[0001]

[0002]

[0003]

Gottfried Achenwalls

auſſerord. Lehrers der Weltw. zu Goͤttingen

Abriß

der neueſten

Staatswiſſenſchaft

der vornehmſten Europaͤiſchen

Reiche und Republicken

zum Gebrauch

in ſeinen

Academiſchen Vorleſungen.

[Abbildung]

Goͤttingen,

bey Joh. Wilhelm Schmidt, Univ. Buchhaͤndl.

1749.

[0004]

[0005]

Dem

Hochgebohrnen Freyherrn

Herrn

Serlach Adolph

von Muͤnchhauſen,

Koͤniglich Groß-Britanniſchen

und Chur-Braunſchweig-Luͤneburgiſchen

Hochbetrauten

wuͤrklichen Geheimen Rathe

und Groß-Voigte

wie auch der Georg-Auguſt-Univerſitaͤt

Hoͤchſtanſehnlichen und Hoͤchſtverdienten

Curatoren

Erbherrn auf Strausfurt c.

Meinem gnaͤdigen Herrn,

[0006]

[0007]

Hochgebohrner Freyherr,

Gnaͤdiger Herr,

Eure Hochgebohrne Ex-

cellenz geruhen gnaͤdig,

Sich dieſe geringe Blaͤtter von mir

in unterthaͤnigſter Ehrfurcht uͤberrei-

chen

):( 3

[0008]

chen zu laſſen. Es iſt Hochde-

nenſelben durch eine vieljaͤhrige

Gewohnheit ſo natuͤrlich geworden,

alles, was nur einen Trieb zur Ge-

lehrſamkeit anzeiget, mit huldreichem

Angeſicht aufzunehmen, daß ich be-

fuͤrchten muͤßte, an Hochdero nie

genug zu preiſenden Leutſeeligkeit

mich zu verſuͤndigen, wenn ich Ent-

ſchuldigungen daruͤber machen woll-

te, daß ich mich erkuͤhnet, Dero

Erlauchten Ramen gegenwaͤr-

tiger Schrift vorzuſetzen. Das

Vertrauen auf dieſe verehrungs-

wuͤrdige Huld koͤnnte mir mit

hundert andern, die ſich draͤngen,

Hochdenenſelben ihre gelehrte

Bemuͤhungen zu widmen, hinlaͤnglich

ſeyn,

[0009]

ſeyn, mein Unternehmen zu rechtfer-

tigen. Allein, warum ſollte ich der-

gleichen Rechtfertigung ſuchen, da

ich vielmehr mich gluͤcklich ſchaͤtze, oͤf-

fentlich bekennen zu koͤnnen, daß die

von Eurer Hochgebohrnen

Excellenz mir ganz unverdient zu-

flieſſende unſchaͤtzbare Wohlthaten

dieſe ehrfurchtsvolle Zueignung mir

als eine unumgaͤngliche Schuldigkeit

auflegen. Die Groͤſſe der empfan-

genen Gnadensbezeugungen kann ich

mit Worten nicht ausmeſſen, noch viel

weniger darf ich gedenken, an den

Ruhm Hochdero erhabenen Ei-

genſchaften mich zu wagen. Alles,

wodurch ich mein dankbegieriges

Herz ausſchuͤtten kann, beſtehet in

den

):( 4

[0010]

den treuen Wuͤnſchen vor Hoch-

dero ungekraͤnktes Wohl, und in

der ehrerbietigen Verſicherung, daß

ich in unwandelbarem Gehorſam er-

ſterbe

Eurer Hochgebohrnen

Excellenz

unterthaͤnigſter Knecht,

Gottfried Achenwall.

[0011]

Mein Leſer,

Hier haſt du eine neue Einlei-

tung in die Staatswiſſenſchaft

der vornehmſten Europaͤiſchen

Reiche. Sie iſt aus dreyjaͤhrigen Vor-

leſungen entſtanden, die ich zuerſt in

Marburg, und hernach auf hieſiger Uni-

verſitaͤt daruͤber angeſtellt. Jch entwarf

anfangs kurze Saͤtze, ich verbeſſerte

ſolche nach und nach, und fand Urſa-

che, bey dieſem einmal erwaͤhlten Leit-

faden meiner Statiſtiſchen Stunden

beſtaͤndig zu bleiben. Bey meiner An-

kunft alhier zeigte ich den Plan, wor-

nach

):( 5

[0012]

Vorrede.

nach ich jeden Staat abhandle, und

die Ordnung, nach welcher ich die ein-

zelne Theile der Staatskenntniß ein-

richte, in der Vorbereitung zu dieſer

Staatswiſſenſchaft an. Jch habe ſol-

che mit einigen Veraͤnderungen wie-

der abdrucken, und in gegenwaͤrtiger

Schrift voran ſetzen laſſen, weil ſie

ſtatt einer Tabelle zu den Hauptbe-

trachtungen eines jeden Reiches dienen

kann. Denn nach dieſem Grundriſſe

ſind die hierinnen enthaltene Staaten

ausgearbeitet. Verſchiedene Bewe-

gungsgruͤnde haben mich theils gemuͤſ-

ſiget, theils angefriſcht, dieſe Einlei-

tung fruͤhzeitiger dem Drucke zu uͤber-

geben, als ich ſonſt geſonnen war.

Nim alſo vorlieb mit dem, was ich dir

uͤberliefere. Forderſt du etwas voll-

kommenes, ſo lege meine Blaͤtter zu-

ruͤck. Verlangeſt du etwas weniger

mangelhaftes, ſo mußt du warten. Jch

ſammle fleißig an Vermehrungen, Zu-

ſaͤtzen und Verbeſſerungen, und ich

hoffe dir ſolche kuͤnftig in einem An-

hange zu uͤberreichen. Jch geſtehe dir

offenberzig, daß ich in keinem von den

hier

[0013]

Vorrede.

hier beſchriebenen Staaten mich per-

ſoͤnlich aufgehalten, auch nicht alle

hierinnen einſchlagende, ſondern nur

diejenige Buͤcher gebraucht, die ich an-

fuͤhre. Aber dieſes ſage ich zu meiner

Entſchuldigung: deßwegen haſt du

noch kein Recht, meine Abſicht und

meine Arbeit ganz zu verwerfen. Ge-

ſetzt, du uͤberſaͤheſt mich ſehr weit in

einem Staate, darinnen du viele Jah-

re gegenwaͤrtig geweſen, oder welches

genauer kennen zu lernen du mehrere

Zeit und Gelegenheit gehabt, als ich:

ſo darfſt du nur bedenken, daß ich meh-

rere Reiche haben abhandeln muͤſſen,

daß ich weniger Zeit darauf habe wen-

den koͤnnen, daß ich einen Abriß, keine

Ausfuͤhrung geſchrieben, daß ich eini-

ges vielleicht mit Fleiß nicht ſchreiben

wollen, und daß endlich etwas nicht zu

wiſſen, daß man noch nicht wiſſen koͤn-

nen, kein Verbrechen ſey.

Jch ſehe die Welt aus meinem Ge-

ſichtspuncte, du aus einem andern:

warum ſollteſt du nicht manches beſſer

erkennen koͤnnen, als ich, da du ver-

ſchiedene mir entfernete und dunkele

Staats-

[0014]

Vorrede.

Staatsgegenſtaͤnde naͤher haſt, und in

ihrem Licht ſehen kanſt.

Was ich nicht weiß, lehre mich,

was du beſſer kennſt, davon unterrichte

mich, oͤffentlich oder im Vertrauen, es

iſt mir einerley: ich werde dir allezeit

davor Dank wiſſen. Jch ſuche meinen

Zuhoͤrern und dem Teutſchen Leſer zu

dienen. Haͤltſt du meine vorliegende

Bemuͤhung dazu nicht ganz ungeſchickt,

und haſt du ſo viel Neigung vor das

gemeine Beſte und ſo viel Gewogenheit

vor mich, ſo bereichere meine Saͤtze mit

deinen Anmerkungen, und lebe uͤbri-

gens wohl. Goͤttingen, den 12. April, 1749.

Vor-

[0015]

Vorbereitung.

1. IOANNIs ANDREAE BOSII introdu-

ctio generalis in notitiam rerum publicarum orbis

vniuerſi, lenae 1676. 4.

2. Fridrichs Leutholfs von Franckenberg (Bern-

hards von Zech) Europaͤiſcher Herold, 2 Theile,

Leipzig 1705, Fol im Vorbericht

3. IOANNI NICOLAI HERTII diſſ. de

notitia ſingularis rei publicae, vol. I. tom.

II. commentationum atque opusculorum pag. 3.

4. EVERHARDI OTTONIS notitia praeci-

puarum Europae rerum publicarum, ed. IV.

Traiecti ad Rhenum 1739. 8 in prolegominis.

§. 1.

Der Begriff der ſogenannten Statistic, das

iſt, der Staatswiſſenſchaft einzelner Rei-

che wird ſehr verſchiedentlich angegeben, und man

trifft unter der groſſen Menge Schriften davon

nicht leicht eine einzige an, welche in der Zahl

und Ordnung ihrer Theile mit der andern uͤ-

berein

A

[2/0016]

Vorbereitung zur

berein kommen ſollte. Es iſt alſo nicht undien-

lich, dasjenige, was man ſich unter dieſem

Namen eigentlich vorzuſtellen hat, und was

in ihrem Umfange enthalten iſt, zu unterſuchen,

und die natuͤrliche Einrichtung und Verbin-

dung ihrer Abtheilungen feſt zu ſetzen.

§. 2.

Aus dem Natur- und Voͤlker-Rechte

wiſſen wir, was eine buͤrgerliche Geſellſchaft

oder Republick iſt. Man erklaͤrt ſie als ei-

ne Geſellſchaft vieler Familien, welche zu Be-

foͤrderung ihrer gemeinſamen Wohlfahrt ver-

mittelſt einer Regierung miteinander vereiniget

ſind. Jnsbeſondere nennt man ſolche ein Reich,

wenn eine einzelne Perſon regiert, der al-

le andere unterworffen ſind; hergegen, wenn ei-

ne ganze Geſellſchaft darinnen zu befehlen hat,

heißt ſolche im engern Verſtande ein Freyſtaat

oder eine Republick.

§. 3.

Dieſe Begriffe helfen uns, das Wort

Staat deutlich zu erkennen. Man ſtellet ſich

darunter verſchiedenes vor: bald eine jede buͤr-

gerliche Geſellſchaft, bald eine freye buͤrger-

liche Geſellſchaft, das iſt, die auſſer ihrem eige-

nen Oberhaupte weiter keinem menſchlichen Be-

fehle unterthaͤnig iſt, bald eine Republick, wo

viele zugleich das Regiment fuͤhren, und bis-

weilen

[3/0017]

Staatswiſſenſchaft.

weilen auch das Regierungsweſen, wenn es

ſo viel als Staatsverfaſſung bedeutet. Aber

in dem Worte Staatswiſſenſchaft hat es ei-

ne ganz andre Bedeutung. Dieſe macht ſich

nicht bloß mit Menſchen; ſondern auch mit ih-

rem Eigenthum zuſchaffen. Wir werden alſo

wohl den Staat als den Jnbegriff alles deſ-

ſen anſehen muͤſſen, was in einer buͤrgerli-

chen Geſellſchaft und deren Lande wuͤrckliches

angetroffen wird?

§. 4.

Jm weitlaͤuftigſten Verſtande kann man

dieſe Erklaͤrung gelten laſſen; aber unſere Ab-

ſicht erfordert, ſolche mehr einzuſchraͤncken. Man

will etwas lernen: alſo hat man einen Endzweck.

Der Endzweck muß einen wahren Nutzen zum

Grunde haben. Wie wird uns denn die Er-

kenntniß eines Staats nuͤtzlich? Auf vielerley

Art; der Hauptnutzen aber beſtehet darinnen,

daß man hieraus einſehen lernt, wie gluͤckſee-

lig oder ungiuͤckſeelig ein Reich ſey, ſo wohl an

ſich ſelbſt betrachtet, als in Abſicht auf andere

Staaten, und dadurch in den Stand geſetzt

wird, Schluͤſſe zu formiren, wie ein

Staat kluͤglich zu regieren ſey, das heißt, um

davon eine Anwendung in der Politic zu ma-

chen. Alſo gehoͤret nur dasjenige hieher, was

die Wohlfahrt einer Republic in einem merck-

lichen Grade angeht, es mag nun ſolche hin-

dern

A 2

[4/0018]

Vorbereitung zur

dern oder befoͤrdern, und dieſes nennen wir

mit einem Worte: was merckwuͤrdig iſt.

Dieſes wollen wir gruͤndlich einſehen, folglich

aus ſeinen Urſachen erkennen, und alſo eine

Wiſſenſchaft davon erlangen. Da haben wir,

was wir ſuchen. Die Saatswiſſenſchaft ei-

nes Reiches enthaͤlt eine gruͤndliche Kentniß der

wuͤrklichen Merkwuͤrdigkeiten einer buͤrgerlichen

Geſellſchaft.

§. 5.

Es bemuͤht ſich alſo jemand, aus dem un-

zaͤhlbaren Haufen derer Sachen, die man in

einem Staatscoͤrper antrifft, dasjenige ſorgfaͤl-

tig herauszuſuchen, was die Vorzuͤge oder Maͤn-

gel eines Landes anzeigt, die Staͤrke oder

Schwaͤche eines Staats darſtellt, den Glanz

einer Crone verherrlichet oder verdunkelt, den

Unterthan reich oder arm, vergnuͤgt oder miß-

vergnuͤgt; die Regierung beliebt oder verhaßt;

das Anſehen der Majeſtaͤt in- und außerhalb

des Reichs furchtbar oder veraͤchtlich macht,

was einen Staat in die Hoͤhe bringt, den an-

dern erſchuͤttert, den dritten zu Grunde rich-

tet, einem die Dauer, dem andern den Um-

ſturtz prophezeyet, kurtz alles, was zu gruͤnd-

licher Einſicht eines Reichs, und zu vortheil-

hafter Anwendung im Dienſte ſeines Landes-

herrn etwas beytragen kann: was erlangt ein

ſolcher? die Staaswiſſenſchaft eines Rei-

ches.

* Die

[5/0019]

Staatswißenſchaft.

* Die Lateiner nennen es notitiam reipublicae

ſingularis, und ſondern es alſo von der allgemeinen

Staatswiſſenſchaft ab. Es iſt ſolches wohl zu mer-

cken. Die letztere erweiſet, wie eine buͤrgerliche Ge-

ſellſchaft uͤberhaupt eingerichtet ſoll: die erſtere aber

erzehlet, wie eineſolche einzelne groſſe Geſellſchaft in

ihrer ganzen Verfaſſung wuͤrcklich eingerichtet iſt.

§. 6.

Jhr Umfang bleibt alſo noch allemal ſehr

weitlaͤuftig, und weitlaͤuftiger, als daß man

ſolchen nebſt allen ſeinen Theilen gleichſam mit

einem Maaßſtaabe voͤllig ausmeſſen koͤnnte.

Deswegen nenne ich nur dasjenige merckwuͤrdig,

was das Wohl eines Reichs in einem merck-

lichen Grade angehet, und ſetze alſo zur Haupt-

regel: je mehr etwas die Wohlfahrt eines gan-

zen Reichs betrifft: je nothwendiger wird deſ-

ſen Erlaͤuterung in der Staatswiſſenſchaft.

§. 7.

Man muß alſo aus den unendlichen Merck-

wuͤrdigkeiten die nothwendigſten heraus neh-

men, ohne welche die wahre Beſchaffenheit der

Wohlfahrt einer Nation nicht begriffen werden

kann. Dieſe ſetze man zu ſeiner Betrachtung

aus, und ſtecke ihre Grenzen ab: ſo laͤßt ſich

der ganze Bezirk endlich uͤberſehen und durch-

wandern, und es kommt nur darauf an, daß

man denjenigen Weg erwaͤhlt, welchen uns die

Natur

A 3

[6/0020]

Vorbereitung zur

Natur in einer geſchickten und ordentlichen Lehr-

art zeiget.

§. 8.

Die vergangene Begebenheiten eines Reichs

ſind die Quellen, woraus deſſen jetziger Zuſtand

unmittelbar flieſſet. Daher ſetzet die Staats-

wiſſenſchaft unwiderſprechlich eine Kenntniß des

Urſprungs und der Hauptveraͤnderungen eines

Reichs voraus. Die Geſchichte der Staats-

veraͤnderungen (Revolutionen) eines Reichs

iſt alſo das erſte, was in der Staatswiſſen-

ſchaft eines jeden Volks abgehandelt werden

muß. Man geht ſolche nach gewiſſen Periodis

in einem kurzen Zuſammenhange durch, um ſich

einen Begriff uͤberhaupt zu machen, wie ein

Reich durch ſeine verſchiedene Abwechſelungen

endlich die heutige Geſtalt erlanget. Zweyerley

iſt hiebey hauptſaͤchlich zu eroͤrtern: 1) die Ver-

aͤnderungen der Regierungsform, 2) die Ver-

aͤnderungen der Provinzen, welche nach und nach

entweder einem Staate zugefallen, oder davon

abgekommen. Jn den erblichen Monarchien

muͤſſen noch 3) die Veraͤnderungen der Fami-

lien, welche den Thron beſeſſen, beygefuͤgt

werden. Alle uͤbrige beſondere Begebenbeiten

eines Staats uͤberlaſſen wir der eigentlich ſo

genannten Hiſtorie. Die Revolutionen mit ih-

ren Urſachen und Folgen ſind zu unſerm End-

zwecke allein noͤthig, und zugleich hinlaͤnglich:

es mag

[7/0021]

Staatswiſſenſchaft.

es mag ſolche der Zuhoͤrer als eine Vorbereitung,

oder als eine kurtze Wiederhohlung der ganzen

Geſchichte anſehen.

§. 9.

Mit dieſem Wegweiſer fangen wir nun

an, die fuͤrnehmſten Merkwuͤrdigkeiten eines

Reichs in Augenſchein zu nehmen. Alles, was

wir darinnen antreffen, laͤßt ſich in zween Haupt-

puneten zuſammen faſſen. Man betrachtet ent-

weder ein Reich vor ſich allein, oder verſchie-

dene Reiche mit einander. Jenes macht den

eigentlichen Staat eines Reiches aus; dieſes

aber lehrt uns das Verhaͤltniß der Reiche ge-

gen einander erkennen, und muß beſonders

traetirt werden.

§. 10.

Der erſte Anblick der vielen Merkwuͤrdig-

keiten eines Reiches, wenn man es an ſich ſelbſt

betrachtet, kommt mir wie ein Jrrgarten vor.

Ein jeder, der den rechten Gang nicht weiß,

nimmt ſeine beſondere Wege. Herein kommt

man leicht: aber wie findet man ſich heraus?

Man muß alles in zwo Claſſen abſondern. Ein

Reich beſtehet aus Land und Leuten. Unter

dieſe beyde Begriffe laͤſſet ſich alles bringen.

§. 11.

Wenn ich hier Land (Territorium) nen-

ne,

A 4

[8/0022]

Vorbereitung zur

ne, ſo verſtehe ich darunter einen gewiſſen Theil

des Erdbodens, welchen ein Volck eigenthuͤmlich

beſitzet. Die Gewaͤſſer ſind davon nicht ausge-

ſchloſſen. Was unter und uͤber der Flaͤche des

Erdbodens iſt, ſo fern es in einer Verbindung

mit dem Lande ſtehet, und ihm und ſeinen Ein-

wohnern Vortheil oder Schaden bringt, gehoͤrt

hieher.

§. 12.

Zum Lande eines Volkes rechnet man ſo-

wohl ſeinen eigentlichen Sitz, welcher mit der

Nation einerley Nahmen fuͤhret; als die ande-

re hinzugekommene Stuͤcke. (Acceſſiones.)

§. 13.

Die Betrachtung des Stammſitzes eines

Volks begreift uͤberhaupt ſeine Lage, Clima,

Groͤſſe, Grenzen, Fluͤſſe, Seen, Meere und

Meerengen, Berge und Felder, und die damit

verknuͤpfte Vortheile oder Maͤngel, Ueberfluß

oder Abgang an Fiſchen und ſchiffreichen Stroͤ-

men, Salz, Baͤdern und Geſundbrunnen; an

Metallen, Mineralien und Weinbergen; an

Feld- und Garten-Fruͤchten; an Holz, Vieh-

zucht, Fluͤgelwerk und Wildbret.

§. 14.

Jnsbeſondere aber gehoͤret noch hieher die

Eintheilung in Provinzen, die Staͤdte, Feſtun-

gen

[9/0023]

Staatswiſſenſchaft.

gen und Seehaͤfen, die Zuſammenleitung der

Fluͤſſe und Vereinigung der Meere.

* Man kan hiebey Gelegenheit uehmen, ſich in der

Reſidenz, den Luſtſchloͤſſern nnd Erbbegraͤbniſſen um-

zuſehen, auch der Ueberbleibſel der Roͤmiſchen und

anderer Alterthuͤmer zu erwehnen.

§. 15.

Aus den erworbenen Laͤndern, ſie moͤgen

in- oder auſſerhalb Europa liegen, erkennet man

bald die gluͤcklichen Heyrathen und Erbſchaften

eines Regenten, bald den kriegeriſchen oder Han-

delsgeiſt eines Volks. Man ſchildert ihre na-

tuͤrliche oder durch Fleiß vermehrte Vortheile auf

gleichmaͤßige Art ab. Man haͤlt ſolche mit dem

Stammſitze einer Nation zuſammen, und findet

Staaten, die ihr ganzes Anſehen hinter der Linie

herhohlen, man findet andere, deren entferntes

Eigenthum ihnen zur Laſt gereicht, und deren

Wohl dadurch gehemmet wird, daß ſie zu viel

beſitzen.

1. Hr. Prof. Koͤhler in der verbeſſerten neuen

Geographie, Johann Huͤbner in der vollſtaͤndi-

gen Geographie, und der Abt LENGLET DV FRESNOY

in ſeiner Methode pour étudier la Geographie VII.

tomes III. ed. à Paris 1742. 12. geben nebſt verſchie-

denen andern gute Anleitung zu dieſer Wiſſenſchaft.

2. Le grand dictionnaire geographique et criti-

que par M. BRVZEN LA MARTINIERE VIII. tomes,

à la Haye, Amſterdam et Rotterdam 1726-39. f. Die-

ſes Werk wird ſeit 1744. zu Leipzig unter dem Titul:

Hi-

A 5

[10/0024]

Vorbereitung zur

Hiſtoriſch-Politiſch-Geographiſcher Atlas,

teutſch uͤberſetzt und vermehrt.

3. Von der Wahl der Landeharten iſt Johann Huͤb-

ners Muſeum geographicum, und oberwehnter du

FRESNOY t. I. nachzuſchlagen.

4. La galerie agreable du monde, LXVI. tomes,

le tout mis en ordre & executé par PIERRE VAN

DER AA, à Leide, f.

§. 16.

So viel mag genug ſeyn, vom Lande zu wiſ-

ſen. Nunmehr wollen wir auch mit den Ein-

wohnern Bekanntſchaft machen. Die Menſchen

ſind in allen Staatsbetrachtungen das Hauptziel.

Wir muͤſſen nichts Merkwuͤrdiges von ihnen aus-

laſſen. Man kan ſie von zwo Seiten beſchauen.

Von der erſten erblicken wir ſie bloß als natuͤr-

liche Menſchen; von der andern ſtellen ſie ſich

als Mitglieder eines gemeinſchaftlichen Staats-

coͤrpers, als Buͤrger dar.

§. 17.

Bey den natuͤrlichen Eigenſchaften ei-

nes Volks pflegt man ihre Sprache mit abzu-

handeln. Dieſes Volk hat ſeine eigene Spra-

che, jenes hat ſie von andern geborgt. Man

findet Laͤnder, deren Sprache, wie ihre Ein-

wohner, aus verſchiedenen andern zuſammen ge-

ſchmolzen iſt. Man darf die Sprache in den

meiſten Reichen nur kurz beruͤhren: weil ſie bloß

da

[11/0025]

Staatswiſſenſchaft.

da gewiſſe Staatsvortheile bringt, wo man ſie

brauchet, um andern ein ſchleichendes Gift in

dieſer Modeſchuͤſſel zu reichen.

§. 18.

Die Vielheit der Einwohner eines Reichs

iſt ein weit betraͤchtlicherer Punct, und die erſte

Grundſaͤule eines Reichs. Man reiſe die Eu-

ropaiſche Laͤnder durch, ſo wird man den Un-

terſchied in der Anzahl der Menſchen mit Erſtau-

nen wahrnehmen. Hier muß man ſich durch

eine unzaͤhlige Menge durchdraͤngen: dort hat

man Noth, Menſchen zu finden. Die Urſachen

dieſer Unaleichheit ſind nicht uͤberall einerley.

Man muß ſie ſorgfaͤltig ausſpuͤren, um die wah-

ren Mittel, dem Mangel abzuhelffen, ausfindig

machen zu koͤnnen.

1. Johann Peter Suͤßmilch von der goͤttlichen

Ordnung in den Veraͤnderungen des menſchlichen

Geſchlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflan-

zung deſſelben erwieſen, Berlin 1741. 8.

§. 19.

Jnsbeſondere hat man ſowohl auf die na-

tuͤrlichen Gaben einer Nation; als auf deren

Anwendung, um ſich gluͤcklich zu machen, ſein

Augenmerk zu richten.

§. 20.

Die natuͤrliche Gaben aͤuſſern ſich an ih-

rem

[12/0026]

Vorbereitung zur

rem Coͤrper und an ihrem Gemuͤthe. Eine je-

de Nation hat hierinnen etwas eigenes. Man

unterſucht dasjenige, worinnen die meiſten ein-

ander aͤhnlich ſind, und druͤcket es in allgemei-

nen Saͤtzen aus. Es iſt aber nur ein wahr-

ſcheinlicher Schluß.

* Man darf es alſo von einzelnen Perſonen nicht

mit Gewißheit bejahen. Man findet uͤberall geſunde

und ktanke, geſcheute und thoͤrichte, tugendliebende

und laſterhafte Menſchen. Durch die Erziehung, das

Alter, die groſſe Welt, die Wiſſenſchaften und Aus-

uͤbung der Sittenlehre wird ein Menſch in eine ganz

andere Form gegoſſen.

§. 21.

Aus der Schoͤnheit und Dauer ſchaͤtzt man

die Vollkommenheit eines menſchlichen Leibes.

Wie verſchieden ſind nicht die Voͤlker in der

Farbe, Laͤnge und Staͤrke! Man hat ſo gar

Krankheiten, die gewiſſen Nationen eigen ſind.

Das Clima, Speiſe und Trank und die harte

oder zaͤrtliche Lebensart traͤgt hiezu das meiſten

bey.

§. 22.

Man bildet die Nationen auch nach ihrem

Gemuͤthe ab. Es iſt nicht zu leugnen, daß

nachdem die Temperamente verſchieden ſind, ein

Volck mehr Witz oder mehr Tiefſinnigkeit habe,

und geſchwinder oder langſamer denke, rede und

handele. Die Affecten ſind eben ſo wenig uͤber-

all

[13/0027]

Staatswiſſenſchaft.

all einerley, und aus den verſchiedenen Neigun-

gen der Wolluſt, des Ehrgeitzes, der Geldbe-

gierde oder Sorgloſigkeit erwachſen beſondere

Gewohnheiten, welche man die Tugenden oder

Laſter der Nationen zu nennen pflegt. Sie aͤuſ-

ſern ſich hauptſaͤchlich in Ausuͤbung der Pflichten,

ſowohl gegen ſich ſelbſt, als gegen andere.

* Man ſehe nur ihre Lebensart bey Tiſche, in der

Kleidung und in ihren Luſtbarkeiten an. Man be-

merke, wie ſie ſich im Eheſtande und der Kinderzucht

verhalten, wie ſie ſich gegen ihre Obern und Untern

und gegen Fremde auffuͤhren.

¹. IOANNIS BARCLAII icon animorum cum

notis AVGVSTI BVCHNERI, Dresdae 1681. 8.

§ 23.

Dieſe Unterſuchungen ſind nicht ohne Nu-

tzen; ſie werden uns aber ſonderlich brauchbar,

um daraus zu begreifen, was die Voͤlker fuͤr

verſchiedene Mittel ergreifen, ſich gluͤcklich zu

machen, und wie weit ſie darinnen ihren Zweck

erreichen oder nicht? Ueberall blickt ihr Chara-

eter hervor, man mag ihren Fleiß in Wiſſen-

ſchaften und Kuͤnſten, oder in andern Be-

muͤhungen betrachten.

§. 24.

Man forſcht nach, ob? und was fuͤr

Wiſſenſchaften und freyen Kuͤnſte ein Volk

ſonderlich treibe? was fuͤr herrliche oder ſchlech-

te

[14/0028]

Vorbereitung zur

te Anſtalten auf Schulen, Uniuerſitaͤten, Rit-

ter- und Kunſt-Aeademien, und in Anſehung

oͤffentlicher Bibliothecken und gelehrter Geſell-

ſchaften zu deren Befoͤrderung anzutreffen ſeyn?

wie weit es ein Volk darinnen gebracht, und

was fuͤr Maͤnner ihm beſonders Ehre machen?

1. CHRISTOPHORI AVGVSTI HEV-

MANNI conſpectut reipublicae litterariae, cap.

IV.

§. 25.

Die Sorgfalt oder Schlaͤfrigkeit einer Na-

tion in andern Arbeiten kan man hauptſaͤch-

lich aus ihren Handwercken und Commercien

erkennen.

§. 26.

Der Bauer empfaͤngt den Seegen der

Natur aus der erſten Hand. Was nicht ver-

zehrt wird, liefert er entweder dem Handwerks-

mann, um es zum allgemeinen Nutzen zuzube-

reiten, oder dem Handelsmann, um es aus-

waͤrts zu verfuͤhren. Ob und was fuͤr rohe

Materialien im Lande verarbeitet werden? wie

geringe oder anſehnlich die Manufacturen ſind?

muß unumgaͤnglich ausgefuͤhret werden. Denn

dieſes macht die wichtigſte Vorzuͤge eines Rei-

ches vor dem andern aus.

1. Paul

[15/0029]

Staatswiſſenſchaft.

1. Paul Jacob Marpergers neueroͤfnetes

Manufacturen-Haus, Hamburg 1704. 12.

2. George Heinrich Zinkens Teutſches Real-

Manufactur- und Handwercks-Lexicon, 1. Theil,

Leipzig 1745. gr. 8.

* Von dem Landbau, der Viehzucht, Fiſcherey u.

ſ. w. iſt §. 13. gedacht worden: alſo waͤre es un-

noͤthig, in der Betiachtung eines Staats an dieſem

Orte des Bauernſtandes beſonders zu gedenken.

§. 27.

Ohne Manufacturen ſteht der Handel

einer Nation auf ſchwachen Fuͤſſen. Wenn

ein Volk dasjenige, was es in ſeinem Lande ſelbſt

erzeuget und ſelbſt verarbeitet, auch ſelbſt aus-

fuͤhrt: ſo kann es ſich erſt ruͤhmen, daß ſeine Com-

mercien dauerhaft, und ſein Reichthum uner-

ſchoͤpflich ſey. Weil nach der heutigen Verfaſſung

Europens die ganze Macht eines Staats groͤß-

tentheils hierauf beruht: ſo muß man ſich ſo

weit darinnen einlaſſen, als es moͤglich iſt,

und die Waaren, die aus- und eingefuͤhret

werden, die Laͤnder, wohin gehandelt wird, die

Einrichtung der Handelsgeſellſchaften, das

Muͤnzweſen, die Banco und den Profit, der

einem Lande daraus zuwaͤchſet, in Betrach-

tung ziehen.

1. Eſſai politique ſur le commerce par M. M***

(Montesquiou) à Amſterd. 1735. 8.

2. Reflexions politiques ſur les finances et le com-

merce, II. tomes, a la Haye 1740. 8.

3. Von

[16/0030]

Vorbereitung zur

3. Von Manufacturn und Commercio. Franckf.

und Leipz 1740. 4.

4. Le parfait negociant par JAQVES SAVARY

II. tomes, à Geneve 1676. 8.

5. Dictionnaire univerſel de commerce, ouvrage

poſthume de JAQVES SAVARY continué et donné au

public par M. PHILEMON LOUYS SAVARY II. tomes,

à Paris 1723. f.

6. Allgemeine Schatzkammer der Kaufmann-

ſchaft, 4 Theile, Leipzig 1741. und 1742. f.

§. 28.

Wir muͤſſen zum Hauptwerke eilen, und

die Einwohner auch als Buͤrger, die vermittelſt

einer Regierung zu ihrer gemeinſchaftlichen Si-

cherheit und Gluͤckſeeligkeit vereiniget leben, be-

trachten. Jn dieſer Bedeutung iſt der Landes-

herr ſelbſt als der fuͤrnehmſte Buͤrger der Re-

publick, (Ciuis eminens) mit darunter begrif-

fen. Die ganze Verfaſſung eines gemeinen

Weſens kennen zu lernen, muß man drey Haupt-

ſtuͤcke erwaͤgen: die Reichsgeſetze, die Verbin-

dung zwiſchen dem Regenten und den Unter-

thanen, und die Einrichtung der Reichsge-

ſchaͤfte.

* Jch waͤhle mir hier eine eingeſchraͤnkte Mo-

narchie zum Muſter meiner Ordnung, weil man bey

ihr auf mehr Puncte Acht zu geben hat, als bey einem

un umſchraͤnkten Reiche, oder bey einer Republick.

Was alſo in den letztern nicht anzutreffen iſt; faͤllt

von ſich ſelbſt aus.

§. 30.

[17/0031]

Staatswiſſenſchaft.

§. 29.

Vor allen Dingen iſt noͤthig, ſich die

Reichsgrundgeſetze bekannt zu machen, und

ihren Urſprung, ihr Schickſal und ihren jetzi-

gen Gebrauch zu unterſuchen.

* Das Reichsherkommen gehoͤrt gleichfalls hie-

her. Wo man aber in einem Reiche weiter keine

als dergleichen ungeſchriebene Geſetze findet: da kann

man ſicher ſchlieſſen, daß der Wille des Regenten

fuͤr das einzige Reichsgrundgeſetz gehalten wird.

1. Hrn. Hofrath Johann Jacob Schmauſſens

Corpus iuris gentium academicum, II. tomi, Leip-

zig 1730. gr. 8.

2. Corps univerſel diplomatique du droit des

gens par M. DV MONT, VIII. tomes, à Am-

ſterdam 1726-1731. avec les ſupplements de M.

Rouſſet, V. tomes 1739. f.

§. 30.

Hierauf gruͤndet ſich die Verbindung

zwiſchen dem Regenten und dem Untertha-

nen, oder das Ius Publicum. Man muß

demnach ſowohl den Regenten und ſeine Vor-

rechte; als die Staͤnde und ihre Rechte mer-

ken.

§. 31.

Jn Anſehung des Landesherrn und ſeiner

Vorrechte iſt auf verſchiedenes Acht zu geben.

Der Glantz ſeiner hohen Perſon und Familie

faͤllt

B

[18/0032]

Vorbereitung zur

faͤllt am erſten in die Augen. Man bemerket

ſeine Abſtammung, Vermaͤhlung und Erben,

die Verwandtſchaft mit benachbarten Staaten,

und die Vettern des regierenden Hauſes, oder

die Prinzen vom Gebluͤthe. Dieſe genealogi-

ſche Kenntniß iſt ſonderlich in Erbreichen un-

entbehrlich.

1. M. Gottlieb Schumanns jaͤhrliches gene-

alogiſches Handbuch, Leipzig. 8.

2. George Lohmeyers der Europaͤiſchen Kaͤy-

ſer- und Koͤniglichen Haͤuſer hiſtoriſche und ge-

nealogiſche Erlaͤuterung mit Beweisthuͤmern

verſehen von Johann Ludwig Levin Gebhar-

di, erſter Theil, Luͤneburg 1730. F.

§. 32.

Der Titul eines Regenten hat gemeinig-

lich viele Veraͤnderungen erlitten. Bisweilen

iſt er ein Denckmaal eines ſeit ganzen Jahr-

hunderten ſchon erloſchenen Rechts, oͤfters ein

unſterblicher Zeuge eines noch fortdauernden An-

ſpruches. Wie oft iſt er nicht der Zunder zu

den heftigſten Kriegsflammen geweſen?

1. IOANNIS SELDENI tituli honorum ex

verſione SIMONIS IOANNIS ARNOLDI,

Francof. 1696. 4.

2. I. C. BECMANNI ſyntagma dignitatum,

II. partes, Francof. et Lipſiae 1696. 4. ſonder-

lich diſſ. III. part. I.

§. 33.

[19/0033]

Staatswiſſenſchaft.

§. 33.

Das Wappen pflegt ordentlich ein glei-

ches Schikſal zu haben. Es iſt ohnedem

nichts anders als ein hieroglyphiſcher Titul.

Man muß ſolches voͤllſtaͤndig blaſonniren.

1. Hrn. Prof. Koͤhlers jaͤhrlicher Wappen-Ca-

lender, und Johann Wolffgang Triers Wap-

penkunſt vermehrt von D. Chriſtian Johann Feu-

ſteln, Leipzig 1744. 8.

2. PHILIPPI I ACOBI SPENERI hiſtoria

inſignium illuſtrium, ſeu operis heraldici pars ſpe-

cialis, Francof. ad Moen. 1680. fol.

§. 34.

Die Herrlichkeit eines Thrones ſpiegelt

ſich in dem Hofftaate eines Regenten und in ſei-

nem Hofceremoniel. Mit dem aͤußerlichen

Putzwerke mag ſich der Hofmann beſchaͤftigen.

Der Staatsmann unterſucht, ob dieſes beydes

wohl oder uͤbel eingerichtet, und der Hoheit des

Regenten gemaͤß oder uͤbertrieben ſey. Er merkt

an, was ein Hof hierinnen vor andern beſon-

deres habe, und forſcht nach den geheimen Ur-

ſachen und Abſichten davon.

1. Gottfried Stievens Europaͤiſches Hofcere-

moniel, andere und vermehrte Auflage, Leipzig 1723. 8.

2. Johann Chriſtian Luͤnigs Theatrum ceremo-

niale hiſtorico-politicum, II. Theile, Leipzig 1719.

und 1720. f.

3.

B 2

[20/0034]

Vorbereitung zur

3. Le Ceremonial Diplomatique des Cours de l’

Europe par M. RO VSSET’ II. tomes, à Amſter-

dam et à la Haye 1739. f. Es ſind die beyde letzte

Theile von den V. tomes des Supplemens zu dem

Corps Diplomatique.

§. 35.

Die Ritterorden verdienen hier auch ihren

Platz. Sie ſind entweder weltlich oder geiſtlich,

ohne Einkuͤnfte oder mit Einkuͤnften verſehen.

Man betrachtet ihren Urſprung, die Ordensſta-

tuta, ihre Einrichtung und Anſehen.

1. Chriſtian Gryphii Entwurf der geiſt- und

weltlichen Ritterorden, Leipzig und Breßlau, 1709. 8.

2. Hiſtoire des ordres monaſtiques, religieux et

militaires, (par HELYOT) VIII. tomes, à Paris

1714-1719. 4.

§. 36.

Sind ſonſt noch beſondere Vorzuͤge der

geheiligten Perſon eines geſalbten und gekroͤnten

Hauptes eigen, ſo kann man ſolche fuͤglich hier

mit beruͤhren.

§. 37.

Hauptſaͤchlich aber muß man auf die Vor-

rechte der Majeſtaͤt in Anſehung der Verbin-

dung mit dem ganzen Reiche ſein Augenmerk rich-

ten. Jſt es ein Wahl- oder Erbreich? faͤllt es

bloß

[21/0035]

Staatswiſſenſchaft.

bloß auf die maͤnnliche, oder auch auf die weib-

liche Linie? iſt die Gewalt des Regenten in ge-

wiſſe Grenzen eingeſchraͤnkt, oder ſeinem freyen

Willkuͤhr uͤberlaſſen? was iſt Rechtens nach den

Reichegeſetzen, und was geſchicht? Kurz, hier

iſt ein doppelter Gegenſtand: man muß ſo wohl

die Art, den Thron zu erlangen, als die Rech-

te der Landesregierung kennen lernen.

§. 38.

Von den Landesherrn geht man zu den

Reichsſtaͤnden. Man muß ſie auſſer und in

ihren Verſammlungen betrachten.

§ 39.

