganze Politik in Betreff des Papiergeldes iſt in dem Grund-

ſatze enthalten, demſelben ſeinen Gleichwerth mit dem Metallgelde

zu bewahren. Es iſt daher a) die Papiergeldemiſſion weder zu

geſtatten noch vom Staate ſelbſt vorzunehmen, wenn die Anfor-

derungen eines lebhaften Verkehres ſeinen Gebrauchswerth nicht

begründen, und alſo entweder bloße Gewinnſucht von Privaten

oder Geldverlegenheiten des Staates den Antrieb zur Emiſſion ab-

geben; b) die Menge deſſelben nicht nach dem zu erzielenden Ge-

winne der Emittenten oder nach den außerordentlichen Bedürfniſſen

des Staats, ſondern lediglich nach dem volkswirthſchaftlichen Be-

[630/0652]

darfe an Umlaufsmitteln zu richten und nicht mehr auszugeben3);

c) beſtändig offene Kaſſe zum Behufe der augenblicklichen Honori-

rung des präſentirten Papiergeldes zu halten und ſelbſt die falſchen

Scheine oder Noten einzulöſen; d) in der Stückelung deſſelben nie

ſo weit zu gehen, daß es die Scheidemünzen vertritt und eher ſelbſt

die geringſten Stücke des Grobcourant noch unvertreten zu laſſen;

e) die Form und das Gepräge deſſelben ſo unnachahmlich als mög-

lich zu machen; f) mit allen zu Gebote ſtehenden Mitteln dafür zu

ſorgen, daß das geſunkene Papiergeld ſo ſchnell als möglich einge-

zogen, und daß ihm wieder ſein wahrer Werth verſchafft werde4);

g) die Münzen und Barren, womit es eingelöst werden ſoll, in

demjenigen guten Zuſtande unverändert zu laſſen, in welchem ſie

bei der Papiergeldemiſſion waren, und wenn eine Münzveränderung

als unumgänglich erſcheint, dieſe öffentlich zu bewerkſtelligen und

auch das Papiergeldweſen danach neu zu reguliren5).

¹ Ueber die Literatur und die Grundſätze des Papiergeldweſens ſ. m. §. 329.

414. Außerdem: Rau polit. Oeconomie. II. §. 263. Lotz Handbuch. II. 354.

v. Jacob Polizeigeſetzgebung. II. 619. v. Cöverden, Verſuch einer Entwicke-

lung der nachtheiligen Folgen einer zu großen Maſſe Staatspapiergeldes. Göttingen

1805. Krünitz Encyclop. Bd. 107. S. 248. v. Jacob, Ueber Rußlands Papier-

geld. Halle 1817.

² Folgen des geſunkenen Papiergeldes: Steigen aller Preiſe von Gütern,

Nutzungen und Leiſtungen; Entwerthung aller früher ſtipulirten Geldſummen und

Mißverhältniß zwiſchen Einnahmen und Ausgaben bei denjenigen, welche ihr Ein-

kommen in feſten Summen beziehen, z. B. bei den Arbeitern, Beamten, Capitali-

ſten; Verſchwinden der Münzen aus dem Verkehre, um Vermögen zu ſichern;

ſchädliche Vertheurung aller ausländiſchen Producte; allgemeines Mißtrauen u. dgl.

S. hiſtoriſche Belege in Meinen Verſuchen. S. 259–271. 281–282.

³ Daraus folgt aber nicht, daß man, wenn das Papiergeld wegen der Hono-

rirung ſtark herbeiſtrömt, die Emiſſion unterlaſſen muß. S. gegen dieſe Anſicht

oben §. 414. N. 6. Meine Verſuche. S. 276.

⁴⁾ Es gibt dafür drei Methoden: Allmälige Einlöſung gegen Münzen und

Barren, blos bei nicht tief und kurze Zeit geſunkenem, aber nicht bei tief und lange

her entwerthetem Papiergelde anwendbar, weil bei Letzterem der Schaden gar nicht

liquidirt werden kann, wenn man es auch für voll umlöst; bei Staatspapiergeld eine

Einlöſung deſſelben gegen verzinsliche Staatsſchuldſcheine, eine Maaßregel, deren

Beurtheilung in die Finanzwiſſenſchaft gehört: die Fixirung ſeines Werthes und

möglichſt ſchnelle Zurücknahme gegen Erſtattung des Erſteren in Baarſchaft, die

kürzeſte und zweckmäßigſte Maaßregel. S. Nebenius, der öffentl. Credit. I. 493.

Meine Verſuche. S. 362. v. Malchus Finanzw. I. §. 87. v. Jacob Finanz-

wiſſenſchaft. §. 909. Fulda Finanzw. §. 270.

⁵⁾ Beiſpiele aus der Finanzgeſchichte ſ. m. in Meinen Verſuchen a. a. O.

§. 444.

2) Die Kreditanſtalten.

In Betreff der Kreditanſtalten, welche den Umlauf befördern,

iſt zu bemerken, daß auch ſie im Volke von ſelbſt entſtehen, wenn

ſich das Bedürfniß darnach zeigt. So hat der Staat: a) nachdem

[631/0653]

das Wechſelinſtitut entſtanden war, nur für ſtrenge Wechſel-

geſetzgebung und bindigen Wechſelprozeß zu ſorgen; b)

wenn ſich Anſtalten zum Abgleich von Forderungen und Leiſtungen

bilden, dieſelbe, nachdem die Statuten geprüft und genehmigt

ſind, in polizeiliche Aufſicht zu nehmen (§. 344.); c) wenn ſich

Geſellſchaften zu Bankanſtalten vereinigen, ihre Charte zur

Prüfung zu verlangen und blos mit den gehörigen Abänderungen

derſelben zu ſanctioniren, aber ſich vor der eigenen Unternehmung

oder Uebernahme einer Bankanſtalt zu hüten, weil ſich an ſich

ſolche Geſchäfte für den Staat nicht eignen, die Verführung zur

geheimen Benutzung ihrer Fonds als außerordentliche Quellen zu

groß iſt und die Folgen für den Staats- ſowie Volkshaushalt

äußerſt verderblich ſein können1). Der Staat beſchränkt ſich deß-

halb auf die bloße Beaufſichtigung dieſer Inſtitute entweder durch

ſelbſtgewählte Directoren oder durch bloße beigegebene Control-

beamte oder durch wöchentliche, monatliche, viertel-, halb- und

ganzjährliche Vorlagen des Rechnungs- und Kaſſenſtandes, um ſo

etwaigen Nachtheilen für das Volk vorzubeugen. Die Prinzipien,

wonach die Prüfung der Bankſtatuten vorgenommen wird, ſind jene

des Geldumlaufes, jene des Metall- und Papiergeldes, und des

Zweckes der Banken insbeſondere mit ſtetem Vergleiche zum Volks-

wohlſtande2). Die Verwaltung der Banken ſelbſt, von welcher

unter übrigens gleichen Umſtänden alles abhängt, geht nach den

oben (§. 330. u. 345.) angegebenen Grundſätzen vor ſich. Einer

beſondern Beachtung verdient aber die wichtige Maxime, daß ſich

dieſelben nicht auf Darleihen aus ihren Fonds an den Staat zu

tief einläßt, denn dies bringt die Banken ſehr leicht in Zahlungs-

verlegenheit, wie die Erfahrung zeigt und ganz natürlich iſt, da

die Regirung im Nothfalle nicht ſo ſchnell, als es die Bank er-

heiſcht, die Baarſchaft herbeibringen kann und daher leicht zu

außerordentlichen Bankrechten und Autoriſation von Gewaltsſtreichen

die Zuflucht nimmt3).

¹ Die Bankgeſchichte zeigt dies. S. Meine Verſuche an den im vorigen §

a. O. Ueber dieſe ganze Bankfrage ſ. m. die im vorigen, und in den oben

citirten §§. angegebene Literatur, außerdem aber noch: Lotz Handbuch. II. 380.

v. Jacob Polizeigeſetzgebung. II. 645. Mohl Polizeiwiſſ. II. 418. Spittler

Vorleſungen über Politik. S. 399.

² Einer beſonderen Beachtung verdienen hier die in Großbrittannien üblichen

zwei Bankſyſteme, nämlich das ſchottiſche und das engliſche. In England hat

nämlich die Bank von England in London das ausſchließliche Privilegium; in

Schottland aber gibt es viele kleinere Banken von freier Concurrenz. Beide emit-

tiren Noten, aber die Letztern unterſtützen die einzelnen Gewerbsunternehmer,

namentlich die geringeren, weit mehr und beherrſchen den Verkehr nicht ſo, wie

eine ausſchließlich privilegirte Bank. S. eine Vergleichung im Quarterly Review.

T 43. p. 342–366. Auch die Schrift: das Reformminiſterium und das refor-

[632/0654]

² mirte Parlament. Nach der 9ten Ausg. überſetzt aus dem Engl. Carlsruhe 1834.

S. 27–33 (über die Erneuerung des Bankprivilegiums v. a. 1833). Mac-Cul-

loch Dictionary of Commerce, deutſche Bearb. I. 103.

³ Ueber den Zuſammenhang des Staatskredits mit dem Notenweſen und

Papiergelde ſ. m. Meine Verſuche. S. 249.

Zweiter Abſatz.

Geſetzliche Beſtimmungen der Preiſe oder

Polizeitaxen.

§. 445.

Die noch jetzt allenthalben eingeführte Maaßregel, daß man

von Seiten der Polizei gewiſſen Gewerben die Preiſe ihrer Pro-

ducte feſtſetzt, verträgt ſich mit den Grundſätzen der Gewerbsfreiheit

nicht. Am gewöhnlichſten iſt dies bei den Bäckern, Fleiſchern,

Bierwirthen u. dgl., überhaupt bei ſolchen Gewerben, welche die

gewöhnlichen Lebensbedürfniſſe liefern1). Daß die Polizei wegen

der Sicherheit vor ſchlechten Nahrungsmitteln eine Aufſicht hält,

iſt nothwendig. Aber die Aufſtellung ſolcher Polizeitaxen oder

Zwangspreiſe rühren aus der Zeit her, in welcher die ſtädtiſchen

und ländlichen Gewerbe ſtreng geſchieden und in den Städten be-

ſonders eine ſtrenge Zunftverfaſſung beſtand, welche, die freie

Gewerbsconcurrenz hindernd, und nur eine beſtimmte Meiſterzahl

zulaſſend, ein Monopol mit den nöthigſten Lebensbedürfniſſen ver-

anlaßte, das die Conſumenten, namentlich die niedere Klaſſe, ſehr

beeinträchtigte und ungleichförmige Preiſe verurſachte, ſo lange

die Polizei nicht zu einem gegenwirkenden Zwangsmittel dieſer Art

ihre Zuflucht nahm. Es konnte aber nicht fehlen, daß dieſe Taxen

ſelten recht, einmal zu hoch, ein andermal zu niedrig waren, da

man wenige zuverläſſige Mittel2) zu ihrer Feſtſetzung hat und die

Verhältniſſe ſich häufig verändern. Wäre die Concurrenz zwiſchen

Stadt und Land frei und das Zunftweſen aufgehoben, ſo müßten

dieſe Polizeiſchranken fallen und könnten es auch ohne Schaden.

Da dies nicht der Fall iſt und auch Erſtere deßhalb nicht völlig

eintreten kann, weil die ſtädtiſche Lebensweiſe einen höheren Ar-

beitslohn und Gewerbsgewinn als die ländliche nöthig macht, alſo

ſchon der Koſtenſatz der Producte dort höher als auf dem Lande

iſt, und folglich wenigſtens von ländlichen Producten beim Ein-

gange in die Städte eine verhältnißmäßige Ausgleichungsſteuer

entrichtet werden müßte, um die ſtädtiſchen Gewerbe zu ſichern:

ſo werden auch ſolche Polizeitaxen nicht leicht abgeſchafft werden

können3).

[633/0655]

¹ Bergius P. und C. Magazin. Art. Biertaxe. Brauprobe. Brod-

taxe und Backprobe. Fleiſchtaxe. Polizeitaxen. Rau polit. Oeconom.

II. §. 293. Rüdiger Staatslehre. Halle 1795. II. 127. Lotz Handb. II. 250.

simonde de sismonde Rich. Commerc. II. 107. 120. Murhard Politik des

Handels. S. 261. Wachtler in Morſtadt's Nationalöconom. 1834. H. III. 169.

² Die Berechnung geſchieht nach den Koſten- und Gewinnſtſätzen. Daher die

Back-, Mahl- und Brauproben u. dgl.

³ Ein Auskunftsmittel, z. B. im Großh. Baden in den Hauptſtädten ange-

wendet, iſt das, wenn man die Preiſe durch die Gewerksleute ſelbſt für jeden Monat

beſtimmen läßt und dieſe dann beibehält.

Dritter Abſatz.

Einfluß des Staats auf die Einkommenszweige.

§. 446.

Diejenigen Einkommensarten, welche die Natur des Preiſes

haben, alſo die ausbedungenen Renten, ſind von ſolcher Natur,

daß man ſie auch, ſo wie die Waarenpreiſe geſetzlich fixiren kann.

In früheren Zeiten begann man auch mit polizeilichen Taxen hierin

und wandte ſie beſonders an: 1) Beim Arbeitslohne, um im

Intereſſe der Lohnherrn ein Höherſteigen deſſelben zu verhüten.

Dieſe Taxen ſind durchaus verwerflich, weil ſie dieſe zum Nach-

theile der Arbeiter bevortheilen, und ganz bei Seite ſetzen, daß

hoher Arbeitslohn des Landes Wohlſtand begründet; weil die

Dienſte ſo verſchiedener Art ſind, daß allgemeine Taxen nicht gut

ausgeführt werden können; und weil keine ſo kleine Concurrenz

von Arbeitern zu erwarten iſt, daß der Lohn zu hoch ſteigen wird.

2) Beim Zinsfuße, um die Borgenden vor Bedrückung zu ſichern

und dem Wucher entgegenzuarbeiten1). Die Gebote und Verbote

in dieſer Hinſicht zuſammengenommen heißen Wuchergeſetze2).

Der Wucher, erſt durch die Geſetze einer Definition fähig gemacht,

iſt aus ſittlichen Gründen verhaßt, und dieſe haben die Wucher-

geſetze noch mehr motivirt, als Gewerbsrückſichten. Von dem freien

volkswirthſchaftlichen Standpunkte aus betrachtet kann es keinen

Wucher geben, denn die verſchiedenſten Umſtände beſtimmen den

Zinsfuß ſo, wie den Preis, und das Verbot hoher Zinſen ſteht

daher unter demſelben Geſichtspunkte, wie das Verbot hohen Ar-

beitslohnes. Allein Mangel an Capitaliſten auf einzelnen Plätzen,

Hartherzigkeit und Gewiſſenloſigkeit derſelben, welche ihnen geſtat-

ten, einen Borgenden zu überliſten und von deſſen Noth ſo viel

als möglich Gewinn zu ziehen, ſind Gründe, aus welchen in ein-

zelnen Fällen übermäßig hohe Zinſen hervorgehen können, die man

[634/0656]

Wucherzinſen nennt3). Hieraus ergibt ſich, a) daß die gewöhn-

lichen Wuchergeſetze verwerflich ſind. Denn die Fixirung eines

Zinsfußes widerſpricht dem Verkehre, beeinträchtigt die Capitali-

ſten, beſonders die geringeren, verhindert manche Unternehmungen,

die ſehr einträglich ſein können und den Borgenden dazu vermögen,

gerne einen höheren Zins zu geben, und iſt nicht durchzuführen,

weil, namentlich den größeren Capitaliſten, die verſchiedenſten

Mittel zur Umgehung des Geſetzes zu Gebote ſtehen, und weil die

Verheimlichung vieler Geldgeſchäfte dadurch veranlaßt wird. Es

iſt vielmehr am zweckmäßigſten b) daß man die Concurrenz der

Capitaliſten ſo viel als möglich zu vermehren ſucht, daß man durch

allerlei Mittel das Borgen erleichtert4), daß man allen ſelbſtſtän-

digen Perſonen die Verwendung ihrer Capitalien ſobald als möglich

frei läßt, daß man mit dem Ausleihen möglichſt wenige Sicher-

heitsformalitäten verbindet, daß man die möglichſte Einfachheit,

Sicherheit, Klarheit und Leichtigkeit der Geldgeſchäfte einzuführen

ſucht, daß der Staat außer der Vermehrung der Concurrenz alle

andern Umſtände begünſtiget, die einen niedern Zinsfuß bewirken,

daß er ſchon im Jugendunterrichte über die Darleihegeſchäfte für

Aufklärung ſorgt und den Unfähigen die freie Verwaltung ihrer

Capitalien nicht überläßt. Nur hierin liegen die Mittel, um den

Wucher ſicher zu verhüten.

¹ Rau polit. Oeconom. II. §. 319. Lotz Handb. II. 256. v. Jacob Poli-

zeigeſetzgebung. II 521. storch Cours, Ueberſ. von Rau. II. 25. say Cours.

IV. 242. Ueberſ. von v. Th. IV. 185. Spittler Vorleſ. über Politik. S. 412

-424 (ausgezeichnet). Galiani Della Moneta. II. 239. 251. Genovesi Lezioni.

III. 157 sqq. Vasco L'Usura Libera = Economisti. P. mod. XXXIV. 121. 230.

Gioja Nuovo Prospetto. V. 18. 43. 62. Turgot Mém sur le Prèt à intérét.

Paris 1789 (geſchrieben a. 1769 = Deſſen Oeuvres. V. 262.). J. Rentham Defense

of Usury. Lond. 1787. Deutſch von Eberhard. Halle 1788. Günther Verſuch

über Wucher. Hamburg 1790. v. Kees, Ueber Aufhebung der Wuchergeſetze.

Wien 1791.

² Sie verbieten in der Regel einen gewiſſen hohen Zins, das Abziehen des

Zinſes ſogleich bei der Auszahlung des Anleihens, andere Abzüge an dem Capitale,

die Zinszinſen, das Auflegen läſtiger Bedingungen u. dgl.

³ Die Menſchen ändern ihre Meinung hierüber allmälig, man hält z. B. jetzt

die Zinszinſen nicht mehr für Wucher. Oft hat man ſchon Wucher vermuthet, wo

blos der Mangel an perſönlicher und ſachlicher Sicherheit einen hohen Zins nöthig

oder billig machte, z. B. bei Darleihen auf bloßen perſönlichen Kredit, an unſelbſt-

ſtändige Menſchen, die Wuchergeſetze ſelbſt veranlaſſen ſo heimliche hohe Zinſen c.

Der Wucher iſt am leichteſten möglich bei Anleihen aus Noth, am wenigſten bei

Anleihen zu Gewerbszwecken, weil der Unternehmer niemals mehr zu geben geneigt

iſt, als er ſelbſt Zins einzunehmen vermag.

⁴⁾ Sie werden unten bei der Lehre von der Beförderung des Leihgeſchäftes

angeführt werden.

[635/0657]

Zweites Hauptſtück.

Vom Betriebe der volkswirthſchaftlichen

Hauswirthſchaft.

Erſtes Stück.

Sorge für die Erhaltung des Volksvermögens

und Einkommens.

Erſter Abſatz.

Vorbeugungsmittel.

§. 447.

1) Gegen Gewitter-, Erdbeben- und Hagelſchaden.

Zur Verhütung ſolcher zerſtörender Naturgewalten iſt nichts

zu thun möglich, aber zur Entkräftung oder Verhütung ihrer

ſchädlichen Wirkungen. 1) Zur Sicherung gegen Gewitterſchaden

dienen die Blitzableiter1), deren Anlage jedoch nicht erzwungen

werden kann, weßhalb Ermahnung, Unterricht und gutes Beiſpiel

an Staats- und Gemeindegebäuden die wirkſamſten gerechten Mittel

ſind, ſie zu verbreiten; ferner das Unterlaſſen aller Gebräuche und

Bauten, welche das Einſchlagen des Blitzes möglich machen2).

2) Bei Erdbeben kann man blos durch ſchleunige Verſuche zur

Rettung des beweglichen Eigenthumes und das Gebot des ſchnellen

Auslöſchens der Hausfeuer, um bei etwaigen Einſtürzen den Feuer-

ausbruch zu verhüten, ſichernd wirken. Das Verbot hoher Gebäude

in Gegenden, die einem ſolchen Unglücke ausgeſetzt ſind, iſt leicht

ein zu großer Eingriff in die Privatrechte. 3) Um gegen Hagel

zu ſichern, iſt es noch nicht mit der Erfindung von Hagelablei-

tern3) gelungen. Das Eigenthum iſt daher der Zerſtörung durch

dieſe Naturerſcheinung immer noch ſehr ausgeſetzt.

¹ Gilly Anleitung, Blitzableiter anzubringen. Berlin 1798. Achard Anl.,

Gebäude c. vor Gewitterſchaden ſicher zu ſtellen. Berlin 1798. Hehl Anleit. zur

Errichtung und Erhaltung von Blitzableitern. Stuttg. 1827. Dingler polytechn.

Journal. Bd. XVI. 145 (vorzügl. Anleitung nach dem Unterrichte der franzöſiſchen

Academie). Gehler Phyſical. Wörterbuch. 2te Auflage. Art. Blitzableiter.

Prechtl Technolog. Encyclopädie. Art. Blitzableiter. Buſch, Handbuch der

Erfindungen. 4te Aufl. Bd. II. Abthl. 2. S. 69. Frank medizin. Polizei. IV. 168.

v. Berg, Handbuch des teutſchen Polizeirechts. III. 32.

² Z. B. das Läuten auf Thürmen, Verbrennen geweihter Kräuter auf den

Heerden, Wetterfahnen mit Metallſpitzen, Wetterdächer c.

³ Riecke, Ueber Errichtung von Hagelableitern im Correſpondenz-Blatte des

würtemb. landw. Vereins. Bd. VII. (1825) S. 225. Lapoſtolle, Ueber Blitz-

und Hagel-Ableiter aus Strohſeilen. Aus d. Franz. Weimar 1821. Bernoulli,

Schweitzeriſches Archiv. III. 56.

[636/0658]

§. 448.

2) Gegen Feuerſchaden.

Es laſſen ſich die Maaßregeln zur Verhütung von Feuerſcha-

den1) in zwei Hauptgattungen theilen. 1) Die wirklichen Ver-

hütungsmaaßregeln beziehen ſich theils auf phyſiſche und che-

miſche Urſachen von Feuer2), theils auf den Bau der Häuſer3),

theils auf Anwendung von Anſtrichen und Ueberzügen der brenn-

baren Theile an Gebäuden4), theils auf Handlungen, welche

Feuersbrünſte bereiten können5). Dagegen betreffen 2) die Feuer-

löſchanſtalten die verſchiedenen Löſchmittel6), die Feuerge-

räthe7), das Feuerperſonale8) und die Löſchordnung9). Hierin

hat die Polizei einen ihrer weiteſten Wirkungskreiſe, ſie befiehlt,

belehrt, ermuntert, belohnt, ſtraft und zwingt, und zwar dies

Alles, weil die Gefahr eine allgemeine iſt, bei welcher die Maaß-

regeln von einem Centralpunkte ausgehen müſſen.

¹ Krügelſtein, Syſtem der Feuerpolizei. Leipzig 17981800. III Bde.

Steinbeck Feuer-, Noth- und Hülfsbuch. Leipzig 1802. Balentiner, Ueber

zweckmäßige Brandanſtalten in großen Städten. Hamburg 1798. Steinbeck,

Handbuch der Feuerpolizei für Marktflecken und Dörfer. Jena 1805. Henſoldt,

Brandwehr- und Rettungsanſtalt für Dörfer. Hildburghauſen 1827. Everat,

Feuerbuch für Stadt- und Landgemeinden, aus dem Franzöſ. überſetzt von Petri.

Ilmenau 1829. Teichmann, Feuersnoth- und Hülfsbuch. Leipzig 1831. Mohl

Polizeiwiſſ. II. 62. Tedeſchi. Was iſt beſſer, Feuersbrunſt zu löſchen oder zu

verhüten. Wien 1824. v. Berg Handbuch. III. 19–46. VI. Abthl. II. 627–823.

Bergius P. u. C. Magazin. Art. Feuer-Anſtalt-Ordnung, Viſitation.

² Schließbarkeit der Oefen, Verbot des Holzauflegens, Verhütung der Ent-

zündung brennbarer Gasarten (beſonders in Bergwerken, §. 99.), Behutſamkeit mit

Gläſern, Brillen, Fenſtern c., Waſſer bei ſtarken Reibungen in Fabriken, Bewah-

rung ſelbſtentzündlicher und leicht feuerfangender Gegenſtände (bergmänniſche Gruben-

brände ſ. Brand Grundriß der Bergbaukunde. S. 371. Dingler polytechniſches

Journal. XXXV. 213.).

³ Kein neuer Hausbau ohne Anzeige bei der betreffenden Polizeibehörde:

(v. Heyde Repertorium der preuß. Polizeigeſ. IV. 404.). Entfernung von brenn-

baren Dachrinnen, von Erkern, Schindel- und Strohdächern, hölzernen Geſimſen,

Getäfel außen am Hauſe, Wetterdächern; Aufſicht auf den Bau der Backöfen (Ge-

meindebacköfen: Bergius Magazin. Art. Backöfen. Wehr Oeconom. Aufſätze.

S. 150. Hannöv. Magazin. Jahrg. 1788. S. 31. 57. Krünitz Oec. Encyclop.

III. 370.), Schornſteine, auf Anlage der Keſſel, Darren, Rauchkammern, Ge-

werbsöfen, Oefen bei Dampfmaſchinen, Kohlenmagazinen; Verbindung der Häuſer

durch Feuer- oder Brandmauern; Bau der Magazine, landw. Gebäude, Schau-

ſpielhäuſer, gefährlichen Fabrikhäuſer, Pulvermagazine (Eberhard, Vorſchläge zur

Anlegung von Pulvermagazinen. Halle 1771.).

⁴⁾ Angegeben ſolche bei Krügelſtein. I. 198–267. Prechtl Technolog.

Encyclopädie. I. 291. Dingler polytechn. Journal. XVII. 465. Tedeſchi a.

a. O. S. 59.

⁵⁾ Im häuslichen Leben, auf Feld und im Walde; Aufſicht auf boshafte,

rachſüchtige, blöd- und wahnſinnige Menſchen; Verbot des Haushütens durch Kinder.

S. über locale Feuerordnungen außer den angef. Schr. noch v. d. Heyde Repert.

II. 723. IV. 345. Döllinger, Repertorium der Staatsverwaltung des König-

reichs Baiern. V. 112. Des Essarts Dictionnaire de Police (blos 8 Bde. 4.). V. 319.

[637/0659]

⁶⁾ Erde, Sand und Aſche (Helfenzrieder, Vom Gebrauche der Erde, Sand

und Aſche, als Löſchmittel. 1788.), Miſt und Schlamm; Waſſer; Schwefel und

Pulver; Allaun, Pottaſche, Lauge und Kochſalz. Krügelſtein. I. 555–592.

⁷⁾ Solche, die den Zugang zum Feuer bequem machen, als Leitern, Aexte,

Haken, Stoßeiſen, Ketten, Laternen (Hermereck in Dingler polyt. Journal.

XVI. 1.); ſolche zur Sicherung anſtoßender Gebäude, als Segeltücher und Blech-

ſchirme (Krügelſtein. I. 618.); ſolche zum Schutze rettender Menſchen, als

blecherne Schilde, lederne Kleider, Hemden und ganze Kleider von Asbeſt, Stiefeln,

Hauben von Blech (Dingler polytechn. Journal. XXXV. 364. Allgem. Zeitung.

Jahrg. 1833. Nr. 124.); endlich ſolche zur Feuerdämpfung, als Wurfmaſchinen,

Kübel, Bütten, Eimer, Schläuche, Feuerſpritzen (Dingler polytechn. Journal.

X. 167. XIII. 281. XXXVI. 258.).

⁸⁾ Entdeckungsperſonale, als Nachtwächter, Thürmer u. dgl.; Feuerlärmper-

ſonale, Trommler, Läuter, Telegraphiſten, Reiter u. dgl.; Löſcharbeiter, als

Sprützenleute, Waſſerträger, Steiger (Zimmerleute u. dgl.); Wachperſonale im

Orte; Hilfsperſonale zum Retten von Gegenſtänden und Perſonen; Militair,

Gensdarmerie.

⁹⁾ Ganz local und temporell. Alle dieſe Dinge müſſen in Localverordnungen

genau beſtimmt ſein.

§. 449.

3) Gegen Waſſerſchaden.

Gegen die Anſammlung vielen Waſſers in den Fluß- und

Strombetten, Teichen, Seen und Canälen iſt urſächlich kein Mit-

tel in menſchlicher Gewalt1). Was die Polizei hier zu thun ver-

mag, beſteht zum Theile in einer ſichernden Einrichtung der ver-

ſchiedenen Waſſerbauten2), in Maaßregeln zur möglichſt ſchadloſen

Ablaſſung des Waſſers bei bloßen Ueberſchwemmungen und Eis-

gängen3), und in Verſuchen zur Rettung der Menſchen und des

Eigenthums bei ſolchen Ereigniſſen und anderen Gefahren zu

Waſſer, als Stranden, Schiffbruch u. dgl.4).

¹ Röſſig Waſſerpolizei. Leipzig 1789. Rouſſeau, Beiträge zur Deich-

und Flußbau-Polizeigeſetzgebung. Nürnberg 1820. Wagner, Anweiſung zur Er-

haltung der Dämme bei Stromergießungen und Eisgängen. Grimma 1827. Mohl

Polizeiwiſſ. II. 75. v. Berg Handbuch. III. 76. VI. Abthl. II. S. 822.

² Durchſtiche; Verhütung von Waſſerbauten, welche den Waſſerlauf hemmen;

Ausräumung verſteinter, verſandeter und verſchlämmter Fluß-, Strom- und Bach-

betten, und Verbot des Hineinwerfens von Schutt; Erhöhung der Schnelligkeit des

Waſſerlaufes; Hinwegräumung von Felſen durch Sprengen u. dgl. (ein äußerſt

ſinnreiches Mittel hierzu, das in America angewendet wird, ſ. bei Babbage Ma-

ſchinenweſen §. 38. beſchrieben). Die wichtigſte Stelle nehmen hier die Deich-

oder Dammbaue ein, worüber ſchon von Alters her eigene Deichordnungen

exiſtiren, für deren Verfaſſung die größte Sorgfalt nöthig iſt. Sie erſtrecken ſich

über: Bau, Höhe, Stärke und Material der Deiche, Feld- und Fluthgräben,

Verbot von Offenſivbauen, die den natürlichen Waſſerlauf hemmen, Deichaufſicht

und Perſonale, Deichkaſſe und Beitragspflicht der Einzelnen, periodiſche Deichſchau,

Deichbaue und Reparaturen, Bau und Handhabung der Schleußen, Anſchaffung und

Aufbewahrung des Deichinventariums (Bretter, Stampfen, Schlägel, Faſchinen,

Laternen, Karren, Kähne c.), Benutzung der Deiche zum Gehen, Fahren, Land-

bau, Weide u. dgl., Anfahren von Schiffen, Kähnen und Flößen. v. d. Heyde

Repertor. III. 1. IV. 376. Preuß. LandR. Thl. I. Tit. 8. Thl. II. Tit. 15. 20.

[638/0660]

³ Beſonders bei Eisgängen: Aufeiſen an den Ufern, an Waſſerbauten: Zer-

trümmern großer Eisſchollen an Brücken u. dgl.; Eisbrecher, Eisbäume, Pfeiler;

Verhinderung des Eisſchiebens; Sprengung der gebildeten Eisſchützen.

⁴⁾ Prämien für Rettung; Waſſerlärm, Boten, Nothſchüſſe; Rettungsboote;

Zuſchießen von Rettungsſeilen an Pfeilen, Bomben, Rettungstonnen u. ſ. w.

§. 450.

4) Gegen Thierſchaden.

Der Thierſchaden geſchieht entweder durch Thiere oder an

Thieren. a) Die ſchädlichen Thiere in Haus, Feld und Wald

nehmen zuweilen ſo überhand, daß oft ganze Ernten auf unge-

heuren Strecken zernichtet und für die Menſchen der empfindlichſte

Mangel verurſacht wird. Vereinzelte Maaßregeln helfen nicht, es

muß hier der Allgemeinheit wegen die Polizei einſchreiten durch

Befehlen von Vorbeugungs- und Vertilgungsmitteln1). Unter

demſelben Geſichtspunkte ſtehen b) die Thierkrankheiten, welche

entweder von Außen ins Land gebracht werden können2), oder im

Lande ſelbſt entſtehen und anſtecken3), oder blos epizootiſch (allge-

mein herrſchend, aber nicht anſteckend) ſind4). Ohne allgemeine,

von einem Centralpunkte geleitete Anſtalten ſind ſie nicht leicht ab-

zuhalten oder zu heilen.

¹ Mäuſe, Ratten, Hamſter; Maulwürfe; Raupen; Vögel; Forſtinſekten u.

dergl.; Heuſchrecken. S. darüber auch in der Land- und Forſtwirthſchaftslehre.

Hamſter-, Ratten-, Maulwurffänger; Schonung der ſolchen Thieren nachſetzenden

Vögel; Vertilgen der Raupenneſter; Verpflichtung der Bürger, täglich oder wöchent-

lich eine gewiſſe Menge zu fangen u. dgl.

² Sperranſtalten, Quarantänen, Anweiſung beſtimmter Straßen für durch-

ziehende Thiere, Entfernung der inländiſchen Thiere davon, Einimpfen des Gift-

ſtoffes (noch nicht hinlänglich erprobt).

³ Beförderung der Thierarzneikunde, Anſtellung tüchtiger Thierärzte, Unter-

ſuchung vorkommender Krankheitsfälle, Strafe wegen Nichtanzeige, Abſchließung von

ſo heimgeſuchten Plätzen und Gegenden, Abthun der kranken unheilbaren Thiere,

periodiſche Siſtirung naher Thiermärkte, Vergraben der ganzen gefallenen Thiere.

⁴⁾ Nicht immer ſind allgemeine Maaßregeln nothwendig.

§. 451.

5) Gegen Raub, Diebſtahl und Betrug. a) Im Allgemeinen.

Die Aufmerkſamkeit und Erfahrung der Einzelnen reicht mei-

ſtens nicht hin, um vor Raub, Diebſtahl und Betrug ſicher zu

ſein; die ſich mit ſolchen Handlungen beſchäftigenden Menſchen

überziehen oft planmäßig ganze Gegenden; ihre Aufenthaltsorte

ſind oft ſehr ſchwer zu finden; ihre Macht iſt zuweilen ſehr bedeu-

tend; es treten allgemeine Ereigniſſe ein, wobei ſie ſich beſonders

gerne einfinden. Aus dieſen und vielen andern Gründen iſt die

[639/0661]

Polizeiaufſicht hierin nothwendig. Die allgemeinen Polizeimaaß-

regeln in dieſer Hinſicht betreffen zum Theile die gefährlichen und

verdächtigen Perſonen ſelbſt1), zum Theile die beſonderen Gele-

genheiten und Plätze, wo ſie zu wirken pflegen2). Die Aufſicht

und vorkommenden Verhaftungen geſchehen durch die Polizeidiener

und Gendarmen.

¹ Nämlich a) Landſtreicher, Vagabunden oder Gauner, d. h. Geſindel

beiderlei Geſchlechts, das gewerblos auf Bettel, Raub, Diebſtahl und Betrug um-

herzieht und öfters mit anſäßigen Familien und Individuen in Verbindung ſteht

(v. d. Heyde Repertor. I. 17. II. 181. III. 569. Döllinger Repertor. VI. 266.

v. Berg Handb. I. 284. IV. 604. Colquhoun Polizei von London. I. 152.).

b) Herumziehendes Geſindel, welches zwar Gewerbe treibt, aber ſolche, die

gerne von jener Klaſſe zum Scheine getrieben werden (Hauſirer, Lohnarbeiter,

Muſiker gemeinſter Art, Seiltänzler, Guckkäſtler, Glücksſpieler, Thierführer, Seil-

tänzer, Marionettenſpieler u. dgl.). Blos richtige Päſſe, Wanderbücher und Er-

laubnißſcheine inländiſcher Behörden gewiſſen zur Ertheilung derſelben beauftragten

Ranges, und unnachſichtige Strenge gegen unlegitimirte ſind die einzigen Mittel,

das Geſindel abzuhalten (Bai. Reg. Blatt v J. 1802. S. 176. 236. v. d. Heyde

Repertor. IV. 19. 507. 524.). c) Die Bettler von der niederſten bis zur vor-

nehmen Klaſſe, vom Kindes- bis zum Greiſenalter, die aus dem Betteln ein Ge-

werbe machen. Die Aufſicht, Verhaftung, Landesverweiſung als Ausländer,

Transportirung, Beſtrafung u. dgl. nützen nur, wenn das Land zugleich gute

Armenanſtalten hat (ſ. unten Drittes Stück). d) Räuberbanden und ähnliche

Verbindungen. Gegen dieſe verſchiedenen Arten von gefährlichen Menſchen helfen

die Aufſpürungen ihrer Schlupfwinkel, Streifzüge, Entdeckung ihrer Verbindungen

mit Anſäßigen, Bewachung der Straßen, Nachtwächter, Tagwächter im Sommer

auf dem Lande, Straßenbeleuchtung, Nachtzettel, Aufſicht auf Diebswirthe u. dgl.,

Lichtung der Wälder und Gebüſche, Zurückhalten der Waldungen von beſuchten

Straßen. S. v. Berg Handbuch. I. 257. 424. II. 183. III. 46. 437. IV. 650.

v. d. Heyde Repertor. IV. 20. 81. Döllinger Repertor. VI. 75. 165 246.

² Zuſammenläufe bei Volks- und Staatsfeſten, wegen Polizeimaaßregeln;

Aufſicht auf Plätzen, wo große Waarenmaſſen öffentlich angehäuft werden, z. B.

Lagerhäuſer, Ladungs- und Landungsplätzen, Poſt- und Packhöfe. Ein Hauptver-

hütungsmittel iſt die Aufſicht auf die Allerhandskrämer, Antiquare, Juweliere,

Gold- und Silberarbeiter, Mäkler und Leihhäuſer, damit ſie Bücher führen und

nichts Geſtohlenes ohne Anzeige ankaufen, und auf die Hehler vom Handwerk.

S. Colquhoun Polizei von London. I. 53. 60. 197. v. Berg Handb. I. 379.

§. 452.

Fortſetzung. b) Insbeſondere nach den Arten der Diebſtähle.

Was aber die Maaßregeln gegen die beſondern Arten des

Diebſtahls anbelangt, ſo kann man ſie, wenn der Kürze halber

ein logiſcher Fehler verziehen werden dürfte, unter folgenden

Nummern betrachten. 1) Gegen Hausdiebſtähle ſichert die

Verpflichtung der Hausherrn und Familienvorſteher, niemals unle-

gitimirtes und mit ſchlechten Zeugniſſen verſehenes Geſinde anzu-

nehmen, in Ertheilung von Zeugniſſen bei deſſen Entlaſſung ſtreng

und gewiſſenhaft zu ſein; ferner die Anempfehlung der Schließung

der Häuſer, Magazine, Keller u. ſ. w. während der Nacht und

[640/0662]

bei Tag; Ordnungen für Geſindemäkler1); Beaufſichtigung der

Handwerksmeiſter und Geſellen, welche in die Häuſer und geheimen

Gemächer Eintritt haben müſſen, und namentlich polizeiliche Auf-

ſicht auf die Schloſſer, Schlüſſelentwendungen und Schlüſſelver-

käufe. 2) Gegen Felddiebſtähle ſichert man durch eine hinrei-

chende Anzahl tüchtiger Feldſchützen, und genaue Feldordnungen,

welche Beſtimmungen enthalten müſſen: über das Verrücken von

Gränzen, über das Begehen und Befahren der Felder und Gärten

nach und vor ſeiner beſtimmten Tagesſtunde gerade vor und zur

Leſe- und Erntezeit, über die Hamſter- und Maulwurffänger,

über die Aufſicht auf die Hirten, über das Aehrenleſen u. dgl.2).

3) Gegen Walddiebſtähle ergreift man ungefähr dieſelben Maaß-

regeln, und überläßt die Wache dem Forſtperſonale. Die Polizei

hat aber das Vorurtheil von der Nichtunſittlichkeit und Nicht-

ungerechtigkeit der Forſt- und Wilddiebereien zu bekämpfen, das

Begehen fremder Reviere mit Hieb-, Fang- und Schießinſtru-

menten zu verbieten, die nicht conceſſionirten Holz- und Wildpret-

händler zum Beweiſe des rechtmäßigen Erwerbs anzuhalten, ähn-

liche Legitimationen von den Holzſchnitzlern, Beſenbindern u. dgl.

zu verlangen, und mit Nachbarſtaaten über Gegenſeitigkeit der

betreffenden Geſetze Verträge zu bewirken3). 4) Gegen Poſt- und

Frachtdiebſtähle hat man folgende Mittel: Aufſicht auf Poſt-

güter und Paſſagiere, Errichtung von Paſſagierſtuben mit Wäch-

tern, Warnung der Reiſenden, Abhaltung unſicherer Leute beim

Ab-, Auf- und Umpacken, ſtrenge Ordnung im Beſteigen und

Ausſteigen aus den Poſtwagen, berittene Begleitung der Packwagen,

Abweiſung nicht gehörig verwahrter, addreſſirter und declarirter

Frachtſtücke, Ertheilung von Empfangs- und Cautionsſcheinen,

ſtationsweiſes Unterſuchen, Abwägen, Zählen und Vergleichen der

Packete mit den Packliſten und Declarationen, Eintragen der Packete

in die Poſt- und Frachtbücher, und in die Bücher der Austräger

zum Behufe der Beſcheinigung der Ueberlieferung, Nummeriren

und Stempeln der Päcke4). 5) Gegen Thierdiebſtähle ſichert

man durch die Verordnung, daß über jeden Thierkauf oder -Ver-

kauf ein beſonderer ſchriftlicher Kaufcontrakt von einer obrigkeit-

lichen dazu beſtellten Perſon (Gemeindeſchreiber, Polizeiämter)

ausgefertigt und beiderſeits unterſchrieben werde, daß jeder Kauf

ohne ein ſolches Inſtrument ungiltig ſei, daß die Verfälſcher be-

ſtraft werden, daß jeder Verkäufer den rechtmäßigen Beſitz des

Thieres nachweiſe, und daß man bei Ein- und Ausfuhr von Thie-

ren und auf Thiermärkten dieſelben Maaßregeln beſonders ſtreng

handhabe5). Solche Verträge ſind zugleich wegen Seuchen und

[641/0663]

Zolldefraudationen wichtig. 6) Gegen Funddiebſtähle dient die

Verordnung, daß derjenige, welcher einen gemachten Fund nicht

in einer gewiſſen Anzahl von Tagen bei der Polizei anzeigt, als

Dieb oder Diebshehler betrachtet wird. 7) Gegen Seeräuberei,

welche übrigens für Deutſchland weniger gefährlich, als für andere

Staaten iſt, müſſen Seeexpeditionen, diplomatiſche Verhandlungen

und die oben (§. 359.) angegebenen Mittel ergriffen werden6).

¹ v. d. Heyde Repertor. II. 502. III. 577. Döllinger Repertor. V. 91.

Bair. Reg. Bl. v. J. 1812. p. 1952.

² v. Berg Handb. III. 255. v. d. Heyde Repertor. III. 314.

³ Z. B. Preuß. Geſetzſamml. J. 1822. Nro. 2.

⁴⁾ Döllinger Repertor. II. 130.

⁵⁾ v. d. Heyde Repertor. I. 220. III 689. IV. 88.

⁶⁾ Beſonders ſ. m. Colquhoun Polizei von London. II. 37.

§. 453.

Fortſetzung. Nach den Arten des Betrugs.

Der Betrug iſt öfters noch ſchwerer zu verhüten und zu ent-

decken als der Diebſtahl. Indeß kann die Polizei, wenn die Bür-

ger und andere Einwohner nicht ſelbſt auf der Hut ſind, hierin

nur wenig wirken. 1) Gegen Betrug in der Haus- und Ge-

werbswirthſchaft können die im vorigen §. unter 1. angegebenen

Maaßregeln dienen. Aber 2) gegen Betrug im Handel ſteht es

in der Macht der Polizei, durchgreifende Maaßregeln zu verordnen.

Um im Waarenhandel Betrug zu verhüten, ſo erſtreckt ſich die

Aufſicht auf die Qualität und auf die Quantität der Waaren.

Während in erſter Beziehung je nach der Schwierigkeit der Erken-

nung auf Märkten und Meſſen u. dgl. geſchärfte Aufſicht geübt

werden muß und ſonſt am meiſten durch Androhung von Strafen

zu wirken iſt, weil die Polizei nicht überall zugegen ſein darf und

kann; ſo hat ſie in der zweiten Hinſicht für gute und unverfälſchte

Maaße und Gewichte zu ſorgen, regelmäßig eine Meſſung und

Abwägung derjenigen öffentlich verkäuflichen Waaren vornehmen,

welche im Handel in gewiſſem Maaße und Gewichte verkauft wer-

den1), und beeidigte Meſſer und Wäger aufzuſtellen. Gegen den

Betrug im Effectenhandel ſichert hauptſächlich die Aufſicht auf

Börſen und die Behutſamkeit, den Privat-, Gemeinde- und

Staatsobligationen, den Actien, Wechſeln, Anweiſungen, Billets

und dem Papiergelde eine möglichſt unnachahmliche Form zu geben,

ſie mit Nummern, Stempeln u. dgl. Kennzeichen zu verſehen und

Baumſtark Encyclopädie. 41

[642/0664]

allen Handeltreibenden die größte Aufmerkſamkeit hierauf anzu-

empfehlen. Gegen Betrug im Geldhandel mit ſchlechten Münzen

iſt ein vorzügliches Münzweſen, ſo daß die Münzen nicht mit Vor-

theil, ohne erkannt zu werden, nachgemacht, verfälſcht und be-

ſchnitten werden können, das allerſicherſte Mittel. Gegen Einlaufen

ſchlechter Münzen muß ſich der Empfänger ſelbſt ſicher halten.

3) Der Betrug in Gewerken kann unendlich manchfaltig ſein.

In Gewerken, welche ein vom Eigenthümer geliefertes Material

verarbeiten, wie z. B. in Mühlen jeder Art, Bleichanſtalten,

Webereien, Färbereien, bei Kleidermachern, Waſchanſtalten u. dgl.

iſt der Betrug weit ſtrafbarer, als in ſolchen, welche für ſich ar-

beiten und Producte verkaufen, wie z. B. bei Gold- und Silber-

arbeitern, Uhrenmachern u. dgl. Je nach der Wichtigkeit des

Gewerbes und der Schwierigkeit der Entdeckung des Betrugs kann

die Polizei für ſolche Gewerke eigene Verordnungen erlaſſen2).

¹ Z. B. Brod, Backſteine u. dgl. m. Die Maaße und Gewichte ſollen nur

in öffentlich beſtellten Fabriken unter Polizeiaufſicht verfertigt werden; die Händler

damit ſind von Zeit zu Zeit Viſitationen zu unterwerfen; man unterſucht die

Maaße und Gewichte auf Märkten und Meſſen, und verbietet den Gebrauch unge-

ſtempelter Maaße und Gewichte; der Stempel muß ſchwer nachzuahmen ſein; jede

Ortspolizei muß Normalmaaße und -Gewichte haben v. d. Heyde Repertor. I.

190. III. 574. IV. 91. Döllinger Repertor. II. 105. VI 45. Dumont Manuel

des Maires. II. 178. Bergius P. u. C. Magazin. Art. Maaß.

² Z. B. Mühlenordnungen beſtehen in den meiſten Staaten. v. Berg Handb.

III. 462. Döllinger Repertor. VI. 56. Bair. Geſetzſamml. v. 1784. S. 863.

Bair. Reg. Bl. v. J. 1808. S. 2420. Preuß. LandR. Thl. II. L. 15. §. 245.

322. 15. Preuß. Geſetzſamml. von 1819. Nro. 22. S. 250. Großh. Bad. Müh-

lenordnung v. 18. März 1822. Bergius Magazin. Art. Mühlenweſen. Eine

ältere Einrichtung, die hierher gehört, ſind die Schauanſtalten zur Unterſuchung

und Stempelung der zu verkaufenden Waaren, und auch das Gebot einer beſtimm-

ten Productionsweiſe und Beſchaffenheit der Waaren. Dieſe Eingriffe in die bürger-

lichen Rechte können, da ſie auch noch dazu ganz unnöthig ſind, nicht mehr geduldet

werden. Rau II. §. 217. Mohl II. 234. Murhard Pol. des Handels. S. 213.

v. Jacob Pol. Geſetzg II. 523. Kraus Staatswirthſch. V. 204.

§. 454.

6) Gegen Beſchädigung des Eigenthums durch Menſchen.

Dieſe geſchehen theils in böslicher Abſicht, theils aus Muth-

wille. Geſchärfte Aufſicht, Androhung von Strafen und Anem-

pfehlung der Verwahrung, wo ſie möglich iſt, ſind die Mittel

dagegen. Man muß die Orts-, Feld- und Waldfrevel, die

nicht in den Begriff von Diebſtahl gehören, hierher zählen. Solche

Verletzungen des allgemeinen Zutrauens verdienen die größten

Polizeiſtrafen und müſſen nach Umſtänden criminell behandelt

werden.

[643/0665]

Zweiter Abſatz.

Entſchädigungsmittel.

§. 455.

1) Im Allgemeinen.

In früheren Zeiten iſt es üblich geweſen, die Schäden der

genannten Arten durch Collecten, Unterſtützung aus den Staats-

kaſſen, durch die Gnade des Landesherrn, durch Errichtung von

Lotterien und durch Ertheilung von Collectirbriefen (woher der

Name Brandbrief) zu decken. Aus ſo edelmüthigen Gründen

ſolche Unterſtützungen, wie ſie auch jetzt noch dargeboten werden,

auch immer fließen mögen, ſo ſind ſie doch in den wenigſten Fällen

zureichend und bieten keine hinreichende allgemeine Sicherheit dar,

während insbeſondere mit der Collectirerlaubniß mehr oder weniger

Unfug getrieben werden kann1). Es iſt daher ein ſchöner Zug des

neuern Volksgeiſtes, daß man ſich zu Anſtalten zu vereinigen ſucht,

welche die Verſicherung gegen ſolche Schäden vermöge Vertrags

beſtimmt möglich machen und es iſt Eine der erfolgreichſten Staats-

maximen, ſolche Aſſecuranz- oder Verſicherungsanſtalten

oder -Geſellſchaften nicht blos zu begünſtigen, ſondern auch

unmittelbar unter ſeinen Schutz zu nehmen. Es iſt zwar nicht zu

läugnen, daß ſolche Anſtalten die Zahl der Unglücksfälle, inſoweit

dieſe von Sorgloſigkeit und böslicher Abſicht der Menſchen, die

verſichert ſind, abhängen, vermehren können; allein ſie behalten

trotz eines ſolchen ſchmählichen Mißbrauchs ihren volkswirthſchaft-

lichen Werth, nicht, weil ſie den für das Volksvermögen verlorenen

Werth erſetzen ſollen, denn dies iſt nicht möglich, ſondern weil ſie

den außerordentlichen Schaden Einzelner auf Viele repartiren und

deſſen Tragung erleichtern. Entweder vereinigen ſich zum Behufe

gegenſeitiger Entſchädigung aus gemeinſamer Kaſſe die Intereſ-

ſenten eines Landes, einer Gegend oder einer Gemeinde und be-

zahlen verhältnißmäßige Beiträge; oder es tritt eine Geſellſchaft

von Perſonen zuſammen, um Andern eine Entſchädigung dieſer Art

gegen eine vorausbezahlte Summe (Prämie) zuzuſichern, ſo daß

Verſicherer und Verſicherte ganz verſchiedene Perſonen bilden; oder

endlich es vereinigen ſich Leute in eine Geſellſchaft dieſer Art eines

Theils, um ſich eintretende Schäden zu erſetzen und den periodiſch

ſich ergebenden Gewinn wieder unter einander zu theilen. Dieſe

letzteren Vereinigungen ſind aber im Ganzen von den erſteren nicht

verſchieden, außer in der Annahme, daß ſie den Kaſſenreſt als

Gewinn austheilen, während ihn jene in der Kaſſe behalten, was

41 *

[644/0666]

aber nur ein ſcheinbarer Unterſchied iſt, da im Falle des Gewinnes

jeder Theilnehmer an ſeinem jährlichen Beitrage um ſo weniger

bezahlt, wie bei jenen die jährlichen Beiträge nach dem Stande

des Kaſſenvorrathes geringer ausfallen können, wenn man nicht

auf dieſem Wege allmälig ein größeres Geſellſchaftscapital ſammeln

will, um es zinſend anzulegen. Bei der erſten Art werden die

Beiträge entweder jährlich bezahlt oder nur im Falle eines beſon-

deren Schadens2); bei der zweiten Art kann die Entſchädigung

auch entweder auf dieſe letzte Weiſe umgetheilt werden oder es

wird ein Sicherungscapital ein für allemal durch Actien gebildet

und dazu die jährliche Summe der Prämien geſchlagen. Der Be-

ſtand ſolcher Vereinigungen, namentlich der Actiengeſellſchaften,

beruhet auf der Wahrſcheinlichkeitsberechnung, daß unter einer

gewiſſen Anzahl von Dingen von beſtimmtem Geſammtgeldwerthe

in einer gewiſſen Zeit eine Menge theilweiſe oder ganz durch einen

Unglücksfall zerſtört werden kann. Denn vom Verhältniſſe der zu

zahlenden Entſchädigungen zu den jährlichen Einnahmen nach Abzug

der Verwaltungskoſten hängt Gewinn und Verluſt ab. Der Ver-

ſicherte bekommt eine Urkunde (Police), worin die Gegenſtände

der Aſſecuranz, ihr Werth, die Prämie, die Zeit der Verſicherungs-

nahme, die Bedingungen derſelben, der Name des Verſicherten

und die Unterſchrift der Verſicherer oder ihrer Firma angegeben

ſind. Die Geſchäfte werden von einem Directorium und Ausſchuſſe

geführt, welcher jährlich Rechnung abzulegen hat. Im Auslande

haben ſie Agenten. Die Statuten dieſer Verſicherungsanſtalten

enthalten Beſtimmungen über das Verfahren bei der Taxation der

zu verſichernden Objecte3), über die zur urſprünglichen Taxation

gehörigen oder von derſelben ausgeſchloſſenen ſpäteren Veränderun-

gen der Objecte, über Größe und Zahlungszeit der Prämie4),

über die Verbindlichkeit des Verſicherten zu Rettungsverſuchen,

über die Fälle des Verluſtes der Anſprüche auf Entſchädigung,

über das Verfahren nach geſchehenem Unglücke bei der Schätzung

des Schadens durch beeidigte Sachverſtändige, Ortsvorgeſetzte und

Agenten, über die Annahme der beſchädigten oder unbeſchädigt

geretteten Verſicherungsobjecte, über die Bezahlung des Erſatzes,

und über das Außerkrafttreten der Police.

¹ Döllinger Repertor. V. 38. v. d. Heyde Repertor. II. 192. 285. 375.

Krünitz Oeconom. Encyclop. XIII 160.

² v. Berg Handb. III. 69. 73. Döllinger Repert. II. 19. Bair. Reg.

Bl. 1811. S. 129. Frank, landw. Polizei. II. 313. Wenn dergleichen Kaſſen

vom Staate errichtet werden, ſo kann man nur zum Eintritte zwingen, wenn, die

Nothwendigkeit vorausgeſetzt, ohne Theilnahme Aller die Vortheile nicht zu errei-

chen ſind.

[645/0667]

³ Aus dem Geſichtspunkte des Vertrags, worin kein Theil überliſtet werden

ſoll, folgt, daß die Verſicherung weder eines höheren noch niederern als wirklichen

Werthes der Objecte geſtattet ſein darf. Es könnten daraus die ſchädlichſten

Folgen für die Geſellſchaft, für den Einzelnen und die allgemeine Sicherheit hervor-

gehen. In dem zu geringen Steuercapitalanſchlage der Häuſer liegt z. B. auch ein

Hauptgrund der geringen Wirkung der Staats-Brandkaſſen in den meiſten Ländern.

⁴⁾ Die Größe derſelben richtet ſich nach dem Werthe des Objects und nach der

Wahrſcheinlichkeit der Gefahr. Daher verändert ſich Vertrag und Prämie, wenn

der Gegenſtand in beiden Rückſichten Veränderungen erleidet.

§. 456.

2) Verſchiedene Arten der Aſſecuranz.

Die einzelnen Arten von Aſſecuranzen tragen mehr oder we-

niger das Gepräge der im vorigen §. angegebenen Grundzüge.

a) Die Wetter- und Hagelaſſecuranzen, ſo wünſchenswerth

ſie auch ſind, konnten bisher nicht allenthalben feſten Boden finden,

um Wurzeln zu ſchlagen. Der Hagelſchlag hängt nicht vom Men-

ſchen ab, und iſt darum nicht überall gleich häufig und heftig,

alſo wird eine ſolche Aſſecuranz nur zu geringe Ausdehnung erlangen

können, als daß ſie leicht beſtehen könnte, ſei ſie eine gegenſeitige,

wie gewöhnlich, oder eine Actienverſicherung1). Es wird der

muthmaßliche Ertrag des Feldes nach einer beſtimmten Pflanzung

jährlich in Geld geſchätzt; die Prämie richtet ſich nach Lage des

Feldes und Reifungszeit der Pflanzung. b) Die Brandaſſe-

curanzen können am beſten beſtehen, denn der Feuerſchaden iſt

ein allgemein gleich möglicher, da er außer vom Blitze von noch

vielen geſellſchaftlichen Urſachen herrühren kann. Sie finden daher

am meiſten Theilnahme2). Sie ſind entweder Häuſer- oder

Mobiliaraſſecuranzen oder (ſeltener) Beides zugleich, zum

Theile Staatsanſtalten, zum Theile Privatunternehmungen, und

im erſten Falle bald mit erzwungenem bald freiem Eintritte. Die

Staaten könnten ſich nun allmälig mit Vortheil ſolcher Kaſſenver-

waltungen entſchlagen und mehr auf Stiftung einheimiſcher Feuer-

verſicherungsgeſellſchaften hinwirken. Die Grundzüge der Feuer-

aſſecuranzen ſtimmen mit obigen allgemeinen überein. c) Waſſer-

aſſecuranzen in ähnlichem Sinne gibt es nicht, aber Seeaſſe-

curanzen (ſ. §. 358.). d) Aſſecuranzen gegen Viehſterben ge-

hören zu den wohlthätigſten Anſtalten, deren ſich ein Land zu

erfreuen haben kann; denn ein einziges Unglück dieſer Art kann

einen Landmann wirthſchaftlich zu Grunde richten, während eine

ganz geringe jährliche Verſicherungsprämie, die er ſehr leicht ent-

richten kann, ihm Schadenserſatz zuſichert. Solche Aſſecuranzen

haben das Gute, daß ſie ſchon von Gemeinden errichtet werden

können. Es kommen die verſchiedenen Thiergattungen in verſchie-

[646/0668]

dene Klaſſen. Jeder Verſicherte läßt ſeinen ganzen Viehſtand auf-

nehmen. Im Uebrigen ſtimmen auch ihre Statuten mit den allge-

meinen im vorigen §. überein3). e) Um Aſſecuranzen gegen Raub,

Diebſtahl und Betrug nothwendig zu finden, muß die allgemeine

Sicherheit tief genug geſunken ſein, und doch erzählen Reiſende

von Spanien, daß die Räuberbanden ihre Agenten haben, mit

denen man Verſicherungsverträge gegen Prämien auf Geleite in

den Gebirgen und Wäldern abſchließt, ſo wie von London, daß es

daſelbſt Geſellſchaften gibt, welche Einem das Entwendete gegen

Entrichtung einer Prämie wieder verſchaffen.

¹ Rau polit. Oeconom. II. §. 105. Mohl Polizeiwiſſ. II. 97. Frank

Landw. Polizei. I. 255. Bergius Magazin. Art. Aſſecuranz. v. Berg Handb.

III. 299. Deſſen ſtaatswiſſ. Verſuche. I. 59. Hellmuth, Ueber Zweck und

Nothwend. der Hagelſchlags-Verſich.-Geſellſch. Braunſch. 1823. Grundlage einer

Hagelſchlagsverſicherung. Reutlingen 1824. Bernoulli Schweitz. Archiv. I. 36.

² Die Pariſer Feueraſſecuranzen haben zuſammen einen Geſammtwerth von

Verſicherungen am 31. Dec. 1832 = 10,170,838,277 frs., blos während 1832

ſtieg derſelbe um 661,250,567 frs., die auf Prämien aſſecurirten Werthe ertrugen

9,015,248 frs. 60 Cent. Prämien, die Entſchädigung darauf war 6,430,976 frs.

59 Cent. (Moniteur 1834. Nro 181.) S. Rau politiſche Oeconomie. II. §. 24.

Mohl Polizeiwiſſ. II. 90. ſ. auch N. 2 des vorigen §. Lotz Handbuch. II. 174.

Gang, Ueber Verſicherungsanſtalten wider Feuerſchaden. Salzb. 1792. Günther,

Entwurf zu einer revid. Ordnung der Hamburger Generalfeuercaſſe. Hamburg 1802.

Dorninger, Ueber F. Verſich. Anſtalten. Wien 1822. Bernoulli, Beleuchtung

der Einwürfe gegen Brandaſſecuranzen. Baſel 1827. Derſelbe Ueber die Vorzüge

der gegenſeit. Br. Aſſecuranzen. Baſel 1827. Bleibtreu Handelswiſſ. S. 228.

³ Rau polit. Oeconom. II. §. 109. Mohl Polizeiw. II. 100. v. Berg

Handb. III. 332. Bergius Magazin. Art. Aſſecuranz. Frank landw. Poli-

zei. III. 82. Ryß, Ueber Viehaſſecuranz-Anſtalten. Würzburg 1831. Stecher,

Geſchichte der Entſtehung der Hofheimer Viehgewährungsgeſellſch. Würzburg 1823.

Benſen, Materialien zur Polizei-, Cameral- und Finanzpraxis (Erlangen 1800

bis 1803. III.). I. 259. 416.

Zweites Stück.

Leitung der Verzehrung des Volkseinkommens.

Erſter Abſatz.

Einwirkung auf die Bevölkerung.

§. 457.

Ein ſehr wichtiger Gegenſtand des volkswirthſchaftlichen Be-

triebes iſt die Größe der Bevölkerung. Man glaubte früher,

von Seiten des Staats je nach dem vermeintlichen Erforderniſſe

hierin hemmend oder erhöhend einſchreiten zu müſſen. Allein man

weiß jetzt, daß ſich dieſelbe nach natürlichen Gründen regulirt,

und daß das beſte Beförderungsmittel die Erhöhung der Production

iſt (§. 427.). Indeſſen iſt es in friſch ſich entwickelnden Ländern

[647/0669]

wichtig, die Bevölkerung durch Beförderung des Einwanderns

zu gründen; allein ſelten wird ſich ſo eine kernhafte Bevölkerung

bilden laſſen, da nicht die Guten und Beſſeren des Auslandes ihr

Vaterland gewöhnlich verlaſſen und die Aclimatiſirung und Gewöh-

nung an fremde Sitten ſchwer iſt1). Daß man aber ehedem das

Auswandern verhütete, das hängt mit den Leibeigenſchaftsver-

hältniſſen zuſammen und verträgt ſich mit den Grundſätzen freier

Staaten nicht2). Allein zur Sicherheit dient das Verlangen einer

Caution aus dem Vermögen der Auswanderer für den Fall der

Rückkehr auf ſo lange, bis die Anſiedelung als hinlänglich begrün-

det und eine Zurückkunft nicht mehr als wahrſcheinlich erſcheint;

das Verbot und die Beſtrafung des Werbens, wegen des möglichen

Betrugs; Belehrung über den Zuſtand der Ausgewanderten, um

gegen irrige Vorſtellungen zu ſichern. Da aber das Auswandern,

wenn es bedeutend iſt, nicht ohne reelle Gründe Statt zu finden

pflegt, ſo arbeitet man am beſten den Urſachen deſſelben entgegen3).

¹ Mittel: Ertheilung von Grundeigenthum, Steuerfreiheit, Capitalvorſchüſſe u. ſ. w.

² In England war ſogar das Auswandern von Gewerksarbeitern verboten bis

a. 1824. S. Babbage Maſchinenweſen. §. 398. Es muß ſogar im Intereſſe der

Regirungen ſein, den Conſuln in den fremden Einwanderungsländern Inſtructionen

über die Behandlung der Auswanderer zu geben.

³ Die Erleichterung des Heirathens als Bevölkerungsmittel iſt nicht

leicht im gehörigen Maaße und Ziele zu halten, es geſchieht bald zu viel, ſo daß

das leichtſinnige Heirathen und in deſſen Gefolge Armuth und Belaſtung der Ge-

meindekaſſen u. dgl. erleichtert wird, — bald zu wenig, ſo daß arbeitſame tüchtige

Leute aus Mangel am erforderlichen Vermögen daran verhindert werden. Es ver-

dienen daher Kaſſen und Stiftungen für Ausſteuerung braver Mädchen

u. dgl. alle Ermunterung. S. Bergius Polizei- und Cameralmagazin. Art.

Brautcaſſe. v. Berg, Handb. des Polizeirechts. II. 32.

Zweiter Abſatz.

Einwirkung auf die Verwendung ſelbſt.

§. 458.

1) Verſchwendungs- und Luxusgeſetze.

Der Genuß iſt der Zweck der Wirthſchaft. Es gibt aber auch

einen unvernünftigen und ſittenloſen Genuß des Vermögens und

Einkommens. Gerade wegen dieſes Gegenſatzes iſt es nun für

eine Regirung äußerſt ſchwer, in der Ergreifung von Maaßregeln

gegen unproductive Verzehrung das richtige Maaß zu treffen. Man-

gel an Aufmerkſamkeit würde zwar den geſunden Sinn der Mehr-

heit des Volkes nicht verderben, aber doch manche Einzelnen und

Familien ins wirthſchaftliche, von da in das ſittliche Verderben

führen, dem Staate oder den Gemeinden zur Unterhaltung über-

[648/0670]

weiſen und die allgemeine und öffentliche Sicherheit gefährden.

Der Geitzige iſt in der geſunden öffentlichen Meinung gebrand-

markt, wie der Verſchwender. Allein man hat früher geglaubt:

a) durch Luxusgeſetze den Genuß reguliren zu müſſen. Indeſſen

erſcheinen die Gebote über die Gegenſtände der Verwendung als

Eingriffe in das Privatleben, die der Staat nicht durchzuführen

vermag und ein Volk auf alle nur möglichen Weiſen umgehen kann,

abgeſehen davon, daß ſie ungerecht ſind1). Man verſprach ſich

aber in dieſer Hinſicht b) von den Luxus- oder überhaupt Ge-

nußſteuern eine beſondere zugleich für die Staatskaſſe wohlthätige

Wirkung. In erſter Beziehung ſind ſie, namentlich weil ſie, wie

die Luxusgeſetze, nur einzelne Genüſſe treffen, auch verwerflich;

einen erheblichen Vortheil vermögen ſie höchſtens für Gemeinde-

kaſſen, und nur dann für die Staatskaſſe hervorzubringen, wenn

ſie klein genug ſind, um den Luxus nicht zu beſchränken, und

deßhalb über die Erhebungskoſten einen Ueberſchuß geben2). Gegen

übermäßigen Luxus kann nur gewirkt werden c) durch die Volks-

erziehung, durch gutes Beiſpiel von oben, durch Ermunterung

und Gelegenheit zum Sparen, oder Sparkaſſen. Um aber der

ſitten- und ſinnloſen leidenſchaftlichen Verſchwendung zu begegnen,

dazu dienen: d) die Nüchternheits- und Mäßigkeitsvereine,

wie ſolche neuerlich in Großbrittannien und Nordamerika beſtehen3);

e) das Verbot der Glücks- oder Hazardſpiele um Geld, die

polizeiliche Aufſicht auf Ausſpielung anderer Gegenſtände, und die

Aufhebung der in jeder Hinſicht verwerflichen Staatslotterien;

f) die Beſchränkung im Ertheilen von Conceſſionen zu Wirths-

häuſern, Wein-, Bier- und Brandweinſchenken im Verhältniſſe

zur Bevölkerung der Orte; g) die Beſchränkung der ſogenannten

Luſtbarkeiten, ohne die gebührende Gelegenheit zur Erluſtigung zu

verhindern und die Volksthümlichkeit ſchulpedantiſch und neidiſch

zu unterdrücken.

¹ Spittler, Vorleſ. über Politik. S. 430. Rau polit. Oeconom. II. §. 357.

Mohl Polizeiwiſſ. II. 431. v. Jacob Polizeigeſetzgebung. II. §. 59. Genovesi

Lezioni. I. 222. 258. 260. v. Berg Handb. II. 223. Witte, Ueber d. Schick-

lichkeit der Aufwandsgeſetze. Leipzig 1732. say Cours. V. 94. Ueberſ. V. 74.

Pinto Essay sur le Luxe. Amsterdam 1762 (dagegen). Dumont Théorie du Luxe.

Paris 1771 (dafür). Ploucquet, Verſuch über den Luxus. Aus dem Franzöſ.

Leipzig 1789. Gründler, die Unſchädlichkeit des Luxus. Berlin 1789. Rau,

über den Luxus. Erlangen 1817. Penning de luxu et legibus sumtuariis. Lugd.

Bat. 1826. Des Essarts Dict. de Police. VI. 86. Bergius Magazin. Art. Pracht.

² Dorn, Bemerk. über Luxus und Luxus-Auflagen. Nürnb. 1797. S unten

in der Finanzwiſſenſchaft.

³ Ueber dieſe äußerſt nützlichen Geſellſchaften ſ. m. die herrliche Schrift:

v. Beaumont und v. Tocqueville America's Beſſerungsſyſtem. Aus d. Franz.

überſ. von Julius. Berlin 1833. S. 266. 432. und die dort angegebenen Schrif-

[649/0671]

³ ten. Jeder Eintretende verpflichtet ſich ſchriftlich zur Enthaltſamkeit von jedem

branntweinartigen Getränke. Im J. 1831 beſtanden in Nordamerica 2597 bekannt

gemachte Vereine dieſer Art und zählten 1,200,000 Mitglieder; es ſollen aber deren

gewiß 3000 ſein. Der erſte Verein dieſer Art entſtand a. 1813 in Boſton. Zufolge

dieſer Vereine ſollen in Nordamerica a. 1831 ſchon 1000 Brennereien und 3000

Schenken geſchloſſen worden ſein. Daß ſie aber in ſolchen Ländern nothwendig ſind,

erſieht man aus der ſtatiſt. Angabe, daß der Branntweinverbrauch jedes Einwohners

im Durchſchnitte war:

In England a. 1825–1827 = 2 Berl. Quart = etwa 1 Maaß 5[FORMEL] Bech. n. Bad.

Im vereinigt. Königreiche a. 1829 = 5 — — = — 3 — 8[FORMEL] — — —

In Irland 1826–1829 = 6 — — = — 4 — 6

In Van Diemens Land = 11 — — = — 8 — 4[FORMEL] — — —

In den vereinigten Staaten

von N. A. 1829 = 24 — — = — 18 — 4[FORMEL] — — —

In Neu-Süd-Walis = 27 — — = — 20 — 7[FORMEL] — — —

§. 459.

2) Theuerungsmaaßregeln.

Unter Theurung verſteht man denjenigen volkswirthſchaft-

lichen Zuſtand, worin die Preiſe der Lebensmittel zufolge eines

Mangels an Angebot und zufolge verſchiedener Geldverhältniſſe in

einem Lande oder Landestheile ſo geſtiegen ſind, daß bei dem

größten Theile der Bevölkerung entweder trotz der Geldvorräthe

oder aus Geldmangel Entbehrungen entſtehen, welche bis zur

ſchrecklichſten Noth (Hungers- und Holznoth) ſteigen können1).

Die Regirung hat in ſolchen Fällen die Pflicht, alle von ſelbſt im

Volke eingeſchlagenen rechtlichen Wege zur Abhilfe, z. B. Unter-

ſtützungsvereine, Collecten u. dgl. zu befördern, und ſelbſt ihrer-

ſeits für Entfernung der Noth zu ſorgen, da ſelten hierin die

vereinzelte Thätigkeit der Einwohner das allgemein Erſprießliche

zu erreichen vermag. Die Polizei hat für ſolche Ereigniſſe nur

zwei Mittel. Sie ſind a) Vorbeugungsmittel. Dieſe richten

ſich nach den Urſachen, aus denen die Theuerung entſtehen kann.

Als Gründe der Theuerung ſind folgende zu betrachten: Unfrucht-

barkeit des Landes, Mißwachs, Vernichtung der Producte durch

Naturgewalten, außerordentliche Conſumtion, wie z. B. in Kriegs-

zeiten, Zeiten allgemeiner Kriegsſpannung und Rüſtung, Störungen

der öffentlichen Sicherheit, z. B. Revolutionen, Aufſtände, in

ihrem Gefolge Sengen und Brennen, ſchlechter landwirthſchaft-

licher Betrieb, Unfreiheit des niedern Volks, unzweckmäßige land-

und forſtwirthſchaftliche Geſetzgebung, natürlicher Mangel an Com-

munication, an Märkten, Zunahme der Metallgeldmenge (natür-

liche Theurung); ferner Monopolien mit Lebensmitteln, Ein- und

Ausfuhrverbote, Erſchwerungen der Communication im Innern

[650/0672]

durch Binnenzölle u. dgl., bedachtes Zurückhalten und Aufkaufen

von großen Vorräthen durch Speculanten (Kornwucher), Un-

ſicherheit auf den Straßen, Marktzwangsrechte, Münzverſchlech-

terungen, Emiſſion zu vielen Papiergeldes und Sinken deſſelben im

Curſe (künſtliche Theurung). Der Hinblick auf dieſe Manchfal-

tigkeit von Theurungsurſachen zeigt, daß Menſchlichkeit, Gerech-

tigkeit, Sicherheit, ächte Wahrung der volkswirthſchaftlichen

Intereſſen der Nation und Förderung der Freiheit und inneren

Entwickelung des Gewerbsweſens die Vorbeugungsmittel der Re-

girung gegen die Theuerung ſind. Sie wirken zwar ſicher, aber

langſam und ſind nicht geeignet, einer augenblicklichen Theuerung

abzuhelfen2). Hierzu ſind b) Abhilfsmittel nöthig. Sie ſind

meiſtens local und temporell verſchieden. Allein als allgemeine

Mittel ſind anzuempfehlen: genaue ſtatiſtiſche Sammlungen über

den jährlichen Erwachs und ſein Verhältniß zur Bevölkerung,

Ermunterung der Gemeinden zu vorſorglichen geräuſchloſen Auf-

käufen und eigener Betrieb des Staats durch Agenten, Befreiung

des Aus- und Einfuhrhandels mit Lebensmitteln, Aufbewahrung

der eigenen Naturaleinnahmen des Staats. Zwangsmaaßregeln

gegen Privatleute, ſie mögen heißen wie ſie wollen, ſind nur bei

Hungersnoth u. dgl. anwendbar; denn nur bei wahrer Gefährdung

ſeiner Exiſtenz hat der Staat das außerordentliche Recht und die

Pflicht, die Rechte der Einzelnen bei Seite zu ſetzen, jedoch gegen

ſpätere Entſchädigung in beſſern Zeiten. Die Errichtung von

Sperren gegen Ausfuhr verurſacht nur größere Theuerung, weil

auch die Einfuhr dadurch gehemmt wird, inſoferne andere Staaten

Repreſſalien ergreifen.

¹ Die Literatur iſt hierüber außerordentlich groß. Es wird darum hier blos

verwieſen auf Röſſig Theuerungspolizei. Leipzig 1802. II Bde. Heinſe, Geiſt

und Kritik der neueſten Schriften über Theuerung. Zeitz 1806. Weber, Ueber

Theuerung und Th. Polizei. Göttingen 1807. Mohl Polizeiwiſſ. I. 244. Rau

polit. Oeconomie. II. §. 139. Lotz Reviſion. I. 172 folg. Handbuch. II. 300.

say Cours. IV. 346. 426. 445. Ueberſ. von v. Th. IV. 265. 323. 338. v. Ja-

cob Polizeigeſetzgebung. II. 695.

² Was den Getreidewucher und die Gerüchte über Aufkäuferei in

ſolchen Zeiten anbelangt, ſo darf man in der Regel darüber Volksirrthum ver-

muthen. Der Getreidewucher iſt ungefähr wie der Geldwucher (§. 446.) zu be-

trachten. Weder das Eine noch das Andere vermag im wahren Sinne des Wortes

eine Theuerung zu verurſachen, wenn nicht andere wichtigere Umſtände daran Schuld

ſind, und ſelbſt dann kann, im Falle daß die Aufhäufungen volkswirthſchaftlich be-

deutend wären, wegen der Concurrenz nicht anhaltend Theuerung beſtehen. Wö-

chentliche Getreidemärkte ſind dagegen ſehr wirkſame Mittel. Man hat auch

öffentliche Kornmagazine als Mittel gegen Theuerung empfohlen. Allein

mit Recht wurde gegen ſie ihre Koſtſpieligkeit, die Verluſte an Material bei der

Aufſpeicherung, ihre Unzureichenheit in theuren Jahren und die große Verwaltungs-

mühe eingewendet. Auf der andern Seite aber zeigt auch die Erfahrung, daß in

Fällen der Noth freier Kornhandel nicht Alles leiſtet. Darum müſſen ſolche Maga-

[651/0673]

²

zine in beſondern Fällen und in Ländern, welche oft und leicht dem Mißwachſe aus-

geſetzt ſind, allerdings Billigung verdienen. Rau polit. Oeconomie. II. §. 133.

Mohl Polizeiw. I. 273. Lotz Handb. II. 323. Gioja Nuovo Prospetto. V. 127.

Dritter Abſatz.

Sorge für die Armen.

§. 460.

1) Urſachen und Verhütungsmittel der Armuth.

Weil die Armuth ein Mißverhältniß zwiſchen Einnahmen und

Bedarf iſt, ſo kann ſie auch nur aus Gründen entſtehen, welche

jene unter dieſen erniedrigen oder dieſen über jene erhöhen1).

Der Ausdruck arm wird aber im Leben ſo unbeſtimmt gebraucht,

daß, wenn ſich die Volks- und Staatsſorge auf Alle erſtrecken

wollte, die ſo genannt werden, wohl kaum die Mittel zur Armen-

unterſtützung zuſammenzubringen wären und gerade durch dieſe

Letztere die Sorgloſigkeit und der Müſſiggang ebenſo vermehrt als

die allgemeine Sicherheit gefährdet würde. Man hat daher auch

gegen die Armenverſorgungsanſtalten überhaupt dies ſchon einge-

wendet, allein im Allgemeinen gewiß mit Unrecht, weil man dabei

die Gründe und Grade der Armuth und die hiernach entſprechenden

Anſtalten unterſcheiden muß. Blos Armuth und Mangel (§. 73.)

gibt einen wahren Anſpruch auf Unterſtützung, dieſe aber muß ſich

nach den Gründen der Armuth richten. Die allerbetrübendſten

Urſachen der Verarmung ſind der Müſſiggang, die Laſterhaftigkeit,

die Verſchwendung, wirthſchaftliche Ungeſchicklichkeit, leichtſinnige

Verheirathung und Erzeugung unehelicher Kinder; denn hier rächt

ſich die Schuld am Thäter durch immer zunehmendes Verderbniß

und Elend, und der Fluch geht auf die ſchuldloſen Kinder über.

Weniger erſchütternd für den Menſchenfreund iſt die Armuth, wenn

ſie den Menſchen unverſchuldet aus äußern Urſachen trifft, als da

ſind: Arbeitsloſigkeit zufolge der unendlich vielen Urſachen von

Gewerbsſtockungen, Preis- und Gewerbsveränderungen (Krieg,

Revolutionen, allgemeine Aufregung, Ländereiveränderungen, Ma-

ſchinen, Geldverhältniſſe), Verluſt des Vermögens durch beſondere

oder allgemeine Unglücksfälle, Verluſt von Unterſtützung durch Auf-

hebung von Klöſtern, körperliche und geiſtige Untauglichkeit zur

Arbeit, fehlerhafte Staatsmaaßregeln in der Leitung des Ge-

werbsweſens, erdrückende Abgaben, Gerichtswillkühr, ſchleppender

Gang im gerichtlichen Verfahren, hohe Sporteln, Rückſichtsloſig-

keit gegen die Familien eingeſperrter Verbrecher, Tyrannei u. dgl.

mehr. Die auf der Hand liegenden Mittel zu Verhütung dieſer

[652/0674]

Urſachen der Verarmung ſind ebenfalls zwar die ſicherſten, aber

ihrer Natur, die eine Verbeſſerung der bürgerlichen Geſellſchaft

bezweckt, iſt ein langſames Fortſchreiten eigen. Es gibt aber

außerdem noch Anſtalten, welche hierher zu rechnen und eine ſpe-

ziellere Beziehung zur Armuth haben, nämlich die Leihanſtal-

ten2), Lebensverſicherungsbanken3), Wittwen- und

Waiſenkaſſen4). Ihre Errichtung durch Privatvereinigung

unter Staatsaufſicht, oder, wenn dieſe fehlt, durch den Staat

ſelbſt iſt ſehr wohlthätig. Denn die Erſteren bieten in Nothfällen

Unterſtützung und die Letzteren ſichern nach dem Tode den Hinter-

laſſenen ein Vermögen oder Einkommen zu.

¹ Rau polit. Oeconom. II. §. 324. Mohl Polizeiw. I. 283. v. Jacob

Polizeigeſetzgeb. II 652. Spittler Vorleſ. über Politik. S. 254. Bergius

Magazin. Art. Armenverpflegung. v. Berg Handb. III. 178. Erſch und

Gruber, Allgem. Encyclop. Art. Arme (von Richter) und Arm. Polizei (von

Rau). Craig, Grundſ. der Politik. Aus dem Engl. überſetzt von Hegewiſch.

II. 223. Genovesi Lezioni. I. 303. Vasco Mém. sur les Causes de la Mendi-

cité etc. = Economisti P. mod. XXXIII. 295. Ricci Riforma degl Instituti

pii della città di Modena = Economisti. P. mod. XLI. p. 61. Macfarlan, Un-

terſ. über die Armuth. Aus dem Engl. überſ. von Garve. Leipzig 1785. Gar-

ve's Anhang dazu. Ruggle History of the Poor. Lond. 1793 New Edit. 1797.

(Franzöſ. Straßb. 1803). Eden The state of the Poor. London 1797. III.

Malthus, Ueber die Volksvermehrung. II. 51. Reports of the society for Bet-

tering the Condition of the Poor. Lond. 1793–1814. VI. Colquhoun Treatisa

on Indigency. Lond. 1806. Commons Report of the Poor Laws. London 1817.

