(Reichsgesetzblatt 1896, S. 195, Nr. 21, ausgegeben am 24. 08. 1896, in Kraft seit 01. 01. 1900)
(1. Fassung - Reichsgesetzblatt 1896, S. 195, Nr. 21, ausgegeben am 24. 08. 1896, in Kraft seit 01. 01. 1900)
Bürgerliches Gesetzbuch. Vom 18. August 1896.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.
verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths
und des Reichstags, was folgt:
Erstes Buch.
Allgemeiner Theil.
Erster Abschnitt.
Personen.
Erster Titel.
Natürliche Personen.
§. 1. Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der
Geburt.
§. 2. Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des einundzwanzigsten
Lebensjahrs ein.
§. 3. Ein Minderjähriger, der das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat,
kann durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts für volljährig erklärt werden.
Durch die Volljährigkeitserklärung erlangt der Minderjährige die
rechtliche Stellung eines Volljährigen.
§. 4. Die Volljährigkeitserklärung ist nur zulässig, wenn der
Minderjährige seine Einwilligung ertheilt.
Steht der Minderjährige unter elterlicher Gewalt, so ist auch die
Einwilligung des Gewalthabers erforderlich, es sei denn, daß diesem weder die
Sorge für die Person noch die Sorge für das Vermögen des Kindes zusteht. Für
eine minderjährige Wittwe ist die Einwilligung des Gewalthabers nicht erforderlich.
§. 5. Die Volljährigkeitserklärung soll nur erfolgen, wenn sie das Beste
des Minderjährigen befördert.
§. 6. Entmündigt kann werden:
1. wer in Folge von Geisteskrankheit oder von
Geistesschwäche seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag;
2. wer durch Verschwendung sich oder seine
Familie der Gefahr des Nothstandes aussetzt;
3. wer in Folge von
Trunksucht seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag oder sich oder seine
Familie der Gefahr des Nothstandes aussetzt oder die Sicherheit Anderer
gefährdet.
Die Entmündigung ist wiederaufzuheben, wenn der Grund der Entmündigung
wegfällt.
§. 7. Wer sich an einem Orte ständig niederläßt, begründet an diesem
Orte seinen Wohnsitz.
Der Wohnsitz kann gleichzeitig an mehreren Orten bestehen.
Der Wohnsitz wird aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen
aufgehoben wird, sie aufzugeben.
§. 8. Wer geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt
ist, kann ohne den Willen seines gesetzlichen Vertreters einen Wohnsitz weder
begründen noch aufheben.
§. 9. Eine Militärperson hat ihren Wohnsitz am Garnisonorte. Als
Wohnsitz einer Militärperson, deren Truppentheil im Inlande seinen Garnisonort
hat, gilt der letzte inländische Garnisonort des Truppentheils.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf Militärpersonen, die nur
zur Erfüllung der Wehrpflicht dienen oder die nicht selbständig einen Wohnsitz
begründen können.
§. 10. Die Ehefrau theilt den Wohnsitz des Ehemanns. Sie theilt den
Wohnsitz nicht, wenn der Mann seinen Wohnsitz im Ausland an einem Orte
begründet, an den die Frau ihm nicht folgt und zu folgen nicht verpflichtet
ist.
Solange der Mann keinen Wohnsitz hat oder die Frau seinen Wohnsitz nicht
theilt, kann die Frau selbständig einen Wohnsitz haben.
§. 11. Ein eheliches Kind theilt den Wohnsitz des Vaters, ein
uneheliches Kind den Wohnsitz der Mutter, ein an Kindesstatt angenommenes Kind
den Wohnsitz des Annehmenden. Das Kind behält den Wohnsitz, bis es ihn
rechtsgültig aufhebt.
Eine erst nach dem Eintritte der Volljährigkeit des Kindes erfolgende
Legitimation oder Annahme an Kindesstatt hat keinen Einfluß auf den Wohnsitz
des Kindes.
§. 12. Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens dem Berechtigten von
einem Anderen bestritten oder wird das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt,
daß ein Anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, so kann der Berechtigte
von dem Anderen Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere
Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen.
§. 13. Wer verschollen ist, kann nach Maßgabe der §§. 14 bis 17 im Wege
des Aufgebotsverfahrens für todt erklärt werden.
§. 14. Die Todeserklärung ist zulässig, wenn seit zehn Jahren keine
Nachricht von dem Leben des Verschollenen eingegangen ist. Sie darf nicht vor
dem Schlusse des Jahres erfolgen, in welchem der Verschollene das
einunddreißigste Lebensjahr vollendet haben würde.
Ein Verschollener, der das siebzigste Lebensjahr vollendet haben würde,
kann für todt erklärt werden, wenn seit fünf Jahren keine Nachricht von seinem
Leben eingegangen ist.
Der Zeitraum von zehn oder fünf Jahren beginnt mit dem Schlusse des
letzten Jahres, in welchem der Verschollene den vorhandenen Nachrichten zufolge
noch gelebt hat.
§. 15. Wer als Angehöriger einer bewaffneten Macht an einem Kriege Theil
genommen hat, während des Krieges vermißt worden und seitdem verschollen ist,
kann für todt erklärt werden, wenn seit dem Friedensschlusse drei Jahre
verstrichen sind. Hat ein Friedensschluß nicht stattgefunden, so beginnt der
dreijährige Zeitraum mit dem Schlusse des Jahres, in welchem der Krieg beendigt
worden ist.
Als Angehöriger einer bewaffneten Macht gilt auch derjenige, welcher
sich in einem Amts- oder Dienstverhältniß oder zum Zwecke freiwilliger
Hülfeleistung bei der bewaffneten Macht befindet.
§. 16. Wer sich bei einer Seefahrt auf einem während der Fahrt
untergegangenen Fahrzeuge befunden hat und seit dem Untergange des Fahrzeugs
verschollen ist, kann für todt erklärt werden, wenn seit dem Untergang ein Jahr
verstrichen ist.
Der Untergang des Fahrzeugs wird vermutet, wenn es an dem Orte seiner
Bestimmung nicht eingetroffen oder in Ermangelung eines festen Reiseziels nicht
zurückgekehrt ist und wenn
bei Fahrten innerhalb der Ostsee
ein Jahr,
bei Fahrten innerhalb anderer
europäischer Meere, mit Einschluß sämmtlicher Theile des Mittelländischen,
Schwarzen und Asowschen Meeres, zwei Jahre,
bei Fahrten, die über außereuropäische Meere führen, drei Jahre
seit dem Antritte der Reise verstrichen sind. Sind Nachrichten über das
Fahrzeug eingegangen, so ist der Ablauf des Zeitraums erforderlich, der
verstrichen sein müßte, wenn das Fahrzeug von dem Orte abgegangen wäre, an dem
es sich den Nachrichten zufolge zuletzt befunden hat.
§. 17. Wer unter anderen als den in den §§. 15, 16 bezeichneten
Umständen in eine Lebensgefahr gerathen und seitdem verschollen ist, kann für
todt erklärt werden, wenn seit dem Ereignisse, durch welches die Lebensgefahr
entstanden ist, drei Jahre verstrichen sind.
§. 18. Die Todeserklärung begründet die Vermuthung, daß der Verschollene
in dem Zeitpunkte gestorben sei, welcher in dem die Todeserklärung
aussprechenden Urtheile festgestellt ist.
Als Zeitpunkt des Todes ist, sofern nicht die Ermittelungen ein Anderes
ergeben, anzunehmen:
in den Fällen des §. 14 der Zeitpunkt, in welchem die Todeserklärung
zulässig geworden ist;
in den Fällen des §. 15 der
Zeitpunkt des Friedensschlusses oder der Schluß des Jahres, in welchem der
Krieg beendigt worden ist;
in den Fällen des §. 16 der
Zeitpunkt, in welchem das Fahrzeug untergegangen ist oder von welchem an der
Untergang vermuthet wird;
in den Fällen des §. 17 der
Zeitpunkt, in welchem das Ereigniß stattgefunden hat.
Ist die Todeszeit nur dem Tage nach festgestellt, so gilt das Ende des
Tages als Zeitpunkt des Todes.
§. 19. Solange nicht die Todeserklärung erfolgt ist, wird das Fortleben
des Verschollenen bis zu dem Zeitpunkte vermuthet, der nach §. 18 Abs. 2 in
Ermangelung eines anderen Ergebnisses der Ermittelungen als Zeitpunkt des Todes
anzunehmen ist; die Vorschrift des §. 18 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung.
§. 20. Sind Mehrere in einer gemeinsamen Gefahr umgekommen, so wird
vermuthet, daß sie gleichzeitig gestorben seien.
Zweiter Titel.
Juristische Personen.
I. Vereine
1. Allgemeine Vorschriften
§. 21. Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirthschaftlichen
Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das
Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts.
§. 22. Ein Verein, dessen Zweck auf einen wirthschaftlichen
Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt in Ermangelung besonderer
reichsgesetzlicher Vorschriften Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung.
Die Verleihung steht dem Bundesstaate zu, in dessen Gebiete der Verein seinen
Sitz hat.
§. 23. Einem Vereine, der seinen Sitz nicht in einem Bundesstaate hat,
kann in Ermangelung besonderer reichsgesetzlicher Vorschriften Rechtsfähigkeit
durch Beschluß des Bundesraths verliehen werden.
§. 24. Als Sitz eines Vereins gilt, wenn nicht ein Anderes bestimmt ist,
der Ort, an welchem die Verwaltung geführt wird.
§. 25. Die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins wird, soweit sie nicht
auf den nachfolgenden Vorschriften beruht, durch die Vereinssatzung bestimmt.
§. 26. Der Verein muß einen Vorstand haben. Der Vorstand kann aus
mehreren Personen bestehen.
Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich; er
hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Der Umfang seiner
Vertretungsmacht kann durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt
werden.
§. 27. Die Bestellung des Vorstandes erfolgt durch Beschluß der
Mitgliederversammlung.
Die Bestellung ist jederzeit widerruflich, unbeschadet des Anspruchs auf
die vertragsmäßige Vergütung. Die Widerruflichkeit kann durch die Satzung auf
den Fall beschränkt werden, daß ein wichtiger Grund für den Widerruf vorliegt;
ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur
ordnungsmäßigen Geschäftsführung.
Auf die Geschäftsführung des Vorstandes finden die für den Auftrag
geltenden Vorschriften der §§. 664 bis 670 entsprechende Anwendung.
§. 28. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so erfolgt die
Beschlußfassung nach den für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins
geltenden Vorschriften der §§. 32, 34.
Ist eine Willenserklärung dem Vereine gegenüber abzugeben, so genügt die
Abgabe gegenüber einem Mitgliede des Vorstandes.
§. 29. Soweit die erforderlichen Mitglieder des Vorstandes fehlen, sind
sie in dringenden Fällen für die Zeit bis zur Hebung des Mangels auf Antrag
eines Betheiligten von dem Amtsgerichte zu bestellen, in dessen Bezirke der
Verein seinen Sitz hat.
§. 30. Durch die Satzung kann bestimmt werden, daß neben dem Vorstande
für gewisse Geschäfte besondere Vertreter zu bestellen sind. Die
Vertretungsmacht eines solchen Vertreters erstreckt sich im Zweifel auf alle
Rechtsgeschäfte, die der ihm zugewiesene Geschäftskreis gewöhnlich mit sich
bringt.
§. 31. Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand,
ein Mitglied des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter
durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum
Schadensersatze verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
§. 32. Die Angelegenheiten des Vereins werden, soweit sie nicht von dem
Vorstand oder einem anderen Vereinsorgane zu besorgen sind, durch
Beschlußfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Zur Gültigkeit
des Beschlusses ist erforderlich, daß der Gegenstand bei der Berufung
bezeichnet wird. Bei der Beschlußfassung entscheidet die Mehrheit der
erschienenen Mitglieder.
Auch ohne Versammlung der Mitglieder ist ein Beschluß gültig, wenn alle
Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschlusse schriftlich erklären.
§. 33. Zu einem Beschlusse, der eine Aenderung der Satzung enthält, ist
eine Mehrheit von drei Viertheilen der erschienenen Mitglieder erforderlich.
Zur Aenderung des Zweckes des Vereins ist die Zustimmung aller Mitglieder
erforderlich; die Zustimmung der nicht erschienenen Mitglieder muß schriftlich
erfolgen.
Beruht die Rechtsfähigkeit des Vereins auf Verleihung, so ist zu jeder
Aenderung der Satzung staatliche Genehmigung oder, falls die Verleihung durch
den Bundesrath erfolgt ist, die Genehmigung des Bundesraths erforderlich.
§. 34. Ein Mitglied ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlußfassung
die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung
eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Vereine betrifft.
§. 35. Sonderrechte eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmung
durch Beschluß der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden.
§. 36. Die Mitgliederversammlung ist in den durch die Satzung bestimmten
Fällen sowie dann zu berufen, wenn das Interesse des Vereins es erfordert.
§. 37. Die Mitgliederversammlung ist zu berufen, wenn der durch die Satzung
bestimmte Theil oder in Ermangelung einer Bestimmung der zehnte Theil der
Mitglieder die Berufung schriftlich unter Angabe des Zweckes und der Gründe
verlangt.
Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Amtsgericht, in dessen
Bezirke der Verein seinen Sitz hat, die Mitglieder, welche das Verlangen
gestellt haben, zur Berufung der Versammlung ermächtigen und über die Führung
des Vorsitzes in der Versammlung Bestimmung treffen. Auf die Ermächtigung muß
bei der Berufung der Versammlung Bezug genommen werden.
§. 38. Die Mitgliedschaft ist nicht übertragbar und nicht vererblich.
Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte kann nicht einem Anderen überlassen
werden.
§. 39. Die Mitglieder sind zum Austritt aus dem Vereine berechtigt.
Durch die Satzung kann bestimmt werden, daß der Austritt nur am Schlusse
eines Geschäftsjahrs oder erst nach dem Ablauf einer Kündigungsfrist zulässig
ist; die Kündigungsfrist kann höchstens zwei Jahre betragen.
§. 40. Die Vorschriften des §. 27 Abs. 1, 3, des §. 28 Abs. 1 und der
§§. 32, 33, 38 finden insoweit keine Anwendung, als die Satzung ein Anderes
bestimmt.
§. 41. Der Verein kann durch Beschluß der Mitgliederversammlung
aufgelöst werden. Zu dem Beschluß ist eine Mehrheit von drei Viertheilen der
erschienenen Mitglieder erforderlich, wenn nicht die Satzung ein Anderes
bestimmt.
§. 42. Der Verein verliert die Rechtsfähigkeit durch die Eröffnung des
Konkurses.
Der Vorstand hat im Falle der Ueberschuldung die Eröffnung des Konkurses
zu beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert, so sind die
Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für
den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als
Gesammtschuldner.
§. 43. Dem Vereine kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er durch
einen gesetzwidrigen Beschluß der Mitgliederversammlung oder durch
gesetzwidriges Verhalten des Vorstandes das Gemeinwohl gefährdet.
Einem Vereine, dessen Zweck nach der Satzung nicht auf einen
wirthschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, kann die Rechtsfähigkeit
entzogen werden, wenn er einen solchen Zweck verfolgt.
Einem Vereine, der nach der Satzung einen politischen, sozialpolitischen
oder religiösen Zweck nicht hat, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn
er einen solchen Zweck verfolgt.
Einem Vereine, dessen Rechtsfähigkeit auf Verleihung beruht, kann die
Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen anderen als den in der Satzung
bestimmten Zweck verfolgt.
§. 44. Die Zuständigkeit und das Verfahren bestimmen sich in den Fällen
des §. 43 nach den für streitige Verwaltungssachen geltenden Vorschriften der
Landesgesetze. Wo ein Verwaltungsstreitverfahren nicht besteht, finden die
Vorschriften der §§. 20, 21 der Gewerbeordnung Anwendung; die Entscheidung
erfolgt in erster Instanz durch die höhere Verwaltungsbehörde, in deren Bezirke
der Verein seinen Sitz hat.
Beruht die Rechtsfähigkeit auf Verleihung durch den Bundesrath, so
erfolgt die Entziehung durch Beschluß des Bundesraths.
§. 45. Mit der Auflösung des Vereins oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit
fällt das Vermögen an die in der Satzung bestimmten Personen.
Durch die Satzung kann vorgeschrieben werden, daß die Anfallberechtigten
durch Beschluß der Mitgliederversammlung oder eines anderen Vereinsorgans
bestimmt werden. Ist der Zweck des Vereins nicht auf einen wirthschaftlichen
Geschäftsbetrieb gerichtet, so kann die Mitgliederversammlung auch ohne eine
solche Vorschrift das Vermögen einer öffentlichen Stiftung oder Anstalt
zuweisen.
Fehlt es an einer Bestimmung der Anfallberechtigten, so fällt das
Vermögen, wenn der Verein nach der Satzung ausschließlich den Interessen seiner
Mitglieder diente, an die zur Zeit der Auflösung oder der Entziehung der
Rechtsfähigkeit vorhandenen Mitglieder zu gleichen Theilen, anderenfalls an den
Fiskus des Bundesstaats, in dessen Gebiete der Verein seinen Sitz hatte.
§. 46. Fällt das Vereinsvermögen an den Fiskus, so finden die
Vorschriften über eine dem Fiskus als gesetzlichem Erben anfallende Erbschaft
entsprechende Anwendung. Der Fiskus hat das Vermögen thunlichst in einer den
Zwecken des Vereins entsprechenden Weise zu verwenden.
§. 47. Fällt das Vereinsvermögen nicht an den Fiskus, so muß eine
Liquidation stattfinden.
§. 48. Die Liquidation erfolgt durch den Vorstand. Zu Liquidatoren
können auch andere Personen bestellt werden; für die Bestellung sind die für
die Bestellung des Vorstandes geltenden Vorschriften maßgebend.
Die Liquidatoren haben die rechtliche Stellung des Vorstandes, soweit
sich nicht aus dem Zwecke der Liquidation ein Anderes ergiebt.
Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, so ist für ihre Beschlüsse
Uebereinstimmung aller erforderlich, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist.
§. 49. Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die
Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen, die Gläubiger
zu befriedigen und den Ueberschuß den Anfallberechtigten auszuantworten. Zur
Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte
eingehen. Die Einziehung der Forderungen sowie die Umsetzung des übrigen
Vermögens in Geld darf unterbleiben, soweit diese Maßregeln nicht zur
Befriedigung der Gläubiger oder zur Vertheilung des Ueberschusses unter die
Anfallberechtigten erforderlich sind.
Der Verein gilt bis zur Beendigung der Liquidation als fortbestehend,
soweit der Zweck der Liquidation es erfordert.
§. 50. Die Auflösung des Vereins oder die Entziehung der Rechtsfähigkeit
ist durch die Liquidatoren öffentlich bekannt zu machen. In der Bekanntmachung
sind die Gläubiger zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufzufordern. Die
Bekanntmachung erfolgt durch das in der Satzung für Veröffentlichungen
bestimmte Blatt, in Ermangelung eines solchen durch dasjenige Blatt, welches
für Bekanntmachungen des Amtsgerichts bestimmt ist, in dessen Bezirke der
Verein seinen Sitz hatte. Die Bekanntmachung gilt mit dem Ablaufe des zweiten
Tages nach der Einrückung oder der ersten Einrückung als bewirkt.
Bekannte Gläubiger sind durch besondere Mittheilung zur Anmeldung
aufzufordern.
§. 51. Das Vermögen darf den Anfallberechtigten nicht vor dem Ablauf
eines Jahres nach der Bekanntmachung der Auflösung des Vereins oder der
Entziehung der Rechtsfähigkeit ausgeantwortet werden.
§. 52. Meldet sich ein bekannter Gläubiger nicht, so ist der geschuldete
Betrag, wenn die Berechtigung zur Hinterlegung vorhanden ist, für den Gläubiger
zu hinterlegen.
Ist die Berichtigung einer Verbindlichkeit zur Zeit nicht ausführbar
oder ist eine Verbindlichkeit streitig, so darf das Vermögen den
Anfallberechtigten nur ausgeantwortet werden, wenn dem Gläubiger Sicherheit
geleistet ist.
§. 53. Liquidatoren, welche die ihnen nach dem §. 42 Abs. 2 und den §§.
50 bis 52 obliegenden Verpflichtungen verletzen oder vor der Befriedigung der
Gläubiger Vermögen den Anfallberechtigten ausantworten, sind, wenn ihnen ein
Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden
verantwortlich; sie haften als Gesammtschuldner.
§. 54. Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften
über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäfte, das im Namen eines
solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde
persönlich; handeln Mehrere, so haften sie als Gesammtschuldner.
2. Eingetragene Vereine
§. 55. Die Eintragung eines Vereins der im §. 21 bezeichneten Art in das
Vereinsregister hat bei dem Amtsgerichte zu geschehen, in dessen Bezirke der
Verein seinen Sitz hat.
§. 56. Die Eintragung soll nur erfolgen, wenn die Zahl der Mitglieder
mindestens sieben beträgt.
§. 57. Die Satzung muß den Zweck, den Namen und den Sitz des Vereins
enthalten und ergeben, daß der Verein eingetragen werden soll.
Der Name soll sich von den Namen der an demselben Orte oder in derselben
Gemeinde bestehenden eingetragenen Vereine deutlich unterscheiden.
§. 58. Die Satzung soll Bestimmungen enthalten:
1. über den Eintritt und Austritt der
Mitglieder;
2. darüber, ob und welche Beiträge von den
Mitgliedern zu leisten sind;
3. über die Bildung des Vorstandes;
4. über die Voraussetzungen, unter denen die
Mitgliederversammlung zu berufen ist, über die Form der Berufung und über die
Beurkundung der Beschlüsse.
§. 59. Der Vorstand hat den Verein zur Eintragung anzumelden.
Der Anmeldung sind beizufügen:
1. die Satzung in Urschrift und Abschrift;
2. eine Abschrift der Urkunden über die
Bestellung des Vorstandes.
Die Satzung soll von mindestens sieben Mitgliedern unterzeichnet sein
und die Angabe des Tages der Errichtung enthalten.
§. 60. Die Anmeldung ist, wenn den Erfordernissen der §§. 56 bis 59
nicht genügt ist, von dem Amtsgericht unter Angabe der Gründe zurückzuweisen.
Gegen einen zurückweisenden Beschluß findet die sofortige Beschwerde
nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung statt.
§. 61. Wird die Anmeldung zugelassen, so hat das Amtsgericht sie der
zuständigen Verwaltungsbehörde mitzutheilen.
Die Verwaltungsbehörde kann gegen die Eintragung Einspruch erheben, wenn
der Verein nach dem öffentlichen Vereinsrecht unerlaubt ist oder verboten
werden kann oder wenn er einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen
Zweck verfolgt.
§. 62. Erhebt die Verwaltungsbehörde Einspruch, so hat das Amtsgericht
den Einspruch dem Vorstande mitzutheilen.
Der Einspruch kann im Wege des Verwaltungsstreitverfahrens oder, wo ein
solches nicht besteht, im Wege des Rekurses nach Maßgabe der §§. 20, 21 der
Gewerbeordnung angefochten werden.
§. 63. Die Eintragung darf, sofern nicht die Verwaltungsbehörde dem
Amtsgerichte mittheilt, daß Einspruch nicht erhoben werde, erst erfolgen, wenn
seit der Mittheilung der Anmeldung an die Verwaltungsbehörde sechs Wochen
verstrichen sind und Einspruch nicht erhoben oder wenn der erhobene Einspruch
endgültig aufgehoben ist.
§. 64. Bei der Eintragung sind der Name und der Sitz des Vereins, der
Tag der Errichtung der Satzung sowie die Mitglieder des Vorstandes im
Vereinsregister anzugeben. Bestimmungen, die den Umfang der Vertretungsmacht
des Vorstandes beschränken oder die Beschlußfassung des Vorstandes abweichend
von der Vorschrift des §. 28 Abs. 1 regeln, sind gleichfalls einzutragen.
§. 65. Mit der Eintragung erhält der Name des Vereins den Zusatz
„eingetragener Verein“.
§. 66. Das Amtsgericht hat die Eintragung durch das für seine
Bekanntmachungen bestimmte Blatt zu veröffentlichen.
Die Urschrift der Satzung ist mit der Bescheinigung der Eintragung zu
versehen und zurückzugeben. Die Abschrift wird von dem Amtsgerichte beglaubigt
und mit den übrigen Schriftstücken aufbewahrt.
§. 67. Jede Aenderung des Vorstandes sowie die erneute Bestellung eines
Vorstandsmitglieds ist von dem Vorstande zur Eintragung anzumelden. Der
Anmeldung ist eine Abschrift der Urkunde über die Aenderung oder die erneute
Bestellung beizufügen.
Die Eintragung gerichtlich bestellter Vorstandsmitglieder erfolgt von
Amtswegen.
§. 68. Wird zwischen den bisherigen Mitgliedern des Vorstandes und einem
Dritten ein Rechtsgeschäft vorgenommen, so kann die Aenderung des Vorstandes
dem Dritten nur entgegengesetzt werden, wenn sie zur Zeit der Vornahme des
Rechtsgeschäfts im Vereinsregister eingetragen oder dem Dritten bekannt ist.
Ist die Aenderung eingetragen, so braucht der Dritte sie nicht gegen sich
gelten zu lassen, wenn er sie nicht kennt, seine Unkenntniß auch nicht auf
Fahrlässigkeit beruht.
§. 69. Der Nachweis, daß der Vorstand aus den im Register eingetragenen
Personen besteht, wird Behörden gegenüber durch ein Zeugniß des Amtsgerichts
über die Eintragung geführt.
§. 70. Die Vorschriften des §. 68 gelten auch für Bestimmungen, die den
Umfang der Vertretungsmacht des Vorstandes beschränken oder die Beschlußfassung
des Vorstandes abweichend von der Vorschrift des §. 28 Abs. 1 regeln.
§. 71. Aenderungen der Satzung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der
Eintragung in das Vereinsregister. Die Aenderung ist von dem Vorstande zur
Eintragung anzumelden. Der Anmeldung ist der die Aenderung enthaltende Beschluß
in Urschrift und Abschrift beizufügen.
Die Vorschriften der §§. 60 bis 64 und des §. 66 Abs. 2 finden
entsprechende Anwendung.
§. 72. Der Vorstand hat dem Amtsgericht auf dessen Verlangen jederzeit
ein Verzeichniß der Vereinsmitglieder einzureichen.
§. 73. Sinkt die Zahl der Vereinsmitglieder unter drei herab, so hat das
Amtsgericht auf Antrag des Vorstandes und, wenn der Antrag nicht binnen drei
Monaten gestellt wird, von Amtswegen nach Anhörung des Vorstandes dem Vereine
die Rechtsfähigkeit zu entziehen. Der Beschluß ist dem Vereine zuzustellen.
Gegen den Beschluß findet die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der
Zivilprozeßordnung statt.
Der Verein verliert die Rechtsfähigkeit mit der Rechtskraft des
Beschlusses.
§. 74. Die Auflösung des Vereins sowie die Entziehung der
Rechtsfähigkeit ist in das Vereinsregister einzutragen. Im Falle der Eröffnung
des Konkurses unterbleibt die Eintragung.
Wird der Verein durch Beschluß der Mitgliederversammlung oder durch den
Ablauf der für die Dauer des Vereins bestimmten Zeit aufgelöst, so hat der
Vorstand die Auflösung zur Eintragung anzumelden. Der
Anmeldung ist im ersteren Falle eine Abschrift des
Auflösungsbeschlusses beizufügen.
Wird dem Verein auf Grund des §. 43 die Rechtsfähigkeit entzogen oder
wird der Verein auf Grund des öffentlichen Vereinsrechts aufgelöst, so erfolgt
die Eintragung auf Anzeige der zuständigen Behörde.
§. 75. Die Eröffnung des Konkurses ist von Amtswegen einzutragen. Das
Gleiche gilt von der Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses.
§. 76. Die Liquidatoren sind in das Vereinsregister einzutragen. Das
Gleiche gilt von Bestimmungen, welche die Beschlußfassung der Liquidatoren
abweichend von der Vorschrift des §. 48 Abs. 3 regeln.
Die Anmeldung hat durch den Vorstand, bei späteren Aenderungen durch die
Liquidatoren zu erfolgen. Der Anmeldung der durch Beschluß der
Mitgliederversammlung bestellten Liquidatoren ist eine Abschrift des
Beschlusses, der Anmeldung einer Bestimmung über die Beschlußfassung der
Liquidatoren eine Abschrift der die Bestimmung enthaltenden Urkunde beizufügen.
Die Eintragung gerichtlich bestellter Liquidatoren geschieht von
Amtswegen.
§. 77. Die Anmeldungen zum Vereinsregister sind von den Mitgliedern des
Vorstandes sowie von den Liquidatoren mittelst öffentlich beglaubigter
Erklärung zu bewirken.
§. 78. Das Amtsgericht kann die Mitglieder des Vorstandes zur Befolgung
der Vorschriften des §. 67 Abs. 1, des §. 71 Abs. 1, des §. 72, des §. 74 Abs.
2 und des §. 76 durch Ordnungsstrafen anhalten. Die einzelne Strafe darf den
Betrag von dreihundert Mark nicht übersteigen.
In gleicher Weise können die Liquidatoren zur Befolgung der Vorschriften
des §. 76 angehalten werden.
§. 79. Die Einsicht des Vereinsregisters sowie der von dem Vereine bei
dem Amtsgericht eingereichten Schriftstücke ist Jedem gestattet. Von den
Eintragungen kann eine Abschrift gefordert werden; die Abschrift ist auf
Verlangen zu beglaubigen.
II. Stiftungen
§. 80. Zur Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung ist außer dem
Stiftungsgeschäfte die Genehmigung des Bundesstaats erforderlich, in dessen
Gebiete die Stiftung ihren Sitz haben soll. Soll die Stiftung ihren Sitz nicht
in einem Bundesstaate haben, so ist die Genehmigung des Bundesraths
erforderlich. Als Sitz der Stiftung gilt, wenn nicht ein Anderes bestimmt ist,
der Ort, an welchem die Verwaltung geführt wird.
§. 81. Das Stiftungsgeschäft unter Lebenden bedarf der schriftlichen
Form.
Bis zur Ertheilung der Genehmigung ist der Stifter zum Widerrufe
berechtigt. Ist die Genehmigung bei der zuständigen Behörde nachgesucht, so
kann der Widerruf nur dieser gegenüber erklärt werden. Der Erbe des Stifters
ist zum Widerrufe nicht berechtigt, wenn der Stifter das Gesuch bei der
zuständigen Behörde eingereicht oder im Falle der gerichtlichen oder notariellen
Beurkundung des Stiftungsgeschäfts das Gericht oder den Notar bei oder nach der
Beurkundung mit der Einreichung betraut hat.
§. 82. Wird die Stiftung genehmigt, so ist der Stifter verpflichtet, das
in dem Stiftungsgeschäfte zugesicherte Vermögen auf die Stiftung zu übertragen.
Rechte, zu deren Uebertragung der Abtretungsvertrag genügt, gehen mit der
Genehmigung auf die Stiftung über, sofern nicht aus dem Stiftungsgeschäfte sich
ein anderer Wille des Stifters ergiebt.
§. 83. Besteht das Stiftungsgeschäft in einer Verfügung von Todeswegen,
so hat das Nachlaßgericht die Genehmigung einzuholen, sofern sie nicht von dem
Erben oder dem Testamentsvollstrecker nachgesucht wird.
§. 84. Wird die Stiftung erst nach dem Tode des Stifters genehmigt, so
gilt sie für die Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tode entstanden.
§. 85. Die Verfassung einer Stiftung wird, soweit sie nicht auf Reichs-
oder Landesgesetz beruht, durch das Stiftungsgeschäft bestimmt.
§. 86. Die Vorschriften des §. 26, des §. 27 Abs. 3 und der §§. 28 bis
31, 42 finden auf Stiftungen entsprechende Anwendung, die Vorschriften des §.
27 Abs. 3 und des §. 28 Abs. 1 jedoch nur insoweit, als sich nicht aus der
Verfassung, insbesondere daraus, daß die Verwaltung der Stiftung von einer
öffentlichen Behörde geführt wird, ein Anderes ergiebt. Die Vorschriften des §.
28 Abs. 2 und des §. 29 finden auf Stiftungen, deren Verwaltung von einer
öffentlichen Behörde geführt wird, keine Anwendung.
§. 87. Ist die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden oder
gefährdet sie das Gemeinwohl, so kann die zuständige Behörde der Stiftung eine
andere Zweckbestimmung geben oder sie aufheben.
Bei der Umwandlung des Zweckes ist die Absicht des Stifters thunlichst
zu berücksichtigen, insbesondere dafür Sorge zu tragen, daß die Erträge des
Stiftungsvermögens dem Personenkreise, dem sie zu Statten kommen sollten, im
Sinne des Stifters thunlichst erhalten bleiben. Die Behörde kann die Verfassung
der Stiftung ändern, soweit die Umwandlung des Zweckes
es erfordert.
Vor der Umwandlung des Zweckes und der Aenderung der Verfassung soll der
Vorstand der Stiftung gehört werden.
§. 88. Mit dem Erlöschen der Stiftung fällt das Vermögen an die in der
Verfassung bestimmten Personen. Die Vorschriften der §§. 46 bis 53 finden
entsprechende Anwendung.
III. Juristische Personen des öffentlichen Rechtes
§. 89. Die Vorschrift des §. 31 findet auf den Fiskus sowie auf die
Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechtes entsprechende
Anwendung.
Das Gleiche gilt, soweit bei Körperschaften, Stiftungen und Anstalten
des öffentlichen Rechtes der Konkurs zulässig ist, von der Vorschrift des §. 42
Abs. 2.
Zweiter Abschnitt.
Sachen.
§. 90. Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände.
§. 91. Vertretbare Sachen im Sinne des Gesetzes sind bewegliche Sachen,
die im Verkehre nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegen.
§. 92. Verbrauchbare Sachen im Sinne des Gesetzes sind bewegliche
Sachen, deren bestimmungsmäßiger Gebrauch in dem Verbrauch oder in der
Veräußerung besteht.
Als verbrauchbar gelten auch bewegliche Sachen, die zu einem Waarenlager
oder zu einem sonstigen Sachinbegriffe gehören, dessen bestimmungsmäßiger
Gebrauch in der Veräußerung der einzelnen Sachen besteht.
§. 93. Bestandtheile einer Sache, die von einander nicht getrennt werden
können, ohne daß der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen
verändert wird (wesentliche Bestandtheile), können nicht Gegenstand besonderer
Rechte sein.
§. 94. Zu den wesentlichen Bestandtheilen eines Grundstücks gehören die
mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie
die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen.
Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze mit dem Einpflanzen wesentlicher
Bestandtheil des Grundstücks.
Zu den wesentlichen Bestandtheilen eines Gebäudes gehören die zur
Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.
§. 95. Zu den Bestandtheilen eines Grundstücks gehören solche Sachen
nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zwecke mit dem Grund und Boden
verbunden sind. Das Gleiche gilt von einem Gebäude oder anderen Werke, das in
Ausübung eines Rechtes an einem fremden Grundstücke von dem Berechtigten mit
dem Grundstücke verbunden worden ist.
Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zwecke in ein Gebäude eingefügt
sind, gehören nicht zu den Bestandtheilen des Gebäudes.
§. 96. Rechte, die mit dem Eigenthum an einem Grundstücke verbunden
sind, gelten als Bestandtheile des Grundstücks.
§. 97. Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandtheile der
Hauptsache zu sein, dem wirthschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen
bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen
Verhältnisse stehen. Eine Sache ist nicht Zubehör, wenn sie im Verkehre nicht
als Zubehör angesehen wird.
Die vorübergehende Benutzung einer Sache für den wirthschaftlichen Zweck
einer anderen begründet nicht die Zubehöreigenschaft. Die vorübergehende
Trennung eines Zubehörstücks von der Hauptsache hebt die Zubehöreigenschaft
nicht auf.
§. 98. Dem wirthschaftlichen Zwecke der Hauptsache sind zu dienen
bestimmt:
1. bei einem Gebäude, das für einen
gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet ist, insbesondere bei einer Mühle, einer
Schmiede, einem Brauhaus, einer Fabrik, die zu dem Betriebe bestimmten
Maschinen und sonstigen Geräthschaften;
2. bei einem Landgute das zum
Wirthschaftsbetriebe bestimmte Geräth und Vieh, die landwirthschaftlichen
Erzeugnisse, soweit sie zur Fortführung der Wirthschaft bis zu der Zeit
erforderlich sind, zu welcher gleiche oder ähnliche Erzeugnisse voraussichtlich
gewonnen werden, sowie der vorhandene auf dem Gute gewonnene Dünger.
§. 99. Früchte einer Sache sind die Erzeugnisse der Sache und die sonstige
Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird.
Früchte eines Rechtes sind die Erträge, welche das Recht seiner
Bestimmung gemäß gewährt, insbesondere bei einem Rechte auf Gewinnung von
Bodenbestandtheilen die gewonnenen Bestandtheile.
Früchte sind auch die Erträge, welche eine Sache oder ein Recht vermöge
eines Rechtsverhältnisses gewährt.
§. 100. Nutzungen sind die Früchte einer Sache oder eines Rechtes sowie
die Vortheile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechtes gewährt.
§. 101. Ist Jemand berechtigt, die Früchte einer Sache oder eines
Rechtes bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Zeit an zu
beziehen, so gebühren ihm, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist:
1. die im §. 99 Abs. 1 bezeichneten
Erzeugnisse und Bestandtheile, auch wenn er sie als Früchte eines Rechtes zu
beziehen hat, insoweit, als sie während der Dauer der Berechtigung von der
Sache getrennt werden;
2. andere Früchte insoweit, als sie während
der Dauer der Berechtigung fällig werden; bestehen jedoch die Früchte in der
Vergütung für die Ueberlassung des Gebrauchs oder des Fruchtgenusses, in
Zinsen, Gewinnantheilen oder anderen regelmäßig wiederkehrenden Erträgen, so
gebührt dem Berechtigten ein der Dauer seiner Berechtigung entsprechender Theil.
§. 102. Wer zur Herausgabe von Früchten verpflichtet ist, kann Ersatz
der auf die Gewinnung der Früchte verwendeten Kosten insoweit verlangen, als
sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth der Früchte
nicht übersteigen.
§. 103. Wer verpflichtet ist, die Lasten einer Sache oder eines Rechtes
bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Zeit an zu tragen, hat,
sofern nicht ein Anderes bestimmt ist, die regelmäßig wiederkehrenden Lasten
nach dem Verhältnisse der Dauer seiner Verpflichtung, andere Lasten insoweit zu
tragen, als sie während der Dauer seiner Verpflichtung zu entrichten sind.
Dritter Abschnitt.
Rechtsgeschäfte.
Erster Titel.
Geschäftsfähigkeit.
§. 104. Geschäftsunfähig ist:
1. wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet
hat;
2. wer sich in einem die freie
Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der
Geistesthätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein
vorübergehender ist;
3. wer wegen Geisteskrankheit entmündigt ist.
§. 105. Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig.
Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die im Zustande der
Bewußtlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistesthätigkeit abgegeben
wird.
§. 106. Ein Minderjähriger, der das siebente Lebensjahr vollendet hat,
ist nach Maßgabe der §§. 107 bis 113 in der Geschäftsfähigkeit beschränkt.
§. 107. Der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er
nicht lediglich einen rechtlichen Vortheil erlangt, der Einwilligung seines
gesetzlichen Vertreters.
§. 108. Schließt der Minderjährige einen Vertrag ohne die erforderliche
Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags
von der Genehmigung des Vertreters ab.
Fordert der andere Theil den Vertreter zur Erklärung über die
Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der
Aufforderung dem Minderjährigen gegenüber erklärte Genehmigung oder
Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum
Ablaufe von zwei Wochen nach dem Empfange der Aufforderung erklärt werden; wird
sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert.
Ist der Minderjährige unbeschränkt geschäftsfähig geworden, so tritt
seine Genehmigung an die Stelle der Genehmigung des Vertreters.
§. 109. Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der andere Theil zum
Widerrufe berechtigt. Der Widerruf kann auch dem Minderjährigen gegenüber
erklärt werden.
Hat der andere Theil die Minderjährigkeit gekannt, so kann er nur
widerrufen, wenn der Minderjährige der Wahrheit zuwider die Einwilligung des
Vertreters behauptet hat; er kann auch in diesem Falle nicht widerrufen, wenn
ihm das Fehlen der Einwilligung bei dem Abschlusse des Vertrags bekannt war.
§. 110. Ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen
Vertreters geschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam, wenn der
Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu
diesem Zwecke oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen
Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.
§. 111. Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das der Minderjährige ohne die
erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vornimmt, ist unwirksam.
Nimmt der Minderjährige mit dieser Einwilligung ein solches Rechtsgeschäft
einem Anderen gegenüber vor, so ist das Rechtsgeschäft unwirksam, wenn der
Minderjährige die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorlegt und der
Andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die
Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vertreter den Anderen von der
Einwilligung in Kenntniß gesetzt hatte.
§. 112. Ermächtigt der gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts den Minderjährigen zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts,
so ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt
geschäftsfähig, welche der Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Ausgenommen sind
Rechtsgeschäfte, zu denen der Vertreter der Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts bedarf.
Die Ermächtigung kann von dem Vertreter nur mit Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts zurückgenommen werden.
§. 113. Ermächtigt der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen, in
Dienst oder in Arbeit zu treten, so ist der Minderjährige für solche
Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung oder
Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art oder die
Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältniß ergebenden Verpflichtungen
betreffen. Ausgenommen sind Verträge, zu denen der Vertreter der Genehmigung
des Vormundschaftsgerichts bedarf.
Die Ermächtigung kann von dem Vertreter zurückgenommen oder
eingeschränkt werden.
Ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, so kann die Ermächtigung,
wenn sie von ihm verweigert wird, auf Antrag des Minderjährigen durch das
Vormundschaftsgericht ersetzt werden. Das Vormundschaftsgericht hat die
Ermächtigung zu ersetzen, wenn sie im Interesse des Mündels liegt.
Die für einen einzelnen Fall ertheilte Ermächtigung gilt im Zweifel als
allgemeine Ermächtigung zur Eingehung von Verhältnissen derselben Art.
§. 114. Wer wegen Geistesschwäche, wegen Verschwendung oder wegen
Trunksucht entmündigt oder wer nach §. 1906 unter vorläufige Vormundschaft
gestellt ist, steht in Ansehung der Geschäftsfähigkeit einem Minderjährigen
gleich, der das siebente Lebensjahr vollendet hat.
§. 115. Wird ein die Entmündigung aussprechender Beschluß in Folge einer
Anfechtungsklage aufgehoben, so kann die Wirksamkeit der von oder gegenüber dem
Entmündigten vorgenommenen Rechtsgeschäfte nicht auf Grund des Beschlusses in
Frage gestellt werden. Auf die Wirksamkeit der von oder gegenüber dem
gesetzlichen Vertreter vorgenommenen Rechtsgeschäfte hat die Aufhebung keinen
Einfluß.
Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung, wenn im Falle einer
vorläufigen Vormundschaft der Antrag auf Entmündigung zurückgenommen oder
rechtskräftig abgewiesen oder der die Entmündigung aussprechende Beschluß in
Folge einer Anfechtungsklage aufgehoben wird.
Zweiter Titel.
Willenserklärung.
§. 116. Eine Willenserklärung ist nicht deshalb nichtig, weil sich der
Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. Die Erklärung ist
nichtig, wenn sie einem Anderen gegenüber abzugeben ist und dieser den
Vorbehalt kennt.
§. 117. Wird eine Willenserklärung, die einem Anderen gegenüber
abzugeben ist, mit dessen Einverständnisse nur zum Schein abgegeben, so ist sie
nichtig.
Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so
finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.
§. 118. Eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der
Erwartung abgegeben wird, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt
werden, ist nichtig.
§. 119. Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im
Irrthume war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte,
kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, daß er sie bei Kenntniß der
Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
Als Irrthum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrthum über
solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich
angesehen werden.
§. 120. Eine Willenserklärung, welche durch die zur Uebermittlung
verwendete Person oder Anstalt unrichtig übermittelt worden ist, kann unter der
gleichen Voraussetzung angefochten werden wie nach §. 119 eine irrthümlich
abgegebene Willenserklärung.
§. 121. Die Anfechtung muß in den Fällen der §§. 119, 120 ohne
schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte
von dem Anfechtungsgrunde Kenntniß erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber
erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung
unverzüglich abgesendet worden ist.
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der
Willenserklärung dreißig Jahre verstrichen sind.
§. 122. Ist eine Willenserklärung nach §. 118 nichtig oder auf Grund der
§§. 119, 120 angefochten, so hat der Erklärende, wenn die Erklärung einem
Anderen gegenüber abzugeben war, diesem, anderenfalls jedem Dritten den Schaden
zu ersetzen, den der Andere oder der Dritte dadurch erleidet, daß er auf die
Gültigkeit der Erklärung vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses
hinaus, welches der Andere oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat.
Die Schadensersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Beschädigte den
Grund der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit kannte oder in Folge von
Fahrlässigkeit nicht kannte (kennen mußte).
§. 123. Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung
oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung
anfechten.
Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem
Anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung
kannte oder kennen mußte. Soweit ein Anderer als derjenige, welchem gegenüber
die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben
hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte
oder kennen mußte.
§. 124. Die Anfechtung einer nach §. 123 anfechtbaren Willenserklärung
kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt,
in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der
Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der
Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften des §. 203 Abs. 2
und der §§. 206, 207 entsprechende Anwendung.
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der
Willenserklärung dreißig Jahre verstrichen sind.
§. 125. Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen
Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten
Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.
§. 126. Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muß die
Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittelst
gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.
Bei einem Vertrage muß die Unterzeichnung der Parteien auf derselben
Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden
aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte
Urkunde unterzeichnet.
Die schriftliche Form wird durch die gerichtliche oder notarielle
Beurkundung ersetzt.
§. 127. Die Vorschriften des §. 126 gelten im Zweifel auch für die durch
Rechtsgeschäft bestimmte schriftliche Form. Zur Wahrung der Form genügt jedoch,
soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, telegraphische Uebermittelung
und bei einem Vertrage Briefwechsel; wird eine solche Form gewählt, so kann
nachträglich eine dem §. 126 entsprechende Beurkundung verlangt werden.
§. 128. Ist durch Gesetz gerichtliche oder notarielle Beurkundung eines
Vertrags vorgeschrieben, so genügt es, wenn zunächst der Antrag und sodann die
Annahme des Antrags von einem Gericht oder einem Notar beurkundet wird.
§. 129. Ist durch Gesetz für eine Erklärung öffentliche Beglaubigung
vorgeschrieben, so muß die Erklärung schriftlich abgefaßt und die Unterschrift
des Erklärenden von der zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten oder
Notar beglaubigt werden. Wird die Erklärung von dem Aussteller mittelst
Handzeichens unterzeichnet, so ist die im §. 126 Abs. 1 vorgeschriebene
Beglaubigung des Handzeichens erforderlich und genügend.
Die öffentliche Beglaubigung wird durch die gerichtliche oder notarielle
Beurkundung der Erklärung ersetzt.
§. 130. Eine Willenserklärung, die einem Anderen gegenüber abzugeben
ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkte
wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem Anderen
vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.
Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluß, wenn der
Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.
Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung
einer Behörde gegenüber abzugeben ist.
§. 131. Wird die Willenserklärung einem Geschäftsunfähigen gegenüber
abgegeben, so wird sie nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter
zugeht.
Das Gleiche gilt, wenn die Willenserklärung einer in der
Geschäftsfähigkeit beschränkten Person gegenüber abgegeben wird. Bringt die
Erklärung jedoch der in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person lediglich
einen rechtlichen Vortheil oder hat der gesetzliche Vertreter seine
Einwilligung ertheilt, so wird die Erklärung in dem Zeitpunkte wirksam, in
welchem sie ihr zugeht.
§. 132. Eine Willenserklärung gilt auch dann als zugegangen, wenn sie
durch Vermittelung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist. Die
Zustellung erfolgt nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung.
Befindet sich der Erklärende über die Person desjenigen, welchem
gegenüber die Erklärung abzugeben ist, in einer nicht auf Fahrlässigkeit
beruhenden Unkenntniß oder ist der Aufenthalt dieser Person unbekannt, so kann
die Zustellung nach den für die öffentliche Zustellung einer Ladung geltenden
Vorschriften der Zivilprozeßordnung erfolgen. Zuständig für die Bewilligung ist
im ersteren Falle das Amtsgericht, in dessen Bezirke der Erklärende seinen
Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes seinen Aufenthalt
hat, im letzteren Falle das Amtsgericht, in dessen Bezirke die Person, welcher
zuzustellen ist, den letzten Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen
Wohnsitzes den letzten Aufenthalt hatte.
§. 133. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille
zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
§. 134. Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt,
ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein Anderes ergiebt.
§. 135. Verstößt die Verfügung über einen Gegenstand gegen ein
gesetzliches Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen
bezweckt, so ist sie nur diesen Personen gegenüber unwirksam. Der
rechtsgeschäftlichen Verfügung steht eine Verfügung gleich, die im Wege der
Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung erfolgt.
Die Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem
Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.
§. 136. Ein Veräußerungsverbot, das von einem Gericht oder von einer
anderen Behörde innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassen wird, steht einem gesetzlichen
Veräußerungsverbote der im §. 135 bezeichneten Art gleich.
§. 137. Die Befugniß zur Verfügung über ein veräußerliches Recht kann
nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden. Die
Wirksamkeit einer Verpflichtung, über ein solches Recht nicht zu verfügen, wird
durch diese Vorschrift nicht berührt.
§. 138. Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist
nichtig.
Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das Jemand unter
Ausbeutung der Nothlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines Anderen
sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvortheile versprechen oder
gewähren läßt, welche den Werth der Leistung dergestalt übersteigen, daß den
Umständen nach die Vermögensvortheile in auffälligem Mißverhältnisse zu der
Leistung stehen.
§. 139. Ist ein Theil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze
Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, daß es auch ohne den
nichtigen Theil vorgenommen sein würde.
§. 140. Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines
anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, daß dessen
Geltung bei Kenntniß der Nichtigkeit gewollt sein würde.
§. 141. Wird ein nichtiges Rechtsgeschäft von demjenigen, welcher es
vorgenommen hat, bestätigt, so ist die Bestätigung als erneute Vornahme zu
beurtheilen.
Wird ein nichtiger Vertrag von den Parteien bestätigt, so sind diese im
Zweifel verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn der
Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre.
§. 142. Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als
von Anfang an nichtig anzusehen.
Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen mußte, wird, wenn die
Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des
Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen.
§. 143. Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem
Anfechtungsgegner.
Anfechtungsgegner ist bei einem Vertrage der andere Theil, im Falle des
§. 123 Abs. 2 Satz 2 derjenige, welcher aus dem Vertrag unmittelbar ein Recht
erworben hat.
Bei einem einseitigen Rechtsgeschäfte, das einem Anderen gegenüber
vorzunehmen war, ist der Andere der Anfechtungsgegner. Das Gleiche gilt bei
einem Rechtsgeschäfte, das einem Anderen oder einer Behörde gegenüber
vorzunehmen war, auch dann, wenn das Rechtsgeschäft der Behörde gegenüber
vorgenommen worden ist.
Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft anderer Art ist Anfechtungsgegner
Jeder, der auf Grund des Rechtsgeschäfts unmittelbar einen rechtlichen Vortheil
erlangt hat. Die Anfechtung kann jedoch, wenn die Willenserklärung einer
Behörde gegenüber abzugeben war, durch Erklärung gegenüber der Behörde
erfolgen; die Behörde soll die Anfechtung demjenigen mittheilen, welcher durch
das Rechtsgeschäft unmittelbar betroffen worden ist.
§. 144. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn das anfechtbare
Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird.
Die Bestätigung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form.
Dritter Titel.
Vertrag.
§. 145. Wer einem Anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an
den Antrag gebunden, es sei denn, daß er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.
§. 146. Der Antrag erlischt, wenn er dem Antragenden gegenüber abgelehnt
oder wenn er nicht diesem gegenüber nach den §§. 147 bis 149 rechtzeitig
angenommen wird.
§. 147. Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen
werden. Dies gilt auch von einem mittelst Fernsprechers von Person zu Person
gemachten Antrage.
Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt
angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter
regelmäßigen Umständen erwarten darf.
§. 148. Hat der Antragende für die Annahme des Antrags eine Frist
bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb der Frist erfolgen.
§. 149. Ist eine dem Antragenden verspätet zugegangene Annahmeerklärung
dergestalt abgesendet worden, daß sie bei regelmäßiger Beförderung ihm
rechtzeitig zugegangen sein würde, und mußte der Antragende dies erkennen, so
hat er die Verspätung dem Annehmenden unverzüglich nach dem Empfange der
Erklärung anzuzeigen, sofern es nicht schon vorher geschehen ist. Verzögert er
die Absendung der Anzeige, so gilt die Annahme als nicht verspätet.
§. 150. Die verspätete Annahme eines Antrags gilt als neuer Antrag.
Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen
Aenderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrage.
§. 151. Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zu Stande, ohne
daß die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine
solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der
Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag
erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu
entnehmenden Willen des Antragenden.
§. 152. Wird ein Vertrag gerichtlich oder notariell beurkundet, ohne daß
beide Theile gleichzeitig anwesend sind, so kommt der Vertrag mit der nach §.
128 erfolgten Beurkundung der Annahme zu Stande, wenn nicht ein Anderes
bestimmt ist. Die Vorschrift des §. 151 Satz 2 findet Anwendung.
§. 153. Das Zustandekommen des Vertrags wird nicht dadurch gehindert,
daß der Antragende vor der Annahme stirbt oder geschäftsunfähig wird, es sei
denn, daß ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen ist.
§. 154. Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags
geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine
Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht
geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann nicht
bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat.
Ist eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden, so
ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist.
§. 155. Haben sich die Parteien bei einem Vertrage, den sie als
geschlossen ansehen, über einen Punkt, über den eine Vereinbarung getroffen
werden sollte, in Wirklichkeit nicht geeinigt, so gilt das Vereinbarte, sofern
anzunehmen ist, daß der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über diesen Punkt
geschlossen sein würde.
§. 156. Bei einer Versteigerung kommt der Vertrag erst durch den
Zuschlag zu Stande. Ein Gebot erlischt, wenn ein Uebergebot abgegeben oder die
Versteigerung ohne Ertheilung des Zuschlags geschlossen wird.
§. 157. Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht
auf die Verkehrssitte es erfordern.
Vierter Titel.
Bedingung. Zeitbestimmung.
§. 158. Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen,
so tritt die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritte der
Bedingung ein.
Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen,
so endigt mit dem Eintritte der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts; mit
diesem Zeitpunkte tritt der frühere Rechtszustand wieder ein.
§. 159. Sollen nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts die an den Eintritt
der Bedingung geknüpften Folgen auf einen früheren Zeitpunkt zurückbezogen
werden, so sind im Falle des Eintritts der Bedingung die Betheiligten
verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn die Folgen in
dem früheren Zeitpunkt eingetreten wären.
§. 160. Wer unter einer aufschiebenden Bedingung berechtigt ist, kann im
Falle des Eintritts der Bedingung Schadensersatz von dem anderen Theile
verlangen, wenn dieser während der Schwebezeit das von der Bedingung abhängige
Recht durch sein Verschulden vereitelt oder beeinträchtigt.
Den gleichen Anspruch hat unter denselben Voraussetzungen bei einem
unter einer auflösenden Bedingung vorgenommenen Rechtsgeschäfte derjenige, zu
dessen Gunsten der frühere Rechtszustand wiedereintritt.
§. 161. Hat Jemand unter einer aufschiebenden Bedingung über einen
Gegenstand verfügt, so ist jede weitere Verfügung, die er während der Schwebezeit
über den Gegenstand trifft, im Falle des Eintritts der Bedingung insoweit
unwirksam, als sie die von der Bedingung abhängige Wirkung vereiteln oder
beeinträchtigen würde. Einer solchen Verfügung steht eine Verfügung gleich, die
während der Schwebezeit im Wege der Zwangsvollstreckung oder der
Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter erfolgt.
Dasselbe gilt bei einer auflösenden Bedingung von den Verfügungen
desjenigen, dessen Recht mit dem Eintritte der Bedingung endigt.
Die Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem
Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.
§. 162. Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren
Nachtheil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die
Bedingung als eingetreten.
Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Vortheil er
gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der Eintritt als nicht
erfolgt.
§. 163. Ist für die Wirkung eines Rechtsgeschäfts bei dessen Vornahme
ein Anfangs- oder ein Endtermin bestimmt worden, so finden im ersteren Falle
die für die aufschiebende, im letzteren Falle die für die auflösende Bedingung
geltenden Vorschriften der §§. 158, 160, 161 entsprechende Anwendung.
Fünfter Titel.
Vertretung. Vollmacht.