So verſchiedene Reiche wir haben: ſo ver-

ſchieden trift man auch die Einrichtung der Staͤn-

de an. Nicht uͤberall machen der hohe Adel

und die Geiſtlichkeit beſondere Staͤnde aus.

Der niedre Adel und die Gemeine oder Buͤr-

gerſchaft gehoͤren ordentlich mit unter die Reichs-

ſtaͤnde, bisweilen gar die Bauern.

* Man kann bey dem Adel zugleich die vornehmſte

Familien eines Reiches anfuͤhren.

§. 40.

Wenn ſich die Reichsſtaͤnde verſammlen,

ſo geht der Reichstag an. Hier iſt alles merk-

wuͤrdig: Zeit, Ort, Art der Berathſchlagung,

Samm-

B 3

[22/0036]

Vorbereitung zur

Sammlung der Stimmen, Schluͤſſe und deren

Vollſtreckung, und alles was bey Ausſchreibung,

Fortſetzung und Aufhebung eines Reichstages

beobachtet wird.

§. 41.

Aus dieſer Verbindung zwiſchen einem Re-

genten und ſeinen Staͤnden erwaͤchſet die Einrich-

tung der Regierungsgeſchaͤffte. Jn einer Mo-

narchie werden die Rechte der Majeſtaͤt und die

allgemeine Staatsangelegenheiten uͤberhaupt

im Namen des Landesherrn gemeiniglich durch

ein ganzes Collegium beſorget, welches das hoͤch-

ſte im Reiche iſt, und aus den beyden Departe-

ments der einheimiſchen und der auswaͤrtigen

Affeinen zu beſtehen pflegt, denen bißweilen ein

Premier Miniſtre vorgeſetzet iſt.

§. 42.

Das Departement der auswaͤrtigen An-

gelegenheiten hat mit andern Voͤlkern zu ſchaf-

fen. Es verſchickt Geſandten, und negoeiirt mit

den fremden, ſchließt Buͤndniſſe, und hat alle

Kriegs- und Friedensgeſchaͤffte unter Haͤnden.

§. 43.

Das Departement der einheimiſchen An-

gelegenheiten vertrit den Landesherrn unmittel-

bar bey ſeinen Unterthanen, und beſorget auf deſ-

ſen

[23/0037]

Staatswiſſenſchaft.

ſen Befehl alles, was die innerliche Ruhe und

Gluͤckſeeligkeit des Landes angehet. Das heißt,

es richtet die ganze Landespolicey ein. Von

hier aus werden alle Geſetze ausgefertiget, geaͤn-

dert und abgeſchafft, alle Aemter beſetzt, die Be-

ſoldungen und andre Begnadigungen ausgetheilt,

die Strafen beſtimmt. Es verwaltet alle Rech-

te der Majeſtaͤt in geiſtlichen und weltlichen Sa-

chen, und dirigiret alle herrſchaftliche Beamte

und Landescollegia. Die beſondere Verfaſſung

aber der Landesregierung ſieht man hauptſaͤch-

lich aus dem Kirchen-Juſtitz-Cammer- und

Kriegsſtaat.

§. 44.

Von den vier Hauptreligionen iſt die Heid-

niſche in Europa vertilgt, die Mahometaniſche

erhaͤlt ſich nur an der aͤuſſerſten Grenze, die Juͤ-

diſche ſchleicht im Finſtern, die Chriſtliche allein

beſitzt den Thron. Aber dieſe ungluͤckſeelige Mut-

ter hat viel Aergerniß in ihrer Familie erlebt.

Jhre Kinder haben ſich getrennet, und dieſe Tren-

nung hat faſt alle Reiche erſchuͤttert. Und noch

jezt verdienet der Einfluß der verſchiedenen Reli-

gionen in den Staat unſer beſonderes Augen-

merk.

§. 45.

Die Neigungen der Nationen, in der Re-

ligion freygeiſteriſch, vernuͤnftig oder aberglaͤu-

biſch zu dencken, die Verfaſſung des Kirchen-

regi-

B 4

[24/0038]

Vorbereitung zur

regiments und die Verhaͤltniß der Kirche gegen

ihren Staat ſind uͤberall; in den Catholiſchen

Staaten aber die Macht und der Reichthum der

Cleriſey, und die Gewalt des heiligen Vaters

noch beſonders merkwuͤrdig.

1. Les religions du monde par ALEXANDRE

ROSS, traduites de l’Auglois par THOMAS de la

GRVE, II. parties, à Amſterdam 1669. 12.

2. Hiſtoire des religions de tous les royaumes du

monde par JOVET, IV. tomes, à Paris 1710. 12.

§. 46.

Durch das Juſtitzweſen wird den Unter-

thanen Recht geſprochen, ihre Streitigkeiten ge-

ſchlichtet, und ein jeder in ſeinem Eigenthum ge-

ſchuͤtzt. Man hat angemerkt, daß je ſouverai-

ner ein Reich iſt, deſto vollkommener das Ju-

ſtitzweſen eingerichtet zu ſeyn pflegt. Man muß

hiebey auf drey Stuͤcke acht geben, 1) auf die Ge-

ſetze, welche den Unterthanen vorgeſchrieben ſind,

und deren Sammlungen, 2) auf die Gerichte oder

Juſtitzcollegia mit ihrer Subordination, 3) auf die

Proceſſe oder die Art des gerichtlichen Verfahrens.

1. Samuel Reihers allgemeine Rechtsgeſchich-

te, Hamburg 1702. 12 Jſt ein Anhang des 3ten Theils

des geoͤfneten Ritterplatzes.

§. 47.

Das Cammerweſen hat mit den Einkuͤnf-

ten und Ausgaben eines Reichs zu thun. Die

Finanzen werden ſchon von den Alten die Seh-

nen der Republick genennet. Jn neuern Zeiten

hat man ſich dieſer Wahrheit erinnert, und die wi-

tzige

[25/0039]

Staatswiſſenſchaft.

tzige Franzoſen haben in den Cammeralſachen ſo

gluͤckliche Entdeckungen gemacht, daß eine allge-

meine Reformation des Finanzweſens in ganz Eu-

ropa daraus entſtanden iſt. Man erkundiget

ſich hiebey ſowohl, was fuͤr Einkuͤnfte ein Re-

gent hat, als, wie ſie gehoben, und endlich,

wozu ſie verwandt werden.

§. 48.

Die Einkuͤnfte eines Landesherrn ſind nicht

in allen Reichen auf einerley Fuß geſetzt. Man

hat ihrer unzaͤhlige Gattungen. Ueberhaupt

hebt er ſolche aus ſeinem Eigenthum oder aus

dem Eigenthum ſeiner Unterthanen. Zu den

erſtern gehoͤren alle Nutzungen aus ſeinen Patri-

monial- und Cammerguͤtern, welche man auch

Domainen und Tafelguͤter zu nennen pflegt, und

aus andern Regalien, das iſt aus denjenigen

Sachen, die einem Privato nicht eigen ſeyn koͤn-

nen, z. Ex. aus dem Bergwerks-Forſt- und Jagd-

Salz-Poſt-Muͤnz-Stempelpapier-Regal.

* Die Domainen werden durch ledige Anfaͤlle der

Lehnguͤter, durch Confiscationen, durch Einziehung

der ehemals veraͤuſſerten Stuͤcke vermehrt. Je abſo-

luter ein Herr iſt; deſto haͤufiger ſind die Regalien, de-

ſto nutzbarer werden ſie gemacht. Bisweilen werden

Monopolia daraus, und es hat geſchickte Cammerali-

ſten gegeben, die die Kunſt erfunden, Regalien in or-

dentliche Anlagen zu metamorphoſiten.

§. 49.

Die Einkuͤnfte, welche aus dem Eigen-

thum der Unterthanen gezogen werden, heiſſen

uͤber-

B 5

[26/0040]

Vorbereitung zur

uͤberhaupt Abgaben, Auflagen, Contribu-

tionen. Man theilet ſie in ordentliche und auſ-

ſerordentliche. Doch iſt dieſe Eintheilung mehr

theoretiſch, als practiſch. Die aͤlteſte Arten ſind

die Steuern von den liegenden Gruͤnden, und die

Zoͤlle von Ein- und Ausfuhr der Waaren. Hier-

naͤchſt folgt die Acciſe oder der Licent von aller-

hand Sachen, die durch den Gebrauch verzehrt

werden, Kopf- und Vermoͤgen-Steuer, und

allerhand ſchuldige Dons gratuits.

§. 50.

Alle Dieſe Einkuͤnfte werden bald von den

Staͤnden, bald von dem Landesherrn ſelbſt

durch gewiſſe dazu beſtellte Bediente gehoben,

welche ſolche theils berechnen, theils in Pacht

haben. Aus dieſen Canaͤlen fließt alles in das

Cammercollegium znſammen, welches die Stel-

le eines Reichsſchatzmeiſters vertrit, die ganze

Rechnung uͤber Einnahme und Ausgabe fuͤhrt,

und deßwegen mit Recht des Landes Herz genen-

ne werden kann.

§. 51.

So groß aber die Revenuͤen eines Landes

ſind: eben ſo groß und oͤfters noch weit groͤſſer

ſind die Ausgaben. Es muß der Regent, deſ-

ſen Familie und der ganze Hofſtaat erhalten, die

unzaͤhlige Beamte beſoldet, und alles, was zur

Sicherheit und zum Beſten des Landes dienet,

hievon

[27/0041]

Staatswiſſenſchaft.

hievon beſtritten werden. Was alsdenn noch uͤ-

brig bleibt, kann in der Schatzkammer aufge-

hoben werden. Dieſes erhaͤlt man nur durch ei-

ne ordentliche Landesoeconomie.

1 Wilhelms Freyherrn von Schroedern Fuͤrſtli-

che Schatz- und Rentkammer, Leipzig 1721. 8.

§. 52.

Sonderlich iſt der Kriegsſtaat heute zu Ta-

ge eines von denen nothwendigen Uebeln, wel-

che einem Reiche unſaͤgliche Summen koſten.

Die Art Krieg zu fuͤhren iſt faſt von Jahrhun-

dert zu Jahrhundert veraͤndert worden. Viel-

leicht hat die Geſchicklichkeit darinnen anjetzo ih-

ren hoͤchſten Gipfel erreichet. Man muß die

Landmacht von der Seemacht wohl uuterſchei-

den. Jene iſt allen freyen Staaten gemein,

dieſe aber nicht: weil man nicht in allen Reichen

weitlaͤuftige Seekuͤſten findet, noch alle Voͤlker

groſſen Handel zur See treiben, und reich genug

ſind, um ſich einen Platz unter den Seemachten

erwerben zu koͤnnen.

§. 53.

Die Landmacht eines Reichs zu beurthei-

len iſt noͤthig, ſich aus dem vorhergehenden zu er-

innern, ob ein Land an Mannſchaft und Pfer-

den, die tuͤchtig zum Kriege ſind, einen Ueber-

fluß oder Mangel habe, und folglich die Trup-

pen

[28/0042]

Vorbereitung zur

pen zu recroutiren, und die Cavallerie zu remon-

tiren, fremder Huͤlfe benoͤthiget ſey oder nicht?

hernach unterſuche man die Anzahl und Einrich-

tung ihrer Kriegsvoͤlker, der regulairen Trup-

pen und Landmilitz, des Fußvolks und der

Reuterey; ob ſie gute Subordination habe, in

allen Handgriffen geuͤbt, und zur Mannszucht

gewoͤhnt ſey? wie ſie bezahlt und montiret werde?

ob ſie mit erfahrnen Officiers, mit Jngenieurs

und Artillerie verſehen? was vor An-

ſtalten gemacht ſeyn, ſo wohl die Ausgediente

in Jnvalidenhaͤuſern und durch Penſionen zu

verſorgen, und die Wittwen und Kinder der Ge-

bliebenen zu ernaͤhren; als beſtaͤndig junge Mann-

ſchaft durch Werbecantons, Caſernenſchulen,

Cadettenrorps anzuziehen. Man halte alsdenn

die Anzahl und Koſten der Kriegsmacht gegen

die Groͤſſe und Einnahme des Landes, um zu

ſehen, ob ſie ſolchem zur Ueberlaſt gereichen oder

nicht?

* Jch gedenke der Neigung zum Kriege und der

Tapferkeit eines Volks wohlbedaͤchtlich mit keinem

Worte. Es iſt unverwelslich, daß ein Volk hierin-

nen vor dem andern viel voraus habe. Es kommt al-

les auf die Zeiten und auswaͤrtige Umſtaͤnde an, und

die Hiſtorie zeigt uns eben ſo merkwuͤrdige und wun-

derbare Wanderungen der Tapferkeit, als der Ge-

lehrſamkeit.

1. Memoires de M. le Marquis de FEVQVIERE,

II. ed. IV. tomes, à Londres 1737. 8.

2. Hiſtoire de Polybe traduite par DOM VIN-

CENT THVILLIER, avec un commentaire ou un

corps

[29/0043]

Staatswiſſenſchaft.

corps de ſcience militaire par M. de FOLARD, VI.

tomes, à Paris 1727-1730. 4. nebſt den Sentimens

d’un homme de la guerre ſur le nouveau ſyſteme du

Chevalier de FOLARD par M. D*** à Paris 1733. 4

§. 54.

Auf gleiche Art laͤßt ſich auch die Seemacht

einer Nation erwaͤgen. Eine Flette ins Meer

zu ſtellen, iſt nach Proportion der Mannſchaft

wenigſtens dreymal ſo koſtbar, als eine Landar-

mee ins Feld zu fuͤhren. Man hat hiebey beſon-

ders anzumerken, ob ein Volk ſein Schiffszim-

merholz, Maſten, Seegel- und Tauwerk und

uͤbrige Erforderniſſe zu Ausruͤſtung dieſer

ſchwimmenden Feſtungen bey ſich zu Hauſe

findet, oder auswaͤrts herhohlen muß? wie der

Bau ſeiner Schiffe, die Einrichtung ſeiner Eſca-

dern und die Anſtalten beſchaffen, um eine

Pflanzſchule von tuͤchtigen Matroſen und geſchick-

ten Seecapitains zu haben?

* Zur Marine wird gar zu viel erfordert, und deß-

wegen iſt ihre Bewandniß ſehr ſonderbar. Es bringt

eine Nation ganze Jahrhunderte zu, ehe ſie anfaͤngt,

einige Figur auf der See zu machen: hingegen kann

ſie ein einziger wichtiger Verluſt ſo niederwerffen, daß

ſie in vielen Zeiten nicht im Stande iſt, ſich wieder

aufzurichten. Wir haben in der neuern Geſchichte ein

einziges Exempel einer Seemacht, die in der Geſchwin-

digkeit entſtanden, man haͤlt es auch fuͤr ein Wunder.

Aber wir finden verſchiedene Beyſpiele auch der maͤch-

tigſten Seevoͤlker, die gleichſam durch einen Schlag

auf eimal entwaſnet worden.

1. Eſſai

[30/0044]

Vorbereitung zur

¹. Eſſai ſur la marine et ſur le commerce par

M. D*** (Des Landes) avec des remarques hiſtori-

ques et critiques de l’auteur, à Amſterdam 1743. 12.

². Hiſtoire generale de la marine, tom. I. à Pa-

ris 1744. 4.

§. 55.

Wenn wir nun in dieſer Ordnung den

Staat eines Reiches und ſeine Schwaͤche und

Staͤrke angeſehen haben, ſo iſt es nicht ſchweer,

mit Huͤlfe der allgemeinen Politick diejenigen Re-

geln herauszubringen, wornach ein Volk han-

deln muß, um ſein Wohl zu befoͤrdern. Die-

ſe Regeln nennt man Staatsmaximen, und den

Jnbegriff aller Staatsmaximen eines Reiches

in ihrem Zuſamenhange das Staatsintereſſe. Es

iſt alſo das Staatsintereſſe in der That nichts an-

ders, als eine Politick, die auf einen einzelnen Staat

appliciret wird. Es gehoͤrt auch das Staats-

intereſſe zur Staatswiſſenſchaft, weil ihr End-

zweck dahin abzielet, von der Kenntniß eines

Staats in der Politick die gehoͤrige Anwendung

zu machen.

§. 56.

Ein Volk, das ſeine wahre Wohlfahrt zu

befoͤrdern, ſeine Sicherheit zu befeſtigen, und

ſeine Gluͤckſeeligkeit vollkommener zu machen be-

muͤht iſt, muß ſowohl in Anſehung ſeiner ſelbſt,

als in Anſehung andrer Voͤlker gewiſſe Re-

geln

[31/0045]

Staatswiſſenſchaft.

geln beobachten. Daher giebt es Staatsmaxi-

men eines Reiches gegen ſich ſelbſt und gegen

andere Nationen, und deßwegen theilet man

das Staatsintereſſe in das innerliche und aus-

waͤrtige.

§. 57.

Das erſtere erfordert, daß ein Volk ſeinen

innerlichen Ruheſtand und das Wohl nicht nur

ſeiner einzelnen Buͤrger; ſondern auch des gan-

zen gemeinen Weſens zu erhalten und befoͤrdern

ſuche, dem Mangel abhelfe, den Ueberfluß ver-

ſchaffe, die Einwohner vermehre und bereichere,

die Wiſſenſchaften in Flor bringe, den Manu-

facturen und Commercien aufhelfe, die Gebre-

chen der Staatsverfaſſung heile, den Factionen

vorbeuge, die Juſtitz beſchleunige, das Cam-

merweſen in Ordnung halte, den Kriegsſtaat

auf guten Fuß ſetze. Die vornehmſten von der-

gleichen Staatsmaximen, die aus der beſondern

Einrichtung eines jeden Reiches hauptſaͤchlich

flieſſen, koͤnnen an dieſem Orte erklaͤret, und in

ſo fern das innerliche Staatsintereſſe eines Lan-

des der Staatswiſſenſchaft deſſelben unmittelbar

angefuͤgt werden.

§. 58.

Ganz anders iſt es mit dem auswaͤrtigen

Staatsintereſſe beſchaffen. Die Maximen,

wie ein Volk in Anſehung ſeiner Nachbaren ſich

in

[32/0046]

Vorbereitung zur

in Sicherheit ſtellen, oder mit deren Beyhuͤlfe

ſeine Wohlfahrt befoͤrdern koͤnne, flieſſen aus

dem Verhaͤltniße, das es gegen fremde Voͤlker

hat, ob es ihrer bedarf, oder entbehren koͤnne?

ob es von ihrer Macht viel oder wenig zu befuͤrch-

ten habe? Dieſes kann, ohne vorgaͤngige Kennt-

niß andrer Staaten nicht begriffen werden, und

verdienet eine beſondere Ausfuͤhrung.

§. 59.

Dieſes iſt der Abriß der vollſtaͤndigen

Staatswiſſenſchaft einzelner Reiche, in ſo weit

ſolche vor ſich allein betrachtet werden. Wer die

unterſchiedliche Grade der Verbindung einſiehet,

welche die Wiſſenſchaften mit einander haben,

wird den hohen Wehrt einer Erkenntniß zu ſchaͤ-

tzen wiſſen, von welcher die Hiſtorie einen ſehr

anſehnlichen Theil ihres Lichts borget, welche zu

dem allgemeinen Natur-Voͤlker-Staats-

geiſtlichen und buͤrgerlichen Rechte den tref-

lichſten Stoff giebet, und die Politick mit einer

Menge practiſcher Saͤtze bereichert.

§. 60.

Daher iſt die Staatswiſſenſchaft allen Ge-

lehrten nuͤtzlich, und allen Juriſten noͤthig; haupt-

ſaͤchlich aber, wer die jetzige Welthaͤndel gruͤnd-

lich beurtheilen, wer ſeine Reiſen in fremde Laͤn-

der mit Nutzen unternehmen, wer in Manufa-

ctur-Handels- und Cam̃eral-Sachen oder in Ge-

ſandt-

[33/0047]

Staatswiſſenſchaft.

ſandtſchaften ſich gebrauchen laſſen will, dem iſt

ihre Erlernung unentbehrlich.

1 VALENTINI IACOBI ASSMANNI diſl de re-

rum publicarum notitia in academia diligentiſſime

excolenda, Lipſ. 1735.

§. 61.

Man hat gegen den Vortrag dieſer Wiſ-

ſenſchaft auf Univerſitaͤten Einwuͤrfe gemacht,

als waͤre ſolche wegen der Menge ihrer Materi-

en voller Verwirrung, wegen der beſtaͤndigen

Veraͤnderungen voller Ungewißheit, und wegen

der darinnen enthaltenen Staatsgeheimniſſen

fuͤr den Augen der Schulgelehrten verborgen,

folglich dergleichen Vorleſungen ſeicht und un-

brauchbar. Allein, da eine geſchickte Ordmung

der Verwirrung abhuͤlft, ein ununterbrochener

Fleiß die Hauptveraͤnderungen bemerken kann,

und der Ungewißheit kuͤchtige Beweißthuͤmer

entgegen ſtellt, die Staatsgeheimniſſe aber ent-

weder das nicht ſind, wofuͤr man ſie ausgibt, o-

der nicht ſo haͤufig ſind, als man ſich einbildet,

auch der Endzweck nicht erfordert, in alle Staats-

geheimniſſe zu dringen; ſo wird der Nutzen, wel-

chen man in Erlernung der Anfangsgruͤnde der

Staatswiſſenſchaft ſucht, gar fuͤglich erreichet

werden koͤnnen.

Diſſ. mea de notitia rerumpublicarum academiis

vindicata, Gottingae 1748.

§. 62.

Die Gewohnheit der alten Geſchichtſchrei-

ber, die Staatswiſſenſchaft einzelner Voͤlker in

ihren

C

[34/0048]

Vorbereitung zur

ihren hiſtoriſchen und geographiſchen Buͤ-

chern ſorgfaͤltig einzuſchalten, und die beſonde-

re Werke eines Xenophons, Ariſtoteles und

Tacitus beweiſen, daß man dieſe Kenntniß bey

ihnen ſehr hoch geachtet. Jn neuern Zeiten iſt

man dieſen Fnßſtapfen nachgegangen. Seit dem

gegen das Ende des ſechszehenden Jahrhunderts

die Relationen einiger Venetianiſchen Geſand-

ten bekannt wurden, der beruͤhmte Lipſius eine

ſyſtematiſche Politick faſt aus lauter Spruͤchen al-

ter Geſchichtſchreiber zuſam̃en geleſen hatte, u. ver-

ſchiedene Staatsmaͤnner ihre wichtige Anmerkun-

gen uͤber auslaͤndiſche Reiche, welche ſie durchrei-

ſet hatten, herausgaben: wurde dieſe Wiſſenſchaft

aus dem Staube gezogen, und die Welt bekam

einen Geſchmack daran. Man ſammlete die ver-

ſchiedene Schriftſteller von einem Staate: man

bemuͤhte ſich, von vielen, ja von allen Reichen

die Staatswiſſenſchaft beyſammen zu haben. Al-

ſo kamen Sammlungen von Originalſchriften zum

Vorſchein, und daraus erwuchſen eine Menge

Auszuͤge und groſſe Werke ſowohl von einzelnen

Reichen, als von vielen mit einander. Nunmehr

war Stoff genug vorhanden, Vorleſungen auf

Univerſitaͤten daruͤber anzuſtellen, der unſterbli-

che Conring brachte ſie auf den academiſchen Lehr-

ſtuhl, und von Helmſtaͤdt breitete ſie ſich auf an-

dern Muſenſitzen in- und auſſerhalb Teutſchland

aus. Seit dem haben wir auch Leſebuͤcher da-

von bekommen, unter welchen die notitia prae-

cipuarum Europae rerum publicarum von Hrn.

Ever-

[35/0049]

Staatswiſſenſchaft.

Everhard Otto das einzige iſt, welches ſeine

Quellen anfuͤhret.

1. Die vierte ver mehrte und verbeſſerte Auflage iſt

zu Utrecht 1739. 8. herausgekommen.

§. 63.

Unter den vielen und groſſen Sammlungen,

welche den Staat aller Reiche und Republicken

der ganzen Welt, oder wenigſtens vieler Reiche

zugleich vortragen, iſt zu unſrer Abſicht wenig

brauchbares. Wir wollen 1) den gegenwaͤrti-

gen, nicht den ehemaligen Staat kennen lernen,

2) wir ſuchen glaubwuͤrdige und zuverlaͤßige,

nicht falſche und ungewiſſe Nachrichten. Alſo

muͤſſen wir 1) die neuere Schriftſteller den aͤltern,

2) diejenige, welche ein Reich aus eigener Er-

fahrung erkannt, denen, die ihre Erzaͤhlungen

von andern abgeſchrieben. 3) Diejenige Samm-

ler, welche ihre Beweißthuͤmer anfuͤhren, den

uͤbrigen vorziehen.

Nach dieſen Regeln kann man die vor-

nehmſte Sammlungen von dem Staate verſchiede-

ner Reiche beurtheilen, nur merke man vorlaͤu-

fig noch dieſes an, daß glaubwuͤrdige Nachrich-

ten, wenn ſie gleich alt ſind, uns doch nicht ganz

unnuͤtzlich ſeyn, in ſo fern ſie die Verbindung des

vorigen Zuſtandes mit dem jetzigen und den Grund

des heutigen Staats in ſich halten.

Die 32. Elzeviriſche Republicken ſind

alt, und nur wenige glaubwuͤrdig.

Le monde par PIERRE D’ AVITY

iſt alt, und durch die abgeſchmackte Vermehrun-

gen

C 2

[36/0050]

Vorbereitung zur Staatsw.

gen des roccoles auſſer Stand zu dienen

geſetzt worden.

conringii opus poſthumum de notitia

rerum publicarum hodiernarum (in dem III. to-

mo ſeiner geſammten Werke) iſt durch Hrn. von

Goebel Zuſaͤtze einiger Maaſſen verjuͤngt worden.

Friedrich Leutholfs von Frankenberg

Europaͤiſcher Herold iſt ebenfalls nicht mehr

neu, auch ohne Beweißthuͤmer, und auſſer dem

erſten Bande wenig mehr brauchbar.

Unter den Rengeriſchen Staaten iſt das

meiſte unnuͤtzer Plunder.

Den Voyages hiſtoriques de l’Europe

des m. jovrdan, welche Auguſt Bohſe

unter dem Namen Talander teutſch uͤberſezt,

wirft vayrac a) oͤffentlich vor: a beau

mentir qui vient de loin.

Des gvedeville Atlas hiſtorique

in 7. Folianten iſt praͤchtig, und 1738.

wieder anfgelegt, aber fresnoy b) urthei-

let davon: ce livre qui avoit été fait pour

les ignoraus, fut d’abord goûté par les igno-

rans; mais ſans être eſtimé des ſavants.

Lo ſtato preſente di tutti e paeſi e popoli

del mondo, naturale, politico e morale, con nuo-

ve oſſervazioni e correzioni degli antichi e

moderni viaggiatori, davon zu Venedig ſchon

18. Theile 8. herausgekommen, habe ich noch

nicht geſehen.

a) Etat préſent de l’ Espagne, tom. I. pag. 4.

b) Jn ſeiner methode pour étudier la geographie

tom. I. p. 86.

Das

[37/0051]

Das I. Hauptſtuͤck.

Staat

von

Spanien.

Schriftſteller:

1. Hiſpania, ſ. de regis Hiſpaniae regnis et o-

pibus commentarius, (JO ANNIS DE LAET) Lu-

gduni Batauorum 1629. 24.

2. Voyage d’ Espagne curieux, hiſtorique et po

litique fait en 1655. (par P ...) nouvelle edition

augmentée, 1666. 12.

3. Journal du voyage d’ Espagne, (par BOISEL)

à Paris 1669. 4.

4. Annales d’ Espagne et de Portugal avec la de-

ſcription de tout ce qu’ il ya de plus remarquable

en Espagne et en Portugal par Don JUAN ALVA-

REZ de COLMENAR, IV. tomes, à Amſterdam

1741. 4. Jſt aus den Delices de l’ Espagne et du

Portugal erwachſen.

5. Etat préſent de l’ Espagne par M. l’ Abbé de

VAYRAC, III. tomes, à Amſterdam 1719. 8.

6.

C 3

[38/0052]

Spanien.

6. Voyage du P. LABAT en Espagne et en Ita-

lie, VIII. tomes, à Amſterdam 1731. 8

7. Lehrreiche Nachrichten fuͤr eineu Reiſen-

den in verſchiedenen Europaͤiſchen Staaten, aus

dem Franzoͤſiſchen uͤberſetzt von P. G. v. K. 2. Theile,

Berlin 1738. 8.

I. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Kein Land iſt von ſo verſchiedenen Voͤlkern

bewohnt worden als Spanien. Die Phoe-

nicier ſetzen ſich an die ſuͤd- und weſtliche See-

kuͤſte, die Carthaginienſer, Roͤmer, Schwa-

ben, Alaner und Gothen herrſchen nach ein-

ander darinnen, endlich im J. 713. uͤberſchwem-

men es die Mauren faſt gaͤnzlich.

§. 2.

Dieſe entkraͤften ſich durch ihr haͤufige Thei-

lungen ſelbſt, da inzwiſchen aus dem Ueberreſte

der Chriſten nebſt einigen kleinen Staaten haupt-

ſaͤchlich zwey Koͤnigreiche Caſtilien und Arrago-

nien erwachſen, die ſich durch Vermaͤhlungen

dreymal vergeblich, zum vierten Mal aber 1473.

auf ewig vereinigen.

a) Jn allen 4. Vermaͤhlungen waren die Prin-

zeßinnen aus Caſtilien, die Prinzen aus Arragonien.

Die erſte geſchahe zwiſchen Nunnia und Sanctio

maiore

[39/0053]

Spanien.

maiore 1011. wozu deſſen anderer Prinz Ferdinand

durch die Heyrath mit Sanctia auch Leon ererbte.

Die zweyte zwiſchen Urraca und Alphonſo

1109.

Die dritte zwiſchen Eleonora und Johanne 1375.

Die vierte zwiſchen Jſabella und Ferdinand

V. oder I. von gantz Spanien, 1469.

§. 3.

Ferdinandus Catholicus unterwirft ſich

die Saraceniſchen Provinzen, und reiſſet ein

Theil von Navarra an ſich. Nunmehr wird

Spanien ein einziger Staatscoͤrper, und durch

Verbeſſerung der innerlichen Verfaſſung, durch

Eroberung des Koͤnigreichs Neapel und Entde-

ckung von America zugleich erſtaunend maͤchtig.

Die Heyrath Philippi Pulcri mit Ferdinands

Tochter Joanna veranlaſſet die Vereinigung der

Oeſterreichiſchen Staaten mit dem Spaniſchen

Reiche. Daher zittert vor Kayſer Carln V.

Ferdinands Enkel, ganz Europa. Allein er theilt

zwiſchen ſeinem Bruder Ferdinand und ſeinem

Sohne Philipp II. Doch erlangt Spanien da-

durch Mayland, und die 17. Niederlaͤndiſchen

Pcovinzen nebſt der Grafſchaft Burgund.

Philipp II. eignet ſich Portugall zu, und gehet

mit einer Univerſal Monarchie ſchwanger. Al-

lein durch den Aufſtand der Niederlaͤnder wird

ſolche in der Geburt erſtuͤckt, und Spanien ver-

blutet ſich unter dem unweiſen Philipp III., dem

elen-

C 4

[40/0054]

Spanien.

elenden Philipp IV. und dem ſchwachen Carl II.

dem letzten ſeines Stammes, ſo ſehr, daß es end-

lich kaum mehr Athem ſchoͤpfen kann.

a) Was bey der Vermaͤhlung Ferdinands mit der

Jſabella zu Caſtilien und Artagonien gehoͤret?

b) Carl V. bereuet ſeine Freygebigkeit gegen Fer-

dinand ſeinen Bruder.

c) Philipp. II. Projecte gegen Engelland und

Franckreich.

d) Der Verviniſche Friede 1598. iſt die Grenze

von Spaniens Gluͤck.

e) Haͤufige Empoͤrungen unter Philipp IV. und

Carln II.

f) Verluſt der vereinigten Niederlande 1648., der

Grafſchaft Rouſſillon 1659., des Koͤnigreichs Portugall

1668, der Franche-Comté 1678, und eines groſſen

Stuͤcks von den uͤbrigen Niederlanden 1659. 1670. u.

1678.

§. 4.

Nach deſſen Tode 1700. ſtreiten Oeſter-

reich und Bourbon um dieſe Erbſchaft, und

letzteres bringt nach einem 13jaͤhrigen Kriege zu

aller Welt Erſtaunen ſeinen Prinzen Philipp V.

auf den Spaniſchen Thron, und Kayſer Carl

VI. muß ſich mit den Jtalieniſchen und Nieder-

laͤndiſchen Provinzen abſpeiſen laſſen. Seit dem

iſt dieſes Reich in 4. Kriegen bemuͤht geweſen,

ſich wieder in die Hoͤhe zu bringen, wodurch Eli-

ſabeth ihrem Don Carl 1735. zwo Cronen, die bey-

de

[41/0055]

Spanien.

de Sicilien, und Koͤnig Ferdinand II. ſeinem

Halbbruder Philipp 1748. drey Herzogthuͤmer,

Parma, Piazenza und Guaſtalla zugewandt.

a) Was Spanien im Utrechtiſchen Frieden einge-

buͤſſet?

b) Krieg wegen Sardinien und Sicilien 1717.

c) Krieg nach Auguſti II. Tode 1733.

d) Krieg mit den Engellaͤndern 1738.

e) Krieg wegen der Oeſterreichiſchen Erbſchaft 1741.

1. Hiſtoire des revolutions d’Eſpagne par l’Ab-

bé de vertot, V. tomes, à Paris, 1726. 12.

2. Hiſtoire des revolutions d’Eſpagne par le P.

IOSEPH D’ORLEANS revûë et publiée par les PP.

ROUILLE’ et BRUMOY, III. tomes, à Paris 1734. 4.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 5.

Spanien hat ein dreyfaches ſehr verſchiede-

nes Clima. Gegen Norden iſt es kalt und feucht,

gegen Suͤden heiß und feucht, in der Mitten

ſehr trocken und faſt verbrandt. Es hat von 3.

Seiten natuͤrliche Graͤntzen, das Atlantiſche

und Mittellaͤndiſche Meer, und die Pyrenaͤiſche

Gebuͤrge: die vierte Seite ſchraͤnckt Portugal

ein.

a) Der Eſtrecho di Gibraltar macht den Spa-

niern eine herrliche Communications-Linie.

b)

C 5

[42/0056]

Spanien.

b) Ueber die Pyrenaͤiſche Gebuͤrge ſind 5. Weege;

aber nur 2. Heerſtraſſen. Annales d’ Eſpagne, t. II.

p. 37.

c) Sicherheit der Nordiſchen Seekuͤſten, und An-

ſtalten an der mittaͤgigen Kuͤſte gegen die Africaniſche

Seeraͤuber.

§. 6.

Das Land iſt faſt durch und durch gebuͤr-

gig. Die groſſen Fluͤſſe, Ebro, Douro,

Tajo, Guadiana, Guadalquivir, ſind wenig

ſchiffbar, und auſſerdem iſt es ſchlecht bewaͤſſert.

a) Annal. d’Eſpagne, II. 7.

§. 7.

Es hat Ueberfluß an der beſten Wolle, an

Seyde, Wein, Salz, Oel, Orangenfruͤchten,

Roſinen, Feigen, Mandeln, Capern. Biſcaya

giebt trefliches Eiſen, Andaluſien und Aſturien

haben unvergleichliche Stuttereyen.

a) SAVARY dictionn. unter dem Worte: Com-

erae d’ Eſpagne.

b) von ihren Secten.

c) von den puntas ſalinas.

d) Man findet auch Zuckerrohr und Saffran

darinnen.

§. 8.

Das Hornvieh und die Flußfiſche ſind ſelt-

ſam,

[43/0057]

Spanien.

ſam, Gold und Silber wird nicht gegraben, und

der Mangel an Getreyde iſt groß.

a) Ehemals war Spanien ein geſegneter Korn-

boden, und das Europaͤiſche Potoſi und Peru. Annal.

d’ Eſp. II 19.

§. 9.

Es beſtehet aus 14. Provinzen, die mei-

ſtentheils den Titul eines Koͤnigreichs fuͤhren,

nebſt etlichen Jnſuln, und prangt mit Madrid,

der Hauptſtadt des Reichs und etlichen Luſt-

ſchloͤſſern, ſonderlich Aranjuez, dem Wunder

der Natur und Eſcurial, dem Wunder der

Kunſt.

a) Von Madrid Lehrr Nachr. fuͤr einen Rei-

ſenden, II. Bl 63.

b) Spaniſche Prahlerey von dieſer Stadt, die doch

nicht eimal eine Cividad, ſondern nur eine Villa iſt.

c) Praͤchtige puenta Segoviana, welche Philipp II.

etliche Tonnen Goldes gekoſtet, und den Fluß erſt er-

wartet. Relation de Madrid, pag 3.

d) Von Eſcurial, den 17. darinnen begriffenen

reichen Kloͤſtern, dem Schatze der Hauptcapelle und

dem Pantheon, oder koͤniglichen Erbbegraͤbniſſe, An-

nal d’Eſpagne, t. II. p. 136. 155. und Lehrr Nachr.

Bl 106.

§. 10.

Landfeſtungen unterhaͤlt es einige wenige

ge-

[44/0058]

Spanien.

gegen die Seite von Portugal; aber deſto mehr

trefliche Seehaͤfen, Cadix, Malaga, Cartha-

gena, Alicante, Valentia, Barcellona, Co-

runna, Bilbao, St. Sebaſtian, und viel ande-

re, unter denen jedoch Gibraltar, der Schluͤſſel

nicht ſowohl von Spanien, als vom Mittellaͤndi-

ſchen Meere, und Portmahon in den Haͤnden

der Engellaͤnder ſind.

a) Von Cadix LABAT voyage en Eſpagne, tom. I.

chap. 6. p. 147.

b) Daß Gibraltar die Spanier mehr kraͤncke,

Portmahon aber dem Engliſchen Handel mehr nutze.

§. 11.

Auſſer Europa haben ſich die Spanier in

Ceuta, Oran, und Maſalquivir auf der Kuͤſte

der Barbarey und in den Canariſchen Jnſuln

feſtgeſetzet. Jn Aſien gehoͤrt ihnen weiter nichts

als die Philippiniſche, Latroniſche und Salomo-

niſche Jnſuln.

a) Politiſche Urſache, die barbariſche Conqueten zu

erhalten, ungeachtet ſie groſſe Summen koſten.

b) Treflichkeit der gluͤckſeeligen Canariſchen Jn-

ſuln, an Canarien- und Palmen-Sect, Vin de Roc

und Zucker.

c) Beſonderer Weg der Spanier nach ihren Aſia-

tiſchen Jnſuln.

§. 12.

[45/0059]

Spanien.

§. 12.

Aber in der von ihnen erfundenen neuen

Welt haben ſie den groͤßten und reichſten Theil

inne, und beſitzen im Nordlichen America

Mexico, Neu Mexico und ein Stuͤck von Flori-

da, im Suͤdlichen aber Terra firma, Peru,

Chili, und von den Jnſuln ſonderlich Cuba, und

ein Stuͤck von Hiſpaniola. Sie ziehen hieraus

Gold, Silber, Perlen und Edelſteine, Zucker,

Taback, Viehhaͤute, Baum- und Vigogne-

wolle, Wachs, Campecheholz, Jndigo, aller-

hand Balſame und andere koſtbare Arzeneyen

und Waaren.

a) Schſerley Einwohner in dieſen Provinzen,

Spanier, Americaner, Negres, Creolen, Maſticen

und Mulatern.

b) Vortheilhafter Iſthmus von Panama.

c) Reiche Staͤdte, Mexico, Lima.

d) Herrliche Feſtungen und Seehaͤfen: Callao,

Panama, Portobello, Carthagena, Veracrux,

Havana.

e) Kunſtſtuͤcke der Spanier ſich in dieſen weitlaͤuf-

tigen Provinzen zu maintentren.

f) Cromwells mißlungener Anſchlag.

g) Ob es den Engellaͤndern moͤglich, die Spanier

aus America zu vertreiben?

1. L’Hiſtoire du nouveau monde, ou deſeription

des Indes Occidentales par JEAN DE LAET, à Ley-

de, 1640. f.

2. Nouvelle relation contenant les voyages de

THO-

[46/0060]

Spanien.

THOMAS GAGE dans la nouvelle Eſpagne, II.

tomes, a Amſterdam 1695. 12.