Ensor The Poor and their Relief. London 1823. Horton An Inquiry into the

Causes and Remedies of Pauperism Lond. 1830. III series. Wetherell The

present state of Poor-Law question. Lond. 1833. Moneypenny Remarks on the

Poor-Laws. Edinb 1834. = Edinburgh Review 1834. July p. 524. Walsh The

Poor-Laws of Ireland. London 1831. 2d. Edit. Report of Evidence from the

select Committee on the state of Poor in Ireland. London 1834. = Edinb.

Review. 1834. April p. 227. Extracts from the Information receiced by the

Commissioners as to the Administration of the Poor-Laws. Published by Au-

thority. Lond. 1833. Reply to the Commissioners for inquiring into the Poor-

Laws. Lond. 1833. Quarterly Review. T. 43. (1830) p. 255. T. 46. (1832)

p. 105. 351. T. 50. p. 351. de Keverberg Essay sur l'Indigence dans la

Flandre orientale. Gand 1819. Fodéré sur la pauvreté des Nations Par. 1825.

Reſewitz, Ueber Verſorgung der Armen. Kopenhagen 1769. v. Rochow, Verſ.

über A. Anſtalten. Berlin 1789. Wagemann, Magazin für Induſtrie und A.

Pflege. Gött. 1789–1803. VI. Deſſelben Materialien für A. Pfleger. Gött.

1794. Wilke, Ueber Entſtehung c. des Bettels. Halle 1792. Büſch, Ueber

Armenweſen. Hamburg 1792. Ranfft, Verſuch über A. Pflege. Freiberg 1799.

Noſtiz und Jänkendorf, Ueber A. Verſorgung in Dörfern. Görlitz 1801.

Pilat, Ueber A. u. A. Pflege. Berlin 1804. Weber, Verſ. über d. A. Weſen.

Gött. 1807. Gaum, Anl. z. A. P. Einrichtungen. Heidelb. 1807. Krug, die

Armenaſſecuranz. Berlin 1810. Emmermann, Anl. z. Einricht. und Verwalt.

von A. Anſtalten. Gießen 1814. 2te Aufl. Lawätz, Ueber die Sorge des Staats

für ſeine Armen. Altona 1815. Reche, Evergeſia oder c. Duisburg 1821.

Nagel, Ueber das Armenweſen. Altona 1830. v. Beaumont und v. Tocque-

ville America's Beſſerungsſyſtem S. 260. 423., wo auch americaniſche Literatur

darüber angegeben iſt. Broderſen, die Armuth, ihr Grund und ihre Heilung.

Altona 1833. Gerſtärker oder die Unentbehrlichkeit einer Landesarmenanſtalt.

Leipzig 1833. v. Lüttwitz, Ueber Verarmung, A. Geſetze und A. Anſtalten.

Breslau 1834. Da dieſe Literaturangabe bei Weitem nicht vollſtändig iſt, ſo ſ. m.

[653/0675]

¹ noch Winckelmann Literatur der öffentl. A. und Krankenpflege. Hannover 1802

und bei Erſch Handb. der Lit. Jurisprudenz u. Politik. Nr. 1089–1117. S. 474.

² Man unterſcheidet hier die eigentlichen Leih- oder Pfandhäuſer, welche

nur gegen Fauſtpfänder darleihen, und die Rettungskaſſen (Inſtitute oder

Aſſiſtenzkaſſen), welche ohne Pfand auf perſönlichen Kredit, ſelbſt ohne Zinſen, Geld

darleihen. Ueber Erſtere ſehe man: Rau. II. §. 332. Bergius Magazin. Art.

Leihbank. Mohl Polizeiwiſſ. I. 347. v. Soden Nation. Oeconom. II. 438.

v. Berg Handb. I. 379. Marperger Montes Pietatis oder Leih-, Aſſiſtenz- und

Hilfshäuſer. Leipzig 1760. 2te Aufl. von Juſti. Gaum Armen-Polizei-Einrich-

tungen. S. 251. Galiani Lettre et Mémoire sur les Monts-de-Piété = Econo-

misti. P. mod. T. VI. 299. Des Essarts Dict. VII. 1. Ueber Letztere aber Rau

II. §. 334. Mohl I. 345. v. Berg III. 199. Gaum S. 252. Wagemann

Magazin. Thl. III. Heft 2. Bd. IV. Weber A. Polizei. S. 167.

³ Der Eintretende bezahlt ein Eintrittsgeld und eine jährliche Prämie, um

nach ſeinem Tode einer oder mehreren beſtimmten Perſonen oder ihren Rechtsnach-

folgern eine gewiſſe Summe auf einmal zuzuſichern. Sie beruhen auf der Wahr-

ſcheinlichkeitsberechnung der menſchlichen Lebensdauer, und mit der Zunahme der

Wahrſcheinlichkeit eines langen Lebens ſinkt die Prämie, die man zu bezahlen hat.

Man ſ. Mac-Culloch Dictionary. Deutſche Bearb. II. 140. Rau II. §. 368.

Mohl I. 336. Juvigny sur les Assurances sur la Vic. Paris. 1820. Babbage,

Darſtellung der verſchiedenen Lebens-Aſſecuranz-Geſellſchaften. Aus dem Engliſchen.

Weimar 1827. Krauſe, Ueber Gemeinnützigkeit der L. V. Geſellſchaften. Ilme-

nau 1830. Bleibtreu, Zweck und Einrichtung der L. V. A. Karlsruhe 1832.

Littrow, die Lebensverſicherungsanſtalten. Wien 1832. Es gibt aber in England

auch ſogenannte freundſchaftliche Geſellſchaften (friendly societies), worin

ſich die Beitragenden eine beſtimmte Summe für beſtimmte Unglücksfälle verſichern.

Richardſon, Annalen der Sparcaſſen. S. 182. Mohl I. 328.

⁴⁾ Auch dieſe beruhen auf demſelben Prinzipe, wie die Lebensverſicherungen,

nur verſichert man ſeiner Frau und Kindern nach ſeinem Tode eine jährliche Rente

zu, die zum Beitrage in geradem Verhältniſſe ſteht. Der Staat kann ſeine Diener

zum Eintritte in ſie, als Staatsanſtalt, zwingen. S. Rau II. §. 368. Mohl

I. 340. Bergius Magazin. Art. Wittwen- und Waiſenverpflegung.

Kaukol, Einrichtung der Wittwen- und Waiſen-Penſionsinſtitute. Wien 1825.

Stelzig Darſtellung, wie eine Verſorgungsanſtalt für Greiſe, Wittwen und

Waiſen begründet werden kann. Prag 1828. Krauſe, Prinzip der Gegenſeitigkeit

der Verſorg. Anſtalten. Prag 1828. Werke über Leibrenten z. B. auch Mac Cul-

loch Dictionary. Deutſche Bearb. II. 162.

§. 461.

2) Armen-Verſorgungsanſtalten.

Es ſollte ſchon im Privatleben bei Ausübung der Wohlthätig-

keit regelmäßiger auf wahre Dürftigkeit und Würdigkeit geſehen

werden. Durch das Gegentheil wird die Armenpolizei ſehr er-

ſchwert. Es iſt daher vor Ertheilung irgend einer Armenunter-

ſtützung nothwendig, daß man über die Verhältniſſe der Perſon

gehörig unterrichtet ſei. Man überläßt deßhalb die Verſorgung

der Orts- und Hausarmen am beſten den Gemeinden, weil die

Gemeindebeamten über jene Verhältniſſe die genaueſten Kenntniſſe

haben müſſen. Ob nun Privatvereine, oder die Gemeinde aus der

Gemeindecaſſe oder eigenen Armenfonds, deren Stiftung ſehr zu

begünſtigen iſt, die Unterſtützungen gewähren, das hängt von localen

[654/0676]

Umſtänden ab. Der Staat muß ſich aber ſtets die Aufſicht vor-

behalten. Man hat übrigens in den Staaten je nach den Gründen

der Armuth und nach den Verhältniſſen der armen Perſonen fol-

gende verſchiedene Einrichtungen zur Verſorgung der Armen:

a) Armentaxen, d. h. geſetzlich gebotene Steuern zur Unter-

ſtützung der Armen. Dieſe Einrichtung hat ſich, namentlich in

England und Schottland, ſchlecht bewährt, aber nicht ſowohl an

ſich, als vielmehr wegen der ſchlechten Verwaltung in Betreff der

Dürftigkeit und Würdigkeit der Armen, wodurch meiſtens aus der

Unterſtützung eine Erniedrigung des Lohns zum Beſten der Fabrik-

herrn verurſacht und die Arbeiter zu Müſſiggängern, Verſchwen-

dern und Starrköpfen gemacht wurden1). b) Armencommiſ-

ſionen in Gemeinden zur Unterſtützung arbeitsloſer Armen von

Kraft und Geſchicklichkeit im Aufſuchen von Verdienſt und Beſchäf-

tigung. Dieſe Einrichtung iſt ſehr zweckmäßig, ſo wie die fol-

gende. c) Armenarbeiten, d. h. Beſchäftigung der Armen in

ihren eigenen Häuſern gegen Lohn, wozu man ihnen das Roh-

material liefert. Der Abſatz ſolcher Producte iſt erſchwert, weil

ſie die Concurrenz anderer nicht wohl aushalten können. Allein

Ausloſungen ſind um ſo mehr anzuempfehlen, als dadurch Gele-

genheit zu nützlichen Wohlthaten gegeben wird2). d) Arbeits-

häuſer, und zwar aus leicht einzuſehenden Gründen, ſowohl

freie als Zwangsarbeitshäuſer. Letztere gränzen an die

Straf- und Beſſerungsanſtalten und haben daher eine ſtrenge

Disziplin. Ihre Koſten ſind ſehr groß, ihre Ausdehnung muß

ſehr weit ſein, wenn ſie viel nützen ſollen; aber die Behandlung

und Beſchäftigung der Arbeiter, um ſie nach der Entlaſſung noch

arbeitſam zu erhalten, iſt ſehr ſchwer3). e) Armencolonien,

indem man Arme ſammt Familie auf einer Colonie ſich anſiedeln

läßt, ihnen das Capital zum Betriebe verſchiedener Gewerbe gegen

die Verpflichtung der Verzinſung und allmäligen Abzahlung übergibt

und ſie wegen Fleiß und Sittlichkeit genau unter Aufſicht hält4).

f) Bezahlung des Schulgeldes für arme Kinder aus den Gemeinde-

oder Stiftungskaſſen, damit ihnen der Unterricht wie Anderen

werden kann, oder Errichtung von Armkinderſchulen zur Er-

ziehung bis zu einem beſtimmten Alter ſo, daß ſie im Stande ſind,

durch eigenen Verdienſt zu leben, weßhalb auf Unterricht im Ge-

werbsweſen, Arbeitſamkeit, Sittlichkeit und ächte Religioſität hin-

gearbeitet werden muß. Sie ſind ohne eigene Fonds oder Do-

tirungen nicht zu erhalten. g) Waiſenhäuſer, ebenſo zur Auf-

ziehung, Erziehung und Gewerbsbildung von Waiſen, entweder

Gewerks- oder landwirthſchaftliche (ſogen. Wehrli-) Schulen,

[655/0677]

wovon die Letzteren den Vorzug verdienen, weil ſie vielfältiger

beſchäftigen und anregen, gefündere Arbeit gewähren und der

Sittlichkeit förderlicher ſind5). h) Rettungshäuſer, d. h. An-

ſtalten für Erziehung und Beſſerung der Kinder, welche wegen

Verbrechen verurtheilt ſind oder von liederlichen Eltern vernach-

läſſigt werden oder für deren Sittlichkeit notoriſch zu fürchten iſt

oder welche heimaths- und elternlos einem böſen Leben nachhän-

gen6). i) Armenhäuſer für die Unterhaltung arbeitsunfähiger

und kränklicher Armen. Sie müſſen noch neben der Haus-Unter-

ſtützung der Armen beſtehen, weil es Arme gibt, die auf letztere

Art nicht verſorgt werden können7). Alle dieſe Einrichtungen ver-

dienen die größte Aufmerkſamkeit des Staats, ſei es durch Unter-

ſtützung und Beaufſichtigung derſelben als Privat- und Vereins-

anſtalten, ſei es durch eigene Errichtung auf Staatskoſten.

¹ Auch Collecten und Strafen können dazu verwendet werden. S. Rau pol.

Oeconom. II. §. 341. A. smith Inquiry. I. 212 (geſchichtlich). Malthus On Po-

pulation. Book III. Chap. 4. 5. Ricardo Principles. p. 319. Mac-Culloch Prin-

ciples. p. 354. Ueberſ. von v. Weber. S. 285. say Cours. V. 3501 Ueberſ.

von v. Th. V. 275. v. Jacob Polizeigeſ. II. 656. v. Berg Handb. III. 232.

Craig Politik. II. 229. Jones On the Distribution of Wealth. p. 309.

² Rau II. §. 345347. Ranfft Verſuch. S. 120.

³ Rau II. §. 348. 351. Mohl Polizeiw. I. 309. Macfarlan Unterſ.

S. 90. Weber Verſuch. S. 110. 140. Gaum Armenpolizei E. S. 86. 100.

Ranfft Verſuch. S. 122. Bergius Magazin. Art. Zucht- und Arbeits-

haus. v. Berg Handb. VI. Abthl. 2. S. 921. v. d. Heyde Repertor. II. 225.

v. Salza, Handb. des Polizei-Rechts, mit beſonderer Rückſicht auf Sachſen (Leip-

zig 1825). I. 48. Vieles darüber in der (§. 458. N. 3.) erwähnten Schrift von

v. Beaumont und v. Tocqueville. Lotz, Ueber öffentl. Arbeitshäuſer. Hild-

burghauſen 1810. Harl, Archiv für Staatswiſſ. 1827. III. 20 (von v. Sens-

burg). Auch Vieles in Julius Jahrbücher der Straf- und Beſſerungsanſtalten.

Berlin 1828 folg.

⁴⁾ Die älteſte iſt in den Niederlanden unter Direction des Generals van den

Boſch errichtet. S. Rau polit. Oeconom. II. §. 349. Mohl Polizeiw. I. 321.

van den Bosch, Verhandling over cene Armen-Inrichting, nach dem Manuſcripte

überſ von Keversberg unter dem Titel: De la Colonie de Frederiks-Oord. etc.

Gand 1821. Lavaetz, Ueber A. Colonien. Altona 1821. v. Grouner, Be-

ſchreibung einer Reiſe durch d. K. der Niederlande, verf. von Wimmer. Paſſau

1826. I. 232. Weidenkeller, Wie ... kann ... eine A. Colonie errichtet

werden. Nürnberg 1827. Kirkhoff Mém. sur les Colonies de bienfaisance de

Frederiks-Oord et Wortel Bruxelles 1827. Ueberſ. von Rüder Leipzig 1827.

Kaſthofer, Beiträge zur Beurtheil. der Vorth. der Koloniſation eines Theils der

Alpenweiden. Leipzig 1827. statement of the Objects of a society for effecting

systematic Colonisation. London 1830. statement of the Objects of a National

Colonization society. Ridgway 1830 Extracts of Lettres (§. 139. Note 6).

v. Beaumont und v. Tocqueville America's Beſſerungsſyſtem. S. 251. 418.

Julius Jahrbücher. IV. 319. Ducpetiaux Des Moyens de soulager et de preve-

nir l'indigence et d'éteindre la Mendicité. Bruxelles 1832. = Revue encyclop.

LVI 572. Julius Jahrb. IX. 157.

⁵⁾ Rau II. §. 355. Mohl I. 378. Goldbeck, Ueber Erziehung der W.

Kinder. Hamburg 1791. Rulffs .... Wie ſind W. Häuſer anzulegen. Gött.

1785. Zeller, Briefe über W. Häuſer. St. Gallen 1806. Pfeuffer, Ueber

[656/0678]

⁵⁾ öffentl. Erziehung und Waiſenhäuſer. [Bamb. 1815. Krüger, Archiv für Waiſen-

und Armenerziehung. Hamb. 1825. u. 1828. I. 1. II. 1 (geſchichtlich, unvollendet).

Garve Anhang zu Macfarlan. S. 177. S. Riſtelhuber, Wegweiſer zur Lit.

der W. Pflege, des B. Erziehungsweſens, der A. Fürſorge, des Bettlerweſens und

der Gefängnißkunde. Cöln 1831.

⁶⁾ v. Beaumont und v. Tocqueville America's Beſſerungsſyſtem. S. 178

-209. 390–405. Nathan C. Hart Ducuments relative to the House of Re-

fuge ....... in the City of New-York in 1824. New-York 1832. An Act

concerning Convicts under the Age of 17. Years and other purposes, passed

April 16. 1830. Julius Jahrbücher. IV. 240. V. 294. VII. 153. v. Kamotz,

Jahrbücher für die preuß. Geſetzgebung. Bd. XXIX. 216. Schmidlin, die Orts-

und Bezirks-Erziehungshäuſer für verwahrloſete Kinder im Königr. Würtemberg.

Stuttg. 1828.

⁷⁾ Rau II. §. 356. Mohl I. 362. Weber Verſuch. S. 118. 190.

Noſtitz und Jänkendorf A. Verſorg. Anſtalten. S. 125. u. a. Schr.

Zweites Buch.

Beſondere Grundſätze.

Erſtes Hauptſtück.

Pflege des Urgewerbsbetriebs.

Erſtes Stück.

Der Bergbaubetrieb.

§. 462.

Der Bergbau1) iſt in früheren Zeiten vielfach zu hoch ge-

ſchätzt worden und wird es, was ſehr begreiflich iſt, von den Berg-

leuten jetzt noch. Dieſe Ueberſchätzung hat aber die Folge gehabt,

daß die Staaten Bergbau mit Zubuße getrieben, ſchlecht rentirende

Privatbergwerke mit Capital unterſtützt, den Bergleuten allerlei

Freiheiten von Staatslaſten eingeräumt und andere Unterſtützungen,

als Holz und Lebensmitteln, auf allgemeine Koſten verabreicht

haben. Alle dieſe Unterſtützungen ſtoßen im Allgemeinen gegen die

Grundſätze der Gleichheit der Gewerbe vor dem Richterſtuhle der

Volkswirthſchaft und gegen jene einer vernünftigen Wirthſchaft

überhaupt an und ſind verwerflich2). Der Staat hat vielmehr

blos die Pflicht, den Bergbau zu unterſtützen, aber nicht auf

Koſten der übrigen Gewerbe und Einwohner und nicht, wenn er

nichts erträgt. Dieſe Unterſtützungsmittel laſſen ſich in folgendem

zuſammenfaſſen: 1) Unabhängigkeit des bergmänniſchen Be-

triebs vom Grundeigenthume, denn ein ausgedehnter und nach-

haltiger Betrieb iſt anders nicht möglich, weßhalb der Grundeigen-

thümer verpflichtet iſt, gegen Entſchädigung und billigen Antheil

an der Ausbeute demjenigen, welcher ſchürfen und bauen will, ſo

[657/0679]

weit abzutreten, als es zum Betriebe nöthig iſt. 2) Staatsauf-

ſicht auf den Grubenbetrieb zur Sicherung der Nachhaltigkeit des

Bergbaues, zur Verhütung von Raubbau, und zur Controle der

Rechnungen3). 3) Verhütung des beliebigen Anfangs von Berg-

bauten theils zur Sicherung der Grundeigenthümer, theils zur

Erhaltung guten Betriebs, weßhalb die (§. 122. L. a.) angegebe-

nen Vorſichtsmaaßregeln zu ergreifen ſind. 4) Befreiung des

Bergbaues von allen, denſelben weſentlich hindernden, Laſten, ohne

Begünſtigung vor andern Gewerben, nämlich beſonders vom Berg-

zehnten, deſſen Nachtheile für den Bergbau weit größer ſind, als

die des gewöhnlichen Zehntens in der Landwirthſchaft, wegen des

größern Capitals und Wagniſſes. 5) Begünſtigung und Beaufſich-

tigung von Knappſchaftskaſſen zum Behufe der Unterſtützung

arbeitsloſer und arbeitsunfähiger Bergleute4). Endlich 6) Grün-

dung bergmänniſcher Unterrichtsanſtalten, wenn der Bergbau

des Landes großer Erweiterung fähig iſt, weil ohne genaue berg-

männiſche wiſſenſchaftliche Kenntniſſe nichts Erſprießliches vom

Bergbaue zu erwarten iſt. Sonſt reicht Unterſtützung ausgezeich-

neter junger Männer zu Reiſen hin.

¹ S. oben §. 431. Rau polit. Oeconom. II. §. 33. Mohl Polizeiwiſſ.

II. 218. v. Jacob Polizeiw. I. 468. v. Berg Handbuch. III. 384. Bergius

Neues Magazin. I. 229. de Villefosse De la Richesse Minérale. I. 449. Car-

thäuſer Bergpolizeiwiſſenſchaft. Gießen 1786. Jugel, Vorſchläge zur Beförder.

des Bergbaues. Regensburg 1784. v. Cancrin Bergpolizeiwiſſenſchaft. Frankfurt

1791. v. Voith, Vorſchläge zur Verbeſſerung des Berg- und Hüttenweſens in

Baiern. Sulzbach 1822. Frank Landwirthſchaftliche Polizei. II. 329. Karſten,

Archiv für Bergbau und Hüttenweſen. I. 71. Eſchenmaier Staatsöconomierecht.

I. 452. Schmidt, Sammlung der Berggeſetze der öſterreichiſchen Monarchie.

Wien 1833. Bis jetzt II Bde.

² Es führt Rau II. §. 42. eine Reihe von Unterſtützungen des Bergbaues

von Seiten des Staats auf, welche ſich mit dem polizeilichen Prinzipe nicht ver-

tragen. Das Bauen von Transportwegen beſonders für die Gruben, die Ueber-

nahme von Kuxen bei Zubußegruben, die Unternehmung von beſonders koſtſpieligen

Bauten, wie z. B. Erbſtollen, alle dieſe Maaßregeln ſind den Geſellſchaften zu

überlaſſen. Das Verabreichen von Getreide und Holz aus Staatsmagazinen um

die beſtimmten Taxen iſt eine finanzielle Maaßregel; in Zeiten der Theuerung ver-

theidigt ſie ſich noch aus andern Gründen. Anſtatt der Vorſchüſſe, welche zuweilen

großen Nutzen bringen können, iſt es beſſer, eine eigene Landesbergkaſſe durch

Beiträge der Gewerkſchaften zu errichten; denn ſie können ſich leicht ſehr hoch belaufen.

Das Treiben des Bergbaues auf Zubuße, wenn kein den Verluſt deckender ſpäterer

Reinertrag zu erwarten ſteht, iſt nur dann zu billigen, wenn dies auf kurze Zeit

das beſte Mittel iſt, um die durch das Verlaſſen einer Grube brodlos werdenden

Bergleute noch zu erhalten, bis ſie andere Arbeit haben.

³ Zu Raubbau wird gerechnet: a) der Ausbruch der oberſten reichſten Lager,

nach welchem die unteren keinen oder wenig Gewinn geben; b) die Wegnahme der

Grubenbefeſtigung und das Unterhöhlen (Verhauen) der Stollen; c) das Verſtürzen

der untern Gänge. Rau II. §. 38. N. b.

Baumſtark Encyclopädie. 42

[658/0680]

Zweites Stück.

Der Landwirthſchaftsbetrieb.

Erſter Abſatz.

Der Feld- und Gartenbau.

§. 463.

A. Urbarmachungen. B. Gutsherrliche Verhältniſſe.

Die Wichtigkeit der Landwirthſchaft iſt in politiſcher Hinſicht

ſo anerkannt, daß es gar keiner beſondern Ausführungen bedarf,

ob der Staat verpflichtet ſei, auf ihre Förderung dieſelbe Aufmerk-

ſamkeit wie auf die der andern Gewerbe zu verwenden. Die

Landwirthſchaftspflege1) iſt einer der wichtigſten Gegenſtände

der Staatsgeſetzgebung und Verwaltung. Die Gegenſtände, worauf

ſich dieſe zu erſtrecken hat, ſind jene des Feld- und Gartenbaues

und der Thierzucht. Was die beiden Erſteren betrifft, ſo unter-

liegen der Staatsſorge folgende verſchiedene landwirthſchaftliche

Verhältniſſe.

A. Die Urbarmachungen (§. 139.). Wenn die Bevöl-

kerung zunimmt, erfolgt das Streben nach Urbarmachungen von

ſelbſt. Da nun außerdem dazu mehr oder weniger Capitalbeſitz

gehört, ſo werden ſie auch nur im Verhältniſſe des vorräthigen

Capitals vorgenommen werden. Daher hat ſich die Regirung ſorg-

ſam vor directen Ermunterungen zu hüten. Kleine Urbarmachungen

von Eigenthum erfolgen im Volke von ſelbſt, aber große, welche

viel Capital und organiſirte Leitung erfordern, können und dürfen

ohne Anzeige bei der Staatsbehörde und ohne deren Aufſicht nicht

vollführt werden. Denn ſie ſind auf die Staatszuſtände vom er-

folgreichſten Einfluſſe in Betreff des Klima, Geſundheitszuſtandes,

der Bevölkerung und des wirthſchaftlichen Wohlſtandes2), und

dürfen deßhalb nicht vom Privateigenthume abhängen, ſondern die

Eigenthümer großer nicht urbarer Strecken ſind verpflichtet, ihr

Eigenthum, wenn ſie es nicht ſelbſt urbar machen wollen, an die

Anderen gegen volle Entſchädigung abzutreten und die vom Staate

revidirten Plane der Urbarmachung ſind unter der Direction von

Staatsbehörden vorzunehmen.

B. Die gutsherrlichen Verhältniſſe. Freies erbliches

Grundeigenthum iſt das erſte Beförderungsmittel des landwirth-

ſchaftlichen Gewerbes (§. 409. 1. §. 208. 5.). Dieſes zu bewirken,

iſt alſo ein Hauptmittel der Erhöhung des Wohlſtandes und Pflicht

des Staats. Allein mit ihr collidirt die Pflicht, zur Sicherung

[659/0681]

geheiligter Privatrechte. Denn jeder Art von gutsbäuerlicher Be-

laſtung ſteht ein wohlerworbenes oder wenigſtens verjährtes guts-

herrliches Recht entgegen. Die hierher gehörigen bäuerlichen Laſten

ſind folgende: 1) das Handlohn, d. h. eine bei verſchiedenen Be-

ſitzveränderungen an den Gutsherrn zu entrichtende Abgabe in Pro-

centen des Gutswerths (Kauf- und Erbhandlohn). Daß das-

ſelbe für den Bauern wegen ſeiner ungleichen Erſcheinung, wegen

öfterer Veränderungen jener Art, wegen ſeiner Beträchtlichkeit im

Vergleiche zum Gutswerthe (5–10 %) ſehr drückend iſt und

ſeine Vermögensverhältniſſe und die darauf folgende Wirthſchaft

zu ruiniren vermag, iſt anerkannt, ebenſo daß es den Verkauf des

Gutes erſchwert und den Bauer zu Schulden zwingt, da er beim

Antritte des Gutes Capital nöthig braucht. Allein beide Parthien

ſind oft in Erwartung, daß ſich die Umſtände bei der Handlohn-

zahlung für ſie günſtig ſtellen würden, gegen die Ablöſung deſſelben

eingenommen. Können ſie ſich dazu verſtehen, ſo geſchieht die Ab-

löſung, indem man vorher aus ſo langer Zeit her als möglich die

Erfahrungen zuſammenſtellt, wie oft im Durchſchnitte eine Kauf-

und eine Erbhandlohnzahlung eintritt und wie groß ihr Durch-

ſchnittsbetrag ausfällt. Dieſer Durchſchnittsbetrag zuſammen mit

dem dermaligen Werthe der unendlichen Reihe von Handlohnzah-

lungen in der Zukunft macht das Ablöſungscapital3). 2) Der

Zehnte, d. h. eine Abgabe des zehnten (auch fünften und dreißig-

ſten) Theiles der Producte des Feldbaues4). Er wird auf die

verſchiedenſten, oft ſehr drückende Arten erhoben; er iſt eine un-

gleiche Steuer, weil er vom Rohertrage bezogen wird, in welchem

je nach der Gutsklaſſe verſchiedene Koſtenſätze enthalten ſein können;

er verſchlingt um ſo mehr vom Reinertrage, je größer die Cultur-

koſten bei gleichem Rohertrage ſind: er iſt um ſo ſchädlicher, in

je kürzerer Zeit die Capitalauslagen wieder erſtattet ſein ſollen;

es wird durch ihn den Bauern die Luſt zu Urbarmachungen und

Vervollkommnungen der Cultur geraubt; er hindert alſo productive

Arbeits- und Capitalanwendung; durch die deßhalb erfolgende

Geringhaltung des Angebotes an landwirthſchaftlichen Producten

wird dem Sinken der Preiſe entgegengewirkt; die Zehntſtreitigkeiten

verurſachen vielen pecuniären und moraliſchen Schaden; die von

den Berechtigten dafür zu thuenden Leiſtungen zu Privat-, Ge-

meinde-, Staats- und Kirchenzwecke werden in der Regel nur

ſchlecht und nach vielen Zänkereien erfüllt; die Zehnterhebungs-

und Verwaltungskoſten verſchlingen einen großen, öfters den größten

Theil ſeines Ertrags; dieſer aber ſchwankt mit der Fruchtbarkeit

der Jahre5). Die Ablöſung deſſelben iſt daher ſehr wünſchenswerth,

42 *

[660/0682]

aber nicht ohne völlige Entſchädigung des Berechtigten und nicht

mit Zwang auf den Pflichtigen, ausgenommen, wenn derſelbe durch

ſeinen Nichtbeitritt dieſe nützliche Maaßregel auf einem größeren

Diſtrikte hinderte. Der Zehnte wird entweder durchſchnittlich von

vielen Jahren her ſeinem Ertrage nach berechnet oder, wenn das

Material dazu fehlt, durch Unpartheiiſche abgeſchätzt; der Reſt

nach Abzug der durchſchnittlichen oder geſchätzten Erhebungskoſten,

in Geld geſchätzt nach mehrjährigen Durchſchnittspreiſen, wozu die

Jahre ſorgfältig zu wählen ſind, bildet, nach der gewöhnlichen

Anſicht, wenn er nach einem gewiſſen Procente capitaliſirt iſt, das

Ablöſungscapital. Man könnte aber in der Ablöſungsrechnung auch

wie beim Handlohne verfahren, indem man den Durchſchnitt der

früheren Zehnterträge mit dem dermaligen Werthe der folgenden

unendlichen Reihe von Zehntzahlungen zuſammen, als abzutragendes

Capital betrachtete. 3) Die Gülten, d. h. unveränderliche Na-

turalabgaben der verſchiedenſten Art in kleinen Beiträgen (§. 7.

N. 6. §. 11. N. 5. §. 22. N. 9.). Sie ſind unbequem und läſtig,

ſo daß gegen deren Ablöſung von beiden Parthien in der Regel

nichts eingewendet wird. Die Ablöſung geſchieht ungefähr wie

beim Zehnten. 4) Frohnen, entweder Staats- oder gutsherr-

liche Frohnen (Roboten, Schaarwerke), d. h. gemeſſene oder un-

gemeſſene Hand- und Spanndienſte, zu leiſten an den Staat oder

Gutsherrn6). Sie hindern den Bauern in der Benutzung ſeiner

Zeit zu landwirthſchaftlichen Geſchäften; ſie verurſachen ihm ſchon

deßhalb Schaden; er muß aber auch oft zu ihrer Leiſtung eigenes

Geſpann halten, das er für ſein Feld nicht brauchte; er leiſtet

die Dienſte ungern und ſchlecht, und bedarf beſtändiger Aufſicht;

die Frohnen ſind daher von nationaler Trägheit und ſchlechter

Landwirthſchaft unzertrennlich; ſie ſchaden daher volkswirthſchaft-

lich weit mehr, als ſie privatwirthſchaftlich nützen. Deßhalb iſt

ihre Ablöſung eine Bedingung der Förderung des Gewerbsweſens7).

Zum Behufe derſelben zählt man die Frohntage zuſammen, ſchlägt

ſie, im Verhältniſſe als ſie weniger werth ſind denn die freien

Dienſte (§. 67. N. 1.), unter dem gewöhnlichen Taglohne an, und

zieht davon die ſchuldige Leiſtung des Berechtigten, z. B. an Koſt

u. dgl. in Geldwerth ab: was ſich ſo ergibt, iſt nach einem gewiſ-

ſen Procent zu capitaliſiren, um das Ablöſungscapital zu finden8).

¹ S. §. 432. Spittler, Vorleſ. über Politik. S. 364 folg. Rau polit.

Oeconom. II. §. 44 folg. Mohl Polizeiwiſſ. II. 109 folg. v. Jacob P. Geſetz-

gebung. II. S. 476 folg. Dithmar, Polizei des Ackerbaues, Ausg. von Schre-

ber Leipzig 1770. A. Young, polit. Arithmetik. Aus dem Engl. Königsb. 1777.

Frank, Syſtem der landw. Polizei. Leipzig 1789–91. III. Bd. Lips, Prin-

zipien der Ackergeſetzgebung. Ir Bd. Nürnberg 1811. Bülau, der Staat und der

[661/0683]

¹ Landbau. Leipzig 1834. v. Berg Handbuch. III. 243. Rüdiger Staatslehre.

II. 22. v. Soden Nat. Oeconom. VI. 39. simonde de sismondi Nouv. Principes.

I. 150. v. Bocholtz, Bericht an die Ritterſchaft des Herzogthums Weſtphalen

über die Beſchwerden und Wünſche des Landmannes. 1830. Stuve, Ueber die

Laſten des Grundeigenthums. Hannover 1830. Lüntzel, die bäuerlichen Laſten im

Fürſtenthum Hildesheim. Hildesheim 1830. Moſer, die bäuerlichen Laſten der

Würtemberger. Stuttg. 1832. Goldmann, Geſetzgebung Heſſens in Beziehung

auf die Befreiung des Grundeigenthums. Darmſt. 1831. Lips, Deutſchlands Nat.

Oeconomie. Gießen 1830. S. 11–312. In der Folge werden dieſe Schriften der

Kürze halber nicht mehr citirt werden, weil ſich in ihnen über die ſämmtlichen

landwirthſchaftlichen Verhältniſſe Abhandlungen finden.

² Zufolge der Austrocknung von Sümpfen verbeſſerten ſich die Bevölkerungs-

verhältniſſe während 40 Jahren folgender Geſtalt in folgenden engliſchen Grafſchaften.

Dieſe Reſultate ſind Folge der Verbeſſerung der Luft, des Waſſers c. und der Zu-

nahme der Lebensmittel. S. Fix Revue mensuelle. II. N. 8. p. 167.

³ S. oben §. 22. N. 6. Für Ablöſung v. Rüdt in den Verhandl. der

I. Bad. Kammer von 1831 I. 176. Beil. Heft I. 150. III. 119. Der II. Kammer

VI. 22. Beil. Heft VII. 161. Gegen die Ablöſung v. Soden Nat. Oeconom. VI.

§. 90. und Deſſen Bair. Landtag S. 307 u. 308. Krauſe Syſtem. I. §. 288

(mehr wegen der auf ſolche Laſtablöſungen erfolgenden Güterfreiheit und Güter-

theilung, die er für ſchädlich hält). Der Erſtere beruft ſich auf die Berechtigung

kraft Urverträgen, auf den Druck der durch die Ablöſung erfolgenden fixen Abgabe

des Bauern, auf die Schwierigkeit der Ergründung des Durchſchnittsbetrages, auf

das gerade Verhältniß des Handlohns zum Gutsertrage, was bei der fixen Abgabe

nicht exiſtire, und auf das Intereſſe, welches das Handlohn zwiſchen Lehns-

herrn und Grundholden erhalte. Die Widerlegung iſt nicht ſchwer. Wegen der

vermeintlichen fixen Abgabe ſ. m. unten Note 8.

⁴⁾ Er iſt keine Staatsſteuer, ſondern urſprünglich grundherrliche Abgabe.

Wenn er's auch nicht wäre, ſo iſt er ein wohl begründetes verjährtes Privatrecht.

Eine beſondere Art iſt der Zehnte von Neubrücken (Novalzehnten. §. 139. 1.).

Zur Literatur oben §. 7. N. 4 (hiſtoriſch). Gegen den Zehnten: A. Young

polit. Arithm. S. 24. Thaer engl. Landw. III. 86. Sinclair Grundgeſetze des

Ackerbaues. S. 63. Verhandl. des engl. Unterhauſes a. 1816 = Europ. Annalen.

1818 X. 112. Verhandl. der II. Bad. Kammer von 1819. I. 93. IV. 157. V. 104.

von 1831 Beil. Heft I. 25. V. 155. 224. Heft XVII. 136. 320. 425. (Beſonders

die Vorträge von v. Bökh und Nebenius.); der I. Bad. Kammer. V. 66. 86.

Beil. Heft II. 344. Der II. Kammer von 1833 Beil. H. II. 119. V. 25. H. XII. 12.

330. XIV. 10. 77. 42. Krönke, Ueber die Nachtheile des Zehnten. Darmſt. 1819.

Floret, Darſtell. der Verhandl. der Heſſ. Ständeverſ. 296. Verhandl. der Naſſau.

Deput. Verſ. von 1821. S. 126. 174. Klebe, Grundſ. der Gemeinheitstheilung.

I. 225. G. H. Law (Bishop of Bath and Wells) Reflection upon Tithes, with

a plan for a general Commutation of the same. Wells 1832. = Monthly Review.

January 1833 p. 129. v. Babo und Rau, Ueber Zehntablöſung. Heidelb. 1831.

v. Sensburg, die Abſchaffung der Zehnten. Heidelberg 1831. Ruef, Ueber die

Aufhebung der Zehnten. Freiburg 1831. Krönke, Ueber Aufhebung u. ſ. w. der

Zehnten. Darmſt. 1831. Zachariä, die Aufhebung ...... des Zehnten, nach

[662/0684]

⁴⁾ Rechtsgrundſätzen. Heidelberg 1831. Für den Zehnten: Thibaut in Verhandl.

der I. Bad. Kammer von 1819 = Ueberſicht der ſtänd. Verb. von 1819. II. 37.

v. Seyfried und Föhrenbach in den Verhandl. der II. Kammer deſſelb. Jahrs.

Heft V. 110. 126. Müller, Einige Worte über den Entwurf der Zehntablöſung.

Freiburg 1831. Deſſelben Sendſchreiben an v. Rotteck aus Anlaß ſeiner

Motion c. ibid. eod. Einige Bedenken gegen Abſchaffung aller Zehnten. Freiburg

1831. v. Alten, Widerlegung der Gründe, welche der Aufhebung ...... der

Zehnten unterlegt worden ſind c. Hannover 1833. Verhandl. der Bad. I. Kammer

von 1831. Heft V. 50 (Fürſt v. Löwenſtein); von 1833 Bd. I. 251. 326. V. 2.

Beil. Bd. I. 9. 227. III. 85. 352. IV 217 (Theilweiſe auch dagegen).

⁵⁾ Für die Beibehaltung wird angeführt: der Vortheil der müheloſen Ver-

größerung der Zehnteinnahmen, die Unmöglichkeit der Rückſtände, die Verhältniß-

mäßigkeit dieſer Steuer zur St. Fähigkeit des Pflichtigen, die Annehmlichkeit der

Naturalſteuern für den Bauern, und die Nachtheile, die durch die Ablöſung für

Kirche, Schulen, Stiftungen u. dgl. hervorgehen könnten, indem dieſe ſtatt eines

Antheils an den Producten unzerſtörbarer Naturkraft ein im Werthe wandelbares

Geldcapital bekommen. Die Widerlegung dieſer Punkte und der Beweis ihrer ge-

ringern Bedeutung in Vergleich mit obigen Rückſichten fällt nicht ſchwer.

⁶⁾ S. §. 7. N. 8. §. 11. N. 7. §. 18. Benſen, Materialien z. Polizei ....

Praxis I. 303. Floret, Verhandl. der Heſſ. Ständeverſ. von 1820 und 1821

(Gießen 1822). S. 283. Verhandl. der Bad. II. Kammer von 1819. IV. 8. von

1831 Heft VI. 92. II. 5. Beil. Heft II. 117. XII 1. 277. Der I. Kammer Beil.

Heft I. 156. Heft I. 308. Beil. Heft I. 288 IV 239. Weſtfeld, Ueber Ab-

ſchaffung des Herrendienſtes. Lemgo 1773. Gedanken von Abſtellung der Natural-

dienſte. Gött. 1777. Wichmann, Ueber die Mittel, Frohndienſte aufzuheben. 1795.

Nicolai, Ueber Hofdienſte und deren Abſchaffung. Berlin 1799. Mayer, Ueber

Herrendienſte und deren Aufhebung. Celle 1803. Hüllmann, hiſtor. und ſtaats-

wiſſenſch. Unterſ. der Naturaldienſte Berlin 1803. Ebel, Ueber den Urſprung der

Frohnen. Gießen 1823. Block Mittheil. III. (1834) S. 423.

⁷⁾ Dagegen v. Soden Nat. Oeconom. VI. §. 131: der Bauer leiſte lieber

und leichter die Dienſte; die Gutsherrn kämen in ſchwach bevölkerten Gegenden

wegen Mangel an Taglöhnern in Verlegenheit. Allein dieſes Beſorgniß iſt zu ha-

ben, wenn es gegründet ſein ſollte, und jenes iſt nicht immer, ſondern ſelten der

Fall und die Bauern werden auch nicht gezwungen, ausgenommen, wenn die Ab-

löſung noch von der Einwilligung der Minderzahl abhängt.

⁸⁾ Dieſe verſchiedenen gutsherrlichen Laſten können auf vier Arten abgelöſet

werden, nämlich: a) Abkauf durch Bezahlung des Capitalwerthes in Geld,

eine ſchnelle Methode, gut bei kleinen Beträgen, aber ſchwer ausführbar bei großen

Capitalien und deßhalb am wenigſten zu gebieten. b) Abkauf durch Abtretung

von Grundeigenthum deſſelben Ertrages oder Capitalwerthes, anwendbar,

wann die Bauern genug Land beſitzen und eine Arrondirung möglich iſt. c) Ent-

richtung einer gleichförmigen ewigen Rente, ſehr bequem, der bisherigen Leiſtung,

ohne ihre Fehler zu haben, analog, dem Berechtigten entſprechend, wenn ſie ſich ſo

viel als möglich an den Durchſchnittspreis und jeweiligen Marktpreis, alſo auch an

den Erwachs anſchließt, weßhalb eine unveränderliche Naturalrente, eine ſolche

Geldrente und eine Geldrente nach dem Durchſchnittspreiſe der nächſt vorherigen

Periode als ungleich drückend, und bald die eine bald die andere Parthie beein-

trächtigend erſcheint und nur eine aus dem Durchſchnittspreiſe zwiſchen dem jewei-

ligen Markt- und mehrjährigen Durchſchnittspreiſe beſtehende jährliche veränder-

liche Rente am billigſten iſt. d) Entrichtung einer Zeitrente, nach deren

Ablaufe Capital und Zinſen getilgt ſind. Die Regirung kann die Wahl der

Methoden frei ſtellen (wie in Preußen); ſie kann auch eine Tilgkaſſe zum Behufe

der Leitung der Geſchäfte errichten (wie in Baden); ſie ernennt Behörden zur

Regulirung und Ausgleichung. Ob ſie Beiträge aus der Staatskaſſe dazu geben

ſoll und darf, iſt keine Frage des Rechts, ſondern der Billigkeit.

[663/0685]

§. 464.

C. Servitute. D. Gebundenheit der Güter. E. Zurundung

derſelben. F. Gemeinheitstheilung.

Es gehören ferner hierher:

C. Die Servitute, insbeſondere die Weideſervitute, d. h.

die Laſt eines Feldes, daß ein Anderer mit ſeinem Vieh darauf zu

gewiſſen Zeiten Weide halten darf (§. 183.). Sie hindern den

Eigenthümer oder Beſitzer in der beliebigen Bewirthſchaftung des

Gutes und tragen viel zur Verderbung der Pflanzungen bei. Es

iſt daher mit einer bloßen Regulirung nicht viel gethan, ſondern

ihre Abſchaffung iſt unerläßlich. Die Schätzung des Capitalwer-

thes der Weidegerechtigkeit geſchieht entweder nach allgemeinen

Ertragsklaſſen, oder nach der Anzahl von Vieh, das darauf

Nahrung findet und nach der Länge der Weidezeit (§. 463. N. 8.)1).

D. Die Gebundenheit der Landgüter, d. h. derjenige

Zuſtand, kraft deſſen ſie nach Staats- oder Familiengeſetzen nicht

getheilt, ſondern nur als Ganzes verkauft und vererbt oder ver-

ſchenkt werden dürfen, weil man glaubt, daß eine Verkleinerung

derſelben dem Staate oder der Familie nachtheilig ſei2). Es iſt

oben (§. 432. N. 1.) gezeigt, welche Vortheile die mittleren und

kleinen Landgüter vor großen in der Volkswirthſchaft gewähren.

Läßt der Staat dem Gewerbsbetriebe freien Lauf, führt er keine

Beſteuerung des Bodens ein, die den kleineren Grundeigenthümern

unerſchwinglich iſt, und hütet ſich derſelbe überhaupt vor Maaß-

regeln, welche den mittleren und kleineren Bauern Laſten auf-

legen, die ſie nicht wohl tragen können, ſo wird die Theilung des

Grundeigenthums ihren regelmäßigen Gang gehen, und die Bevöl-

kerung muß ſich darnach einrichten. Ebenſo wird der ackerbauende

Theil der Nation auf die Erhaltung größerer Landgüter von ſelbſt

verfallen, wenn es ihr zuträglich erſcheint. Die Feſtſetzung eines

Minimums oder Maximums iſt deßhalb nicht weniger verwerflich,

als Geſetze, welche der einen oder andern Klaſſe den Ankauf oder

Verkauf von Grund und Boden ganz verbieten; denn ſie ſind Ein-

griffe in die Privatrechte ohne Noth und müſſen bald da bald dort

den Privatintereſſen entgegen ſein3).

E. Die Zurundung der Landgüter (Arrondirung). Die

Vortheile der zuſammen in einer Fläche neben einander liegenden

Grundſtücke für den Landwirth ſind anerkannt und leicht einzu-

ſehen, weil die Nachtheile des Gegentheiles klar erſcheinen. Die

Bewirkung einer ſolchen Zuſammenlegung (auch Ackerumſatz,

Schiftung genannt) iſt daher ein ſehr wohlthätiges, aber an ſich,

[664/0686]

wegen vieler Folgen und wegen mancher Vorurtheile ſchwieriges

Geſchäft4). Wo Wieſen, Weiden und Aecker in verſchiedener

Lage vorkommen, da kann ſie auch jedesmal nur jede dieſer drei

Klaſſen beſonders treffen; faſt unmöglich wird ſie oft, wenn es in

der Gemarkung recht verſchiedene Bodenklaſſen hat. Nur die Mi-

norität einer Gemeinde kann, wenn ſie dagegen iſt, zur Theilnahme

an der von der Majorität beſchloſſenen Maaßregel gezwungen werden.

Es folgt dann Klaſſifizirung der Flur, Schätzung der Grundſtücke

der Einzelnen, geometriſche Flurtheilung, Vertauſchung, zuweilen

mit baaren Ausgleichungen, Verlegung der Wohnungen und Er-

neuerung der Unterpfandsbücher auf einander, nach obrigkeitlich

geprüften und genehmigten Planen5).

F. Die Gemeinheitstheilungen, d. h. zum Theile Auf-

hebung gegenſeitiger Weideſervitute der Gemeindeglieder (engl.

Enclosure, Einhängung), zum Theile die Vertheilung der Gemein-

degüter, beſonders der öden Gemeindeweiden unter die Gemeinde-

glieder (§. 388. B., wo die Vor- und Nachtheile derſelben ver-

glichen ſind)6). Es iſt nicht das Intereſſe der großen Viehbeſitzer,

beſonders der Schaafzüchter, welches der Ausführung dieſer Maaß-

regel Hinderniſſe in den Weg legt, denn dieſe können bei der Thei-

lung durch Einrichtung einer Weidearrondirung befriedigt werden;

ſondern vielmehr der Streit über den Theilungsmaaßſtab hat viele

Hinderniſſe verurſacht. Es iſt zum Wundern, daß man, wohl blos

zufolge des Spieles der Partheien, den allernatürlichſten und rück-

ſichtslos gerechteſten Theilungsmaaßſtab, nämlich 1) das rechtliche

Verhältniß der Bürger zur Gemeinde nicht überall annahm, da er

doch mit dem Nutzungsrechte genau zuſammenfällt und die bisherige

Nutzung keinen gerechten Theilungsgrund abgeben kann, ſo billig

es auch ſcheint, der Reicheren wegen eine ungleiche Vertheilung

vorzunehmen7). In der That beruhen die noch übrigen vorge-

ſchlagenen und zum Theile auch angewendeten Maaßſtäbe blos auf

der letzteren Maxime. Sie ſind folgende: 2) der Viehſtand der

Intereſſenten, — jeweilig etwas Zufälliges und im Durchſchnitte

ſchwer zu ermitteln; 3) der Durchwinterungsmaaßſtab, d. h. die

Menge von Vieh, welches der Berechtigte nach ſeinem eigenen zu

ſchätzenden Futtererwachſe durchwintern kann, — erſchwert durch

die Klaſſifizirung, Meſſung und Ertragsſchätzung der Felder eines

Jeden, und für grundbeſitzloſe Bürger unbrauchbar; 4) die Größe

des Grundbeſitzes, — ohne Klaſſifizirung nicht brauchbar, als Er-

tragsmaaßſtab wegen des Capitals und der Arbeit unzureichend;

5) die Beiträge zu den Gemeindebedürfniſſen, — nicht ausführbar,

wegen der verſchiedenen Arten von Steuern8).

[665/0687]

¹ Block Mittheil. III. (1834) S. 406.

² Mohl Polizeiw. II. 22. 55. Lange, Abhandl. über d. Zerſchlag. der ....

Bauerngüter. Baireuth 1778. Cella, Von Zerſchlag. der B. G. Anſpach 1795.

Der Bauernſtand polit. betrachtet. Berlin 1810. Stüve a. a. O. u. Rau a. a. O.

ſind für die Theilbarkeit, aber nicht unbedingt. Aber unbedingt dafür ſind: Au-

tenrieth, Vertheid. der uneingeſchränkten Vertrennung der B. G. Stuttg. 1779.

Waldeck, Ueber Unzertrennlichkeit der B. G. Gießen 1784. Winckler, Ueber

willkürliche Verklein. der B. G. Leipzig 1794. v. H. Ueber d. Vereinzeln der

Güter. Leipzig 1799. Ueber Güterzertrümmerung und Grundſtückhandel. Erlangen

1816. Weckherlin, Ueber die willkürliche Zertrennung der B. G. in Würtemb.

Stuttg. 1818. Gebhard, Bemerkungen zu v. Soden's Schrift: Der Bairiſche

Landtag vom J. 1819. Erlangen 1822. Morel de Vindé sur le Morcellement de

la propiété territoriale en France. Paris 1822. Hartmann, Ueber Theilung des

Bodens. Hamm 1823. v. Ulmenſtein, Ueber unbeſchränkte Theilbarkeit des

Bodens. Berlin 1827. Schnitzer, Ueber freizugebende Zerſtück. der B. Güter.

Tübingen 1833. Lips, Deutſchlands Nationalöconomie. S. 236. Rudhart,

Zuſtand des Kr. Baiern. I. 228. Edinburgh Review N. 115. April 1833. p. 20.

Dagegen ſind: Meerwein, Ueber den Schaden ... einer willkürlichen Verklei-

nerung der B. G. ..... Carlsruhe 1798. Hagen, Ueber das Agrargeſetz. Kö-

nigsberg 1814. Ueber das Zerſchlagen der Bauern- und größeren Landgüter.

Nürnberg 1819.

³ Die Nothwendigkeit ſolcher Geſetze rührt nur von andern Fehlern der

Staatsverwaltung und Geſetzgebung her. Man mahlt die Folgen zu kleinen Grund-

beſitzes in einem Lande gewöhnlich recht aus, ohne zu fragen, ob es ſo weit mit

der Theilung kommen könne; auch führt man die Feſtigkeit der Verfaſſung durch

große Grundeigenthümer an, ſo wie eine Menge von vortheilhaften Einrichtungen,

welche bei zerkleinertem Grundeigenthume nicht ſo gut, wie bei großen Gütern,

ausführbar ſeien u. dgl. mehr. Allein dergleichen Einwendungen ſind nicht ſchwer

zu entkräften. Die Majorate und die Anhäufung des Grundeigenthums in todter

Hand (Corporationen, Stiftungen, Klöſter etc) ſind Folge von fehlerhaften Staats-

maximen. Sie ſind indirect ſo viel als möglich zu verhüten, z. B. durch Verſagung

aller Steuerfreiheit, Aufhebung der Lehns- und grundherrlichen Verhältniſſe, Be-

ſchränkung der Klöſter, Gleichheit vor den Gerichten u. dgl. mehr. Nur wo der

daraus entſtehende Schaden ſchon gefühlt wird, kann man direct dergleichen verbieten.

Gegen zu große Zerſtückelung wirkt z. B. polizeiliche Aufſicht auf das Heirathen,

geſetzliches Erforderniß beſtimmten Vermögens in Grund und Boden, oder im

Gewerksweſen, um in die Gemeinde aufgenommen zu werden, die ſo eben ange-

führten Mittel u. ſ. w.

⁴⁾ Thaer, Annalen der Fortſchr. der Landw. III. 612. Gebhard, Ueber

Güterarrondirung. München 1817. v. Hazzi, Ueber Güterarrondirung. München

1818. Svaeth, Praxis der Güteranordnung. Nürnberg 1819.

⁵⁾ Die Verlegung der Wohnungen hat Schwierigkeit, und ohne dieſe hat die

Arrondirung Hinderniſſe.

⁶⁾ sartorius de justa in distrib. bonis communibus .... servanda propor-

tione. Wirceb. 1791. Gavard, Betrachtungen über ..... Vertheilung der

Gemeinheitsgüter. Frankf. 1793. Bergius, Neues Magazin. III. 5 (Auszug aus

noch älteren Werken). Meyer, Ueber Gemeinheitstheilung. Celle 1801–1805.

III Bde. Goenner, Ueber .... Vertheilung der G. Weiden. Landshut 1803.

Jacobi, Beſchäftigung mit G. Theilung. Hannover 1803. Niemeyer, Anleit.

zum Verfahren in Gemeinheitstheilungsſachen. Hannover 1808. Burger und

Schachermaier, Ueber Zertheil. der G. Weiden. Peſth 1818. Klebe, Grundſ.

der G. Theilung. Berlin 1821. Krauſe, Ueber Gemeinheitstheilung. S. §.

216. Note 1.

⁷⁾ Die Anſicht von Rau II. §. 92., daß es nicht rathſam ſei, die Gering-

begüterten ſo zu begünſtigen, während die größeren Landwirthe nicht einmal für

ihren bisherigen Genuß entſchädigt, ſondern genöthigt werden, Futter zu kaufen

oder den Anbau verkäuflicher Früchte einzuſchränken, um ſo viel Vieh, als bisher,

zu ernähren, bewirkt daher in der That aus Streben nach Gerechtigkeit und Bil-

ligkeit das platte Gegentheil. Blos das Recht darf hier entſcheiden.

[666/0688]

⁸⁾ Uebrigens ſpricht Rau's Grund (§. 91.), daß die Gemeindeweiden nicht

das geſammte Gemeindevermögen und die andern Gemeindegüter nach andern

Maaßſtäben zu vertheilen ſeien, nicht gegen dieſen Maaßſtab Eine Combination

dieſer verſchiedenen Maaßſtäbe, wie ſie Rau (§. 93.) vorſchlägt, iſt ganz unnöthig.

Ebenſo iſt das Auflegen eines Bodenzinſes (§. 94) ſchädlich.

§. 465.

G. Kredit- und Verſicherungsanſtalten. H. Vereine.

I. Unterrichtsanſtalten.

Endlich ſind noch hierher zu rechnen:

G. Die Verſicherungs- und Kreditanſtalten. Wegen

den Erſteren iſt ſchon oben das Nöthige berührt (§. 455. 456. L. a.).

Von ſehr großer Bedeutung ſind aber die Letzteren, d. h. Anſtalten

(Kaſſen, Inſtitute, Vereine), in welchen die durch Mißverhältniſſe

irgend einer Art, beſonders aber durch zu wohlfeile Preiſe der

Producte, die mit den Capitalauslagen in Mißverhältniß ſtehen

und den landmänniſchen Kredit ſchwächen, bedrückten Grundeigen-

thümer zu billigen Bedingungen Capital aufnehmen können1). Der

Kreditverein tritt in's Mittel zwiſchen den Grundeigenthümern und

Capitaliſten, ſtellt in ſeinem Namen den Capitaliſten die Schuld-

briefe aus und haftet mit dem Geſammtbetrage der verpfändeten

Grundſtücke aller einzelnen Mitglieder für Verzinſung und Capital-

zahlung; er läßt ſich von jedem Schuldner eine hypothekariſche

unter ihrem Werthe geſchätzte Grundverſicherung geben, und bezieht

von ihm die Zinſen, darf aber demſelben nicht aufkündigen, wenn

der Capitaliſt vom Vereine ſein Capital verlangt; es ſtehen ihm

gegen nachläſſige Verſäumung der Zinszahlung Zwangsmittel zu

Gebote: derſelbe führt die Geſchäfte und genaue Rechnung, wofür

die Koſten auch aus den Zinſen genommen werden, und hat alſo,

bei gehöriger Beobachtung des Wirthſchaftsganges der Mitglieder,

immer genaue Einſicht in die Verhältniſſe der Letzteren zum Vereine2).

H. Die landwirthſchaftlichen Vereine3). Sie ſind an-

erkannt eines der mächtigſten Mittel, das landwirthſchaftliche Ge-

werbe zu heben. Allein die Erfahrung hat auch gezeigt, daß ſie,

ſchlecht geleitet, oft nicht nur keinen Nutzen, ſondern ſogar Scha-

den brachten. Es iſt bei ihnen nicht mit Muſterwirthſchaften

und Muſtergütern, die ſie als Pachtungen oder als Eigenthum

beſitzen, eben ſo wenig mit großen landwirthſchaftlichen Gär-

ten gethan, in welchen die größte Manchfaltigkeit von Pflanzen

zu finden iſt; ſondern dieſe Vereine müſſen ſich unter den Bauern-

ſtand mengen, Verſuche im Kleinen vormachen, wenn ſie erprobt

ſind, die Bauern der verſchiedenſten Gegenden ermuntern, ſie im

Freien auf größerem Felde nachzumachen, indem man ihnen die

[667/0689]

Saat u. dgl. verabreicht, gedruckte Formularien zur leichten Be-

richterſtattung mitgibt, und für den Fall des unverſchuldeten Miß-

lingens die Uebernahme eines Theiles vom Schaden, aber für den

Fall beſondern Gelingens Prämien zuſagt. Es ſind daher jähr-

liche öffentliche Preisaustheilungen, mit bloßer Rückſicht

auf das praktiſch Wichtige und nicht auf Seltenheiten und Curioſes,

von dem erheblichſten Nutzen. Davon ſind aber Preiſe für popu-

läre Schriften, und eben ſolche Vereinsblätter durchaus nicht

ausgeſchloſſen. Auch ſind es die Vereine, von welchen die Beför-

derung der verſchiedenen landwirthſchaftlichen Zweige im Einzelnen

ausgehen muß und wofür die landwirthſchaftliche Erfahrung die

Leitungsregeln an die Hand gibt.

I. Die landwirthſchaftlichen Unterrichtsanſtalten.

Sie ſind, in ihrer jetzigen Ausdehnung in einzelnen Ländern, zwar

großartig, aber auch nur für die Bildung großer Gutsbeſitzer ein-

gerichtet. In Deutſchland thut aber der Unterricht für die klei-

neren Gutsbeſitzer Noth, und jene Anſtalten werden nutzlos ſein,

ſo lange nicht der Schullehrerſtand einen eigenen paſſenden

landwirthſchaftlichen Curs auf ſeinen Seminarien durchgemacht

haben muß, um den Sontagsſchulen und ländlichen Ge-

werbsſchulen die Landwirthſchaft zu einem Hauptgegenſtande des

Unterrichts zu machen, — und ſo lange in den Städten keine

Gewerbsſchulen, worin auch Landwirthſchaft gelehrt werden

ſoll, beſtehen.

¹ In Schottland vertritt das dortige Bankſyſtem (§. 444. N. 2.) die Stelle

dieſer Kreditanſtalten, weßhalb es ſich daſelbſt für die landwirthſch. Klaſſe äußerſt

vortheilhaft erwieſen hat. S. über ſolche Vereine: Borowsky, Abriß des prakt.

Cameral- und Finanzweſens in den k. preuß. Staaten Frankf. a. d. O. 1805.

3te Ausg. II. 217. Kraus Staatswirthſch. V. 91. Krünitz Oeconom. Encyclop.

Bd. VIII. Art. Creditſyſtem. v. Struenſee Samml. von Aufſätzen. II. 414.

v. Bülow-Cummerow, Ueber Metall- und Papiergeld. Berlin 1824. S. 143.

v. Soden, Nat. Oeconom. II. 439. Deſſen zwei nationalöconom. Ausführungen,

das idealiſche Getreide-Magazin, und die Nazional-Hypotheken Bank Leipz. 1813.

S. 27. Deſſen Entwurf eines allgem. Creditvereins München 1823. Deſſen

Beleuchtung einiger Bedenken, gegen den von Gr. v. Soden entworfenen Plan c.

Nürnberg 1824. Lotz Reviſion. II. 264. §. 162 folg. v. Arretin, Ueber Dar-

ſtellung der Bair. Creditvereinsanſtalt. München 1823. Dagegen: Ueber Credit-

vereine. Baſel 1823. v. Hornthal, Ueber das Anlehnsgeſch. der verein. Bair.

Gutsbeſitzer. Bamberg 1824. Gr. v Arco, Auch ein Wort über Creditvereine.

München 1825. (Ein Preuße) Ueber die Errichtung eines Creditvereins im K.

Baiern. Nürnberg 1825. Fahrmbacher, Entwurf einer Nat. Leihanſtalt.

Landshut 1825.

² Sie befördern aber auch Leichtſinn unter den Landwirthen; es iſt ſchwer,

in den ſchlimmſten Zeiten ſolche Vereine zu halten; ſie können einen großen Druck

auf die Schuldner ausüben; wenn die kleinen Gutsbeſitzer nicht aufgenommen wer-

den, nützen ſie nicht viel; ſie ſind beſonders ſchädlich, wenn ſie nicht die Anleihen

ſelbſt negoziiren, ſondern dies den Mitgliedern überlaſſen, denen ſie die Vereins-

Pfandbriefe gegen Hypotheken übergeben, um ſie an Capitaliſten zu verkaufen, denn

[668/0690]

² dieſe bezahlen ſie dann öfters unter Pari. Dieſen Uebelſtänden kann aber leicht

abgeholfen werden, wenn man im Vereine zugleich einen Tilgplan anlegt, wozu

Beiträge gegeben werden müſſen u. dgl. mehr.

³ S. Kleinſchrod, Ueber die Beförd. Mittel der Agricultur und des Ge-

werbsweſens in Frankreich. München 1829. Bronn, Ueber Zweck und Einrich-

tung landw. Vereine. Heidelberg 1830. Hundeshagen Zeitbedürfniſſe. I. 145.

Zweiter Abſatz.

Die Viehzucht.

§. 466.

Die Beförderung der Viehzucht hängt insbeſondere ab von den

(§. 463. B.) erwähnten Maximen und Anſtalten, inſoweit ſie die

Viehzucht berühren, z. B. Vieh- oder Blutzehnten, Handlohn in

Thieren u. dgl.; ferner die (§. 464.) erörterten Fragen, weil ſie

auf die Letztere von Einfluß ſind; und endlich ebenſo die im vori-

gen §. angeführten Punkte mit Bezug auf Thierzucht. Die land-

wirthſchaftlichen Vereine haben auch hierin einen ſchönen Wirkungs-

kreis; ſie müſſen mit Unterſtützung von Seiten des Staats die

Thierraſſen nach den Regeln der Thierzucht, die oben mitgetheilt

ſind, und durch Ermunterung verſchiedener Art zu verbeſſern ſuchen.

Drittes Stück.

Der Forſtwirthſchaftsbetrieb.

§. 467.

Die Forſte verdienen als die Quellen Eines der nöthigſten Be-

dürfniſſe um ſo mehr die Aufſicht des Staats, als nicht mit der-

ſelben Zuverſicht allgemeinhin erwartet werden kann, daß die Wirth-

ſchaft der Einzelnen mit dem Volksintereſſe dabei in demſelben

Einklange ſein und verbleiben werde, wie bei der Landwirthſchaft

(§. 433.). Die Staatsaufſicht in gewerblicher Beziehung muß

daher ſtets um ſo nothwendiger erſcheinen, je mehr ſich Waldungen

im Privatbeſitze befinden1). Dieſelbe bezieht ſich aber nach der

Natur der Sache auf folgende Punkte:

A. Die Urbarmachungen und Forſtbetrieb. Dieſe ſind

land- und forſtwirthſchaftlich zugleich ſehr wichtig, denn von dem

Verhältniſſe des Feldbodens zum Waldboden hängen die Fortſchritte

der landwirthſchaftlichen Cultur und der Bevölkerung ab, es iſt

nicht gleichgiltig, welcher Boden zu der einen oder andern Cultur

verwendet wird (§. 257.) und die Rodungen haben einen entſchie-

denen Einfluß auf den klimatiſchen Zuſtand, Waſſervorrath und

die Urbarkeit der Länder. Haben ſie in dieſen Beziehungen zu-

[669/0691]

weilen einen günſtigen Einfluß, ſo ſind doch ſchon öfters Erfahrungen

vom Gegentheile gemacht worden. Die Rodungen könnten wegen

beſonderer Privatvortheile ſo häufig und an Stellen, die für Feld-

bau untauglich ſind, vorgenommen werden, daß das Land einem

Holzmangel entgegenginge; anderſeits aber könnte durch Ankäufe

von Grundeigenthum in todte Hände, für welche ſich Forſtwirth-

ſchaft ſehr eignet, ſo viel Feld in Wald umgewandelt werden,

daß die Bevölkerung von daher Schaden erlitte. In den Händen

der Privaten und Gemeinden könnte eine ſo ungeregelte Wald-

wirthſchaft entſtehen, daß für ſpätere Zeit ein empfindliches Miß-

verhältniß zwiſchen Holzbegehr und Angebot bereitet würde. Es

iſt daher nichts natürlicher, als daß der Staat die Rodungen,

Anlage von Waldungen und die Forſtbetriebswirthſchaft nicht in

die Willkühr der Einzelnen, Gemeinden, Corporationen und Stif-

tungen legt, für die beiden Erſteren die Staatserlaubniß, für die

Letzteren aber die Vorlage und Staatsgenehmigung der Betriebs-

plane befiehlt, und, um einen ſchädlichen Einfluß der Forſtbeamten

zu verhüten, genaue Beſtimmungen über die Fälle der Genehmi-

gung und Nichtgenehmigung feſtſetzt2).

B. Die Waldſervitute in der oben (§. 260. 5.) angegebenen

verſchiedenen Ausdehnung. Da ſich manche dieſer Gerechtſame bei

gehöriger Regulirung ohne Schaden mit dem Waldbetriebe ver-

einigen laſſen und dabei der Viehzucht in manchen Gegenden durch

Mäſtung, Streu und Gras ein großer Vorſchub geleiſtet wird, ſo

iſt es vor Allem wünſchenswerth, daß ſie wenigſtens in der Aus-

übung geregelt und unter polizeiliche Aufſicht geſtellt werden. In

ſehr vielen Fällen aber wird die Ablöſung beſſer ſein. Man be-

dient ſich dabei, nur nach der Eigenthümlichkeit der Forſtwirth-

ſchaft, derſelben Mittel, wie bei der Ablöſung landwirthſchaftlicher

Servitute3).

C. Die Gebundenheit der Forſte. In dieſer Beziehung

verhält ſich die Forſtwirthſchaft gerade entgegengeſetzt zur Bevöl-

kerung, wie die Landwirthſchaft. Ohne Forſtgründe in großer

Flächenausdehnung iſt ein nachhaltiger, das nöthige Holzquantum

ſichernder, Betrieb des Waldbaues nicht möglich, und die Wahr-

ſcheinlichkeit der regelmäßigen Befriedigung des Holzbedürfniſſes

nimmt in demſelben Verhältniſſe ab, als die Zerſtückelung der

Waldflächen zunimmt. Zudem wird durch letztere die Rodung und

die Anſchaffung von Forſteigenthum den Privaten erleichtert, wäh-

rend durch die Gebundenheit der Waldungen dieſelbe erſchwert

und die Anſammlung von Waldeigenthum in den Händen moraliſcher

Perſonen erleichtert wird. Dieſe muß daher Regel bleiben und

[670/0692]

eine Theilung der Forſte kann ohne Staatserlaubniß nicht Statt

finden, dieſe aber darf ohne genügende Sicherung vor Schaden im

Waldbetriebe nicht ertheilt werden.

D. Die Unterrichtsanſtalten. Es iſt nicht wünſchenswerth,

daß ſich viel Waldbeſitz in Privathänden befinde, ausgenommen in

großen Maſſen. Dies aber iſt ſelten thunlich und mit dem Privat-

intereſſe vereinbar. Aber gerade für die Verwaltung der Staats-,

Gemeinde-, Corporations- und Stiftungswaldungen iſt nichts

Heilſames zu erwarten, wenn es keinen gründlich gebildeten

Forſtbeamtenſtand gibt. Hierzu aber ſind Forſtſchulen unumgänglich

nothwendig4).

Die Staatsaufſicht auf die Jagd beſteht im Wildbann, d. h.

in der ſtrengen Feſthaltung der Jagdregeln durch das Geſetz, we-

gen der Hege- und Jagdzeit.

¹ Pfeil und Hundeshagen oben §. 433. N. 1. Rau polit. Oeconom.

II. §. 153. Mohl Polizeiwiſſ. II. 173. 182. v. Jacob Polizeigeſetzgeb. II. 453.

v. Berg Handbuch. III. 134. v. Soden Nat. Oeconom. I. 109. Murhard,

Ideen über wichtige Gegenſtände aus der Nat. Oeconom. S. 108. Hatzel, Grundſ.

der Forſtpolizei. Heilbronn 1802. Neebauer, das Forſtweſen in Bezug auf den

Staat. München 1805. Herfeldt, Iſt die Forſtwirthſchaft der Privaten ....

zu befreien? Regensburg 1818. Wedekind, Forſtverfaſſung im Geiſte der Zeit.

Leipzig 1821. Müller, Begründung eines allgem. Forſt P. Geſetzes. Nürnb. 1825.

Chaveau Code forestjer. Paris 1827. Krauſe, Ueber die Forſtgeſetzgebung in

Deutſchland. Gotha 1834. Behlen u. Laurop, ſyſtemat. Darſtellung der Forſt-

und Jagdgeſetze der deutſchen Bundesſtaaten, von den älteſten bis auf die neueſten

Zeiten. Carlsruhe IIIr u. Vr Bd. Hadamar IIr Bd. Mannheim Ir Bd. 1827–1833.

² Moreau de Jonnès Recherches sur les changemens produits dans l'Etat

physique des Contrées par la destruction des foréts. Bruxelles 1825. Deutſch.

Tübingen 1828. Castellani Dell' immediata Influenza delle selye sul corso dell'

aqua. Torino 1819 = Heſperus 1825. Nr. 224. Arndt, Ein Wort über Pflege

und Erhaltung des Waldes. Schleswig 1821. Linz, Gränze zwiſchen Feld- und

Waldcultur. Bonn 1821. Niemann Waldberichte. Bd. I. St. 1. S. 3. Kaſt-

hofer, Bemerk. über die Alpenwälder. Aarau 1818. Deſſen Bemerk. auf einer

Alpenreiſe. S. 271 folg. Pfeil, Grundſ. der Forſtwiſſ. I. 180. 206. Reber,

Handbuch des Waldbaues. München 1831. S. 16 folg.

³ S. die Schriften in Note 1. Außerdem: Witzleben, Ueber einige ....

Urſachen des Holzmangels. Frankf. 1800. Hazzi, Aechte Anſichten der Waldungen.

München 1805. Pfeil, Ueber die Befreiung der Wälder von Servituten. Züllichau

1821. Deſſelben Anleitung zur Ablöſung der W. Servituten. Berlin 1828.

Deſſelben Forſtſchutz- und Forſtpolizeilehre. Berlin 1830. S. 232. Hartig,

Beitr. zur Lehre von der Ablöſung der W. Servituten. Berlin 1829. Hundes-

hagen, Ueber Waldweide und W. Streu. Tübingen 1830. Krauſe, Ueber die

Ablöſung der Servituten und Gemeinheiten in den Forſten. Gotha 1833.

⁴⁾ v. Brocken, Gedanken über Errichtung einer Forſtſchule. Hamburg 1792.

Wilcke, Die Bildung des Forſtmannes. Braunſchweig 1801. Orphal, Ueber

Forſt- und Jagdinſtitute. Eiſenach 1805. Medicus, Kann der Unterricht einer

Forſtſchule durch einen Univerſitäts-Unterricht ſurrogirt werden? Landshut 1804.

Pfeil, Ueber forſtliche Bildung und Unterricht. Züllichau 1820. Krutſch, Ueber

forſtliche Bildung. Dresden 1820. Thiriot, Nothwendigkeit der wiſſenſchaftlichen

Ausbildung für den Forſtmann. Gotha 1829. Bronn, Nothwend. der wiſſenſch.

Ausbildung des Forſtmannes. Karlsruhe 1833. Bemerkungen eines Bad. Forſt-

mannes über die Forſtſchule in Karlsruhe. ib. cod.

[671/0693]

Zweites Hauptſtück.

Pflege des Kunſtgewerbsbetriebes.

§. 467.

A. Gewerbsfreiheit.

Der nothwendige Verband der Kunſtgewerbe mit den Urgewer-

ben (§. 434.) und die Vortheile, welche ſie unmittelbar für das

Menſchenleben hervorbringen, machen die Gewerksinduſtrie einer

beſondern Aufmerkſamkeit der Regirung und der bürgerlichen Ge-

ſellſchaft würdig. Sie ſind jedoch auch ſchon überſchätzt worden

und namentlich iſt dies der Grund der verſchiedenen Maaßregeln

des Mercantilſyſtems zur Förderung des Gewerksweſens (§. 397.

N. 3.), als da ſind: Hervorrufen aller möglichen Gewerke, um im

Inlande Alles zu produciren, Begünſtigung durch Privilegien,

Errichtung von Zünften, Vorſchüſſe aus der Staatskaſſe, Prämien

auf die Anlegung neuer Etabliſſements, eigene Etabliſſements auf

Staatskoſten u. ſ. w. Der natürliche Gang der Entwickelung des

Gewerbsweſens zeigt, daß es ſolcher künſtlicher Hervorlockungen

nicht bedarf, weil das Volk in ſolchen Dingen von ſelbſt auf das

Vortheilhafteſte verfällt, und daß dieſelben inſoferne ſchädlich ſind,

als ſie die natürliche Anlage von Arbeit und Capital hemmen, und

oft an die Hervorbringung von Dingen wenden, die man vom

Auslande wohlfeiler und beſſer erhalten kann und folglich das In-

tereſſe der Conſumenten (Urgewerbsleute) jenem der Gewerksleute

aufzuopfern. Es muß auch hier das allgemeine polizeiliche Prin-

zip (§. 438.) feſtgehalten werden. Nach dieſem aber erſtreckt ſich

die Leitung der Gewerke von Seiten des Staats auf folgende

Punkte:

A. Die Gewerbsfreiheit. Dieſe iſt zwar der allgemeinſte

Grundſatz der ganzen Gewerbspolizei, weil ſich nach ihr die Ge-

werbs- und Bevölkerungsverhältniſſe am natürlichſten und zwang-

loſeſten geſtalten. Hier aber muß ſie beſonders erwähnt werden,

weil ſie von jeher in den Kunſtgewerken am wenigſten gehandhabt

wurde, da bei ihnen der Zunftzwang eingeführt iſt (§. 312. 5.).

Es iſt ſehr natürlich, daß das meiſte Große in der Volkswirth-

ſchaft durch Vereinigungen hervorgebracht wird. Die Geſchichte

beſtätigt dies auch auf jedem Blatte, am meiſten aber im Mittel-

alter durch die Handels- und Handwerksgenoſſenſchaften

und die Hanſeverbindungen, und in unſern Zeiten durch die

Actiengeſellſchaften. Der charakteriſtiſche Unterſchied zwiſchen

jenen und den jetzigen Geſellſchaften dieſer Art iſt darin zu finden,

[672/0694]

daß das Ausſchließungsſyſtem im Geiſte der damaligen, das Um-

faſſungs- und Freiheitsſyſtem im Geiſte der jetzigen Zeit liegt.

Es kommt dazu, daß noch jetzt jene Zünfte und Gilden, obſchon

nicht in der alten Schroffheit mit dieſem neuern Gewerbsgeiſte und

mit dieſen freien Geſellſchaften in Concurrenz ſtehen. Allein ſie

ſind mit dem Prinzipe der Verkehrsfreiheit unverträglich und deß-

halb bedeutenden Modificationen zu unterwerfen. Sie hatten bei

ihrer Entſtehung im Mittelalter außer dem Zwecke der politiſchen

Reaction (damals der bedeutendſte, jetzt aber völlig nichtig, aus-

genommen in den momentanen Vereinigungen der Arbeiter unſerer

Zeit), noch die beſondern wirthſchaftlichen der Sicherheit des

Unterhalts der Handwerksklaſſe, der Erhaltung und Erhöhung der

Gewerkskunſt, und den moraliſchen der Pflege der Sittlichkeit und

des Gemeinſinnes der Meiſter, Geſellen und Jungen. Allein ſo

gut auch dieſe Zwecke an und für ſich waren, ſo liegt doch wenig-

ſtens in jetziger Zeit in den dazu angewendeten Mitteln zum Theile

unmittelbarer Schaden, zum Theile aber auch der Fehler, daß ſie

die vorgeſetzten Zwecke nicht ganz erreichen. Denn 1) was die

Sicherheit des Unterhaltes anbelangt, ſo ſpricht gegen die

Zunftſatzungen der Umſtand, daß ſich der Abſatz der Gewerkspro-

ducte aus verſchiedenen Urſachen bei einem Meiſter ſehr erweitern

kann und in Modehandwerken immer erweitert, indem er bei an-

dern ſinkt und ganz verſchwindet, daher auch die Feſtſetzung einer

beſtimmten Meiſterzahl die Sicherheit ihrer Unterhaltung nicht

bewirkt, und, wenn auch vielleicht einmal für die Gegenwart, doch

nicht für die Zukunft. Die Beſchränkungen der Erwerbung des

Meiſterrechtes erreichen wegen der vielen Mißbräuche dabei ihren

Zweck nicht und ſchaden noch inſoferne, als ſie die Concurrenz ver-

mindern, woraus nicht ſelten Verſchlechterung, ſtets aber Ver-

theuerung der Producte hervorgeht. Was 2) die Erhaltung und

Erhöhung der Geſchicklichkeit anbelangt, ſo iſt bei manchen

Gewerken die Lehrzeit zu lang, der Unterricht mangelhaft, die

Behandlung der Lehrlinge ſchlecht, der Gewerbswechſel erſchwert,

die Einführung von Maſchinen gehindert, und das Wandern zwar

nützlich, aber die Prüfung durch das Meiſterſtück unzureichend und

zu viele Partheilichkeit vorherrſchend, ſo daß geſchickte Männer

verdrängt, dagegen viele ungeſchickte zugelaſſen werden. 3) Die

moraliſchen Zwecke ſind ohne Zweifel ſehr gut, allein der er-

wünſchte Gemeinſinn geht in einem verwünſchten Corporationsgeiſt

über und manche Mittel dazu, als Abhaltung der unehelichen

Kinder und Juden vom Handwerke, ſinnloſe und unſittliche Ge-

bräuche der Bruderſchaft, Oppoſitionsgeiſt u. dgl., widerſprechen

[673/0695]

denſelben. Aus dieſen Gründen iſt die Aufhebung, d. h. eine

ſolche Umgeſtaltung der Zünfte nach dem Geiſte der Zeit, daß man

ihnen ihre ſchädlichen Einrichtungen nimmt, rathſam. Man kann

aus ihnen freie Gewerksvereine mit den guten Zunft- und noch

anderen Satzungen machen, wobei die freie Concurrenz Wohlfeil-

heit der Waaren, Erhöhung der Gewerkskunſt durch Nacheiferung

und Güte der Erzeugniſſe bewirkt. Die daher gefürchtete über-

mäßige Beſetzung der Gewerke, nachläſſige Vorbereitung dazu,

Unterdrückung der kleineren Unternehmer (Handwerker) durch die

größeren (Fabrikanten), unchriſtliche Vernachläſſigung des leiblichen

und geiſtigen Wohles der Geſellen und Jungen u. dgl. mehr wird

durch die Concurrenz ſelbſt, durch Beibehaltung der Lehr- und

Wanderjahre, durch ſtrenge Prüfung und durch Gewerbskaſſen u. dgl.

verhütet. Was aber insbeſondere die Unterdrückung der Handwerke

anbelangt, ſo ſind manche derſelben durch Fabriken nicht zu ver-

drängen, es gibt andere Erwerbszweige, die man ergreifen kann,

die Zünfte haben gegen die Unterdrückung der Einzelnen auch nichts

vermocht, die Producentenklaſſe darf nicht auf Koſten der Conſu-

menten ſo bereichert werden und die augenblickliche Arbeitsloſigkeit

Weniger kann nicht die allgemeine Richtſchnur für Staatsmaaß-

regeln geben, die den größten Theil der Bevölkerung in oft ſehr

empfindlichen, Nachtheil bringen. Uebrigens iſt es durchaus un-

klug, ſo veraltete und in die Fugen der bürgerlichen Geſellſchaft

eingeroſtete Schrauben plötzlich und mit Gewalt herauszureißen.

Es ſind vielmehr allmälig mildernde, auflöſende und rüttelnde

Mittel die beſten, weil ſie die entſtehenden Nachtheile für Einzelne

weniger empfindlich machen1).

¹ Literatur: Zur Geſchichte: Wilda, das Gildenweſen im Mittelalter. Halle

1831. Eichhorn, Deutſche Staats- und Rechtsgeſch. II. §. 312. III. §. 432.

Hüllmann, Städteweſen im M. A. I. 315. II. 325. IV. 75. Deſſelben Geſch.

des Urſprungs der Stände. Bd. III. Rau, Ueber das Zunftweſen. Leipzig 1816.

Leuchs, Gewerbe- und Handelsfreiheit. Nürnberg 1827. Für Aufhebung der

Zünfte: A. smith Inquiry. II. 195. 263. say Cours. III. 247. Ueberſ. von v. Th.

III. 193. simonde de sismondi Richesse Commerc II. 250. 274. Encyclop.

méthodique. Art. Finances. Mot. Maîtrises. III. 15. Chaptal De l'Industrie

française. II. 299. Considérations sur le Commerce ...... les Compagnies,

sociétés et Maîtrises. Amsterd. 1758. Campomanes, Von der Unterſtützung der

Induſtrie in Spanien. Aus dem Span. Stuttg. 1778. S. 146. Kraus Staatsw.