§. 164. Eine Willenserklärung, die Jemand innerhalb der ihm zustehenden
Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgiebt, wirkt unmittelbar für und
gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung
ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, daß
sie in dessen Namen erfolgen soll.
Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so
kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.
Die Vorschriften des Abs. 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine
gegenüber einem Anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber
erfolgt.
§. 165. Die Wirksamkeit einer von oder gegenüber einem Vertreter
abgegebenen Willenserklärung wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß der
Vertreter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist.
§. 166. Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch
Willensmängel oder durch die Kenntniß oder das Kennenmüssen gewisser Umstände
beeinflusßt werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des
Vertreters in Betracht.
Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft ertheilten Vertretungsmacht
(Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers
gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst
kannte, nicht auf die Unkenntniß des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von
Umständen, die der Vollmachtgeber kennen mußte, sofern das Kennenmüssen der
Kenntniß gleichsteht.
§. 167. Die Ertheilung der Vollmacht erfolgt durch Erklärung gegenüber dem
zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung
stattfinden soll.
Die Erklärung bedarf nicht der Form, welche für das Rechtsgeschäft
bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht.
§. 168. Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer
Ertheilung zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisse. Die Vollmacht ist auch bei
dem Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern sich nicht aus
diesem ein Anderes ergiebt. Auf die Erklärung des Widerrufs findet die
Vorschrift des §. 167 Abs. 1 entsprechende Anwendung.
§. 169. Soweit nach den §§. 674, 729 die erloschene Vollmacht eines
Beauftragten oder eines geschäftsführenden Gesellschafters als fortbestehend
gilt, wirkt sie nicht zu Gunsten eines Dritten, der bei der Vornahme eines
Rechtsgeschäfts das Erlöschen kennt oder kennen muß.
§. 170. Wird die Vollmacht durch Erklärung gegenüber einem Dritten
ertheilt, so bleibt sie diesem gegenüber in Kraft, bis ihm das Erlöschen von
dem Vollmachtgeber angezeigt wird.
§. 171. Hat Jemand durch besondere Mittheilung an einen Dritten oder
durch öffentliche Bekanntmachung kundgegeben, daß er einen Anderen
bevollmächtigt habe, so ist dieser auf Grund der Kundgebung im ersteren Falle
dem Dritten gegenüber, im letzteren Falle jedem Dritten gegenüber zur
Vertretung befugt.
Die Vertretungsmacht bleibt bestehen, bis die Kundgebung in derselben
Weise, wie sie erfolgt ist, widerrufen wird.
§. 172. Der besonderen Mittheilung einer Bevollmächtigung durch den
Vollmachtgeber steht es gleich, wenn dieser dem Vertreter eine
Vollmachtsurkunde ausgehändigt hat und der Vertreter sie dem Dritten vorlegt.
Die Vertretungsmacht bleibt bestehen, bis die Vollmachtsurkunde dem
Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird.
§. 173. Die Vorschriften des §. 170, des §. 171 Abs. 2 und des §. 172
Abs. 2 finden keine Anwendung, wenn der Dritte das Erlöschen der
Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt oder kennen muß.
§. 174. Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem
Anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine
Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der Andere das Rechtsgeschäft aus diesem
Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der
Vollmachtgeber den Anderen von der Bevollmächtigung in Kenntniß gesetzt hatte.
§. 175. Nach dem Erlöschen der Vollmacht hat der Bevollmächtigte die
Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückzugeben; ein Zurückbehaltungsrecht
steht ihm nicht zu.
§. 176. Der Vollmachtgeber kann die Vollmachtsurkunde durch eine
öffentliche Bekanntmachung für kraftlos erklären; die Kraftloserklärung muß
nach den für die öffentliche Zustellung einer Ladung geltenden Vorschriften der
Zivilprozeßordnung veröffentlicht werden. Mit dem Ablauf eines Monats nach der
letzten Einrückung in die öffentlichen Blätter wird die Kraftloserklärung
wirksam.
Zuständig für die Bewilligung der Veröffentlichung ist sowohl das
Amtsgericht, in dessen Bezirke der Vollmachtgeber seinen allgemeinen
Gerichtsstand hat, als das Amtsgericht, welches für die Klage auf Rückgabe der
Urkunde, abgesehen von dem Werthe des Streitgegenstandes, zuständig sein würde.
Die Kraftloserklärung ist unwirksam, wenn der Vollmachtgeber die
Vollmacht nicht widerrufen kann.
§. 177. Schließt Jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines Anderen
einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen den
Vertretenen von dessen Genehmigung ab.
Fordert der andere Theil den Vertretenen zur Erklärung über die
Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der
Aufforderung dem Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der
Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablaufe von zwei
Wochen nach dem Empfange der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht
erklärt, so gilt sie als verweigert.
§. 178. Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der andere Theil zum
Widerrufe berechtigt, es sei denn, daß er den Mangel der Vertretungsmacht bei
dem Abschlusse des Vertrags gekannt hat. Der Widerruf kann auch dem Vertreter
gegenüber erklärt werden.
§. 179. Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, ist, sofern er
nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Theile nach dessen Wahl zur
Erfüllung oder zum Schadensersatze verpflichtet, wenn der Vertretene die
Genehmigung des Vertrags verweigert.
Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, so ist
er nur zum Ersatze desjenigen Schadens verpflichtet, welchen der andere Theil
dadurch erleidet, daß er auf die Vertretungsmacht vertraut, jedoch nicht über
den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Theil an der Wirksamkeit
des Vertrags hat.
Der Vertreter haftet nicht, wenn der andere Theil den Mangel der
Vertretungsmacht kannte oder kennen mußte. Der Vertreter haftet auch dann
nicht, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war, es sei denn, daß er
mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat.
§. 180. Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist Vertretung ohne
Vertretungsmacht unzulässig. Hat jedoch derjenige, welchem gegenüber ein
solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter behauptete
Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet oder
ist er damit einverstanden gewesen, daß der Vertreter ohne Vertretungsmacht
handele, so finden die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung. Das
Gleiche gilt, wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem Vertreter
ohne Vertretungsmacht mit dessen Einverständnisse vorgenommen wird.
§. 181. Ein Vertreter kann, soweit nicht ein Anderes ihm gestattet ist,
im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines
Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, daß das Rechtsgeschäft
ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.
Sechster Titel.
Einwilligung. Genehmigung.
§. 182. Hängt die Wirksamkeit eines Vertrags oder eines einseitigen
Rechtsgeschäfts, das einem Anderen gegenüber vorzunehmen ist, von der
Zustimmung eines Dritten ab, so kann die Ertheilung sowie die Verweigerung der
Zustimmung sowohl dem einen als dem anderen Theile gegenüber erklärt werden.
Die Zustimmung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form.
Wird ein einseitiges Rechtsgeschäft, dessen Wirksamkeit von der
Zustimmung eines Dritten abhängt, mit Einwilligung des Dritten vorgenommen, so
finden die Vorschriften des §. 111 Satz 2, 3 entsprechende Anwendung.
§. 183. Die vorherige Zustimmung (Einwilligung) ist bis zur Vornahme des
Rechtsgeschäfts widerruflich, soweit nicht aus dem ihrer Ertheilung zu Grunde
liegenden Rechtsverhältnisse sich ein Anderes ergiebt. Der Widerruf kann sowohl
dem einen als dem anderen Theile gegenüber erklärt werden.
§. 184. Die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) wirkt auf den
Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nicht ein Anderes
bestimmt ist.
Durch die Rückwirkung werden Verfügungen nicht unwirksam, die vor der
Genehmigung über den Gegenstand des Rechtsgeschäfts von dem Genehmigenden
getroffen worden oder im Wege der Zwangsvollstreckung oder der
Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter erfolgt sind.
§. 185. Eine Verfügung, die ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand
trifft, ist wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten erfolgt.
Die Verfügung wird wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt oder wenn
der Verfügende den Gegenstand erwirbt oder wenn er von dem Berechtigten beerbt
wird und dieser für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt haftet. In den
beiden letzteren Fällen wird, wenn über den Gegenstand mehrere mit einander
nicht in Einklang stehende Verfügungen getroffen worden sind, nur die frühere
Verfügung wirksam.
Vierter Abschnitt.
Fristen. Termine.
§. 186. Für die in Gesetzen, gerichtlichen Verfügungen und Rechtsgeschäften
enthaltenen Frist- und Terminsbestimmungen gelten die Auslegungsvorschriften
der §§. 187 bis 193.
§. 187. Ist für den Anfang einer Frist ein Ereigniß oder ein in den Lauf
eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist
der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereigniß oder der Zeitpunkt fällt.
Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende
Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das
Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.
§. 188. Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablaufe des
letzten Tages der Frist.
Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate
umfassenden Zeitraume – Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr – bestimmt ist, endigt
im Falle des §. 187 Abs. 1 mit dem Ablaufe desjenigen Tages der letzten Woche
oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage
entspricht, in den das Ereigniß oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des §. 187
Abs. 2 mit dem Ablaufe desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten
Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl
dem Anfangstage der Frist entspricht.
Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monate der
für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablaufe des
letzten Tages dieses Monats.
§. 189. Unter einem halben Jahre wird eine Frist von sechs Monaten,
unter einem Vierteljahre eine Frist von drei Monaten, unter einem halben Monat
eine Frist von fünfzehn Tagen verstanden.
Ist eine Frist auf einen oder mehrere ganze Monate und einen halben
Monat gestellt, so sind die fünfzehn Tage zuletzt zu zählen.
§. 190. Im Falle der Verlängerung einer Frist wird die neue Frist von
dem Ablaufe der vorigen Frist an berechnet.
§. 191. Ist ein Zeitraum nach Monaten oder nach Jahren in dem Sinne
bestimmt, daß er nicht zusammenhängend zu verlaufen braucht, so wird der Monat
zu dreißig, das Jahr zu dreihundertfünfundsechzig Tagen gerechnet.
§. 192. Unter Anfang des Monats wird der erste, unter Mitte des Monats
der fünfzehnte, unter Ende des Monats der letzte Tag des Monats verstanden.
§. 193. Ist an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist eine
Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der
bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag oder einen am
Erklärungs- oder Leistungsorte staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag, so
tritt an die Stelle des Sonntags oder des Feiertags der nächstfolgende Werktag.
Fünfter Abschnitt.
Verjährung.
§. 194. Das Recht, von einem Anderen ein Thun oder ein Unterlassen zu
verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung.
Der Anspruch aus einem familienrechtlichen Verhältniß unterliegt der
Verjährung nicht, soweit er auf die Herstellung des dem Verhältniß
entsprechenden Zustandes für die Zukunft gerichtet ist.
§. 195. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt dreißig Jahre.
§. 196. In zwei Jahren verjähren die Ansprüche:
1. der Kaufleute, Fabrikanten, Handwerker und
derjenigen, welche ein Kunstgewerbe betreiben, für Lieferung von Waaren,
Ausführung von Arbeiten und Besorgung fremder Geschäfte, mit Einschluß der
Auslagen, es sei denn, daß die Leistung für den Gewerbebetrieb des Schuldners
erfolgt;
2. derjenigen, welche Land- oder
Forstwirthschaft betreiben, für Lieferung von land- oder forstwirthschaftlichen
Erzeugnissen, sofern die Lieferung zur Verwendung im Haushalte des Schuldners
erfolgt;
3. der Eisenbahnunternehmungen,
Frachtfuhrleute, Schiffer, Lohnkutscher und Boten wegen des Fahrgeldes, der
Fracht, des Fuhr- und Botenlohns, mit Einschluß der Auslagen;
4. der Gastwirthe und derjenigen, welche
Speisen oder Getränke gewerbsmäßig verabreichen, für Gewährung von Wohnung und
Beköstigung sowie für andere den Gästen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse
gewährte Leistungen, mit Einschluß der Auslagen;
5. derjenigen, welche Lotterieloose
vertreiben, aus dem Vertriebe der Loose, es sei denn, daß die Loose zum
Weitervertriebe geliefert werden;
6. derjenigen, welche bewegliche Sachen
gewerbsmäßig vermiethen, wegen des Miethzinses;
7. derjenigen, welche, ohne zu den in Nr. 1
bezeichneten Personen zu gehören, die Besorgung fremder Geschäfte oder die
Leistung von Diensten gewerbsmäßig betreiben, wegen der ihnen aus dem
Gewerbebetriebe gebührenden Vergütungen, mit Einschluß der Auslagen;
8. derjenigen, welche im Privatdienste
stehen, wegen des Gehalts, Lohnes oder anderer Dienstbezüge, mit Einschluß der
Auslagen, sowie der Dienstberechtigten wegen der auf solche Ansprüche gewährten
Vorschüsse;
9. der gewerblichen Arbeiter – Gesellen,
Gehülfen, Lehrlinge, Fabrikarbeiter –, der Tagelöhner und Handarbeiter wegen
des Lohnes und anderer an Stelle oder als Theil des Lohnes vereinbarter
Leistungen, mit Einschluß der Auslagen, sowie der Arbeitgeber wegen der auf
solche Ansprüche gewährten Vorschüsse;
10. der Lehrherren und Lehrmeister wegen des
Lehrgeldes und anderer im Lehrvertrage vereinbarter Leistungen sowie wegen der
für die Lehrlinge bestrittenen Auslagen;
11. der öffentlichen Anstalten, welche dem
Unterrichte, der Erziehung, Verpflegung oder Heilung dienen, sowie der Inhaber
von Privatanstalten solcher Art für Gewährung von Unterricht, Verpflegung oder
Heilung und für die damit zusammenhängenden Aufwendungen;
12. derjenigen, welche Personen zur
Verpflegung oder zur Erziehung aufnehmen, für Leistungen und Aufwendungen der
in Nr. 11 bezeichneten Art;
13. der öffentlichen Lehrer und der
Privatlehrer wegen ihrer Honorare, die Ansprüche der öffentlichen Lehrer jedoch
nicht, wenn sie auf Grund besonderer Einrichtungen gestundet sind;
14. der Aerzte, insbesondere auch der
Wundärzte, Geburtshelfer, Zahnärzte und Thierärzte, sowie der Hebammen für ihre
Dienstleistungen, mit Einschluß der Auslagen;
15. der Rechtsanwälte, Notare und
Gerichtsvollzieher sowie aller Personen, die zur Besorgung gewisser Geschäfte
öffentlich bestellt oder zugelassen sind, wegen ihrer Gebühren und Auslagen,
soweit nicht diese zur Staatskasse fließen;
16. der Parteien wegen der ihren Rechtsanwälten
geleisteten Vorschüsse;
17. der Zeugen und Sachverständigen wegen
ihrer Gebühren und Auslagen.
Soweit die im Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 bezeichneten Ansprüche nicht der
Verjährung von zwei Jahren unterliegen, verjähren sie in vier Jahren.
§. 197. In vier Jahren verjähren die Ansprüche auf Rückstände von
Zinsen, mit Einschluß der als Zuschlag zu den Zinsen zum Zwecke allmählicher
Tilgung des Kapitals zu entrichtenden Beträge, die Ansprüche auf Rückstände von
Mieth- und Pachtzinsen, soweit sie nicht unter die Vorschrift des §. 196 Abs. 1
Nr. 6 fallen, und die Ansprüche auf Rückstände von Renten, Auszugsleistungen,
Besoldungen, Wartegeldern, Ruhegehalten, Unterhaltsbeiträgen und allen anderen
regelmäßig wiederkehrenden Leistungen.
§. 198. Die Verjährung beginnt mit der Entstehung des Anspruchs. Geht
der Anspruch auf ein Unterlassen, so beginnt die Verjährung mit der
Zuwiderhandlung.
§. 199. Kann der Berechtigte die Leistung erst verlangen, wenn er dem
Verpflichteten gekündigt hat, so beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkte, von
welchem an die Kündigung zulässig ist. Hat der Verpflichtete die Leistung erst
zu bewirken, wenn seit der Kündigung eine bestimmte Frist verstrichen ist, so
wird der Beginn der Verjährung um die Dauer der Frist hinausgeschoben.
§. 200. Hängt die Entstehung eines Anspruchs davon ab, daß der
Berechtigte von einem ihm zustehenden Anfechtungsrechte Gebrauch macht, so
beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkte, von welchem an die Anfechtung
zulässig ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Anfechtung sich auf ein
familienrechtliches Verhältniß bezieht.
§. 201. Die Verjährung der in den §§. 196, 197 bezeichneten Ansprüche
beginnt mit dem Schlusse des Jahres, in welchem der nach den §§. 198 bis 200
maßgebende Zeitpunkt eintritt. Kann die Leistung erst nach dem Ablauf einer
über diesen Zeitpunkt hinausreichenden Frist verlangt werden, so beginnt die
Verjährung mit dem Schlusse des Jahres, in welchem die Frist abläuft.
§. 202. Die Verjährung ist gehemmt, solange die Leistung gestundet oder
der Verpflichtete aus einem anderen Grunde vorübergehend zur Verweigerung der
Leistung berechtigt ist.
Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf die Einrede des
Zurückbehaltungsrechts, des nicht erfüllten Vertrags, der mangelnden
Sicherheitsleistung, der Vorausklage sowie auf die nach §. 770 dem Bürgen und
nach den §§. 2014, 2015 dem Erben zustehenden Einreden.
§. 203. Die Verjährung ist gehemmt, solange der Berechtigte durch
Stillstand der Rechtspflege innerhalb der letzten sechs Monate der
Verjährungsfrist an der Rechtsverfolgung verhindert ist.
Das Gleiche gilt, wenn eine solche Verhinderung in anderer Weise durch
höhere Gewalt herbeigeführt wird.
§. 204. Die Verjährung von Ansprüchen zwischen Ehegatten ist gehemmt,
solange die Ehe besteht. Das Gleiche gilt von Ansprüchen zwischen Eltern und
Kindern während der Minderjährigkeit der Kinder und von Ansprüchen zwischen dem
Vormund und dem Mündel während der Dauer des Vormundschaftsverhältnisses.
§. 205. Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in
die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.
§. 206. Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit
beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so wird die gegen sie laufende
Verjährung nicht vor dem Ablaufe von sechs Monaten nach dem Zeitpunkte vollendet,
in welchem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der
Vertretung aufhört. Ist die Verjährungsfrist kürzer als sechs Monate, so tritt
der für die Verjährung bestimmte Zeitraum an die Stelle der sechs Monate.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung, soweit eine in der
Geschäftsfähigkeit beschränkte Person prozeßfähig ist.
§. 207. Die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlasse gehört
oder sich gegen einen Nachlaß richtet, wird nicht vor dem Ablaufe von sechs
Monaten nach dem Zeitpunkte vollendet, in welchem die Erbschaft von dem Erben
angenommen oder der Konkurs über den Nachlaß eröffnet wird oder von welchem an
der Anspruch von einem Vertreter oder gegen einen Vertreter geltend gemacht
werden kann. Ist die Verjährungsfrist kürzer als sechs Monate, so tritt der für
die Verjährung bestimmte Zeitraum an die Stelle der sechs Monate.
§. 208. Die Verjährung wird unterbrochen, wenn der Verpflichtete dem
Berechtigten gegenüber den Anspruch durch Abschlagzahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung
oder in anderer Weise anerkennt.
§. 209. Die Verjährung wird unterbrochen, wenn der Berechtigte auf
Befriedigung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Ertheilung der
Vollstreckungsklausel oder auf Erlassung des Vollstreckungsurtheils Klage
erhebt.
Der Erhebung der Klage stehen gleich:
1. die Zustellung
eines Zahlungsbefehls im Mahnverfahren;
2. die Anmeldung des Anspruchs im Konkurse;
3. die Geltendmachung der Aufrechnung des
Anspruchs im Prozesse;
4. die Streitverkündung in dem Prozesse, von
dessen Ausgange der Anspruch abhängt;
5. die Vornahme
einer Vollstreckungshandlung und, soweit die Zwangsvollstreckung den Gerichten
oder anderen Behörden zugewiesen ist, die Stellung des Antrags auf
Zwangsvollstreckung.
§. 210. Hängt die Zulässigkeit des Rechtswegs von der Vorentscheidung
einer Behörde ab oder hat die Bestimmung des zuständigen Gerichts durch ein
höheres Gericht zu erfolgen, so wird die Verjährung durch die Einreichung des
Gesuchs an die Behörde oder das höhere Gericht in gleicher Weise wie durch
Klagerhebung unterbrochen, wenn die Klage binnen drei Monaten nach der
Erledigung des Gesuchs erhoben wird. Auf diese Frist finden die Vorschriften
der §§. 203, 206, 207 entsprechende Anwendung.
§. 211. Die Unterbrechung durch Klagerhebung dauert fort, bis der Prozeß
rechtskräftig entschieden oder anderweit erledigt ist.
Geräth der Prozeß in Folge einer Vereinbarung oder dadurch, daß er nicht
betrieben wird, in Stillstand, so endigt die Unterbrechung mit der letzten
Prozeßhandlung der Parteien oder des Gerichts. Die nach der Beendigung der
Unterbrechung beginnende neue Verjährung wird dadurch, daß eine der Parteien
den Prozeß weiter betreibt, in gleicher Weise wie durch Klagerhebung
unterbrochen.
§. 212. Die Unterbrechung durch Klagerhebung gilt als nicht erfolgt,
wenn die Klage zurückgenommen oder durch ein nicht in der Sache selbst
entscheidendes Urtheil rechtskräftig abgewiesen wird.
Erhebt der Berechtigte binnen sechs Monaten von neuem Klage, so gilt die
Verjährung als durch die Erhebung der ersten Klage unterbrochen. Auf diese
Frist finden die Vorschriften der §§. 203, 206, 207 entsprechende Anwendung.
§. 213. Die Unterbrechung durch Zustellung eines Zahlungsbefehls im
Mahnverfahren gilt als nicht erfolgt, wenn die Wirkungen der Rechtshängigkeit
erlöschen.
§. 214. Die Unterbrechung durch Anmeldung im Konkurse dauert fort, bis
der Konkurs beendigt ist.
Die Unterbrechung gilt als nicht erfolgt, wenn die Anmeldung
zurückgenommen wird.
Wird bei der Beendigung des Konkurses für eine Forderung, die in Folge
eines bei der Prüfung erhobenen Widerspruchs in Prozeß befangen ist, ein Betrag
zurückbehalten, so dauert die Unterbrechung auch nach der Beendigung des
Konkurses fort; das Ende der Unterbrechung bestimmt sich nach den Vorschriften
des §. 211.
§. 215. Die Unterbrechung durch Geltendmachung der Aufrechnung im Prozeß
oder durch Streitverkündung dauert fort, bis der Prozeß rechtskräftig
entschieden oder anderweit erledigt ist; die Vorschriften des §. 211 Abs. 2
finden Anwendung.
Die Unterbrechung gilt als nicht erfolgt, wenn nicht binnen sechs
Monaten nach der Beendigung des Prozesses Klage auf Befriedigung oder
Feststellung des Anspruchs erhoben wird. Auf diese Frist finden die
Vorschriften der §§. 203, 206, 207 entsprechende Anwendung.
§. 216. Die Unterbrechung durch Vornahme einer Vollstreckungshandlung
gilt als nicht erfolgt, wenn die Vollstreckungsmaßregel auf Antrag des
Berechtigten oder wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben
wird.
Die Unterbrechung durch Stellung des Antrags auf Zwangsvollstreckung
gilt als nicht erfolgt, wenn dem Antrage nicht stattgegeben oder der Antrag vor
der Vornahme der Vollstreckungshandlung zurückgenommen oder die erwirkte
Vollstreckungsmaßregel nach Abs. 1 aufgehoben wird.
§. 217. Wird die Verjährung unterbrochen, so kommt die bis zur
Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht; eine neue Verjährung kann
erst nach der Beendigung der Unterbrechung beginnen.
§. 218. Ein rechtskräftig festgestellter Anspruch verjährt in dreißig
Jahren, auch wenn er an sich einer kürzeren Verjährung unterliegt. Das Gleiche
gilt von dem Anspruch aus einem vollstreckbaren Vergleich oder einer
vollstreckbaren Urkunde sowie von einem Anspruche, welcher durch die im Konkurs
erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden ist.
Soweit sich die Feststellung auf regelmäßig wiederkehrende, erst künftig
fällig werdende Leistungen bezieht, bewendet es bei der kürzeren
Verjährungsfrist.
§. 219. Als rechtskräftige Entscheidung im Sinne des §. 211 Abs. 1 und
des §. 218 Abs. 1 gilt auch ein unter Vorbehalt ergangenes rechtskräftiges
Urtheil.
§. 220. Ist der Anspruch vor einem Schiedsgericht oder einem besonderen
Gerichte, vor einem Verwaltungsgericht oder einer Verwaltungsbehörde geltend zu
machen, so finden die Vorschriften der §§. 209 bis 213, 215, 216, 218, 219
entsprechende Anwendung.
Sind in dem Schiedsvertrage die Schiedsrichter nicht ernannt oder ist
die Ernennung eines Schiedsrichters aus einem anderen Grunde erforderlich oder
kann das Schiedsgericht erst nach der Erfüllung einer sonstigen Voraussetzung
angerufen werden, so wird die Verjährung schon dadurch unterbrochen, daß der
Berechtigte das zur Erledigung der Sache seinerseits Erforderliche vornimmt.
§. 221. Gelangt eine Sache, in Ansehung deren ein dinglicher Anspruch besteht,
durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten, so kommt die während des
Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger
zu Statten.
§. 222. Nach der Vollendung der Verjährung ist der Verpflichtete
berechtigt, die Leistung zu verweigern.
Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht
zurückgefordert werden, auch wenn die Leistung in Unkenntniß der Verjährung
bewirkt worden ist. Das Gleiche gilt von einem vertragsmäßigen Anerkenntnisse
sowie einer Sicherheitsleistung des Verpflichteten.
§. 223. Die Verjährung eines Anspruchs, für den eine Hypothek oder ein
Pfandrecht besteht, hindert den Berechtigten nicht, seine Befriedigung aus dem
verhafteten Gegenstande zu suchen.
Ist zur Sicherung eines Anspruchs ein Recht übertragen worden, so kann
die Rückübertragung nicht auf Grund der Verjährung des Anspruchs gefordert
werden.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung bei der Verjährung von
Ansprüchen auf Rückstände von Zinsen oder anderen wiederkehrenden Leistungen.
§. 224. Mit dem Hauptanspruche verjährt der Anspruch auf die von ihm
abhängenden Nebenleistungen, auch wenn die für diesen Anspruch geltende
besondere Verjährung noch nicht vollendet ist.
§. 225. Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft weder ausgeschlossen
noch erschwert werden. Erleichterung der Verjährung, insbesondere Abkürzung der
Verjährungsfrist, ist zulässig.
Sechster Abschnitt.
Ausübung der Rechte. Selbstvertheidigung. Selbsthülfe.
§. 226. Die Ausübung eines Rechtes ist unzulässig, wenn sie nur den
Zweck haben kann, einem Anderen Schaden zuzufügen.
§. 227. Eine durch Nothwehr gebotene Handlung ist nicht widerrechtlich.
Nothwehr ist diejenige Vertheidigung, welche erforderlich ist, um einen
gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem Anderen abzuwenden.
§. 228. Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch
sie drohende Gefahr von sich oder einem Anderen abzuwenden, handelt nicht
widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr
erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältniß zu der Gefahr steht.
Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet, so ist er zum Schadensersatze
verpflichtet.
§. 229. Wer zum Zwecke der Selbsthülfe eine Sache wegnimmt, zerstört
oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthülfe einen Verpflichteten,
welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des
Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist,
beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hülfe nicht
rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht,
daß die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde.
§. 230. Die Selbsthülfe darf nicht weiter gehen, als zur Abwendung der
Gefahr erforderlich ist.
Im Falle der Wegnahme von Sachen ist, sofern nicht Zwangsvollstreckung
erwirkt wird, der dingliche Arrest zu beantragen.
Im Falle der Festnahme des Verpflichteten ist, sofern er nicht wieder in
Freiheit gesetzt wird, der persönliche Sicherheitsarrest bei dem Amtsgerichte
zu beantragen, in dessen Bezirke die Festnahme erfolgt ist; der Verpflichtete
ist unverzüglich dem Gerichte vorzuführen.
Wird der Arrestantrag verzögert oder abgelehnt, so hat die Rückgabe der
weggenommenen Sachen und die Freilassung des Festgenommenen unverzüglich zu
erfolgen.
§. 231. Wer eine der im §. 229 bezeichneten Handlungen in der irrigen
Annahme vornimmt, daß die für den Ausschluß der Widerrechtlichkeit
erforderlichen Voraussetzungen vorhanden seien, ist dem anderen Theile zum
Schadensersatze verpflichtet, auch wenn der Irrthum nicht auf Fahrlässigkeit
beruht.
Siebenter Abschnitt.
Sicherheitsleistung.
§. 232. Wer Sicherheit zu leisten hat, kann dies bewirken
durch Hinterlegung von Geld oder
Werthpapieren,
durch Verpfändung von Forderungen, die in das
Reichsschuldbuch oder in das Staatsschuldbuch eines Bundesstaats eingetragen
sind,
durch Verpfändung beweglicher Sachen,
durch Bestellung von Hypotheken an
inländischen Grundstücken,
durch Verpfändung von Forderungen, für die
eine Hypothek an einem inländischen Grundstücke besteht, oder durch Verpfändung
von Grundschulden oder Rentenschulden an inländischen Grundstücken.
Kann die Sicherheit nicht in dieser Weise geleistet werden, so ist die
Stellung eines tauglichen Bürgen zulässig.
§. 233. Mit der Hinterlegung erwirbt der Berechtigte ein Pfandrecht an
dem hinterlegten Gelde oder an den hinterlegten Werthpapieren und, wenn das
Geld oder die Werthpapiere nach landesgesetzlicher Vorschrift in das Eigenthum
des Fiskus oder der als Hinterlegungsstelle bestimmten Anstalt übergehen, ein
Pfandrecht an der Forderung auf Rückerstattung.
§. 234. Werthpapiere sind zur Sicherheitsleistung nur geeignet, wenn sie
auf den Inhaber lauten, einen Kurswerth haben und einer Gattung angehören, in
der Mündelgeld angelegt werden darf. Den Inhaberpapieren stehen Orderpapiere
gleich, die mit Blankoindossament versehen sind.
Mit den Werthpapieren sind die Zins-, Renten-, Gewinnantheil- und
Erneuerungsscheine zu hinterlegen.
Mit Werthpapieren kann Sicherheit nur in Höhe von drei Viertheilen des
Kurswerths geleistet werden.
§. 235. Wer durch Hinterlegung von Geld oder von Werthpapieren
Sicherheit geleistet hat, ist berechtigt, das hinterlegte Geld gegen geeignete
Werthpapiere, die hinterlegten Werthpapiere gegen andere geeignete Werthpapiere
oder gegen Geld umzutauschen.
§. 236. Mit einer Buchforderung gegen das Reich oder gegen einen
Bundesstaat kann Sicherheit nur in Höhe von drei Viertheilen des Kurswerths der
Werthpapiere geleistet werden, deren Aushändigung der Gläubiger gegen Löschung
seiner Forderung verlangen kann.
§. 237. Mit einer beweglichen Sache kann Sicherheit nur in Höhe von zwei
Drittheilen des Schätzungswerths geleistet werden. Sachen, deren Verderb zu
besorgen oder deren Aufbewahrung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist,
können zurückgewiesen werden.
§. 238. Eine Hypothekenforderung, eine Grundschuld oder eine
Rentenschuld ist zur Sicherheitsleistung nur geeignet, wenn sie den
Voraussetzungen entspricht, unter denen am Orte der Sicherheitsleistung
Mündelgeld in Hypothekenforderungen, Grundschulden oder Rentenschulden angelegt
werden darf.
Eine Forderung, für die eine Sicherungshypothek besteht, ist zur
Sicherheitsleistung nicht geeignet.
§. 239. Ein Bürge ist tauglich, wenn er ein der Höhe der zu leistenden
Sicherheit angemessenes Vermögen besitzt und seinen allgemeinen Gerichtsstand
im Inlande hat.
Die Bürgschaftserklärung muß den Verzicht auf die Einrede der
Vorausklage enthalten.
§. 240. Wird die geleistete Sicherheit ohne Verschulden des Berechtigten
unzureichend, so ist sie zu ergänzen oder anderweitige Sicherheit zu leisten.
Zweites Buch.
Recht der Schuldverhältnisse.
Erster Abschnitt.
Inhalt der Schuldverhältnisse.
Erster Titel.
Verpflichtung zur Leistung.
§. 241. Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von
dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem
Unterlassen bestehen.
§. 242. Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie
Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
§. 243. Wer eine nur der Gattung nach bestimmte Sache schuldet, hat eine
Sache von mittlerer Art und Güte zu leisten.
Hat der Schuldner das zur Leistung einer solchen Sache seinerseits
Erforderliche gethan, so beschränkt sich das Schuldverhältniß auf diese Sache.
§. 244. Ist eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld im
Inlande zu zahlen, so kann die Zahlung in Reichswährung erfolgen, es sei denn,
daß Zahlung in ausländischer Währung ausdrücklich bedungen ist.
Die Umrechnung erfolgt nach dem Kurswerthe, der zur Zeit der Zahlung für
den Zahlungsort maßgebend ist.
§. 245. Ist eine Geldschuld in einer bestimmten Münzsorte zu zahlen, die
sich zur Zeit der Zahlung nicht mehr im Umlaufe befindet, so ist die Zahlung so
zu leisten, wie wenn die Münzsorte nicht bestimmt wäre.
§. 246. Ist eine Schuld nach Gesetz oder Rechtsgeschäft zu verzinsen, so
sind vier vom Hundert für das Jahr zu entrichten, sofern nicht ein Anderes
bestimmt ist.
§. 247. Ist ein höherer Zinssatz als sechs vom Hundert für das Jahr
vereinbart, so kann der Schuldner nach dem Ablaufe von sechs Monaten das
Kapital unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen. Das
Kündigungsrecht kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden.
Diese Vorschriften gelten nicht für Schuldverschreibungen auf den
Inhaber.
§. 248. Eine im voraus getroffene Vereinbarung, daß fällige Zinsen
wieder Zinsen tragen sollen, ist nichtig.
Sparkassen, Kreditanstalten und Inhaber von Bankgeschäften können im
voraus vereinbaren, daß nicht erhobene Zinsen von Einlagen als neue
verzinsliche Einlagen gelten sollen. Kreditanstalten, die berechtigt sind, für
den Betrag der von ihnen gewährten Darlehen verzinsliche Schuldverschreibungen
auf den Inhaber auszugeben, können sich bei solchen Darlehen die Verzinsung
rückständiger Zinsen im voraus versprechen lassen.
§. 249. Wer zum Schadensersatze verpflichtet ist, hat den Zustand
herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatze verpflichtende Umstand
nicht eingetreten wäre. Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen
Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt
der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.
§. 250. Der Gläubiger kann dem Ersatzpflichtigen zur Herstellung eine
angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er die Herstellung nach dem
Ablaufe der Frist ablehne. Nach dem Ablaufe der Frist kann der Gläubiger den
Ersatz in Geld verlangen, wenn nicht die Herstellung rechtzeitig erfolgt; der
Anspruch auf die Herstellung ist ausgeschlossen.
§. 251. Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des
Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld
zu entschädigen.
Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die
Herstellung nur mit unverhältnißmäßigen Aufwendungen möglich ist.
§. 252. Der zu ersetzende Schaden umfaßt auch den entgangenen Gewinn.
Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge
oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten
und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
§. 253. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann
Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert
werden.
§. 254. Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des
Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatze sowie der
Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab,
inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Theile
verursacht worden ist.
Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf
beschränkt, daß er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines
ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder
kannte noch kennen mußte, oder daß er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden
oder zu mindern. Die Vorschrift des §. 278 findet entsprechende Anwendung.
§. 255. Wer für den Verlust einer Sache oder eines Rechtes
Schadensersatz zu leisten hat, ist zum Ersatze nur gegen Abtretung der
Ansprüche verpflichtet, die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigenthums an
der Sache oder auf Grund des Rechtes gegen Dritte zustehen.
§. 256. Wer zum Ersatze von Aufwendungen verpflichtet ist, hat den
aufgewendeten Betrag oder, wenn andere Gegenstände als Geld aufgewendet worden
sind, den als Ersatz ihres Werthes zu zahlenden Betrag von der Zeit der
Aufwendung an zu verzinsen. Sind Aufwendungen auf einen Gegenstand gemacht worden,
der dem Ersatzpflichtigen herauszugeben ist, so sind Zinsen für die Zeit, für
welche dem Ersatzberechtigten die Nutzungen oder die Früchte des Gegenstandes
ohne Vergütung verbleiben, nicht zu entrichten.
§. 257. Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er
für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen Zweck eine
Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ist die
Verbindlichkeit noch nicht fällig, so kann ihm der Ersatzpflichtige, statt ihn
zu befreien, Sicherheit leisten.
§. 258. Wer berechtigt ist, von einer Sache, die er einem Anderen
herauszugeben hat, eine Einrichtung wegzunehmen, hat im Falle der Wegnahme die
Sache auf seine Kosten in den vorigen Stand zu setzen. Erlangt der Andere den
Besitz der Sache, so ist er verpflichtet, die Wegnahme der Einrichtung zu
gestatten; er kann die Gestattung verweigern, bis ihm für den mit der Wegnahme
verbundenen Schaden Sicherheit geleistet wird.
§. 259. Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben
verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die
geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung
mitzutheilen und, soweit Belege ertheilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
Besteht Grund zu der Annahme, daß die in der Rechnung enthaltenen
Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden
sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen den Offenbarungseid dahin zu
leisten:
daß er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe,
als er dazu im Stande sei.
In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur
Leistung des Offenbarungseids nicht.
§. 260. Wer verpflichtet ist, einen Inbegriff von Gegenständen herauszugeben
oder über den Bestand eines solchen Inbegriffs Auskunft zu ertheilen, hat dem
Berechtigten ein Verzeichniß des Bestandes vorzulegen.
Besteht Grund zu der Annahme, daß das Verzeichniß nicht mit der
erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist, so hat der Verpflichtete auf
Verlangen den Offenbarungseid dahin zu leisten:
daß er nach bestem Wissen den Bestand so vollständig angegeben habe,
als er dazu im Stande sei.
Die Vorschrift des §. 259 Abs. 3 findet Anwendung.
§. 261. Der Offenbarungseid ist, sofern er nicht vor dem Prozeßgerichte
zu leisten ist, vor dem Amtsgerichte des Ortes zu leisten, an welchem die
Verpflichtung zur Rechnungslegung oder zur Vorlegung des Verzeichnisses zu
erfüllen ist. Hat der Verpflichtete seinen Wohnsitz oder seinen Aufenthalt im
Inlande, so kann er den Eid vor dem Amtsgerichte des Wohnsitzes oder des
Aufenthaltsorts leisten.
Das Gericht kann eine den Umständen entsprechende Aenderung der
Eidesnorm beschließen.
Die Kosten der Abnahme des Eides hat derjenige zu tragen, welcher die
Leistung des Eides verlangt.
§. 262. Werden mehrere Leistungen in der Weise geschuldet, daß nur die
eine oder die andere zu bewirken ist, so steht das Wahlrecht im Zweifel dem
Schuldner zu.
§. 263. Die Wahl erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Theile.
Die gewählte Leistung gilt als die von Anfang an allein geschuldete.
§. 264. Nimmt der wahlberechtigte Schuldner die Wahl nicht vor dem
Beginne der Zwangsvollstreckung vor, so kann der Gläubiger die
Zwangsvollstreckung nach seiner Wahl auf die eine oder auf die andere Leistung
richten; der Schuldner kann sich jedoch, solange nicht der Gläubiger die
gewählte Leistung ganz oder zum Theil empfangen hat, durch eine der übrigen
Leistungen von seiner Verbindlichkeit befreien.
Ist der wahlberechtigte Gläubiger im Verzuge, so kann der Schuldner ihn
unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Vornahme der Wahl auffordern. Mit
dem Ablaufe der Frist geht das Wahlrecht auf den Schuldner über, wenn nicht der
Gläubiger rechtzeitig die Wahl vornimmt.
§. 265. Ist eine der Leistungen von Anfang an unmöglich oder wird sie
später unmöglich, so beschränkt sich das Schuldverhältniß auf die übrigen
Leistungen. Die Beschränkung tritt nicht ein, wenn die Leistung in Folge eines
Umstandes unmöglich wird, den der nicht wahlberechtigte Theil zu vertreten hat.
§. 266. Der Schuldner ist zu Theilleistungen nicht berechtigt.
§. 267. Hat der Schuldner nicht in Person zu leisten, so kann auch ein
Dritter die Leistung bewirken. Die Einwilligung des Schuldners ist nicht erforderlich.
Der Gläubiger kann die Leistung ablehnen, wenn der Schuldner
widerspricht.
§. 268. Betreibt der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in einen dem
Schuldner gehörenden Gegenstand, so ist Jeder, der Gefahr läuft, durch die
Zwangsvollstreckung ein Recht an dem Gegenstande zu verlieren, berechtigt, den
Gläubiger zu befriedigen. Das gleiche Recht steht dem Besitzer einer Sache zu,
wenn er Gefahr läuft, durch die Zwangsvollstreckung den Besitz zu verlieren.
Die Befriedigung kann auch durch Hinterlegung oder durch Aufrechnung
erfolgen.
Soweit der Dritte den Gläubiger befriedigt, geht die Forderung auf ihn
über. Der Uebergang kann nicht zum Nachtheile des Gläubigers geltend gemacht
werden.
§. 269. Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen,
insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die
Leistung an dem Orte zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der
Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte.
Ist die Verbindlichkeit im Gewerbebetriebe des Schuldners entstanden, so
tritt, wenn der Schuldner seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Orte
hatte, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes.
Aus dem Umstand allein, daß der Schuldner die Kosten der Versendung
übernommen hat, ist nicht zu entnehmen, daß der Ort, nach welchem die
Versendung zu erfolgen hat, der Leistungsort sein soll.
§. 270. Geld hat der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr und seine
Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln.
Ist die Forderung im Gewerbebetriebe des Gläubigers entstanden, so
tritt, wenn der Gläubiger seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Orte
hat, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes.
Erhöhen sich in Folge einer nach der Entstehung des Schuldverhältnisses
eintretenden Aenderung des Wohnsitzes oder der gewerblichen Niederlassung des
Gläubigers die Kosten oder die Gefahr der Uebermittelung, so hat der Gläubiger
im ersteren Falle die Mehrkosten, im letzteren Falle die Gefahr zu tragen.
Die Vorschriften über den Leistungsort bleiben unberührt.
§. 271. Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den
Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen,
der Schuldner sie sofort bewirken.
Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß der Gläubiger
die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher
bewirken kann.
§. 272. Bezahlt der Schuldner eine unverzinsliche Schuld vor der
Fälligkeit, so ist er zu einem Abzuge wegen der Zwischenzinsen nicht
berechtigt.
§. 273. Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältniß, auf dem
seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so
kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnisse sich ein Anderes ergiebt, die
geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird
(Zurückbehaltungsrecht).
Wer zur Herausgabe eines Gegenstandes verpflichtet ist, hat das gleiche
Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand
oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn,
daß er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung
erlangt hat.
Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung
abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.
§. 274. Gegenüber der Klage des Gläubigers hat die Geltendmachung des
Zurückbehaltungsrechts nur die Wirkung, daß der Schuldner zur Leistung gegen
Empfang der ihm gebührenden Leistung (Erfüllung Zug um Zug) zu verurtheilen
ist. Auf Grund einer solchen Verurtheilung kann der Gläubiger seinen Anspruch
ohne Bewirkung der ihm obliegenden Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung
verfolgen, wenn der Schuldner im Verzuge der Annahme ist.
§. 275. Der Schuldner wird von der Verpflichtung zur Leistung frei,
soweit die Leistung in Folge eines nach der Entstehung des Schuldverhältnisses
eintretenden Umstandes, den er nicht zu vertreten hat, unmöglich wird.
Einer nach der Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden
Unmöglichkeit steht das nachträglich eintretende Unvermögen des Schuldners zur
Leistung gleich.
§. 276. Der Schuldner hat, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist,
Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt außer Acht läßt. Die Vorschriften der §§. 827, 828
finden Anwendung.
Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im voraus erlassen
werden.
§. 277. Wer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen
Angelegenheiten anzuwenden pflegt, ist von der Haftung wegen grober
Fahrlässigkeit nicht befreit.
§. 278. Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters
und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient,
in gleichem Umfange zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des §.
276 Abs. 2 findet keine Anwendung.
§. 279. Ist der geschuldete Gegenstand nur der Gattung nach bestimmt, so
hat der Schuldner, solange die Leistung aus der Gattung möglich ist, sein
Unvermögen zur Leistung auch dann zu vertreten, wenn ihm ein Verschulden nicht
zur Last fällt.
§. 280. Soweit die Leistung in Folge eines von dem Schuldner zu
vertretenden Umstandes unmöglich wird, hat der Schuldner dem Gläubiger den
durch die Nichterfüllung entstehenden Schaden zu ersetzen.
Im Falle theilweiser Unmöglichkeit kann der Gläubiger unter Ablehnung
des noch möglichen Theiles der Leistung Schadensersatz wegen Nichterfüllung der
ganzen Verbindlichkeit verlangen, wenn die theilweise Erfüllung für ihn kein
Interesse hat. Die für das vertragsmäßige Rücktrittsrecht geltenden
Vorschriften der §§. 346 bis 356 finden entsprechende Anwendung.
§. 281. Erlangt der Schuldner in Folge des Umstandes, welcher die
Leistung unmöglich macht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder
einen Ersatzanspruch, so kann der Gläubiger Herausgabe des als Ersatz
Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen.
Hat der Gläubiger Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, so
mindert sich, wenn er von dem im Abs. 1 bestimmten Rechte Gebrauch macht, die
ihm zu leistende Entschädigung um den Werth des erlangten Ersatzes oder
Ersatzanspruchs.
§. 282. Ist streitig, ob die Unmöglichkeit der Leistung die Folge eines
von dem Schuldner zu vertretenden Umstandes ist, so trifft die Beweislast den
Schuldner.
§. 283. Ist der Schuldner rechtskräftig verurtheilt, so kann der
Gläubiger ihm zur Bewirkung der Leistung eine angemessene Frist mit der
Erklärung bestimmen, daß er die Annahme der Leistung nach dem Ablaufe der Frist
ablehne. Nach dem Ablaufe der Frist kann der Gläubiger Schadensersatz wegen
Nichterfüllung verlangen, soweit nicht die Leistung rechtzeitig bewirkt wird;
der Anspruch auf Erfüllung ist ausgeschlossen. Die Verpflichtung zum
Schadensersatze tritt nicht ein, wenn die Leistung in Folge eines Umstandes
unmöglich wird, den der Schuldner nicht zu vertreten hat.
Wird die Leistung bis zum Ablaufe der Frist nur theilweise nicht
bewirkt, so steht dem Gläubiger auch das im §. 280 Abs. 2 bestimmte Recht zu.
§. 284. Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die
nach dem Eintritte der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in
Verzug. Der Mahnung steht die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die
Zustellung eines Zahlungsbefehls im Mahnverfahren gleich.
Ist für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so kommt der
Schuldner ohne Mahnung in Verzug, wenn er nicht zu der bestimmten Zeit leistet.
Das Gleiche gilt, wenn der Leistung eine Kündigung vorauszugehen hat und die Zeit
für die Leistung in der Weise bestimmt ist, daß sie sich von der Kündigung ab
nach dem Kalender berechnen läßt.
§. 285. Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung in
Folge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
§. 286. Der Schuldner hat dem Gläubiger den durch den Verzug
entstehenden Schaden zu ersetzen.
Hat die Leistung in Folge des Verzugs für den Gläubiger kein Interesse,
so kann dieser unter Ablehnung der Leistung Schadensersatz wegen Nichterfüllung
verlangen. Die für das vertragsmäßige Rücktrittsrecht geltenden Vorschriften
der §§. 346 bis 356 finden entsprechende Anwendung.
§. 287. Der Schuldner hat während des Verzugs jede Fahrlässigkeit zu
vertreten. Er ist auch für die während des Verzugs durch Zufall eintretende
Unmöglichkeit der Leistung verantwortlich, es sei denn, daß der Schaden auch
bei rechtzeitiger Leistung eingetreten sein würde.
§. 288. Eine Geldschuld ist während des Verzugs mit vier vom Hundert für
das Jahr zu verzinsen. Kann der Gläubiger aus einem anderen Rechtsgrunde höhere
Zinsen verlangen, so sind diese fortzuentrichten.
Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
§. 289. Von Zinsen sind Verzugszinsen nicht zu entrichten. Das Recht des
Gläubigers auf Ersatz des durch den Verzug entstehenden Schadens bleibt
unberührt.
§. 290. Ist der Schuldner zum Ersatze des Werthes eines Gegenstandes
verpflichtet, der während des Verzugs untergegangen ist oder aus einem während des
Verzugs eingetretenen Grunde nicht herausgegeben werden kann, so kann der
Gläubiger Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen,
welcher der Bestimmung des Werthes zu Grunde gelegt wird. Das Gleiche gilt,
wenn der Schuldner zum Ersatze der Minderung des Werthes eines während des
Verzugs verschlechterten Gegenstandes verpflichtet ist.
§. 291. Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritte der
Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die
Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die
Vorschriften des §. 288 Abs. 1 und des §. 289 Satz 1 finden entsprechende
Anwendung.
§. 292. Hat der Schuldner einen bestimmten Gegenstand herauszugeben, so
bestimmt sich von dem Eintritte der Rechtshängigkeit an der Anspruch des
Gläubigers auf Schadensersatz wegen Verschlechterung, Unterganges oder einer
aus einem anderen Grunde eintretenden Unmöglichkeit der Herausgabe nach den
Vorschriften, welche für das Verhältniß zwischen dem Eigenthümer und dem
Besitzer von dem Eintritte der Rechtshängigkeit des Eigenthumsanspruchs an
gelten, soweit nicht aus dem Schuldverhältniß oder dem Verzuge des Schuldners
sich zu Gunsten des Gläubigers ein Anderes ergiebt.
Das Gleiche gilt von dem Anspruche des Gläubigers auf Herausgabe oder
Vergütung von Nutzungen und von dem Anspruche des Schuldners auf Ersatz von
Verwendungen.
Zweiter Titel.
Verzug des Gläubigers.
§. 293. Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene
Leistung nicht annimmt.
§. 294. Die Leistung muß dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist,
thatsächlich angeboten werden.
§. 295. Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger
ihm erklärt hat, daß er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur
Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist,
insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat. Dem
Angebote der Leistung steht die Aufforderung an den Gläubiger gleich, die
erforderliche Handlung vorzunehmen.
§. 296. Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit
nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger
die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung eine
Kündigung vorauszugehen hat und die Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt
ist, daß sie sich von der Kündigung ab nach dem Kalender berechnen läßt.
§. 297. Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit
des Angebots oder im Falle des §. 296 zu der für die Handlung des Gläubigers
bestimmten Zeit außer Stande ist, die Leistung zu bewirken.
§. 298. Ist der Schuldner nur gegen eine Leistung des Gläubigers zu
leisten verpflichtet, so kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er zwar die
angebotene Leistung anzunehmen bereit ist, die verlangte Gegenleistung aber
nicht anbietet.
§. 299. Ist die Leistungszeit nicht bestimmt oder ist der Schuldner
berechtigt, vor der bestimmten Zeit zu leisten, so kommt der Gläubiger nicht
dadurch in Verzug, daß er vorübergehend an der Annahme der angebotenen Leistung
verhindert ist, es sei denn, daß der Schuldner ihm die Leistung eine
angemessene Zeit vorher angekündigt hat.
§. 300. Der Schuldner hat während des Verzugs des Gläubigers nur Vorsatz
und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.
Wird eine nur der Gattung nach bestimmte Sache geschuldet, so geht die
Gefahr mit dem Zeitpunkt auf den Gläubiger über, in welchem er dadurch in
Verzug kommt, daß er die angebotene Sache nicht annimmt.
§. 301. Von einer verzinslichen Geldschuld hat der Schuldner während des
Verzugs des Gläubigers Zinsen nicht zu entrichten.
§. 302. Hat der Schuldner die Nutzungen eines Gegenstandes herauszugeben
oder zu ersetzen, so beschränkt sich seine Verpflichtung während des Verzugs
des Gläubigers auf die Nutzungen, welche er zieht.
§. 303. Ist der Schuldner zur Herausgabe eines Grundstücks verpflichtet,
so kann er nach dem Eintritte des Verzugs des Gläubigers den Besitz aufgeben.
Das Aufgeben muß dem Gläubiger vorher angedroht werden, es sei denn, daß die
Androhung unthunlich ist.
§. 304. Der Schuldner kann im Falle des Verzugs des Gläubigers Ersatz
der Mehraufwendungen verlangen, die er für das erfolglose Angebot sowie für die
Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstandes machen mußte.
Zweiter Abschnitt.
Schuldverhältnisse aus Verträgen.
Erster Titel.
Begründung. Inhalt des Vertrags.
§. 305. Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft
sowie zur Aenderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag
zwischen den Betheiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein Anderes
vorschreibt.
§. 306. Ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag ist
nichtig.
§. 307. Wer bei der Schließung eines Vertrags, der auf eine unmögliche
Leistung gerichtet ist, die Unmöglichkeit der Leistung kennt oder kennen muß, ist
zum Ersatze des Schadens verpflichtet, den der andere Theil dadurch erleidet,
daß er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraut, jedoch nicht über den Betrag
des Interesses hinaus, welches der andere Theil an der Gültigkeit des Vertrags
hat. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der andere Theil die Unmöglichkeit
kennt oder kennen muß.
Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung, wenn die Leistung nur
theilweise unmöglich und der Vertrag in Ansehung des möglichen Theiles gültig
ist oder wenn eine von mehreren wahlweise versprochenen Leistungen unmöglich
ist.
§. 308. Die Unmöglichkeit der Leistung steht der Gültigkeit des Vertrags
nicht entgegen, wenn die Unmöglichkeit gehoben werden kann und der Vertrag für
den Fall geschlossen ist, daß die Leistung möglich wird.
Wird eine unmögliche Leistung unter einer anderen aufschiebenden
Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins versprochen, so ist der
Vertrag gültig, wenn die Unmöglichkeit vor dem Eintritte der Bedingung oder des
Termins behoben wird.
§. 309. Verstößt ein Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot, so finden
die Vorschriften der §§. 307, 308 entsprechende Anwendung.
§. 310. Ein Vertrag, durch den sich der eine Theil verpflichtet, sein
künftiges Vermögen oder einen Bruchtheil seines künftigen Vermögens zu
übertragen oder mit einem Nießbrauche zu belasten, ist nichtig.
§. 311. Ein Vertrag, durch den sich der eine Theil verpflichtet, sein
gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchtheil seines gegenwärtigen Vermögens zu
übertragen oder mit einem Nießbrauche zu belasten, bedarf der gerichtlichen
oder notariellen Beurkundung.
§. 312. Ein Vertrag über den Nachlaß eines noch lebenden Dritten ist
nichtig. Das Gleiche gilt von einem Vertrag über den Pflichttheil oder ein
Vermächtniß aus dem Nachlaß eines noch lebenden Dritten.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf einen Vertrag, der unter
künftigen gesetzlichen Erben über den gesetzlichen Erbtheil oder den
Pflichttheil eines von ihnen geschlossen wird. Ein solcher Vertrag bedarf der
gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.
§. 313. Ein Vertrag, durch den sich der eine Theil verpflichtet, das
Eigenthum an einem Grundstücke zu übertragen, bedarf der gerichtlichen oder
notariellen Beurkundung. Ein ohne Beobachtung dieser Form geschlossener Vertrag
wird seinem ganzen Inhalte nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung
in das Grundbuch erfolgen.
§. 314. Verpflichtet sich Jemand zur Veräußerung oder Belastung einer
Sache, so erstreckt sich die Verpflichtung im Zweifel auch auf das Zubehör der Sache.
§. 315. Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt
werden, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Bestimmung nach billigem Ermessen
zu treffen ist.
Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Theile.
Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die
getroffene Bestimmung für den anderen Theil nur verbindlich, wenn sie der
Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die
Bestimmung durch Urtheil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung
verzögert wird.
§. 316. Ist der Umfang der für eine Leistung versprochenen Gegenleistung
nicht bestimmt, so steht die Bestimmung im Zweifel demjenigen Theile zu,
welcher die Gegenleistung zu fordern hat.
§. 317. Ist die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen, so ist
im Zweifel anzunehmen, daß sie nach billigem Ermessen zu treffen ist.
Soll die Bestimmung durch mehrere Dritte erfolgen, so ist im Zweifel
Uebereinstimmung aller erforderlich; soll eine Summe bestimmt werden, so ist,
wenn verschiedene Summen bestimmt werden, im Zweifel die Durchschnittssumme
maßgebend.