3 Relation du voyage de la mer du Sud aux co-

tes du Chili, du Perou et du Breſil fait en 1712-

1714. par M. FREZIER, II. tomes, à Amſterdam

1712. 12.

4 Hiſtoire de l’isle Eſpagnole ou de S. Domin-

gue par le P. PIERRE FRANCOIS XAVIER de

CHARLEVOIX, II. tomes, à Paris 1730. 4.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 13.

Wie die Einwohner Spaniens von verſchie-

denen Voͤlkern abſtammen: ſo iſt auch ihre

Sprache zwar eine Tochter der Lateiniſchen; a-

ber mit Gothiſchen und Arabiſchen Woͤrtern un-

termiſcht.

a) Dieſes zeigt ſich ſonderlich in den nomiuibus

propriis der Provinzen, Staͤdte und Fluͤſſe.

b) Von der Biscayiſchen Sprache, Annal d’ Es-

pagne, II. 51. Sie iſt von der eigentlichen Spani-

ſchen oder Caſtilianiſchen ganz unterſchieden.

§. 14.

Jn dieſem weitlaͤuftigen Reiche zaͤhlet man

nicht 6. Millionen Menſchen, welcher Mangel

durch die Americaniſche Colonien, die Austrei-

bung der Juden unter Ferdinand I, und der Mo-

riscos

[47/0061]

Spanien.

riscos unter Philipp III. gewaltig befoͤrdert wor-

den, und durch die Modeſuͤnden der Jugend, die

Menge der Kloͤſter und Schaͤrfe der Jnquiſition

unterhalten wird, ſo daß die kluge Vorſchlaͤge

des Staatsſecretaͤrs Petri Ferdinand Navare-

ta 1619. und die Anſtalten Philipp IV. ohne

Wuͤrkung geblieben.

a) LAET in Hiſpania cap. IV. wo auch der Aus-

zug aus Philipp IV. Ediet 1623. befindlich.

b) Philipp V. ließ 1726. ſein Volk zaͤhlen, und

befand die Summe aller Familien auf 1. 084. 623, die

privilegirte Haͤuſer nicht mitgerechnet.

§. 15.

An dem Spanier iſt nichts mittelmaͤßig als

ſein Koͤrper, ſeine Tugenden ſind groß; ſeine

Laſter noch groͤſſer. Man ruͤhmt ſeine Maͤßig-

keit, Standhaftigkeit, geſetztes Weſen, Ver-

ſchwiegenheit und Treue: man wirft ihm den

Hochmuth biß auf den Bettelſtolz, Prahlerey,

Geitz, Grauſamkeit, Verſtellung, Eiferſucht

auch gegen ſein heßliches Weib vor. Die

Fremden ſind bey ihm als Gavaches verach-

tet und uͤbel daran. Dieſe belachen dagegen die

beſondere Gewohnheiten der Spanier. Jhre

Antipathie gegen die Franzoſen legt ſich nun-

mehr nach und nach.

1. Gundling in ſeinen Otiis, cap. I. vom Tempe-

rament der Spanier.

a)

[48/0062]

Spanien.

a) BARCLAYUS, La Comteſſe d’ AUNOY, LE-

TI, JOURDAN, die Lettres Perſannes und ande-

re ſchildern den Spanier ſehr laͤcherlich ab, VAYRAC

vertheidiget ſie tom. I. im discurs preliminaire. P. LA-

BAT in ſeiner voyage d’ Espagne et d’ Italie, tom. I.

erzaͤhlt noch viel von ihren Maͤnteln, Degen und

Brillen, von der Weiber andar tapada, warum kei-

ner Jacob helßt, kein Ochſe, Capaun und Hammel

leicht gegeſſen wird.

b) Von ihren Stiergefechten Ann. d’ Esp. tom. IV.

p. 1.

c) Von der beſchrieenen Antipathie handelt De

la Mothe le Vayer, Gundling, Frankenſtein und

Baile. Doctor CARLOS GARZIA in der oppoſi-

tion des deux grands Iuminaires de la terre aus

dem Spaniſchen uͤberſetzt, à Cambray. 12. giebt auch

ſein Urtheil davon, aber ſehr laͤppiſch.

§. 16.

Der Spanier iſt zur Tiefſinnigkeit geneigt,

und wuͤrde es daher in Wiſſenſchaften eben ſo

weit bringen, als ſeine Vorfahren, wenn er

nicht die Vernunft unter den Gehorſam ſeines

tyranniſchen Glaubens gefangen nehmen muͤßte.

Selbſt in der allgemeinen Finſterniß der mittlern

Zeiten war in dem Saraceniſchen Spanien mehr

Licht der Gelehrſamkeit, als jetzt auf allen 22 chriſt-

lichen Univerſitaͤten.

a) Lob des natuͤrlicheu Verſtandes der Spanier

aus den Lehrr. Nachr II. 125, und aus ihrer alten

Geſchicklichkeit, in Staatsſachen zu negociiren.

b) Die beyde Seneca, Lucanus, Martialis, Quin-

tilianus, Columella waren Spanier.

c)

[49/0063]

Spanien.

c) Von den gelehrten Juden und Arabern in Spa-

nien im XI. u. XII. Saec. Sie trieben ſonderlich die Arze-

neykunſt und die Ariſtoteliſche Philoſophie, die Scho-

laſtici ſtammen von ihnen ab.

d) Jhre beſte Univerſitaͤten ſind Salamanca und

Alcala de Henares, welche der Cardinal Ximenes in

Aufnahme brachte. OTTO notit. Hiſp. §. 29. et 30.

e) Grobe Unwiſſenheit der Bibliothecariorum des

Escurials, und unvernuͤnftige Bannfluͤche wider

die beſte ſo gar catholiſche Buͤcher aus den Lehrr.

Nachrichten.

§. 17.

Der Spanier mag aus Faulheit nicht ar-

beiten, oder er ſchaͤmt ſich, ein Handwerk zu

treiben. Daher iſt das Land von Manufactu-

ren entbloͤſſet, und halten ſich viele tauſend Fran-

zoſen darinnen auf, welche theils die gemeinen

Dienſte in den Staͤdten verrichten, theils die

nothduͤrftigen Handwerker treiben.

a) Man rechnet der Franzoſen uͤber 70.000. im

Lande, und in Madrid allein wohl 40.000. Wie

dadurch jaͤhrlich wenigſtens 8. Millionen Franzoͤſiſche

livres nach Frankreich geſchleppet werden, zeigen die

memoires de la cour d’Espagne depuis 1679. jusqu

en 1681. p. 297.

b) Wie kindiſch damals das Spaniſche Miniſterium

die fremde Manufacturen beurtheilet, eb. daſ. p

292.

§. 18.

D

[50/0064]

Spanien.

§. 18.

Es muͤſſen alſo die Spanier, um ihren Hun-

ger zu ſtillen, ihre Bloͤſſe zu decken nnd ihrer

Bequemlichkeit zu pflegen, nicht nur ihre inlaͤn-

diſche Waaren weggeben, ſondern ihr ganzer

koſtbarer Handel nach America iſt bloß den Aus-

laͤndern zum Gewinn, welchen die unerſchoͤpfli-

che Goldquellen der neuen Welt ſtromweiſe zu-

flieſſen.

a) Was ihnen die Engellaͤnder, Franzoſen, Hol-

laͤnder, Genueſer, Hanſeeſtaͤdte und Nordiſche Natio-

nen zufuͤhren, und von ihnen abhohlen?

b) Einrichtung des Handels nach America vermit-

telſt der Galltonen, Kaufardeyflette, und Regiſter-

ſchiffen. Zu Porto Bello iſt die reicheſte Meſſe in der

ganzen Welt: Jn der Havana iſt der Sammelplatz

zur Ruͤckreiſe. SAVARY, Wort: commerce de l’ Es-

pagne, und commerce de l’Amerique.

c) Den Auslaͤndern iſt der Handel nach America

gaͤnzlich verbothen, und doch ſind die Spanier bloſſe

Factors andrer Nationen. Labat I 193. Daher ver-

gleicht ſie Boccalini mit den Laſttraͤgern und Eſeln.

§. 19.

Sie rechnen nach Marrevadis und Rea-

les, und haben in Silber die Piaſtres oder Pe-

ſos (da otto reales) in ganzen, halben und

viertel Stuͤcken, in Gold aber die Piſtolen, Du-

plonen und Quadruplen. 95. Marrevadis be-

tragen

[51/0065]

Spanien.

tragen 8. ggr., 1. Reale hat 34. Marrevadis,

1. Piaſtre aber 8. Reales.

a) Vayrac III. 277. handelt weitlaͤuftig vom Spa-

niſchen Muͤnzweſen.

b) Von ihrer Ducatenrechnung. Sie theilen ſolche

in Ducat de plata, und Ducat de vellon. Die Gold-

muͤnzen werden theils in Sevilla, theils in Mexico ge-

ſchlagen. Bey der erſten braucht man uͤber 600. Men-

ſchen.

c) Verboth, das gemuͤnzte Geld aus dem Lande zu

ſchleppen, und Spitzbuͤberey der Spaniſchen Courtiers.

Labat I. 151.

4. Staatsrecht.

§. 20.

In Spanien iſt kein guͤltiges geſchriebenes

Reichsgrundgeſetz anzutreffen, auſſer dem von

der Caſtilianiſchen Erbfolge und Untheilbarkeit

von 1252., welche Carl V. 1554. und Philipp II.

in ſeinem Teſtament 1598. auf die geſammte Staa-

ten von Spanien erſtrecket hat.

a) Die beyde erſtere Geſetze ſtehen im Corps di-

plom. Supl tom. I. part. I. p. 101. et 102. von den

letztern handelt Thuanus lib. 120. ad a 1598.

§. 21.

Ferdinand jetztregierender Koͤnig, ein Sohn

Philipps V. und der Maria Louiſa Gabriela,

Prin-

D 2

[52/0066]

Spanien.

Prinzeßinn von Savoyen, iſt gebohren 1713, ver-

maͤhlte ſich mit Maria Barbara, Koͤnigs Jo-

hannis V. in Portugal Tochter 1729, beſtieg

den Thron 1746. Er hat zwar keine Erben, doch

iſt das koͤnigliche Haus nichts deſto weniger zahl-

reich. Von Philipps V. zweyter Gemahlinn E-

liſabeth aus Parma ſind der Koͤnig beyder Si-

cilien Carl Sebaſtian, der General-Admiral

von Spanien und Herzog von Parma, Piazen-

za und Guaſtalla Don Philipp, der Cardinal

und Erzbiſchof von Toledo und Sevilien Don

Louis nebſt der Prinzeßinn von Braſilien Ma-

ria Anna Victoria und Maria Antonietta

vorhanden.

a) Ferdinand wird unrecht der VI. genannt.

b) Ferdinandi Character aus den Lehrr. Nach-

richten.

§. 22.

Der Cronprinz wird ſeit 1388. Prinz von

Aſturien genennt, aber nicht als ein ſolcher ge-

bohren; ſondern vom regierenden Koͤnige dazu

ernennet. Die uͤbrige koͤnigliche Kinder heiſſen

Jnfanten.

a) Die Spanier haben von den Engellaͤndern ge-

lernt, dem Erbprinzen den Titul eines beſondern Fuͤr-

ſtenthums zu geben. Journal du voyage d’ Esp. p.

280.

b) Die feyerliche Proclamation und Einnehmung

der

[53/0067]

Spanien.

der Huldigung des Prinzen von Aſturien ſteht eb, daſ.

p. 789.

c) Den Titul Jnfant von Spanien fuͤhrten ſonſt

auch die Oeſterreicher.

§. 23.

Der koͤnigliche vollſtaͤndige Titul iſt: Fer-

dinandus, Dei gratia Rex Caſtellae, Arra-

goniae, Legionis, vtriusque Siciliae, Je-

ruſalem, Portugalliae, Nauarrae, Granatae,

Toleti, Valentiae, Galliciae, Maioricarum,

Hispalis, Cordubae, Corſicae, Murciae,

Grennis, Algarbiorum, Algezirae, Gibral-

taris ac inſularum Canariae, et Indiarum

tam Orientalium, quam Occidentalium, ac

Terrae Firmae, maris Oceani: Princeps

Aſturiarum: Dux Mediolani et Burgundiae;

Archidux Auſtriae, Comes Flandriae, Bur-

gundiae et Cataloniae, Dominus Biscayae

et Molinae etc. Kuͤrzer wird er titulirt: Rex

Hiſpaniarum catholicus.

a) Warum Carl V. den weitlaͤuftigen Titul nicht

aͤndern konnte?

b) Portugal proteſtiret gegen den Titul: Rex Hi-

ſpaniarum. Staat von Portugall, I. 474.

c) Catholicus iſt ſonſt ein Perſoͤnlicher Titul eini

ger Spaniſchen, auch andrer Koͤnige geweſen. BLON-

DEL in praefat. apologet. Geneal Francicae, n. XIV.

Seit den Zeiten des Pabſtes Alexandri VI., das iſt

ungefehr ſeit 1500. hat ihn Spanien beſtaͤndig gefuͤhrt,

doch niemals in der erſten Perſon, ſondern nur in der

dritten

D 3

[54/0068]

Spanien.

dritten. SELDENVS de titulis honor. p. I. c. V.

pag. 83.

d) Es haben ſich 6. Koͤnige von Caſtilien des Kay-

ſerlichen Tuuls angemaſſet. VAYRAC, II. 98.

e) Den Titul Herzog von Burgund darf Spani-

en in Schriften mit Frankreich nicht gebrauchen. Me-

moires de la cour d’Etpagne pag 307.

§. 24.

Eben ſo findet man das Wappen bald weit-

laͤuftig aus dem Wappen von Caſtilien, Leon,

Arragonien und Sieilien nebſt Portugal im Mit-

telſchilde zuſammen geſetzt mit der koͤniglichen

Crone uͤber dem Schilde und der Ordenskette

des guͤldenen Vlieſſes umhangen; bald kleiner,

da es nur das Wappen von Caſtilien und Leon

nebſt dem Mittelſchilde von Anjou enthaͤlt, und

mit der Crone bedeckt iſt.

§. 25.

Der uͤbertriebene Hofſtaat und die zum

Theil ſeltſame Etiquette des Spaniſchen Hofes

iſt von den Bourboniſchen Koͤnigen groſſen Theils

geaͤndert, und andern Hoͤfen gleichfoͤrmiger ge-

macht worden.

a) Die verkappte Comteſſe d’ AUNOY in ihrer

relation de la cour d’ Espagne erzehlt eine Menge

Hiſtoͤrchen von dem Spaniſchen Ceremoniel unter Phi-

lipp IV. und Carl II., ſie iſt aber wenig glaubwuͤrdig.

b) VAY-

[55/0069]

Spanien.

b) VAYRAC hat im II. Bande ſeines Etat d’ Es-

pagne das ganze III. Buch davon angefuͤllt; geſteht

aber in der Vorrede ſelbſt, daß ſich ſeit dem verſchie-

denes wieder geaͤndert.

§. 26.

Von den eintraͤglichen Ritterorden 1) von

Sant Jago di Compoſtella, 2) Calatrava,

3) Alcantara ſind ſeit den Zeiten der Jſabella

aus Caſtilien die Beſitzer des Thrones Großmei-

ſter. Dieſen dreyen iſt der kleine Orden von

Mondeſa beyzufuͤgen: wie ſich denn auch die

Bourboniſche Koͤnige von Spanien die Ernen-

nung der Ritter des guͤldenen Vlieſſes anmaaſ-

ſen.

a) VAYRAC II. 292, und noch weitlaͤuftiger Jour-

nal du Voyage d’ Esp. p. 363-375. handelt von den

geiſtlichen Ritterorden.

b) Die Ritter muͤſſen nicht nur ihre Ahnen bewei-

ſen; ſondern auch das ſie Chriſtianos vejos ſeyn.

c) Sie doͤrfen heyrathen.

d) Es giebt auch Duennas von Sant Jago.

e) Von guͤldenen Vließ ſiehe ſonderlich III. GE.

HEINRICI AYRERI diſſ de magno Magiſterio E-

queſtris ordinis Aurei Velleris Burgundo-Auſtria-

ci feminino maſculini, Reſp. 10. Ioach. Carſtens,

Gott. 1748.

§. 27.

Der Spaniſche Thron iſt erblich undſteht

auch der weiblichen Linie offen: wie denn ſeit den

Zeiten

D 4

[56/0070]

Spanien.

Zeiten der Saracenen die meiſten Reiche durch

Heyrathen zuſammen gebracht worden. Dieſes

iſt die beruͤhmte Succeſſio Caſtiliana, oder ſuc-

ceſſio linealis cognatica.

1. LVDOVICVS MOLINA de Hiſpanorum primo-

geniorum origine et natura und aus ihm VAYRAC

II. 96.

2. VLRICI OBRECHTI excerpta hiſtorica et iu-

ridiea de natura ſueceſſionis in monarchia Hiſpa-

niae, IV. partes, Argentorati 1700. et 1701. 4.

Dieſem iſt entgegen geſetzt

3. IOANNIS FRANCISCI BVDDEI exercitatio

iuris naturalis de teſtamentis ſummorum imperan-

tium, ſpeciatim Caroli II. Hiſpaniae regis, Halae

1701. 4.

§. 28.

Sobald die Erbfolge eroͤfnet wird, laͤßt ſich

der neue Monarch feyerlich ausruffen, und von

den Staͤnden in Buen Retiro huldigen; aber

ſeit etlichen Jahrhundert nicht mehr ſalben noch

kroͤnen.

* IOANNES IACOBVS CHIFLETIVS

de Ampulla Remenſi, cap. 16. p. 82. handelt von der

unterlaſſenen Kroͤnung, und giebt zur Urſache an:

qui non electionis, ſed mero ſanguinis iure tradu-

ces ſuccedunt in regnis, non indigent regia vnctio-

ne, vt capeſſant ſceptra, qui lucem non aſpiciunt

niſi reges, und ſetzt p. 83. hinzu: cum autem de ſuo-

rum regum ſucceſſione legitima certi ſint Hi-

ſpanl, ſuperfluum cxiſtimant, reges ſuos inungi.

Andre

[57/0071]

Spanien.

*

Andre behaupten gar, daß der Spaniſche Hochmuth

dieſe Ceremonien fuͤr gar zu geringe halte, weil andre

Voͤlcker ſolche auch haben, und ſich dadurch von ihnen

diſtinguiren wolle; allein es iſt ſehr wahrſcheinlich,

daß die Kroͤnung und Salbung aus Staatsraiſon un-

terlaſſen werden, um nicht 1.) bey dem Paͤbſtlichen

Hofe um Erlaubniß deßwegen anſuchen, und 2.) bey

der Kroͤnung dem Pabſte den Lehn- und Zinßeyd

ſchwoͤren zu doͤrfen, welchen die alte Koͤnige von Arra-

gonien vermoͤge des Diplomatis Petri II. und der

Conceſſionis Innoeentii III von 1204. ihm leiſten

muͤſſen. Denn als Petrus II. damals von Jnnoeen-

tio III. in Rom mit eigner Hand gekroͤnt wurde,

ſo trug er ihm ſein Reich zu Lehn auf, und ſchwur ihm

den Eyd der Treue, welches er hernach mit folgenden

Worten ſchriftlich widerhohlte: Tibi et per Te Apo-

ſtolieae ſedi offero regnum meum, illudque Tibi

et ſucceſſoribus tuis in perpetuum conſtituo cen-

ſuale, vt anuatim de camera regis CCL, Maſſemu-

tinae Apoſtolicae ſedi reddantur, et ego et ſucceſ-

ſores mei ſpecialiter ei fideles et obnoxii teneamur.

Worauf der Pabſt in ſeiner conceſſione antwortete:

Nos igitur gratiam Tuam nobis exhibitam ad ſuc-

ceſſores deriuari volentes, praeſentium auctori-

tate concedimus, vt cum ipſi (ſucceſſores tui) de-

creuerint coronari A SEDE APOSTOLICA REQVI-

RENTES, de ſpeciali mandato per Tarraconenſem

Archiepiſcopum apud Caeſarauguſtam ſollemniter

coronentur: PRAESTIT A ſuper praedictis IDO-

NEA CAVTIONE. Das erſte Diploma ſteht in Hrn.

H. Schmauſſens Corp. J. Gent. p. 7. das andre eb.

daſ. p. 2157.

§. 29.

Die viele Spaniſche Koͤnigreiche hatten

ſonſt ihre ſehr verſchiedene Rechte und Freyhei-

ten;

[58/0072]

Spanien.

ten; aber ſeit der groſſen Vereinigung hat ſich

Ferdinand I., noch mehr Philipp II., am meiſten

aber Philipp V. ſouverain gemacht.

a) Sonderlich trotzte Arragonien ehemals auf

ſeine Privilegia, und drung ſeinen Koͤnigen harte

Puncte ab.

b) Der Cardinal Ximenes leiſtete hierinnen

Ferdinand I. groſſe. Dienſte.

c) Philipp II. machte ſich die Haͤndel des verwege-

nen Peretz und tollkuͤhnen Juſticia in Arragonien,

und Philipp V. die Partheylichkeit der Arragonier,

und Valentiner vor das Haus Oeſterreich und die

Halsſtarrigkeit der Catalaunen zu Nutze.

d) Navarra hat noch einen Ueberreſt von beſon-

dern Jmmunitaͤten, Vayrac III. 251.

§. 30.

Daher haben die Spaniſche Reichsſtaͤnde

keine Gewalt mehr dem koͤniglichen Willen zu

widerſprechen, und die Cortes Generales werden

nur bey Huldigungen und andern Feyerlichkei-

ten gehalten.

a) Sonſt waren in den meiſten einzelnen Koͤnigreichen

von Spanien drey Staͤnde, 1) die Geiſtlichkeit, 2) der

Adel, 3) die Deputirte der Staͤdte.

31.

Doch giebt es noch Grands d’Espagne,

welche verſchiedene Vorrechte genieſſen. Sie

ſind

[59/0073]

Spanien.

ſiud von 3. Claſſen, und der Koͤnig ernenet ſie.

Die uͤbrige vom hohen Adel heiſſen Titulos oder

Titulados, ehemals Ricos hombres, die von

niedern Adel nennen ſich Cavalleros und Hidal-

gos.

a) Von dem Urſprunge und den Vorrechtender Gran-

dezza und von den 74. Spaniſchen Familien, welche

dieſe Wuͤrde erblich haben, ſiehe VAYRAC tom. II.

liv. V. und die Annales d’ Espagne, tom. IV. p. 316.

b) Der Rangſtreit der Grandes mit den Franzoͤ-

ſiſchen Dues und Pairs iſt zwiſchen Philipp V. und

Ludwig XIV. verglichen.

c) Unter Kayſer Carl V. entſtanden auch Verdruͤß-

lichkeiten zwiſchen den Teutſchen und ihnen, wegen des

Bedeckens.

d) Beym hohen Adel iſt Majorasco eingefuͤhrt,

deſſen Vorrechte Philipp II. zum groſſen Nachtheil

des Adels eingeſchraͤnckt. Journal du voyage d’Espa-

gne, p. 297 und Voyage d’Esp. p. 74.

e) Die Hidalgos ſind, anſſer einigen alten Haͤu-

ſern, und den Ordensrittern, den buͤrgerlichen Unter-

thanen vollkommen gleich. Journal du voyage d’

Espagne pag. 312. n. 313.

5. Verfaſſung der Reichsgeſchaͤfte.

§. 32.

Die allgemeine Reichsgeſchaͤfte werden

durch das Conſejo da Eſtado beſorget, welchem

einige

[60/0074]

Spanien.

einige Eſcrivanos da Eſtado zu den verſchiede-

nen auslaͤndiſchen und einheimiſchen Affairen

beygefuͤget ſind. Jn wichtigen Faͤllen muͤſſen von

den ſubordinirten Collegiis Conſultas an den

Staatsrath gegeben werden. Jnsbeſondere

ſtehet den Americaniſchen Sachen der Rath von

Jndien vor, von dem auch der Vice-Ré in Me-

xico und Peru nebſt allen uͤbrigen Statthaltern

und die Caſa da Contractacion zu Sevilſa depen-

diren. Jn auſſerordentlichen Faͤllen wird eine

Junta angeordnet, die Perſon des Koͤnigs zu

vertreten.

a) Was ein memorial monté et deſcendu, oder eine

conſulte montée et deſcenduë ſey, aus den Memoi-

res de la cour d’Eſpagne.

b) Unterſchrift des Koͤnigs an die Unterthanen oh-

ne ſeinen Namen.

§. 33.

Der Spanier iſt ein aberglaͤubiſcher Chriſt,

und putzt die Catholiſchen Ceremonien mit Spa-

niſchen Verzierungen aus. Die 8. Erz- 44.

Suffcagan- und 2. exempte Biſchoͤfe nebſt un-

zaͤhligen Kloͤſtern zehren das Fett von Spanien.

Jn America iſt die Geiſtlichkeit weder an Men-

ge noch an Reichthum viel geringer. Man zaͤh-

let allein 6. Ertz- und 38. Bißthuͤmer darinnen.

a) Den Spaniſchen Aberglauben beweiſen ſelbſt

Roͤmiſch-Catholiſche Schriftſteller, als der P. LABAT

I. 15, und der Verfaſſer der Lehrr. Nachr. II. 42.

b)

[61/0075]

Spanien.

b) Von der gantzen Kirchenverfaſſung handelt

VAYRAC. t. II. liv. IV.

c) Der Ertzbiſchof von Toledo, iſt Primas Hiſpa-

niae, Cancellarius Caſtellae und Conſiliarius ſtatus

natus, er hat die geiſtliche Jurisdietion uͤber 5. groſſe

und 109. andre Staͤdte, 516. Flecken und Doͤrfer,

4. Collegial-Kirchen, 25. Ertzprieſter, 5000. Prieſter,

und mehr als 506000. Communicanten. VAYRAC

II. p. 331. welcher von deſſen Domeapitul hinzufuͤgt:

qui eſt ſans contredit le plus Auguſte, le plus

nombré et le plus riche de la Chrétienté après S.

Pierre de Rome p. 329. Man rechnet des Ertzbi-

ſchofs Einkuͤnfte auf 300.000. und des Domcapituls

auf 150 000. Ducaten.

d) Die Ann. d’Eſp. IV. 45. zeigen aus des GIL

GONZALEs D’ AVILA grandeſſes de Madrid, daß

ſchon 1623. die Franeiſeaner allein 859 Kloͤſter beſeſ-

ſen, worinnen ſich mehr als 14.000. Moͤnche und Non-

nen maͤſten.

e) Der Reichthum der Kirchen zu Madrid, Se-

villa, Toledo, Sarragoſſa, erhellet aus den Lehrr.

Nachr. II. 76.

f) ALEXANDRE OLIVIER OEXMELIN in ſeiner

Hiſtoire des avanturiers qui ſe ſont ſignalés dans

les Indes, II. tomes a Paris 1688. 12. hat einen be-

ſondern Anhang von der Chambre des comptes dans

les. Indes, worinnen die geiſtliche Stifter in Ameri-

ea und deren Einkuͤnfte namhaft gemacht werden.

§. 34.

Der Koͤnig ernennt zu allen Ertz- und Biß-

thuͤmern, und der Pabſt beſtaͤtiget ſie. Die

Canonicate vergiebt theils der Koͤnig, theils der

Bi-

[62/0076]

Spanien.

Biſchof, theils das Capitul, theils der Pabſt.

Dieſer genieſſet auch das eintraͤgliche ius ſpolii

durch ſeinen Nuntium.

a) Den Vergleich Kayſer Carls V. mit dem Pabſt

Clemens VII. wegen der Ernennung zu den Stiftern

findet man in des gedachten Pabſtes Bulle im Corps

Dipl. Supl. tom. I. part II. p. 109.

b) Siehe auch Journal du voyage d’Eſp. p. 381.

c) Keine Paͤbſtliche Bulle darf ohne des Koͤnigs

ſchriftliche Einwilligung publicirt werden

§. 35.

Die beruͤchtigte Jnquiſitions-Gerichte,

welche die Koͤnigin Jſabella, Kraft eines Geluͤb-

des zuerſt in Spanien eingefuͤhret, und deren

man jetzt 14. in dem Reiche ſelbſt und 3. in A-

merica zaͤhlet, haͤlt die Nation fuͤr ihr Heilig-

thum, andre aber ſehen ſolche als das allergrau-

ſamſte Blutgericht an. Spanien hat ſich da-

durch unerſetzlichen Schaden gethan, und die

unumſchraͤnckte Gewalt der Jnquiſition bleibt

allemal gefaͤhrlich und ſchrecklich, ungeachtet in

vielen Jahren keine feyerliche Autos da fe vor-

genommen werden.

1) Backers vollſtaͤndige Nachricht von der

Jnquiſition aus dem Engliſchen mit D. Baumgar-

tens Vorrede, Halle 1736. 8. iſt unter den vielen

Schriften hiervon am brauchbarſten.

a) Urſprung des ſancti offieii inquiſitionis hae-

reticae prauitatis vom heiligen Dominico unter Pabſt

Jnnocentio gegen die Albigenſer.

b)

[63/0077]

Spanien.

b) Die Paͤbſte fuͤhrten ſolche in Jtalien ein; aber

die Teutſchen, Engellaͤnder, Franzoſen und Nieder-

laͤnder lieſſen ſich ſolche nicht aufbuͤrden.

c) Verfaſſung, Privilegia, Jurisbietion dieſer Ge-

richte, nebſt den Hauptpuncten ihrer Unterſuchungen,

ihren 20. 000 Familiares, Proceſſen und Executionen.

d) Wie ſie mit Carl V. und Philipp III. umge-

gangen?

e) Beſondere Anmerkungen aus den treflichen Me-

moires de la cour d’Espagne, pag. 195.

§. 36.

Den Unterthanen ſind von Ferdinando Ca-

tholico die Leges Tauri vorgeſchrieben. Die

neuern Koͤnigliche Verordnungen hat Philipp

II. 1567. in eine Recopilacion und Philipp IV.

1640. in eine nueva Recopilacion bringen laſſen.

Nach dieſen legibus ordinationum geltẽ die Fo-

ra, (ſtatuta prouincialia und localia), zu wel-

chen auch das Fuero Iuzgo, oder Forum, ſeu

Liber Iudicum gehoͤrt, alsdenn la Partita, o-

der die Leges ſeptem partitarum, und endlich

ius Caeſareum oder Romanum.

a) Die Leges Tauri ſind auf den Cortes zu To-

ro 1500. abgefaſſet, und beſtehen aus 83. Geſetzen.

Zween Gomez, Großvater und Enkel haben ſolche mit

Commentariis erlaͤutert, Francof. 1591. f.

b) Die nueva Recopilacion de las leyes de eſtos

Reynos en tres tomos, ſind zu Madrit 1640. f.

herausgekommen.

c) Das

[64/0078]

Spanien.

c) Das Forum iudicum iſt eine Sammlung, die

noch von den Gothiſchen chriſtlichen Koͤnigen herruͤh-

ret. Man findet ſie in LINDENBROGII Codice le-

gum antiquarum.

d) La Partita iſt unter Alphonſo X. dem Weiſen-

Koͤnige von Caſtilien, ex dictis ſanctorum et ſapien-

tum et moribus Hiſpanorum 1260 geſammlet worden,

und hat von ihren 7. Theilen den Namen erhalten.

Gregorius LOPEZ hat Spaniſche Gloſſas, und die beyde

a Hermoſilla, Vater und Sohn, haben einen Commen-

tarium daruͤber geſchrieben.

e) Die Rangordnung dieſer Geſetzbuͤcher wird in

leg. 1. Tauri feſtgeſtellt.

f) Um die Spaniſche Geſetze hat ſich der Daͤniſche

Legations-Secretaͤr Gerhard Ernſt von Franke-

nau verdient gemacht, welcher Sacra Themidis Hi-

ſpaniae Arcana zu Hannover 1703. 4. herausgegeben.

§. 37.

Die kleinere Staͤdte und Flecken haben ih-

re Rigidoros und Alcaldes, die groͤſſere Staͤd-

te ihre Corrigidoros. Uebrigens ſind 7. Pro-

vinzial-Gerichte oder Audienzias Reales, wor-

innen die Vicekoͤnige und Statthalter den Vor-

ſitz haben. Sie ſtehen unter dem hoͤchſten

Reichstribunal dem Conſejo Real di Caſtilla,

welches in 4. Cammern abgetheilt iſt. Der

Proceß iſt koſtbar und langweilig.

a) Das einzige Koͤnigreich Navarra iſt hievon aus-

genommen. Dieſes hat ſeine beſondere Geſetze, ſei-

nen beſondern Proceß und ein Conſejo Real mit

dem

[65/0079]

Spanien.

dem Privilegio de non appellando. VAYRAC, t. III.

liv. VI. p. 251.

b) Ehemals genoſſen Arragonien, Valentia und Ca-

talonien eben dieſer Vorrechte; aber Philipp II. caſ-

ſirte ſolche in dem erſten Reiche, und Philipp V. 1706.

in den beyden andern Provinzen.

c) Der koͤnigliche Rath von Caſtilien vertheidiget

auch die Rechte der Majeſtaͤt gegen die Paͤbſtliche Ein-

griffe. ZANETORNATO in ſeiner relatione del go-

verno della corte di Spagna, Cosmopoli 1672. 12.

§. 38.

Die koͤnigliche Einkuͤnfte flieſſen zuſammen

aus den Zoͤllen, (Almojarifazgos und Portos

ſecos) dem Zehenden von allem, was verkauft

oder vertauſchet wird, (Alcavalas) der Acciſe

auf Fleiſch, Wein und andere Lebensmittel, (Los

Milliones) der Vermoͤgenſteuer, (Los Ser-

vicios) dem Stempelpapier (Papel Sellado)

und der Salzſteuer; (Salinas) ferner aus der

Creuzbulle (Bolla de la Cruzada) und Dispen-

ſation wegen der Faſtenſpeiſen, (Grozzura und

Mantego) dem Tribut ſowohl der Geiſtlichkeit,

(Terzias und el Escuſado) als des hohen A-

dels und der Ritterorden, contribution des

lances et des galères) und den Großmeiſter-

thuͤmern.

a) Siehe von allen dieſen Arten der Einnahme

VAYRAC, III. 284. und LAET in Hiſpania, p. 377.

b) Von der Creuzbulle und Dispenſationen LABAT,

I. 265.

E

[66/0080]

Spanien.

I. 265, 268. welcher die Creuzbulle des Pabſtes Urban

VIII. im Anhange beygefuͤgt.

§. 39.

Jn America gelten alle Abgaben, die in

Spanien mode ſind, und die Creutzbulle wird

gar doppelt bezahlt. Auſſer dem ziehet der Koͤnig

von aller Ausbeute theils 5. theils 10. Procente,

von der Ausfuhr des Goldes und Silbers an-

derthalb Procente. Das Muͤnzregal in Mexieo

iſt gleichfalls ſehr eintraͤglich. Auf die Einfuhr

der Mohren ſind ſchweere Abgaben gelegt, und

noch auſſerdem iſt er in dem Negreshandel, wel-

chen er den Engellaͤndern verwilliget, auf ein

Viertheil intereſſirt.

1. Etabliſſement d’une chambre des comptes dans

les Indes Occidentales, III. partie, des revenus

que le Roi d’ Espagne tire de l’ Amerique, p. 265.

im Anhange zum zweyten Bande der obgedachten Hi-

ſtoire des Avanturiers qui ſe ſont ſignalés dans les

Indes.

a) Von den Einkuͤnften aus der Mexicaniſchen

Muͤnze handelt LABAT, I. 271.

b) Die Bedingungen des Engliſchen Mohrenhan-

dels nach dem Spaniſchen America ſiehet man aus dem

Aſſiento-Tractat vom 26. Merz 1713. in Schmauſ-

ſens Corp. I. Gent. Acad. tom. II. p. 1295.

§. 40.

[67/0081]

Spanien.

§. 40.

Das Conſejo Real da Hazienda iſt uͤber

die Reichs-Einnahme und Ausgabe geſetzt. Es

iſt in vier Kammern eingetheilt, nehmlich in die

Finanz-Millionen-Juſtitz- und Oberrechnungs-

kammer, wovon die letzſtere Contaduria Major

genennet wird, und beſteht uͤberhaupt aus einer

groͤſſern Anzahl Perſonen, als alle uͤbrige koͤnig-

liche Collegia zuſammen genommen. Durch die

elende Haushaltung der Oeſterreichiſchen Koͤnige

ſtiegen nicht nur die Kronſchulden entſetzlich; ſon-

dern es fielen auch die Einkuͤnfte zugleich ſo uner-

hoͤrt, daß man iu der ganzen Hiſtorie kein aͤhn-

liches Exempel aufweiſen kann. Philipp V. hat

deßwegen den groſſen Franzoͤſiſchen Cammerali-

ſten Orry dreymal nach Spanien kommen laſ-

ſen, und ziemliche Verbeſſerungen gemacht.

a) Von der Hazienda VAYRAC, III. 244.

b) Schon Philipp II. koſteten die jaͤhrliche Jntereſſen

ſeiner Schulden die Haͤlfte ſeiner Revenuͤen. LAET

in Hiſpania, p. 480.

c Vom Elende in Spanien unter Carln II. ſind

die Memoires de la Cour d’Espagne und der ZANE-

TORNATO voll. Man kann auch die Briefe des

Filtz-Moritz, bl. 97. anſehen.

d) Von den Verbeſſerungen Philipp V. durch Orry

VAYRAC, III. 304.

§. 41.

E 2

[68/0082]

Spanien.

§. 41.

Spanien kann ſchwerlich uͤber 40. biß 50.

000. Mann ins Feld ſtellen. Doch wird der

Mangel an groſſer Anzahl durch die Tapferkeit

und gute Eigenſchaften ſeiner Truppen erſetzt.

Jnfanterie und Cavallerie ſind beyde gleich tref-

lich; beſonders ſeit dem ſolche unter Philipp V.

auf Franzoͤſiſchen Fuß geſetzt worden. Gutes

Gewehr haben ſie im Ueberfluſſe.

a) LAET in Hiſpania, p. 443.

b) VAYRAC, III. 419.

c) Jhr Schieß- und Seitengewehr wird in Bilbar,

Toloſette, Gallicien und Navarra gemacht.

§. 42.

Jm ſechszehenden Jahrhundert hatte Spa-

nien unſtreitig eine voͤllige Uebermacht zur See.

Nach dem Zuwachs von Portugal haͤtte es in

allen Europaͤiſchen und Americaniſchen Gewaͤſ-

ſern Geſetze vorſchreiben koͤnnen. Aber die fata-

le Unternehmung auf Engelland 1588. brachte dem

Spaniſchen Seeweſen einen toͤdlichen Stoß bey.

Jnzwiſchen wachten die andern Nationen auf,

und halfen die Spanier vollends niederwerfen.

Seit dem Utrechtiſchen Frieden hat ſich Philipp

V. groſſe Muͤhe gegeben, die Marine in beſſern

Stand zu ſetzen, und ſeine Flotte iſt, auſſer den

Americaniſchen Gallionen und 50. biß 60. Galee-

ren

[69/0083]

Spanien.

ren, faſt auf 30. Kriegsſchiffe geſtiegen. Holz,

Theer und Canonen haben ſie ſelbſt; aber Se-

gel- und Thauwerk muͤſſen ſie von Fremden er-

kaufen.

a) Philipp V. hat von den Franzoſen und Genue-

ſern Schiffe gekauft, ja mit Rußland daruͤber nego-

ciirt.

b) Die koͤnigliche Schiffe werden in Corunna, Fer-

rol und Cadix aufbehalten.

6. Jntereſſe.

§. 43.

Die Natur hat Spanien vor auswaͤrtigen

Anfaͤllen treflich ſicher geſtellt. Die Regiments-

Form iſt ſo gut eingerichtet, daß dem Koͤnige

zu Befoͤrderung der Landeswohlfahrt die Haͤnde

nicht gebunden ſind. Aber ungeachtet der zum

Theil gluͤcklichen Bemuͤhungen, welche es im

jetzigen Jahrhundert angewandt, ſich aus ſeiner

Erniedrigung herauszuhelfen, wird es ſich doch

zur vorigen Hoͤhe nicht bringen, wenn es nicht

ſeine Einwohner zu vermehren, und arbeitſamer

zu machen, und eine allgemeine Reformation

im Cammerweſen durchzuſetzen weiß.

a) THOMAS CAMP ANELLA in ſeinem diſcurſu

de monarchia Hiſpanica, Amſtelodami 1640. 12.

giebt den Spanien eine Menge Anſchlaͤge, die theils

vernuͤnftig, theils laͤcherlich ſind.

b)

E 3

[70/0084]

Spanien.

b) Auſſer den Vortheilen der Lage koͤnnen im Rei-

che ſelbft auslaͤndiſche Truppen; ſonderlich Cavallerie

nicht anders als mit den groͤßten Koſten und Beſchwer-

lichkeiten ſubſiſtiren. VAYRAC, III. 320.

c) Chriſtliche Einfalt des Spaniſchen Miniſterii

unter Carl II. aus ſeiner Antwort auf den Vorſchlag

einiger Hollaͤnder, den Tajo ſchiſfbar zu machen.