II. 46. V. 198. Lotz Handbuch. II. 189. Rau polit. Oeconom. II. §. 178.

Mohl Polizeiwiſſ. II. 228. v. Jacob Polizeigeſetzgeb. II. 420. 507. Mur-

hard, Politik des Handels. S. 192. (Hoffmann) das Intereſſe des Menſchen

und Bürgers bei der beſtehenden Zunftverfaſſ. Königsberg 1803. Maier, Entw.

der Anſichten des Z. Weſens. Augsb. 1814. Niebler, Ueber das Z. Weſen und

die G. Freiheit. Erlangen 1816. Bernoulli, Ueber den nachtheil. Einfluß der

Zünfte. Baſel 1822. Ebers, Ueber Gewerbe. Breslau 1826. Leuchs a. a. O.

S. 94. Peſtalutz, Ueber das Zunft- und Innungsweſen in der Schweitz. Zürich

1829. Bleſſon, Ueber Gewerbs-Ordnungen und G. Freiheit. Berlin 1833.

Baumſtark Encyclopädie. 43

[674/0696]

¹ Bülau, der Staat und die Induſtrie. Leipzig 1834. S. 70. 100. Gegen die

Aufhebung derſelben: (Firnhaber) hiſtor. polit. Betracht. der Innungen. Han-

nover 1782. Mohl und Ortloff, Ueber das Wandern der H. Geſellen. Erlangen

1789. Weiß, Ueber das Z. Weſen. Frankf. 1798. Steingruber, Ueber die

Natur der Gewerbe c. Landsh. 1815. Rau, Ueber das Zunftweſen. Leipzig 1816

(modifizirte ſpäter ſeine Anſicht). v. Langsdorf, Wie kann .... die Z. Ver-

faſſung .... modifizirt werden? Gießen 1817. Tenzel, Wie kann in Teutſch-

land ..... Landshut 1817. Rehfues, Ueber das Zunftweſen. Bonn 1818.

Ziegler, Ueber Gewerbsfreiheit und deren Folgen. Berlin 1819. Schulz, die

Bedeut. der Gewerbe im Staate. Hamm 1824. Stuhlmüller, Verſuch einer

bedingten G. Freiheit. Nürnb. 1825. Gyſt-Schinz, das Zunft- und Innungs-

weſen. Zürich 1831. Beisler, Ueber Gemeindeverf. und G. Weſen. Augsb. 1831.

v. Soden Nat. Oeconom. II. §. 256. VI. 205. Buchholz N. Monatſchrift.

Jahrg. 1825. S. 64. Ueber Zunftweſen auch Verhandl. der Bad. II. Kammer von

1822. V. 78. 149. I. Kammer III. 406. IV. 85. Beil. Z. 134. = Morſtadt

Nationalöconom. 1834. H. IV. 294.

§. 468.

B. Gewerksprivilegien. C. Gewerksvereine. D. Unterrichts-

anſtalten.

Ein fernerer Gegenſtand der Gewerksleitung des Staates ſind:

B. Die Gewerksrechte und Gewerksprivilegien. Wird

in der Gewerksproduction Jemanden ein Privilegium ertheilt, ſo

entſteht dadurch eine Beengung der freien Concurrenz, mehr oder

weniger eine Beeinträchtigung der Rechte Anderer, und ein Nach-

theil für die Conſumenten, welche einen Monopolpreis bezahlen

müſſen. Aus dieſen Gründen iſt das neue ſtaatswirthſchaftliche

Syſtem dem Grundſatze nach gegen ſolche Privilegien. Von dieſem

Grundſatze weichen aber die jetzigen Staaten theilweiſe noch ab,

indem ſie ſich ſelbſt gewiſſe Gewerkszweige, wie z. B. die Münz-,

Pulver-, Salpeter-, Tabakfabrication als Vorrechte vorbehalten

und indem ſie einzelnen Bürgern wenigſtens auf einige Zeit Ge-

werksvorrechte ertheilen. Erſteres geſchieht aus überwiegenden

Gründen der öffentlichen und allgemeinen Sicherheit oder aus

ſtaatsfinanziellen Urſachen, welche in der Finanzwiſſenſchaft näher

zu unterſuchen ſind. Letzteres aber begreift die Geſetze und Privi-

legien gegen den Nachdruck1) und die Erfindungspatente

(Brevets d'invention, Patents of Invention)2). 1) Wollte

man den Nachdruck, als öffentliche Vertheilung des einem Anderen

Gehörigen, mit dem Eigenthumsrechte des Schriftſtellers oder Künſt-

lers an ſeinem geiſtigen Producte als ein Unrecht erklären, ſo würde

man ſich irren, denn dieſes geiſtige Eigenthumsrecht iſt nichts als

die Autorſchaft, die ihm Niemand entziehen kann, und hat er

ſeine Gedanken und Erfindungen veröffentlicht, ſo ſteht Jedem

deren Benutzung zu Gebote. Eben ſo ſehr aber fehlt man in der

Vertheidigung des Nachdrucks von der rechtlichen Seite damit,

[675/0697]

daß das gekaufte Exemplar, als Eigenthum des Käufers, von die-

ſem beliebig vervielfältigt werden dürfe, denn dies, wie jede Hand-

lung, iſt nur dann geſtattet, wenn Niemand dadurch in ſeinen

wohlerworbenen Rechten gekränkt wird. Eine ſolche Kränkung

findet aber beim Nachdrucke Statt, denn der Autor hat ein Recht

auf alle diejenigen Vortheile, welche ihm aus ſeinem Verfaſſer-

eigenthume an ſeinem unter Anwendung von Arbeit hervorgebrachten

Erzeugniſſe im Verkehre erwachſen können. Beſtünde dieſes Recht

nicht, ſo müßte alle nützliche Arbeit unterbleiben. Er kann dieſe

Vortheile an einen Andern abtreten, ſei es als Geſchenk oder gegen

Vergütung. Wer nun aber ein Druckwerk nachdruckt, der kränkt,

da er es ohne Erlaubniß und Entſchädigung des Verfaſſers thut,

denſelben in ſeinen Rechten und, wenn dieſer ſie an einen Verleger

abgetreten hat, dieſen Letzteren, jedenfalls aber beide zugleich,

wenn, wie gewöhnlich, der Verfaſſer ſein Product nicht als Eigen-

thum, ſondern nur Auflagenweiſe an den Verleger gegeben hat.

Deßhalb iſt ein geſetzliches Verbot, Beſtrafung des Nachdrucks

mit und ohne Nennung des Autors oder unter verfälſchtem Au-

tornamen, und Schadenserſatz unumgänglich nothwendig. Wäre

es dies aber auch nicht, ſo erſcheinen Privilegien gegen den Nach-

druck gewerbspolizeilich nicht blos billig, ſondern nöthig, weil nur

dann in Erfindungen, Schriftſtellerei und Kunſt Leiſtungen und

Unternehmungen möglich ſind, wenn der Unternehmer des Erſatzes

ſeiner Auslagen ſammt Gewinn gewiß iſt. Dies iſt aber beim

Nachdrucke nicht möglich, und die Erfahrung zeigt, daß eine Menge

der nützlichſten Entdeckungen deßhalb gar nicht veröffentlicht werden.

Der wahre Begriff der Concurrenz hört auf, wenn die Verbreiter

einer Erfindung, die eine ungeheuere Anzahl ausmachen können,

mit den ſehr ſeltenen Erfindern in gewerblichen Conflickt kommen;

denn ſie kann nur unter den Verbreitern einerſeits, und unter den

Erfindern anderſeits Statt finden. Aus dieſen Gründen zerfallen

die Vertheidigungsgründe des Nachdrucks, als wie: man müſſe

Gewerbsfreiheit, freie Concurrenz geſtatten, und derſelbe befördere

die Verbreitung nützlicher Kenntniſſe, als ganz nichtig in ſich ſelbſt.

Es folgt aber hieraus, daß der Ausdruck Privilegium in dieſen

Fällen ganz ungeeignet iſt, da der Staat keine Concurrenz beengt,

ſondern vielmehr die Erfinder u. dgl. blos gegen die Uebermacht

der Verbreiter in ihren natürlichen Rechten ſchützt. 2) Daſſelbe

gilt auch von den Erfindungspatenten, d. h. von den ſchrift-

lichen Staatsurkunden, welche Einem auf mehrere Jahre, leider

in der Regel nicht ohne hohe Taxen und Gebühren, ſo daß er den

natürlichen Rechtsſchutz erſt noch beſonders theuer erkaufen muß,

43 *

[676/0698]

die ausſchließliche Benutzung einer Erfindung geſetzlich zuſichern,

unter der ausdrücklichen Bedingung, daß nach Ablauf jener Zeit

ſeine Erfindung allgemein benutzt werden könne. Unbekümmert um

die Zweckmäßigkeit der Erfindung ertheilt ſie der Staat nur unter

der Bedingung der Depoſition einer genauen Beſchreibung der Er-

findung an den ſich Meldenden, ſei dies der Erfinder ſelbſt oder ein

Anderer, der das Nutzrecht geſetzlich von jenem erworben hat, und

beſtraft die dem Patente Zuwiderhandelnden und die Erſchleicher

oder Betrüger um Erfindungen, nach geſchehener Anzeige. Die

Beſtimmung der Geltungszeit des Patentes muß vom Patentnehmer

ausgehen, weil er allein berechnen kann, wann ihm ſeine Auslagen

und ſein Gewinnſt erſtattet ſein werden und weil, wenn er ſeine

vielleicht ſehr nützliche Erfindung nicht veröffentlichen wollte, ihn

der Staat nicht dazu zwingen darf3).

C. Gewerksvereine. In ſolche können an jedem Orte die

Zünfte verwandelt werden. Zudem aber ſind Centralvereine noth-

wendig und nützlich, und ihnen zuſammen ſind die verſchiedenen

Ermunterungsmittel, als da ſind, Austheilung von Preiſen, Kunſt-

und Gewerbsausſtellungen, Ankauf und Verloſung der ſchönſten

und werthvollſten Erzeugniſſe auf Actien, Modellſammlungen,

Maſchinen- und Handwerkzeug-Sammlungen, in die Hand zu legen.

D. Unterrichtsmittel. So wie die gelehrte Bildung, ſo

bedarf auch die Gewerksbildung einer Organiſation von Elementar-,

Mittel- und Hochſchulen (ſ. §. 440.).

¹ Gegen den Nachdruck: say Cours. III. 232. Ueberſ. von v. Th. III. 181.

Mohl Polizeiwiſſ. II. 263. Sonſt eine ſehr zahlreiche beſondere Literatur, wor-

unter beſonders bemerkenswerth ſind: Pütter, der Büchernachdruck. Gött. 1774.

Ehlers, Ueber die Zuläſſigkeit des Büchernachdrucks. Leipzig 1784. Kant, Von

der Unrechtmäßigkeit des B. Nachdrucks. (Berl. Monatsſchrift. Jahrg. 1785. H. 5.)

Becker, das Eigenthum an Geiſteswerken. Leipzig 1789. Luden Nemeſis. II.

H. 2. S. 328. Schmidt, der Büchernachdruck. Jena 1822. Neuſtetel, der B.

Nachdruck. Heidelb. 1824. Paulus Rechtsforſchungen. Heidelb. 1824. 1s Heft.

Kramer, die Rechte der Schriftſteller und Verleger. Heidelberg 1827. Elwers

Themis. Bd. I. H. 2. S. 209. Für denſelben: Reimarus, der Bücherverlag.

Hamb. 1773. Deſſelben Erwägung des Verlagsrechts in Anſehung des Nach-

drucks. Hamb. 1792. Knigge, Ueber Büchernachdruck. Hamb. 1792. Krauſe,

Ueb. B. Nachdruck. Stuttg. 1817. Grieſinger, d. Büchernachdruck. Stuttg. 1822.

² say Cours. III. 406. Ueberſ. von v. Th. III. 312. Mac-Culloch Dictio-

nary of Commerce. Deutſche Bearb. I. 633. Lotz Handbuch. II. 118. storch

Cours, Ueberſ. von Rau. III. 159. Rau polit. Oeconom. II 203. Mohl Poli-

zeiwiſſ. II. 276. Murhard, Politik des Handels. S. 201. Renouard Traité des

Brevets d'invention. Paris 1825. Report on the Laws relative to Patents of

Invention, ord. by the House of Commons to be printed. London 1825. Ueber

die franzöſ. Patentgeſetze: Vincens Leg. comm. III. 18.; über die engliſchen:

Godson Treatise on the Laws of Patents. Lond. 1823.; über die amerikaniſchen:

Fessenden Essay on the Laws of Patents. Boston 1810.

³ Der wahre Geſichtspunkt dieſer beiden Geſetzgattungen möchte bisher größ-

tentheils mißkannt worden ſein. Denn die bloße Billigkeitstheorie, welche man in

[677/0699]

³ der Regel zu ihrer Vertheidigung zu Hilfe zieht, iſt eine gefährliche. Auch Mohl

wendet ſie an, namentlich beim Büchernachdrucke, da er keinen Rechtsgrund gegen

denſelben erkennt. Lotz und viele Andere ſtimmen nur mit Mühe für die Erfindungs-

patente, weil ſie dieſelbe für Störungen der freien Concurrenz anſehen.

Drittes Hauptſtück.

Pflege des Umſatzgewerbsbetriebes1).

§. 469.

I. Waaren-, II. Effecten-, III. Geldhandel.

Die Leitung des Handels hat mehr Schwierigkeiten als die

jedes andern Gewerbszweiges. Darum hat man es in manchen

Staaten vorgezogen, in den Haupthandelsplätzen Collegien von frei

gewählten Gliedern des Handelsſtandes (Handelskammern) zum

Behufe der Berathung in beſondern Fällen der Handelsgeſetzgebung

zu bilden. Was aber die verſchiedenen Handelsarten ſelbſt anbe-

langt, ſo bieten ſie ſich in folgenden verſchiedenen Beziehungen als

Gegenſtände der Staats- und Volksſorge dar:

I. Der Waarenhandel kann 1) ohne gute und gleiche

Maaße und Gewichte nicht gedeihen (§. 323. 324. 453.). Der

Staat muß daher für ein bequemes, wenigſtens im Lande gleich-

förmiges, und unveränderliches Maaß- und Gewichtsſyſtem Sorge

tragen, deßhalb die Urmaaße von einer feſten Größe nehmen und

ſorgſam aufbewahren. 2) Das Zunftweſen iſt beim Handel noch

mehr zu verwerfen, als bei den Gewerken, weil es mehr oder we-

niger ein Monopol begründet. 3) Die Monopolien aber ſind

verwerflich, da ſie die Monopoliſten auf Koſten der Conſumenten

begünſtigen, die Handelsbetriebsgeſchäfte lähmen, den Gewerbseifer

unterdrücken, und die größere volkswirthſchaftliche Vortheilhaftigkeit

eines Handelsgeſchäftes wegen Verbots der Concurrenz verhindern.

II. Der Effectenhandel iſt ſchon ſeit mehr als hundert

Jahren der Aufmerkſamkeit der Regirung im höchſten Grade wür-

dig. Denn, während er für ſich einerſeits der nützlichen Beſchäf-

tigung viele Hände und Capitalien entzieht, iſt er wegen der in

ihm Statt findenden übertriebenen Speculationen äußerſt häufig

der Grund nicht blos wirthſchaftlicher und geiſtiger Zerrüttung

Einzelner, ſondern ganzer Familien (§. 348–350.). Man mag

über die rechtliche Natur der Papiergeſchäfte beliebiger Meinung

ſein2), ſo bleibt ſo viel gewiß, daß es der Staat nicht ungeſtraft

dulden ſollte, wie einige Wenige blos aus ihrem Privatintereſſe

Intriguen, auch der ſchändlichſten Art, zu Hilfe nehmen und, in-

dem ſie den Curs der Papiere heben oder herabdrücken, Tauſende

in Verluſt und Armuth verſetzen.

[678/0700]

III. Der Geldhandel, größtentheils Folge der Lebhaftigkeit

der andern Handelsarten, bedarf keiner andern Aufſicht, als jener

auf ein gutes Münzweſen.

¹ Dieſes Hauptſtück iſt das letzte dieſer Abtheilung. Denn die Sorge für die

Dienſtgewerbe fällt mit §. 440., und jene für das Leihgeſchäft mit §. 441. in Eins

zuſammen, wenn man die vielen, in anderer Hinſicht auch wichtigen Anſtalten und

Maaßregeln in der Volkswirthſchaft abrechnet. Zur Literatur: Büſch Darſtellung.

Ausg. von Normann. I. 445. Rau polit. Oeconom. II. §. 231. Mohl Poli-

zeiwiſſ. II. 319. v. Jacob Polizeigeſetzgeb. II. 530. Lotz Handbuch. II. 185 folg.

Kraus Staatswirthſch. V. 248. Murhard Politik des Handels. Göttingen 1831.

Meißner Staatshandelswiſſ. Breslau 1804. Mac-Culloch, Ueber Handel und

Handelsfreiheit. Aus dem Engl. von Gambihler. Nürnb. 1834. Deſſen angef.

Dictionary of Commerce. Deutſche Ueberſ. I. 755–855. simonde de sismondi

Rich. commerc. II. 143. Vincens Exposition de la legislation commerciale.

Paris 1821. Condillac Le Commerce et le Gouv. Paris 1795. II Tom. Vital-

Roux sur l'Influence du Gouv. sur le Commerce. Paris 1801. II Tom. Deutſch

von Tritſchler. Dresd. 1806. 2te Aufl. Ferrier Du Gouv. dans ses rapports

avec le Commerce. Paris 1804. S. §. 435. Werden ſpäter nur ausnahmsweiſe

citirt.

² S. die Schriften in der Note 1 des §. 336. und die bei Rau II. §. 316.

erwähnten kl. Schriften.

§. 470.

IV. Einzel-, V. Geſellſchafts-, VI. Binnen- und

VII. Zwiſchenhandel.

IV. Der Einzelhandel bedarf in der Eigenſchaft als Eigen-

handel keiner beſondern Staatsſorge, aber als Commiſſionshandel

bedarf er einer Garantie über die Perſonen und Geſchäftsführung

der Commiſſionaire. Da nun die Mäkler die öffentlichen Commiſ-

ſionaire ſind, ſo iſt eine Mäklerordnung unumgänglich.

V. Der Geſellſchaftshandel oder eine große Handels-

geſellſchaft (§. 352. 3.) hat Alles dasjenige für ſich, was über-

haupt Vereinigungen von Perſonen und Capital zu großen Ge-

werbsunternehmungen für ſich haben, nämlich leichte Betreibung

großer Geſchäfte, Bezug großer Vortheile, bequeme Deckung der

Verluſte, Errichtung großer koſtſpieliger Anſtalten u. dgl. Allein

deßhalb, wie früher geſchah, ſie durch ausſchließliche Privilegien

zu begünſtigen, widerſpricht dem Prinzipe der Gewerbsfreiheit und

der Wirthſchaftspolizei und verurſacht dem Lande alle Nachtheile

der Monopolien (§. 469. I. 3.), und eine Abziehung der Capitalien

und Arbeitskräfte von ihrer natürlichen Anwendung, was natürlich

in manchfacher Hinſicht nachtheilig iſt. Die Geſchäftsverwaltung

bekommt alle Schaden, welche aus der Adminiſtration einer mo-

raliſchen Perſon durch Beamte und Diener verſchiedenen Grades

erwachſen können, nämlich Verſchwendung, Unordnung, Nachläſ-

ſigkeit, aus Mangel an Controle beſonders in fernen Ländern,

[679/0701]

Eigennutz und Bereicherungsſucht der Angeſtellten, Veruntreuung

und große Schulden. Am ſchrecklichſten aber ſind die Folgen für

das Land, in welchem die Geſellſchaft ihre Geſchäfte macht, wenn

ihr auch die Staatsverwaltung deſſelben überlaſſen iſt, denn ihr

letztes Prinzip iſt der Monopolsgeiſt, nach ihm muß ſich alles

Gewerbsweſen erzwungen richten, es tritt rückſichtsloſe Ausſaugung

durch Naturalabgaben und Geldſteuern an die Stelle eines erträg-

lichen Steuerſyſtems, Willkühr an die Stelle der Gerechtigkeit in

der Gerichts- und Polizeipflege, Vernachläſſigung der geiſtlichen

und ſittlichen Cultur der Unterthanen folgt von ſelbſt und im

Gefolge von dieſen Verhältniſſen alles wirthſchaftliche und häus-

liche Elend bis zu häufigen Hungersnöthen und verheerenden Krank-

heiten1). Dies hat die Erfahrung bewährt und mit Recht iſt man

gegen das Ertheilen ſolcher Privilegien jetzt in hohem Grade ab-

geneigt. Thun ſich Handelsgeſellſchaften von freien Stücken auf,

ſo wird ihnen der Staat nach Prüfung der Statuten und mit

Erhaltung völliger Handelsfreiheit ſeine Genehmigung nicht ver-

ſagen können.

VI. Der Binnenhandel iſt hier als Klein- und Großhandel

zu betrachten. Wenn derſelbe gedeihen ſoll, ſo iſt die Errichtung

von Wochen- und Jahrmärkten und die Aufhebung aller

Binnenzölle und Abſchließungen zwiſchen Provinzen in jedem

Lande nöthig. Die Meſſen und Börſen mit eigenen Meſſen-

und Börſenordnungen ſind nur in größeren Handelsſtaaten und

Handelsſtädten erforderlich. Ein lebhafter Binnenhandel mit er-

leichterter Communication macht ſie durchaus weniger weſentlich.

Eine beſondere Aufmerkſamkeit der Regirung erheiſcht der Trödel-

und Hauſirhandel gegenüber dem Kramhandel, allein weit

mehr in ſicherheitspolizeilicher als gewerbspolizeilicher Hinſicht

(§. 451.). Denn beide ſind an ſich ſo ehrliche Handelsgeſchäfte

als alle andern, ſie verſchaffen der ärmeren Klaſſe ihren Bedarf

an Kleidern u. dgl. wohlfeil, erſparen ihnen die Beziehung von

Märkten und die damit verknüpften Auslagen, befördern (nament-

lich der Trödelhandel) die Sparſamkeit in allen Ständen, und

halten die zu ſchnelle unproductive Conſumtion auf. Der öftere

mehr oder weniger allgemeine Eifer gegen den Hauſirhandel insbe-

ſondere iſt in der Regel Folge des Brodneides der Krämer, weil

der Hauſirer, zufrieden mit geringem Gewerbsgewinne, ſeine Waa-

ren zum Vortheile der Käufer wohlfeiler gibt. Dieſe Vortheile

des Hauſirhandels ſind entſchieden, und am meiſten bei zerſtreuter

Lage der Wohnplätze; die Nachtheile deſſelben in ſicherheitspolizei-

licher Hinſicht ſind blos möglich; derſelbe muß aber von ſelbſt

[680/0702]

verſchwinden, je mehr ſich die Bevölkerung auf dem Lande ver-

dichtet und ſich dann Krämer anſetzen, wie auch die Erfahrung

der letzten paar Jahrzehnte zeigt. Ein Verbot des Hauſirhandels

iſt daher ungerecht, unnütz und dazu noch faſt unausführbar, und

es bleibt die Garantie gegen Sicherheitsſtörung dadurch vermittelſt

des Gebots der Löſung von Hauſirpatenten, aber dann unnach-

ſichtige Strenge gegen die Nichtpatentiſirten das paſſende polizei-

liche Mittel in Betreff deſſelben2). — Für die Kleinhändler bedarf

es keiner weiteren Bildung als des Elementar- und niederen

Gewerbsunterrichts, mit welchem der Lehrling zugleich ſeine

Lehrzeit verbinden kann. Zur Bildung des Großhändlers ſind aber

größere Handelsſchulen nothwendig, weil ſie einen Grad von

Wiſſenſchaftlichkeit erfordert (§. 440.).

VII. Der Zwiſchenhandel iſt begreiflicher Weiſe mit dem

Binnenhandel ſehr nahe verbunden. Für beide, beſonders aber in

einem Lande, das dieſen beſitzt, ſind 1) Poſt-, Fracht- und

Speditionsanſtalten im höchſten Grade vortheilhaft. Allein

der Staat braucht ſich um deren Errichtung nicht zu bekümmern,

weil, wenn ſie ein einträgliches Geſchäft abgeben können, ſich ſchon

von ſelbſt Leute dazu veranlaßt finden. Auffallend iſt es, daß man,

während hierüber in Betreff der beiden Letztern und der Fahrpoſt

kein Zweifel mehr obwaltet, in Betreff der Brief- und Packpoſt

noch das Vorurtheil hat, blos der Staat könne die erforderliche

Garantie gegen Verletzung des Briefgeheimniſſes und wegen der

ſichern Ueberlieferung gewähren, blos er vermöge die Anlage der

Poſtcurſe zu machen und die Verbindung mit dem Auslande zu

erhalten. Einiges Nachdenken zeigt das Gegentheil hiervon. Fer-

nere Mittel zur Hebung des ſehr nützlichen Zwiſchenhandels ſind

2) die Freihäfen, d. h. Häfen, die frei von Einfuhrzöllen ſind;

3) die Niederlagen (Packhöfe, Lagerhäuſer, Entrepôts): 4) die

Privatlager (Entrepôts fietifs), d. h. die Einrichtung, daß

der Kaufmann die eingehenden Waaren in ſein eigenes Lager unter

der Verantwortlichkeit niederlegen darf, daß er, wenn ſie nicht

werden aus dem Lande gehen, den Einfuhrzoll bezahlt. 5) Die

möglichſte Abgabenfreiheit deſſelben, da durch Tranſitozölle

nichts bewirkt, als zum Beſten der Staatskaſſe der Zwiſchenhandel

erſchwert, oder gar zuletzt dem Lande entzogen wird. Bei Anlage

der Straßen- und Brückengelder, Waſſerzölle, Hafengelder u. dgl.

iſt daher der Tranſitohandel ſorgfältig zu bedenken, wenn man aus

finanziellen Gründen ihn nicht ganz frei laſſen kann. Beſtehen

aber Ein- und Ausfuhrzölle und inländiſche Conſumtionsſteuern

für eingehende Waaren, ſo ſind die Tranſitogüter denſelben nicht

[681/0703]

unterworfen. Man hat daher die Rückzölle (Draw-backs),

d. h. die Zurückzahlungen der entrichteten Eingangszölle, wenn

die Güter ganz oder theilweiſe das Land wieder verlaſſen, ange-

ordnet und faſt eben ſo bequem gefunden, wie die genannten Nie-

der- und Privatlager.

¹ Am meiſten hat dieſe die engliſch-oſtindiſche Geſellſchaft bewährt, deren

Privilegium aber a. 1833 durch eine neue Charte gebrochen wurde. S. das Reform-

miniſterium und das reform. Parlament. S. 33. Es ſind viele Streitſchriften in

England deßhalb erſchienen. S. Geſchichtliches und Statiſtiſches darüber bei Rau

polit. Oeconom. II. §. 236 (auch über die anderen Geſellſchaften d. A.). Fix Revue

mensuelle. I. p. 264. Blätter aus der Gegenwart. Jahrg. 1833. Nro. 11 u. 12.

Buchanan in dem, ſeine Zugaben enthaltenden, IV. Bande ſeiner Ausgabe von

A. smith Excurse. XII. p. 208. = Hermes N. XIII. S. 154 folg. A. smith

IV. 18. III. 228. Mac-Culloch Dictionary Deutſche Bearb. II. 390. S. auch

noch Lotz Reviſion. I. 479. Handb. II. 235. simonde de sismondi Rich. com-

merc. II. 299. Mac-Culloch Dictionary. Deutſche Bearb. I. 414. 782. Mur-

hard Politik d. H. S. 250. Mohl Polizeiwiſſ. II. 335. say Cours. IV. 12. 21.

Ueberſ. von v. Th. IV. 9. 16. Ganilh des syst. II. 253.

² Bergius Magazin. Art. Hauſiren. Rüdiger Staatslehre. II. 101.

Benſen Materialien. I. 99. Leuchs Gewerbfreiheit. S. 350. Mac-Culloch

Dictionary. I. 871. Die andern oben angef. Schriften von Rau, Mohl u. ſ. w.

Verhandlungen der II. Bair. Kammer v. J. 1822, der Bad. II. Kammer v. J.

1822, Sitzungsprotocoll der Naſſau. Deput. Verh. v. J. 1822, Verhandlungen der

Darmſtädter II. Kammer v. J. 1831.

§. 471.

VIII. Colonial- und IX. Auswärtiger Handel.

VIII. Der Colonialhandel iſt ſchon im Alterthume von

hoher Bedeutung geweſen. Die Colonien der Phönizier und

Carthager waren aus Handelsintereſſe geſtiftet. Für die Grie-

chen waren ſie mehr eine freiwillige Ableitung der Bevölkerung,

obſchon der Handel damit in Verbindung ſtand. Die Römer ver-

pflanzten in ihre eroberten Ländereien kraft beſtimmter Staats-

beſchlüſſe Inländer, zu kriegeriſchen Zwecken oder zur Verſorgung

Armer und Entfernung Unzufriedener. Der Urſprung der abend-

ländiſchen neueren Colonien liegt im Streben nach Handelsgewinn,

und erſt in der neueſten Zeit haben unſere Staaten angefangen,

Armen- und Verbrechercolonien anzulegen. Der Beſitz fremder

Producte um geringen Preis, das Acclimatiſiren der Erzeugniſſe

anderer Erdtheile, das Monopol des Colonialhandels, hiermit die

Eröffnung von Productions- und Reichthumsquellen, politiſche

Kraft und Anſehen waren die Triebfedern zum Erwerbe von Co-

lonien. Aus dieſen Urſachen entſprang eine Colonialpolitik, welche

das Ausſchließungsſyſtem auf die Spitze trieb, indem aller Handel

der Colonien mit fremden Ländern ſtreng unterſagt und denſelben

gewiſſe Productionszweige ge- und verboten wurden, ſo daß das

[682/0704]

Mutterland allein allen Gewinn aus denſelben zu ziehen und für

ſeine Producte einen vortheilhaften Abſatz zu erhalten ſuchte. Die-

ſes Ausſaugungsſyſtem, verbunden mit unerhörtem Schleichhandel

und ungeheuerem Verwaltungsaufwande ward ſo weit getrieben,

bis endlich Nordamerica den Befreiungskrieg begann und ſiegreich

vollendete. Dieſes welthiſtoriſche Ereigniß machte zuerſt darauf

aufmerkſam, daß die Colonien ein ſehr unſicherer Beſitz ſind, in-

dem mit der Zunahme der Bildung und Selbſtſtändigkeit, mit dem

Gefühle des Beginnes einer Nationalität, und mit dem Steigen

des Reichthums der Drang nach Unabhängigkeit nothwendig in den

Coloniſten von ſelbſt entſtehen muß; und dann zeigte daſſelbe, daß

das Mutterland bei freiem Handel mit den Colonien und möglichſt

ſelbſtſtändiger Verfaſſung und Verwaltung derſelben aus ihnen

einen weit größeren Vortheil bezieht, während es anderſeits alle

Verwaltungskoſten erſpart. Hiernach hat ſich nun die neuere Co-

lonialpolitik ganz zu ändern angefangen1).

IX. Der auswärtige Handel. Dieſer Gewerbszweig iſt

es, in welchen die Staaten von jeher am meiſten fördernd und

hindernd eingegriffen haben. Die verſchiedenſten mercantiliſchen

Einrichtungen beſtehen noch jetzt mit allen den künſtlichen Richtun-

gen, welche ſie in der ganzen Volksinduſtrie hervorgebracht haben.

Eine plötzliche Aufhebung derſelben müßte die größte Verwirrung

und manchfaltiges Elend hervorrufen, weil eine Menge von ge-

ſchehener Arbeit und gemachten Capitalauslagen verloren gehen,

viele Capitalien aus Etabliſſements herausgezogen werden, eine

Menge von Unternehmern in Geſchäfts-, und eine Unzahl von

Arbeitern in Brodloſigkeit gerathen müßten und überhaupt ſämmt-

liche Preisverhältniſſe ſich verändern und Mißverhältniſſe zwiſchen

Bedarf und Anſchaffungsvermögen entſtehen würden. So unver-

nünftig nun eine plötzliche Verwirklichung des Wunſches nach

Handelsfreiheit ſchon in dieſer, und nebenbei erſt noch in ſtaats-

finanzieller Hinſicht ſein würde, ſo ſehr verlangt die Staatsklugheit,

nach den beſondern Staatszuſtänden allmälig durch einen weiſen

Mittelweg dem Ziele der Handelsfreiheit, das übrigens in unſern

Staaten nie verwirklicht werden wird, immer näher zu kommen.

Denn der freie Handel findet nicht blos diejenigen Zweige auf,

worin der einheimiſchen und ausländiſchen Bevölkerung der größte

Dienſt geleiſtet wird, weil der Handelsmann ſich durch die Nach-

frage nach Producten beſtimmen läßt; ſondern er weißt zugleich

der inländiſchen und ausländiſchen Gewerbſamkeit die natürlichſten

und vortheilhafteſten Anlagsarten für Arbeit und Capital am ſicher-

ſten und ungezwungenſten an. Es bedürfen daher folgende Gegen-

[683/0705]

ſtände einer beſondern Aufmerkſamkeit der auswärtigen Handels-

politik: 1) die Ein- und Ausfuhrprämien2) zur Begünſtigung

des Ein- oder Ausfuhrhandels mit gewiſſen Gewerbsproducten, alſo

eigentlich zur Begünſtigung gewiſſer Arten von producirenden Ge-

werben. Können ſolche Gewerbe die Concurrenz des Auslandes

nicht ertragen oder bedürfen ſie, um angefangen zu werden und

beſtehen zu können, ſolcher Begünſtigungen, dann iſt dies ein

ſicheres Zeichen, daß weder Zeit noch Umſtände für ſie ſind. In

dieſem Falle iſt die Bewilligung von Prämien an ſich und als Be-

raubung des größten Theils der Bevölkerung zu Gunſten von

Wenigen, die es dazu auch nicht verdienen, ganz verwerflich, in

jedem andern Falle aber wären ſie es noch mehr. Einmal bewil-

ligte Prämien dürfen aber nicht plötzlich aufgehoben werden, weil

dadurch die auf ſie hin gemachten Etabliſſements bis zum Unter-

gange Noth leiden würden. 2) Die Handelsconſulate in den

Haupthandelsplätzen des Auslandes. Sie ſind ein weſentliches,

äußerſt nützliches Beförderungsmittel des auswärtigen Handels,

als Unterſtützung der inländiſchen Kaufleute an fremden Plätzen

und zum gegenſeitigen Verſtändniſſe der Regirungen in Handels-

ſachen. 3) Die Handelsverträge mit auswärtigen Staaten3).

Bezwecken und bewirken ſie auf irgend eine Art die Erleichterung

und Befreiung des gegenſeitigen Handels, ſo können ſie nur för-

derlich ſein. Haben ſie, wie früher, die Ausſchließung gewiſſer

Artikel oder anderer Länder vom Handel zum Zwecke, ſo ſind ſie

verwerflich. Unter dieſem letzteren Geſichtspunkt kann es aber

nicht gerechnet werden, wenn die Einfuhr von Gegenſtänden, die

zu Regalien gehören, verſagt, von den eingehenden Waaren die

im Lande gewöhnliche Conſumtionsabgabe verlangt, und gewiſſe

bisher durch Einfuhrzölle mercantiliſch geſchützte Gewerbe fernerhin

auch noch durch Eingangsabgaben geſchützt werden4). 4) Die

Ein- und Ausfuhrzölle. Da der erſte Grund des Mercantil-

ſyſtems für die Anlage von ſolchen Zöllen, nämlich die Bewirkung

einer günſtigen Handelsbilanz, auf einer ganz falſchen Anſicht

vom auswärtigen Handel beruht (§. 435. 2), ſo bedarf es hier

keines Beweiſes, daß deßhalb keine Zölle angelegt werden ſollen

und daß, wenn dies geſchieht, das wahre Handelsgleichgewicht ge-

ſtört wird, indem für jede erſchwerte oder verbotene Aus- und

Einfuhr entſprechend eine Ein- und Ausfuhr abnimmt oder ganz

ſtockt. Da ferner der zweite Grund für die Erhebung der Zölle,

nämlich um einen bedeutenden, ja den größten Theil der Staats-

einnahmen aus ihnen zu ziehen, erſt in der Finanzwiſſenſchaft er-

örtert werden kann, ſo bleibt hier nur der dritte Grund derſelben,

[684/0706]

nämlich Schutz und Begünſtigung des inländiſchen Gewerbsweſens

und Leitung der vaterländiſchen Conſumtion hier zu erwägen übrig.

a) Die Ausfuhr von Urproducten wird durch Zölle erſchwert,

entweder um die Kunſtgewerbe, welche ſie verbrauchen, zu begün-

ſtigen (z. B. Wolle, Haare, Flachs, Hanf, Gold und Silber,

andere Metalle, Taback u. ſ. w.) oder aus Furcht vor einem Man-

gel an ſolchen, die zu den gewöhnlichen Bedürfniſſen gehören (z. B.

Vieh, Getreide). Erſteres iſt eine ungerechte Benachtheiligung

der einen Gewerbsklaſſe zum Vortheile der andern, indem dadurch

aus unverhältnißmäßigem Angebote eine bedeutende Erniedrigung

der Preiſe veranlaßt wird, ſo daß nur zwiſchen Verluſt und Ver-

laſſen des betreffenden Urgewerbes die Wahl übrig bleibt, alſo im

günſtigſten Falle eine Mißleitung von Arbeit und Capital erfolgt.

Aus dem zweiten Grunde gingen die Korngeſetze5) hervor. Die

Erſchwerung der Kornausfuhr hat aber jedenfalls die ſo eben an-

gegebenen Folgen für die Gewerke und die genannten Nachtheile

für den Feldbau, welcher im günſtigen Falle dann dem Wieſen-

und Weidenbaue für Erweiterung der Viehzucht weichen muß (wenn

die Viehausfuhr nicht auch erſchwert iſt), ſo daß die beabſichtigte

Wohlfeilheit des Getreides nicht nur nicht erreicht wird, ſondern zu-

folge der erſchwerten Ausfuhr Getreidemangel entſtehen kann. Die-

ſelbe, als Maaſregel gegen Getreidemangel betrachtet, iſt in getreide-

reichen Ländern ganz unnöthig und jedenfalls ſchädlich; in Ländern

von weniger günſtiger Getreideproduction, aber von der Lage und

Beſchaffenheit, daß Getreide leicht eingeführt werden kann, gilt

dies ebenfalls; in Ländern endlich, denen auch dieſe letzte Wohlthat

fehlt, bleibt freilich blos die Wahl zwiſchen Erſchwerung der Korn-

ausfuhr und den oben (§. 459.) erwähnten Mitteln. Ob bei der

Wahl der Erſteren die Kornausfuhr permanent oder blos momentan

und wie ſehr erſchwert werden ſoll, bedarf einer beſondern ſorg-

ſamen Erwägung nach den ſpeziellen Verhältniſſen. Im erſten

Falle wird bei einem gewiſſen Preiſe die Ausfuhr entweder ganz

unterſagt oder ſie bleibt geſtattet, aber der Ausfuhrzoll ſteigt mit

dem Preiſe. b) Die Einfuhr von Urproducten wird erſchwert,

um die Urgewerbe zu begünſtigen. Dies begründet für dieſelben ein

Monopol zum Nachtheile der Conſumenten und der Gewerke, und

erleidet daher alle Einwendungen gegen dieſes (§. 469. 3.). Der

Einfuhrzoll erhöht den Waarenpreis. Wenn die Urproducenten die

Concurrenz der Ausländer nicht ertragen können, ſo kann dies von

Mängeln im Gewerbsbetriebe, von äußern Hinderniſſen oder von

geringer Wirkſamkeit der Natur herrühren, weßhalb man vorerſt

die beiden erſteren Hinderniſſe heben muß, während beim dritten

[685/0707]

Mangel die Frage entſteht, ob die betreffenden Gewerbe wichtig

genug ſind, um einen ſolchen Schutz zu verdienen. Insbeſondere

gehören hierher die Getreideeinfuhrzölle, welche bloß nach

dieſen Sätzen zu beurtheilen ſind. Führt man ſie ein, ſo beſtimmt

man in der Regel, daß der Zoll im Verhältniſſe des Sinkens der

Preiſe ſteigt. Allein alle dieſe künſtlichen Leitungen (a u. b) ſind

mit ſo vielen Schwierigkeiten verbunden und deßhalb ſo ſelten

treffend, daß der natürliche Weg der Handelsfreiheit immer der

vorzüglichere bleiben wird, ſo lange nur irgend andere Mittel zur

Beſeitigung einer Gefahr vorhanden ſind. c) In Anſehung der

Aus- und Einfuhrzölle von Gewerkswaaren gilt gerade das

bisher Geſagte, nur ſtellt ſich das Verhältniß zwiſchen den Kunſt-

und Urgewerben umgekehrt, aber die Conſumenten leiden jedenfalls

auf der einen oder andern Seite. Dient ein Gewerkserzeugniß

einem andern Gewerke wieder als rohes Material, dann wirkt der

Zoll, wie jener auf Urproducte6). Es geht aber aus dieſen

ſämmtlichen Erörterungen hervor, a) daß Handelsfreiheit der na-

türlichſte und nützlichſte Zuſtand der Länder iſt, da die Länder von

der Natur wechſelſeitig ſchon auf einander wegen ihrer eigenthüm-

lichen Erzeugniſſe angewieſen ſind; b) daß das Abhaltungs- oder

Prohibitivſyſtem, d. h. das Verbot aller Einfuhr oder die verbots-

ähnliche Erſchwerung derſelben, mit Ausnahme von Gütern, die

dem innern Gewerbsbetriebe als Rohmaterial dienen, in der Ab-

ſicht, im Lande alle Productionszweige hervorzurufen, ſchon dem

Zwecke nach, dann aber auch wegen ſeiner Koſtſpieligkeit, des

Schleichhandels und der ſchlimmen Folgen auf die Sittlichkeit des

Volkes, durchaus verwerflich iſt (ſ. oben 1 u. 3); c) daß mäßige

ſchützende Zölle, wenn ſie bisher beſtanden, Gewerbe im Lande

hervorgerufen und erhalten haben, noch behalten werden müſſen,

um ſie allmälig, ohne die Unternehmer in plötzlichen Schaden zu

ſetzen, erniedrigend aufzuheben.

¹ A. Smith Inquiry. I. 140 II. 267. III. 92–234. Ueberſ. von Garve.

II. 216. say Cours. III. 411. Ueberſ. von v. Th. III. 315. simonde de sis-

mondi Rich. commerc. II. 329. Nouv. Principes. I. 389. Moreau de Jonnés Le

Commerce du 19 siècle. I 202. Mac-Culloch Dictionary. Deutſche Bearbeit.

I. 358–412. Ganilh des syst. II 293. Will. Ruſſel, Geſch. des gegenwärt.

Streits zwiſchen England und ſeinen Colonien. Aus dem Engl. Leipzig 1780.

Ricardo Principles. p. 427. Mill Elements. p. 208. Torrens On production. p. 228.

² A. smith Inquiry. II. 266. III. 10. Ueberſ. von Garve. II. 342.

Ricardo Principles p. 375. Mill Elements. p. 197. Mac-Culloch, Ueber

Handel. S. 147. Deſſen Dictionary. I. 791. say Cours. III. 397. Ueberſ. von

v. Th. III. 305. Lotz Reviſion. I. 448. Handb. II. 227. Ganilh des syst. II. 261.

³ A. smith Inquiry. III. 72. Ueberſ. von Garve. II. 398. Mac-Cul-

loch, Ueber Handel. S. 152. Deſſen Dictionary. Deutſche Bearb. I. 792–856.

say Cours. III. 387. Ueberſ. von v. Th. III. 298. simonde de sismondi Rich.

[686/0708]

³ commerc. II. 378 Chaptal sur l'industrie franc. II. 238. Rau polit. Oeconom.

II. §. 307. v. Soden Nat. Oeconom. II. 283. VI. 351. Lotz Reviſion. I. 490.

Handb. II. 247. Mohl Polizeiwiſſ. II. 339. Murhard Polit. d. Hand. S. 280.

⁴⁾ Eine, Deutſchland eigenthümliche, aber unter dieſen und den ſpäter anzu-

gebenden Bedingungen der Zollanlage höchſt nützliche Erſcheinung ſind die Zoll-

vereine, insbeſondere der neue preußiſche. Die Anzahl der Monographien über

denſelben macht eine ganze Bibliothek aus. Es würde zu viel Raum koſten, ſie

hier zu nennen.

⁵⁾ A. smith Inquiry. II. 181. III. 12. Ueberſ. von Garve. II. 167. say

Traité d'Econ. polit. Ueberſ. von Morſtadt. I. §. 196. Mill Elements. p. 201.

Ravenstone A few Doubts. p. 405. Lotz Handb. II. 264. v. Soden Nat. Oec.

I. 199. Young polit. Arithmetik. S. 34. Lowe, Ueber den gegenw. Zuſtand

von England. Aus dem Engl. überſ. von Jacob. S. 364. Thaer engl. Landw.

II. Bd. 2te Abthl. S. 114. Rau polit. Oeconom. II. §. 122. Mohl Poliz.

Wiſſ. I. 256. Mac-Culloch Dictionary. Deutſche Bearb. II. 74–117. Spitt-

ler, Vorleſ. über Politik. S. 372. Die Anzahl der Monographien iſt erſtaunlich

groß. Als die wichtigeren ſind folgende zu empfehlen: Reimarus, Von der freien

Aus- und Einfuhr des Getr. Hamb. 1771. Hennings Oeconom. und cameraliſt.

Schriften. Bd. II. Kopenhagen 1787. Reimarus, Freiheit des Getr. Handels.

Frankfurt 1791. Normann, Freih. des G. H. Hamburg 1802 (dagegen; Fiſch-

bach, Wider die Freih. des G. H. Berlin 1805.). Crome, Ueber Ackerbau,

Getreidehandel c. Hildesh. 1808. (v. Schuckmann) Gutachten über G. Ausfuhr-

Verbote. Leipzig 1809. Koch-Sternfeld, Verſ. über Nahrung und Unterhalt.

Salzburg 1813. 2te Aufl. Weinreich, die Getr. Sperren. München 1817.

Häcker, Ueber die Getr. Theurung a. 1816 u. 17. Nürnberg 1818. Knobels-

dorf, Vorſchläge zur Erreichung mittlerer feſtſteh. Getreidepreiſe. Berlin 1824.

v. Soden, Anonariſche Geſetzgebung. Nürnberg 1828 (enthält ein 95 S. langes

Verzeichniß der betreffenden Literatur). Herbert sur la Police des Grains. Berlin

1755. Deutſch von Hall 1756. (Chamousset) Observv. sur la liberté du Com-

merce des Grains. Paris 1759. Dupont De l'exportation et de l'importation des

Grains. Paris 1764. Chamousset Principes sur la lib. etc. Paris 1768. Necker

La legislation ...... des Grains. Paris 1775. Paris sur les meilleurs Moycos

de prévenir la disette des Blés. Paris 1819. Galiani Dialognes sur le Commerce

des Grains. Paris 1770. Deutſch von Beicht. Glogau 1802. = Economisti

italiani. P. mod. T. V. 5 (dagegen: Morcelet Refutation de l'ouvrage sur le

Commerce etc. London 1770). Bandini Discorso economico. = Economisti. P.

mod. T I. p. 162. Paoletti J veri mezzi di render felici la societa, o sia dell'

Annona = Economisti. P. mod. T. XX. 113. 233. Genovesi Lezioni. II. 82.

Carli Del libero Commercio de Grani = Economisti. P. mod. T XIX. 363.

Beccaria Elementi. I. 177. Verri sulle leggi viocolanti nel Commercio dei

Grani = Economisti. P mod. T. XV. 32. Ejusdem Meditazioni. p. 80. D'Arco

Dell' Annona = Economisti. P. mod. T. XXX. 213. Mengotti JI Colbertismo.

p. 251. Cantaluppo Annona o sia piano economico di pubblica sussistenza =

Economisti. P. mod. T. XL. p 7. Caraccioli Riflessioni su l'economia e l'estra-

zione de' frumenti = ibid. p. 203. serofani Memoria sulla libertà del Comm.

dei Grani = ibid. p 259. Nero Discorso sopra la materia frumentaria = Eco-

nomisti. T. XLIX. 9. Gioja Nuovo Prospetto. V. 115. 134. 143. 162. 195.

(Fabroni) Dei provvedimenti annonari. Firenze 1817. ed. 2. Dixom An Inquiry

into the Corn-Laws etc. Edinb. 1796 (Auszug bei Thaer a. a. O.). Campbell

On the ..... Alteration of the C. Ls. Lond. 1814. Jacob Considerations on

the protection required by British Agriculture. Lond. 1814. Ejusdem Report on

the Trade in foreign Corn. London 1826. A secoud Report. London 1828.

Beide deutſch. Aachen 1826. Hamburg 1828. Torrens On the influence of the

external Corn-Trade. London 1820. Ricardo On the protection of Agriculture.

Lond. 1822. Dagegen: Reynolds Observations on Ricardo's Principles etc. Lond.

1822. Whitmore On the state and prospects of Agriculture. London 1822.

Edinburgh Review. 1824 Octob. 1826 septemb. 1834 January. Quarterly Review.

1826 Decemb. 1834. March. Recueil des Precis, relatives à la liberté illimitée

[687/0709]

⁵⁾ du Comm. des Grains. A la Haye 1823. Ueber Handelsfreiheit und Verbotſyſtem

in den Niederlanden, gegründet auf eine Darſtellung des Getreidehandels. Amſterd.

und Leipzig 1828. Humes Vortrag im engl. Unterhauſe am 6. März 1834.

⁶⁾ Ueber dieſe ganze Prohibitiv- und Zollfrage: Für Handelsfreiheit: A.

smith Inquiry. II. 268. 301. 327. say Cours. III. 333–386. Ueberſ. von v. Th.

III. 256–297. simonde de sismondi Rich. Commerc. II. 156. S. oben §. 435.

Note 1. Murhard, Politik des Handels. S. 215. 264. 118–188. Mac-Cul-

loch, Ueber Handel. S. 51. Lotz Handbuch. II. 232. Reviſion. I. 367–448.

Rau polit. Oeconom. II. §. 260. 297. Derſ. in Erſch und Gruber Allgem.

Encyclopädie. Art. Handelsfreiheit. Geier, Charakteriſtik des Handels. S.

113. 137. Mohl Polizeiwiſſ. II. 327. 295. Leuchs, Gew. und H. Freiheit.

S. 249. Weber, Beiträge zur Gewerbs- und Handelskunde. II. 4. III. 7.

v. Jacob P. Geſetzgeb II. 530 folg. Brunner, Was ſind Mauth- und Zoll-

anſtalten c. Nürnberg 1816. Gegen dieſelbe und für Zölle: Büſch, Darſtellung

der Handl. I. 584. Chaptal de l'Industr. franc. II. 412. Moreau de Jonnés Le

Commerce du 19 siècle. I. 126. 330. Stuhlmüller, Verſ. zu d. Entw. eines

...... Zollſyſtems. München 1825. Gans v. Putlitz, Syſtem der Staats-

wirthſch. Leipzig 1826. S. 56. Hopf, Meinungen von der Handelsfreiheit.

Wien 1823. Kaufmann de falsa A. smithii circa bilanciam mercatoriam Theoria.

Heidelb. 1827. Kaufmann Unterſuchungen. 2te Abthl. Bonn 1830. Fränzl,

Ueber Zölle, H. Freiheit und H. Vereine. Wien 1834.

§. 472.

X. Land- und XI. Waſſerhandel.

X. Der Landhandel bedarf, wenn er die für den Volks-

wohlſtand nöthige Blüthe erreichen ſoll, guter Landſtraßen1)

und Brücken2). Ihre Errichtung obliegt, wenn ſie nicht Privat-

unternehmung von Geſellſchaften, wie jetzt allein in England bei

einigen Straßenzügen, ſind, dem Staate und den Gemeinden. Bei

ihrer Anlage iſt von Wichtigkeit ihre Richtung (Trace, Zug),

ihre Bauart, ob Steinwege, oder Pflaſter, oder Eiſenbahnen3),

die Erhaltung in gutem Stande, weßhalb ein Straßenbauperſonale

erfordert wird, und die Hinſtellung verſchiedener Nebenanſtalten an

Straßen, als Weg- und Meilenzeiger, Wehren u. dgl.

XI. Der Waſſerhandel oder die Schifffahrt hängt zu-

nächſt ab 1) von dem Vorhandenſein der natürlichen Waſſer-

ſtraßen, nämlich der Meere mit ihren verſchiedenen Unterſtützungs-

anſtalten, als Leuchtthürmen, Feuertonnen, Baken, Baien, Flag-

gen und Lootſen, Häfen mit eigener Polizei, Deichen, Krahnen

u. dgl., der Flüſſe und Ströme in möglichſt fahrbarem Zuſtande,

mit Leinpfaden, Ueberwinterungshäfen u. dgl.; 2) von der Errich-

tung künſtlicher Waſſerſtraßen oder Kanäle, wo dieſelben

nothwendig oder nützlich, von einem lebhaften Handelszuge begün-

ſtigt, nach der Art des Bodens leicht anzulegen, und gut mit

Waſſer zu verſehen ſind4); 3) von der möglichſten Befreiung der

Schifffahrt von hemmenden Abgaben und Gerechtſamen anliegender

Städte, nämlich Waſſerzöllen5), Stapel- und Umſchlags-

[688/0710]

rechten6). 4) Von der Erhaltung der freien Concurrenz unter

den Schiffern des eigenen Landes und des Auslandes, alſo von

Aufhebung der Schiffergilderechte und Prohibitiv-Schiff-

fahrtsgeſetze7). Endlich 5) von der Errichtung von Seeaſſe-

curanzen, ſtrenger Aſſecuranzrechte und Regulirung des Strand-

rechtes (§. 358.).

¹ Wiebeking, Anl. zur Ausführung der ..... Landſtraßen. Wien 1804.

Schemerl, Anweiſ. zur Entwerfung ..... dauerhafter und bequemer Straßen.

Wien 1807. III Bde. v. Alten, Anl. z. Anleg. der Kunſtſtraßen. Berlin 1816.

v. Langsdorf, Anl. z. Straßen- und Brückenbau. Heidelberg 1817. Cordier

Essais sur la Construction des routes, ponts suspendus etc. extraits de divers

Ouvrages Anglais. Lille 1823. Arnd, der Straßen- und Wegebau. Darmſt. 1827.

Umpfenbach, Theorie des Neubaues ...... der Kunſtſtraßen. Berlin 1830.

Anweiſung zum Bau und zur Unterhaltung der Kunſtſtraßen. Berlin 1834. fol.

(offiziell). (Bequey) statistique des routes de France. Par. 1824. = Moniteur

1824. N. 317. suppl. Mac-Adam Remarks on the present syst. of road-making.

London 1819–1822. VI Auflagen. Deutſch. Darmſtadt 1825. Dupin, Gros-

brittanniens Handelsmacht. I. S. 1. v. Gerſtner Mechanik. I. §. 529. Diction.

techn. V. 138. Rau. II. §. 270. Mohl. II. 343.

² Beſonders hängende oder Kettenbrücken. S. Navier Mém. sur les ponts

suspendus. Paris 1823. seguin Des ponts en fil de fer. Paris 1826. 2e Edit.

Dufour in der Bibl. universelle. sect. sciences et Arts. XXIII. 305. XXXI. 81.

v. Gerſtner Mechanik. I. §. 395. Prechtl, Jahrbücher des polyt. Inſtituts.

V. 306. Dingler polyt. Journal. XX. 316. Ueber Brücken überhaupt: Gauthey

Traité de la Construction des Ponts, publié p. Navier. Paris 1809 et 1813.

II voll. 4. Wiebeking, Beiträge zur Brückenbaukunde. München 1809. 4.

Dict. technolog. XVI. 442. Ueber den Tunnel unter der Themſe von Brunel ſ.

Löhmann, die Fahrſtraße unter dem Waſſer. Leipzig 1825.

³ Cordier I. c. Palmer Description of Rail-ways on a new Principle.

London 1824. stevenson Essays on Rail-roads. Edinb. 1824. v. Gerſtner,

Ueber die Vortheile der Anlage einer Eiſenbahn zwiſchen der Moldau und Donau.

Wien 1824. Ueberſ. von Terquem in den Mémoires sur les grandes routes etc. —

précédé d'une introduction par Girard. Paris 1827. Woad Essay on Rail-roads.

London 1825. sylvester Report of the Rail-roads. Liverpool 1825. Tretgold

Traité sur les chemins en fer. Trad. par Ducerne. Paris 1826. Navier de

l'Etablissement d'un ch. d. f. entre Paris et Havre Paris 1826. v. Bader,

Ueber die Vortheile einer verbeſſerten Bauart von Eiſenbahnen und Wagen. Mün-

chen 1826. Oeynhauſen und Dechen, Ueber Schienenwege in England. Berlin

1829. Moreau und Notré, Beſchreib. .... der Eiſenbahn zwiſchen Liverpool

und Mancheſter. Weimar 1832. Newhouſe, Vorſchlag zur Herſtellung einer

Eiſenbahn .... von Mannheim bis Baſel und an den Bodenſee. Karlsruhe 1833.

vrgl. Rau's Gutachten darüber in der Verhandl. der I. Bad. Kammer v. J. 1833.

Eiſenbahnen, aber keine Dampfwagen. Berlin 1834. Erſter und zweiter Bericht

des E. B. Committé zu Leipzig 1834. A. Kühne, Ueber die Anlegung und Con-

ſtruktion der verſchiedenen Arten von Eiſenbahnen. Quedlinburg und Leipzig 1834.

v. Gerſtner Mechanik. II. §. 552. Prechtl Technolog. Encyclopädie. V. 45.

Dict. technologique. V. 145. Dingler polytechn. Journal. XVI. 120. Prechtl

Jahrb. IV. 99. Mohl II. 351. Rau II. §. 272.

⁴⁾ Mohl II. 361. Rau. II. §. 275. Arnd, die Gewäſſer und der W.

Bau der Binnenländer. Hanau 1831. Georg. hiſtor. Beſchr. der Kanäle. Köln 1802.

Wiebeking, theor. prakt Waſſerbaukunſt. III. 1 (München 1814). IV. 133 (1817).

v. Maillard, Anl. z. Entwurfe und Ausführung ſchiffbarer Canäle. Peſth 1817.

Huerne de Pommeuse Des canaux navigahles. Paris 1822. Girard sur les canaux

et le mode de leur concession. Paris 1824. Cordier Hist. de la navigation in-

térieure, trad. de l'ouvrage anglais de Philipps. Paris 1819. II Tom. Fairbairn

[689/0711]

⁴⁾ Remarks on Canal Navigation. London 1821. = Dingler pol. Journ. XLI. 173.

Düpin, Grosbritt. Handelsmacht. I. 133. v. Gerſtner Mechanik. II. §. 353.

Dingler polytechn. Journal. XXI. 379. Dict. technologique. IV. 115. Mac-

Culloch Dictionary. Deutſche Bearbeitung. I. 311 (Canäle). 450–544 (Docks).

Eine Vergleichung dieſer verſchiedenen Communicationswege iſt nationalöconomiſch

wichtig. S. auch Nadault Consid. sur les trois systémes de Communications.

Paris 1829. Viel Zerſtreutes in Dinglers Journal.

⁵⁾ Und Canal- und Schleußengelder. Ihr Ertrag iſt ſo viel möglich auf die

Erhaltungs- und Erhebungskoſten zu beſchränken, gerade ſo wie die Höhe der

Straßen- und Brückengelder. Für den Binnenhandel ſind ſie wie Binnenzölle, für

den Durchfuhrhandel wie Tranſitzölle zu betrachten. So weit ſind dieſe Zölle und

Gelder gerecht und werden auch billig entrichtet. Die längs eines Flußufers lie-

genden Staaten ſind ſehr dabei intereſſirt, und verſtändigen ſich gemeinſchaftlich über

die Zollſätze, -Plätze, -Erhebung u. dgl. in einem Schifffahrtsvertrage.

⁶⁾ Erſteres iſt das Recht, die paſſirenden Waaren in der Stadt zum Verkaufe

auszuſetzen, das Zweite die Befugniß, die herankommenden Waaren umzuladen und

auf den Fahrzeugen der Schiffergilde zu verfahren.

⁷⁾ Daher keine Navigationsacten, wodurch auswärtigen Schiffen die

Einfuhr fremder Waaren unterſagt oder mit einem Zolle erſchwert iſt. Denn ſie

veranlaſſen in der Regel Retorſion. Rau. II. §. 283. Murhard, Politik

des Handels. S. 257. A. Smith Inquiry. II. 284. III. 158. Lotz Handb. II. 244.

Zweiter Abſchnitt.

Staatswirthſchaftslehre.

Einleitung.

§. 473.

Die Staatswirthſchaftslehre (Finanzwiſſenſchaft) iſt die

Wiſſenſchaft von der Wirthſchaft des Staats (§. 44.), d. h. die

wiſſenſchaftliche Darſtellung der Grundſätze und Maximen, nach

welchen der Staat, gegenüber dem Volke, ſein für ſeine Bedürf-

niſſe nöthiges Einkommen auf eine die Bürgerrechte und den Volks-

wohlſtand am wenigſten gefährdende Weiſe am ſicherſten, vollſtän-

digſten und wenigſt koſtſpieligen erwerben, zu den Zwecken des

Staatshaushaltes am ſicherſten bereit halten und inſoweit verwen-

den ſoll, als die Verwendung in das Gebiet der Wirthſchaft ge-

hört (§. 40. I. N. 2.). An dieſer Wiſſenſchaft hat ſich mehr als

an jeder andern gezeigt, nicht blos wie ſchwer ſich eine ſolche aus

der Praxis hervorbildet, ſondern auch wie unumgänglich dieſer

Entwickelungsgang iſt und wie unpaſſend theoretiſche Erörterungen,

ſogenannte wiſſenſchaftliche Begründungen, ſich im Staatsleben

darſtellen. Dieſelbe iſt vorherrſchend praktiſch und es iſt zu wün-

ſchen, daß ſie ſich immer mehr in dieſer Weiſe befeſtige1). Ein

Blick auf das Alterthum findet zwar keine finanzwiſſenſchaftlichen

Baumſtark Encyclopädie. 44

[690/0712]

Werke, noch weit weniger als über die Volkswirthſchaft, aber es

ſcheint doch auch hier Behutſamkeit nöthig zu ſein, ehe man, wie

bisher aus wiſſenſchaftlichen Gründen geſchah, jenen Staatsmän-

nern ſo geradezu faſt alle finanzielle Einſicht abſpricht. Auch hierin

ging Alles einen rein nationalen Weg, und es ſollte, wenn wir

bei den alten Völkern finanzielle Mißgriffe bemerken, uns zuerſt

die unüberſehbare Menge von Fehlern der ſpäteren Regirungen in

dieſer Beziehung wenigſtens im Urtheile mild machen, wenn wir

auch wirklich das zur Beurtheilung ihrer Finanzſyſteme Nöthige

wüßten2). Was den Weg anbelangt, welchen ihre Finanzgeſchichte

nahm, ſo iſt er von dem der ſpätern Völker nicht verſchieden,

denn auch bei ihnen finden wir ein Dienſt-, Domänen- und Na-

turalabgaben-, Regalien- und Geldſteuerſyſtem auf einander folgen,

aber ſo viel als nur möglich an die Volkscharaktere anſchließen.

In jedem dieſer Syſteme treten bei ihnen dieſelben Verwaltungs-

arten, wie in den ſpäteren abendländiſchen Staaten auf und ein

Blick auf die Steuerſyſteme jener und unſerer ſpäteren Zeiten iſt

wenigſtens in keinem Falle geeignet, unſere Regirungen bei den

weit größeren und manchfaltigeren zu Gebote ſtehenden Hilfsmit-

teln, als ſie die Alten hatten, in ein beſonders glänzendes Licht

zu ſtellen. Was die abendländiſchen neueren Staaten vor den

Alten beſonders hochſtellen ſoll, das iſt der Umſtand, daß dieſelben

aus dem Finanzweſen auch eine Wiſſenſchaft gemacht haben. Wie

dies allmälig geſchah, iſt bereits oben (§. 7 folg.) überſichtlich

gezeigt und es geht daraus hervor, daß erſt mit dem Smith'ſchen

Syſteme (§. 31. 397.) die Finanzwiſſenſchaft beginnt3). Allein

wunderlich muß es immer ſcheinen, daß man an einer ſolchen

Wiſſenſchaft, für welche man geradezu aus der Geſchichte ſchöpfen

muß, wenn etwas wahrhaft praktiſch Erſprießliches geleitet wer-

den ſoll, durch Ausſpinnung der Smith'ſchen Prinzipien fort-

cultivirte, anſtatt, worauf A. Smith ſelbſt genug verweist, ihr

durch eine Bearbeitung der Finanzgeſchichte4) eine praktiſche

feſte Baſis zu geben. Denn die wahre Finanzwiſſenſchaft kann nur

aus der Finanzgeſchichte mit beſtändigem Entgegenhalten der na-

tionalöconomiſchen Prinzipien, aber nicht blos durch das Streben,

dieſe allein in die Finanzwiſſenſchaft überzutragen, welches von

jeher geſcheitert iſt, geſchaffen werden5). Sie bildet mit der

Nationalöconomie und Statiſtik die Haupthilfswiſſenſchaft

für die Finanzverwaltung6), während die philoſophiſche und poſi-

tive Staatswiſſenſchaft und die Gewerbslehre nur die

Linien ziehen, nach welchen die Letztere die finanzwiſſenſchaftlichen

Sätze auszuführen hat.

[691/0713]

¹ Erſt v. Malchus hat dieſe genaue Begränzung des Finanzweſens nach der

Praxis gegeben. Vor ihm wurde Vieles hineingezogen, was nicht dahin gehörte.

Die Finanzwiſſenſchaft iſt daher etwas ganz anderes als die Finanzpolitik eines

Staates, oder das Finanzſyſtem eines F. Miniſters.

² Von den Griechen handelt in dieſer Hinſicht Böckh Staatshaushalt der

Athener. Berlin 1817. II Bde. 8. O. Müller, Heeren in den oben (§. 413.

N. 2. §. 319. §. 132.) erwähnten Werken und Reynier sur l'Economie publ. et

rurale des Grecs. Genéve 1825. p 271–334. Von den Römern dagegen die

zwei, freilich ſehr Vieles zu wünſchen übrig laſſenden, Werke: Voſſe, Grundzüge

des Finanzweſens im röm. Staate. Braunſchw. und Leipzig 1804. II Bde. Hege-

wiſch, hiſtor. Verſuch über das röm. Finanzweſen. Altona 1804., und neuerlich

Schulz, Grundlegung zu einer geſchichtlichen Staatswiſſ. der Römer. S. 205. 458.

603. Das meiſte Weſentliche iſt unerforſcht.

³ Zur Literatur der Finanzwiſſenſchaft gehört: a) Aus der nationalöcono-

miſchen Literatur: A. smith Inquiry. III. 310 sqq. (V. Book) oder Bd. III. der

Garve'ſchen Ueberſetzung. say Traité d'Econom polit. Liv. III. chap. 6–9.

Neue 3te Bearb. von Morſtadt. Bd. III. 119–192. 257–446. Cours d'Econ.

polit. V. 111 sqq. et VI. p. 1–206. Ueberſ. von v. Th. V. 87 folg. VI. 1–159.

Krauſe, Verſ. eines Syſt. der Nat. und Staatsöconomie. IIr Bd. Murhard,

Politik des Handels. S. 293. Lotz, Handbuch der Staatswirthſchaftslehre. IIIr Bd.

Schmalz Staatswirthſchaftslehre. Bd. II. 152 folg. Harl, Handbuch der Staats-

wirthſch. und Finanzwiſſ. IIte Abthlg. b) Aus der ſtaatswiſſ. Literatur: Behr,

Syſtem der angewandten Staatslehre (1810). III. 348. Craig Elements of poli-

tical science. T. III. Deutſche Ueberſ. Leipzig 1816. v. Arretin, Staatsrecht

der conſtitut. Monarchie, fortgeſ. von v. Rotteck. II. 295 (1827). Zachariä,

Vierzig Bücher vom Staate. Bd. V. Abthlg. 2. S. 366. (S. 369–628 von

v. Ekendahl's Staatslehre Bd. II. iſt eine bloße Abſchrift dieſes Vten Bandes,

jedoch ohne Bemerken des Verfs). Pölitz Staatswiſſ. II. 263 folg. (2te Ausg.

1827.) Die jetzt erfolgende Fortſetzung von v. Rottecks Lehrbuch des Vernunft-

rechts und der Staatswiſſenſchaften, nämlich von Bd. III. an, wird auch die Finanz-

wiſſenſchaft enthalten. c) Eigentliche Fachliteratur: v. Juſti, Syſtem des Finanz-

weſens. Halle 1766, blos der Ite Thl. iſt erſchienen. v. Sonnenfels, Grundſätze

der Polizei, Handlung und Finanz. Wien 1te Ausg. 1765. 7te Ausg. 1804, der

IIIte oder letzte Band. (v. Pfeiffer) Grundr. des Finanzweſens. Leipzig 1781.

Jung, Lehre der Finanzwiſſ. Leipzig 1789. Röſſig, die Finanzw. Leipzig 1789.

Stockar von Neuforn, Handbuch der Finanzw. Rothenb. a. d. T. 1807. II Bde.

v. Soden Staatsfinanzwiſſ. Bd. VI. ſeiner Nat. Oecom. Leipzig 1811. v. Jacob

Staatsfinanzwiſſ. Halle 1821. II Bde. (S. Hermes St. 16 [1822]). Behr,

die Lehre von der Wirthſch. des Staats. Leipzig 1822. Fulda, Handbuch der

Finanzw. Tübingen 1827. v. Malchus, Handbuch der Finanzw. und Finanzver-

waltung. Stuttg. 1830. II. (vorzüglich). Schön, Grundſätze der Finanz. Breslau

1832. Rau, Grundſätze der Finanzwiſſ IIIr Bd. der polit. Oecon. Heidelb. 1832.

⁴⁾ Material zu einer Finanzgeſchichte für Deutſchland enthalten die in der

Einleitung oft citirten Schriften. Man hat gerade bei uns äußerſt wenige Quellen;

m. ſ. aber außer den landſtänd. Verhandlungen: J. J. Moſer, Von dem

Reichsſtändiſchen Schuldenweſen. Frankf. und Leipzig 1774. 4. Beitr. z. Finanz-

literatur in den preuß. Staaten. Leipzig 1779. I. Stück. S. 167. v. Mal-

chus, Verwalt. d. Finanzen des K. Weſtphalen. Stuttgart 1814. Ueber Grund-

ſteuer, und Abriß der weſtphäl. Finanzgeſchichte. Ohne Angabe des Verf. und Ver-

lagsortes. 1814. II Bde. Höck, Grundlinien der Kameralpraxis. Tübingen 1819.

Deſſen Materialien zu einer Finanzſtatiſtik der deutſchen Bundesſtaaten. Schmalk.

1823. Borowski, Abriß des prakt. Kameral- und Finanzweſens in den k. preuß.

Staaten. Berlin 1805. 3te Ausg. II Bde. Benzenberg, Preußens Geldhaushalt

und neues Steuerſyſtem. Leipzig 1820. Ueber Preußens Geldhaushalt. Berlin 1821.

Rudhart, Ueber den Zuſtand des K. Baiern. Erlangen 1827. III Bde. v. Boſſe,

Darſtellung des ſtaatsw. Zuſtandes in den deutſchen Bundesſtaaten c. Braunſchw.

1820. Ubbelohde, Ueber die Finanzen des Kr. Hannover und deren Verwaltung.

Hannover 1834. Hofmann, Beiträge zur wahren Kenntniß der Geſetzgeb. und

Verwaltung des Gr. Heſſen. Gießen 1832. Für Frankreich die verſchiedenen

44 *

[692/0714]

⁴⁾ Memoiren aus der franz. Geſchichte, de Forbonnais Recherches et Considérations

sur les Finances de la France depuis 1595–1721. Bále 1758. II Tom. 4°.

Liége 1758. VI. 8°. (ſehr gut). Arnould Hist. générale des Finances de la

France. Paris 1806. 4. (ſehr kurz). (de Monthion) Particularités et Observations

sur les Ministres des Finances de la France les plus célébresdepuis1660–1791.

Paris 1812 (ſehr gut). Ganilh Essai polit. sur le Revenu publie. Paris 1806.

II Tom. (auch engliſche Finanzen, aber leichte Arbeit). Bresson Histoire financiére

de la France. Paris 1828. II T. (erbärmlich, obſchon Plagiat aus Forbonnais und

Monthion). Bailly Hist. financiére de la France. Paris 1830. II T. (bis 1786).

Necker De l'Administration des Finances. .... Paris 1785. III T. Encyclop.

méthodique. Art. Finances. III Tom. 4. Boſſe, Ueberſ. der franzöſ. Staats-

wirthſch. Braunſchw. 1806–1807. II Bde. 8. Wehnert, Ueber den Geiſt der

neuen franz. Finanzverwaltung. Berlin 1812. Ganilh De la science des Finance

ot du Ministére de Vilèle. Paris 1825. de Gerando Instituts du droit administra-

tif francais. Paris 1830. III. et IV. Rapport au Roi sur l'Administration des

Finances, par Chabrol. Paris 1830. 4. Den Moniteur. Für Großbrittannien

die Parlamentsacten, sinelair History of the public Revenue of the British Empire.

London 1803. III T. 3th. Edit. (gibt noch viele Literatur an). v. Raumer,

das britt. Beſteuerungsſyſtem. Berlin 1810. Lowe, England nach ſ. gegenwärt.

Zuſtande, nach dem Engl. von Jacob. Leipzig 1823. Dupin syst. de l'Admini-

stration britannique en 1822. Paris 1823. Parnell On financial Reform. London

1830. 2. Edit. statistical Jllustrations. London 1827. 3. Edit. Colquhoun On

the ..... British Empire. London 1815. 4. Deutſch von Fick. Nürnberg 1815.

II Bde. 4. P. Pebrer Taxation, Revenue, Expenditure, Power, statistics and

Debt of the British Empire. London 1833. Franzöſ. Ueberſ.: Hist. financière de

l'Empire Britannique. Traduit de l'Anglais par Jacobi. Paris 1834. II Voll.

Für die Niederlande: (Oſiander) Geſchichtl. Darſtellung der niederl. Finanzen

ſeit 1813. Amſterd. u. Leipzig 1829. v. a. 1830 — Ende 1834. Stuttg. 1834.

Für verſchiedene europäiſche Staaten: Cohen Compendium of Finance. London 1822

(ſollte genauer ſein). Canga Arguelles Diccionario de Haciènda London 1826–27.

V Tom. Für Spanien: Borego De la Dette publique et des Finances de la

Monarchie Espagnole. Paris1884, Auch v. Malchus Finanzw. II. Bd., Werke

über Spezialgeſchichte und Statiſtiken älterer bis neueſter Zeit.

⁵⁾ Daß man dies nicht mit der Routine zu verwechſeln habe, bräuchte eigent-

lich kaum hier erwähnt zu werden, wenn es nicht um die Wahrheit zu thun wäre,

daß weder der Routinier noch der blos wiſſenſchaftlich gebildete Finanzmann zum

praktiſchen Dienſte wahrhaft tauglich iſt. Rau polit. Oeconom. III. §. 15–17.

⁶⁾ Man ſuchte den Zweck der Finanzwiſſenſchaft auf verſchiedene Methoden zu

erreichen: a) Auf dem hiſtoriſchen Wege, wie Ganilh De la science des Fi-

nances p. 20. 38. meint, indem er die Verwaltung verſchiedener Finanzminiſter

zuſammenzuſtellen anräth; allein in dieſer Art angebracht, würde die F. Geſchichte

mehr Unordnung in der F. Wiſſenſchaft durch zu viel Spezielles und Widerſprechen-

des hervorbringen, als nützlich ſein. Die F. Geſchichte ſoll das Manchfaltige im

Verlaufe der Volks- und Staatswirthſchaft unter allgemeine geſchichtliche Geſetze

bringen und ſo der Finanzwiſſenſchaft als Grundlage, der F. Verwaltung aber mit

praktiſchen Haltpunkten dienen. Es möchte daher v. Malchus Finanzwiſſ. I.

Einl. S. 8. zu weit gegangen ſein, da er ſagt, ein ſolcher Gang könne in keiner

Hinſicht als Grundlage für die Begründung der Finanzwiſſenſchaft dienen. b) Auf

rationellem Wege durch allgemein giltige, blos aus der Nationalöconomie ab-

ſtrahirte, Prinzipien für die Finanzwirthſchaft, wie z. B. von Juſti, Jacob,

Soden, Lotz geſchehen iſt; allein ein ſolches Verfahren verträgt ſich mit dem

finanziellen Prinzipe gar nicht, deſſen Weſenheit immer die nationalöconomiſchen

Grundgeſetze wandelbar, d. h. zu bloßen Maximen macht, an deren Verwirklichung

in allen Fällen nicht zu denken iſt. c) Auf beiden Wegen in Verbindung, wie

v. Jacob verſucht und v. Malchus mit großem Glücke durchgeführt hat, da

Vernunft und Erfahrung die beiden Grundlagen der praktiſchen Politik überhaupt

ſind. v. Malchus Finanzw. I. Einl.

[693/0715]

Erſte Abtheilung.

Staats-Erwerbswirthſchaftslehre.

§. 473. a.

Die Staats-Erwerbswirthſchaftslehre oder Finanz-

wiſſenſchaft im engeren Sinne (auch Finanzwirthſchaftsl.) lehrt blos

die theoretiſchen Grundſätze des Staatserwerbes an ſich, ohne

Rückſicht auf den Zweck der Verwendung der Staatseinkünfte, auf

die Aufſtellung eines Syſtems der Finanzverwaltung oder auf den

Zuſammenhang der einzelnen Zweige derſelben.

Erſtes Buch.

Allgemeine Grundſätze.

§. 474.

1) Leitende Finanzmaximen.

Man hat es vielfach verſucht, der Finanzwirthſchaft unum-

gängliche Geſetze zu Grunde zu legen und nahm ſie von verſchie-

denen Seiten her, von wo ſie dictatoriſch verlangt werden, aber

deßhalb mit dem Finanzprinzipe im geradeſten Widerſpruche ſtehen.

So hat man vereinzelt bei verſchiedenen Schriftſtellern folgende

Grundſätze aufgeſtellt gefunden: 1) Den Grundſatz der unbeding-

ten Gerechtigkeit, kraft deſſen jede Finanzmaaßregel abſolut

verwerflich erſcheint, welche nur im Geringſten den Einzelnen in

ſeinem Rechtsgebiete ſtört1). Allein eine ſolche Forderung, ſo

nothwendig ſie auch ſcheint, iſt unmöglich zu erfüllen; denn Un-

gleichheiten und Unregelmäßigkeiten in der Vertheilung der Staats-

laſten und Erhebung des Staatseinkommens ſind unvermeidlich,

bei zu kleinlicher Berückſichtigung jedes Einzelnen iſt keine Sicher-

heit vorhanden, daß der Staatszweck der Geſammtheit nicht leide,

und die Finanzwirthſchaft bringt die letzten zur Staatsexiſtenz

unerläßlichen Mittel herbei, weßhalb leicht und oft der Fall ein-

treten muß, daß der Einzelne ſeine Rechtsanſprüche dem Allgemei-

nen aufopfern muß2). 2) Den Grundſatz der Volkswirth-

ſchaft, d. h. Schonung der Quellen des Wachsthums des Natio-

nalvermögens, Zweckmäßigkeit und Sparſamkeit in den Finanz-

anlagen3). Allein das Finanzprinzip, nämlich dem Volkseinkom-

men Theile für öffentliche Zwecke zu entnehmen, ſteht in directem

Widerſpruche mit dem Grundſatze der Nationalöconomie. Dieſer

würde, in ſeiner vollen Ausdehnung angewendet, überhaupt for-

[694/0716]

dern, daß der Volkswirthſchaft keine der Güterquellen geſchmälert

oder ganz entzogen werde, damit die Production nicht leide, fer-

ner daß durch die Finanzmaaßregeln keine Gewerbsklaſſe vor der

andern benachtheiligt oder bevortheilt werde, ferner daß die Fi-

nanzgeſetze keine ungleichmäßige Gütervertheilung begünſtigen oder

veranlaſſen, dann daß ſie der Gewerbsfreiheit nicht in den Weg

treten, und endlich daß durch die Finanzanſtalten die Conſumtion

nicht erſchwert oder beſchränkt werde. Allein ein Blick auf die

Finanzverwaltung zeigt, daß ſchon durch die beſte Beſteuerung des

Reinertrags die Capitalanſammlung und Conſumtion gehemmt und

wegen Mangel an Genauigkeit in der Ermittelung der Steuer-

objecte eine Gewerbsklaſſe oder ein Bürger vor dem andern begün-

ſtigt, durch Verausgabung des Staatseinkommens, ſelbſt bei der

kleinlichſten Sparſamkeit, in die Vertheilung des Volkseinkommens

eingegriffen wird, daß das Aufgeben des Betriebes mancher Ge-

werbszweige, z. B. der Domänenwirthſchaft, der Forſtwirthſchaft

u. dgl., wodurch der Staat die Gewerbsfreiheit mehr oder weniger

hemmt, in den meiſten Fällen unthunlich iſt4). 3) Den Grund-

ſatz der Wohlfeilheit, d. h. möglichſt geringen Aufwand für die

Staatszwecke und Lieferung der Staatsvortheile für den Bürger

um den möglichſt billigen Preis5). Allein dieſe Forderung iſt kein

Grundſatz, ſondern eine bloße Maxime, bei welcher der Finanz-

verwaltung noch ein ſehr weiter Spielraum gelaſſen wird6). Und

durch den manchfaltigen Anſtoß, welchen die übrigen Prinzipien in

der Wirklichkeit erleiden, entſteht eine Neutraliſirung, ſo daß ſie,

beim wahren Lichte betrachtet, nur als Maximen erſcheinen können,

von denen in beſonderen Fällen abgewichen werden darf7). Auf

dieſe Weiſe geſellt ſich dann nothwendig zu jenen drei Maximen

noch 4) jene der Sicherheit, nicht blos in Beziehung auf das

ſchon im Beſitze des Staats befindliche Vermögen und Einkommen,

ſondern auch in Betreff der nationalöconomiſchen Güterquellen,

deren Nachhaltigkeit, ſchon nach dem Finanzintereſſe, möglichſt be-

wahrt werden ſoll.

¹ v. Jacob Staatsfinanzw. §. 3540. Fulda Finanzw. §. 16.

² Sehr wichtig iſt daher hier die Frage über die Statthaftigkeit eines Ober-

eigenthumsrechtes des Staats. Eine Unterſuchung dieſer Theorie und eine

verſuchte Widerlegung der verſchiedenen dafür erklärten Meinungen ſ. m. in Meinen

Verſuchen über Staatskredit. S. 395–430.