§. 318. Die einem Dritten überlassene Bestimmung der Leistung erfolgt
durch Erklärung gegenüber einem der Vertragschließenden.
Die Anfechtung der getroffenen Bestimmung wegen Irrthums, Drohung oder
arglistiger Täuschung steht nur den Vertragschließenden zu; Anfechtungsgegner
ist der andere Theil. Die Anfechtung muß unverzüglich erfolgen, nachdem der
Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrunde Kenntniß erlangt hat. Sie ist
ausgeschlossen, wenn dreißig Jahre verstrichen sind, nachdem die Bestimmung
getroffen worden ist.
§. 319. Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen,
so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich,
wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch
Urtheil; das Gleiche gilt, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann
oder will oder wenn er sie verzögert.
Soll der Dritte die Bestimmung nach freiem Belieben treffen, so ist der
Vertrag unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will
oder wenn er sie verzögert.
Zweiter Titel.
Gegenseitiger Vertrag.
§. 320. Wer aus einem gegenseitigen Vertrage verpflichtet ist, kann die
ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei
denn, daß er vorzuleisten verpflichtet ist. Hat die Leistung an Mehrere zu
erfolgen, so kann dem Einzelnen der ihm gebührende Theil bis zur Bewirkung der
ganzen Gegenleistung verweigert werden. Die Vorschrift des §. 273 Abs. 3 findet
keine Anwendung.
Ist von der einen Seite theilweise geleistet worden, so kann die
Gegenleistung insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den
Umständen, insbesondere wegen verhältnißmäßiger Geringfügigkeit des rückständigen
Theiles, gegen Treu und Glauben verstoßen würde.
§. 321. Wer aus einem gegenseitigen Vertrage vorzuleisten verpflichtet
ist, kann, wenn nach dem Abschlusse des Vertrags in den Vermögensverhältnissen
des anderen Theiles eine wesentliche Verschlechterung eintritt, durch die der
Anspruch auf die Gegenleistung gefährdet wird, die ihm obliegende Leistung
verweigern, bis die Gegenleistung bewirkt oder Sicherheit für sie geleistet
wird.
§. 322. Erhebt aus einem gegenseitigen Vertrage der eine Theil Klage auf
die ihm geschuldete Leistung, so hat die Geltendmachung des dem anderen Theile
zustehenden Rechtes, die Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung zu
verweigern, nur die Wirkung, daß der andere Theil zur Erfüllung Zug um Zug zu
verurtheilen ist.
Hat der klagende Theil vorzuleisten, so kann er, wenn der andere Theil
im Verzuge der Annahme ist, auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung klagen.
Auf die Zwangsvollstreckung findet die Vorschrift des §. 274 Abs. 2
Anwendung.
§. 323. Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Theile
obliegende Leistung in Folge eines Umstandes unmöglich, den weder er noch der
andere Theil zu vertreten hat, so verliert er den Anspruch auf die
Gegenleistung; bei theilweiser Unmöglichkeit mindert sich die Gegenleistung
nach Maßgabe der §§. 472, 473.
Verlangt der andere Theil nach §. 281 Herausgabe des für den
geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes oder Abtretung des Ersatzanspruchs,
so bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet; diese mindert sich jedoch nach
Maßgabe der §§. 472, 473 insoweit, als der Werth des Ersatzes oder des
Ersatzanspruchs hinter dem Werthe der geschuldeten Leistung zurückbleibt.
Soweit die nach diesen Vorschriften nicht geschuldete Gegenleistung
bewirkt ist, kann das Geleistete nach den Vorschriften über die Herausgabe
einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückgefordert werden.
§. 324. Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Theile
obliegende Leistung in Folge eines Umstandes, den der andere Theil zu vertreten
hat, unmöglich, so behält er den Anspruch auf die Gegenleistung. Er muß sich
jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er in Folge der Befreiung von der
Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt
oder zu erwerben böswillig unterläßt.
Das Gleiche gilt, wenn die dem einen Theile obliegende Leistung in Folge
eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes zu einer Zeit unmöglich wird, zu
welcher der andere Theil im Verzuge der Annahme ist.
§. 325. Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Theile
obliegende Leistung in Folge eines Umstandes, den er zu vertreten hat,
unmöglich, so kann der andere Theil Schadensersatz wegen Nichterfüllung
verlangen oder von dem Vertrage zurücktreten. Bei theilweiser Unmöglichkeit ist
er, wenn die theilweise Erfüllung des Vertrags für ihn kein Interesse hat,
berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit nach
Maßgabe des §. 280 Abs. 2 zu verlangen oder von dem ganzen Vertrage
zurückzutreten. Statt des Anspruchs auf Schadensersatz und des Rücktrittsrechts
kann er auch die für den Fall des §. 323 bestimmten Rechte geltend machen.
Das Gleiche gilt in dem Falle des §. 283, wenn nicht die Leistung bis
zum Ablaufe der Frist bewirkt wird oder wenn zu dieser Zeit theilweise nicht
bewirkt ist.
§. 326. Ist bei einem gegenseitigen Vertrage der eine Theil mit der ihm
obliegenden Leistung im Verzuge, so kann ihm der andere Theil zur Bewirkung der
Leistung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er die Annahme
der Leistung nach dem Ablaufe der Frist ablehne. Nach dem Ablaufe der Frist ist
er berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder von dem
Vertrage zurückzutreten, wenn nicht die Leistung rechtzeitig erfolgt ist; der
Anspruch auf Erfüllung ist ausgeschlossen. Wird die Leistung bis zum Ablaufe
der Frist theilweise nicht bewirkt, so findet die Vorschrift des §. 325 Abs. 1
Satz 2 entsprechende Anwendung.
Hat die Erfüllung des Vertrags in Folge des Verzugs für den anderen
Theil kein Interesse, so stehen ihm die im Abs. 1 bezeichneten Rechte zu, ohne
daß es der Bestimmung einer Frist bedarf.
§. 327. Auf das in den §§. 325, 326 bestimmte Rücktrittsrecht finden die
für das vertragsmäßige Rücktrittsrecht geltenden Vorschriften der §§. 346 bis 356
entsprechende Anwendung. Erfolgt der Rücktritt wegen eines Umstandes, den der
andere Theil nicht zu vertreten hat, so haftet dieser nur nach den Vorschriften
über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung.
Dritter Titel.
Versprechen der Leistung an einen Dritten.
§. 328. Durch Vertrag kann eine Leistung an einen Dritten mit der
Wirkung bedungen werden, daß der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die
Leistung zu fordern.
In Ermangelung einer besonderen Bestimmung ist aus den Umständen, insbesondere
aus dem Zwecke des Vertrags, zu entnehmen, ob der Dritte das Recht erwerben, ob
das Recht des Dritten sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen entstehen
und ob den Vertragschließenden die Befugniß vorbehalten sein soll, das Recht
des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern.
§. 329. Verpflichtet sich in einem Vertrage der eine Theil zur
Befriedigung eines Gläubigers des anderen Theiles, ohne die Schuld zu
übernehmen, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, daß der Gläubiger unmittelbar
das Recht erwerben soll, die Befriedigung von ihm zu fordern.
§. 330. Wird in einem Lebensversicherungs- oder einem Leibrentenvertrage
die Zahlung der Versicherungssumme oder der Leibrente an einen Dritten
bedungen, so ist im Zweifel anzunehmen, daß der Dritte unmittelbar das Recht
erwerben soll, die Leistung zu fordern. Das Gleiche gilt, wenn bei einer
unentgeltlichen Zuwendung dem Bedachten eine Leistung an einen Dritten
auferlegt oder bei einer Vermögens- oder Gutsübernahme von dem Uebernehmer eine
Leistung an einen Dritten zum Zwecke der Abfindung versprochen wird.
§. 331. Soll die Leistung an den Dritten nach dem Tode desjenigen
erfolgen, welchem sie versprochen wird, so erwirbt der Dritte das Recht auf die
Leistung im Zweifel mit dem Tode des Versprechensempfängers.
Stirbt der Versprechensempfänger vor der Geburt des Dritten, so kann das
Versprechen, an den Dritten zu leisten, nur dann noch aufgehoben oder geändert
werden, wenn die Befugniß dazu vorbehalten worden ist.
§. 332. Hat sich der Versprechensempfänger die Befugniß vorbehalten,
ohne Zustimmung des Versprechenden an die Stelle des in dem Vertrage
bezeichneten Dritten einen Anderen zu setzen, so kann dies im Zweifel auch in
einer Verfügung von Todeswegen geschehen.
§. 333. Weist der Dritte das aus dem Vertrag erworbene Recht dem
Versprechenden gegenüber zurück, so gilt das Recht als nicht erworben.
§. 334. Einwendungen aus dem Vertrage stehen dem Versprechenden auch
gegenüber dem Dritten zu.
§. 335. Der Versprechensempfänger kann, sofern nicht ein anderer Wille
der Vertragschließenden anzunehmen ist, die Leistung an den Dritten auch dann
fordern, wenn diesem das Recht auf die Leistung zusteht.
Vierter Titel.
Draufgabe. Vertragsstrafe.
§. 336. Wird bei der Eingehung eines Vertrags etwas als Draufgabe
gegeben, so gilt dies als Zeichen des Abschlusses des Vertrags.
Die Draufgabe gilt im Zweifel nicht als Reugeld.
§. 337. Die Draufgabe ist im Zweifel auf die von dem Geber geschuldete Leistung
anzurechnen oder, wenn dies nicht geschehen kann, bei der Erfüllung des
Vertrags zurückzugeben. Wird der Vertrag wiederaufgehoben, so ist die Draufgabe
zurückzugeben.
§. 338. Wird die von dem Geber geschuldete Leistung in Folge eines
Umstandes, den er zu vertreten hat, unmöglich oder verschuldet der Geber die
Wiederaufhebung des Vertrags, so ist der Empfänger berechtigt, die Draufgabe zu
behalten. Verlangt der Empfänger Schadensersatz wegen Nichterfüllung, so ist
die Draufgabe im Zweifel anzurechnen oder, wenn dies nicht geschehen kann, bei
der Leistung des Schadensersatzes zurückzugeben.
§. 339. Verspricht der Schuldner dem Gläubiger für den Fall, daß er
seine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt, die Zahlung
einer Geldsumme als Strafe, so ist die Strafe verwirkt, wenn er in Verzug
kommt. Besteht die geschuldete Leistung in einem Unterlassen, so tritt die
Verwirkung mit der Zuwiderhandlung ein.
§. 340. Hat der Schuldner die Strafe für den Fall versprochen, daß er
seine Verbindlichkeit nicht erfüllt, so kann der Gläubiger die verwirkte Strafe
statt der Erfüllung verlangen. Erklärt der Gläubiger dem Schuldner, daß er die
Strafe verlange, so ist der Anspruch auf Erfüllung ausgeschlossen.
Steht dem Gläubiger ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung
zu, so kann er die verwirkte Strafe als Mindestbetrag des Schadens verlangen.
Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
§. 341. Hat der Schuldner die Strafe für den Fall versprochen, daß er
seine Verbindlichkeit nicht in gehöriger Weise, insbesondere nicht zu der
bestimmten Zeit, erfüllt, so kann der Gläubiger die verwirkte Strafe neben der
Erfüllung verlangen.
Steht dem Gläubiger ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der nicht
gehörigen Erfüllung zu, so finden die Vorschriften des §. 340 Abs. 2 Anwendung.
Nimmt der Gläubiger die Erfüllung an, so kann er die Strafe nur
verlangen, wenn er sich das Recht dazu bei der Annahme vorbehält.
§. 342. Wird als Strafe eine andere Leistung als die Zahlung einer Geldsumme
versprochen, so finden die Vorschriften der §§. 339 bis 341 Anwendung; der
Anspruch auf Schadensersatz ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger die Strafe
verlangt.
§. 343. Ist eine verwirkte Strafe unverhältnißmäßig hoch, so kann sie
auf Antrag des Schuldners durch Urtheil auf den angemessenen Betrag
herabgesetzt werden. Bei der Beurtheilung der Angemessenheit ist jedes
berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht blos das Vermögensinteresse, in
Betracht zu ziehen. Nach der Entrichtung der Strafe ist die Herabsetzung
ausgeschlossen.
Das Gleiche gilt auch außer den Fällen der §§. 339, 342, wenn Jemand
eine Strafe für den Fall verspricht, daß er eine Handlung vornimmt oder
unterläßt.
§. 344. Erklärt das Gesetz das Versprechen einer Leistung für unwirksam,
so ist auch die für den Fall der Nichterfüllung des Versprechens getroffene
Vereinbarung einer Strafe unwirksam, selbst wenn die Parteien die Unwirksamkeit
des Versprechens gekannt haben.
§. 345. Bestreitet der Schuldner die Verwirkung der Strafe, weil er
seine Verbindlichkeit erfüllt habe, so hat er die Erfüllung zu beweisen, sofern
nicht die geschuldete Leistung in einem Unterlassen besteht.
Fünfter Titel.
Rücktritt.
§. 346. Hat sich in einem Vertrag ein Theil den Rücktritt vorbehalten,
so sind die Parteien, wenn der Rücktritt erfolgt, verpflichtet, einander die
empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Für geleistete Dienste sowie für die
Ueberlassung der Benutzung einer Sache ist der Werth zu vergüten oder, falls in
dem Vertrag eine Gegenleistung in Geld bestimmt ist, diese zu entrichten.
§. 347. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Verschlechterung,
Unterganges oder einer aus einem anderen Grunde eintretenden Unmöglichkeit der
Herausgabe bestimmt sich im Falle des Rücktritts von dem Empfange der Leistung
an nach den Vorschriften, welche für das Verhältniß zwischen dem Eigenthümer
und dem Besitzer von dem Eintritte der Rechtshängigkeit des Eigenthumsanspruchs
an gelten. Das Gleiche gilt von dem Anspruch auf Herausgabe oder Vergütung von
Nutzungen und von dem Anspruch auf Ersatz von Verwendungen. Eine Geldsumme ist
von der Zeit des Empfanges an zu verzinsen.
§. 348. Die sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen der
Parteien sind Zug um Zug zu erfüllen. Die Vorschriften der §§. 320, 322 finden
entsprechende Anwendung.
§. 349. Der Rücktritt erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen
Theile.
§. 350. Der Rücktritt wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der
Gegenstand, welchen der Berechtigte empfangen hat, durch Zufall untergegangen
ist.
§. 351. Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Berechtigte eine
wesentliche Verschlechterung, den Untergang oder die anderweitige Unmöglichkeit
der Herausgabe des empfangenen Gegenstandes verschuldet hat. Der Untergang
eines erheblichen Theiles steht einer wesentlichen Verschlechterung des
Gegenstandes, das von dem Berechtigten nach §. 278 zu vertretende Verschulden
eines Anderen steht dem eigenen Verschulden des Berechtigten gleich.
§. 352. Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Berechtigte die
empfangene Sache durch Verarbeitung oder Umbildung in eine Sache anderer Art
umgestaltet hat.
§. 353. Hat der Berechtigte den empfangenen Gegenstand oder einen
erheblichen Theil des Gegenstandes veräußert oder mit dem Rechte eines Dritten
belastet, so ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn bei demjenigen, welcher den
Gegenstand in Folge der Verfügung erlangt hat, die Voraussetzungen des §. 351
oder des §. 352 eingetreten sind.
Einer Verfügung des Berechtigten steht eine Verfügung gleich, die im
Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den
Konkursverwalter erfolgt.
§. 354. Kommt der Berechtigte mit der Rückgewähr des empfangenen
Gegenstandes oder eines erheblichen Theiles des Gegenstandes in Verzug, so kann
ihm der andere Theil eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er
die Annahme nach dem Ablaufe der Frist ablehne. Der Rücktritt wird unwirksam,
wenn nicht die Rückgewähr vor dem Ablaufe der Frist erfolgt.
§. 355. Ist für die Ausübung des Rücktrittsrechts eine Frist nicht
vereinbart, so kann dem Berechtigten von dem anderen Theile für die Ausübung
eine angemessene Frist bestimmt werden. Das Rücktrittsrecht erlischt, wenn
nicht der Rücktritt vor dem Ablaufe der Frist erklärt wird.
§. 356. Sind bei einem Vertrag auf der einen oder der anderen Seite
Mehrere betheiligt, so kann das Rücktrittsrecht nur von allen und gegen alle
ausgeübt werden. Erlischt das Rücktrittsrecht für einen der Berechtigten, so
erlischt es auch für die übrigen.
§. 357. Hat sich der eine Theil den Rücktritt für den Fall vorbehalten,
daß der andere Theil seine Verbindlichkeit nicht erfüllt, so ist der Rücktritt
unwirksam, wenn der andere Theil sich von der Verbindlichkeit durch Aufrechnung
befreien konnte und unverzüglich nach dem Rücktritte die Aufrechnung erklärt.
§. 358. Hat sich der eine Theil den Rücktritt für den Fall vorbehalten,
daß der andere Theil seine Verbindlichkeit nicht erfüllt, und bestreitet dieser
die Zulässigkeit des erklärten Rücktritts, weil er erfüllt habe, so hat er die
Erfüllung zu beweisen, sofern nicht die geschuldete Leistung in einem
Unterlassen besteht.
§. 359. Ist der Rücktritt gegen Zahlung eines Reugeldes vorbehalten, so
ist der Rücktritt unwirksam, wenn das Reugeld nicht vor oder bei der Erklärung
entrichtet wird und der andere Theil aus diesem Grunde die Erklärung
unverzüglich zurückweist. Die Erklärung ist jedoch wirksam, wenn das Reugeld
unverzüglich nach der Zurückweisung entrichtet wird.
§. 360. Ist ein Vertrag mit dem Vorbehalte geschlossen, daß der
Schuldner seiner Rechte aus dem Vertrage verlustig sein soll, wenn er seine
Verbindlichkeit nicht erfüllt, so ist der Gläubiger bei dem Eintritte dieses
Falles zum Rücktritte von dem Vertrage berechtigt.
§. 361. Ist in einem gegenseitigen Vertrage vereinbart, daß die Leistung
des einen Theiles genau zu einer festbestimmten Zeit oder innerhalb einer
festbestimmten Frist bewirkt werden soll, so ist im Zweifel anzunehmen, daß der
andere Theil zum Rücktritte berechtigt sein soll, wenn die Leistung nicht zu
der bestimmten Zeit oder innerhalb der bestimmten Frist erfolgt.
Dritter Abschnitt.
Erlöschen der Schuldverhältnisse.
Erster Titel.
Erfüllung.
§. 362. Das Schuldverhältniß erlischt, wenn die geschuldete Leistung an
den Gläubiger bewirkt wird.
Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die
Vorschriften des §. 185 Anwendung.
§. 363. Hat der Gläubiger eine ihm als Erfüllung angebotene Leistung als
Erfüllung angenommen, so trifft ihn die Beweislast, wenn er die Leistung
deshalb nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil sie eine andere als die
geschuldete Leistung oder weil sie unvollständig gewesen sei.
§. 364. Das Schuldverhältniß erlischt, wenn der Gläubiger eine andere
als die geschuldete Leistung an Erfüllungsstatt annimmt.
Uebernimmt der Schuldner zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers
diesem gegenüber eine neue Verbindlichkeit, so ist im Zweifel nicht anzunehmen,
daß er die Verbindlichkeit an Erfüllungsstatt übernimmt.
§. 365. Wird eine Sache, eine Forderung gegen einen Dritten oder ein
anderes Recht an Erfüllungsstatt gegeben, so hat der Schuldner wegen eines
Mangels im Rechte oder wegen eines Mangels der Sache in gleicher Weise wie ein
Verkäufer Gewähr zu leisten.
§. 366. Ist der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen
zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete
nicht zur Tilgung sämmtlicher Schulden aus, so wird diejenige Schuld getilgt,
welche er bei der Leistung bestimmt.
Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so wird zunächst die fällige
Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger
geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner
lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem
Alter jede Schuld verhältnißmäßig getilgt.
§. 367. Hat der Schuldner außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten zu
entrichten, so wird eine zur Tilgung der ganzen Schuld nicht ausreichende
Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die
Hauptleistung angerechnet.
Bestimmt der Schuldner eine andere Anrechnung, so kann der Gläubiger die
Annahme der Leistung ablehnen.
§. 368. Der Gläubiger hat gegen Empfang der Leistung auf Verlangen ein
schriftliches Empfangsbekenntniß (Quittung) zu ertheilen. Hat der Schuldner ein
rechtliches Interesse, daß die Quittung in anderer Form ertheilt wird, so kann
er die Ertheilung in dieser Form verlangen.
§. 369. Die Kosten der Quittung hat der Schuldner zu tragen und
vorzuschießen, sofern nicht aus dem zwischen ihm und dem Gläubiger bestehenden
Rechtsverhältnisse sich ein Anderes ergiebt.
Treten in Folge einer Uebertragung der Forderung oder im Wege der
Erbfolge an die Stelle des ursprünglichen Gläubigers mehrere Gläubiger, so
fallen die Mehrkosten den Gläubigern zur Last.
§. 370. Der Ueberbringer einer Quittung gilt als ermächtigt, die
Leistung zu empfangen, sofern nicht die dem Leistenden bekannten Umstände der
Annahme einer solchen Ermächtigung entgegenstehen.
§. 371. Ist über die Forderung ein Schuldschein ausgestellt worden, so
kann der Schuldner neben der Quittung Rückgabe des Schuldscheins verlangen.
Behauptet der Gläubiger, zur Rückgabe außer Stande zu sein, so kann der
Schuldner das öffentlich beglaubigte Anerkenntniß verlangen, daß die Schuld
erloschen sei.
Zweiter Titel.
Hinterlegung.
§. 372. Geld, Werthpapiere und sonstige Urkunden sowie Kostbarkeiten
kann der Schuldner bei einer dazu bestimmten öffentlichen Stelle für den
Gläubiger hinterlegen, wenn der Gläubiger im Verzuge der Annahme ist. Das
Gleiche gilt, wenn der Schuldner aus einem anderen in der Person des Gläubigers
liegenden Grunde oder in Folge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden
Ungewißheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder
nicht mit Sicherheit erfüllen kann.
§. 373. Ist der Schuldner nur gegen eine Leistung des Gläubigers zu
leisten verpflichtet, so kann er das Recht des Gläubigers zum Empfange der
hinterlegten Sache von der Bewirkung der Gegenleistung abhängig machen.
§. 374. Die Hinterlegung hat bei der Hinterlegungsstelle des Leistungsorts
zu erfolgen; hinterlegt der Schuldner bei einer anderen Stelle, so hat er dem
Gläubiger den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Der Schuldner hat dem Gläubiger die Hinterlegung unverzüglich
anzuzeigen; im Falle der Unterlassung ist er zum Schadensersatze verpflichtet.
Die Anzeige darf unterbleiben, wenn sie unthunlich ist.
§. 375. Ist die hinterlegte Sache der Hinterlegungsstelle durch die Post
übersendet worden, so wirkt die Hinterlegung auf die Zeit der Aufgabe der Sache
zur Post zurück.
§. 376. Der Schuldner hat das Recht, die hinterlegte Sache
zurückzunehmen.
Die Rücknahme ist ausgeschlossen:
1. wenn der Schuldner der Hinterlegungsstelle
erklärt, daß er auf das Recht zur Rücknahme verzichte;
2. wenn der Gläubiger der Hinterlegungsstelle
die Annahme erklärt;
3. wenn der Hinterlegungsstelle ein zwischen
dem Gläubiger und dem Schuldner ergangenes rechtskräftiges Urtheil vorgelegt
wird, das die Hinterlegung für rechtmäßig erklärt.
§. 377. Das Recht zur Rücknahme ist der Pfändung nicht unterworfen.
Wird über das Vermögen des Schuldners der Konkurs eröffnet, so kann
während des Konkurses das Recht zur Rücknahme auch nicht von dem Schuldner
ausgeübt werden.
§. 378. Ist die Rücknahme der hinterlegten Sache ausgeschlossen, so wird
der Schuldner durch die Hinterlegung von seiner Verbindlichkeit in gleicher
Weise befreit, wie wenn er zur Zeit der Hinterlegung an den Gläubiger geleistet
hätte.
§. 379. Ist die Rücknahme der hinterlegten Sache nicht ausgeschlossen,
so kann der Schuldner den Gläubiger auf die hinterlegte Sache verweisen.
Solange die Sache hinterlegt ist, trägt der Gläubiger die Gefahr und ist
der Schuldner nicht verpflichtet, Zinsen zu zahlen oder Ersatz für nicht
gezogene Nutzungen zu leisten.
Nimmt der Schuldner die hinterlegte Sache zurück, so gilt die
Hinterlegung als nicht erfolgt.
§. 380. Soweit nach den für die Hinterlegungsstelle geltenden
Bestimmungen zum Nachweise der Empfangsberechtigung des Gläubigers eine diese
Berechtigung anerkennende Erklärung des Schuldners erforderlich oder genügend
ist, kann der Gläubiger von dem Schuldner die Abgabe der Erklärung unter
denselben Voraussetzungen verlangen, unter denen er die Leistung zu fordern
berechtigt sein würde, wenn die Hinterlegung nicht erfolgt wäre.
§. 381. Die Kosten der Hinterlegung fallen dem Gläubiger zur Last,
sofern nicht der Schuldner die hinterlegte Sache zurücknimmt.
§. 382. Das Recht des Gläubigers auf den hinterlegten Betrag erlischt
mit dem Ablaufe von dreißig Jahren nach dem Empfange der Anzeige von der
Hinterlegung, wenn nicht der Gläubiger sich vorher bei der Hinterlegungsstelle
meldet; der Schuldner ist zur Rücknahme berechtigt, auch wenn er auf das Recht
zur Rücknahme verzichtet hat.
§. 383. Ist die geschuldete bewegliche Sache zur Hinterlegung nicht
geeignet, so kann der Schuldner sie im Falle des Verzugs des Gläubigers am
Leistungsorte versteigern lassen und den Erlös hinterlegen. Das Gleiche gilt in
den Fällen des §. 372 Satz 2, wenn der Verderb der Sache zu besorgen oder die
Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden ist.
Ist von der Versteigerung am Leistungsort ein angemessener Erfolg nicht
zu erwarten, so ist die Sache an einem geeigneten anderen Orte zu versteigern.
Die Versteigerung hat durch einen für den Versteigerungsort bestellten
Gerichtsvollzieher oder zu Versteigerungen befugten anderen Beamten oder
öffentlich angestellten Versteigerer öffentlich zu erfolgen (öffentliche
Versteigerung). Zeit und Ort der Versteigerung sind unter allgemeiner
Bezeichnung der Sache öffentlich bekannt zu machen.
§. 384. Die Versteigerung ist erst zulässig, nachdem sie dem Gläubiger
angedroht worden ist; die Androhung darf unterbleiben, wenn die Sache dem
Verderb ausgesetzt und mit dem Aufschube der Versteigerung Gefahr verbunden
ist.
Der Schuldner hat den Gläubiger von der Versteigerung unverzüglich zu
benachrichtigen; im Falle der Unterlassung ist er zum Schadensersatze
verpflichtet.
Die Androhung und die Benachrichtigung dürfen unterbleiben, wenn sie
unthunlich sind.
§. 385. Hat die Sache einen Börsen- oder Marktpreis, so kann der
Schuldner den Verkauf aus freier Hand durch einen zu solchen Verkäufen
öffentlich ermächtigten Handelsmäkler oder durch eine zur öffentlichen
Versteigerung befugte Person zum laufenden Preise bewirken.
§. 386. Die Kosten der Versteigerung oder des nach §. 385 erfolgten
Verkaufs fallen dem Gläubiger zur Last, sofern nicht der Schuldner den
hinterlegten Erlös zurücknimmt.
Dritter Titel.
Aufrechnung.
§. 387. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstande
nach gleichartig sind, so kann jeder Theil seine Forderung gegen die Forderung
des anderen Theiles aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern
und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.
§. 388. Die Aufrechnung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen
Theile. Die Erklärung ist unwirksam, wenn sie unter einer Bedingung oder einer
Zeitbestimmung abgegeben wird.
§. 389. Die Aufrechnung bewirkt, daß die Forderungen, soweit sie sich
decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung
geeignet einander gegenübergetreten sind.
§. 390. Eine Forderung, der eine Einrede entgegensteht, kann nicht
aufgerechnet werden. Die Verjährung schließt die Aufrechnung nicht aus, wenn
die verjährte Forderung zu der Zeit, zu welcher sie gegen die andere Forderung
aufgerechnet werden konnte, noch nicht verjährt war.
§. 391. Die Aufrechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß für die
Forderungen verschiedene Leistungs- oder Ablieferungsorte bestehen. Der
aufrechnende Theil hat jedoch den Schaden zu ersetzen, den der andere Theil
dadurch erleidet, daß er in Folge der Aufrechnung die Leistung nicht an dem
bestimmten Orte erhält oder bewirken kann.
Ist vereinbart, daß die Leistung zu einer bestimmten Zeit an einem
bestimmten Orte erfolgen soll, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die
Aufrechnung einer Forderung, für die ein anderer Leistungsort besteht,
ausgeschlossen sein soll.
§. 392. Durch die Beschlagnahme einer Forderung wird die Aufrechnung
einer dem Schuldner gegen den Gläubiger zustehenden Forderung nur dann
ausgeschlossen, wenn der Schuldner seine Forderung nach der Beschlagnahme
erworben hat oder wenn seine Forderung erst nach der Beschlagnahme und später
als die in Beschlag genommene Forderung fällig geworden ist.
§. 393. Gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung ist die Aufrechnung nicht zulässig.
§. 394. Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet
die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hülfs-
oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der
Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge
aufgerechnet werden.
§. 395. Gegen eine Forderung des Reichs oder eines Bundesstaats sowie
gegen eine Forderung einer Gemeinde oder eines anderen Kommunalverbandes ist
die Aufrechnung nur zulässig, wenn die Leistung an dieselbe Kasse zu erfolgen
hat, aus der die Forderung des Aufrechnenden zu berichtigen ist.
§. 396. Hat der eine oder der andere Theil mehrere zur Aufrechnung
geeignete Forderungen, so kann der aufrechnende Theil die Forderungen
bestimmen, die gegen einander aufgerechnet werden sollen. Wird die Aufrechnung
ohne eine solche Bestimmung erklärt oder widerspricht der andere Theil unverzüglich,
so findet die Vorschrift des §. 366 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
Schuldet der aufrechnende Theil dem anderen Theile außer der
Hauptleistung Zinsen und Kosten, so finden die Vorschriften des §. 367
entsprechende Anwendung.
Vierter Titel.
Erlaß.
§. 397. Das Schuldverhältniß erlischt, wenn der Gläubiger dem Schuldner
durch Vertrag die Schuld erläßt.
Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger durch Vertrag mit dem Schuldner
anerkennt, daß das Schuldverhältniß nicht bestehe.
Vierter Abschnitt.
Uebertragung der Forderung.
§. 398. Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem
Anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschlusse des
Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.
§. 399. Eine Forderung kann nicht abgetreten werden, wenn die Leistung
an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres
Inhalts erfolgen kann oder wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem
Schuldner ausgeschlossen ist.
§. 400. Eine Forderung kann nicht abgetreten werden, soweit sie der
Pfändung nicht unterworfen ist.
§. 401. Mit der abgetretenen Forderung gehen die Hypotheken oder
Pfandrechte, die für sie bestehen, sowie die Rechte aus einer für sie
bestellten Bürgschaft auf den neuen Gläubiger über.
Ein mit der Forderung für den Fall der Zwangsvollstreckung oder des
Konkurses verbundenes Vorzugsrecht kann auch der neue Gläubiger geltend machen.
§. 402. Der bisherige Gläubiger ist verpflichtet, dem neuen Gläubiger
die zur Geltendmachung der Forderung nöthige Auskunft zu ertheilen und ihm die
zum Beweise der Forderung dienenden Urkunden, soweit sie sich in seinem Besitze
befinden, auszuliefern.
§. 403. Der bisherige Gläubiger hat dem neuen Gläubiger auf Verlangen eine
öffentlich beglaubigte Urkunde über die Abtretung auszustellen. Die Kosten hat
der neue Gläubiger zu tragen und vorzuschießen.
§. 404. Der Schuldner kann dem neuen Gläubiger die Einwendungen
entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen
Gläubiger begründet waren.
§. 405. Hat der Schuldner eine Urkunde über die Schuld ausgestellt, so
kann er sich, wenn die Forderung unter Vorlegung der Urkunde abgetreten wird,
dem neuen Gläubiger gegenüber nicht darauf berufen, daß die Eingehung oder
Anerkennung des Schuldverhältnisses nur zum Schein erfolgt oder daß die
Abtretung durch Vereinbarung mit dem ursprünglichen Gläubiger ausgeschlossen
sei, es sei denn, daß der neue Gläubiger bei der Abtretung den Sachverhalt
kannte oder kennen mußte.
§. 406. Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger
zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei
denn, daß er bei dem Erwerbe der Forderung von der Abtretung Kenntniß hatte
oder daß die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntniß und später als die
abgetretene Forderung fällig geworden ist.
§. 407. Der neue Gläubiger muß eine Leistung, die der Schuldner nach der
Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, sowie jedes Rechtsgeschäft, das
nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in
Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn,
daß der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des
Rechtsgeschäfts kennt.
Ist in einem nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem
bisherigen Gläubiger anhängig gewordenen Rechtsstreit ein rechtskräftiges
Urtheil über die Forderung ergangen, so muß der neue Gläubiger das Urtheil
gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß der Schuldner die Abtretung bei dem
Eintritte der Rechtshängigkeit gekannt hat.
§. 408. Wird eine abgetretene Forderung von dem bisherigen Gläubiger
nochmals an einen Dritten abgetreten, so finden, wenn der Schuldner an den
Dritten leistet oder wenn zwischen dem Schuldner und dem Dritten ein
Rechtsgeschäft vorgenommen oder ein Rechtsstreit anhängig wird, zu Gunsten des
Schuldners die Vorschriften des §. 407 dem früheren Erwerber gegenüber
entsprechende Anwendung.
Das Gleiche gilt, wenn die bereits abgetretene Forderung durch gerichtlichen
Beschluß einem Dritten überwiesen wird oder wenn der bisherige Gläubiger dem
Dritten gegenüber anerkennt, daß die bereits abgetretene Forderung kraft
Gesetzes auf den Dritten übergegangen sei.
§. 409. Zeigt der Gläubiger dem Schuldner an, daß er die Forderung
abgetreten habe, so muß er dem Schuldner gegenüber die angezeigte Abtretung
gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam ist.
Der Anzeige steht es gleich, wenn der Gläubiger eine Urkunde über die Abtretung
dem in der Urkunde bezeichneten neuen Gläubiger ausgestellt hat und dieser sie
dem Schuldner vorlegt.
Die Anzeige kann nur mit Zustimmung desjenigen zurückgenommen werden,
welcher als der neue Gläubiger bezeichnet worden ist.
§. 410. Der Schuldner ist dem neuen Gläubiger gegenüber zur Leistung nur
gegen Aushändigung einer von dem bisherigen Gläubiger über die Abtretung
ausgestellten Urkunde verpflichtet. Eine Kündigung oder eine Mahnung des neuen
Gläubigers ist unwirksam, wenn sie ohne Vorlegung einer solchen Urkunde erfolgt
und der Schuldner sie aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn der bisherige Gläubiger
dem Schuldner die Abtretung schriftlich angezeigt hat.
§. 411. Tritt eine Militärperson, ein Beamter, ein Geistlicher oder ein
Lehrer an einer öffentlichen Unterrichtsanstalt den übertragbaren Theil des
Diensteinkommens, des Wartegeldes oder des Ruhegehalts ab, so ist die
auszahlende Kasse durch Aushändigung einer von dem bisherigen Gläubiger
ausgestellten, öffentlich beglaubigten Urkunde von der Abtretung zu
benachrichtigen. Bis zur Benachrichtigung gilt die Abtretung als der Kasse
nicht bekannt.
§. 412. Auf die Uebertragung einer Forderung kraft Gesetzes finden die
Vorschriften der §§. 399 bis 404, 406 bis 410 entsprechende Anwendung.
§. 413. Die Vorschriften über die Uebertragung von Forderungen finden
auf die Uebertragung anderer Rechte entsprechende Anwendung, soweit nicht das
Gesetz ein Anderes vorschreibt.
Fünfter Abschnitt.
Schuldübernahme.
§. 414. Eine Schuld kann von einem Dritten durch Vertrag mit dem
Gläubiger in der Weise übernommen werden, daß der Dritte an die Stelle des
bisherigen Schuldners tritt.
§. 415. Wird die Schuldübernahme von dem Dritten mit dem Schuldner
vereinbart, so hängt ihre Wirksamkeit von der Genehmigung des Gläubigers ab.
Die Genehmigung kann erst erfolgen, wenn der Schuldner oder der Dritte dem
Gläubiger die Schuldübernahme mitgetheilt hat. Bis zur Genehmigung können die
Parteien den Vertrag ändern oder aufheben.
Wird die Genehmigung verweigert, so gilt die Schuldübernahme als nicht
erfolgt. Fordert der Schuldner oder der Dritte den Gläubiger unter Bestimmung
einer Frist zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Genehmigung nur
bis zum Ablaufe der Frist erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie
als verweigert.
Solange nicht der Gläubiger die Genehmigung ertheilt hat, ist im Zweifel
der Uebernehmer dem Schuldner gegenüber verpflichtet, den Gläubiger rechtzeitig
zu befriedigen. Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger die Genehmigung
verweigert.
§. 416. Uebernimmt der Erwerber eines Grundstücks durch Vertrag mit dem
Veräußerer eine Schuld des Veräußerers, für die eine Hypothek an dem
Grundstücke besteht, so kann der Gläubiger die Schuldübernahme nur genehmigen,
wenn der Veräußerer sie ihm mittheilt. Sind seit dem Empfange der Mittheilung
sechs Monate verstrichen, so gilt die Genehmigung als ertheilt, wenn nicht der
Gläubiger sie dem Veräußerer gegenüber vorher verweigert hat; die Vorschrift
des §. 415 Abs. 2 Satz 2 findet keine Anwendung.
Die Mittheilung des Veräußerers kann erst erfolgen, wenn der Erwerber
als Eigenthümer im Grundbuch eingetragen ist. Sie muß schriftlich geschehen und
den Hinweis enthalten, daß der Uebernehmer an die Stelle des bisherigen
Schuldners tritt, wenn nicht der Gläubiger die Verweigerung innerhalb der sechs
Monate erklärt.
Der Veräußerer hat auf Verlangen des Erwerbers dem Gläubiger die
Schuldübernahme mitzutheilen. Sobald die Ertheilung oder Verweigerung der
Genehmigung feststeht, hat der Veräußerer den Erwerber zu benachrichtigen.
§. 417. Der Uebernehmer kann dem Gläubiger die Einwendungen
entgegensetzen, welche sich aus dem Rechtsverhältnisse zwischen dem Gläubiger
und dem bisherigen Schuldner ergeben. Eine dem bisherigen Schuldner zustehende
Forderung kann er nicht aufrechnen.
Aus dem der Schuldübernahme zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisse
zwischen dem Uebernehmer und dem bisherigen Schuldner kann der Uebernehmer dem
Gläubiger gegenüber Einwendungen nicht herleiten.
§. 418. In Folge der Schuldübernahme erlöschen die für die Forderung
bestellten Bürgschaften und Pfandrechte. Besteht für die Forderung eine
Hypothek, so tritt das Gleiche ein, wie wenn der Gläubiger auf die Hypothek
verzichtet. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn der Bürge oder
derjenige, welchem der verhaftete Gegenstand zur Zeit der Schuldübernahme
gehört, in diese einwilligt.
Ein mit der Forderung für den Fall des Konkurses verbundenes
Vorzugsrecht kann nicht im Konkurs über das Vermögen des Uebernehmers geltend
gemacht werden.
§. 419. Uebernimmt Jemand durch Vertrag das Vermögen eines Anderen, so
können dessen Gläubiger, unbeschadet der Fortdauer der Haftung des bisherigen
Schuldners, von dem Abschlusse des Vertrags an ihre zu dieser Zeit bestehenden
Ansprüche auch gegen den Uebernehmer geltend machen.
Die Haftung des Uebernehmers beschränkt sich auf den Bestand des
übernommenen Vermögens und die ihm aus dem Vertrage zustehenden Ansprüche.
Beruft sich der Uebernehmer auf die Beschränkung seiner Haftung, so finden die
für die Haftung des Erben geltenden Vorschriften der §§. 1990, 1991
entsprechende Anwendung.
Die Haftung des Uebernehmers kann nicht durch Vereinbarung zwischen ihm
und dem bisherigen Schuldner ausgeschlossen oder beschränkt werden.
Sechster Abschnitt.
Mehrheit von Schuldnern und Gläubigern.
§. 420. Schulden Mehrere eine theilbare Leistung oder haben Mehrere eine
theilbare Leistung zu fordern, so ist im Zweifel jeder Schuldner nur zu einem
gleichen Antheile verpflichtet, jeder Gläubiger nur zu einem gleichen Antheile
berechtigt.
§. 421. Schulden Mehrere eine Leistung in der Weise, daß jeder die ganze
Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal
zu fordern berechtigt ist (Gesammtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung
nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Theile fordern.
Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämmtliche Schuldner
verpflichtet.
§. 422. Die Erfüllung durch einen Gesammtschuldner wirkt auch für die
übrigen Schuldner. Das Gleiche gilt von der Leistung an Erfüllungsstatt, der
Hinterlegung und der Aufrechnung.
Eine Forderung, die einem Gesammtschuldner zusteht, kann nicht von den
übrigen Schuldnern aufgerechnet werden.
§. 423. Ein zwischen dem Gläubiger und einem Gesammtschuldner
vereinbarter Erlaß wirkt auch für die übrigen Schuldner, wenn die
Vertragschließenden das ganze Schuldverhältniß aufheben wollten.
§. 424. Der Verzug des Gläubigers gegenüber einem Gesammtschuldner wirkt
auch für die übrigen Schuldner.
§. 425. Andere als die in den §§. 422 bis 424 bezeichneten Thatsachen
wirken, soweit sich nicht aus dem Schuldverhältniß ein Anderes ergiebt, nur für
und gegen den Gesammtschuldner, in dessen Person sie eintreten.
Dies gilt insbesondere von der Kündigung, dem Verzuge, dem Verschulden,
von der Unmöglichkeit der Leistung in der Person eines Gesammtschuldners, von
der Verjährung, deren Unterbrechung und Hemmung, von der Vereinigung der
Forderung mit der Schuld und von dem rechtskräftigen Urtheile.
§. 426. Die Gesammtschuldner sind im Verhältnisse zu einander zu
gleichen Antheilen verpflichtet, soweit nicht ein Anderes bestimmt ist. Kann
von einem Gesammtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt
werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten
Schuldnern zu tragen.
Soweit ein Gesammtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen
Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen
die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Uebergang kann nicht zum Nachtheile des
Gläubigers geltend gemacht werden.
§. 427. Verpflichten sich Mehrere durch Vertrag gemeinschaftlich zu
einer theilbaren Leistung, so haften sie im Zweifel als Gesammtschuldner.
§. 428. Sind Mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt,
daß jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur
einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesammtgläubiger), so kann der Schuldner
nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten. Dies gilt auch dann, wenn
einer der Gläubiger bereits Klage auf die Leistung erhoben hat.
§. 429. Der Verzug eines Gesammtgläubigers wirkt auch gegen die übrigen
Gläubiger.
Vereinigen sich Forderung und Schuld in der Person eines
Gesammtgläubigers, so erlöschen die Rechte der übrigen Gläubiger gegen den
Schuldner.
Im Uebrigen finden die Vorschriften der §§. 422, 423, 425 entsprechende
Anwendung. Insbesondere bleiben, wenn ein Gesammtgläubiger seine Forderung auf
einen Anderen überträgt, die Rechte der übrigen Gläubiger unberührt.
§. 430. Die Gesammtgläubiger sind im Verhältnisse zu einander zu
gleichen Antheilen berechtigt, soweit nicht ein Anderes bestimmt ist.
§. 431. Schulden Mehrere eine untheilbare Leistung, so haften sie als
Gesammtschuldner.
§. 432. Haben Mehrere eine untheilbare Leistung zu fordern, so kann,
sofern sie nicht Gesammtgläubiger sind, der Schuldner nur an alle
gemeinschaftlich leisten und jeder Gläubiger nur die Leistung an alle fordern.
Jeder Gläubiger kann verlangen, daß der Schuldner die geschuldete Sache für
alle Gläubiger hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an
einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.
Im Uebrigen wirkt eine Thatsache, die nur in der Person eines der
Gläubiger eintritt, nicht für und gegen die übrigen Gläubiger.
Siebenter Abschnitt.
Einzelne Schuldverhältnisse.
Erster Titel.
Kauf. Tausch.
I. Allgemeine Vorschriften
§. 433. Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache
verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigenthum an der Sache
zu verschaffen. Der Verkäufer eines Rechtes ist verpflichtet, dem Käufer das
Recht zu verschaffen und, wenn das Recht zum Besitz einer Sache berechtigt, die
Sache zu übergeben.
Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu
zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
§. 434. Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer den verkauften
Gegenstand frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen den Käufer
geltend gemacht werden können.
§. 435. Der Verkäufer eines Grundstücks oder eines Rechtes an einem
Grundstück ist verpflichtet, im Grundbuch eingetragene Rechte, die nicht
bestehen, auf seine Kosten zur Löschung zu bringen, wenn sie im Falle ihres
Bestehens das dem Käufer zu verschaffende Recht beeinträchtigen würden.
Das Gleiche gilt bei dem Verkauf eines Schiffes oder eines Rechtes an
einem Schiffe für die im Schiffsregister eingetragenen Rechte.
§. 436. Der Verkäufer eines Grundstücks haftet nicht für die Freiheit
des Grundstücks von öffentlichen Abgaben und von anderen öffentlichen Lasten,
die zur Eintragung in das Grundbuch nicht geeignet sind.
§. 437. Der Verkäufer einer Forderung oder eines sonstigen Rechtes
haftet für den rechtlichen Bestand der Forderung oder des Rechtes.
Der Verkäufer eines Werthpapiers haftet auch dafür, daß es nicht zum
Zwecke der Kraftloserklärung aufgeboten ist.
§. 438. Uebernimmt der Verkäufer einer Forderung die Haftung für die
Zahlungsfähigkeit des Schuldners, so ist die Haftung im Zweifel nur auf die
Zahlungsfähigkeit zur Zeit der Abtretung zu beziehen.
§. 439. Der Verkäufer hat einen Mangel im Rechte nicht zu vertreten,
wenn der Käufer den Mangel bei dem Abschlusse des Kaufes kennt.
Eine Hypothek, eine Grundschuld, eine Rentenschuld oder ein Pfandrecht
hat der Verkäufer zu beseitigen, auch wenn der Käufer die Belastung kennt. Das
Gleiche gilt von einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Bestellung
eines dieser Rechte.
§. 440. Erfüllt der Verkäufer die ihm nach den §§. 433 bis 437, 439
obliegenden Verpflichtungen nicht, so bestimmen sich die Rechte des Käufers
nach den Vorschriften der §§. 320 bis 327.
Ist eine bewegliche Sache verkauft und dem Käufer zum Zwecke der
Eigenthumsübertragung übergeben worden, so kann der Käufer wegen des Rechtes
eines Dritten, das zum Besitze der Sache berechtigt, Schadensersatz wegen
Nichterfüllung nur verlangen, wenn er die Sache dem Dritten mit Rücksicht auf
dessen Recht herausgegeben hat oder sie dem Verkäufer zurückgewährt oder wenn
die Sache untergegangen ist.
Der Herausgabe der Sache an den Dritten steht es gleich, wenn der Dritte
den Käufer oder dieser den Dritten beerbt oder wenn der Käufer das Recht des
Dritten anderweit erwirbt oder den Dritten abfindet.
Steht dem Käufer ein Anspruch auf Herausgabe gegen einen Anderen zu, so
genügt an Stelle der Rückgewähr die Abtretung des Anspruchs.
§. 441. Die Vorschriften des §. 440 Abs. 2 bis 4 gelten auch dann, wenn
ein Recht an einer beweglichen Sache verkauft ist, das zum Besitze der Sache
berechtigt.
§. 442. Bestreitet der Verkäufer den vom Käufer geltend gemachten Mangel
im Rechte, so hat der Käufer den Mangel zu beweisen.
§. 443. Eine Vereinbarung, durch welche die nach den §§. 433 bis 437,
439 bis 442 wegen eines Mangels im Rechte dem Verkäufer obliegende
Verpflichtung zur Gewährleistung erlassen oder beschränkt wird, ist nichtig,
wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschweigt.
§. 444. Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer über die den
verkauften Gegenstand betreffenden rechtlichen Verhältnisse, insbesondere im
Falle des Verkaufs eines Grundstücks über die Grenzen, Gerechtsame und Lasten,
die nöthige Auskunft zu ertheilen und ihm die zum Beweise des Rechtes dienenden
Urkunden, soweit sie sich in seinem Besitze befinden, auszuliefern. Erstreckt
sich der Inhalt einer solchen Urkunde auch auf andere Angelegenheiten, so ist
der Verkäufer nur zur Ertheilung eines öffentlich beglaubigten Auszugs
verpflichtet.
§. 445. Die Vorschriften der §§. 433 bis 444 finden auf andere Verträge,
die auf Veräußerung oder Belastung eines Gegenstandes gegen Entgelt gerichtet
sind, entsprechende Anwendung.
§. 446. Mit der Uebergabe der verkauften Sache geht die Gefahr des
zufälligen Unterganges und einer zufälligen Verschlechterung auf den Käufer
über. Von der Uebergabe an gebühren dem Käufer die Nutzungen und trägt er die
Lasten der Sache.
Wird der Käufer eines Grundstücks vor der Uebergabe als Eigenthümer in
das Grundbuch eingetragen, so treten diese Wirkungen mit der Eintragung ein.
§. 447. Versendet der Verkäufer auf Verlangen des Käufers die verkaufte
Sache nach einem anderen Orte als dem Erfüllungsorte, so geht die Gefahr auf
den Käufer über, sobald der Verkäufer die Sache dem Spediteur, dem Frachtführer
oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt
ausgeliefert hat.
Hat der Käufer eine besondere Anweisung über die Art der Versendung
ertheilt und weicht der Verkäufer ohne dringenden Grund von der Anweisung ab,
so ist der Verkäufer dem Käufer für den daraus entstehenden Schaden
verantwortlich.
§. 448. Die Kosten der Uebergabe der verkauften Sache, insbesondere die
Kosten des Messens und Wägens, fallen dem Verkäufer, die Kosten der Abnahme und
der Versendung der Sache nach einem anderen Orte als dem Erfüllungsorte fallen
dem Käufer zur Last.
Ist ein Recht verkauft, so fallen die Kosten der Begründung oder
Uebertragung des Rechtes dem Verkäufer zur Last.
§. 449. Der Käufer eines Grundstücks hat die Kosten der Auflassung und
der Eintragung, der Käufer eines Rechtes an einem Grundstücke hat die Kosten
der zur Begründung oder Uebertragung des Rechtes nöthigen Eintragung in das
Grundbuch, mit Einschluß der Kosten der zu der Eintragung erforderlichen
Erklärungen, zu tragen. Dem Käufer fallen in beiden Fällen auch die Kosten der
Beurkundung des Kaufes zur Last.
§. 450. Ist vor der Uebergabe der verkauften Sache die Gefahr auf den
Käufer übergegangen und macht der Verkäufer vor der Uebergabe Verwendungen auf
die Sache, die nach dem Uebergange der Gefahr nothwendig geworden sind, so kann
er von dem Käufer Ersatz verlangen, wie wenn der Käufer ihn mit der Verwaltung
der Sache beauftragt hätte.
Die Verpflichtung des Käufers zum Ersatze sonstiger Verwendungen
bestimmt sich nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag.
§. 451. Ist ein Recht an einer Sache verkauft, das zum Besitze der Sache
berechtigt, so finden die Vorschriften der §§. 446 bis 450 entsprechende
Anwendung.
§. 452. Der Käufer ist verpflichtet, den Kaufpreis von dem Zeitpunkt an
zu verzinsen, von welchem an die Nutzungen des gekauften Gegenstandes ihm
gebühren, sofern nicht der Kaufpreis gestundet ist.
§. 453. Ist als Kaufpreis der Marktpreis bestimmt, so gilt im Zweifel
der für den Erfüllungsort zur Erfüllungszeit maßgebende Marktpreis als
vereinbart.
§. 454. Hat der Verkäufer den Vertrag erfüllt und den Kaufpreis
gestundet, so steht ihm das im §. 325 Abs. 2 und im §. 326 bestimmte
Rücktrittsrecht nicht zu.
§. 455. Hat sich der Verkäufer einer beweglichen Sache das Eigenthum bis
zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die
Uebertragung des Eigenthums unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger
Zahlung des Kaufpreises erfolgt und daß der Verkäufer zum Rücktritte von dem
Vertrage berechtigt ist, wenn der Käufer mit der Zahlung in Verzug kommt.
§. 456. Bei einem Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung dürfen der mit
der Vornahme oder Leitung des Verkaufs Beauftragte und die von ihm zugezogenen
Gehülfen, mit Einschluß des Protokollführers, den zum Verkaufe gestellten
Gegenstand weder für sich persönlich oder durch einen Anderen noch als
Vertreter eines Anderen kaufen.
§. 457. Die Vorschrift des §. 456 gilt auch bei einem Verkauf außerhalb
der Zwangsvollstreckung, wenn der Auftrag zu dem Verkauf auf Grund einer
gesetzlichen Vorschrift ertheilt worden ist, die den Auftraggeber ermächtigt,
den Gegenstand für Rechnung eines Anderen verkaufen zu lassen, insbesondere in
den Fällen des Pfandverkaufs und des in den §§. 383, 385 zugelassenen Verkaufs,
sowie bei einem Verkaufe durch den Konkursverwalter.
§. 458. Die Wirksamkeit eines den Vorschriften der §§. 456, 457 zuwider
erfolgten Kaufes und der Uebertragung des gekauften Gegenstandes hängt von der
Zustimmung der bei dem Verkauf als Schuldner, Eigenthümer oder Gläubiger
Betheiligten ab. Fordert der Käufer einen Betheiligten zur Erklärung über die
Genehmigung auf, so finden die Vorschriften des §. 177 Abs. 2 entsprechende
Anwendung.
Wird in Folge der Verweigerung der Genehmigung ein neuer Verkauf
vorgenommen, so hat der frühere Käufer für die Kosten des neuen Verkaufs sowie
für einen Mindererlös aufzukommen.
II. Gewährleistung wegen Mängel der Sache
§. 459. Der Verkäufer einer Sache haftet dem Käufer dafür, daß sie zu
der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht, nicht mit Fehlern
behaftet ist, die den Werth oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem
nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern. Eine
unerhebliche Minderung des Werthes oder der Tauglichkeit kommt nicht in
Betracht.
Der Verkäufer haftet auch dafür, daß die Sache zur Zeit des Ueberganges
der Gefahr die zugesicherten Eigenschaften hat.
§. 460. Der Verkäufer hat einen Mangel der verkauften Sache nicht zu
vertreten, wenn der Käufer den Mangel bei dem Abschlusse des Kaufes kennt. Ist
dem Käufer ein Mangel der im §. 459 Abs. 1 bezeichneten Art in Folge grober
Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so haftet der Verkäufer, sofern er nicht
die Abwesenheit des Fehlers zugesichert hat, nur, wenn er den Fehler arglistig
verschwiegen hat.
§. 461. Der Verkäufer hat einen Mangel der verkauften Sache nicht zu
vertreten, wenn die Sache auf Grund eines Pfandrechts in öffentlicher
Versteigerung unter der Bezeichnung als Pfand verkauft wird.
§. 462. Wegen eines Mangels, den der Verkäufer nach den Vorschriften der
§§. 459, 460 zu vertreten hat, kann der Käufer Rückgängigmachung des Kaufes
(Wandelung) oder Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung) verlangen.
§. 463. Fehlt der verkauften Sache zur Zeit des Kaufes eine zugesicherte
Eigenschaft, so kann der Käufer statt der Wandelung oder der Minderung
Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Das Gleiche gilt, wenn der
Verkäufer einen Fehler arglistig verschwiegen hat.
§. 464. Nimmt der Käufer eine mangelhafte Sache an, obschon er den
Mangel kennt, so stehen ihm die in den §§. 462, 463 bestimmten Ansprüche nur zu,
wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Annahme vorbehält.
§. 465. Die Wandelung oder die Minderung ist vollzogen, wenn sich der
Verkäufer auf Verlangen des Käufers mit ihr einverstanden erklärt.