VAYRAC, III. 315.

d) Eine aͤhnliche Staatsmarime dieſer Herren we-

gen der auslaͤndiſchen Manuſacturen erzehlen die Me-

moires de la Cour d’Eſpagne depuis 1679. jusqu’en

1681. p. 292.

e) Daß Orry nicht gantz reuſſiren koͤnnen, und

Alberoni ſowohl als Ripperda bey ihren guten Projecten

ſo geſchwinde geſtuͤrtzt worden, daran hatten theils die

hartkoͤpfige Spanier, theils die Auslaͤnder, ja ſelbſt

die Jeſuiten Schuld. Lehrr. Nachr. II. 71.

Das

[71/0085]

Das II. Hauptſtuͤck.

Staat

von

Portugal.

Schriftſteller:

1. Aus denen bey dem Spaniſchen Staat angefuͤhr-

ten Schriftſtellern koͤnnen hiebey nuͤtzlich gebraucht

werden:

Annales d’ Eſpagne et de Portugal par Don

JUAN ALVAREZ COLMENAR, und

Lehrreiche Nachrichten fuͤr einen Reiſenden in

verſchiedene Europaͤiſche Staaten.

2 Relation de la Cour de Portugal ſous Don

Pedro II. traduite de l’Anglois, II. tomes, à Am-

ſterdam, 1702. 8.

3. Hiſtoire generale de Portugal par M. LEQVIEN

de NEVFVILLE, II. tomes, à Paris 1706. 4 in dem

Vorbericht.

4. Staat von Portugal, (von Hrn. Hofr.

Schmauſſen) 2. Theile, Halle 1714. 8.

5.

E 4

[72/0086]

Portugal.

5. Helmſtaͤdtiſcher Nebenſtunden ſechſtes

Stuͤck, worinnen von Portugal und den zwiſchen

dieſer Krone und dem Koͤnige von Spanien ent-

ſtandenen Zwiſtigkeiten gehandelt wird durch

G. (Goͤbel) Helmſtaͤdt 1736. 8

6. Memoires de Portugal, dreſſez par le Che-

valier d’ OLIVEYRA, II. tomes, à Amſterd. 1741. 8.

I. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Portugal hat in alten Zeiten einerley Schick-

ſal mit Spanien gehabt. Die Phoenicier,

Carthaginienſer, Roͤmer, Alaner, Schwaben

und Weſtgothen haben nacheinander darinnen

geſeſſen: endlich im Anfange des achten Jahr-

hunderts wurden die Saracenen davon Meiſter.

§. 2.

Heinrich ein Burgundiſcher Printz aus

Koͤniglichem Franzoͤſiſchen Gebluͤte erobert einen

Theil von Portugal im Namen Alphonſi VI.

Koͤnigs von Caſtilien und Leon, wird durch ſei-

ne Vermaͤhlung mit deſſen Printzeſſinn Thereſia

Graf in Portugal 1093. und erhaͤlt es erb- und

eigenthuͤmlich 1110. Sein Sohn Alphonſus

erweitert ſeine Herrſchaft, nimt mit Wieder-

ſpruch der Caſtilianer den koͤniglichen Titul an,

und bringt die Regierungsform in Ordnung.

Deſſen

[73/0087]

Portugal.

Deſſen Nachfolger ſaubern das Reich immer

mehr von den Saracenen, Alphonſus III. ver-

knuͤpft Algarbien mit der Krone, und die eheli-

che maͤnnliche Linie ſtirbt mit Ferdinand I. 1383.

aus.

§. 3.

Johannes der Baſtard, des letzten Koͤnigs

natuͤrlicher Bruder, ſchwingt ſich mit Huͤlfe der

Staͤnde auf den Thron, deſſen gluͤckſeelige Nach-

kommenſchaft die gantze Kuͤſte von Africa, von

Oſtindien und von Braſilien entdeckt, und an

Land und Handel maͤchtig wird. Daher iſt unter

Emanuel, dem Urenkel Johannis I. die guͤldene

Zeit; aber mit dem Tode ſeines eigenen Uren-

ckels Sebaſtians faͤllt alles, und Heinrich der

Cardinal beſchließt den Mannsſtamm 1580.

a] Erſtaunliche Veraͤnderung des gantzen Handels

zwiſchen Oſtindien und Europa.

§. 4.

Unter allen Kronpraͤtendenten behauptet

Philipp II. Koͤnig von Spanien das Reich mit

Gewalt. Seit dem wird nicht allein der reichſte

Theil des Seehandels den vereinigten Nieder-

laͤndern zur Beute; ſondern dieſe reiſſen auch

gantze Jnſuln und Provinzen in beyden Jndien,

und ſonderlich das beſte Stuͤck von Braſilien

an ſich. Die Portugieſen verliehren auf allen

Sei-

E 5

[74/0088]

Portugal.

Seiten, und werden noch dazu greulich tyranni-

ſiret. Dieſe Zeit der Truͤbſal dauert 60. Jah-

re. Endlich ſetzen ſie ſich 1640. durch einen gluͤck-

lichen Aufſtand in Freyheit, und ihr geliebtes

Haus von Braganza auf den Thron.

a) Was Portugal, ehe es unter die Svanier ge-

fallen, in Africa, Aſien und America beſeſſen.

b) Was es unter der Herrſchaft der Spanier ein-

gebuͤſſet.

c) Wie auſſer den Hollaͤndern die Engellaͤnder/

Perſianer, Japaneſer und ſelbſt die Spanier dazu be-

huͤlflich geweſen.

§. 5.

Johannes IV. vertreibt die Hollaͤnder aus

Braſilien, verliehrt aber faſt alles in Oſtindien.

Sein Sohn Alphonſus VI. wird 1667. von

ſeinem Bruder Peter II. der Krone beraubt,

welcher den 28. jaͤhrigen Krieg mit den Spaniern

1668. ſo gluͤcklich endiget, daß er ihnen die Sou-

verainitaͤt abzwinget. Er miſchet ſich auch in die

Spaniſche Succeſſionshaͤndel, aber ohne Vor-

theil. Seit dem hat das Reich unter Johann V.

einer beſtaͤndigen Ruhe genoſſen.

a Endlicher Haager Vergleich zwiſchen Holland

und Portugal wegen der Oſtindiſchen Eroberungen 1661.

1. Hiſtoire des revolutions de Portugal par M.

l’Abbé de VERTOT, à Amſterdam 1712. 12.

2. Be-

[75/0089]

Portugal.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 6.

Portugal das aͤuſſerſte Reich in Europa gegen

Weſten hat ein warmes; aber ſehr angenehmes

Clima, iſt von ſehr mittelmaͤſſiger Groͤſſe, und

wird gegen Morgen und Mitternacht von Spa-

nien, gegen Abend und Mittag aber von dem

Atlantiſchen Meer eingeſchloſſen.

a) Von der Annehmlichkeit Portugals ſchneiden

die Portugieſen auf. Staat von Port. I. 67. aus des

SOVSAE Luſitania liberata.

§. 7.

Auſſer dem Mondego erhaͤlt es ſeine groſſe

Fluͤſſe, den Douro, Tejo, Guadiana und

Minho aus Spanien. Sie ſind wenig ſchiffbar;

aber deſto reicher an Fiſchen. Aus den verſchie-

denen Gebuͤrgen quellen eine Menge Baͤche

hervor, ſie geben auch die ſchoͤnſte Marmorbruͤ-

che, und zeugen unſtreitig allerhand Metalle.

a) Der Douro, Tejo und Mondego fuͤhren Gold,

Johannes III. hat ſich aus dem Metall des erſtern

einen Scepter machen laſſen Helmſtaͤdt. Nebenſtun-

den, bl. 24. aus des RESENDII antiquitatibus Lu-

ſitanicis.

b) Martin Ficaretus wollte den Douro bis Leon

ſchiffbar machen; aber es unterblieb aus Staats-

raiſon.

c)

[76/0090]

Portugal.

c) Vom Marmor, den verſchiedenen Edel- und den

treflichen Muͤhlſteinen, die bis nach Jndien gefuͤhret

werden. Staat von Port I. 77.

d) Es ſind Kupferminen in Algarbien, Silber,

Zinn-Bley- und Eiſenadern in den Nordlichen Thei-

len des Reichs, und nahe an der Guadiana die Via de

Prata; aber man bauet ſie mit Fleiß nicht. Lehrr.

Nachr.

§. 8.

Portugal hat Seeſalz, Wein, Oliven-

und Roßmarinwaͤlder, Honig, Orangen- und

andre Gartenfruͤchte uͤberfluͤßig, Viehzucht und

Schaͤfereyen zur Gnuͤge, mehr Eſel als Pferde,

das Getreyde aber, ſonderlich Weitzen reichet

jetzt fuͤr die Einwohner nicht zu.

a) Salzeanaͤle zu Santaren, Alenquer und Torres

Vedras.

b) die beſte Weine in Algarbien.

c) Ehemals litte Portugal keinen Mangel an A-

ckerbau; aber die viele Colonien und die Nachlaͤßig-

keiten der Portugieſen ſind ſchuld daran. Staat von

Portugal, I. 68.

§. 9.

Das Reich an ſich ſelbſt beſtehet aus zwey

ſehr ungleichen Koͤnigreichen, Portugal und Al-

garbien, wovon das erſte in 5. Provintzen ab-

getheilet iſt.

§. 10.

[77/0091]

Portugal.

§. 10.

Liſſabon iſt das praͤchtige Haupt von Por-

tugal am Tejo, deſſen Zugaͤnge von der Seeſeite

wohl verwahret ſind, Belem das Mauſolaͤum

der Koͤniglichen Familie, das von Johann V. mit

Millionen Koſten aufgefuͤhrte Maffra ein neues

Eſcurial.

1. DAMIANI a GOES Oliſiponenſis vrbis deſeri-

ptio, tom. II. Hiſpaniae illuſtratae, p. 879.

2. Maffra liegt 8. Meilen von Liſſabon, war ſonſt

das armſte Kloſter in gantz Portugal, wo 12. Bettelmoͤnche

unter einer Strohhuͤtte ſchliefen. Johannes

ließ 12000. Mann daran arbeiten, und hat uͤber 3.

Viertel ſeines Schatzes und des Braſilianiſchen Gol-

des in Steine verwandelt, Lehrr. Nachr. I. 180.

§. 11.

Die viele Feſtungen gegen die Spaniſche

Grenze, ſonderlich Valenza, Miranda de Dou-

ro, Eſtremos, Elvas ruͤhren groͤſtentheils noch

von Schombergs Anſtalten her. Unter den

Seehaͤfen ſind nebſt Liſſabon auch Setubal,

Porto und Viana merckwuͤrdig.

1. ANTONII V ASCONCELLI deſcriptio regni Lufi-

taniae iſt ſeinem hiſtoriſchen Wercke unter dem Titul:

Anacephalaeoſes, id eſt ſumma capita actorum re-

gum Luſitaniae angehengt, Antwerpiae 1621. 4.

§. 12.

Dieſe Nation iſt unter den Europaͤiſchen

die erſte, welche neue Laͤnder entdecket, und

war

[78/0092]

Portugal.

war eine zeitlang die eintzige, welche ſich ruͤhmen

konnte, ihre Herrſchaft in allen vier Theilen des

Erdbodens ausgebreitet zu haben. So ſehr ſie

auch von ihrer ehemaligen Hoͤhe herabgefallen,

ſo beſitzet ſie doch noch in der uͤbrigen alten und

neuen Welt anſehnliche Laͤnder.

§. 13.

Auf dem Atlantiſchen Meer gehoͤren die-

ſer Krone die Azoriſchen Jnſuln nebſt Madera;

Jn Africa etwas an der Kuͤſte der Barbarey,

die Jnſuln des gruͤnen Vorgebuͤrges, nebſt der

Jnſul St. Thomas, unterſchiedliche Feſtungen

in den Koͤnigreichen Loango, Congo, Angola,

in Monomotapa, und auf der oͤſtlichen Kuͤſte der

Caffaren in Sofola, ferner an der Kuͤſte von

Zanguebar der trefliche Seehafen Moſambique;

in Aſien, und zwar in den Koͤnigreichen Cam-

baya, Decan und Cuncan viele Oerter, haupt-

ſaͤchlich Goa und Diu.

a) Die Azoriſchen Jnſuln liefern viel Paſtel.

b) Madera giebt herrlichen Wein und Zucker.

c) Die Capo-Verdiſche Jnſuln nebſt Zucker auch

viel Saltz, Reiß und Cotton. St. Thomas iſt eine

bloſſe Zuckerinſul.

d) Jn Monomotapa haben ſie unterſchiedliche

Goldbergwercke in einem Bezirck von 60. Meilen.

e) Moſambique bedeckt ihren gantzen Africaniſchen

und Aſiatiſchen Handel. Es iſt auch daſelbſt der vor-

nehmſte Gouverneur von den Africaniſchen Provinzen.

f)

[79/0093]

Portugal.

f) Fehler der Portugieſen, daß ſie das Vorgebuͤr-

ge der guten Hofnung unbeſetzt gelaſſen.

§. 14.

Jn America beſitzen ſie das unvergleichliche

Braſilien nebſt einem Theile des angrenzenden

Gviana, Paraguay und Magellanica biß an

Cabo rotondo oder Punto de Marca. Dieſe

Laͤnder geben Zucker in erſtaunlicher Menge, Gold,

Silber und Edelſteine, Braſilien- und anderes

Faͤrbe- und Bauholz, Taback, Jndigo, Pfef-

fer, Jngver, Balſam, Baumwolle, Viehhaͤute.

1. IOANNIS de LAET hiſtoria naturalis Braſiliae,

Lugduni Batavorum 1648. f.

a) Von allen dieſen Nebenlaͤndern der Portugieſen

giebt einen ſchoͤnen Auszug aus Johann Hugo von

Linſchotten Reiſen, den Voyages des LE MAIRE,

Carli nach Venedig uͤberbrachtem Mohr, der Re-

lation des voyages de M. de Gennes par FROGER,

dem Voyage de DELLON aux Indes orientales und

Dappers verſchiedenen Schriften der Staat von

Portugal, I. Theil, 2. Capitel.

b) Vom Bay de todos los Santos und der Haupt-

ſtadt in Braſilien St. Salvador macht FREZIER in

ſeiner relation du voyage de la mer du Sud p. 225.

eine accurate Beſchreibung.

c) Die beſte Goldbergwerke ſind in Rio di Ianeyro,

vieles davon haben die Pauliſten im Beſitz. FREZIER

eb. daſ. Man findet in Braſilien Stuͤcke von 3. biß 8.

Mark gediehenes Goldes, welches bißweilen kaum 2 Fin-

ger tief unter der Erde liegt. Lehrr. Nachr. I. 212.

3. Be-

[80/0094]

Portugal.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 15.

Das Land iſt volkreich genug; es wuͤr-

de aber ſonderlich ſeit der Aufnahme und Be-

kehrung der Juden unter Johann II. und Ema-

nuel noch weit ſtaͤrker bewohnet ſeyn, wenn nicht

die viele Schiffarten, auswaͤrtige Colonien und

der Religionseifer ſo viel Menſchen gekoſtet haͤtte.

a) Die Provinz Entre Minho e Douro wimmelt

ſonderlich von Menſchen. Staat von Portugal,

I. 19.

b) Menge und Anſehen der heimlichen Juden,

die oft ſelbſt unter der Moͤnchskutte und Biſchofsmuͤ-

tze ſtecken. Eb. daſ. II. 282.

c) Warum Petrus II. das ungemein vortheilhafte

Erbieten der Juden in Amſterdam und der Levante

nicht angenommen, Memoires d’ ABLANCOURT,

p. 379.

d) Wie erſtaunlich die Zahl der Einwohner in Por-

tugal durch die Schiffarten nach beyden Jndien ab-

genommen, ex Botero LAET in Hiſpania, cap. IV.

p. 95.

§. 16.

Die Sprache und das Temperament der

Portugieſen iſt groͤſtentheils Spaniſch. Doch

hat die Vermiſchung dort mit der Franzoͤſiſchen

Mundart, hier mit dem Juͤdiſchen Blute ver-

ſchiedenes geaͤndert.

a) Jn

[81/0095]

Portugal.

a) Jn der Prahlerey, der Eiferſucht und dem uͤblen

Bezeigen gegen Fremde kommen ſie dem Spanier gleich;

aber in der Verſchlagenheit und Pracht uͤbertreffen ſie

ihn.

b) Hievon ſo wohl als von ihrer Sieſta, dem Stierge-

fecht und dem Umgange mit ihrem Frauenzimmer haben

die Lehrr. Nachrichten viel Merkwuͤrdiges.

§. 17.

Die Barbarey ſitzt an dieſer Ecke von Eu-

ropa noch ziemlich feſt, und hat den Aberglau-

ben zur Schutzwehr. Die Wiſſenſchaften wer-

den in Coimbra und Evora zwar gut bezahlt; a-

ber ſchlecht getrieben. Die Landesgeſchichte hat

das Gluͤck genoſſen, daß der jetzige Koͤnig ihrent-

wegen 1721. eine Academie von Standesperſo-

nen errichtet, welche ſich durch unterſchiedliche

Schriften bey der gelehrten Welt ſchon legitimi-

ret hat.

a) Unwiſſenheit des Portugieſiſchen Miniſterii in der

Geographie aus dem Gluͤckwunſch an den neuen Koͤ-

nig von Preuſſen. IOANNIS PETRI LVDEWIGII

opuſcula oratoria, num. XIV.

b) Jn Liſſabon iſt keine Univerſitaet; aber ſie iſt zwey-

mal da geweſen, und zweymal wieder nach Coimbra

verlegt worden. Staat von Portugal, II. 319.

c) Von der neuen Academie der Geſchichte ſiehe

Acta Eruditorum ad a. 1727. menſ. Januar. n. 1.

Es iſt ihre Einrichtung beſchrieben in der Hiſtoria

da Academia real da hiſtoria Portugueſa compoſta

por MENOLL TELLES da SYLVA, 1727. f.

§. 18.

F

[82/0096]

Portugal.

§. 18.

Die Feldarbeit und die Handwerker ſind

dem Portugieſen entweder zu geringe oder zu muͤh-

ſam. Er verraͤth ſeine Ungeſchicklichkeit ſo gar in

den gemeinſten Geſchaͤften der Haushaltung.

Auſſer einiger groden Leinwand, Stroharbeit

und candirten Sachen macht er faſt keine Kunſt-

arbeit, und man beſchuldiget die Engellaͤnder,

daß ſie dafuͤr ſorgen huͤlfen, damit er in Manu-

facturen und Fabricken nicht kluͤger wuͤrde.

a) Durch was fuͤr Privilegia man den Bauern zum

Ackerbau aufmuntern muͤſſen.

b) Johannes II. ſuchte die Pferdezucht zu verbeſſern,

kaufte viel Pferde aus der Barbarey, theilte ſolche aus,

verboth auf Mauleſeln zu reuten, und zwang auf eine

liſtige Art auch die Geiſtlichkeit, ſich der Pferde zu be-

dienen. EMANUEL TELLESIUS SYLVIUS de rebus

geſtis Ioannis II., Hagae Comitum 1712. 4. p. 209.

c) Grobe Einfalt an dem Exempel der Butter und

der Eißgruben, aus den Lehrr. Nachrichten,

d) Eben dieſe erzehlen die Bemuͤhungen der Engli-

ſchen Kaufleute, wodurch ſie die neuen Spiegelmanu-

facturen in Portugal gluͤcklich ruiniret, II. 173.

§. 19.

Hergegen den Handel verſteht er aus dem

Grunde. Er ſchiffet in alle Theile der Welt,

nur nicht in andre Europaͤiſche Laͤnder. Auſſer

dem, was ſeine ihm dort unterwuͤrfige Provin-

zen liefern, hohlt er Gold, Helfenbein, Haͤute

und

[83/0097]

Portugal.

und Negres aus Africa, und die koſtbare Chi-

neſiſche Waaren aus Macao. Der ganze Han-

del von und nach Braſilien geht bloß durch ſeine

Hand. Dem ungeachtet iſt der Profit von die-

ſen weitlaͤuftigen Commercien vor ihn nicht auſ-

ſerordentlich groß, weil er ſeine inlaͤndiſche und

Jndiſche Waaren und Schaͤtze anwenden muß,

um von den Europaͤiſchen Nationen Getreyde,

nnd faſt alle nur moͤgliche Manufacturen von

Wolle, Seyde, Leinen und allerhand Metallen,

biß auf Glaß und Papier, vor ſich und ſeine Ne-

benlaͤnder theils zu ertauſchen, theils zu erkaufen.

a) Die Negres braucht er in groſſer Menge in Bra-

ſilien nicht nur zur Arbeit, ſondern auch zum Staat,

und rechnet FREZIER 20. Mohren gegen einen Weiſ-

ſen in der Stadt St. Salvador. Voyage de la mer

du Sud, II. 532.

b) Der Handel nach Macao iſt nicht nur wegen

der Chineſiſchen Seyde, und allerhand Manufacturen,

Thee, Muscus, Ambra, u. ſ. w.; ſondern auch deß-

wegen ſehr wichtig, weil das Silber dort um 30. Pro-

cent hoͤher am Wehrte iſt, als in Europa. Staat

von Portugal aus Linſchottenl itinerario, I. 145.

c) Politick der Koͤnige von Portugal, den Aus-

laͤndern die Braſilianiſche Haͤfen zu verſchlieſſen, wenn

ſie gleich vor baar Geld handeln wollten. FREZIER,

II. 538.

d) Von ihren Braſilianiſchen und Oſtindiſchen

Kaufardeyflotten, was und wie viel ſie nach Portu-

gal bringen.

e) Was die andre Europaͤiſche Nationen nach Por-

tugal fuͤhren, Staat von Portugal, II. 427, und

uͤber-

F 2

[84/0098]

Portugal.

uͤberhaupt das XII. Capitel daſelbſt vom Zuſtande

der Manufacturen und Commercien in Portu-

gal.

§. 20.

Die Portugieſen rechnen nach Reis, deren

25. einen ggr. betragen, nach Cruſados oder Du-

cati de Portugal, von 400. Rees, das iſt, 16.

ggr. und nach Millereis oder 1. Rthlr. 16. ggr.

Die gangbare Silbermuͤnzen ſind ein Vintin

von 20. Rees, Real von 40. R., Toſtun von

100. R. Patagon von 500. R. Die Goldmuͤn-

zen ſind ein Moeda von 2000. R., Mi-Moe-

da, Doppio-Moeda und die groſſe Goldſtuͤcken

von 10.000. R.

a) Siehe Staat von Portugal, II. 439.

4. Staatsrecht.

§. 21.

Die Leges Lamecenſes, oder die 22. Ar-

tickel, welche auf dem Reichstage zu Lamego un-

ter der Regierung des erſten Koͤnigs von Portu-

gal Alphonſi Henriquez 1181. feſtgeſtellt wor-

den, ſind das Hauptgrundgeſetz des Reiches, und

betreffen den Titul des Reichs, die Erbfolge, den

Adelſtand, das Gerichtsweſen und die Souve-

rainetaͤt von Portugal. Das Manifeſt der

Reichsſtaͤnde von 1641. wegen Erhoͤhung des Her-

zogs

[85/0099]

Portugal.

zogs von Braganza Johannes auf den Portu-

gieſiſchen Thron erklaͤret den Punct der Erb-

folge, und beſtaͤtiget das Recht der Staͤnde bey

Succeßions-Streitigkeiten.

a) Die Leges Lamecenſes ſind in Hrn. Schmauſſens

Corp Jur. Gent. Acad. p. 5, das Manifeſt eben daſ.

p. 2290. befindlich.

§. 22.

Johannes V. jetztherrſchender Koͤnig von

Portugal iſt ein Sohn Koͤnigs Petri II. und der

Pfalzneuburgiſchen Prinzeßinn Maria Sophia

Eliſabeth. Er wurde gebohren 1689., trat die

Regierung an 1707., vermaͤhlte ſich mit der Erz-

herzoginn Maria Anna Joſepha, einer Toch-

ter des Kayſers Leopolds 1708. Sein Erbprinz

Joſeph Emanuel hat von ſeiner Gemahlinn

der Spaniſchen Prinzeßinn Maria Anna Vi-

ctoria noch keine maͤnnliche Erben erzielt. Der

nachgebohrne Prinz Petrus iſt Großprior von

Crato. Die Prinzeßinn Maria Magdalena iſt

nunmehr regierende Koͤniginn von Spanien. Des

Koͤnigs Johannes Bruder Don Emanuel hat

wunderliche Schickſale gehabt, und ſich faſt in

ganz Europa umgeſehen.

a) Den Koͤnig, die Koͤniginn nebſt der ganzen koͤ-

niglichen Familie characteriſirt treflich der Verfaſſer

der Lehrreichen Nachrichten.

b) Die

F 3

[86/0100]

Portugal.

b) Die Wechſelheyrath zwiſchen Spanien und Por-

tugal 1729. iſt noch zur Zeit auf beyden Seiten un-

gluͤcklich.

§. 23.

Der vollſtaͤndige Koͤnigliche Titul lautet al-

ſo: Joannes Dei gratia Rex Portugalliae et

Algarbiorum, cis et vltra mare in Africa,

Dominus Guineae, conquiſitionis, nauiga-

tionis et commercii Aethiopiae, Arabiae,

Perſiae Indiaeque etc.

a) Algarbiorum rex nennte ſich Alphonſus V. ſeit

1471. wegen ſeiner Africaniſchen Eroberungen. NEVF-

VILLE hiſtoire generale de Portugal, tom. I. p. 442,

455.

b) Nauigationis und commercii dominus iſt ſonſt

in der Europaͤiſchen Titulatur unerhoͤrt, weil dieſes

res incorporales ſind. Emanuel fuͤhrte ſolchen Ti-

tul ein, und brauchte ihn ſchon 1513. Die beyde Paͤbſt-

liche Bullen Nicolai V von 1454. und Alexandri VI.

von 1493 haben vermuthlich hiezu Anlaß gegeben. Bey-

de ſind in dem Staat von Portugal exttahirt, die

erſten aus RAYNALDI continuatione Baronii, die

andre aus CHERVBINI Bullario.

§. 24.

Der aͤlteſte Sohn des regierenden Koͤniges

wurde ſeit Eduards Zeiten Prinz genennt, Jo-

hannes IV. aber legte ihm den Namen Prinz

von Braſilien bey. Die uͤbrige Koͤnigliche Kin-

der und Bruͤder heiſſen, wie in Spanien, Jnfanten.

a) Vor

[87/0101]

Portugal.

a) Vor Eduarden hieſſen alle Koͤnigliche Kinder oh-

ne Unterſcheid Jnfanten. Staat von Portugal, I.

406. aus dem VASCONCELLO und FARIA.

§. 25.

Den fuͤnf Schildlein 1. 3. 1. des Koͤnigli-

chen Wappens mit ihren fuͤnf ſilbernen Pfenni-

gen in Form eines Andreaskreutzes gelegt geben

die glaubensvolle Portugieſen eine myſtiſche Er-

klaͤrung, ja ſie ſehen dieſes Wappen wegen ſei-

nes goͤttlichen Urſprungs als ein Pfand der ewi-

gen Dauer ihres Reiches an.

a) Chriſtus, als er Alphonſo I. erſchien, hat die-

ſes Wappen mit folgenden Worten eingeſetzt: vt ag-

noſcant ſucceſſores tui datorem regni, inſigne tu-

um ex pretio, quo ego humanum genus emi, et ex eo,

quo ego a Iudaeis emtus ſum, compones: et erit

mihi regnum ſanctificatum, fide purum et pietate

dilectum, nach dem Document von Alcobaza,

§. XI. Siehe daſſelbe in IOANNIS CARAMUELIS

LOBKOWITZ Philippo Prudente, Luſitaniae legi-

timo Rege, Antwerplae 1639. f. lib. II. art. VII.

p. 114.

b) Erweiß, daß, wenn dieſe Einſetzung richtig iſt,

die nachfolgende Koͤnige einen erſchrecklichen Fluch auf

ſich geladen haben, vt ſint in Domino maledicti, et

cum Iuda traditore in inferno macerati, eben daſ.

§. 15.

c) Urſprung der Unterſchrift des Koͤnigs Quinas

genannt.

d) Sie-

F 4

[88/0102]

Portugal.

d) Siehe uͤberhaupt den Staat von Portugal. II.

Cap. 7 und Hrn Prof Koͤhlers Muͤuzbeluſtigun-

gen, VII. Theil, Bl. 33.

§. 26.

Der Hofftaat iſt nach Proportion des

Reichs faſt gar zu anſehnlich. Die meiſte Hof-

aͤmter ſind in gewiſſen Familien erblich. Die

Galla iſt ſchwarz und Spaniſch. Der Rang

bey Hofe iſt nach einer klugen Alternative zwi-

ſchen den weltlichen und geiſtlichen Standesper-

ſonen eingerichtet.

a) Staat von Portugal, II. Cap. 6. und NEUF-

VILLE hiſtoire gener. de Portug. tom. I. p. 47.

b) Die Unterthanen bekommen kniend Audienz,

und der Staatsſecretaͤr expedirt alles auf den Knien,

und uͤberhaupt ſind in den koͤniglichen Zimmern keine

Stuͤhle. Lehrr. Nachr. I. 75.

§. 27.

Der Ritterorden von Avis iſt 1147. ent-

ſtanden, und hat 1162. von Alphonſo I. ſeine Sta-

tuta erhalten. Er folget der Regel des heiligen

Benedicti. Der von Sant Iago de la Spatha

iſt aus dem Spaniſchen Jacobsorden entſprun-

gen, und unter Koͤnig Dionyſio davon abgeſon-

dert worden. Er beobachtet die Regel des heili-

gen Auguſtin. Die Ausrottung der Tempel-

herrn gab Gelegenheit zum Ritterorden Chriſti,

welcher von obgedachtem Dionyſio 1319. errichtet

worden.

[89/0103]

Portugal.

worden. Er folgt mit dem Orden von Avis ei-

nerley Regel. Alle drey Orden ſind alſo geiſtlich,

duͤrfen aber doch heyrathen, und haben ihre ein-

traͤaliche Comthureyen. Kraft der Bulle des

Pabſtes Julii III. von 1550. iſt die Großmeiſter-

ſchaft aller 3. Orden bey den Koͤnigen erblich, und

ſie diſponiren von allen Commenden.

a) Staat von Portugal, II. Cap 9. und Me-

moires d’Oliveira, tom. II. chap. 6.

b) Die Malteſerritter haben auch in Portugal

anſehnliche Guͤter, ſonderlich das Priorat zu Crato. Der

Koͤnig vergiebt auch dieſe Commenden.

§. 28.

Vermoͤge oberwehnter Lamegiſchen Con-

ſtitution iſt der Portugieſiſche Thron zwar erblich,

doch unter beſonderen Einſchraͤnkungen. Die

Bruderskinder muͤſſen die Einwilligung der

Staͤnde bey ihrer Thronfolge ſuchen. Die Prin-

ceßinnen koͤnnen auch ſuccediren, verliehren aber

durch Vermaͤhlung mit einem Auslaͤnder ihr

Erbrecht. Durch das Manifeſt von 1641. iſt das

Ius repraeſentationis aus einem Roͤmiſchen

Privatgeſetz ein Staatsgeſetz geworden, und die

Staͤnde haben es als ein ſolches erkannt und feſt-

geſtellt.

§. 29.

Alphonſus I. erhielte 1179. von Pabſt Ale-

xander III. die koͤnigliche Krone, und Eduard

I. 1437.

F 5

[90/0104]

Portugal.

I. 1437. von dem Concilio zu Baſel und dem

Pabſte Eugen IV. das Recht, ſich mit eben den

Ceremonien, wie die Koͤnige von Engelland und

Frankreich bey der Kroͤnung ſalben zu laſſen.

Das letztere iſt niemals ausgeuͤbet, und ſeit

dem auch weiter an keine Kroͤnung gedacht

worden.

a) Die Krone uͤberbrachte der Cardinal Albrecht,

zugleich aber auch eine Paͤbſtliche Bulle, worinnen dem

neuen Koͤnigreiche ein jaͤhrlicher Zins von 2. Mark Gol-

des auferlegt wurde, welche Summe jederzeit an den

Erzbiſchof von Braga ſollte aßigniret werden. Dieſe

Bulle iſt aus BRANDAONIS Monarchia Luſitaniae

im Staat von Portugal eingeruͤckt. NEUFVILLE

I. p. 94. zweifelt, ob dieſer Tribut jemals bezahlet

worden.

§. 30.

Die Geiſtlichkeit, der hohe Adel und die

Buͤrgerſchaft machen die 3. Staͤnde des Reiches

aus. Der Koͤnig ſchreibt den Reichstag 4. Wo-

chen vorher aus. Jm Fall der Noth ruft er die

in Liſſabon anweſende hohe Collegia, Kronbe-

diente und den Stadtrath zuſammen, und was

auf dieſem engern Ausſchuße beſchloſſen wird,

hat mit den Reichstagsſchluͤſſen gleiche Kraft.

a) Den hohen Adel machen die Titulados aus.

Sie beſtehen aus 1. Herzoge, dem von Cadaval, Rel.

de la Cour de Port. p. 72, ohngefehr 10. Marggra-

ſen, etlichen 30. Grafen, 1. Bisconde, dem von Vil-

la

[91/0105]

Portugal.

la Nova de Serveira und 1. Baron, dem von Albito.

Staat von Port. II. 70.

b) Reichthum des hohen Adels. Staat von Por-

tugal, II. Theil, 4 Cap.

c) Merkwuͤrdige Moradias Exempel des Ferdinand

Magellanes, der wegen einer verweigerten jaͤhrlichen

Penſion von 16. ggr. die Krone in einen Verluſt von

350.000. Dueaten gebracht.

d) Schwuͤrigkeiten in der Genealogie der Portu-

gieſiſchen Familien. Lehrr. Nachr. I. 224.

§. 31.

Nachdem die Koͤnige ſich mehr oder weni-

ger Anſehen zu geben gewußt, haben die Staͤn-

de des Reichs wenigere oder mehrere Vorrechte

ausgeuͤbet. Sie haben in ihrem Manifeſt vom

J. 1641. ſich oͤffentlich das Recht zugeeignet, ih-

re Koͤnige abzuſetzen, auch ſolches zu dreyen

verſchiedenen Malen ausgeuͤbet. Nach der groſ-

ſen Revolution miſchten ſie ſich in verſchiedene

Kriegs- und Friedensgeſchaͤfte. Wenigſtens iſt

ſo viel gewiß, daß die Abgaben ohne ihre Einwil-

ligung nicht erhoͤhet werden koͤnnen.

a) Exempel der verſchiedenen Regierungen an San-

ctio II. Alphonſo V. Johann II. und den Spaniſchen

Koͤnigen.

b) Die Worte des Manifeſtes ſind unter andern:

quand les ſujèts ſont traités tyranniquement par

leurs Souverains, il eſt en leur pouvoir de leur

ôter la couronne.

c) San-

[92/0106]

Portugal.

c) Sanctius II. Philippus IV. und Alphonſus VI.

haben das Schickſal verworfener Koͤnige erfahren. Bey

dem erſten nahmen jedoch die Staͤnde das Anſehen des

Pabſtes zu Huͤlfe.

d) Exempel der Gewalt des Liſſaboniſchen Juiz da

Povo oder Stadtrichters unter Pedro II. Relation de

Portugal ſous Don Pedro II. pag. 500.

e) Hergegen Johannes V. mußte den Adel durch

Caca-Porto und andre harte Mittel zu demuͤthigen.

Lehrr. Nachrichten I. 82.

5. Verfaſſung der Reichsgeſchaͤfte.

§. 32.

Der Staatsrath iſt das hoͤchſte Reichscol-

legium, worinnen der Koͤnig ſelbſt praͤſidiret.

Der Escrivam de Puridade iſt des Koͤnigs

rechte Hand, unter welchem noch drey andre

Staatsſecretaͤre der auswaͤrtigen und einheimi-

ſchen Affairen ſtehen. Den Provinzen, ſind

Statthalter vorgeſetzt; Der Vicekoͤnig von den

Oſtindiſchen und Africaniſchen Nebenlaͤndern re-

ſidirt in Goa, der von Braſilien in St. Sal-

vador.

a) Doch hat der oberſte Staatsſeeretaͤr in keinem

Collegio weder Votum conſultatiuum noch delibera-

tiuum, Relation de la Cour de Portugal ſous Don Pe-

dro II. tom. II. chap. VIII. p. 256. Exempel an Diego de

Mendoça Corte Real aus den Memoires d’ Oli-

veira, tom. II. p. 91.

b) Die

[93/0107]

Portugal.

b) Die uͤbrige Statthalter in Africa, Oſt- und

Weſtindien, ſtehen theils unter den Vicekoͤnigen, theils

unmittelbar unter dem Koͤnige.

§. 33.

Die herrſchende und eintzig erlaubte Reli-

gion iſt die Roͤmiſchcatholiſche, und der Portu-

gieſe iſt in ſeinem ceremonieuſen Glauben eben ſo

erſoffen, als ſein Nachbar. Seit dem die Ju-

den zum Chriſtenthum gezwungen worden, hat

man einen Unterſchied unter den alten, neuen und

halbneuen Chriſten (Chriſtam velho, Chri-

ſtam novo, temparte de Chriſtam novo)

machen muͤſſen. Die 4. Jnquiſitionsgerichte

zu Liſſabon, Coimbra, Evora und Goa und de-

ren grauſame Feſte ſind jetzt ſehr vernuͤnftig ein-

geſchraͤnkt.

a) Von ihren Heiligen, der Eliſabeth, dem Anton

von Padua und dem Apoſtel der Jndianer Xaver.

b) Von der ehemaligen Strenge der Portugieſiſchen

Jnquiſition ſiehe DELLON hiſtoire de l’inquiſition

de Goa, à Paris 1687. 12.

c) Von den weiſſen Einſchraͤnkungen Johannis V.

Lehrr. Nachr. I. 133. und Memoires d’Oliveira,

tom. I. ehap. XI.

§. 34.

Portugal zaͤhlt 3. Erzbiſchoͤfe, von Braga,

Liſſabon und Evora, unter welchen 11. Biſchoͤfe

ſtehen. Jn St. Salvador und Goa ſind eben-

falls Erzſtifter angelegt, welche ihre Suffra-

gan-

[94/0108]

Portugal.

ganbiſchoͤfe in Weſt- und Oſtindien haben. Ei-

ne Menge Abteyen und Kloͤſter ſind durch alle

Theile des Reichs zerſtreuet, unter welchen die

Abtey von Alcobaza fuͤr die fetteſte gehalten wird.

Seit Kurzem prangt das Reich auch mit einem

Patriarchat, welches Johann V. durch Sturm

vom Roͤmiſchen Hofe erpreſſet, und mit erſtaun-

lichem Aufwande zu Stande gebracht, um im

Nothfall ſeinen eigenen Hauspabſt zu haben.

Der Koͤnig ernennt zu den Bißthuͤmern, und

aſſignirt auf ein Viertel der biſchoͤflichen Einkuͤnf-

te nach ſeinem Belieben Penſionen. Der aus-

ſchweiffenden Gewalt, welche ſonſt der allgemei-

ne Vater der Roͤmiſchen Kirche hier auszuuͤben

gewohnt war, iſt von eben dem Johann V. ein

Ziel geſtecket worden; doch traͤgt dieſes gehorſa-

me Reich dem Pabſt noch groſſe Summen ein.

a) Reichthum der Cleriſey.

b) Gluͤck der Jeſuiten, welche in Portugal den

erſten feſten Sitz gefunden.

c) Urtheil von den Portugieſiſchen Patriarchen,

als erblichen Cardinaͤlen und gemahlten Fuͤrſten,

Lehrr. Nachrichten, I. 211.

d) Macht des Pabſtes, Relation de la Cour de

Port. tom. II. chap. I.

e) Lang wuͤrige Zwiſtigkeiten zwiſchen Portugal

und dem Pabſt wegen des Bicchi.

d) Kunſtſtuͤck der paͤbſtlichen Nuntiorum, Geld

zu gewinnen. Lehrr. Nachr. II. 149.