³ Auch v. Jacob und Fulda a. a. O. Schön Grundſätze der Finanz

S. 10–19, welcher Letztere der Anſicht iſt, daß die Nationalöconomie kein poſi-

tives, ſondern blos ein negatives, alſo deßhalb ein abſolutes, Prinzip für die

Finanzwiſſenſchaft enthalte. S. dagegen Meine Recenſion über dieſes Werk in den

Heidelb. Jahrbüchern Jahrg. XXVI. Heft 6. S. 596. Es ſtellt v. Soden

Staatsfinanzw. S. 20. 30. das nationalöconom. Prinzip dar als die Pflicht, die

[695/0717]

³ Centraliſirung, d. h. die Erhebung des Staatseinkommens aus dem Volkseinkommen,

ſo zu organiſiren, daß ſie, wenn ſchon das Nationalvermögen nicht in Maſſe zu

erheben ſei, doch das Nationalvermögen in Maſſe treffe, alſo nicht das von einem

Nationalmitgliede beſeſſene und verwahrte Vermögen durch unmittelbare Entreiſſung

verringere. Allein die Verworrenheit und Unausführbarkeit davon liegt auf plat-

ter Hand!

⁴⁾ v. Jacob will das Prinzip der Nationalöconomie nicht für unbedingt aus-

führbar erklären. Allein offenbar wirft er dadurch auch die Unbedingtheit ſeines

Prinzips der Gerechtigkeit um, weil der Bürger ein Recht auf die Verwirklichung

der volkswirthſchaftlichen Wohlſtandsgeſetze hat. Wahrſcheinlich hierdurch aufmerkſam

geworden, erklärt Schön a. a. O. die Aufſtellung eines Prinzips der Gerechtigkeit

für ganz unnöthig, weil mit dieſem die Nationalöconomie nicht in Colliſion kommen

könne und das Rechtsgeſetz auch der Staatsthätigkeit, wie jeder Handlung, als

Leitſtern diene. Allein gibt man Letzteres auch zu, ſo iſt es anderſeits nur zu

wahr, daß das volkswirthſchaftliche Geſetz nur zu oft in unſerer Zeit mit wohl-

erworbenen Privatrechten in Widerſpruch geräth, z. B. bei Zehntrechten, Frohnd-

rechten, Leibeigenſchaft u. dgl. mehr. S. Meine Recenſion a. a. O. S. 597.

⁵⁾ Lotz Handbuch. III. 50. Auch wohl v. Juſti Syſtem des Finanzweſens.

§. 19. 37.

⁶⁾ Gegen dieſe Maxime, als leitendes Prinzip, ſpricht ſich v. Malchus Fi-

nanzw. I. Einl. S. 14. entſchieden aus, weil jede Aufwandsgröße etwas Relatives

ſei und die Möglichkeit ſeiner Beſchränkung vom Zwecke und überhaupt von den

Umſtänden abhänge. Allein daß dadurch die fortwährende Wirkſamkeit jener Maxime,

wo ſie nur immer ausführbar iſt, nicht aufgehoben werden kann, verſteht ſich von

ſelbſt. Ganilh De la science des Finances. Introduct. p 41. geht ſogar ſo weit,

der Finanzwirthſchaft auch noch aufzuerlegen, daß ſie dem Steuerpflichtigen die

Mittel zur Steuerzahlung verſchaffe. Dies iſt eine Verwechſelung der Aufgabe der

Wirthſchaftspolizei mit jener der Finanzverwaltung.

⁷⁾ S. über dies Alles v. Malchus Finanzw. I. Einl. S. 11–15.

§. 475.

2) Zuſammenſtellung und Kritik der Staatserwerbsarten.

Nach den ſo eben angegebenen Maximen iſt die Zweckmäßigkeit

der verſchiedenen Arten des Staatserwerbs zu beurtheilen, allein

man hat ſich in deren Beurtheilung vor einem theoretiſchen Ab-

ſprechen, ohne Hinblick auf die praktiſchen Staatsverhältniſſe, zu

hüten. Denn es kann Manches nationalöconomiſch ſeine Richtig-

keit, aber doch unberechnete Hinderniſſe im praktiſchen Staatsleben

haben. Die Finanzgeſchichte zeigt, daß die Art der Befriedigung

der Staatsbedürfniſſe mit der Ausdehnung dieſer Letzteren und mit

der Entwickelung des Volks- und Staatslebens wechſelt. Ehe man

alſo über die Vorzüge der einen oder andern Methode abſpricht,

müſſen wenigſtens dieſe Umſtände erwogen werden. Man unter-

ſcheidet folgende verſchiedene Arten des Erwerbs und Einzugs der

Staatseinkünfte:

A. In Betreff des Erwerbs iſt die Verſchiedenheit vorhanden,

daß die Staaten entweder aus Gewerbsbetrieb oder aus dem

Beſteuerungsrechte oder aus der Benutzung ihres Kredits

Einkünfte beziehen. Die erſte Art, am ausgedehnteſten in noch

[696/0718]

wenig entwickelten Staaten zu finden, ſetzt voraus, daß der Staat

jedenfalls Arbeit, Grund und Boden und ein eigenes ſtehendes

Capital gewerblich anwendet, indem er entweder mit den Bürgern

frei concurrirt oder ſie von Gewerben, die er ſich allein zu wirth-

ſchaftlichem Vortheile vorbehalten hat (Finanzregalien), aus-

ſchließt. Die zweite Art, ſchon eine höhere Culturſtufe des Staats

vorausſetzend, unterſcheidet die Staatswirthſchaft weſentlich von

der Privat- und Gemeindewirthſchaft (§. 383.), und hat das Ei-

genthümliche, daß ſie kein ſtehendes Capital und keinen Grund und

Boden braucht, ſondern blos Arbeit zur Erhebung und Verwaltung

nöthig hat, die Staatseinkünfte blos als umlaufendes Capital oder

Conſumtionsvorrath in Circulation erhält und die freie Concurrenz

im Gewerbsweſen nicht ſtört. Die dritte Art endlich, erſt bei

der höchſten Ausbildung des Staatsweſens im Gebrauche, hat das

Gute, daß ſie nur dort Einkünfte erhebt, wo ſich Vermögen in

hinreichender Menge angeſammelt findet, und hat im Uebrigen die

Vortheile der zweiten Art. Man könnte hiernach in Verſuchung

gerathen, die Erſte für unbedingt für verwerflich zu erklären und die

Letzte unter allen Dreien vorzuziehen. Aber um die durch die

Letzte eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, bedarf man

immer eine der beiden erſteren Arten, und die erſte Art iſt ſehr

häufig aus polizeilichen und ſtaatsrechtlichen Gründen nicht nach

Belieben zu entfernen. Das Nähere darüber wird im nächſten

Buche erörtert.

B. In Betreff des Einzugs gibt es ein Natural- und ein

Geldwirthſchaftsſyſtem, je nachdem der Staat ſeine Einkünfte in

Natur oder in Geld erhebt. Das Erſtere iſt von der oben ge-

nannten erſten Erwerbsart unzertrennlich und findet ſich zuweilen

auch bei der zweiten Art. Der Staat verwickelt ſich dadurch in

alle Müheſeeligkeit, Koſten und Gefahren der längeren Aufbe-

wahrung und macht daher ſein Einkommen und die Befriedigung

ſeiner Bedürfniſſe im höchſten Grade unſicher, was bei dem Geld-

ſyſteme nicht der Fall iſt. Es wird aber natürlich dabei voraus-

geſetzt, daß der Verkehr ſchon ſo weit gediehen und der Gebrauch

des Geldes ſo allgemein iſt, daß man das Letztere einführen kann.

In dieſem Falle zerfällt die gewöhnliche Einwendung für das

Naturalſyſtem, daß der Bürger leichter in Natur als in Geld

Abgaben bezahle, ganz als unhaltbar und mit dem Staatsvortheile

nicht übereinſtimmend, in ſich ſelbſt.

[697/0719]

Zweites Buch.

Beſondere Grundſätze.

Erſtes Hauptſtück.

Vom Erwerbe des Staats aus Gewerben.

Erſtes Stück.

Vom Urgewerbsbetriebe des Staates.

§. 476.

Vorbemerkungen.

Sämmtliche Urgewerbe des Staats ſind von der Art, daß er,

frei mit den Bürgern, Geſellſchaften und Gemeinden concurrirend,

ſie mit eigenem Vermögensfonds an Boden, Gebäuden, Geräth-

ſchaften, privatrechtlichen Gerechtſamen, Güter- und Geldvorräthen

(Betriebsfonds) betreibt. So wenig es auch den Anſchein hat,

ſo übt der Staat dennoch wegen des in der Regel ſehr ausgedehn-

ten Betriebes und wegen der Menge von verkäuflichen Producten,

worin ihm leicht nicht Jemand nahe kommt, eine Art von Monopol

aus. Jedenfalls wird durch das Staatseigenthum der National-

wirthſchaft ein bedeutender Fonds entzogen, und es liegt im Staats-

intereſſe, alsdann die Gewerbsfreiheit zurückzuhalten, ſo lange der

Staat ganz oder größtentheils durch dieſe eigenen Einkommens-

quellen vom Volke unabhängig iſt. Allein aus dieſen Gründen er-

ſcheint dieſer Gewerbsbetrieb im Allgemeinen noch nicht für ver-

werflich, weil es auf den Staatszuſtand ankommt. Die Befriedi-

gung der Staatsbedürfniſſe iſt nur in früheren Zeiten durch dieſe

Erwerbsquellen allein möglich, und dieſer Zuſtand verleiht ſicher-

lich der Regirung eine große Unabhängigkeit von der Nation, die

aber leider zu leicht auch in Unbekümmertheit übergehen kann.

Mit dem ſteigenden Staatsbedarfe ſchleichen ſich die Steuern und

Schulden von ſelbſt ein, und ſetzen die Regirung in immer größere

Abhängigkeit vom Volke, das ſtets mehr ſeinen rechtlichen Anſpruch

auf allſeitige Beförderung ſeines Wohles (die wahre Volksſou-

verainetät) geltend macht.

§. 477.

I. Der Staatsbergbau.

Der Staat kann eigene Bergwerke beſitzen und dieſelben be-

treiben. Der Bergbau bietet mehrere Verſchiedenheiten von den

andern Gewerben dar. Nämlich die Grundrente gelangt nicht an

[698/0720]

den Grundeigenthümer, da der Bergbau nicht vom Grundeigen-

thümer abhängt; derſelbe iſt an eine beſtimmte Oertlichkeit fixirt,

man iſt nicht im Stande, nach freiem Willen die Ausbeute zu ver-

mehren, da er nur das von der Natur Gegebene fördert; der Be-

trieb iſt nicht ſo theilbar, das nöthige Capital nicht ſo klein, die

Nothwendigkeit, einſtweilen Verluſte zu tragen, nicht ſo ſelten und

unbedeutend und die erforderliche Bildung nicht ſo gering, daß ein

Jeder ſich demſelben widmen könnte1). Aus dieſen Gründen der

Verſchiedenheit ergibt ſich ſogleich, daß der Staatsbergbaubetrieb

nicht wie der eines jeden andern Gewerbes betrachtet oder verwor-

fen werden kann, beſonders da es ſich dabei um die Lieferung von

ſehr nothwendigen und nützlichen Producten handelt (§. 431.).

Es concurrirt daher in dieſen Fragen ſchon das finanzielle mit dem

nationalöconomiſchen Prinzipe. Die finanzielle Klugheit mißräth

den Fortbau von Bergwerken, welche keinen Gewinn geben, das

nationalöconomiſche aber, mehr den Rohertrag in Betracht ziehend,

mißräth blos denjenigen, welcher das Product nicht ſo wohlfeil,

als das Ausland, liefert, es gebietet die Erwägung, daß beim Fort-

betriebe alsdann das Capital doch inländiſche Arbeit beſchäftige,

dagegen beim Verlaſſen der Grube größtentheils verloren gehe,

und daß ſie nach einiger Zeit der Zubuße wieder mit Ausbeute ge-

baut werden2) könne und zeigt Fälle, in welchen der Fortbetrieb

ſelbſt mit Verluſt einige Zeit nothwendig iſt (obigen §.). Es iſt

daher ein Unterſchied zu machen zwiſchen dem Bergbaubetriebe ohne

finanziellen Gewinn und ſolchem mit Verluſt3), und es bleiben

alſo für den erſten Fall immer noch die Fragen über die beſte

Betriebsart zu beantworten. 1) Gegen den Selbſtbetrieb

wendet man ein: die Verwerflichkeit alles monopoliſtiſchen Drucks,

die größere Zweckmäßigkeit des Privatbetriebs, die vortheiligere

Verwerthung der Producte durch Privatunternehmer, die Ueber-

häufung des Staats mit vielen Nachtheilen eines großen Geſchäfts-

details und Aufwandes, die Luſt der Staatsbergbeamten nach Ver-

ſuchen und Bauten, die keinen Nutzen, aber Schaden bringen,

und die aus der übertriebenen Werthſchätzung der Edelmetalle her-

vorgehende falſche Meinung der Staaten, daß der Betrieb auch

ohne Gewinn der Metalle ſelbſt willen fortgeſetzt werden müſſe4).

Allein die beiden letzten Gründe verlieren in unſere Zeit alle

Kraft; die genannte Ueberhäufung kann zwar nicht geläugnet wer-

den, allein zur Verhütung von Monopolien und Uebervortheilungen

beim Verkaufe ſo wie zur Erleichterung des Berghandels ſind die

Berghandlungen ſehr zweckdienliche Inſtitute; bei dem Staatsberg-

baue findet wegen des Baues mehrerer Bergwerke eine Combination

[699/0721]

und Ausgleichung Statt, welche die Einträglichkeit der Capitalien

zuſammengenommen und die Möglichkeit des ſchadloſen Fortbaues

weit mehr ſichert, als dies in Privathänden bei jener Vereinzelung

der Fall iſt5). 2) Für die Verpachtung hat man geltend ge-

macht: das Verſchwinden obiger Nachtheile des Selbſtbetriebs und

die Befreiung eines umlaufenden Capitals, welches der Staat

früher in den Bergbau verwendete, aber jetzt anders nutzbringend

anwenden kann. Allein ſie iſt nur anwendbar, wo ſich Kenner,

Liebhaber und Capitaliſten für ſolche Unternehmungen finden, je-

denfalls nur bei Bergwerken, von deren Ertrage man hinreichende

ſichere Kenntniß und Vermuthungen hat, und bei kleinen verein-

zelten Betrieben6). Aus dieſen verſchiedenen Erörterungen möchte

ſich nun ergeben, daß die meiſten Umſtände 3) für die Verlei-

hung an Gewerkſchaften (§. 122.) ſprechen, denn dieſe Me-

thode vereinigt die Vortheile des Staats- und Privatbetriebs,

indem der Staat die Oberaufſicht behält, den Betrieb leitet, Frei-

kuren vorbehält, die für ihn brauchbaren Metalle zu einem be-

ſtimmten Preiſe den Gewerkſchaften abnimmt, und zuweilen auch

für die großen Capitalauslagen ſorgt, wofür er mehrere Abgaben,

als Zehnten, Stollenneuntel, Rezeß- und Quatembergelder, Poch-

und Hüttenzins u. dgl. bezieht7). Welche dieſer Betriebsarten

man aber auch wählen mag, ſo wird darnach die Wirthſchaft an-

dere Regeln zu befolgen haben. Nämlich a) bei dem Selbſtbe-

trieb darf nur nach den bergmänniſchen Grundſätzen und Regeln

verfahren werden. b) Bei der Verpachtung iſt die Fertigung

des Pachtcontraktes das Wichtigſte, und es iſt dazu nothwendig

ein Pachtanſchlag, eine vollſtändige bergmänniſche Beſchreibung

des Bergwerkes ſammt ihrem Zugehör, eine Ermittelung des Er-

trags im Durchſchnitte mehrerer Jahre, eine Wahrſcheinlichkeits-

berechnung der Dauer des Bergwerkes oder die Ermittelung der-

jenigen Periode, innerhalb welcher der Pachter ſein Capital ſammt

Zins erſtattet haben kann, und Beſtimmungen über Quantität und

Qualität des Pachtzinſes8). c) Bei der Verleihung (Admo-

diation) entſchlägt ſich der Staat der Gemeinſchaft mit dem ſpezi-

ellen Geſchäftsdetail. Die wichtigſten Punkte ſind die geſchärfte

Aufſicht und die verſchiedenen Leiſtungen der Gewerkſchaft, deren

Abſchaffung, weil ſie den Ertrag bedeutend und unverhältnißmäßig

ſchmälern, immer wenigſtens wünſchenswerth iſt9).

¹ Es führt v. Malchus Finanzw. I. §. 20. außerdem noch als Eigenthüm-

lichkeiten des Bergbaubetriebes auf: a) daß er ohne Beeinträchtigung anderer Ge-

werbszweige zur Vermehrung des Volks- und Staatseinkommens weſentlich beitrage;

b) daß er im Falle großer und langer Zubuße bei ausgedehntem Betriebe die erfor-

derlichen Zuſchüſſe, z. B. aus einem Reſervefonds, ſelbſt ſchaffe, ohne daß der

[700/0722]

¹ Staat andere Gewerbe in Anſpruch zu nehmen brauche; c) und, was am weſent-

lichſten und wichtigſten ſei, daß derſelbe die für ſeinen Betrieb erforderlichen Capi-

talien in der Regel aus und durch ſich ſelbſt ſchaffe, folglich ſein reines Einkommen

als der Zins eines Capitals erſcheine, welches der Staat ohne Anſchaffungskoſten

erworben habe. Allein das Erſte findet nur unter den günſtigſten ſtaats- und volks-

wirthſchaftlichen Umſtänden Statt, wenn der Bergbau als freies Gewerbe ohne

Staatszuſchüſſe u. dgl. in Aufnahme kommt, und begründet daher keinen Unterſchied

zwiſchen dem Bergbaue und andern Gewerben. Das Zweite hat mit demſelben

jedes andere unter günſtigen Umſtänden betriebene Gewerbe gemein. Endlich im

Dritten liegt etwas Unverſtändliches. Wenigſtens muß jedes, nicht mit Nachtheil

betriebene Gewerbe, ſo wie der Bergbau, das Capital d. h. das ganze umlaufende

und durch den Erſatz das nach und nach abgenutzte ſtehende Capital erſetzen und

außerdem durch den Zins die Capitalanſammlung möglich machen. Daß der Staat

gerade zur Erwerbung des im Boden liegenden Erzcapitals keinen Aufwand zu

machen habe, widerlegt jeder Bergbau deſſelben. Daß er, etwa kraft eines Regals

im poſitiven Staatsrechte, ohne Entſchädigung der Grundeigenthümer überall allein

Bergbaue anlegen kann, das kommt dem Bergbaue, als Gewerbe, für ſich nicht zu

Gute, ſondern dem Staate.

² Rau polit. Oeconom. III. §. 175. 176.

³ v. Jacob Staatsfinanzw. §. 357 folg. iſt der Anſicht, der Staat ſolle, ſo

lange es auch Privatleute nicht für vortheilhaft und ausführbar hielten, ein Berg-

werk zu unternehmen, um die in der Erde verborgenen Mineralien zu fördern, dies

nicht als einen Schaden anſehen, daß dieſe ungefördert liegen, und deßhalb auch

keinen Betrieb beginnen. Allein in dieſer Ausdehnung möchte das Geſchehen- und

Geltenlaſſen wenigſtens hierbei der Nation nicht immer zum Nutzen ſein. Denn die

Staats- und Nationalvortheile, die durch den Abbau zu beziehen wären, können

auch entſchieden ſein, allein es kann den Einzelnen Muth, Vereinigung, Kenntniß

und Capital dazu fehlen, und es iſt Erfahrungsſatz, daß ſich Zubußen in einem

Bergwerke bei der Combination mehrerer Baue durch die Ausbeute bei andern wie-

der ausgleichen. S. Hermes St. XVI. 151. v. Malchus Finanzw. S. 89.

⁴⁾ v. Jacob Finanzw. §. 284. Lotz Handb. III. 127. 129. Rau polit.

Oeconom. III. §. 174.

⁵⁾ Es führt v. Malchus Finanzw. I. S. 91. N. *** die niederſchlagenden

Ergebniſſe der ſüdamericaniſchen Bergbauunternehmungen zum Beweiſe an, daß die

Unterſtellung eines beſſern Betriebs durch Privaten nicht ſo haltbar ſei, als man

vorgebe. Allein rechnet man zuſammen, daß Bergwerke auf edle Metalle ſtets

weniger günſtig ſind, als auf unedle, daß die früheren Zehntabgaben den Betrieb

äußerſt drückten, und was die Zerſtörungen im ſüdamericaniſchen Revolutionskriege

ruinirten, — und vergleicht man dies mit den großen Capitalauslagen, ſo darf

dieſer Beweis nicht als vollgiltig erſcheinen. Allein daß die Organiſation der Ver-

waltung vielfach ſchlecht war, darf auch nicht verhehlt werden. S. Quarterly Re-

view. T. 43 (1830). p. 168–173. nach Temple Travels in Peru (London 1830).

II. 30. 251.

⁶⁾ Alſo nicht die Bergwerke, wobei die Gefahr einer Ertragsſchmälerung zu

groß iſt, z. B. auf Gold, Silber, Diamant, ſelbſt auch noch bei Blei-, Zink-,

Kupfergruben, — dagegen bei Torf, Stein- und Braunkohlen. v. Jacob Staatsf.

§. 294. Ganz anders ſind auch die Salzwerke zu beurtheilen. Sie erſcheinen

mehr als ein Fabricationszweig, deſſen Ertrag, abhängig von der willkürlichen Pro-

duction und Abſatzgelegenheit, ebenſo wie dieſe beiden Letztern und der Aufwand,

leicht zu beſtimmen und als bleibend angenommen werden können. Die Verpachtung

iſt alſo bei ihnen ſehr wohl anwendbar. S. aber unten §. 481. 483.

⁷⁾ v. Malchus Finanzw. I. S. 93. Rau polit. Oeconom. III. §. 182.

Fulda Finanzw. §. 112. de Villefosse Rich. minérale. I. 71. Aber v. Jacob

Finanzw. §. 290. glaubt dieſe Betriebsart eben denſelben Gefahren ausgeſetzt, wie

den Staatsſelbſtbetrieb, weil die Gewerkſchaften auch Gemeinheiten ſind und der

einzelne Actionair ſich um die Aufſicht auf die Verwaltung nicht kümmere Allein

eine gute Organiſation der Actiengeſellſchaft ſchützt vor ſolchen Mängeln.

[701/0723]

⁸⁾ v. Malchus I. §. 22. iſt der Anſicht, man ſolle den Pachtzins in Geld

fordern und ſich ihn ſo, ſelbſt wenn er in Rohproducten fixirt ſei, bezahlen laſſen.

Allein dieſe Regel muß als zu allgemein erſcheinen, weil es dabei auf ganz beſon-

dere Umſtände ankommt und der Staat ſelbſt mancher Metalle (Gold, Silber,

Kupfer) bedarf.

⁹⁾ Die genannten Abgaben ſind bedeutende Beläſtigungen für den Betrieb.

Insbeſondere iſt der Zehnte, als Abgabe von Rohertrage, dem Bergbaue weit

ſchädlicher als dem Landbaue, weil das Mißverhältniß der Ausgaben zu den Ein-

nahmen bei jenem häufiger und größer, überhaupt das ganze Geſchäft gewagter iſt.

Hier alſo ſollte die finanzielle Rückſicht unbedingt der nationalöconomiſchen weichen.

Ferner iſt die Verpflichtung der Pachter oder Gewerkſchaften, ihre Producte um

einen niedrigeren als um den Concurrenzpreis an den Staat zu liefern, ſehr drückend

und unbillig, es entſteht daraus unmittelbarer Schaden für dieſelben, beſonders

wenn man ihnen noch die andern Abgaben aufhalst. Endlich erſcheinen, man

mag ſie anſehen, wie man will, die Freikuren durchaus als nichts anderes, denn

als Beſteuerungen des Rohertrages. Es iſt daher zu wünſchen, daß dieſe Abgaben

entweder in Verzicht gerechnet, oder aber anders regulirt werden. Das Erſtere

verlangt v. Jacob St. Finanzw. §. 373. Allein v. Malchus I. S. 98–99. iſt

gegen die Verzichtleiſtung, weil dieſe Verpflichtungen auf den ganzen Betrieb und

Haushalt weſentlichen Einfluß geübt haben, alſo durch Jene bedeutende Veränderungen

hierin erfolgen würden, und weil ſie durch Gegenleiſtungen vom Staate, z. B.

unentgeltliche Holz- und Eiſenlieferung, Lieferung von Pulver, Talg, Oel, Getreide

u. dgl. zu niedrerern als Concurrenzpreiſen abgeglichen werden. Das Letztere erſcheint

jedoch volkswirthſchaftlich als verwerflich, in Betreff des Erſteren iſt nicht abzuſehen,

warum es gerade bei allen dieſen Abgaben der Fall ſein ſollte, und man würde

ſchon in den meiſten Fällen durch angemeſſene Regulirung hinreichend durchgreifen

können.

§. 478.

II. Die Staatslandwirthſchaft.

Landgüter (Domänen, Kammergüter, Kaſten- und Chatoull-

güter, oder wie man ſonſt, ohne weiter zu unterſcheiden, dieſelben

nennt) beſitzt der Staat als Eigenthum oder ſie ſind unter dem

Vorbehalte des Letztern vom Fürſten den Staatsdomänen zur Ver-

waltung einverleibt (§. 207.). Sie erſcheinen der Finanzwirth-

ſchaft als etwas Gegebenes, mit welchem ſie zu wirthſchaften hat,

um daraus den möglichſt großen Vortheil zu ziehen. Die Unter-

ſuchung, welche hier darüber Statt finden ſoll, hat ſich daher

über die beſte Bewirthſchaftungsart derſelben zu verbreiten. Da

aber mit denſelben verſchiedene Gerechtſame verbunden ſind, ſo

ſcheidet man die Fragen in zwei Hauptabtheilungen, wie folgt1).

A. Bewirthſchaftung der Staatslandgüter ſelbſt. Es

gibt auch verſchiedene Arten derſelben, und die haben Manches

gegen und für ſich (§. 209.). 1) Die Selbſtbewirthſchaftung

auf Staatsrechnung hat als Nachtheile gegen ſich: den geringen

Ertrag und großen Aufwand als Folge des Mangels an Aufſicht

und Intereſſe der Beamten für den Betrieb und der Unthunlich-

keit, die Verwalter für alle Fälle und Ereigniſſe mit nöthigen und

genügenden Verhaltungsbefehlen zu verſehen, ferner die Auslage

[702/0724]

eines großen Capitals aus der Staatskaſſe, das Unterbleiben oder

wenigſtens unſorgſame Leiten nöthiger Verbeſſerungen von Seiten

der Verwalter oder aus Mangel an Capital zur gehörigen Zeit

und die völlige Unthunlichkeit der Adminiſtration kleiner vereinzelter

Güter. Sie iſt daher nur noch bei Gütern, deren Ertrag meiſtens

aus Gefällen beſteht, bei Domänen, die eines größern Capitals

zur Wiederherſtellung ihres guten Zuſtandes bedürfen, als ein

Privatwirth aufwenden könnte, bei Muſtergütern, und bei Gütern,

die den landesherrlichen Hofhalt umgeben, angewendet2). 2) Für

die Zeitpacht ſpricht im Allgemeinen die Beſtimmtheit des Ein-

kommens für die Staatskaſſe, die Befreiung des Staats von allen

Einzelheiten der Bewirthſchaftung und Gefällerhebung, ſo wie

außerdem von allen Nachtheilen der Selbſtverwaltung und die

Sicherheit der Staatskaſſe vor allen ſchlimmen Wechſelfällen des

Ertrags. Dagegen aber wird eingewendet die Häufigkeit und

Leichtigkeit der Gutsverſchlechterung durch die Zeitpächter, der

Ausſchluß der Staatskaſſe von den Vortheilen, welche dem Unter-

nehmer durch günſtige Verhältniſſe im Reinertrage bereitet werden,

und die leicht mögliche Bedrückung der Gutsunterthanen durch die

Pächter, wenn dieſe zugleich die bäuerlichen Leiſtungen zu empfan-

gen haben3). Da bei jener Meinung ein guter, bei dieſer aber

ein ſchlechter Betrieb vorausgeſetzt wird, ſo kommt dabei offenbar

alles auf den Pachtcontrakt an (§. 209. N. 3.). Es bleibt aber

dann noch die Frage übrig, ob die Spezial- (Separat-)

Pacht, d. h. in einzelnen Gütern und Parzellen, oder die Ge-

neralpacht, d. h. in großen Gütercomplexen mit allem Zugehöre

an Gerechtſamen und Gewerkseinrichtungen vorzuziehen ſei. Für

dieſe ſprechen die Vortheile großer Landgüter (§. 432.), die

größere Fähigkeit großer Gutspächter zur Ertragung von Unglücks-

fällen ohne Staatsremiſſionen und die beſondere Vereinfachung der

Staatsdomänenverwaltung; dagegen aber wird geltend gemacht

die geringere Concurrenz der Pächter für ſo große Güter, daher

der Verluſt der aus großer Concurrenz erfolgenden Steigerung des

Pachtzinſes, die Schwierigkeit der Trennung und Aufhebung der

bäuerlichen Laſten, der dem Pachter gegebene Spielraum zur Aus-

übung ſeiner Gewalt und Laune auf die Unterthanen, die Unaus-

führbarkeit einer gleichen Sorgfalt für alle, beſonders die entfern-

teren, Gutstheile und die Ungegründetheit der Hoffnung auf die

leichtere Ertragung von Unglücksfällen durch Generalpächter. Für

die Spezialpacht ſpricht aber geradezu das Verſchwinden aller Be-

ſorgniſſe wegen der Generalpacht, der Vortheil kleiner Landgüter

für den Volkswohlſtand, beſonders bei ſtarker Bevölkerung und

[703/0725]

geeigneter Lage der Grundſtücke. Es kommt alſo Alles auf beſon-

dere Umſtände an, und es dürften auch hier die bereits (§. 379.

N. 3.) angegebenen Beziehungen entſcheiden. 3) Die Erbpacht

gegen Entrichtung eines jährlichen Zinſes (Kanons) und eines

Erbbeſtandgeldes beim Erbantritte hat große Vorzüge, weil der

Erbpachter ſein Gut gerade ſo wie ſein Eigenthum behandelt und

der Staat, frei von den Mängeln und Läſtigkeiten der eigenen

Verwaltung, einen ſichern feſten Zins bezieht, bei der Verſicherung,

daß das Gut mit Wiſſen des Pachters nicht verſchlechtert wird.

Es wird aber gegen ſie auch eingewendet: die zu große Beſchrän-

kung des Erbpachters in der Behandlung des Gutes, der Verluſt

des Dispoſitionsrechtes über das Gut auf Seiten des Staats, die

Entbehrung des Vortheils aus der möglichen Steigerung des Pacht-

zinſes nach Ablauf der Pachtzeit bei der Zeitpacht, die nothwen-

dige Verzichtung des Staats auf die Theilnahme an dem aus

irgend einem Grunde geſteigerten Gutsertrage, und der Schaden,

welcher für die Staatskaſſe aus einem unveränderlichen Kanon

hervorgeht, wenn der Geldwerth ſinken und der Preis der Güter

ſteigen würde5). Allein dieſe Einwendungen ſind zum Theile that-

ſächlich unrichtige Behauptungen und zum Theile von der Art,

daß ihnen im Erbpachtsvertrage ſehr leicht begegnet werden kann6).

4) Die Erbzinsverleihung, d. h. Ueberlaſſung des vollſtändigen

erblichen Eigenthums der Nutzung am Gute unter Vorbehalt des

Obereigenthums, zu deſſen bloßer Anerkennung eine ſich nicht nach

dem Gutsertrage oder üblichen Pachtzinſe richtende Abgabe (Erben-

zins) jährlich bezahlt werden muß. Sie iſt finanzwirthſchaftlich

nicht zu vertheidigen, obſchon ſie aus vielen andern Gründen Aner-

kennung verdienen könnte. 5) Die Gewährsadminiſtration,

ein Mittelding zwiſchen Pacht und Selbſtbetrieb, indem der Guts-

übernehmer an den Staat eine feſte Summe bezahlt, und gewiſſe

Capitalauslagen und Laſten übernimmt, dafür aber am Reinertrage

einen gewiſſen Antheil bezieht und über die Bewirthſchaftung des

Guts, nur Hauptveränderungen abgerechnet, frei dispinoriren kann.

Die Vortheile dieſes Betriebs für den Staat, nämlich Sicherheit

und Feſtigkeit des Einkommens, Befreiung von mehreren Laſten,

Theilnahme an der Ertragserhöhung zufolge des geſchickten Betriebs

des Gewährsadminiſtrators und anderer Umſtände, Verringerung

des Verluſtes in Unglücksfällen und Sicherung vor Gutsverſchlech-

terung, ſind ſo groß, daß es nicht leicht Concurrenten für eine

ſolche Uebernahme gibt7).

B. Bewirthſchaftung der Gutsgefälle und Gerecht-

ſame (§. 463.). Dieſelbe richtet ſich ganz nach der gewählten

[704/0726]

Betriebsart der Domänenwirthſchaft. In manchen Fällen haben

aber die Staaten faſt oder ganz ausſchließlich ſolche zu beziehen

und anzuſprechen. Die Gefälle, beſonders die Zehnten, ſind dabei

am wichtigſten. Es iſt hierbei die Selbſterhebung die mühe-

ſeeligſte und koſtſpieligſte Verwaltungsart, deßhalb ſuchte man ihr

auszuweichen, und nahm entweder zur Verpachtung auf dem

Wege der Verſteigerung oder zu einer Abfindung mit den Be-

treffenden über eine jährliche durchſchnittliche Geſammtleiſtung

ſeine Zuflucht8).

¹ Gaſſer, Einl. zu den .... Cameralwiſſenſchaften. Cap. 111 (ſ. §.

28. N. 10). Schreber, Abhadl. v. d. Kammergütern. Leipzig 1754. 2te Aufl. 4.

(Borgſtede) Juriſtiſch öconom. Grundſ. von Generalverpachtungen .... in den

preuß. Staaten. Berlin 1785. Nicolai, Oeconom. juriſt. Grundſ. der Verwaltung

des Domänenweſens in den preuß. Staaten. Berlin 1802. II Bde. (noch ſehr

brauchbar). Wehnert, Ueber die vortheilhafteſte Benutzung .... der Domänen.

Berlin 1811. Sturm, Lehrbuch der Kameralpraxis. Bd. I. Strelin, Reviſion

der Lehre von Auflagen und Benutzung der Domänen. Erlangen 1821. S. 209 folg.

v. Seutter, Ueber die Verwaltung der Staatsdomänen. Ulm 1825. v. Liech-

tenſtern, Ueber Domänenweſen. Berlin 1826. Bergius, P. u. C. Magazin.

Art. Domainengüter. Hüllmann, Geſch. der Domänenbenutzung in Deutſch-

land. Frankfurt a. d. O. 1807. Die betreffenden Abſchnitte der Bücher über Fi-

nanzwiſſenſchaft. Spittler, Vorleſungen über Politik. S. 328.

² Sturm Kameralpraxis. I. 193. v. Jacob St. Finanzw. §. 88. Fulda

Finanzw. §. 61. v. Malchus Finanzw. I. §. 7. Rau polit. Oeconom. III.

§. 105. 106. Nicolai Grundſätze. I. 232.

³ Bergius Magazin. Art. Pacht. S. oben §. 209. N. 2. Nicolai

I. 234. II. 156. v. Jacob Finanzw. §. 93. Fulda Finanzw. §. 63. Rau

III. §. 110. v. Malchus I. §. 9. A. v. Neukirchen, Spez. Würdigung des

Syſtems der Zeitpacht. Prag 1833 (wenig Blätter, aber Vieles aus der Erfahrung).

⁴⁾ Die Zeitpacht auf das Leben (Vitalpacht) hat daher Vortheile für das

Gut, den Staat und Pachter, ebenſo wie die Zuſage des Uebergangs der Pacht auf

die Erben, unter gewiſſen Bedingungen. v. Soden St. Finanzw. §. 69.

⁵⁾ Lotz Handb. III. 102.

⁶⁾ Sturm Kameralpraxis. I. 273. Nicolai I. 246. v. Jacob Finanzw.

§. 176. §. 187 folg. Fulda §. 69. Rau III. §. 180. v. Malchus I. §. 10.

Kraus Staatswirthſch. V. 13. Krauſe, Syſtem einer Nat. und Staatsöconom.

I. 351. II. 231. Auch hier iſt die Frage über die Größe der zu vererbpachtenden

Stücke. Eine Vererbpachtung im Kleinen (Dismembration, Abbau, Zer-

ſchlagung) iſt nach den Vortheilen kleiner Landgüter zu beurtheilen. Man wen-

det gegen ſie in der Regel ein: die Verminderung der Staatseinnahmen im Ver-

gleiche mit der Generalerbpacht, da große Güter mehr ertrügen als kleine; die

Verlegenheit wegen Subſiſtenzmitteln in Mißjahren, die Schmälerung des Werths

und Ertrags mancher landw. Nutzungen, z. B. Schäferei, Brennerei, Brauerei,

die ohne große Güter nicht möglich ſind, das Unterbleiben von Güter- und andern

landw. Verbeſſerungen, die größere Holzconſumtion wegen Entſtehung mehrerer

Familien, die Schmälerung der Ausfuhr landwirthſchaftlicher Producte, und die

Koſtſpieligkeit des Häuſerbaues auf die kleinern Güter. (Nicolai I. Abthl. 3. §. 6.)

Allein die Unbegründetheit der meiſten dieſer Einwendungen, und die theilweiſe

Uebertreibungen in denſelben ſind eben ſo leicht darzulegen, als der geſchichtliche und

ſtatiſtiſche Beweis von den Vortheilen wirklich ausgeführter Zerſchlagungen.

S. Kamphövener Beſchr. der vollführten Niederlegungen königl. Domänengüter

in den Herzogth. Schleswig und Holſtein. Kopenhagen 1787. Noeldechen, Briefe

über das Niederoderbruch. Berlin 1800. Krug, Nat. Reichth. des preuß. Staats.

[705/0727]

⁶⁾ II. 418. Rau III. §. 132. Hüllmann, Geſchichte der Domänenbenutzung.

S. 93. 96. 100. 120.

⁷⁾ Das ſogenannte Intendanturſyſtem iſt keine beſondere Bewirthſchaf-

tungsart, ſondern nur die Beſtallung eines Oberaufſehers (Intendanten) über meh-

rere Wirthſchaften, Pächte, Gefällerhebungen u dgl. mehr. Als koſtſpielig und

drückend für die Pächter und Unterthanen ſind ſie in Preußen, wo ſie eingeführt

waren, alsbald wieder abgeſchafft worden. Nur bei vereinzelten neu zugefallenen

Gütern, von welchen man keine Kenntniß hat, um ſie zu verpachten, mögen ſie

von Nutzen ſein, wenn man die alten Pächter nicht ſogleich entlaſſen kann. S.

Nicolai I. 244. v. Malchus I. §. 11.

⁸⁾ Rau III. §. 155. 162. Im Falle a) der Selbſtbewirthſchaftung

der Domänen und Zugehör muß dieſe nach den Regeln der Landwirthſchaftslehre

geführt werden. b) Bei der Verpachtung kommt Alles auf die Wahl des Pach-

ters, den Pachtanſchlag und Pachtcontrakt an. Es iſt daher die Frage wichtig, ob

die Methode der Privatverpachtung oder jene der öffentlichen Verſteigerung

(Lizitazion), und ob die Verpachtung in Pauſch und Bogen nach ungefährer Schätzung

oder auf den Grund eines vollſtändigen Ertragsanſchlages geſchehen ſoll. Die Privat-

verpachtung ſtellt dem Staate die Wahl unter den Pachtluſtigen frei und iſt deßhalb

nicht mit ſo großen Gefahren für das Gut und die Staatskaſſe verknüpft, als die

Verſteigerung, wobei mehr das höchſte Gebot entſcheidet und die Pachtluſtigen ſich

überbieten. Bei großen Gütern iſt jene vorzuziehen und ein Ertragsanſchlag uner-

läßlich, bei kleinen vereinzelten Grundſtücken genügt in der Regel ſchon ein Ueber-

ſchlag in Pauſch und Bogen und iſt die Verſteigerung nicht ſo nachtheilig, wie bei

großen Complexen. v. Malchus I. §. 12. Rau III. §. 114. 121. Oben §. 216.

u. 217. Bergius P. und C. Magazin. Art. Pachtanſchlag. Block, Mit-

theilungen landwirthſchaftlicher Erfahrungen. Bd. III. (1834) vrgl. §. 132. Note 5.

§. 479.

III. Die Staatsforſtwirthſchaft.

Daß der Staat zum Betriebe der Forſtwirthſchaft vorzüglich

geeignet iſt, wurde bereits (§. 261.) gezeigt. Die Staatsforſte

unterliegen deßhalb, alſo in letzter Analyſe, wegen ihrer eigenen

Natur, ganz andern Grundſätzen als die Landgüter. Was nun:

A. Die Hauptnutzung betrifft, ſo ſpricht 1) für die Selbſt-

verwaltung die Natur des Waldeigenthums, die Sicherheit des

Genuſſes der Vortheile günſtiger Verhältniſſe für den Waldbau

und die Verwerthung der Producte deſſelben, die Wichtigkeit der

Forſtwirthſchaft für den Volkswohlſtand und die Seltenheit der

gehörigen techniſchen Kenntniſſe, wenn ſich der Staat nicht der

Bildung eigener Forſtleute annimmt, die Abwendung der Nachtheile

zu hohen Holzpreiſes für das allgemeine Wohl, welche von Pri-

vaten nicht zu erwarten iſt, und die Unthunlichkeit einer ſolchen

Beſchränkung der Pächter, wie es die Wirthſchaftspolizei er-

heiſchte1). Dieſelbe wird darum ſtets der ſicherſte Weg ſein. Nichts

deſto weniger hat aber 2) die Verpachtung derſelben für ſich:

das Hinwegfallen eines bei der Selbſtbewirthſchaftung nothwendi-

gen, lange Zeit ſich nicht rentirenden, Capitalvorſchuſſes und ſon-

ſtigen Wirthſchaftsaufwandes aus der Staatskaſſe, da dies dann

Baumſtark Encyclopädie. 45

[706/0728]

Alles der Pachter auszulegen haben würde, wenn nur nicht immer

ein bedeutendes Staatsforſtperſonale zur Beaufſichtigung des Be-

triebes der Pachter nothwendig und vom Staate zu beſolden wäre2)

und wenn ſich nur Privaten von ſolchem Capitalbeſitze und den

ſonſtigen erforderlichen Eigenſchaften fänden. Jedenfalls wäre aber

bei Privaten nur die Vererbpachtung anzuwenden. Allein eine

Verpachtung an Gemeinden würde wohl alle Vortheile der Pacht

darbieten, eine für den Waldbau ſich eignende Perſon zum Pachter

haben, und die nothwendigen wirthſchaftspolizeilichen Garantien

gewähren, welche ein Privatmann nie gewähren kann, beſonders

da der Staat ſich das Oberaufſichtsrecht über die Gemeindewirth-

ſchaft vorbehält und alſo auch die Anſtellung tüchtiger Gemeinde-

förſter befehlen kann (§. 380.). — Was aber

B. Die Nebennutzungen, namentlich die Jagd, anbelangt,

ſo eignet ſich für ſie die Zeitpacht unter Vorausſetzung der

Staatsoberaufſicht auf den regelmäßigen Betrieb der Jagd am

allerbeſten3).

¹ v. Malchus Finanzw. I. §. 15–18. Fulda Finanzw. §. 71 folg.

v. Jacob St. Finanzw. §. 213. Rau III. §. 145 folg. Bergius P. und C.

Magazin. Bd. III.

² Dies wirkt abſchreckend auf die Pächter und erniedrigend auf den Pachtzins.

S. Rau III. §. 144. Pfeil Grundſ. II. 24. 39.

³ Im Falle der Selbſtbewirthſchaftung geſchieht der Betrieb ganz nach den

Regeln der Forſtwirthſchaft. Eine der wichtigeren Fragen iſt die über die Ver-

werthung des Holzes. S. oben §. 264. N. 3. Hundeshagen Encyclopäd. III.

360 (2te Aufl.). v. Jacob St. Finanzw. §. 266. Dagegen v. Malchus I. §. 17.

Rau III. §. 151. Ueber Holztaxen: Hundeshagen Encyclop. III. 367. Deſ-

ſen Beiträge. Bd. II. Heft 2. Hartig Archiv. II. Bd. 3. Heft. König Holz-

taxation (Gotha 1813). §. 54. Linz, Ueber die Regulirung einer Holztaxe.

Kreuznach 1816. Vehlen, Beitrag zur Lehre von den Taxen der Forſtproducte.

Aſchaffenburg 1828.

Zweites Stück.

Vom Kunſtgewerbsbetriebe des Staates.

§. 480.

Vorbemerkungen.

Zum Behufe der ungeſtörten Ausübung der Staatsgewalt hat

der Staat verſchiedene Hoheitsrechte (Regalien), welche ſich

aus ſeinem Weſen ſelbſt ergeben und poſitiv in verſchiedenen Staa-

ten auch verſchieden beſtellt ſind. In objectiver Beziehung ſind es

die Juſtitz-, Finanz- und Polizeihoheit, in ſubjectiver dagegen die

oberaufſehende, geſetzgebende, vollziehende (mit der richterlichen)

Gewalt. Man nennt ſie weſentliche (höhere, innere). Die

[707/0729]

Finanzhoheit iſt das weſentliche ausſchließliche Recht und die ent-

ſprechende Pflicht des Staats, für die Herbeiſchaffung und Ver-

waltung der zu den Staatsbedürfniſſen nöthigen wirthſchaftlichen

Einkünfte zu ſorgen. Unter andern Mitteln, dieſes Recht und

dieſe Pflicht zweckmäßig auszuüben und zu erfüllen, hat es den

Fürſten und fürſtlichen Beamten zum Theile beliebt, zum Theile

gut geſchienen, ſich das ausſchließliche Betriebsrecht gewiſſer Ge-

werbe zuzueignen, und jedesmal ſuchte man dieſes Ausſchlußrecht

mit Gründen des Volkswohlſtandes, der allgemeinen Sicherheit

und der Unzulänglichkeit der Privatkräfte zu begründen. Dieſe

verſchiedenen Vorrechte, auf die verſchiedenſte Art entſtanden1),

nennt man auch Hoheitsrechte oder Regalien, aber unweſent-

liche (niedere, äußere, nutzbare) oder Finanzregalien zum

Unterſchiede von den Erſteren. Sie erſcheinen für die Staats-

erwerbswirthſchaft, ebenſo wie die Staatsforſte und -Landgüter,

als etwas Gegebenes, das auf die möglich beſte Art benutzt werden

ſoll. Dieſelben ſind zum Theile Regalien in Urgewerben (Berg-

werks-, Forſt-, Jagd- und Fiſchereiregal), deren Bewirthſchaf-

tung nach den (im §. 477. u. 479.) vorgetragenen Regeln geſchieht

und alſo hier nicht mehr erörtert zu werden braucht, hauptſächlich

aber Regalien in Kunſt-, Umſatz- und Dienſtgewerben, wie ſie in

den folgenden Abſchnitten abgehandelt werden.

¹ Hüllmann, Geſchichte des Urſprungs der Regalien in Deutſchland. Frank-

furt a. d. O. 1806. Mittermaier, Deutſches Privat R. II. §. 257. Rau

III. §. 166. S. Einl. oben §. 11. 16. 22.

§. 481.

I. Das Staatshüttenweſen. II. Die Staatsſalpeterien.

Unter den verſchiedenen zum Hüttenweſen gehörenden Ge-

werken iſt keines für ſich allein zu betrachten, weil ſie ſämmtlich

mit dem entſprechenden Bergbaubetriebe unmittelbar zuſammen-

hängen und gerade die Combination dieſer Gewerke mit dem ei-

gentlichen Bergbaue den Ertrag des Letztern erhöht. So iſt es

der Fall beim eigentlichen Hüttenweſen (§. 279. b. 280.) und bei

den Siedewerken (§. 284.). Allein für ſich und als trennbar von

dem eigentlichen Bergbaue angeſehen unterliegen ſie ganz andern

Grundſätzen in der Beurtheilung, als dieſer. Denn ſie ſind Ge-

werke, demnach in der Production, wenn ſie auch local ſind, doch

nicht ſo von der Natur abhängig wie der Bergbau, vorausgeſetzt,

daß gehörige Capitalien, Arbeiter und Abſatzgelegenheiten vorhan-

den ſind, und endlich ſind ſie bei weitem nicht mit dem Wagniſſe

verbunden, wie jener. Ihr jährlicher Ertrag, folglich auch ein

45 *

[708/0730]

Pachtanſchlag, läßt ſich unter Annahme gewiſſer Wirthſchaftsver-

hältniſſe, Betriebseinrichtungen und -Methoden wie von jedem an-

dern Gewerke berechnen. Daher eignen ſie ſich, beſonders die

Siedwerke (ſ. auch §. 477. N. 6.), in hohem Grade zu Verpach-

tung, und der Staat muß dann aus ihnen alle diejenigen Vor-

theile beziehen, welche bisher ſchon einige Male als Folgen der

Verpachtung zuſammengeſetzter und koſtſpieliger Gewerbe angeführt

wurden. Da wo die Verpachtung nicht Statt finden kann, aber

auch die Verleihung ſammt dem Bergwerke nicht ausführbar iſt,

wird die Selbſtverwaltung nach den techniſchen und werkmänniſchen

Betriebsregeln geleitet.

Weit mehr noch als bei den Hütten- und Siedewerken gilt

dies bei den Salpeterſiedereien, denn dieſe ſind an keine

Oertlichkeit geknüpft, erheiſchen weder großes Capital noch beſon-

dere techniſche Kenntniſſe, ſie ſind des Abſatzes auf den verſchie-

denſten Wegen gewiß, und können alſo von jedem Privatmanne

betrieben werden. Die Verpachtung iſt deßhalb um ſo mehr

anzurathen, als dieſes Gewerke ſelten in einer ſehr bedeutenden

großen Ausdehnung getrieben werden kann1).

Was aber die Vorſichtsmaaßregeln bei der Verpachtung ſolcher

Gewerke anbelangt, ſo iſt hierbei die Gefahr vor Verderbniß u.

dgl. nicht in dem Lichte zu betrachten, wie bei den Landgütern,

denn, was an Realitäten mit verpachtet wird, iſt Capital und

muß in nutzbarem Stande erhalten werden, und der Staat kann

zur Controle einen eigenen Commiſſair im Etabliſſement er-

halten (§. 213.).

¹ Nur iſt in dieſem Falle ſehr zu wünſchen, daß der Staat auch das Ver-

kaufsrecht zu niedrigerem als dem Concurrenzpreiſe aufgebe und fernerhin nicht mehr

kraft Regals verſtatte, daß die Saliter überall das Recht zum Salpetergruben haben.

Denn man bereitet jetzt auch den Salpeter künſtlich.

§. 482.

III. Das Staatsmünzweſen.

Wie wichtig das Münzweſen und wie nöthig deßhalb iſt, daß

es unmittelbar unter der Leitung der Regirung ſtehe, iſt bereits

(§. 442.) gezeigt. Ebenſo iſt dargethan, welche Anforderungen

die Gerechtigkeit und der Volkswohlſtand an die Münzen machen.

Es folgt aus alle dem, daß der Staat das Münzweſen nicht als

eine Finanzquelle anſehen darf und es in dieſer Eigenſchaft keinen

Platz mehr in der Finanzwiſſenſchaft findet1). Die Finanzverwal-

tung hat vielmehr daſſelbe nur noch als ein Geſchäft zu betrachten,

worin ſich Ausgaben und Einnahmen ausgleichen, und nur geſtrebt

[709/0731]

werden muß, bei Lieferung möglichſt vollkommener Producte den

Aufwand immer mehr zu verringern. Glücklicherweiſe findet ſich

auch in faſt allen chriſtlichen Staaten Europas das Münzgeſchäft

im Budget nicht mehr als eine Reinertragsquelle. Allein es iſt

begreiflich, weßhalb nichts deſto weniger das Münzweſen einen

wichtigen Gegenſtand der Finanzwiſſenſchaft macht. Es handelt

ſich um gute Münzen, Verringerung der Verwaltungsgeſchäfte und

Herabſetzung der Münzkoſten (des Präge- oder Schlagſchatzes).

Die Erhebung dieſer Letztern geſchieht auf verſchiedene Arten,

nämlich zuweilen ſchon beim Ankaufe des Metalls, indem der

Staat kraft Verkaufsrechtes oder beſonderer Vertragsartikel mit

den inländiſchen Bergwerken daſſelbe unter dem Concurrenzpreiſe

acquirirt, — eine volkswirthſchaftlich und rechtlich verwerfliche

Methode, da ſie einer Bürgerklaſſe ohne Grund zum Vortheile der

Geſammtheit etwas entzieht —, in der Regel aber erſt bei der

Fabrication, indem die Münzſtätte, wenn es erlaubt iſt, daß jeder

Privatmann darin für ſich ſein Metall nach Geſetzesvorſchrift aus-

münzen laſſen darf, demſelben um ſo weniger freies Metall als er

gebracht hat, in den Münzen zurückgibt, als der Schlagſchatz be-

trägt, oder indem ſie, wenn jenes nicht geſtattet iſt, folglich der

Staat ſelbſt das Metall ankauft und ausmünzt, von jedem Abneh-

mer der Münze den betreffenden Schatz bezahlen läßt. Daß das

Verzichten auf den Schlagſchatz volkswirthſchaftlich kein Nutzen iſt,

wurde ebenfalls weiter oben ſchon gezeigt; allein hier braucht nun

kaum noch erwähnt zu werden, daß es einen Verluſt für die

Staatskaſſe verurſachte, der ganz ohne Erfolg bliebe. Es kann

ſich alſo hier blos noch darum handeln, ob der Selbſtbetrieb

des Münzweſens oder die Verpachtung der Münzfabrication unter

der ausdrücklichen Bedingung der Staatscontrole die vorzuziehende

Bewirthſchaftungsart ſei. Die Münzverwaltung iſt ſehr koſtſpielig,

denn ſie erheiſcht ein großes koſtbares ſtehendes Capital, große

Beſoldungen für die Beamten und viele andere Auslagen. Sie

aus der Staatsverwaltung, ſo weit als ohne Schaden für die

Münzen möglich iſt, hinwegzubringen, kann daher nur zu wünſchen

ſein. Man hat daher die Verpachtung aus dieſen Gründen und

darum angerathen, weil dann der Staat noch ein reines Einkom-

men beziehe. Allein dies Letztere ſoll er nicht, weil die Münzung

kein auf Gewinn zu betreibendes Staatsgewerbe iſt2), und die

Controlirung iſt dabei mit vieler Mühe und Koſten verknüpft, —

ja wohl ſelbſt unmöglich. Alſo iſt die Verpachtung in dieſer Art

noch verwerflicher als die Selbſtverwaltung. Allein eine Verpach-

tung oder Vergebung der Münzung an Privaten unter Staats-

[710/0732]

controle, gegen eine gewiſſe Zahlung von Seiten der Regirung,

iſt ein ſehr paſſender, die Regirung der Münzgeſchäfte, ſelbſt,

wenn ſie will, der Metallkaufgeſchäfte überhebender, und die Mün-

zung ſehr verwohlfeilernder Ausweg, denn die Privatinduſtrie weiß

dergleichen Anſtalten und Geſchäfte immer ſparſamer als der Staat

einzurichten und zu vollführen3). Will man dieſen Weg nicht ein-

ſchlagen, ſo bleibt blos die Selbſtadminiſtration übrig. Dieſe aber

hat ſich in der neueren Zeit auch ſehr bedeutend verwohlfeilert4).

¹ Münzverſchlechterungen, heimliche und öffentliche, ſind früher häufig als

Finanzoperationen benutzt worden. Sie ſind vor der Rechtlichkeit und Klugheit

gleich verwerflich. S. im oben angef. §. Meine Verſuche S. 107. Auch Rau

III. §. 199. 200.

² v. Malchus I. 115. Dies iſt ſchon im Reichsabſchied von 1570 §. 132.

ausgeſprochen. S. Meine Verſuche S. 159.

³ So in Frankreich in 13 Münzſtätten, wovon jeder eine Commiſſion beige-

geben und auferlegt iſt, von ihren Münzungen eine beſtimmte Anzahl Exemplare

zur Prüfung an die Münzcommiſſion nach Paris zu ſchicken. Der Staat zahlt

1,5% Prägeſchatz für Silber und 0,29% für Gold (nicht 0,0029%, wie bei

Rau III. §. 202. N. a. ſteht). Klüber, das Münzweſen. S. 100 folg. Cleyn-

mann Aphorismen. S. 83. 94. 107. 479. Deſſen Materialien. S. 250.

Meine Verſuche. S. 168–169. v. Malchus I. 116.

⁴⁾ England ſeit 1816 = 0,69% bei Gold und 6[FORMEL]% bei Silber

(Schulin niederländ. und großbritt. Münzgeſetze. Frankfurt a. M. 1827. S. 438.).

Rußland bei Gold 0,35%, bei Silber 2,95%. In Sizilien bei Gold ¾%

Prägekoſten (Klüber Münzweſen. S. 105.). S. v. Malchus I. S. 117–119. 122.

Drittes Stück.

Vom Umſatzgewerbsbetriebe des Staats.

§. 483.

I. Die Staatshandelsgeſchäfte.

Auch gewiſſe Handelsgeſchäfte hat ſich der Staat ausſchließlich

(als Staatsmonopolien) vorbehalten. Der Grund dafür iſt

hauptſächlich darin zu ſuchen, daß der Staat die Gegenſtände des

Monopols mit einer Steuer belegen will. Weil er ſich aber das

Monopol angeeignet hat, ſo floß das Fabricationsregal mit dem-

ſelben in Eins zuſammen. Es gehört hierher:

1) Das Pulvermonopol (Schießpulverregal), kraft deſſen

der Staat allein befugt iſt, Pulver zu fabriciren und zu verkaufen

oder beide Geſchäfte an beſtimmte Perſonen zu vergeben und die

Pulvereinfuhr zu verbieten1).

2) Das Branntweinmonopol, d. h. das ausſchließliche

Recht des Staats, Brennereien zu halten und den Branntwein

auszuſchenken oder beides an beſtimmte Perſonen zu verleihen2).

[711/0733]

3) Das Tabacksmonopol (Tabacksregie), kraft deſſen

der Staat allein das Recht des Tabacksbaues, der Tabackbereitung

und des Tabackverkaufs im Lande hat, oder, wenn er es Andern

geſtattet, dieſelben der läſtigſten Controle unterwirft3).

4) Das Salzmonopol (Salzregal), vermöge deſſen der

Staat jedem In- und Ausländer das Salzſieden und den Salz-

handel im Innern des Landes verbieten kann und nur gewiſſen

Leuten die Befugniß dazu ertheilt4).

Die Selbſtverwaltung dieſer Monopolien iſt mit vielem Detail,

großer Mühe und ſehr großem Koſtenaufwande verbunden. Sie

ſelbſt aber haben alle böſen Folgen des Monopols im höchſten

Grade (§. 469.), und ſind Gewerbe, welche ohne allen Zweifel

von den Privaten beſſer und weniger koſtſpielig, als vom Staate,

getrieben werden können und deren Reinertrag gut zu veranſchlagen

iſt. Es iſt daher ihre Verpachtung ohne beläſtigende Aufſicht, wo

es nur immer thunlich iſt, höchſt wünſchenswerth. Die Sicher-

heitspolizei hat in Betreff des Gebrauches des Schießpulvers viele

Mittel zur Verhütung von Gefahr, und der Staat kann wegen

Pulvermangels nicht in Verlegenheit kommen, denn je mehr die

Pächter abſetzen, um ſo mehr produciren ſie. Dieſer und die an-

deren Artikel werden von der Privatinduſtrie wohlfeiler geliefert.

Allein man wendet ein, daß ein ſo großes Einkommen, wie aus

der Selbſtverwaltung dieſer Monopolien, für die Staatskaſſe auf

andere Art nicht bezogen werden könne5). Aber bei ſolchen Fragen

darf die Entſcheidung nicht blos nach der finanziellen Rückſicht ge-

geben werden, weil die volkswirthſchaftliche wichtiger und auch

ohnedies eine Beſteuerung ſolcher Gegenſtände möglich iſt (ſ. unten

§. 499.). Jedoch man macht beſonders beim Salzmonopole den

Einwand, daß es für den Volkswohlſtand äußerſt nützlich ſei, im

ganzen Lande einen gleichförmigen Salzpreis zu erhalten und daß

dies vorzüglich durch die Salzſteuer, wenn der Staat die Regie

nicht habe, erſchwert werde, weil die Koſten der Verſendung, die

Haltung der Magazine und der Pachtzins einen weit größeren

Aufwand begründen müſſe, als die Regiekoſten des Staats betrü-

gen, und der deßhalb und durch die Steuer ſteigende Salzpreis

die Conſumtion des Salzes und den Steuerertrag vermindern, ſo

wie die Luſt zum einſchwärzen vergrößern werde6). Allein, wo

dies der Fall iſt, bleibt die Salzregie das Vortheilhafte7), übri-

gens iſt in der That nicht einzuſehen, warum zwar in dem eigent-

lichen Salinenweſen der Private wohlfeiler8), aber bei der Ver-

ſendung des Salzes u. ſ. w. theurer wirthſchaften ſoll, als der

Staat. Es iſt vielmehr eine Verwohlfeilerung des Salzes durch

[712/0734]

den Debit auf Privatwegen zu erwarten9), ohne daß darum der

Staat ſeine Salzſteuer aufzugeben nöthig hat, welcher wirklich an

ſich Vorzüge nicht abzuſprechen ſind.

¹ So in Frankreich.

² Nämlich in Rußland in 29 Gouvernements des eigentlichen Rußlands.

Rau III. §. 204. N. a.

³ v. Malchus I. S. 111. und §. 69. Fulda Finanzw. §. 129. v. Ja-

cob §. 434 folg. Rau III. a. a. O. N. b. Noch in Frankreich, Oeſterreich und

Spanien. Ehemals auch in Preußen, Baiern und Würtemberg. S. Necker, De

l'administration des Finances. II. 70. Herbin, statistique de la France. II. 122.

Chaptal, De l'Industrie franç. I. 167. Verhandl. der franz. Dep. Kammer vom

6. März 1824 (überhaupt Moniteur 1824 Nr. 99. 134 folg.) und 20. März 1829.

Ueber den Tabackshandel in Würtemb. Stuttg. 1815. Ernſte Worte über Finanz-

maaßregeln. 1815. Verhandl. der Würtemb. Kammer von 1821, außerord. Beil.

Heft. I. Abthl. S. 60; von 1826 H. 1. S. 112.

⁴⁾ v. Malchus I. S. 101 folg. 341. Fulda §. 127. v. Jacob §. 299.

376. 983. Rau III. §. 184 folg. So in den deutſchen Bundesſtaaten, der

Schweitz und Frankreich. Ueber die früheren franz. Salinenverhältniſſe ſ. Baum-

ſtark, Sully's Verdienſte um das franz. Finanzweſen. §. 33–46.

⁵⁾ v. Malchus I. S. 110. 111. Finanziell genommen iſt ein Ausfall dieſer

Art höchſt wichtig, und ehe man andere beſſere Erſatzwege hat, iſt es allerdings

immer bedenklich, ſolche Quellen ganz oder theilweiſe aufzugeben.

⁶⁾ v. Malchus I. S. 103.

⁷⁾ Ob dies aber allgemein der Fall ſein werde, iſt noch nicht dargethan.

⁸⁾ S. oben §. 477. N. 6. v. Malchus I. S. 100–101.

⁹⁾ Der Staat dürfte ſich das Salz um einen gewiſſen Preis liefern laſſen und

dann ſelbſt beſteuern und verkaufen, oder aber der inländiſche Verkauf verbliebe auch

den Pächtern, ſie bezahlten die Salzſteuer auf Vergütung von den Conſumenten

voraus, und würden verpflichtet, auf die Methode des Staats, einen gleichförmigen

Preis zu erhalten.

§. 484.

II. Die Staatsleihgeſchäfte.

1) Staatscapitalien und deren Anlage ſind ſeltener als

Staatsſchulden. Auch ſtimmt alle ſo weit getriebene Einnahme-

erhöhung des Staates, daß ſich vorhergeſehene Ueberſchüſſe in der

Staatskaſſe befinden und anſammeln, mit dem Weſen der Staats-

wirthſchaft nicht überein, denn dieſe hat blos die Staatsbedürf-

niſſe zu befriedigen, und der Privatinduſtrie die Capitalanſammlung

zu überlaſſen, da der Staat ſicher ſein kann, daß die Capitalien

dort die vortheilhafteſte Anwendung finden. Alſo ſind alle auf jene

Weiſe entſtehenden Staatscapitalien geradezu, und die Capital-

anſammlungen, wenn ſie auch durch außerordentliche Einnahmen,

z. B. Entſchädigungen u. dgl., entſtehen, um ſo mehr verwerflich,

als ſich in allen Staaten Mängel genug vorfinden, zu deren Ab-

hilfe man außerordentliche Ueberſchüſſe anzuwenden weiſe thut.

Es verſteht ſich indeſſen von ſelbſt, daß Capitalanſammlungen zu

beſtimmten Staatszwecken, die längere Zeit fortlaufende Ausgaben

[713/0735]

erheiſchen, z. B. zum Behufe der Unterſtützung der Bürger bei

Ablöſung drückender Gewerbslaſten, Zehnten u. dgl., hierunter

nicht begriffen ſind, da ſie mehr als laufende Ausgaben erſcheinen

und nicht unproductiv angewendet werden. Doch hat man Anga-

ben, daß kleinere Staaten, namentlich Kantone der Schweitz,

bedeutende Schätze beſitzen, und es entſteht natürlich hier die Frage

über ihre beſte Anlage1), wenn gerade keine Landesverbeſſerungen

thunlich oder nöthig ſein, was indeß kaum einmal der Fall ſein

dürfte. Man hat die Wahl zwiſchen der Anlage im Auslande und

jener im Inlande. Letztere iſt wegen der den Bürgern und Ge-

werben dadurch zu leiſtenden Unterſtützung vorzuziehen, wenn der

Staat nicht mit Beſtimmtheit auf die Zinseinnahmen rechnet;

denn ſonſt würden ſich mit ſeinem Budget Zinsrückſtände nicht ver-

tragen und ſtrenge Maaßregeln zur Eintreibung derſelben die

Schuldner mehr in Verlegenheit ſetzen, als Privatgläubiger. Die

Darleihen an Gemeinden eignen ſich daher vorzüglich hierzu und

auch die Errichtung von Kreditkaſſen (§. 465.) gehört hierher.

Die Anlage im Auslande, in Staatspapieren und ausländiſchen

Actien u. dgl. entzieht dem Inlande die Nutzung der Capitalien in

der Induſtrie und ſetzt den Staat mehr Verluſten aus.

2) Unternehmungen von Banken durch den Staat, um

daraus Gewinn zu ziehen, ſind dem Weſen und der Wirthſchaft

des Staates zuwider, compliziren die Staatsverwaltung, entziehen

den Bürgern die Gelegenheit der freien Capitaliengeſchäfte, und

ſind für die Regirung in außerordentlichen Geldverlegenheiten zu

verführeriſch, von ihrer Gewalt Gebrauch zu machen (§. 444.).

3) Die Staatslotterien ſind aber als ein Bankgeſchäft zu

betrachten, welches der Staat zum Regale erhoben hat. Es gibt

verſchiedene Arten der Ausübung deſſelben, nämlich das Lotto

(die Zahlenlotterie, Lotto di Genua), die Lotterie (Zahlen-

lotterie) und die Spielbanken (Hazardſpiele)2). Sie ſind

ſämmtlich ſchon wegen der Beförderung des wirthſchaftlichen und

ſittlichen Verderbens eines bedeutenden Theils der Bevölkerung im

höchſten Grade verwerflich, ſie ſind es aber eben ſo, als Mittel

zur Vernichtung nicht blos aufgeſparten Vermögens, ſondern der

Luſt zur Sparſamkeit überhaupt, als Gelegenheiten, der Volks-

betriebſamkeit Arbeitskräfte und Capital zu entziehen. Ihre allge-

meine Abſchaffung iſt alſo Eines der wichtigſten Bedürfniſſe, be-

ſonders jetziger Zeit3). Wo ſie noch nicht aufgehoben ſind, da iſt

ihre Verwaltung ſo unſchädlich als möglich zu machen. Durch

eine Verpachtung des Lotto, des allerverderblichſten unter die-

ſen Spielen, weil es wegen des geringen Einſatzes den Aermſten

[714/0736]

zum Spiele Gelegenheit gibt, am meiſten die Einbildungskraft

verrückt, Müſſiggang und Laſterhaftigkeit verbreitet, würde der

Staat ſeine unſelbſtſtändigen Unterthanen in die Netze und Fall-

ſtricke der Pachter und ihrer Agenten überliefern. Hier iſt es

wirklich begründet, daß der Staat aus polizeilichen Gründen den

Spielbanker macht, und doch lehrt die tägliche Erfahrung auch

hier die traurigſten Vorfälle. Eine Verpachtung der Lotterie

iſt, ſo wie ſie ſelbſt, weniger gefährlich, weil hier alle jene Um-

ſtände nicht in ſolchem Grade obwalten. Die Spielbanken in

großen Städten und Badeorten können billig verpachtet werden

und ſie ſind auch unter ſämmtlichen Anſtalten dieſer Art die un-

ſchädlichſten. Allein ohne Staatsaufſicht dürfen ſie nicht ge-

laſſen werden.

¹ A. Smith Inquiry. IV. 160 folg. v. Jacob Finanzw. §. 48. Rau

III. §. 165.

² Beim Lotto werden unter 90 Nummern jedesmal 5 gezogen, und man

kann jedesmal 1–5 Nummern beſetzen. Nach der Zahl der Beſetzung ſteigt der

Einſatz und der zu erwartende Gewinn. Daher die Namen ſimpler Zug (1),

Ambe (2), Terne (3), Quaterne (4) und Quinterne (5). Die Wahr-

ſcheinlichkeit des Gewinnes nimmt mit jeder Combination ab, aber die Gewinnſte

nehmen nicht im nämlichen Verhältniſſe zu. Darin, nämlich in den Abzügen am

Gewinnſte, liegt die Ungerechtigkeit und Täuſchung, ſo daß die Spieler zuſammen

nicht mehr als ⅔ ihres Geſammteinſatzes als Gewinnſte beziehen und der Bank-

halter 25 bis 30% reinen Gewinn zieht. — Bei der Lotterie wird auf eine

gewiſſe Anzahl Looſen eine gewiſſe Summe und Anzahl von Gewinnſten nach einer

Skale ausgeſpielt. Die Einſätze ſind ſehr hoch, aber theilbar und man erleichtert

die Theilnahme dadurch, daß man die Ziehung nicht auf einmal, ſondern in

Perioden (Klaſſen) jährlich vornimmt, auf deren jede Looſe genommen werden

können. — S. Berechnungen bei Rau III. §. 220–226. v. Malchus I. §. 65.

Vorzüglich bei Müller, Arithmetik und Algebra nebſt Abhandlungen der juriſt.,

polit., kameraliſt., ſo wie überhaupt prakt. Rechnungen (Heidelberg 1833, ſehr zu

empfehlen). S. 505 folg. Auch im Moniteur 1821. Nr. 197. S. auch Bergius

Magazin. Art. Lotterie. Des Essarts Dict. de Police. VI. 62.

³ Intereſſante, obſchon traurige Belege gab Dupin in der Deput. Kammer

vom 22. März 1828. = Moniteur 1828. Nr. 83.

Viertes Stück.

Von dem Dienſtgewerbsbetriebe des Staats.

§. 485.

Die Staatspoſtanſtalt.

Unter den Dienſtgewerben hat ſich der Staat nur die Poſt-

anſtalt1) als Regale zugeeignet und verbietet kraft des Letztern

einem jeden Andern die Haltung der Poſtanſtalt, ſo wie in gewiſſer

Ausdehnung die Benutzung anderer Transportangelegenheiten. Die

Wichtigkeit der Poſten für den Volkswohlſtand und das Staats-

leben bedarf keiner weiteren Auseinanderſetzung, ſie iſt der für die

[715/0737]

Regalität dieſes Gewerbes angegebene Grund, aber hat in ihrem

Gefolge zugleich die Vortheile eines bedeutenden Staatseinkommens

daraus. Man unterſcheidet die Fahr-, Pack- und Briefpoſt.

Man iſt jetzt allgemein für die Selbſtverwaltung der Poſten,

indem man glaubt, die Zwecke und Eigenſchaften einer guten

Brief-Poſtanſtalt könnten im Falle der Verpachtung nicht er-

reicht werden, wenn dies auch bei der Fahrpoſt und gewiſſer-

maßen bei der Packpoſt möglich ſei. Die Anforderungen an eine

Briefpoſtanſtalt ſind folgende: 1) Schnelligkeit der Ueberlie-

ferung, von der nicht wohl zu erweiſen ſein möchte, daß ſie blos

oder am beſten der Staat erreiche. Denn die Mittel dazu, als da

ſind, zahlreiche Poſtcurſe, Abſendung der Briefe auf kürzeſtem Wege,

ſchnelle Weiterbeförderung auf den Stationen, und ſchnelles Aus-

geben der Briefe iſt auch Privaten möglich2). 2) Sicherheit

und Garantie der Ueberlieferung und Bewahrung des Poſtgeheim-

niſſes. Damit will man in der Regel für die Selbſtverwaltung

Alles beweiſen. Aber die Verzeichnung der aufgegebenen Gegen-

ſtände (Inchartirung, Einſchreibung in die Poſtcharte), die

Verſendung einer Abſchrift derſelben mit den Effecten, die Ver-

gleichung dieſer beiden, die genaue Verpackung, hinreichende Be-

wachung der Poſten und Wagen und die ſtrenge Controle der Poſt-

offizianten kann auch von Privatunternehmern geſchehen. Ver-

ſicherungen und Verſendungen weit ſchwierigerer Art, durch Pri-

vaten beſorgt, beweiſen dies. Die Geſchichte der Bewahrung des

Poſtgeheimniſſes von Seiten der Staaten iſt keineswegs ein glän-

zender Spiegel von Treue und Glauben, während, wenn die Poſt

in Privathänden zu Betrug u. dgl. benutzt würde, wenigſtens kein

Grund zur Milderung der Unterſuchung und ſtrengen Beſtrafung

ſolcher Verbrechen aufzufinden ſein würde3). 3) Wohlfeilheit

des Transports, welche auch von Privaten in demſelben Grade,

wie vom Staate, erreichbar iſt, da mit der Verwohlfeilerung des

Transports auch die Häufigkeit des Gebrauchs der Poſt zunimmt

und dieſe einträglicher macht. Wenigſtens haben unſere Staaten

dieſe Eigenſchaft ihrer Poſtanſtalt noch nicht zum Schaden der

Staatskaſſe auf die Spitze getrieben4). 4) Möglichſte Einheit

in der Anordnung und vollſtändige Combination der

Curſe. Hiervon hängt die Erreichung der obigen Erforderniſſe

ab, ſie iſt alſo die weſentlichſte Eigenſchaft der Poſtanſtalt. Es

liegt jedoch nichts mehr im Intereſſe der Privatunternehmer der

Poſten in verſchiedenen Provinzen und Ländern, als dieſes, denn

die Benutzung und Einträglichkeit hängt davon ab. Bei der Ver-

pachtung müßte die Uebereinkunft der Pächter in dieſen Punkten

[716/0738]

bedungen werden, und die Regirung müßte ſchon wegen des allge-

meinen großen Intereſſes der Poſten ihre auswärtigen Verbindun-

gen zur Beförderung des Poſtverbandes mit dem Auslande auf-

bieten5). Außer dieſen Anforderungen an eine Poſtanſtalt iſt ein

weſentlicher Grund für die Selbſtverwaltung derſelben durch den

Staat noch in der Einträglichkeit derſelben für die Staatskaſſe

zu ſuchen. Der Staatsaufwand für dieſelbe iſt aber höchſt bedeu-

tend und es läßt ſich, wenigſtens was das Gewerbliche anbelangt,

mit Gewißheit vorausſetzen, daß er in Privathänden geringer wer-

den müßte. Je höher aber derſelbe iſt, um ſo weniger kann der

Tarif ſinken und um ſo mehr wird die Benutzung der Poſt er-

ſchwert. Die Verpachtung der Poſt iſt alſo wohl an ſich thunlich

und könnte erheblichen Nutzen für den Verkehr hervorbringen,

während ſie dem Staate Aufwand und Verwaltungsmühe erſparte,

ohne ihm ein Einkommen zu entziehen6). Allein es kann mit ihr

nach der Theorie nicht immer und überall ſogleich vorgeſchritten

werden. Denn ein Hinderniß können die angränzenden Staaten

ſein, inſoferne ſie nicht auf dieſelbe Grundlage die Poſt organi-

ſirten; ferner der Umſtand, daß das Poſteinkommen auf anderem

Wege wirklich nicht ſo leicht und ſchadlos erhoben werden könnte;

und endlich die Erſcheinung, daß der Staat die Poſtanſtalt wie

Münze und Straßen betrachtete, als eine Anſtalt, an der kein

Gewinn gemacht werden darf, ſondern blos die baaren Auslagen

vergütet werden müſſen7). Es verſteht ſich aber von ſelbſt, daß

der Staat nach möglichſter Ermäßigung der Tarife ſtreben und die

Benutzung anderer Transportanſtalten ſo wenig als thunlich er-

ſchweren ſoll8).

¹ v. Jacob Finanzw. §. 417. Fulda Finanzw. §. 99. v. Malchus

Finanzw. I. §. 29. Rau III. §. 205. Mohl Polizeiwiſſ. II. .... Bergius

P. und C. Magazin. Art. Poſtweſen. Des Essarts, Dictionnaire de Police. VI.

440–614. Klüber, das Poſtweſen in Deutſchland. Erlang. 1811. (v. Imhof)

Ueber Poſtanſtalten nach ihrem Finanzprinzip. Halle 1817. S. §. 25. Note 1.

Craig Politik. III. 240.

² Beſonders befürchtet man zu häufige Umſpedition, Schwierigkeit der gegen-

ſeitigen Berechnung und Vergütung, deßhalb leichtes Verlorengehen der Effecten

(Rau III. §. 208.). Allein dieſe Verhältniſſe brauchen nicht nothwendig in Privat-

händen ſchlimmer zu ſein als in denen des Staats, und der Schadenserſatz an Geld

für einen verlorenen Brief iſt von Seiten des Staats, da er in Geld beſteht, nicht

vollſtändig. Eine Zerſplitterung der Curſe und des ganzen Geſchäftes iſt nicht noth-

wendig, denn die Poſt kann von einem Einzelnen oder von einer Geſellſchaft im

ganzen Lande übernommen werden.

³ say Cours. VI. 93. Ueberſ. von v. Th. VI. 73. Allein man iſt der

Meinung, es ſeien wenige Menſchen ſo vermögend und einflußreich, daß man ihnen

die Poſt anvertrauen könne, und ein Privatunternehmer würde jeden anſehnlichen

Monopolgewinn in Anſpruch nehmen, während der Staat einen kleinen Pachtzins

erhalten würde und die Benutzer der Poſt hohes Porto bezahlen müßten; auch

[717/0739]

³ könnten Privatunternehmer fremdem Einfluſſe zugänglich ſein und die Staats-

correſpondenz belauern (Rau III. §. 210.). Erſteres iſt durch die Erfahrung wi-

derlegt, das Zweite machen die Staaten nicht anders, und das Letzte gilt auch von

den Staatspoſtbeamten.

⁴⁾ v. Malchus I. S 133 glaubt, ſchon aus der mit der Ueberlaſſung an

Privaten nothwendig verbundenen Zerſtückelung des Areals und der Curſe gehe ein

größerer Poſtaufwand bei dieſen, als in den Händen des Staats hervor; allein wie

wenig dies, wenn an dem ſo wäre, als Grund für die Selbſtverwaltung entſcheidet,

iſt bei ihm S. 135 ſelbſt zu erſehen, wo derſelbe behauptet, der jetzige hohe Poſt-

tarif rühre von der Zerſtückelung des Areals in Deutſchland her (ſ. auch Rau III.

§. 211). Ob nun Regirungen ſich über gemeinſchaftliche Maaßregeln im Poſtweſen

eher verſtändigen, als es von Privatunternehmern zu erwarten iſt, möchte nach

dieſem Sachbeſtande und nach der Erfolgloſigkeit des Poſtcongreſſes in Heidelberg

wenigſtens nicht zu bejahen ſein. Die Uebernahme von Seiten der Privaten darf

nur in großen Parthien geſchehen, und iſt dies der Fall, ſo iſt auch eine Combi-

nation zwiſchen ſtark und ſchwachbevölkerten Provinzen ausführbar, um eine Aus-

gleichung des Ertrags zu bewirken. Wenn dies nicht möglich iſt, ſo verſteht ſich

von ſelbſt, daß eine Verpachtung nicht ausgeführt werden kann. Es meint aber

Rau III. §. 210., es ſei nicht abzuſehen, wie ein Privatmann die Verwaltung

ſparſamer als der Staat einrichten könne, während jener im Falle eines Wider-

ſtreits zwiſchen dem Intereſſe der Poſt und des Verkehrs ſich nicht zu Opfern ent-

ſchließen werde. Allein es bedarf keines beſonders ſchweren Rechenexempels, um

Erſteres zu zeigen und in Betreff des Letztern möchten die großen Aufopferungen der

Regirungen, die ein Privatmann nicht machen würde, ſchwer aus der Geſchichte zu

erweiſen ſein.

⁵⁾ Die Leitung könnte in kleineren Staaten von einem Centralpunkte und in

größeren von einem Committee der Unternehmer ausgehen.

⁶⁾ Der Oberaufſicht darf ſich aber der Staat nicht für enthoben achten.

⁷⁾ So in Nordamerica. Rau III. §. 213. N. b. Für eine ſolche Beſchrän-

kung iſt Craig Politik. III. 242. v. Jacob §. 422. Dagegen v. Malchus I.

S. 134, weil der Staat das Recht habe, für die Benutzung ſolcher Anſtalten von

dem Benutzenden Beiträge zu verlangen. Allein nicht um das Recht, ſondern um

die Klugheit einer Erhebung ſolchen Einkommens über den Koſtenbedarf handelt es

ſich. Ein Mehr nimmt die Natur der Steuer an, und es handelt ſich dann nur

um die Vorzüge einer ſolchen vor einer andern Beſteuerung.

⁸⁾ v. Malchus I. 139. Rau III. §. 314 folg. geben Näheres über die

Einrichtung des Poſtweſens an.

Zweites Hauptſtück.

Vom Erwerbe des Staats aus Steuern.

Erſtes Stück.

Allgemeine Grundſätze der Beſteuerung.

§. 486.

1) Grundgeſetze der Beſteuerung.