§. 466. Behauptet der Käufer dem Verkäufer gegenüber einen Mangel der
Sache, so kann der Verkäufer ihn unter dem Erbieten zur Wandelung und unter
Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung darüber auffordern, ob er
Wandelung verlange. Die Wandelung kann in diesem Falle nur bis zum Ablaufe der
Frist verlangt werden.
§. 467. Auf die Wandelung finden die für das vertragsmäßige
Rücktrittsrecht geltenden Vorschriften der §§. 346 bis 348, 350 bis 354, 356
entsprechende Anwendung; im Falle des §. 352 ist jedoch die Wandelung nicht
ausgeschlossen, wenn der Mangel sich erst bei der Umgestaltung der Sache
gezeigt hat. Der Verkäufer hat dem Käufer auch die Vertragskosten zu ersetzen.
§. 468. Sichert der Verkäufer eines Grundstücks dem Käufer eine
bestimmte Größe des Grundstücks zu, so haftet er für die Größe wie für eine
zugesicherte Eigenschaft. Der Käufer kann jedoch wegen Mangels der
zugesicherten Größe Wandelung nur verlangen, wenn der Mangel so erheblich ist,
daß die Erfüllung des Vertrags für den Käufer kein Interesse hat.
§. 469. Sind von mehreren verkauften Sachen nur einzelne mangelhaft, so
kann nur in Ansehung dieser Wandelung verlangt werden, auch wenn ein
Gesammtpreis für alle Sachen festgesetzt ist. Sind jedoch die Sachen als
zusammengehörend verkauft, so kann jeder Theil verlangen, daß die Wandelung auf
alle Sachen erstreckt wird, wenn die mangelhaften Sachen nicht ohne Nachtheil
für ihn von den übrigen getrennt werden können.
§. 470. Die Wandelung wegen eines Mangels der Hauptsache erstreckt sich auch
auf die Nebensache. Ist die Nebensache mangelhaft, so kann nur in Ansehung
dieser Wandelung verlangt werden.
§. 471. Findet im Falle des Verkaufs mehrerer Sachen für einen
Gesammtpreis die Wandelung nur in Ansehung einzelner Sachen statt, so ist der Gesammtpreis
in dem Verhältnisse herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Verkaufs der
Gesammtwerth der Sachen in mangelfreiem Zustande zu dem Werthe der von der
Wandelung nicht betroffenen Sachen gestanden haben würde.
§. 472. Bei der Minderung ist der Kaufpreis in dem Verhältnisse
herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Verkaufs der Werth der Sache in
mangelfreiem Zustande zu dem wirklichen Werthe gestanden haben würde.
Findet im Falle des Verkaufs mehrerer Sachen für einen Gesammtpreis die
Minderung nur wegen einzelner Sachen statt, so ist bei der Herabsetzung des
Preises der Gesammtwerth aller Sachen zu Grunde zu legen.
§. 473. Sind neben dem in Geld festgesetzten Kaufpreise Leistungen
bedungen, die nicht vertretbare Sachen zum Gegenstande haben, so sind diese
Leistungen in den Fällen der §§. 471, 472 nach dem Werthe zur Zeit des Verkaufs
in Geld zu veranschlagen. Die Herabsetzung der Gegenleistung des Käufers
erfolgt an dem in Geld festgesetzten Preise; ist dieser geringer als der
abzusetzende Betrag, so hat der Verkäufer den überschießenden Betrag dem Käufer
zu vergüten.
§. 474. Sind auf der einen oder der anderen Seite Mehrere betheiligt, so
kann von jedem und gegen jeden Minderung verlangt werden.
Mit der Vollziehung der von einem der Käufer verlangten Minderung ist
die Wandelung ausgeschlossen.
§. 475. Durch die wegen eines Mangels erfolgte Minderung wird das Recht
des Käufers, wegen eines anderen Mangels Wandelung oder von neuem Minderung zu
verlangen, nicht ausgeschlossen.
§. 476. Eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung des Verkäufers
zur Gewährleistung wegen Mängel der Sache erlassen oder beschränkt wird, ist
nichtig, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschweigt.
§. 477. Der Anspruch auf Wandelung oder auf Minderung sowie der Anspruch
auf Schadensersatz wegen Mangels einer zugesicherten Eigenschaft verjährt,
sofern nicht der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat, bei
beweglichen Sachen in sechs Monaten von der Ablieferung, bei Grundstücken in
einem Jahre von der Uebergabe an. Die Verjährungsfrist kann durch Vertrag
verlängert werden.
Beantragt der Käufer gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des
Beweises, so wird die Verjährung unterbrochen. Die Unterbrechung dauert bis zur
Beendigung des Verfahrens fort. Die Vorschriften des §. 211 Abs. 2 und des §.
212 finden entsprechende Anwendung.
Die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung eines der im Abs. 1
bezeichneten Ansprüche bewirkt auch die Hemmung oder Unterbrechung der
Verjährung der anderen Ansprüche.
§. 478. Hat der Käufer den Mangel dem Verkäufer angezeigt oder die
Anzeige an ihn abgesendet, bevor der Anspruch auf Wandelung oder auf Minderung
verjährt war, so kann er auch nach der Vollendung der Verjährung die Zahlung
des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund der Wandelung oder der
Minderung dazu berechtigt sein würde. Das Gleiche gilt, wenn der Käufer vor der
Vollendung der Verjährung gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des
Beweises beantragt oder in einem zwischen ihm und einem späteren Erwerber der
Sache wegen des Mangels anhängigen Rechtsstreite dem Verkäufer den Streit
verkündet hat.
Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so bedarf es der
Anzeige oder einer ihr nach Abs. 1 gleichstehenden Handlung nicht.
§. 479. Der Anspruch auf Schadensersatz kann nach der Vollendung der
Verjährung nur aufgerechnet werden, wenn der Käufer vorher eine der im §. 478
bezeichneten Handlungen vorgenommen hat. Diese Beschränkung tritt nicht ein,
wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat.
§. 480. Der Käufer einer nur der Gattung nach bestimmten Sache kann
statt der Wandelung oder der Minderung verlangen, daß ihm an Stelle der
mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird. Auf diesen Anspruch finden
die für die Wandelung geltenden Vorschriften der §§. 464 bis 466, des §. 467
Satz 1 und der §§. 469, 470, 474 bis 479 entsprechende Anwendung.
Fehlt der Sache zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer
übergeht, eine zugesicherte Eigenschaft oder hat der Verkäufer einen Fehler
arglistig verschwiegen, so kann der Käufer statt der Wandelung, der Minderung
oder der Lieferung einer mangelfreien Sache Schadensersatz wegen Nichterfüllung
verlangen.
§. 481. Für den Verkauf von Pferden, Eseln, Mauleseln und Maulthieren,
von Rindvieh, Schafen und Schweinen gelten die Vorschriften der §§. 459 bis
467, 469 bis 480 nur insoweit, als sich nicht aus den §§. 482 bis 492 ein
Anderes ergiebt.
§. 482. Der Verkäufer hat nur bestimmte Fehler (Hauptmängel) und diese
nur dann zu vertreten, wenn sie sich innerhalb bestimmter Fristen
(Gewährfristen) zeigen.
Die Hauptmängel und die Gewährfristen werden durch eine mit Zustimmung
des Bundesraths zu erlassende Kaiserliche Verordnung bestimmt. Die Bestimmung
kann auf demselben Wege ergänzt und abgeändert werden.
§. 483. Die Gewährfrist beginnt mit dem Ablaufe des Tages, an welchem
die Gefahr auf den Käufer übergeht.
§. 484. Zeigt sich ein Hauptmangel innerhalb der Gewährfrist, so wird
vermuthet, daß der Mangel schon zu der Zeit vorhanden gewesen sei, zu welcher
die Gefahr auf den Käufer übergegangen ist.
§. 485. Der Käufer verliert die ihm wegen des Mangels zustehenden
Rechte, wenn er nicht spätestens zwei Tage nach dem Ablaufe der Gewährfrist
oder, falls das Thier vor dem Ablaufe der Frist getödtet worden oder sonst
verendet ist, nach dem Tode des Thieres den Mangel dem Verkäufer anzeigt oder
die Anzeige an ihn absendet oder wegen des Mangels Klage gegen den Verkäufer
erhebt oder diesem den Streit verkündet oder gerichtliche Beweisaufnahme zur
Sicherung des Beweises beantragt. Der Rechtsverlust tritt nicht ein, wenn der
Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat.
§. 486. Die Gewährfrist kann durch Vertrag verlängert oder abgekürzt
werden. Die vereinbarte Frist tritt an die Stelle der gesetzlichen Frist.
§. 487. Der Käufer kann nur Wandelung, nicht Minderung verlangen.
Die Wandelung kann auch in den Fällen der §§. 351 bis 353, insbesondere
wenn das Thier geschlachtet ist, verlangt werden; an Stelle der Rückgewähr hat
der Käufer den Werth des Thieres zu vergüten. Das Gleiche gilt in anderen
Fällen, in denen der Käufer in Folge eines Umstandes, den er zu vertreten hat,
insbesondere einer Verfügung über das Thier, außer Stande ist, das Thier
zurückzugewähren.
Ist vor der Vollziehung der Wandelung eine unwesentliche Verschlechterung
des Thieres in Folge eines von dem Käufer zu vertretenden Umstandes
eingetreten, so hat der Käufer die Werthminderung zu vergüten.
Nutzungen hat der Käufer nur insoweit zu ersetzen, als er sie gezogen
hat.
§. 488. Der Verkäufer hat im Falle der Wandelung dem Käufer auch die
Kosten der Fütterung und Pflege, die Kosten der thierärztlichen Untersuchung
und Behandlung sowie die Kosten der nothwendig gewordenen Tödtung und
Wegschaffung des Thieres zu ersetzen.
§. 489. Ist über den Anspruch auf Wandelung ein Rechtsstreit anhängig,
so ist auf Antrag der einen oder der anderen Partei die öffentliche
Versteigerung des Thieres und die Hinterlegung des Erlöses durch einstweilige
Verfügung anzuordnen, sobald die Besichtigung des Thieres nicht mehr
erforderlich ist.
§. 490. Der Anspruch auf Wandelung sowie der Anspruch auf Schadensersatz
wegen eines Hauptmangels, dessen Nichtvorhandensein der Verkäufer zugesichert
hat, verjährt in sechs Wochen von dem Ende der Gewährfrist an. Im Uebrigen
bleiben die Vorschriften des §. 477 unberührt.
An die Stelle der in den §§. 210, 212, 215 bestimmten Fristen tritt eine
Frist von sechs Wochen.
Der Käufer kann auch nach der Verjährung des Anspruchs auf Wandelung die
Zahlung des Kaufpreises verweigern. Die Aufrechnung des Anspruchs auf
Schadensersatz unterliegt nicht der im §. 479 bestimmten Beschränkung.
§. 491. Der Käufer eines nur der Gattung nach bestimmten Thieres kann
statt der Wandelung verlangen, daß ihm an Stelle des mangelhaften Thieres ein
mangelfreies geliefert wird. Auf diesen Anspruch finden die Vorschriften der
§§. 488 bis 490 entsprechende Anwendung.
§. 492. Uebernimmt der Verkäufer die Gewährleistung wegen eines nicht zu
den Hauptmängeln gehörenden Fehlers oder sichert er eine Eigenschaft des
Thieres zu, so finden die Vorschriften der §§. 487 bis 491 und, wenn eine
Gewährfrist vereinbart wird, auch die Vorschriften der §§. 483 bis 485
entsprechende Anwendung. Die im §. 490 bestimmte Verjährung beginnt, wenn eine
Gewährfrist nicht vereinbart wird, mit der Ablieferung des Thieres.
§. 493. Die Vorschriften über die Verpflichtung des Verkäufers zur
Gewährleistung wegen Mängel der Sache finden auf andere Verträge, die auf
Veräußerung oder Belastung einer Sache gegen Entgelt gerichtet sind,
entsprechende Anwendung.
III. Besondere Arten des Kaufes
1. Kauf nach Probe. Kauf auf Probe.
§. 494. Bei einem Kaufe nach Probe oder nach Muster sind die
Eigenschaften der Probe oder des Musters als zugesichert anzusehen.
§. 495. Bei einem Kaufe auf Probe oder auf Besicht steht die Billigung
des gekauften Gegenstandes im Belieben des Käufers. Der Kauf ist im Zweifel
unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung geschlossen.
Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer die Untersuchung des Gegenstandes
zu gestatten.
§. 496. Die Billigung eines auf Probe oder auf Besicht gekauften
Gegenstandes kann nur innerhalb der vereinbarten Frist und in Ermangelung einer
solchen nur bis zum Ablauf einer dem Käufer von dem Verkäufer bestimmten
angemessenen Frist erklärt werden. War die Sache dem Käufer zum Zwecke der
Probe oder der Besichtigung übergeben, so gilt sein Schweigen als Billigung.
2. Wiederkauf.
§. 497. Hat sich der Verkäufer in dem Kaufvertrage das Recht des
Wiederkaufs vorbehalten, so kommt der Wiederkauf mit der Erklärung des
Verkäufers gegenüber dem Käufer, daß er das Wiederkaufsrecht ausübe, zu Stande.
Die Erklärung bedarf nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form. Der Preis,
zu welchem verkauft worden ist, gilt im Zweifel auch für den Wiederkauf.
§. 498. Der Wiederverkäufer ist verpflichtet, dem Wiederkäufer den
gekauften Gegenstand nebst Zubehör herauszugeben.
Hat der Wiederverkäufer vor der Ausübung des Wiederkaufsrechts eine
Verschlechterung, den Untergang oder eine aus einem anderen Grunde eingetretene
Unmöglichkeit der Herausgabe des gekauften Gegenstandes verschuldet oder den
Gegenstand wesentlich verändert, so ist er für den daraus entstehenden Schaden
verantwortlich. Ist der Gegenstand ohne Verschulden des Wiederverkäufers
verschlechtert oder ist er nur unwesentlich verändert, so kann der Wiederkäufer
Minderung des Kaufpreises nicht verlangen.
§. 499. Hat der Wiederverkäufer vor der Ausübung des Wiederkaufsrechts
über den gekauften Gegenstand verfügt, so ist er verpflichtet, die dadurch
begründeten Rechte Dritter zu beseitigen. Einer Verfügung des Wiederverkäufers
steht eine Verfügung gleich, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der
Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter erfolgt.
§. 500. Der Wiederverkäufer kann für Verwendungen, die er auf den
gekauften Gegenstand vor dem Wiederkaufe gemacht hat, insoweit Ersatz
verlangen, als der Werth des Gegenstandes durch die Verwendungen erhöht ist.
Eine Einrichtung, mit der er die herauszugebende Sache versehen hat, kann er
wegnehmen.
§. 501. Ist als Wiederkaufpreis der Schätzungswerth vereinbart, den der
gekaufte Gegenstand zur Zeit des Wiederkaufs hat, so ist der Wiederverkäufer
für eine Verschlechterung, den Untergang oder die aus einem anderen Grunde
eingetretene Unmöglichkeit der Herausgabe des Gegenstandes nicht
verantwortlich, der Wiederkäufer zum Ersatze von Verwendungen nicht
verpflichtet.
§. 502. Steht das Wiederkaufsrecht Mehreren gemeinschaftlich zu, so kann
es nur im Ganzen ausgeübt werden. Ist es für einen der Berechtigten erloschen
oder übt einer von ihnen sein Recht nicht aus, so sind die übrigen berechtigt,
das Wiederkaufsrecht im Ganzen auszuüben.
§. 503. Das Wiederkaufsrecht kann bei Grundstücken nur bis zum Ablaufe
von dreißig, bei anderen Gegenständen nur bis zum Ablaufe von drei Jahren nach
der Vereinbarung des Vorbehalts ausgeübt werden. Ist für die Ausübung eine
Frist bestimmt, so tritt diese an die Stelle der gesetzlichen Frist.
3. Vorkauf.
§. 504. Wer in Ansehung eines Gegenstandes zum Vorkaufe berechtigt ist,
kann das Vorkaufsrecht ausüben, sobald der Verpflichtete mit einem Dritten
einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat.
§. 505. Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch Erklärung
gegenüber dem Verpflichteten. Die Erklärung bedarf nicht der für den
Kaufvertrag bestimmten Form.
Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem
Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zu Stande, welche
der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat.
§. 506. Eine Vereinbarung des Verpflichteten mit dem Dritten, durch
welche der Kauf von der Nichtausübung des Vorkaufsrechts abhängig gemacht oder
dem Verpflichteten für den Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts der Rücktritt
vorbehalten wird, ist dem Vorkaufsberechtigten gegenüber unwirksam.
§. 507. Hat sich der Dritte in dem Vertrage zu einer Nebenleistung
verpflichtet, die der Vorkaufsberechtigte zu bewirken außer Stande ist, so hat
der Vorkaufsberechtigte statt der Nebenleistung ihren Werth zu entrichten. Läßt
sich die Nebenleistung nicht in Geld schätzen, so ist die Ausübung des
Vorkaufsrechts ausgeschlossen; die Vereinbarung der Nebenleistung kommt jedoch
nicht in Betracht, wenn der Vertrag mit dem Dritten auch ohne sie geschlossen
sein würde.
§. 508. Hat der Dritte den Gegenstand, auf den sich das Vorkaufsrecht
bezieht, mit anderen Gegenständen zu einem Gesammtpreise gekauft, so hat der
Vorkaufsberechtigte einen verhältnißmäßigen Theil des Gesammtpreises zu
entrichten. Der Verpflichtete kann verlangen, daß der Vorkauf auf alle Sachen
erstreckt wird, die nicht ohne Nachtheil für ihn getrennt werden können.
§. 509. Ist dem Dritten in dem Vertrage der Kaufpreis gestundet worden,
so kann der Vorkaufsberechtigte die Stundung nur in Anspruch nehmen, wenn er
für den gestundeten Betrag Sicherheit leistet.
Ist ein Grundstück Gegenstand des Vorkaufs, so bedarf es der
Sicherheitsleistung insoweit nicht, als für den gestundeten Kaufpreis die
Bestellung einer Hypothek an dem Grundstücke vereinbart oder in Anrechnung auf
den Kaufpreis eine Schuld, für die eine Hypothek an dem Grundstücke besteht,
übernommen worden ist.
§. 510. Der Verpflichtete hat dem Vorkaufsberechtigten den Inhalt des
mit dem Dritten geschlossenen Vertrags unverzüglich mitzutheilen. Die Mittheilung
des Verpflichteten wird durch die Mittheilung des Dritten ersetzt.
Das Vorkaufsrecht kann bei Grundstücken nur bis zum Ablaufe von zwei
Monaten, bei anderen Gegenständen nur bis zum Ablauf einer Woche nach dem
Empfange der Mittheilung ausgeübt werden. Ist für die Ausübung eine Frist
bestimmt, so tritt diese an die Stelle der gesetzlichen Frist.
§. 511. Das Vorkaufsrecht erstreckt sich im Zweifel nicht auf einen
Verkauf, der mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht an einen gesetzlichen
Erben erfolgt.
§. 512. Das Vorkaufsrecht ist ausgeschlossen, wenn der Verkauf im Wege
der Zwangsvollstreckung oder durch den Konkursverwalter erfolgt.
§. 513. Steht das Vorkaufsrecht Mehreren gemeinschaftlich zu, so kann es
nur im Ganzen ausgeübt werden. Ist es für einen der Berechtigten erloschen oder
übt einer von ihnen sein Recht nicht aus, so sind die übrigen berechtigt, das
Vorkaufsrecht im Ganzen auszuüben.
§. 514. Das Vorkaufsrecht ist nicht übertragbar und geht nicht auf die
Erben des Berechtigten über, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist. Ist das
Recht auf eine bestimmte Zeit beschränkt, so ist es im Zweifel vererblich.
IV. Tausch
§. 515. Auf den Tausch finden die Vorschriften über den Kauf
entsprechende Anwendung.
Zweiter Titel.
Schenkung.
§. 516. Eine Zuwendung, durch die Jemand aus seinem Vermögen einen
Anderen bereichert, ist Schenkung, wenn beide Theile darüber einig sind, daß
die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.
Ist die Zuwendung ohne den Willen des Anderen erfolgt, so kann ihn der
Zuwendende unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung über die
Annahme auffordern. Nach dem Ablaufe der Frist gilt die Schenkung als
angenommen, wenn nicht der Andere sie vorher abgelehnt hat. Im Falle der
Ablehnung kann die Herausgabe des Zugewendeten nach den Vorschriften über die
Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gefordert werden.
§. 517. Eine Schenkung liegt nicht vor, wenn Jemand zum Vortheil eines
Anderen einen Vermögenserwerb unterläßt oder auf ein angefallenes, noch nicht
endgültig erworbenes Recht verzichtet oder eine Erbschaft oder ein Vermächtniß
ausschlägt.
§. 518. Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung
schenkweise versprochen wird, ist die gerichtliche oder notarielle Beurkundung
des Versprechens erforderlich. Das Gleiche gilt, wenn ein Schuldversprechen
oder ein Schuldanerkenntniß der in den §§. 780, 781 bezeichneten Art
schenkweise ertheilt wird, von dem Versprechen oder der Anerkennungserklärung.
Der Mangel der Form wird durch die Bewirkung der versprochenen Leistung
geheilt.
§. 519. Der Schenker ist berechtigt, die Erfüllung eines schenkweise
ertheilten Versprechens zu verweigern, soweit er bei Berücksichtigung seiner
sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, das Versprechen zu erfüllen, ohne
daß sein standesmäßiger Unterhalt oder die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes
obliegenden Unterhaltspflichten gefährdet wird.
Treffen die Ansprüche mehrerer Beschenkten zusammen, so geht der früher
entstandene Anspruch vor.
§. 520. Verspricht der Schenker eine in wiederkehrenden Leistungen
bestehende Unterstützung, so erlischt die Verbindlichkeit mit seinem Tode,
sofern nicht aus dem Versprechen sich ein Anderes ergiebt.
§. 521. Der Schenker hat nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu
vertreten.
§. 522. Zur Entrichtung von Verzugszinsen ist der Schenker nicht
verpflichtet.
§. 523. Verschweigt der Schenker arglistig einen Mangel im Rechte, so
ist er verpflichtet, dem Beschenkten den daraus entstehenden Schaden zu
ersetzen.
Hatte der Schenker die Leistung eines Gegenstandes versprochen, den er
erst erwerben sollte, so kann der Beschenkte wegen eines Mangels im Rechte
Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn der Mangel dem Schenker bei
dem Erwerbe der Sache bekannt gewesen oder in Folge grober Fahrlässigkeit
unbekannt geblieben ist. Die für die Gewährleistungspflicht des Verkäufers
geltenden Vorschriften des §. 433 Abs. 1, der §§. 434 bis 437, des §. 440 Abs.
2 bis 4 und der §§. 441 bis 444 finden entsprechende Anwendung.
§. 524. Verschweigt der Schenker arglistig einen Fehler der verschenkten
Sache, so ist er verpflichtet, dem Beschenkten den daraus entstehenden Schaden
zu ersetzen.
Hatte der Schenker die Leistung einer nur der Gattung nach bestimmten
Sache versprochen, die er erst erwerben sollte, so kann der Beschenkte, wenn
die geleistete Sache fehlerhaft und der Mangel dem Schenker bei dem Erwerbe der
Sache bekannt gewesen oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben
ist, verlangen, daß ihm an Stelle der fehlerhaften Sache eine fehlerfreie
geliefert wird. Hat der Schenker den Fehler arglistig verschwiegen, so kann der
Beschenkte statt der Lieferung einer fehlerfreien Sache Schadensersatz wegen
Nichterfüllung verlangen. Auf diese Ansprüche finden die für die Gewährleistung
wegen Fehler einer verkauften Sache geltenden Vorschriften entsprechende
Anwendung.
§. 525. Wer eine Schenkung unter einer Auflage macht, kann die
Vollziehung der Auflage verlangen, wenn er seinerseits geleistet hat.
Liegt die Vollziehung der Auflage im öffentlichen Interesse, so kann nach
dem Tode des Schenkers auch die zuständige Behörde die Vollziehung verlangen.
§. 526. Soweit in Folge eines Mangels im Rechte oder eines Mangels der
verschenkten Sache der Werth der Zuwendung die Höhe der zur Vollziehung der
Auflage erforderlichen Aufwendungen nicht erreicht, ist der Beschenkte
berechtigt, die Vollziehung der Auflage zu verweigern, bis der durch den Mangel
entstandene Fehlbetrag ausgeglichen wird. Vollzieht der Beschenkte die Auflage
ohne Kenntniß des Mangels, so kann er von dem Schenker Ersatz der durch die
Vollziehung verursachten Aufwendungen insoweit verlangen, als sie in Folge des
Mangels den Werth der Zuwendung übersteigen.
§. 527. Unterbleibt die Vollziehung der Auflage, so kann der Schenker
die Herausgabe des Geschenkes unter den für das Rücktrittsrecht bei
gegenseitigen Verträgen bestimmten Voraussetzungen nach den Vorschriften über
die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung insoweit fordern, als das
Geschenk zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden müssen.
Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn ein Dritter berechtigt ist, die
Vollziehung der Auflage zu verlangen.
§. 528. Soweit der Schenker nach der Vollziehung der Schenkung außer
Stande ist, seinen standesmäßigen Unterhalt zu bestreiten und die ihm seinen
Verwandten, seinem Ehegatten oder seinem früheren Ehegatten gegenüber
gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen, kann er von dem
Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die
Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Der Beschenkte kann
die Herausgabe durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrags
abwenden. Auf die Verpflichtung des Beschenkten finden die Vorschriften des §.
760 sowie die für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltende Vorschrift des
§. 1613 und im Falle des Todes des Schenkers auch die Vorschriften des §. 1615
entsprechende Anwendung.
Unter mehreren Beschenkten haftet der früher Beschenkte nur insoweit,
als der später Beschenkte nicht verpflichtet ist.
§. 529. Der Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes ist ausgeschlossen,
wenn der Schenker seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder durch grobe
Fahrlässigkeit herbeigeführt hat oder wenn zur Zeit des Eintritts seiner
Bedürftigkeit seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn Jahre
verstrichen sind.
Das Gleiche gilt, soweit der Beschenkte bei Berücksichtigung seiner
sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, das Geschenk herauszugeben, ohne
daß sein standesmäßiger Unterhalt oder die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes
obliegenden Unterhaltspflichten gefährdet wird.
§. 530. Eine Schenkung kann widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte
durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen
des Schenkers groben Undankes schuldig macht.
Dem Erben des Schenkers steht das Recht des Widerrufs nur zu, wenn der
Beschenkte vorsätzlich und widerrechtlich den Schenker getödtet oder am
Widerrufe gehindert hat.
§. 531. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Beschenkten.
Ist die Schenkung widerrufen, so kann die Herausgabe des Geschenkes nach
den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung
gefordert werden.
§. 532. Der Widerruf ist ausgeschlossen, wenn der Schenker dem
Beschenkten verziehen hat oder wenn seit dem Zeitpunkt, in welchem der
Widerrufsberechtigte von dem Eintritte der Voraussetzungen seines Rechtes
Kenntniß erlangt hat, ein Jahr verstrichen ist. Nach dem Tode des Beschenkten
ist der Widerruf nicht mehr zulässig.
§. 533. Auf das Widerrufsrecht kann erst verzichtet werden, wenn der
Undank dem Widerrufsberechtigten bekannt geworden ist.
§. 534. Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf
den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird, unterliegen nicht der
Rückforderung und dem Widerrufe.
Dritter Titel.
Miethe. Pacht.
I. Miethe
§. 535. Durch den Miethvertrag wird der Vermiether verpflichtet, dem
Miether den Gebrauch der vermietheten Sache während der Miethzeit zu gewähren.
Der Miether ist verpflichtet, dem Vermiether den vereinbarten Miethzins zu
entrichten.
§. 536. Der Vermiether hat die vermiethete Sache dem Miether in einem zu
dem vertragsmäßigen Gebrauche geeigneten Zustande zu überlassen und sie während
der Miethzeit in diesem Zustande zu erhalten.
§. 537. Ist die vermiethete Sache zur Zeit der Ueberlassung an den
Miether mit einem Fehler behaftet, der ihre Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen
Gebrauch aufhebt oder mindert, oder entsteht im Laufe der Miethe ein solcher
Fehler, so ist der Miether für die Zeit, während deren die Tauglichkeit
aufgehoben ist, von der Entrichtung des Miethzinses befreit, für die Zeit,
während deren die Tauglichkeit gemindert ist, nur zur Entrichtung eines nach
den §§. 472, 473 zu bemessenden Theiles des Miethzinses verpflichtet.
Das Gleiche gilt, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später
wegfällt. Bei der Vermiethung eines Grundstücks steht die Zusicherung einer
bestimmten Größe der Zusicherung einer Eigenschaft gleich.
§. 538. Ist ein Mangel der im §. 537 bezeichneten Art bei dem Abschlusse
des Vertrags vorhanden oder entsteht ein solcher Mangel später in Folge eines
Umstandes, den der Vermiether zu vertreten hat, oder kommt der Vermiether mit
der Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der Miether, statt die im §.
537 bestimmten Rechte geltend zu machen, Schadensersatz wegen Nichterfüllung
verlangen.
Im Falle des Verzugs des Vermiethers kann der Miether den Mangel selbst
beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen.
§. 539. Kennt der Miether bei dem Abschlusse des Vertrags den Mangel der
gemietheten Sache, so stehen ihm die in den §§. 537, 538 bestimmten Rechte
nicht zu. Ist dem Miether ein Mangel der im §. 537 Abs. 1 bezeichneten Art in
Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben oder nimmt er eine mangelhafte
Sache an, obschon er den Mangel kennt, so kann er diese Rechte nur unter den
Voraussetzungen geltend machen, unter welchen dem Käufer einer mangelhaften
Sache nach den §§. 460, 464 Gewähr zu leisten ist.
§. 540. Eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung des
Vermiethers zur Vertretung von Mängeln der vermietheten Sache erlassen oder
beschränkt wird, ist nichtig, wenn der Vermiether den Mangel arglistig
verschweigt.
§. 541. Wird durch das Recht eines Dritten dem Miether der
vertragsmäßige Gebrauch der gemietheten Sache ganz oder zum Theil entzogen, so
finden die Vorschriften der §§. 537, 538, des §. 539 Satz 1 und des §. 540
entsprechende Anwendung.
§. 542. Wird dem Miether der vertragsmäßige Gebrauch der gemietheten
Sache ganz oder zum Theil nicht rechtzeitig gewährt oder wiederentzogen, so
kann der Miether ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das Miethverhältniß
kündigen. Die Kündigung ist erst zulässig, wenn der Vermiether eine ihm von dem
Miether bestimmte angemessene Frist hat verstreichen lassen, ohne Abhülfe zu
schaffen. Der Bestimmung einer Frist bedarf es nicht, wenn die Erfüllung des
Vertrags in Folge des die Kündigung rechtfertigenden Umstandes für den Miether
kein Interesse hat.
Wegen einer unerheblichen Hinderung oder Vorenthaltung des Gebrauchs ist
die Kündigung nur zulässig, wenn sie durch ein besonderes Interesse des
Miethers gerechtfertigt wird.
Bestreitet der Vermiether die Zulässigkeit der erfolgten Kündigung, weil
er den Gebrauch der Sache rechtzeitig gewährt oder vor dem Ablaufe der Frist
die Abhülfe bewirkt habe, so trifft ihn die Beweislast.
§. 543. Auf das dem Miether nach §. 542 zustehende Kündigungsrecht
finden die Vorschriften der §§. 539 bis 541 sowie die für die Wandelung bei dem
Kaufe geltenden Vorschriften der §§. 469 bis 471 entsprechende Anwendung.
Ist der Miethzins für eine spätere Zeit im voraus entrichtet, so hat ihn
der Vermiether nach Maßgabe des §. 347 oder, wenn die Kündigung wegen eines
Umstandes erfolgt, den er nicht zu vertreten hat, nach den Vorschriften über
die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten.
§. 544. Ist eine Wohnung oder ein anderer zum Aufenthalte von Menschen
bestimmter Raum so beschaffen, daß die Benutzung mit einer erheblichen
Gefährdung der Gesundheit verbunden ist, so kann der Miether das
Miethverhältniß ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, auch wenn er
die gefahrbringende Beschaffenheit bei dem Abschlusse des Vertrags gekannt oder
auf die Geltendmachung der ihm wegen dieser Beschaffenheit zustehenden Rechte
verzichtet hat.
§. 545. Zeigt sich im Laufe der Miethe ein Mangel der gemietheten Sache
oder wird eine Vorkehrung zum Schutze der Sache gegen eine nicht vorhergesehene
Gefahr erforderlich, so hat der Miether dem Vermiether unverzüglich Anzeige zu
machen. Das Gleiche gilt, wenn sich ein Dritter ein Recht an der Sache anmaßt.
Unterläßt der Miether die Anzeige, so ist er zum Ersatze des daraus
entstehenden Schadens verpflichtet; er ist, soweit der Vermiether in Folge der
Unterlassung der Anzeige Abhülfe zu schaffen außer Stande war, nicht
berechtigt, die im §. 537 bestimmten Rechte geltend zu machen oder nach §. 542
Abs. 1 Satz 3 ohne Bestimmung einer Frist zu kündigen oder Schadensersatz wegen
Nichterfüllung zu verlangen.
§. 546. Die auf der vermietheten Sache ruhenden Lasten hat der
Vermiether zu tragen.
§. 547. Der Vermiether ist verpflichtet, dem Miether die auf die Sache
gemachten nothwendigen Verwendungen zu ersetzen. Der Miether eines Thieres hat
jedoch die Fütterungskosten zu tragen.
Die Verpflichtung des Vermiethers zum Ersatze sonstiger Verwendungen
bestimmt sich nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Der
Miether ist berechtigt, eine Einrichtung, mit der er die Sache versehen hat,
wegzunehmen.
§. 548. Veränderungen oder Verschlechterungen der gemietheten Sache, die
durch den vertragsmäßigen Gebrauch herbeigeführt werden, hat der Miether nicht
zu vertreten.
§. 549. Der Miether ist ohne die Erlaubniß des Vermiethers nicht
berechtigt, den Gebrauch der gemietheten Sache einem Dritten zu überlassen,
insbesondere die Sache weiter zu vermiethen. Verweigert der Vermiether die
Erlaubniß, so kann der Miether das Miethverhältniß unter Einhaltung der
gesetzlichen Frist kündigen, sofern nicht in der Person des Dritten ein
wichtiger Grund vorliegt.
Ueberläßt der Miether den Gebrauch einem Dritten, so hat er ein dem
Dritten bei dem Gebrauche zur Last fallendes Verschulden zu vertreten, auch
wenn der Vermiether die Erlaubniß zur Ueberlassung ertheilt hat.
§. 550. Macht der Miether von der gemietheten Sache einen
vertragswidrigen Gebrauch und setzt er den Gebrauch ungeachtet einer Abmahnung
des Vermiethers fort, so kann der Vermiether auf Unterlassung klagen.
§. 551. Der Miethzins ist am Ende der Miethzeit zu entrichten. Ist der
Miethzins nach Zeitabschnitten bemessen, so ist er nach dem Ablaufe der
einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten.
Der Miethzins für ein Grundstück ist, sofern er nicht nach kürzeren
Zeitabschnitten bemessen ist, nach dem Ablaufe je eines Kalendervierteljahrs am
ersten Werktage des folgenden Monats zu entrichten.
§. 552. Der Miether wird von der Entrichtung des Miethzinses nicht
dadurch befreit, daß er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der
Ausübung des ihm zustehenden Gebrauchsrechts verhindert wird. Der Vermiether
muß sich jedoch den Werth der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vortheile
anrechnen lassen, welche er aus einer anderweitigen Verwerthung des Gebrauchs
erlangt. Solange der Vermiether in Folge der Ueberlassung des Gebrauchs an
einen Dritten außer Stande ist, dem Miether den Gebrauch zu gewähren, ist der
Miether zur Entrichtung des Miethzinses nicht verpflichtet.
§. 553. Der Vermiether kann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das
Miethverhältniß kündigen, wenn der Miether oder derjenige, welchem der Miether
den Gebrauch der gemietheten Sache überlassen hat, ungeachtet einer Abmahnung
des Vermiethers einen vertragswidrigen Gebrauch der Sache fortsetzt, der die
Rechte des Vermiethers in erheblichem Maße verletzt, insbesondere einem Dritten
den ihm unbefugt überlassenen Gebrauch beläßt, oder die Sache durch
Vernachlässigung der dem Miether obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet.
§. 554. Der Vermiether kann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das
Miethverhältniß kündigen, wenn der Miether für zwei auf einander folgende
Termine mit der Entrichtung des Miethzinses oder eines Theiles des Miethzinses
im Verzug ist. Die Kündigung ist ausgeschlossen, wenn der Miether den
Vermiether befriedigt, bevor sie erfolgt.
Die Kündigung ist unwirksam, wenn sich der Miether von seiner Schuld
durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die
Aufrechnung erklärt.
§. 555. Macht der Vermiether von dem ihm nach den §§. 553, 554
zustehenden Kündigungsrechte Gebrauch, so hat er den für eine spätere Zeit im
voraus entrichteten Miethzins nach Maßgabe des §. 347 zurückzuerstatten.
§. 556. Der Miether ist verpflichtet, die gemiethete Sache nach der
Beendigung des Miethverhältnisses zurückzugeben.
Dem Miether eines Grundstücks steht wegen seiner Ansprüche gegen den
Vermiether ein Zurückbehaltungsrecht nicht zu.
Hat der Miether den Gebrauch der Sache einem Dritten überlassen, so kann
der Vermiether die Sache nach der Beendigung des Miethverhältnisses auch von
dem Dritten zurückfordern.
§. 557. Giebt der Miether die gemiethete Sache nach der Beendigung des
Miethverhältnisses nicht zurück, so kann der Vermiether für die Dauer der
Vorenthaltung als Entschädigung den vereinbarten Miethzins verlangen. Die
Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
§. 558. Die Ersatzansprüche des Vermiethers wegen Veränderungen oder
Verschlechterungen der vermietheten Sache sowie die Ansprüche des Miethers auf
Ersatz von Verwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung
verjähren in sechs Monaten.
Die Verjährung der Ersatzansprüche des Vermiethers beginnt mit dem
Zeitpunkt, in welchem er die Sache zurückerhält, die Verjährung der Ansprüche
des Miethers beginnt mit der Beendigung des Miethverhältnisses.
Mit der Verjährung des Anspruchs des Vermiethers auf Rückgabe der Sache
verjähren auch die Ersatzansprüche des Vermiethers.
§. 559. Der Vermiether eines Grundstücks hat für seine Forderungen aus
dem Miethverhältniß ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Miethers.
Für künftige Entschädigungsforderungen und für den Miethzins für eine spätere
Zeit als das laufende und das folgende Miethjahr kann das Pfandrecht nicht
geltend gemacht werden. Es erstreckt sich nicht auf die der Pfändung nicht
unterworfenen Sachen.
§. 560. Das Pfandrecht des Vermiethers erlischt mit der Entfernung der
Sachen von dem Grundstück, es sei denn, daß die Entfernung ohne Wissen oder
unter Widerspruch des Vermiethers erfolgt. Der Vermiether kann der Entfernung
nicht widersprechen, wenn sie im regelmäßigen Betriebe des Geschäfts des
Miethers oder den gewöhnlichen Lebensverhältnissen entsprechend erfolgt oder
wenn die zurückbleibenden Sachen zur Sicherung des Vermiethers offenbar
ausreichen.
§. 561. Der Vermiether darf die Entfernung der seinem Pfandrecht
unterliegenden Sachen, soweit er ihr zu widersprechen berechtigt ist, auch ohne
Anrufen des Gerichts verhindern und, wenn der Miether auszieht, die Sachen in
seinen Besitz nehmen.
Sind die Sachen ohne Wissen oder unter Widerspruch des Vermiethers
entfernt worden, so kann er die Herausgabe zum Zwecke der Zurückschaffung in
das Grundstück und, wenn der Miether ausgezogen ist, die Ueberlassung des
Besitzes verlangen. Das Pfandrecht erlischt mit dem Ablauf eines Monats,
nachdem der Vermiether von der Entfernung der Sachen Kenntniß erlangt hat, wenn
nicht der Vermiether diesen Anspruch vorher gerichtlich geltend gemacht hat.
§. 562. Der Miether kann die Geltendmachung des Pfandrechts des
Vermiethers durch Sicherheitsleistung abwenden; er kann jede einzelne Sache
dadurch von dem Pfandrechte befreien, daß er in Höhe ihres Werthes Sicherheit
leistet.
§. 563. Wird eine dem Pfandrechte des Vermiethers unterliegende Sache
für einen anderen Gläubiger gepfändet, so kann diesem gegenüber das Pfandrecht
nicht wegen des Miethzinses für eine frühere Zeit als das letzte Jahr vor der
Pfändung geltend gemacht werden.
§. 564. Das Miethverhältniß endigt mit dem Ablaufe der Zeit, für die es
eingegangen ist.
Ist die Miethzeit nicht bestimmt, so kann jeder Theil das Miethverhältniß
nach den Vorschriften des §. 565 kündigen.
§. 565. Bei Grundstücken ist die Kündigung nur für den Schluß eines
Kalendervierteljahrs zulässig; sie hat spätestens am dritten Werktage des
Vierteljahrs zu erfolgen. Ist der Miethzins nach Monaten bemessen, so ist die
Kündigung nur für den Schluß eines Kalendermonats zulässig; sie hat spätestens
am fünfzehnten des Monats zu erfolgen. Ist der Miethzins nach Wochen bemessen,
so ist die Kündigung nur für den Schluß einer Kalenderwoche zulässig; sie hat spätestens
am ersten Werktage der Woche zu erfolgen.
Bei beweglichen Sachen hat die Kündigung spätestens am dritten Tage vor
dem Tage zu erfolgen, an welchem das Miethverhältniß endigen soll.
Ist der Miethzins für ein Grundstück oder für eine bewegliche Sache nach
Tagen bemessen, so ist die Kündigung an jedem Tage für den folgenden Tag
zulässig.
Die Vorschriften des Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 gelten auch für die Fälle, in
denen das Miethverhältniß unter Einhaltung der gesetzlichen Frist vorzeitig
gekündigt werden kann.
§. 566. Ein Miethvertrag über ein Grundstück, der für längere Zeit als
ein Jahr geschlossen wird, bedarf der schriftlichen Form. Wird die Form nicht
beobachtet, so gilt der Vertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen; die
Kündigung ist jedoch nicht für eine frühere Zeit als für den Schluß des ersten
Jahres zulässig.
§. 567. Wird ein Miethvertrag für eine längere Zeit als dreißig Jahre
geschlossen, so kann nach dreißig Jahren jeder Theil das Miethverhältniß unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Die Kündigung ist unzulässig, wenn
der Vertrag für die Lebenszeit des Vermiethers oder des Miethers geschlossen
ist.
§. 568. Wird nach dem Ablaufe der Miethzeit der Gebrauch der Sache von
dem Miether fortgesetzt, so gilt das Miethverhältniß als auf unbestimmte Zeit
verlängert, sofern nicht der Vermiether oder der Miether seinen
entgegenstehenden Willen binnen einer Frist von zwei Wochen dem anderen Theile
gegenüber erklärt. Die Frist beginnt für den Miether mit der Fortsetzung des
Gebrauchs, für den Vermiether mit dem Zeitpunkt, in welchem er von der
Fortsetzung Kenntniß erlangt.
§. 569. Stirbt der Miether, so ist sowohl der Erbe als der Vermiether
berechtigt, das Miethverhältniß unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu
kündigen. Die Kündigung kann nur für den ersten Termin erfolgen, für den sie
zulässig ist.
§. 570. Militärpersonen, Beamte, Geistliche und Lehrer an öffentlichen
Unterrichtsanstalten können im Falle der Versetzung nach einem anderen Orte das
Miethverhältniß in Ansehung der Räume, welche sie für sich oder ihre Familie an
dem bisherigen Garnison- oder Wohnorte gemiethet haben, unter Einhaltung der
gesetzlichen Frist kündigen. Die Kündigung kann nur für den ersten Termin
erfolgen, für den sie zulässig ist.
§. 571. Wird das vermiethete Grundstück nach der Ueberlassung an den
Miether von dem Vermiether an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber an
Stelle des Vermiethers in die sich während der Dauer seines Eigenthums aus dem
Miethverhältniß ergebenden Rechte und Verpflichtungen ein.
Erfüllt der Erwerber die Verpflichtungen nicht, so haftet der Vermiether
für den von dem Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge, der auf die
Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Erlangt der Miether von dem Uebergange
des Eigenthums durch Mittheilung des Vermiethers Kenntniß, so wird der
Vermiether von der Haftung befreit, wenn nicht der Miether das Miethverhältniß
für den ersten Termin kündigt, für den die Kündigung zulässig ist.
§. 572. Hat der Miether des veräußerten Grundstücks dem Vermiether für die
Erfüllung seiner Verpflichtungen Sicherheit geleistet, so tritt der Erwerber in
die dadurch begründeten Rechte ein. Zur Rückgewähr der Sicherheit ist er nur
verpflichtet, wenn sie ihm ausgehändigt wird oder wenn er dem Vermiether
gegenüber die Verpflichtung zur Rückgewähr übernimmt.
§. 573. Eine Verfügung, die der Vermiether vor dem Uebergange des
Eigenthums über den auf die Zeit der Berechtigung des Erwerbers entfallenden
Miethzins getroffen hat, ist insoweit wirksam, als sie sich auf den Miethzins
für das zur Zeit des Ueberganges des Eigenthums laufende und das folgende
Kalendervierteljahr bezieht. Eine Verfügung über den Miethzins für eine spätere
Zeit muß der Erwerber gegen sich gelten lassen, wenn er sie zur Zeit des
Ueberganges des Eigenthums kennt.
§. 574. Ein Rechtsgeschäft, das zwischen dem Miether und dem Vermiether
in Ansehung der Miethzinsforderung vorgenommen wird, insbesondere die
Entrichtung des Miethzinses, ist dem Erwerber gegenüber wirksam, soweit es sich
nicht auf den Miethzins für eine spätere Zeit als das Kalendervierteljahr, in
welchem der Miether von dem Uebergange des Eigenthums Kenntniß erlangt, und das
folgende Vierteljahr bezieht. Ein Rechtsgeschäft, das nach dem Uebergange des
Eigenthums vorgenommen wird, ist jedoch unwirksam, wenn der Miether bei der
Vornahme des Rechtsgeschäfts von dem Uebergange des Eigenthums Kenntniß hat.
§. 575. Soweit die Entrichtung des Miethzinses an den Vermiether nach §.
574 dem Erwerber gegenüber wirksam ist, kann der Miether gegen die
Miethzinsforderung des Erwerbers eine ihm gegen den Vermiether zustehende
Forderung aufrechnen. Die Aufrechnung ist ausgeschlossen, wenn der Miether die
Gegenforderung erworben hat, nachdem er von dem Uebergange des Eigenthums
Kenntniß erlangt hat, oder wenn die Gegenforderung erst nach der Erlangung der
Kenntniß und später als der Miethzins fällig geworden ist.
§. 576. Zeigt der Vermiether dem Miether an, daß er das Eigenthum an dem
vermietheten Grundstück auf einen Dritten übertragen habe, so muß er in
Ansehung der Miethzinsforderung die angezeigte Uebertragung dem Miether
gegenüber gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht
wirksam ist.
Die Anzeige kann nur mit Zustimmung desjenigen zurückgenommen werden,
welcher als der neue Eigenthümer bezeichnet worden ist.
§. 577. Wird das vermiethete Grundstück nach der Ueberlassung an den
Miether von dem Vermiether mit dem Rechte eines Dritten belastet, so finden die
Vorschriften der §§. 571 bis 576 entsprechende Anwendung, wenn durch die
Ausübung des Rechtes dem Miether der vertragsmäßige Gebrauch entzogen wird. Hat
die Ausübung des Rechtes nur eine Beschränkung des Miethers in dem
vertragsmäßigen Gebrauche zur Folge, so ist der Dritte dem Miether gegenüber
verpflichtet, die Ausübung zu unterlassen, soweit sie den vertragsmäßigen
Gebrauch beeinträchtigen würde.
§. 578. Hat vor der Ueberlassung des vermietheten Grundstücks an den
Miether der Vermiether das Grundstück an einen Dritten veräußert oder mit einem
Rechte belastet, durch dessen Ausübung der vertragsmäßige Gebrauch dem Miether
entzogen oder beschränkt wird, so gilt das Gleiche wie in den Fällen des §. 571
Abs. 1 und des §. 577, wenn der Erwerber dem Vermiether gegenüber die Erfüllung
der sich aus dem Miethverhältniß ergebenden Verpflichtungen übernommen hat.
§. 579. Wird das vermiethete Grundstück von dem Erwerber weiter
veräußert oder belastet, so finden die Vorschriften des §. 571 Abs. 1 und der
§§. 572 bis 578 entsprechende Anwendung. Erfüllt der neue Erwerber die sich aus
dem Miethverhältniß ergebenden Verpflichtungen nicht, so haftet der Vermiether
dem Miether nach §. 571 Abs. 2.
§. 580. Die Vorschriften über die Miethe von Grundstücken gelten auch
für die Miethe von Wohnräumen und anderen Räumen.
II. Pacht
§. 581. Durch den Pachtvertrag wird der Verpächter verpflichtet, dem
Pächter den Gebrauch des verpachteten Gegenstandes und den Genuß der Früchte,
soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft als Ertrag
anzusehen sind, während der Pachtzeit zu gewähren. Der Pächter ist
verpflichtet, dem Verpächter den vereinbarten Pachtzins zu entrichten.
Auf die Pacht finden, soweit sich nicht aus den §§. 582 bis 597 ein
Anderes ergiebt, die Vorschriften über die Miethe entsprechende Anwendung.
§. 582. Der Pächter eines landwirthschaftlichen Grundstücks hat die
gewöhnlichen Ausbesserungen, insbesondere die der Wohn- und
Wirthschaftsgebäude, der Wege, Gräben und Einfriedigungen, auf seine Kosten zu
bewirken.
§. 583. Der Pächter eines landwirthschaftlichen Grundstücks darf nicht
ohne die Erlaubniß des Verpächters Aenderungen in der wirthschaftlichen
Bestimmung des Grundstücks vornehmen, die auf die Art der Bewirthschaftung über
die Pachtzeit hinaus von Einfluß sind.
§. 584. Ist bei der Pacht eines landwirthschaftlichen Grundstücks der
Pachtzins nach Jahren bemessen, so ist er nach dem Ablaufe je eines Pachtjahrs
am ersten Werktage des folgenden Jahres zu entrichten.
§. 585. Das Pfandrecht des Verpächters eines landwirthschaftlichen
Grundstücks kann für den gesammten Pachtzins geltend gemacht werden und
unterliegt nicht der im §. 563 bestimmten Beschränkung. Es erstreckt sich auf
die Früchte des Grundstücks sowie auf die nach §. 715 Nr. 5 der
Zivilprozeßordnung der Pfändung nicht unterworfenen Sachen.
§. 586. Wird ein Grundstück sammt Inventar verpachtet, so liegt dem
Pächter die Erhaltung der einzelnen Inventarstücke ob.
Der Verpächter ist verpflichtet, Inventarstücke, die in Folge eines von
dem Pächter nicht zu vertretenden Umstandes in Abgang kommen, zu ergänzen. Der
Pächter hat jedoch den gewöhnlichen Abgang der zu dem Inventar gehörenden
Thiere aus den Jungen insoweit zu ersetzen, als dies einer ordnungsmäßigen
Wirthschaft entspricht.
§. 587. Uebernimmt der Pächter eines Grundstücks das Inventar zum
Schätzungswerthe mit der Verpflichtung, es bei der Beendigung der Pacht zum
Schätzungswerthe zurückzugewähren, so gelten die Vorschriften der §§. 588, 589.
§. 588. Der Pächter trägt die Gefahr des zufälligen Unterganges und
einer zufälligen Verschlechterung des Inventars. Er kann über die einzelnen
Stücke innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirthschaft verfügen.
Der Pächter hat das Inventar nach den Regeln einer ordnungsmäßigen
Wirthschaft in dem Zustande zu erhalten, in welchem es ihm übergeben wird. Die
von ihm angeschafften Stücke werden mit der Einverleibung in das Inventar
Eigenthum des Verpächters.
§. 589. Der Pächter hat das bei der Beendigung der Pacht vorhandene
Inventar dem Verpächter zurückzugewähren.
Der Verpächter kann die Uebernahme derjenigen von dem Pächter
angeschafften Inventarstücke ablehnen, welche nach den Regeln einer
ordnungsmäßigen Wirthschaft für das Grundstück überflüssig oder zu werthvoll
sind; mit der Ablehnung geht das Eigenthum an den abgelehnten Stücken auf den
Pächter über.
Ist der Gesammtschätzungswerth der übernommenen Stücke höher oder
niedriger als der Gesammtschätzungswerth der zurückzugewährenden Stücke, so hat
im ersteren Falle der Pächter dem Verpächter, im letzteren Falle der Verpächter
dem Pächter den Mehrbetrag zu ersetzen.
§. 590. Dem Pächter eines Grundstücks steht für die Forderungen gegen
den Verpächter, die sich auf das mitgepachtete Inventar beziehen, ein
Pfandrecht an den in seinen Besitz gelangten Inventarstücken zu. Auf das
Pfandrecht findet die Vorschrift des §. 562 Anwendung.
§. 591. Der Pächter eines landwirthschaftlichen Grundstücks ist
verpflichtet, das Grundstück nach der Beendigung der Pacht in dem Zustande
zurückzugewähren, der sich bei einer während der Pachtzeit bis zur Rückgewähr
fortgesetzten ordnungsmäßigen Bewirthschaftung ergiebt. Dies gilt insbesondere
auch für die Bestellung.
§. 592. Endigt die Pacht eines landwirthschaftlichen Grundstücks im
Laufe eines Pachtjahrs, so hat der Verpächter die Kosten, die der Pächter auf
die noch nicht getrennten, jedoch nach den Regeln einer ordnungsmäßigen
Wirthschaft vor dem Ende des Pachtjahrs zu trennenden Früchte verwendet hat,
insoweit zu ersetzen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und
den Werth dieser Früchte nicht übersteigen.
§. 593. Der Pächter eines Landguts hat von den bei der Beendigung der
Pacht vorhandenen landwirthschaftlichen Erzeugnissen ohne Rücksicht darauf, ob
er bei dem Antritte der Pacht solche Erzeugnisse übernommen hat, so viel
zurückzulassen, als zur Fortführung der Wirthschaft bis zu der Zeit
erforderlich ist, zu welcher gleiche oder ähnliche Erzeugnisse voraussichtlich
gewonnen werden.
Soweit der Pächter landwirthschaftliche Erzeugnisse in größerer Menge
oder besserer Beschaffenheit zurückzulassen verpflichtet ist, als er bei dem
Antritte der Pacht übernommen hat, kann er von dem Verpächter Ersatz des
Werthes verlangen.
Den vorhandenen auf dem Gute gewonnenen Dünger hat der Pächter
zurückzulassen, ohne daß er Ersatz des Werthes verlangen kann.
§. 594. Uebernimmt der Pächter eines Landguts das Gut auf Grund einer
Schätzung des wirthschaftlichen Zustandes mit der Bestimmung, daß nach der
Beendigung der Pacht die Rückgewähr gleichfalls auf Grund einer solchen
Schätzung zu erfolgen hat, so finden auf die Rückgewähr des Gutes die
Vorschriften des §. 589 Abs. 2, 3 entsprechende Anwendung.
Das Gleiche gilt, wenn der Pächter Vorräthe auf Grund einer Schätzung
mit einer solchen Bestimmung übernimmt, für die Rückgewähr der Vorräthe, die er
zurückzulassen verpflichtet ist.
§. 595. Ist bei der Pacht eines Grundstücks oder eines Rechtes die
Pachtzeit nicht bestimmt, so ist die Kündigung nur für den Schluß eines
Pachtjahrs zulässig; sie hat spätestens am ersten Werktage des halben Jahres zu
erfolgen, mit dessen Ablaufe die Pacht endigen soll.
Diese Vorschriften gelten bei der Pacht eines Grundstücks oder eines
Rechtes auch für die Fälle, in denen das Pachtverhältniß unter Einhaltung der
gesetzlichen Frist vorzeitig gekündigt werden kann.
§. 596. Dem Pächter steht das im §. 549 Abs. 1 bestimmte Kündigungsrecht
nicht zu. Der Verpächter ist nicht berechtigt, das Pachtverhältniß nach §. 569
zu kündigen. Eine Kündigung des Pachtverhältnisses nach §. 570 findet nicht
statt.