§. 35.

[95/0109]

Portugal.

§. 35.

Das Roͤmiſche Recht iſt hier nebſt den

Gloſſen in voͤlligem Flor. Es ſind zwar koͤnig-

liche Veroednungen vorhanden, welche den

Vorgang haben, doch ſo, daß wer ſich auf ein

Juſtinianiſch Geſetz beruffet, die Vermuthung

ſo lange vor ſich hat, bis der Gegentheil beweiſet,

daß das Geſetz aufgehoben worden. Nach den

Gloſſen nimmt man auch das Paͤbſtliche Recht

zu Huͤlfe.

1. GERHARDI ERNESTI de FRANKENAV ſaera

Themidis Hiſp. arcana, cap. XII.

a) Koͤnig Emanuel lies die Ordenanzas ſeiner Vor-

fahren ſammlen und publiciren. Unter Philipp II. ſind

die Ordinationes Portugalliae in V. Buͤchern zu Liſſa-

bon 1602. fol. herausgegeben worden. Die Com-

mentatores und Practicos des Portugieſiſchen Rechts

werden in der Bibliotheca iuris Struvio-Buderiana,

cap. VI. §. 4 p. 95. angezeigt. Siehe auch NEVF-

VILLE in der Hiſtoire gen. de Port, I. 60.

§. 36.

Ganz Portugal iſt in 24. Comarcas oder

kleine Provinzial-Gerichte eingetheilet, welche

aus 2. einheimiſchen und einem auswaͤrtigen Rich-

ter (Juez da fora) beſtehen, und von einem

Corregedor jaͤhrlich viſitiret werden. Von

dieſen kann in wichtigen Sachen an zwey tribu-

nalia da Relaçaon appelliret werden. Das

eine iſt zu Porto, und wird Caza de civel ge-

nennt,

[96/0110]

Portugal.

nennt, das andre befindet ſich zu Liſſabon, und

heißt Caza da ſupplicaçon. Jn beyden praͤſi-

diret ein Regedor da Juſticia. Ueber das gan-

tze Juſtitzweſen fuͤhrt der Rath des Pallaſtes,

Deſembargo do paço, welcher ſich beſtaͤndig

in dem Hoflager des Koͤnigs aufhaͤlt, und aus

einem Praͤſidenten und 5. Deſembargadores

beſtehet, die Oberaufſicht.

a) Ein Richter mnß 9. Jahr iura ſtudirt, 3mal

in iure diſputirt, und 6. Examina ausgeſtanden haben.

NEVFVILLE eb. daſ.

b) Vom Juſtitzweſen handelt weitlaͤuftig der Staat

von Portugal, II. Capit. V.

§. 37.

Die Einkuͤnfte werden aus den herrlichen

Patrimonial-Guͤtern des Hauſes Braganza,

aus dem Ueberreſt der Domainen, aus den

Steuern, den Zoͤllen, der Aceiſe, dem Zehenden

von allem, was verkauft wird, den Ablaßzetteln

und den Großmeiſterthuͤmern gezogen. Jn den

Nebenlaͤndern ſind eben dieſe Abgaben einge-

fuͤhrt, uͤber das iſt der Koͤnig Jntereſſent bey dem

Handel mit den auswaͤrtigen Colonien, und hat

das Monopolium mit Breſiltaback.

a) Ehe das Haus Braganza die Krone erlangte,

war ſein Hertzogthum als ein Ungeheuer in einem ſo

kleinen Koͤnigreiche anzuſehen, Staat von Portugal,

II. 60. ex GONSALVO d’ AVILA.

b)

[97/0111]

Portugal.

b) Vermoͤge Paͤbſtlicher Conceſſion, die alle 6. Jahr

erneuert wird, muß die Geiſtlichkeit die ſchwere Ac-

ciſe gleichfalls bezahlen. Relation de la Cour de

Port. I. 29.

c) Das reiche Einkommen aus dem Ablaßkram

hat Portugal dem Koͤnige Philipp II. von Spanien

zu danken. Pabſt Gregorius XIV. erlaubte ihm ſol-

chen durch eine Creuzbulle 1591 welche ſeit dem von

3. Jahren zu 3. Jahren erueuert worden. Man fin-

det ſelbige vollſtaͤndig in der Relation de la Cour de

Portugal ſous D. Pedre II. tom. II. am Ende. Sie

begreift die Bulle fuͤr die Lebendigen, fuͤr die Todten

und die Compoſitions-Bulle unter ſich.

d) Das Monopolium des Schnupftabacks accordir-

ten die Staͤnde dem Don Pedro auf dem Reichstage

1674.

e) Wie das Reich durch die harte Auflagen erſchoͤ-

pfet worden, Relation de la Cour de Port. I. 23.

§. 38.

Das Conſejo da Facenda beſorgt die Ein-

nahme des Reichs, unter welchem die Caza dos

contos oder Rechnungskammer ſtehet. Die neu-

verwilligte Abgaben hebt eine Junta, welche von

den Reichsſtaͤnden geſetzet iſt. Die Zoͤlle wer-

den in der Alfandega oder dem Zollhauſe geho-

ben, welches in 14 Departements abgetheilet,

und mit uͤberfluͤßigen Bedienten verſehen iſt. Der

Ablaß wird in allen Staͤdten von einzelnen De-

putirten verkauft, uͤber welche ein koͤniglicher

General-Commiſſarius geſetzet iſt. Die von Jo-

hann III. angeordnete Meza da Conſciencia

et

G

[98/0112]

Portugal.

et ordens hat mit den Revenuͤen aus den Groß-

meiſterthuͤmern zu ſchaffen. Die uͤble Einrich-

tung des Cammerweſens, die uͤberhaͤufte Hof-

penſionen und der unmaͤßige Aufwand in heili-

gen Pallaͤſten und gar zu milden Stiftungen laſ-

ſen die Schatzkammer nicht zu Kraͤften kom-

men.

a) Von dem Zollhauſe Lehrr Nachr. II. 158.

b) Ueberhaupt ſiehe den Staat von Portugal,

II. cap. XIII.

§. 39.

Die Kriegsmacht erſtreckt ſich auſſer der

Landmilitz nicht auf 15000. Mann, und die ſonſt

ſo anſehnliche Seemacht iſt dergeſtalt geſunken,

daß anjetzt kaum 18. Kriegsſchiffe bemannet wer-

den koͤnnen. Es fehlet uͤberall an Menſchen,

Pferden, Officiers Jngeniers, Bezahlung,

Kriegszucht und Erfahrung.

a) Der Kriegsruhm der Portugieſen war unter

Emanuel aufs hoͤchſte geſtiegen. Warum er ſeit dem

ſo ſehr gefallen.

b) Betruͤbter Zuſtand ihres Militaͤrweſens unter

Johann IV. und Alphonſo VI. Relation de la Cour

de Port. I. 57.

c) Schomberg, Gallovey und Carles ihre Lehr-

meiſter haben ihre Creuzſchule in Portugal ge-

funden.

d)

[99/0113]

Portugal.

d) Eifrige Anſtallten Johannis V. bey dem An-

fange ſeiner Regierung zu deſſen Verbeſſerung.

e) Und dennoch ſieht es anjetzt noch ſchlecht damit

aus, nach den Lehrr. Nachrichten fuͤr einen Rei-

ſenden.

f) Von ihrer Seemacht weiß die Relation de la

Cour de Portugal nicht viel vortheilhaftes zu erzaͤh-

len. pag. 59.

g) Jn Liſſabon iſt das vornehmſte Arſenal, und

zu Porto eine Art von einer Seeacademie errichtet.

6. Jntereſſe.

§. 40.

Da Portugal nach Proportion ſeiner Groͤſ-

ſe fruchtbar, volkreich, treflich bequem zum

Seehandel, auch mit unvergleichlichen Neben-

laͤndern und einer gluͤcklichen Regierungsform ver-

ſehen iſt: ſo erfordert die Wohlfahrt des Landes,

dieſe Vortheile ſich recht nutzbar zu machen. Sie

koͤnnen aber nutzbar werden, wenn man ſich die

Verbeſſerung des Landbaues, der Manufactu-

ren, des Finanzweſens und Kriegsſtaats wird

angelegen ſeyn laſſen. Die Ausbreitung der

Wiſſenſchaften wuͤrde ebenfalls ſehr dienlich ſeyn,

um Portugal vielen unnoͤthigen Aufwand zu er-

ſpahren.

a)

G 2

[100/0114]

Portugal.

a) Fuͤr die Erhaltung der Azoriſchen und Capo-

Verdiſchen Jnſuln muß Portugal ſorgfaͤltig wachen.

Denn dieſe beyde ſind die Schluͤſſel ſeines Weſt- und

O ſtindiſchen Handels.

b) Des alten Staatsminiſters Fronteira politi-

ſcher Grundſatz, keine Manufacturen anzulegen, haͤlt

leinen Stich. Lehrr. Nachr. I. 237.

Das

[101/0115]

Das III. Hauptſtuͤck.

Staat

von

Frankreich.

Schriftſteller:

1. Gallia, ſiue de Francorum regis dominiis et

opibus eommentarius, (IOANNIS DE LAET) Lu-

gduni Batauorum 1629. 24.

2. IOANNIS LIMNAEI notitia regni Franciae,

II. tomi, Argentorati, 1655. 4.

3. Sejour de Paris, oder Anleitung, welcher

Geſtalt Reiſende ihre Zeit und Geld nuͤtzlich zu

Paris anwendeu koͤnnen von Timentes, (Ne-

meitz) Frankfurt am Mayn 1718. 8.

4. Nouvelle deſcription de la France par M.

PIGANIOL DE LA FORCE, VI. tomes, à Amſter-

dam 1719. 12.

Den erſten Band hievon, welcher auch der wichtig-

ſte iſt, hat man uͤberſetzt unter dem Titul: Piga-

niol de la Force neueſter Staat von Frankreich,

mit vielen hiſtoriſchen Anmerkungen vermehrt,

nebſt einer Vorrede B. G. Struvens, Jena

1723. 8.

5.

G 3

[102/0116]

Frankreich.

5. Etât de la France extrait des memoires dreſſez

par les Intendans du Royaume par M. le Comte de

BOVLAINVILLIERS, tome I. et II. 1727. tom. III.

1737. à Londres, f.

Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Nachdem Julius Caͤſar Galliens verſchiedene

Voͤlker bezwungen, bleibt dieſes Land den Roͤ-

mern uͤber 400. Jahr in ziemlicher Ruhe unter-

wuͤrfig, bis die Teutſche Nationen mit dem

Anfange des 5ten Jahrhunderts die groſſe Wan-

derungen antreten, und ihnen ein Stuͤck nach

dem andern davon abzwacken.

§. 2.

Clodowich, Koͤnig der Franken vertilgt

der Roͤmer Herrſchaft im Jahr 486., und ſtiftet

dies- und jenſeit des Rheins eine Monarchie,

welche ſchon in ihrem Urſprunge den Nachbaren

gefaͤhrlich wird. Aber ſeine Nachkommen die

Merovinger theilen, und regieren ſchlaͤfrig, dar-

uͤber wird ihnen von ihren eigenen Bedienten

den Maioribus domus der Scepter aus den

Haͤnden geriſſen. 752.

§ 3.

Pippinus breuis ſchwingt ſich auf den

Thron, und ſein Sohn Carl der Groſſe erobert

Jtalien

[103/0117]

Frankreich.

Jtalien, wird Kayſer, und breitet ſeine ſiegrei-

che Waffen von dem Draw- und Sau-Fluße

bis an den Ebro aus. Allein ſeine Nachfolger

die Carolinger entkraͤften ſich ſelbſt durch ihre

Theilungen, innerliche Kriege und elende Regie-

rungen. Es entſtehen maͤchtige Reichsſtaͤnde

in Frankreich, und nach Ludwigs V. Ableben

987. wird der letzte Carolinger Carl, Hertzog von

Lothringen, von dem Throne ausgeſchloſſen.

§. 4.

Hertzog Hugo Capetus bringt die Krone

auf ſein Haus. Frankreich richtet ſich nunmehr

als ein von Teutſchland und Jtalien abgeſonder-

tes Reich ein. Jedoch kann es wegen der Creuz-

zuͤge der Capetinger und der uͤbergroſſen Gewalt

ſeiner Vaſallen nicht zu Kraͤften kommen, und

die aͤltere maͤnnliche Linie Philipps des Kuͤh-

nen ſtirbt mit Carl dem Schoͤnen 1328. aus.

§. 5.

Philipp VI. aus dem Hauſe Valois ererbt

den Thron. Die Engliſche Koͤnige, welche oh-

nedem Gvienne und Normandie beſitzen, ma-

chen darauf Anſpruch. Hieraus entſtehet eine

Kette von Kriegen, welche dem Reiche ganzer

90. Jahre durch den Untergang drohen, aber

ſich zuletzt unter Carl VIII. ſo gluͤcklich endigen,

daß die Engellaͤnder ihre herrliche Landſchaften

bis auf etwas weniges einbuͤſſen. Sein Sohn

Lud-

G 4

[104/0118]

Frankreich.

Ludwig XI. reiſſet das Hertzogthum Burgund

an ſich, ererbet Provence, und legt durch ſeine

tyranniſche Regierung den Grund zur Franzoͤſi-

ſchen Macht. Seine Nachkommenſchaft geht

mit Carl VIII. aus. 1498.

§. 6.

Hierauf wird dem Hauſe Orleans die Erb-

folge eroͤfnet. Ludwig XII. ſucht ſeine Anſpruͤ-

che auf Mayland und Neapel auszufuͤhren, aber

umſonſt. Franeiſcus I. iſt hierinnen noch un-

gluͤcklicher, indem er auf beydes Verzicht zu thun

genoͤthiget wird. Hingegen verknuͤpft er durch

ſeine Vermaͤhlung Bretagne mit der Krone.

Heinrich II. erwirbt ſich die drey Lotharingiſchen

Bißthuͤmer, und den Ueberreſt der Engliſchen

alten Eroberungen in der Piccardie. Seine 3.

Soͤhne Frantz II. Carl IX. und Heinrich III.

folgen ihm nach einander im Reiche; allein ihre

ſchwache Regierung, die Herrſchſucht ihrer gott-

loſen Mutter, der Uebermuth der Staͤnde und

die Hugenottiſche Haͤndel ſtuͤrzen Frankreich in

eine erbaͤrmliche Zerruͤttung, und Heinrich III.

wird ermordet 1589.

§. 7.

Heinrich IV. Koͤnig von Navarra und

Hertzog von Bourbon ererbt die Krone; aber

mit dem Degen in der Fauſt, und mit Verluſt

ſeiner Religion. Unter ihm erhohlt ſich das

Reich

[105/0119]

Frankreich.

Reich gewaltig. Ludwig XIII. laͤßt ſeinen Ri-

chelieu regieren, welcher die Hugenotten entwaf-

net, und die Freyheit der Staͤnde zu Boden ſchlaͤ-

get. Ludwig XIV. wird in ſeiner 72. jaͤhrigen

durch ſeine erſchreckliche Kriege und maͤchtige

Eroberungen allen ſeinen Nachbaren, hauptſaͤch-

lich den Teutſchen und Spanien, fuͤrchterlich,

und dringt den letztern endlich gar ſeinen Enkel

zum Koͤnige auf. Sein Urenkel Ludwig XV. er-

wirbt Lothringen 1735. und macht das Haus Bour-

bon in ſeinen Nebenzweigen noch maͤchtiger.

a) Seine groſſe Anſchlaͤge gegen Teutſchland, Hol-

land, Engelland und Piemont werden alle zu Waſſer.

b) Er erhaͤlt das Oeſterreichiſche Elſaß 1648. und

das Reichs-Elſaß 1697. Rouſſillon 1659. die Grafſchaft

Burgund 1678. groſſe Diſtricte in den Niederlanden

1659. 1670. 1678. das Fuͤrſtenthum Oranien 1713. und

breitet ſeine Herrſchaft in America und Aſien aus.

1. Hiſtoire des revolutions de la France par M.

de la HODE, IV. tomes, à la Haye, 1738. 12.

2. Nouvel abregé chronologique de l’hiſtoire de

France par M. HENAVLT, III. edition, à la Haye

1747. 8.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 8.

Frankreichs Clima iſt, ungeachtet ſeiner Ver-

ſchiedenheit, durchgaͤngig gemaͤßiget und mehren-

theils ſehr geſund. Es iſt uͤber anderthalb hun-

dert Meilen groß in der Laͤnge, und nicht viel ge-

ringer in der Breite. Oben hat es den Canal

und

G 5

[106/0120]

Frankreich

und den Ocean, unten das Mittellaͤndiſche Meer

zu ſeinen Grenzen. Gegen Abend ſind die Spa-

nier, gegen Morgen die Niederlaͤnder, Teut-

ſche, Schweitzer und Jtaliener ſeine Nachba-

ren. Die Pyrenaͤiſche Gebuͤrge machen auf je-

ner Seite, auf dieſer Seite aber, (jedoch nur

einiger Maſſen) das Vogeſer- (der Vogelberg)

und Juragebuͤrge, der Rhein und die Alpen die

Scheidewand.

§. 9.

Seine 4. groſſe Fluͤſſe, die Seine, Loire,

Garonne und Rhone ſind alle ſchiffbar. Unzaͤh-

lige kleinere Stroͤme und Baͤche bewaͤſſern das

Land durch und durch. Unter den verſchiedenen

Gebuͤrgen ſind die von Sevennes und Auverg-

ne die bekannteſte.

a) Die Alpen ſowohl als die Pyrenaiſche Gebuͤrge

breiten ihre Arme in Frankreich ſo aus, daß ſie in Lan-

gvedock faſt an einander ſtoſſen, BOULAINVILLIERS,

II. 506.

§. 10.

Das Land iſt mit dem, was man zur Noth-

durft und zum Wohlleben verlanget, reichlich ge-

ſegnet, ſonderlich iſt Wein, Salz, Seyde, Oel,

Eiſen und Kupfer im Ueberfluß. Fiſche und

Fluͤgelwerk, Schaafe, Hornvieh und Wild-

pret, allerley Feld- und Gartenfruͤchte, Holz,

Stein-

[107/0121]

Frankreich.

Steinkohlen, Salpeter, Marmorbruͤche und

mineraliſche Brunnen ſind zureichend vorhanden.

a) Wein waͤchſet uͤberall auſſer in der Piccardie

nicht, BOULAINVILL, I. 73. Von dem Burgunder und

Champagnerwein. Der gemeine Franzwein kommt

meiſt aus Gvienne. Côte rotie waͤchſet in der Pro-

vinz Lion, die Muſcatenweine an der Mittellaͤndiſchen

Seekuͤſte.

b) Das Franzoͤſiſche Salz iſt theils Seeſalz, theils

Quellſalz. Das letztere iſt in der Graſſchaft Bur-

gund haͤufig, und der groͤßte Reichthum von Lothringen.

Boulainvilliers I. 175. Das Seeſalz wird theils an

der mittaͤgigen, theils und zwar am meiſten an der

nordlichen Kuͤſte gemacht, und zwar Sel gris in Broua-

ge, Maran, Isle de Ré, der Baye von Bourneuf,

Guerande und Croiſil; Sel blane auf der langen See-

kuͤſte von der Normandie. SAVARY, Wort: Sel,

p. 1501.

c) Seyde in Provence, Lion und Langvedock, BOU-

LAINV. II. 561.

d) Flachs und Hanf in den Niederlanden, in der

Piccardie, Bretagne, Maine, Gvienne, und Dau-

phine.

e) Oel an der Mittellaͤndiſchen Seekuͤſte, beſon-

ders in Provence.

f) Eiſen in der Grafſchaft Burgund, in Henne-

gan, Limoiſin, in der Generalitaͤt von Bourges, in

Gvienne und Dauphine.

g) Kupferminen bey Amiens, Abbeville, Rheims,

Troyes, Beauvais und in Lothringen.

h) Fiſche an beyden Seekuͤſten; ſonderlich der

von Bretagne und Piccardie.

Wolle

[108/0122]

Frankreich.

i) Wolle in den mehreſten Provinzen, am haͤu-

figſten in Langvedock, Berry, Normandie und Bur-

gund. SAVARY, Wort: Laine, pag. 458.

k) Von ihrem Obſttrank Cydre genannt.

l) Jn Hennegau graͤbt man die Houille in Men-

ge, und ſind wohl 120. dergleichen Gruben. BOU-

LAINVILLIERS, I. 384.

m) Salpeter in Isle de France, BOULAINV. I. p.

31, und in Elſaß, Lion und Langvedock.

n) An den Marmorbruͤchen hat man erſt ſeit

Colberts Zeiten mit Fleiß gearbeitet. Die Vornehmſte

findet man in Langedock, Provence und Bourbonnois.

SAVARY, II. 641.

§. 11.

Zinn, Bley, Pferde und Schiffbauholz

ſind in Frankreich theils nicht von ſonderlicher

Guͤte, theils vor die Menge der Einwohner nicht

hinlaͤnglich. An Getreyde leidet es bißweilen

Mangel. Sollten gleich Gold und Silbergru-

ben darinnen angetroffen werden; ſo bedeuten ſie

doch noch zur Zeit wenig oder nichts.

a) Zinn und Bley findet man in Navarra.

b) Die beſte Pferde ſind in dem Herzogthum und

der Grafſchaft Burgund, in Bretagne und Limoiſin.

c) Schiffbauholz geben Lothringen und die Py-

renaͤiſche Gebuͤrge in Navarra.

d) Warum in Kriegszeiten Frankreich ſo leicht in

Hungersnoth geraͤth, Ludwig XIV. mußte 1708. biß

aus Egypten Getreyde zufuͤhren laſſen.

e) Jn

[109/0123]

Frankreich.

e) Jn Langvedock ſollen Gold- und Silbergruben

ſeyn. BOULAINVILL. II. 513. Bey Pontoiſe faͤngt

man an, Gold zu ſuchen, und in Burgund hat man

2. Silberbergwerke entdeckt.

§. 12.

Frankreich beſteht aus 12. Provinzen und den

incorporirten Laͤndern, welche ſind die Grafſchaft

Roußillon, die Landgrafſchaft Elſaß, die Grafſchaft

Burgund, das Herzogthum Lothringen nebſt ſei-

nen drey Bißthuͤmern, Metz, Toul und Verdun,

und ein groſſes Stuͤck der Catholiſchen Nieder-

lande, nehmlich, die Provinz Artois, ein Theil

von Flandern, von Hennegau von Namur und

von Luxenburg. Alle dieſe alte und neuerwor-

bene Laͤnder ſind nunmehr auf einerley militairi-

ſchen Fuß geſetzt, und (Lothringen noch zur Zeit

ausgenommen) in folgende 36. Gouvernements

eingetheilet worden. 1) Das Gouvernement von

Paris, 2) von Jsle de France, 3) von der Pic-

cardie, 4) vvn Champagne, 5) von Bourgogne,

6) von Dauphine, 7) von Provence, 8) von

Langvedock, 9) von Foix, 10) von Navarra,

11) von Gvienne, 12) von Saintonge und An-

goumois, 13) von Aunis, 14) von Poitou, 15)

von Bretagne, 16) von der Normandie, 17) von

Havre de Gracc, 18) von Maine, Perche und

Laval, 19) von Orleans, 20) von Nevers, 21)

Bourbon, 22) von Lion, 23) Auvergne, 24)

Limoiſin, 25) von Marche, 26) von Berry,

27) von Touraine, 28) von Anjou, 29) von

Sau-

[110/0124]

Frankreich.

Saumur, 30) von Flandern, 31) von Duͤnkir-

chen, 32) von Metz und Verdun, 33) von Toul,

34) von Elſaß, 35) von der Grafſchaft Burgund,

36) von Roußillon.

a) DE LA FORCE deſcription de la France,

tom. I. pag. 372.

§. 13.

Paris die Hauptſtadt des ganzen Reichs

iſt der Jnbegriff alles deſſen, was eine Land-

ſtadt groß und ſehenswuͤrdig machen kann, und

fuͤhret deßwegen den wohlverdienten Beynamen

einer kleinen Welt. Verſailles die ordentliche

Reſidenz des Franzoͤſiſchen Monarchen wird die

Krone nicht nur der vielen Luſtſchloͤſſer in Frank-

reich; ſondern auch aller uͤbrigen in Europa ge-

nennt. St. Denys iſt das uralte Erbbegraͤbniß

der Koͤnige.

1. Hiſtoire et recherches des antiquités de la

ville de Paris par HENRI SAUVAL, III. tomes, à

Paris 1724. f.

2. Hiſtoire de la ville de Paris par DOM MI-

CHEL FELIBIEN, augmenté par DOM GUY ALE-

XIS LOBINEAU, V. tomes, à Paris, 1725. f.

3. Les delices de Verſailles, de Trianon et de

Marly par M. PIGANIOL DE LA FORCE, ſecon-

de edition, II. tomes, à Amſterdam 1717. 8.

4. Hiſtoire de l’Abbaye Royale de Saint-Denys

en France par DOM MICHEL FELIBIEN, à Paris,

1706. f.

§. 14.

[111/0125]

Frankreich.

§. 14.

Die innere Provinzen des Reichs ſind von

regulaͤren Feſtungen entbloͤſſet; hergegen die

Grenzen gegen Spanien, (durch Bayonne und

Perpignan,) noch mehr gegen Teutſchland,

(durch Briſach, Straßburg, Fort Louis, Lan-

dau,) am meiſten aber gegen die Oeſterreichiſche

Niederlande ſind treflich bedeckt, und die letztere

mit Fortereſſen gleichſam beſaͤet. (Arras, St.

Omer, Aire, Bethune, Ruͤſſel, Douay, Va-

lenciennes, Condet, Maubeuge, Qvenoy, Bou-

chain, Landrechies, Cambray.) Alle dieſe

Grenzplaͤtze ſind nicht nur die Vormauern ſei-

ner eignen Laͤnder; ſondern auch zum Theil die

Schluͤſſel zu den Laͤndern ſeiner Nachbaren.

a) Ludwig XIV. hat unſaͤgliche Summen auf den

Feſtungsbau verwandt.

§. 15.

Unter der Menge der Seehaͤfen, als Duͤn-

kirchen, Calais, Boulogne, Dieppe, Havre

de Grace, St. Malo, Breſt, Rochelle, Ro-

chefort, Bayonne, Toulon, Marſeille ſind die

beyde letztere am Mittellaͤndiſchen Meer, Breſt

hergegen am Ocean die vornehmſte. Hieher

koͤnnen auch einiger Maaſſen die an den groſſen

Fluͤſſen gelegene maͤchtige Staͤdte, Roan an

der Seine, Nantes an der Loire, Bourdeaux

an der Garonne gerechnet werden.

a) Von

[112/0126]

Frankreich.

a) Von dieſen Oertern giebt De la FORCE ſchoͤne

Nachricht.

b) Von dem ehemals ſo fuͤrchterlichen Duͤnkirchen

BOULAINV. I. 348.

c) Von dem neuen Seehafen Rochefort eben daſ.

II. 120.

d) Die ganze Kuͤſte von Langvedock taugt zwar nicht

zu Seehaͤfen, iſt aber zugleich vor Anfaͤllen treflich ge-

ſichert, BOULAINV. II. 509.

§. 16.

Durch die Canaͤle von Briare und Orle-

ans ſind die beyde ſchiffreiche Stroͤme, die Sei-

ne und die Loire gluͤcklich verbunden worden.

Ludwig XIV. wagte die Vereinigung der beyden

Meere, des Oceans und des Mittelmeeres, und

ließ deßwegen den erſtaunenswuͤrdigen Canal von

Langvedock mit Koſten vieler Millionen graben;

aber er konnte die Natur nicht zwingen, welche

ſeinen groſſen Plan wo nicht gantz; doch mehren-

theils zu Schanden gemacht.

a) Von den beyden erſten ſiehe BOULAINV. I. 128.

Der von Orleans gehoͤret dem Herzoge gleichen Na-

mens, und bringt jaͤhrlich 500.000. Livres ein.

b) Der Canal von Langvedock ward 1666. zu

graben angefangen, und 1681. eroͤfnet. Er hat unter

andern ein Reſervoir, deſſen Flaͤche 12 Millionen

Qvadrattoiſen in ſich haͤlt. BOULAINV II. 507. und

de la FORCE, tom. IV. p. 2.

c) Muͤhſamer Bau und verſchiedene Fehler dieſes

Canals.

d) Eben

[113/0127]

Frankreich.

d) Eben daſelbſt wird noch verſchiedener Canaͤle

in Langvedock gedacht.

§. 17.

Die Franzoſen ſind bemuͤhet geweſen, ſich

auch auſſerhalb Europa auszubreiten: weil ſie

aber zu ſpaͤt angefangen, ſo haben ſie ſich mit

wenigerm begnuͤgen laſſen muͤſſen. Jn Aſien

haben ſie einen feſten Sitz in Pontichery auf

der Coromandelſchen Kuͤſte; Jn Africa eini-

ge haltbare Plaͤtze an der Kuͤſte von Nigritien,

ſonderlich Fort François in Juda, nebſt der

Jnſul Goree und St. Louis, ferner Mascareg-

ne, welche ſie Bourbon, und St. Moritz, wel-

che ſie Jsle de France nennen.

1. Hiſtoire des Indes Orientales anciennes et mo-

dernes par M. l’Abbé de GUYON, III. tomes,

à Paris 1744. 12. ſonderlich tome III. von Pon-

tichery, einer nunmehr maͤchtigen Stadt und ſehr

ſtarken Feſtung.

§. 18.

Jhre Americaniſche Provinzen ſind unter den

Nebenlaͤndern noch das wichtigſte. Sie beſi-

tzen in dem noͤrdlichen America Neu Frankreich,

welches ſie in Canada und Louiſiane abtheilen,

nebſt den Jnſuln am St. Lorenz Fluß, ſonder-

lich Cap Breton, und einigen im Golfo von

Mexico, hauptſaͤchlich Martiniqve und einem

Theile von St. Domingo. Jn dem Suͤdli-

chen

H

[114/0128]

Frankreich.

chen America gehoͤrt ihnen ein Stuͤck von Gvia-

na, ſie nennen es La France Equinoxiale,

worinnen die Jnſul Cayenne das beſte iſt.

1. Hiſtoire et deſcription generale de la Nouvel-

le France par le P. de CHARLEVOIX, III. tomes,

à Paris 1744. 4.

2. Betrachtung uͤber die Wichtigkeit und For-

theile des Cap Breton aus dem Engliſchen, Leip-

zig 1746. 8. Siehe auch das Brittiſche Reich in

America, Band 1. Bl. 47.

3. Nouveau voyage aux Isles de l’ Amerique,

par le R. P. LABAT, nouvelle edition, VIII. to-

mes, à Paris 1742. gr. 12.

4. Hiſtoire de l’ Isle Espagnole ou de St. Do-

mingue par le P. de CHARLEVOIX, II. tomes, à

Paris 1741. 4.

5. Voyage du Chevalier DES MARAIS en Gui-

née, isles voiſines et à Cayenne fait en 1725-27.

par le R. P. LABAT, IV tomes, à Amſterdam

1731. gr. 12.

6. Dictionnaire univerſel de la France, III. to-

mes, à Paris 1726. f. Dienet uͤberhaupt zur Geo-

graphie aller Franzoͤſiſcher Laͤnder.

a) 2. wichtige Fluͤſſe im Nordlichen America: St.

Lorenz und Mißiſippi.

b) Das Nordliche America hat Getreyde, Vieh-

zucht, Flachs, viel Bauholz, Eiſen- und Kupſer-

bergwecke, Canada viel Biber. Auf der groſſen

Bank bey Cap Breton iſt ein unvergleichlicher Fiſch-

fang.

c) Daß das weitlaͤuftige Canada in Gegeneinan-

derhaltung mit andern Americaniſchen Provinzen ein

ſchlech-

[115/0129]

Frankreich.

ſchlechtes Land ſey, bezeuget der Engliſche Verfaſſer

des Brittiſchen Reichs in America, in der Einlei-

tung.

d) Aus den uͤbrigen Jnſuln und Cayenne zogen ſie an-

faͤnglich bloß Taback, hernach auch Jndigo und Cot-

ton, ſeit ohngefehr 100. Jahren legte man die herr-

liche Zuckerplantagen an. Ueberdas hohlt man von

hier Cacao, Caßia, Jngwer, unbereitet Leder,

Schildkroͤtenſchalen und Confituren. Seit 1722.

und 24. hat man, aller Vorſichtigkeit der Hollaͤnder

ungeachtet, Caffeeſtaͤmme und Saamen hereingebracht,

welche außerordentlich groſſen Fortgang gehabt. LA-

BAT voyage aux Isles de l’ Amerique, tom. IV.

p. 224. und tom. VI. p. 346.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 19.

Die Franzoͤſiſche Sprache iſt aus der

Vermiſchung der Lateiniſchen und Teutſchen mit

der alten Gothiſchen erwachſen. Franz I. trug

Sorge fuͤr ihre Verbeſſerung 1535., und der Car-

dinal Richelieu hat 100. Jahre drauf durch die

loͤbliche, obgleich aus unreinen Abſichten

herruͤhrende Stiftung der Franzoͤſiſchen Aca-

demie ſein Andenken verewiget. Denn ihre

Bemuͤhungen ſind es, welche dieſe Sprache ſo

vollkommen, und ihren Gebrauch ſo allgemein ge-

macht haben, daß keine andre in Europa ſich

dergleichen ruͤhmen kann.

a) Siehe VASSOR in ſeiner hiſtoire du regne de

Louis XIII, tom. VIII. p. 511. und LIMNAEI no-

titi-

H 2

[116/0130]

Frankreich

titiam regni Franciae, tom. I. cap. II.

1. Hiſtoire de l’ Academie Françoiſe, tom. I. par

M. PELISSON, tom. II. par M. l’ Abbé d’ OLI-

VET, II. edit. à Paris 1730. 8.

§. 20.

Frankreich iſt mit einer ſolchen Menge

Einwohner angefuͤllet, daß nach den einge-

ſchickten Rechnungen der Jntendanten zu Ende

des vorigen Jahrhunderts uͤber 19 Millionen

Seelen darinnen gezaͤhlet, und die Ausweichung

der vielen 1000. Hugenottiſchen Familien wenig

geſpuͤret worden.

a) de la FORCE tom. l. p. 2.

b) Merkwuͤrdige Exempel aus den groſſen Kriegen,

die Frankreich ſo lange ausdauern koͤnnen.

§. 21.

Die Gemuͤthsart der Franzoſen iſt zwar

nach den Provinzen ſehr verſchieden, doch herſcht

groͤßtentheils das ſangviniſch-choleriſche tem-

perament. Sein hurtiger Verſtand, munte-

res Weſen, Maͤſſigkeit, Treue gegen den Koͤ-

nig, und Dienſtfertigkeit gegen Fremde machen

ihn lobwuͤrdig und angenehm. Hergegen zei-

get ſich bey dem groſſen Haufen viel Leichtſinni-

ges und Flatterhaftes, groſſe Zank- und Spiel-

ſucht, und eine uͤbertriebene Einbildung von

den Vorzuͤgen ſein er Nation.

a) Die

[117/0131]

Frankreich.

a) Die alte Schriftſteller, z. E. Julius Caeſar,

Tacitus, Claudianus characteriſiren dieſe Nation auf

eben die Art wie die Neuere.

b) LIMNAEVS I. cap. III. ſammelt haͤufige

Zeugniſſe ihrer eigenen Landesleute von ihren Feh-

lern.

c) Von ihrer Spielſucht Memoires de POELNITZ,

tom. III. p. 44.

1 Lettres ſur les Anglois et les François, nou-

velle edition, 1712. 8. Der Verfaſſer Muralt legt ih-

nen zwar viel bel eſprit aber wenig bon ſens bey.

§. 22.

Dieſe Nation iſt zu allen Wiſſenſchaften ge-

ſchickt, und in allen geuͤbt. Jhre Gelehrte

ſind unzaͤhlich, aber die gruͤndlich Gelehrte nach

Proportion ziemlich einzeln. Jn der Hiſtorie

haben ſie es weit gebracht, in den ſchoͤnen Wiſ-

ſenſchaften weiter als anderer Voͤlker. Jn den

Exercitien ſind ſie die Lehrmeiſter von Europa,

in andern freyen Kuͤnſten geben ſie keiner Na-

tion etwas nach.

a) LE LONG in ſeiner Bibliotheque hiſtorique

zaͤhlet uͤber 17.000. hiſtoriſche Schriften von Frank-

reich.

§. 23.

Es hat auch die Gelehrſamkeit hier jederzeit

maͤchtige und reiche Patronen gefunden, wovon

die 19. Univerſitaͤten, und die verſchiedene ſo-

wohl

H 3

[118/0132]

Frankreich.

wohl koͤnigliche als andre gelehrte Academien

zeugen. Doch geſtehen ſie ſelbſt, daß die guͤl-

dene Zeit der Wiſſenſchaften mit Ludwig XIV.

verſchwunden.

a) Franz der erſte, Ludwig der Groſſe und ſein

trefflicher Miniſter, der ſonſt ungelehrte Colbert haben

ſich bey den Franzoͤſiſchen Gelehrten einen unverwes-

lichen Ruhm gemacht. Von Franz I. giebet beſonde-

re Nachricht BOULAINVILL. II. 524.

b) Unter den Univerſitaeten behaͤlt Paris den Preiß,

welches aus 21 Collegiis publicis und 30. privatis

beſtehet, Uberhaupt handelt von den Franzoͤſiſchen

Univerſitaͤten weitlaͤuftig LIMNAEVS, tom. II. lib.

V. cap. 2-20.

c) An dieſem Orte ſind auch auſſer der gedachten

Academie Françoiſe, die Academie de peinture et de

ſculpture 1643. des inſcriptions et de belles lettres

1663. des ſciences 1666 und de l’Architecture 1671.

errichtet worden. Von allen dieſen geben die Me-

dailles ſur les evenemens du regne de Louis XIV.

in den gehoͤrigen Jahren Nachricht.

d) Von der Academie des ſciences und ihren

Membres honoraires et penſionnaires, Aſſociés et

Adjoints beſiehe ihre hiſtoire tom. II. am Ende.

e) Andre gelehrte Academien floriren zu Bourde-

aux, Lion, Thoulouſe, Marſeille, Dijon, Soiſſons,

Roan, u. ſ. w.

f) Beneidenswuͤrdige Aufmunterung der Franzo-

ſen durch allerhand ausgeſetzte Preiſe.

§. 24.

Die vornehmſte Manufacturen hat Frank-

reich erſt ſeit dem Anfange des 17ten Jahrhun-

derts

[119/0133]

Frankreich.

derts erlernet. Unter Colberts Miniſterio er-

reichten ſie ihre voͤllige Bluͤthe. Sie ſind ſeit

dem gefallen, haben ſich aber ſehr wieder erhohlt.

Es iſt keine Art von Materialien, die der Fran-

zoſe haben kann, welche er nicht verarbeitet. An

Menge der Handwerksleute thun ſie es den

uͤbrigen Europaͤern zuvor, und ihr Witz hat das

Kunſtſtuͤck erfunden, ihre neue Moden uͤberall

beliebt zu machen.

a) Von ihren Seydenmanufacturen ſeit Hein-

rich IV. Schon Ludwig XI. legte dergleichen zu

Tours 1740. an. BOULAINV. II. 149. Catha-

rina von Medices hatte auch den Einfall, ſolche mehr

auszubreiten. eb. daſ. p. 562. Jhr Hauptſitz iſt an-

jetzt zu Lion, woſelbſt deßwegen der Wehrt der 14.000.

Haͤuſer auf 37. Millionen geſchaͤtzet wird, eb daſ. 393.

b) Jhre feine Wollmanufacturen ſind erſt ſeit

1646. errichtet worden, eb. daſ. I. 59 und lange

hernach haben ſie ſolche erſt durch ihre trefliche

Faͤrbereyen verbeſſert.

c) Die Leinwebereyen in der Piccardie, wo die

feine toiles de S. Quintin fabriciret werden, in Va-

leneiennes, Cambray, in der Normandie und Bre-

tagne.

d) Von ihrem Galanteriewaaren Lohgerbereyen,

Glas- und Papierfabricken, dem Straßburger Rap-

pe.

e) Paris iſt der Mittelpunct der Franzoͤſiſchen

Manufacturen. Es ſind 7. große Kaufmannszuͤnfte,

141. Handwerksinnungen und Kunſtgeſellſchaften da-

rinnen, ohne das unvergleichliche Hôtel des Gobo-

lins, et de la Savonnerie und die zur groͤßten Vollkom-

men-

H 4

[120/0134]

Frankreich.

menheit gebrachte Spiegelſabricken zu rechnen. SA-

VARY, Wort Comerce de Paris.