Staatsſteuern (Steuern, Schatzungen) ſind Abgaben der

Staatsunterthanen an den Staat zufolge der allgemeinen und

gleichen Bürgerpflicht und nach dem Maaßſtabe ihrer Vermöglich-

keit umgelegt1). Das Recht des Staats, Steuern zu erheben

und die Pflicht der Unterthanen, ſolche zu entrichten, fließen Beide

[718/0740]

aus der Staatshoheit (§. 438.), d. h. dem Rechte und der Pflicht

der Regirung, die Staatsangelegenheiten und die dazu nöthigen

Mittel zu beſorgen und der Theilnahme der Staatsbürger an den

Vortheilen des Staatsverbandes2). Dieſe Berechtigungen und

Verpflichtungen ſind allgemein, nach rechtsphiloſophiſchen und

chriſtlichen Prinzipien für alle Bürger gleich, und die oberſten

Maximen der Finanzwirthſchaft (§. 474.) machen der Letztern die

möglichſte Schonung der Volkswirthſchaft zur Pflicht, aber dieſe

liegt im finanziellen Prinzipe ſchon von ſelbſt, da bei Mangel an

dieſer Schonung die Finanzquellen ſelbſt verſiegen könnten. Es

ergeben ſich daher folgende Grundgeſetze der Beſteuerung:

A. Das Geſetz der Allgemeinheit (alle Staatbürger ſind

mit ihrer Vermöglichkeit der Steuerpflicht unterworfen). Daſſelbe

erſcheint in doppelter Beziehung, nämlich als ſubjective (per-

ſönliche) und objective (ſachliche) Allgemeinheit3).

B. Das Geſetz der Gleichheit (alle Staatsbürger ſind mit

ihrer Vermöglichkeit gleicher Steuerpflicht unterworfen). Es folgt

auch, abgeſehen von obigen Prinzipien, aus dem Geſetze der Allge-

meinheit, denn mit dem ungleich ungetheilten Theile der Steuer-

hauptſumme iſt gegen das Letztere gefehlt. Dieſes Geſetz kann

doppelt ausgelegt werden. Man kann es ſo verſtehen, daß die zu

erhebende Steuerſumme bei allen Staatsbürgern (numeriſch) gleich

ſein müſſe, — und ſoviel folgt aus dem Geſetze der ſubjectiven

Allgemeinheit —; man kann es aber auch ſo auslegen, daß die

durch die zu erhebende Steuer auf die Zuſtände eines jeden

Staatsbürgers entſtehende Wirkung (paſſiv) gleich ſein müſſe, —

und ſoviel ergibt ſich aus dem Geſetze der objectiven Allgemeinheit.

Erſteres iſt die abſolute (ſubjective, numeriſche), Letzteres die

relative (objective, paſſive) Gleichheit4).

C. Das Geſetz der Größe (alle Staatsbürger ſind nur, aber

beſtimmt, zur Deckung des ſtreng berechneten Staatsbedarfes ſteuer-

pflichtig). Daſſelbe folgt daraus, daß der Staat, als moraliſche

Perſon, blos Bedürfniſſe zu befriedigen hat (§. 49.), daß der

Staatsbürger blos zu wirklichen vernünftigen Staatszwecken mit-

zuſteuern verpflichtet iſt, und daß eine Verweigerung der Steuer

in dieſer Größe den Staat in ſeinen Pflichten hemmen würde5).

D. Das Geſetz der Volkswirthſchaft (alle Staatsbürger

ſind mit den möglichſt geringen Störungen in ihren wirthſchaft-

lichen Erſtrebungen der Steuer zu unterwerfen). Daſſelbe folgt

aus der Pflicht des Staates, den Bürgern in ihren ſämmtlichen

vernünftigen Erſtrebungen die möglichſte rechtliche Freiheit und,

wo es die Wichtigkeit des Zweckes und die Mangelhaftigkeit der

[719/0741]

Kräfte der Einzelnen fordert, Unterſtützung angedeihen zu laſſen

(§. 474. 2). Die beſtmögliche Löſung des Widerſpruchs zwiſchen

dem Finanz- und dieſem nationalöconomiſchen Prinzipe iſt die Auf-

gabe der Finanzwirthſchaft auch im Steuerweſen6).

¹ Ueber Steuern s. m. A. smith Inquiry. IV. 164. say Cours d'Econom.

polit. VI. 1–128. Ueberſ. von v. Th. VI. 1–98. steuart Pol. Economy. B. V.

Craig Politik. III. 13–238. Spittler, Vorleſungen über Politik. S. 335.

Pölitz Staatswiſſ. II. 363 folg. Zachariä, Vierzig Bücher v. Staate. V. 400 folg.

Ricardo Principles of Pol. Economy. Chap. VIII.-XVII. p. 169–318 (ausge-

zeichnet ſcharf). Lotz Handbuch. III. 142–370. Reviſion. IV. S. 96. §. 269.

Krauſe, Syſtem der Nat. und Staatsw. II. 247–398. v. Soden Nat. Oec.

III. §. 526. V. §. 107. Büſch, Vom Geldumlaufe. I. 352. v. Jacob Finanzw.

§. 451. 990. Fulda Finanzw. §. 131. v. Malchus Finanzw. I. §. 32 folg.

v. Sonnenfels Grundſätze. III. 260. Bergius P. und C. Magazin. Art.

Steuerweſen, Abgaben. Rau III. 2te Abthl. (noch nicht erſchienen, wird

aber in Bälde kommen). Spittler, Vorleſ. über Politik. S. 335 folg. simonde

de sismondi Rich. Commerciale. II. 1 sqq. Deſſelben Nouv. Principes d'Econ.

polit. II. 153. Murhard, Politik des Handels. S. 302. Schön, Grundſ. der

Finanz. Kap. 5–7. v. d. Lith, Betracht. über die ... Steuern. Berlin 1751.

Deſſelben Abhandl. von den Steuern. Ulm 1766. Eſchenmayer, Vorſchlag

zu einem St. Syſteme. Heidelberg 1808. Monthion, Quelle influence ont les ...

impôts sur la moralité etc. etc. Paris 1808. Krönke, das Steuerweſen c.

Gießen 1810. v. Raumer, das brittiſche Beſteuerungsſyſtem. Berlin 1810 (ſehr

gut). Sartorius, Ueber die gl. Beſteur. ... des Königr. Hannover. Hannov.

1815. Krehl, das Steuerſyſtem. Erlangen 1816. Keßler Abgabenkunde. Tüb.

1818. Krönke, Grundſätze einer gerechten Beſteuerung. Gießen 1819. Krehl,

Beiträge zur Steuerwiſſenſch. Stuttg. 1819. v. Kremer, Darſtellung des Steuer-

weſens. Wien 1821 (recht gut, ſ. auch Hermes St. 15. [1822] S. 127–170.).

Strelin, Reviſion der Lehre von Auflagen. Erlangen 1821. Breitenſtein, Nur

eine Steuer! Gotha 1826. v. Seutter, die Beſteurung der Völker. Speyer 1828.

v. Kalkreuth, der ſyſt. Begriff der Abgaben. Leipzig 1829. v. Sensburg,

Ideen über Probleme im Steuerweſen. Heidelberg 1831. Murhard, Theorie und

Politik der Beſteurung. Göttingen 1834 (nichts als Meinungen Anderer, die der

Verf. mit einander kämpfen läßt, als ruhiger Zuſchauer). Wegen des geſchichtlichen

Urſprungs der Steuer ſ. m. die Einleitung oben.

² v. Soden Nat. Oeconom. V. §. 118. Schön Grundſätze S. 61. und mit

ihm Murhard Th. u. P. der Beſteurung S. 24. wenden gegen den Staatsſchutz

und die Theilnahme an den Staatsvortheilen als Grund der Beſteuerung ein, daß

auf dieſe Art der Dürftige mehr bezahlen müſſe, als der Reiche. Dies iſt ein

Irrthum. Denn in Betreff der Perſon ſind alle auf gleichen Schutz berechtigt, in

Betreff des Vermögens aber ergibt ſich eine Theilnahme an den Staatsvortheilen in

verſchiedenen Graden. S. aber oben §. 383.; beſonders N. 3.

³ Es meint zwar Schön Grundſ. S. 69. das Geſetz der Beſteuerung habe

ſeine Unbedingtheit und Allgemeinheit verloren, weil ſich das ſubjective Prinzip nach

und nach materialiſirt habe. Wenn der Verf. ihn recht verſteht, ſo liegt in dieſer

Anſicht eine Unrichtigkeit und ein Widerſpruch. Denn darin, daß die Steuern nach

der Vermöglichkeit umgelegt werden, liegt kein Materialiſiren des Prinzips der

Subjectivität. Dies könnte nur von einer Beſteuerung des Vermögens ohne Rück-

ſicht auf den Erwerb daraus gelten, aber nicht von jener des Einkommens, das

als Folge der Subjectivität des Wirths und als ſolche des Capitals zu betrachten

iſt. Wenn aber der Satz immer mehr praktiſch ausgeführt wird, daß man nur

dort Steuern erhebt, wo ſich ein Steuerobject findet, ſo geht deßhalb das Steuer-

prinzip nicht nur nicht verloren, ſondern es wird allgemeiner. Ueberhaupt ſind

ſolche unbeſtimmte philoſophiſche Schulredensarten hier bei der Steuerlehre und in

der ganzen Finanzwiſſenſchaft gar nicht an ihrem Orte. Das Geſetz der ſub- und

[720/0742]

³ objectiven Allgemeinheit beſteht alſo fort und fort. Es folgt aus ihm, daß es

weder eine ſubjective noch eine objective Steuerfreiheit geben darf.

⁴⁾ Die abſolute Gleichheit iſt immer eine relative Ungleichheit. Eine relative

Gleichheit iſt aber, was die Wirkung der Steuer auf die Zuſtände des Bürgers

anbelangt, eine ſubjective Gleichheit, denn der übrig bleibende Reſt oder die zu

tragende Laſt iſt für Jeden ungefähr nach ſeinen Verhältniſſen gleich. Es folgt aus

dieſen Geſetzen: 1) daß die Steuerquote oder das Steuerprocent nicht bei jeder

beliebigen Größe des Betrages des Steuerobjects gleich ſein darf, ſondern mit der

Letztern ſteigen muß, weil Erſteres eine mehr abſolute Steuergleichheit veranlaßte

(Craig Politik. III. 22–23. Schön Grundſätze. S. 58–62. Dagegen

v. Haller, Reſtauration der Staatswiſſ. VI. 133. Edinburgh Review. 1833.

April. p. 162–163. und mit ihnen Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 541.,

aber blos mit dem unwahren Grunde, daß die Steuer ſo ungleich würde und die

Reichen beraubte). Die Verhältniſſe der Progreſſionen ſind Sache der Finanzpolitik

in jedem Staate. 2) Daß das Steuerprocent nicht bei jeder Art von Vermögen

oder Einkommen daſſelbe ſein darf, ſondern ſich vielmehr nach deſſen Unzerſtörbarkeit

und Sicherheit oder deſſen Quelle und deren Natur richten muß, weil nur auf letzte

Art die relative Gleichheit zu erringen iſt (Craig Politik. III. 19–22.). Es iſt

in dieſen Beziehungen z. B. ein großer Unterſchied zwiſchen Grundeigenthum und

Grundeinkommen, Capital und Capitaleinkommen, Gewerbsvermögen und Gewerbs-

einkommen, und Einkommen aus perſönlichen Dienſten; gleiches Steuerprocent für

dieſelben wäre in der That eine ungleiche Beſteuerung. 3) Daß blos das reine

Einkommen beſteuert werden darf. Denn eine Beſteuerung des bloßen Vermögens

wäre eine blos objective (N. 3), alſo ungleiche, — eine abſolut gleiche, denn

gleiches Vermögen iſt verſchieden nach ſeiner Wirkung auf den Wirthſchaftszuſtand

der Bürger, nach ſeiner Natur, ſeinen Beſtandtheilen und ſeinem Ertrage, der

nach der Abnahme der Steuer übrig bleibende Reſt würde daher verſchiedene

Wirkung haben, alſo die Steuerlaſt ungleich ſein. Eine Beſteuerung des rohen

Einkommens aber iſt auch mehr eine abſolut gleiche, folglich relativ ungleiche, weil

in ihm Vermögensſteuer enthalten iſt, nicht bei gleichem Roheinkommen gleiche

Ausgaben ſind und daher gleiches wahres Einkommen ungleich und ungleiches

abſolut gleich beſteuert würde. 4) Daß man ſolche Objecte zur Beſteuerung nehmen

muß, von welchen man der Beſteuerung des reinen Einkommens gewiß ſein kann.

Dies kann nur geſchehen, indem man das ermittelte reine Einkommen unmittelbar

oder das vermuthliche reine Einkommen durch die Beſteuerung des Genuſſes trifft.

Alſo Einkommens- und Genußſteuern ſind die grundſätzlich richtigſten, wenn

ſie in der angegebenen Art umgelegt ſind (§. 428.).

⁵⁾ Am meiſten iſt dieſes Geſetz unbeachtet geblieben, verkannt und mißkannt

worden. 1) Man hat ſchon behauptet, die Steuern ſeien an ſich und als Förder-

mittel des Geldumlaufs etwas Gutes (Weishaupt, Ueber Staatsausg. u. Aufl.

S. 114. Bailleal Situation de la France. p. 484.), und ſie ſeien wohlthätig, als

Anregungsmittel der Induſtrie (Lüder, Ueber Nationalinduſtrie. III. 505. Büſch

Geldumlauf. I. 453.). Allein ſolche Abſurditäten bedürfen kaum mehr einer Wider-

legung S. deßhalb Lotz Reviſion. IV. 97. Handb. III. §. 124. und mit ihm

Murhard Th. und P. der Beſteur. S. 40. 50. 54. 2) Die Verweigerung der

Steuern durch die Landſtände aus äußeren Gründen, die alſo nicht in der Steuer

ſelbſt liegen, iſt daher ein Angriff auf den Beſtand des Staats oder Revolution und

eine Verfaſſungsurkunde, welche ſie geſtattet, gegen die Grundſätze einer vernünf-

tigen Politik. Verächtlich aber aus dem Geſichtspunkte der Sittlichkeit, des Rechts,

der wahren Weisheit und Klugheit ſind die Regirungen, welche die Bürger über

den wahren Staatsbedarf mit Steuern belaſten.

⁶⁾ Dieſes Geſetz iſt nicht ſo zu verſtehen, als ob blos die Volkswirthſchaft als

Ganzes und nicht die Einzelwirthſchaften zu berückſichtigen ſeien. Denn jene kann

fortſchreiten, indem eine große Anzahl der Letztern durch eine ſchlechte Beſteuerung

dem ſicheren Verderben entgegengeht. Hier muß von der Einzelwirthſchaft ausge-

gangen werden, denn der Einzelne iſt auch der Steuerpflichtige. Es folgt aber aus

dieſem Geſetze 1) auch, daß nur das reine Einkommen und der Genuß beſteuert

werden darf, weil durch die Beſteuerung des Vermögens oder des rohen Einkommens

[721/0743]

⁶⁾ das Capital angegriffen, alſo die Production Einer ihrer Quellen beraubt und weil

durch dieſelbe die zum Lebensunterhalte und zur Production nöthige Conſumtion

geſchmälert werden kann. 2) Daß alſo blos der über die Erhaltung der Bürger

hinausreichende Theil des reinen Einkommens zum öffentlichen Bedarfe verwendet

werden ſoll. Dies folgt aus dem vorhergehenden Satze. Es irrt aber Schön

Grundſ. S. 55–57 ſehr, wo er behauptet, hiernach wäre vor der Staatsconſumtion

kein Vermögensüberſchuß, z. B. an Erbſchaften, Geſchenken, Schätzen u. ſ. w.

ſicher. Denn es müſſen nicht, ſondern es können und dürfen nur nöthigen-

falls obige Ueberſchüſſe von der Steuer verſchlungen werden und zudem ſind die

angeführten Beiſpiele kein reines Einkommen in obigem Sinne, ſondern Capitalien.

3) Daß dem Einzelnen aber doch ſo wenig als möglich vom reinen Einkommen

entzogen werden ſoll, weil mit jedem Mehr ſeine Genüſſe oder Capitalanſammlung

verkürzt werden. Deßhalb und wegen des Wechſels in dem Verhältniſſe des Staats-

bedarfs zum reinen Einkommen aller Einzelnen zuſammen genommen iſt die Fixirung

eines Maximums oder Minimums auf eine andere als die angegebene Weiſe un-

thunlich (ſ. v. Juſti Finanzw. §. 732. Bielfeld Institutions politiques. ch. 7. §. 27.

Schmalz, Encyclop. der Kameralwiſſ. §. 785. Monthion Quelle influence etc.

p. 354. v. Soden Nat. Oeconom. V. §. 416. Pölitz Staatswiſſ. II 275.

Dagegen v. Malchus I. S. 158 und mit ihm Murhard Th u. P. der Beſteur.

S. 109.). 4) Daß die Steuer das reine Einkommen jedes Staatsbürgers ohne

eine andere Rückſicht auf ſeine Natur und Entſtehung, als die in der Note 4 unter

Nr. 2 angegebene, treffe. Denn eine vorgeſchlagene Unterſcheidung zwiſchen ur-

ſprünglichem und abgeleitetem Einkommen und bloße Beſteuerung des Erſteren oder

derjenigen, welche ein ſolches beziehen, hat die falſche Anſicht zu Grunde, daß das

Volkseinkommen im Ganzen ſteuerpflichtig ſei, während es doch der Einzelne iſt;

ſie widerſpricht auch dem Geſetze der Allgemeinheit und Gleichheit (ſ. v. Jacob

Finanzw. §. 500. 508. Lotz Handb. III. 161. v. Malchus I. S. 152. oben

§. 421.). 5) Daß das ſteuerbare Object mit den wenigſt läſtigen Formen und mit

der geringſten Störung im häuslichen und wirthſchaftlichen Leben ermittelt, dieſes

nur ſo ſelten es möglich wiederholt, und ein Object immer, wenn es nur thunlich

iſt, blos mit einer Steuer belegt werden ſoll. 6) Daß man aber in der Wahl

der ſteuerbaren Gegenſtände ſchon jene Regel befolge, aber nicht ohne beſtändig auch

das Finanzintereſſe, nämlich die Erhebung eines großen Ertrags mit möglichſt we-

nigen Mitteln und auf möglichſt wenigen Wegen, im Auge zu haben. 7) Daß

man zwar mit den weſentlich veränderten Wirthſchaftsverhältniſſen und Lebensweiſe

auch eine Veränderung des Steuerweſens, da wo es nothwendig iſt, eintreten laſſen,

aber doch das Steuerſyſtem ſo gleichförmig und ſtätig als möglich erhalten ſoll,

denn der Einfluß deſſelben auf den ganzen Verkehr iſt zu bedeutend, als daß nicht

Veränderungen darin dieſem andere Geſtaltungen und Richtungen geben und, häufig

eingeführt, Unſicherheit in Vermögen und Wirthſchaft verurſachen ſollten.

§. 487.

2) Eintheilung und Arten der Steuern.

Nach den Erörterungen des vorigen Paragraphen kann es nur

vier Hauptklaſſen von Steuern geben, nämlich a) ſolche, die blos

nach den Subjecten oder Perſonen umgelegt ſind (Perſonal-

ſteuern); b) ſolche, die das bloße Vermögen zum Objecte haben

(Vermögensſteuern); c) ſolche, welche vom Einkommen erhoben

werden (Einkommensſteuern); und d) ſolche, die ſich an die

Genüſſe anſchließen (Genußſteuern). Da man aber ſonſt in der

Praxis und in der Wiſſenſchaft andere Eintheilungen hat, ſo ver-

dienen ſie mit dieſer verglichen zu werden. Man theilt ſie nämlich

auch ein: 1) nach den Steuerobjecten in Real-, Induſtrial-

Baumſtark Encyclopädie. 46

[722/0744]

und Perſonalſteuern1), je nachdem ihnen blos das Vermögen

ohne perſönliche Thätigkeit oder mehr die perſönliche Erwerbung

und der daraus fließende Genuß, als der bloße Beſitz, unterworfen

iſt. Die ſchwachen Füße dieſer logiſchen Unterſcheidung fallen ſo-

gleich in die Augen; 2) nach der Art der Umtheilung in Ver-

theilungs- (Repartitions-) und Quotitätsſteuern (Impôts

de repartition et de quotité), je nachdem eine gewiſſe zu erhe-

bende Geſammtſteuerſumme auf die Steuerpflichtigen umgetheilt

oder blos von Jedem eine gewiſſe Quote erhoben wird, aus deren

Addition man die Geſammtſteuerſumme erſt erwartet; 3) nach der

Erhebungsart in directe und indirecte Steuern, je nachdem

ſie derjenige ſogleich zahlen muß, den ſie treffen ſoll oder je nach-

dem ſie Einer vorauslegend bezahlt und ſich dann von demjenigen,

den ſie treffen ſoll, wieder erſtatten läßt2). So verſteht man aber

in der Praxis dieſe Wörter nicht, wo man die Perſonal-, Ver-

mögens- und Einkommensſteuern directe, die Genußſteuern aber

indirecte nennt3), obſchon es an Beiſpielen leicht klar zu machen

iſt, daß es auch directe Genußſteuern gibt4). Ein Streit hierüber

iſt ein bloßer Wortſtreit, aber er muß leider erwähnt werden, weil

von directen und indirecten bald in der einen, bald in der andern,

bald in noch andern Bedeutungen5) geſprochen wird.

¹ Fulda Finanzwiſſ. §. 154. 155. 183. v. Jacob Finanzwiſſ. §. 514.

v. Sonnenfels Grundſätze. III. 267.

² Ein Streit hat ſich erhalten darüber, ob die Steuern abwälzbar ſein ſollen,

d. h. ob Einer ſie dem Andern im Verkehre aufhalſen, ſich ſie vom Andern erſtatten

laſſen ſoll oder nicht. Gerade ſo als ob es vom Beſchluſſe der Naturlehrer abhinge,

ob der Mond erſcheine oder nicht. Schön Grundſätze S. 67 iſt der Anſicht, daß

eine Steuer nicht übergewälzt werden dürfe, wenn ſie richtig ſein ſolle; aber S. 72

erklärt er alle Steuern für abwälzbar. Auch Murhard Th. u. P. der Beſteur.

S. 135 müht ſich gegen die Abwälzbarkeit der Steuern ab, ſo wie v. Jacob

Staatsfinanzw. §. 715. und Fulda Finanzw. §. 146. dagegen ſind. Allein was

der Verkehr bewirkt, dem iſt nicht zu widerſtreiten; es gibt gar keine Steuer, die

nicht abgewälzt werden könnte. Man laſſe den freien Verkehr gewähren; — was

er macht, iſt wohlgethan. Aber die Abwälzbarkeit zum Steuerprinzip zu erheben,

und in der Hoffnung auf die Verkehrsausgleichung Steuerungleichheiten anzuordnen

oder nicht möglichſt zu verhüten, ſo abſurd iſt man noch nicht geweſen. S. v. Mal-

chus I. S. 156–157.

³ So auch v. Malchus I. 169., und Canard Principes d'Econom. polit.

p. 154., weil die meiſten Genußſteuern indirect ſind. S. auch v. Soden Nat.

Oeconom. III. §. 566. V. §. 366. Der andern Anſicht iſt v. Jacob Finanzwiſſ.

§. 514. 707. Lotz Handb. III. 177. Preuß. Staatszeitung. 1829. Nr. 304.

⁴⁾ Z. B. die Acciſe für den eigenen gezogenen Trinkwein, für hausgeſchlach-

tetes Vieh u. dgl.

⁵⁾ Hermes Stück XVI. S. 161 nimmt ſie nicht gleichbedeutend mit mit-

telbarer und unmittelbarer Steuer. Fulda Finanzw. §. 154 ſagt, die

indirecten Steuern ſeien ſolche, die bei einer Ausgabe erlegt werden müſſen (offen-

bar zu weit!). Krönke Grundſätze §. 15 verwechſelt dieſe Eintheilung mit jener

in Repartitions- und Quotitätsſteuern.

[723/0745]

Zweites Stück.

Von den einzelnen Steuerarten.

I. Perſonalſteuern.

§. 488.

Die Kopf- und Rang- oder Klaſſenſteuer.

Die Perſonalſteuern1), ſie mögen einen ſpeziellen Namen und

Charakter haben, wie ſie wollen, ſind grundſätzlich unrichtige

Steuern. Denn blos das Prinzip der ſubjectiven Allgemeinheit,

abſoluten Gleichheit und der Größe iſt dabei beobachtet, während

jenes der objectiven Allgemeinheit, relativen Gleichheit und der

Nationalöconomie ganz vernachläſſigt iſt, indem die Steuer, nu-

meriſch gleich, blos nach Perſönlichkeit, ohne die geringſte Rück-

ſicht auf Vermögen und Wirthſchaft, umgelegt wird. Die zu ihrer

Vertheidigung unterſchobene Rückſicht, daß jeder Menſch gewiſſen

Alters und drüber ein beſtimmtes Einkommen erwerbe oder erwer-

ben könne, iſt ſpätere Erfindung2). Man unterſcheidet aber zwei

Arten. Entweder wird die Steuer blos nach der Perſönlichkeit,

ohne Rückſicht auf den Standpunkt des Pflichtigen in der Geſell-

ſchaft, ganz gleich auf Jeden gelegt (Kopfſteuer), oder ſie

wird mit Rückſicht auf die Abſtufung der Stände in verſchiedenen

Quoten erhoben (Rang- oder Klaſſenſteuer)3). Weder die

Perſon an ſich noch der Rang geſtattet einen Schluß auf ein be-

ſtimmtes Einkommen. Drum ſind dieſe Steuern auch in dem letz-

teren Prinzipe ungegründet4). Es läßt ſich indeß nicht läugnen,

daß ihre Erhebung äußerſt mühe- und koſtenlos iſt, daß eine Kopf-

ſteuer in erſt friſch ſich entwickelnden Ländern, wo der Arbeitslohn

wegen der großen Nachfrage darnach hoch ſteht, auf die untere

Klaſſe weniger Druck übt, als in jedem andern Lande, und daß

ſie daſelbſt dann auch einen beträchtlichen und höheren Ertrag gibt,

als ſonſt und ſpäter. In dieſen Ländern tritt dann auch der Fall

ein, daß die Kopfſteuer von dieſer Arbeiterklaſſe auf jene der Lohn-

herrn übergewälzt werden kann, ein Umſtand, der die Kopfſteuer

zugleich zu einer indirecten Steuer auf die Reichen macht. Allein,

wenn dies auch der Fall iſt, — was aber in vielen andern Län-

dern nicht ſo ſein wird, wo die Concurrenz der Arbeiter ſehr groß

iſt, — ſo bleibt gegen dieſe Steuer immer der Vorwurf, daß der

Arme zur Vorauslage der Steuer der Reichen angehalten iſt. Als

Hauptſteuer und an ſich wird ſie daher immer verwerflich ſein,

aber als eine Aushilfsſteuer zur Ausgleichung der Steuerlaſt zwi-

46 *

[724/0746]

ſchen Stadt und Land in kleinen Quoten wird ſie ihre ſchädliche

Wirkung weniger äußern.

¹ A. Smith Inquiry. IV. 237. Büſch, Vom Geldumlaufe. I. 404.

v. Sonnenfels Grundſätze. III. 333. Lotz Reviſion. IV. §. 286. S. 219.

Handb. III. 307. v. Soden V. §. 373. v. Jacob §. 561. Fulda §. 184.

v. Malchus I. §. 41. v. Juſti Finanzw. S. 409. Bergius P. u. C. Maga-

zin. Art. Kopfſteuer. (v. Struenſee) Sammlung von Aufſätzen. II. 32.

Abhandlungen. I. 202. Monthion Quelle Influence. p. 66. 112. Sartorius,

Gl. Beſteuerung. S. 276. Krehl Steuerſyſtem. S. 141. Murhard Th. u. P.

der Beſteur. S. 183. Deſſelben Politik des Handels. S. 394. Krauſe

Syſtem. II. §. 271. Spittler, Vorleſ. über Politik. S. 338.

² v. Buquoy, Theorie der Nat. Wirthſch. S. 487. vrgl. 483. und Behr,

Wirthſch. des Staats §. 151. meinen, ſie ſtimme mit den Steuerprinzipien darum

überein, weil der Bürger den Staatsſchutz für ſeine Perſon bezieht. Allein die

Steuergrundſätze verwerfen jede ſubjectiv gleiche Beſteuerung, weil ſie nothwendig

abſolut gleich und dagegen relativ ungleich iſt.

³ Es gibt aber noch eine Klaſſenſteuer in einem andern Sinne. S. un-

ten §. 490.

⁴⁾ v. Malchus a. a. O. ſucht ſie trotz dieſer Mängel doch gegen den Vor-

wurf der gänzlichen Prinziploſigkeit und Ungleichheit zu vertheidigen. Allein, wie

es ſcheint, nicht mit Glück. S. die Widerlegung in Meinen Verſuchen über

Staatskredit. S. 205–206.

II. Vermögensſteuer.

§. 489.

Die auf das Vermögen überhaupt umgelegte oder Vermö-

gensſteuer1) iſt den erſten Steuergeſetzen entgegen (§. 486. N. 4.

Nr. 3. N. 6. Nr. 1.). Sie iſt aber von jeher gerade mit dem Ge-

gentheile, nämlich mit ihrer Allgemeinheit, mit ihrer Gleichheit-

lichkeit, mit der Größe ihres Ertrages, mit der Leichtigkeit der

Umlage und Erhebung und mit ihrer nicht blos gering nachthei-

ligen, ſondern ſogar ſehr vortheilhaften Wirkung auf die Privat-

und Volkswirthſchaft angeprieſen und vertheidigt worden. Daß ihr

die beiden erſten Eigenſchaften nicht gebühren, ergibt ſich aus der

angeführten Stelle. Die Größe des Ertrags derſelben kann aber

um ſo weniger, wenn ſie auch wirklich beträchtlich wäre, für ihre

Einführung entſcheiden, als alle folgenden Eigenſchaften derſelben

in der That nicht exiſtiren. Denn die Schätzung des Vermögens

und die Beſteuerung deſſelben nach einer einmaligen Schätzung iſt,

vorausgeſetzt, daß man alle Mittel und Wege, wie nicht, dazu

habe und kenne2), dennoch unbrauchbar und ungerecht, weil der

Werth des Vermögens zu wandelbar, und Vermögen von gleichem

Geldwerthe nicht an ſich von gleichem Gebrauchs- und Tauſchwerthe

iſt (§. 486. N. 4. Nr. 2.). Ergibt ſich hieraus von ſelbſt die größte

Schwierigkeit der Umlage, ſo kann ihre ſchädliche Wirkung in

volkswirthſchaftlicher Hinſicht unzweifelhaft ſein, beſonders da ihre

[725/0747]

Nichtübereinſtimmung mit den Steuergeſetzen der Allgemeinheit und

Gleichheit nach Obigem unzweideutig iſt.

¹ Für dieſelbe als Hauptſteuer: Harl Steuerhandbuch. II, 84. Strelin

Reviſion. S. 173. v. Seutter Beſteur. der Völker. §. 66. vrgl. mit §. 41–45.

Breitenſtein, Nur eine Steuer! S. 160. Mathy, Vorſchlag einer Vermö-

gensſteuer. Karlsruhe 1831. Means for paying of half the National Debt. Lond.

1831. scheme for a graduated property Tax. Lond. 1812. suggestions for the

Relief of the public burdens. London 1833. Für ſie in Verbindung mit einem

Steuerſyſteme: Büſch Gelduml. I. 396. simonde de sismondi Nouv. Principes.

II. 199. Dagegen: Edinburgh Review 1833. April. p. 143 sqq. Hermes St.

XV. (1822) S. 139. v. Malchus I. §. 39. Fulda §. 177. v. Jacob §. 566.

Lotz Handb. III. 312. Krauſe Syſtem. II. §. 264. v. Sonnenfels Grundſ.

III. 324. v. Juſti, Syſtem des Finanzw. §. 894. (v. Struenſee) Samml.

von Aufſätzen. II. 40 Bergius, P. u. C. Magazin. Art. Vermögenſteuer.

v. Haller, Reſtaur. der Staatswiſſ. VI. 131. Schmalz Staatswirthſch. 197. 319.

Krehl Steuerſyſtem. S. 146–164. und nach ihnen Murhard Th. und P. der

Beſteur. S. 197. 201. 208. ſ. auch Meine Verſuche S. 207–211. Man ver-

weist zu ihren Gunſten auch auf das Alterthum (Bökh, Staatshaushalt der

Athener. II. 46. Hegewiſch, Verſuch über die römiſchen Finanzen. S. 48.) und

auf die alten Reichsſtädte (v. Schlötzer Staatsanzeigen. X. 187. Bergius P.

und C. Magazin. Art. Loſung. Büſch Geldumlauf. I. 398.).

² Die Schätzung des Vermögens durch Dritte, z. B. Staatsbeamte oder

Nachbarn, macht ein ſehr läſtiges Eindringen in die Vermögens- und Haushaltungs-

angelegenheiten nothwendig, die Selbſtſchätzung ſelbſt unter der Auflage der

Beeidigung iſt eine Methode, welche das Privat- dem Staatsintereſſe voranſetzt,

ohne die Rechtmäßigkeit der Schätzung prüfen zu können, ſo daß die Ehrlichen zum

Vortheile der Unehrlichen, und diejenigen, welche ihr Vermögen ſchon wegen ſeiner

Natur nicht verheimlichen können, zum Vortheile der Andern ſtark überſteuert wer-

den. Zudem wird ein ſehr großer Theil der Staatsbürger gar nicht im Stande

ſein, eine Schätzung ſelbſt richtig vorzunehmen. Eine Verbindung beider

Schätzungsmethoden zum Behufe der Controle würde nur die ſchädliche Wirkung

beider über den Bürger verhängen, aber keine Vortheile, nicht einmal jenen der

Controle ſchaffen. Denn die Grundſätze der Schätzung ſind nicht zu ermitteln, weil

das Vermögen aus zu verſchiedenartigen Beſtandtheilen zuſammengeſetzt, und ein

jeder von dieſen im Ertrage vom andern verſchieden, ja mancher davon ganz ohne

Ertrag iſt. Es entſtehen daher immer die bisher noch nicht für die Vermögens-

ſteuer entſchiedenen Fragen: Iſt das bewegliche Vermögen wie das unbewegliche zu

ſchätzen und zu beſteuern? Iſt dies auch der Verbrauchsvorrath, wie das Capital?

Nach welchen Regeln ſollen die Verbeſſerungen des Bodens und des ſtehenden Capi-

tals geſchätzt und beſteuert werden? Wie mittelt man die Größe und den Werth

des umlaufenden Capitals, namentlich die Geldcapitalien aus? Wird blos das

Vermögen beſteuert, das einen Ertrag gibt, oder auch das andere? und wie ſcheidet

man in der Schätzung dieſe beiden von einander? Soll blos Materielles oder auch

Immaterielles als Ertrag angeſehen werden? Wird nur das reine Vermögen

(nach Abzug der Schulden) oder das rohe beſteuert? — Ueber dieſe Fragen ſind

die Empfehler der Vermögensſteuer ſelbſt uneinig. Krönke (Grundſätze §. 17.)

will durchaus auch die Mobilien beſteuern, weil ihr Gebrauch auch ein Ertrag ſei.

v. Seutter §. 43. 62. will bei der Beſteuerung blos auf den Werth, aber nicht

auf den Ertrag Rückſicht nehmen. Mathy §. 9. und Breitenſtein S. 171.

wollen blos das ſchuldenfreie Vermögen beſteuert wiſſen. v. Seutter §. 66. iſt

entgegengeſetzter Meinung. Derſelbe §. 67. will Selbſtſchätzung unter Androhung

von Eid und Strafe und Breitenſtein S. 159. will der ſummariſchen Schätzung

vor der detaillirten unbedingt den Vorzug geben u. dgl. m.

[726/0748]

III. Einkommensſteuern.

§. 490.

A. Allgemeine Einkommensſteuer.

Mit dem Hinblicke auf die Verwerflichkeit und Unausführbar-

keit der Vermögensſteuer und auf die Nothwendigkeit der Be-

ſteuerung des Einkommens kam man auf den Vorſchlag einer

allgemeinen Einkommensſteuer1), mittelſt welcher überhaupt

alles Einkommen der verſchiedenſten Art, welches ein Bürger be-

zieht oder verdient, beſteuert werden ſoll. Man fand dieſe Steuer

um ſo empfehlenswerther, als ſie ſchon in ihrem Namen das Geſetz

der Allgemeinheit als ihr Grundgeſetz verräth, als das Geſetz der

Gleichheit offenbar in ihrer Anlage ſchon liegt, da ja auf alles

Einkommen eine gleiche Steuer umgelegt wird, als das Geſetz der

Größe gewiß realiſirt wird, indem dieſe Steuer ein beträchtliches

Einkommen für die Staatskaſſe bewirkt und endlich als ſie dem

Geſetze der Volkswirthſchaft in hohem Grade entſpricht, weil ſie

die Steuerſumme auf einmal erhebt, nicht die läſtigen Schätzungs-

maaßregeln wie andere Steuern erheiſcht, und blos vom wahren

reinen Einkommen nach Abzug aller Ausgaben für das Gewerbe

und Familienleben erhoben wird. Allein faſt keine dieſer Unter-

ſtellungen iſt wirklich wahr. Denn die Ausmittelung des reinen

Einkommens in jener Art iſt eine reine Unmöglichkeit2), weil die

paſſenden Wege und zuverläſſigen Mittel dazu ganz fehlen. Kann

dies nicht bezweifelt werden, ſo iſt eine nothwendige Folge, daß

der Steuer manches Einkommen entgeht, und manches zu hoch

geſchätzt, alſo gegen das Geſetz der Allgemeinheit und Gleichheit

gefehlt wird. Das Letztere und das Geſetz der Volkswirthſchaft

wird durch ſie vernachläſſigt, indem das aus verſchiedenen Quellen

fließende Einkommen ganz gleich beſteuert wird (§. 486. N. 4. Nr. 2.

und N. 6. Nr. 4.), und bei der Schätzung jede Sicherheit mangelt,

ob denn auch wirklich blos das reine und nicht das rohe Einkom-

men beſteuert werde (i. a. §. N. 4. Nr. 3.). Denn die Schätzung

ſoll allgemeinhin geſchehen. Wollte man aber eine Spezialſchätzung

der verſchiedenen Klaſſen von Reineinkommen vornehmen, ſo wäre

weiter kein Vortheil im Vergleiche mit der Steuerumlage nach den

verſchiedenen Einkommenszweigen zu erreichen, und die allgemeine

Einkommensſteuer beſtünde nur dem Namen nach3).

¹ Für eine ſolche als Ideal der Beſteuerung und einzige Steuer: Zachariä,

Vierzig Bücher vom Staate. V 425. Hermes Stück XV. (1822) S. 141–150.

Lips, Ueber die allein wahre und einzige Steuer, die Einkommenstaxe. Erlangen

1812. Keßler, Finanzſyſtem ...... mit dem Geſetzplane zu einer allgemeinen

Einkommensſteuer. Stuttg. 1821. Auch die beiden letzten der drei genannten eng-

[727/0749]

¹ liſchen Schriften in der N. 1. des vor. §. Dagegen: Edinburgh Review 1833.

April p. 153. Lotz Reviſion IV. 211. Handb. III. 322. Fulda §. 185. v. Mal-

chus I. §. 39. simonde de sismondi Nouv. Princ. II. 171. Sartorius Gl.

Beſteur. S. 263. v. Raumer britt. Beſteuer. Syſtem S. 136. flg. 229. und mit

ihnen Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 492. 554. 570. Auch kann hierher

als ein unausführbares Curioſum v. Sodens allg. Productenauflage gerechnet wer-

den. S. deſſen Nat. Oec. V. §. 423–453. Dagegen v. Jacob §. 585. Lotz

Handb. III. 180. und auch Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 665., der auf-

fallend genug, dieſe Steuer als ein viertes Syſtem neben dem merkantiliſchen, phy-

ſiocratiſchen und ſmithiſchen Steuerſyſteme erwähnt. Auch hier wird auf das Alter-

thum verwieſen. Bökh Staatshaushalt der Athener. II. 28. Hegewiſch Verf.

üb. d. röm. Finanzen. S. 49. Boſſe Grundz. des F. W. im röm. Staate I. 20.

Niebuhr röm. Geſch. II. 446. Dagegen Schultz Grundleg. c. S. 205. flg.

² Man hat auch hier die in der Nr. 2. des vor. §. erwähnten Schätzungs-

methoden, nämlich die Selbſtſchätzung, gegenſeitige Schätzung der Ge-

meindebürger und jene durch Staatsbeamte. Von der Erſteren gilt das be-

reits Geſagte. Die Zweite fußt auf der ſchon durch die tägliche Erfahrung wider-

legten Meinung, der eine Nachbar kenne das Einkommen des andern, und es wäre

nicht einmal nöthig, darauf aufmerkſam zu machen, wie verſchieden ſchwer die Schä-

tzung beim Landwirthe, Gewerksunternehmer, Gaſtwirthe, Handelsmanne, Capitali-

ſten, Arzte, Advocaten u. ſ. w. iſt, wie ungleich alſo ſchon hiernach die Schätzung

an ſich werden müßte, wenn man ſich auch über den Schätzungsmaaßſtab vereinigt

hätte, und wie ſehr eine Bürgerclaſſe vor der andern benachtheiligt würde, je feſter

ihr jährliches Einkommen zu berechnen wäre oder vor Augen läge. Die dritte Schä-

tzungsmethode zum Behufe einer allgemeinen Ausmittelung des Einkommens muß

nothwendig in Willkühr ausarten, wenn ſie nicht durch ſpezielles Eindringen in die

Wirthſchaftsverhältniſſe läſtig werden ſoll, ſo daß alſo hier blos zwiſchen zwei großen

Uebeln die Wahl bleibt. Was mag alſo hier eine Verbindung beider oder aller

drei unſichern Methoden, wovon keine gegen die andere beweisführend ſein kann,

für Nutzen gewähren, da doch eine die andere controliren ſoll? — Und doch hat ſie

Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 531., nachdem er die andern Methoden S.

509. 515. 522. für verwerflich und unausführbar erklärt hatte, für zweckmäßig be-

funden.

³ Als Hauptſteuer muß ſie daher für durchaus verwerflich erſcheinen. Als

Aushilfeſteuer, auf Selbſtfaſſion baſirt, kann ſie aber, weil ihre Folgen wegen ge-

ringeren Betrages der Quote unſchädlicher ſind, um ſo mehr eingeführt werden, als

in den meiſten Ländern ſchon beſondere Einkommensſteuern beſtehen, deren Reſultate

dafür zuſammengefaßt werden könnten. Auf die erſte Art erſcheint die engliſche

Einkommensſteuer (Properly-tax genannt), welche bei Raumer a. a. O. be-

ſchrieben iſt. (S. auch Craig Politik III. 18. flg. Lowe, Gegenw. Zuſtand von

England S. 426. v. Malchus I. S. 180.) Auf die andere Art dagegen erſcheint

die großherzogl. badiſche Klaſſenſteuer, allein ſie iſt höchſt mangelhaft und drük-

kend, weil ſie auf das Einkommen überhaupt ohne Rückſicht auch nur auf den Le-

bensbedarf umgelegt iſt, und darum Mancher, der nicht einmal den achten Theil

ſeines Lebensbedarfes erwirbt, vom Gulden einen Kreutzer Steuer bezahlen muß.

§. 491.

B. Beſondere Einkommensſteuern. 1) Allgemeine Blicke

über die jetzigen Einkommensſteuern.

Nach dieſen Bemerkungen über die Unausführbarkeit einer all-

gemeinen Einkommensſteuer, ohne Eindringen in die einzelnen Ein-

kommensverhältniſſe der Bürger, ergibt ſich die Nothwendigkeit der

Beſteuerung der verſchiedenen Einkommensarten, wenn ſie mit den

Steuergrundſätzen in Einklang ſteht, von ſelbſt. Das Streben der

[728/0750]

neueren Staaten geht auch dahin, allein die dazu eingeſchlagenen

Wege ſind meiſtentheils fehlerhaft. Die allgemeinen und Haupt-

mängel der neueren Steuerverfaſſung, ganz abgeſehen von den ört-

lichen und eigenthümlichen eines jeden Landes, ſind folgende: 1)

der Mangel an Uebereinſtimmung mit den veränderten Gewerbs-,

Verkehrs-, und Zeitverhältniſſen, weil ſie nämlich in Zeiten gege-

ben wurde, nach welchen ſich dieſe drei durchaus umgeſtaltet ha-

ben1). 2) Der faſt durchgängige Mangel an Rückſicht auf die

Natur und Quelle des Einkommens und die daher rührende wirk-

lich mehr abſolut gleiche Beſteuerung, weil das verſchiedenartigſte Ein-

kommen mit ganz gleichem Steuerprozente belegt und dieſes auch

bei den verſchiedenſten Maſſen von Einkommen gleich iſt2). 3) Der

Umſtand, daß ſchon der Anlage nach und durch die veränderten

Verhältniſſe die Einkommensſteuern eigentlich von Anfang bereits

Vermögensſteuern waren, oder es allmählig mehr geworden und

es noch ſind3), 4) die zum Theile höchſt unvollkommene, zum Theile

ganz unterlaſſene Berückſichtigung des für den Bürger und ſeine

Familie nothwendigen Lebensunterhaltes, deſſen Abzug vom reinen

Einkommen unumgänglich iſt, wenn die Steuer nicht ungleich und

antinationalöconomiſch ſein ſoll4). 5) Der Mangel an einer gehöri-

gen Trennung der verſchiedenen Einkommenszweige zum Behufe

der Beſteuerung, und an der erforderlichen Berückſichtigung der

Wirkung derſelben und der entſprechenden Einkommensſteuer auf

den Volkswohlſtand5). Aus dieſem Allen ergibt ſich, wenn man

die Grade der Steuerlaſt in verſchiedenen Ländern vergleicht6),

daß nicht die Höhe der Steuern, ſondern vielmehr ihre Umlage

die manchfachen Klagen verurſacht, wo den Letzteren ein reeller

Grund und nicht blos Einbildung und gefliſſentliche Uebertreibung

zu Grunde liegt.

¹ Welche Veränderungen ſind nicht in allen Gewerben, ſowohl was die Per-

ſonal, als was die Realverhältniſſe anbelangt, erſt in den letzten zwei Jahrzehnten

eingetreten! Welche Veränderungen in den Verhältniſſen der Stände, in den bürgerli-

chen Rechten, in den Verfaſſungen, in der Denkart und in den Forderungen an die Un-

terthanen! Welche Veränderungen in der Lebensweiſe, in den Güterpreiſen, im Geld-

weſen, in den Communicationsmitteln u. dgl.!

² Das Einkommen aus Urgewerben iſt zwar mehrentheils anders beſteuert,

als jenes aus Kunſt-, Umſatz- und Dienſtgewerben. Allein dafür ſind die drei Letz-

teren auch unter ein Syſtem geworfen, ein Umſtand, der die größte Ungleichheit der

Steuerlaſt zur Folge haben muß. Dabei muß aber der ärmere Bauer, Handels- und

Gewerbsmann und der Taglöhner daſſelbe Steuerprozent von ſeinem äußerſt ſpärlichen

Reineinkommen bezahlen oder mit dieſem eine weit größere Laſt tragen, als der

Reichere aus dieſen Klaſſen.

³ Z. B. eine nach dem Kaufpreiſe umgelegte Grundſteuer, eine nach dem Geld-

werthe, nach Fenſtern, Schornſteinen u. ſ. w. umgelegte Häuſerſteuer, eine nach der

Arbeiterzahl und dem Capitale umgelegte Gewerbſteuer u. dgl. mehr. Sie ſind ſämmt-

[729/0751]

³ lich Vermögensſteuern. Je größer aber das Mißverhältniß zwiſchen Steuer und

Einkommen, oder je unſicherer die Schätzung des Letzteren wird, deſto mehr nähert

ſich die Steuer der Natur der Vermögensſteuer.

⁴⁾ Dies iſt mehr oder weniger bei allen directen Steuern, namentlich bei den

Klaſſen- und Perſonenſteuern, der Fall, aber Einer von den größten Fehlern, denen

man die Ungleichheiten der Beſteuerung zu verdanken hat. Welche Mißverhältniſſe

beſtehen zwiſchen der Familie und dem Einkommen bei der ärmern Klaſſe im Ver-

gleiche mit den Reicheren.

⁵⁾ Hierin liegt eine bedeutende Unvollkommenheit. Man ſtrebt immer mehr

dahin, die nationalöconomiſchen Einkommenszweige, wie ſie weiter oben dargeſtellt

worden ſind (§. 421. flg.), rein und abgeſondert zu beſteuern, ohne zu bedenken, daß

dies nach der Natur der Sache und nach unſeren Kenntniſſen unmöglich iſt. Als

Hauptſteuern vom Einkommen kennen wir nur die Grund- und Gewerbeſteuer. An-

genommen, ihre Umlage ſei ſo weit den Steuergrundſätzen gemäß, wie ſehr iſt dabei

der Unterſchied der verſchiedenen Einkommenszweige nicht vernachläſſigt! Wie ſehr

ſind die Grundrente, Arbeitsrente, Capitalrente und Gewerbsgewinn durcheinander

geworfen! Allein man gebe ſich nur nicht der Täuſchung durch die Theorie hin, wel-

che verlangt und für möglich hält, daß man jede derſelben beſonders beſteure. Dies

iſt unmöglich, ebenſo wie es unmöglich iſt, nach Einer der Güterquellen ganz allein

ein Einkommen zu beziehen. Die Beſteuerung des Einkommens muß alſo vom Er-

werbe oder Gewerbe ausgehen. Die Einkommensſteuern müſſen Gewerbſteuern

ſein. Denn die Steuern ſind nur gleich, wenn die Steuerlaſt gleich iſt, aber noch

nicht, wenn das Steuerprozent daſſelbe iſt. Die dem Prozente nach gleiche Steuer-

laſt aber wird verſchieden ſein, je nach der Schwierigkeit des Erwerbes (alſo nach

der Quelle des Einkommens) und nach dem Verhältniſſe deſſelben zum Leben des

Bürgers nebſt Familie. Eine richtige Verſchiedenheit der Beſteuerung des Ein-

kommens oder als Folge hiervon, eine wahre relative Gleichheit der Beſteuerungs-

laſt kann nur erzielt werden durch die Abtheilung und verſchiedene Beſteuerung nach

den Gewerben, weil in ihnen die Güterquellen auf die verſchiedenſte Art und in

den verſchiedenſten Graden wirkſam ſind, ohne getrennt werden zu können. Näher

bezeichnet, es ſollte eine Urgewerbs-, Kunſtgewerbs-, Handels-, Leih-

gewerbs-, und Dienſtgewerbsſteuer geben, nicht, weil in einem kameraliſti-

ſchen Syſteme dieſe Einleitung beliebte, ſondern weil in der Natur der Sache eine

weſentliche Verſchiedenheit dieſer Gewerbe nach der Schwierigkeit des Erwerbes und

nach dem Verhältniſſe des möglichen Einkommens zum Lebensbedarfe gegründet iſt.

Je mehr die Natur und das Capital bei dem Erwerbe wirkt, um ſo leichter, je

mehr aber die Arbeit des Menſchen dabei thun muß, um ſo ſchwerer iſt der Er-

werb. Da die Höhe des Steuerprozentes mit der Schwierigkeit des Letztern in um-

gekehrtem, mit deſſen Leichtigkeit aber in geradem Verhältniſſe ſtehen muß, ſo folgt

hieraus, daß das Prozent der Dienſtgewerbſteuer das niedrigſte ſein und rückſichtlich

der Höhe dieſem in zunehmender Progreſſion das Steuerprozent der Handel-, Kunſt-

gewerb-, Urgewerb- und Leihgewerbſteuer folgen müßte. Die Ermittelung des

Ertrages einer jeden dieſer Gewerbsarten unterliegt ſo verſchiedenen Regeln, daß

ſchon darum ein Zuſammenwerfen derſelben unter eine Vorſchrift ein großer Fehler

iſt. Aber nach Ermittelung derſelben muß auch der Grundſatz des ſteigenden Steuer-

prozentes bei den verſchiedenen Größen des Reinertrages klaſſenweiſe bei jeder einzel-

nen Steuerart angewendet werden.

⁶⁾ S. v. Malchus. Bd. II. in den Tabellen. Meine Verſuche S. 203

Tabelle.

§. 492.

2) Einzelne Arten der Einkommensſteuern. a) Urge-

werbſteuer.

Der Urgewerbſteuer ſind die Land- und Forſtwirthe und

die Bergbauer mit dem Reinertrage ihrer Gewerbe unterworfen,

[730/0752]

ohne einen Unterſchied zwiſchen der Grundrente, Capitalrente und

dem Gewerbsgewinnſte zu machen. Die Schätzung geſchieht nach

den gewöhnlichen Regeln der Ertragsſchätzung bei dieſen Gewer-

ben. Wer in der Landwirthſchaft ſein Eigenthum bewirthet, iſt

für den ganzen reinen Gewerbsertrag ſteuerpflichtig; wer aber den

Boden gepachtet hat, iſt zu einem Abzuge des üblichen Pachtzinſes

vom Ertrage berechtigt. Die beſondere Rückſicht iſt jedoch nur zu

nehmen nothwendig, wo das Pachtſyſtem häufig iſt oder als Regel

erſcheint und kurze Verpachtungen kleiner Stücke, wenn ſie in der

Gegend notoriſch eine Ausnahme bilden, können nicht berückſichtigt

werden. Dieſe Steuer hat die meiſte Aehnlichkeit mit der gewöhn-

lichen Grundſteuer1), welche man wegen ihrer verſchiedenen An-

lagsmethoden nur als die Steuer vom Grund und Boden bezeich-

nen kann2). Die Leichtigkeit der Schätzung, die Unerſchöpflich-

keit der zu Grunde liegenden Einkommensquelle, die Thunlichkeit

einer ſehr ſtarken Belaſtung3), die Offenheit aller Veränderungen

mit derſelben, die leichte Möglichkeit einer Verfolgung derſelben

durch die Steuer, der hohe Ertrag dieſer Abgabe und die Einfach-

heit und verhältnißmäßig geringe Koſtſpieligkeit der Umlage und

Erhebung haben dieſe Steuer zur beliebteſten und Hauptſteuer bei

den Regirungen gemacht. Trotz dem aber iſt ſie in den meiſten

Staaten ganz fehlerhaft angelegt. Man hat folgende Anlagsme-

thoden: 1) Nach der Flächenausdehnung des Bodens. Allein

ſo iſt ſie eine Vermögensſteuer der ſchlechteſten Art, weil von der

Bodenfläche auf den Ertrag nimmermehr geſchloſſen werden kann,

da außer der Güte des Bodens noch eine Menge anderer Umſtände,

die zum landwirthſchaftlichen Gewerbe gehören, auf denſelben von

Einfluß ſind4). Dieſe Steuer widerſpricht daher allen Steuer-

grundſätzen. 2) Nach der natürlichen Güte oder Productionsfä-

higkeit des Bodens. Allein von ihr findet kein richtiger Schluß auf

den Ertrag deſſelben Statt, da das Capital, die Bewirthſchaftung und

die ſonſtigen äußern Verhältniſſe den Letzteren ſo beſtimmen, daß

das Ergebniß oft umgekehrt iſt, d. h. ſchlechterer Boden einen beſ-

ſern Ertrag gibt als guter5). 3) Nach dem Capitalwerthe

des Bodens, wodurch dieſe Steuer eine ganz gewöhnliche Vermö-

gensſteuer vom Grund und Boden wird, folglich auch alle Fehler

und Nachtheile der Letzteren hat. Dieſen Capitalwerth glaubt man

auf zwei Methoden zu finden, nämlich durch Capitaliſirung

des ermittelten durchſchnittlichen Reinertrages oder durch den durch-

ſchnittlichen Kaufpreis, da man vorausſagte, daß derſelbe ſich

nach dem Werthe des Bodens genau richte6). Allein die Erſtere,

eigentlich ganz unnöthig, nachdem man den Reinertrag kennen ge-

[731/0753]

lernt hat, gibt darum den Capitalwerth nicht richtig, weil der Rein-

ertrag nicht blos aus Grundrente, ſondern auch aus Gewerbs- und

Capitalgewinn beſteht; der Andere iſt aber unbrauchbar dazu, weil

die manchfachſten Umſtände den Preis beſtimmen. (§. 420.) 4) Nach

der Pachtrente, weil man von dieſer geradezu auf den Reiner-

trag ſchließen zu können wähnte. So hat dieſe Steuer etwas von

der Natur einer Ertragsſteuer, alſo nicht die Mängel einer Ver-

mögensſteuer. Allein eine genaue Betrachtung des Weſens der

Grundrente (§. 422.) zeigt die Unrichtigkeit dieſer Meinung ganz

genau und zudem iſt die Grundrente nicht der ganze landwirth-

ſchaftliche Reinertrag, da dieſer auch Capital- und Gewerbsgewinn

enthält7). 5) Nach dem Rohertrage des Bodens, weil man

davon auf den Reinertrag ſchließen zu können glaubte. Allein die

Fehlerhaftigkeit dieſer Methode geht ſchon aus den allgemeinen

Erörterungen der Steuergrundſätze (§. 486. St. 4. Nr. 3.) hervor,

da der für gut gehaltene Schluß ganz unrichtig iſt8). 6) Nach

dem mittleren Reinertrage unter Vorausſetzung der landüb-

lichen Bewirthſchaftungsweiſe9). Dieſe Methode entſpricht unter

ſämmtlichen am meiſten den Steuergrundſätzen, wenn ſie richtig

ausgeführt und dabei nicht gegen die Letztern und die Folgeſätze

aus denſelben gefehlt wird. Auf dieſe Art durchgeführt iſt die

Grundſteuer eine landwirthſchaftliche Urgewerbſteuer. Allein man

iſt ſchon in Betreff der Reinertragsſchätzung, obſchon ſie von eini-

gen Staaten mit großem Erfolge bis ins Einzelne vollführt wurde,

noch verſchiedener Meinung10).

¹ A. Smith Inquiry IV. 168. 183. Craig Politik III. 24. Ricardo Prin-

ciples p. 176. 201. 211. simonde de sismondi Nouv. Princip. II. 181. Rich.

commerciale II. 1. v. Sonnenfels III. 280 Bergius Magazin Art. Steuer-

weſen §. 3–17. Büſch Gelduml. I. 466. Monthion Quelle Influence p. 83.

Lotz Reviſion IV. §. 280. S. 157. Handb. III. 199. Spittler Vorleſ. S. 345.

v. Jacob §. 588. Fulda §. 156. v. Malchus I. §. 42–51. Strelin

Einleit. §. 80. (dagegen aber deſſelben Reviſion §. 43). Krehl das Steuer-

ſyſtem S. 291. 327. 378. Krauſe Syſtem II 247. Krönke Grundſätze S. 80.

Benzenberg Ueb. das Kataſter. Bonn 1818. Späth Ueb. die Grundſteuer.

München 1818. Grävell Grundſt. und deren Kataſter. Lpzg. 1821. Kremer

Steuernweſen I. 121. Muntz über das Bonitiren und Claſſifiziren d. Grundſtücke.

Neuſtadt 1828. v. Sensburg Probleme S. 1–15. v. Groß Reinertragsſchä-

tzung des Grundbeſitzes c. Neuſtadt 1829. Murhard Th. u. P. der Beſteuer.

S. 263. folg.

² Man hat es auch ſchon im Grosh. Heſſen verſucht, die landeswirthſchaft-

liche Gewerbſteuer von der Grundrentenſteuer zu trennen. Allein ſolche Verſuche

werden immer vergeblich bleiben, weil man die Grundrente nicht genau vom Ge-

werbsgewinne ſcheiden kann. Dieſe Steuerſonderung vermehrt die Mühe der Umlage

und Erhebung, aber ſie erhöht auch den Druck auf den Landwirth. S. v. Mal-

chus I. 245.

³ v. Malchus I. 187. meint, dieſelbe würde ſelbſt, wenn ſie den größten

Theil der Rente abſorbirte, nur eine Hemmung des größeren Aufſchwungs, nicht aber

[732/0754]

³ des Fortbetriebs des landw. Gewerbes und außerdem noch zur Folge haben, daß ein

Theil der Steuer auf die Conſumenten falle. Allein abgeſehen davon, daß dieſe

Eigenſchaft der Grundſteuer aus der Unentbehrlichkeit der landw. Producte herrühret,

und alſo eine zu hohe Beſteuerung des Bodens in jeder Hinſicht die ausgedehnteſten

ſchlimmen Folgen haben muß, ſo iſt bei jener Anſicht das landw. Gewerbseinkom-

men und die Rente im Grundſatze nicht geſchieden. Trifft die zu hohe Steuer jenes,

ſo kann allerdings ein Verlaſſen des landw. Gewerbes erfolgen; trifft ſie aber die Letztere

ſo wird der Grundeigenthümer ſein im Boden ſtehendes Capital anders anzuwenden

ſuchen. Welche Folgen dies für die Production hat, bedarf hier keiner beſonderen

Beweisführung. S. Ricardo Principles p. 201. Murhard Politik des Han-

dels. S. 317.

⁴⁾ Z. B. in Holſtein nach Pflügen, in Dännemark nach der Ausſaat. Dafür:

(Hazzi) Iſopſephos. München 1802. Nachtrag dazu ebend. 1804. Dagegen:

Elleboros für d. bair. Iſopſephos. Frkf. u. Lpzg. 1803. Antwort des Elleboros

an den Zweifler, ebendaſ. 1803. Breitenſtein Nur eine Steuer: S. 13. und

Krauſe Syſtem II. §. 229., welche beide aber falſch berichten, daß in England

dies die Steuergrundlage ſei.

⁵⁾ Z. B. in Baiern nach dem Kammerbeſchluſſe v. 1828. S. dagegen v. Seut-

ter Beſteur. der Völker S. 111. 123. v. Malchus I. 190. Dafür: Krug

Abriß der ſtaatswirth. Geſetzgbg. Preußens II. 514. Schwierigkeit der Ermittelung.

⁶⁾ Z. B. im Grosherzogth. Baden, Naſſau, Tyrol. S. dafür: Groß Rein-

ertragsſchätzung S. 7. Krehl Beiträge S. 234. vgl. S. 145. v. Sensburg

Ideen S. 9. 13. Breitenſtein Nur eine Steuer: S. 25. Dagegen: v. Mal-

chus I. 193. 195. und Andere Schwierigkeit der Ermittelung.

⁷⁾ Z. B. die Landtaxe in England. Dafür: v. Schlötzer Anfangsgründe

d. Staatswirthſch. II. §. 171. v. Buquoy Theorie d. Nationalwirthſch. S. 464. Da-

gegen: Fulda §. 165. v. Malchus I. §. 45. Craig Politik III. 47–57.

Kraus Staatsw. III. 165. v. Raumer britt. Beſteur. Syſt. 105. 219. Schwie-

rigkeit der Schätzung.

⁸⁾ Z. B. früher in Baiern, auch bei Wieſen und Waldungen nach dem Geſ.-

Entwurfe v. 1828. §. 5. Dagegen: v. Seutter Beſteur. S. 122. Späth

a. a. O. Craig Politik III. 57. v. Malchus I. §. 46. Lotz Handb. III. 212.

u. A. Dafür die Schrift: Beweis daß die in 8% des Rohertrags ausgeſproch.

Grundſteuer gerecht .... ſei, und der Rohertrag ........ zur Grundlage

..... angenommen werden könne. München 1815.

⁹⁾ Der mittlere Reinertrag: um eine möglichſte Ausgleichung und Stabilität

der Grundſteuer zu erhalten. Was aber die Veränderlichkeit und Unverän-

derlichkeit derſelben anbelangt, ſo ſind die Anſichten getheilt Gegen die Erſtere

wird angeführt, ſie beraube den Steuerpflichtigen eines dem Steuerbetrage entſpre-

chenden Capitaltheils, nehme der Grundſteuer die wohlthätige Wirkung einer Grund-

laſt, und mache den Preis der Grundſtücke ſchwankend, indem ſich derſelbe nach dem

Ertrage richte, und hemme die Vervollkommnung des Landbaues, weil ſie von Ver-

beſſerungen und neuer Capitalanwendung abhalte, während dies Alles bei der Un-

veränderlichkeit nicht eintrete, bei welcher übrigens die befürchtete Steuerungleichheit

nur ſcheinbar oder ſo ſei, daß ſich der Beſitzer nicht darüber beklagen könne, denn

nach dem erſten Verkaufe bleibe der Preis des Gutes, wie er einmal durch die

Steuer geſenkt ſei, ſich fernerhin gleich, und es ſei die Sache jedes ferneren Käufers

die Steuer zu berückſichtigen. (Murhard Politik des Handels S. 327. Th. u. P.

der Beſteur. S. 329. Struenſee Abhandlungen II. 90. Young polit. Arithmet.

S. 9. Sartorius Gl. Beſteur. S. 59. 92. Fulda Finanzw. §. 170) Allein

abgeſehen davon, daß die Geſchichte die Folgen der Unveränderlichkeit der Landtaxe

in England abſchreckend genug darlegt, ſo hängen die Grade der Erſteren von dem

jeweiligen Zuſtande der Landwirthſchaft bei der Anlage der Grundſteuer ab (ſ. Meine

Verſuche S. 218–222). Die Widerlegung des zweiten der obigen Gründe ergibt

ſich aus einer Unterſuchung der verſchiedenen Regulatoren des Preiſes von ſelbſt; ein

Schluß vom Ertrage auf den Gutsgeldwerth findet, wie gezeigt, nicht Statt, alſo

auch die zuerſt angeführte Beraubung nicht, ſo lange die Steuer nicht übermäßig iſt,

[733/0755]

⁹⁾ ſo daß der Landwirth den Capitalgewinn nicht ganz bezieht; die Grundlaſten ſind

überhaupt nicht, und am wenigſten als unveränderlich, eine Wohlthat, und gerade

dieſe ſenken den Preis des Bodens für immer; hieraus folgt, daß, wo dies der Fall

war, jeder folgende Gutsbeſitzer gewiſſermaaßen ſteuerfrei iſt; dies Privilegium ver-

urſacht unter den Gewerbsklaſſen eine große Steuerungleichheit, ebenſo aber auch

noch unter den Landwirthen ſelbſt, je nachdem der Eine mehr Capital zur Verbeſſe-

rung ſeines Gutes und ſeiner Wirthſchaft verwenden kann, als der Andere; der

Staat entzieht ſich durch die Unveränderlichkeit, wenn er ſie durch neue Steuern

nicht illuſoriſch macht, Eine der erſten Steuerquellen, inſoweit als er die höhere Be-

ſteuerung des ſteigenden landw. Einkommens ganz aufgibt. (A. Smith IV. 168.

v. Raumer britt. Beſteur. Syſt. S. 105. 219. 221. Lotz III. 200. 241. v.

Jacob §. 1174. v. Malchus I. §. 50. Krehl Beiträge S. 92. Benzenberg

Ueb. d. Cataſter II. 203. Krönke Grundſätze S. 281. simonde de sismondi

Nouv. Princ. II 196. Craig Politik III. 39., welchen Murhard fälſchlich als

Gegner der Veränderlichkeit der G. St. anführt).

¹⁰⁾ Der mittlere Reinertrag, d. h. jener Durchſchnitt des Reinertrags, der

nicht blos aus längerer Zeit und aus Durchſchnittspreiſen, ſondern auch aus einem

im Durchſchnitte nach den Landesverhältniſſen angewendeten Capitale und Gewerbs-

fleiße berechnet iſt, macht, wenn er im ganzen Lande berechnet werden ſoll, eine

Detailvermeſſung der Arealgröße des Landes, eine Bonitirung und Klaſſifizirung der

Grundſtücke, eine Berechnung des durchſchnittlichen Rohertrags, und den Abzug der

mittleren Koſten nothwendig. Die dabei eintretenden Geſchäfte ſind in den verſchie-

denen Staaten, wo die Vermeſſung zu dieſem Behufe vorgenommen wurde, verſchie-

denartig angeordnet. S. Recueil méthodique des lois .... et decisions sur le Ga-

dastre de la France. Paris 1811. II. T. 4. (Auszüglich in Benzenberg Ueb.

das Cataſter ſ. v.). Mémoires du Duc de Gaëta T. II. Carli Ueb. Mailands

St. Verfaſſung. A. d. Ital. überſ. v. Wikoſch. Wien 1818. Tarantola Dar-

ſtell. der Mailänd. St. Regulirung. Jena 1821. Kremer Steuerweſen. Bd. II.

(Oeſterreich. Provinzen). Würtemberg. Inſtruktion für das Landmeſſerperſonale v.

30. März 1819. Würtemb. Jahrbücher v. 1822. 1. Heft S. 36. Verhandl. der

Kammern v. J. 1820. v. Groß Reinertragsſchätzung S. 192. v. Malchus I.

S. 209–214.). Aber über zwei Punkte iſt man beſonders verſchiedener Meinung.

Nämlich: 1) In Betreff der Detailvermeſſung. Dieſe wurde wegen ihrer Koſt-

ſpieligkeit, langen Dauer, Schwierigkeit, leichter Möglichkeit von Fehlern, und wegen

Mangels an geſchickten Arbeitern mißrathen. (v. Soden bair. Landtag S. 208.

Lotz Handb. III. 228.). Allein der Mangel an guten Cataſtern, und an hinrei-

chender Kenntniß der Arealgröße des Landes und der Gemeindsbanne, die durch die

lange Dauer entſtehende Erleichterung im Aufbringen und Tragen der Meßkoſten

und die Nützlichkeit einer ſolchen Vermeſſung in jeder anderen Hinſicht, als in jener

auf die Gleichheit der Grundſteuer, möchte die Nützlichkeit der Detailmeſſung außer

Zweifel ſetzen, wenn auch die ſpeziellen Erfahrungen Frankreichs darüber nicht ſo

unwiderſprechlich ihr das Wort redeten. (v. Malchus I. 226. v. Groß a. a. O.

S. 19.) 2) In Betreff der Abzüge vom Rohertrage. Darüber, daß die ei-

gentlichen Gewerbsauslagen in Abzug kommen müſſen, iſt man einig. Aber ob man

auch die Zinſen der Capitalien abrechnen müſſe, iſt beſtritten. Es muß geſchehen, eben

ſo wie d. Abzug des Gewerbsgewinns und Arbeitslohnes, wenn die Grundrente allein be-

ſteuert werden ſoll. Ebenſo iſt es beſtritten, ob die Zinſen der Hypothekenſchulden

abzuziehen ſeien. Die Nothwendigkeit des Letztern folgt unmittelbar aus jener des

Abzuges der Capitalzinſen, wenn die Schuld wegen des Grundſtückes contrahirt iſt,

ſonſt aber nicht. Es möchte daher v. Malchus I. §. 49. nicht Recht haben, wenn

er die Schuldzinſen überhaupt als eine perſönliche Laſt des Schuldners anſieht, und

darum, ſowie auch weil, wenn die Grundſtücke auch die Hypotheken bilden, dieſe

noch nicht die Zinſenlaſt zu tragen haben, ſie vom Rohertrage nicht abgezogen wiſ-

ſen will. Ebenſo muß auch die Anſicht derjenigen, welche die Grundlaſten nicht

abgezogen wiſſen wollen (v. Groß a. a. O. S. 32. Sartorius Gl. Beſteur.

S. 90. 149.) verwerflich ſein. Denn ſie ſind Schmälerungen der Grundrente und

des Reinertrages (S. unten §. 494.). Jedoch alle dieſe Controverſen finden ihren

Entſtehungsgrund in dem Streben, die bloſe Grundrente zu beſteuern, deſſen Un-

[734/0756]

¹⁰⁾ richtigkeit an ſich mit der Unmöglichkeit oben bewieſen wurde. Schlüge man den

weit natürlicheren Weg der Urgewerbsſteuer ein, ſo könnte über dieſe Abzüge kein

Streit entſtehen. Denn das ganze reine Urgewerbseinkommen wäre alsdann be-

ſteuerbar, folglich vom rohen Alles in Abzug zu bringen, was den Reinertrag nothwen-

dig ſchmälert, alſo alle Auslagen, die im Durchſchnitte für den Gewerbsbetrieb und

für den Lebensunterhalt des Unternehmers und ſeiner durchſchnittlichen Familie no-

toriſch nothwendig ſind. Die Zinſen eines jeden auf die Wirthſchaft verwendeten

Anleihens erſcheinen daher wie eine Grundlaſt und es muß der jährlichen Steuer-

reviſion oder St. Peräquation überlaſſen werden, wie andere ſo auch die Verände-

rungen in dieſer Hinſicht nachzutragen.

§. 493.

Fortſetzung. b) Kunſtgewerbſteuer.

Der Kunſtgewerbſteuer ſind die Reinerträge aller derjeni-

gen im Staate von Bürgern getriebenen Gewerbe, welche die Roh-

ſtoffe veredelnd verarbeiten, alſo aller Gewerke unterworfen. Sie

hat das Eigenthümliche, daß der Grund und Boden als Erwerbs-

quelle bei dieſen Gewerben meiſtens eine untergeordnete mittelbare

Rolle ſpielt. Die Veranſchlagung iſt bei dieſen Gewerben wegen

der größeren Verſteckheit der Quellen und Hilfsmittel an ſich ſchon,

aber mehr noch wegen ihrer Manchfaltigkeit weit ſchwerer als bei

den Urgewerben, wo die Haltpunkte meiſtens offen da liegen. Dieſe

Steuer bildet einen Zweig der gewöhnlichen Gewerbſteuer1),

welcher aber in unſern Staaten außer den Handwerken, Manufac-

turen und Fabriken auch noch die Arbeiterklaſſe und der Handels-

ſtand und ſelbſt die Producenten (§. 492. Nr. 3.) unterworfen ſind,

indem man dieſe zuſammen den Grundeigenthümern gegenüber

ſtellte. Wie viele Mängel dieſe ſchon im Allgemeinen hat2), iſt

bereits gezeigt (§. 491. Nr. 5.), allein die Methoden der Schätzung

des Einkommens und der Steuerumlage, die bei der Letzteren ge-

bräuchlich ſind, verdienen, als anwendbar auch bei der Kunſtge-

werbſteuer, einer beſondern Betrachtung. Man hat zwei Metho-

den, nämlich jene der Patentiſirung und jene der eigentlichen

Gewerbſteuer. Die Patentſteuer3), welche ſich zunächſt an

die ertheilte Befugniß zum Betriebe eines Gewerbes der genannten

Art anſchließt, wird nach Klaſſen bezahlt, die nach der vermuth-

lichen Ausdehnung des Gewerbes feſtgeſetzt ſind, und in welche

man ſich durch die Löſung eines Patentes und jährliche Steuer-

zahlung als Gewerbsberechtigten gleichſam einkauft. Sie hat die

Unnöthigkeit des Eindringens in die beſondern Gewerbsverhält-

niſſe, die Ungehindertheit des Betriebs, überhaupt die möglichſte

Druckloſigkeit für den Unternehmer, die Begünſtigung völliger Ge-

werbefreiheit und die große Einfachheit in der Steuerverwaltung für

ſich. Gegen dieſelbe aber ſpricht die Unhaltbarkeit der Schätzungs-

[735/0757]

norm für den Ertrag, da man dieſen in ein gerades Verhält-

niß mit der Bevölkerung des Wohnortes ſetzt, alſo die Willkühr-

lichkeit der Klaſſifizirung und der Steuerſätze, und die daher fol-

gende Steuerungleichheit, da bei den meiſten Gewerben das ange-

nommene Verhältniß zwiſchen Ertrag und Ortsbevölkerung gar

nicht exiſtirt. Die Gewerbeſteuer dagegen ſucht dieſen letzteren

Fehler zu vermeiden, indem ſie das aus Naturkräften, Kapital,

Arbeit, Abſatz und Lebensweiſe ſich entwickelnde Gewerbseinkommen

rein und ſo genau als möglich durch die Steuer zu erfaſſen ſtrebt.

Man hat darum folgende Arten angewendet, um das reine Ein-

kommen zu treffen: a) die Umlage nach dem Gewerbscapitale,

ſowohl dem ſtehenden, w. z. B. Mahlgänge, Webſtühle, Keſſel,

Brennhelme und dgl., als auch dem umlaufenden w. z. B. Ver-

brauch an Rohſtoffen, Menge der Arbeiter u. dgl.4). Allein dieſe

Umlage iſt einſeitig und ungleich, weil mehr als Capitalanlagen

die Betriebſamkeit des Unternehmers und der Abſatz das reine Ein-

kommen bei dieſen Gewerben beſtimmen und das umlaufende Ca-

pital ungleich ſchwerer als das ſtehende zu ermitteln iſt, folglich

bei gleichem ermitteltem Capitale der Reinertrag doch höchſt ver-

ſchieden ſein kann. b) Die Umlage nach dem muthmaßlichen Ab-

ſatze und Umſatze. Allein die Ermittelung des Abſatzes iſt nur

durch gewaltige Eingriffe in die Betriebswirthſchaft, z. B. Ein-

ſicht der Bücher und dgl. möglich, dagegen ein Schluß auf deſſen

Größe von der Größe und Bevölkerung des Wohnorts der Unter-

nehmer in den meiſten Fällen grundfalſch. Um aber vom Capital-

umſatze auf den Reinertrag zu ſchließen, iſt nicht blos die Er-

mittelung ſeiner Häufigkeit, ſondern auch der Größe des umlau-

fenden Capitals und des jedesmaligen Zinsprocentes beim Umſatze

nöthig, und von dem gewonnenen Produkte die Abnutzung des ſte-

henden Capitals, die Umſatzkoſten und das ſonſtige umlaufende Ca-

pital abzuziehen, — ein unreichbares Ideal von Ertragsſchätzung.

c) Die Umlage nach dem auf dieſe verſchiedenen Haltpunkte und

beſonderen Gewerbsverhältniſſe in Verbindung ermittelten durch-

ſchnittlichen Gewerbsreinertrage, die beſte, obſchon mit mehr

Mühe und Schwierigkeiten verbundene Methode. Sie iſt noch

nicht praktiſch in Anwendung, aber ſie würde der obigen Kunſt-

gewerbſteuer am nächſten führen, wenn man außer den gewöhnli-

chen Wirthſchaftsausgaben den nothwendigen Lebensbedarf der Fa-

milie des Unternehmers im Durchſchnitte und die Zinſen der Ge-

werbsanleihen in Abzug brächte, und die betreffenden Veränderun-

gen jedes Jahr nachtrüge. Es findet aber bei der Anlage dieſer

[736/0758]

Gewerbſteuer in der Praxis mehr oder weniger eine Klaſſifica-

tion Statt.

¹ A. Smith Inquiry IV. 210. v. Sonnenfels III. 337. u. Juſti Fi-

nanzw. S. 468. Staatswirthſch. II. §. 352. v. Pfeiffer Grundr. d. Finanzw.

S. 234. 259. Bergius Magazin Art. Gewerbſteuer. Büſch V. Gelduml

I. 446. v. Jacob §. 663. 1063. Fulda S. 188. v. Malchus I. §. 53.

Lotz Reviſion IV. §. 284. S. 191. Handb. III. §. 137. Krauſe Syſtem II. 294.

Sartorius Gl. Beſteur. S. 310. Krehl St. Syſtem §. 114. 140. 163. 178.

Krönke Anleit. §. 45. Eſchenmayer Vorſchlag S. 30. Murhard Politik

des Handels S. 341. Deſſelben Th. u. P. der Beſteur. S. 370. 378. 385.

Hermes St. XV. (1822) S. 155. simonde de sismondi Rich. Commere. II.

88. Nouv. Princip. II. 167. Monthion Quelle Influence p. 119. 344. Craig

Politik III. 218. 226. Mac-Culloch Dict. of Commerce. Deutſche Bearb. II. 195.

Ricardo Principles p. 244.

² Die gegen die Gewerbeſteuer gewöhnlich gemachten Einwürfe z. B. bei v.

Sonnenfels und im Hermes, beziehen ſich nur auf die Schwierigkeit ihrer An-

lage. S. dagegen v. Malchus I. S. 241–243. Der wichtigſte Einwurf gegen

ihre bisherige Einrichtung liegt aber offenbar in der oben ſchon erwähnten Verſchie-

denheit der unter ſie gelegten Gewerbe und Stände, die nichts deſto weniger gleich

beſteuert werden. S. auch v. Malchus I. 247.

³ Z. B. die Lizenzen in England (ſ. Craig, v. Raumer, Mac-Culloch,

A. Smith), die Patentſteuer in Frankreich (ſ. Simonde, Lotz Reviſion, v. Mal-

chus, Krönke Anleitung, mit Bezug auf Crome u Jauv Germanien, eine Zeit-

ſchrift. B. II. H. 1. S. 39.), die Induſtrial- und Gewerbſteuer in den öſterreich.

deutſchen Provinzen (ſ. Kremer, v. Malchus) und die Gewerbſteuer in Hannover

(ſ. v. Malchus).

⁴⁾ Z. B. die Gewerbſteuer im Grosh. Baden und Heſſen, im Königr. Wür-

temberg und Baiern, jedoch ſo, daß ſie auch zu der unter c folgenden Methode ge-

rechnet werden können, weil ſie auch den perſönlichen Erwerb neben demjenigen aus

dem Capitale berückſichtigen. Ganz eigenthümlich, dieſen Methoden gar nicht ange-

hörend, und manche Ausſetzungen möglich machend, iſt die königl. preußiſche Ge-

werbſteuer. S. über dies Alles v. Malchus I. 263–268.

§. 494.

Fortſetzung. c) Handelſteuer. d) Leihgewerbſteuern.

Der Handelſteuer, welche jedoch in der Praxis immer

noch ein Zweig der Gewerbſteuer, und nach der Methode derſel-

ben umgelegt iſt, ſind die Reinerträge der verſchiedenen Handels-

gewerbe und Schifffahrtsgeſchäfte zu unterwerfen. Man kann zu

ihrer Anlage die bei der Gewerbſteuer erwähnten Methoden eben-

falls anwenden, allein ſie unterliegen hier derſelben Kritik. Nur

mit dem Unterſchiede, daß man bei Kleinhandelsgewerben (aber

nicht beim Großhandel u. A.) von der Ortsbevölkerung mit mehr

Sicherheit auf den Abſatz und von dieſem auf den Betrieb und

Gewinn ſchließen kann, als bei den Kunſtgewerben, und daß man

bei der Ermittelung des Durchſchnittsertrages je nach der Natur

des Handelsgeſchäftes mehr das Wagniß berückſichtigen muß.