§. 597. Giebt der Pächter den gepachteten Gegenstand nach der Beendigung
der Pacht nicht zurück, so kann der Verpächter für die Dauer der Vorenthaltung
als Entschädigung den vereinbarten Pachtzins nach dem Verhältnisse verlangen,
in welchem die Nutzungen, die der Pächter während dieser Zeit gezogen hat oder
hätte ziehen können, zu den Nutzungen des ganzen Pachtjahrs stehen. Die
Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
Vierter Titel.
Leihe.
§. 598. Durch den Leihvertrag wird der Verleiher einer Sache verpflichtet,
dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten.
§. 599. Der Verleiher hat nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu
vertreten.
§. 600. Verschweigt der Verleiher arglistig einen Mangel im Rechte oder
einen Fehler der verliehenen Sache, so ist er verpflichtet, dem Entleiher den
daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
§. 601. Der Entleiher hat die gewöhnlichen Kosten der Erhaltung der
geliehenen Sache, bei der Leihe eines Thieres insbesondere die
Fütterungskosten, zu tragen.
Die Verpflichtung des Verleihers zum Ersatz anderer Verwendungen
bestimmt sich nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Der
Entleiher ist berechtigt, eine Einrichtung, mit der er die Sache versehen hat,
wegzunehmen.
§. 602. Veränderungen oder Verschlechterungen der geliehenen Sache, die
durch den vertragsmäßigen Gebrauch herbeigeführt werden, hat der Entleiher
nicht zu vertreten.
§. 603. Der Entleiher darf von der geliehenen Sache keinen anderen als
den vertragsmäßigen Gebrauch machen. Er ist ohne die Erlaubniß des Verleihers
nicht berechtigt, den Gebrauch der Sache einem Dritten zu überlassen.
§. 604. Der Entleiher ist verpflichtet, die geliehene Sache nach dem
Ablaufe der für die Leihe bestimmten Zeit zurückzugeben.
Ist eine Zeit nicht bestimmt, so ist die Sache zurückzugeben, nachdem
der Entleiher den sich aus dem Zwecke der Leihe ergebenden Gebrauch gemacht
hat. Der Verleiher kann die Sache schon vorher zurückfordern, wenn so viel Zeit
verstrichen ist, daß der Entleiher den Gebrauch hätte machen können.
Ist die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zwecke zu entnehmen,
so kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern.
Ueberläßt der Entleiher den Gebrauch der Sache einem Dritten, so kann
der Verleiher sie nach der Beendigung der Leihe auch von dem Dritten
zurückfordern.
§. 605. Der Verleiher kann die Leihe kündigen:
1. wenn er in Folge eines nicht
vorhergesehenen Umstandes der verliehenen Sache bedarf;
2. wenn der Entleiher einen vertragswidrigen
Gebrauch von der Sache macht, insbesondere unbefugt den Gebrauch einem Dritten
überläßt, oder die Sache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt
erheblich gefährdet;
3. wenn der Entleiher stirbt.
§. 606. Die Ersatzansprüche des Verleihers wegen Veränderungen oder
Verschlechterungen der verliehenen Sache sowie die Ansprüche des Entleihers auf
Ersatz von Verwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung
verjähren in sechs Monaten. Die Vorschriften des §. 558 Abs. 2, 3 finden
entsprechende Anwendung.
Fünfter Titel.
Darlehen.
§. 607. Wer Geld oder andere vertretbare Sachen als Darlehen empfangen
hat, ist verpflichtet, dem Darleiher das Empfangene in Sachen von gleicher Art,
Güte und Menge zurückzuerstatten.
Wer Geld oder andere vertretbare Sachen aus einem anderen Grunde
schuldet, kann mit dem Gläubiger vereinbaren, daß das Geld oder die Sachen als
Darlehen geschuldet werden sollen.
§. 608. Sind für ein Darlehen Zinsen bedungen, so sind sie, sofern nicht
ein Anderes bestimmt ist, nach dem Ablaufe je eines Jahres und, wenn das
Darlehen vor dem Ablauf eines Jahres zurückzuerstatten ist, bei der
Rückerstattung zu entrichten.
§. 609. Ist für die Rückerstattung eines Darlehens eine Zeit nicht
bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, daß der Gläubiger oder der
Schuldner kündigt.
Die Kündigungsfrist beträgt bei Darlehen von mehr als dreihundert Mark
drei Monate, bei Darlehen von geringerem Betrag einen Monat.
Sind Zinsen nicht bedungen, so ist der Schuldner auch ohne Kündigung zur
Rückerstattung berechtigt.
§. 610. Wer die Hingabe eines Darlehens verspricht, kann im Zweifel das
Versprechen widerrufen, wenn in den Vermögensverhältnissen des anderen Theiles
eine wesentliche Verschlechterung eintritt, durch die der Anspruch auf die
Rückerstattung gefährdet wird.
Sechster Titel.
Dienstvertrag.
§. 611. Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt,
zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Theil zur Gewährung der
vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.
§. 612. Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die
Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer
Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung
als vereinbart anzusehen.
§. 613. Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat die Dienste im Zweifel
in Person zu leisten. Der Anspruch auf die Dienste ist im Zweifel nicht
übertragbar.
§. 614. Die Vergütung ist nach der Leistung der Dienste zu entrichten.
Ist die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen, so ist sie nach dem Ablaufe
der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten.
§. 615. Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in
Verzug, so kann der Verpflichtete für die in Folge des Verzugs nicht
geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung
verpflichtet zu sein. Er muß sich jedoch den Werth desjenigen anrechnen lassen,
was er in Folge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch
anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig
unterläßt.
§. 616. Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die
Vergütung nicht dadurch verlustig, daß er für eine verhältnißmäßig nicht
erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein
Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muß sich jedoch den
Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer
auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder
Unfallversicherung zukommt.
§. 617. Ist bei einem dauernden Dienstverhältnisse, welches die
Erwerbsthätigkeit des Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch
nimmt, der Verpflichtete in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen, so hat der
Dienstberechtigte ihm im Falle der Erkrankung die erforderliche Verpflegung und
ärztliche Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen, jedoch nicht über die
Beendigung des Dienstverhältnisses hinaus, zu gewähren, sofern nicht die
Erkrankung von dem Verpflichteten vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit
herbeigeführt worden ist. Die Verpflegung und ärztliche Behandlung kann durch
Aufnahme des Verpflichteten in eine Krankenanstalt gewährt werden. Die Kosten
können auf die für die Zeit der Erkrankung geschuldete Vergütung angerechnet
werden. Wird das Dienstverhältniß wegen der Erkrankung von dem
Dienstberechtigten nach §. 626 gekündigt, so bleibt die dadurch herbeigeführte
Beendigung des Dienstverhältnisses außer Betracht.
Die Verpflichtung des Dienstberechtigten tritt nicht ein, wenn für die
Verpflegung und ärztliche Behandlung durch eine Versicherung oder durch eine
Einrichtung der öffentlichen Krankenpflege Vorsorge getroffen ist.
§. 618. Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Geräthschaften,
die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu
unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner
Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, daß der Verpflichtete gegen Gefahr für
Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es
gestattet.
Ist der Verpflichtete in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen, so hat
der Dienstberechtigte in Ansehung des Wohn- und Schlafraums, der Verpflegung
sowie der Arbeits- und Erholungszeit diejenigen Einrichtungen und Anordnungen
zu treffen, welche mit Rücksicht auf die Gesundheit, die Sittlichkeit und die
Religion des Verpflichteten erforderlich sind.
Erfüllt der Dienstberechtigte die ihm in Ansehung des Lebens und der
Gesundheit des Verpflichteten obliegenden Verpflichtungen nicht, so finden auf
seine Verpflichtung zum Schadensersatze die für unerlaubte Handlungen geltenden
Vorschriften der §§. 842 bis 846 entsprechende Anwendung.
§. 619. Die dem Dienstberechtigten nach den §§. 617, 618 obliegenden
Verpflichtungen können nicht im voraus durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt
werden.
§. 620. Das Dienstverhältniß endigt mit dem Ablaufe der Zeit, für die es
eingegangen ist.
Ist die Dauer des Dienstverhältnisses weder bestimmt noch aus der
Beschaffenheit oder dem Zwecke der Dienste zu entnehmen, so kann jeder Theil
das Dienstverhältniß nach Maßgabe der §§. 621 bis 623 kündigen.
§. 621. Ist die Vergütung nach Tagen bemessen, so ist die Kündigung an
jedem Tage für den folgenden Tag zulässig.
Ist die Vergütung nach Wochen bemessen, so ist die Kündigung nur für den
Schluß einer Kalenderwoche zulässig; sie hat spätestens am ersten Werktage der
Woche zu erfolgen.
Ist die Vergütung nach Monaten bemessen, so ist die Kündigung nur für
den Schluß eines Kalendermonats zulässig; sie hat spätestens am fünfzehnten des
Monats zu erfolgen.
Ist die Vergütung nach Vierteljahren oder längeren Zeitabschnitten
bemessen, so ist die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendervierteljahrs
und nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zulässig.
§. 622. Das Dienstverhältniß der mit festen Bezügen zur Leistung von
Diensten höherer Art Angestellten, deren Erwerbsthätigkeit durch das
Dienstverhältniß vollständig oder hauptsächlich in Anspruch genommen wird,
insbesondere der Lehrer, Erzieher, Privatbeamten, Gesellschafterinnen, kann nur
für den Schluß eines Kalendervierteljahrs und nur unter Einhaltung einer
Kündigungsfrist von sechs Wochen gekündigt werden, auch wenn die Vergütung nach
kürzeren Zeitabschnitten als Vierteljahren bemessen ist.
§. 623. Ist die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen, so kann
das Dienstverhältniß jederzeit gekündigt werden; bei einem die
Erwerbsthätigkeit des Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch
nehmenden Dienstverhältniß ist jedoch eine Kündigungsfrist von zwei Wochen
einzuhalten.
§. 624. Ist das Dienstverhältniß für die Lebenszeit einer Person oder
für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen, so kann es von dem Verpflichteten
nach dem Ablaufe von fünf Jahren gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt
sechs Monate.
§. 625. Wird das Dienstverhältniß nach dem Ablaufe der Dienstzeit von
dem Verpflichteten mit Wissen des anderen Theiles fortgesetzt, so gilt es als
auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern nicht der andere Theil unverzüglich
widerspricht.
§. 626. Das Dienstverhältniß kann von jedem Theile ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
§. 627. Hat der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem
dauernden Dienstverhältnisse mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art
zu leisten, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen,
so ist die Kündigung auch ohne die im §. 626 bezeichnete Voraussetzung
zulässig.
Der Verpflichtete darf nur in der Art kündigen, daß sich der
Dienstberechtigte die Dienste anderweit beschaffen kann, es sei denn, daß ein
wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt er ohne solchen
Grund zur Unzeit, so hat er dem Dienstberechtigten den daraus entstehenden
Schaden zu ersetzen.
§. 628. Wird nach dem Beginne der Dienstleistung das Dienstverhältniß
auf Grund des §. 626 oder des §. 627 gekündigt, so kann der Verpflichtete einen
seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Theil der Vergütung verlangen.
Kündigt er, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Theiles dazu
veranlaßt zu sein, oder veranlaßt er durch sein vertragswidriges Verhalten die
Kündigung des anderen Theiles, so steht ihm ein Anspruch auf die Vergütung
insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen in Folge der Kündigung für
den anderen Theil kein Interesse haben. Ist die Vergütung für eine spätere Zeit
im voraus entrichtet, so hat der Verpflichtete sie nach Maßgabe des §. 347
oder, wenn die Kündigung wegen eines Umstandes erfolgt, den er nicht zu
vertreten hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten.
Wird die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Theiles veranlaßt,
so ist dieser zum Ersatze des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses
entstehenden Schadens verpflichtet.
§. 629. Nach der Kündigung eines dauernden Dienstverhältnisses hat der
Dienstberechtigte dem Verpflichteten auf Verlangen angemessene Zeit zum
Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses zu gewähren.
§. 630. Bei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses kann der
Verpflichtete von dem anderen Theile ein schriftliches Zeugniß über das
Dienstverhältniß und dessen Dauer fordern. Das Zeugniß ist auf Verlangen auf
die Leistungen und die Führung im Dienste zu erstrecken.
Siebenter Titel.
Werkvertrag.
§. 631. Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des
versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung
verpflichtet.
Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung
einer Sache als ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender
Erfolg sein.
§. 632. Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die
Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten
ist.
Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer
Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung
als vereinbart anzusehen.
§. 633. Der Unternehmer ist verpflichtet, das Werk so herzustellen, daß
es die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die
den Werth oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage
vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern.
Ist das Werk nicht von dieser Beschaffenheit, so kann der Besteller die
Beseitigung des Mangels verlangen. Der Unternehmer ist berechtigt, die
Beseitigung zu verweigern, wenn sie einen unverhältnißmäßigen Aufwand
erfordert.
Ist der Unternehmer mit der Beseitigung des Mangels im Verzuge, so kann
der Besteller den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen
Aufwendungen verlangen.
§. 634. Zur Beseitigung eines Mangels der im §. 633 bezeichneten Art
kann der Besteller dem Unternehmer eine angemessene Frist mit der Erklärung
bestimmen, daß er die Beseitigung des Mangels nach dem Ablaufe der Frist
ablehne. Zeigt sich schon vor der Ablieferung des Werkes ein Mangel, so kann
der Besteller die Frist sofort bestimmen; die Frist muß so bemessen werden, daß
sie nicht vor der für die Ablieferung bestimmten Frist abläuft. Nach dem
Ablaufe der Frist kann der Besteller Rückgängigmachung des Vertrags (Wandelung)
oder Herabsetzung der Vergütung (Minderung) verlangen, wenn nicht der Mangel
rechtzeitig beseitigt worden ist; der Anspruch auf Beseitigung des Mangels ist
ausgeschlossen.
Der Bestimmung einer Frist bedarf es nicht, wenn die Beseitigung des
Mangels unmöglich ist oder von dem Unternehmer verweigert wird oder wenn die
sofortige Geltendmachung des Anspruchs auf Wandelung oder auf Minderung durch
ein besonderes Interesse des Bestellers gerechtfertigt wird.
Die Wandelung ist ausgeschlossen, wenn der Mangel den Werth oder die
Tauglichkeit des Werkes nur unerheblich mindert.
Auf die Wandelung und die Minderung finden die für den Kauf geltenden
Vorschriften der §§. 465 bis 467, 469 bis 475 entsprechende Anwendung.
§. 635. Beruht der Mangel des Werkes auf einem Umstande, den der
Unternehmer zu vertreten hat, so kann der Besteller statt der Wandelung oder
der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
§. 636. Wird das Werk ganz oder zum Theil nicht rechtzeitig hergestellt,
so finden die für die Wandelung geltenden Vorschriften des §. 634 Abs. 1 bis 3
entsprechende Anwendung; an die Stelle des Anspruchs auf Wandelung tritt das
Recht des Bestellers, nach §. 327 von dem Vertrage zurückzutreten. Die im Falle
des Verzugs des Unternehmers dem Besteller zustehenden Rechte bleiben
unberührt.
Bestreitet der Unternehmer die Zulässigkeit des erklärten Rücktritts,
weil er das Werk rechtzeitig hergestellt habe, so trifft ihn die Beweislast.
§. 637. Eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung des
Unternehmers, einen Mangel des Werkes zu vertreten, erlassen oder beschränkt
wird, ist nichtig, wenn der Unternehmer den Mangel arglistig verschweigt.
§. 638. Der Anspruch des Bestellers auf Beseitigung eines Mangels des
Werkes sowie die wegen des Mangels dem Besteller zustehenden Ansprüche auf
Wandelung, Minderung oder Schadensersatz verjähren, sofern nicht der
Unternehmer den Mangel arglistig verschwiegen hat, in sechs Monaten, bei
Arbeiten an einem Grundstück in einem Jahre, bei Bauwerken in fünf Jahren. Die
Verjährung beginnt mit der Abnahme des Werkes.
Die Verjährungsfrist kann durch Vertrag verlängert werden.
§. 639. Auf die Verjährung der im §. 638 bezeichneten Ansprüche des
Bestellers finden die für die Verjährung der Ansprüche des Käufers geltenden
Vorschriften des §. 477 Abs. 2, 3 und der §§. 478, 479 entsprechende Anwendung.
Unterzieht sich der Unternehmer im Einverständnisse mit dem Besteller
der Prüfung des Vorhandenseins des Mangels oder der Beseitigung des Mangels, so
ist die Verjährung so lange gehemmt, bis der Unternehmer das Ergebniß der
Prüfung dem Besteller mittheilt oder ihm gegenüber den Mangel für beseitigt
erklärt oder die Fortsetzung der Beseitigung verweigert.
§. 640. Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte
Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme
ausgeschlossen ist.
Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk ab, obschon er den Mangel
kennt, so stehen ihm die in den §§. 633, 634 bestimmten Ansprüche nur zu, wenn
er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält.
§. 641. Die Vergütung ist bei der Abnahme des Werkes zu entrichten. Ist
das Werk in Theilen abzunehmen und die Vergütung für die einzelnen Theile
bestimmt, so ist die Vergütung für jeden Theil bei dessen Abnahme zu
entrichten.
Eine in Geld festgesetzte Vergütung hat der Besteller von der Abnahme
des Werkes an zu verzinsen, sofern nicht die Vergütung gestundet ist.
§. 642. Ist bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers
erforderlich, so kann der Unternehmer, wenn der Besteller durch das Unterlassen
der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine angemessene Entschädigung
verlangen.
Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits nach der Dauer des
Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen,
was der Unternehmer in Folge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch
anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann.
§. 643. Der Unternehmer ist im Falle des §. 642 berechtigt, dem
Besteller zur Nachholung der Handlung eine angemessene Frist mit der Erklärung zu
bestimmen, daß er den Vertrag kündige, wenn die Handlung nicht bis zum Ablaufe
der Frist vorgenommen werde. Der Vertrag gilt als aufgehoben, wenn nicht die
Nachholung bis zum Ablaufe der Frist erfolgt.
§. 644. Der Unternehmer trägt die Gefahr bis zur Abnahme des Werkes.
Kommt der Besteller in Verzug der Annahme, so geht die Gefahr auf ihn über. Für
den zufälligen Untergang und eine zufällige Verschlechterung des von dem
Besteller gelieferten Stoffes ist der Unternehmer nicht verantwortlich.
Versendet der Unternehmer das Werk auf Verlangen des Bestellers nach
einem anderen Orte als dem Erfüllungsorte, so finden die für den Kauf geltenden
Vorschriften des §. 447 entsprechende Anwendung.
§. 645. Ist das Werk vor der Abnahme in Folge eines Mangels des von dem
Besteller gelieferten Stoffes oder in Folge einer von dem Besteller für die
Ausführung ertheilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar
geworden, ohne daß ein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten
hat, so kann der Unternehmer einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Theil
der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen
verlangen. Das Gleiche gilt, wenn der Vertrag in Gemäßheit des §. 643
aufgehoben wird.
Eine weitergehende Haftung des Bestellers wegen Verschuldens bleibt
unberührt.
§. 646. Ist nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme
ausgeschlossen, so tritt in den Fällen der §§. 638, 641, 644, 645 an die Stelle
der Abnahme die Vollendung des Werkes.
§. 647. Der Unternehmer hat für seine Forderungen aus dem Vertrag ein
Pfandrecht an den von ihm hergestellten oder ausgebesserten beweglichen Sachen
des Bestellers, wenn sie bei der Herstellung oder zum Zwecke der Ausbesserung
in seinen Besitz gelangt sind.
§. 648. Der Unternehmer eines Bauwerkes oder eines einzelnen Theiles
eines Bauwerkes kann für seine Forderungen aus dem Vertrage die Einräumung
einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstücke des Bestellers verlangen. Ist
das Werk noch nicht vollendet, so kann er die Einräumung der Sicherungshypothek
für einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Theil der Vergütung und für die
in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen.
§. 649. Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den
Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die
vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muß sich jedoch dasjenige anrechnen
lassen, was er in Folge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder
durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben
böswillig unterläßt.
§. 650. Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zu Grunde gelegt worden, ohne
daß der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen
hat, und ergiebt sich, daß das Werk nicht ohne eine wesentliche Ueberschreitung
des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den
Vertrag aus diesem Grunde kündigt, nur der im §. 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch
zu.
Ist eine solche Ueberschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der
Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.
§. 651. Verpflichtet sich der Unternehmer, das Werk aus einem von ihm zu
beschaffenden Stoffe herzustellen, so hat er dem Besteller die hergestellte
Sache zu übergeben und das Eigenthum an der Sache zu verschaffen. Auf einen
solchen Vertrag finden die Vorschriften über den Kauf Anwendung; ist eine nicht
vertretbare Sache herzustellen, so treten an die Stelle des §. 433, des §. 446
Abs. 1 Satz 1 und der §§. 447, 459, 460, 462 bis 464, 477 bis 479 die Vorschriften
über den Werkvertrag mit Ausnahme der §§. 647, 648.
Verpflichtet sich der Unternehmer nur zur Beschaffung von Zuthaten oder
sonstigen Nebensachen, so finden ausschließlich die Vorschriften über den
Werkvertrag Anwendung.
Achter Titel.
Mäklervertrag.
§. 652. Wer für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrags
oder für die Vermittelung eines Vertrags einen Mäklerlohn verspricht, ist zur
Entrichtung des Lohnes nur verpflichtet, wenn der Vertrag in Folge des
Nachweises oder in Folge der Vermittelung des Mäklers zu Stande kommt. Wird der
Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen, so kann der
Mäklerlohn erst verlangt werden, wenn die Bedingung eintritt.
Aufwendungen sind dem Mäkler nur zu ersetzen, wenn es vereinbart ist.
Dies gilt auch dann, wenn ein Vertrag nicht zu Stande kommt.
§. 653. Ein Mäklerlohn gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die dem
Mäkler übertragene Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu
erwarten ist.
Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer
Taxe der taxmäßige Lohn, in Ermangelung einer Taxe der übliche Lohn als
vereinbart anzusehen.
§. 654. Der Anspruch auf den Mäklerlohn und den Ersatz von Aufwendungen
ist ausgeschlossen, wenn der Mäkler dem Inhalte des Vertrags zuwider auch für
den anderen Theil thätig gewesen ist.
§. 655. Ist für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluß eines
Dienstvertrags oder für die Vermittelung eines solchen Vertrags ein
unverhältnißmäßig hoher Mäklerlohn vereinbart worden, so kann er auf Antrag des
Schuldners durch Urtheil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Nach
der Entrichtung des Lohnes ist die Herabsetzung ausgeschlossen.
§. 656. Durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der
Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Vermittelung des
Zustandekommens einer Ehe wird eine Verbindlichkeit nicht begründet. Das auf
Grund des Versprechens Geleistete kann nicht deshalb zurückgefordert werden,
weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat.
Diese Vorschriften gelten auch für eine Vereinbarung, durch die der
andere Theil zum Zwecke der Erfüllung des Versprechens dem Mäkler gegenüber
eine Verbindlichkeit eingeht, insbesondere für ein Schuldanerkenntniß.
Neunter Titel.
Auslobung.
§. 657. Wer durch öffentliche Bekanntmachung eine Belohnung für die
Vornahme einer Handlung, insbesondere für die Herbeiführung eines Erfolges,
aussetzt, ist verpflichtet, die Belohnung demjenigen zu entrichten, welcher die
Handlung vorgenommen hat, auch wenn dieser nicht mit Rücksicht auf die
Auslobung gehandelt hat.
§. 658. Die Auslobung kann bis zur Vornahme der Handlung widerrufen
werden. Der Widerruf ist nur wirksam, wenn er in derselben Weise wie die
Auslobung bekannt gemacht wird oder wenn er durch besondere Mittheilung
erfolgt.
Auf die Widerruflichkeit kann in der Auslobung verzichtet werden; ein
Verzicht liegt im Zweifel in der Bestimmung einer Frist für die Vornahme der
Handlung.
§. 659. Ist die Handlung, für welche die Belohnung ausgesetzt ist, mehrmals
vorgenommen worden, so gebührt die Belohnung demjenigen, welcher die Handlung
zuerst vorgenommen hat.
Ist die Handlung von Mehreren gleichzeitig vorgenommen worden, so
gebührt jedem ein gleicher Theil der Belohnung. Läßt sich die Belohnung wegen
ihrer Beschaffenheit nicht theilen oder soll nach dem Inhalte der Auslobung nur
Einer die Belohnung erhalten, so entscheidet das Loos.
§. 660. Haben Mehrere zu dem Erfolge mitgewirkt, für den die Belohnung
ausgesetzt ist, so hat der Auslobende die Belohnung unter Berücksichtigung des
Antheils eines jeden an dem Erfolge nach billigem Ermessen unter sie zu
vertheilen. Die Vertheilung ist nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig
ist; sie erfolgt in einem solchen Falle durch Urtheil.
Wird die Vertheilung des Auslobenden von einem der Betheiligten nicht
als verbindlich anerkannt, so ist der Auslobende berechtigt, die Erfüllung zu
verweigern, bis die Betheiligten den Streit über ihre Berechtigung unter sich
ausgetragen haben; jeder von ihnen kann verlangen, daß die Belohnung für alle
hinterlegt wird.
Die Vorschrift des §. 659 Abs. 2 Satz 2 findet Anwendung.
§. 661. Eine Auslobung, die eine Preisbewerbung zum Gegenstande hat, ist
nur gültig, wenn in der Bekanntmachung eine Frist für die Bewerbung bestimmt
wird.
Die Entscheidung darüber, ob eine innerhalb der Frist erfolgte Bewerbung
der Auslobung entspricht oder welche von mehreren Bewerbungen den Vorzug
verdient, ist durch die in der Auslobung bezeichnete Person, in Ermangelung
einer solchen durch den Auslobenden zu treffen. Die Entscheidung ist für die
Betheiligten verbindlich.
Bei Bewerbungen von gleicher Würdigkeit finden auf die Zuertheilung des
Preises die Vorschriften des §. 659 Abs. 2 Anwendung.
Die Uebertragung des Eigenthums an dem Werke kann der Auslobende nur
verlangen, wenn er in der Auslobung bestimmt hat, daß die Uebertragung erfolgen
soll.
Zehnter Titel.
Auftrag.
§. 662. Durch die Annahme eines Auftrags verpflichtet sich der
Beauftragte, ein ihm von dem Auftraggeber übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich
zu besorgen.
§. 663. Wer zur Besorgung gewisser Geschäfte öffentlich bestellt ist
oder sich öffentlich erboten hat, ist, wenn er einen auf solche Geschäfte
gerichteten Auftrag nicht annimmt, verpflichtet, die Ablehnung dem Auftraggeber
unverzüglich anzuzeigen. Das Gleiche gilt, wenn sich Jemand dem Auftraggeber
gegenüber zur Besorgung gewisser Geschäfte erboten hat.
§. 664. Der Beauftragte darf im Zweifel die Ausführung des Auftrags
nicht einem Dritten übertragen. Ist die Uebertragung gestattet, so hat er nur
ein ihm bei der Uebertragung zur Last fallendes Verschulden zu vertreten. Für
das Verschulden eines Gehülfen ist er nach §. 278 verantwortlich.
Der Anspruch auf Ausführung des Auftrags ist im Zweifel nicht
übertragbar.
§. 665. Der Beauftragte ist berechtigt, von den Weisungen des
Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, daß der
Auftraggeber bei Kenntniß der Sachlage die Abweichung billigen würde. Der
Beauftragte hat vor der Abweichung dem Auftraggeber Anzeige zu machen und
dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschube Gefahr verbunden
ist.
§. 666. Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber die
erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts
Auskunft zu ertheilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft
abzulegen.
§. 667. Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber Alles, was er
zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung
erlangt, herauszugeben.
§. 668. Verwendet der Beauftragte Geld für sich, das er dem Auftraggeber
herauszugeben oder für ihn zu verwenden hat, so ist er verpflichtet, es von der
Zeit der Verwendung an zu verzinsen.
§. 669. Für die zur Ausführung des Auftrags erforderlichen Aufwendungen
hat der Auftraggeber dem Beauftragten auf Verlangen Vorschuß zu leisten.
§. 670. Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags
Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist
der Auftraggeber zum Ersatze verpflichtet.
§. 671. Der Auftrag kann von dem Auftraggeber jederzeit widerrufen, von
dem Beauftragten jederzeit gekündigt werden.
Der Beauftragte darf nur in der Art kündigen, daß der Auftraggeber für
die Besorgung des Geschäfts anderweit Fürsorge treffen kann, es sei denn, daß ein
wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt er ohne solchen
Grund zur Unzeit, so hat er dem Auftraggeber den daraus entstehenden Schaden zu
ersetzen.
Liegt ein wichtiger Grund vor, so ist der Beauftragte zur Kündigung auch
dann berechtigt, wenn er auf das Kündigungsrecht verzichtet hat.
§. 672. Der Auftrag erlischt im Zweifel nicht durch den Tod oder den
Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Auftraggebers. Erlischt der Auftrag, so
hat der Beauftragte, wenn mit dem Aufschube Gefahr verbunden ist, die Besorgung
des übertragenen Geschäfts fortzusetzen, bis der Erbe oder der gesetzliche
Vertreter des Auftraggebers anderweit Fürsorge treffen kann; der Auftrag gilt
insoweit als fortbestehend.
§. 673. Der Auftrag erlischt im Zweifel durch den Tod des Beauftragten.
Erlischt der Auftrag, so hat der Erbe des Beauftragten den Tod dem Auftraggeber
unverzüglich anzuzeigen und, wenn mit dem Aufschube Gefahr verbunden ist, die
Besorgung des übertragenen Geschäfts fortzusetzen, bis der Auftraggeber
anderweit Fürsorge treffen kann; der Auftrag gilt insoweit als fortbestehend.
§. 674. Erlischt der Auftrag in anderer Weise als durch Widerruf, so
gilt er zu Gunsten des Beauftragten gleichwohl als fortbestehend, bis der
Beauftragte von dem Erlöschen Kenntniß erlangt oder das Erlöschen kennen muß.
§. 675. Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine
Geschäftsbesorgung zum Gegenstande hat, finden die Vorschriften der §§. 663,
665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des §. 671
Abs. 2 entsprechende Anwendung.
§. 676. Wer einem Anderen einen Rath oder eine Empfehlung ertheilt, ist,
unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältniß oder einer unerlaubten
Handlung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatze des aus der Befolgung des
Rathes oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.
Elfter Titel.
Geschäftsführung ohne Auftrag.
§. 677. Wer ein Geschäft für einen Anderen besorgt, ohne von ihm
beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, hat das Geschäft
so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen
wirklichen oder muthmaßlichen Willen es erfordert.
§. 678. Steht die Uebernahme der Geschäftsführung mit dem wirklichen
oder dem muthmaßlichen Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch und mußte der
Geschäftsführer dies erkennen, so ist er dem Geschäftsherrn zum Ersatze des aus
der Geschäftsführung entstehenden Schadens auch dann verpflichtet, wenn ihm ein
sonstiges Verschulden nicht zur Last fällt.
§. 679. Ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des
Geschäftsherrn kommt nicht in Betracht, wenn ohne die Geschäftsführung eine
Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt,
oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig
erfüllt werden würde.
§. 680. Bezweckt die Geschäftsführung die Abwendung einer dem
Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr, so hat der Geschäftsführer nur
Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.
§. 681. Der Geschäftsführer hat die Uebernahme der Geschäftsführung,
sobald es thunlich ist, dem Geschäftsherrn anzuzeigen und, wenn nicht mit dem
Aufschube Gefahr verbunden ist, dessen Entschließung abzuwarten. Im Uebrigen
finden auf die Verpflichtungen des Geschäftsführers die für einen Beauftragten
geltenden Vorschriften der §§. 666 bis 668 entsprechende Anwendung.
§. 682. Ist der Geschäftsführer geschäftsunfähig oder in der
Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist er nur nach den Vorschriften über den
Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen und über die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung verantwortlich.
§. 683. Entspricht die Uebernahme der Geschäftsführung dem Interesse und
dem wirklichen oder dem muthmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der
Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. In
den Fällen des §. 679 steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer zu, auch wenn die
Uebernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in
Widerspruch steht.
§. 684. Liegen die Voraussetzungen des §. 683 nicht vor, so ist der
Geschäftsherr verpflichtet, dem Geschäftsführer Alles, was er durch die
Geschäftsführung erlangt, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. Genehmigt der Geschäftsherr die
Geschäftsführung, so steht dem Geschäftsführer der im §. 683 bestimmte Anspruch
zu.
§. 685. Dem Geschäftsführer steht ein Anspruch nicht zu, wenn er nicht
die Absicht hatte, von dem Geschäftsherrn Ersatz zu verlangen.
Gewähren Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen oder diese jenen
Unterhalt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Absicht fehlt, von dem
Empfänger Ersatz zu verlangen.
§. 686. Ist der Geschäftsführer über die Person des Geschäftsherrn im
Irrthume, so wird der wirkliche Geschäftsherr aus der Geschäftsführung
berechtigt und verpflichtet.
§. 687. Die Vorschriften der §§. 677 bis 686 finden keine Anwendung,
wenn Jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, daß es sein eigenes
sei.
Behandelt Jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes, obwohl er weiß,
daß er nicht dazu berechtigt ist, so kann der Geschäftsherr die sich aus den
§§. 677, 678, 681, 682 ergebenden Ansprüche geltend machen. Macht er sie
geltend, so ist er dem Geschäftsführer nach §. 684 Satz 1 verpflichtet.
Zwölfter Titel.
Verwahrung.
§. 688. Durch den Verwahrungsvertrag wird der Verwahrer verpflichtet,
eine ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren.
§. 689. Eine Vergütung für die Aufbewahrung gilt als stillschweigend
vereinbart, wenn die Aufbewahrung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung
zu erwarten ist.
§. 690. Wird die Aufbewahrung unentgeltlich übernommen, so hat der Verwahrer
nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten
anzuwenden pflegt.
§. 691. Der Verwahrer ist im Zweifel nicht berechtigt, die hinterlegte
Sache bei einem Dritten zu hinterlegen. Ist die Hinterlegung bei einem Dritten
gestattet, so hat der Verwahrer nur ein ihm bei dieser Hinterlegung zur Last
fallendes Verschulden zu vertreten. Für das Verschulden eines Gehülfen ist er
nach §. 278 verantwortlich.
§. 692. Der Verwahrer ist berechtigt, die vereinbarte Art der
Aufbewahrung zu ändern, wenn er den Umständen nach annehmen darf, daß der
Hinterleger bei Kenntniß der Sachlage die Aenderung billigen würde. Der
Verwahrer hat vor der Aenderung dem Hinterleger Anzeige zu machen und dessen
Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschube Gefahr verbunden ist.
§. 693. Macht der Verwahrer zum Zwecke der Aufbewahrung Aufwendungen,
die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Hinterleger
zum Ersatze verpflichtet.
§. 694. Der Hinterleger hat den durch die Beschaffenheit der
hinterlegten Sache dem Verwahrer entstehenden Schaden zu ersetzen, es sei denn,
daß er die gefahrdrohende Beschaffenheit der Sache bei der Hinterlegung weder
kennt noch kennen muß oder daß er sie dem Verwahrer angezeigt oder dieser sie
ohne Anzeige gekannt hat.
§. 695. Der Hinterleger kann die hinterlegte Sache jederzeit
zurückfordern, auch wenn für die Aufbewahrung eine Zeit bestimmt ist.
§. 696. Der Verwahrer kann, wenn eine Zeit für die Aufbewahrung nicht
bestimmt ist, jederzeit die Rücknahme der hinterlegten Sache verlangen. Ist
eine Zeit bestimmt, so kann er die vorzeitige Rücknahme nur verlangen, wenn ein
wichtiger Grund vorliegt.
§. 697. Die Rückgabe der hinterlegten Sache hat an dem Orte zu erfolgen,
an welchem die Sache aufzubewahren war; der Verwahrer ist nicht verpflichtet,
die Sache dem Hinterleger zu bringen.
§. 698. Verwendet der Verwahrer hinterlegtes Geld für sich, so ist er
verpflichtet, es von der Zeit der Verwendung an zu verzinsen.
§. 699. Der Hinterleger hat die vereinbarte Vergütung bei der Beendigung
der Aufbewahrung zu entrichten. Ist die Vergütung nach Zeitabschnitten
bemessen, so ist sie nach dem Ablaufe der einzelnen Zeitabschnitte zu
entrichten.
Endigt die Aufbewahrung vor dem Ablaufe der für sie bestimmten Zeit, so
kann der Verwahrer einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Theil der
Vergütung verlangen, sofern nicht aus der Vereinbarung über die Vergütung sich
ein Anderes ergiebt.
§. 700. Werden vertretbare Sachen in der Art hinterlegt, daß das
Eigenthum auf den Verwahrer übergehen und dieser verpflichtet sein soll, Sachen
von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren, so finden die Vorschriften
über das Darlehen Anwendung. Gestattet der Hinterleger dem Verwahrer,
hinterlegte vertretbare Sachen zu verbrauchen, so finden die Vorschriften über
das Darlehen von dem Zeitpunkt an Anwendung, in welchem der Verwahrer sich die
Sachen aneignet. In beiden Fällen bestimmen sich jedoch Zeit und Ort der
Rückgabe im Zweifel nach den Vorschriften über den Verwahrungsvertrag.
Bei der Hinterlegung von Werthpapieren ist eine Vereinbarung der im Abs.
1 bezeichneten Art nur gültig, wenn sie ausdrücklich getroffen wird.
Dreizehnter Titel.
Einbringung von Sachen bei Gastwirthen.
§. 701. Ein Gastwirth, der gewerbsmäßig Fremde zur Beherbergung
aufnimmt, hat einem im Betriebe dieses Gewerbes aufgenommenen Gaste den Schaden
zu ersetzen, den der Gast durch den Verlust oder die Beschädigung eingebrachter
Sachen erleidet. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden von dem
Gaste, einem Begleiter des Gastes oder einer Person, die er bei sich
aufgenommen hat, verursacht wird oder durch die Beschaffenheit der Sachen oder
durch höhere Gewalt entsteht.
Als eingebracht gelten die Sachen, welche der Gast dem Gastwirth oder
Leuten des Gastwirths, die zur Entgegennahme der Sachen bestellt oder nach den
Umständen als dazu bestellt anzusehen waren, übergeben oder an einen ihm von
diesen angewiesenen Ort oder in Ermangelung einer Anweisung an den hierzu
bestimmten Ort gebracht hat.
Ein Anschlag, durch den der Gastwirth die Haftung ablehnt, ist ohne
Wirkung.
§. 702. Für Geld, Werthpapiere und Kostbarkeiten haftet der Gastwirth
nach §. 701 nur bis zu dem Betrage von eintausend Mark, es sei denn, daß er
diese Gegenstände in Kenntniß ihrer Eigenschaft als Werthsachen zur
Aufbewahrung übernimmt oder die Aufbewahrung ablehnt oder daß der Schaden von
ihm oder von seinen Leuten verschuldet wird.
§. 703. Der dem Gaste auf Grund der §§. 701, 702 zustehende Anspruch
erlischt, wenn nicht der Gast unverzüglich, nachdem er von dem Verlust oder der
Beschädigung Kenntniß erlangt hat, dem Gastwirth Anzeige macht. Der Anspruch
erlischt nicht, wenn die Sachen dem Gastwirthe zur Aufbewahrung übergeben
waren.
§. 704. Der Gastwirth hat für seine Forderungen für Wohnung und andere
dem Gaste zur Befriedigung seiner Bedürfnisse gewährte Leistungen, mit
Einschluß der Auslagen, ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Gastes.
Die für das Pfandrecht des Vermiethers geltenden Vorschriften des §. 559 Satz 3
und der §§. 560 bis 563 finden entsprechende Anwendung.
Vierzehnter Titel.
Gesellschaft.
§. 705. Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die
Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der
durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten
Beiträge zu leisten.
§. 706. Die Gesellschafter haben in Ermangelung einer anderen
Vereinbarung gleiche Beiträge zu leisten.
Sind vertretbare oder verbrauchbare Sachen beizutragen, so ist im
Zweifel anzunehmen, daß sie gemeinschaftliches Eigenthum der Gesellschafter
werden sollen. Das Gleiche gilt von nicht vertretbaren und nicht verbrauchbaren
Sachen, wenn sie nach einer Schätzung beizutragen sind, die nicht blos für die
Gewinnvertheilung bestimmt ist.
Der Beitrag eines Gesellschafters kann auch in der Leistung von Diensten
bestehen.
§. 707. Zur Erhöhung des vereinbarten Beitrags oder zur Ergänzung der
durch Verlust verminderten Einlage ist ein Gesellschafter nicht verpflichtet.
§. 708. Ein Gesellschafter hat bei der Erfüllung der ihm obliegenden
Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen
Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
§. 709. Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft steht den Gesellschaftern
gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter
erforderlich.
Hat nach dem Gesellschaftsvertrage die Mehrheit der Stimmen zu
entscheiden, so ist die Mehrheit im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu
berechnen.
§. 710. Ist in dem Gesellschaftsvertrage die Führung der Geschäfte einem
Gesellschafter oder mehreren Gesellschaftern übertragen, so sind die übrigen
Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Ist die
Geschäftsführung mehreren Gesellschaftern übertragen, so finden die
Vorschriften des §. 709 entsprechende Anwendung.
§. 711. Steht nach dem Gesellschaftsvertrage die Führung der Geschäfte
allen oder mehreren Gesellschaftern in der Art zu, daß jeder allein zu handeln
berechtigt ist, so kann jeder der Vornahme eines Geschäfts durch den anderen
widersprechen. Im Falle des Widerspruchs muß das Geschäft unterbleiben.
§. 712. Die einem Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag
übertragene Befugniß zur Geschäftsführung kann ihm durch einstimmigen Beschluß
oder, falls nach dem Gesellschaftsvertrage die Mehrheit der Stimmen
entscheidet, durch Mehrheitsbeschluß der übrigen Gesellschafter entzogen
werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere
grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung.
Der Gesellschafter kann auch seinerseits die Geschäftsführung kündigen,
wenn ein wichtiger Grund vorliegt; die für den Auftrag geltenden Vorschriften
des §. 671 Abs. 2, 3 finden entsprechende Anwendung.
§. 713. Die Rechte und Verpflichtungen der geschäftsführenden
Gesellschafter bestimmen sich nach den für den Auftrag geltenden Vorschriften
der §§. 664 bis 670, soweit sich nicht aus dem Gesellschaftsverhältniß ein
Anderes ergiebt.
§. 714. Soweit einem Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrage die
Befugniß zur Geschäftsführung zusteht, ist er im Zweifel auch ermächtigt, die
anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten.
§. 715. Ist im Gesellschaftsvertrag ein Gesellschafter ermächtigt, die
anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten, so kann die
Vertretungsmacht nur nach Maßgabe des §. 712 Abs. 1 und, wenn sie in Verbindung
mit der Befugniß zur Geschäftsführung ertheilt worden ist, nur mit dieser
entzogen werden.
§. 716. Ein Gesellschafter kann, auch wenn er von der Geschäftsführung
ausgeschlossen ist, sich von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich
unterrichten, die Geschäftsbücher und die Papiere der Gesellschaft einsehen und
sich aus ihnen eine Uebersicht über den Stand des Gesellschaftsvermögens
anfertigen.
Eine dieses Recht ausschließende oder beschränkende Vereinbarung steht
der Geltendmachung des Rechtes nicht entgegen, wenn Grund zu der Annahme
unredlicher Geschäftsführung besteht.
§. 717. Die Ansprüche, die den Gesellschaftern aus dem
Gesellschaftsverhältnisse gegen einander zustehen, sind nicht übertragbar.
Ausgenommen sind die einem Gesellschafter aus seiner Geschäftsführung
zustehenden Ansprüche, soweit deren Befriedigung vor der Auseinandersetzung
verlangt werden kann, sowie die Ansprüche auf einen Gewinnantheil oder auf
dasjenige, was dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung zukommt.
§. 718. Die Beiträge der Gesellschafter und die durch die
Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände werden gemeinschaftliches
Vermögen der Gesellschafter (Gesellschaftsvermögen).
Zu dem Gesellschaftsvermögen gehört auch, was auf Grund eines zu dem
Gesellschaftsvermögen gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung,
Beschädigung oder Entziehung eines zu dem Gesellschaftsvermögen gehörenden
Gegenstandes erworben wird.
§. 719. Ein Gesellschafter kann nicht über seinen Antheil an dem
Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen
verfügen; er ist nicht berechtigt, Theilung zu verlangen.
Gegen eine Forderung, die zum Gesellschaftsvermögen gehört, kann der
Schuldner nicht eine ihm gegen einen einzelnen Gesellschafter zustehende
Forderung aufrechnen.
§. 720. Die Zugehörigkeit einer nach §. 718 Abs. 1 erworbenen Forderung
zum Gesellschaftsvermögen hat der Schuldner erst dann gegen sich gelten zu
lassen, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntniß erlangt; die Vorschriften der
§§. 406 bis 408 finden entsprechende Anwendung.
§. 721. Ein Gesellschafter kann den Rechnungsabschluß und die
Vertheilung des Gewinns und Verlustes erst nach der Auflösung der Gesellschaft
verlangen.
Ist die Gesellschaft von längerer Dauer, so hat der Rechnungsabschluß
und die Gewinnvertheilung im Zweifel am Schlusse jedes Geschäftsjahrs zu
erfolgen.
§. 722. Sind die Antheile der Gesellschafter am Gewinn und Verluste
nicht bestimmt, so hat jeder Gesellschafter ohne Rücksicht auf die Art und die
Größe seines Beitrags einen gleichen Antheil am Gewinn und Verluste.
Ist nur der Antheil am Gewinn oder am Verluste bestimmt, so gilt die
Bestimmung im Zweifel für Gewinn und Verlust.
§. 723. Ist die Gesellschaft nicht für eine bestimmte Zeit eingegangen,
so kann jeder Gesellschafter sie jederzeit kündigen. Ist eine Zeitdauer
bestimmt, so ist die Kündigung vor dem Ablaufe der Zeit zulässig, wenn ein
wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere vorhanden, wenn
ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende
wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt
oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird. Unter der
gleichen Voraussetzung ist, wenn eine Kündigungsfrist bestimmt ist, die
Kündigung ohne Einhaltung der Frist zulässig.
Die Kündigung darf nicht zur Unzeit geschehen, es sei denn, daß ein
wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt ein
Gesellschafter ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er den übrigen
Gesellschaftern den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Eine Vereinbarung, durch welche das Kündigungsrecht ausgeschlossen oder
diesen Vorschriften zuwider beschränkt wird, ist nichtig.
§. 724. Ist eine Gesellschaft für die Lebenszeit eines Gesellschafters
eingegangen, so kann sie in gleicher Weise gekündigt werden wie eine für
unbestimmte Zeit eingegangene Gesellschaft. Dasselbe gilt, wenn eine
Gesellschaft nach dem Ablaufe der bestimmten Zeit stillschweigend fortgesetzt
wird.
§. 725. Hat ein Gläubiger eines Gesellschafters die Pfändung des
Antheils des Gesellschafters an dem Gesellschaftsvermögen erwirkt, so kann er
die Gesellschaft ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, sofern der
Schuldtitel nicht blos vorläufig vollstreckbar ist.
Solange die Gesellschaft besteht, kann der Gläubiger die sich aus dem
Gesellschaftsverhältniß ergebenden Rechte des Gesellschafters, mit Ausnahme des
Anspruchs auf einen Gewinnantheil, nicht geltend machen.
§. 726. Die Gesellschaft endigt, wenn der vereinbarte Zweck erreicht
oder dessen Erreichung unmöglich geworden ist.
§. 727. Die Gesellschaft wird durch den Tod eines der Gesellschafter
aufgelöst, sofern nicht aus dem Gesellschaftsvertrage sich ein Anderes ergiebt.
Im Falle der Auflösung hat der Erbe des verstorbenen Gesellschafters den
übrigen Gesellschaftern den Tod unverzüglich anzuzeigen und, wenn mit dem
Aufschube Gefahr verbunden ist, die seinem Erblasser durch den
Gesellschaftsvertrag übertragenen Geschäfte fortzuführen, bis die übrigen
Gesellschafter in Gemeinschaft mit ihm anderweit Fürsorge treffen können. Die
übrigen Gesellschafter sind in gleicher Weise zur einstweiligen Fortführung der
ihnen übertragenen Geschäfte verpflichtet. Die Gesellschaft gilt insoweit als
fortbestehend.
§. 728. Die Gesellschaft wird durch die Eröffnung des Konkurses über das
Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst. Die Vorschriften des §. 727 Abs. 2
Satz 2, 3 finden Anwendung.
§. 729. Wird die Gesellschaft in anderer Weise als durch Kündigung
aufgelöst, so gilt die einem Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag
übertragene Befugniß zur Geschäftsführung zu seinen Gunsten gleichwohl als fortbestehend,
bis er von der Auflösung Kenntniß erlangt oder die Auflösung kennen muß.
§. 730. Nach der Auflösung der Gesellschaft findet in Ansehung des
Gesellschaftsvermögens die Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern statt.
Für die Beendigung der schwebenden Geschäfte, für die dazu erforderliche
Eingehung neuer Geschäfte sowie für die Erhaltung und Verwaltung des
Gesellschaftsvermögens gilt die Gesellschaft als fortbestehend, soweit der
Zweck der Auseinandersetzung es erfordert. Die einem Gesellschafter nach dem
Gesellschaftsvertrage zustehende Befugniß zur Geschäftsführung erlischt jedoch,
wenn nicht aus dem Vertrage sich ein Anderes ergiebt, mit der Auflösung der
Gesellschaft; die Geschäftsführung steht von der Auflösung an allen
Gesellschaftern gemeinschaftlich zu.
§. 731. Die Auseinandersetzung erfolgt in Ermangelung einer anderen
Vereinbarung in Gemäßheit der §§. 732 bis 735. Im Uebrigen gelten für die
Theilung die Vorschriften über die Gemeinschaft.
§. 732. Gegenstände, die ein Gesellschafter der Gesellschaft zur
Benutzung überlassen hat, sind ihm zurückzugeben. Für einen durch Zufall in
Abgang gekommenen oder verschlechterten Gegenstand kann er nicht Ersatz
verlangen.
§. 733. Aus dem Gesellschaftsvermögen sind zunächst die
gemeinschaftlichen Schulden mit Einschluß derjenigen zu berichtigen, welche den
Gläubigern gegenüber unter den Gesellschaftern getheilt sind oder für welche
einem Gesellschafter die übrigen Gesellschafter als Schuldner haften. Ist eine
Schuld noch nicht fällig oder ist sie streitig, so ist das zur Berichtigung
Erforderliche zurückzubehalten.
Aus dem nach der Berichtigung der Schulden übrig bleibenden
Gesellschaftsvermögen sind die Einlagen zurückzuerstatten. Für Einlagen, die
nicht in Geld bestanden haben, ist der Werth zu ersetzen, den sie zur Zeit der
Einbringung gehabt haben. Für Einlagen, die in der Leistung von Diensten oder
in der Ueberlassung der Benutzung eines Gegenstandes bestanden haben, kann
nicht Ersatz verlangt werden.
Zur Berichtigung der Schulden und zur Rückerstattung der Einlagen ist
das Gesellschaftsvermögen, soweit erforderlich, in Geld umzusetzen.
§. 734. Verbleibt nach der Berichtigung der gemeinschaftlichen Schulden
und der Rückerstattung der Einlagen ein Ueberschuß, so gebührt er den
Gesellschaftern nach dem Verhältniß ihrer Antheile am Gewinne.
§. 735. Reicht das Gesellschaftsvermögen zur Berichtigung der
gemeinschaftlichen Schulden und zur Rückerstattung der Einlagen nicht aus, so
haben die Gesellschafter für den Fehlbetrag nach dem Verhältniß aufzukommen,
nach welchem sie den Verlust zu tragen haben. Kann von einem Gesellschafter der
auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so haben die übrigen
Gesellschafter den Ausfall nach dem gleichen Verhältnisse zu tragen.
§. 736. Ist im Gesellschaftsvertrage bestimmt, daß, wenn ein
Gesellschafter kündigt oder stirbt oder wenn der Konkurs über sein Vermögen
eröffnet wird, die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehen
soll, so scheidet bei dem Eintritt eines solchen Ereignisses der Gesellschafter,
in dessen Person es eintritt, aus der Gesellschaft aus.
§. 737. Ist im Gesellschaftsvertrage bestimmt, daß, wenn ein
Gesellschafter kündigt, die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern
fortbestehen soll, so kann ein Gesellschafter, in dessen Person ein die übrigen
Gesellschafter nach §. 723 Abs. 1 Satz 2 zur Kündigung berechtigender Umstand
eintritt, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Das Ausschließungsrecht
steht den übrigen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Die Ausschließung erfolgt
durch Erklärung gegenüber dem auszuschließenden Gesellschafter.
§. 738. Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so wächst
sein Antheil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu. Diese
sind verpflichtet, dem Ausscheidenden die Gegenstände, die er der Gesellschaft
zur Benutzung überlassen hat, nach Maßgabe des §. 732 zurückzugeben, ihn von
den gemeinschaftlichen Schulden zu befreien und ihm dasjenige zu zahlen, was er
bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit
seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Sind gemeinschaftliche Schulden noch
nicht fällig, so können die übrigen Gesellschafter dem Ausscheidenden, statt
ihn zu befreien, Sicherheit leisten.
Der Werth des Gesellschaftsvermögens ist, soweit erforderlich, im Wege
der Schätzung zu ermitteln.
§. 739. Reicht der Werth des Gesellschaftsvermögens zur Deckung der
gemeinschaftlichen Schulden und der Einlagen nicht aus, so hat der
Ausscheidende den übrigen Gesellschaftern für den Fehlbetrag nach dem
Verhältnisse seines Antheils am Verlust aufzukommen.
§. 740. Der Ausgeschiedene nimmt an dem Gewinn und dem Verluste Theil,
welcher sich aus den zur Zeit seines Ausscheidens schwebenden Geschäften
ergiebt. Die übrigen Gesellschafter sind berechtigt, diese Geschäfte so zu
beendigen, wie es ihnen am vortheilhaftesten erscheint.
Der Ausgeschiedene kann am Schlusse jedes Geschäftsjahrs Rechenschaft
über die inzwischen beendigten Geschäfte, Auszahlung des ihm gebührenden
Betrags und Auskunft über den Stand der noch schwebenden Geschäfte verlangen.
Fünfzehnter Titel.
Gemeinschaft.
§. 741. Steht ein Recht Mehreren gemeinschaftlich zu, so finden, sofern
sich nicht aus dem Gesetz ein Anderes ergiebt, die Vorschriften der §§. 742 bis
758 Anwendung (Gemeinschaft nach Bruchtheilen).
§. 742. Im Zweifel ist anzunehmen, daß den Theilhabern gleiche Antheile
zustehen.
§. 743. Jedem Theilhaber gebührt ein seinem Antheil entsprechender
Bruchtheil der Früchte.
Jeder Theilhaber ist zum Gebrauche des gemeinschaftlichen Gegenstandes
insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Theilhaber
beeinträchtigt wird.
§. 744. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes steht den
Theilhabern gemeinschaftlich zu.
Jeder Theilhaber ist berechtigt, die zur Erhaltung des Gegenstandes
nothwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Theilhaber zu treffen; er
kann verlangen, daß diese ihre Einwilligung zu einer solchen Maßregel im voraus
ertheilen.
§. 745. Durch Stimmenmehrheit kann eine der Beschaffenheit des
gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und
Benutzung beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der
Antheile zu berechnen.
Jeder Theilhaber kann, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch
Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluß geregelt ist, eine dem Interesse
aller Theilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung
verlangen.
Eine wesentliche Veränderung des Gegenstandes kann nicht beschlossen
oder verlangt werden. Das Recht des einzelnen Theilhabers auf einen seinem
Antheil entsprechenden Bruchtheil der Nutzungen kann nicht ohne seine
Zustimmung beeinträchtigt werden.
§. 746. Haben die Theilhaber die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen
Gegenstandes geregelt, so wirkt die getroffene Bestimmung auch für und gegen
die Sondernachfolger.
§. 747. Jeder Theilhaber kann über seinen Antheil verfügen. Ueber den
gemeinschaftlichen Gegenstand im Ganzen können die Theilhaber nur gemeinschaftlich
verfügen.
§. 748. Jeder Theilhaber ist den anderen Theilhabern gegenüber
verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstandes sowie die Kosten
der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemeinschaftlichen Benutzung nach dem
Verhältnisse seines Antheils zu tragen.
§. 749. Jeder Theilhaber kann jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft
verlangen.
Wird das Recht, die Aufhebung zu verlangen, durch Vereinbarung für immer
oder auf Zeit ausgeschlossen, so kann die Aufhebung gleichwohl verlangt werden,
wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Unter der gleichen Voraussetzung kann, wenn
eine Kündigungsfrist bestimmt wird, die Aufhebung ohne Einhaltung der Frist
verlangt werden.