§. 25.

Der Franzoͤſiſche Handel erſtrecket ſich in alle

Theile der Welt. Der Europaͤiſche zu Lan-

de geht von Nimes und Lion uͤber die Schweitz

nach Teutſchland und Jtalien, von Straßburg

uͤber Frankfurt am Mayn nach den uͤbrigen

Teutſchen Provinzen, durch die Niederlande

und uͤber Ruͤſſel nach Holland, von Perpignan

und Bayonne nach Spanien. Die Seehaͤfen

am Canal und dem Ocean werden von allen

Europaͤiſchen Nationen, die an der Nord- und

Oſtſee wohnen, ſehr haͤufig beſucht. Marſeille

aber iſt der Sammelplatz des ganzen Handels

am Mittellaͤndiſchen Meer. Mit allen einzelnen

Nationen in Europa handelt Frankreich ſo,

daß der Profit auf ſeiner Seiten iſt. Doch

finden ſich unendlich mehr Franzoͤſiſche Schiffe

in dem Mittelmeer, als in der Nord- und Oſt-

ſee. Die Aufhebung des Edicts von Nantes

hat, wie den Manufacturen alſo auch dem Com-

mercio mit den Nordlichen Nachbaren einen

empfindlichen Stoß beygebracht.

a) Die Hiſtorie des alten Franzoͤſiſchen Handels fin-

det man im Abriße in dem Eſſai ſur la marine et ſur

le commerce par M. D ES LANDES, chap. II. p.

45.

b) Der Hollaͤnder bringt Gewuͤrze, Bley, Kup-

fer, Fiſchbein, Schiffsmaterialien, Seegel- und Thau-

werk;

[121/0135]

Frankreich.

werk; Der Engtllaͤnder Zinn, Bley Couperoſe, Stein-

kohlen; Der Jrlaͤnder Butter, Jnſchlit, Heringe,

Lederwerk; Die Nordiſche Nationen, Leder, Schiffs-

materialien, Potaſche, Kupfer, oft Getreyde. Aus

Jtalien hohlt der Franzoſe Seyde, aus Spanien uͤ-

berdas Wolle, Eiſen, Gold und Silber Alle dieſe

Voͤlker bekommen dagegen theils Frankreichs obgedach-

ten natuͤrlichen Uberfluß und Americaniſche Produ-

ctionen, theils ſeine Manufacturen.

c) Der Engellaͤnder hohlte ſonſt unſaͤglich viel Lein-

wand aus Morlaix und S. Malo in Bretagne. BOU-

LAINV. II. 72.

d) Vortheilhaftes Droit des lits et des Paſſeries

an den Spaniſchen Grenzen zum Wohl beyderſeits

Unterthanen. BOULAINV. II. 290. und 566.

e) herrlicher Jahrmarkt zu Beaucaire, wo ein

allgemeiner Zufluß aller Waaren aus Europa, Afri-

ca und der Lavante iſt. BOULAINV. II. 577.

f) Der Krieg mit Engelland und Holland iſt daher

den Franzoſen vortheilhaft, wenn ſie Spanien auf

ihrer Seite haben, BOULAINV. II. 391.

g) Anmerkungen wegen der Hugenotten in Anſe-

hung der Normandie. DES LANDES in gedachtem

Eſſai, p. 156: j’avoue que depuis la revocation de l’

Edit de Nantes, ſur la quelle on doit tirer le rideau

comme ſur le plus facheux evenement du regne

de Louis XIV, pluſiers de nos manufactures ſe ſont

naturaliſées dans les pays étrangers.

§. 26.

Auſſer Europa haben die Franzoſen ein

ſchoͤnes Conmmercium 1) nach der ganzen Le-

vante

H 5

[122/0136]

Frankreich.

vante, beſonders nach Conſtantinovel, Smirna

und Aleppo; 2) nach Africa an der Kuͤſte von

Gvinea, wo ſie Gold, Helfenbein, Neares

Leder, Wachs, Gummi hohlen; 3) nach Oſt-

indien und dem Golfo von Bengala; 4) nach

America ſowohl in ihren eigenen Laͤndern, als

auch uͤber Cadix in den Spaniſchen Provin-

zen.

a) Hiervon ſind obgedachte Werke von GUYON,

DES MARAIS, LABAT und CHARLE-

VOIX nachzuſchlagen.

b) 4 Hauptvortheile des Franzoͤſiſchen Seehandels,

DES LANDES p. 100.

c) Die Franzoſen haben nebſt den Engellaͤn-

dern viele Jahre um den Tuchhandel in der Levan-

te geſtritten, BOULAINVILL. II. 561.

d) St. Malo allein ziehet von dem verborgenen

Handel mit den Spaniern nach America oͤfters in ei-

nem Jahr 12. Millionen, eb. daſ. p. 72.

§. 27.

Seit dem Tode Heinrich IV. und dem Mi-

niſterio des Cardinals Richelien fing man an

Handlungsgeſellſchaften zu errichten, Colbert

machte ſolche anſehnlich, und unterſtuͤtzte ſie mit

etlichen Millionen koͤniglicher Gelder; aber man

kuͤnſtelte zu viel daran, und die unzeitige Kriege

unterbrachen immer den Fortgang. Die Com-

pagnie von Mißißippi verſchlung zwar alle vori-

ge 1719., und ſollte Frankreichs Goldquelle wer-

den,

[123/0137]

Frankreich.

den, allein ſie nahm 1721. ein ſchreckliches Ende.

Doch wurde aus ihrer Aſche eine neue Handlungs-

compagnie gebohren 1722. Dieſe iſt aus den

kleinen Oſtindiſchen und Africaniſchen zuſammen

geſchmolzen, und hat ihren Sitz in dem Seehafen

Orient aufgerichtet.

a) Es haben eine zeitlang floriret la Compagnie

des Indes Orientales, welche etliche Mal veraͤndert

worden, de la Chine, du Baſtion de France, du

Senegal, de Guinée, de l’ Aſſiente, du Cap Verd,

de la Baye de Hudſon, d’Occident, de Canada ou

du Caſtor, de l’ Acadie, du Levant, du Nord, de

S. Domingue, SAVARY, Wort: Compagnies Fran-

çoiſes, tom. I. p. 1345.

b) 3. weſentliche Fehler aller dieſer Handlungs-

compagnien aus DES LANDES, p. 169.

c) Einrichtung, ewige Privilegia und Macht der

neuen Compagnie. Die Africaniſche und Oſtindiſche

Nebenlaͤnder gehoͤren der Compagnie: hingegen die

Americaniſche dem Koͤnige.

d) Daß die zuruͤkgebrachte Waaren der Neuen Jndi-

ſchen Compagnie ſchon 1734. auf 18. Millionen betra-

gen, Eſſai ſur le commerce, p. 76. und 87.

1. Hiſtoire de la compagnie des Indes avec les ti-

tres de ſes conceſſions et privileges par M. DV FRE-

NE DE FRANCHEVILLE, à Paris 1738. 4.

§. 28.

Man rechnet in Frankreich nach Deniers,

Sous und Livres. 12. Deniers, machen 1.

Sou, 20. Sous 1. Livre, das iſt noch jetziger

Weh-

[124/0138]

Frankreich.

Wehrung 6. ggr. Die gemeinſte grobe Geld-

ſorten ſind Ecus de 3. und de 6. livres, die

Goldmuͤnzen Louis d’or und halbe Louis d’or.

Es ſind 30. Muͤnzſtaͤdte, deren jede ihr beſon-

deres Zeichen hat, und 2. Muͤnzgerichte, oder

Cours de monnoyes, eines zu Paris ſeit 1551.

und eines zu Lion ſeit 1704. Die oͤftere Muͤnz-

veraͤnderungen haben viel Unheil angerichtet.

1. Traité hiſtorique des monnoyes de France

par M. LE BLANC, à Amſterdam, 1692. 4.

a) Von den Muͤnzſtaͤdten Dictionnaire de France

tom. I. in der Introduction, pag. 48.

b) Wie ſehr Ludwig der XIV. und der Herzog Regent

von Orleans das Muͤnzregal gemißbrauchet.

c) Ehema iger Staatsfehler in Anſehung der Spa-

niſchen Geldſorten aus BOULAINVILLIERS im

Etat de Flandre et de Languedoc.

4. Staatsrecht.

§. 29.

Es fehlet dem Franzoͤſiſchen Staat nicht an

geſchriebenen Reichsgrundgeſetzen. Lex Sali-

ca iſt in dem Succeſſionsſtreite zwiſchen dem

Hauſe Valois und den Engliſchen Koͤnigen da-

fuͤr erkannt worden. Carls V. Edict von 1374.

in Anſehung der Volljaͤhrigkeit des Kronerben,

Carls VI. Edict von 1404. wegen der Kroͤnung

nebſt einer Menge anderer ſind hieher zu rech-

nen.

[125/0139]

Frankreich.

nen. Allein die heutige Franzoͤſiſche Publiciſten

halten vor gefaͤhrlich, viel mehrere als guͤltig zu

behaupten, weil die neuere Praxis ſattſam er-

haͤrtet, daß die Kraft der Reichsgeſetze in dem

Willkuͤhr der Koͤnige, wenigſtens ſo lange ſie

am Leben ſind, beruhet.

a) Carls V. Edict ſteht in Hrn. Schmauſſens

Corp. I. G. Acad. p. 58. Das von Carl VI. fuͤhret

LIMNAEVS in notitia Franciae, tom. I. p. 215.

aus CHOPPINO de domanio regis an.

b) Man ſehe nur, wie DE LA FORCE in

I. tom. ſeiner deſcription de la France an vielen Or-

ten, z. E. chap. XVI. art. I. ſich ſchmieget und

windet.

§ 30.

Ludwig VI. der Urenkel ſeines Vorgaͤngers

iſt 1710. gebohren, wird 1715. Koͤnig, und 1723.

muͤndig, heyrathet 1725. Mariam Catharinam,

eine Tochter des Koͤnigs von Polen Stanislai

Leszynski, mit welcher er nebſt verſchiedenen

Prinzeſſinnen auch einen Prinzen Ludwig er-

zielt. Dieſer vermaͤhlet ſich 1745. mit der Spa-

niſchen Prinzeſſinn Maria Thereſia, und nach

deren 1746. erfolgtem Abſterben mit der Koͤnig-

lich Polniſchen und Chur-Saͤchſiſchen Prin-

zeſſinn Maria Joſepha 1747. Ludwigs XV. aͤlte-

ſte Prinzeſſinn Louiſe Eliſabeth iſt ſeit 1739.

eine Gemahlinn des Spaniſchen Jnfanten Don

Philipps.

a) Cha-

[126/0140]

Frankreich.

a) Character des vielgeliebten Ludwigs, und an-

derer Perſonen der koͤniglichen Familie.

§. 31.

Der aͤlteſte Sohn des regierenden Koͤnigs

wird ſeit 1349. Dauphin genannt, die andre

Soͤhne ſchreiben ſich alle Fils de France, und

werden durch beſondere Titul unterſchieden, als:

Herzog von Orleans, Anjou, Berry, welche

Titul bey ihrer maͤnnlichen Nachkommenſchaft

beſtaͤndig bleiben. Die Toͤchter heißen Mesda-

mes de France. Auſſer dem regierenden koͤnig-

lichen Stamme ſind das Haus Orleans und

die beyde Bourbonniſche Aeſte, Conde und

Conti als Prinzen vom Gebluͤte zu merken,

welche auch als ſolche unterſchiedliche Vorzuͤge

genieſſen.

a) Dauphin kommt nicht her von D’ Albon; ſon-

dern von einem Beynamen oder Sobriquet des Gra-

fen von Albon Gvido VIII. welcher 1149. geſtorben,

BOULAINV. II. 438.

b) Worinnen die ſo genannte doppelte Taufe (das

ondoyer und baptiſer) der Koͤniglichen Kinder be-

ſtehet, DE LA FORCE, I. p. 11.

c) Die Prinzen von Courtenay praetendiren

Prinzen vom Gebluͤte zu ſeyn, Memoires de LAM-

BERTI tom. IX. p. 112.

§. 32.

Der Koͤnig titulirt ſich Ludwig der

XV. von Gottes Gnaden Koͤnig von Frankreich

und

[127/0141]

Frankreich.

und Navarra. Jn den Edicten an einige Pro-

vinzen werden noch beſondere Titul hinzugefuͤgt.

Seine Unterthanen nennen ihn in der zweyten

Perſon Sire, andre freye Staaten heiſſen ihn

Seine Allerchriſtlichſte Majeſtaͤt, der Pabſt giebt

ihm den Titul erſtgebohrner Sohn der Kirche.

a) DE LA FORCE, tom. I. ch. II. und BLON-

DEL in praefatione apologetica ad genealogiam

Franc. n. XIV.

b) Ausſchweifungen in der Titulatur einiger Koͤni-

ge aus den Grandeurs de la maison de France (par

M. D. C. D. M.) à Paris 1667. 4. pag. 74.

c) Die Tuͤrken nennen ihr Bodeshair, das iſt Kay-

ſer.

d) Zank bey dem Weſtphaͤliſchen Frieden mit dem

Kayſer uͤber die Majeſtaͤt.

e) Wie ihn Cromwel und neulich der Prinz von

Oranien titulirt.

§. 33.

Das Koͤnigliche Wappen beſteht aus zwey

zuſammen geſchobenen Schilden, wovon das er-

ſte drey guͤldene Lilien 2. 1. im blauen Felde we-

gen Frankreich, das andere eine guͤldene Stan-

genkette im rothen Felde wegen Navarra fuͤhret.

Unter den verſchiedenen Nebenſtuͤcken dieſes

Wappens iſt das Band mit dem Feldgeſchrey:

Mont joye S. Denys und das Auriflammeum

beſonders anzumerken.

a) Ob

[128/0142]

Frankreich.

a) Ob die Lilien urſpruͤnglich Fliegen oder Bienen

nach Chiflet, Kroͤten nach Vpton, Lis de Francis-

que, das iſt, eiſerne Spitzen der Helleparten nach

Ceriſerio und dem Verfaßer der gedachten Grandeurs

de la France, oder eigentliche Lilienblumen nach

Ferrando, Blondel und Menêtrier geweſen.

b) Carl der VI. ſezte die Anzahl der Lilien 1380.

auf drey, DE LA FORCE, tom I. ch. II. art. 9.

c) Die beruͤhmte Fahne des heiligen Dionyſii ha-

ben die Franzoͤſiſchen Koͤnige von den Grafen von

Vexin, als Advocaten der Abtey S. Denis, ererbt.

Das Feldgeſchrey aber iſt aus den Creuzzuͤgen her-

zuleiten.

d) Die Lilien ſind allen Prinzen vom Gebluͤte

gemein; doch hat jeder Zweig des koͤniglichen Hauſes

ſein eigenes Beyzeichen.

§. 34.

Die Einrichtung des koͤniglichen Hofſtaats

iſt eben ſo ordentlich als praͤchtig. Der erſte

Geiſtliche Hofbediente iſt der Grand Aumo-

nier, welcher die Aufſicht uͤber die ganze Hof-

geiſtlichkeit hat, und zugleich Commendeur

vom Orden des Heiligen Geiſtes iſt. Der er-

ſte weltliche Hofbediente iſt der Ober-Hof-

meiſter, welcher uͤber die 7. Hofaͤmter, nehm-

lich 1) uͤber das Mundſchenkenamt, 2) das

Mundkuͤchenamt, 3) die Hofbeckerey, 4) das

Hofſchenkenamt, 5) das Hofkuͤchenamt, 6) die

Obſtkammer und 7) das Holzſtallamt geſetzet iſt.

Unter dem Ober-Cammerherrn ſtehn die 4.

Ober-Cammerjunker und 26. andre Cammer-

jun-

[129/0143]

Frankreich.

junker. Der Ober-Garderobenmeiſter hat etli-

che 30. Garderobenbediente unter ſich. Die Ge-

ſundheitsbediente beſtehn aus 10. Aerzten, 10.

Wundaͤrzten und etlichen Avotheckern. Der

Ober-Baudirector, der Ober-Hofquartiermei-

ſter, Ober-Stallmeiſter, Ober-Jaͤgermeiſter,

Ober-Falkenier, Ober-Ceremonienmeiſter und

die beyde Introducteurs des Ambaſſadeurs

ſind gleichfalls vornehme Hofbeamte, und ha-

ben groͤßtentheils uͤber eine Menge Unterbedien-

te zu befehlen.

a) Auſſer DE LA FORCE, tom. I. ch. 3. iſt nach-

zuſehen Etat de la France, II. tomes, 12. welches von

Zeit zn Zeit heraus kommt, und die Namen aller Hof-

beoienten ſpecificiret.

§. 35.

Das Franzoͤſiſche Hof-Ceremoniel iſt in

allen Stuͤcken ſehr kuͤnſtlich abgemeſſen, und dem

Glanz der Krone gemaͤß: jedoch weder ſo erhaben

in Anſehung der Unterthanen, noch ſo gezwun-

gen in Anſehung des Koͤniges, als an verſchie-

denen andern Hoͤfen. Bey dem taͤglichen Ce-

remoniel iſt le petit et le grand lever ſowohl

als coucher des Koͤniges etwas beſonders. Die

jaͤhrliche Solennitaͤten ſind ziemlich haͤufig.

Bey den auſſerordentlichen Feyerlichkeiten zeigt

ſich die Pracht am groͤßten.

a) DE LA FORCE an verſchiedenen Orten, und

Nemeitz Sejour de Paris, Cap. 34. und 23.

1. Le

J

[130/0144]

Frankreich.

1. Le ceremonial François par THEODORE

GODEFROI, II. tomes, à Paris 1649. f.

2. Unterſchiedliches findet man auch in den Monu-

mens de la Monarchie Françoiſe par DOM BERN-

HARD de MONTFAUCON, V. tomes, à Paris 1729-

33. gr. f.

* Die 300. praͤchtige Kupfertafeln dieſes Werks

ſind ungluͤcklicher Weiſe einem Hollaͤndiſchen Wuche-

rer in die Haͤnde gerathen, welcher ſolche unter dem

hochmuͤthigen Titul: Threſor des antiquités de la

Couronne de France, II. tomes, à la Haye 1745. gr.

f. der Welt als ein neues Werk aufgebuͤrdet, und deß-

wegen die Zahlen der Blaͤtter, wiewohl durch eine

ziemlich ungeſchickte Hand ausloͤſchen, und die Ordnung

der Kupfertafeln zum Theil veraͤndern laſſen.

§. 36.

Frankreich hat drey weltliche und einen

geiſtlichen Ritterorden. Der Orden von St.

Michael wurde von Ludwig XI. 1469. geſtiftet,

und von Ludwig XIV. 1665. erneuert. Er be-

ſtehet aus 100. Rittern von altem Adel, die welt-

liche Ritter des Ordens vom heiligen Geiſte un-

gerechnet. Dieſen letztern errichtete Heinrich

III. 1578. Die Zahl der Ritter iſt 100. worun-

ter 9. Geiſtliche ſind. Sie muͤſſen alle Roͤmiſch-

catholiſch ſeyn, und, wenige ausgenommen, ihre

3. Geſchlechter, das iſt, 16. Ahnen erweiſen.

Seit Ludwig XIV. ſind die weltliche Ritter die-

ſes Ordens zugleich Ritter von S. Michael.

Ludwig XIV. ſtiftete 1693. den Kriegsorden des

heiligen Ludwigs. Dieſer beſteht aus 8. Groß-

creuzen

[131/0145]

Frankreich.

creuzen, 24. Compthern, und 2-3000. Rittern

Paͤbſtlicher Religion. Der Koͤnig iſt Großmei-

ſter von allen drey Orden. Alle drey haben ihr

beſonderes Ordenszeichen, die erſten beyde auch

beſondere Ordensketten, der letzte nur ein Or-

densband. Die Großereuze und Comthers von

S. Ludwig genieſſen auch Beſoldungen. Der

Orden des heiligen Lazari iſt geiſtlich, entſtand

in den Creuzzuͤgen, und ſetzte ſich 1137. in Frank-

reich. Heinrich IV. ſtiftete den Orden unſrer

lieben Frauen vom Berge Carmel, und verei-

nigte ſolchen mit dem Lazarusorden. Die Ritter

davon tragen weltlichen Habit, und koͤnnen hey-

rathen, den Großmeiſter ſetzt der Koͤnig.

1. Statuts de l’Ordre du S. Michel, de l’impri-

merie Royale, 1725. 4. mai.

2. Les noms, ſurnoms, qualités, armes et bla-

ſons de tous les Chevaliers de l’Ordre du S. Eſprit,

à Paris 1643. f.

3. Recherches hiſtoriques de l’Ordre du S. Eſprit,

tom. I. par M. DU CHESNE, tom. II. par. M.

HAUDIQUER du BLANCOURT, à Paris 1695. 12.

4. Les armes et blaſons des Chevaliers de l’Or-

dre du S. Eſprit creez par Louis XIII., par JA-

QUES MORIN, à Paris, 4.

§. 37.

Die Franzoͤſiſche Monarchie iſt erblich,

doch ſo, daß die Erbfolge nicht auf den Spinn-

rocken faͤllt, und die naͤhere Linie dem naͤhern

Gra-

J 2

[132/0146]

Frankreich.

Grade vorgeht. Die natuͤrlichen Soͤhne ſind

ſo unfaͤhig zur Succeßion, daß ſelbſt der Koͤnig-

liche Machtſpruch an ihnen unkraͤftig iſt. Die

Verzicht eines Prinzen vom Gebluͤte auf die

Thronfolge hebt ſein und ſeiner Descendenten

Succeßionsrecht voͤllig auf. Uebrigens muß

ein Koͤnig der Roͤmiſchcatholiſchen Religion zu-

gethan ſeyn.

a) Le Roi ne meurt pas en France, und le mort

ſaiſit le vif. DE LA FORCE, tom. I. ch. 2. art. 4.

b) Dieſe ſucceſſio Salica oder Francica iſt in den

beyden Erbſtreitigkeiten nach Ludovici Hutini und

Caroli pulcri Tode feſt geſtellt worden, und Philipp

II. von Spanien verſchwendete ſeine Millionen verge-

bens, um ſolche umzuſtoſſen.

c) Ludwigs XIV. Edict wegen der Erbfolge der le-

gitimirten Prinzen 1714 Proceß daruͤber mit den

Prinzen vom Gebluͤte 1716. Merkwuͤrdige Sentenz

1717. aus dem Corps diplom. Supplem. tom. II. part.

II. p. 165.

d) Von der Guͤltigkeit der Verzicht Philipp V. Let-

tres de Filz Moritz, lett. 1. 2. 3.

§. 38.

Die Majorennitaͤt der Koͤnige faͤngt ſich

mit dem erſten Tage ihres 14ten Jahres an.

Nachdem Reichsherkommen dependiret die Re-

gent- und Vormundſchafft von der Verordnung

des vorigen Koͤnigs, obgleich ſolches nach Lud-

wig XIV. Tode nicht beobachtet worden. Jſt

keine

[133/0147]

Frankreich.

keine Verordnung da, ſo faͤllt ſie den nechſten

Agnaten zu. Waͤhrender Regentſchaft wird al-

les im Namen des Koͤnigs expediret.

a) Sonſt wurden die Koͤnige erſt nach Vollendung

des 20ſten Jahres majorenn.

b) Exempel der tutelae et adminiſtrationis arbi-

trariae und legitimae.

1. Traité de la majorité de nos Rois et des re-

gences du Royaume par M. DU PUY, à Paris

1651. 4.

§. 39.

Die Kroͤnung iſt ſeit dem andern Stam-

me der Koͤnige gewoͤhnlich, aber nicht nothwen-

dig. Sie wird ordentlich zu Rheims mit vielen

Feyerlichkeiten vorgenommen, und kann auch

in der Minderjaͤhrigkeit des Koͤnigs vollzogen

werden.

a) Von den Reichskleinodien.

b) Von der Ampulla Remenſi. Die Engellaͤnder

hatten dieſes Heiligthum ſchon einmal in Haͤnden, es

wurde ihnen aber wieder abgejaget, GODEFROI, loc.

cit. p. 409.

c) Spuren der aͤlteſten Ceremonien der Franken, ſo

bey den jetzigen Kroͤnungen noch uͤblich.

d) Der Koͤnig muß 5. Eyde ſchwoͤren.

1. Traité hiſtorique du Sacre et couronnement

des Rois de France par M. MENIN, à Amſterdam

1724. 12.

§. 40.

J 3

[134/0148]

Frankreich.

§. 40.

Der Koͤnig genieſſet das heilige Abend-

mahl unter beyderley Geſtalt, weil ſeine Sal-

bung der prieſterlichen gleich gehalten wird. Er

beruͤhret auch an gewiſſen Tagen die Kranke,

und heilet insbeſondere die Kroͤpfe, welche Kraft

der heilige Marculph dem heiligen Ludwig zu-

erſt mitgetheilet hat.

a) DE LA FORCE, tom. I. ch. 12. und Nemeitz,

Cap. XXIII. p. 184.

b) Die communionem ſub vtraque ſoll Clemens

VI. Philippen von Valois verſtattet haben.

1. IOAN. IOACH. ZENIGRAVII de tactu re-

gis Franciae, quo ſtrumis laborantes reſtituuntur,

diſſ. duae, Wittebergae 1670.

§. 41.

Das Reich iſt untheilbar. Alle unmittel-

bare Lehnguͤter, die dem Thronfolger ſowohl vor

Erlangung der Krone gehoͤren, als nach Erlan-

gung derſelben zufallen, muͤſſen dem Reiche ein-

verleibet werden.

a) 2 Urſachen haben die Untheilbarkeit unter den

erſten Koͤnigen des dritten Stammes befoͤrdert, ſo

daß die Nachgebohrne ſich mit Apanagiis begnuͤgen

muͤſſen, aus Loiſeau LIMNAEUS, I. p. 207.

b) Les Rois de France contractent avec la cou-

ronne une eſpece de mariage, par lequel ils la do-

tent de toutes les terres et ſeigneries, cet. aus Sci-

pion

[135/0149]

Frankreich.

pion du Pleix LIMNAEUS, eb. daſ. p. 216. und 221.

Exempel von beyden Faͤllen.

§. 42.

Die unumſchraͤnkte Regierung der neu-

ern Koͤnige iſt von Ludwig XI. gegruͤndet, und

von dem Cardinal Richelieu befeſtiget worden.

Ehemals hatten die Franzoͤſiſche Staͤnde groſſen

Theil an der Regierung. Jhre Verſamlungen

nennte man ſchon unter dem erſten Stamme das

Parlament. Es beſtand ans der Geiſtlichkeit

und dem Adel. Philipp der Schoͤne fuͤgte den

Buͤrgerſtand (Le Tiers Etât) 1300 hinzu, und

errichtete aus dem Ausſchuß der Staͤnde eine be-

ſtaͤndige Verſammlung zu Paris. Dieſes behielte

den Namen Parlament bey, und ſeit dem wur-

den die allgemeine Verſammlungen der Reichs-

ſtaͤnde (Aſſemblées des Etâts Generaux) da-

von unterſchieden; aber ſie wurden auch zugleich

ſeltener, und ſeit 1614. haben ſie gar aufgehoͤ-

ret Das Parlament zu Paris ſtellte demnach

Anfangs den Reichstag vor, und ſeine Macht

und Vorrechte waren auſſerordentlich groß.

Nach und nach miſchten ſich die Koͤnige in die

Wahl der Parlamentsherren, bald darauf ei-

gneten ſie ſich die Ernennung ſchlechterdings zu.

Seit dem iſt dieſes Parlament, aller ſeiner viel-

faͤltigen Widerſpaͤnſtigkeit ungeachtet, in

Staatsſachen dem Willen des Koͤniges voͤllig un-

terworfen, und in ein Juſtitzcollegium verwan-

delt worden.

a) De

J 4

[136/0150]

Frankreich.

a) DE LA FORCE, tom. I. p. 137. und 208.

b) Schatten der alten Parlamentsrechte, daß biß

jetzt alle koͤnigliche Edicte darinnen regiſtriret wer-

den muͤſſen.

c) Exempel, wie hart ſie wegen ihrer Widerſetz-

lichkeit gezuͤchtiget worden.

1. Hiſtoire des anciens Parlements de France par

M. le Comte de BOULAINVILLIERS, à Londres

1737. f.

§. 43.

Jn Frankreich giebt es 4. Stuffen des A-

dels. 1) Die Prinzen vom Gebluͤte, denen die

legitimirte Soͤhne der Koͤnige unmittelbar nach-

gehen, 2) der hohe Adel, unter welchem die

Ducs und Comtes Pairs die erſte ſind, 3) der

gemeine, ſowohl Stamm-als Geburtsadel, 4)

der neue Adel, welcher entweder durch einen A-

delsbrief oder durch Ernennung zu einer adeli-

chen Bedienung gegeben wird, und im letztern

Falle bißweilen nur perſoͤnlich iſt, wohin auch

der Glockenadel gehoͤret.

a) DE LA FORCE, tom. I. ch. XX.

b) Sonſt waren 12. Pairs de France, 6. geiſtliche

und 6. weltliche, und von jeder Gattung 3. Herzoge

und 3. Grafen Dieſe Pares Curiae waren unter

den Reichsſtaͤnden die Vornehmſte. Jhre Anzahl iſt

anjetzt biß auf 60. gewachſen, ihre Vorrechte aber ſind

unendllch gefallen, und beſtehen beynahe nur in der

Einbildung. LIMNAEUS, I. 977.

c) Un-

[137/0151]

Frankreich.

c) Unter den Ducs und Pairs haben die 6. natu-

raliſirte auslaͤndiſche Prinzen den Rang. Die-

ſe ſind 1) das Haus Carignan, 2) die Franzoͤſiſche

Linie der Herzoge von Lothringen, 3) der Fuͤrſt von

Monaco, 4) der Herzog von Bouillon, 5) der Her-

zog von Rohan, 6) der Herzog von Thouars und

Prinz von Tarento.

d) Der Stammadel geuͤndet ſich ohne weitern

Beweiß auf den Beſitz von 100. Jahren Kraft eines

Edicts von 1664. und 1714.

e) Der Seehandel iſt dem Adel nicht praͤjudicir-

lich. Gewohnheit der Edelleute in Bretagne, ihren

Adel ſchlafen zu laſſen.

5. Verfaſſung der Reichsgeſchaͤfte.

§. 44.

Der Staatsrath iſt das hoͤchſte Reichs-

collegium, welches aus dem Canzler und den

Staatsminiſtern beſteht. Dieſem iſt das Con-

ſeil des depeches beyzufuͤgen, worinnen von

den 4. Staatsſecretaͤren, 1) der auslaͤndiſchen

Affairen, 2) der Hof- See- und Handelsſa-

chen, 3) der Kirchenſachen, 4) der Kriegs-

affairen, die in eines jeden Abtheilung laufen-

de Angelegenheiten referiret und expediret wer-

den. Jn beyden Conſiliis iſt der Koͤnig ſelbſt

gegenwaͤrtig.

a) Die innerliche Reichsſachen ſind unter alle 4.

Staatsſecretaͤre getheilet, ſo daß jeder gewiſſe Pro-

vinzen zu beſorgen hat. Die Expedition der Gnaden-

ſachen

J 5

[138/0152]

Frankreich.

ſachen gehet wechſelsweiſe von Monath zu Monath

herum. DE LA FORCE, tom. I. ch. XVII.

§. 45.

Der Franzoſe verbindet die Vernunft mit

ſeiner Religion, und dieſes ſo weit, daß er ſich

auch eher zu Ausſchweifungen in der Freygeiſte-

rey, als zu der entgegen geſetzten Schwachheit

des Aberglaubens neiget. Er weiß den Wehrt

der Gewiſſensfreyheit zu ſchaͤtzen, und hat ſich

gegen das Glaubensjoch laͤnger als gegen das

Staatsjoch vertheidiget, wovon die Albigen-

ſer, die Hugenotten und noch neulich die Jan-

ſeniſten oder vielmehr Quesnellianer ein eben

ſo denk- als bedauernswuͤrdiges Beyſpiel ab-

geben.

a) Man ſehe CHASSANION in ſeiner hiſtoire

des Albigeois, die hiſtoire de l’Edit de Nantes und

die Anecdotes ſur la Conſtitution: Vnigenitus nebſt

Hrn Cantzler Pfaffens actis et ſcriptis publicis die-

ſer Conſtitution, ferner Johann Frickens Bullam

Unigenitus, und Walchs Einleitung in die Reli-

gionsſtreitigkeiten, Theil II, Cap. 3. Abtheil. 2.

§. 46.

Die ganze Geiſtlichkeit beſteht aus 18.

Erzbißthuͤmern, welche aber nur 16. Kirchenpro-

vinzen ausmachen, und aus 109. Suffragan-

bißthuͤmern, welche ihre Archidiaconate, De-

canate und Kirchſpiele unter ſich haben. Ueber-

das zaͤhlet man faſt 750. maͤnnliche und uͤber

200.

[139/0153]

Frankreich.

200. weibliche Abteyen, nebſt 14. 077. Kloͤſtern

von allerley Orden. Dieſes alles zuſammen ſoll

uͤber 190.000. Perſonen geiſtlichen Standes be-

tragen. Jn America iſt ein unmittelbares Biß-

thum zu Quebeck.

1. Recueil hiſtorique des Archevechés, Evechéſ

Abbayes et Prieurés de France par DOM BEAU-

NIER, II. tomes, à Paris 1726. 4.

2. Memoires Anecdotes de la Cour et du Clergé

de France par JEAN BAPTISTE DENIS, à Lon-

dres 1712. gr. 12.

a) Die Erzſtifte Cambray und Beſançon ſind in

dem Collegio der Franzoͤſiſchen Geiſtlichkeit nicht mit

begriffen.

b) Metz, Toul, Verdun und Straßburg eben ſo

wenig, weil ſie unter Teutſchen Erzſtiftern ſtehen.

c) Von dem Orden De la Trappe ſiehe Deſcri-

tion de l’abbaye de la Trappe, à Paris 1677. 12.

und BOULAINV, Etât de Perche.

d) Die beſte Liſte der Erz- und Bißthuͤmer und Ab-

tragen giebt das Dictionnaire de France in der In-

troduction, pag. 18.

e) Einkuͤnfte der Franzoͤſiſchen Cleriſey, welche ge-

dachter Denis ohne Grund auf 312. Millionen ſetzet.

BEAUNIER berechnet ſolche, die Abteyen mit dar-

unter begriffen.

§. 47.

Jn den mittlern Zeiten wurde Frankreich

von den Paͤbſtlichen Annatis, gratiis exſpe-

ctatiuis und reſeruatis ſehr vexiret. Carl VII.

half

[140/0154]

Frankreich.

half ſich durch eine weiſe Sanctionem pragma-

ticam geſchloſſen zu Bourges und beſtaͤtiget von

dem Concilio zu Baſel, 1438. Nach vielen li-

ſtigen Bemuͤhungen der Paͤbſte riß ſich endlich

Leo X. dieſen Dorn aus dem Fuſſe, und richtete

1515. mit Frantz I. zu Bologna das beruͤhmte Con-

cordat auf, Kraft deſſen der Koͤnig die Ernen-

nung zu den Stiftern bekam, der Pabſt aber ſich

die Beſtaͤtigung vor eine gewiſſe Summe Gel-

des oder Taxe ausdung, und ſolche auch, ob-

wohl mit groſſem Widerſpruch des Parlaments,

durchſetzte. Der Pabſt hat auch in den meiſten

Stiftern 6-8. menſes. Der Koͤnig exercirt

das ius primariarum precum, und genieſſet

das eintraͤgliche Regale, das iſt, er hebt die Ein-

kuͤnfte, und vergiebt die Pfruͤnden der erledigten

Stifter. Den Gerichtsſtand der Erz- und Bi-

ſchoͤfe in Criminalſachen macht das Parlament

zu Paris dem Pabſte ſtreitig.

a) Sanctio Pragmatica Caroli VII. ſteht im Corps Di-

plom. tom. III. part. I. p. 57. die Concordata eb. daſ.

tom. IV. part. I. p. 228.

b) Der Koͤnig ernennt alſo ordentlich vi concor-

datorum; aber in Provence, Bretagne und den er-

oberten Laͤndern vi indultus.

c) Das Regale erſtreckte Ludwig XIV. durch 2 E-

dicte von 1673. und 1682. auch auf Langvedock, Dau-

phine, Provence und alle neuerlangte Laͤnder. Doch

ſchenkt der Koͤnig gemeiniglich zwey Drittel dieſer Ein-

kuͤnfte den neuen Biſchoͤfen.

1. Traité ſingulier des Regales ou des droits du

Roi

[141/0155]

Frankreich.

Roi ſur les benefices eccleſiaſtiques par FRANÇOIS

PINSSON, II. tomes. à Paris 1688. 4. Siehe auch

DE LA FORCE, tom. I. ch. XVIII.

§. 48.

Die weltbekannte Freyheit der Gallica-

niſchen oder Franzoͤſiſchen Kirche iſt nicht als

ein Privilegium anzuſehen; ſondern als ein

Ueberreſt desjenigen Rechts, welches allen chriſt-

lichen Kirchen vor errichtetem Pabſtthum gemein

war. Sie gruͤndet ſich auf 2. Hauptſaͤtze, 1)

daß der Pabſt in weltlichen Sachen gar nichts,

2) in geiſtlichen Sachen aber gegen die in Frank-

reich angenommene Concilia nichts befehlen koͤn-

ne. Hieruͤber iſt vieles gefochten worden, die

ganze Franzoͤſiſche Geiſtlichkeit ſetzte ſolche 1682.

nebſt ihren Folgerungen mit Einwilligung des

Koͤnigs aufs neue feſt: aber der ungluͤckliche

Krieg uͤber die Conſtitutionem: Vnigenitus

hat dieſe ſtreitbare Heldinn faſt gaͤnzlich entwaf-

net, weil die weltliche Hand ſie zum geiſtlichen

Gehorſam gezwungen.

a) Philipp der Schoͤne, Ludwig XII. und XIV.

ſind ſehr ungezogene Kinder gegen den heiligen Vater

geweſen.

b) Alle Decretales, welche der Franzoͤſiſchen Kir-

chenfreyheit zuwider ſind, das ganze 6te Buch der

Decretalien und das Concilium von Trient ſind hier

nicht angenommen.

c) Von der Freyheit der Franzoͤſiſchen Kirche hat

LIMNAEUS aus PETRO PITHOEO, CLAU-

DIO

[142/0156]

Frankreich.

DIO FAUCHETO, ANTONIO HOTMANNO,

MARCO VULSONIO und andern einen netten Aus-

zug gemacht. PIERRE DU PUY hat noch vollſtaͤn-

diger davon geſchrieben, und LENGLET du FRES-

NOY hat deſſen Commentaire ſtark vermehrt wieder

herausgegeben in II. tomes, à Paris 1715. 4.

d) Alte und neue Maͤrtyrer dieſer geiſtlichen Frey-

heit.

§. 49.

Frankreich hat nicht einerley Geſetze. Die

koͤnigliche Ordonnances und Declarations

welche im Codice Ludouiciano geſammlet

worden, haben zwar ſowohl in geiſtlichen, als

weltlichen Sachen eine allgemeine Verbindlich-

keit; allein uͤbrigens iſt in einigen Provinzen das

Roͤmiſche Recht angenommen, in andern aber

nicht. Daher kommt die Eintheilung in Pays

de droit écrit und pays coûtumiers. Das

Jus Canonicum gilt ebenfalls, doch unter ver-

ſchiedenen Einſchraͤnkungen. Den buͤrgerlichen

und peinlicheu Proceß hat Ludwig XIV. 1666.

umgeſchmolzen, und durchgaͤngig auf einerley

Fuß ſtellen laſſen.

a) Code de Louis XIV. XII. parties, à Paris 1667.

1695. 4.

b) Jn Gvienne, Langvedock, Provence, Dau-

phine, Lionnois und einigen andern gilt Jus Roma-

num.

c) Man zaͤhlt auf 60. Provincial Statuta, wenn

man aber die Stadt- und andre geringere Rechte da-

zu nimt, ſind 275. beſondere Coûtumes.

d) Die

[143/0157]

Frankreich.

d) Die neue Proceßordnung hat der Preußiſchen

zum Muſter gedient; doch iſt die peinliche vollkom-

mener als die buͤrgerliche. Von den Plaidoyers in den

Franzoͤſiſchen Parlamentern.