Die Leihgewerbſteuer umfaßt das reine durchſchnittliche

Einkommen aller derjenigen Bürger, welche aus der Verleihung

[737/0759]

von Grundſtücken und Capitalien (umlaufenden, und ſtehenden) ein

Gewerbe machen. Die in dieſe Gewerbsklaſſe gehörenden Gewerbe

ſind für die Beſteuerung in der Praxis ganz zerſplittert. Die

Grundeigenthümer und Verpachter ſollen von der Grundſteuer ge-

troffen werden; verſchiedene Leihgeſchäfte mit ſtehendem Capital

und Conſumtionsgegenſtänden, z. B. Leihanſtalten für Mobilien,

Bücher, Muſikalien unterliegen der Gewerbſteuer; die Gefällberech-

tigten, z. B. Zehntherrn ſind zum Theile gar keiner, zum Theile

einer Grundgefällſteuer unterworfen; die Hausbeſitzer ſind beſon-

ders hausſteuerpflichtig; und wegen der Geldcapitalſteuer ſtreitet

ſich die Praxis mit der Theorie, während ſie von Erſterer als un-

ausführbar anerkannt iſt. Bei ſo vielen Gegenſtänden, die offen-

bar unter ein Prinzip gehören, herrſcht eine ſolche Manchfaltig-

keit von Anſichten, Umlagsmethoden und Steuerſätzen. Sie muß

die größte Ungleichheit zur Folge haben. Eine nähere Betrach-

tung zeigt dies ganz klar. 1) Das reine Einkommen aus verpach-

tetem Grundeigenthume wird auf eine müheloſe Art bezogen, weß-

halb ſeine höhere Beſteuerung, abgeſehen von allen Rechts- und

politiſchen Gründen, als eine billige Forderung der übrigen, be-

ſonders Gewerbe betreibenden, Bevölkerung erſcheint. Es iſt aber

bei einem ſcharfen Blicke auf das Weſen der Grundrente leicht er-

ſichtlich, daß durch eine ſolche Steuer nicht blos dieſe, ſondern

auch Capitalrente getroffen wird, da ſehr ſelten, wo das Pacht-

ſyſtem eingeführt iſt, blos Grund und Boden ohne Capital ver-

pachtet wird. Daß man dabei den üblichen Pachtzins zu Grunde

legt, verſteht ſich um ſo mehr von ſelbſt, als dieſe Steuer nur in

Ländern, wo Pachtungen häufig ſind, in Anwendung kommt (§. 492.).

2) Wer durch die Beziehung von Gefällen am Ertrage des Grund

und Bodens Antheil nimmt, erſcheint wenigſtens wie ein Verpach-

ter, ja er bezieht ſein Einkommen ſehr oft in bedeutender Maſſe,

wo die Art des Erwerbs einer ſolchen Berechtigung ſchon ganz

verwiſcht, und nie von einem Eigenthume an dem pflichtigen Boden

die Rede geweſen iſt. Eine Gefällſteuer (Dominicalſteuer,

ſogenannt im Gegenſatze der Grund- oder Ruſticalſteuer) von

höherem Satze als die Grundſteuer iſt daher eine rechtliche wie

auch billige Forderung1). 3) Die Häuſer ſind ein Nutzcapital

(§. 55. N. 1.) und Leihcapital. Sie eignen ſich daher und nach

ihrer Natur in hohem Grade zur Beſteuerung, beſonders in Städ-

ten, wo ſie häufig mit großem Vortheile, theils im Ganzen, theils

in Abtheilungen, theils mit Mobilien, theils ohne ſolche vermiethet

werden. Die Häuſerſteuer2) iſt auf die verſchiedenſte Art ſchon

angelegt worden. a) Die Anlage nach der Grundfläche iſt nicht

Baumſtark Encyclopädie. 47

[738/0760]

paſſend, um den Ertrag der Wohnhäuſer zu beſteuern; denn, wenn

gleich nicht zu läugnen iſt, daß die Lage eines Hauſes demſelben

verſchiedenen Werth gibt und die Miethe höher ſtellt, ſo kann man

doch von der Grundfläche allein weder auf den Capitalwerth noch

auf den Ertrag der Häuſer ſchließen, und beſonders irrig iſt die Mei-

nung, man könne den Hausertrag mit der Rente des beſten Acker-

landes von der Grundfläche des Hauſes gleichſetzen, da hier jeden-

falls das Baucapital, die innere Einrichtung, die Ortsbevölkerung

u. dgl. gänzlich unberückſichtigt bleiben würde3). b) Der Anlage

nach dem Capitalwerthe und Kaufpreiſe der Häuſer kann

mit den entſprechenden Abänderungen das ſchon (§. 492. Nr. 3.)

Geſagte entgegengeſtellt werden, weil beim Häuſerkaufe außeror-

dentlich viel von der individuellen Neigung der Käufer abhängt,

und alſo der durchſchnittliche Kaufpreis, wenn er irgendwo auch

leicht zu ermitteln wäre, nicht als ein dem Miethsertrage ſolcher

Häuſer überhaupt entſprechendes Capital erſcheint4). c) Die An-

lage nach den Beſtandtheilen der Wohnungen z. B. nach An-

zahl der wohnbaren Räume, Stockwerke, Fenſter, Heerde, Schorn-

ſteine, Thüren hat das für ſich, daß man aus der Größe und Ein-

richtung des Hauſes auf den Reichthum des Beſitzers oder Be-

wohners mit ziemlicher Sicherheit ſchließen kann, aber ob auch

ebenſo auf den Ertrag, — das muß im Allgemeinen verneint wer-

den, wenn es auch an einzelnen Orten der Fall ſein möchte. Am

meiſten läßt ſich leicht in dieſer Hinſicht für die Zimmer und Stock-

werke als Steuernorm ſagen, aber alle ſonſtigen Normen, denen

man Thür-, Fenſter-, Heerd- u. dgl. Steuern zu verdanken

hat, ſind begreiflicherweiſe ganz untauglich und verurſachen nicht

blos einen außerordentlichen Druck auf die niederen Klaſſen in

wirthſchaftlicher Hinſicht, ſondern ſie können auch, weil man die

Anlage ſolcher Theile an den Häuſern wegen der Steuer unter-

läßt, in Betreff des Geſundheitszuſtandes ſehr verderblich werden5).

Endlich d) die Anlage nach dem Miethzinſe hat in der Theorie

ohne Zweifel am meiſten für ſich, weil man nach Abzug der Un-

terhaltungskoſten und allmähligen Abnutzung den wirklichen durch-

ſchnittlichen Reinertrag der Häuſer am ſicherſten treffen würde6).

Allein, ganz unanwendbar in Orten, wo Hausmiethen ſelten ſind,

alſo auf dem Lande und in Landſtädten, hat dieſe Methode ſelbſt

an den anderen Plätzen Schwierigkeiten wegen der Auffindung je-

nes mittleren Miethsertrages ſowie wegen der Aufſtellung einer

auch nur einigermaßen ſichern Norm für die beiden Abzüge vom

Rohertrage. Die beſte Häuſerſteuer wird aus dieſen Gründen alſo

diejenige ſein, wobei man eine den ländlichen und ſtädtiſchen Ver-

[739/0761]

hältniſſen möglichſt entſprechende Combination aller dieſer Metho-

den, mit Ausnahme der ganz verwerflichen anwendet. Noch ſind

aber 4) die Geldcapitalien oder Capitalien im engeren Sinne zu er-

wähnen, auf deren Reinertrag oder Zins nach den gehörigen Abzügen

man aus theoretiſchen Gründen eine Steuer gelegt wiſſen will, weil

man darin eine Ungerechtigkeit findet, daß Grund- und Arbeits-

rente, aber nicht die leicht zu erwerbende Capitalrente beſteuert

werde. Die Capitalienſteuer7) hat inſoweit die Theorie für

ſich, um ſo mehr, wenn in den Gewerbſteuern auch die Zinſen der

Betriebscapitalien mitbeſteuert werden, aber auch um ſo weniger,

wenn man dort dieſe Zinſen als Abzüge abrechnet. Allein, wenn

man auch zugeben muß, daß einer ſolchen Steuer der durchſchnitt-

liche Zinsfuß jeder Provinz zu Grunde gelegt werden kann, ſo ſteht

dieſer Steuer die Unmöglichkeit der Ausmittelung des Capitalei-

genthums, die mit der Größe des Letztern und der Ausdehnung

der Capitalgeſchäfte des Beſitzers zunehmende Leichtigkeit und Un-

entdeckbarkeit der Verheimlichung, die Unergründlichkeit der Arten

dieſe Steuer zu umgehen, die Leichtigkeit der Abwälzung dieſer

Steuer auf die ſchuldenden Gewerbsunternehmer, unter den läſtig-

ſten Bedingungen, die Verdrängbarkeit der Capitalien in das Aus-

land und die Abhaltung der ausländiſchen vom Inlande, die da-

her unvermeidliche Steuerungleichheit, und der unausweichliche

Druck auf die kleinen Capitaliſten, welche ſich der Steuer nicht

wie die großen in Wechſel-, Actien- und Staatspapiergeſchäften

entziehen können, in ihrer Ausführung ganz entgegen, ſo daß alle

Verſuche ſie einzuführen ſcheitern und auf die Induſtrie ſchädlicher

wirken, als die vermeintliche Steuerfreiheit der Capitaliſten8).

¹ Z. B. in Würtemberg und Baden. S. v. Malchus I. §. 49. Fulda

§. 172. Allein v. Groß und Sartorius (ſ. §. 492. N. 10.) wenden gegen die

Rechtmäßigkeit dieſer Steuer ein, das Tragen dieſer Steuerlaſt durch die Bauern be-

ruhe zum Theile auf beſonderen Verträgen mit dem Grundherrn, und anderſeits

brächten die Erbverhältniſſe der deutſchen Bauern die Tragung ſolcher Laſten als

eine Pflicht der Letzteren mit ſich. Jedoch muß Erſteres bewieſen werden und das letztere

Verhältniß iſt es eben, was bekämpft wird. Es ſpricht übrigens v. Varnbühler

Annal. der würtemb. Landw. Bd. II. H. 4. S. 323. für eine Erniedrigung der

Gefällſteuerſätze. Aber ſeine Gründe, welche v. Malchus I. S. 217–221. be-

ſonders widerlegt hat, an ſich nicht ſchlagend, beruhen auf der falſchen Anſicht, als ob,

wo ſolche Gefällpflichtigkeit beſteht, der Berechtigte eigentlich Eigenthümer des Bo-

dens ſei und ſich hierauf ſein Antheil am Ertrage rechtlich gründe. Von den Er-

hebungsarten dieſer Steuer iſt die directe, nämlich vom Berechtigten ſelbſt, der in-

directen, nämlich vom Pflichtigen, der ſie ſich von jenem erſtatten laſſen ſoll, vor-

zuziehen, weil ſie offenbar dem Letzteren zum Nachtheile iſt.

² v. Sonnenfels III. 523 v. Juſti Finanzw. §. 792. 818. Bergius

Magazin Art. Steuerweſen §. 18. A. Smith IV. 189. Craig Politik

III. 99 Ricardo Principles p. 238. v. Jacob §. 636. Fulda §. 176. v. Mal-

chus I. §. 51. Krehl St. Syſtem §. 125. 157. 173. Monthion Quelle Influ-

ence p. 105.

47 *

[740/0762]

³ Z. B. vor a. 1822 in Naſſau. A. Smith unterſcheidet die Grund- und

die Baurente und iſt für dieſe Anlagsmethode, da in England die Grundfläche und

das Haus verſchiedenen Eigenthümern gehören. S. dagegen beſonders Craig Po-

lit. III. 104. Ricardo, v. Malchus. Lotz Handb. III. 284., welcher jedoch

den nicht ganz richtigen Grund anführt, daß gerade darin, wenn ein Boden zu

Hausplatz genommen werde, der Beweis liege, wie er zu ſonſt nichts beſſerem taug-

lich ſei.

⁴⁾ Z. B. ſeit a. 1822 zum Theile in Naſſau, Grosh. Heſſen, Baden. Hier

wendet man eine -Klaſſifizirung nach Capitalien an, in welche man die Häuſer ein-

ſchätzt z. B. in Würtemberg.

⁵⁾ Z. B. nach Zimmern und Stockwerken in Oeſterreich klaſſenweiſe. (v. Kre-

mer Darſtell. II. 132. Tarantola Mailänd. Steuerregul. S. 14.) Ehemals

in Frankreich (simonde de sismondi Rich. commerc. II. 91.) jetzt noch in Eng-

land nach Thüren und Fenſtern. (v. Raumer britt. Beſteur. Syſt. S. 127. 228.

Craig Politik III. 118. 125. Edinburgh Review 1833. April p. 164–166.

Das Reformminiſterium S. 21., in welchen Schriften ſie zum Theile vertheidigt wird.

Es kommt ohne Zweifel ſehr auf die ſpeziellen Steuergeſetze an, ob und wie ſie

drückend wirkt). Mit der öſterreichiſchen Anlagsmethode ſtimmen die beſondern Vor-

ſchläge von v. Jacob §. 1040. flg. überein. Die Anſicht von Lotz Reviſion IV.

§. 282. S. 174. Handb. III. §. 139. S. 276., daß die Häuſerſteuer Conſumtions-

ſteuer ſein, und nach dem Bau- und jährlichen Unterhaltungsaufwande umgelegt wer-

den ſolle, ſtimmt mit dem Prinzipe der Fenſterſteuer u. dgl. überein. Aber das

Prinzip, wovon er (Reviſion IV. 175.) ausgeht, iſt ganz falſch; denn nicht blos das

urſprüngliche, ſondern auch das abgeleitete Einkommen iſt ſteuerbar (§. 486. N. 6.

Nr. 4.) Da aber Lotz (im Handb. III. 161. 278.) hierin ſeine Anſicht geändert

hat, ſo iſt um ſo weniger zu erklären, wie dennoch obige Behauptung ſtehen geblie-

ben iſt. Auch Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 584. führt die Wohnungs-

ſteuer als eine verwerfliche Gebrauchsſteuer auf, weil ſie das Vermögen treffe.

⁶⁾ Z. B. zum Theile in Naſſau ſeit 1822. und in Oeſterreich, und in Frank-

reich. S. auch Craig Politik III. 109. Man glaubte ſogar, daß blos die ver-

miethbaren Häuſer zu beſteuern ſeien. Allein hiermit ſind die nicht vermie-

theten keineswegs von der Steuer frei.

⁷⁾ v. Sonnenfels III. 330. Bergius Magazin Art. Zinſen. §. 2.

Jung Finanzwiſſ. §. 69. Turgot Reflections sur la formation et distribution des

Richesses. § 96. sqq. A. smith IV. 201 Lotz Reviſion IV. 203. Handb. III.

269. Craig Politik III. 67. v. Jacob §. 645. 1054. Fulda §. 180. v. Mal-

chus I. §. 58. Krehl St. Syſt. §. 118. 151. 168. Strelin Reviſion S. 40.

Krönke Anleit. S. 35. Grundſätze S. 114. Eſchenmayer Vorſchlag S. 54.

Monthion Quelle Influence p. 59. 70. 108. simonde de sismondi Nouv. Princ.

II. 167. 175. 200. Hermes St. XVI. 171. XVII. 200. Murhard Th. u. P.

der Beſteur. S. 396. 405. Meine Verſuche S. 213–218. Verhandl. d. bad. II.

Kammer v. 1831. Beil. Heft VIII. 1–23. XIII. 145. 152. 155. v. Sens-

burg Probleme S. 16.

⁸⁾ Vermeintlich! denn ſie werden indirect beſteuert, weil ſich der Capital-

zins in ſeinem urſprünglichen Satze nach dem Ertrage richtet, welchen der Anwen-

der deſſelben nach Vorausnahme des Gewerbsgewinnes noch bezieht. Die Steuer

erſcheint aber dem Gewerbsmanne als ein Abzug vom Reinertrage. Es befürchtet

nun Krönke Grundſätze §. 18. Anleitung §. 19., eine unmittelbare Beſteue-

rung der Capitaliſten gebe dem Schuldner ſo viele Erleichterung, daß das Schulden-

machen zu häufig werden und den Zinsfuß ſteigern könnte. Deshalb ſchlägt er eine

mittelbare Beſteuerung auf Vorausbezahlung durch die Schuldner vor. Allein

ſeine Grundanſicht iſt, wie aus einer Betrachtung der Wirkungen der Capitalſteuer

zu erſehen iſt, ganz falſch; außerdem aber würde die Ausführung ſeines Vorſchlags

die Schuldner ganz der Willkühr der Capitaliſten überliefern.

[741/0763]

§. 495.

Fortſetzung. e) Dienſtgewerbſteuer.

Die Dienſtgewerbſteuer endlich trifft das am müheſamſten

errungene, und, was die Erſparniſſe zur Sicherung der Dienſtlei-

ſtenden in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, ſowie der Familie nach

dem Tode deſſelben anbelangt, unſicherſte reine Einkommen. Es

iſt daher höchſt fehlerhaft, daß man die dienſtleiſtende Klaſſe mit

den eigentlichen Unternehmern in gleiches Steuerverhältniß ſetzt.

Hierzu ſteuerpflichtig erſcheinen alle Dienſtleiſtende vom gemeinſten

Arbeiter bis zum höchſten Künſtler, Gelehrten und Staatsbeamten,

unter der Vorausſetzung, daß nach Abzug des ſtandesmäßigen Le-

bensunterhaltes für den Diener und ſeine Familie nach Durch-

ſchnittsſätzen noch ein reines Einkommen übrig bleibt. Man hat

aber noch näher die Privat- und die Staatsdienſtleiſtenden

zu unterſcheiden. Die Beſteuerung der Erſteren, oder, wie man

ſonſt ſich ausdrückt, des Arbeitslohnes erſcheint als gerecht,

wenn ſie das reine Einkommen trifft1), wenn der richtige, d. h.

niedrigſte Steuerſatz gewählt, und wenn die Umlagsmethode zweck-

mäßig iſt2). Die Andere oder Beſoldungsſteuer3) darf mit

jener dem Grundſatze nach nicht verwechſelt werden, denn das

rechtliche Verhältniß der Staatsdiener zum Staate, zugleich als

Geſetzgeber und Dienſtherrn, iſt ein ganz anderes, als jenes zwi-

ſchen dem Arbeiter und Lohnherrn4), die Anſtellungen und Ver-

ſetzungen der Staatsdiener gehen nach andern Geſetzen und Rück-

ſichten als nach freier Concurrenz vor ſich und die Fixirung und

Auszahlung der Beſoldungen geſchieht mit möglichſter Anpaſſung an

die ſtandesmäßigen Bedürfniſſe der Staatsdiener, ſo daß die po-

litiſche oder finanzielle Frage nur diejenige iſt, ob die Beſol-

dung der Staatsdiener hoch genug iſt, um einen ſteuerbaren rei-

nen Ueberſchuß über jene möglich zu machen, und ob es nicht beſ-

ſer ſei, die Umlags- und Erhebungskoſten einer ſolchen Abgabe zu

erſparen, indem man die Beſoldungen ſo hoch ſtellt, daß eine Steuer

nicht mehr erhoben werden kann. Während alſo jeder Staats-

diener mit ſeinem als Staatsbürger bezogenen Einkommen und

für ſeine Genüſſe wie jedes andere Staatsglied ſteuerpflichtig iſt,

ſo wird die Beſteuerung ihrer Beſoldung ſtets aus demſelben Ge-

ſichtspunkte zu betrachten und unnöthig ſein, wie die Beſteuerung

der Staatskaſſe, ſie muß aber um ſo mehr als ungerecht erſchei-

nen, als der Staat ſeinem Beamten die Belohnung, welche er als

Geſetzgeber und contrahirender Dienſtherr denſelben unter der Be-

dingung zugeſagt hat, daß ſie ſeinem Dienſte ihre Kräfte aus-

[742/0764]

ſchließlich widmen müſſen, ohne Schmälerung zu verabreichen ver-

bunden iſt5).

¹ Alſo Abzug des ſtandesmäßigen Aufwandes, um ein ſolches Auskommen zu

gewähren. Anderer Anſicht, nämlich daß der Bürger ſein Leben nach dem Reſte ein-

richten ſoll, der ihm von ſeinem Vermögen oder Einkommen erſt nach Abzug

der Steuern übrig bleibt, iſt Krönke Grundſätze §. 4. Allein eine ſolche An-

ſicht, in dieſer Allgemeinheit ausgeſprochen, verdient keine Widerlegung durch die

Schrift.

² Der beſte Maaßſtab iſt der übliche Preis der Arbeit der betreffenden Klaſſe

von Privatdienſtleiſtenden, und die Koſten der üblichen Lebensweiſe, um den Rein-

ertrag zu finden. Dies iſt aber mit ſehr großen Schwierigkeiten verknüpft. Die

niedere Klaſſe, bei welcher eine Schätzung thunlich iſt, kommt gegen die höhere im-

mer in Nachtheil, weil bei dieſer ein anderer Weg als Selbſteinſchätzung in be-

ſtimmte Klaſſen, bei deren Aufſtellung erſt noch Willkühr herrſcht, nicht wohl an-

wendbar iſt. S. v. Jacob §. 1072. Dagegen v. Malchus I. S. 248. N. 2.

S. aber auch oben §. 490. N. 3. Krehl St. Syſtem. §. 117. 149. 167. 121.

154. 171. A. smith IV. 230. Ricardo Principles p. 258. Folgen einer ſolchen

Steuer in volkswirthſch. Hinſicht.

³ Für Beſoldungsſteuer: v. Jacob §. 671. 1069. Fulda §. 201. Krehl

St. Syſtem §. 90. 120. 153. 170. Hermes St. XV. 131. v. Seutter Be-

ſteur. der Völker S. 197. Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 361. Staats-

wirthſch. Blätter. 1822. Heft IV. S. 15. Dagegen: v. Malchus I. §. 57. (be-

ſonders S. 273–276 gegen die Gründe in jenen Blättern). v. Struenſee Ab-

handl. I. 211. Lotz Handb. III. 275. Krönke Anleit. S. 105. Grundſätze §. 5.

(wo er aber für den Staatsdiener den ſtandesmäßigen Aufwand geſtattet). Sarto-

rius Gl. Beſteur. S. 296.

⁴⁾ v. Seuffert V. d. Verhältniſſe des Staats u. der Diener. Würzb. 1993.

Dagegen: v. d. Becke V. Staatsämtern und Dienern. Heilbronn 1797. v. Gön-

ner der Staatsdienſt c. Landshut 1808.

⁵⁾ Ein ganz anderes Verhältniß begründen außerordentliche Staatslaſten, z. B.

Kriegslaſten. Dergleichen Staatszuſtände begründen außerordentliche Pflichten, wes-

halb über die Beitragspflicht der Staatsbeamten als ſolche kein Zweifel ſein kann,

ſ. Krönke Grundſ. §. 6. v. Drais Ueb. den Beizug der Staatsbeſoldungen zu

außerord. Staatslaſten. Carlsruhe 1816. v. Sensburg Probleme S. 19–28.

IV. Genußſteuern.

§. 496.

A. Allgemeine Betrachtung.

Die Steuern, welche von den Genüſſen erhoben werden, unter-

ſcheiden ſich weſentlich von den genannten dadurch, daß ſie eine

perſönliche und ſachliche Beſteuerung zugleich ſind, indem durch ſie

nicht blos Theile des Einkommens entzogen, ſondern immer die

Genüſſe etwas erſchwert werden. Je mehr ſie nun Perſonal- und

Vermögensſteuern, je weniger ſie Reinertragsſteuern ſind, um ſo

weniger ſtimmen ſie mit den Steuergeſetzen überein. Je mehr ſich

aber annehmen läßt, daß ſie blos das reine Einkommen treffen,

um ſo vorzüglicher ſind ſie, und haben unſtreitig den Vorzug vor

den andern Steuern, wenn ſie nicht mit läſtigen Formen der Er-

[743/0765]

hebung verknüpft ſind. Es gibt zwei Klaſſen davon, nämlich ſol-

che, welche der Staat von denjenigen, welche Staatsanſtalten be-

nutzen, im Verhältniſſe dieſer Nutzung erhebt (Gebrauchsſteu-

ern), und ſolche, welche er von den mehr oder weniger nothwendi-

gen Verzehrungen und Genüſſen der Bürger überhaupt im Ver-

hältniſſe dieſer erhebt (Verbrauchs- oder Verzehrungs-,

Zehr- oder Conſumtionsſteuern, auch indirecte Abgaben

genannt).

§. 497.

B. Gebrauchsſteuern.

Die Gebrauchsſteuern1) ſind verſchiedener Art. Entweder

lehnen ſie ſich an beſtimmte Handlungen im bürgerlichen Verkehre,

oder ſie werden bei Erlaubnißertheilungen und Verleihungen ande-

rer Art von Seiten des Staats erhoben, oder bei der Annahme

der Dienſte der Staatsbehörden bezahlt, oder für die Benutzung

anderer materieller Staatsanſtalten entrichtet. Sie ſind folgende:

1) Stempelſteuern, erhoben, indem der Staat zu gewiſſen Ein-

gaben bei den Behörden und zu Ausfertigungen dieſer Letztern ge-

ſtempeltes Papier, wobei der Stempel in verſchiedenen Beträgen

(Klaſſen- und Gradationsſtempel je nach der Wichtigkeit

der Urkunden oder nach der Größe der darin ausgeſprochenen Sum-

men geſetzlich vorgeſchrieben iſt. Wer ſolches Papier verkauft,

der bezahlt die Steuer voraus, alſo iſt ſie indirect. Nicht über-

einſtimmend mit den Steuergrundſätzen ſind ſie bei großer Mäßig-

keit der Anſätze, Stempelfreiheit der Armen und Ermäßigung der

Umgehungsſtrafen eine Abgabenart, die ſich durch Kleinheit der

Quoten unempfindlich erhält, durch Gewohnheit weniger läſtig iſt,

und einen nicht geringen Beitrag zu den Staatsbedürfniſſen ab-

wirft2). 2) Eintrags- oder Regiſtergebühren, Abgaben für

die vom Staate als zur Gültigkeit von Privatverträgen erforder-

lich erklärten Urkunden und Eintragungen in Bücher. Ganz den

Steuergrundſätzen entgegen, ſind dieſelben als bloſe Forderungen

der Willkühr des Staats zu betrachten, da ſie an ſich zur innern

Gültigkeit eines ſolchen Geſchäftes unnöthig ſind. Sie ſind um

ſo verwerflicher, wenn ihr Betrag unmäßig hoch und die Umge-

hungsſtrafen bedeutend ſind, und erſcheinen ſtets als ein ſehr er-

hebliches Hinderniß des Verkehrs3). 3) Taxen für die Erthei-

lung von Patenten zu Anſtellungen, Standeserhöhungen und Ge-

werbsbetrieben (Conceſſionen und Erfindungspatenten), und von

Dispenſationen verſchiedener Art. Sie gehören gar keinem der

Steuerprinzipien an, im Gegentheile ſie fallen meiſtens auf das

[744/0766]

Vermögen und ſind als Hinderniſſe in manchen Beziehungen des

bürgerlichen und Gewerbslebens zu betrachten, aber auch Verhü-

tungsmittel gegen Petitionsunweſen. 4) Sporteln bei Gerich-

ten und Verwaltungsbehörden. Es iſt nicht ungerecht, von dem

dieſe Behörden in Anſpruch Nehmenden einen verhältnißmäßigen

Beitrag zur Erhaltung derſelben und desfalſigen Anſtalten zu er-

heben, wenn auch beſſer wäre, dafür gar nichts zu entrichten. Alſo

an ſich läßt ſich von rechtlicher Seite nichts gegen ſie einwenden,

und die politiſche Frage iſt nur die über die Erhebungsart und

Höhe derſelben; denn dadurch werden ſie läſtig und ein Hinderniß

für Aermere, dieſe Behörden, die für Alle vorhanden ſind, in An-

ſpruch zu nehmen. Die Meinung, daß ſie immer als Vermögens-

ſteuern zu betrachten ſeien, iſt nicht richtig; denn es kommt ſehr auf

die zu verhandelnde Frage und äußere Umſtände an4). 5) Stra-

ßen-, Weg-, Brückengelder, Waſſerzölle, und was derglei-

chen hierher gehört. Dieſe Abgaben können mit den Steuergrund-

ſätzen in Einklang gebracht werden Das Geſetz der Volkswirth-

ſchaft verlangt möglichſte Freiheit des Verkehrs, alſo müſſen dieſe

Gelder nicht ſo hoch ſein, daß ſie die Benutzung ſolcher Anſtalten

verhindern (§. 472.). Das Geſetz der Größe erheiſcht, da der

Staat mit ſolchen Anſtalten kein Gewerbe treibt, daß er ſich nicht

mehr als den zur Erhaltung dieſer Anſtalten nöthigen Aufwand

durch ſolche Abgaben vergüten laſſe5). In manchen Staaten trägt

eine ſolche Steuer nicht einmal ſoviel ein, weßhalb es erklärlich

genug iſt, daß ſolche Dinge nicht überall der Privatinduſtrie über-

geben werden können. Das Geſetz der Allgemeinheit und Gleichheit

findet bei derlei Anſtalten am gerechteſten die Anwendung, daß

vorerſt alle diejenigen, welche ſolche Anſtalten benutzen, im Ver-

hältniſſe, als ſie den Erhaltungsaufwand nothwendig machen hel-

fen, zur ihrer Unterhaltung relativ gleichviel beitragen, und dann,

daß, wenn noch ein Reſt ungedeckt bleibt, alle Staatsbürger, weil

ſämmtlichen ſolche Einrichtungen mittelbaren Nutzen bringen, zu

deſſen Deckung mitwirken. Aus keinem Grunde aber ergibt ſich,

daß der Staat die Benutzung ſolcher Anſtalten ganz frei zu geben

und auf eigene Koſten möglich zu machen verpflichtet ſei. Nur

dann möchte die Räthlichkeit einer ſolchen Befreiung anzuerkennen

ſein, wenn man, nachdem ein Abgabennachlaß beſchloſſen iſt, keine

drückendere Steuer dazu hat, oder wenn, ohne jene Abſicht, für

ſolche Gelder eine weniger drückende Erſatzſteuer eingeführt wer-

den kann. Allein bei kluger Mäßigkeit ſolcher Steuern werden

ſich ſolche Fälle ſelten finden6).

[745/0767]

¹ Lotz Reviſion. IV. §. 287. Handb. III. 292. Krauſe Syſtem. II. 303.

Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 236 folg. v. Malchus I. §. 62–64.

Rau polit. Oeconom. III. §. 227–246., bei welchen beiden alle hierher gehören-

den Abgaben beurtheilt ſind.

² In allen Staaten, aber verſchieden eingerichtet. In Frankreich ein Di-

menſionsſtempel, nämlich nach der Dimenſion oder Flächengröße des nöthigen

Papieres, von 6 Stufen. v. Raumer britt. Beſteur. Syſtem. S. 21. 192.

³ In Baden Acciſe von Immobilien (ſ. Verhandl. der II. Kammer

von 1831. H. IV. 69. XXI. 253. Beil. Heft VII. 56.); in Frankreich die Droits

d'Enregistrement, welche in Droit fixe und proportionnel zerfallen. Auch gehören

hierher die Droits d'Hypothèques daſelbſt. Hier iſt auch die Erbſchafts- und

Kaufſteuer zu erwähnen. S. Craig Politik. III. 82. 92. 205. Monthion I. c.

pag. 214. simonde de sismondi Rich. commerc. II. 97.

⁴⁾ In Frankreich ſind es zum Theile die Droits de Greffe. Auch gehören

hierher die Beförſterungskoſten für Gemeinde-, Stiftungs- und Privatwal-

dungen, wenn nämlich die Staats forſtleute bei ihrer Bewirthſchaftung benutzt werden.

Ueber die Erhebungsart der Sporteln ſ. m. Welcker in den Verhandl. der Bad.

II. Kammer von 1831. Heft IV. 3. Beil. H. VII. 65. Heft XXIII. 4. Bairiſche

L. T. Verhandl. von 1831. Beil. XLIII. S. auch Craig Politik. III. 147.

Monthion pag. 170.

⁵⁾ v. Malchus I. S. 311–312 ſagt freilich, es gäbe keinen Rechtsgrund,

der den Staat auf die bloße Erhebung dieſes Aufwandes beſchränke. Dies iſt nicht

zu läugnen, denn der Staat iſt berechtigt, die Steuern da und ſo zu erheben, wo

und wie es ihm am zweckmäßigſten ſcheint. Allein der Staat ſteht nicht, wie

Malchus meint, gleich den Privatunternehmern ſolcher Anſtalten, denn er iſt zu

ihrer Herſtellung und Erhaltung als Staat verpflichtet, wenn ſie auf dem Privat-

wege nicht gehörig hingeſtellt werden, und muß die Koſten aus der Staatskaſſe

decken, wenn die für ihren Gebrauch aufgelegte Steuer nicht genug einträgt. Indeß

trennt v. Malchus ferner den Vortheil der unmittelbaren Benutzung ſolcher Anſtalten

von dem aus ihnen für die Geſammtheit erwachſenden Nutzen und will aus dem Letzteren

die Berechtigung des Staates ableiten, ſich durch jene Gebrauchsſteuern mehr als

den bloßen Unterhaltungsaufwand zu verſchaffen, indem derſelbe dieſes Mehr als

eine Steuer vom Ertrage anſieht. Allein dieſer Schritt iſt zu weit, denn es folgt

hieraus blos, daß der Staat, nachdem er jenen Vortheil beſteuert hat, auch dieſen

Nutzen beſteuern kann. Die nächſte Frage iſt alsdann aber, wie dies am beſten in

Uebereinſtimmung mit den Steuergrundſätzen geſchehen könne. Fände ſich, daß dieſe

Beſteuerung am beſten durch Erhöhung der Gebrauchsſteuern dieſer Art verwirklicht

würde, ſo müßte freilich dieſe Wahl getroffen werden, ſonſt nicht. Und es möchte

ſich die Vorzüglichkeit dieſer Methode nach keinem einzigen Steuergrundſatze beweiſen

laſſen. Jedoch ein anderer Irrthum liegt der Anſicht von v. Malchus zu Grunde,

nämlich als ob der Vortheil, den der Einzelne aus der Benutzung ſolcher Anſtalten

bezieht, der Beſteuerungsmaaßſtab ſei. Wie ſollte dieſer Vortheil ermittelt wer-

den? — Dies iſt unmöglich, alſo der Grad der Mitwirkung der Einzelnen zur

Abnutzung ſolcher Anſtalten iſt der Maaßſtab für dieſe Steuern.

⁶⁾ Die Surrogirung des Weggeldes durch eine Viehſteuer iſt nicht geglückt und

kann es wohl auch nicht. Lotz Reviſion. IV. §. 283. Handb. III. 288. Krauſe

Syſtem. II. 290.

§. 498.

C. Verbrauchsſteuern. 1) Im Allgemeinen. a) Ihre Vor-

und Nachtheile.

Gegen keine Gattung von Steuern iſt ſo viel ſchon geſtritten

worden, wie gegen die Verbrauchs- oder Conſumtionsſteu-

ern1), und gerade in jetziger Zeit gehört dieſer Streit zu den

wichtigſten, theils weil die unteren Volksklaſſen ihre Laſten zum

[746/0768]

Nachtheile der höheren und reicheren abzuſchütteln ſtreben, theils

weil ſich die Wünſche nach Verkehrsfreiheit lauter als jemals er-

heben. Allein, muß man zugeſtehen, daß dieſe Steuergattung ſo

wenig als eine andere nicht ohne Laſt denkbar iſt, und darf aus

den Bedürfniſſen unſerer Staaten geſchloſſen werden, daß die Con-

ſumtionsſteuern ganz unentbehrlich ſind2), ſo kann man bei ruhiger

vorurtheilsfreier Ueberlegung dieſelben bei weitem nicht in dem

Grade drückend, ſchädlich und an ſich fehlerhaft finden, als ander-

wärts von ihnen behauptet wird. Man wendet gegen ſie ein: die

Unmöglichkeit einer Vorausberechnung ihres Ertrags für die Staats-

kaſſe, die daher rührende Unſicherheit der Einnahmen der Letzteren,

die Koſtſpieligkeit und Schwierigkeit der Erhebung, ihren böſen

Einfluß auf die Moralität, die Unthunlichkeit einer gleichen Be-

ſteuerung je nach dem Verhältniſſe des Reichthums und der Dürf-

tigkeit, die Unbrauchbarkeit der Verzehrung als Maaßſtab des Ein-

kommens, die Unausweichlichkeit der Beſteuerung des Capitals, der

nothwendigſten Bedürfniſſe und des rohen Einkommens mit allen

ihren ſchädlichen Folgen für die Induſtrie, die daher rührende

unerträgliche Bedrückung der Armen, den ſchädlichen Einfluß der

Verſchiebung der Steuerzahlung bis zur Verzehrung auf den Ver-

kehr, auf die Gütervertheilung und auf die Preiſe der Artikel,

die Hemmniſſe für den regelmäßigen Fortgang der Betriebſamkeit

je nach der Art der Erhebung, die bei dieſer Art der Beſteuerung

den Bürgern gelaſſene Wahl zwiſchen dem Beitrage oder Nichtbei-

trage zu den Staatsbedürfniſſen, und den Umſtand, daß, wo ſie

eingeführt ſind, der Bürger mehr als einfach, beſteuert wird.

Allein der im Ganzen wenig veränderliche Stand der Conſumtion

läßt die Staatskaſſe um ihre Einnahme nicht in Ungewißheit. Die

koſtſpielige und ſchwierige Erhebung kann nicht geläugnet werden,

allein die in manchen Staaten und bei einzelnen Steuern in dieſer

Hinſicht getroffene Einrichtung, welche dieſen Vorwurf in hohem

Grade verdienen dürfte, kann nicht dieſen Steuern überhaupt zu-

geſchrieben werden. Die Immoralität, als Folge dieſer Steuern,

iſt nicht nothwendig ein Ergebniß derſelben überhaupt, ſondern

vielmehr ihres zu hohen Betrages, der den Betrug vortheilhaft

macht, aber auch bei andern Steuern kommt dieſer vor. Von der

Verzehrung läßt ſich im Durchſchnitte allerdings auf ein im ge-

raden Verhältniſſe mit ihr ſtehendes Einkommen ſchließen; um nun

alle Bürger möglichſt relativ gleich zu beſteuern, muß man die zu

beſteuernden Artikel richtig wählen und dazu ſteht eine große Anzahl

zu Gebote; die Wahl iſt faktiſch hie und da ungünſtig, aber bei

der beſten Einrichtung ſind da und dort Ungleichheiten unvermeid-

[747/0769]

lich und nur in äußerſt ſeltenen Fällen iſt zum Theile jener be-

drückte Zuſtand der ärmeren Klaſſe in dem Grade vorhanden, als

er von den Gegnern dieſer Steuern ausgemahlt wird. Jede Steuer,

die das Capital verringert und die Befriedigung der Bedürfniſſe

erſchwert, iſt allerdings verwerflich; allein daraus, daß eine ſolche

auf die Conſumtion gelegt wird, folgt jenes noch nicht, es kommt

vielmehr auf den Steuerartikel und die Höhe der Steuer an. Es

iſt wahr, wer die indirecte Steuer lange vor der Verzehrung vor-

auszahlt, der läßt ſich im Preiſe des Artikels auch die Zinſen ſeiner

Vorauslage mitbezahlen und ſo ſteigt derſelbe; allein dieſe lange

Vorausbezahlung iſt in der Steueranlage zu vermeiden und keines-

wegs eine von ihr unzertrennliche Begleiterin der Verbrauchſteuern.

Uebrigens ſteigt der Preis dieſer Artikel nur um ſo viel höher

zufolge der Verbrauchsſteuer, und alles andere Steigen deſſelben

iſt Folge von anderen Urſachen. Irgend ein Hemmniß iſt jede

Steuer für den Verkehr und die Gewerbſamkeit, alſo iſt dies bei

den Verbrauchsſteuern auch unvermeidlich; allein abgeſehen davon,

daß es bei dieſer Frage am meiſten auf die gewählte Umlags- und

Erhebungsmethode ankommt, ſo iſt nicht zu läugnen, daß eine andere

Erhebung derſelben Summen, welche jetzt durch die Verbrauchsſteuern

bezogen werden, weit mehr und weit größere Nachtheile auf den

Verkehr und die Induſtrie ausüben würde, als es jetzt geſchieht.

Daran ſind gerade die Umſtände Schuld, welche fernerhin noch

als ſchädliche Eigenheiten der Verbrauchsſteuern angeführt wurden.

Nämlich die Zahl der Contribuenten iſt größer, die Steuerquote

äußerſt klein und wird nur allmälig erhoben, gerade indem der

Pflichtige Genußausgaben macht, bei nicht abſoluten Bedürfniß-

artikeln kann ſich jeder je nach Art und Größe der Conſumtion

ſelbſt beſteuern und die ganze Steuerſumme, welche er jährlich zu

bezahlen hat, wird nicht auf einmal erhoben, was, da es gerade

auf dieſe Art geſchieht, die Steuerzahlung ſehr erleichtert.

¹ Zur Literatur: Steuart Political Economy Book V. A. Smith Inquiry.

IV. 240. v. Sonnenfels III. 341. (v. Pfeiffer, Berichtigungen berühmter

Kameralſchriften. I. 288.). Büſch, Vom Geldumlauf. I. 413. v. Juſti Finanz-

weſen. §. 821. Finanzmaterialien. Stück I. Anh. 1. Bergius Magazin. Art.

Acciſe u. folg. Lüder, Ueber Nationalinduſtrie. S. 30. Spittler, Vorleſ.

über Politik. S. 340. Craig Politik. III. 154. Ricardo Principles. p. 298.

Necker, De l'Administration des Finances. I. 129. Turgot Oeuvres. IV. 208.

Canard, Principes d'Economie polit. p. 154. simonde de sismondi Rich. Com-

merc. II. 33. 63. Nouv. Principes. II. 206. say Traité. Ueberſ. von Mor-

ſtadt §. 579. Cours VI. 74. Ueberſ. von v. Th. VI. 59. Monthion Quelle

influence. p. 56. 127. v. Raumer, Britt. Beſteur. Syſtem. S. 32. 194. Mac-

Culloch Dict. of Commerce. Deutſch I. 6. 206. 249. 693. II. 11. 199. 253. u.

a. a. O., wo die in England accisbaren Artikel angeführt ſind. Krehl Steuer-

ſyſtem. §. 124. 126. 127. 159. 160. 174. 175. Krönke Grundſätze. S. 141.

v. Soden Nat. Oeconom. III. 124. V. 100. 112. Lotz Reviſion IV. 143. Hand-

[748/0770]

¹ buch III. 175. Krauſe Syſtem. II. 319. v. Jacob §. 683. 1102. Fulda

§. 202. v. Malchus I. §. 60 u. 61. 66–75. Murhard, Politik des Han-

dels. S. 363. Th. u. P. der Beſteur. S. 387. Eſchenmayer, Ueber die Con-

ſumtionsſteuer. Heidelberg 1813.

² S. Meine Verſuche S. 201204, wo der Beweis ſtatiſtiſch geführt iſt.

§. 499.

Fortſetzung. b. Wahl der Verbrauchsartikel.

Es gibt abſolute und relative Bedürfnißartikel und Luxus-

gegenſtände, welche der Verbrauchsſteuer unterworfen werden kön-

nen. Die Wahl muß auch auf alle drei zugleich fallen, weil es

nur auf dieſem Wege möglich iſt, die untere, mittlere und höhere

Klaſſe der Staatsangehörigen gleichmäßig zu beſteuern. Allein die

Verbrauchsſteuer von abſoluten Bedürfniſſen hat ſtets gegen ſich,

daß von den Letztern nicht auf ein reines Einkommen geſchloſſen

werden kann, daß dieſelben vielmehr als erſte wirthſchaftliche Aus-

lagen erſcheinen, die im Preiſe der Producte, Nutzungen und Lei-

ſtungen nothwendig erſtattet werden müſſen, daß folglich eine ſolche

Steuer Alles andere vertheuert, von der Arbeiterklaſſe nur voraus-

bezahlt, ſpäter aber ihr von den Lohnherrn, periodiſche und locale

Ausnahmen abgerechnet, wieder erſtattet wird, und daß ſie die

Befriedigung der Bedürfniſſe erſchwert. Dies Alles findet bei der

Beſteuerung der anderen Bedürfniſſe und des Luxus nicht Statt,

ſie beſchränkt, wenn ſie hoch geſpannt iſt, höchſtens den Genuß.

Es iſt daher Grundſatz, durch das Verbrauchſteuerſyſtem ſowohl

dies Letztere als auch die Erſchwerung der Bedürfnißbefriedigung

zu verhüten. Dies iſt aber nur möglich durch die kluge Auswahl

der Artikel1), durch Mäßigkeit der Steueranſätze, dadurch, daß

man die Steuer möglichſt kurz vor dem Verbrauche erhebt und

durch thunlichſte Einfachheit und Wohlfeilheit der Erhebung2).

Allein dies Alles iſt Sache der Finanzpolitik, welche ſich zu dieſem

Behufe ſtreng an die Statiſtik des Landes halten muß.

¹ Etwas Anderes iſt die Menge, etwas Anderes die Gattung und Art

der Steuerartikel. Was die Erſtere betrifft, ſo hat man ſich jetzt in der Praxis

für eine Ermäßigung entſchieden, weil mit der Anzahl der Artikel keineswegs, wie

man wähnte, die Gleichheit in der Vertheilung der Steuerlaſt, ſondern vielmehr

die Ungleichheit derſelben zunimmt, in der That keine größere Schonung der Be-

dürfniſſe bewirkt wird, aber jedenfalls die Verwickelung und Koſtſpieligkeit der

Erhebung unverhältnißmäßig zunimmt. Was aber die Letzteren anbelangt, ſo hat

Canard (Principes p. 177.) die Meinung gehegt, blos die abſoluten Bedürfniſſe

ſollten beſteuert werden, weil die Steuer ſonſt ungleich würde. Allein, daß dadurch

eine abſolute Gleichheit, alſo wahre Ungleichheit der Steuervertheilung, entſtünde,

iſt nicht im Geringſten zu bezweifeln. Der beſte iſt der gehörige Mittelweg zwiſchen

dem Entbehrlichen und Nothwendigen jeder Bürgerklaſſe, die Freilaſſung der Ge-

werbscapitalſtoffe, und die Herausſuchung ſolcher Gegenſtände, welche am meiſten

[749/0771]

¹ auf die Reineinnahme und den Wohlſtandsgrad der Conſumenten ſchließen laſſen und

die Steuererhebung nicht zu ſchwer und nicht zu koſtſpielig machen.

² Man muß zwiſchen der directen und indirecten Beſteuerung unterſcheiden.

Jene findet nicht, wie v. Malchus I. S. 323. meint, blos bei Gebrauchs-

gegenſtänden, z. B. Meubles, Bedienten, Equipagen, Gold- und Silbergeſchirr

u. dgl., ſondern auch bei Verbrauchsartikeln Anwendung, z. B. Schlachtſteuer

und Weinacciſe für eigene Conſumtion. Nach den Gegenſtänden richtet ſich auch

die Wahl der Beſteuerungsart. Wenn die directe Verbrauchsſteuer nicht in den

meiſten Fällen eine allzu läſtige Erhebung nöthig machte, ſo wäre ſie der indirecten

vorzuziehen, weil ſie nicht, wie dieſe, eine Vertheuerung der Artikel zufolge der

Vorauslage ſammt Zinſen verurſacht.

§. 500.

2) Beſondere Arten. a) Acciſe.

Das Verbrauchsſteuerſyſtem beſteht daher aus drei Hauptſteuer-

gattungen, nämlich Acciſen, Zöllen und Luxusſteuern. Sie

erſcheinen hier nicht von ihrer nationalöconomiſchen Seite (§. 458.

IX. 4.), allein bei einem guten Steuerſyſteme muß in dieſem an

ſich, ſo wie zwiſchen der nationalöconomiſchen und finanziellen

Rückſicht dieſer Steuergattungen ein ſorgfältiger verſtändiger Zu-

ſammenhang beobachtet werden. — Unter die Acciſe, d. h. Ver-

brauchsſteuern von inländiſchen Fabrikaten, rechnet man ziemlich

allgemein folgende Abgaben: 1) Die Mahlſteuer (Mehl- oder

Brodacciſe), welche ſich durch die Allgemeinheit, leichte Ausglei-

chung, den hohen Ertrag bei geringem Anſatze, und die Leichtigkeit

der Erhebung in Städten ſehr, auf dem Lande aber gar nicht

empfiehlt1). 2) Die Schlachtſteuer (Fleiſchacciſe) hat als

ſtädtiſche Staatsſteuer dieſelben Gründe um ſo mehr für ſich, als

das Fleiſch kein abſolutes Bedürfniß, wie Brod, iſt und je nach

ſeiner Qualität eine Stufung der Steuerſätze und höhere Be-

ſteuerung der höheren Conſumenten möglich macht, aber als Steuer

auf dem Lande hat ſie dieſe Vortheile nicht2). 3) Die Bier-

ſteuer (Bieracciſe) trifft ein Gewerbsproduct, deſſen Güte und

Quantität im Belieben des Brauers liegt, der aber von der Nach-

frage darnach in der Production beſtimmt wird. Es eignet ſich

das Bier um ſo mehr zur Beſteuerung, weil es an ſich nicht als

abſolutes Bedürfniß erſcheint und doch allgemein in großer Quan-

tität conſumirt wird3). 4) Die Branntweinſteuer (Brannt-

weinacciſe) hat noch weit mehr Gründe für ſich, als jene, weil

der Branntwein in der That als ein, ſogar ſchädlicher, nicht noth-

wendiger Genußartikel erſcheint, deſſen Conſumtion aber ſehr be-

trächtlich iſt und wegen der verſchiedenen Feinheit der Branntweine

und Liqueurs Abſtufungen der Steuerſätze in mehrfacher Hinſicht

geſtattet4). 5) Die Weinſteuer (Weinacciſe) von Obſt- und

[750/0772]

Traubenwein erſcheint noch weniger als eine Bedürfnißſteuer und

eignet ſich auch wegen der verſchiedenen Qualität des Weines

ſehr zur Conſumtionsſteuer, aber in einer Hinſicht findet eine Ver-

ſchiedenheit Statt, nämlich ſeine Güte und Menge hängt nicht

vom Belieben des Producenten ab und ſein Gebrauchs- und Tauſch-

werth ſo wie ſein Preis nimmt mit ſeinem Alter zu, Umſtände,

wodurch deſſen Beſteuerung ſehr erſchwert wird5). 6) Die Ta-

backsſteuer trifft in keiner Hinſicht ein wahres Bedürfniß, aber

ſie kann ein bedeutendes Einkommen gewähren, wo der Verbrauch

des Tabacks allgemein iſt, und wirkt in keinem Falle an ſich

drückend6). Endlich 7) die Salzſteuer iſt eine der geeignetſten

Zehrſteuern, wegen des ausgedehnten Salzverbrauchs im Hauſe,

in der Viehzucht, Landwirthſchaft und in den Gewerken, wegen

des geringen Bedarfs für die einzelne Perſon, wegen der geringen

Gewinnungskoſten, die einen bedeutenden Steuerzuſchlag geſtatten,

ohne Druck auf den Conſumenten, und endlich wegen der leichten

koſtenloſen Erhebung. Die Einwendungen gegen dieſelbe betreffen

ſie, mit Ausnahme des Umſtandes, daß ſie alle Familien blos nach

ihrer Größe beſteuert, alſo die Armen härter trifft, als die Rei-

chen, nicht an ſich, ſondern nur ihre vermeintliche oder auch wirk-

liche Höhe und die gleiche oder auch nur um Weniges verſchiedene

Beſteuerung und Preishöhe des Koch-, Vieh-, Dung- und Ge-

werksſalzes. Hiergegen ſind aber ſehr leicht Maaßregeln zu

ergreifen7).

¹ Erhebung indirect in der Mühle. Nach Einführung von Gemeindebacköfen

könnte man ſie in dieſen erheben, beſonders auf dem Lande, wo ſie jetzt wegen des

Hausbackens und wegen der zerſtreuten Lage der Wohnungen nicht wohl ohne viele

Bedrückung und Mühe eingeführt werden kann.

² Mehr noch als das Backen, geſchieht das Schlachten im Hauſe, beſonders

auf dem Lande, eine directe Fleiſchacciſe aber hat viele Bedrückung zur Folge. Wo

Schlachthäuſer vorhanden ſind, iſt die indirecte Erhebung ſehr erleichtert, ſonſt wird

ſie gerade von den Schlächtern erhoben.

³ Man hat folgende Methoden der Beſteuerung, nämlich nach dem Maaße

des verbrauten Malzes- oder nach dem cubiſchen Inhalte der Gefäße oder bei freier

Fabrication nach den verkauften Quantitäten beim Bierhändler. v. Malchus I. §. 68.

⁴⁾ Methoden der Beſteuerung: entweder nach der Menge des verbrauchten

Schrotes, oder nach dem kubiſchen Gehalte des Maiſchfaſſes, oder nach jenem der

Branntweinblaſe, oder beim Abſatze des Branntweins nach Menge und Güte.

S. Krauſe Syſtem. II. §. 288 (beſonders Preußens Erfahrungen darüber).

Ferber, Beiträge zur Kenntniß des gewerblichen Zuſtandes der preuß. Monarchie

(Berlin 1829). S. 219. Deſſen Neue Beiträge (Berlin 1832). S. 109.

Förſter, Anleitung zur Kenntniß der Geſetzgebung des Branntweinb. Berlin 1830.

⁵⁾ Nicht der Weinbauer und nicht der Weinhändler ſollen hierdurch beſteuert

werden, — denn dieſe ſind es ſchon durch die Grund- und Gewerbeſteuer, — ſon-

dern der Conſument. Entweder wird ſie ſchon vom Moſte (Moſtſteuer) oder

vom mehr oder weniger ausgebildeten Weine, wenn er von den Händlern abgeſetzt

wird, erhoben (Weinſteuer). — Man glaubte aber, alle dieſe Getränkeſteuern,

anſtatt wie angezeigt, in allgemeinen Averſalſätzen beſſer erheben zu können.

[751/0773]

⁵⁾ Allein dieſe Methode hat große Einwürfe und Hinderniſſe gegen ſich. S. dafür

Sartorius, Gleiche Beſteuerung. S. 200. 211. Dagegen aber das ausgezeich-

nete Gutachten von Nebenius in den Verhandl. der Bad. II. Kammer von 1831.

Heft XXIV. S. 165–175. Die Discuſſion von S. 162–224.

⁶⁾ Das Monopol (§. 483.) iſt zur Steuererhebung nicht nothwendig, denn es

ſteht dem Staate die Beſteuerung in den Fabriken und der Eingangszoll zu Gebote.

⁷⁾ Die Salzſteuer bedarf an ſich des Salzmonopols nicht (§. 483.), denn die

Beſteuerung kann auch in Siedwerken geſchehen, die Privaten überlaſſen ſind. —

Aber die Surrogirung dieſer indirecten Salzſteuer durch ein directes Salzgeld

nach Kopfzahl und Klaſſen u. dgl. hebt die Nachtheile der Erſteren nicht auf, aber

vermehrt die Mühe und Koſten der Erhebung. S. dafür v. Langsdorf, Ueber

die Herabſetzung der Salzpreiſe in Deutſchland. Heidelberg 1822. Benzenberg,

Preußens Geldhaushalt. S. 238. Dagegen v. Malchus I. S. 340–341.

Rau polit. Oeconomie. III. §. 188.

§. 501.

Fortſetzung. b) Zölle. c) Luxusſteuern.

Das Zollweſen iſt von ſeiner nationalöconomiſchen Seite

bereits (§. 471.) erörtert. Aber, iſt es ſchon in jener Beziehung

Einer der ſchwierigſten Gegenſtände der Staatsverwaltung, ſo wird

es noch weit verwickelter, indem die finanzielle Rückſicht, nämlich

die Erhebung eines Einkommens aus der Beſteuerung der Conſumtion

ein- und ausgehender Waaren, noch hinzutritt. Aber die Wiſſenſchaft

vermag, weil die Verhältniſſe der Länder zu verſchieden ſind,

hierin nicht viel mitzuſprechen. Die Auswahl der zollbaren Waa-

ren, Bildung des Tarifes und Anlage der Zolllinien iſt lediglich

Gegenſtand der Finanzpolitik. Allgemeine wiſſenſchaftliche Sätze

klingen hier immer hohl und ungenügend.

Es iſt leicht einzuſehen, daß unter den Acciſen und Zöllen

ſchon Luxusſteuern im allgemeinen Sinne enthalten ſind. In

beſonderer Bedeutung verſteht man unter ihnen die directen Luxus-

ſteuern, z. B. für das Halten von Dienern, Equipagen, Luxus-

Pferden, Hunden, Wappen u. dgl. Mit Ausnahme der Hundſteuer,

nur in großen Staaten von Bedeutung, erſcheinen ſie als die am

wenigſten drückenden Abgaben.

Drittes Hauptſtück.

Vom Erwerbe des Staats aus ſeinem Kredite.

Erſtes Stück.

Verſchiedene Arten der Benutzung des

Staatskredites.

§. 502.

A. Zwangskreditgeſchäfte.

Der Staatskredit oder Kredit des Staats (§. 343.) iſt eine

der wichtigſten Einkommensquellen des Letztern, welche, da ſie auf

[752/0774]

dem Zutrauen zum Staate beruhet, der ſorgſamſten Pflege bedarf1).

Die neueren und neueſten Staatsregirungen haben von demſelben

einen außerordentlich großen Gebrauch gemacht, ſo daß man eines

Theils viele Erfahrungen über die beſte Art der Benutzung des-

ſelben gemacht und andern Theils die größte Aufmerkſamkeit nöthig

hat, um die beſten Mittel und Wege zu finden und anzuwenden,

wie derſelbe erhalten und die durch deſſen Benutzung entſtandenen

Laſten und Uebelſtände entfernt werden können2).

Die verſchiedenen Arten der Benutzung deſſelben laſſen ſich

folgendermaßen zuſammenſtellen:

A. Zwangskreditgeſchäfte, d. h. Benutzung des Staats-

kredits unter Ausübung von mehr oder weniger Zwang. Es ge-

hören hierher:

I. Die Benutzung der bei den Staatskaſſen niedergelegten

Cautionsgelder und anderen Depoſiten, ja auch der Sum-

men in der Spar-, Leih-, Stiftungs-, Gemeindekaſſen u. dgl. Da

die Erſteren doch bezahlt werden müſſen und in großen Staaten

erhebliche Summen ausmachen, ſo ſteht ihrer Benutzung, wenn

der Staat ſie regelmäßig landüblich verzinst und zu ihrer Zeit

anheimzahlt, gar nichts entgegen. Aber gewaltſame Eingriffe in

die genannten Kaſſen ſind als Ungerechtigkeiten, als Störungen

der allgemeinen Sicherheit und Untergrabungen des Kredits durch-

aus verwerflich.

II. Die Bewirkung von Ausgaberückſtänden, der natür-

lichſte und kürzeſte Weg, Schulden zu machen, aber unvereinbar

mit einer gerechten und klugen Staatswirthſchaft, weil ſie auf ge-

waltiger Täuſchung aller derjenigen beruht, die an den Staat zu

fordern haben, weil ſie einen großen Theil der Letzteren in Ver-

legenheit ſetzt und, einmal begonnen, nach und nach die Finanz-

verwaltung in unerträgliche Unordnungen verſetzt.

III. Die Erhebung von Zwangsanleihen, indem man von

den Reichen oder von Geſellſchaften oder Gemeinden u. dgl. oder

von allen Staatsbürgern Darleihen erzwingt. Allein der Zwang

verträgt ſich mit dem Zutrauen nicht, und dieſe Anleihen ſind,

abgeſehen hiervon, ſelbſt wenn die einſtige Verzinſung und Heim-

zahlung verſprochen wird, ſchon deßhalb verwerflich, weil niemals

eine vollſtändige Entſchädigung Statt findet.

IV. Die zwangsweiſe Emiſſion von Kreditpapieren, näm-

lich entweder von Gutſcheinen (franz. Bons. engl. Bills. im

Deutſchen auch Schatz- und Treſorſcheine genannt) oder von

Papiergeld. Was das Letztere anbelangt (§. 414. u. §. 443.),

ſo geht ſchon aus ſeiner Natur hervor, daß es, als Staatseinkom-

[753/0775]

mensquelle benutzt, den Keim von einer tiefen Zerrüttung der

Volks- und Staatswirthſchaft in ſich trägt und es kommt dem

Staate ſchwer an, die Mittel zur Honorirung deſſelben immer in

Bereitſchaft zu halten, während, wenn er ſie bereit hält, ihm die

Mittel zur vortheilhaften Benutzung der Capitalien nicht ſo gut

zu Gebote ſtehen, wie den Privatbankern, und, wenn er das bei-

ſtrömende Papiergeld nicht honoriren kann, ſein Kredit ſinkt und

der Volkswohlſtand untergraben wird. Die Gutſcheine dagegen,

für welche Zinſen bezahlt werden und welche ausgegeben werden in

der Abſicht, ſie in der nächſten Zeit, z. B. innerhalb eines Jahres,

wieder einzuziehen, erſcheinen, wenn treu an der Verzinſung und

Einziehung gehalten wird, als ein ſehr bequemes Mittel, unter

Erſparniß an Baarſchaft Ausgaben zu decken, denen man nicht

ausweichen kann. Ihre erlaubte Summe wird durch ein Geſetz

beſtimmt, und alle bedeutendere europäiſche Staaten haben ſie im

Gebrauche.

V. Die zwangsweiſe Anticipation, indem nämlich der

Staat von ſeinen Unterthanen die Steuern, welche ſie in der näch-

ſten Finanzperiode erſt zu entrichten hätten, ſchon zur Verwendung

in der jetzigen voraus erhebt. Außer einem großen Drucke auf

die Steuerpflichtigen und den öftern ſchädlichen Folgen für das

Gewerbscapital derſelben verurſachen die Anticipationen unaus-

weichlich Unordnung in der Finanzwirthſchaft und ein baldiges

Vertrocknen der vornehmſten Einkommensquellen des Staats.

¹ Der Staatskredit hängt alſo von Allem ab, was auf das Vermögen und

den Willen des Staats von Einfluß iſt oder darüber wahr oder fälſchlich die öffent-

liche Meinung beſtimmt. Er richtet ſich alſo nach dem Beſtande, nach den Ver-

änderungen und Beurtheilungen des intellectuellen, moraliſchen und wirthſchaftlichen

Zuſtandes der Nation, des rechtlichen Zuſtandes und politiſchen Standes des Staats,

und aller finanziellen Verhältniſſe, insbeſondere des Schuldenweſens deſſelben.

² S. die Literatur im §. 336. Note 1. Außerdem Zachariä, Ueber das

Staatsſchuldenweſen des heutigen Europa. Leipzig 1830, aus den Jahrbüchern der

Geſchichte und Staatskunſt von Pölitz beſonders abgedruckt. Hisgen, Kurze Be-

leuchtung der Zachariä'ſchen Schrift über St. Sch. Weſen. Trier 1832. Fulda,

Ueber Staatskredit. Tübingen 1832. Bernoulli, Was iſt von Staatsſchulden zu

halten? Baſel 1832., Deſſelben Beiträge zur Würdigung der Staatsanleihen.

Karlsruhe 1833. S. auch oben §. 339. N. 1, wozu bemerkt werden muß, daß

von Feller's Schrift jetzt a. 1834 eine 2te vermehrte Auflage erſchienen iſt.

S. auch Fulda Finanzw. §. 226 folg. (wovon ſeine oben genannte Schrift ein

bloßer Abdruck iſt). v. Jacob Finanzw. §. 746. 890. v. Malchus I. §. 88 folg.

Lotz Handb. III. 401. Spittler, Vorleſungen über Politik. S. 304. A. smith

Inquiry. IV. 303. Craig Politik. III. 248. say, Cours d'Econ. polit. VI. 128.

Ueberſ. von v. Th. VI. 99. Deſſelben Traité Ueberſ. von Morſtadt. §. 601.

Schön, Grundſätze der Finanz. S. 118. Büſch, Vom Geldumlauf. I. 325.

(Pinto) Traité de la Circulation et du Crédit. Amsterd. 1771. = Struenſee,

Sammlung von Aufſätzen. Liegnitz 1776. I. Deſſelben Abhandlungen. I. 258.

Baumſtark Encyclopädie. 48

[754/0776]

² Hume, Political Essays. Ess. VIII. J. Pr. smith, The science of Money. p. 399.

Hamilton Inquiry, concerning the Rise and Progress etc. of National Debt.

Edinburgh 1813.

³ Hiſtoriſche Belege in Meinen Verſuchen. S. 236249. Ausgedehnterer

Gebrauch von Papiergeld iſt angerathen von Schön Grundſätze. S. 111. Man ſ.

dagegen Meine Verſuche. S. 498. N. 16. Noch weit greller, ganz verwirrt und

ohne reelle Baſis, ſogar zur Tilgung von Staatsſchulden vorgeſchlagen, tritt das

P. Geldſyſtem hervor in v. Knobloch Staatswirthſch. Vorſchläge. Berlin 1834. I.

§. 503.

B. Freie Kreditgeſchäfte.

B. Freie Kreditgeſchäfte des Staats, d. h. Benutzung

des Staatskredits kraft beſtimmter Verträge mit Gläubigern. Sie

ſind folgende:

I. Zwangsloſe Anticipitationen, d. h. Voraufnahmen

von Staatseinkünften bei Pächtern von Steuern oder Domänen

oder Regalien gegen Zinſen und unter der Zuſicherung der Befug-

niß, ſich bei der Fälligkeit der betreffenden Einnahme bezahlt zu

machen. Außer den Nachtheilen der Zwangsanticipationen haben

ſie auch noch den, daß der Staat enorme Zinſen entrichten muß

und die Finanzverwaltung nach und nach ganz in die Hände dieſer

Pächter geräth1).

II. Eigentliche Staatsanleihen (§. 336.). Jeder Schuld-

ner, und am meiſten der Staat in jener Eigenſchaft wegen ſeiner

großen ordentlichen und außerordentlichen Bedürfniſſe, ſucht ſich

ſchon im Anleihensvertrage ſeine Verbindlichkeiten zur Verzinſung

und Tilgung, beſonders bei großem und ſteigendem Betrage der

Schuld, ſo viel als möglich zu erleichtern. Aus dieſem Streben

gingen geſchichtlich folgende Arten von Staatsanleihen hervor:

1) Gegenſeitig aufkündbare Staatsanleihen mit getrenn-

ter Tilgung und Verzinſung, ſo wie ſie im gewöhnlichen Leben

auch vorkommen. Sie können den Staat durch die Kündigung von

Seiten des Gläubigers in die größte Geldverlegenheit verſetzen und

dem Gläubiger durch die Kündigung von Seiten des Staats, be-

ſonders bei großen Summen, höchſt unangenehm ſein. Man fand

daher ein ſehr angenehmes Gegenmittel, nämlich 2) die Annui-

täten (Zeitrenten, engl. Annuities), wobei eine beſtimmte Anzahl

von Jahren eine jährliche Rente an den Staatsgläubiger bezahlt

wird, welche außer dem feſten Zinſe für das jedesmal noch ſtehende

Anleihenscapital auch noch einen Theil des Letztern ſelbſt enthält,

ſo daß, wie der Zinsbetrag bei gleichbleibendem Zinsfuße eben

wegen der allmäligen Abzahlung des Capitals ſinkt, im nämlichen

Verhältniſſe der Tilgbetrag der Rente und mit ihm die Schnellig-

[755/0777]

keit der Tilgung zunimmt. Der Staat ſeinerſeits und der Gläu-

biger anderſeits glaubte aber auch, was Verzinſung und Tilgung

anbelangt, noch durch den Unterſchied zwiſchen der wirklichen und

wahrſcheinlichen Lebensdauer der Gläubiger Gewinn zu machen,

und ſo entſtanden 3) die Leibrenten (franz. Rentes viagères,

engl. Life Annuties), nämlich Annuitäten, welche ſo berechnet

ſind, daß durch Bezahlung der beſtimmten Rente die Schuld nach

Ablauf der wahrſcheinlichen Lebensdauer des Gläubigers ſammt

Zinſen getilgt iſt. Lebt nun der Letztere wirklich länger, ſo muß

ihm der Staat mit Schaden die Rente bis zum Tode fortbezahlen

und jener gewinnt; ſtirbt er aber früher, ſo erliſcht auch die

Rentenzahlung und der Staat gewinnt. Jedoch ſo ganz vereinzelt

war es ſchwerer, Gläubiger auf dieſe Anleihensart zu finden, als

wenn ſich Geſellſchaften dazu vereinigten, und zudem mußte der

Ertrag ſolcher Anleihen auch größer ſein. Daher verfiel man auf

4) die Tontinen, d. h. Leibrenten für eine ganze Gläubigergeſell-

ſchaft, die aus verſchiedenen Altersklaſſen beſtehen kann, mit der

Einrichtung, daß die Geſellſchaft als moraliſche Perſon den ganzen

Rentenbetrag für die Schuld bezieht, folglich, wenn ein Mitglied

nach dem andern ſtirbt, immer die perſonell ledig gewordene Rente

wieder dem Reſte der Geſellſchaft zufällt, bis ſie endlich ganz aus-

geſtorben iſt2). Bei dieſen drei letztgenannten Anleihensarten aber

gibt der Staat ganz aus der Hand, den Zinsfuß, wenn er indeſſen

ſinken ſollte oder wenn jener in den Stand käme, Anleihen zu ge-

ringeren Zinſen aufnehmen zu können, herabzuſetzen. Bei den

Annuitäten verrechnen ſich oft die Gläubiger und die kleinen Be-

träge der Renteinnahme ſind ihnen zum Behufe der Capitalanſamm-

lung nicht angenehm. Bei Leibrenten und Tontinen verliert in der

Regel der Staat, weil die Lebensdauer der Rentner wirklich größer

zu ſein pflegt, als die Wahrſcheinlichkeit lehrt. Wegen dieſer und

der früher angegebenen Unbequemlichkeiten verfiel man auf neue

Einrichtungen der Staatsanleihen, und es gingen endlich noch

folgende drei Arten hervor, nämlich 5) die Lotterieanleihen,

d. h. ſolche, wobei der Staat die Zinszinſen oder einen Theil der

Zinſen oder ſelbſt einen Theil des Capitals zurückhält, um daraus

einen Fonds zu bilden, welcher in verſchiedene Gewinnſte abgetheilt

wird. Entweder bezahlt derſelbe die Zinſen jährlich aus oder

ſchlägt ſie zum Capital einer jeden Obligation (Loos genannt).

Im erſten Falle wird blos das Capital ſammt den Gewinnſten, im

zweiten aber das Capital und der Zins für die ſämmtlichen rück-

ſtändigen Jahre ſammt den Gewinnſten ausbezahlt, wie es die

vorher geſchehene Verlooſung jedesmal anzeigt, ſo daß der ge-

48 *

[756/0778]

ringſte Bezug des Gläubigers im erſten Falle aus dem bloßen

Capitale, im zweiten dagegen aus dem Capitale ſammt rückſtändigen

Zinſen, aber alle höheren Bezüge aus dem Einen oder Andern

ſammt dem auf das Loos gefallenen geringeren oder höheren Ge-

winnſte beſteht. Für die Gläubiger als Mittel der Capitalanſamm-

lung und als Weg zu großen Gewinnſten ſehr paſſend, haben die-

ſelben aber für den Staat keinen andern Vortheil, als daß er

leichter Anleihen zuſammenbringen kann, während er dagegen die

freie Verfügung über Capital und Zinſen aufgibt und leicht dabei

verlieren kann, wenn die Wirklichkeit der Berechnung nicht ent-

ſpricht. Dieſen und den anderen Unbequemlichkeiten und Nach-

theilen ſind 6) die Renten nicht ausgeſetzt, welche jetzt am allge-

meinſten üblich ſind. Der Staat verſpricht nämlich denjenigen,

welche ihm Geld leihen wollen, eine jährliche Rente und beurkun-

det dies Verſprechen mit einem auf die Capitalſumme von 100

(Nominalwerth) geſtellten Papiere, oder er frägt, wie viel er

für eine Zahlung von 100 Capital an Rente und Nominalwerth

verſchreiben müſſe. Er bietet dieſe Papiere, welche ihren Beſitzern

jedenfalls dieſes Capital ſichern, aus und die Capitaliſten geben

ihm für ein jedes entweder gerade jene 100 oder weniger oder

mehr (Realwerth), überhaupt nur ſo viel, als ſie im Privat-

verkehre Geld ausleihen müßten, um die verſprochene Rente als

Zins zu bekommen. Iſt die Tilgung dieſer Anleihen vertragsmäßig

vorausbeſtimmt oder ſind ſie vom Staate einſeitig aufkündbar, ſo

heißt man ſie geradezu Renten mit Angabe des Prozents. Hat

aber auch der Staat auf die Aufkündigung verzichtet, und ſich

nur vorbehalten, nach ſeinem Belieben und Vermögen dieſe Obli-

gationen aus dem Verkehre einzeln frei aufzukaufen, ſo heißen ſie

immerwährende Rente (franz. Rentes perpétuelles, engl.

Perpetual Annuities). Der Staat hat dabei alle Freiheiten in

Betreff der Verzinſung und Tilgung, aber er kann verlieren, wenn

die Obligationen im Curſe höher geſtiegen ſind, als der Realwerth

beträgt, welchen er von Capitaliſten dafür empfangen hat. Allein

ſtieg der Preis, weil der allgemeine Zinsfuß gefallen iſt, alſo für

eine Rente auch ein größeres Capital bezahlt werden kann, ſo ſteht

ihm auch das Mittel der Zinsreduction zu Gebote3).

¹ Geſchichtliche Belege ſ. in Meinen Verſuchen. S. 551 folg.

² Berechnungen bei: Müller Arithmetik und Algebra. S. 543. Tetens,

Einl. zur Berechnung der Leibrenten. Leipzig 1785–1786. II Thle. Auch oben

§. 460. N. 3.

³ Ueber die Vor- und Nachtheile dieſer Anleihen iſt man gerade jetzt in großem

Streite begriffen. S. Nebenius I. S. 360. Meine Verſuche. S. 292 folg.

[757/0779]

Zweites Stück.

Negoziation und Formen der Staatsanleihen.

§. 504.

Wenn der Staat ein Anleihen contrahiren will, ſo kommt das

Meiſte auf die Unterhandlung dabei an. Was 1) die Arten der

Unterhandlung betrifft, ſo verdient die Methode der Subſcription,

wobei Liſten zu letzterem Zwecke aufgelegt werden, in die ſich die

einzelnen Capitaliſten ſammt ihren Miſen einzeichnen, keineswegs

von jener der Negoziation oder Adjudication, wobei der Re-

girungsbevollmächtigte mit einigen ſich dazu meldenden Bankern,

die ihre Anerbietung entweder verſchloſſen oder offen machen, un-

terhandelt und dem Meiſtbietenden den Zuſchlag gibt (das Anlei-

hen adjudicirt), den Vorzug. Denn das letztere Verfahren iſt

für den Staat müheloſer, ſicherer und ſchneller. 2) Die Bedin-

gungen und Garantien für Staatsanleihen betreffend, ſo be-

ziehen ſich Erſtere hauptſächlich auf die Termine der Lieferung von

Seiten des Bankers, auf den Adjudicationscurs (Uebernahmspreis

oder Realwerth), auf die Geldart, worin das Anleihen geliefert,

verzinst und getilgt werden ſoll, die Art des Anleihens, ſeine in-

nere Einrichtung, die Art und Termine der Verzinſung und Til-

gung; beſondere Garantien anderer Staaten ſind nur in ſeltenen

Fällen nöthig und räthlich, der Hypotheken aber bedarf es nicht,

weil die Staaten zur Verzinſung und Tilgung gewiſſe Staatsein-

künfte oder die Ueberſchüſſe der Einnahmen über die Ausgaben an-

weiſen und ein befriedigender Blick auf die Finanzverwaltung mehr

Sicherheit darbietet, da in den meiſten Staaten die Schul-

den mehr betragen, als ſie zur Hypotheke anzubieten vermöchten.

In Bezug auf 3) die beim Anleihen zuzulaſſenden Perſonen

hat man ebenfalls einem Ausſchließungsſyſteme folgen und die

Ausländer davon abhalten zu müſſen geglaubt. Allein die Sache

finanziell betrachtet, ſo möchte die möglichſt freie Concurrenz dem

Staate am leichteſten billige Bedingungen ſichern, während, wenn

man ſie nationalöconomiſch, d. h. aus dem Geſichtspunkte des

Geldumlaufs nimmt, an ſich klar iſt, daß der Staat überhaupt

gar kein Hinderniß der freien Concurrenz in den Weg legen kann,

weil der Negoziant aus allen Capitalmärkten her das Geld bezieht,

und daß es immer beſſer iſt, wenn der Staat durch Anleihen der

einheimiſchen Induſtrie ſo wenig als möglich Hände und Capitalien

entzieht1). 4) Die Zeit für die Negoziirung eines Staatsanlei-

hens iſt ſehr wichtig. Denn je mehr durch beſondere Ereigniſſe

[758/0780]

Capitalien vorräthig oder diſponibel geworden ſind und je mehr

ſich der Wechſelcurs gegen das Ausland zu Gunſten des Staats

geſtellt hat, um ſo vortheilhafter werden die Bedingungen und das

Anleihen ſelbſt ſein2). 5) Endlich iſt der Zweck des Anleihens,

nämlich ob ſeine Verwendung wirthſchaftlich productiv oder unpro-

ductiv iſt, für deſſen Negoziation von hoher Bedeutung. Denn der

Kredit des Staats wird hiernach wirklich oder blos in der Meinung

der Capitaliſten ſteigen oder ſinken, nach dieſem aber richten ſich

die Bedingungen, unter denen der Staat ſein Anleihen auszu-

geben vermag.

Wird nun ein Staatsanleihen contrahirt, ſo ſtellt der Staat

ſeinem Negozianten die Hauptſchuldverſchreibung oder Ge-

neralobligation aus. Dieſer zieht dann von ſeinen verbündeten

Capitaliſten, die Antheil am Anleihen nehmen, die Darleihen ein.

Zu dieſem Behufe werden in England, Frankreich und andern

Ländern Papiere (Certificate) ausgegeben, worauf man die

Termine der Einzahlung, die ſtreng feſtzuhalten ſind, aufgezeichnet

hat; ſie heißen, ſo lange das Anleihen nicht geſchloſſen iſt, Scrip;

da aber zuweilen für ein Hundert, welche der Capitaliſt zahlt,

verſchiedene Renten und Capitalien verſchrieben und verſchiedene

Papiere ausgegeben werden, ſo ſtellt man ſie zum Behufe der

Veräußerung doch ſämmtlich zuſammen und ein ſolcher Geſammt-

betrag heißt Omnium; curſirt und hat, wenn das Anleihen geſucht

iſt, einen Curs über Pari (§. 349.); das Prozent, um welches er

über Pari ſteht, heißt Bonus. In Deutſchland werden für die in

der Generalobligation ausgeſprochene Summe Partialobliga-

tionen von verſchiedenem Werthe ausgegeben. Dieſe werden aus

verſchiedenen Gründen in Reihen (Serien) nach Buchſtaben,

und dieſe wieder in Nummern abgetheilt. Die Obligationen lau-

ten entweder auf den Inhaber (au porteur), d. h. ſie enthalten

nicht den Namen eines beſtimmten Gläubigers, oder ſie enthalten

den Letztern. Im letzten Falle heißen ſie Inſcriptionen, weil

ſie und jede Beſitzveränderung in ein großes Buch eingeſchrieben

werden. Letztere Methode iſt in Deutſchland nicht üblich.

¹ Nebenius I. 403 iſt der andern Anſicht. S. dagegen Meine Verſuche.

S. 306 folg.

² Gegen die Anſicht von Nebenius I. 395. 408. über die Wirkung des

Wechſelcurſes ſ. m. Meine Verſuche. S. 317 folg.

[759/0781]

Drittes Stück.

Verzinſung und Tilgung der Staatsſchulden.

§. 505.

1) Verzinſung.

Die Verzinſung der Staatsſchuld iſt eine heilige Pflicht des

Staats, nicht blos, weil er ſie vertragsmäßig verſprochen hat,

ſondern weil er auch ſelbſt den Schutz des Rechts und Volkswohl-

ſtandes als Staat, ſo weit er in ſeiner Gewalt ſteht, zu gewähren

verpflichtet iſt. Der Staat muß den Zins ſeiner Schulden mit

voller Sicherheit, in ſeiner verſprochenen Größe und Geldſorte

ohne öffentliche und geheime Schmälerung, zur bedungenen Zeit

und am beſtimmten Orte den ſich meldenden und zu ſeinem Bezuge

berechtigten Gläubigern ausbezahlen. Zur Erleichterung und Con-

trole der Zinszahlung ſind die Quittungen dafür (Coupons) den

Obligationen ſchon beigegeben, ſo daß ſie der Inhaber nur einzeln

für jeden Zinstermin (franz. fin) an die zahlende Kaſſe abzugeben

braucht. Die Verzinſung geſchieht, wenn ſie nicht zum Capitale

geſchlagen wird, viertel- oder halbjährlich entweder in der Haupt-

ſtadt oder auch in Provinzialſtädten oder gar auf ganz fremden

Börſen. Wenn ſich der Curs der Staatspapiere wegen des Sinkens

vom allgemeinen Zinsfuße ſehr hoch geſtellt hat, oder wenn der

Staat ein Anleihen zu geringerem Zinſe, als das ältere einen

bezahlt, bekommen kann, ſo kann er eine Zinſenreduction vor-

nehmen, d. h. den älteren Gläubigern geringere Zinſen unter der

Freiſtellung der Wahl anbieten, ob ſie ihr Capital lieber ausbezahlt

haben wollen. Unter dieſen Bedingungen erſcheint ſie durchaus

nicht als eine Ungerechtigkeit, wofür man ſie ſonſt ſchon im Allge-

meinen oder dann erklären wollte, wenn der neu angebotene Zins

unter dem durchſchnittlichen ſtehe1).

¹ Dieſer Anſicht iſt noch Nebenius I. 297. mit vielen Andern. S. dage-

gen Meine Verſuche. S. 325 folg.

§. 506.

2) Tilgung.

Die Pflicht des Staats, die Steuerlaſt der Unterthanen bald

und möglichſt zu vereinigen; die Forderung der Klugheit, daß er

ſich die Verwaltung ſo leicht und einfach mache, als es ohne

reellen Schaden in den Staatszwecken geſchehen kann; und der

Schuldvertrag fordern vom Staate die Tilgung ſeiner Schulden.

Eine theilweiſe oder gänzliche eigenmächtige Vernichtung oder

[760/0782]

Streichung oder Nichtanerkennung früher contrahirter Schulden,

eine Erklärung der theilweiſen oder völligen Zahlunfähigkeit, eine

ſolche Einſtellung der Schuldzahlungen auf immer oder unbeſtimmte

Zeit (d. h. ein theilweiſer oder vollſtändiger Staatsbankbruch)

zerſtört mehr oder weniger ſeinen Kredit und den Volkswohlſtand1).

Er iſt nur durch gehörige Sorge für die Tilgung (Amortiſation)

ſeiner Schulden hiervor zu bewahren. Durch dies neue Renten-

ſyſtem bei Staatsanleihen haben ſich die Regirungen die Tilgung

ſchon ſehr bequem gemacht. Doch hat jeder Staat bei der Schul-

dentilgung folgende Punkte in Erwägung zu ziehen. 1) Die

Quellen zur Schuldentilgung. Sie ſind entweder außerordentliche

oder ordentliche. Jene ſind nicht genügend, wo die Tilgung termin-

weiſe zum Voraus beſtimmt iſt und geſchehen muß. Man mag alſo noch

ſo ſehr überzeugt ſein, daß die Anwendung ordentlicher Tilgmittel

wenig oder gar keine reelle, ſondern nur eingebildete Wirkung habe,

ſo viel muß man eingeſtehen, daß dieſe Anſicht nicht allgemein

praktiſch ausführbar iſt. Die Verwendung jährlicher beſtimmter

Einkünfte des Staats (½-2% der betreffenden Staatsſchuld)

zur Tilgung vermittelſt einer eigenen, beſonders operirenden, Tilg-

oder Amortiſationskaſſe iſt das Weſentliche der Tilgplane,

welche auf den Geſetzen der Zinszinſen beruhen und wonach die

Zeit beſtimmt werden kann, innerhalb welcher eine Schuld getilgt

ſein muß, ebenſo wie die Größe des Tilgfonds, um bei gegebenem

Zinsfuße die Schuld in beſtimmter Zeit tilgen zu können2). Iſt

die Schuld auf einen beſtimmten Tilgfonds geſetzt, ſo heißt ſie

fundirt (franz. Dette fondée, engl. Funded Debt); iſt ſie es

nicht, ſo heißt ſie ſchwebend (franz. Dette flottante, engl.