Eine Vereinbarung, durch welche das Recht, die Aufhebung zu verlangen,
diesen Vorschriften zuwider ausgeschlossen oder beschränkt wird, ist nichtig.
§. 750. Haben die Theilhaber das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft
zu verlangen, auf Zeit ausgeschlossen, so tritt die Vereinbarung im Zweifel mit
dem Tode eines Theilhabers außer Kraft.
§. 751. Haben die Theilhaber das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft
zu verlangen, für immer oder auf Zeit ausgeschlossen oder eine Kündigungsfrist
bestimmt, so wirkt die Vereinbarung auch für und gegen die Sondernachfolger.
Hat ein Gläubiger die Pfändung des Antheils eines Theilhabers erwirkt, so kann
er ohne Rücksicht auf die Vereinbarung die Aufhebung der Gemeinschaft
verlangen, sofern der Schuldtitel nicht blos vorläufig vollstreckbar ist.
§. 752. Die Aufhebung der Gemeinschaft erfolgt durch Theilung in Natur,
wenn der gemeinschaftliche Gegenstand oder, falls mehrere Gegenstände
gemeinschaftlich sind, diese sich ohne Verminderung des Werthes in
gleichartige, den Antheilen der Theilhaber entsprechende Theile zerlegen
lassen. Die Vertheilung gleicher Theile unter die Theilhaber geschieht durch
das Loos.
§. 753. Ist die Theilung in Natur ausgeschlossen, so erfolgt die
Aufhebung der Gemeinschaft durch Verkauf des gemeinschaftlichen Gegenstandes
nach den Vorschriften über den Pfandverkauf, bei Grundstücken durch
Zwangsversteigerung, und durch Theilung des Erlöses. Ist die Veräußerung an
einen Dritten unstatthaft, so ist der Gegenstand unter den Theilhabern zu
versteigern.
Hat der Versuch, den Gegenstand zu verkaufen, keinen Erfolg, so kann
jeder Theilhaber die Wiederholung verlangen; er hat jedoch die Kosten zu
tragen, wenn der wiederholte Versuch mißlingt.
§. 754. Der Verkauf einer gemeinschaftlichen Forderung ist nur zulässig,
wenn sie noch nicht eingezogen werden kann. Ist die Einziehung möglich, so kann
jeder Theilhaber gemeinschaftliche Einziehung verlangen.
§. 755. Haften die Theilhaber als Gesammtschuldner für eine
Verbindlichkeit, die sie in Gemäßheit des §. 748 nach dem Verhältniß ihrer
Antheile zu erfüllen haben oder die sie zum Zwecke der Erfüllung einer solchen
Verbindlichkeit eingegangen sind, so kann jeder Theilhaber bei der Aufhebung
der Gemeinschaft verlangen, daß die Schuld aus dem gemeinschaftlichen
Gegenstande berichtigt wird.
Der Anspruch kann auch gegen die Sondernachfolger geltend gemacht
werden.
Soweit zur Berichtigung der Schuld der Verkauf des gemeinschaftlichen
Gegenstandes erforderlich ist, hat der Verkauf nach §. 753 zu erfolgen.
§. 756. Hat ein Theilhaber gegen einen anderen Theilhaber eine
Forderung, die sich auf die Gemeinschaft gründet, so kann er bei der Aufhebung
der Gemeinschaft die Berichtigung seiner Forderung aus dem auf den Schuldner
entfallenden Theile des gemeinschaftlichen Gegenstandes verlangen. Die
Vorschriften des §. 755 Abs. 2, 3 finden Anwendung.
§. 757. Wird bei der Aufhebung der Gemeinschaft ein gemeinschaftlicher
Gegenstand einem der Theilhaber zugetheilt, so hat wegen eines Mangels im
Rechte oder wegen eines Mangels der Sache jeder der übrigen Theilhaber zu
seinem Antheil in gleicher Weise wie ein Verkäufer Gewähr zu leisten.
§. 758. Der Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft unterliegt nicht der
Verjährung.
Sechzehnter Titel.
Leibrente.
§. 759. Wer zur Gewährung einer Leibrente verpflichtet ist, hat die
Rente im Zweifel für die Lebensdauer des Gläubigers zu entrichten.
Der für die Rente bestimmte Betrag ist im Zweifel der Jahresbetrag der
Rente.
§. 760. Die Leibrente ist im voraus zu entrichten.
Eine Geldrente ist für drei Monate vorauszuzahlen; bei einer anderen
Rente bestimmt sich der Zeitabschnitt, für den sie im voraus zu entrichten ist,
nach der Beschaffenheit und dem Zwecke der Rente.
Hat der Gläubiger den Beginn des Zeitabschnitts erlebt, für den die
Rente im voraus zu entrichten ist, so gebührt ihm der volle auf den
Zeitabschnitt entfallende Betrag.
§. 761. Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leibrente
versprochen wird, ist, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist,
schriftliche Ertheilung des Versprechens erforderlich.
Siebzehnter Titel.
Spiel. Wette.
§. 762. Durch Spiel oder durch Wette wird eine Verbindlichkeit nicht
begründet. Das auf Grund des Spieles oder der Wette Geleistete kann nicht
deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat.
Diese Vorschriften gelten auch für eine Vereinbarung, durch die der
verlierende Theil zum Zwecke der Erfüllung einer Spiel- oder einer Wettschuld
dem gewinnenden Theile gegenüber eine Verbindlichkeit eingeht, insbesondere für
ein Schuldanerkenntniß.
§. 763. Ein Lotterievertrag oder ein Ausspielvertrag ist verbindlich,
wenn die Lotterie oder die Ausspielung staatlich genehmigt ist. Anderenfalls
finden die Vorschriften des §. 762 Anwendung.
§. 764. Wird ein auf Lieferung von Waaren oder Werthpapieren lautender
Vertrag in der Absicht geschlossen, daß der Unterschied zwischen dem
vereinbarten Preise und dem Börsen- oder Marktpreise der Lieferungszeit von dem
verlierenden Theile an den gewinnenden gezahlt werden soll, so ist der Vertrag
als Spiel anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn nur die Absicht des einen
Theiles auf die Zahlung des Unterschieds gerichtet ist, der andere Theil aber
diese Absicht kennt oder kennen muß.
Achtzehnter Titel.
Bürgschaft.
§. 765. Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge
gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit
des Dritten einzustehen.
Die Bürgschaft kann auch für eine künftige oder eine bedingte
Verbindlichkeit übernommen werden.
§. 766. Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrags ist schriftliche
Ertheilung der Bürgschaftserklärung erforderlich. Soweit der Bürge die
Hauptverbindlichkeit erfüllt, wird der Mangel der Form geheilt.
§. 767. Für die Verpflichtung des Bürgen ist der jeweilige Bestand der
Hauptverbindlichkeit maßgebend. Dies gilt insbesondere auch, wenn die Hauptverbindlichkeit
durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners geändert wird. Durch ein
Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Uebernahme der Bürgschaft
vornimmt, wird die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert.
Der Bürge haftet für die dem Gläubiger von dem Hauptschuldner zu
ersetzenden Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung.
§. 768. Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden
geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf
berufen, daß der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.
Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, daß der Hauptschuldner
auf sie verzichtet.
§. 769. Verbürgen sich Mehrere für dieselbe Verbindlichkeit, so haften
sie als Gesammtschuldner, auch wenn sie die Bürgschaft nicht gemeinschaftlich
übernehmen.
§. 770. Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern,
solange dem Hauptschuldner das Recht zusteht, das seiner Verbindlichkeit zu
Grunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten.
Die gleiche Befugniß hat der Bürge, solange sich der Gläubiger durch
Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des Hauptschuldners befriedigen kann.
§. 771. Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern,
solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner
ohne Erfolg versucht hat (Einrede der Vorausklage).
§. 772. Besteht die Bürgschaft für eine Geldforderung, so muß die
Zwangsvollstreckung in die beweglichen Sachen des Hauptschuldners an seinem
Wohnsitz und, wenn der Hauptschuldner an einem anderen Orte eine gewerbliche
Niederlassung hat, auch an diesem Orte, in Ermangelung eines Wohnsitzes und
einer gewerblichen Niederlassung an seinem Aufenthaltsorte versucht werden.
Steht dem Gläubiger ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht an einer
beweglichen Sache des Hauptschuldners zu, so muß er auch aus dieser Sache
Befriedigung suchen. Steht dem Gläubiger ein solches Recht an der Sache auch
für eine andere Forderung zu, so gilt dies nur, wenn beide Forderungen durch
den Werth der Sache gedeckt werden.
§. 773. Die Einrede der Vorausklage ist ausgeschlossen:
1. wenn der Bürge auf die Einrede verzichtet,
insbesondere wenn er sich als Selbstschuldner verbürgt hat;
2. wenn die Rechtsverfolgung gegen den
Hauptschuldner in Folge einer nach der Uebernahme der Bürgschaft eingetretenen
Aenderung des Wohnsitzes, der gewerblichen Niederlassung oder des
Aufenthaltsorts des Hauptschuldners wesentlich erschwert ist;
3. wenn über das Vermögen des Hauptschuldners
der Konkurs eröffnet ist;
4. wenn anzunehmen ist, daß die
Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Hauptschuldners nicht zur Befriedigung
des Gläubigers führen wird.
In den Fällen der Nr. 3, 4 ist die Einrede insoweit zulässig, als sich
der Gläubiger aus einer beweglichen Sache des Hauptschuldners befriedigen kann,
an der er ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht hat; die Vorschrift des
§. 772 Abs. 2 Satz 2 findet Anwendung.
§. 774. Soweit der Bürge den Gläubiger befriedigt, geht die Forderung
des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf ihn über. Der Uebergang kann nicht
zum Nachtheile des Gläubigers geltend gemacht werden. Einwendungen des
Hauptschuldners aus einem zwischen ihm und dem Bürgen bestehenden
Rechtsverhältnisse bleiben unberührt.
Mitbürgen haften einander nur nach §. 426.
§. 775. Hat sich der Bürge im Auftrage des Hauptschuldners verbürgt oder
stehen ihm nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag wegen
der Uebernahme der Bürgschaft die Rechte eines Beauftragten gegen den
Hauptschuldner zu, so kann er von diesem Befreiung von der Bürgschaft
verlangen:
1. wenn sich die Vermögensverhältnisse des
Hauptschuldners wesentlich verschlechtert haben;
2. wenn die Rechtsverfolgung gegen den
Hauptschuldner in Folge einer nach der Uebernahme der Bürgschaft eingetretenen Aenderung
des Wohnsitzes, der gewerblichen Niederlassung oder des Aufenthaltsorts des
Hauptschuldners wesentlich erschwert ist;
3. wenn der Hauptschuldner mit der Erfüllung
seiner Verbindlichkeit im Verzug ist;
4. wenn der Gläubiger gegen den Bürgen ein vollstreckbares
Urtheil auf Erfüllung erwirkt hat.
Ist die Hauptverbindlichkeit noch nicht fällig, so kann der
Hauptschuldner dem Bürgen, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.
§. 776. Giebt der Gläubiger ein mit der Forderung verbundenes
Vorzugsrecht, eine für sie bestehende Hypothek, ein für sie bestehendes
Pfandrecht oder das Recht gegen einen Mitbürgen auf, so wird der Bürge insoweit
frei, als er aus dem aufgegebenen Rechte nach §. 774 hätte Ersatz erlangen
können. Dies gilt auch dann, wenn das aufgegebene Recht erst nach der
Uebernahme der Bürgschaft entstanden ist.
§. 777. Hat sich der Bürge für eine bestehende Verbindlichkeit auf
bestimmte Zeit verbürgt, so wird er nach dem Ablaufe der bestimmten Zeit frei,
wenn nicht der Gläubiger die Einziehung der Forderung unverzüglich nach Maßgabe
des §. 772 betreibt, das Verfahren ohne wesentliche Verzögerung fortsetzt und
unverzüglich nach der Beendigung des Verfahrens dem Bürgen anzeigt, daß er ihn
in Anspruch nehme. Steht dem Bürgen die Einrede der Vorausklage nicht zu, so
wird er nach dem Ablaufe der bestimmten Zeit frei, wenn nicht der Gläubiger ihm
unverzüglich diese Anzeige macht.
Erfolgt die Anzeige rechtzeitig, so beschränkt sich die Haftung des
Bürgen im Falle des Abs. 1 Satz 1 auf den Umfang, den die Hauptverbindlichkeit
zur Zeit der Beendigung des Verfahrens hat, im Falle des Abs. 1 Satz 2 auf den
Umfang, den die Hauptverbindlichkeit bei dem Ablaufe der bestimmten Zeit hat.
§. 778. Wer einen Anderen beauftragt, im eigenen Namen und auf eigene
Rechnung einem Dritten Kredit zu geben, haftet dem Beauftragten für die aus der
Kreditgewährung entstehende Verbindlichkeit des Dritten als Bürge.
Neunzehnter Titel.
Vergleich.
§. 779. Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewißheit der
Parteien über ein Rechtsverhältniß im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt
wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalte des Vertrags als
feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und
der Streit oder die Ungewißheit bei Kenntniß der Sachlage nicht entstanden sein
würde.
Der Ungewißheit über ein Rechtsverhältniß steht es gleich, wenn die
Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.
Zwanzigster Titel.
Schuldversprechen. Schuldanerkenntniß.
§. 780. Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung in der
Weise versprochen wird, daß das Versprechen die Verpflichtung selbständig
begründen soll (Schuldversprechen), ist, soweit nicht eine andere Form
vorgeschrieben ist, schriftliche Ertheilung des Versprechens erforderlich.
§. 781. Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den das Bestehen eines
Schuldverhältnisses anerkannt wird (Schuldanerkenntniß), ist schriftliche
Ertheilung der Anerkennungserklärung erforderlich. Ist für die Begründung des
Schuldverhältnisses, dessen Bestehen anerkannt wird, eine andere Form
vorgeschrieben, so bedarf der Anerkennungsvertrag dieser Form.
§. 782. Wird ein Schuldversprechen oder ein Schuldanerkenntniß auf Grund
einer Abrechnung oder im Wege des Vergleichs ertheilt, so ist die Beobachtung
der in den §§. 780, 781 vorgeschriebenen schriftlichen Form nicht erforderlich.
Einundzwanzigster Titel.
Anweisung.
§. 783. Händigt Jemand eine Urkunde, in der er einen Anderen anweist,
Geld, Werthpapiere oder andere vertretbare Sachen an einen Dritten zu leisten,
dem Dritten aus, so ist dieser ermächtigt, die Leistung bei dem Angewiesenen im
eigenen Namen zu erheben; der Angewiesene ist ermächtigt, für Rechnung des
Anweisenden an den Anweisungsempfänger zu leisten.
§. 784. Nimmt der Angewiesene die Anweisung an, so ist er dem
Anweisungsempfänger gegenüber zur Leistung verpflichtet; er kann ihm nur solche
Einwendungen entgegensetzen, welche die Gültigkeit der Annahme betreffen oder
sich aus dem Inhalte der Anweisung oder dem Inhalte der Annahme ergeben oder
dem Angewiesenen unmittelbar gegen den Anweisungsempfänger zustehen.
Die Annahme erfolgt durch einen schriftlichen Vermerk auf der Anweisung.
Ist der Vermerk auf die Anweisung vor der Aushändigung an den
Anweisungsempfänger gesetzt worden, so wird die Annahme diesem gegenüber erst
mit der Aushändigung wirksam.
§. 785. Der Angewiesene ist nur gegen Aushändigung der Anweisung zur
Leistung verpflichtet.
§. 786. Der Anspruch des Anweisungsempfängers gegen den Angewiesenen aus
der Annahme verjährt in drei Jahren.
§. 787. Im Falle einer Anweisung auf Schuld wird der Angewiesene durch
die Leistung in deren Höhe von der Schuld befreit.
Zur Annahme der Anweisung oder zur Leistung an den Anweisungsempfänger
ist der Angewiesene dem Anweisenden gegenüber nicht schon deshalb verpflichtet,
weil er Schuldner des Anweisenden ist.
§. 788. Ertheilt der Anweisende die Anweisung zu dem Zwecke, um
seinerseits eine Leistung an den Anweisungsempfänger zu bewirken, so wird die
Leistung, auch wenn der Angewiesene die Anweisung annimmt, erst mit der
Leistung des Angewiesenen an den Anweisungsempfänger bewirkt.
§. 789. Verweigert der Angewiesene vor dem Eintritte der Leistungszeit
die Annahme der Anweisung oder verweigert er die Leistung, so hat der
Anweisungsempfänger dem Anweisenden unverzüglich Anzeige zu machen. Das Gleiche
gilt, wenn der Anweisungsempfänger die Anweisung nicht geltend machen kann oder
will.
§. 790. Der Anweisende kann die Anweisung dem Angewiesenen gegenüber
widerrufen, solange nicht der Angewiesene sie dem Anweisungsempfänger gegenüber
angenommen oder die Leistung bewirkt hat. Dies gilt auch dann, wenn der
Anweisende durch den Widerruf einer ihm gegen den Anweisungsempfänger
obliegenden Verpflichtung zuwiderhandelt.
§. 791. Die Anweisung erlischt nicht durch den Tod oder den Eintritt der
Geschäftsunfähigkeit eines der Betheiligten.
§. 792. Der Anweisungsempfänger kann die Anweisung durch Vertrag mit
einem Dritten auf diesen übertragen, auch wenn sie noch nicht angenommen worden
ist. Die Uebertragungserklärung bedarf der schriftlichen Form. Zur Uebertragung
ist die Aushändigung der Anweisung an den Dritten erforderlich.
Der Anweisende kann die Uebertragung ausschließen. Die Ausschließung ist
dem Angewiesenen gegenüber nur wirksam, wenn sie aus der Anweisung zu entnehmen
ist oder wenn sie von dem Anweisenden dem Angewiesenen mitgetheilt wird, bevor
dieser die Anweisung annimmt oder die Leistung bewirkt.
Nimmt der Angewiesene die Anweisung dem Erwerber gegenüber an, so kann
er aus einem zwischen ihm und dem Anweisungsempfänger bestehenden
Rechtsverhältniß Einwendungen nicht herleiten. Im Uebrigen finden auf die
Uebertragung der Anweisung die für die Abtretung einer Forderung geltenden
Vorschriften entsprechende Anwendung.
Zweiundzwanzigster Titel.
Schuldverschreibung auf den Inhaber.
§. 793. Hat Jemand eine Urkunde ausgestellt, in der er dem Inhaber der
Urkunde eine Leistung verspricht (Schuldverschreibung auf den Inhaber), so kann
der Inhaber von ihm die Leistung nach Maßgabe des Versprechens verlangen, es
sei denn, daß er zur Verfügung über die Urkunde nicht berechtigt ist. Der
Aussteller wird jedoch auch durch die Leistung an einen nicht zur Verfügung
berechtigten Inhaber befreit.
Die Gültigkeit der Unterzeichnung kann durch eine in die Urkunde
aufgenommene Bestimmung von der Beobachtung einer besonderen Form abhängig
gemacht werden. Zur Unterzeichnung genügt eine im Wege der mechanischen
Vervielfältigung hergestellte Namensunterschrift.
§. 794. Der Aussteller wird aus einer Schuldverschreibung auf den
Inhaber auch dann verpflichtet, wenn sie ihm gestohlen worden oder verloren
gegangen oder wenn sie sonst ohne seinen Willen in den Verkehr gelangt ist.
Auf die Wirksamkeit einer Schuldverschreibung auf den Inhaber ist es
ohne Einfluß, wenn die Urkunde ausgegeben wird, nachdem der Aussteller
gestorben oder geschäftsunfähig geworden ist.
§. 795. Im Inland ausgestellte Schuldverschreibungen auf den Inhaber, in
denen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme versprochen wird, dürfen nur mit
staatlicher Genehmigung in den Verkehr gebracht werden.
Die Genehmigung wird durch die Zentralbehörde des Bundesstaats ertheilt,
in dessen Gebiete der Aussteller seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche
Niederlassung hat. Die Ertheilung der Genehmigung und die Bestimmungen, unter
denen sie erfolgt, sollen durch den Deutschen Reichsanzeiger bekannt gemacht
werden.
Eine ohne staatliche Genehmigung in den Verkehr gelangte
Schuldverschreibung ist nichtig; der Aussteller hat dem Inhaber den durch die
Ausgabe verursachten Schaden zu ersetzen.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf Schuldverschreibungen, die
von dem Reiche oder einem Bundesstaat ausgegeben werden.
§. 796. Der Aussteller kann dem Inhaber der Schuldverschreibung nur
solche Einwendungen entgegensetzen, welche die Gültigkeit der Ausstellung
betreffen oder sich aus der Urkunde ergeben oder dem Aussteller unmittelbar
gegen den Inhaber zustehen.
§. 797. Der Aussteller ist nur gegen Aushändigung der
Schuldverschreibung zur Leistung verpflichtet. Mit der Aushändigung erwirbt er
das Eigenthum an der Urkunde, auch wenn der Inhaber zur Verfügung über sie
nicht berechtigt ist.
§. 798. Ist eine Schuldverschreibung auf den Inhaber in Folge einer
Beschädigung oder einer Verunstaltung zum Umlaufe nicht mehr geeignet, so kann
der Inhaber, sofern ihr wesentlicher Inhalt und ihre Unterscheidungsmerkmale
noch mit Sicherheit erkennbar sind, von dem Aussteller die Ertheilung einer
neuen Schuldverschreibung auf den Inhaber gegen Aushändigung der beschädigten
oder verunstalteten verlangen.
Die Kosten hat er zu tragen und vorzuschießen.
§. 799. Eine abhanden gekommene oder vernichtete Schuldverschreibung auf
den Inhaber kann, wenn nicht in der Urkunde das Gegentheil bestimmt ist, im
Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden. Ausgenommen sind
Zins-, Renten- und Gewinnantheilscheine sowie die auf Sicht zahlbaren
unverzinslichen Schuldverschreibungen.
Der Aussteller ist verpflichtet, dem bisherigen Inhaber auf Verlangen
die zur Erwirkung des Aufgebots oder der Zahlungssperre erforderliche Auskunft
zu ertheilen und die erforderlichen Zeugnisse auszustellen. Die Kosten der
Zeugnisse hat der bisherige Inhaber zu tragen und vorzuschießen.
§. 800. Ist eine Schuldverschreibung auf den Inhaber für kraftlos
erklärt, so kann derjenige, welcher das Ausschlußurtheil erwirkt hat, von dem
Aussteller, unbeschadet der Befugniß, den Anspruch aus der Urkunde geltend zu
machen, die Ertheilung einer neuen Schuldverschreibung auf den Inhaber an
Stelle der für kraftlos erklärten verlangen. Die Kosten hat er zu tragen und
vorzuschießen.
§. 801. Der Anspruch aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber
erlischt mit dem Ablaufe von dreißig Jahren nach dem Eintritte der für die
Leistung bestimmten Zeit, wenn nicht die Urkunde vor dem Ablaufe der dreißig Jahre
dem Aussteller zur Einlösung vorgelegt wird. Erfolgt die Vorlegung, so verjährt
der Anspruch in zwei Jahren von dem Ende der Vorlegungsfrist an. Der Vorlegung
steht die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs aus der Urkunde gleich.
Bei Zins-, Renten- und Gewinnantheilscheinen beträgt die Vorlegungsfrist
vier Jahre. Die Frist beginnt mit dem Schlusse des Jahres, in welchem die für
die Leistung bestimmte Zeit eintritt.
Die Dauer und der Beginn der Vorlegungsfrist können von dem Aussteller
in der Urkunde anders bestimmt werden.
§. 802. Der Beginn und der Lauf der Vorlegungsfrist sowie der Verjährung
werden durch die Zahlungssperre zu Gunsten des Antragstellers gehemmt. Die
Hemmung beginnt mit der Stellung des Antrags auf Zahlungssperre; sie endigt mit
der Erledigung des Aufgebotsverfahrens und, falls die Zahlungssperre vor der
Einleitung des Verfahrens verfügt worden ist, auch dann, wenn seit der
Beseitigung des der Einleitung entgegenstehenden Hindernisses sechs Monate
verstrichen sind und nicht vorher die Einleitung beantragt worden ist. Auf
diese Frist finden die Vorschriften der §§. 203, 206, 207 entsprechende
Anwendung.
§. 803. Werden für eine Schuldverschreibung auf den Inhaber Zinsscheine
ausgegeben, so bleiben die Scheine, sofern sie nicht eine gegentheilige
Bestimmung enthalten, in Kraft, auch wenn die Hauptforderung erlischt oder die
Verpflichtung zur Verzinsung aufgehoben oder geändert wird.
Werden solche Zinsscheine bei der Einlösung der Hauptschuldverschreibung
nicht zurückgegeben, so ist der Aussteller berechtigt, den Betrag
zurückzubehalten, den er nach Abs. 1 für die Scheine zu zahlen verpflichtet
ist.
§. 804. Ist ein Zins-, Renten- oder Gewinnantheilschein abhanden
gekommen oder vernichtet und hat der bisherige Inhaber den Verlust dem Aussteller
vor dem Ablaufe der Vorlegungsfrist angezeigt, so kann der bisherige Inhaber
nach dem Ablaufe der Frist die Leistung von dem Aussteller verlangen. Der
Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der abhanden gekommene Schein dem Aussteller
zur Einlösung vorgelegt oder der Anspruch aus dem Scheine gerichtlich geltend
gemacht worden ist, es sei denn, daß die Vorlegung oder die gerichtliche
Geltendmachung nach dem Ablaufe der Frist erfolgt ist. Der Anspruch verjährt in
vier Jahren.
In dem Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine kann der im Abs. 1
bestimmte Anspruch ausgeschlossen werden.
§. 805. Neue Zins- oder Rentenscheine für eine Schuldverschreibung auf
den Inhaber dürfen an den Inhaber der zum Empfange der Scheine ermächtigenden
Urkunde (Erneuerungsschein) nicht ausgegeben werden, wenn der Inhaber der
Schuldverschreibung der Ausgabe widersprochen hat. Die Scheine sind in diesem
Falle dem Inhaber der Schuldverschreibung auszuhändigen, wenn er die
Schuldverschreibung vorlegt.
§. 806. Die Umschreibung einer auf den Inhaber lautenden
Schuldverschreibung auf den Namen eines bestimmten Berechtigten kann nur durch
den Aussteller erfolgen. Der Aussteller ist zur Umschreibung nicht
verpflichtet.
§. 807. Werden Karten, Marken oder ähnliche Urkunden, in denen ein
Gläubiger nicht bezeichnet ist, von dem Aussteller unter Umständen ausgegeben,
aus welchen sich ergiebt, daß er dem Inhaber zu einer Leistung verpflichtet
sein will, so finden die Vorschriften des §. 793 Abs. 1 und der §§. 794, 796,
797 entsprechende Anwendung.
§. 808. Wird eine Urkunde, in welcher der Gläubiger benannt ist, mit der
Bestimmung ausgegeben, daß die in der Urkunde versprochene Leistung an jeden
Inhaber bewirkt werden kann, so wird der Schuldner durch die Leistung an den
Inhaber der Urkunde befreit. Der Inhaber ist nicht berechtigt, die Leistung zu
verlangen.
Der Schuldner ist nur gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung
verpflichtet. Ist die Urkunde abhanden gekommen oder vernichtet, so kann sie,
wenn nicht ein Anderes bestimmt ist, im Wege des Aufgebotsverfahrens für
kraftlos erklärt werden. Die im §. 802 für die Verjährung gegebenen
Vorschriften finden Anwendung.
Dreiundzwanzigster Titel.
Vorlegung von Sachen.
§. 809. Wer gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch in Ansehung
der Sache hat oder sich Gewißheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch
zusteht, kann, wenn die Besichtigung der Sache aus diesem Grunde für ihn von
Interesse ist, verlangen, daß der Besitzer ihm die Sache zur Besichtigung
vorlegt oder die Besichtigung gestattet.
§. 810. Wer ein rechtliches Interesse daran hat, eine in fremdem Besitze
befindliche Urkunde einzusehen, kann von dem Besitzer die Gestattung der
Einsicht verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet oder in der
Urkunde ein zwischen ihm und einem Anderen bestehendes Rechtsverhältniß
beurkundet ist oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft
enthält, die zwischen ihm und einem Anderen oder zwischen einem von beiden und
einem gemeinschaftlichen Vermittler gepflogen worden sind.
§. 811. Die Vorlegung hat in den Fällen der §§. 809, 810 an dem Orte zu
erfolgen, an welchem sich die vorzulegende Sache befindet. Jeder Theil kann die
Vorlegung an einem anderen Orte verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
Die Gefahr und die Kosten hat derjenige zu tragen, welcher die Vorlegung
verlangt. Der Besitzer kann die Vorlegung verweigern, bis ihm der andere Theil
die Kosten vorschießt und wegen der Gefahr Sicherheit leistet.
Vierundzwanzigster Titel.
Ungerechtfertigte Bereicherung.
§. 812. Wer durch die Leistung eines Anderen oder in sonstiger Weise auf
dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe
verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund
später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalte des
Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des
Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
§. 813. Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete
kann auch dann zurückgefordert werden, wenn dem Anspruch eine Einrede
entgegenstand, durch welche die Geltendmachung des Anspruchs dauernd
ausgeschlossen wurde. Die Vorschrift des §. 222 Abs. 2 bleibt unberührt.
Wird eine betagte Verbindlichkeit vorzeitig erfüllt, so ist die
Rückforderung ausgeschlossen; die Erstattung von Zwischenzinsen kann nicht
verlangt werden.
§. 814. Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete
kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewußt hat, daß er zur
Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen
Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach.
§. 815. Die Rückforderung wegen Nichteintritts des mit einer Leistung
bezweckten Erfolges ist ausgeschlossen, wenn der Eintritt des Erfolges von
Anfang an unmöglich war und der Leistende dies gewußt hat oder wenn der
Leistende den Eintritt des Erfolges wider Treu und Glauben verhindert hat.
§. 816. Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine
Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem
Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet.
Erfolgt die Verfügung unentgeltlich, so trifft die gleiche Verpflichtung
denjenigen, welcher auf Grund der Verfügung unmittelbar einen rechtlichen
Vortheil erlangt.
Wird an einen Nichtberechtigten eine Leistung bewirkt, die dem
Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist der Nichtberechtigte dem Berechtigten
zur Herausgabe des Geleisteten verpflichtet.
§. 817. War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, daß der
Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten
Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. Die
Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher
Verstoß zur Last fällt, es sei denn, daß die Leistung in der Eingehung einer
Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit
Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.
§. 818. Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die
gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines
erlangten Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder
Entziehung des erlangten Gegenstandes erwirbt.
Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich
oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außer Stande, so
hat er den Werth zu ersetzen.
Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatze des Werthes ist
ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
Von dem Eintritte der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den
allgemeinen Vorschriften.
§. 819. Kennt der Empfänger den Mangel des
rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von
dem Empfang oder der Erlangung der Kenntniß an zur Herausgabe verpflichtet, wie
wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre.
Verstößt der Empfänger durch die Annahme der Leistung
gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten, so ist er von dem
Empfange der Leistung an in der gleichen Weise verpflichtet.
§. 820. War mit der Leistung ein Erfolg bezweckt, dessen Eintritt nach
dem Inhalte des Rechtsgeschäfts als ungewiß angesehen wurde, so ist der
Empfänger, falls der Erfolg nicht eintritt, zur Herausgabe so verpflichtet, wie
wenn der Anspruch auf Herausgabe zur Zeit des Empfanges rechtshängig geworden
wäre. Das Gleiche gilt, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrunde, dessen
Wegfall nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde,
erfolgt ist und der Rechtsgrund wegfällt.
Zinsen hat der Empfänger erst von dem Zeitpunkt an zu entrichten, in
welchem er erfährt, daß der Erfolg nicht eingetreten oder daß der Rechtsgrund
weggefallen ist; zur Herausgabe von Nutzungen ist er insoweit nicht
verpflichtet, als er zu dieser Zeit nicht mehr bereichert ist.
§. 821. Wer ohne rechtlichen Grund eine Verbindlichkeit eingeht, kann
die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Anspruch auf Befreiung von der
Verbindlichkeit verjährt ist.
§. 822. Wendet der Empfänger das Erlangte unentgeltlich einem Dritten
zu, so ist, soweit in Folge dessen die Verpflichtung des Empfängers zur
Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen ist, der Dritte zur Herausgabe
verpflichtet, wie wenn er die Zuwendung von dem Gläubiger ohne rechtlichen
Grund erhalten hätte.
Fünfundzwanzigster Titel.
Unerlaubte Handlungen.
§. 823. Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die
Gesundheit, die Freiheit, das Eigenthum oder ein sonstiges Recht eines Anderen
widerrechtlich verletzt, ist dem Anderen zum Ersatze des daraus entstehenden
Schadens verpflichtet.
Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den
Schutz eines Anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalte des
Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die
Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
§. 824. Wer der Wahrheit zuwider eine Thatsache behauptet oder
verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines Anderen zu gefährden oder
sonstige Nachtheile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, hat dem
Anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die
Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muß.
Durch eine Mittheilung, deren Unwahrheit dem Mittheilenden unbekannt
ist, wird dieser nicht zum Schadensersatze verpflichtet, wenn er oder der
Empfänger der Mittheilung an ihr ein berechtigtes Interesse hat.
§. 825. Wer eine Frauensperson durch Hinterlist, durch Drohung oder
unter Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Gestattung der
außerehelichen Beiwohnung bestimmt, ist ihr zum Ersatze des daraus entstehenden
Schadens verpflichtet.
§. 826. Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem
Anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem Anderen zum Ersatze des Schadens
verpflichtet.
§. 827. Wer im Zustande der Bewußtlosigkeit oder in einem die freie
Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der
Geistesthätigkeit einem Anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht
verantwortlich. Hat er sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel in
einen vorübergehenden Zustand dieser Art versetzt, so ist er für einen Schaden,
den er in diesem Zustande widerrechtlich verursacht, in gleicher Weise
verantwortlich, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele; die
Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er ohne Verschulden in den Zustand
gerathen ist.
§. 828. Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen
Schaden, den er einem Anderen zufügt, nicht verantwortlich.
Wer das siebente, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat,
ist für einen Schaden, den er einem Anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn
er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntniß der
Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Das Gleiche gilt von einem
Taubstummen.
§. 829. Wer in einem der in den §§. 823 bis 826 bezeichneten Fälle für
einen von ihm verursachten Schaden auf Grund der §§. 827, 828 nicht
verantwortlich ist, hat gleichwohl, sofern der Ersatz des Schadens nicht von
einem aufsichtspflichtigen Dritten erlangt werden kann, den Schaden insoweit zu
ersetzen, als die Billigkeit nach den Umständen, insbesondere nach den
Verhältnissen der Betheiligten, eine Schadloshaltung erfordert und ihm nicht
die Mittel entzogen werden, deren er zum standesmäßigen Unterhalte sowie zur
Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.
§. 830. Haben Mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte
Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich.
Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln läßt, wer von mehreren Betheiligten
den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.
Anstifter und Gehülfen stehen Mitthätern gleich.
§. 831. Wer einen Anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatze
des Schadens verpflichtet, den der Andere in Ausführung der Verrichtung einem
Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der
Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er
Vorrichtungen oder Geräthschaften zu beschaffen oder die Ausführung der
Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung
dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den
Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte
durch Vertrag übernimmt.
§. 832. Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person
verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder
körperlichen Zustandes der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatze des Schadens
verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die
Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn
der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.
Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher die Führung
der Aufsicht durch Vertrag übernimmt.
§. 833. Wird durch ein Thier ein Mensch getödtet oder der Körper oder
die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist
derjenige, welcher das Thier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus
entstehenden Schaden zu ersetzen.
§. 834. Wer für denjenigen, welcher ein Thier hält, die Führung der
Aufsicht über das Thier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden
verantwortlich, den das Thier einem Dritten in der im §. 833 bezeichneten Weise
zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der
Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden
auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
§. 835. Wird durch Schwarz-, Roth-, Elch-, Dam- oder Rehwild oder durch
Fasanen ein Grundstück beschädigt, an welchem dem Eigenthümer das Jagdrecht
nicht zusteht, so ist der Jagdberechtigte verpflichtet, dem Verletzten den
Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht erstreckt sich auf den Schaden, den die
Thiere an den getrennten, aber noch nicht eingeernteten Erzeugnissen des
Grundstücks anrichten.
Ist dem Eigenthümer die Ausübung des ihm zustehenden Jagdrechts durch
das Gesetz entzogen, so hat derjenige den Schaden zu ersetzen, welcher zur
Ausübung des Jagdrechts nach dem Gesetze berechtigt ist. Hat der Eigenthümer
eines Grundstücks, auf dem das Jagdrecht wegen der Lage des Grundstücks nur
gemeinschaftlich mit dem Jagdrecht auf einem anderen Grundstück ausgeübt werden
darf, das Jagdrecht dem Eigenthümer dieses Grundstücks verpachtet, so ist der
letztere für den Schaden verantwortlich.
Sind die Eigenthümer der Grundstücke eines Bezirkes zum Zwecke der
gemeinschaftlichen Ausübung des Jagdrechts durch das Gesetz zu einem Verbande
vereinigt, der nicht als solcher haftet, so sind sie nach dem Verhältnisse der
Größe ihrer Grundstücke ersatzpflichtig.
§. 836. Wird durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen mit
einem Grundstücke verbundenen Werkes oder durch die Ablösung von Theilen des
Gebäudes oder des Werkes ein Mensch getödtet, der Körper oder die Gesundheit
eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Besitzer des
Grundstücks, sofern der Einsturz oder die Ablösung die Folge fehlerhafter
Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung ist, verpflichtet, dem Verletzten den
daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein,
wenn der Besitzer zum Zwecke der Abwendung der Gefahr die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt beobachtet hat.
Ein früherer Besitzer des Grundstücks ist für den Schaden
verantwortlich, wenn der Einsturz oder die Ablösung innerhalb eines Jahres nach
der Beendigung seines Besitzes eintritt, es sei denn, daß er während seines
Besitzes die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder ein späterer
Besitzer durch Beobachtung dieser Sorgfalt die Gefahr hätte abwenden können.
Besitzer im Sinne dieser Vorschriften ist der Eigenbesitzer.
§. 837. Besitzt Jemand auf einem fremden Grundstück in Ausübung eines
Rechtes ein Gebäude oder ein anderes Werk, so trifft ihn an Stelle des
Besitzers des Grundstücks die im §. 836 bestimmte Verantwortlichkeit.
§. 838. Wer die Unterhaltung eines Gebäudes oder eines mit einem
Grundstücke verbundenen Werkes für den Besitzer übernimmt oder das Gebäude oder
das Werk vermöge eines ihm zustehenden Nutzungsrechts zu unterhalten hat, ist
für den durch den Einsturz oder die Ablösung von Theilen verursachten Schaden
in gleicher Weise verantwortlich wie der Besitzer.
§. 839. Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem
Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus
entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur
Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht
auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
Verletzt ein Beamter bei dem Urtheil in einer Rechtssache seine
Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann
verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung mit einer im Wege des gerichtlichen
Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht ist. Auf eine
pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amtes findet
diese Vorschrift keine Anwendung.
Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder
fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels
abzuwenden.
§. 840. Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden
Mehrere neben einander verantwortlich, so haften sie, vorbehaltlich der
Vorschrift des §. 835 Abs. 3, als Gesammtschuldner.
Ist neben demjenigen, welcher nach den §§. 831, 832 zum Ersatze des von
einem Anderen verursachten Schadens verpflichtet ist, auch der Andere für den
Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnisse zu einander der Andere
allein, im Falle des §. 829 der Aufsichtspflichtige allein verpflichtet.
Ist neben demjenigen, welcher nach den §§. 833 bis 838 zum Ersatze des
Schadens verpflichtet ist, ein Dritter für den Schaden verantwortlich, so ist
in ihrem Verhältnisse zu einander der Dritte allein verpflichtet.
§. 841. Ist ein Beamter, der vermöge seiner Amtspflicht einen Anderen
zur Geschäftsführung für einen Dritten zu bestellen oder eine solche
Geschäftsführung zu beaufsichtigen oder durch Genehmigung von Rechtsgeschäften
bei ihr mitzuwirken hat, wegen Verletzung dieser Pflichten neben dem Anderen
für den von diesem verursachten Schaden verantwortlich, so ist in ihrem
Verhältnisse zu einander der Andere allein verpflichtet.
§. 842. Die Verpflichtung zum Schadensersatze wegen einer gegen die
Person gerichteten unerlaubten Handlung erstreckt sich auf die Nachtheile,
welche die Handlung für den Erwerb oder das Fortkommen des Verletzten
herbeiführt.
§. 843. Wird in Folge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit
die Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder gemindert oder tritt eine
Vermehrung seiner Bedürfnisse ein, so ist dem Verletzten durch Entrichtung
einer Geldrente Schadensersatz zu leisten.
Auf die Rente finden die Vorschriften des §. 760 Anwendung. Ob, in
welcher Art und für welchen Betrag der Ersatzpflichtige Sicherheit zu leisten
hat, bestimmt sich nach den Umständen.
Statt der Rente kann der Verletzte eine Abfindung in Kapital verlangen,
wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein Anderer dem
Verletzten Unterhalt zu gewähren hat.
§. 844. Im Falle der Tödtung hat der Ersatzpflichtige die Kosten der
Beerdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die Verpflichtung obliegt, diese
Kosten zu tragen.
Stand der Getödtete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem
Verhältnisse, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes
unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem
Dritten in Folge der Tödtung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der
Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit
Schadensersatz zu leisten, als der Getödtete während der muthmaßlichen Dauer
seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde; die
Vorschriften des §. 843 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung. Die
Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung
erzeugt, aber noch nicht geboren war.
§. 845. Im Falle der Tödtung, der Verletzung des Körpers oder der
Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung hat der Ersatzpflichtige,
wenn der Verletzte kraft Gesetzes einem Dritten zur Leistung von Diensten in
dessen Hauswesen oder Gewerbe verpflichtet war, dem Dritten für die entgehenden
Dienste durch Entrichtung einer Geldrente Ersatz zu leisten. Die Vorschriften
des §. 843 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung.
§. 846. Hat in den Fällen der §§. 844, 845 bei der Entstehung des
Schadens, den der Dritte erleidet, ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt,
so finden auf den Anspruch des Dritten die Vorschriften des §. 254 Anwendung.
§. 847. Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im
Falle der Freiheitsentziehung kann der Verletzte auch wegen des Schadens, der
nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen. Der
Anspruch ist nicht übertragbar und geht nicht auf die Erben über, es sei denn,
daß er durch Vertrag anerkannt oder daß er rechtshängig geworden ist.
Ein gleicher Anspruch steht einer Frauensperson zu, gegen die ein
Verbrechen oder Vergehen wider die Sittlichkeit begangen oder die durch
Hinterlist, durch Drohung oder unter Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses
zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt wird.
§. 848. Wer zur Rückgabe einer Sache verpflichtet ist, die er einem
Anderen durch eine unerlaubte Handlung entzogen hat, ist auch für den
zufälligen Untergang, eine aus einem anderen Grunde eintretende zufällige
Unmöglichkeit der Herausgabe oder eine zufällige Verschlechterung der Sache
verantwortlich, es sei denn, daß der Untergang, die anderweitige Unmöglichkeit
der Herausgabe oder die Verschlechterung auch ohne die Entziehung eingetreten
sein würde.
§. 849. Ist wegen der Entziehung einer Sache der Werth oder wegen der
Beschädigung einer Sache die Werthminderung zu ersetzen, so kann der Verletzte
Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der
Bestimmung des Werthes zu Grunde gelegt wird.
§. 850. Macht der zur Herausgabe einer entzogenen Sache Verpflichtete
Verwendungen auf die Sache, so stehen ihm dem Verletzten gegenüber die Rechte
zu, die der Besitzer dem Eigenthümer gegenüber wegen Verwendungen hat.
§. 851. Leistet der wegen der Entziehung oder Beschädigung einer
beweglichen Sache zum Schadensersatze Verpflichtete den Ersatz an denjenigen,
in dessen Besitze sich die Sache zur Zeit der Entziehung oder der Beschädigung
befunden hat, so wird er durch die Leistung auch dann befreit, wenn ein Dritter
Eigenthümer der Sache war oder ein sonstiges Recht an der Sache hatte, es sei
denn, daß ihm das Recht des Dritten bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit
unbekannt ist.
§. 852. Der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung
entstandenen Schadens verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem
der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntniß erlangt,
ohne Rücksicht auf diese Kenntniß in dreißig Jahren von der Begehung der
Handlung an.
Hat der Ersatzpflichtige durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des
Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach der Vollendung der Verjährung zur
Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung verpflichtet.
§. 853. Erlangt Jemand durch eine von ihm begangene unerlaubte Handlung
eine Forderung gegen den Verletzten, so kann der Verletzte die Erfüllung auch
dann verweigern, wenn der Anspruch auf Aufhebung der Forderung verjährt ist.
Drittes Buch.
Sachenrecht.
Erster Abschnitt.
Besitz.
§. 854. Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der
thatsächlichen Gewalt über die Sache erworben.
Die Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt zum
Erwerbe, wenn der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache
auszuüben.
§. 855. Uebt Jemand die thatsächliche Gewalt über eine Sache für einen
Anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen
Verhältniß aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen
des Anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der Andere Besitzer.
§. 856. Der Besitz wird dadurch beendigt, daß der Besitzer die
thatsächliche Gewalt über die Sache aufgiebt oder in anderer Weise verliert.
Durch eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung
der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt.
§. 857. Der Besitz geht auf den Erben über.
§. 858. Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn
im Besitze stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die
Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).
Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die
Fehlerhaftigkeit muß der Nachfolger im Besitze gegen sich gelten lassen, wenn
er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines
Vorgängers bei dem Erwerbe kennt.
§. 859. Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt
erwehren.
Wird eine bewegliche Sache dem Besitzer mittelst verbotener Eigenmacht
weggenommen, so darf er sie dem auf frischer That betroffenen oder verfolgten
Thäter mit Gewalt wiederabnehmen.
Wird dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene
Eigenmacht entzogen, so darf er sofort nach der Entziehung sich des Besitzes
durch Entsetzung des Thäters wiederbemächtigen.
Die gleichen Rechte stehen dem Besitzer gegen denjenigen zu, welcher
nach §. 858 Abs. 2 die Fehlerhaftigkeit des Besitzes gegen sich gelten lassen
muß.
§. 860. Zur Ausübung der dem Besitzer nach §. 859 zustehenden Rechte ist
auch derjenige befugt, welcher die thatsächliche Gewalt nach §. 855 für den
Besitzer ausübt.
§. 861. Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht dem Besitzer
entzogen, so kann dieser die Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen
verlangen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt.
Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene Besitz dem
gegenwärtigen Besitzer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft war und
in dem letzten Jahre vor der Entziehung erlangt worden ist.
§. 862. Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitze gestört,
so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere
Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen.
Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder
dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem
letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist.
§. 863. Gegenüber den in den §§. 861, 862 bestimmten Ansprüchen kann ein
Recht zum Besitz oder zur Vornahme der störenden Handlung nur zur Begründung
der Behauptung geltend gemacht werden, daß die Entziehung oder die Störung des
Besitzes nicht verbotene Eigenmacht sei.
§. 864. Ein nach den §§. 861, 862 begründeter Anspruch erlischt mit dem
Ablauf eines Jahres nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht, wenn nicht
vorher der Anspruch im Wege der Klage geltend gemacht wird.
Das Erlöschen tritt auch dann ein, wenn nach der Verübung der verbotenen
Eigenmacht durch rechtskräftiges Urtheil festgestellt wird, daß dem Thäter ein
Recht an der Sache zusteht, vermöge dessen er die Herstellung eines seiner
Handlungsweise entsprechenden Besitzstandes verlangen kann.
§. 865. Die Vorschriften der §§. 858 bis 864 gelten auch zu Gunsten
desjenigen, welcher nur einen Theil einer Sache, insbesondere abgesonderte
Wohnräume oder andere Räume, besitzt.
§. 866. Besitzen Mehrere eine Sache gemeinschaftlich, so findet in ihrem
Verhältnisse zu einander ein Besitzschutz insoweit nicht statt, als es sich um
die Grenzen des den Einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt.
§. 867. Ist eine Sache aus der Gewalt des Besitzers auf ein im Besitz
eines Anderen befindliches Grundstück gelangt, so hat ihm der Besitzer des
Grundstücks die Aufsuchung und die Wegschaffung zu gestatten, sofern nicht die
Sache inzwischen in Besitz genommen worden ist. Der Besitzer des Grundstücks
kann Ersatz des durch die Aufsuchung und die Wegschaffung entstehenden Schadens
verlangen. Er kann, wenn die Entstehung eines Schadens zu besorgen ist, die
Gestattung verweigern, bis ihm Sicherheit geleistet wird; die Verweigerung ist
unzulässig, wenn mit dem Aufschube Gefahr verbunden ist.
§. 868. Besitzt Jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger,
Pächter, Miether, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnisse, vermöge
dessen er einem Anderen gegenüber auf Zeit zum Besitze berechtigt oder
verpflichtet ist, so ist auch der Andere Besitzer (mittelbarer Besitz).
§. 869. Wird gegen den Besitzer verbotene Eigenmacht verübt, so stehen
die in den §§. 861, 862 bestimmten Ansprüche auch dem mittelbaren Besitzer zu.
Im Falle der Entziehung des Besitzes ist der mittelbare Besitzer berechtigt,
die Wiedereinräumung des Besitzes an den bisherigen Besitzer zu verlangen; kann
oder will dieser den Besitz nicht wiederübernehmen, so kann der mittelbare
Besitzer verlangen, daß ihm selbst der Besitz eingeräumt wird. Unter der
gleichen Voraussetzung kann er im Falle des §. 867 verlangen, daß ihm die
Aufsuchung und Wegschaffung der Sache gestattet wird.
§. 870. Der mittelbare Besitz kann dadurch auf einen Anderen übertragen
werden, daß diesem der Anspruch auf Herausgabe der Sache abgetreten wird.
§. 871. Steht der mittelbare Besitzer zu einem Dritten in einem
Verhältnisse der im §. 868 bezeichneten Art, so ist auch der Dritte mittelbarer
Besitzer.
§. 872. Wer eine Sache als ihm gehörend besitzt, ist Eigenbesitzer.
Zweiter Abschnitt.
Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken.
§. 873. Zur Uebertragung des Eigenthums an einem Grundstücke, zur
Belastung eines Grundstücks mit einem Rechte sowie zur Uebertragung oder
Belastung eines solchen Rechtes ist die Einigung des Berechtigten und des
anderen Theiles über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der
Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein
Anderes vorschreibt.
Vor der Eintragung sind die Betheiligten an die Einigung nur gebunden,
wenn die Erklärungen gerichtlich oder notariell beurkundet oder vor dem
Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind oder wenn der
Berechtigte dem anderen Theile eine den Vorschriften der Grundbuchordnung
entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat.
§. 874. Bei der Eintragung eines Rechtes, mit dem ein Grundstück
belastet wird, kann zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechtes auf die
Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden, soweit nicht das Gesetz ein
Anderes vorschreibt.
§. 875. Zur Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstück ist, soweit
nicht das Gesetz ein Anderes vorschreibt, die Erklärung des Berechtigten, daß
er das Recht aufgebe, und die Löschung des Rechtes im Grundbuch erforderlich.
Die Erklärung ist dem Grundbuchamt oder demjenigen gegenüber abzugeben, zu
dessen Gunsten sie erfolgt.
Vor der Löschung ist der Berechtigte an seine Erklärung nur gebunden,
wenn er sie dem Grundbuchamte gegenüber abgegeben oder demjenigen, zu dessen
Gunsten sie erfolgt, eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende
Löschungsbewilligung ausgehändigt hat.
§. 876. Ist ein Recht an einem Grundstücke mit dem Rechte eines Dritten
belastet, so ist zur Aufhebung des belasteten Rechtes die Zustimmung des
Dritten erforderlich. Steht das aufzuhebende Recht dem jeweiligen Eigenthümer
eines anderen Grundstücks zu, so ist, wenn dieses Grundstück mit dem Rechte eines
Dritten belastet ist, die Zustimmung des Dritten erforderlich, es sei denn, daß
dessen Recht durch die Aufhebung nicht berührt wird. Die Zustimmung ist dem
Grundbuchamt oder demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie
erfolgt; sie ist unwiderruflich.
§. 877. Die Vorschriften der §§. 873, 874, 876 finden auch auf
Aenderungen des Inhalts eines Rechtes an einem Grundstück Anwendung.
§. 878. Eine von dem Berechtigten in Gemäßheit der §§. 873, 875, 877
abgegebene Erklärung wird nicht dadurch unwirksam, daß der Berechtigte in der
Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung für ihn bindend geworden und
der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamte gestellt worden ist.
§. 879. Das Rangverhältniß unter mehreren Rechten, mit denen ein
Grundstück belastet ist, bestimmt sich, wenn die Rechte in derselben Abtheilung
des Grundbuchs eingetragen sind, nach der Reihenfolge der Eintragungen. Sind
die Rechte in verschiedenen Abtheilungen eingetragen, so hat das unter Angabe
eines früheren Tages eingetragene Recht den Vorrang; Rechte, die unter Angabe
desselben Tages eingetragen sind, haben gleichen Rang.
Die Eintragung ist für das Rangverhältniß auch dann maßgebend, wenn die
nach §. 873 zum Erwerbe des Rechtes erforderliche Einigung erst nach der Eintragung
zu Stande gekommen ist.
Eine abweichende Bestimmung des Rangverhältnisses bedarf der Eintragung
in das Grundbuch.
§. 880. Das Rangverhältniß kann nachträglich geändert werden.
Zu der Rangänderung ist die Einigung des zurücktretenden und des vortretenden
Berechtigten und die Eintragung der Aenderung in das Grundbuch erforderlich;
die Vorschriften des §. 873 Abs. 2 und des §. 878 finden Anwendung. Soll eine
Hypothek, eine Grundschuld oder eine Rentenschuld zurücktreten, so ist außerdem
die Zustimmung des Eigenthümers erforderlich. Die Zustimmung ist dem
Grundbuchamt oder einem der Betheiligten gegenüber zu erklären; sie ist
unwiderruflich.
Ist das zurücktretende Recht mit dem Rechte eines Dritten belastet, so
finden die Vorschriften des §. 876 entsprechende Anwendung.
Der dem vortretenden Rechte eingeräumte Rang geht nicht dadurch
verloren, daß das zurücktretende Recht durch Rechtsgeschäft aufgehoben wird.
Rechte, die den Rang zwischen dem zurücktretenden und dem vortretenden
Rechte haben, werden durch die Rangänderung nicht berührt.
§. 881. Der Eigenthümer kann sich bei der Belastung des Grundstücks mit
einem Rechte die Befugniß vorbehalten, ein anderes, dem Umfange nach bestimmtes
Recht mit dem Range vor jenem Rechte eintragen zu lassen.
Der Vorbehalt bedarf der Eintragung in das Grundbuch; die Eintragung muß
bei dem Rechte erfolgen, das zurücktreten soll.
Wird das Grundstück veräußert, so geht die vorbehaltene Befugniß auf den
Erwerber über.
Ist das Grundstück vor der Eintragung des Rechtes, dem der Vorrang
beigelegt ist, mit einem Rechte ohne einen entsprechenden Vorbehalt belastet
worden, so hat der Vorrang insoweit keine Wirkung, als das mit dem Vorbehalt
eingetragene Recht in Folge der inzwischen eingetretenen Belastung eine über
den Vorbehalt hinausgehende Beeinträchtigung erleiden würde.
§. 882. Wird ein Grundstück mit einem Rechte belastet, für welches nach
den für die Zwangsversteigerung geltenden Vorschriften dem Berechtigten im
Falle des Erlöschens durch den Zuschlag der Werth aus dem Erlöse zu ersetzen
ist, so kann der Höchstbetrag des Ersatzes bestimmt werden. Die Bestimmung
bedarf der Eintragung in das Grundbuch.
§. 883. Zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung oder Aufhebung eines
Rechtes an einem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Rechte
oder auf Aenderung des Inhalts oder des Ranges eines solchen Rechtes kann eine
Vormerkung in das Grundbuch eingetragen werden. Die Eintragung einer Vormerkung
ist auch zur Sicherung eines künftigen oder eines bedingten Anspruchs zulässig.
Eine Verfügung, die nach der Eintragung der Vormerkung über das
Grundstück oder das Recht getroffen wird, ist insoweit unwirksam, als sie den
Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde. Dies gilt auch, wenn die
Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch
den Konkursverwalter erfolgt.
Der Rang des Rechtes, auf dessen Einräumung der Anspruch gerichtet ist,
bestimmt sich nach der Eintragung der Vormerkung.