§. 50.

Die kleine koͤnigliche und adeliche Gerich-

te (Prevôtés, Mairies, Iudicatures, Cha-

tellenies etc.) ſtehen unter den Amtsgerichten,

(Préſidiaux, Senechauſſées, Bailliages,)

von dieſen wird in wichtigern Faͤllen an die Land-

gerichte appellirt. Dieſer ſind 14. an der Zahl, 12.

Parlaments und 2. Conſeils Superieurs, deren

kein einiges von dem andern abhaͤngt; ſondern

alle in der letzten Jnſtanz ſprechen. Der Canz-

ler iſt das Haupt der Gerechtigkeit, und praͤſidi-

ret zugleich in allen koͤniglichen Conſeils. Er

dirigiret die groſſe Canzeley, worinnen alle koͤ-

nigliche Reſcripte, Verordnungen, Beſtallungs-

Patente, kurz alle Schriften in den hoͤchſten

Reichsſachen durch 300. Secretaͤre ausgefertiget

werden. Bißweilen wird ihm ein Groß-Sie-

gelbewahrer zur Seiten geſetzt.

a) DE LA FORCE tom. I. ch. 19. und Dictionn,

de France iu der Introduction, woſelbſt p. 38. die

ganze diviſion juſticiere befindlich.

b) Von den Vorrechten des Canzlers, und war-

um er niemals eine Trauer anleget.

§. 51.

[144/0158]

Frankreich.

§. 51.

Die Einkuͤnfte der Koͤnige waren in den

vorigen Zeiten kaum mittelmaßig. Denn zu

neuen Abgaben war die Einwilligung der Staͤn-

de noͤthig. Dieſe ſchuͤttelte ſich Ludwig XI. zu-

erſt vom Halſe. Seit dem iſt Frankreich von

einem ganzen Strom neuer Auflagen uͤber-

ſchwemmet worden. Die heutige ordentliche

Einkuͤnfte werden gehoben 1) aus den Domai-

nen, welche theils in Guͤtern, theils in unzaͤh-

ligen nutzbaren Regalien, als Droit de Rega-

le, d’ Amortiſſement, Francs fiefs, nou-

veaux Acquêts, Ban et Arriere Ban, Au-

baines, Batârdiſe und andern parties caſu-

elles beſtehen; 2) aus den Zoͤllen, (Droits d’

entrée et de ſortie, de Foraine, etc.) 3)

aus der ſtarken Acciſe, hauptſaͤchlich auf Wein,

(Aides) wohin auch die cinq groſſes fermes

nebſt der Verpachtung des Tabacks und das

Stempelvapier zu rechnen, 4) aus der Salz-

ſteuer, und zum Theil dem Salz-Monopolio,

(Gabelles) 5) aus den Vermoͤgenſteuern (Tail-

les) 6) aus dem Verkauf der Civil-Bedienun-

gen, 7) aus den Decimes und dem Don gra-

tuit der Geiſtlichkeit. Die auſſerordentliche

Auflagen ſind der Taillon, Vſtenſile, Etappes,

die Kopfſteuer, (Capitation) die Aufrichtung

neuer Bedienungen, die Umpraͤgung und Er-

hoͤhung der Muͤnze, der Zehende aller Einkuͤnfte,

(Dixième) und ſo viele andre, als dem Koͤnige

zu

[145/0159]

Frankreich.

zu fordern gefaͤllt. Doch ſind ſie nur in Krie-

geszeiten und Nothfaͤllen gebraͤuchlich.

a) Die Domainenguͤter ſind mehrentheils veraͤuſſert,

bleiben aber allezeit wiederkaͤuflich. Die uͤbrige ſind

verpachtet.

b) Das Stempelpapier kam auf 1673.

c) Gabelles ſind ſehr verſchieden. Es gibt Pays

de grandes und de petites gabelles und exempts de

gabelles. BOULAINV. I. 52.

d) Der Ueberreſt der Domainen, die Zoͤlle, Aides,

cinq groſſes Fermes, Taback, Stempelpapier und Ga-

belles ſind zuſammen verpachtet, und machen den

Bail general oder die Fermes unies aus.

e) Die Tailles ſchreibt der Koͤnig jaͤhrlich nach Be-

lieben aus, ſie ſind in Langvedock nnd Provence re-

elles, in den uͤbrigen Laͤndern perſonelles. BOU-

LAINV. I. 51.

f) Wie der Verkauf der Aemter eingefuͤhret, nach

und nach geſteigert, und endlich die Bedienungen zu

ordentlichen Handelsſachen geworden. DE LA FOR-

CE, I. 212.

g) Taillon traͤgt halb ſo viel, bißweilen gar _.

Viertel ſo viel, als die Taille. BOULAINV. I. 52.

h) Von der Aufrichtung neuer Bedienungen Exem-

pel in Flandern, BOULAINV. I. 357.

§. 52.

Die Einrichtung das Finanzweſens hat

bißher noch nicht auf einerley Fuß im ganzen

Reiche geſetzt werden koͤnnen. Jedoch iſt (auſ-

ſer einigen neueroberten Laͤndern) alles in 26.

Gene-

K

[146/0160]

Frankreich.

Generalitaͤten eingetheilet, und einer jeden ein

Jntendant vorgeſetzt, der viele willkuͤhrliche

Macht ausuͤbet. 20. Generalitaͤten ſind Pays

d’ Election, 6. ſind Pays d’Etâts. Jedes

Pays d’Election hat ſein Bureau des Tréſo-

riers de France und 2. Receveurs Generaux,

durch welche alle unverpachtete Einkuͤnfte geho-

ben werden. Die andere Revenuͤen werden

an die Pachter und Bureaux der Pachter ge-

liefert. Die kleinere Eintheilung aller Genera-

litaͤten iſt nach Paroiſſes und Feux. Ferner

ſind 10. Chambres des comptes zu Berechnung

der Einkuͤnfte, und 8. Cours des Aides zu

Schlichtung der Proceſſe angelegt. Die Geiſt-

lichkeit iſt in Anſehung der Zehenden und des

freywilligen Beytrages in 17. Generalitaͤten o-

der Recettes provinciales eingetheilet. Die

geiſtliche Finanzproceſſe aber werden von 9.

Chambres Eccleſiaſtiques entſchieden, deren

Untergerichte die Bureaux dioceſains ſind.

Das allgemeine Oberhaupt des Finanzweſens

aber iſt der Controlleur General, an welchen

auch der Receveur General du Clergé ange-

wieſen iſt.

a) Wie ſich Langvedock unter Ludwig XIII. geſper-

ret, ein Pays d’Election zu werden. BOULAINV.

b) Von den Elections, Paroiſſes und Feux, BOU-

LAINV. II. 300. Das Dictionn. de France in der

Introduction rechnet im ganzen Bezirk von Frank-

reichs Herrſchaft in Europa 39. 045. Paroiſſes und

3. 713. 563. Feuerſtellen.

c) Der

[147/0161]

Frankreich.

c) Der Generalpacht iſt in eine Menge Unterpach-

tungen abgetheilt. Die allgemeine Verſamlungen der

Oberpachter werden in der Douane zu Paris gehal-

ten.

d) Jn verſchiedenen Generalitaͤten ſind noch be-

ſondere Bureaux, als: des aides, grandes entrées,

formules, marque de fers, Jauge et Courta-

ge, Droits de Riviere, domaines de Flandre

et domaines d’ Occident. Ferner iſt Frankreich

in eine Menge Departemens wegen der groſſen

und kleinen Salzſteuer, und in viele Directi-

ons wegen der Bureaux des cinq groſſes Fermes

abgetheilet.

§. 53.

Dieſe Anſtalten hat Frankreich ſeinen groſ-

ſen Financiers zu danken, von denen alle an-

dre in Europa das Handwerk gelernet. Es

ſind nun zwar hiedurch die Einkuͤnfte des Koͤni-

ges biß auf 180. Millionen getrieben worden;

allein 1) ſind die Erfindungen, Geld zu erpreſ-

ſen, in Kriegeszeiten ſo ausſchweifend gehaͤufet

worden, daß das uͤberladene Volk unter dieſer

Laſt mehr als einmal faſt erdruckt, und von den

unzaͤhligen Maltôtiers biß aufs Blut ausgeſo-

gen worden, 2) haben dem ungeachtet die un-

nuͤtze Kriege das Reich oͤfters in ſolche uner-

ſchwingliche Koſten geſtecket, daß die Krone in

jetzigem Jahrhundert uͤber 1900 Millionen ſchul-

dig geweſen, welche zu tilgen kaum das aller-

deſperateſte Mittel hinlaͤnglich geweſen.

a)

K 2

[148/0162]

Frankreich.

a) Berechnung der Koͤniglichen Revenuͤen aus

BOULAINV. I. 51. u. folg.

b) unerhoͤrte Proportion der Koͤniglichen Einkuͤnf-

te gegen das, was das Land hervorbringt. BOU-

LAINV. II. 578.

c) Elend ſo daraus entſtanden an dem Ex. der

Generalitaͤt von Paris, der Grafſchaft Burgund, der

Provinz Artois, Metz, Rouan, Limoges. Anmer-

kung von Elſas. BOULAINV. an gehoͤrigen

Orten.

d) Von den vielen 1000 Finanzbedienten als Blut-

igeln des Reichs. BOULAINV. tom. III. memoire

II. et III.

e) Von dem Actienhandel und der papiernen Zeit

waͤhrender Minderjaͤhrigkeit Ludwigs XV. La vie

de Philippe d’Orleans.

f) Herzhafte Vorſtellungen des Parlaments ge-

gen einige neue Auflagen im letzten Kriege 1747. Mer-

cure hiſtor. 1748. mois d’Avril, p. 438. et de May

p. 572.

§. 54.

Wenn man die Menge der Einwohner die-

ſes weitlaͤuftigen Reichs und ihre Neigung zum

Kriege bedenkt; ſo iſt leicht zu begreifen, woher

ſie ſo ungeheure Kriegsheere ins Feld ſtellen

koͤnnen, daß man ſolche im Spaniſchen Suc-

ceßionskriege auf 400.000. Mann geſchaͤtzet.

Doch betraͤgt ſie in Friedenszeiten kaum die Helf-

te. Sie haben verſchiedene Regimenter von Aus-

laͤndern und eine ganze Armee Schweitzer in

Dienſten. Jhre Cavallerie uͤbertrift unſtreitig

die

[149/0163]

Frankreich.

die Jnfanterie. Die Haustruppen betragen

auf 10.000. Mann theils zu Pferde, theils zu

Fuß. Jhr Artillerie- und Jngenieurs-Corps

thut es allen andern in Europa zuvor. Die

ganze Verfaſſung ihres Militaͤrweſens hat lan-

ge Zeit den uͤbrigen Nationen zum Muſter ge-

dienet. Seit Unterdruͤckung der Connetablen-

Stelle ſind die Marechaux de France die er-

ſte Kriegsbediente, denen zuweilen ein Mare-

chal General vorgeſetzet wird. Das Hôtel

Royal des Invalides, die haͤufige Gouverne-

ments und Commendantenplaͤtze, die Ritteror-

den und Penſionen ſind bey ihnen groſſe Auf-

munterungen, gut zu fechten.

a) Gute und ſchlechte Eigenſchaften der Franzoͤſi-

ſchen Truppen. RICHELIEU im teſtam. polit.

II. 74.

b) Carl VII. iſt Urheber des militis perpetui.

c) Ludwig XI. ſchloß den erſten Subſidientractat

mit den Schweitzern, welcher ſeit dem oft erneuert

worden.

d) Von den Haustruppen, der Garde du dedans

et du dehors, den Gens d’armes, Chevaux legers,

dem Regiment des Gardes-Françoiſes et Gardes-Suis-

ſes, den Mousquetaires gris et noirs.

e) Die 300. Jngenieurs koſten allein jaͤhrlich 500.

000. livres.

f) Ludwigs XIV. Verbeſſerungen im Kriegsweſen

werden nunmehr durch die Preußiſche uͤbertroffen.

g) Unter den 12-15. Marſchaͤllen von Frankreich

ſtehen

K 3

[150/0164]

Frankreich.

ſtehen die Lieutenants Generaux, Marechaux de

Camp, Colonels und Meſtres de Camp.

h) Jm Hôtel des Invalides, einer praͤchtigen Stif-

tung Ludwigs XIV. werden auf 3000 Gemeine und

500. Officiers unterhalten. Nemeitz, bl. 299.

i) Von dieſem allen handelt weitlaͤuftig DE LA

FORCE, I. ch. 20, und ch. 3. art. 14.

1. Hiſtoire de la milice Françoiſe par GABRIEL

DANIEL, II. tom. à Paris 1718. 4.

§. 55.

Die Franzoͤſiſche Seemacht iſt weder ſo

alt noch ſo ſtark, als die Landmacht. Hein-

rich IV. dachte darauf, Richelieu arbeitete dar-

an, Ludwig XIV. ruhete nicht, biß er durch Liſt

und Geld ſie groß gemacht hatte. Aber er er-

lebte noch ihren Verfall, und ſie iſt anjetzt nicht

halb ſo ſtark, als ſie ſonſt geweſen. Die

Kriegsſchiffe werden theils am Ocean in Breſt

Rochefort, Port Louis und Havre de Gra-

ce, theils an der Mittellaͤndiſchen See in Tou-

lon, die 30. Galeeren aber in Marſeille verwahrt.

Der Koͤnig beſoldet auf 100.000. Mann, die

zur Marine gehoͤren Der Admiral von Frank-

reich und der General der Galeeren ſind die vor-

nehmſte Seeofficiers. Unter dem erſtern ſtehen

die 2. Viceadmirals, etliche General-Lieutenants

und Commandeurs der Eſcadern, nebſt mehr

als 40. Admiralitaͤtsgerichten. Es ſind auch

3. Compagnien Gardes de la marine als die

Pflanzſchule von Seeofficiers errichtet.

a) Frank-

[151/0165]

Frankreich.

a) Frankreichs beſondere Vortheile und Nothwen-

digkeit, eine Seemacht zu werden. DES LANDES

eſſai ſur la marine, part. 3. p. 98.

b) Von den Franzoͤſiſchen Seeprojecten vor Lud-

wig XIV. RICHELIEU, teſt. polit. ch. IX. ſect. 5.

und DES LANDES, part. 2. p. 45.

c) Carls II. unverantwortliche Staatsfehler, und

Ludwigs XIV. Staatsraͤnke in Befoͤrderung des See-

weſens Wie weit es der letztere am Ende des vori-

gen Jahrhunderts gebracht, BOULAINV. II. 483.

d) Der Spaniſche Succeßionskrieg warf alles

nieder.

e) Allerneueſte Anſtalten, nach geſchloſſenem Frie-

den das Seeweſen mit aller Macht zu verbeſſern.

f) Ueberhaupt DE LA FORCE, tom. I. ch. XX.

art. 4. p. 289.

6. Staatsintereſſe.

§ 56.

Frankreichs Staatsverfaſſung iſt ſo vortheil-

haft eingerichtet, daß ein kluger Koͤnig durch

nichts aufgehalten wird, das Gluͤck ſeiner Na-

tion auf den hoͤchſten Gipfel zu bringen, und

nur einer maͤßigen Sorgfalt noͤthig hat, um das

Gebaͤude der unumſchraͤnkten Gewalt in gutem

Stande zu erhalten, welches aufzufuͤhren ſeinen

Vorgaͤngern ſo viel Kunſt und ſo groſſe Muͤhe

gekoſtet. Es iſt gewiß, daß Frankreich bluͤhet;

aber es iſt auch unſtreitig, daß ſein Wachsthum

noch

K 4

[152/0166]

Frankreich.

noch weit hoͤher getrieben werden kann, wenn

es den Fleiß ſeiner Unterthanen liebreich zu er-

muntern, dem Seeweſen aufzuhelfen und die

auswaͤrtigen Colonien zu vermehren weiß.

Eine Milderung der Abgaben und die Ver-

meidung unnoͤthiger Kriege wuͤrden hiebey groſſe

Dienſte leiſten.

a) Teſtament politique du Cardinal RICHELIEU,

II. parties, à Amſterdam 1688. 12 geht alle Theile

des innerlichen Jntereſſe der Krone Frankreich durch.

b) Vorſchlaͤge zu Verbeſſerung der Pflanzſtaͤdte

in America, LABAT Voyage aux Isles de l’

Amer. IV. ch. I. in der letzten Abtheilung, und eben

deſſen voyages de DES MARCHAIS.

c) Vorſchlag eines Et abliſſements an der Magel-

laniſchen Meerenge, LABAT voyage aux Isles de

l’ Amer. V. p. 373.

d) Vorſchlag zu Vermehrung der Colonien in

Oſtindien, LABAT memoires D’ ARVIEUX, tom.

VI. p. 301.

e) Wie das Finanzweſen beſſer einzurichten, Pro-

jecte des Grafen BOULAINVILLIERS an den Her-

zog Regenten aus ſeinen Memoires, tom. III. des

Etât de la France, mem. 2, 3, 5, 6.

f) Wie ſchaͤdlich Frankreich ſeine groſſe Kriege ſeit

100 Jahren geworden aus BOULAINV. an verſchie-

denen Orten.

Das

[153/0167]

Das IV. Hauptſtuͤck.

Staat

von

Groß-Britannien.

Schriftſteller:

1. Teatro Britannico da GREGORIO LETI, V.

parti, Amſterdamo 1684. 12.

2. Angliae notitia, ſiue praeſens ſtatus Angliae,

(THOMAE WOOD) Oxoniae 1686. 12.

3. Goy Miege geiſt- und weltlicher Staat von

Groß-Britannien und Jrrland, aus dem Engliſchen

uͤberſetzt, (von Johann Bernhard Heinzelmann)

3. Theile, Leipzig 1718. 4.

4. L’Etat preſent de la Grande Bretagne ſous le

Regne de George II., III. tomes, à la Haye 1729. 8.

* Zu allen dieſen vier Buͤchern hat EDUARDI

CHAMBERLAINE Magnae Britanniae notitia,

welches ſeit 1668. faſt 30. mal in Engliſcher Sprache

herausgekommen, den Stoff gegeben.

5. Le guide d’Angleterre, ou relation du voyage

de M. de B ***, à Amſterdam 1744. 8.

6)

K 5

[154/0168]

Gros-Britannien.

6. Lettres de M. l’ Abbé LE BLANC,

concernant le gouvernement, la politique et les

moeurs des Anglois et des François, III. tomes, à

Amſterdam 1747. 8.

1. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Die alte Britten fechten lange, ehe ſie ſich

das Joch der Roͤmer auflegen laſſen, wel-

che doch endlich im Jahr 426. von freyen Stuͤ-

cken den Angel-Sachſen Platz machen. Die-

ſe werden von den Daͤnen verdrungen, und

kaum ſind ſie wieder auf dem Thron, ſo muͤſſen

ſie den Normaͤnnern weichen 1066.

§. 2.

Denn Wilhelm der Conqverant ihr Her-

zog erobert Engelland, wodurch dieſes Reich ei-

nen ſchoͤnen Zuwachs jenſeit des Meeres erhaͤlt.

Nach ſeinem und ſeiner beyden Soͤhne Abſter-

ben ſtreiten ſich ſeine Nachkommen von weibli-

cher Seite um den Scepter.

§. 3.

Unter dleſen hat endlich Heinrich II. bey-

genannt Plantageneta das Gluͤck, die Krone

auf ſein Haus zu bringen 1154. Er wird durch Erb-

folge Graf von Anjou, Maine und Touraine,

durch

[155/0169]

Gros-Britannien.

durch Heyrath Herzog von Gvienne, wozu auch

Poitou, Xaintonge und Gaſeogne gehoͤrte, und

durch ſeine Siege Herr von Jrrland. Sein

Urenkel Eduard I. incorporirt Wallis dem Rei-

che. Eduard III. erlangt einen Anſpruch auf

Frankreich, und die Engellaͤnder verfechten ſolchen

mit ſo auſſerordentlichem Fortgange, daß ſeine

Nachfolger davon Meiſter geworden waͤren,

wenn nicht die innerliche Kriege zwiſchen der

rothen und weiſſen Roſe Engelland zu einem

Schauplatz von Mordſpielen gemacht, und da-

durch den Verluſt nicht nur faſt aller Eroberun-

gen; ſondern auch der eigenthuͤmlichen Provin-

zen in Frankreich nachgezogen haͤtten.

§. 4.

Heinrich VII. ein Tudor gewinnet das Reich,

1485. und bringt es durch ſeine Vermaͤhlung

und Klugheit zur Ruhe. Allein Heinrich VIII. re-

giert und lebt wunderlich, und Maria reformirt

grauſam. Endlich kehret Eliſabeth den alten

Sauerteig aus, und wird das Gluͤck und Ver-

gnuͤgen ihres Volks, ſtirbt aber unvermaͤhlt

1603.

a) Unter Heinrich VII. fing Engelland an, ſeine

Schiffart auszubreiten, und unter Eliſabeth, ſich auſ-

ſerhalb Europa feſtzuſetzen.

§. 5.

Nunmehr kommt Engelland und Schott-

land unter ein Haupt, und erhaͤlt den gemein-

ſchaftlichen

[156/0170]

Gros-Britannien.

ſchaftlichen Namen Groß-Britannien. Das

Stuartiſche Haus erbet Eliſabeths Reich, aber

nicht ihre Weißheit. Daruͤber verliehrt Jacob

I. ſein Anſehen, Carl I. den Kopf, Carl II. die

Liebe der Nation, und der Papiſtiſche Jacob

II. 1688. das Reich. Wilhelm III. Prinz von

Oranien wird nebſt ſeiner Gemahlinn Maria

auf den verlaſſenen Thron erhoben. Seine

Nachfolgerinn Anna hat das Gluͤck, Engelland

mit Schottland zu vereinigen, und Frankreich

zu demuͤthigen; aber auch das Ungluͤck, ihren

Ruhm und ihre zahlreiche Nachkommenſchaft

zu uͤberleben.

a) Unter dieſem Stamme wird Engelland in A-

merica maͤchtig, und durch den Utrechtiſchen Frieden

erlangt es den Schluͤſſel zum Mittellaͤndiſchen Meer.

§. 6.

Das Churhaus Braunſchweig-Luͤne-

burg erhaͤlt die Krone, und beyde George re-

gieren mit groſſem Anſehen, befoͤrdern die Gluͤck-

ſeeligkeit ihres Volks, und werden Schutzengel

von Europa.

1. Hiſtoire des revolutions d’Angleterre par le

P. D’ORLEANS, III. tomes, à la Haye 1729. 4.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 7.

Groß-Britannien iſt die groͤßte Jnſul in

Europa. Die Nordſee, der Canal, das Jrr-

laͤndiſche

[157/0171]

Gros-Britannien.

laͤndiſche und Schottiſche oder Deucaledoniſche

Meer machen ihre Grenzen, und ſondern ſie

von den Niederlanden, Frankreich und Jrrland

ab. Engelland und Schottland hengen durch die

Cheviotiſche Gebuͤrge zuſammen, und werden

durch die Fluͤſſe, den Tweed, Esk und Sol-

vay von einander geſchieden.

a) Von den Engliſchen Seekuͤſten und den Duͤ-

nen, Guide d’Angleterre, p. 70.

§. 8.

Engellands Clima wird durch die Seeluft

feucht erhalten. Winter und Sommer ſind

beyde gleich ſehr gemaͤßiget. Schottland iſt ſchon

kaͤlter und trockener. Engelland iſt groͤßtentheils

eben, Schottland hergegen weit mehr gebuͤrgig

als platt. Beyde Laͤnder ſind vortreflich durch-

waͤſſert: unter den groſſen Stroͤmen ſind die

Themſe, die Severne und der Humber in En-

gelland; der Tay, Forth und Clyde in Schott-

land die vornehmſte.

§. 9.

Engellands Fluͤſſe und Kuͤſten ſind unge-

mein fiſchreich. Der gluͤckſelige Boden bringt

alles, was man von einem ſo temperirten Lan-

de erwarten kann, nicht nur reichlich; ſondern

auch fuͤrtrefflich hervor. Getreyde, Garten-

fruͤchte und Viehweide ſind im hoͤchſten Ueber-

fluſſe.

[158/0172]

Gros-Britannien.

fluſſe. Jhre Pferde werden den beſten in Eu-

ropa gleichgeſchaͤtzt, und ihre Millionen Schaa-

fe tragen eine guͤldene Wolle. An Flachs,

Hanf und Holz ſpuͤret man nur deßwegen eini-

gen Mangel, weil man den Boden auf andere

Art beſſer zu nutzen weiß. Salz iſt nicht zurei-

chend vorhanden. Schottland iſt hauptſaͤchlich

an Fiſchen, Haber, Weitzen, Flachs und Hanf

geſegnet; doch iſt das Land nicht von der Guͤ-

te, noch ſo fleißig angebauet, als Engelland.

a) Sardellenfang auf der Kuͤſte von Cornwall,

Miege, I. 45.

b) Auſternfang auf der Bank von Colcheſter, LE

BLANC, III. 281.

c) Zu den Landesfruͤchten gehoͤrt auch der Saffran,

das Suͤßholz und Weidkraut.

d) Jn Engelland giebt es weder Woͤlfe noch Baͤ-

ren und wilde Schweine.

e) Von Schottlands Vortheilen. Miege, Theil

II. Cap. 2.

§. 10.

Die Engliſche und Schottiſche Berge ge-

ben allerhand Marmor, Alaun, Chryſtal, Vi-

triol, Steinkohlen, Zinn, Bley, Kupfer und

etwas Eiſen. Sonderlich hat Engelland einen

vorzuͤglichen Schatz an den Zinnbergwerken in

Cornwall, und Schottland iſt an Steinkohlen

unerſchoͤpflich.

§. 11.

[159/0173]

Gros-Britannien.

§. 11.

Engelland beſtehet aus 7. Provinzen und

dem Fuͤrſtenthum Wallis. Die erſtere ſind

in 40. Schiren oder Grafſchaften, wozu auch

die umliegende Jnſuln gerechnet werden, ein-

getheilet. Wallis iſt aus 12. Schiren zuſammen

geſetzt. Jn beyden iſt jeder Hufen Landes, ſeit

vielen 100. Jahren ausgemeſſen. Schott-

land zerlegt ſich in das Suͤdliche und Nordliche

Theil, und in die Schottiſche Jnſuln, die letz-

tere werden in die Weſtliche, Orcadiſche, Schett-

laͤndiſche und Ferroiſche abgetheilet, und zaͤhlet

man ihrer uͤber 150. London iſt als der Sitz

des Reichs, der Mittelpunct des Engliſchen

Handels und die volkreicheſte Stadt in Europa

merkwuͤrdig.

1. The hiſtory of London by WILLIAM MAIT-

LAND, London 1739. f. worinnen eine weitlaͤufti-

ge Unterſuchung von der Anzahl der Einwohner, und

ein Vergleich mit den Einwohnern anderer groſſen

Staͤdte in Europa befindlich iſt.

2. Nouveau Theatre de la Grande-Bretagne, Lon-

dres, tom. I. 1708. tom. II. 1713. ſuppl. 1728.

§. 12.

Groß-Britannien hat keine ſonderliche

Landfeſtungen, wozu wuͤrden ſie auch dienen?

Es ſorget nur, ſeine Thuͤre, die Seekuͤſten,

verſchloſſen zu halten. Dieſes erlangt es durch

die Feſtungswerke ſeiner Haͤfen, welche es in

groſſer

[160/0174]

Gros-Britannien.

groſſer Menge hat. Die vornehmſte Engliſche

Seehaͤfen ſind Dower, Chattam, Sandwich,

Portsmouth, Neuport, Yarmouth, Pleymonth,

Dartmouth, Falmouth, Cheſter, Hull, Car-

diff, Milforthafen nebſt den groſſen Handels-

oͤrtern London und Briſtol; unter den Schot-

tiſchen ſind Leith, Glascow, Dunde, Aberdeen,

Cromerty bekannt.

a) Zur ganzen Geographle von Engelland gehoͤrt

1. CAMBDEN’S Britannia by EDWARD

GIBSON, London, 1695. f.

2. Dictionarium Angliae topographicum et hiſto-

ricum, an alphabetical deſcription of the chief pla-

ces in England and Wales by WILLIAM LAM-

BARDE, London 1730. 4. mai.

§. 13.

Jrrland iſt halb ſo groß als Engelland,

unter ſeinen Stroͤmen ſind der Schannon, Bar-

row und Boyne die bekannteſte, es hat groſſe

ſtehende Seen, und viele Suͤmpfe. Jn der

Schaaf- und Viehzucht beſteht ſein groͤßter

Reichthum. Man bauet nunmehr auch Flachs

und Hanf, und cultivirt das Land je laͤnger, je

beſſer.

§. 14.

Die Engellaͤnder beſitzen 1) auf der Nor-

mandiſchen Kuͤſte die beyde Jnſuln Jerſey und

Garne-

[161/0175]

Groß-Britannien.

Garneſey, als das einzige Andenken ihrer ehe-

maligen Provinzen in Frankreich; 2) auf der

Straſſe nach der Levante im Mittellaͤndiſchen

Meer die Feſtung Gibraltar und die Jnſul Mi-

norca; 3) in Africa Capo Corſo nebſt unter-

ſchiedlichen Feſtungen auf der Goldkuͤſte und der

Jnſul St. Helena; 4) in Aſien einige befeſtig-

te Plaͤtze, als Bombaya auf der Kuͤſte von Cun-

can, Madras und Fort St. David auf der Kuͤ-

ſte von Coromandel und Fort Marlborough in

der Jnſul Sumatra.

§. 15.

Jn America ſind ſie nach den Spaniern

unſtreitig die maͤchtigſte, und beherrſchen 1) im

Nordlichen Theile einen Strich Landes von

16-1700. Engliſchen Meilen, worinnen ſich

Hudſonbay wegen des Caſtors, Neu-Schott-

land und die Jnſul Terre Neuve wegen des

Fiſchfangs, Neu-Engelland, Neu-York, Neu-

Jerſey, Penſilvanien, Carolina und Georgia

nebſt dem Fiſchfange wegen der Viehzucht, des

Getreydes, Schiffszimmerholzes und der Eiſen-

bruͤche, Virginien und Maryland wegen des

Tabacks hoͤchſt ſchaͤtzbar machen. 2) Unter

den vorliegenden Jnſuln gehoͤrt ihnen von den

groſſen Antillen Jamaica, von den Caraibiſchen

einige theils Lewards, theils Windwards Jn-

ſuln, hauptſaͤchlich Barbados und St. Chri-

ſtophle. Dieſe Jnſuln liefern nebſt Jndigo,

Pimento

L

[162/0176]

Groß-Britannien.

Pimento, Cacao, Cochenille und allerhand Spe-

cereyen und Farbeholz eine groſſe Laſt Zucker.

1. Das Britiſche Reich in America, uͤberſetzt

von Theodor Arnold, 2. Theile, Lemgo 1744. 4.

a) Der Fiſchfang bey Terre Neuve vermehrt den

National-Fond jaͤhrlich auf 3. biß 400.000. Pf. Sterl.

Brit. Reich in America, I. 4, ohne die herrliche Fi-

ſchereyen an den uͤbrigen Seekuͤſten zu rechnen.

b) Neu-Engelland iſt reich an Silbertannen,

Theer, Pech, Harz, Terpentin, daher der groſſe

Handel mit Faßdauben, und der herrliche Schiffbau,

welcher noch einmal ſo hoch iſt, als in allen andern

Engliſchen Colonien zuſammen genommen. Eb. daſ.

227.

c) Von Boſton, eb. daſ- 247.

d) Von dem Qvaͤcker Wilhelm Pen, und der herrli-

chen Colonie, die er angelegt.

e) Die Tabackspflanzungen in Virginien und

Maryland ſind in der groͤßten Bluͤthe, haben den Bre-

ſiltaback heruntergeſetzt, und liefern jaͤhrlich faſt 300.

000, Centner.

f) Carolina ein gluͤckſeeliges Land kann ſeit eini-

gen Jahren allein mit Reiß uͤber 200. Schiffe bela-

den. eb. daſ. Die Hauptſtadt davon iſt Charlestown.

g) Georgia ein neuerkauftes Land faͤngt ſchon an,

important zu werden. eb. daſ. 657.

h) Von dem neuen Seydenbau in Georgia und

Carolina, und dem Seydengraſe in Virginien Man

bemuͤht ſich auch ſchon, Wein, Flachs und Hanf zu

ziehen.

i) Jamaica iſt kaum die Helfte angebauet, und

dennoch die reicheſte unter allen Engliſchen Colonien.

Sie

[163/0177]

Groß-Britannien.

Sie liefert allein an Zucker auf 100 000. Faͤſſer, hat

3 groſſe Saltzteiche, und bringt nunmehr auch Caf-

fee hervor. Von ihrem Hafen Port Royal.

k) Barbados ein Jnſulchen, 5. Meilen lang und

nicht halb ſo breit hat jetzt noch mehr Zucker, als alle

Engliſche Pflanzungen zuſammen, und konnte ſonſt

wohl 400. Schiffe mit ihren Landeswaaren beladen.

Seit 1690. fiel ſie, doch erhohlt ſie ſich allmaͤchlich

wieder.

l) Jn den Engliſchen Colonien halten ſich wenig-

ſtens anderthalb Millionen Menſchen auf.

m) Berechnung des Wehrts der Engliſch-Americani-

ſchen Productionen aus der Einleitung des Briti-

ſchen Reichs in America.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 16.

Engelland hat auf 7. Millionen Einwoh-

ner, Schottland und Jrrland zuſammen nicht

halb ſo viel. Jn der Engliſchen Sprache iſt

die alte Saͤchſiſche der Stamm, in welchen die

Franzoͤſiſche, die Lateiniſche und alte Britiſche

eingepropfet worden. Aus dieſer letztern fließt

auch die Schottiſche und Jrrlaͤndiſche Sprache;

doch iſt jene von der Engliſchen ſeit etlichen 100.

Jahren in die Hochlaͤndiſche Gebirge vertrieben

worden, und dieſe hat viele alte Cantabriſche

Woͤrter untermiſcht.

a)

L 2

[164/0178]

Groß-Britannien.

a) Dieſe Anzahl der Menſchen berechnet der Capi-

tain Graunts in ſeinen Anmerkungen uͤber die

Todtenzettel der Stadt Londou.

b) Anmerkungen von der Engliſchen Sprache aus

Benthems Engliſchem Kirchen- und Schulen-

ſtaat, Bl. 11. und den Lettres des LE BLANC,

I. 99.

§. 17.

Der Engellaͤnder hat ſeine anſehnliche Ge-

ſtalt und ſeinen ſtarken Appetit zum vielen Eſſen

und zu hitzigen Getraͤnken mit andern Nordiſchen

Voͤlkern gemein; unterſcheidet ſich aber dadurch

von allen uͤbrigen Nationen, daß er in keiner

Sache die Mittelſtraſſe zu halten gewohnt iſt;

ſondern wie ſeine Tugenden, alſo auch bißwei-

len ſeine Laſter aufs hoͤchſte treibt. Er verlaͤßt

ſich auf ſeinem geſunden Verſtand, und ſetzt dar-

innen ſein hoͤchſtes Gut, ſeinem eigenen Kopfe

zu folgen: weil aber das melancholiſch-chole-

riſche Temperament ſeine Affecten violent

macht, ſo wird er davon oͤfters hingeriſſen. Hier-

aus fließt die Liebe zum Auſſerordentlichen, die

Neigung zu Ausſchweifungen und der Wider-

ſpruch, der ſich bißweilen in ſeinem Thun und

Laſſen zu aͤuſſern ſcheint. Man lobt an ihm die

Redlichkeit, Großmuth, Verſchwiegenheit, das

Loͤwenherz, die Verachtung des Todes nnd Liebe

zur Freyheit. Bey dem gemeinen Haufen fin-

det man wuͤtende Affecten, unbaͤndige Aus-

ſchweifungen in Wolluͤſten, Wildheit in aller-

hand

[165/0179]

Groß-Britannien.

hand Ergoͤtzungen, Trotz, Kaltſinn gegen Frem-

de, Neigung zum Aufruhr und zum Selbſt-

morde.

a) Die Lettres ſur les Anglois et les François von

Muralt ſind oben angefuͤhrt worden.

b) Von ihrem Geſchmack an allem, was auſſeror-

dentlich iſt, LE BLANC, I. 84. & 141.

c) Von ihren Schauſpielen, eb. daſ. III. 149. und

ihren Gladiateurs und Lutteurs, eb. daſ. III. 1.

d) Von dem Wettlauf der Pferde in New-Mar-

ket, dem Coc Pit, den Gentlemens of the Road, Sha-

pers, Clups.

e) Von ihrem Spleen und Selbſtmorde, LE

BLANC, I. 236. und POELLNITZ in ſeinen

memoires, tom. III. p. 139.

§. 18.

Der Engellaͤnder iſt aufgelegt, in den Wiſ-

ſenſchaften vollkommen zu werden, die Tiefſin-

nigkeit und der ſtandhafte Fleiß ſind ihm eigen.

Keine Nation hat groͤßre Geiſter hervorgebracht,

und diejenigen Wiſſenſchaften und freyen Kuͤnſte,

welche dem menſchlichen Verſtande die meiſte

Ehre bringen, und in gemeinen Leben die nuͤtz-

lichue ſind, ſo weit getrieben, als die Engliſche.

Die Gelehrſamkeit hat nirgends mehr Vorſchub

noch groͤßre Belohnung. Oxford und Cam-

bridge ſind nicht als einzelne Univerſitaͤten; ſon-

dern als ganze Republicken vieler vereinigten

Univerſitaͤten anzuſehn. London iſt der Sitz von

Ju-

L 3

[166/0180]

Groß-Britannen.

Juriſtiſchen und Mediciniſchen hohen Schulen,

und pranget uͤberdas mit der unvergleichlichen

Academie der Wiſſenſchaften, als der Stam̃-

mutter aller uͤbrigen ihres Namens in Europa.

Edenburg, Glascow und St. Andrews ſind die

Schottiſche, Dublin iſt die Jrrlaͤndiſche Uni-

verſitaͤt.

1. Heinrich Ludolf Benthems Engellaͤndiſcher

Kirch und Schulenſtaat, 2te Auflage, Leipzig 1732.

gr. 8. ſonderlich Cap. XXIV.

a) Magliabechi Spruch von Engelland, Guide

d’ Angl. p. 238.

b) Von dem Groß-Canzler Bacon von Veru-

lam.

c) Die ſonſt ruhmſuͤchtige Franzoſen muͤſſen dieſen

Vorzug der Engellaͤnder eingeſtehen. LE BLANC,

I. lett. 8. p. 56.

d) Warum ſie in den Arts du gôut von andern uͤber-

troffen werden. eb. daſ.

e) Beſondere Einrichtung ihrer Collegiorum und

Aularum auf beyden Univerſitaͤten. Sie tractiren

groͤßtentheils nur die Weltweißheit und Gottesge-

lahrtheit.

f) Von der Academie der Wiſſenſchaften, Miege,

I. 252. Vergleich mit der zu Paris, LE BLANC,

I. lett. 25. Vortheile, ſo der Nation daraus erwach-

ſen. eb. daſ. II. p. 95.

§. 19.

Faſt alle Materialien, woraus die menſch-

liche Hand etwas nutzbares verfertigen kann,

werden

[167/0181]

Groß-Britannien.

werden hier in groͤßter Menge verarbeitet. Wie

der Franzoſe den aͤuſſerlichen Wehrt ſeiner Ma-

nufacturen durch allerhand Putzwerk zu erhe-

ben ſucht: alſo weiß der Engellaͤnder den ſeini-

gen durch die Accurateſſe und Dauer einen in-

nerlichen Wehrt zu verſchaffen, der unvergaͤng-

lich und unnachahmlich iſt.

a) Beſondere Anmerkungen von ihren unſchaͤtzba-

ren Wollmanufacturen.

b) Von ihren Seydenfabricken,

c) Stahlarbeit,

d) Galanteriewaaren, und Glasfabricken.

e) Vorzuͤglicher Ruhm der Engliſchen Handwer-

ker. LE BLANC, I. 64.

f) Eifer der Nation, diejenige Manufacturen, de-

ren Materialien einheimiſch ſind, vorzuͤglich zu er-

halten.