Floating Debt). 2) Die Größe des Tilgfonds. Je größer der-

ſelbe iſt, deſto ſchneller geht die Tilgung unter übrigens gleichen

Umſtänden von Statten. Allein der Volkswohlſtand verträgt nicht

wohl eine ſo große Laſt, als ein Tilgfonds, z. B. von 2% für die

Schulden der meiſten europäiſchen Staaten nöthig machte. 3) Die

Zeit der Tilgung. Sie ſteht mit der Größe des Tilgfonds und

bei gleichem Tilgfonds mit der Größe des Zinſes der Schuld in

umgekehrtem Verhältniſſe. Blos die Friedenszeit iſt zu einer

wirkſamen Schuldentilgung günſtig3). 4) Die Mittel der Schul-

dentilgung. Sie muß in demſelben Umlaufsmittel geſchehen, worin

die Schuld contrahirt und die Tilgung verſprochen iſt, ohne offen-

bare oder geheime Schmälerung, — dies verlangt das Recht, die

Staatsklugheit und namentlich der Staatskredit4). Endlich 5) die

Arten der Schuldentilgung. Die ſchwebende Schuld, z. B.

Gutſcheine, Bons, Bills, Schatzkammerſcheine, wird zur beſtimmten

[761/0783]

Zeit baar bezahlt und eingezogen, oder in fundirte Schuld ver-

wandelt, oder zum Theile ſo, zum Theile ſo behandelt. Die Pa-

piergeldſchuld wird am beſten nur auf die erſte Methode getilgt.

Iſt das Papiergeld aber bedeutend im Curſe geſunken, ſo kann der

Staat daſſelbe, da die Entſchädigung Aller, welche daran verloren

haben, unmöglich iſt, außer auf die bereits (§. 443. N. 4.) ge-

nannten zwei andern Methoden auch noch hinwegſchaffen, indem er

es gegen verzinsliche Staatsobligationen einlöst, bis ſich der Curs

des Reſtes wieder gehoben hat, — eine Methode, wodurch ſich

aber der Staat eine enorme Schulden- und Zinslaſt aufladet5).

Die fundirte Schuld wird getilgt entweder durch freien Aufkauf

der Obligationen auf der Börſe durch Regirungscommiſſaire oder

durch Heimzahlung der Schuldcapitalien nach dem Tilgplane, wie

ſie das Loos bei der deßhalb Statt findenden Ziehung trifft.

¹ Zachariä, Ueber das Staatsſchuldenweſen S. 37, meint dies nicht. S.

dagegen Meine Verſuche S. 496. Man ſ. aber über Staatsſchuldentilgung außer

den im §. 501. angeführten Werken noch die Verhandl. der franzöſ. Kammern von

1833. = Moniteur 1833. No. 145. 146. 155. 158. 163. 167. de Gasparin et

Reboul De l'Amortissement. Paris 1834.

² Die in den angeführten Verhandlungen und in der genannten Schrift ſo

wie von Andern neuerdings aufgeſtellte Meinung, daß dieſe Tilgplane blos Rechnung

und Chimäre ſeien, weil ſie in Frankreich und England, wie die Geſchichte zeige,

bei weitem nicht geleiſtet haben, was man erwartete und wünſchte, und daß man

deßhalb die neue engliſche Methode, nämlich blos mit etwaigen Ueberſchüſſen der

Einnahmen über die Ausgaben zu tilgen, zum Geſetze machen ſolle, iſt ohne hin-

reichende hiſtoriſche Baſis. Denn, während ſolche Tilgplane in Deutſchland und

Nordamerica recht gute Dienſte thaten, mußten ſie in jenen Ländern, wegen der

weit größeren ordentlichen und außerordentlichen Staatslaſten, die immer wieder

neue Schulden nöthig machten, weit weniger wirken; weit ſchlimmer muß die

Tilgung unter der anempfohlenen Tilgmethode beſtellt ſein, weit langſamer vor-

ſchreiten, von weit mehr Zufälligkeiten abhängen und den Staatskredit weit ärger

blosſtellen. Der ganze Unterſchied zwiſchen beiden Methoden, wenn ſie ohne Fehler

ausgeführt werden, beſteht blos darin, daß der Staat nach der Erſteren jährlich

einen beſtimmten Ueberſchuß über die anderen Staatsausgaben, die Staatsſchuld-

zinſen eingeſchloſſen, macht, während er deſſen Wirklichkeit und Größe nach der

Andern dem Zufalle überläßt. — Ueber zwei verwerfliche Tilgplane ſ. m. Meine

Verſuche S. 343. 345. Auch gehört hierher die Frage über die Vorzüge und Nach-

theile der General- oder Spezialdotirung der Tilgkaſſe, d. h. der Beſtim-

mung eines Tilgfonds für die ganze Staatsſchuld oder verſchiedener Tilgfonds für

die verſchiedenen Arten der Schuld. S. Vieles darüber in obigen Verhandlungen.

³ Ueber die Frage, ob man in Kriegszeiten mit der Tilgung fortfahren ſoll,

während man neue Anleihen contrahiren muß, oder nicht, ſ. m. Nebenius I. 443.

Meine Verſuche. S. 353.

⁴⁾ Gegen die Anſicht von Nebenius I. 387. hierüber ſ. m. Meine Ver-

ſuche. S. 356.

⁵⁾ Nebenius I. 493. nennt dies Verfahren ungerecht, weil die Steuer-

pflichtigen, die ſchon am Papiergelde verloren haben, jetzt erſt noch deßhalb neue

Beiträge zur Staatskaſſe liefern müſſen. S. dagegen Meine Verſuche. S. 363.

[762/0784]

Zweite Abtheilung.

Staats-Hauswirthſchaftslehre.

§. 506. a.

Die Staats-Hauswirthſchaftslehre oder Finanzverwal-

tungslehre (§. 44. §. 473. a.), der eigentlich praktiſche Theil der

Staatswirthſchaftslehre, deſſen Maximen nach den beſonderen

Staatsverhältniſſen wandelbar ſind, lehrt die Leitung des Finanz-

weſens als eines Ganzen, die Zuſammenhaltung aller einzelnen

Zweige der Staatswirthſchaft, das Bereithalten der Staatsein-

künfte zu den Staatszwecken und die Verwendung derſelben, inſo-

weit ſie die Finanzwirthſchaft angeht (§. 386. a.).

Erſtes Hauptſtück.

Von der Beſtellung der Staatshaus-

wirthſchaft.

§. 507.

Die Finanzverwaltung iſt das tiefſte Lebenselement der ganzen

Staatsverwaltung. Ihre innere Perſonalorganiſation iſt zwar in

den einzelnen Staaten verſchieden, aber im Ganzen doch folgende.

An der Spitze derſelben ſteht:

1) Das Finanzminiſterium, oberſte Central- oder Ge-

neral-Centralbehörde. Daſſelbe erſcheint daher in zwei Be-

ziehungen, nämlich da es außer der poſitiven Leitung ſeines eigenen

Verwaltungsreſſorts noch eine negative Wirkſamkeit auf die Ge-

ſchäftskreiſe aller anderen Miniſterien inſoweit ausübt, als dieſe

wegen der materiellen Mittel für ihre Zwecke auf das Finanz-

miniſterium zurückkommen müſſen, das, wenn es dieſelben geſtattet,

in allen Einrichtungen eine Controle ausübt. Daher kommt es,

daß das Finanzminiſterium die größte Verantwortlichkeit unter

ſämmtlichen Miniſterien trägt und die meiſten ſpeziellen Geſchäfte

zu beſorgen hat. Denn es hat neben der oberſten geſetzgebenden

und vollziehenden Leitung des Domänen-, Regalien-, Steuer-

und Staatsſchuldenweſens, kurz aller Quellen des Staatseinkom-

mens, und der ganzen Staatshauswirthſchaft (deren Gegenſtände

in den folgenden Hauptſtücken näher bezeichnet werden ſollen),

[763/0785]

auch noch die Controle über die Geſetzmäßigkeit der Verwendung

in allen Zweigen der Staatsverwaltung. Unter demſelben ſtehen:

2) Die Spezial-Centralbehörden, d. h. die Behörden

für einzelne Hauptzweige der Finanzverwaltung, nämlich für die

Bergwerke, Domänen, Forſte, einzelne Regalien, z. B. Münz-

und Poſtenweſen, für die Steuerverwaltung, für die Staatsſchuld.

Sie ſind in den verſchiedenen Staaten verſchieden co- und ſub-

ordinirt und haben verſchiedene Geſchäftskreiſe. Jedenfalls aber

erſcheinen ſie wieder als Centralbehörden für

3) Die Unterbehörden eines jeden dieſer beſondern Fächer,

welche entweder reine Finanzbehörden in Einem dieſer genannten

Felder oder gemiſchte ſind, welche zugleich unter andern Mini-

ſterien ſtehen1).

¹ Rehberg, Ueber die Staatsverfaſſung teutſcher Länder. Hannover 1807.

v. Malchus, Der Organismus der Behörden für die Staatsverwaltung. Heidelb.

1821. 1 Bd. Text und 1 Band Tabellen. Oder ſein ſpäteres größeres, auch aus-

gezeichnetes Werk: Politik der inneren Staatsverwaltung. Heidelb. 1823. III Bde.

Deſſelben Finanzw. II. §. 1–4. 30–32. Fulda Finanzw. §, 271–277.

v. Jacob St. Finanzw. §. 965. 1272. — Eine beſondere Unterſuchung bedarf es,

ob eine ſolche Spezialiſirung der Behörden den Vorzug vor der Centrali-

ſirung verdiene oder nicht, und ob in den Behörden ſelbſt nach dem einen oder

andern Syſteme eine collegialiſche oder eine Büreauverfaſſung vorzuziehen

ſei. — Man warf dem Spezialiſationsſyſteme die ſchädliche Unabhängigkeit

der Spezialcentralbehörden von der Generalcentralbehörde, die ſchädliche Abhängigkeit

der Unterämter von jenen Erſteren, und zu große Einförmigkeit in den Verwal-

tungsgeſchäften vor, weil ſie ſich ganz nach den Anſichten und Befehlen der Central-

behörden richten müßten. Allein ein näherer Blick in die Wirklichkeit zeigt zum

Theile die Unrichtigkeit der Behauptung, daß die oberen Behörden von der oberſten

unabhängig und daß die unteren von den oberen zu abhängig ſeien, und zum Theile

die Nothwendigkeit einer beziehungsweiſen Abhängigkeit und Freiheit derſelben, ſo

wie einer einzigen die ganze Verwaltung der Finanzen durchdringenden und zuſam-

menhaltenden Seele und Idee. Was aber das Collegial- und Büreauſyſtem

anbelangt, ſo kann im Allgemeinen geradezu weder für noch gegen das Eine oder

Andere geſprochen werden. Denn die Schattenſeite des Erſteren zeigt Getheilt-

heit des Willens und der Meinungen, Mangel an Energie und wirklicher Verant-

wortlichkeit, großen Aufwand, Berathung unnützer und unwichtiger Dinge mit

Hintanſetzung anderer, Ermüdung der Aufmerkſamkeit durch Relationen, Ungründ-

lichkeit der Erörterungen, Mangel an Einheit der Anordnungen, ſchleppender Ge-

ſchäftsgang, Schlendrian und Pedanterie, während ſeine Lichtſeite Gelegenheit

zu vielſeitiger Erörterung, Strenge der Controle der einzelnen Arbeiter, Beſchrän-

kung ihrer Willkühr, Garantie und Integrität ihrer Handlungen, Concentrirung

der Geſchäfte, Verminderung von Mißgriffen, Widerſprüchen und Colliſionen vor-

weist. Die Lichtſeite des Andern läßt dagegen Einheit der Maaßregeln, Energie

und Conſequenz in ihrer Durchführung, nähere Verbindung der einzelnen Verwal-

tungsbeamten, directe Einwirkung derſelben auf die Geſchäfte und reelle Verant-

wortlichkeit der Vorſtände oder Chefs der Büreaux hervorleuchten, wogegen aber

ſeine Schattenſeite leichte Möglichkeit der oberflächlichen Geſchäftsbehandlung,

leichtes Einfließen von Mißgriffen und falſchen Anſichten, Schwierigkeit ihrer Ent-

deckung, allzu große Abhängigkeit des Geſchäftserfolges von der Perſönlichkeit des

Chefs und Willkühr des Letztern mit ihren vielen Nachtheilen hervorhebt. v. Mal-

chus Politik. I. 7–11. Deſſelben Organismus. S. 6. Rehberg S. 3. 51 folg.

[764/0786]

Zweites Hauptſtück.

Von der Erhaltung des Staatsvermögens.

§. 508.

I. Veräußerlichkeit der Staatsdomänen.

Zu dem Staatsvermögen gehören hauptſächlich nicht blos die

Bergwerke, Domänen und Forſte des Staats, ſondern auch die

verſchiedenen mit denſelben verbundenen Gerechtſame gutsherrlicher

Natur und die Finanzregalien. In der Staatshauswirthſchafts-

lehre iſt daher die Frage über Veräußerung oder Nichtveräußerung

dieſer Vermögenstheile abzuhandeln, denn ihre Löſung hängt von

beſondern Landes- und Staatsverhältniſſen ab.

Ueber die Veräußerung der Staatsdomänen herrſchen

zwei Hauptanſichten. Für die Veräußerung derſelben führt man

an: daß ihre Verwaltung koſtbar ſei, daß der Ertrag bei der Ver-

pachtung derſelben nicht ſo groß ſei, als wenn ſie von Eigenthü-

mern bewirthſchaftet würden; daß kleine Landgüter immer volks-

wirthſchaftlich mehr Vortheile als große gewährten (§. 431. N. 1.)

und eine Zerſchlagung hauptſächlich nur bei einer Veräußerung

zu Eigenthum den rechten Erfolg habe; daß alſo die Nation nicht

blos den ſonſtigen Mehrertrag, ſondern auch noch den jetzigen We-

nigerertrag verliere; daß folglich durch die Beibehaltung die Ent-

wickelung der Volkswirthſchaft und des Volkswohlſtandes gehemmt

werde, folglich die Productenpreiſe nicht auf die ſonſtige Tiefe

ſinken könnten; daß der Staat als Landwirth ein gefährlicher Con-

current der Bürger ſei, und folglich leicht ſein Intereſſe dem der

Nation voranſetzen könnte; daß die Domänen im Beſitze des Staats

keineswegs die Bürgerlaſten erleichtern, weil dieſe beſtimmt um

das Defizit in der Production für die Staatskaſſe wüchſen; und

endlich, daß man den Erlös aus dem Domänenverkaufe zu verſchie-

denen Staatsverbeſſerungen, z. B. Schuldentilgung, Ablöſung von

Grundlaſten, Fundirung landwirthſchaftlicher Kreditanſtalten nütz-

licher anwenden könne. Gegen die Veräußerungen führt man

aber an: daß der Domänenbeſitz die Abgaben verringere, die Re-

girung vom Volke unabhängiger mache, mehr Anhänglichkeit an

dieſelbe erwecke, ein ſicheres Einkommen gewähre, als Hypotheke

dienen könne, den übeln Eindruck der Steuererhebung verhüte, die

Staatsrechnungen einfacher und klarer mache, eine Verpachtung

in kleinen Parthien zu Erbe zulaſſe, welche ſo gut wie als Pri-

vateigenthum erſcheine, und alle Vortheile der zerſchlagenden Ver-

äußerung gewähre; daß die angeführten Beſorgniſſe nur von einer

[765/0787]

Regirung zu machen ſeien, die überhaupt die Volkswohlfahrt nicht

vor Augen habe; daß man wohl zwiſchen Staatsdomänen und Land-

gütern des Landesfürſten unterſcheiden müſſe, daß der Gewinn des

Pachters das ſteuerbare Einkommen vermehre, daß der Erlös aus

dem Verkaufe ſchnell verſchwinde und deſſen nutzbare Anwendung

ſehr precär ſei; daß man Domänen zu Muſterhöfen haben müſſe;

daß Domänen dort, wo eine Zerſtückelung des Grundbeſitzes nach-

theilig werden könnte, ein Vorbeugungsmittel ſeien; daß das Ein-

kommen aus denſelben mit der Preiserhöhung der Bodenerzeugniſſe

ſteigen könne. Allein es läßt ſich gegen beide Anſichten im Einzel-

nen wieder ſo viel entgegnen, daß ſich am Ende als Reſultat die

allgemeine Unlösbarkeit dieſer Fragen ergibt, und daß man zum

Behufe ihrer Entſcheidung in einem beſtimmten Lande die Ver-

hältniſſe des Volkswohlſtandes, der Induſtrie, der Bevölkerung,

der Fortſchritte des Volkes in beiden, das Verhältniß der Bevöl-

kerung und des Domänenbeſitzes zum ganzen urbaren und nicht ur-

baren Flächeninhalte des Landes, und deſſen Beſchaffenheit berück-

ſichtigen muß, denn davon hängt die Nachfrage nach Ländereien,

der Stand ihrer Preiſe, die erforderliche Größe der Landgüter,

und die Art der Bodenbenutzung ab1).

Was die verſchiedenen Gefälle und andern gutsherrlichen

Gerechtſame anbelangt, ſo iſt es Pflicht des Staats, durch Er-

klärung ihrer Ablösbarkeit mit gutem Beiſpiele voran zu gehen,

und dieſelbe beim Domänenverkaufe zur Bedingung zu machen.

¹ S. über die ganze Frage die oben (§. 478. N. 1.) angeführten Schriften.

Iſt aber die Veräußerung beſchloſſen, ſo ſind Beſchreibungen und Anſchläge derſel-

ben zu fertigen; die Veräußerung geſchieht auf dem Wege der Lizitation; blos auf

gehörige Legitimation und Caution darf man als Steigerer zugelaſſen werden. Der

Staat behält ſich bis zu gänzlicher Abtragung des Kaufſchillings das Eigenthumsrecht

vor, auch kann deſſen Abtragung in Zeitrenten erlaubt werden. Münch Ueb. Do-

mänen-Verkauf. Darmſtadt 1823. Rau III. §. 100. 101.

§. 509.

II. Veräußerlichkeit der Staatswaldungen.

Auch über die Veräußerung der Staatswaldungen herr-

ſchen zwei verſchiedene Anſichten1). Gegen dieſelbe führt man

den abſoluten Werth des Holzes, die Nothwendigkeit einer natio-

nalöconomiſchen nachhaltigen Waldwirthſchaft, die möglichſte Ent-

fernung zu hoher Holzpreiſe, die Verhütung von Holzwucher, als

polizeiliche Zwecke an, welche nicht erreichbar werden könnten,

wenn die Wälder und die Waldwirthſchaft nicht im Beſitze des

Staats ſeien; außerdem aber legt man ein beſonderes Gewicht auf

die Vortheile, welche die Staatskaſſe aus der mit der Bevölkerung

[766/0788]

ſteigenden Einnahme aus der Forſtwirthſchaft ohne Mühe und grö-

ßere Aufopferung beziehe, ſo wie auch darauf, daß der Staat aus

der Veräußerung nicht einmal erheblichen Nutzen beziehen werde,

da für große Waldflächen die Concurrenz der Käufer gering und

bei kleinen Parzellen ein nachhaltiger Betrieb nicht gut möglich

ſei. Die Anſicht für die Veräußerung derſelben läugnet geradezu

die ſo eben angeführten Behauptungen, ſo wie auch den Satz, daß

der Staat für das Holzbedürfniß der Nation Sorge tragen müſſe,

und behauptet dagegen, der Reinertrag der Waldungen müſſe nach

ihrer Veräußerung größer ſein, das in den Staatswaldungen

ſteckende fixe Capital müſſe nach derſelben beſſer angewendet wer-

den können, der Vortheil der Privateigenthümer erfordere es ſchon,

daß ſie ſich die nöthigen Forſtkenntniſſe erwerben, und einen nach-

haltigen Betrieb einführen, der Staat habe blos die Oberaufſicht auf

dieſes Gewerbe, aber nicht die Pflicht, der Nation das Holz zu

liefern, er enthebe ſich durch die Veräußerung der Waldungen vie-

ler Verwaltungsmühe und Auslagen, und vereinfache ſeine ganze

Verwaltung. Allein eine genaue nationalöconomiſche und polizei-

liche Unterſuchung (§. 433. 467. 479.) ſtellt die Wichtigkeit der

für die Beihaltung der Staatswaldungen als Staatseigenthum

angeführten erſten Gründe außer allen Zweifel; dagegen aber er-

gibt ſich aus ihr auch als Reſultat, daß nicht blos der Staat,

ſondern namentlich auch Gemeinden für die Waldwirthſchaft taug-

liche Perſonen ſind, und folglich aus jenen Gründen an ſich allein

die Unveräußerlichkeit der Staatswaldungen noch keineswegs2),

ſondern blos folgt, daß dieſelbe nicht in Privathände kommen ſoll-

ten. Erſtere Folgerung wird aber ſtets dadurch gerechtfertigt wer-

den können, daß ſelten die Gemeinden-, Stiftungen und dgl. zu

Waldkäufen das erforderliche Capital vorräthig haben, und der

Staat auch nach der Veräußerung ein Forſtperſonale zur Oberauf-

ſicht über die Privat-, Gemeinde- und Stiftungswaldungen und

deren Bewirthſchaftung halten muß, wenn nicht ſelbſt hier polizei-

liche Gefahr befürchtet werden ſoll3). Erſcheint nun deßhalb die

Veräußerung der Staatswaldungen im Allgemeinen keineswegs als

wünſchenswerth, ſo kann dennoch in der Wiſſenſchaft darüber nicht

entſchieden werden, ſondern es iſt in jedem beſondern Lande, wo

die vorſtehende Frage aufgeworfen wird, in Erwägung zu ziehen:

die Größe des vorhandenen unbedingten Waldbodens, ihr Verhält-

niß zum Bedarfe des Volkes bei nachhaltiger Bewirthſchaftung,

die Reſultate der Vergleichung der früheren und jetzigen Durch-

ſchnittspreiſe des Brenn-, Bau- und Werkholzes, (denn nach dem

Preiſe kann man auf das Holzbedürfniß ſchließen), die bisherige

[767/0789]

und jetzige Vertheilung der ganzen Waldfläche des Landes unter

den Staat, die Gemeinden, Stiftungen, Corporationen und Pri-

vaten, die übliche Bewirthſchaftung der Wälder durch die vier

Letzteren, die daher rührenden Zuſtände der Waldungen derſelben,

und der von ihnen beibehaltene Holzpreis. Das Reſultat genauer

Unterſuchungen und Vergleichungen in Betreff dieſer Punkte muß

nothwendig für oder wider die Veräußerung ſprechen4).

Was die Waldgerechtſame und dergleichen betrifft, ſo gilt hier

dasſelbige, was die Volkswirthſchaftslehre in Betreff ihrer Regu-

lirung und Ablöſung fordert, als Regel. Auch hier ſoll der Staat

ein gutes Beiſpiel geben.

¹ S. die oben (§. 479.) angegebene Literatur. Außerdem aber noch Hazzi

Aechte Anſichten der Waldungen. München 1805. III. Vergl. mit Grünberger

Anſichten von dem Forſtweſen ....., mit Bemerkungen über die ächten An-

ſichten. München 1806. Schenk Bedürfniſſe der Volkswirthſch. II. §. 182. 183.

Hundeshagen Encyclopädie der Forſtw. III. (Forſtpolizei) §. 16–40. Bülau

der Staat und die Induſtrie. S. 82.

² Es iſt daher ganz wunderlich, daß Lotz (Handb. III. 111.) die Anſicht äu-

ßert, aus denſelben Gründen, warum man die Nothwendigkeit der Staatsforſtwirth-

ſchaft erweiſen zu können glaube, ergebe ſich auch die Nothwendigkeit, daß der Staat

ausſchließlich Ackerbau treibe. Man kann von dieſer Anſicht nicht einmal ſagen, daß

ſie eine theoretiſche ſei.

³ v. Malchus I. S. 71. muß daher Unrecht haben, wenn er die müheloſe

Vergrößerung des Staatseinkommen durch die Forſte zu Folge der ſteigenden Be-

völkerung als leitende Maxime bei der Frage über die Beibehaltung derſelben im

Staatseigenthume anführt. Der Staat könnte damit gerade bewirken und rechtfer-

tigen wollen, was er in der Privatforſtwiſſenſchaft für verwerflich erachtet.

⁴⁾ Das Verfahren bei der Veräußerung unterliegt im Allgemeinen denſelben

Regeln, wie bei der Domänenveräußerung.

§. 510.

III. Entäußerlichkeit der Finanzregalien.

Die eigentlichen Finanzregalien, nämlich Regalien, welche nicht

kraft des Oberaufſichtsrechtes ſich in den Händen des Staats be-

finden, oder als wirkliche weſentliche Staatshoheiten zu betrachten

ſind, verdanken ihre Entſtehung entweder einem ſogenannten Ober-

eigenthumsrechte, oder grundherrlichen Verhältniſſen, oder ſie ſind

Gewerbsbetriebe, welche, obgleich als für den Volkswohlſtand ſehr

wichtig erkannt, indeſſen von dem Volke aus Mangel an Capital

u. dgl. nicht ergriffen, und deßhalb, oder ſolche, welche blos des

finanziellen Gewinns wegen vom Staate angeeignet wurden. Als

ein Ausfluß des Kriegshoheitsrechtes wurde ſeit der Erfindung des

Schießpulvers das Salpeterregal betrachtet. Ein Finanzregal iſt

das Münzweſen nie mit Recht geweſen, und auch jetzt nicht mehr

als ſolches anerkannt. Finanzregalien zufolge eines gewiſſen Ober-

eigenthumsrechtes ſind das Bergwerks-, das Jagd-, Fiſcherei und

[768/0790]

Salzregal. Die zwei mittleren ſind aber auch als Ausflüſſe der

Gutsherrlichkeit zu betrachten, ſowie das früher behauptete, aber

jetzt entſchieden verworfene Forſtregal. Als Regalien aus Ver-

kehrs- und Wohlſtandsrückſichten ſind das Poſt- und das Lotterie-

regal angeführt worden. Aus rein finanziellen Gründen wurden

die Monopolien mit Taback, Salz, Schießpulver, Branntwein und

dgl. regaliſirt, obſchon man ſie auch ſchon aus andern Rückſichten

z. B. der öffentlichen und allgemeinen Sicherheit, der Bedürfniß-

befriedigung u. dgl. vertheidigt hat. Mit dem Hinwegfallen der

Gründe der Regalität muß dieſe ſelbſt ein Ende nehmen. 1) Das

Münzregal wird daher immer als ein unveräußerliches anzuſe-

hen ſein. 2) Das Salpeterregal iſt durchaus unnöthig, denn ab-

geſehen davon, daß die Salpeterſiederei ein von Jedermann betreib-

bares Geſchäft iſt, ſo folgt aus der Kriegshoheit ſonſt nichts, als

daß der Staat das Kriegsmaterial herbeiſchaffen muß. Da dies

aber die Finanzverwaltung angeht, ſo tritt ſie mit der Verpflich-

tung auf, jenes ſo wohlfeil als möglich und mit der geringſten

Störung der Volksbetrieb- und Gewerbſamkeit zu thun. Zu dieſem

Zwecke iſt die Regaliſirung der falſche, und nur Freilaſſung des

Gewerbs der rechte Weg1). Daſſelbe gilt von dem mit dieſem in

Verbindung ſtehenden Pulverregal. 3) Das Bergwerksregal

rührt aus den Zeiten her, wo man Gold und Silber ihrem Werthe

nach noch überſchätzte, und deßhalb um ſo mehr durch rechtsge-

lehrte Diſtinktionen dem Staate ein Obereigenthumsrecht über das

unter der Erdoberfläche Befindliche zuſchreiben zu müſſen glaubte,

als es den Einzelnen an Capital zum Betriebe des Bergbaues

fehlte. Weil aber nun der erſte und dieſer letzte Grund gänzlich

verſchwunden iſt, und bei genauer hiſtoriſcher und ſtaatsrechtlicher

Unterſuchung der Begriff eines ſolchen Obereigenthums ganz hin-

wegfällt, zudem aber die Staaten ſelbſt immer mehr einſehen, wie

wenig ſich Gewerbsbetrieb im Allgemeinen für ſie eignet, ſo iſt

nicht mehr daran zu zweifeln, daß man auch dieſes Regal nach

und nach aufgeben, und den Bergbau der Privatinduſtrie unter

Staatsoberaufſicht überlaſſen wird. 4) Das Jagd- und Fiſche-

reiregal ſteht unter demſelben Geſichtspunkte, um ſo mehr, als

es jetzt nichts als die Verjährung für ſich hat. Denn das alte

moſaiſche, römiſche und deutſche Recht iſt weit davon entfernt, ein

ſolches Recht zu geſtatten2). Dem Staate ſteht ſeiner Natur nach

hierbei nichts als das Wildbannrecht zu. 5) Das Salzregal iſt,

was ſeine Entäußerlichkeit anbelangt, nicht wohl vom Salzmo-

nopole getrennt zu betrachten. Denn der wichtigſte Grund, den

man jetzt für ſeine Erhaltung geltend macht, iſt das Monopol,

[769/0791]

welches nicht ohne das Regal beſtehen könne, und die Vortheile

allein habe, daß der Staat im ganzen Lande einen gleichförmigen

Salzpreis erhalten und die Salzſteuer erheben könne. Kraft des

Obereigenthums kann dies Regal nur Beſtand haben, inſoferne

dieſer unrichtige Rechtsbegriff ein poſitives Geſetz iſt, es zerfällt

mit ihm. Die Salzbereitung als Gewerbszweig bedarf, um be-

trieben zu werden, des Staatsbetriebs und der Regaliſirung nicht,

ebenſo wenig der Salzhandel einer Monopoliſirung. Ueber das

fernere Beſtehen des Salzregals und Monopols entſcheidet daher

die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Erhaltung eines gleichför-

migen Salzpreiſes und der Erhebung einer guten oder beſſern Er-

ſatzeinnahme für die Salzſteuer. Auch dies bleibt der Zeit und

den Fortſchritten in der Finanzverwaltung anheimgeſtellt; denn

ſo iſt die Frage rein praktiſch. 6) Das Lotterieregal beruht

auf dem ſeinen Vorderſätzen widerſprechenden Schluſſe, daß, weil die

Lotterie dem Volke ſchädlich ſei, der Staat ſie allein halten dürfe.

Seine Aufhebung und das Verbot der Glückſpiele um Geld iſt da-

her gleiche Forderung des wirthſchaftlichen wie des ſittlichen Wohles

einer Nation. Daran iſt bereits kein Zweifel mehr. 7) Ueber die

Entäußerung des Poſtregals hat in mehreren Staaten die öffent-

liche Meinung und Staatsklugheit ſchon zum Theile entſchieden.

Blos die Briefpoſt wird noch als Regal für unabweislich erklärt.

Allein die Gründe für und wider ihre Verpachtung, ſo wie die

Löſung der Frage, ob das reine Einkommen aus demſelben durch

eine beſſere Einnahme erſetzt werden könne oder nicht, müſſen auch

hier entſcheiden. 8) Das Tabackmonopol ſcheint, mit Ausnahme

des weiter nicht mehr zu erwähnenden Branntweinmonopols, offen-

bar am wenigſten für ſich zu haben. Denn es hat alle Einwürfe

gegen das Monopolweſen im höchſten Grade gegen ſich, indem es

hemmend in ein Urgewerbe, Kunſtgewerbe und in den Handel zu-

gleich einſchreitet3).

¹ Eine intereſſante Discuſſion darüber findet ſich in der franzöſ. Deput. Kam-

mer von 1829. Moniteur 1829. No. 183. Hier davon nur folgendes aus The-

nard's Angaben. Frankreich conſumirte a. 1800–1814 = 12,212,000 Kilogr.

Pulver (etwa 24,424,000 Pfd. preuß.), alſo damals im Durchſchnitte jährlich =

814,133 Kilogr. ohne den Verbrauch der Marine, mit dieſer aber 1,114,133 Kilogr.

(2,224,266 Pfd.) Für 14 Jahre wird alſo wohl rund gerechnet ein Verbrauch von

15,400,000 Kilogr. (30,800,000 Pfd.) nicht zu wenig angenommen ſein. Man

fand aber a. 1829. in den Magazinen einen Pulvervorrath von 10,000,000 Kilogr.,

und einen Vorrath von Salpeter = 11,000,000 Kilogr. Paris allein liefert 650,000

Kilogr, (1,350,000 Pfd.) Salpeter. Der vorhergehend 5jährige Preis des indiſchen

Salpeters in Bourdeaux und Havre war 70 frs. p. Quintal metrique. Setzt man

90 frs. und wegen des Geldcurſes ſogar 94 frs, ſo koſtet er noch nicht die Hälfte

des franzöſiſchen, der auf 200 frs. zuſtehen kommt.

² Genesis Kap. 1. V. 26. Kap. 9. V. 2. J. Caesar de Bello gall. lib. IV.

cap. 1. VI. 21. Tacitus De Mor. Germ. cap. 15. 25. Lex salica tit. 36. §. 1.

Baumſtark Encyclopädie. 49

[770/0792]

² L. Ripuar. tit. 42. L. Visigoth. lib VIII. tit. 4. §. 22. Sachſenſpiegel II. 61.

Schwabenſpiegel Kap. 237. Lib. feudor. II. 56. Riccius Jagdrecht. §. 15. 17.

Runde Priv. Recht. §. 151. Mittermaier d. Priv. R. §. 270.

³ Daß in Frankreich 20 Jahre hindurch bei freiem Tabackbaue doch nicht mehr

Boden als vorher für ihn verwendet wurde, wie v. Malchus I. §. 69. für das

Tabacksmonopol anführt, kann auf keinen Fall für daſſelbe ſprechen: ebenſo möchte

ſchwer zu erweiſen ſein, daß, wie derſelbe a. a. O. ebenfalls behauptet, völlige Cul-

turfreiheit des Tabacks, wenn nicht Abſatzgelegenheiten nachgewieſen ſeien, ein ver-

derbliches Geſchenk für den Landwirth, und die Beſteuerung des Tabacks ohne Mo-

nopol nicht thunlich und ſo vortheilhaft ſei, als wie unter dem Monopole. Ueber

dieſe Frage wegen der Regalien ſ. m. auch Bulau der St. u. d. Induſtrie. S. 77.

Drittes Hauptſtück.

Von der Verwaltung der Einkommensquellen

des Staats.

§. 511.

Elementarverwaltung der Domänen, Forſte und Regalien.

Die Verwaltung der verſchiedenen Einkommensquellen im Ein-

zelnen ſelbſt, oder die Elementarverwaltung iſt in den ver-

ſchiedenen Staaten ebenfalls ſehr abweichend eingerichtet.

I. Die Domänenverwaltung iſt verſchieden complicirt, je

nach der Art der Bewirthſchaftung, alſo darnach, ob das Syſtem

der Selbſtadminiſtration oder jenes der Verpachtung und welche

Art der Letzteren eingeführt iſt. Im Allgemeinen gehört, außer

den techniſchen Wirthſchaftsgeſchäften, in ihr Bereich die Verfer-

tigung der Inventarien, und Aufſtellung der Dienſt- und Gefäll-

kataſter, jene der Präſtationsregiſter über die ſtändigen und un-

ſtändigen Gefälle, der Regiſter über die Hand- und Spanndienſte

und Dienſtgelder, der Ertragsanſchläge mit allen Spezialtaxatio-

nen, Protocollen und Rechnungsauszügen, die Fertigung der Pacht-

contracte für Domänen und Gefälle, nämlich Zehnten, und endlich

der Geldgefäll- und Naturalhebregiſter. Die Verrechnung macht

entweder eine jährliche, Trimeſtral- (am Schluſſe jedes Quartals)

oder monatliche Einſendung des Rechnungsſtandes an die Central-

behörde nothwendig1).

II. Die Staatsforſtverwaltung fußt auf dem Prinzipe

der Selbſtadminiſtration und muß alſo in die Einzelheiten der Forſt-

wirthſchaft eindringen. Man unterſcheidet daher auch die innere

Forſtverwaltung (das eigentlich Wirthſchaftliche) und die äußere

(die Forſtdirection, nämlich die F. Hoheit, F. Geſetzgebung, F.

Gerichtsbarkeit, und formelle F. Einrichtung). Die Verwaltungs-

geſchäfte treffen daher zum Theile die techniſchen Behörden (ſtati-

ſtiſche Revierüberſichten, Waldregiſter, Klaſſifications- und Taxa-

[771/0793]

tionsregiſter, allgemeine und periodiſche Nutzungsplane, Aufnahme-

und Fällungsregiſter u. ſ. w.) zum Theile die Finanzbehörden

(Forſtnaturaletat zum Behufe eines Forſthauptgeldetats, mit den

Spezialetats und Nachweiſungen). Die Verrechnung geſchieht

durch die Forſtcaſſirer und Forſtrechner, welchen entweder der Na-

tural- und Geldertrag, oder beſſer jener allein übertragen iſt, in

welchem letzteren Falle der Geldertrag einer andern Kaſſenverwal-

tung zugetheilt wird. Die Förſter führen ihr Materialmanual, wel-

ches von den Oberförſtern controlirt wird, weßhalb dieſe ein eige-

nes Controlbuch über Materialeinnahme und Ausgabe führen.

III. Die Regalienverwaltung iſt in den verſchiedenen

Staaten nach ihren einzelnen Zweigen verſchiedenen Verwaltungs-

behörden zugetheilt. Das Münz-, das Berg-, Hütten- und Salinen-

weſen und die Poſtanſtalt bilden jedoch jedes für ſich öfters eine

beſondere Verwaltung. 1) Die Berg- und Hüttenverwaltung

iſt meiſtens ſo eingerichtet wie die Forſtadminiſtration. Die Ein-

künfte fließen entweder aus dem eignen Bergbaubetriebe, oder aus

Abgaben von Gewerkſchaften und Eigenlehnern. Von jedem ein-

zelnen Bergwerke müſſen Spezialetats- und Natural- und Geld-

rechnungen zur Feſtſtellung der Generaletats und Rechnungen ge-

fertigt werden. Es gibt Quartal- und Jahresrechnungen. 2) Die

Münzverwaltung iſt eigentlich kein Finanzverwaltungszweig,

ſondern die etwaigen Einkünfte ſind für die Staatskaſſe nur mehr

zufällig. 3) Die Poſtverwaltung ſteht unter einer mehr oder

weniger ſelbſtſtändigen, zuweilen dem Miniſterium der auswärtigen

Angelegenheiten zugetheilten Oberbehörde oder Direction, welche

die Poſtcurſe zu beobachten und zu fördern, die Tariffe und Taxen

zu beſtimmen, und die untere Verwaltung zu controliren hat. Iſt

die Poſt in Lehen gegeben, ſo verbleibt dem Staate nur die Poſt-

geſetzgebung, Polizei, Gerichtsbarkeit und die Strafrechtspflege.

¹ Für badenſche Domänenbeamten ſ. m. Wehrer die Kameraldomänenadmi-

niſtration ...... mit Formularien. Carlsruhe 1633. Ueber alle Verwaltungs-

zweige des Finanzweſens ſ. v. Malchus Finanzw. II. §. 4. 5. Deſſen Orga-

nismus I. §. 40–62. Deſſen Politik I. §. 36. folg. II. §. 86. folg.

§. 512.

Elementarverwaltung des Steuerweſens und der

Staatsſchuld.

IV. Die Steuerverwaltung iſt natürlicher Weiſe je nach

dem herrſchenden Steuerſyſteme und nach den Methoden der An-

lage ſehr verſchieden eingerichtet und hat verſchiedene Geſchäfte

in ihrem Reſſort. Da man in der Praxis die Eintheilung der

49 *

[772/0794]

Steuern in directe und indirecte allgemein angenommen hat, ſo

muß ſich die Erörterung über die Steuerverwaltung auch billig

daran halten. Die Geſchäfte derſelben zerfallen in zwei Haupt-

zweige nämlich:

A. Die Cataſtergeſchäfte. Bei den verſchiedenen 1) di-

recten Steuern (Grund-, Gefäll-, Häuſer- und Gewerbſteuer)

betreffen ſie die Anlage oder Aufnahme der Cataſter und die Evi-

denthaltung derſelben, d. h. die Erhaltung derſelben in vollſtändig

brauchbarem Stande durch Ab- und Zuſchreiben der jedes Jahr

im Beſitz- und Einkommensſtande vorgehenden Veränderungen. Die

Cataſter ſind entweder gebundene Bücher mit beſondern Journalen

zum Nachtrage jener Veränderungen, oder ſie beſtehen aus zuſam-

mengelegten Steuerzetteln, aus deren Zahl man die unbrauchba-

ren ausſtoßen und leicht erneuern kann. Bei den 2) indirecten

Steuern betreffen ſie die Anlage und Fertigung der Tariffe, wozu

eine außerordentliche Manchfaltigkeit von verſchiedenen Geſchäften

und praktiſchen Rückſichten gehört, welche von der Wiſſenſchaft

nicht wohl zu erörtern ſind, aber ſich nach der Verſchiedenartigkeit

der Steuern, Steuerobjecte und Anlagsmethoden richten.

B. Die Einzugsgeſchäfte. An die Erhebung der Steuern

macht man im Allgemeinen die Forderungen, daß die Normen und

Formen derſelben feſt, aber zugleich möglichſt einfach ſeien, über

den Steuerbetrag kein Zweifel herrſchen könne, die Hebungstermine

ſich möglichſt an die Perioden der Zahlfähigkeit der Pflichtigen

anpaſſen, der Einzug und die Verrechnung möglichſt controlirt und

ſo wohlfeil als möglich ſei, und endlich, daß geſetzlich mit Rück-

ſicht auf die Schonung des Gewerbsbetriebs und Lebensunterhal-

tes genau beſtimmt ſei, worauf ſich die Zwangsbeitreibung der

Steuer mit ihrem Beſchlage ausdehnen darf1). Man hat auch

hiernach die Methoden der Erhebung überhaupt zu beurtheilen.

1) Die Erhebung durch Corporationen oder Gemeinden oder

Landſtände wurde beſonders mit der ſchonenderen Wirkung der-

ſelben auf die Pflichtigen, und mit der größeren Vollſtändigkeit

des Einzugs vertheidigt. Allein dieſe gefällige Seite einer ſolchen

Erhebungsart muß dagegen verſchwinden, daß von jenen Erhebern

die Gewalt leicht mißbraucht wird, die Gemeindebeamten ſchon

mit ihren Hebgeſchäften ſehr überladen ſind, und in ihrem Inte-

reſſe liegt, überall zuerſt die Gemeindebeiträge zu erheben, daß der

Staat leicht die Ueberſicht über die Größe der Steuerlaſt, und den

aus der Größe der Steuerfonds fließenden Steuermehrertrag ver-

liert, daß dadurch eine Ungleichheit der Steuervertheilung entſteht,

nebenbei aber der Staat an Erhebungskoſten nicht gewinnt, und

[773/0795]

dagegen jene Erheber zu ihrem eigenen Nachtheile leicht um Vor-

ſchüſſe angeht, welche eine Verſchuldung derſelben zur Folge haben

können. 2) Der Erhebung durch Steuerpächter iſt bereits durch

die Geſchichte der Stab gebrochen, ſo daß ſie nur als ſeltene Aus-

nahme angewendet wird. Man hat ſie zwar damit vertheidigen

zu können geglaubt, daß der Staat auf dieſe Art ein ſicheres zu-

verläßiges Einkommen ohne Ausfall habe, daß die Pächter nicht

blos die Erhebung wohlfeiler beſorgen, ſondern auch der Zunahme

der Erwerbsquellen zum Behufe der Beſteuerung mehr nachſpüren

können, als die Regirung, daß der Staat eine nähere Einſicht in

die Grade bekomme, bis zu welchen eine Steuerhöhung getrieben

werden könne, und daß er nicht blos ſeine Finanzverwaltung ſehr

vereinfache, ſondern auch an den Steuerpächtern eine ergiebige

außerordentliche Einkommensquelle beſitze. Allein es muß an die-

ſen Anſichten ſogleich die Blosſtellung der Steuerpflichtigen bei

dieſer Erhebungsmethode auffallen, welcher gegenüber durch ſie der

verderblichſte fiscaliſche Geiſt die kräftigſte Nahrung findet; die

Ausfälle in der Steuerhebung werden von den Pächtern in der

Pachtſumme ſchon berechnet, und die Begünſtigung der Antizipa-

tionen durch das Pachtſyſtem iſt ein Uebel, das die Finanzen zer-

rüttet. 3) Es bleibt daher die Erhebung durch die Staatsbe-

amten ſelbſt um ſo mehr der beſte Weg, als er die Nachtheile

der beiden andern nicht hat, und vielmehr die angeblichen Vor-

theile des Pachtſyſtems ſehr gut in ſich vereinigen läßt2). Auf

dieſe Methode ſollen daher in der Regel die directen und indirec-

ten Steuern erhoben werden. Für den Einzug der Erſteren wer-

den beſondere Heberollen oder Hebregiſter nach den Cataſtern

und deren Veränderungen gefertigt, wonach derſelbe geſchieht. Für

die Beitreibung der Andern aber werden andere und weit manch-

faltigere Einrichtungen nothwendig. Man unterſcheidet hier die

eigentlichen Hebgeſchäfte, welche bei den verſchiedenen Ge-

brauchsſteuern, Acciſen, Zöllen und Luxusſteuern nach Natur und

Anlage außerordentlich von einander abweichen, und die Hebcon-

troleinrichtung oder das Zettelweſen, d. h. die Einrichtung,

daß in dem den Einnehmern übergebenen paginirten oder numerir-

ten Buche auf der einen Seite die Declaration und auf der an-

dern die zu löſenden, abzuſchneidenden und dem Steuerentrichter

einzuhändigenden Scheine oder Quittungen enthalten ſind3).

V. Die Staatsſchuldverwaltung hat wegen der Forde-

rung des Kredits, daß zur Verzinſung und Tilgung der Staats-

ſchuld beſondere Plane entworfen und ſpezielle Einkünfte ausge-

ſetzt werden müſſen, eine Trennung von den übrigen Zweigen der

[774/0796]

Finanzverwaltung nöthig gemacht. Ihre Geſchäfte erklären ſich

leicht nach der Natur der Staatsanleihen, Verzinſung, Tilgung

und Speculation mit Staatspapieren. Denn nach dieſen Verhält-

niſſen ſind ſie verſchiedenartig, verſchieden ſchwer und wichtig.

¹ A. smith Inquiry IV. 164. Monthion Quelle Influence p. 293. sqq.

v. Sonnenfels III. 160. Necker Admini stration de s Finance s I. 47. Lotz

Reviſion IV. §. 272. 273. 275. 276. Handb. III. 167. v. Jacob Finanzw. §. 1197.

Fulda Finanzw. §. 221. v. Malchus I. §. 76. Krehl Steuerſyſt. 270. Kre-

mer Darſtellung I. 101. Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 153.

² Ueber dieſe Methoden insbeſondere v. Sonnenfels III. 125160.

Bergius Neues Magazin. Art. Acciſeverwaltung. Bd. I. S. 84. (Targot)

sur le s Finance s, Ouvrage posthume de Pierre André ..... Londre s 1775.

Deutſch von Benzler. Lpzg. 1780. Monthion I. c. p. 285. Würtemb. II. Kam-

mer. Verh. v. 1826. Heft II. 227. Lotz Handb. III. 445. v. Jacob §. 1256.

Fulda §. 225. v. Malchus I. §. 77. Politik der innern Verwalt. II. 134.

Monte squieu E sprit de s loi s. Liv. XIII. chap. 19. Encyclopéd. méthodique. Art.

Fermier, Adjudicataire.say Cour s VI. 90. Ueberſ. von v. Th. VI. 70. A.smith

Inquiry IV. 295. Baumſtark Sülly's Verdienſte §. 47–49. Verſuche über

Staatskredit. S. 223.

³ So muß der im Buche von ſelbſt geleiſtete Kredit in Papieren der erhobe-

nen oder abzuliefernden Geldſumme gleich ſein und die Verwendung der Zettel durch

die Declarationen und bei den Acciſen durch Abgabe am gehörigen Controlorte be-

wieſen werden. Die Rechnungsabſchlüſſe und Ablieferungen geſchehen monatlich.

Viertes Hauptſtück.

Von der Verwendung des Staatseinkommens.

§. 513.

Staatsausgaben.

Der Staatsaufwand kann zum Behufe ſeiner Abtheilung von

verſchiedenen Seiten genommen werden. In Bezug auf ſein Ein-

treten iſt er ordentlich und auſerordentlich (§. 390.), und,

wenn man ſo weit gehen will, der Erſtere nach Beſtimmtheit oder

Unbeſtimmtheit der Größe ſtändig und unſtändig. In Betreff

ſeiner Allgemeinheit für den ganzen Staat oder ſeiner Beſonder-

heit für einzelne Gebietstheile und Gegenſtände allgemein und

beſonder, in Hinſicht darauf, ob er für das allgemeine Staats-

dienerperſonale oder für die Gegenſtände der Verwaltung und folg-

lich auch für das Staatsgewerbsperſonale gemacht wird Perſo-

nal- und Realaufwand. Da jedoch alle dieſe Eintheilungen

nur gewiſſe Beziehungen des Staatsaufwandes herausheben, ſo

können ſie zu einer Ueberſicht deſſelben bis ins Einzelne nicht wohl

dienlich ſein. In Uebereinſtimmung mit der Praxis kann man

ihn zu dieſem Behufe folgendergeſtalt eintheilen:

A. Verfaſſungsaufwand, nämlich für den Regenten

(Präſidenten) oder die ſogenannte Civilliſte, für die Ständever-

[775/0797]

ſammlungen und für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Staats

als Mitglied einer Staatenverbindung.

B. Verwaltungsaufwand, den man am beſten nach den

Miniſterialdepartements eintheilt, nämlich in jenen für das

I. Juſtitzdepartement, — Miniſterium, Gerichte und Ge-

richtshöfe, Gefängniſſe, Strafanſtalten.

II. Polizeidepartement oder Dep. des Innern, Mini-

ſterium oder Miniſterien, Kirchenſachen, Unterrichtsangelegenheiten,

Sicherheitspolizei, Geſundheitsweſen, Wirthſchaftspolizei.

III. Militairdepartement — Miniſterium, Truppenſold,

Naturalverpflegung, Pferdefutter, Bekleidung, Bewaffnung, Kaſer-

nen, Remonte, Artillerie, Genieweſen, Sanitätsweſen, eigene Ge-

richtsverwaltung.

IV. Politiſches Departement oder Dep. der auswär-

tigen Angelegenheiten — Miniſterium, Geſandtenbeſoldung,

Reiſe- und Einrichtungskoſten, außerordentliche Miſſionen, Kuriere,

Geſchenke u. ſ. w.

V. Finanzdepartement — Miniſterium und ſeine Bran-

chen, allgemeine keinem der obigen Departements zugehörige Staats-

anſtalten, eigentlicher Aufwand für den Finanzhaushalt, Ausgaben

für allgemeine Staatsverbindlichkeiten. (Nämlich wenn A nicht

beſonders herausgehoben wird, ſo kommt es hierher, denn dieſes

Departement hat jenen Aufwand unter ſich.)

Die Finanzverwaltung hat über die Größe des zu machenden

Staatsaufwandes nicht weiter zu entſcheiden, als ſo, daß ſie über-

all das Prinzip der Sparſamkeit mit Energie anwende. Ihre

Grundſätze und Regeln bei Beſtimmung deſſelben ſind alſo keine

andern, als jene der allgemeinen Wirthſchaftslehre (§. 71. 73. 74.).

Mehr als dies kann die Wiſſenſchaft hierüber nicht ſagen, denn

das Ausgabenweſen iſt lediglich Sache der Praxis. Nach dieſen

Prinzipien iſt der Staatsaufwand mit unaufhörlicher Rückſicht auf

die praktiſchen Staatsverhältniſſe feſtzuſetzen1).

¹ v. Malchus I. §. 914. v. Jacob §. 826964. Fulda §. 1940.

Rau III. §. 24–81. Krauſe Syſtem II. S. 1–222. (handelt zugleich auch

die Lehre von der innern Einrichtung der Staatsanſtalten ab). say Cour s V. 111.

Ueberſ. von v. Th. V. 87. A. Smith Inquiry III. 310. IV. 1–150. (Beide

Letztere ganz vorzüglich.)

§. 514.

Einnahme. Verwendung. Ueberſchüſſe.

I. Den ordentlichen und außerordentlichen Ausgaben

müſſen auch ſolche Einnahmen entſprechen. Die Einkünfte erſter

[776/0798]

Art beſtehen aus einer Combination der Ergebniſſe der verſchiede-

nen Staatsgewerbe mit einer beſtimmten durch Steuern zu erhe-

benden Summe, welche aber nicht blos auf den wirklichen ſtreng

berechneten Bedarf allein beſchränkt zu ſein braucht, ſondern wohl

dieſen um Einiges überſchreiten muß, theils um unvorhergeſe-

hene Fälle zum Voraus zu bedenken theils um einen angemeſ-

ſenen Reſervefonds (nicht Staatsſchatz) zu erhalten1). Für

die außerordentlichen Einnahmen ſind außerordentliche Quel-

len (Reſſourcen) nöthig. Man hat dazu verſchiedene, nämlich

die Bildung eines Staatsſatzes2), die Erhöhung der Staatsabga-

ben3), die Veräußerung von Staatseigenthum4) und die Benu-

tzung des Staatskredits (§. 501. 502.)5). Während aber das erſte

Mittel als durchaus unbrauchbar, das Dritte aber nur als zufäl-

lig erſcheint, ſo wird in der Regel nur zwiſchen den beiden andern

die Wahl bleiben, aber unter ihnen auch nur nach praktiſchen Ver-

hältniſſen getroffen werden können.

II. Eine ſehr wichtige Frage iſt die über die Ausſcheidung ge-

wiſſer Gattungen von Aufwand aus dem allgemeinen als be-

ſondere Laſt einzelner Landestheile und die Verpflichtung der

Letztern, ſie mit beſonderen Einnahmen zu decken (Spezialiſirung),

ſo wie jene über die Ausſetzung beſonderer Fonds für ſpezielle

Zwecke (Dotation). Was 1) die Spezialiſirung betrifft, ſo

könnte mit Recht nur in den Fällen davon die Rede ſein, wenn

und ſo lange neu acquirirte Gebietstheile mit den alten in Betreff

der Verwaltung noch nicht aſſimilirt ſind6), oder wenn für eine

Provinz (einen Kreis u. dgl.) Einrichtungen und Anſtalten beſte-

hen und errichtet werden, die ganz ausſchließlich ihr allein zukom-

men und nützlich ſind; in jeder andern Beziehung iſt ſie von recht-

licher Seite verwerflich, denn eine bloſe Eintheilung des Landes-

gebietes zum Behufe der Erleichterung der Verwaltung ſchließt die

Provinzen, Kreiſe und Bezirke nicht ſo gegenſeitig gleichſam indi-

vidualiſirt ab, wie ſich die Gemeinden einander gegenüberſtehen,

bei denen eine ſolche Spezialiſirung nothwendig iſt (§. 378. 391.).

Von der politiſchen Seite betrachtet hat man ſie aber ſchon ver-

theidigt, indem man als von der Centraliſirung nicht dargereichte

Vortheile derſelben die größere Klarheit des Grundes der Steuer-

pflicht, des Nutzens der Staatsausgaben, die Gewährleiſtung einer

verſtändigeren Gleichheit der Steuervertheilung, einer leichtern Ver-

hütung der Ueberlaſtung der Unterthanen, und einer zweckmäßige-

ren Anwendung der Steuereinkünfte, die größere Einfachheit und

Ueberſichtlichkeit der Verwaltung, die größere Generaliſirung der

Geſchäfte der Centralbehörden und als Folge hiervon die beſſere

[777/0799]

Vollführung derſelben anführte. Allein ein Rückblick auf die frü-

her erörterte Steuerlehre und eine unbefangene Anſicht der wirk-

lichen Staatsverhältniſſe muß zeigen, daß die erwähnten Vortheile

auf ganz andern Urſachen als auf der Spezialiſirung beruhen und

beim Centraliſationsweſen ebenſo gut zu erreichen ſind, das noch

zu alle dem die Einheit des Staats erhält, die durch die Spezia-

liſirung im höchſten Grade gefährdet wird7). 2) Die Dotatio-

nen anbelangend, ſo zerſplittern ſie ohne Zweifel die Verwaltung,

erhöhen den Verwaltungsaufwand, erleichtern die Verſchwendung

und Verſchleuderung, bewirken Verluſte an den Fonds, und er-

ſchweren die Controle und Ueberſicht. So ſpricht die Erfahrung,

leider noch täglich, denn überall beſtehen noch ſolche Dotationen.

Allein ihrer Abſchaffung ſtehen die manchfaltigſten Staatsrückſichten

entgegen. Bei der Staatsſchuld iſt ſie ein nothwendiges Erforder-

niß der ungeſtörten Wirkſamkeit des Zins- und Tilgfonds8).

III. In Betreff des Perſonalaufwandes oder der Be-

amtenbeſoldung iſt der Staat in ſeiner doppelten Eigenſchaft

(§. 495.) den Staatsdienern gegenüber verpflichtet,

1) den aktiven Dienern eine ihrem Stande angemeſſene hin-

reichende (§. 423.) Beſoldung zu geben. Ueber ihre Regulirung

beſtehen verſchiedene Anſichten. Früher beſtanden ſie größtentheils

in Naturalien, jetzt aber ſind die ausſchließlichen Geldbeſoldungen

zur Regel gemacht9).

2) Den untauglich gewordenen Dienern einen ebenſo ent-

ſprechenden Ruhegehalt zu verabreichen, der ihnen nicht als Gnade,

ſondern als Recht zuſteht. Es beſtehen in dieſer Hinſicht manch-

fache Anordnungen in den einzelnen Staaten10).

3) Die Witwen und Waiſen derſelben ſo ſicher zu ſtellen,

daß der Staatsdiener wegen der Zukunft der Erſteren nach ſeinem

Tode hinlänglich geſorgt ſieht. Es dienen hiezu Witwen- und Wai-

ſenkaſſen, errichtet aus freiem Zuſammentritte beſtimmter Catego-

rien von Staatsdienern, oder geſtiftet und zum Theile auch unter-

ſtützt vom Staate. (§. 460).

¹ Ueber das Maaß der zu erhebenden Einnahmen beſtehen die verſchiedenſten

und dunkelſten Anſichten. Man hat auch ſchon ein philoſophiſches Problem aus ih-

rer Beſtimmung gemacht. (Schön Grundſätze S. 20. Lotz Handb. III. 81.), als

ob ſo praktiſche Fragen, bei denen die manchfachſten Verhältniſſe wirkſam ſind, aus

der Speculation, mathematiſch und abſolut zu löſen wären. Ungereimtheiten und

Unbrauchbarkeiten ſind der Erfolg. Sparſamkeit iſt Alles, was man den Be-

ſtimmern der Staatseinnahmen zum Principe machen kann. Wer dieſe nicht ver-

ſtehen und anwenden kann oder will, taugt nicht zu jenem Amte. Der Begriff der

Staatsbedürfniſſe iſt ein ebenſo relativer als jener von Bedürfniß überhaupt (§. 47

-49.). Eine weiſe und kluge Wahl unter ihnen zur Befriedigung nach den prak-

tiſchen Staatsverhältniſſen wird von der Sparſamkeit erfordert. Was dieſe Wahl

[778/0800]

¹ anbelangt, ſo kann die Beſchränkung auf den möglich geringſten Aufwand nicht zum

Geſetze erhoben werden, wohl aber, was die Einrichtung der Ausgaben für die Zwecke,

deren Verſorgung anerkannt iſt, betrifft. v. Malchus II. §. 2. v. Jacob §. 833.

Rau III. §. 24 flg.

² Im Alterthume entſtand die Nothwendigkeit der Staatsſchätze, weil die

Völker deſſelben den Krieg als Einkommensquelle betrachteten, eine ſo regelmäßige

Abgabenerhebung wie unſre Staaten nicht kannten, und die Kenntniß von nutzbrin-

gender Anlegung von Capitalien nicht hatten, wie ſie bei uns allgemein iſt. (Bökh

Staatshaushalt der Athener. I. 172. 472. Hegewiſch Ueb. d. römiſch. Finanz.

S. 62. 131. Boſſe Finanzw. im röm. Staate. I. §. 68. Ganilh Essay pol.sur

le revenu public. I. 51.). Im Mittelalter entſtand der Gedanke an Staats-

ſchätze wegen der Seltenheit des Geldes, wegen der Naturalwirthſchaft der Staaten

und wegen der Verſchmelzung des fürſtlichen Eigenthums mit dem Staatseigenthume

von ſelbſt. In neuerer Zeit iſt jenes Alles nicht der Fall, und die Staatsſchätze

ſind verwerflich, weil ſie der Volkswirthſchaft Capital und Capitaleinkommen entzie-

hen, ſie alſo in ihrer Entwickelung hemmen; weil jetzt zu außerordentlichen Staats-

ausgaben in Privathänden genug Geld bereit liegt; weil ſchon ſehr bedeutende

Staatsſchätze beim Eintritte außerordentlicher Bedürfniſſe nicht zureichen. S. Für

ſolche: v. Struenſee Abhandl. I. 216. Samml. v. Aufſätzen. II. 43. v. Jacob

§. 731. Bodinus De republ. lib VI. p. 1051. Hume polit. Verſuche S. 163.

v. Juſti Staatswirthſch. II. §. 528. Bergius Magazin. Art. Schatz des Re-

genten und Staats. Gegen ſolche: Lotz Reviſion IV. 113. Handb. III. S. 390.

v. Soden Nat. Oec. V. §. 304. Fulda §. 227. v. Sonnenfels III. 392.

A. Smith Inquiry II. 258. IV 305. Spittler Vorleſ. über Politik S. 290.

v. Malchus I. §. 81.

³ Ueber die Vor- und Nachtheile derſelben entſcheidet die wahrſcheinliche Wir-

kung einer Erhöhung der alten oder Umlage von neuen Steuern auf die Volkswirth-

ſchaft. Dabei iſt neben der Größe der zu deckenden außerordentlichen Ausgabe zu

erwägen, daß man den Gewerben vieles entzieht, was nutzbar verwendet würde; daß

ſo große Steuerſummen derſelben oft unerſchwinglich ſind; daß ſich ſolche Ausgaben

in der Regel wiederholen; daß man ſuchen ſoll, ſolche plötzliche Laſten ſoviel als

möglich zu vertheilen, ſo ſchnell, mühelos und wohlfeil als thunlich zu erheben, was

bei Steuerumlagen nicht der Fall iſt, und daß man das ganze Steuerſyſtem in Er-

wägung ziehe. S. Für Erhöhung v. Jacob §. 736. v. Soden V. §. 307.

Dagegen v. Sonnenfels III 383. S. aber auch v. Malchus I. §. 82.

v. Struenſee Samml. v. Aufſätzen II. 20. Es haben zwar Ricardo (Principles

of pol. Econ. p. 301–306.) und Nebenius (Oeff. Credit I. 661), die Steuer-

erhöhung, jener für ein beſſeres, dieſer für ein gleich gutes Mittel als wie die

Staatsanleihen erklärt; auch Zachariä Staatsſchuldenweſen S. 41. meint, bei

dieſer Frage ſei Gegenwart und Zukunft eins. Allein m. ſ. die Widerlegung dieſer

Anſichten in Meinen Verſuchen S. 514–520. Merkwürdig iſt das Beiſpiel

Englands von a. 1688–1824. S. darüber ebendaſelbſt S. 539–549. Lowe

England nach ſ. gegenw. Zuſt. S. 17. flg.

⁴⁾ Der ſchnelle Verkauf bei außerordentlichen Bedürfniſſen iſt ein unzuverlä-

ßiges unzureichendes zu langſames Mittel. Aber man weiſt zur Dotation der Schul-

dentilgcaſſe jährlich zu verkaufende Domänen und Waldungen aus; oder emittirt

Kreditpapiere im Geſammtwerthe ſolcher zum Verkaufe ausgeſetzter Güter und be-

dingt beim ſpätern Verkaufe die Zahlung des Kaufſchillings in denſelben. S. v. Mal-

chus I. §. 84. v. Jacob §. 744. Ganilh Des systemes I. 343.

⁵⁾ Die Lobredner der Staatsſchulden ſ. m. im §. 415. N. 2. Die Saint-

ſimoniſten haben neuerlich ſogar die Deckung des ganzen Staatsaufwandes durch An-

leihen vorgeſchlagen. Decourdemanche Aux Industriels. Lettres sur la Legisla-

tion. Paris 1831. p. 61. Dagegen Meine Verſuche S. 442. 459. Staatsſchulden

ſind das prompteſte Mittel zur Deckung außerordentlicher Bedürfniſſe, und verthei-

len die Laſt ſo drückender Art auf längere Zeit, damit ſie erträglich wird. Allein

ihre Einwirkung auf die Privat- und Volkswirthſchaft, die Staatsverfaſſung, Mo-

ralität und Bildung des Volks, auf die geſammte Staatsverwaltung und auf den

[779/0801]

⁵⁾ Zuſtand der Völkerſtaaten iſt mehr verderblich als wohlthätig. S. Nebenius der

öff. Credit I. 668. Meine Verſuche S. 487.-536. Craig Politik III. 250. 277.

⁶⁾ Man hat zur Ausgleichung der Abgabenverhältniſſe zwiſchen ſolchen Provin-

zen ſchon das Areal, die Bevölkerung, die Häuſerzahl, den Viehſtand, das Capital

der beiden Letztern, die bisher bezahlten Abgaben oder eine Combination dieſer

Haltpunkte theils vorgeſchlagen theils angewendet. Allein die Lehre von der Be-

ſteuerung muß ſie alle für unbrauchbar erklären, und erkennt nur das wirkliche

durchſchnittliche reine Nationaleinkommen als das Maaß der Ausgleichung an. Wie

ſchnell und wie die Ausgleichung bewerkſtelligt werden ſoll, und ob es überhaupt

räthlich, eine ſolche Gleichſtellung zwiſchen neuen und alten Provinzen vorzunehmen,

darüber hat die praktiſche Politik zu entſcheiden. S. v. Malchus I. §. 6. Ver-

handl. der großh. Heſſ. II. Kammer von 1821. H. XV. 82. XVI. 3. 58. Außer-

ordentl. Beil. S. 460. 530.

⁷⁾ v. Malchus II. §. 7. Dagegen Rau III. §. 53. v. Jacob §. 828.

985. Fulda §. 21. Verhandl. der Bair. II. Kammer von 1828. Bd. I. V. XII.

XIV. Beil. 58. 82.

⁸⁾ v. Malchus II. §. 8.

⁹⁾ Bei der Geldbeſoldung leidet der Beamte von Erhöhungen der Preiſe der

Lebensmittel; bei Naturalbeſoldungen hat er Unbequemlichkeiten. Eine Combination

beider, ſo daß ein kleiner Theil der Beſoldung in Naturalien oder deren Preiſen

bezahlt würde, hat für ihn den meiſten Vortheil. Rau III. §. 57–61.

v. Malchus II. §. 11. Verhandl. der Bad. II. Kammer. v. 1831. Beil. H. V. 1. XIII.

296. Sehr zweckmäßig iſt eine Sonderung des Gehaltes in Standes, und

Dienſtgehalt, wie in Baiern, und zum Theile in Naſſau. S. auch

v. Malchus Politik. I. 17.

¹⁰⁾ v. Malchus II. §. 12. 13 (Civil- und Militairpenſionen). Rau III.

§. 62. Klüber, Oeffentl. Recht des teutſchen Bundes. §. 407. v. Malchus

Politik. I. 19.

Fünftes Hauptſtück.

Von den Voranſchlägen der Staatsausgaben

und -Einnahmen.

§. 515.

Zum Behufe der Begründung, Darſtellung und Vergleichung

iſt eine Ueberſicht der Staatseinnahmen und -Ausgaben nothwendig.

Dazu dienen die Voranſchläge (Etats) für die beſtimmte Fi-

nanzperiode (Etats- oder Finanzjahr). Man unterſcheidet

dem Umfange nach die Spezialetats, d. h. von einzelnen Ele-

mentarverwaltungen, benannt nach den Gegenſtänden, die Haupt-

etats, d. h. theils für Hauptzweige der Verwaltung, theils für

geographiſche Verwaltungsbezirke, und den Hauptfinanzetat

(das Staatbudget), d. h. für die Geſammteinnahme und Aus-

gabe des Staats, zum Theile das Product, zum Theile die Quelle

jener genannten. Die Form derſelben iſt in den einzelnen Staa-

ten verſchieden. Die Begründung derſelben geſchieht durch die

einem jeden Verwaltungszweige zu Grunde liegenden ſpeziellen

Papiere und allgemeinen Ueberſichten. Zur Erläuterung des

[780/0802]

Budgets dienen die den Etats beigefügten Erläuterungsproto-

colle und das beigegebene Notabilien- oder Etatsbuch1).

Der Entwurf der Etats wird von den entſprechenden Behörden,

das Budget aber vom Finanzminiſterium gemacht, das auch auf

deſſen Erfüllung ausſchließlich wacht. Die Einnahmen unterliegen

ganz ſeiner Dispoſition, die Ausgaben der einzelnen Departements

blos ſeiner Controle. Jeder Departementschef oder Vorſtand eines

Miniſteriums bekommt auf die Staatskaſſe einen gewiſſen Kredit,

über den er geſetzlich in ſeiner Verwaltung disponirt, und er iſt

hierin nur ſo weit beſchränkt, als Ueberſchreitungen der für die

Perioden durch periodiſche Repartitionsetats beſtimmten Summe

nicht erlaubt ſind. In wiefern jeder Vorſtand über dieſe Repar-

titionsetats frei oder bedingt verfügen darf, hängt von beſonderen

Beſtimmungen ab. Disponirt der Finanzminiſter allein über die

Staatskaſſe, ſo muß ſich jeder andere Chef ſeine Anweiſungen von

demſelben realiſiren laſſen. Die Sanction des Budgets geſchieht

in Repräſentativſtaaten durch das gleichlautende Finanzgeſetz, das

ebenfalls vom Finanzminiſter entworfen wird.

Zur Einſicht in das Verwaltungsweſen während des Finanz-

jahres werden, von den untern Behörden wechſelſeitig vorbereitend

bis zur höchſten, monatlich Situationsetats gefertigt, welche

die Einnahmen und Ausgaben des entſprechenden Monats im Ver-

gleiche mit den früheren, und den ſich ergebenden Kaſſenbeſtand

anzeigen. Den Hauptſituationsetat macht die Staatshaupt-

kaſſenverwaltung, den Haupt-Staatshaushalts-Situations-

etat aber die Staatsbuchhalterei, bei welcher das ganze Detail

der Bruttoeinnahmen und ſämmtliche Ausgaben immer nach Be-

lieben in Büchern eingeſehen werden kann2).

¹ Ganz abgeſondert ſind die Militair- und Staatsſchuld-Etats.

Letztere ſind in jedem Staate anders eingerichtet. In der Militairverwaltung fer-

tigt man die Etats entweder nach den Corps, aus deren Spezialetats der Hauptetat

zuſammengeſtellt wird, oder nach den Corps blos die Geldetats, dagegen die übrigen

Etats in Totalbeträgen für das ganze Militair, oder endlich nach allgemeinen

Rubriken und Summen ohne Unterſcheidung der Corps.

² Ueber dieſe ganze Materie ſ. m. v. Malchus Finanzw. II. §. 15–20.

Deſſen Organismus. I. §. 63–71. Deſſen Politik. II. §. 116. 124. 125. v. Juſti

Staatswirthſch. II. §. 408. Eſchenmayer Staatsrechnungsweſen. Heidelb. 1807

(nicht zu empfehlen). Peterſen, Ueber Wirthſchaftsanſchläge und Budgets.

Göttingen 1811 (Vermengung, unpraktiſch). v. Schuckmann, Ideen zu Finanz-

verbeſſerungen. Tübingen 1818 (zu allgemein). Feder, Handbuch des Staats-

rechnungs- und Kaſſenweſens. Stuttg. 1820 (manches Unrichtige und Unausführbare).

Hoch Finanzkaſſenetats. Rottenburg 1820. Kieſchke, Grundzüge zur zweckmäßigen

Einrichtung des Staatskaſſen- und Rechnungsweſens. Berlin 1821 (zweckmäßig).

Arnold, Verſuch eines Staatsrechnungsſyſtems. Petersburg 1824. Die den Schrif-

ten beigefügten Urtheile ſind von v. Malchus; denn da dieſer in ſolchen praktiſchen

Dingen außerordentlich gewandte und erfahrene Mann dieſe Schriften beurtheilt hat,

geziemt es dem Theoretiker nicht, auch zu richten.

[781/0803]

Sechstes Hauptſtück.

Vom Staats-Kaſſen- und -Rechnungsweſen.

§. 516.

Die materielle Verwaltung der Einkünfte und die Nachweiſun-

gen geſchehen durch die Kaſſen und Kaſſenverwaltung. Die

Anzahl der Kaſſen ſoll nicht zu groß ſein; ſie ſind auf einen ohne

beſondere Vollmacht nicht zu überſchreitenden Etat geſtützt. Blos

auf die Hauptkaſſe dürfen die zur Dispoſition befugten Behörden

Anweiſungen zur Realiſation geben, welche auch nur jene un-

mittelbar ſelbſt realiſirt oder auf Anweiſung durch Elementarkaſſen

realiſiren läßt, aber nur auf ihre eigene Rechnung und zum Ab-

zuge von ihrem Beſtande. Die bei den Kaſſenfunctionen obwalten-

den Formen ſind in den Staaten ganz verſchieden1). Die äußere

und innere Sicherheit der Kaſſen wird einſeits durch Geſetze

und Inſtructionen für die Beamten, anderſeits wegen der Geſchäfts-

ſicherung durch Cautionen der Beamten und durch periodiſche, auch

außerordentliche Reviſionen gepflegt, welche ſich auf die ſpeziellſte

Vergleichung des Kaſſenſtandes beziehen und von einem Protocolle

begleitet werden. Die Controle des Kaſſendienſtes iſt von der

größten Wichtigkeit. Die Reſultate der Kaſſenverwaltung werden

am Ende des Jahres durch Rechnungen beurkundet, mit deren

Ablieferung bei Strafe der geſetzliche Termin feſtgehalten werden

muß. In mehreren Staaten werden (mehr zu ihrer Erläuterung)

von den entſprechenden Verwaltungsbehörden Reviſionen vorge-

nommen2).

Was das Rechnungsweſen (die Comptabilität) anbelangt,

ſo beruht es auf folgenden Hauptgrundſätzen. Jedes Jahr macht

für ſich ein Ganzes. Daher wird für dieſe zwölf Monate, d. h.

über die darin Statt gehabt habenden Einnahmen und Ausgaben

ein Abſchluß ausgearbeitet. Es geht jedoch weder Einnahme noch

Ausgabe vor ſich, wie man ſich's denkt, ſondern es wird oft nach

den zwölf Monaten erhoben und ausgegeben, was während der-

ſelben hätte eingenommen und verausgabt werden ſollen. Daher

geht das Rechnungsjahr, d. h. nicht jenes gewöhnliche auf 12

Monate, ſondern jenes auf den völligen Abſchluß der Einnahmen

und Ausgaben für das Zwölf-Monat-Jahr einige Zeit nach und

liefert endlich den zweiten förmlichen und gänzlichen Rech-

nungsabſchluß (finalen und definitiven Abſchluß). Derſelbe

muß alle Einnahmen nach Verſchiedenheit der Quellen und ihrer

Kaſſen, jede Ausgabe mit Bezeichnung der Zwecke und der ſie

[782/0804]

machenden Kaſſe genau, die Erſtere nach den Hauptetats, die

Letztere nach den Miniſterialdepartements, angeben. Die Zeit des

Abſchluſſes iſt verſchieden nach der innern Verwaltung. Er ſelbſt

muß durch ein Geſetz ſanctionirt ſein; ſo lange er es nicht iſt,

bleibt die Rechnung ungeſchloſſen.

In manchen Staaten (beſonders mit Repräſentativverfaſſung)

werden von den Departementschefs Rechenſchaftsberichte über

die Verwendung ihrer Einnahmen nach geſetzlichen Bedingungen

zur Vorlage (vor die Ständeverſammlung) verlangt. Sie enthal-

ten im Detail die Darſtellung des Verwaltungsganges und Stan-

des und die Begründung etwaiger Abweichungen von den geſetz-

lichen Beſtimmungen. Der Rechenſchaftsbericht des Finanzminiſters

muß aber außer der Darſtellung ſeiner Verwaltung zugleich eine

urtheilende Auseinanderſetzung aller Einnahmequellen in Betreff

ihrer Natur, Benutzung, möglichen Erweiterung und Nachläſſe, ſo

wie eine ſolche vom ganzen Staatsaufwande und den Mitteln zu

ſeiner Verringerung enthalten. Hieran reiht ſich dann von ſelbſt

die Begründung des Staatsbudgets, welches derſelbe vorlegt.

¹ Die zu haltenden Bücher ſind: das Journal, zur chronologiſchen Aufzeich-

nung aller Ausgaben mit ihren Zwecken und aller Einnahmen mit ihren Quellen;

das Manual, dem die Einzelheiten der Etats zu Grunde liegen, und welches

unter Angabe des entſprechenden Folio im Journale alle Einnahmen und Ausgaben

in vollſtändiger Rechnung enthält; das Controlbuch und die erforderlichen Hilfs-

regiſter, welche bei den Ergebniſſen der Kaſſen vorkommen. Sind die Ein-

nahme- und Zahlkaſſen getrennt, ſo haben beide dieſelben Bücher.

² Die Reviſionsgeſchäfte ſind: a) die Reviſion ſelbſt, d. h. arithmetiſche

und materielle Unterſuchung; b) die Juſtification, d. h. endliche Entſcheidung

über die bei der Reviſion gemachten Bemerkungen und Ausſtellungen (Reviſions-

notaten). Eine jede Erinnerung wird in das eigens dazu beſtimmte Reviſions-

protocoll geſchrieben, welches ſammt der revidirten Rechnung dem Rechnungsführer

zur Rechenſchaft (Beantwortung) in beſtimmter Friſt zugeſchickt wird. Nach Rück-

einlauf deſſelben ſammt Rechnung und Beantwortung wird zur Juſtification ge-

ſchritten. Sind alle zweifelhaften Punkte erklärt, ſo erhält der Rechnungsführer

eine Decharge entweder im Rechnungsabſchluſſe oder als eigene Urkunde; iſt

Erſteres nicht der Fall, ſo wird ſie noch einmal revidirt, und iſt die Erläuterung

nicht vollſtändig zu geben, ſo fallen die Defecte dem Rechnungsführer zur Laſt.

v. Malchus Finanzw. II. §. 23. 27. Deſſelben Organismus. I. §. 71–76.

Deſſelben Politik. I. §. 40. II. §. 128.

[[783]/0805]

Regiſter.

A.

Abandon, Abandonniren §. 358.

Abbau, der Domänen §. 478.

Abplaggen §. 223.

Abrechnen §. 344.

Abſäugen §. 194. N. 2.

Abſatz, an Gewerkswaaren §. 312.

Abſchlitzen §. 109.

Abſchlußwechſel §. 337.

Abſchwülen §. 223.

Abteufen §. 95.

Abtriebſchlag §. 227.

Acceptant, Acceptation §. 337.

Acciſe, Urſprung §. 22, von Immobilien

§. 497 N. 3. Ueberhaupt §. 500.

Accord §. 369.

Ackergeräthe §. 140.

Actie, Actionair, Actiengeſellſchaft §. 335.

Actiencurs, — Geſchäfte, — Handel, —

Pari §. 348.

Actio dome stica §. 12.

Activcapitalien, der Gemeinden §. 382.

des Staats §. 484.

Activhandel §. 253.

Actore s §. 7. 12.

Adäration §. 17.

Adjudication, der Staatsanleihen §. 504.

Adjuſtiren §. 290.

Adjutorien §. 17.

Adler §. 255.

Adminiſtration §. 25. 29.

Admiralſchaft, Admiralitätspolize §. 359.

Admodiation, der Staatsbergwerke §. 477.

Adoha §. 17 N. 2.

Affretement §. 355.

Afterbrunſt §. 252.

Aftern §. 280.

Agio §. 347.

Agricultur, mechaniſche §. 139. chemiſche

§. 145.

Agronomie §. 134. 184.

Ahorn §. 240.

A la hau s se und

A la Bai s se §. 366.

Alaunſiederei §. 284.

Albergaria §. 7. N. 8.

Alcohol §. 300 Note 2. Alcolometer §.

324 Note 8.

Aller Orte zahlbare Wechſel §. 337.

Almendgut, Vertheilung §. 379. Note 1.

Bewirthſchaftung N. 2. Steuerfreiheit

§. 385. N. 5.

Altthier §. 252.

Aluvium §. 85.

Amalgamation §. 283.

Amortiſationskaſſe §. 336. 505.

Amtmann §. 16. Amtshauptmann, Amts-

kellner, Amtsſchreiber §. 24. Amtsver-

walter §. 16. 24.

Angaria §. 7. N. 8.

Annuitäten §. 503.

Anquicken §. 283.

Anſchläge, bergmänn. §. 129. landwirthſch.

§. 216. werkmänn. §. 318. kaufm. §. 371.

Anſtand, b. d. Jagd §. 251. Anſtandsbrief

§. 369.

Anticipationen §. 502. 503.

Anweiſung §. 338.

Anwurf §. 290.

Anzeigen, nutzbarer Mineralien §. 86.

Apocrifiariu s §. 8.

Appoint, Appunto-Wechſel §. 337.

Aquavit §. 300 N. 2.

Aräometer §. 324.

Arbeit §. 53. Güterquelle §. 409. Beför-

derung §. 440. Arbeitstheilung u. Ver-

bindung §. 409. Arbeitslohn §. 324.

als Gegenſtand der Staatsſorge §. 446.

Arbeitshäuſer §. 461. Arbeitsrente §. 413.

Arbeiter, ſchaden ſich ſelbſt §. 375.

Arbitragen §. 349. 350.

Archicapellanu s §. 8.

Arme, Armencolonien, -Commiſſarien,

-Arbeiten, -Häuſer, -Kinderſchulen,

-Taxen §. 461.

Armuth §. 73. Urſachen §. 460.

Arrondirung der Grundſtücke §. 464.

Arſenikofen §. 281. N. 6.

Aſſecuranz, z. See §. 358. gegen Hagel,

Brand u. Viehunglück §. 456. im All-

gemeinen §. 455. Aſſecuranzgeſchäft mit

[784/0806]

Staatspapieren §. 349. A. Kaſſen, A.