§. 884. Soweit der Anspruch durch die Vormerkung gesichert ist, kann
sich der Erbe des Verpflichteten nicht auf die Beschränkung seiner Haftung
berufen.
§. 885. Die Eintragung einer Vormerkung erfolgt auf Grund einer
einstweiligen Verfügung oder auf Grund der Bewilligung desjenigen, dessen
Grundstück oder dessen Recht von der Vormerkung betroffen wird. Zur Erlassung
der einstweiligen Verfügung ist nicht erforderlich, daß eine Gefährdung des zu
sichernden Anspruchs glaubhaft gemacht wird.
Bei der Eintragung kann zur näheren Bezeichnung des zu sichernden
Anspruchs auf die einstweilige Verfügung oder die Eintragungsbewilligung Bezug
genommen werden.
§. 886. Steht demjenigen, dessen Grundstück oder dessen Recht von der
Vormerkung betroffen wird, eine Einrede zu, durch welche die Geltendmachung des
durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs dauernd ausgeschlossen wird, so kann
er von dem Gläubiger die Beseitigung der Vormerkung verlangen.
§. 887. Ist der Gläubiger, dessen Anspruch durch die Vormerkung
gesichert ist, unbekannt, so kann er im Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem
Rechte ausgeschlossen werden, wenn die im §. 1170 für die Ausschließung eines
Hypothekengläubigers bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Mit der Erlassung
des Ausschlußurtheils erlischt die Wirkung der Vormerkung.
§. 888. Soweit der Erwerb eines eingetragenen Rechtes oder eines Rechtes
an einem solchen Rechte gegenüber demjenigen, zu dessen Gunsten die Vormerkung
besteht, unwirksam ist, kann dieser von dem Erwerber die Zustimmung zu der
Eintragung oder der Löschung verlangen, die zur Verwirklichung des durch die
Vormerkung gesicherten Anspruchs erforderlich ist.
Das Gleiche gilt, wenn der Anspruch durch ein Veräußerungsverbot
gesichert ist.
§. 889. Ein Recht an einem fremden Grundstück erlischt nicht dadurch,
daß der Eigenthümer des Grundstücks das Recht oder der Berechtigte das
Eigenthum an dem Grundstück erwirbt.
§. 890. Mehrere Grundstücke können dadurch zu einem Grundstücke
vereinigt werden, daß der Eigenthümer sie als ein Grundstück in das Grundbuch
eintragen läßt.
Ein Grundstück kann dadurch zum Bestandtheil eines anderen Grundstücks
gemacht werden, daß der Eigenthümer es diesem im Grundbuche zuschreiben läßt.
§. 891. Ist im Grundbuche für Jemand ein Recht eingetragen, so wird
vermuthet, daß ihm das Recht zustehe.
Ist im Grundbuch ein eingetragenes Recht gelöscht, so wird vermuthet,
daß das Recht nicht bestehe.
§. 892. Zu Gunsten desjenigen, welcher ein Recht an einem Grundstück
oder ein Recht an einem solchen Rechte durch Rechtsgeschäft erwirbt, gilt der
Inhalt des Grundbuchs als richtig, es sei denn, daß ein Widerspruch gegen die
Richtigkeit eingetragen oder die Unrichtigkeit dem Erwerber bekannt ist. Ist
der Berechtigte in der Verfügung über ein im Grundbuch eingetragenes Recht zu
Gunsten einer bestimmten Person beschränkt, so ist die Beschränkung dem
Erwerber gegenüber nur wirksam, wenn sie aus dem Grundbuch ersichtlich oder dem
Erwerber bekannt ist.
Ist zu dem Erwerbe des Rechtes die Eintragung erforderlich, so ist für
die Kenntniß des Erwerbers die Zeit der Stellung des Antrags auf Eintragung oder,
wenn die nach §. 873 erforderliche Einigung erst später zu Stande kommt, die
Zeit der Einigung maßgebend.
§. 893. Die Vorschriften des §. 892 finden entsprechende Anwendung, wenn
an denjenigen, für welchen ein Recht im Grundbuch eingetragen ist, auf Grund
dieses Rechtes eine Leistung bewirkt oder wenn zwischen ihm und einem Anderen
in Ansehung dieses Rechtes ein nicht unter die Vorschriften des §. 892
fallendes Rechtsgeschäft vorgenommen wird, das eine Verfügung über das Recht
enthält.
§. 894. Steht der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechtes an dem
Grundstück, eines Rechtes an einem solchen Rechte oder einer
Verfügungsbeschränkung der im §. 892 Abs. 1 bezeichneten Art mit der wirklichen
Rechtslage nicht im Einklange, so kann derjenige, dessen Recht nicht oder nicht
richtig eingetragen oder durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung
oder Beschränkung beeinträchtigt ist, die Zustimmung zu der Berichtigung des
Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch die Berichtigung
betroffen wird.
§. 895. Kann die Berichtigung des Grundbuchs erst erfolgen, nachdem das
Recht des nach §. 894 Verpflichteten eingetragen worden ist, so hat dieser auf
Verlangen sein Recht eintragen zu lassen.
§. 896. Ist zur Berichtigung des Grundbuchs die Vorlegung eines
Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldbriefs erforderlich, so kann
derjenige, zu dessen Gunsten die Berichtigung erfolgen soll, von dem Besitzer
des Briefes verlangen, daß der Brief dem Grundbuchamte vorgelegt wird.
§. 897. Die Kosten der Berichtigung des Grundbuchs und der dazu
erforderlichen Erklärungen hat derjenige zu tragen, welcher die Berichtigung
verlangt, sofern nicht aus einem zwischen ihm und dem Verpflichteten
bestehenden Rechtsverhältnisse sich ein Anderes ergiebt.
§. 898. Die in den §§. 894 bis 896 bestimmten Ansprüche unterliegen
nicht der Verjährung.
§. 899. In den Fällen des §. 894 kann ein Widerspruch gegen die
Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen werden.
Die Eintragung erfolgt auf Grund einer einstweiligen Verfügung oder auf
Grund einer Bewilligung desjenigen, dessen Recht durch die Berichtigung des
Grundbuchs betroffen wird. Zur Erlassung der einstweiligen Verfügung ist nicht
erforderlich, daß eine Gefährdung des Rechtes des Widersprechenden glaubhaft
gemacht wird.
§. 900. Wer als Eigenthümer eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen
ist, ohne daß er das Eigenthum erlangt hat, erwirbt das Eigenthum, wenn die
Eintragung dreißig Jahre bestanden und er während dieser Zeit das Grundstück im
Eigenbesitze gehabt hat. Die dreißigjährige Frist wird in derselben Weise
berechnet wie die Frist für die Ersitzung einer beweglichen Sache. Der Lauf der
Frist ist gehemmt, solange ein Widerspruch gegen die Richtigkeit der Eintragung
im Grundbuch eingetragen ist.
Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung, wenn für Jemand ein
ihm nicht zustehendes anderes Recht im Grundbuch eingetragen ist, das zum
Besitze des Grundstücks berechtigt oder dessen Ausübung nach den für den Besitz
geltenden Vorschriften geschützt ist. Für den Rang des Rechtes ist die
Eintragung maßgebend.
§. 901. Ist ein Recht an einem fremden Grundstück im Grundbuche mit
Unrecht gelöscht, so erlischt es, wenn der Anspruch des Berechtigten gegen den Eigenthümer
verjährt ist. Das Gleiche gilt, wenn ein kraft Gesetzes entstandenes Recht an
einem fremden Grundstücke nicht in das Grundbuch eingetragen worden ist.
§. 902. Die Ansprüche aus eingetragenen Rechten unterliegen nicht der
Verjährung. Dies gilt nicht für Ansprüche, die auf Rückstände wiederkehrender
Leistungen oder auf Schadensersatz gerichtet sind.
Ein Recht, wegen dessen ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des
Grundbuchs eingetragen ist, steht einem eingetragenen Rechte gleich.
Dritter Abschnitt.
Eigenthum.
Erster Titel.
Inhalt des Eigenthums.
§. 903. Der Eigenthümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder
Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und Andere
von jeder Einwirkung ausschließen.
§. 904. Der Eigenthümer einer Sache ist nicht berechtigt, die Einwirkung
eines Anderen auf die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung zur Abwendung
einer gegenwärtigen Gefahr nothwendig und der drohende Schaden gegenüber dem
aus der Einwirkung dem Eigenthümer entstehenden Schaden unverhältnißmäßig groß
ist. Der Eigenthümer kann Ersatz des ihm entstehenden Schadens verlangen.
§. 905. Das Recht des Eigenthümers eines Grundstücks erstreckt sich auf
den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Der Eigenthümer
kann jedoch Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe
vorgenommen werden, daß er an der Ausschließung kein Interesse hat.
§. 906. Der Eigenthümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen,
Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche
von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten,
als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich
beeinträchtigt oder durch eine Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt
wird, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage
gewöhnlich ist. Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.
§. 907. Der Eigenthümer eines Grundstücks kann verlangen, daß auf den
Nachbargrundstücken nicht Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen
mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß ihr Bestand oder ihre Benutzung eine
unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück zur Folge hat. Genügt eine Anlage
den landesgesetzlichen Vorschriften, die einen bestimmten Abstand von der
Grenze oder sonstige Schutzmaßregeln vorschreiben, so kann die Beseitigung der
Anlage erst verlangt werden, wenn die unzulässige Einwirkung thatsächlich
hervortritt.
Bäume und Sträucher gehören nicht zu den Anlagen im Sinne dieser
Vorschriften.
§. 908. Droht einem Grundstücke die Gefahr, daß es durch den Einsturz
eines Gebäudes oder eines anderen Werkes, das mit einem Nachbargrundstücke
verbunden ist, oder durch die Ablösung von Theilen des Gebäudes oder des Werkes
beschädigt wird, so kann der Eigenthümer von demjenigen, welcher nach dem §.
836 Abs. 1 oder den §§. 837, 838 für den eintretenden Schaden verantwortlich
sein würde, verlangen, daß er die zur Abwendung der Gefahr erforderliche
Vorkehrung trifft.
§. 909. Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, daß der
Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn,
daß für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist.
§. 910. Der Eigenthümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder
eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden
und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der
Eigenthümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur
Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.
Dem Eigenthümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die
Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.
§. 911. Früchte, die von einem Baume oder einem Strauche auf ein Nachbargrundstück
hinüberfallen, gelten als Früchte dieses Grundstücks. Diese Vorschrift findet
keine Anwendung, wenn das Nachbargrundstück dem öffentlichen Gebrauche dient.
§. 912. Hat der Eigenthümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines
Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne daß ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit
zur Last fällt, so hat der Nachbar den Ueberbau zu dulden, es sei denn, daß er
vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.
Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der
Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.
§. 913. Die Rente für den Ueberbau ist dem jeweiligen Eigenthümer des
Nachbargrundstücks von dem jeweiligen Eigenthümer des anderen Grundstücks zu
entrichten.
Die Rente ist jährlich im voraus zu entrichten.
§. 914. Das Recht auf die Rente geht allen Rechten an dem belasteten
Grundstück, auch den älteren, vor. Es erlischt mit der Beseitigung des
Ueberbaues.
Das Recht wird nicht in das Grundbuch eingetragen. Zum Verzicht auf das
Recht sowie zur Feststellung der Höhe der Rente durch Vertrag ist die
Eintragung erforderlich.
Im Uebrigen finden die Vorschriften Anwendung, die für eine zu Gunsten
des jeweiligen Eigenthümers eines Grundstücks bestehende Reallast gelten.
§. 915. Der Rentenberechtigte kann jederzeit verlangen, daß der
Rentenpflichtige ihm gegen Uebertragung des Eigenthums an dem überbauten Theile
des Grundstücks den Werth ersetzt, den dieser Theil zur Zeit der
Grenzüberschreitung gehabt hat. Macht er von dieser Befugniß Gebrauch, so
bestimmen sich die Rechte und Verpflichtungen beider Theile nach den
Vorschriften über den Kauf.
Für die Zeit bis zur Uebertragung des Eigenthums ist die Rente
fortzuentrichten.
§. 916. Wird durch den Ueberbau ein Erbbaurecht oder eine Dienstbarkeit
an dem Nachbargrundstücke beeinträchtigt, so finden zu Gunsten des Berechtigten
die Vorschriften der §§. 912 bis 914 entsprechende Anwendung.
§. 917. Fehlt einem Grundstücke die zur ordnungsmäßigen Benutzung
nothwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigenthümer von
den Nachbarn verlangen, daß sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer
Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung
des Nothwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichen Falles
durch Urtheil bestimmt.
Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Nothweg führt, sind durch eine
Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des §. 912 Abs. 2 Satz 2 und der
§§. 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.
§. 918. Die Verpflichtung zur Duldung des Nothwegs tritt nicht ein, wenn
die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine
willkürliche Handlung des Eigenthümers aufgehoben wird.
Wird in Folge der Veräußerung eines Theiles des Grundstücks der
veräußerte oder der zurückbehaltene Theil von der Verbindung mit dem
öffentlichen Wege abgeschnitten, so hat der Eigenthümer desjenigen Theiles,
über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Nothweg zu dulden.
Der Veräußerung eines Theiles steht die Veräußerung eines von mehreren
demselben Eigenthümer gehörenden Grundstücken gleich.
§. 919. Der Eigenthümer eines Grundstücks kann von dem Eigenthümer eines
Nachbargrundstücks verlangen, daß dieser zur Errichtung fester Grenzzeichen
und, wenn ein Grenzzeichen verrückt oder unkenntlich geworden ist, zur
Wiederherstellung mitwirkt.
Die Art der Abmarkung und das Verfahren bestimmen sich nach den
Landesgesetzen; enthalten diese keine Vorschriften, so entscheidet die
Ortsüblichkeit.
Die Kosten der Abmarkung sind von den Betheiligten zu gleichen Theilen
zu tragen, sofern nicht aus einem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisse
sich ein Anderes ergiebt.
§. 920. Läßt sich im Falle einer Grenzverwirrung die richtige Grenze
nicht ermitteln, so ist für die Abgrenzung der Besitzstand maßgebend. Kann der
Besitzstand nicht festgestellt werden, so ist jedem der Grundstücke ein gleich
großes Stück der streitigen Fläche zuzutheilen.
Soweit eine diesen Vorschriften entsprechende Bestimmung der Grenze zu
einem Ergebnisse führt, das mit den ermittelten Umständen, insbesondere mit der
feststehenden Größe der Grundstücke, nicht übereinstimmt, ist die Grenze so zu
ziehen, wie es unter Berücksichtigung dieser Umstände der Billigkeit
entspricht.
§. 921. Werden zwei Grundstücke durch einen Zwischenraum, Rain, Winkel,
einen Graben, eine Mauer, Hecke, Planke oder eine andere Einrichtung, die zum
Vortheile beider Grundstücke dient, von einander geschieden, so wird vermuthet,
daß die Eigenthümer der Grundstücke zur Benutzung der Einrichtung
gemeinschaftlich berechtigt seien, sofern nicht äußere Merkmale darauf
hinweisen, daß die Einrichtung einem der Nachbarn allein gehört.
§. 922. Sind die Nachbarn zur Benutzung einer der im §. 921 bezeichneten
Einrichtungen gemeinschaftlich berechtigt, so kann jeder sie zu dem Zwecke, der
sich aus ihrer Beschaffenheit ergiebt, insoweit benutzen, als nicht die
Mitbenutzung des anderen beeinträchtigt wird. Die Unterhaltungskosten sind von
den Nachbarn zu gleichen Theilen zu tragen. Solange einer der Nachbarn an dem
Fortbestande der Einrichtung ein Interesse hat, darf sie nicht ohne seine
Zustimmung beseitigt oder geändert werden. Im Uebrigen bestimmt sich das
Rechtsverhältniß zwischen den Nachbarn nach den Vorschriften über die
Gemeinschaft.
§. 923. Steht auf der Grenze ein Baum, so gebühren die Früchte und, wenn
der Baum gefällt wird, auch der Baum den Nachbarn zu gleichen Theilen.
Jeder der Nachbarn kann die Beseitigung des Baumes verlangen. Die Kosten
der Beseitigung fallen den Nachbarn zu gleichen Theilen zur Last. Der Nachbar,
der die Beseitigung verlangt, hat jedoch die Kosten allein zu tragen, wenn der
andere auf sein Recht an dem Baume verzichtet; er erwirbt in diesem Falle mit
der Trennung das Alleineigenthum. Der Anspruch auf die Beseitigung ist
ausgeschlossen, wenn der Baum als Grenzzeichen dient und den Umständen nach
nicht durch ein anderes zweckmäßiges Grenzzeichen ersetzt werden kann.
Diese Vorschriften gelten auch für einen auf der Grenze stehenden
Strauch.
§. 924. Die Ansprüche, die sich aus den §§. 907 bis 909, 915, dem §. 917
Abs. 1, dem §. 918 Abs. 2, den §§. 919, 920 und dem §. 923 Abs. 2 ergeben,
unterliegen nicht der Verjährung.
Zweiter Titel.
Erwerb und Verlust des Eigenthums an Grundstücken.
§. 925. Die zur Uebertragung des Eigenthums an einem Grundstücke nach §.
873 erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers (Auflassung) muß
bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Theile vor dem Grundbuchamt erklärt
werden.
Eine Auflassung, die unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung
erfolgt, ist unwirksam.
§. 926. Sind der Veräußerer und der Erwerber darüber einig, daß sich die
Veräußerung auf das Zubehör des Grundstücks erstrecken soll, so erlangt der
Erwerber mit dem Eigenthum an dem Grundstück auch das Eigenthum an den zur Zeit
des Erwerbes vorhandenen Zubehörstücken, soweit sie dem Veräußerer gehören. Im
Zweifel ist anzunehmen, daß sich die Veräußerung auf das Zubehör erstrecken
soll.
Erlangt der Erwerber auf Grund der Veräußerung den Besitz von
Zubehörstücken, die dem Veräußerer nicht gehören oder mit Rechten Dritter
belastet sind, so finden die Vorschriften der §§. 932 bis 936 Anwendung; für
den guten Glauben des Erwerbers ist die Zeit der Erlangung des Besitzes
maßgebend.
§. 927. Der Eigenthümer eines Grundstücks kann, wenn das Grundstück seit
dreißig Jahren im Eigenbesitz eines Anderen ist, im Wege des
Aufgebotsverfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen werden. Die Besitzzeit
wird in gleicher Weise berechnet wie die Frist für die Ersitzung einer
beweglichen Sache. Ist der Eigenthümer im Grundbuch eingetragen, so ist das
Aufgebotsverfahren nur zulässig, wenn er gestorben oder verschollen ist und
eine Eintragung in das Grundbuch, die der Zustimmung des Eigenthümers bedurfte,
seit dreißig Jahren nicht erfolgt ist.
Derjenige, welcher das Ausschlußurtheil erwirkt hat, erlangt das
Eigenthum dadurch, daß er sich als Eigenthümer in das Grundbuch eintragen läßt.
Ist vor der Erlassung des Ausschlußurtheils ein Dritter als Eigenthümer
oder wegen des Eigenthums eines Dritten ein Widerspruch gegen die Richtigkeit
des Grundbuchs eingetragen worden, so wirkt das Urtheil nicht gegen den
Dritten.
§. 928. Das Eigenthum an einem Grundstücke kann dadurch aufgegeben
werden, daß der Eigenthümer den Verzicht dem Grundbuchamte gegenüber erklärt
und der Verzicht in das Grundbuch eingetragen wird.
Das Recht zur Aneignung des aufgegebenen Grundstücks steht dem Fiskus
des Bundesstaats zu, in dessen Gebiete das Grundstück liegt. Der Fiskus erwirbt
das Eigenthum dadurch, daß er sich als Eigenthümer in das Grundbuch eintragen
läßt.
Dritter Titel.
Erwerb und Verlust des Eigenthums an beweglichen Sachen.
I. Uebertragung.
§. 929. Zur Uebertragung des Eigenthums an einer beweglichen Sache ist
erforderlich, daß der Eigenthümer die Sache dem Erwerber übergiebt und beide
darüber einig sind, daß das Eigenthum übergehen soll. Ist der Erwerber im
Besitze der Sache, so genügt die Einigung über den Uebergang des Eigenthums.
§. 930. Ist der Eigenthümer im Besitze der Sache, so kann die Uebergabe
dadurch ersetzt werden, daß zwischen ihm und dem Erwerber ein Rechtsverhältniß
vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt.
§. 931. Ist ein Dritter im Besitze der Sache, so kann die Uebergabe
dadurch ersetzt werden, daß der Eigenthümer dem Erwerber den Anspruch auf
Herausgabe der Sache abtritt.
§. 932. Durch eine nach §. 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber
auch dann Eigenthümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn,
daß er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigenthum erwerben
würde, nicht in gutem Glauben ist. In dem Falle des §. 929 Satz 2 gilt dies
jedoch nur dann, wenn der Erwerber den Besitz von dem Veräußerer erlangt hatte.
Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder in Folge
grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, daß die Sache nicht dem Veräußerer gehört.
§. 933. Gehört eine nach §. 930 veräußerte Sache nicht dem Veräußerer,
so wird der Erwerber Eigenthümer, wenn ihm die Sache von dem Veräußerer übergeben
wird, es sei denn, daß er zu dieser Zeit nicht in gutem Glauben ist.
§. 934. Gehört eine nach §. 931 veräußerte Sache nicht dem Veräußerer,
so wird der Erwerber, wenn der Veräußerer mittelbarer Besitzer der Sache ist,
mit der Abtretung des Anspruchs, anderenfalls dann Eigenthümer, wenn er den
Besitz der Sache von dem Dritten erlangt, es sei denn, daß er zur Zeit der
Abtretung oder des Besitzerwerbes nicht in gutem Glauben ist.
§. 935. Der Erwerb des Eigenthums auf Grund der §§. 932 bis 934 tritt
nicht ein, wenn die Sache dem Eigenthümer gestohlen worden, verloren gegangen
oder sonst abhanden gekommen war. Das Gleiche gilt, falls der Eigenthümer nur
mittelbarer Besitzer war, dann, wenn die Sache dem Besitzer abhanden gekommen
war.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf Geld oder Inhaberpapiere
sowie auf Sachen, die im Wege öffentlicher Versteigerung veräußert werden.
§. 936. Ist eine veräußerte Sache mit dem Rechte eines Dritten belastet,
so erlischt das Recht mit dem Erwerbe des Eigenthums. In dem Falle des §. 929
Satz 2 gilt dies jedoch nur dann, wenn der Erwerber den Besitz von dem
Veräußerer erlangt hatte. Erfolgt die Veräußerung nach §. 930 oder war die nach
§. 931 veräußerte Sache nicht im mittelbaren Besitze des Veräußerers, so
erlischt das Recht des Dritten erst dann, wenn der Erwerber auf Grund der
Veräußerung den Besitz der Sache erlangt.
Das Recht des Dritten erlischt nicht, wenn der Erwerber zu der nach Abs.
1 maßgebenden Zeit in Ansehung des Rechtes nicht in gutem Glauben ist.
Steht im Falle des §. 931 das Recht dem dritten Besitzer zu, so erlischt
es auch dem gutgläubigen Erwerber gegenüber nicht.
II. Ersitzung.
§. 937. Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitze hat,
erwirbt das Eigenthum (Ersitzung).
Die Ersitzung ist ausgeschlossen, wenn der Erwerber bei dem Erwerbe des
Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder wenn er später erfährt, daß ihm
das Eigenthum nicht zusteht.
§. 938. Hat Jemand eine Sache am Anfang und am Ende eines Zeitraums im
Eigenbesitze gehabt, so wird vermuthet, daß sein Eigenbesitz auch in der
Zwischenzeit bestanden habe.
§. 939. Die Ersitzung kann nicht beginnen und, falls sie begonnen hat,
nicht fortgesetzt werden, solange die Verjährung des Eigenthumsanspruchs gehemmt
ist oder ihrer Vollendung die Vorschriften der §§. 206, 207 entgegenstehen.
§. 940. Die Ersitzung wird durch den Verlust des Eigenbesitzes
unterbrochen.
Die Unterbrechung gilt als nicht erfolgt, wenn der Eigenbesitzer den
Eigenbesitz ohne seinen Willen verloren und ihn binnen Jahresfrist oder
mittelst einer innerhalb dieser Frist erhobenen Klage wiedererlangt hat.
§. 941. Die Ersitzung wird unterbrochen, wenn der Eigenthumsanspruch
gegen den Eigenbesitzer oder im Falle eines mittelbaren Eigenbesitzes gegen den
Besitzer gerichtlich geltend gemacht wird, der sein Recht zum Besitze von dem
Eigenbesitzer ableitet; die Unterbrechung tritt jedoch nur zu Gunsten
desjenigen ein, welcher sie herbeiführt. Die für die Verjährung geltenden
Vorschriften der §§. 209 bis 212, 216, 219, 220 finden entsprechende Anwendung.
§. 942. Wird die Ersitzung unterbrochen, so kommt die bis zur
Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht; eine neue Ersitzung kann
erst nach der Beendigung der Unterbrechung beginnen.
§. 943. Gelangt die Sache durch Rechtsnachfolge in den Eigenbesitz eines
Dritten, so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene
Ersitzungszeit dem Dritten zu Statten.
§. 944. Die Ersitzungszeit, die zu Gunsten eines Erbschaftsbesitzers
verstrichen ist, kommt dem Erben zu Statten.
§. 945. Mit dem Erwerbe des Eigenthums durch Ersitzung erlöschen die an
der Sache vor dem Erwerbe des Eigenbesitzes begründeten Rechte Dritter, es sei
denn, daß der Eigenbesitzer bei dem Erwerbe des Eigenbesitzes in Ansehung
dieser Rechte nicht in gutem Glauben ist oder ihr Bestehen später erfährt. Die
Ersitzungsfrist muß auch in Ansehung des Rechtes des Dritten verstrichen sein;
die Vorschriften der §§. 939 bis 944 finden entsprechende Anwendung.
III. Verbindung. Vermischung. Verarbeitung.
§. 946. Wird eine bewegliche Sache mit einem Grundstücke dergestalt
verbunden, daß sie wesentlicher Bestandtheil des Grundstücks wird, so erstreckt
sich das Eigenthum an dem Grundstück auf diese Sache.
§. 947. Werden bewegliche Sachen mit einander dergestalt verbunden, daß
sie wesentliche Bestandtheile einer einheitlichen Sache werden, so werden die
bisherigen Eigenthümer Miteigenthümer dieser Sache; die Antheile bestimmen sich
nach dem Verhältnisse des Werthes, den die Sachen zur Zeit der Verbindung
haben.
Ist eine der Sachen als die Hauptsache anzusehen, so erwirbt ihr
Eigenthümer das Alleineigenthum.
§. 948. Werden bewegliche Sachen mit einander untrennbar vermischt oder
vermengt, so finden die Vorschriften des §. 947 entsprechende Anwendung.
Der Untrennbarkeit steht es gleich, wenn die Trennung der vermischten
oder vermengten Sachen mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden sein würde.
§. 949. Erlischt nach den §§. 946 bis 948 das Eigenthum an einer Sache,
so erlöschen auch die sonstigen an der Sache bestehenden Rechte. Erwirbt der
Eigenthümer der belasteten Sache Miteigenthum, so bestehen die Rechte an dem
Antheile fort, der an die Stelle der Sache tritt. Wird der Eigenthümer der
belasteten Sache Alleineigenthümer, so erstrecken sich die Rechte auf die
hinzutretende Sache.
§. 950. Wer durch Verarbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe
eine neue bewegliche Sache herstellt, erwirbt das Eigenthum an der neuen Sache,
sofern nicht der Werth der Verarbeitung oder der Umbildung erheblich geringer
ist als der Werth des Stoffes. Als Verarbeitung gilt auch das Schreiben,
Zeichnen, Malen, Drucken, Graviren oder eine ähnliche Bearbeitung der
Oberfläche.
Mit dem Erwerbe des Eigenthums an der neuen Sache erlöschen die an dem
Stoffe bestehenden Rechte.
§. 951. Wer in Folge der Vorschriften der §§. 946 bis 950 einen
Rechtsverlust erleidet, kann von demjenigen, zu dessen Gunsten die
Rechtsänderung eintritt, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die
Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Die Wiederherstellung
des früheren Zustandes kann nicht verlangt werden.
Die Vorschriften über die Verpflichtung zum Schadensersatze wegen
unerlaubter Handlungen sowie die Vorschriften über den Ersatz von Verwendungen
und über das Recht zur Wegnahme einer Einrichtung bleiben unberührt. In den
Fällen der §§. 946, 947 ist die Wegnahme nach den für das Wegnahmerecht des
Besitzers gegenüber dem Eigenthümer geltenden Vorschriften auch dann zulässig,
wenn die Verbindung nicht von dem Besitzer der Hauptsache bewirkt worden ist.
§. 952. Das Eigenthum an dem über eine Forderung ausgestellten
Schuldscheine steht dem Gläubiger zu. Das Recht eines Dritten an der Forderung
erstreckt sich auf den Schuldschein.
Das Gleiche gilt für Urkunden über andere Rechte, kraft deren eine
Leistung gefordert werden kann, insbesondere für Hypotheken-, Grundschuld- und
Rentenschuldbriefe.
IV. Erwerb von Erzeugnissen und sonstigen Bestandtheilen einer Sache.
§. 953. Erzeugnisse und sonstige Bestandtheile einer Sache gehören auch
nach der Trennung dem Eigenthümer der Sache, soweit sich nicht aus den §§. 954
bis 957 ein Anderes ergiebt.
§. 954. Wer vermöge eines Rechtes an einer fremden Sache befugt ist,
sich Erzeugnisse oder sonstige Bestandtheile der Sache anzueignen, erwirbt das
Eigenthum an ihnen, unbeschadet der Vorschriften der §§. 955 bis 957, mit der
Trennung.
§. 955. Wer eine Sache im Eigenbesitze hat, erwirbt das Eigenthum an den
Erzeugnissen und sonstigen zu den Früchten der Sache gehörenden Bestandtheilen,
unbeschadet der Vorschriften der §§. 956, 957, mit der Trennung. Der Erwerb ist
ausgeschlossen, wenn der Eigenbesitzer nicht zum Eigenbesitz oder ein Anderer
vermöge eines Rechtes an der Sache zum Fruchtbezuge berechtigt ist und der
Eigenbesitzer bei dem Erwerbe des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder
vor der Trennung den Rechtsmangel erfährt.
Dem Eigenbesitzer steht derjenige gleich, welcher die Sache zum Zwecke
der Ausübung eines Nutzungsrechts an ihr besitzt.
Auf den Eigenbesitz und den ihm gleichgestellten Besitz findet die
Vorschrift des §. 940 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
§. 956. Gestattet der Eigenthümer einem Anderen, sich Erzeugnisse oder
sonstige Bestandtheile der Sache anzueignen, so erwirbt dieser das Eigenthum an
ihnen, wenn der Besitz der Sache ihm überlassen ist, mit der Trennung,
anderenfalls mit der Besitzergreifung. Ist der Eigenthümer zu der Gestattung
verpflichtet, so kann er sie nicht widerrufen, solange sich der Andere in dem
ihm überlassenen Besitze der Sache befindet.
Das Gleiche gilt, wenn die Gestattung nicht von dem Eigenthümer, sondern
von einem Anderen ausgeht, dem Erzeugnisse oder sonstige Bestandtheile einer
Sache nach der Trennung gehören.
§. 957. Die Vorschriften des §. 956 finden auch dann Anwendung, wenn derjenige,
welcher die Aneignung einem Anderen gestattet, hierzu nicht berechtigt ist, es
sei denn, daß der Andere, falls ihm der Besitz der Sache überlassen wird, bei
der Ueberlassung, anderenfalls bei der Ergreifung des Besitzes der Erzeugnisse
oder der sonstigen Bestandtheile nicht in gutem Glauben ist oder vor der
Trennung den Rechtsmangel erfährt.
V. Aneignung.
§. 958. Wer eine herrenlose bewegliche Sache in Eigenbesitz nimmt,
erwirbt das Eigenthum an der Sache.
Das Eigenthum wird nicht erworben, wenn die Aneignung gesetzlich
verboten ist oder wenn durch die Besitzergreifung das Aneignungsrecht eines
Anderen verletzt wird.
§. 959. Eine bewegliche Sache wird herrenlos, wenn der Eigenthümer in
der Absicht, auf das Eigenthum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgiebt.
§. 960. Wilde Thiere sind herrenlos, solange sie sich in der Freiheit
befinden. Wilde Thiere in Thiergärten und Fische in Teichen oder anderen
geschlossenen Privatgewässern sind nicht herrenlos.
Erlangt ein gefangenes wildes Thier die Freiheit wieder, so wird es
herrenlos, wenn nicht der Eigenthümer das Thier unverzüglich verfolgt oder wenn
er die Verfolgung aufgiebt.
Ein gezähmtes Thier wird herrenlos, wenn es die Gewohnheit ablegt, an
den ihm bestimmten Ort zurückzukehren.
§. 961. Zieht ein Bienenschwarm aus, so wird er herrenlos, wenn nicht
der Eigenthümer ihn unverzüglich verfolgt oder wenn der Eigenthümer die
Verfolgung aufgiebt.
§. 962. Der Eigenthümer des Bienenschwarmes darf bei der Verfolgung
fremde Grundstücke betreten. Ist der Schwarm in eine fremde nicht besetzte
Bienenwohnung eingezogen, so darf der Eigenthümer des Schwarmes zum Zwecke des
Einfangens die Wohnung öffnen und die Waben herausnehmen oder herausbrechen. Er
hat den entstehenden Schaden zu ersetzen.
§. 963. Vereinigen sich ausgezogene Bienenschwärme mehrerer Eigenthümer,
so werden die Eigenthümer, welche ihre Schwärme verfolgt haben, Miteigenthümer
des eingefangenen Gesammtschwarmes; die Antheile bestimmen sich nach der Zahl
der verfolgten Schwärme.
§. 964. Ist ein Bienenschwarm in eine fremde besetzte Bienenwohnung
eingezogen, so erstrecken sich das Eigenthum und die sonstigen Rechte an den
Bienen, mit denen die Wohnung besetzt war, auf den eingezogenen Schwarm. Das
Eigenthum und die sonstigen Rechte an dem eingezogenen Schwarme erlöschen.
VI. Fund.
§. 965. Wer eine verlorene Sache findet und an sich nimmt, hat dem
Verlierer oder dem Eigenthümer oder einem sonstigen Empfangsberechtigten
unverzüglich Anzeige zu machen.
Kennt der Finder die Empfangsberechtigten nicht oder ist ihm ihr
Aufenthalt unbekannt, so hat er den Fund und die Umstände, welche für die
Ermittelung der Empfangsberechtigten erheblich sein können, unverzüglich der
Polizeibehörde anzuzeigen. Ist die Sache nicht mehr als drei Mark werth, so
bedarf es der Anzeige nicht.
§. 966. Der Finder ist zur Verwahrung der Sache verpflichtet.
Ist der Verderb der Sache zu besorgen oder ist die Aufbewahrung mit
unverhältnißmäßigen Kosten verbunden, so hat der Finder die Sache öffentlich
versteigern zu lassen. Vor der Versteigerung ist der Polizeibehörde Anzeige zu
machen. Der Erlös tritt an die Stelle der Sache.
§. 967. Der Finder ist berechtigt und auf Anordnung der Polizeibehörde
verpflichtet, die Sache oder den Versteigerungserlös an die Polizeibehörde
abzuliefern.
§. 968. Der Finder hat nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu
vertreten.
§. 969. Der Finder wird durch die Herausgabe der Sache an den Verlierer
auch den sonstigen Empfangsberechtigten gegenüber befreit.
§. 970. Macht der Finder zum Zwecke der Verwahrung oder Erhaltung der
Sache oder zum Zwecke der Ermittelung eines Empfangsberechtigten Aufwendungen,
die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so kann er von dem
Empfangsberechtigten Ersatz verlangen.
§. 971. Der Finder kann von dem Empfangsberechtigten einen Finderlohn
verlangen. Der Finderlohn beträgt von dem Werthe der Sache bis zu dreihundert
Mark fünf vom Hundert, von dem Mehrwerth eins vom Hundert, bei Thieren eins vom
Hundert. Hat die Sache nur für den Empfangsberechtigten einen Werth, so ist der
Finderlohn nach billigem Ermessen zu bestimmen.
Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Finder die Anzeigepflicht
verletzt oder den Fund auf Nachfrage verheimlicht.
§. 972. Auf die in den §§. 970, 971 bestimmten Ansprüche finden die für
die Ansprüche des Besitzers gegen den Eigenthümer wegen Verwendungen geltenden
Vorschriften der §§. 1000 bis 1002 entsprechende Anwendung.
§. 973. Mit dem Ablauf eines Jahres nach der Anzeige des Fundes bei der
Polizeibehörde erwirbt der Finder das Eigenthum an der Sache, es sei denn, daß
vorher ein Empfangsberechtigter dem Finder bekannt geworden ist oder sein Recht
bei der Polizeibehörde angemeldet hat. Mit dem Erwerbe des Eigenthums erlöschen
die sonstigen Rechte an der Sache.
Ist die Sache nicht mehr als drei Mark werth, so beginnt die einjährige
Frist mit dem Funde. Der Finder erwirbt das Eigenthum nicht, wenn er den Fund
auf Nachfrage verheimlicht. Die Anmeldung eines Rechtes bei der Polizeibehörde
steht dem Erwerbe des Eigenthums nicht entgegen.
§. 974. Sind vor dem Ablaufe der einjährigen Frist Empfangsberechtigte
dem Finder bekannt geworden oder haben sie bei einer Sache, die mehr als drei
Mark werth ist, ihre Rechte bei der Polizeibehörde rechtzeitig angemeldet, so
kann der Finder die Empfangsberechtigten nach den Vorschriften des §. 1003 zur
Erklärung über die ihm nach den §§. 970 bis 972 zustehenden Ansprüche
auffordern. Mit dem Ablaufe der für die Erklärung bestimmten Frist erwirbt der
Finder das Eigenthum und erlöschen die sonstigen Rechte an der Sache, wenn nicht
die Empfangsberechtigten sich rechtzeitig zu der Befriedigung der Ansprüche
bereit erklären.
§. 975. Durch die Ablieferung der Sache oder des Versteigerungserlöses
an die Polizeibehörde werden die Rechte des Finders nicht berührt. Läßt die
Polizeibehörde die Sache versteigern, so tritt der Erlös an die Stelle der
Sache. Die Polizeibehörde darf die Sache oder den Erlös nur mit Zustimmung des
Finders einem Empfangsberechtigten herausgeben.
§. 976. Verzichtet der Finder der Polizeibehörde gegenüber auf das Recht
zum Erwerbe des Eigenthums an der Sache, so geht sein Recht auf die Gemeinde
des Fundorts über.
Hat der Finder nach der Ablieferung der Sache oder des
Versteigerungserlöses an die Polizeibehörde auf Grund der Vorschriften der §§. 973,
974 das Eigenthum erworben, so geht es auf die Gemeinde des Fundorts über, wenn
nicht der Finder vor dem Ablauf einer ihm von der Polizeibehörde bestimmten
Frist die Herausgabe verlangt.
§. 977. Wer in Folge der Vorschriften der §§. 973, 974, 976 einen
Rechtsverlust erleidet, kann in den Fällen der §§. 973, 974 von dem Finder, in
den Fällen des §. 976 von der Gemeinde des Fundorts die Herausgabe des durch
die Rechtsänderung Erlangten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Der Anspruch erlischt mit dem Ablaufe
von drei Jahren nach dem Uebergange des Eigenthums auf den Finder oder die
Gemeinde, wenn nicht die gerichtliche Geltendmachung vorher erfolgt.
§. 978. Wer eine Sache in den Geschäftsräumen oder den
Beförderungsmitteln einer öffentlichen Behörde oder einer dem öffentlichen
Verkehre dienenden Verkehrsanstalt findet und an sich nimmt, hat die Sache
unverzüglich an die Behörde oder die Verkehrsanstalt oder an einen ihrer
Angestellten abzuliefern. Die Vorschriften der §§. 965 bis 977 finden keine
Anwendung.
§. 979. Die Behörde oder die Verkehrsanstalt kann die an sie
abgelieferte Sache öffentlich versteigern lassen. Die öffentlichen Behörden und
die Verkehrsanstalten des Reichs, der Bundesstaaten und der Gemeinden können
die Versteigerung durch einen ihrer Beamten vornehmen lassen.
Der Erlös tritt an die Stelle der Sache.
§. 980. Die Versteigerung ist erst zulässig, nachdem die
Empfangsberechtigten in einer öffentlichen Bekanntmachung des Fundes zur Anmeldung
ihrer Rechte unter Bestimmung einer Frist aufgefordert worden sind und die
Frist verstrichen ist; sie ist unzulässig, wenn eine Anmeldung rechtzeitig
erfolgt ist.
Die Bekanntmachung ist nicht erforderlich, wenn der Verderb der Sache zu
besorgen oder die Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden ist.
§. 981. Sind seit dem Ablaufe der in der öffentlichen Bekanntmachung
bestimmten Frist drei Jahre verstrichen, so fällt der Versteigerungserlös, wenn
nicht ein Empfangsberechtigter sein Recht angemeldet hat, bei Reichsbehörden
und Reichsanstalten an den Reichsfiskus, bei Landesbehörden und Landesanstalten
an den Fiskus des Bundesstaats, bei Gemeindebehörden und Gemeindeanstalten an
die Gemeinde, bei Verkehrsanstalten, die von einer Privatperson betrieben
werden, an diese.
Ist die Versteigerung ohne die öffentliche Bekanntmachung erfolgt, so
beginnt die dreijährige Frist erst, nachdem die Empfangsberechtigten in einer
öffentlichen Bekanntmachung des Fundes zur Anmeldung ihrer Rechte aufgefordert
worden sind. Das Gleiche gilt, wenn gefundenes Geld abgeliefert worden ist.
Die Kosten werden von dem herauszugebenden Betrag abgezogen.
§. 982. Die in den §§. 980, 981 vorgeschriebene Bekanntmachung erfolgt
bei Reichsbehörden und Reichsanstalten nach den von dem Bundesrath, in den
übrigen Fällen nach den von der Zentralbehörde des Bundesstaats erlassenen
Vorschriften.
§. 983. Ist eine öffentliche Behörde im Besitz einer Sache, zu deren
Herausgabe sie verpflichtet ist, ohne daß die Verpflichtung auf Vertrag beruht,
so finden, wenn der Behörde der Empfangsberechtigte oder dessen Aufenthalt
unbekannt ist, die Vorschriften der §§. 979 bis 982 entsprechende Anwendung.
§. 984. Wird eine Sache, die so lange verborgen gelegen hat, daß der
Eigenthümer nicht mehr zu ermitteln ist (Schatz), entdeckt und in Folge der
Entdeckung in Besitz genommen, so wird das Eigenthum zur Hälfte von dem
Entdecker, zur Hälfte von dem Eigenthümer der Sache erworben, in welcher der
Schatz verborgen war.
Vierter Titel.
Ansprüche aus dem Eigenthume.
§. 985. Der Eigenthümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache
verlangen.
§. 986. Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache verweigern, wenn er
oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem
Eigenthümer gegenüber zum Besitze berechtigt ist. Ist der mittelbare Besitzer
dem Eigenthümer gegenüber zur Ueberlassung des Besitzes an den Besitzer nicht
befugt, so kann der Eigenthümer von dem Besitzer die Herausgabe der Sache an
den mittelbaren Besitzer oder, wenn dieser den Besitz nicht wiederübernehmen
kann oder will, an sich selbst verlangen.
Der Besitzer einer Sache, die nach §. 931 durch Abtretung des Anspruchs
auf Herausgabe veräußert worden ist, kann dem neuen Eigenthümer die
Einwendungen entgegensetzen, welche ihm gegen den abgetretenen Anspruch
zustehen.
§. 987. Der Besitzer hat dem Eigenthümer die Nutzungen herauszugeben,
die er nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit zieht.
Zieht der Besitzer nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit Nutzungen
nicht, die er nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft ziehen könnte,
so ist er dem Eigenthümer zum Ersatze verpflichtet, soweit ihm ein Verschulden
zur Last fällt.
§. 988. Hat ein Besitzer, der die Sache als ihm gehörig oder zum Zwecke
der Ausübung eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Nutzungsrechts an der
Sache besitzt, den Besitz unentgeltlich erlangt, so ist er dem Eigenthümer
gegenüber zur Herausgabe der Nutzungen, die er vor dem Eintritte der
Rechtshängigkeit zieht, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet.
§. 989. Der Besitzer ist von dem Eintritte der Rechtshängigkeit an dem
Eigenthümer für den Schaden verantwortlich, der dadurch entsteht, daß in Folge
seines Verschuldens die Sache verschlechtert wird, untergeht oder aus einem
anderen Grunde von ihm nicht herausgegeben werden kann.
§. 990. War der Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem
Glauben, so haftet er dem Eigenthümer von der Zeit des Erwerbes an nach den §§.
987, 989. Erfährt der Besitzer später, daß er zum Besitze nicht berechtigt ist,
so haftet er in gleicher Weise von der Erlangung der Kenntniß an.
Eine weitergehende Haftung des Besitzers wegen Verzugs bleibt unberührt.
§. 991. Leitet der Besitzer das Recht zum Besitze von einem mittelbaren
Besitzer ab, so finden die Vorschriften des §. 990 in Ansehung der Nutzungen
nur Anwendung, wenn die Voraussetzungen des §. 990 auch bei dem mittelbaren
Besitzer vorliegen oder diesem gegenüber die Rechtshängigkeit eingetreten ist.
War der Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes in gutem Glauben, so hat
er gleichwohl von dem Erwerb an den im §. 989 bezeichneten Schaden dem
Eigenthümer gegenüber insoweit zu vertreten, als er dem mittelbaren Besitzer
verantwortlich ist.
§. 992. Hat sich der Besitzer durch verbotene Eigenmacht oder durch eine
strafbare Handlung den Besitz verschafft, so haftet er dem Eigenthümer nach den
Vorschriften über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen.
§. 993. Liegen die in den §§. 987 bis 992 bezeichneten Voraussetzungen
nicht vor, so hat der Besitzer die gezogenen Früchte, soweit sie nach den
Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen
sind, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung herauszugeben; im Uebrigen ist er weder zur Herausgabe von
Nutzungen noch zum Schadensersatze verpflichtet.
Für die Zeit, für welche dem Besitzer die Nutzungen verbleiben, finden
auf ihn die Vorschriften des §. 101 Anwendung.
§. 994. Der Besitzer kann für die auf die Sache gemachten nothwendigen
Verwendungen von dem Eigenthümer Ersatz verlangen. Die gewöhnlichen
Erhaltungskosten sind ihm jedoch für die Zeit, für welche ihm die Nutzungen
verbleiben, nicht zu ersetzen.
Macht der Besitzer nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit oder nach dem
Beginne der im §. 990 bestimmten Haftung nothwendige Verwendungen, so bestimmt
sich die Ersatzpflicht des Eigenthümers nach den Vorschriften über die
Geschäftsführung ohne Auftrag.
§. 995. Zu den nothwendigen Verwendungen im Sinne des §. 994 gehören
auch die Aufwendungen, die der Besitzer zur Bestreitung von Lasten der Sache
macht. Für die Zeit, für welche dem Besitzer die Nutzungen verbleiben, sind ihm
nur die Aufwendungen für solche außerordentliche Lasten zu ersetzen, die als
auf den Stammwerth der Sache gelegt anzusehen sind.
§. 996. Für andere als nothwendige Verwendungen kann der Besitzer Ersatz
nur insoweit verlangen, als sie vor dem Eintritte der Rechtshängigkeit und vor
dem Beginne der im §. 990 bestimmten Haftung gemacht werden und der Werth der
Sache durch sie noch zu der Zeit erhöht ist, zu welcher der Eigenthümer die
Sache wiedererlangt.
§. 997. Hat der Besitzer mit der Sache eine andere Sache als
wesentlichen Bestandtheil verbunden, so kann er sie abtrennen und sich
aneignen. Die Vorschriften des §. 258 finden Anwendung.
Das Recht zur Abtrennung ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer nach §.
994 Abs. 1 Satz 2 für die Verwendung Ersatz nicht verlangen kann oder die
Abtrennung für ihn keinen Nutzen hat oder ihm mindestens der Werth ersetzt
wird, den der Bestandtheil nach der Abtrennung für ihn haben würde.
§. 998. Ist ein landwirthschaftliches Grundstück herauszugeben, so hat
der Eigenthümer die Kosten, die der Besitzer auf die noch nicht getrennten,
jedoch nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft vor dem Ende des
Wirthschaftsjahrs zu trennenden Früchte verwendet hat, insoweit zu ersetzen,
als sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth dieser
Früchte nicht übersteigen.
§. 999. Der Besitzer kann für die Verwendungen eines Vorbesitzers,
dessen Rechtsnachfolger er geworden ist, in demselben Umfang Ersatz verlangen,
in welchem ihn der Vorbesitzer fordern könnte, wenn er die Sache herauszugeben
hätte.
Die Verpflichtung des Eigenthümers zum Ersatze von Verwendungen
erstreckt sich auch auf die Verwendungen, die gemacht worden sind, bevor er das
Eigenthum erworben hat.
§. 1000. Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache verweigern, bis er
wegen der ihm zu ersetzenden Verwendungen befriedigt wird. Das
Zurückbehaltungsrecht steht ihm nicht zu, wenn er die Sache durch eine
vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.
§. 1001. Der Besitzer kann den Anspruch auf den Ersatz der Verwendungen
nur geltend machen, wenn der Eigenthümer die Sache wiedererlangt oder die
Verwendungen genehmigt. Bis zur Genehmigung der Verwendungen kann sich der
Eigenthümer von dem Anspruche dadurch befreien, daß er die wiedererlangte Sache
zurückgiebt. Die Genehmigung gilt als ertheilt, wenn der Eigenthümer die ihm
von dem Besitzer unter Vorbehalt des Anspruchs angebotene Sache annimmt.
§. 1002. Giebt der Besitzer die Sache dem Eigenthümer heraus, so
erlischt der Anspruch auf den Ersatz der Verwendungen mit dem Ablauf eines
Monats, bei einem Grundstücke mit dem Ablaufe von sechs Monaten nach der
Herausgabe, wenn nicht vorher die gerichtliche Geltendmachung erfolgt oder der
Eigenthümer die Verwendungen genehmigt.
Auf diese Fristen finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften
der §§. 203, 206, 207 entsprechende Anwendung.
§. 1003. Der Besitzer kann den Eigenthümer unter Angabe des als Ersatz
verlangten Betrags auffordern, sich innerhalb einer von ihm bestimmten
angemessenen Frist darüber zu erklären, ob er die Verwendungen genehmige. Nach dem
Ablaufe der Frist ist der Besitzer berechtigt, Befriedigung aus der Sache nach
den Vorschriften über den Pfandverkauf, bei einem Grundstücke nach den
Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen zu
suchen, wenn nicht die Genehmigung rechtzeitig erfolgt.
Bestreitet der Eigenthümer den Anspruch vor dem Ablaufe der Frist, so
kann sich der Besitzer aus der Sache erst dann befriedigen, wenn er nach
rechtskräftiger Feststellung des Betrags der Verwendungen den Eigenthümer unter
Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung aufgefordert hat und die
Frist verstrichen ist; das Recht auf Befriedigung aus der Sache ist
ausgeschlossen, wenn die Genehmigung rechtzeitig erfolgt.
§. 1004. Wird das Eigenthum in anderer Weise als durch Entziehung oder
Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigenthümer von dem
Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere
Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigenthümer auf Unterlassung
klagen.
Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigenthümer zur Duldung
verpflichtet ist.
§. 1005. Befindet sich eine Sache auf einem Grundstücke, das ein Anderer
als der Eigenthümer der Sache besitzt, so steht diesem gegen den Besitzer des
Grundstücks der im §. 867 bestimmte Anspruch zu.
§. 1006. Zu Gunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird
vermuthet, daß er Eigenthümer der Sache sei. Dies gilt jedoch nicht einem
früheren Besitzer gegenüber, dem die Sache gestohlen worden, verloren gegangen
oder sonst abhanden gekommen ist, es sei denn, daß es sich um Geld oder
Inhaberpapiere handelt.
Zu Gunsten eines früheren Besitzers wird vermuthet, daß er während der
Dauer seines Besitzes Eigenthümer der Sache gewesen sei.
Im Falle eines mittelbaren Besitzes gilt die Vermuthung für den mittelbaren
Besitzer.
§. 1007. Wer eine bewegliche Sache im Besitze gehabt hat, kann von dem
Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen, wenn dieser bei dem Erwerbe des
Besitzes nicht in gutem Glauben war.
Ist die Sache dem früheren Besitzer gestohlen worden, verloren gegangen
oder sonst abhanden gekommen, so kann er die Herausgabe auch von einem
gutgläubigen Besitzer verlangen, es sei denn, daß dieser Eigenthümer der Sache
ist oder die Sache ihm vor der Besitzzeit des früheren Besitzers abhanden
gekommen war. Auf Geld und Inhaberpapiere findet diese Vorschrift keine
Anwendung.
Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der frühere Besitzer bei dem
Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben war oder wenn er den Besitz
aufgegeben hat. Im Uebrigen finden die Vorschriften der §§. 986 bis 1003
entsprechende Anwendung.
Fünfter Titel.
Miteigenthum.
§. 1008. Steht das Eigenthum an einer Sache Mehreren nach Bruchtheilen
zu, so gelten die Vorschriften der §§. 1009 bis 1011.
§. 1009. Die gemeinschaftliche Sache kann auch zu Gunsten eines
Miteigenthümers belastet werden.
Die Belastung eines gemeinschaftlichen Grundstücks zu Gunsten des
jeweiligen Eigenthümers eines anderen Grundstücks sowie die Belastung eines
anderen Grundstücks zu Gunsten der jeweiligen Eigenthümer des
gemeinschaftlichen Grundstücks wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das
andere Grundstück einem Miteigenthümer des gemeinschaftlichen Grundstücks
gehört.
§. 1010. Haben die Miteigenthümer eines Grundstücks die Verwaltung und
Benutzung geregelt oder das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen,
für immer oder auf Zeit ausgeschlossen oder eine Kündigungsfrist bestimmt, so
wirkt die getroffene Bestimmung gegen den Sondernachfolger eines
Miteigenthümers nur, wenn sie als Belastung des Antheils im Grundbuch
eingetragen ist.
Die in den §§. 755, 756 bestimmten Ansprüche können gegen den
Sondernachfolger eines Miteigenthümers nur geltend gemacht werden, wenn sie im
Grundbuch eingetragen sind.
§. 1011. Jeder Miteigenthümer kann die Ansprüche aus dem Eigenthume
Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen Sache geltend machen, den Anspruch auf
Herausgabe jedoch nur in Gemäßheit des §. 432.
Vierter Abschnitt.
Erbbaurecht.
§. 1012. Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, daß
demjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, das veräußerliche und
vererbliche Recht zusteht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein
Bauwerk zu haben (Erbbaurecht).
§. 1013. Das Erbbaurecht kann auf die Benutzung eines für das Bauwerk
nicht erforderlichen Theiles des Grundstücks erstreckt werden, wenn sie für die
Benutzung des Bauwerkes Vortheil bietet.
§. 1014. Die Beschränkung des Erbbaurechts auf einen Theil eines
Gebäudes, insbesondere ein Stockwerk, ist unzulässig.
§. 1015. Die zur Bestellung des Erbbaurechts nach §. 873 erforderliche
Einigung des Eigenthümers und des Erwerbers muß bei gleichzeitiger Anwesenheit
beider Theile vor dem Grundbuchamt erklärt werden.
§. 1016. Das Erbbaurecht erlischt nicht dadurch, daß das Bauwerk
untergeht.
§. 1017. Für das Erbbaurecht gelten die sich auf Grundstücke beziehenden
Vorschriften.
Die für den Erwerb des Eigenthums und die Ansprüche aus dem Eigenthume
geltenden Vorschriften finden auf das Erbbaurecht entsprechende Anwendung.
Fünfter Abschnitt.
Dienstbarkeiten.
Erster Titel.
Grunddienstbarkeiten.
§. 1018. Ein Grundstück kann zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers
eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, daß dieser das
Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder daß auf dem Grundstücke
gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder daß die Ausübung eines
Rechtes ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigenthum an dem belasteten
Grundstücke dem anderen Grundstücke gegenüber ergiebt (Grunddienstbarkeit).
§. 1019. Eine Grunddienstbarkeit kann nur in einer Belastung bestehen,
die für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten Vortheil bietet. Ueber
das sich hieraus ergebende Maß hinaus kann der Inhalt der Dienstbarkeit nicht
erstreckt werden.