Geſellſchaft §. 455. A. Prämie, A. Po-

lize §. 358.

Aſſociation, der Arbeiter und Lohnherrn

§. 312. N. 2.

Atzung §. 18.

Aufbereitung, der Erze §. 280.

Aufdecken §. 109.

Aufkäuferei §. 459.

Aufkratzen des Bodens §. 223.

Aufſchlag §. 22. 285.

Aufzug §. 306.

Ausbeißen §. 90.

Ausbeute §. 127.

Ausfuhrhandel §. 353.

— — Prämie §. 471.

— — Zölle §. 471.

Ausgaberückſtände §. 502.

Ausgehendes §. 86. 90.

Ausklengen, des Saamens §. 237.

Auskommen §. 73.

Ausmärker, Steuerpflicht §. 283. 285.

Ausſchlagen, der Erze §. 280.

Ausſetzbetrieb §. 262.

Ausſteuerkaſſe §. 457.

Austrageſtempel §. 280.

Austrecken §. 285.

Auswärtiger Handel, Zweig der Volks-

wirthſch. §. 435. Gegenſt. der Staats-

ſorge §. 471.

Auswandern §. 457.

Averie §. 356.

Averſalſätze, bei Conſumtionsſtern §. 500.

Note 5.

Aviſo, bei Wechſel §. 337. in der Spedi-

tion §. 363.

B.

Bache §. 252.

Balance §. 82. B. Buch §. 81.

Balancier §. 273 N. 4.

Bank §. 330. 416 N. 1. Gegenſtand der

Staatsſorge §. 444. B. Bruch, Bankerott

§. 369. Bankerottgeſetze §. 441. B. Fuß,

B. Geld §. 345. B. Geſchäfte §. 330

N. 3. B. Noten, B. Zettel §. 329. 330.

B. Scontro §. 370.

Banker §. 347. Bankers Notes §. 338.

Banco, Bankothaler §. 328. N. 3. §. 345 N. 2.

Bänke §. 87.

Bändermaſchine §. 303 N. 5.

Banndienſte §. 18.

Bannire §. 10.

Bannus regalis §. 10. 11.

Baratto §. 320.

Baſtpflanzen §. 167.

Baukunſt §. 310.

Baumfeldbetrieb §. 262.

— Garten §. 193. 194.

Baumkrankheiten §. 233.

— Meſſer §. 264. N. 2.

— Schule §. 193. 194.

Baumwolle, B. Spinnerei, B. Weberei

§. 306.

Bayſalz, Boyſalz §. 286 N. 2.

Bedarf §. 49. im häusl. Leben §. 75–77.

Bedürfniß, Begriff §. 46. Arten §. 47–49.

Beede, Urſprung §. 7 N. 2. B. Mund

§. 17 R. 11.

Beförſterungskoſten §. 497 N. 4.

Befrachter §. 355.

Behacken §. 151 N. 3.

Behäufeln §. 151 N. 3.

Beitragspflicht, der Gemeindeglieber zum

Gemeindebedarf §. 383.

Beitzvögel §. 250.

Beneficium §. 9.

Berg- und Hüttenverwaltung §. 511.

Bergbau §. 83. Zweig der Volkswirthſch.

§. 431. Gegenſt. der Staatsſorge §. 462.

Bergbohrer §. 92.

Bergelohn §. 358.

Bergen §. 107.

Bergmühle §. 115 N. 2.

— Schulen §. 462.

— Zehnten §. 462.

Bergwerksregal, Entſtehung §. 16. Ent-

äußerlichkeit §. 510.

Beſchickung §. 290 N. 2. 328 N. 7.

Beſchneiden, der Pflanzen §. 189.

Beſoldung §. 514 N. 9.

Beſoldungsſteuer §. 495.

Beſtätigungsjagd §. 251.

Beſtandtheile des Bodens, Erden §. 135.

Metalle, Salze, Humus §. 136.

Beſteuerungsrecht, Anfang §. 25 N. 2.

Betrieb, bergmänn., Bedürfniſſe §. 120. 121.

Arten §. 124. landw., Bedürfn. §. 207.

208. Arten §. 210. 211. forſtw., Be-

dürfn. §. 257–260. Arten §. 262.

werkmänn., Bedürfn. §. 311. 312. Arten

§. 314. kaufmänn., Bedürfn. §. 363.

Arten §. 366. Dienſtgewerbsbetr. §. 375.

Betriebsausgaben, bergmänniſche §. 126.

landw. §. 213. forſtw. §. 264. werk-

männ. §. 315. kaufmänn. §. 367.

Betriebseinnahmen, bergmänniſche §. 127.

landw. §. 214. forſtw. §. 264. werk-

männ. §. 316. kaufmänn. §. 368.

Betrug, Maaßregeln dagegen §. 451. 453.

Bevölkerung, Regulatoren §. 427. Gegen-

ſtand der Staatsſorge §. 457.

Bezahlung §. 342.

Bielbrief §. 355.

Bienenzucht §. 204.

Bier, Arten, Brauerei §. 299.

— Steuer §. 500.

[785/0807]

Billet, à ordre, à domicile, au porteur

§. 338.

Billion §. 328 N. 2.

Bills of Exchequer etc. §. 502.

Binnenhandel §. 353. Zweig der Volksw.

§. 435. Gegenſt. der Staatsſorge §. 470.

Birke §. 239. B. Huhn §. 254.

Blaufarbenofen §. 282.

Bleichen, des Wachſes §. 303 N. 5. der

Zeuge §. 306. der Seide §. 307. der

Lumpen §. 309.

Bleiofen, Villacher §. 282.

Bleiſeigerofen §. 282.

Bleiſtiftfabrication §. 293.

Blitzableiter §. 447.

Blumengärtnerei §. 191.

Blutzehnten §. 466.

Bodenbearbeitung §. 141. 223.

Bodenklaſſen §. 138.

Bodenkunde §. 134. 184.

Bodenmiſchung §. 145.

Bodmerei, B. Brief §. 357.

Böhnhaaſe §. 312.

Bohne §. 157.

Bohrgerüſte §. 94. B. Geſchäft §. 123.

B. Röhrenwerk, B. Stand §. 93.

Bons §. 502.

Bonus §. 504.

Boulton's Münzwerk §. 290 N. 8.

Brache §. 143.

Bracke §. 250.

Brand §. 158. 166. B. Aſſecuranz §. 456.

B. Brief §. 455. B. Hain §. 223 N. 5.

Branntſalz §. 287.

Branntwein, B. Brennerei §. 300. B

Monopol §. 483. Steuer §. 500.

Brechmaſchine, für Hanf u. Flachs §. 309.

Brechkämme §. 305 N. 5.

Bremsſchacht §. 105.

Brennen, der Zeuge §. 306.

Brennofen §. 285 N. 5.

Briefcopirbuch §. 370.

Brodacciſe §. 500.

Brodenfang §. 287.

Bruchbau §. 117.

Brückenbau §. 472.

Brückenfrohnden §. 18.

Brückengeld, der Gemeinden §. 385. des

Staats §. 497.

Brückenwage §. 324 N. 6.

Bruttogewicht §. 363. N. 4.

Buche §. 238.

Buchführung, bergmänn. §. 128. landw.

§. 215. forſtw. §. 265. werkmänn. §. 317.

kaufmänn. §. 370. dienſtgewerbliche §. 317.

Buchhaltung, einfache, doppelte, italieni-

ſche §. 79. 80. engliſche §. 370 N. 1.

Budget des Staats §. 515.

Budtheil §. 17. N. 11.

Bureauſyſtem §. 507.

Bürgerausſchuß, B. Meiſter §. 387.

Bürſten der Tücher, Bürſtmaſchine §. 305.

Burgunder Rübe §. 161.

Buſchiren §. 251.

Buße, königliche §. 10.

Butzenwerke §. 87.

C.

Cabotage §. 358.

Calcinirofen §. 281. N. 6.

Calculation §. 366.

Cambio marino §. 357.

Camerarius §. 8.

Canagium §. 17 N. 7.

Capitain, des Schiffs §. 355.

Capital §. 54. Arten §. 55. Anlagen §.

362. Güterquelle §. 410. C Rente, C.

Zins §. 424. C. Conto §. 82.

Capitalbock, C. Schaufler §. 252.

Capitalſteuer §. 494.

Capitularien §. 8.

Cargo, Cargadeur §. 355.

Casco, Aſſecuranz auf, §. 358 N. 1.

Caſſabuch §. 80. 81

Cataſtergeſchäfte §. 512.

Cautionsgelder, Benutzung durch den Staat

§. 502.

Cavalcade, eine Steuer §. 17 N. 6.

Cavelinen §. 367.

Census §. 7–11.

Centenarius §. 7.

Centgraf §. 7.

Centraliſationsſyſtem §. 514.

Centraliſirung §. 507.

Certepartie §. 355.

Certificate §. 504.

Cespitaticum §. 7 N. 7.

Chatoullgüter §. 478.

Checks §. 338.

Churos §. 200 N. 1.

Circulation §. 412.

Clearinghouse §. 344 N. 1.

Coccons §. 307.

Collecte, Steuer § 7 N. 13.

Collegien, Regirungs- §. 25.

Collegialſyſtem §. 507.

Colonialhandel §. 353. Zweig der Volksw.

§. 435. Gegenſt. der Staatsſorge §. 471.

Comes §. 7. C. Palatii §. 8.

Commandite §. 352.

Commiſſionshandel, Commiſſionair, Com-

mirtent §. 351. Commiſſionsbuch §. 351.

370.

Compagnie, Handels- §. 352. C. Handel,

Gegenſtand der Staatsſorge §. 470.

Compaß, Markſcheide-, Gruben- §. 89.

Compenſiren §. 344.

Compoſt, Dünger §. 147. 149.

Baumſtark Encyclopädie. 50

[786/0808]

Comptabilität §. 516.

Concurs §. 369.

Conjuncturen §. 366.

Connoſſement §. 355.

Conſignation §. 368. Conſigniren §. 357.

Conſtables §. 23 N. 1.

Conſumtion, Zweck und Art §. 428. Ver-

hältniß zur Production §. 429.

Conſumtionsſteuern §. 498. 499.

Conti §. 80. 81. C. finti §. 366.

Conto corrente§. 370 N. 2.Contocor-

rent-Buch §. 81. 370.

Contrajagd §. 251.

Contrapoſition §. 344.

Contremineurs §. 366.

Controlbuch §. 516 N. 1.

Conventus palatini §. 16.

Convon §. 359.

Copuliren, der Bäume §. 194 N. 3.

Couvons §. 504.

Courant §. 328 345.

Courtage §. 363 N. 4.

Covent §. 299 N. 11.

Credit §. 80.

Cubiktafeln, zur Berechnung der Baum-

ſtämme §. 264 N. 2.

Cubicularius §. 8.

Cultivator, Ackergeräthe §. 140.

Culturſachen, a. 534–888. §. 10 N. 1.

Cupuloofen §. 282.

Curs, Curszettel, des Geldes §. 347. der

Actien §. 348. der Staatspapiere §. 349.

der Wechſel §. 350.

Cylindergebläſe §. 276.

Cylinderofen §. 281 N. 6.

D.

Dach §. 90

Dachs §. 253. D. Hunde §. 250.

Damhirſch, D. Schaufler, D. Wild §. 252.

Dampfmaſchine, Theile u Arten §. 277.

Darmſaitenſpinnerei §. 302.

Darrofen §. 282.

Datowechſel §. 337.

Daumwelle §. 273 N. 4.

Davy's Sicherheitslampe §. 99.

Debet §. 80.

Decanus villae §. 7.

Decatiren §. 305.

Decharge der Rechnungen §. 516 N. 2.

Degraſiren §. 301 N. 12.

Degummiren, der Seide §. 307.

Deichordnung §. 443.

Del Credere §. 351.

Dendrometer §. 264 N. 2.

Depoſitenbank §. 330 N. 3.

Depoſitengelder, benutzt v. Staate §. 502.

Deſtilliren, der Erze §. 287.

Detailliſt §. 366.

Devalpation §. 328 N. 8.

Dickenwuchs, der Bäume §. 264 N. 1.

Dickrübe §. 161.

Diebſtahl, Maaßregeln dagegen §. 451. 452.

Dienſt, Dienſtgewerbe §. 372. 373. Zweig

der Volksw. §. 437. Dienſtgeld §. 18.

D. Betrieb §. 374.

Dienſtgewerbſteuer §. 495.

Differenzgeſchäft §. 349 N. 3.

Diluvium §. 85.

Dimenſionsſtempel §. 497 N. 2.

Dinkel §. 155.

Directe Steuern §. 487.

Disconto §. 342. 347. Discontiren §. 350.

Discontobank §. 330 N. 3.

Dismenbration, der Domänen §. 478.

Dispache, Dispacheur §. 356.

Dividende §. 335.

Docinaſie §. 83.

Docke §. 94.

Domänen a. 534–888 §. 11.; a. 888-

1272 §. 16.; a. 1272–1518 §. 22.

Bewirthſchaftungsarten §. 478. Veräu-

ßerlichkeit §. 508.

Domänenverwaltung §. 511.

Domesticus §. 7. 12.

Dominicalſteuer §. 494.

Domizilirter Wechſel §. 337.

Dornſalz §. 286 N. 10.

Dotationen, überhaupt §. 514.

Dotirung der Tilgkaſſe §. 505.

Dotter §. 171.

Doubliren, Doublirmaſchine §. 305. 307.

Drahtzieherei §. 289.

Dreifelderwirthſchaft §. 211.

Dreiläufer §. 252.

Dreſchen, Dreſchmaſchinen §. 153.

Dreſſiren, der Zeuge §. 306.

Drillmaſchine §. 140.

Drillwirthſchaft §. 144.

Droit fix, et proportionel §. 497 N. 3.

Droſſel §. 254.

Droſſelmaſchine §. 306.

Druſen §. 87.

Duckelbau §. 117.

Düngen §. 145. Dünger §. 148.

Dürftigkeit §. 73.

Dunkelſchlag §. 227.

Durchforſten §. 227.

Durchfuhrhandel §. 353. Gegenſtand der

Staatsſorge §. 470.

Durchſchneiden §. 290.

Dux §. 7.

Dynamometer §. 324 N. 7.

E.

Edelthier, E. Wild §. 252.

Effecten §. 334. E. Kunde §. 339. E.

Handel, Maaßregeln gegen Betrug darin

§. 453. Staatsaufſicht §. 469.

[787/0809]

Eggen §. 140.

Eiche §. 238. Eichhorn §. 253.

Eigene Wechſel §. 337.

Eigenlehner §. 122.

Einbanſen §. 182.

Einfuhrhandel §. 353. E. Prämie, E.

Zölle §. 471.

Eingewinne §. 109.

Einkommensſteuer, allgemeine §. 490.

Einkommenszweige §. 421.

Einnahme, Brutto-, Netto-, Roh-,

Rein- §. 62.

Einſchußgarn §. 305. 306.

Einwandern §. 457.

Eiſenbahn §. 472.

Eiſenbratofen, Eiſenfriſchofen §. 282.

Eisnetz §. 256.

Elementarverwaltung §. 511.

Emballage §. 363 N. 4.

Encyclopädie §. 2–4.

Engern, Engergeld §. 18.

Engliſches Syſtem §. 211.

Enregistrement §. 497.

Entenfuß, Ackergeräthe §. 140.

Entſümpfung, Maſchinen §. 139 N. 3.

Entwäſſerung, Maſchine §. 139 N. 3.

Erbpacht, landw. §. 209. forſtw. §. 261.

bei Domänen §. 478. bei Staatsforſten

§. 479.

Erbſchaftſteuer, Urſprung §. 22.

Erbſen §. 157.

Erbzehnten §. 22 N. 2.

Erbzinsverleihung §. 478.

Erdapfel §. 162.

Erdarten §. 135.

Erdbeben, Maaßregeln §. 447.

Erdbohrer §. 92.

Erfindungspatente §. 468.

Erhaltung, allgem. Regeln §. 70.

Erhebung, der Steuern §. 512.

Erkälter §. 299. 300.

Erle §. 239.

Erläuterungsprotocoll §. 515.

Ernte §. 152. 190.

Erübrigen §. 72.

Erwerb, Erwerben §. 45. 56. E. Arten

des Staats §. 475. E. Stamm §. 54.

E. Werth §. 402. 417.

Erzklein §. 280.

Eſche §. 240.

Escurial, Heerde §. 200 N. 1.

Eſparſette, Eſper §. 178.

Estantes §. 200 N. 1.

Etatsbuch §. 515.

Etatsweſen des Staats §. 515.

Eulen §. 255.

Ewige Rente §. 336.

Extirpator, Ackergeräthe §. 140.

F.

Fabrik §. 314. 434.

Factorei §. 352 N. 3.

Factura §. 351. F. Buch §. 81.

Fällungsplan §. 263.

Färbepflanzen §. 173. 175.

Fahnlehen §. 14 N. 2.

Fahrtanſtalten §. 98.

Fallen, der Lagerſtätten §. 88. Inſtru-

mente, um es zu beſtimmen §. 89.

Falliment §. 369.

Falſche Wechſel §. 337.

Fangjagd §. 251.

Faſan, Faſanerie §. 254.

Federviehzucht §. 203.

Federwage §. 324 N. 7.

Federwild §. 254. 255.

Fegemühle §. 153 N. 5.

Fehmelbetrieb §. 262.

Fehmgericht §. 21.

Feimen §. 159.

Feingehalt §. 290 N. 2.

Feinſpinnen, Feinſpindelbank §. 306.

Feldbauſyſteme §. 210. 211

Felddiebſtahl §. 452. F. Frevel §. 454.

Fenſterſteuer §. 494.

Fettwolle §. 305.

Feudalismus §. 13.

Feuerſchaden, F. Löſchmittel c. §. 448.

F. Aſſecuranz §. 456.

Fichte §. 243.

Fimmelbetrieb §. 262.

Finanz, F. Collegien, die erſten §. 22.

F. Verwaltung vor a. 534 §. 7.; a.

534–888 §. 11.; a. 888–1272 §. 16.;

a. 1272–1518 §. 22.; a. 1518–1648

§. 25. F. Wirthſchaft, F. Geſchichte

§. 473. F. Maximen, allgem. §. 474.

F. Regalien §. 480. Entäußerlichkeit

derſelben §. 510. F. Miniſterium §. 507.

Finanzetats §. 515.

Fingirte Wechſel §. 337.

Finiſſiren, der Zeuge §. 306.

Fiscaliſche Rechte §. 16. 22.

Fiſchereiregal, Entäußerlichkeit §. 510.

Fiſche, F. Teiche, F. Zucht §. 205. Fi-

ſcherei §. 256. F. Ottern §. 253. F. Weh-

ren, Weiden, Porte, Zäune §. 256.

Fiſolen §. 157.

Flachs §. 168. F. Röſten §. 169. F. Spinn

maſchine §. 308.

Flaggmaſchine §. 306.

Flammenofen §. 282.

Flaſchenmaſchine §. 306.

Fleiſchacciſe §. 500.

Flintmaſchine §. 306.

Flößerei §. 258. 259. F. Gelder §. 385.

Flötzgebilde §. 85.

[788/0810]

Floretſeide §. 307.

Flüſſe, Fahrbarmachen §. 472.

Flugſand §. 139.

Förderung, Arten §. 104–106.

Förſtenbau §. 114.

Förſter a. 534–888. §. 12.

Foresta, Forestarii a. 534–888 §. 12.

Formen, der Staatsſchuldſcheine §. 504.

Forſt, F. Betrieb §. 262. 467. F. Etat,

Rechnungsweſen §. 265. F. Schutz, Un-

kräuter, Unthiere §. 233. F. Statik §.

264. F. Statiſtik §. 263. F. Taxation

§. 266. 267. F. Wirthſchaft §. 219. als

Zweig der Volksw. §. 433. als Gegenſt.

der Staatsſorge §. 467.

Fracht, F. Brief, F. Fahrer §. 363. N. 4

F. Diebſtahl §. 452. F. Anſtalten, ein

Beförderungsmittel des Verkehrs §. 470.

Fräuleinſteuer §. 22.

Freihäfen §. 470.

Friſchling §. 252.

Friſiren der Zeuge §. 306.

Frohnden, vor a. 534 §. 7., a. 534–888.

§. 11., a. 888–1272. §. 18. Ablöſung

§. 463.

Fuchs §. 253.

Fürſtengericht §. 17.

Funddiebſtahl §. 452.

Fundirte Schuld §. 505.

Fuſti §. 867.

Futtergeld §. 17.

Futter, F. Gräſer, F. Kräuter, F. Pflan-

zen §. 177. 179.

G.

Gabelbock §. 252.

Gabelmaaß §. 264 N. 2.

Gabler §. 252.

Gänge §. 87. 88. 107.

Galeerenofen §. 281 N. 6.

Garantie, bei Staatsanleihen §. 504.

Garenen §. 256.

Garheerd §. 282.

Gartenbau §. 183. a. G. Arbeit §. 186.

G. Gewächſe §. 185.

Gastaldio §. 7. 12.

Gebieten, frühere Bedeutung §. 10.

Gebläſe, Kaſten- oder Cylinder-Gebl., hy-

doſtrat. oder baderſches Gebl. §. 276.

Gebrauch §. 71. Gebrauchswerth §. 39. 57.

402. 417. als Maaßſtab des Vermögens

§. 403.

Gebrauchsſteuern §. 497.

Gebundenheit, der Landgüter §. 464. der

Forſte §. 467.

Gedingarbeit §. 68.

Gefälle, im Hüttenweſen §. 280. auf Land-

gütern des Staats, Verwaltung §. 478.

Gefällſteuer §. 494.

Geheimbuch §. 80. 81.

Geier §. 255.

Geitz §. 72.

Geld, als Tauſchmittel §. 60. als Waare

§. 236. G. Stoff §. 329. G. Münze §.

328. G. Kunde §. 331. G. Handel, G.

Curs, G. Curszettel, G. Pari §. 347.

G. als Umlaufsmittel §. 413. als Ge-

genſtand der Staatsſorge §. 442. G. Han-

del, Maaßregeln gegen Betrug in dem-

ſelben §. 453. Gegenſt. der Staatsſorge

§. 469. G. Wirthſchaft im Staatsfinanz-

weſen §. 475.

Geleitsgeld, Urſprung §. 22. zur See §. 359.

Geleuchte §. 101.

Gemachte Wechſel §. 337.

Gemeinde, Entſtehung und Entwickelung

§. 387. G. Obligationen §. 336. G. Fel-

der, Güter, Liegenſchaften §. 379. Ver-

theilung derſelben z. Nutzung N. 1. Ver-

waltung derſelben N. 2. Steuerfreiheit

derſelben §. 385. Veräußerung, Verpfän-

dung, Ankauf derſelben §. 388. G. Wal-

dungen, Gebäude §. 380. G. Gerechtſa-

me §. 381. G. Frohnden §. 283. 385.

G. Umlagen §. 383–385. G. Kredit,

Schulden §. 386. G. Rath, Förſter, Ver-

rechner, Verſammlung §. 387. G. Aus-

gaben §. 390. Einnahmen §. 391. deren

Erhebung §. 389. G. Ueberſchüſſe §. 391.

G. Cataſter, Kaſſenweſen §. 389. G.

Etats §. 392. G. Verrechnung §. 393.

Gemeinheitstheilung §. 464.

Gemeinſchaft, häusliche §. 64.

Gemüſebau §. 192.

Generalobligation §. 504.

Generalpacht §. 478.

Genußſteuern, als Mittel gegen den Luxus

§. 458. als Quelle v. Staatseinkommen

§. 496.

Geognoſie, Geologie §. 83.

Gepräge §. 328.

Geräthſchaften, chemiſche §. 271.

Gerbelut §. 367.

Gerberei 301.

Gerſte §. 155.

Gerichtsbarkeit vor a. 534. §. 7., a. 534

-888. §. 10., a. 888–1272. §. 15.,

a. 1272–1518. §. 21.

Gerichtsdienſte §. 18.

Geſchenke, als Abgaben §. 7. N. 6.

Geſchirr, b. Papiermachen §. 309.

Geſenke §. 95.

Geſinde §. 67.

Geſtänge §. 95.

Geſtein, Arten nach Feſtigkeit und Textur

§. 102.

Geſümpfe §. 116.

Getreide §. 154. Unfälle deſſelben §. 158.

[789/0811]

G. Bau, G. Ernte §. 155. G. Mühle

§. 294. G. Wucher §. 459.

Getriebe §. 273.

Gewächshäuſer §. 189.

Gewährsadminiſtration §. 478.

Gewerbe §. 45. G. Freiheit §. 467. G.

Mißbräuche, Schulen §. 440. G. Poli-

zei §. 438. G. Gewinn §. 425. G. Be-

trieb, Maaßregeln gegen Betrug in dem-

ſelben §. 453.

Gewerbſteuer §. 493.

Gewerke §. 45. als Zweig der Volksw. §.

434. G. Pflanzen §. 176. Maaßregeln

gegen Betrug in den Gewerken §. 453.

Einwirkung der Staatspolizei auf ſie §.

467. G. Vereine 468.

Gewerkſchaft §. 122.

Gewicht, abſolutes, ſpeziviſches G. Stöcke

§. 324. G. und Maaßkunde §. 325.

Gewitter, Anſtalten gegen ſeine Schaden.

§. 447.

Gewürzpflanzen §. 164.

Gezähe §. 101.

Gipsabgießerei §. 291.

Gipsen §. 149.

Girant, Giratar, Giro, Giro in bianco §.

337. Girobank §. 345.

Glas, Arten, Bereitung §. 292.

Gleucometer §. 324 N. 8.

Glücksſpiele, z. verbieten §. 458.

Gölthier §. 252.

Göpel §. 274.

Gold §. 328. Werthsverhältniß z. Silber N. 5.

Gradationsſtempel §. 497.

Gradbogen §. 89.

Gradirung, der Soole §. 286.

Graf §. 7. Grafenſchatz §. 7. 18. Graf-

ſchaft §. 9. 14.

Graphit §. 293.

Graupen, im Hüttenweſen §. 280. v. Ge-

treide §. 294.

Graviones, Greviones §. 7.

Grobcourant §. 328 N. 10.

Grobſpindelbank, Grobſtuhl §. 306.

Grosaventurei §. 357.

Großhandel §. 366. Zweig d. Volksw. §. 435.

Groſſiſt §. 366.

Grosvogt §. 24.

Grubenmauerung §. 97.

Grubenriſſe §. 125.

Grubenzimmerung §. 96.

Grützmühle §. 294.

Grummet §. 182.

Grundbuch §. 212.

Grundrente, Arten, Regulatoren §. 422.

Grundſteuer, Anfang §. 7. Beurtheilung

§. 492.

Guadeloupe, Heerde §. 200 N. 1.

Gülten §. 22. Ablöſung §. 463.

Güter, Begriff §. 37. Arten §. 38. 398.

G. Quellen §. 53. 54. 407–410. G.

Umlauf, Vertheilung §. 412.

Gutſcheine §. 502.

Gutsgefälle, der Domänen §. 478.

Gutsherrliche Verhältniſſe, Gegenſtand der

Staatsſorge §. 463.

H.

Haarwild §. 252. 253.

Haaſe §. 252.

Haben §. 80.

Habſucht §. 72.

Hackwaldbetrieb §. 262.

Häuſerſteuer §. 494.

Hafer §. 155.

Hagel, Anſtalten dagegen, Hagelableiter §.

447. H. Aſſecuranz §. 456.

Hageſtolzenrecht §. 17. N. 11.

Hainbuche §. 240.

Hainen, Hainhacke §. 223.

Hacken, Ackergeräthe §. 140.

Halbhochhofen §. 282.

Halbzeug §. 309.

Halmfrüchte §. 155. 156.

Handel §. 319. 320. auf Lieferung, auf

Prämie §. 315. Zweig der Volksw. §.

435. Gegenſt. der Staatsſorge §. 469.

H. Bilanz §. 435. H. Billet §. 338.

H. Compagnie §. 352. H. Conſuln §. 471.

H. Kredit §. 343. H. Syſtem §. 397.

H. Unkoſtenbuch §. 370. H. Verträge

§. 471. H. Würdigkeit §. 322. Hand-

lung §. 320.

Handelſteuer §. 494.

Handlohn, Urſprung §. 22. Ablöſung §. 463.

Handſcheiden §. 280.

Handſpinnrad §. 308.

Handwerk §. 314. Vergl. mit d. Fabrik §. 434.

Hanf §. 168. H. Röſten §. 169.

Harfen, für's Getreide §. 159.

Harz, Arten §. 296. H. Reißen §. 237.

Haſelhuhn §. 254.

Haſpel §. 273. 274.

Hatzjagd §. 251. H. Haude §. 250.

Haubarkeit der Wälder §. 234.

Haufwerk §. 280.

Hauptbuch, Hauptbücher §. 80. 81.

Hauptrecht §. 17. N. 11.

Hauptſchuldverſchreibung §. 504.

Hauptſchwein §. 252.

Hausarme, Verſorgung §. 461.

Hausbuch §. 80. 81.

Hausdiebſtahl, Maaßregeln dagegen §. 452.

Hauſirhandel, H. Patent §. 470.

Hauskinder, Mutter, Vater §. 65.

Hauswirthſchaft §. 63. Organiſation der

häusl. Geſchäfte §. 69. Maaßregeln ge-

gen Betrug in derſelben §. 453.

[790/0812]

Haverei §. 356.

Hazardſpiele, z. verbieten §. 458.

Heber, Steh- u. gekrümmter §. 276.

Heberollen, Hebregiſter §. 512.

Hechel, H. Maſchine §. 308. N. 4.

Heckenwirthſchaft §. 231.

Heerbann, Heribanus §. 9.

Heerdſteuer §. 494.

Heerfahrtsdienſte §. 18.

Hegen, des Wildes §. 249.

Heidſchnucke §. 200. N. 2.

Heintzen, §. 182.

Heirathen §. 457.

Herbergen §. 18.

Herrendienſte §. 18. H. Frohnden, Urſprung

§. 7. N. 8.

Hervorbringung, Weſen §. 50. Beziehun-

gen §. 51. 52. 404. Zweige 405. Ver-

hältniß z. Verzehrung §. 429.

Heuernte §. 182.

Herzogthum §. 9. 14.

Hieb, Arten §. 228. 234. 235.

Hirſch §. 252.

Hirſe §. 156.

Hobelpflug §. 140.

Hochofen §. 282.

Hochwald §. 227.

Höhenmeſſer, H. Wuchs §. 264.

Hoffnungskauf §. 349.

Hofgerichte §. 15. 21.

Hofrath §. 25.

Hofrichter §. 13. 15.

Holländer §. 309.

Holz, H. Pflanzen Organismus §. 226.

H. Pflanzung §. 225. H. Saat. §. 224.

H. Sortiment §. 236. H. Säure §. 296.

H. Eſſigſäure §. 298. H. Transport §.

258. H. Verkauf §. 254. H. Taxen §.

479. N. 3.

Hopfen §. 165. 166.

Hühnergeld, H. Vogt §. 17. N. 11.

Hülſenfrüchte §. 157.

Hüttenkunde, H. Weſen §. 279. b.

Humus §. 136. H. Boden §. 137.

Hunde zur Jagd, verſchiedene §. 250.

Hundekorn, H. Steuer §. 17.

Hydrauliſche Wage, Hydrometer, Hydroſta-

tiſche Wage §. 324.

Hypothekenweſen §. 441.

I.

Jagd §. 246. a. Mittel §. 250. Arten §.

251. J. Hunde, H. Vögel §. 250. Re-

gal, Entäußerlichkeit §. 510.

Jägergeld §. 17. N. 8.

Jäten §. 151.

Jennymaſchine §. 306.

Iltiß §. 253.

Impoſt §. 22.

Inchartirung §. 485.

Incisura §. 17. N. 13.

Indirecte Steuern §. 487.

Indoſſament, Indoſſant, Indoſſator §. 337.

Indult §. 369.

Induſtrialſteuern §. 487.

Induſtrieſchulen §. 440.

Infantado, Heerde §. 200. N. 1.

Inferenda §. 7. N. 9.

Information §. 216. 217.

Inſcription §. 336. 504.

Interimswechſel §. 337.

Intermedirender Betrieb §. 262.

Intervention zu Ehren §. 337.

Inventarium §. 217. 314.

Inzucht §. 195.

Journal, kaufmänn. §. 81.

Iranda, Heerde §. 200 N. 1.

Judenſchutzgeld §. 11. 17.

Judices §. 7.

Juſtification der Rechnung §. 516 N. 2.

Juſtizverwaltung, Verfaſſung vor a. 534.

§. 7.; a. 534–888. §. 10.; a. 888-

1272. §. 15.; a. 1272–1518. §. 21.

K.

Kämmerer §. 8.

Kalander §. 396. N. 19.

Kalkboden §. 137.

Kalkgruben, der Gemeinden §. 380.

Kameralwiſſenſchaft, hiſtor. Entwickelung

§. 26. Entſtehung §. 27. Studium §. 28.

Bearbeitung §. 29. engere Bedeutung

§. 29. Einfluß der Staatswiſſenſchaft,

Geſchichtsforſchung und der Theorie des

Volksvermögens auf ſie §. 30–34.

Schriftſteller §. 35. 36. Begriff §. 39.

Syſtem §. 40. 44. K. Collegien §. 24.

K. Güter. Begriff vor a. 534. §. 7.; a.

888–1272. §. 16. Verwaltung derſel-

ben §. 378. K. Meiſter §. 24. K. Ver-

waltung vor a. 534. §. 7.; a. 534-

888. §. 11; a. 888–1272. §. 16-

18.; a. 1272–1518.; §. 22–24.; a.

1518–1648. §. 25.

Kammer, Bedeutung des Wortes §. 5–6.

im kaufmänn. Sinne §. 367.

Kammmaſchine §. 306.

Kanäle §. 472.

Kanariengras §. 156.

Kanzler §. 13.

Karavane §. 354.

Kardätſchen §. 305.

Kartoffelbau §. 162. 163.

Kaſſenſcontro §. 370.

Kaſſenweſen des Staats §. 516.

Kaſtengebläſe §. 276.

Kaſtengüter §. 7.

Katze, wilde §. 253.

[791/0813]

Kegelölmühle §. 295.

Keiler oder Keuler §. 252.

Kellerwechſel §. 350.

Keſſeljagd §. 251.

Kette, Kettgarn §. 306.

Kichererbſe §. 157.

Kiefer, §. 243.

Kienöl §. 296.

Kienrußſchwelerei §. 296.

Kinder, arbeitende, Behandlung §. 440.

Kitze §. 252.

Kladde §. 80. 81.

Klaftermaaß §. 264. N. 2.

Klaſſenſtempel §. 497.

Klaſſenſteuer §. 488. 490 N. 3.

Klauben, Klaubbühne §. 280.

Klee §. 178.

Kleincourant §. 328. N. 10.

Kleinhandel §. 366. als Zweig der Volks-

wirthſchaft §. 435. Gegenſtand der Staats-

ſorge §. 470. VI.

Knappſchaftskaſſen §. 462.

Knieſtreichen §. 305. N. 5.

Knollengewächſe §. 160.

Königspfennig §. 7. 18. K. Steuer §. 17.,

außerordentliche K. Steuer §. 7. 11.

Körnmaſchine §. 303 N. 5.

Kohlen, Kohlenklein §. 116. K. Brennerei

§. 298.

Kohlrabe, Kohlrübe §. 161. Kohlreps §. 171.

Kopfholzwirthſchaft §. 230.

Kopfſteuer, Urſprung §. 17. Beurtheilung

§. 488.

Koppelhunde §. 250.

Koppelwirthſchaft §. 211.

Korn, im Münzweſen §. 290. Berechnung

§. 328 N. 7.

Korn, das Getreide §. 155. K. Geſetz §. 471.

K. Magazine, K. Wucher §. 459.

Krähen §. 255.

Krämerwage §. 324 N. 4.

Kräuſel §. 163.

Kraftmeſſer §. 324 N. 7.

Kramhandel §. 470.

Krankheiten, des Getreides §. 158. d. Kar-

toffel §. 164. d. Gewürzpflanzen §. 166.

der Baſtpflanzen §. 169. d. Färbepflanzen

§. 175. der Futterpflanzen §. 179. der

Gartenpflanzen §. 189. d. Pferde §. 198.

des Rindviehes §. 199. der Schaafe §.

201. der Schweine §. 202. der Bienen

§. 204. der Fiſche §. 205. d. Seiden-

raupe §. 206.

Krapp §. 174.

Kratzen §. 305. Kratzmaſchine §. 306.

Krautfrüchte §. 157.

Kredit §. 343. als Umlaufsmittel §. 415.

K. Anſtalten, landw. §. 465. K. Ein-

richtungen §. 416.

Kreißen §. 251.

Krempeln §. 305. K. Maſchine §. 306.

Kreutzen §. 195.

Kriegsverwaltung, Verfaſſung vor a. 534.

§. 7., a. 534–888. §. 9., a. 888-

1272. §. 15., a. 1272–1518. §. 31.,

a. 1555. §. 25. N. 2.

Kronausdehnung der Bäume §. 264. N. 1.

Krummhölzerbau §. 111.

Krummholzöl §. 296.

Krummofen §. 282.

Küſte, im Hüttenweſen §. 280.

Küſtenhandel §. 355.

Kunſt, Kunſtgewerbe §. 41. 268. Zweig

der Volksw. §. 434. Gegenſt. der Staats-

ſorge §. 467.

Kunſtgewerbſteuer §. 493.

Kunſtkreutz §. 273 N. 4.

Kunſtröſte §. 308.

Kupferbrand §. 166.

Kurbel §. 273.

Kura §. 122.

L.

Lachter §. 90.

Lactometer §. 324.

Lärche §. 243.

Läuferölmühlen §. 295.

Läutern, Läuterwäſche §. 280,

Lager §. 87.

Lagerbücher §. 212.

Lagerhäuſer §. 470.

Landesbergkaſſe §. 462 N. 2.

Landesdienſte §. 18.

Landesdomänen §. 11.

— Gerichtsbarkeit a. 1272–1518 §. 21.

— Hauptleute §. 23 N. 1. §. 24.

— Herrlichkeit §. 14.

— Regirung a. 1518–1648. §. 25

N. 3.

— Schatzung §. 22.

— Steuern §. 17.

— Verfaſſung a. 1272–1818. §. 19. 20.

Landfolge §. 18.

— Gerichte §. 15.

— Güter, große u. kleine, verglichen §. 432.

— Handel §. 354. Gegenſtand der Staats-

ſorge §. 432.

— Hute §. 18.

— Münze §. 328 N. 2.

— Stände a. 888–1272. §. 13., a. 1272

-1518. §. 20.

— Straßen §. 472.

— Wehr, eine Steuer §. 17. N. 13.

— Wirthſchaft §. 132. Zweig der Volksw.

§. 432. Gegenſt. der Staatsſorge §.

363–365. Landw. Verſuche §. 210.

Landſchaftsgärtnerei §. 244. a.-246.

Langſchubhauen §. 113 N. 2.

[792/0814]

Lanzknechte §. 21.

Lappenjagd §. 251.

Lasreidel §. 228. 229.

Laternenbank e. §. 306.

Laubholzbau §. 238. 242. L. Sträucher

§. 242.

Laufrad §. 274.

Laugenprobe §. 304.

Lebensverſicherungsanſtalten §. 460.

Leckſalz, L. Stein §. 286. N. 10.

Legirung §. 290.

Lehen a. 534–888. §. 9., Lehensmiliz §.

15. L. Verfaſſung a. 534–888. §. 13.

Lehmgrube, der Gemeinden §. 388.

Leibbeede §. 17. N. 12.

Leibeigenſchaft, abzuſchaffen §. 67.

Leibespflichten §. 17.

Leibgeld, L. Korn, Pfenning, Schilling,

Zins §. 17 N. 12. L. Rente §. 336

503. L. Steuermeiſter §. 17 N. 11.

Leihanſtalten, L. Häuſer §. 460. L. Bank

§. 330. N. 3. L. Geſchäft §. 360. als

Zweig d. Volksw. §. 436.

Leihgewerbſteuer §. 494.

Leimen, der Wolle §. 306.

Lein §. 168. 169. Lein-Webſtuhl §. 308.

Leinewandſpinnerei, Weberei 308.

Leithunde §. 250.

Leoneſiſche Raſſe §. 201 N. 1.

Lerche §. 254.

Lichtſchlag §. 227.

Liebnuß §. 7 N. 6.

Liegende Stöcke §. 87.

Linde §. 241.

Linſe §. 157.

Lizent, Urſprung §. 22.

Lizenzen §. 493 N. 3.

Lochholz §. 93.

Löhnung, der Arbeiter §. 312 N. 2. §. 315.

Löthigkeit des Silbers §. 290. der Salz-

lauge §. 286 N. 4.

Lohe §. 301 N. 3.

Lotterie §. 484 N. 2.

— — Anleihen §. 503.

— — Looſe §. 336.

— — Regal §. 484. Entäußerlichkeit §. 510.

Lotto §. 484 N. 2.

Luchs §. 253.

Lumpenſchneider §. 309. L. Siebmaſchine

N. 5. Waſchmaſchine N. 3.

Luſtbarkeiten, Gegenſt. d. Staatsſorge §. 458.

Luxus §. 42. Ob verwerflich §. 72. 428.

L. Geſetze §. 458 L. Steuern, als Mit-

tel gegen Luxus §. 458.

Luzerne §. 178.

M.

Maaße §. 523. M. und Gewichtskunde

§. 325.

Maceriren, der Lumpen §. 309. N. 6.

Mächtigkeit der Lager §. 90.

Mähen, Mähemaſchine §. 152. 190.

Mählbrief §. 355.

Makler §. 363 N. 4. M. Ordnung §. 470.

Mäßigkeitsvereine §. 458.

Mäſtung §. 197.

Mahlmühle §. 294.

Mahlſteuer §. 500.

Mais §. 156.

Maiſche, Maiſchen §. 299. 300.

Majer, Major §. 7. N. 12. Major domus §. 8.

Malz, Arten §. 299.

Mangel §. 73.

Mangen §. 306.

Manifeſt §. 355.

Manual §. 80. 81.

Manufactur §. 314. vergl. mit Handwerk

§. 434.

Maréchaussée §. 23 N. 1.

Marder §. 253.

Mark, kölniſche, franzöſiſche, engliſche §.

290 N. 2.

Markſcheidekunſt §. 125.

Marktrechte, der Gemeinden §. 381 N. 3.

Maſchinen §. 272. Vor- und Nachtheile

für den Unternehmer §. 312. in Volks-

wirthſch. Hinſicht §. 410. N. 8. M. Theile

§. 273.

Maſſenzunahme des Holzes §. 264 N. 2.

Maßholder §. 240.

Materialienkunde, techniſche §. 269.

Mederheder, Mederhederei §. 355.

Meerhuhn §. 254.

Mehl, Getreide, Arten §. 294.

Mehlacciſe §. 500.

Mehlfuhren, b. Hüttenweſen §. 280.

Memorial §. 80. 81.

Mengemittel, landw. §. 147. 149.

Mercantilſyſtem §. 397.

Mergeln §. 147. 149. M. Gruben, der

Gemeinden §. 380.

Merinos §. 200 N. 1.

Meſſingbereitung §. 288. M. Ofen §. 282.

Meßbrief §. 355. M. Buch §. 370. M.

Schnur §. 264 N. 2. M. Wechſel §. 337.

Metallgeld §. 60. 328. als Umlaufsmittel

§. 413.

Metis §. 200 N. 1.

Miethzins §. 360. Beſtandtheile §. 361.

Milch, v. Kühen §. 199. v. Schaafen §. 200.

M. Meſſer §. 324. N. 8.

Militairfrohnden §. 18.

Mineralogie §. 83.

Minirer §. 366.

Miniſterium, von a. 534–888. §. 8., v.

a. 888–1272. §. 12.

Miſe §. 335.

Missaticum §. 7 N. 8.

[793/0815]

Missus regius §. 12. 14.

Miſt §. 145. M. Beete §. 187.

Mittelgraben, beim Schlämmen §. 280.

Mittelſtempel, b. Pochwerken §. 280.

Mittelwald §. 229.

Moder §. 136.

Möhren §. 161.

Mohn §. 171.

Moorhirſe §. 156.

Meratorium §. 369.

Moſtſteuer §. 500 N. 5.

Moſtwage, M. Meſſer §. 324 N. 8.

Mühlenordnung §. 453 N. 2.

Münze, Münzfuß §. 328. Gegenſt. d. Staats-

ſorge §. 442. Münzkunde §. 332. M.

Füße N. 2. M. Aus- und Einfuhrverbote,

M. Geſetze §. 442. Münzregal, Urſprung

§. 7. 11. 16. Verwaltung §. 511. Ent-

äußerlichkeit §. 510. M. Schienen, M.

Fabrikation §. 290.

Mulemaſchine §. 306.

Muſtergüter, M. Wirthſchaft §. 465.

Muſterrolle §. 355.

Muthen, Muthſchein, M. Zettel §. 122.

Mutterlauge §. 284.

N.

Nachbier §. 299 N. 6.

Nachdruck §. 468.

Nachhaltsbetrieb §. 262.

Nachſteuer, Urſprung §. 22.

Nachtfelden §. 18.

Nadelholzbau §. 243. N. Sträucher §. 244.

Nationalcapital §. 410. Einkommen §. 411.

Sein Verhältniß zum Aufwande §. 430.

Nationalöconomie §. 394. Geſchichtliches

§. 395. 396.

Natur, Güterquelle §. 408. N. Rente §. 422.

N. Kräfte, Förderung ihrer Benutzung

§. 439.

Naturaldienſte, Urſprung, N. Verpflegung,

öffentlicher Beamten im Mittelalter §. 7.

11. N. Wirthſchaft des Staats §. 475.

Navigationsacte §. 472.

Nebenbücher §. 81.

Nebenforſtnutzung §. 237.

Nebengang §. 87.

Nebengeſtein §. 87.

Negociation der Staatsanleihen §. 504.

Negretti, Heerde §. 200 N. 1.

Neſter §. 87.

Nettogewicht §. 363.

Neubruchzehnte §. 463.

Niederlagen §. 470.

Niederwald §. 228.

Nieren §. 87.

Noliſſement §. 353.

Nominalwerth, d. Actien §. 348. d. Staats-

papiere §. 349. §. 503.

Noppen, N. Eiſen, N. Maſchine §. 305.

Notabilienbuch §. 515.

Notenbank §. 330. verſchiedene in Europa

und America §. 333 N. 1.

Nothadreſſe §. 337.

Nothreißen §. 7. N. 8.

Novalzehnte §. 463.

Nüchternheitsvereine §. 458.

Nutzbare Mineralien, Anzeigen davon §. 86.

O.

Oberamtmann §. 24.

Oberhöfe §. 21.

Oberholz §. 229.

Oberſtänder §. 229.

Obſt §. 194 N. 1. O. Bau §. 193. O. Gar-

ten, ebendaſelbſt.

Oculiren §. 194. N. 3.

Octroi, ſtädtiſches §. 385 N. 3.

Oeconomie §. 39 N. 5.

Oelmühle §. 295.

Oelpflanzen §. 170. 172.

Oenometer §. 324 N. 8.

Omnium §. 504.

Ordentliche Steuer v. Nichtlehnsleuten §. 17.

Organſinſeide §. 307.

Ortsarme, Verſorgung §. 461.

Ortsfrevel §. 454.

Oryctognoſie §. 83.

P.

Paarung §. 195.

Packhöfe §. 470.

Pacht, P. Contrakt, landw. §. 109 N. 3.

Forſtw. §. 261 N. 1. P. Zins, Weſen

§. 360. 422. Beſtandtheile §. 361. Re-

gulatoren 422.

Panſterrad §. 275 N. 3.

Papier, gewöhnliches und ohne Ende, P.

Form, Leim, Maſchine, Mühle, Preſſe §. 309.

Papiergeld §. 160. 329. P. Kunde §. 333.

Daſſelbe als Umlaufsmittel §. 414. als

Gegenſt. der Staatsſorge §. 443.

Pappel §. 339.

Parangaria, Parata, Paravedi §. 7 N. 8.

Parforcejagd §. 251. P. Hunde §. 250.

Pari, des Geldes §. 347. der Actien §. 348.

d. Staatspapiere §. 349.

Partialobligationen §. 504.

Pascuarium §. 7.

Paſſivhandel §. 353.

Paſtinacke §. 161.

Patentſteuer §. 493.

Patricius §. 7.

Patron, des Schiffs §. 355.

Paular, Heerde §. 200 N. 1.

Pech, Arten, P. Griefen, P. Schwelerei §. 296.

Pedagium §. 7. N. 7.

Perſonalaufwand §. 514.

Perſonalſteuer, Urſprung §. 7. 17. Beur-

theilung §. 487. 488.

Pfalzgraf §. 8. 13. 16.

Baumſtark Encyclopädie. 51.

[794/0816]

Pfandhäuſer §. 460.

Pfannenſtein 3. 287.

Pfeilerbau §. 110. 111.

Pferdehacken §. 140. Pf. Wirthſchaft §. 144.

Pferde, Pf. Raſſen, Pf. Zucht §. 198.

Pfingſttänze §. 18.

Pflanzung §. 150. 188.

Pflanzbohrer, Pf. Kamp. §. 225 N. 3.

Pflaſtergeld, der Gemeinden §. 385 N. 4.

Pflückmaſchine §. 307.

Pflüge §. 140. Pflügen §. 142.

Pflugſteuer §. 17.

Pfropfen §. 194 N. 3.

Pfuhl §. 145.

Pfund, Sterling, Pf. Vlämiſch §. 328.

Phyſiocratie, phyſiocratiſches Syſtem §. 397.

Piacerewechſel §. 337.

Pingenbau §. 109.

Placita, placitare §. 11 N. 8. §. 12.

Pläntern, dunkles §. 227. Plänterhieb §. 262.

Pochen, Pocherz, P. Gänge, P. Mehl, P.

Sohle, P. Trog, P. Werke, P. Werks-

trüben §. 280.

Pönhaaſe §. 312.

πολιτεια§. 23. §. 7.

Polizei, Entſtehung §. 23. Begriff u. Theile

§. 438. ſtädtiſche §. 23 N. 1.

Polizeitaxen §. 445.

Polytechniſche Schule §. 440.

Pontaticum §. 7 N. 7.

Poſt, P. Anſtalt, Entſtehung §. 25. Gegen-

ſtand der Staatsſorge §. 470. P. Dieb-

ſtahl, Maaßregeln dagegen §. 452. P.

Regal §. 485. P. Entäußerlichkeit §. 510.

P. Verwaltung §. 511.

Präcipitivkaſten §. 284.

Präciswechſel §. 337.

Prägſchätz §. 290 N. 2. Berechnung §. 328.

N. 7.

Prämiengeſchäft §. 349 N. 3.

Präſentant §. 337.

Prätſchmaſchine §. 306.

Preis §. 57. 417. Regulatoren §. 58. 59.

418. 419. Arten §. 61., im Handel §. 340.

als Maaßſtab des Vermögens §. 403.

420. P. Mittel §. 60. P. Courant §. 366.

Preſſen, hydrauliſche, von Bramah u. Real

§. 275.

Preßdorf §. 108.

Primawechſel §. 337.

Privatcapital §. 410.

— Lager §. 470.

— Obligationen, Schuldbriefe §. 335.

Probirkunſt §. 83.

Productenkunde, techniſche §. 279.

Production §. 50. Beziehungen §. 51. 52.

404. 405. 409.

Productivität der Gewerbe §. 406.

Prolongirter Wechſel §. 337.

Promisory Notes §. 338.

Proprehandel §. 351.

Proteſt §. 337.

Proviſion §. 337.

Pürſchen, Pürſchgang, §. 251.

Pulveragium §. 7 N. 7.

Pulverregal §. 483. 510.

Pumpe, Saug- und Druck. §. 276.

Putzen §. 87.

Q.

Quartalwechſel §. 337.

Queckſilberofen §. 281 N. 6.

Queerbau §. 115.

Quetſchölmühle §. 295.

Quetſchwerke §. 280.

Quotitätsſteuern §. 487.

R.

Rabatt §. 342. Rabatten §. 191.

Raben §. 255.

Rad, an der Welle §. 273. Gegnerſches

§. 275 N. 2. Räder, verzahnte §. 273. N. 5.

Rammmaſchine §. 93.

Rangſteuer §. 488.

Raps §. 171.

Raub, Maaßregeln dagegen §. 451. R. Bau

§. 462 N. 3. R. Wild §. 253. 255. 256.

Rauhen des Tuchs, Rauhmaſchine §. 305.

Realaufwand §. 514.

Realſchulen §. 440.

Realſteuern §. 487.

Realwerth, der Actien §. 348. der Staats-

papiere §. 349. 503.

Reaſſecuranz §. 358.

Rebhuhn §. 254.

Rechenſchaftsbericht §. 516.

Rechnungsabſchluß §. 82. R. d. Staats §. 516.

Rechnungsjahr §. 516.

Rechnungmünze §. 328. Berechnung N. 3.

Recken, des Tuchs §. 305.

Rectification, Rectificator §. 300.

Referendarius, im Mittelalter §. 8.

Refractie §. 367.

Refrigerator §. 299 N. 9. §. 300.

Regalien, Urſprung §. 16. 22. Weſen §. 480.

Regalienverwaltung §. 511.

Regirung, Regirungen, Regirungscollegien,

R. Sachen §. 25.

Regiſtergebühren §. 497.

Reh §. 252.

Reibmühle §. 308.

Reichsdienſte §. 18. R. Domänen §. 11. R.

Gerichtsbarkeit §. 21. R. Güter §. 16.

R. Lehenhof. §. 25 N. 3. R. Polizeiord-

nung §. 25 N. 2. R. Schatzung §. 22.

R. Steuern §. 17. R. Tage, R. Stände

a. 534–888. §. 8., a. 888–1272. §.

13., a. 1272–1518. §. 19. 20. R. Un-

mittelbare §. 14. R. Vögte §. 14. R.

Kammergericht, Stiftung deſſelben §. 21.

Reichthum §. 39 N. 2. §. 73.

Reinmachsgraben §. 280.

[795/0817]

Reitzmittel, landw. §. 146. 149.

Religionsſachen, Verwaltung a. 534–888.

§. 10 N. 1.

Remedium §. 290 N. 5.

Remittent §. 337.

Rente, Rentner §. 360. Renten, Staats-

obligationen §. 336. 503.

Repartitionsetat §. 515.

Repartitionsſteuern §. 487.

Reps §. 171.

Reſervefonds §. 514.

Reſpecttage §. 337.

Rettungskaſſen §. 460. R. Häuſer §. 461.

Reußen §. 256.

Reverberirſchmelzofen §. 282.

Reviſion, R. Notaten, R. Protocoll, bei

Staatsrechnungen §. 516 N. 2.

Rezipiß §. 363 N. 4.

Rheder, Rhederei §. 355.

Ricke §. 252.

Rimeſſenbuch §. 370.

Rindviehraſſen, Zucht §. 199.

Riskontro §. 344.

Riſtorno §. 358 N. 1.

Rivaticum §. 7 N. 7.

Röhrenofen §. 281 N. 6.

Römiſche Wage §. 324. N. 5. 6.

Röſchhäuptel §. 280.

Röſten, der Erze, Röſtofen §. 281. Röſten

des Flachſes u. Hanfes §. 308 N. 2.

Roggen §. 155.

Roieſtab §. 328 N. 2.

Rollquetſchölmühle §. 295.

Rollſchacht §. 105.

Rothgerberei §. 301.

Rothtanne §. 243.

Rothwild §. 252.

Rüben §. 161.

Rübſen §. 171.

Rücklauf §. 349 N. 3.

Rückwechſel §. 337.

Rückzoll §. 470.

Rührpflug §. 140.

Rüſter §. 240.

Rüttelkaſten §. 284.

Runkelrübe §. 161.

Ruſticalſteuer §. 494.

S.

Saamenſchlag §. 227.

Saat §. 150.

Saatkamp §. 225 N. 3.

Saatrübe §. 161.

Saccharometer §. 299 N. 2.

Sägemühle F. 297.

Sämiſchgerberei §. 301.

Saflor §. 174.

Safran §. 174.

Saldo, S. Buch §. 81. 82.

Salinen, Salzſiederei, S. Kothen §. 286. 287.

Salpeterregal, Entäußerlichkeit §. 510.

Salzregal §. 483. 510.

Salzwerksbau §. 118.

Salzſteuer §. 500.

Sandboden §. 137.

Sandgruben, der Gemeinden §. 380.

Sandröhren §. 93.

Schaaf, Sch. Raſſe, Sch. Wolle, Sch. Zucht

§. 200.

Schaalenwage §. 324 N. 4.

Schacht §. 95. Schachtofen §. 282.

Schälpflug §. 139.

Schaffner §. 7. 12.

Schaffwerth §. 402. 417.

Schatzſcheine §. 502.

Schatzſteuer §. 22.

Schatzung §. 17 N. 3. §. 22.

Schauanſtalten §. 453 N. 2.

Scheeren oder Schieren der Kette, §. 305.

306. Scheeren des Tuchs, Scheermaſchine

Sch. Mühle §. 305.

Scheibe, excentriſche §. 275 N. 4.

Scheidemünzen §. 328 N. 7.

Schicht §. 122.

Schiffergilden §. 472.

Schifffahrt §. 355. Sch. Geſetze, Verträge

§. 472. Zölle der Gemeinden §. 385 N. 2.

Schiffslaſt, Sch. Parte, Sch. Tagebuch §. 355.

Schiftung §. 464.

Schlachtſteuer §. 500.

Schlagſchatz §. 270 N. 2. Berechnung §.

328 N. 7.

Schlagſtellung §. 227.

Schlagwaldbetrieb §. 262.

Schlamm, Schlämmgraben, Schl. Küſte,

Sch. Schlieg §. 280. Schlammkaſten §, 284.

Schlechten §. 87.

Schleichbetrieb §. 262.

Schlichten §. 305. 306.

Schlieg §. 280.

Schlußzettel §. 363 N. 4.

Schmalthier §. 252.

Schmelzofen §. 282.

Schnaar §. 254.

Schneegans §. 254.

Schneideln §. 230.

Schneidemühle §. 297.

Schnellwage §. 324 N. 5. 6.

Schnepfe §. 254.

Schnitt §. 152. 190.

Schnüre §. 273 N. 5.

Schöffen §. 10.

Schoß §. 17 N. 13.

Schraube §. 273 N. 5.

Schröpfer, Ackergeräthe §. 140.

Schrot, im Münzweſen §. 290 N. 2. Be-

rechnung §. 328 N. 7.

Schrot, v. Getreide, Schrotmühle §. 294.

Schrubbeln §. 305.

Schürfen §. 91.

Schüttboden §. 159.

Schuldbuch §. 81.

[796/0818]

Schuldentilgung, Sch. Tilgkaſſe §. 336.

Schußgerinne §. 280.

Schußjagd §. 251.

Schwänzel §. 280.

Schwarzwild §. 252.

Schwebende Schuld §. 505.

Schwefelläuterofen, Sch. Treibofen §. 281.

N. 6.

Schweineraſſen, Sch. Zucht §. 202.

Schweißhund §. 280.

Schwingkugeln, Sch. Rand §. 273 N. 6.

Schwingmaſchine §. 308 N. 2.

Scontriren §. 344.

Scrip §. 504.

Sechſender §. 252.

Secundawechſel §. 337.

Sedimentiren, Sedimentirkaſten §. 284.

Seeaſſecuranz §. 358.

Seehandel §. 355.

Seeraben, z. Fiſchen gebraucht §. 255.

Seeräuberei §. 452.

Seeſalz §. 286.

Seewechſel §. 357.

Segoviſche Raſſe §. 200. §. 1.

Seide, Seidenhaspel, S. Spinnerei, S.

Weberei, Webſtuhl, Zwirnmaſchine §. 307.

Seidenzucht §. 206.

Seife, S. Siederei, S. Siederlauge §. 304.

Seigerheerd, S. Ofen §. 282.

Selbſtverwaltung, landw. §. 209. Forſtw.

§. 261. der Staatsbergwerke §. 477.

der Staatsdomänen §. 478. der Staats-

forſte §. 479. der Staatsmünze §. 482.

der St. Poſt §. 486.

Senkwage §. 324. N. 8.

Sendgraf §. 12. 14.

Sendkoſten §. 18.

Sengen, Sengmaſchine §. 306.

Senſale, Senſarie §. 363 N. 4.

Serien bez. Staatspap. §. 504.

Serjantes §. 17 N. 6.

Servitium §. 17 N. 4. Servitia Comitiae §. 18.

Servitute, Ablöſung F. 463. 467.

Setzarbeit, S. Schlamm §. 280.

Seynbrief §. 359.

Sibiriſcher Ofen §. 282.

Sicherheitslampe, v. Davy §. 99.

Sichtwechſel §. 337.

Siebarbeit §. 280.

Siedpfanne §. 287.

Silber §. 328. Werthsverhältniß z. Gold,

Berechnung N. 5.

Silo §. 159.

Sinter §. 286 N. 10.

Situationsetat §. 515.

Skarrifikator, Ackergeräthe §. 140.

Sklaverei, aufzuheben §. 67.

Smith'ſches Syſtem §. 397.

Soggen, Soggpfanne, Soggenſtiel §. 287.

Sohle §. 90. Sohlenſalz §. 286.

Solawechſel §. 337.

Soldmilitz §. 16.

Solidus §. 7. N. 10.

Soll §. 80.

Sorianiſche Raſſe §. 200 N. 1.

Spaccio §. 337.

Sparkaſſen §. 441.

Sparſamkeit §. 73.

Speculation, kaufm. §. 366.

Spediteur, Spedition, Speſen §. 363 N. 4.

Speditionsbuch §. 363 N. 4. §. 370. Spe-

ditionsanſtalten, wichtig für den Ver-

kehr §. 470.

Spelz §. 155.

Spergel §. 178.

Spezialiſationsſyſtem §. 514.

Spezialiſirung, der Verwaltung §. 507.

Spezialpacht §. 478.

Spielbanken §. 484.

Spießbock, Spießer §. 252.

Spießglanzſeigerofen §. 282.

Spillenrad §. 274.

Spindel §. 324 N. 5. Sp. Bank §. 306.

Spinnen, Spinnrad, Sp. Maſchine §. 305.

Sporco, Gewicht §. 363 N. 4.

Sporteln, Urſprung §. 11. Beurtheilung §. 497.

Spulen, Spulrad, Spulmaſchine §. 305. 306.

Staatsabgaben, Erhöhung derſelben, als

außerordentliche Quelle §. 514 N. 3.

— anleihen §. 305. 336.

— Ausgaben, Arten §. 513.

— Banken §. 444. 484.

— Bankerott §. 505.

— Bergbau §. 477.

— Betriebsfonds §. 476.

— Capitalien §. 484.

— Diener, Steuerpflicht zu Gemeindebedürf-

niſſen §. 385 N. 2.

— Eigenthum, deſſen Veräußerung als

außerordentl. Finanzquelle §. 514 N. 4.

— Einnahmen, Verwendung §. 514.

— Forſtverwaltung §. 511.

— Forſtwirthſchaft §. 579.

— Hüttenweſen §. 481.

— Kaſſenweſen §. 516.

— Kredit §. 502.

— Landgüter §. 478.

— Lotterie, abzuſchaffen §. 458. 484.

— Monopolien §. 483.

— Münzweſen §. 482.

— Obligationen, Papiere §. 336.

— Papiergeld §. 329. Tilgung §. 505.

— Papierhandel §. 349.

— Rechnungsweſen §. 516.

— Salpeterien §. 481.

— Schatz §. 514 N. 2.

— Schulden, als außerordentl. Finanz-

mittel §. 514 N. 5.

— Schuldverwaltung §. 512.

— Steuerweſen §. 486 folg.

— Vormundſchaft, über Gemeinden §. 378.

— Waldungen, Veräußerlichkeit §. 509.

[797/0819]

Staatswirthſchaft §. 473.

Städtegerichtsbarkeit §. 21.

Stämme, Berechnung ihres cubiſchen Ge-

halts §. 264.

Stände, im Volke §. 426.

Stallfütterung §. 196. der Schaafe §. 200.

Stampfölmühle §. 295.

Stange, gezahnte §. 273 N 4.

Stapel §. 200.

Stapelrecht, abzuſchaffen §. 472.

Status §. 369.

Steinbruch §. 109. Steinbrüche der Ge-

meinden §. 380.

Stempelſteuer §. 497.

Steuerlaſt, deren Ausgleichung in verſchied.

Landestheile §. 514 N. 6.

Steuerpacht §. 512.

Steuerrecht, Urſprung §. 22. 486.

Steuerverwaltung §. 512.

Steuerweſen a. 888–1272 §. 17. Grund-

geſetze der Beſteur. §. 486.

Stichelhaare §. 200.

Stichtorf §. 108.

Stock, Stöcke ſtehende, Stockwerke §. 87.

Stockwerksbau §. 116.

Stockente §. 254.

Stocksjobbery §. 349 N. 3.

Störpfanne §. 287.

Stoffkunde, techniſche §. 269.

Stollen §. 95.

Stoßbau §. 112 N. 1.

Stoßſpaten §. 225 N. 3.

Straberrad, Strauberrad §. 275 N. 3.

Strandrecht §. 358.

Straßenfrohnden §. 7 N. 8.

Straßengeld §. 497.

Strazze §. 80. 81.

Strebebau §. 110.

Strecke §. 95.

Strecken §. 305.

Streichen, Streichmaſchine §. 305. 306.

Streichen, der Lagerſtätten §. 88. Inſtru-

mente, um es zu beſtimmen §. 89.

Ströme, Fahrbarmachung §. 472.

Stroßenbau §. 113.

Stückelung §. 290 Note 2. Berechnung

§. 328 N. 7.

Stückgüter, Aſſecuranz auf, §. 358 N. 1.

Stückkohl §. 116.

Stücklohn §. 68.

Stufferz §. 280.

Sublimiren, der Erze §. 281. Sublimir-

ofen §. 281 N. 6.

Subſcription, bei Staatsanleihen §. 504.

Subſidien, subsidium regium §. 17.

Sumpfſchlamm §. 280.

Supercargo §. 355.

Superinventarium §. 314.

Supplement, eine Steuer §. 17 N. 3.

Syſteme der Volkswirthſchaft §. 397.

T.

Taback §. 165. 166.

Tabacksmonopol, Entäußerlichkeit §. 510.

Tabacksſteuer §. 500.

Taglöhner §. 68.

Tagskauf §. 349 N. 3.

Talglichtzieherei §. 303.

Tallie §. 17 N. 13.

Tanne §. 243.

Taſſen, des Heues §. 182.

Taube, wilde §. 254.

Tauſch §. 320. T. Mittel §. 60. T. Werth

§. 39. 57. 402. 417. Derſelbe als Maaß-

ſtab des Vermögens §. 403. T. Syſtem,

in der Löhnung §. 315.

Taxen §. 497.

Techniſche Schulen §. 440.

Technologie §. 268.

Templinöl §. 296.

Tertiärgebilde §. 85.

Tertiawechſel §. 337.

Teufe §. 90.

Teufel §. 306.

Thaler, Banco §. 328 N. 3.

Thara, Gewicht §. 363 N. 4.

Theer, Th. Schwelerei §. 296.

Theuerung, Th. Polizei §. 459.

Thier §. 252. Thiere, ſchädliche in der

Landw. §. 151 N. 4. in d. Forſtw. §. 233.

Th. Diebſtahl, Maaßregeln dagegen §. 452.

Th. Garten §. 248. Th. Krankheiten, ſ.

Krankheiten, Th. Maſchinen §. 274.

Th. Schaden, Maaßregeln dagegen §. 450.

Th. Zucht §. 194 a.

Thonboden §. 137.

Thorſperrgeld §. 385 N. 4.

Thürſteuer §. 494.

Tiegelofen §. 282.

Tilgung, der Staatsanleihen §. 505. Tilg-

kaſſe, T. Plan, T. Fonds §. 505.

Tonne, Schiffsgewicht §. 355.

Tontine §. 336. 503.

Topinambour §. 162.

Torfgräberei §. 108.

Torfmoore der Gemeinden §. 380.

Tractatoria §. 7. N. 8.

Tragewerk §. 95.

Tramſeide §. 307.

Transhumantes §. 200 N. 1.

Tranſithandel §. 353. Zweig der Volksw.

§. 435. Gegenſt. d. Staatsſorge §. 470.

Trappe §. 254.

Traſſant, Traſſat §. 337.

Tratte, Tratte für fremde Rechnung §. 337.

Trattenbuch §. 370.

Trauben §. 194 N. 1.

Treckbütte §. 285.

Treibhäuſer §. 189.

— Heerd §. 282.

— Jagd §. 255.

[798/0820]

Treibſalz §. 287.

Treſorſcheine §. 502.

Tretrad, T. Scheibe §. 274.

Tribut §. 17 N. 13.

Trilling §. 273 N. 5.

Triſten §. 159.

Trockenkammer §. 287.

Trockene Wechſel §. 337.

Trödelhandel §. 470.

Tuchweberei §. 305.

Tüdern §. 196.

U.

Uebergang, von einer Waldwirthſchaft zur

andern §. 232.

Uebergangsgebilde §. 85.

Ueberröſchen §. 91.

Ueberſchuß §. 73. Verwendung §. 78.

Ulme, im Bergbau §. 90.

Ulme, der Baum §. 240.

Umlagsrecht, der Gemeinden §. 383.

Umlaufsmittel §. 413.

Umſchlagsrecht §. 472.

Ungenoſſengeld §. 17 N. 11.

Univerſitäten, Stiftung §. 23 N. 6.

Unkräuter, landw. §. 151 N. 4.

Unterholz §. 228.

Unterrichtsanſtalten, bergmänn. §. 462.

landw. §. 465. forſtw. §. 466.

Unterſchurſtempel §. 280.

Urbarmachen §. 139. 222. 463. 467.

Urgebilde §. 85.

Urgewerbe §. 41. Urgewerbſteuer §. 492.

Uſancen §. 367.

Uſowechſel §. 337.

V.

Valuta, veränderliche und unveränderliche

beim Geldcurszettel §. 347. beim Wech-

ſelcurszettel §. 350.

Valvation, Valvationstabellen §. 328.

Ventile §. 273 N. 4.

Verbindungen der Arbeiter und Lohnherrn

gegen einander §. 312 N. 2.

Verbrauch §. 71. V. Vorrath §. 54. 402.

417. V. Steuer §. 498.

Verdämmen §. 100.

Veredelung der Pflanzen §. 189. der Thiere

§. 195.

Vereine, landw. §. 465. gewerkliche §. 468.

Verheurer, Verheuerung §. 355.

Verkehr §. 37.

Verklarung §. 358 N. 2.

Verleihung, der Staatsbergwerke §. 477.

Vermögen §. 39. 399. Vermögensſtamm,

todter §. 54. Maaßſtab des Vermögens

§. 403. Vermögensſteuer §. 489.

Verpachtung, landw. §. 209. forſtw. §. 261.

der Domänen §. 478. der Staatsforſte

§. 479. des Staatshüttenweſens, der

Staatsſalinen, St. Salpetrien §. 481.

483. des Staatsmünzweſens §. 482. der

St. Lotterien §. 484. d. St. Poſt §. 485.

Verſatzgeſchäft §. 349.

Verſchreibungen §. 334.

Verſchwendung §. 72.

Verſicherung, im Allg. §. 455. Arten §. 458.

Verſuche, techniſche §. 314.

Verwendung §. 71 72. 74.

Verwittern, der Erze §. 280.

Verzehrung, Zweck u. Arten §. 412. Ver-

hältniß zur Production §. 439.

Verzinſung, der Staatsſchuld §. 505.

Viehaſſecuranz §. 456.

Viehſteuer §. 497 N. 6.

Viehzucht, Gegenſt. der Staatsſorge §. 446.

Vierfelderwirthſchaft §. 211.

Villa §. 12.

Villicus §. 7. 12.

Virement §. 344.

Viſirſtab §. 323 N. 2.

Vitriolſiederei §. 285.

Vizedom §. 24.

Vließ §. 200.

Vögel zur Jagd §. 250.

Vogeldienſte §. 18. V. Geld §. 17 N. 8.

Vogt §. 16.

Volkseinkommen §. 411. Verhältniß deſſel-

ben zum V. Verbrauche §. 430. V. Be-

triebſamkeit, V. Gewerbſamkeit §. 394.

N. 1. V. Gemeinden §. 8. V. Rechte §. 7.

N. 1. V. Vermögen §. 399. 401. Beſtand-

theile deſſelben §. 400. V. Wirthſchaft

§. 394. Geſchichtliches von derſelben §.

395. 396. V. Wirthſchaftspflege §. 438.

Vorſpinnen, Vorſpinnmaſchine §. 306.

W.

Waare §. 320 a. Waarencalculationsbuch

§. 370. W. Handel §. 346. Maaßregeln

gegen Betrug in demſelben §. 453. Ge-

genſt. der Staatsſorge §. 469. W. Kunde

§. 325. W. Lehre §. 321. W. Skontro §. 370.

Wachsfaß §. 284.

Wachslichtzieherei §. 303.

Wachtel, W. König §. 254.

Wägemaſchine §. 324 N. 6.

Währungen §. 328.

Wärmpfanne §. 287.

Wagbaum §. 273 N. 4.

Wagen, Arten §. 324.

Waid §. 174.

Waiſenhäuſer §. 461.

Waiſenkaſſen §. 460.

Walken, W. Mühle §. 306.

Wald, Wälder, Waldungen, für weſſen

Beſitz ſie ſich eignen §. 261. W. Boden,

abſoluter, relativer §. 257. W. Diebſtahl

§. 452. W. Feldbetrieb §. 262. W. Fre-

vel §. 454. W. Schnepfe §. 254. W. Ser-

vitute §. 467.

Walzölmühle §. 295.

[799/0821]

Walzwerke §. 280.

Wartung der Gartenpflanzen §. 189.

Waſcharbeit, W. Erz, W. Heerd §. 280.

W. Wolle §. 305.

Waſſerfurchenpflug §. 139 N. 3.

Waſſerhandel §. 355. Gegenſt. der Staats-

ſorge §. 472.

Waſſerhebung, W. Loſung §. 100.

Waſſermaſchinen, W. Räder, W. Säulen-

maſchine §. 275.

Waſſerſchaden, Maaßregeln dagegen §. 449.

Waſſerſeige §. 95.

Waſſertracht §. 353.

Waſſertrommel §. 99.

Waſſerzölle §. 472. 497.

Watermaſchine §. 306.

Wau §. 174.

Weberdiſtel §. 176.

Webſtuhl §. 305.

Wechſel §. 337. 416 N. 1. falſche und ver-

fälſchte §. 337. W. Copien §. 337. W. Co-

pirbuch §. 370. W. Curs §. 350. W. Du-

plicate §. 337. W. Geſchäfte, W. Handel

§. 350. W. Geſetze §. 444. W. von der

Hand, W. Proteſt §. 337. W. Prozeß

§. 444. W. Reiterei §. 350. W. Skontro

§. 370. W. Valuta §. 337.

Wechſelſyſtem §. 211.

Weggeld, Urſprung §. 18. der Gemeinden

§. 355 N. 4. des Staats §. 497.

Wehrliſchulen §. 461.

Weidebau §. 183.

Weidegang §. 196.

Weiden §. 241

Weinacciſe §. 500.

Weinbau §. 193 N. 2. §. 194 N. 2.

Weingeiſt §. 300 N. 2.

— Steuer §. 500.

Weinwage §. 324 N. 8.

Weiſat §. 22.

Weißbuche §. 240.

Weißgerberei §. 301.

Weißſieden der Münzen §. 290 N. 6.

Weißtanne §. 243.

Weitungsbau §. 117.

Weitzen §. 155.

Werfgeld §. 356.

Werft §. 306.

Wergg §. 308.

Werkzeuge §. 272.

Werth §. 39. 57.

Wetter, im Bergbaue, W. Führung, W.

Loſung, W. Wechſel §. 99.

Wicke §. 157.

Wieſel §. 253.

Wieſenbau §. 181. 182.

Wild, Wildpret §. 252. 254. 256. W.

Bahn §. 246 a. Arten §. 247. 248.

W. Dieberei §. 452. W. Ente §. 254.

W. Katze §. 253. W. Schwein §. 252.

W. Taube §. 254.

Wildfangsrecht §. 7 N. 11.

Winde §. 274.

Windflügel §. 276.

Windhandel §. 349 N. 3.

Windhund §. 250.

Windofen §. 282.

Wirthſchaft §. 39. W. Polizei §. 438.

Wirthſchafter, auf d. Domänen im Mittel-

alter §. 7. 12.

Wismuthſeigerofen §. 282.

Wittwenkaſſe §. 460.

Wolf, das Raubthier §. 253.

Wolf, die Maſchine §. 305. 306.

Wohlſtand §. 73.

Wolle, Klaſſen, W. Wäſche §. 200. W.

Spinnerei, Weberei §. 305.

Wuchergeſetze §. 446.

Wühlpflug §. 140.

Würze §. 299.

Wurzelgewächſe §. 160.

Z.

Zähhäuptel §. 280.

Zainen §. 290.

Zausmaſchine §. 305.

Zehnte, Entſtehung §. 7. 11. Ablöſung

§. 463.

Zeigerwage §. 324 N. 6.

Zeitkauf §. 349 N. 3.

Zeitpacht, landw. §. 209. forſtw. §. 261.

der Domänen §. 488. der Staatsforſte

§. 479.

Zeitrenten §. 336.

Zerſchlagung der Domänen §. 478.

Zeugjagd §. 251.

Zettel, der, §. 306.

Zettelbank §. 330.

Zettelweſen §. 512.

Zeynbrief §. 359.

Zinkofen §. 281 N. 6.

Zinnfloßheerd §. 281 N. 6.

Zins, Census §. 7. 22.

Zins, v. Capital §. 360. Beſtandtheile §. 361.

Zinsfuß, Gegenſt. der Staatsſorge §. 446.

Zinſenreduction §. 336. 505.

Zoll, Zölle, Entſtehung §. 7. 11. 22. volks-

wirthſchaftlich §. 471. finanziell §. 501.

Zollvereine §. 471 N. 4. Zollregal §. 16.

Zopfende §. 264.

Zubuße §. 127.

Zunder, Sinter §. 286 N. 11.

Zunftweſen, Einrichtung §. 312. Gegenſt.

der Staatsſorge §. 467.

Zurücklegen §. 72.

Zurundung, der Grundſtücke §. 464.

Zuſchlag §. 385.

Zwangsanleihen §. 502.

Zweifelderwirthſchaft §. 211.

Zwirnen, Zwirnmaſchine §. 306. 307.

Zwiſchenhandel §. 353. Zweig der Volksw.

§. 435. Gegenſt. der Staatsſorge §. 470.

[[800]/0822]

Druckfehler.

S. 5 N. 1 Z. 13 lies mulctetur ſtatt muletctur.

— 6 N. 2 Z. 15 l. victualia ſt. victulia.

— 8 §. 8 Z. 8 l. der Dienſt des ſt. der Referendarius.

— 17 §. 15 Z. 22 l übte ſie der ſt. übte der.

— 32 §. 26 Z. 14 l. Strafverhältniſſen ſt. Staatsverhältniſſen.

— 32 §. 26 Z. 29 l. lebenden ſt. leben.

— 33 §. 27 l. Amthor ſt. Anthor.

— 35 Zeile 1 l. der König von Schweden ſt. Schweden.

— 57 Z. 33 iſt 2) zu ſtreichen.

— 57 Z. 58 l. wenigſten ſt. wenigſtens.

— 63 §. 43 Z. 5 l. erhoben wird ſt. erhoben.

— 71 §. 50 N. 2 Z. 4 l. ſtatt 3, sub 2.

— 71 §. 50 N. 5 Z. 2 l. ſtatt 3, Note 4.

— 73 §. 53 Z. 7 ſtreiche man ſind.

— 76 §. 55 Z. 2 von unten l. körperlichen ſt. bürgerlichen.

— 127 §. 99 Z. 8 l. Gruben ſt. Gräben.

— 128 Z. 21 l. ihre ſt. ſeine.

— 139 §. 110 Z. 3 l. den ſt. dem, und fallenden ſt. fallende.

— 143 §. 114 Z. 7 hinter u. ſ. w. ein an.

— 187 N. 4 l. mehrmals Podewils ſt. Padewils.

— 191 Z. 11 ſtreiche man 6) und ſetze es beim Punkte der Z. 14 ein.

— 203 §. 159 Z. 7 l. Feimen ſt. Frimen.

— 222 §. 181 Z. 10 l. Schröpfen ſt. Schröfen.

— 225 Z. 19 l. Schaafe nicht vor ſt. Schaafe vor.

— 247 ſtatt l. 4 und 5, 3 und 4.

— 278 Z. 2 von unten l. ſein ſtatt geſchehen.

— 280 §. 230 Z. 2 l. den Kopf ſt. dem Kopfe.

— 281 §. 232 Z. 1 l. Beſtockung ſt. Beſteckung.

— 320 Z. 4 von unten l. den ſt. der.

— 335. 336. 337 l. mehrmals mécanique ſt. mechanique.

— 344 N. 1 Z. 7 l. verſchiedenen ſt. verſchiedene.

— 430 §. 309 Z. 14 l. kommt ſt. wird.

— 435 Z. 24 l. einen ſt. einem

— 437 Z. 17 l. Gilden ſt. Gülden.

— 444 §. 318 Z. 1 l. Gewerben ſt. Gewerken.

— 447 N. 7 Z. 6 l. jenen ſt. jener.

— 447 N. 7 Z. 13 ſtreiche 40me.

— 455 §. 326 N. 1 Z. 1 lies §. 290 ſtatt §. 200.

— 462 §. 332 N. 1 und S. 463 §. 333 N. 1 l. Novack ſt. Nopack.

— 463 §. 333 N. 1 Z. 6 lies §. 332 ſtatt §. 327.

— 472 §. 342 N 1 Z. 5 u. 9 lies [FORMEL] ſtatt [FORMEL]

— 512 N. 3 Z. 14 l. Raub ſt. Staub.

— 534 Z. 10 l. eines ſt. ein.

— 549 §. 401 N. 3 Z. 3 l. bezogen ſt. beziehen.

— 555 N. 2 Z. 8 l. unterſcheidet ſt. ſpricht.

— 557 §. 408 N. 1 Z. 1 lies §. 86 ſtatt §. 31.

— 558 Z. 12 von unten l. Arbeitsfähigkeit ſt. Arbeitsunfähigkeit.

— 560 N. 2 Z. 11 l. 5⅓ ſtatt 2⅔.

— 575 N. 6 Z. 30 l. geſchehen ſt. erſcheinen.

— 582 N. 3 Z 1 l. beruhendes ſt. berechnendes.

— 592 Z. 10 l. geſtattete ſt. geſtaltete.

— 631 Z. 26 l. dieſelbe ſt. dieſelben.

— 666 §. 465 Z. 3 l. der ſt. den.

— 703 Z. 10 von unten l. disponiren ſt. dispinoriren.

— 720 N. 4 Z. 7 von unten l. rohes ſt. wahres.

— 757 §. 504 Z. 6 l. vor ſt. von.

— 759 §. 506 Z. 2 l. verringern ſt. vereinigen.

[[801]/0823]

[[802]/0824]

[[803]/0825]