§. 1020. Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit hat der Berechtigte
das Interesse des Eigenthümers des belasteten Grundstücks thunlichst zu
schonen. Hält er zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück
eine Anlage, so hat er sie in ordnungsmäßigem Zustande zu erhalten, soweit das
Interesse des Eigenthümers es erfordert.
§. 1021. Gehört zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit eine Anlage auf
dem belasteten Grundstücke, so kann bestimmt werden, daß der Eigenthümer dieses
Grundstücks die Anlage zu unterhalten hat, soweit das Interesse des
Berechtigten es erfordert. Steht dem Eigenthümer das Recht zur Mitbenutzung der
Anlage zu, so kann bestimmt werden, daß der Berechtigte die Anlage zu
unterhalten hat, soweit es für das Benutzungsrecht des Eigenthümers
erforderlich ist.
Auf eine solche Unterhaltungspflicht finden die Vorschriften über die
Reallasten entsprechende Anwendung.
§. 1022. Besteht die Grunddienstbarkeit in dem Rechte, auf einer
baulichen Anlage des belasteten Grundstücks eine bauliche Anlage zu halten, so
hat, wenn nicht ein Anderes bestimmt ist, der Eigenthümer des belasteten
Grundstücks seine Anlage zu unterhalten, soweit das Interesse des Berechtigten
es erfordert. Die Vorschrift des §. 1021 Abs. 2 gilt auch für diese
Unterhaltungspflicht.
§. 1023. Beschränkt sich die jeweilige Ausübung einer Grunddienstbarkeit
auf einen Theil des belasteten Grundstücks, so kann der Eigenthümer die
Verlegung der Ausübung auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete
Stelle verlangen, wenn die Ausübung an der bisherigen Stelle für ihn besonders
beschwerlich ist; die Kosten der Verlegung hat er zu tragen und vorzuschießen.
Dies gilt auch dann, wenn der Theil des Grundstücks, auf den sich die Ausübung
beschränkt, durch Rechtsgeschäft bestimmt ist.
Das Recht auf die Verlegung kann nicht durch Rechtsgeschäft
ausgeschlossen oder beschränkt werden.
§. 1024. Trifft eine Grunddienstbarkeit mit einer anderen
Grunddienstbarkeit oder einem sonstigen Nutzungsrecht an dem Grundstücke
dergestalt zusammen, daß die Rechte nebeneinander nicht oder nicht vollständig
ausgeübt werden können, und haben die Rechte gleichen Rang, so kann jeder
Berechtigte eine den Interessen aller Berechtigten nach billigem Ermessen
entsprechende Regelung der Ausübung verlangen.
§. 1025. Wird das Grundstück des Berechtigten getheilt, so besteht die
Grunddienstbarkeit für die einzelnen Theile fort; die Ausübung ist jedoch im
Zweifel nur in der Weise zulässig, daß sie für den Eigenthümer des belasteten
Grundstücks nicht beschwerlicher wird. Gereicht die Dienstbarkeit nur einem der
Theile zum Vortheile, so erlischt sie für die übrigen Theile.
§. 1026. Wird das belastete Grundstück getheilt, so werden, wenn die
Ausübung der Grunddienstbarkeit auf einen bestimmten Theil des belasteten
Grundstücks beschränkt ist, die Theile, welche außerhalb des Bereichs der
Ausübung liegen, von der Dienstbarkeit frei.
§. 1027. Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem
Berechtigten die im §. 1004 bestimmten Rechte zu.
§. 1028. Ist auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, durch welche die
Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wird, errichtet worden, so unterliegt der
Anspruch des Berechtigten auf Beseitigung der Beeinträchtigung der Verjährung,
auch wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist. Mit der Verjährung
des Anspruchs erlischt die Dienstbarkeit, soweit der Bestand der Anlage mit ihr
in Widerspruch steht.
Die Vorschriften des §. 892 finden keine Anwendung.
§. 1029. Wird der Besitzer eines Grundstücks in der Ausübung einer für
den Eigenthümer im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit gestört, so
finden die für den Besitzschutz geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung,
soweit die Dienstbarkeit innerhalb eines Jahres vor der Störung, sei es auch
nur einmal, ausgeübt worden ist.
Zweiter Titel.
Nießbrauch.
I. Nießbrauch an Sachen.
§. 1030. Eine Sache kann in der Weise belastet werden, daß derjenige, zu
dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache
zu ziehen (Nießbrauch).
Der Nießbrauch kann durch den Ausschluß einzelner Nutzungen beschränkt
werden.
§. 1031. Mit dem Nießbrauch an einem Grundstück erlangt der Nießbraucher
den Nießbrauch an dem Zubehöre nach den für den Erwerb des Eigenthums geltenden
Vorschriften des §. 926.
§. 1032. Zur Bestellung des Nießbrauchs an einer beweglichen Sache ist
erforderlich, daß der Eigenthümer die Sache dem Erwerber übergiebt und beide
darüber einig sind, daß diesem der Nießbrauch zustehen soll. Die Vorschriften
des §. 929 Satz 2 und der §§. 930 bis 936 finden entsprechende Anwendung; in
den Fällen des §. 936 tritt nur die Wirkung ein, daß der Nießbrauch dem Rechte
des Dritten vorgeht.
§. 1033. Der Nießbrauch an einer beweglichen Sache kann durch Ersitzung
erworben werden. Die für den Erwerb des Eigenthums durch Ersitzung geltenden
Vorschriften finden entsprechende Anwendung.
§. 1034. Der Nießbraucher kann den Zustand der Sache auf seine Kosten
durch Sachverständige feststellen lassen. Das gleiche Recht steht dem
Eigenthümer zu.
§. 1035. Bei dem Nießbrauch an einem Inbegriffe von Sachen sind der
Nießbraucher und der Eigenthümer einander verpflichtet, zur Aufnahme eines
Verzeichnisses der Sachen mitzuwirken. Das Verzeichniß ist mit der Angabe des
Tages der Aufnahme zu versehen und von beiden Theilen zu unterzeichnen; jeder Theil
kann verlangen, daß die Unterzeichnung öffentlich beglaubigt wird. Jeder Theil
kann auch verlangen, daß das Verzeichniß durch die zuständige Behörde oder
durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird. Die Kosten hat
derjenige zu tragen und vorzuschießen, welcher die Aufnahme oder die
Beglaubigung verlangt.
§. 1036. Der Nießbraucher ist zum Besitze der Sache berechtigt.
Er hat bei der Ausübung des Nutzungsrechts die bisherige
wirthschaftliche Bestimmung der Sache aufrechtzuerhalten und nach den Regeln
einer ordnungsmäßigen Wirthschaft zu verfahren.
§. 1037. Der Nießbraucher ist nicht berechtigt, die Sache umzugestalten
oder wesentlich zu verändern.
Der Nießbraucher eines Grundstücks darf neue Anlagen zur Gewinnung von
Steinen, Kies, Sand, Lehm, Thon, Mergel, Torf und sonstigen Bodenbestandtheilen
errichten, sofern nicht die wirthschaftliche Bestimmung des Grundstücks dadurch
wesentlich verändert wird.
§. 1038. Ist ein Wald Gegenstand des Nießbrauchs, so kann sowohl der
Eigenthümer als der Nießbraucher verlangen, daß das Maß der Nutzung und die Art
der wirthschaftlichen Behandlung durch einen Wirthschaftsplan festgestellt
werden. Tritt eine erhebliche Aenderung der Umstände ein, so kann jeder Theil
eine entsprechende Aenderung des Wirthschaftsplans verlangen. Die Kosten hat
jeder Theil zur Hälfte zu tragen.
Das Gleiche gilt, wenn ein Bergwerk oder eine andere auf Gewinnung von
Bodenbestandtheilen gerichtete Anlage Gegenstand des Nießbrauchs ist.
§. 1039. Der Nießbraucher erwirbt das Eigenthum auch an solchen
Früchten, die er den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft zuwider oder die
er deshalb im Uebermaße zieht, weil dies in Folge eines besonderen Ereignisses
nothwendig geworden ist. Er ist jedoch, unbeschadet seiner Verantwortlichkeit
für ein Verschulden, verpflichtet, den Werth der Früchte dem Eigenthümer bei
der Beendigung des Nießbrauchs zu ersetzen und für die Erfüllung dieser
Verpflichtung Sicherheit zu leisten. Sowohl der Eigenthümer als der
Nießbraucher kann verlangen, daß der zu ersetzende Betrag zur Wiederherstellung
der Sache insoweit verwendet wird, als es einer ordnungsmäßigen Wirthschaft
entspricht.
Wird die Verwendung zur Wiederherstellung der Sache nicht verlangt, so
fällt die Ersatzpflicht weg, soweit durch den ordnungswidrigen oder den
übermäßigen Fruchtbezug die dem Nießbraucher gebührenden Nutzungen
beeinträchtigt werden.
§. 1040. Das Recht des Nießbrauchers erstreckt sich nicht auf den
Antheil des Eigenthümers an einem Schatze, der in der Sache gefunden wird.
§. 1041. Der Nießbraucher hat für die Erhaltung der Sache in ihrem
wirthschaftlichen Bestande zu sorgen. Ausbesserungen und Erneuerungen liegen
ihm nur insoweit ob, als sie zu der gewöhnlichen Unterhaltung der Sache
gehören.
§. 1042. Wird die Sache zerstört oder beschädigt oder wird eine
außergewöhnliche Ausbesserung oder Erneuerung der Sache oder eine Vorkehrung
zum Schutze der Sache gegen eine nicht vorhergesehene Gefahr erforderlich, so
hat der Nießbraucher dem Eigenthümer unverzüglich Anzeige zu machen. Das
Gleiche gilt, wenn sich ein Dritter ein Recht an der Sache anmaßt.
§. 1043. Nimmt der Nießbraucher eines Grundstücks eine erforderlich
gewordene außergewöhnliche Ausbesserung oder Erneuerung selbst vor, so darf er
zu diesem Zwecke innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirthschaft auch
Bestandtheile des Grundstücks verwenden, die nicht zu den ihm gebührenden
Früchten gehören.
§. 1044. Nimmt der Nießbraucher eine erforderlich gewordene Ausbesserung
oder Erneuerung der Sache nicht selbst vor, so hat er dem Eigenthümer die
Vornahme und, wenn ein Grundstück Gegenstand des Nießbrauchs ist, die
Verwendung der im §. 1043 bezeichneten Bestandtheile des Grundstücks zu
gestatten.
§. 1045. Der Nießbraucher hat die Sache für die Dauer des Nießbrauchs
gegen Brandschaden und sonstige Unfälle auf seine Kosten unter Versicherung zu
bringen, wenn die Versicherung einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entspricht.
Die Versicherung ist so zu nehmen, daß die Forderung gegen den Versicherer dem
Eigenthümer zusteht.
Ist die Sache bereits versichert, so fallen die für die Versicherung zu
leistenden Zahlungen dem Nießbraucher für die Dauer des Nießbrauchs zur Last,
soweit er zur Versicherung verpflichtet sein würde.
§. 1046. An der Forderung gegen den Versicherer steht dem Nießbraucher
der Nießbrauch nach den Vorschriften zu, die für den Nießbrauch an einer auf
Zinsen ausstehenden Forderung gelten.
Tritt ein unter die Versicherung fallender Schaden ein, so kann sowohl
der Eigenthümer als der Nießbraucher verlangen, daß die Versicherungssumme zur
Wiederherstellung der Sache oder zur Beschaffung eines Ersatzes insoweit
verwendet wird, als es einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entspricht. Der
Eigenthümer kann die Verwendung selbst besorgen oder dem Nießbraucher
überlassen.
§. 1047. Der Nießbraucher ist dem Eigenthümer gegenüber verpflichtet,
für die Dauer des Nießbrauchs die auf der Sache ruhenden öffentlichen Lasten
mit Ausschluß der außerordentlichen Lasten, die als auf den Stammwerth der
Sache gelegt anzusehen sind, sowie diejenigen privatrechtlichen Lasten zu
tragen, welche schon zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache
ruhten, insbesondere die Zinsen der Hypothekenforderungen und Grundschulden
sowie die auf Grund einer Rentenschuld zu entrichtenden Leistungen.
§. 1048. Ist ein Grundstück sammt Inventar Gegenstand des Nießbrauchs,
so kann der Nießbraucher über die einzelnen Stücke des Inventars innerhalb der
Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirthschaft verfügen. Er hat für den gewöhnlichen
Abgang sowie für die nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft
ausscheidenden Stücke Ersatz zu beschaffen; die von ihm angeschafften Stücke
werden mit der Einverleibung in das Inventar Eigenthum desjenigen, welchem das
Inventar gehört.
Uebernimmt der Nießbraucher das Inventar zum Schätzungswerthe mit der
Verpflichtung, es bei der Beendigung des Nießbrauchs zum Schätzungswerthe
zurückzugewähren, so finden die Vorschriften der §§. 588, 589 entsprechende
Anwendung.
§. 1049. Macht der Nießbraucher Verwendungen auf die Sache, zu denen er
nicht verpflichtet ist, so bestimmt sich die Ersatzpflicht des Eigenthümers
nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag.
Der Nießbraucher ist berechtigt, eine Einrichtung, mit der er die Sache
versehen hat, wegzunehmen.
§. 1050. Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache, welche durch
die ordnungsmäßige Ausübung des Nießbrauchs herbeigeführt werden, hat der
Nießbraucher nicht zu vertreten.
§. 1051. Wird durch das Verhalten des Nießbrauchers die Besorgniß einer
erheblichen Verletzung der Rechte des Eigenthümers begründet, so kann der
Eigenthümer Sicherheitsleistung verlangen.
§. 1052. Ist der Nießbraucher zur Sicherheitsleistung rechtskräftig
verurtheilt, so kann der Eigenthümer statt der Sicherheitsleistung verlangen,
daß die Ausübung des Nießbrauchs für Rechnung des Nießbrauchers einem von dem
Gerichte zu bestellenden Verwalter übertragen wird. Die Anordnung der
Verwaltung ist nur zulässig, wenn dem Nießbraucher auf Antrag des Eigenthümers
von dem Gericht eine Frist zur Sicherheitsleistung bestimmt worden und die
Frist verstrichen ist; sie ist unzulässig, wenn die Sicherheit vor dem Ablaufe
der Frist geleistet wird.
Der Verwalter steht unter der Aufsicht des Gerichts wie ein für die
Zwangsverwaltung eines Grundstücks bestellter Verwalter. Verwalter kann auch
der Eigenthümer sein.
Die Verwaltung ist aufzuheben, wenn die Sicherheit nachträglich
geleistet wird.
§. 1053. Macht der Nießbraucher einen Gebrauch von der Sache, zu dem er
nicht befugt ist, und setzt er den Gebrauch ungeachtet einer Abmahnung des
Eigenthümers fort, so kann der Eigenthümer auf Unterlassung klagen.
§. 1054. Verletzt der Nießbraucher die Rechte des Eigenthümers in
erheblichem Maße und setzt er das verletzende Verhalten ungeachtet einer Abmahnung
des Eigenthümers fort, so kann der Eigenthümer die Anordnung einer Verwaltung
nach §. 1052 verlangen.
§. 1055. Der Nießbraucher ist verpflichtet, die Sache nach der
Beendigung des Nießbrauchs dem Eigenthümer zurückzugeben.
Bei dem Nießbrauch an einem landwirthschaftlichen Grundstücke finden die
Vorschriften der §§. 591, 592, bei dem Nießbrauch an einem Landgute finden die
Vorschriften der §§. 591 bis 593 entsprechende Anwendung.
§. 1056. Hat der Nießbraucher ein Grundstück über die Dauer des Nießbrauchs
hinaus vermiethet oder verpachtet, so finden nach der Beendigung des
Nießbrauchs die für den Fall der Veräußerung geltenden Vorschriften der §§.
571, 572, des §. 573 Satz 1 und der §§. 574 bis 576, 579 entsprechende
Anwendung.
Der Eigenthümer ist berechtigt, das Mieth- oder Pachtverhältniß unter
Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zu kündigen. Verzichtet der
Nießbraucher auf den Nießbrauch, so ist die Kündigung erst von der Zeit an
zulässig, zu welcher der Nießbrauch ohne den Verzicht erlöschen würde.
Der Miether oder der Pächter ist berechtigt, den Eigenthümer unter
Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung darüber aufzufordern, ob er
von dem Kündigungsrechte Gebrauch mache. Die Kündigung kann nur bis zum Ablaufe
der Frist erfolgen.
§. 1057. Die Ersatzansprüche des Eigenthümers wegen Veränderungen oder
Verschlechterungen der Sache sowie die Ansprüche des Nießbrauchers auf Ersatz
von Verwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung verjähren
in sechs Monaten. Die Vorschriften des §. 558 Abs. 2, 3 finden entsprechende
Anwendung.
§. 1058. Im Verhältnisse zwischen dem Nießbraucher und dem Eigenthümer
gilt zu Gunsten des Nießbrauchers der Besteller als Eigenthümer, es sei denn,
daß der Nießbraucher weiß, daß der Besteller nicht Eigenthümer ist.
§. 1059. Der Nießbrauch ist nicht übertragbar. Die Ausübung des
Nießbrauchs kann einem Anderen überlassen werden.
§. 1060. Trifft ein Nießbrauch mit einem anderen Nießbrauch oder mit
einem sonstigen Nutzungsrecht an der Sache dergestalt zusammen, daß die Rechte
neben einander nicht oder nicht vollständig ausgeübt werden können, und haben
die Rechte gleichen Rang, so findet die Vorschrift des §. 1024 Anwendung.
§. 1061. Der Nießbrauch erlischt mit dem Tode des Nießbrauchers. Steht
der Nießbrauch einer juristischen Person zu, so erlischt er mit dieser.
§. 1062. Wird der Nießbrauch an einem Grundstücke durch Rechtsgeschäft
aufgehoben, so erstreckt sich die Aufhebung im Zweifel auf den Nießbrauch an
dem Zubehöre.
§. 1063. Der Nießbrauch an einer beweglichen Sache erlischt, wenn er mit
dem Eigenthum in derselben Person zusammentrifft.
Der Nießbrauch gilt als nicht erloschen, soweit der Eigenthümer ein
rechtliches Interesse an dem Fortbestehen des Nießbrauchs hat.
§. 1064. Zur Aufhebung des Nießbrauchs an einer beweglichen Sache durch
Rechtsgeschäft genügt die Erklärung des Nießbrauchers gegenüber dem Eigenthümer
oder dem Besteller, daß er den Nießbrauch aufgebe.
§. 1065. Wird das Recht des Nießbrauchers beeinträchtigt, so finden auf
die Ansprüche des Nießbrauchers die für die Ansprüche aus dem Eigenthume
geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
§. 1066. Besteht ein Nießbrauch an dem Antheil eines Miteigenthümers, so
übt der Nießbraucher die Rechte aus, die sich aus der Gemeinschaft der
Miteigenthümer in Ansehung der Verwaltung der Sache und der Art ihrer Benutzung
ergeben.
Die Aufhebung der Gemeinschaft kann nur von dem Miteigenthümer und dem
Nießbraucher gemeinschaftlich verlangt werden.
Wird die Gemeinschaft aufgehoben, so gebührt dem Nießbraucher der
Nießbrauch an den Gegenständen, welche an die Stelle des Antheils treten.
§. 1067. Sind verbrauchbare Sachen Gegenstand des Nießbrauchs, so wird
der Nießbraucher Eigenthümer der Sachen; nach der Beendigung des Nießbrauchs
hat er dem Besteller den Werth zu ersetzen, den die Sachen zur Zeit der
Bestellung hatten. Sowohl der Besteller als der Nießbraucher kann den Werth auf
seine Kosten durch Sachverständige feststellen lassen.
Der Besteller kann Sicherheitsleistung verlangen, wenn der Anspruch auf
Ersatz des Werthes gefährdet ist.
II. Nießbrauch an Rechten.
§. 1068. Gegenstand des Nießbrauchs kann auch ein Recht sein.
Auf den Nießbrauch an Rechten finden die Vorschriften über den
Nießbrauch an Sachen entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus den §§.
1069 bis 1084 ein Anderes ergiebt.
§. 1069. Die Bestellung des Nießbrauchs an einem Rechte erfolgt nach den
für die Uebertragung des Rechtes geltenden Vorschriften.
An einem Rechte, das nicht übertragbar ist, kann ein Nießbrauch nicht
bestellt werden.
§. 1070. Ist ein Recht, kraft dessen eine Leistung gefordert werden
kann, Gegenstand des Nießbrauchs, so finden auf das Rechtsverhältniß zwischen
dem Nießbraucher und dem Verpflichteten die Vorschriften entsprechende Anwendung,
welche im Falle der Uebertragung des Rechtes für das Rechtsverhältniß zwischen
dem Erwerber und dem Verpflichteten gelten.
Wird die Ausübung des Nießbrauchs nach §. 1052 einem Verwalter
übertragen, so ist die Uebertragung dem Verpflichteten gegenüber erst wirksam,
wenn er von der getroffenen Anordnung Kenntniß erlangt oder wenn ihm eine
Mittheilung von der Anordnung zugestellt wird. Das Gleiche gilt von der
Aufhebung der Verwaltung.
§. 1071. Ein dem Nießbrauch unterliegendes Recht kann durch Rechtsgeschäft
nur mit Zustimmung des Nießbrauchers aufgehoben werden. Die Zustimmung ist
demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt; sie ist
unwiderruflich. Die Vorschrift des §. 876 Satz 3 bleibt unberührt.
Das Gleiche gilt im Falle einer Aenderung des Rechtes, sofern sie den
Nießbrauch beeinträchtigt.
§. 1072. Die Beendigung des Nießbrauchs tritt nach den Vorschriften der
§§. 1063, 1064 auch dann ein, wenn das dem Nießbrauch unterliegende Recht nicht
ein Recht an einer beweglichen Sache ist.
§. 1073. Dem Nießbraucher einer Leibrente, eines Auszugs oder eines
ähnlichen Rechtes gebühren die einzelnen Leistungen, die auf Grund des Rechtes
gefordert werden können.
§. 1074. Der Nießbraucher einer Forderung ist zur Einziehung der
Forderung und, wenn die Fälligkeit von einer Kündigung des Gläubigers abhängt,
zur Kündigung berechtigt. Er hat für die ordnungsmäßige Einziehung zu sorgen.
Zu anderen Verfügungen über die Forderung ist er nicht berechtigt.
§. 1075. Mit der Leistung des Schuldners an den Nießbraucher erwirbt der
Gläubiger den geleisteten Gegenstand und der Nießbraucher den Nießbrauch an dem
Gegenstande.
Werden verbrauchbare Sachen geleistet, so erwirbt der Nießbraucher das
Eigenthum; die Vorschriften des §. 1067 finden entsprechende Anwendung.
§. 1076. Ist eine auf Zinsen ausstehende Forderung Gegenstand des
Nießbrauchs, so gelten die Vorschriften der §§. 1077 bis 1079.
§. 1077. Der Schuldner kann das Kapital nur an den Nießbraucher und den
Gläubiger gemeinschaftlich zahlen. Jeder von beiden kann verlangen, daß an sie
gemeinschaftlich gezahlt wird; jeder kann statt der Zahlung die Hinterlegung
für beide fordern.
Der Nießbraucher und der Gläubiger können nur gemeinschaftlich kündigen.
Die Kündigung des Schuldners ist nur wirksam, wenn sie dem Nießbraucher und dem
Gläubiger erklärt wird.
§. 1078. Ist die Forderung fällig, so sind der Nießbraucher und der
Gläubiger einander verpflichtet, zur Einziehung mitzuwirken. Hängt die
Fälligkeit von einer Kündigung ab, so kann jeder Theil die Mitwirkung des anderen
zur Kündigung verlangen, wenn die Einziehung der Forderung wegen Gefährdung
ihrer Sicherheit nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Vermögensverwaltung
geboten ist.
§. 1079. Der Nießbraucher und der Gläubiger sind einander verpflichtet,
dazu mitzuwirken, daß das eingezogene Kapital nach den für die Anlegung von
Mündelgeld geltenden Vorschriften verzinslich angelegt und gleichzeitig dem
Nießbraucher der Nießbrauch bestellt wird. Die Art der Anlegung bestimmt der
Nießbraucher.
§. 1080. Die Vorschriften über den Nießbrauch an einer Forderung gelten
auch für den Nießbrauch an einer Grundschuld und an einer Rentenschuld.
§. 1081. Ist ein Inhaberpapier oder ein Orderpapier, das mit
Blankoindossament versehen ist, Gegenstand des Nießbrauchs, so steht der Besitz
des Papiers und des zu dem Papiere gehörenden Erneuerungsscheins dem
Nießbraucher und dem Eigenthümer gemeinschaftlich zu. Der Besitz der zu dem
Papiere gehörenden Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine steht dem
Nießbraucher zu.
Zur Bestellung des Nießbrauchs genügt an Stelle der Uebergabe des
Papiers die Einräumung des Mitbesitzes.
§. 1082. Das Papier ist nebst dem Erneuerungsschein auf Verlangen des
Nießbrauchers oder des Eigenthümers bei einer Hinterlegungsstelle mit der Bestimmung
zu hinterlegen, daß die Herausgabe nur von dem Nießbraucher und dem Eigenthümer
gemeinschaftlich verlangt werden kann. Der Nießbraucher kann auch Hinterlegung
bei der Reichsbank verlangen.
§. 1083. Der Nießbraucher und der Eigenthümer des Papiers sind für
einander verpflichtet, zur Einziehung des fälligen Kapitals, zur Beschaffung
neuer Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine sowie zu sonstigen Maßnahmen
mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Vermögensverwaltung erforderlich sind.
Im Falle der Einlösung des Papiers finden die Vorschriften des §. 1079
Anwendung. Eine bei der Einlösung gezahlte Prämie gilt als Theil des Kapitals.
§. 1084. Gehört ein Inhaberpapier oder ein Orderpapier, das mit
Blankoindossament versehen ist, nach §. 92 zu den verbrauchbaren Sachen, so
bewendet es bei den Vorschriften des §. 1067.
III. Nießbrauch an einem Vermögen.
§. 1085. Der Nießbrauch an dem Vermögen einer Person kann nur in der
Weise bestellt werden, daß der Nießbraucher den Nießbrauch an den einzelnen zu
dem Vermögen gehörenden Gegenständen erlangt. Soweit der Nießbrauch bestellt
ist, gelten die Vorschriften der §§. 1086 bis 1088.
§. 1086. Die Gläubiger des Bestellers können, soweit ihre Forderungen
vor der Bestellung entstanden sind, ohne Rücksicht auf den Nießbrauch
Befriedigung aus den dem Nießbrauch unterliegenden Gegenständen verlangen. Hat
der Nießbraucher das Eigenthum an verbrauchbaren Sachen erlangt, so tritt an
die Stelle der Sachen der Anspruch des Bestellers auf Ersatz des Werthes; der
Nießbraucher ist den Gläubigern gegenüber zum sofortigen Ersatze verpflichtet.
§. 1087. Der Besteller kann, wenn eine vor der Bestellung entstandene
Forderung fällig ist, von dem Nießbraucher Rückgabe der zur Befriedigung des
Gläubigers erforderlichen Gegenstände verlangen. Die Auswahl steht ihm zu; er
kann jedoch nur die vorzugsweise geeigneten Gegenstände auswählen. Soweit die
zurückgegebenen Gegenstände ausreichen, ist der Besteller dem Nießbraucher
gegenüber zur Befriedigung des Gläubigers verpflichtet.
Der Nießbraucher kann die Verbindlichkeit durch Leistung des
geschuldeten Gegenstandes erfüllen. Gehört der geschuldete Gegenstand nicht zu
dem Vermögen, das dem Nießbrauch unterliegt, so ist der Nießbraucher
berechtigt, zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers einen zu dem Vermögen
gehörenden Gegenstand zu veräußern, wenn die Befriedigung durch den Besteller
nicht ohne Gefahr abgewartet werden kann. Er hat einen vorzugsweise geeigneten
Gegenstand auszuwählen. Soweit er zum Ersatze des Werthes verbrauchbarer Sachen
verpflichtet ist, darf er eine Veräußerung nicht vornehmen.
§. 1088. Die Gläubiger des Bestellers, deren Forderungen schon zur Zeit
der Bestellung verzinslich waren, können die Zinsen für die Dauer des
Nießbrauchs auch von dem Nießbraucher verlangen. Das Gleiche gilt von anderen
wiederkehrenden Leistungen, die bei ordnungsmäßiger Verwaltung aus den
Einkünften des Vermögens bestritten werden, wenn die Forderung vor der
Bestellung des Nießbrauchs entstanden ist.
Die Haftung des Nießbrauchers kann nicht durch Vereinbarung zwischen ihm
und dem Besteller ausgeschlossen oder beschränkt werden.
Der Nießbraucher ist dem Besteller gegenüber zur Befriedigung der
Gläubiger wegen der im Abs. 1 bezeichneten Ansprüche verpflichtet. Die Rückgabe
von Gegenständen zum Zwecke der Befriedigung kann der Besteller nur verlangen,
wenn der Nießbraucher mit der Erfüllung dieser Verbindlichkeit in Verzug kommt.
§. 1089. Die Vorschriften der §§. 1085 bis 1088 finden auf den
Nießbrauch an einer Erbschaft entsprechende Anwendung.
Dritter Titel.
Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten.
§. 1090. Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, daß
derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das
Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder daß ihm eine sonstige Befugniß
zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann (beschränkte
persönliche Dienstbarkeit).
Die Vorschriften der §§. 1020 bis 1024, 1026 bis 1029, 1061 finden
entsprechende Anwendung.
§. 1091. Der Umfang einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit
bestimmt sich im Zweifel nach dem persönlichen Bedürfnisse des Berechtigten.
§. 1092. Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist nicht
übertragbar. Die Ausübung der Dienstbarkeit kann einem Anderen nur überlassen
werden, wenn die Ueberlassung gestattet ist.
§. 1093. Als beschränkte persönliche Dienstbarkeit kann auch das Recht
bestellt werden, ein Gebäude oder einen Theil eines Gebäudes unter Ausschluß
des Eigenthümers als Wohnung zu benutzen. Auf dieses Recht finden die für den
Nießbrauch geltenden Vorschriften der §§. 1031, 1034, 1036, des §. 1037 Abs. 1
und der §§. 1041, 1042, 1044, 1049, 1050, 1057, 1062 entsprechende Anwendung.
Der Berechtigte ist befugt, seine Familie sowie die zur standesmäßigen
Bedienung und zur Pflege erforderlichen Personen in die Wohnung aufzunehmen.
Ist das Recht auf einen Theil des Gebäudes beschränkt, so kann der
Berechtigte die zum gemeinschaftlichen Gebrauche der Bewohner bestimmten
Anlagen und Einrichtungen mitbenutzen.
Sechster Abschnitt.
Vorkaufsrecht.
§. 1094. Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, daß
derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, dem Eigenthümer gegenüber
zum Vorkaufe berechtigt ist.
Das Vorkaufsrecht kann auch zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers eines
anderen Grundstücks bestellt werden.
§. 1095. Ein Bruchtheil eines Grundstücks kann mit dem Vorkaufsrechte
nur belastet werden, wenn er in dem Antheil eines Miteigenthümers besteht.
§. 1096. Das Vorkaufsrecht kann auf das Zubehör erstreckt werden, das
mit dem Grundstücke verkauft wird. Im Zweifel ist anzunehmen, daß sich das
Vorkaufsrecht auf dieses Zubehör erstrecken soll.
§. 1097. Das Vorkaufsrecht beschränkt sich auf den Fall des Verkaufs
durch den Eigenthümer, welchem das Grundstück zur Zeit der Bestellung gehört, oder
durch dessen Erben; es kann jedoch auch für mehrere oder für alle Verkaufsfälle
bestellt werden.
§. 1098. Das Rechtsverhältniß zwischen dem Berechtigten und dem
Verpflichteten bestimmt sich nach den Vorschriften der §§. 504 bis 514. Das
Vorkaufsrecht kann auch dann ausgeübt werden, wenn das Grundstück von dem
Konkursverwalter aus freier Hand verkauft wird.
Dritten gegenüber hat das Vorkaufsrecht die Wirkung einer Vormerkung zur
Sicherung des durch die Ausübung des Rechtes entstehenden Anspruchs auf Uebertragung
des Eigenthums.
§. 1099. Gelangt das Grundstück in das Eigenthum eines Dritten, so kann
dieser in gleicher Weise wie der Verpflichtete dem Berechtigten den Inhalt des
Kaufvertrags mit der im §. 510 Abs. 2 bestimmten Wirkung mittheilen.
Der Verpflichtete hat den neuen Eigenthümer zu benachrichtigen, sobald
die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt oder ausgeschlossen ist.
§. 1100. Der neue Eigenthümer kann, wenn er der Käufer oder ein
Rechtsnachfolger des Käufers ist, die Zustimmung zur Eintragung des
Berechtigten als Eigenthümer und die Herausgabe des Grundstücks verweigern, bis
ihm der zwischen dem Verpflichteten und dem Käufer vereinbarte Kaufpreis,
soweit er berichtigt ist, erstattet wird. Erlangt der Berechtigte die
Eintragung als Eigenthümer, so kann der bisherige Eigenthümer von ihm die
Erstattung des berichtigten Kaufpreises gegen Herausgabe des Grundstücks
fordern.
§. 1101. Soweit der Berechtigte nach §. 1100 dem Käufer oder dessen
Rechtsnachfolger den Kaufpreis zu erstatten hat, wird er von der Verpflichtung
zur Zahlung des aus dem Vorkaufe geschuldeten Kaufpreises frei.
§. 1102. Verliert der Käufer oder sein Rechtsnachfolger in Folge der
Geltendmachung des Vorkaufsrechts das Eigenthum, so wird der Käufer, soweit der
von ihm geschuldete Kaufpreis noch nicht berichtigt ist, von seiner
Verpflichtung frei; den berichtigten Kaufpreis kann er nicht zurückfordern.
§. 1103. Ein zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers eines Grundstücks
bestehendes Vorkaufsrecht kann nicht von dem Eigenthum an diesem Grundstücke
getrennt werden.
Ein zu Gunsten einer bestimmten Person bestehendes Vorkaufsrecht kann
nicht mit dem Eigenthum an einem Grundstücke verbunden werden.
§. 1104. Ist der Berechtigte unbekannt, so kann er im Wege des
Aufgebotsverfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen werden, wenn die im §.
1170 für die Ausschließung eines Hypothekengläubigers bestimmten
Voraussetzungen vorliegen. Mit der Erlassung des Ausschlußurtheils erlischt das
Vorkaufsrecht.
Auf ein Vorkaufsrecht, das zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers eines
Grundstücks besteht, finden diese Vorschriften keine Anwendung.
Siebenter Abschnitt.
Reallasten.
§. 1105. Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, daß an
denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, wiederkehrende Leistungen
aus dem Grundstücke zu entrichten sind (Reallast).
Die Reallast kann auch zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers eines
anderen Grundstücks bestellt werden.
§. 1106. Ein Bruchtheil eines Grundstücks kann mit einer Reallast nur
belastet werden, wenn er in dem Antheil eines Miteigenthümers besteht.
§. 1107. Auf die einzelnen Leistungen finden die für die Zinsen einer
Hypothekenforderung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
§. 1108. Der Eigenthümer haftet für die während der Dauer seines Eigenthums
fällig werdenden Leistungen auch persönlich, soweit nicht ein Anderes bestimmt
ist.
Wird das Grundstück getheilt, so haften die Eigenthümer der einzelnen
Theile als Gesammtschuldner.
§. 1109. Wird das Grundstück des Berechtigten getheilt, so besteht die
Reallast für die einzelnen Theile fort. Ist die Leistung theilbar, so bestimmen
sich die Antheile der Eigenthümer nach dem Verhältnisse der Größe der Theile;
ist sie nicht theilbar, so finden die Vorschriften des §. 432 Anwendung. Die
Ausübung des Rechtes ist im Zweifel nur in der Weise zulässig, daß sie für den
Eigenthümer des belasteten Grundstücks nicht beschwerlicher wird.
Der Berechtigte kann bestimmen, daß das Recht nur mit einem der Theile
verbunden sein soll. Die Bestimmung hat dem Grundbuchamte gegenüber zu erfolgen
und bedarf der Eintragung in das Grundbuch; die Vorschriften der §§. 876, 878
finden entsprechende Anwendung. Veräußert der Berechtigte einen Theil des
Grundstücks, ohne eine solche Bestimmung zu treffen, so bleibt das Recht mit
dem Theile verbunden, den er behält. Gereicht die Reallast nur einem der Theile
zum Vortheile, so bleibt sie mit diesem Theile allein verbunden.
§. 1110. Eine zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers eines Grundstücks bestehende
Reallast kann nicht von dem Eigenthum an diesem Grundstücke getrennt werden.
§. 1111. Eine zu Gunsten einer bestimmten Person bestehende Reallast
kann nicht mit dem Eigenthum an einem Grundstücke verbunden werden.
Ist der Anspruch auf die einzelne Leistung nicht übertragbar, so kann
das Recht nicht veräußert oder belastet werden.
§. 1112. Ist der Berechtigte unbekannt, so finden auf die Ausschließung
seines Rechtes die Vorschriften des §. 1104 entsprechende Anwendung.
Achter Abschnitt.
Hypothek. Grundschuld. Rentenschuld.
Erster Titel.
Hypothek.
§. 1113. Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, daß an
denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme
zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus dem Grundstücke zu
zahlen ist (Hypothek).
Die Hypothek kann auch für eine künftige oder eine bedingte Forderung
bestellt werden.
§. 1114. Ein Bruchtheil eines Grundstücks kann mit einer Hypothek nur
belastet werden, wenn er in dem Antheil eines Miteigenthümers besteht.
§. 1115. Bei der Eintragung der Hypothek müssen der Gläubiger, der
Geldbetrag der Forderung und, wenn die Forderung verzinslich ist, der Zinssatz,
wenn andere Nebenleistungen zu entrichten sind, ihr Geldbetrag im Grundbuch
angegeben werden; im Uebrigen kann zur Bezeichnung der Forderung auf die
Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden.
Bei der Eintragung der Hypothek für ein Darlehen einer Kreditanstalt,
deren Satzung von der zuständigen Behörde öffentlich bekannt gemacht worden
ist, genügt zur Bezeichnung der außer den Zinsen satzungsgemäß zu entrichtenden
Nebenleistungen die Bezugnahme auf die Satzung.
§. 1116. Ueber die Hypothek wird ein Hypothekenbrief ertheilt.
Die Ertheilung des Briefes kann ausgeschlossen werden. Die Ausschließung
kann auch nachträglich erfolgen. Zu der Ausschließung ist die Einigung des
Gläubigers und des Eigenthümers sowie die Eintragung in das Grundbuch
erforderlich; die Vorschriften des §. 873 Abs. 2 und der §§. 876, 878 finden
entsprechende Anwendung.
Die Ausschließung der Ertheilung des Briefes kann aufgehoben werden; die
Aufhebung erfolgt in gleicher Weise wie die Ausschließung.
§. 1117. Der Gläubiger erwirbt, sofern nicht die Ertheilung des
Hypothekenbriefs ausgeschlossen ist, die Hypothek erst, wenn ihm der Brief von
dem Eigenthümer des Grundstücks übergeben wird. Auf die Uebergabe finden die
Vorschriften des §. 929 Satz 2 und der §§. 930, 931 Anwendung.
Die Uebergabe des Briefes kann durch die Vereinbarung ersetzt werden,
daß der Gläubiger berechtigt sein soll, sich den Brief von dem Grundbuchamt
aushändigen zu lassen.
Ist der Gläubiger im Besitze des Briefes, so wird vermuthet, daß die
Uebergabe erfolgt sei.
§. 1118. Kraft der Hypothek haftet das Grundstück auch für die
gesetzlichen Zinsen der Forderung sowie für die Kosten der Kündigung und der
die Befriedigung aus dem Grundstücke bezweckenden Rechtsverfolgung.
§. 1119. Ist die Forderung unverzinslich oder ist der Zinssatz niedriger
als fünf vom Hundert, so kann die Hypothek ohne Zustimmung der im Range gleich-
oder nachstehenden Berechtigten dahin erweitert werden, daß das Grundstück für
Zinsen bis zu fünf vom Hundert haftet.
Zu einer Aenderung der Zahlungszeit und des Zahlungsorts ist die
Zustimmung dieser Berechtigten gleichfalls nicht erforderlich.
§. 1120. Die Hypothek erstreckt sich auf die von dem Grundstücke
getrennten Erzeugnisse und sonstigen Bestandtheile, soweit sie nicht mit der
Trennung nach den §§. 954 bis 957 in das Eigenthum eines Anderen als des
Eigenthümers oder des Eigenbesitzers des Grundstücks gelangt sind, sowie auf
das Zubehör des Grundstücks mit Ausnahme der Zubehörstücke, welche nicht in das
Eigenthum des Eigenthümers des Grundstücks gelangt sind.
§. 1121. Erzeugnisse und sonstige Bestandtheile des Grundstücks sowie
Zubehörstücke werden von der Haftung frei, wenn sie veräußert und von dem
Grundstück entfernt werden, bevor sie zu Gunsten des Gläubigers in Beschlag
genommen worden sind.
Erfolgt die Veräußerung vor der Entfernung, so kann sich der Erwerber
dem Gläubiger gegenüber nicht darauf berufen, daß er in Ansehung der Hypothek
in gutem Glauben gewesen sei. Entfernt der Erwerber die Sache von dem
Grundstücke, so ist eine vor der Entfernung erfolgte Beschlagnahme ihm
gegenüber nur wirksam, wenn er bei der Entfernung in Ansehung der Beschlagnahme
nicht in gutem Glauben ist.
§. 1122. Sind die Erzeugnisse oder Bestandtheile innerhalb der Grenzen
einer ordnungsmäßigen Wirthschaft von dem Grundstücke getrennt worden, so
erlischt ihre Haftung auch ohne Veräußerung, wenn sie vor der Beschlagnahme von
dem Grundstück entfernt werden, es sei denn, daß die Entfernung zu einem
vorübergehenden Zwecke erfolgt.
Zubehörstücke werden ohne Veräußerung von der Haftung frei, wenn die
Zubehöreigenschaft innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirthschaft vor
der Beschlagnahme aufgehoben wird.
§. 1123. Ist das Grundstück vermiethet oder verpachtet, so erstreckt
sich die Hypothek auf die Mieth- oder Pachtzinsforderung.
Soweit die Forderung fällig ist, wird sie mit dem Ablauf eines Jahres nach
dem Eintritte der Fälligkeit von der Haftung frei, wenn nicht vorher die
Beschlagnahme zu Gunsten des Hypothekengläubigers erfolgt. Ist der Mieth- oder
Pachtzins im voraus zu entrichten, so erstreckt sich die Befreiung nicht auf
den Mieth- oder Pachtzins für eine spätere Zeit als das zur Zeit der
Beschlagnahme laufende und das folgende Kalendervierteljahr.
§. 1124. Wird der Mieth- oder Pachtzins eingezogen, bevor er zu Gunsten
des Hypothekengläubigers in Beschlag genommen worden ist, oder wird vor der Beschlagnahme
in anderer Weise über ihn verfügt, so ist die Verfügung dem Hypothekengläubiger
gegenüber wirksam. Besteht die Verfügung in der Uebertragung der Forderung auf
einen Dritten, so erlischt die Haftung der Forderung; erlangt ein Dritter ein
Recht an der Forderung, so geht es der Hypothek im Range vor.
Die Verfügung ist dem Hypothekengläubiger gegenüber unwirksam, soweit
sie sich auf den Mieth- oder Pachtzins für eine spätere Zeit als das zur Zeit
der Beschlagnahme laufende und das folgende Kalendervierteljahr bezieht.
Der Uebertragung der Forderung auf einen Dritten steht es gleich, wenn
das Grundstück ohne die Forderung veräußert wird.
§. 1125. Soweit die Einziehung des Mieth- oder Pachtzinses dem
Hypothekengläubiger gegenüber unwirksam ist, kann der Miether oder der Pächter
nicht eine ihm gegen den Vermiether oder den Verpächter zustehende Forderung
gegen den Hypothekengläubiger aufrechnen.
§. 1126. Ist mit dem Eigenthum an dem Grundstück ein Recht auf
wiederkehrende Leistungen verbunden, so erstreckt sich die Hypothek auf die
Ansprüche auf diese Leistungen. Die Vorschriften des §. 1123 Abs. 2 Satz 1, des
§. 1124 Abs. 1, 3 und des §. 1125 finden entsprechende Anwendung. Eine vor der
Beschlagnahme erfolgte Verfügung über den Anspruch auf eine Leistung, die erst
drei Monate nach der Beschlagnahme fällig wird, ist dem Hypothekengläubiger
gegenüber unwirksam.
§. 1127. Sind Gegenstände, die der Hypothek unterliegen, für den
Eigenthümer oder den Eigenbesitzer des Grundstücks unter Versicherung gebracht,
so erstreckt sich die Hypothek auf die Forderung gegen den Versicherer.
Die Haftung der Forderung gegen den Versicherer erlischt, wenn der
versicherte Gegenstand wiederhergestellt oder Ersatz für ihn beschafft ist.
§. 1128. Ist ein Gebäude versichert, so kann der Versicherer die
Versicherungssumme mit Wirkung gegen den Hypothekengläubiger an den
Versicherten erst zahlen, wenn er oder der Versicherte den Eintritt des
Schadens dem Hypothekengläubiger angezeigt hat und seit dem Empfange der
Anzeige ein Monat verstrichen ist. Der Hypothekengläubiger kann bis zum Ablaufe
der Frist dem Versicherer gegenüber der Zahlung widersprechen. Die Anzeige darf
unterbleiben, wenn sie unthunlich ist; in diesem Falle wird der Monat von dem
Zeitpunkt an berechnet, in welchem die Versicherungssumme fällig wird.
Im Uebrigen finden die für eine verpfändete Forderung geltenden
Vorschriften Anwendung; der Versicherer kann sich jedoch nicht darauf berufen,
daß er eine aus dem Grundbuch ersichtliche Hypothek nicht gekannt habe.
§. 1129. Ist ein anderer Gegenstand als ein Gebäude versichert, so
bestimmt sich die Haftung der Forderung gegen den Versicherer nach den
Vorschriften des §. 1123 Abs. 2 Satz 1 und des §. 1124 Abs. 1, 3.
§. 1130. Ist der Versicherer nach den Versicherungsbestimmungen nur
verpflichtet, die Versicherungssumme zur Wiederherstellung des versicherten
Gegenstandes zu zahlen, so ist eine diesen Bestimmungen entsprechende Zahlung
an den Versicherten dem Hypothekengläubiger gegenüber wirksam.
§. 1131. Wird ein Grundstück nach §. 890 Abs. 2 einem anderen Grundstück
im Grundbuche zugeschrieben, so erstrecken sich die an diesem Grundstücke
bestehenden Hypotheken auf das zugeschriebene Grundstück. Rechte, mit denen das
zugeschriebene Grundstück belastet ist, gehen diesen Hypotheken im Range vor.
§. 1132. Besteht für die Forderung eine Hypothek an mehreren
Grundstücken (Gesammthypothek), so haftet jedes Grundstück für die ganze
Forderung. Der Gläubiger kann die Befriedigung nach seinem Belieben aus jedem
der Grundstücke ganz oder zu einem Theile suchen.
Der Gläubiger ist berechtigt, den Betrag der Forderung auf die einzelnen
Grundstücke in der Weise zu vertheilen, daß jedes Grundstück nur für den
zugetheilten Betrag haftet. Auf die Vertheilung finden die Vorschriften der §§.
875, 876, 878 entsprechende Anwendung.
§. 1133. Ist in Folge einer Verschlechterung des Grundstücks die
Sicherheit der Hypothek gefährdet, so kann der Gläubiger dem Eigenthümer eine
angemessene Frist zur Beseitigung der Gefährdung bestimmen. Nach dem Ablaufe
der Frist ist der Gläubiger berechtigt, sofort Befriedigung aus dem Grundstücke
zu suchen, wenn nicht die Gefährdung durch Verbesserung des Grundstücks oder
durch anderweitige Hypothekenbestellung beseitigt worden ist. Ist die Forderung
unverzinslich und noch nicht fällig, so gebührt dem Gläubiger nur die Summe,
welche mit Hinzurechnung der gesetzlichen Zinsen für die Zeit von der Zahlung
bis zur Fälligkeit dem Betrage der Forderung gleichkommt.
§. 1134. Wirkt der Eigenthümer oder ein Dritter auf das Grundstück in
solcher Weise ein, daß eine die Sicherheit der Hypothek gefährdende
Verschlechterung des Grundstücks zu besorgen ist, so kann der Gläubiger auf
Unterlassung klagen.
Geht die Einwirkung von dem Eigenthümer aus, so hat das Gericht auf
Antrag des Gläubigers die zur Abwendung der Gefährdung erforderlichen Maßregeln
anzuordnen. Das Gleiche gilt, wenn die Verschlechterung deshalb zu besorgen
ist, weil der Eigenthümer die erforderlichen Vorkehrungen gegen Einwirkungen
Dritter oder gegen andere Beschädigungen unterläßt.
§. 1135. Einer Verschlechterung des Grundstücks im Sinne der §§. 1133,
1134 steht es gleich, wenn Zubehörstücke, auf die sich die Hypothek erstreckt,
verschlechtert oder den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft zuwider von
dem Grundstück entfernt werden.
§. 1136. Eine Vereinbarung, durch die sich der Eigenthümer dem Gläubiger
gegenüber verpflichtet, das Grundstück nicht zu veräußern oder nicht weiter zu
belasten, ist nichtig.
§. 1137. Der Eigenthümer kann gegen die Hypothek die dem persönlichen
Schuldner gegen die Forderung sowie die nach §. 770 einem Bürgen zustehenden
Einreden geltend machen. Stirbt der persönliche Schuldner, so kann sich der
Eigenthümer nicht darauf berufen, daß der Erbe für die Schuld nur beschränkt
haftet.
Ist der Eigenthümer nicht der persönliche Schuldner, so verliert er eine
Einrede nicht dadurch, daß dieser auf sie verzichtet.
§. 1138. Die Vorschriften der §§. 891 bis 899 gelten für die Hypothek
auch in Ansehung der Forderung und der dem Eigenthümer nach §. 1137 zustehenden
Einreden.
§. 1139. Ist bei der Bestellung einer Hypothek für ein Darlehen die
Ertheilung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen worden, so genügt zur Eintragung
eines Widerspruchs, der sich darauf gründet, daß die Hingabe des Darlehens
unterblieben sei, der von dem Eigenthümer an das Grundbuchamt gerichtete
Antrag, sofern er vor dem Ablauf eines Monats nach der Eintragung der Hypothek
gestellt wird. Wird der Widerspruch innerhalb des Monats eingetragen, so hat
die Eintragung die gleiche Wirkung, wie wenn der Widerspruch zugleich mit der
Hypothek eingetragen worden wäre.
§. 1140. Soweit die Unrichtigkeit des Grundbuchs aus dem Hypothekenbrief
oder einem Vermerk auf dem Briefe hervorgeht, ist die Berufung auf die
Vorschriften der §§. 892, 893 ausgeschlossen. Ein Widerspruch gegen die
Richtigkeit des Grundbuchs, der aus dem Briefe oder einem Vermerk auf dem
Briefe hervorgeht, steht einem im Grundbuch eingetragenen Widerspruche gleich.
§. 1141. Hängt die Fälligkeit der Forderung von einer Kündigung ab, so
ist die Kündigung für die Hypothek nur wirksam, wenn sie von dem Gläubiger dem
Eigenthümer oder von dem Eigenthümer dem Gläubiger erklärt wird. Zu Gunsten des
Gläubigers gilt derjenige, welcher im Grundbuch als Eigenthümer eingetragen
ist, als der Eigenthümer.
Hat der Eigenthümer keinen Wohnsitz im Inland oder liegen die
Voraussetzungen des §. 132 Abs. 2 vor, so hat auf Antrag des Gläubigers das
Amtsgericht, in dessen Bezirke das Grundstück liegt, dem Eigenthümer einen
Vertreter zu bestellen, dem gegenüber die Kündigung des Gläubigers erfolgen
kann.
§. 1142. Der Eigenthümer ist berechtigt, den Gläubiger zu befriedigen,
wenn die Forderung ihm gegenüber fällig geworden oder wenn der persönliche
Schuldner zur Leistung berechtigt ist.
Die Befriedigung kann auch durch Hinterlegung oder durch Aufrechnung
erfolgen.
§. 1143. Ist der Eigenthümer nicht der persönliche Schuldner, so geht,
soweit er den Gläubiger befriedigt, die Forderung auf ihn über. Die für einen
Bürgen geltenden Vorschriften des §. 774 Abs. 1 finden entsprechende Anwendung.
Besteht für die Forderung eine Gesammthypothek, so gelten für diese die
Vorschriften des §. 1173.
§. 1144. Der Eigenthümer kann gegen Befriedigung des Gläubigers die
Aushändigung des Hypothekenbriefs und der sonstigen Urkunden verlangen, die zur
Berichtigung des Grundbuchs oder zur Löschung der Hypothek erforderlich sind.
§. 1145. Befriedigt der Eigenthümer den Gläubiger nur theilweise, so
kann er die Aushändigung des Hypothekenbriefs nicht verlangen. Der Gläubiger
ist verpflichtet, die theilweise Befriedigung auf dem Briefe zu vermerken und
den Brief zum Zwecke der Berichtigung des Grundbuchs oder der Löschung dem
Grundbuchamt oder zum Zwecke der Herstellung eines Theilhypothekenbriefs für
den Eigenthümer der zuständigen Behörde oder einem zuständigen Notare
vorzulegen.
Die Vorschrift des Abs. 1 Satz 2 gilt für Zinsen und andere
Nebenleistungen nur, wenn sie später als in dem Kalendervierteljahr, in welchem
der Gläubiger befriedigt wird, oder dem folgenden Vierteljahre fällig werden.
Auf Kosten, für die das Grundstück nach §. 1118 haftet, findet die Vorschrift
keine Anwendung.
§. 1146. Liegen dem Eigenthümer gegenüber die Voraussetzungen vor, unter
denen ein Schuldner in Verzug kommt, so gebühren dem Gläubiger Verzugszinsen
aus dem Grundstücke.
§. 1147. Die Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstück und den
Gegenständen, auf die sich die Hypothek erstreckt, erfolgt im Wege der
Zwangsvollstreckung.
§. 1148. Bei der Verfolgung des Rechtes aus der Hypothek gilt zu Gunsten
des Gläubigers derjenige, welcher im Grundbuch als Eigenthümer eingetragen ist,
als der Eigenthümer. Das Recht des nicht eingetragenen Eigenthümers, die ihm
gegen die Hypothek zustehenden Einwendungen geltend zu machen, bleibt
unberührt.
§. 1149. Der Eigenthümer kann, solange nicht die Forderung ihm gegenüber
fällig geworden ist, dem Gläubiger nicht das Recht einräumen, zum Zwecke der
Befriedigung die Uebertragung des Eigenthums an dem Grundstücke zu verlangen
oder die Veräußerung des Grundstücks auf andere Weise als im Wege der
Zwangsvollstreckung zu bewirken.
§. 1150. Verlangt der Gläubiger Befriedigung aus dem Grundstücke, so
finden die Vorschriften der §§. 268, 1144, 1145 entsprechende Anwendung.
§. 1151. Wird die Forderung getheilt, so ist zur Aenderung des
Rangverhältnisses der Theilhypotheken unter einander die Zustimmung des
Eigenthümers nicht erforderlich.
§. 1152. Im Falle einer Theilung der Forderung kann, sofern nicht die
Ertheilung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen ist, für jeden Theil ein
Theilhypothekenbrief hergestellt werden; die Zustimmung des Eigenthümers des
Grundstücks ist nicht erforderlich. Der Theilhypothekenbrief tritt für den
Theil, auf den er sich bezieht, an die Stelle des bisherigen Briefes.
§. 1153. Mit der Uebertragung der Forderung geht die Hypothek auf den
neuen Gläubiger über.
Die Forderung kann nicht ohne die Hypothek, die Hypothek kann nicht ohne
die Forderung übertragen werden.
§. 1154. Zur Abtretung der Forderung ist Ertheilung der
Abtretungserklärung in schriftlicher Form und Uebergabe des Hypothekenbriefs
erforderlich; die Vorschriften des §. 1117 finden Anwendung. Der bisherige
Gläubiger hat auf Verlangen des neuen Gläubigers die Abtretungserklärung auf
seine Kosten öffentlich beglaubigen zu lassen.
Die schriftliche Form der Abtretungserklärung kann dadurch ersetzt
werden, daß die Abtretung in das Grundbuch eingetragen wird.
Ist die Ertheilung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen, so finden auf die Abtretung der Forderung die Vorschriften der §§. 873, 878 entsprechende Anwendu