§. 20.

Der Handel dieſer Nation iſt durch die

ganze Welt ausgebreitet. Sie beſchiffet alle Eu-

ropaͤiſche Kuͤſten, doch mit ſehr ungleichem Pro-

fit, ſo gar daß ſie in dem Handel mit Frank-

reich, Jtalien und Schweden einbuͤſſet: herge-

gen hat ſie in dem Handel mit den uͤbrigen Eu-

ropaͤern den Vortheil auf ihrer Seite.

a) Warum die 3. erſtere Nationen in dem Han-

del mit Engelland das Uebergewicht haben, und wie

ſich Engelland dagegen zu helfen ſucht.

b) En

L 4

[168/0182]

Groß-Britannien.

b) Engellands Handel nach Teutſchland uͤber Hol-

land und Hamburg.

c) Handel nach Spanien, Portugal, Polen,

Preuſſen und Daͤnemark.

d) Ehemaliges Monopolium in Archangel, und

jetziger Handel ſo wohl dahin, als nach Petersburg.

§. 21.

Auſſer Europa handelt der Engellaͤnder 1)

nach der Levante, und zwar mehr als al-

le andere Seenationen, 2) nach Africa, 3)

nach Oſtindien, wo er naͤchſt den Hollaͤndern

der vornehmſte iſt, 4) nach America, wo er

ſowohl ſeine eigene Colonien mit allen Engliſchen

Manufacturen verſieht, als auch einen wichti-

gen Contreband-Handel mit den Spaniern

treibt, auch bißher von dem Aſſiento und dem

Permiſſionsſchiffe Vortheil gezogen.

a) Die Engliſche Colonien nehmen mehr Manu-

facturen ab, als alle andre Handlungen.

b) Sie handeln auch ſelbſt theils mit den Franzoͤ-

ſiſchen Colonien, theils nach Africa, theils nach den

Canariſchen Jnſuln.

c) Beſondere Art, den Contreband-Handel zu trei-

ben, und das Campecheholz aus dem Campeche- und

Honduras-Bay zu entfuͤhren Beydes geſchicht von

Jamaica aus. Wegen des Campeche-Holzes haben

die Engellaͤnder auf der Jnſul Ruatan eine Feſtung

angeleget. Beſiehe das Britiſche Reich in Ameri-

ta, Band II. Bl. 1209.

§. 22.

[169/0183]

Groß-Britannien.

§. 22.

Der Engellaͤnder verſteht uͤberhaupt den

ganzen Handel aus dem Grunde. Die viele

Handlungs-Geſellſchaften, als die Oſt-Jndi-

ſche, Suͤdſee-Africaniſche, Levantiſche, Oſt-

laͤndiſche, Ruſſiſche und andre Compagnien be-

foͤrdern ſolchen, die Banco in London erleichtert

ihn, die Aufmerkſamkeit der Regierung und die

herrliche Geſetze befeſtigen ihn, ſo daß durch alle

dieſe Anſtalten der Schatz der Nation in Frie-

denszeiten jaͤhrlich mit 11. Millionen rthlr. ver-

mehret wird.

a) Von dieſen Compagnien ſiehe Miege I. 381. und

SAV ARY.

b) Beſondere Einrichtung und Reichthum der

Banco.

c) Geſetze in Anſehung der rohen Materialien, der

Zoͤlle, der Fremden nach Engelland handelnden Schif-

fe. LE BLANC, III. p. 275.

§. 23.

Die Engliſche gangbare Muͤnzen ſind Pen-

ces, Schillinge und Kronen, alle drey von Sil-

ber; von Gold aber die Gvineen. 1. Pence iſt

ungefehr 7. Pfennige unſers Geldes. 12. Pen-

ces machen 1. Schilling, 5. Schillinge 1. Krone,

21. Schillinge und 6. Pences 1. Gvinee. Man

hat auch halbe Kronen, und Stuͤcke von 2. 3. 4.

und 6. Pences, ferner halbe Pences und zinner-

ne Scheidemuͤnzen, Farthings genannt, deren

4. 1. Penny betragen.

1. Hi.

L 5

[170/0184]

Groß-Britannien.

1. Hiſtorical account of English Money by STE-

PHEN MARTIN LEAKES, London 1745. gr. 8.

Siehe auch Benthems Engellaͤndiſchen Kirchen- und

Schulenſtaat, Cap. XXVIII.

a) Eliſabeths, Carls II. und Wilhelms III. Ver-

dienſte um die Engliſche Muͤnze, wodurch nicht nur

der Muͤnzfuß unverbeſſerlich geworden; ſondern auch

ein beſtaͤndiger Zufluß von auswaͤrtigem Golde und

Silber erhalten wird.

4. Staatsrecht.

§. 24.

Das vornehmſte Reichsgrundgeſetz iſt

das von Koͤnig Johann ohne Land 1215. den

Staͤnden ausgefertigte Diploma, welches die

Magna charta oder Charta libertatum, Baro-

nibus regni conceſſa, genennet wird, nebſt ver-

ſchiedenen juͤngern Parlamentsaeten.

a) Man findet ſolche in Hrn. Hofr. Schmauſſens

Corp. J. Gent. Acad. tom. I. p. 8.

b) Wo das Original davon anzutreffen.

c) Johannis Enthronung wurde das Siegel dieſes

Geſetzes.

§. 25.

Georg II. jetztregierender Koͤnig iſt geboh-

ren 1683., wurde Prinz von Wallis 1714. und

gelangte zur Regierung 1727. Von ſeiner 1737.

verſtor-

[171/0185]

Groß-Britannien.

verſtorbenen Gemahlinn, Wilhelmina Char-

lotte, einer Brandenburg-Anſpachiſchen Prin-

zeßinn ſind gebohren Friedrich Ludwig 1707.

Printz von Wallis, welcher ſich 1736. mit Au-

guſta, Prinzeßinn von Sachſen Gotha vermaͤhlt,

und den Herzog von Cornwall, Georg Wil-

helm Friedrich nebſt noch 3. Prinzen und 2.

Prinzeßinnen mit ihr erzielet hat. Die andere

Koͤnigliche Kinder ſind der Herzog von Cumber-

land Wilhelm Auguſt, und 5. Prinzeßinnen,

1) Anna, Gemahlinn des Prinzen von Orani-

en 1734. 2) Amalia Sophia Eleonora, 3)

Eliſabeth Carolina, 4) Maria, Gemahlinn

des Erbprinzen von Heſſen-Caſſel Friedrichs

1740. 5) Louiſe, Gemahlinn des Koͤniges von

Daͤnemark Friedrichs V. 1743.

§. 26.

Der Kronprinz wird als regierender Her-

zog von Cornwall gebohren, und zum Prinzen

von Wallis creirt. Er ziehet aus beyden Pro-

vinzen gewiſſe Einkuͤnfte. Die uͤbrige Prinzen

erhalten ihre Titul und Revenuͤen vom Koͤnige,

und ſind gebohrne Staatsraͤthe. Alle Koͤnigli-

che Kinder werden Kinder von Groß-Britannien

und Koͤnigliche Hoheiten titulirt.

a) Miege I. 856.

§. 27.

Der Titul des regierenden Koͤniges lautet

alſo: Koͤnig von Groß-Britannien, Frankreich

und

[172/0186]

Groß-Britannien.

und Jrrland, Beſchuͤtzer des Glaubens. Die-

ſe Titulatur iſt erſt ſeit dem Stuartiſchen Stam-

me beſtaͤndig einerley geblieben, nachdem ſie vor-

her oftmaligen Veraͤnderungen unterworfen ge-

weſen.

a) Alter Titul: Anglorum Baſileus et dominus

IV. marium.

b) Streit zwiſchen Engelland und Schottland, als

Jacob I. den Thron beſtieg, und Jacobs I. Medaille:

Henricus Roſas, Regna Jacobus.

c) Von den vielen Aenderungen dieſes Tituls ſiehe

BECMANNI ſyntagma dignit. diſſ. III. cap. 1.

§. 10.

§. 28.

Das Koͤnigliche Wappen iſt qvadrirt: im

1) Schilde zeigen ſich die drey Engliſche Leopar-

den und der Schottiſche Loͤwe, im 2) die Fran-

zoͤſiſche Lilien, im 3) die Jrrlaͤndiſche Davids-

harfe, im 4) das Chur-Braunſchweig-Luͤne-

burgiſche Wappen.

a) Von dem Wappenzierath, den Roſen und der

Diſtel.

b) Der Wahlpruch iſt veraͤnderlich.

c) Wappen des Prinzen von Wallis.

§ 29.

Die hohe Kronbediente ſind 1) der Lord

Statthalter oder Ober-Richter (High Steward,)

2) der

[173/0187]

Groß-Britannien.

2) der Lord Groß-Canzler oder Groß-Siegel-

bewahrer, 3) der Lord Groß-Schatzmeiſter, 4)

der Lord Praͤſident des Staatsraths, 5) der Lord

geheime Siegelbewahrer, 6) der Lord Groß-

Caͤmmerer, 7) der Lord Groß-Connetable, 8)

der Lord Groß-Marſchall, 9) der Lord Groß-

Admiral. Doch ſind dieſe Bedienungen nicht

alle beſetzt, einige werden nur bey beſonderen Ge-

legenheiten auf eine Zeitlang vergeben, andere

durch ganze Collegia verwaltet.

a) Miege I. 861.

§. 30.

Der ganze Hofſtaat hat eben ſo viel Pracht

als Ordnung. Der weltlichen Hofbedienten

rechnet man auf 600. Perſonen, welche unter

dem Ober-Hofmeiſter, Ober-Hofcammerer und

Ober-Stallmeiſter ſtehen. Zur Hofgeiſtlich-

keit gehoͤren faſt 100 Perſonen, unter welchen

der Groß-Allmoſenier und der Dechant der Koͤ-

niglichen Capelle die vornehmſte ſind, der letzte-

re hat allein uͤber 56. Hof-Capellaͤne zu befehlen.

Nichts giebt ein groͤſſeres Zeuaniß von der auſ-

ſerordentlichen Ehrfurcht der Nation gegen die

Majeſtaͤt des Koͤniges, als das hohe Ceremo-

niel, womit Selbiger bedienet wird.

a) Von dem ganzen Hofſtaat handelt ausfuͤhrlich

Miege I. 1020.

b) Von

[174/0188]

Groß-Britannien.

b) Von den Ceremoniel ſtehe auch Guide d’ An-

glet. p. 188.

§. 31.

Die drey Ritterorden 1) vom blauen Ho-

ſenbande, 2) vom Bade und 3) von der Diſtel

machen den Groß-Britanniſchen Hof noch an-

ſehnlicher. Die beyde erſtere ſind Engliſche, der

letztere ein Schottiſcher Orden. Der vom blau-

en Hoſenbande iſt eigentlich ein Orden des hei-

ligen Georgs, er wurde von Eduard III. 1350.

geſtiftet, und beſteht nebſt dem Koͤnige aus 26.

Rittern. Der Orden vom Bade ruͤhret von

Heinrich IV. her 1399. Georg I. hat ihn erneuert.

Der Orden von der Diſtel heißt auch der An-

dreas-Orden, er wuͤrde der aͤlteſte in der Welt

ſeyn, wenn er ſchon 819. von Koͤnig Achajo er-

richtet waͤre. Jacob V. machte ihn anſehnlich,

die Koͤniginn Anna erneuerte ihn 1703, und Ge-

org I. vermehrte die Statuta 1725. Er beſtehet

auſſer dem Ordensmeiſter aus 12. Mitgliedern.

Von allen dreyen iſt der Koͤnig Großmeiſter.

Alle drey haben nebſt dem Ordenszeichen auch

eine beſondere Ordenskette, Band, Kleidung

und Wahlſpruch.

1. The Inſtitution, Laws and Ceremonies of the

moſt Noble Order of the Garter by ELIAS ASH-

MOLE, London 1672. f.

2. The Regiſter of the moſt Noble Order of the

Garter from its Cover in Black Velvet, uſually

called

[175/0189]

Groß-Britannien.

called the Black Book with Notes and an Introdu-

ction, in II. Volumes, London 1724. f.

3. The Proceſſion and Ceremonies obſerved at

the Time of the Inſtallation of the Knights Com-

panions of the moſt Honourable military Order of

the Bath upon thursday June 17. 1725. by JOHN

PINE, London 1730. gr. f.

4. JUSTI CHRISTOPHORI DITHMARI com-

mentatio de Ordine militari de Balneo, Francof. ad

Viadr. 1729. f.

a) Anmerkungen aus dem Guide d’ Angleterre p.

29-37.

§. 32.

Die Groß-Britanniſche Krone iſt erblich,

und faͤllt auch auf die weibliche Linie. Die

Thronfolge ſtammt bloß aus den Geſetzen, und

iſt keine neue Einwilligung der Stande erforder-

lich. Daher duldet dieſes Reich kein Jnterre-

gnum. Der Koͤnig muß der Engliſchen Kirche

zugethan ſeyn, und iſt deßwegen 1690. die Pa-

piſtiſche Linie von der Erbfolge auf ewig ausge-

ſchloſſen, und ſelbige mit der Proteſtantiſchen

Linie in dem Churhauſe Braunſchweig-Luͤneburg

1702. verbunden worden.

a) Anmerkung de Reginae marito.

b) Beruͤhmte Parlaments-Acte vom 18. Merz

1702. in Hrn. Schmauſſens Corp. J. G. Acad. tom.

II. p. 1157. welche durch eine andre Acte von 1705.

beſtaͤtiget worden. Corps Diplom. tom. VIII. part. I.

p. 170.

§. 33.

[176/0190]

Groß-Britannien.

§. 33.

Die Minorennitaͤt eines Koͤnigs endiget

ſich mit dem 12ten Jahre. Wenn er 24. Jahr

alt iſt, ſo kann er alles, was Zeit waͤhrender

Minderjaͤhrigkeit im Parlament verordnet wor-

den, widerruffen und vernichten. Dle Vor-

mundſchaft und die Adminiſtration des Reichs

in auſſerordentlichen Faͤllen richtet der Koͤnig

nach ſeinem Gefallen ein; wo nicht, ſo macht

das Parlament die Verordnung daruͤber. Die

Reichsverweſung wird entweder einer Perſon

oder vielen zugleich anvertrauet, daher findet

man, daß ehemals bald ein Lord-Warden

oder Lord-Keeper, bald ein Protector, und

in neuern Zeiten bißweilen ein Regent oder eine

Regentinn, bißweilen Lords-Regenten, oder

Lords-Juſtices ſolche gefuͤhret haben.

a) Miege, I. 851.

§. 34.

Die Kroͤnung iſt in Engelland gewoͤhn-

lich, und wird in der Abtey zu Weſtmuͤnſter

mit allen nur erſinnlichen Feyerlichkeiten vollzo-

gen. Unter den Reichskleinodien ſind die 2.

Kronen, 3. Seepter und 3. Schwerdter nebſt

dem Stuhle des heiligen Eduards merkwuͤrdig.

Dieſe werden im Towr zu London verwahrlich

aufgehoben, und bleiben immer einerley; da her-

gegen die Kroͤnungskleider bißweilen geaͤndert

werden.

1. Voll-

[177/0191]

Groß-Britannien.

1. Vollſtaͤndige Beſchreibung der Ceremonien,

welche ſowohl bey Engliſchen Kroͤnungen uͤber-

haupt vorgehen, beſonders aber bey dem Kroͤ-

nungsfeſt Georgs II. beobachtet ſind, Hannover

172_. 4.

a) Die 2 Kronen ſind die Krone des heiligen E-

duards und die Staatskrone.

b) Die 3. Scepter ſind der Stab des heiligen E-

duards, der Scepter mit der Taube und der Scepter

mit dem Creuze.

c) Die 3. Schwerdter ſind das Gnadenſchwerdt,

Curtana genannt, und die beyde Rechtsſchwerdter ſo-

wohl in geiſtlichen als weltlichen Sachen.

d) Der Koͤnig ſchwoͤret einen generalen Eyd, nach

dem er verſchiedene Artikel einzeln angelobet.

e) Er kuͤſſet die anweſende Erz und Biſchoͤfe, und

nach abgelegter Huldigung kuͤſſen alle Lords des Ober-

hauſes ſeine lincke Wange.

§. 35.

Der Koͤnig heilet durch Beruͤhrung beyder

Haͤnde eine beſondere Art von Krankheit, wel-

che das Koͤnigsuͤbel genennet wird, und ſoll

dieſe Kraft den Engliſchen Monarchen ſeit den

Zeiten des heiligen Eduards beywohnen.

a) Die Ceremonien hiebey ſind von denen in Frank-

reich gaͤnzlich unterſchieden.

b) Die ganze Handlung beſchreibt Benthem im

Engell. Kirchen- und Schulenſtaat, Cap. XXV III.

Bl. 775.

§. 36.

M

[178/0192]

Groß-Britannien.

§. 36.

Seit der Vereinigung der Engliſchen und

Schottiſchen Krone 1706. iſt die Regierungs-

form in beyden Reichen auf einerley Fuß geſe-

tzet worden, ſo daß beyde einen einzigen Staats-

koͤrper nehmlich Groß-Britannien ausmachen,

welchem die dritte Krone, Jrrland, unterwuͤr-

fig iſt.

a) Der Unions-Tractat iſt von den dazu bevoll-

maͤchtigten Commiſſarien beyder Reiche den 22. Julii

(2. Auguſt) 1706. unterzeichnet worden, und ſteht

in Schmauſſens Corp. I. G. Acad. tom. II. p. 1193.

§. 37.

Groß-Britannien iſt eine eingeſchraͤnkte

Monarchie. Das Recht, Krieg zu fuͤhren

und Frieden zu ſchlieſſen, Geſandte zu verſchi-

cken und anzunehmen, das Parlament zuſam-

men zu ruffen und aufzuheben, alle geiſt- und

weltliche Aemter zu vergeben, den Adel und die

Standſchaft im Oberhauſe zu ertheilen, Muͤnze

zu ſchlagen, die Gerichtsbarkeit auszuuͤben, und

kurz, alle uͤbrige geiſtliche und weltliche Maje-

ſtaͤtsrechte, zu welchen nicht durch ausdruͤckliche

Reichsgeſetze die Einwilligung der Staͤnde er-

fordert wird, beruhen in dem Koͤniglichen Wohl-

gefallen, und werden unumſchraͤnkt von ihm aus-

geuͤbet.

a) Um

[179/0193]

Groß-Britannien.

a) Um die Hoheit der Koͤniglichen oder Kron-Praͤ-

rogativen (ſacra ſacrorum) auszudruͤcken, ſind die Re-

densarten entſtanden: Rex eſt perſona mixta cum

ſacerdote, eſt Pontifex maximus, ſummus Regni

cuſtos, vltimus regni haeres, eſt omnipraeſens, o-

mnipotens, infallibilis, WOOD in notitia Angl.

p. 39. und Miege I. 809.

b) Der Schottiſche Adel hatte ſich in dem 20ſten

Artikel der Union die hergebrachte Erb-Gerichts-

barkeit vorbehalten, ſie iſt aber 1747, durch eine

Parlamentsacte aufgehoben, und mit der Krone ver-

einiget worden. Mercure hiſt. et polit. tom. CXXII.

p. 548, tom. CXXIII. p. 75. tom. CXXIV. p. 549.

§. 38.

Die Freyheit der Nation aͤuſſert ſich in

2. Hauptpuncten, 1) in den Geſetzen, 2) in neuen

Auflagen. Wenn ein neues Geſetz gegeben,

ein altes aufgehoben, und neue Auflagen aus-

geſchrieben werden ſollen: ſo wird ſolches durch

gemeinſchaftliche Concurrenz des Koͤniges und

der Reichsſtaͤnde bewuͤrket. Daher ruͤhmet ſich

der Engellaͤnder, daß er kein Geſetz zu halten,

und keine Abgabe zu bezahlen ſchuldig iſt, als

die er ſich ſelbſt aufleget. Es ſetzet auch dieſe Ein-

richtung der hoͤchſten Gewalt ſo gluͤckſeelige

Schranken, daß ein Koͤnig von Groß-Britan-

nien freye Haͤnde hat, ſeinem Volke Gutes zu

thun, ohne ihm ſchaden zu koͤnnen. Man

nennet ſolches die guͤldene Regel der Groß-Bri-

tanniſchen Regierungsform.

a)

M 2

[180/0194]

Groß-Britannien.

a) Etat préſent de la Grande Bretagne, tom. II.

p. 15. und 93.

§. 39.

Es ſind, wie die Engellaͤnder behaupten,

3. Staͤnde des Reichs in Groß-Britannien,

der Koͤnig, der Adel und das Volk. Der A-

del iſt eigentlich der hohe Adel, und begreift ſo-

wohl die geiſtliche als weltliche Lords unter ſich.

Der weltliche Adel hat 5. Claſſen, als Herzoge,

Marggrafen, Grafen, Vicomtes und Ba-

ronen. Die adeliche Guͤter ſind untheilbar, wer-

den nach dem Recht der Erſtgeburt ererbt, und

geben ihrem Jnhaber Sitz und Stimme im O-

ber-Parlament. Daraus entſpringen die Pa-

res oder Barones Regni. Das Volk beſteht

aus dem niedern Adel und den Gemeinen, der

niedre Adel oder die Ritterſchaft aus den Baro-

nets, den Spornrittern, (Knights Batche-

lors) den Schildtraͤgern (Esquires) und den

bloſſen Edelleuten, (Gentlemen). Die Rit-

terſchaft einer jeden Schire hat ein votum cu-

riatum im Unterhauſe. Sowohl der Adel als

die Ritterſchaft unterſcheiden die verſchiedene Li-

nien ihrer Haͤuſer durch die verſchiedene Bey-

zeichen ihrer Wappen mit groſſer Accurateſſe.

a) Wer den Titul einer hoͤhern Claſſe des Adels

fuͤhret, fuͤhret zugleich alle Tituls der untern Claſſen.

b) Die nachgebohrne Soͤhne der Vicomtes und

Baronen werden zum niedern Adel gerechnet.

c) Von

[181/0195]

Groß-Britannien.

c) Van dem fuͤrtrefflichen Wappengerichte, Guide

d’ Anglet. p. 225. Die Engliſche Wappen haben or-

dentlich auch einen Wahlſpruch.

d) Von den Free-holders und Copy-holders. Sie-

he uͤberhaupt Etat préſent de la Grande Bretagne,

tom. I. p. 263. und 270.

§. 40.

Die Verſammlnng der Reichsſtaͤnde wird

das Parlament genennt, welches in das Ober-

und Unterhaus eingetheilt iſt. Jenes heißt das

Haus der Lords, und beſteht aus ungefehr 170.

weltlichen Perſonen vom Engliſchen hohen Adel,

aus 26. Engliſchen Erz- und Biſchoͤfen und aus

16. erwaͤhlten Schottiſchen Pairs. Das ande-

re heißt das Haus der Gemeinen, und beſteht

aus den Deputirten, theils der Ritterſchaft, theils

der Staͤdte und Flecken einer jeden Grafſchaft

in Engelland, zuſammen aus 513. Mitgliedern,

denen ſeit der Vereinigung mit Schottland noch

45. dergleichen Schottiſche Deputirte beyzufuͤ-

gen ſind. Das Oberhaus iſt Richter aller Mit-

glieder ſowohl ſeiner als der Unterkammer, und

kann jeder Lord ſeine Stimme einem andern auf-

tragen. So oft ein neues Parlament zu ſam-

men beruffen wird, ſo oft wird eine neue Wahl

der Schottiſchen Parlamentsherren und der De-

putirten der Gemeinen vorgenommen. Die

Glieder des Unterhauſes haben ihre General-

Jnſtruction, und votiren uͤbrigens nach ihrem

eigenen Gutduͤnken. Alles was rechtskraͤftig

geſchloſſen

M 3

[182/0196]

Groß-Britannien.

geſchloſſen werden ſoll, muß von beyden Kam-

mern bewilligt, und vom Koͤnige genehmiget ſeyn.

Wenigſtens alle 7. Jahr muß das Parlament

zuſammen berufſen werden, und kein Parla-

ment kann uͤber 7 Jahr hintereinander dauern.

1. Jus Parliamentarium, or the Power, Iurisdi-

ction, Rights and Liberties of the moſt high Court

of Parliament, revived and aſſerted by William

Petyt, in II. Parts, London 1739- f.

a) Mißbraͤuche bey der Wahl der Deputirten des

Unterhauſes, und dagegen gebrauchte Mittel.

b) Ort der Verſammlung, dreyfacher Eyd, den ein

jedes Mitglied des Paelaments vorher ablegen muß,

Sprecher des Unterhauſes, Art zn deliberiren und

zu voliren, Bill paſſé und non paſſé, Chambre pein-

te, Adreſſe, Meſſage, Acte du Parlement.

§. 41.

Es geſchicht znweilen, daß die Gerechtſa-

me der Reichsſtaͤnde gegen einander ſtoſſen. Die

Engellaͤnder geſtehen ſelbſt, daß drey Dinge un-

moͤglich ſeyn, nehmlich die Grenzen 1) der Koͤnig-

lichen Vorrechte, 2) der Privilegien des Par-

laments und 3) der Freyheit der Nation zu be-

ſtimmen. Ueberdies iſt das Reich zu verſchie-

denen Zeiten in Factionen zerfallen, davon die

Torys und Wighs noch in friſchem Andenken

ſind.

1. Diſſertation ſur les Wighs et les Torys par M.

THOVRAS RAPIN, à la Haye 1717. 8.

2. Hi-

[183/0197]

Groß-Britannien.

3. Hiſtoire du Whigisme et du Torisme par M.

de CIZE, à Leipzig 1717. 8.

5. Verfaſſung der Reichsgeſchaͤfte.

§. 42.

Der oberſte Staatsrath, welcher die vor-

nehmſte Reichsgeſchaͤfte beſorget, heißt the King’s

Privy-Council, und beſteht aus geiſtlichen und

weltlichen Raͤthen, deren Haupt der geheime

Raths-Praͤſident iſt. Der Koͤnig ernennt alle Mit-

glieder deſſelben, und ereirt ſo viel Staatsraͤthe,

als ihm beliebet. Die 2. erſte Staats-Secre-

taͤre 1) der Suͤdlichen 2) der Nordlichen Affai-

ren expediren die auswaͤrtige Sachen jeder in

ſeinem Departement beſonders, die einheimiſchen

aber gemeinſchaftlich. Sie ſind zugleich Beyſi-

tzer des geheimen Raths, und Directores des

Signet-office und Paper-office, das iſt, des

Siegelamts und des Staats-Archivs.

a) Miege I. 1100.

§. 43.

Der Engellaͤnder liebt die Freyheit zu glau-

ben, was er will, und zu bekennen was er glau-

bet. Hieraus ſind, ſeit dem man ſich vom Pabſt-

thum losgeriſſen, die viele Religions-Spaltungen

erwachſen. Doch iſt gewiß, daß, gleichwie kein

Land mehr abentheuerliche Meinungen in geiſt-

lichen

M 4

[184/0198]

Groß-Britannien.

lichen Sachen ausgebruͤtet, als Engelland: alſo

auch keine Nation groͤſſere Verfechter der Chriſt-

lichen Religion erzeuget hat, als die Engliſche.

Unter denen 20. biß 30. Secten ſind die Jnde-

pendenten, Anabaptiſten und Qvaͤcker die nahm-

hafteſte. Nach vielen Unruhen hat endlich in

Engelland und Jrrland die Epiſcopal-Kirche, in

Schottland aber der Presbyterianismus die O-

berhand gewonnen Jrrland ſteckt noch voll

von Papiſten, welche man lieber entwafnen, als

ausrotten wollen.

1. Melange de Litterature et de philoſophie par

M. de VOL TAIRE, ch. 3. 9. tom. IV. de ſes

Oeuvres.

2. Benthems obangefuͤhrter Engellaͤndiſcher

Kirch- und Schulen Staat.

a) Hiſtorie der Religion und Reformation in En-

gelland, Benthem, Cap. VII.

b) Beyurſache der vielen Secten aus der Engli-

ſchen Art zu ſtudiren.

c) Anmerkungen von den heutigen Secten aus

Benthem, VOL TAIRE und LE BLANC.

d) Libri ſymbolici der Epiſcopalen, und ihre Streit-

puncte mit den Presbyterianern, Benthem, Cap.

VIII. und XXVI.

e) Die Epiſcopalen ruͤhmen ſich zweyer Merkmaale

der wahren Kirche eb daſ. Bl. 161.

§. 44.

Unter den 2. Engliſchen Erzbiſchoͤfen von

Canterbury und York ſtehen 25. Biſchoͤfe, wel-

che

[185/0199]

Groß-Britannien.

che (auſſer dem Biſchofe von der Jnſul Man)

alle Sitz und Stimme im Oberhauſe haben, und

auf Koͤnigliche Recommendation von ihren Ca-

piteln gewaͤhlet werden. Schottland iſt in 13.

Synodos Provinciales, dieſe in 68. Presbyte-

ratus, und dieſe in ihre Kirchſpiele eingetheilet.

Jn Jrrland zaͤhlet man 4. Erz- und 19. Biß-

thuͤmer.

a) Vorzuͤge des Erzbiſchofs von Canterbury.

b) Eintheilung der geiſtlichen Perſonen in Engel-

land, Benthem, Cap. XVIII.

c) Anſehen, Freyheit und Einkuͤnfte der Engliſchen

Cleriſey, eb. daſ. Cap. XXIII.

d) Der Koͤnig iſt das Oberhaupt der Kirche, und

genieſſet die Annaten, welche aber von der Koͤniginn

Anna auf des Biſchof Burnets Betrieb zu Verbeſſe-

rung der Pfarrer-Beſoldungen und andern milden

Sachen verſchenket worden.

e) Beſondere Art einer jaͤhrlichen Collecte zum

Unterhalt der Prediger-Wittwen.

§. 45.

Die Geſetze, wornach die Handlungen

der Unterthanen gerichtet werden, ſind 1) die

dahin einſchlagende Parlaments-Acten. (Sta-

tute-Law) Auf dieſe folgt das gemeine Recht,

(Commun-Law) welches eine Sammlung

alter Saͤchſiſchen und Normaͤnniſchen Gewohn-

heiten, und in alter Normaͤnniſcher Sprache

abgefaſſet iſt. Das Roͤmiſche Recht (Civil-

Law)

M 5

[186/0200]

Groß-Britannien.

Law) wird in Subſidium gebraucht, und iſt

ſonderlich bey den geiſtlichen und den Admirali-

taͤts-Gerichten in groſſem Anſehen. Auch das

Paͤbſtliche Recht (Canon-Law) iſt angenom-

men, ſo weit es weder der heiligen Schrift noch

der Koͤniglichen Hoheit zuwider iſt. Jn einzel-

nen Staͤdten gelten auch verſchiedene beſondere

Municipal-Geſetze. (Peculiar-Laws, By-

laws.)

a) Geſetze in Anſehung der Weiber, Kinder und

Schuldner. Von den letzten ſiehe Guide d’ Angl.

298.

b) Parlaments-Acte unter Jacobs I. Regierung:

wo kein Geſetz, da keine Uebertretung. Exempel in

der Affaire des Rußiſchen Ambaſſadeurs Matuoef.

c) Die Tortur iſt nicht gebraͤuchlich, das eigene

Geſtaͤndniß einer begangenen Uebelthat nicht noth-

wendig.

d) Drey Capital-Verbrechen, High Treaſon, Pet-

ty Treaſon und Felony, und ihre deſondere Stra-

fen.

e) Von dem Pilory, Cuking-ſtool und dem Pri-

vilegio clerici.

f) Siehe Miege, I. 793. und 1205. und Ben-

them, Bl. 748.

§. 46.

Die Gerichte muͤſſen in die weltliche und

geiſtliche eingetheilet werden. Die weltliche

Untergerichte werden in den Staͤdten von den

Alder-

[187/0201]

Groß-Britannien.

Aldermen und Mayors beſetzt, die auf den a-

delichen Doͤrfern nennt man Court-Barons o-

der Court-Leets, die in den Koͤniglichen Aem-

tern heiſſen County-Courts und Sherif-turns,

welchen die Sherifs vorgeſetzet ſind. Jn dieſen

Gerichten wird der Civil- und Criminal-Proceß

von den ordentlichen Richtern inſtruirt, die De-

ciſion aber von 12. geſchwornen Maͤnnern aus

der Nachbarſchaft (the Jury) gefaͤllet. Ueber-

dies ſind in den Staͤdten und Grafſchaften ge-

wiſſe Friedensrichter (Juſtices of the peace)

gegen die Stoͤhrer der oͤffentlichen Ruhe ange-

ordnet, welche die Conſtables und Coroners

zu ihren Dienſten haben. Die Landgerichte

werden in jeder Grafſchaft alle 3. Monathe von

den Friedensrichtern, nebſt 24. Geſchwornen

(the great Jury) gehalten, und heiſſen daher

die Qvartalgerichte. (Seſſions oder Quarter-

Seſſions) Ferner iſt ganz Engelland in 8. groſ-

ſe Creyſe eingetheilt. und in jedem Creyſe ſind

2. herumreiſende Oberrichter (Itinerant-Jud-

ges) beſtellt, welche jaͤhrlich durch alle Schi-

ren eine Reiſe (Circuit) thun, und in den

Hauptoͤrtern Gericht (Aſſiſes) halten. Von

dieſen Gerichten gehen die Appellationes an die

hohe Tribunaͤle in Weſtmuͤnſter, und zwar, 1)

wenn es bloße Privatſtreitigkeiten betrifft, an das

Gericht der gemeinen Proceſſe, (The Court

of common Pleas) 2) wenn es aber Landes-

herrliche Rechte angeht, an die Koͤnigliche

Bank. (the Court of King’s Bench) Ein

jedes

[188/0202]

Groß-Britannien.

jedes von beyden beſteht, auſſer einer Menge Un-

terbedienten, aus 4. Richtern. Der Praͤſident

des erſtern Gerichts heißt Lord Chief Juſtice

of the common Pleas, der Praͤſident des an-

dern Gerichts Lord Chief Juſtice of England.

Noch uͤber dieſe beyde behauptet den Rang 3)

das Canzeleygericht, (the high Court of

Chancery) welches nebſt den Gerichtsſachen

zugleich die Gnadenſachen expediret, und aus 12.

Beyſitzern (Maſters of Chancery) beſteht, de-

ren Oberhaupt der Lord Groß-Canzler iſt. Alle

3. Gerichte werden 4mal des Jahres, zuſammen

ungefehr 3. Monathe lang gehalten.

Die Archidiaconi, die Stiftscapitel und

die Biſchoͤfe haben ihre geiſtliche Gerichte, von

dieſen wird an die Erzbiſchoͤfliche, und von den

Erzbiſchoͤflichen an das Canzeleygericht appelliret.

Alsdenn ſetzt der Koͤnig eine Commißion, welche

the Court of Delegates genennt wird. Man

rechnet in Engelland alle Ehe- und Teſtaments-

Streitigkeiten zu den geiſtlichen Sachen. Die

geiſtliche Strafen ſind die oͤffentliche Kirchenbuſ-

ſe, der kleine und groſſe Kirchenbann und der

Kirchenfluch. (Anathematismus)

a) Etat de la Grande Bretagne, tom. II. chap.

XVII-XXI.

§. 47.

Die Proceſſe ſind auſſerordentlich haͤuflg

und koſtbar, London naͤhret allein uͤber 4000.

Sach-

[189/0203]

Groß-Britannien.

Sachwalter, und Engelland iſt das Paradieß

der Advocaten Ueberhaupt hat dieſes Reich

das Ungluͤck mit Teutſchland gemein, daß ſein

Juſtitzweſen wegen der vielerley Geſetze nicht feſt

genua zuſammen haͤngt, um gegen die Anfaͤlle

der Chicane bedeckt zu ſeyn.

a) Miege klagt daruͤber, und LE BLANC wirft

es den Engellaͤndern in ſehr bitteren Ausdruͤcken vor,

tom. II. lett. 37. p. 53.

§. 48.

Die ordentliche Kroneinkuͤnfte werden

1) aus den noch uͤbrigen wenigen Cammerguͤtern

und einigen nutzbaren Regalien, 2) aus der

Landtaxe, 3) aus den Zoͤllen, als Tonnage, Pon-

dage und andern groͤſſern Auflagen auf die

Steinkohlen, auf die Einfuhr der Weine, des

Salzes und andrer fremder Kaufmannswaaren,

4) aus der Exciſe oder Acciſe auf Malz, ge-

hopfet und ungehopfet Bier, Mum, Apfel- und

Birnentrank, 5) aus den Abgaben auf diejeni-

nige fremde Waaren, Weine, Liqueurs for-

tes et douces, ſo von den Kraͤmern, Hau-

ſierern und Schenkwirthen im kleinen verkaufet

werden, und endlich 6) aus dem Stempelpa-

pier gehoben. Die auſſerordentliche Auflagen

geſchehen groͤßtentheils durch Erhoͤhung der or-

dentlichen; doch werden auch neue Abgaben auf

Miethkutſchen und andere Wagen und Pfer-

de,

[190/0204]

Groß-Britannien.

de, auf die Anzahl der Fenſter u. ſ. w. ge-

legt.

a) Miege, I. 1076.

§. 49.

Von dieſen Auflagen iſt dem Koͤnige und

der Koͤniglichen Familie zu Unterhaltung ihres

Hofſtaats eine gewiſſe Summe feſtgeſetzt, wel-

che in neuern Zeiten oͤfters vermehrt worden.

Die uͤbrige Gelder ſind zum Dienſt der Krone

ſonderlich der Land- und Seemacht gewidmet, und

heiſſen deßwegen die Subſidien-Gelder. Sie

werden jaͤhrlich von dem Parlament verwilligt,

und ſind in dem jetztgeendigten Kriege uͤber 10.

Millionen Pf. Sterl. hinangeſtiegen.

a) Schottland bezahlet groͤßtentheils einerley Zoͤlle

und Aeciſe mit Engelland; aber, wenn Engelland die

Landtaxe von 1. 997. 763. Pfund, 8 Sch. 4. und einen

halben Pf. verwilliget: ſo zahlet Schottlaod nur 48.

000. Pfund Sterl Kraft des Unionstractats, Art.

9. Ueberhaupt betragen die Schottiſche Revenuͤen

ordentlich 160. 000. Pfund Sterl. Etat de la grande

Bret. tom. II. p. 345.

b) Die Subſidien von 1748. die groͤßte, ſo jemals

verwilliget worden, ſiehe im Merc. hiſt. et pol. tom.

CXXIV. Juin, p. 700.

§. 50.

Die Zolleinnahme wird durch mehr als 600.

Per-

[191/0205]

Groß-Britannien.

Perſonen beſorgt, die von 7. Commiſſarien de-

pendiren, welche im Zollhauſe (Coſtum-houſe)

zu London ihren Sitz haben. Die Acciſe wird

gleichfalls von verſchiedenen Commiſſarien, Col-

lectors u. ſ. w. zuſammen von mehr als 2000.

Officianten gehoben. Auf eben dieſe Art iſt es auch

mit der Einnahme der groͤſſern und uͤbrigen Ab-

gaben beſchaffen. Dieſe Bedienungen werden

durchgaͤngig ſehr reichlich beſoldet. Alle Kron-

einkuͤnfte werden in die Koͤnigliche Schatzkam-

mer (Exchequer) geliefert, welche nunmehr

an ſtatt des Lords Groß-Schatzmeiſters durch

verſchiedene Commiſſarien und durch den Canz-

ler vom Exchequer verwalter wird. Nirgends

in der Welt koſtet die Schatzkammer weniger zu

unterhalten, und iſt dem Unterſchleif ſo trefflich

vorgebeuget als hier. Der Koͤnig diſponirt uͤber

alle Kroneinkuͤnfte. Die Subſidien werden da-

zu verwandt, wozu ſie verwilliget worden. Das

Parlament fordert bißweilen Rechnung von den

Koͤniglichen Financiers.

a) Von der Acciſe Guid. d’ Angl. p. 212.

b) Von dem alten libro cenſuali, Rotulus Win-

toniae, oder the Black Book of the Exchequer ge-

nannt.

c) Von der beſondern Art, die Schatzbediente zu

bezahlen, und dem curieuſen Kerbholze ſtatt der Qvit-

tungen. Miege I. 1093.

§. 51.

[192/0206]

Groß-Britannien.

§. 51.

Die ſchweere Kriege zur Aufrechthaltung

des Gleichgewichts in Europa haben oͤfters groͤſ-

ſere Summen gekoſtet, als das Land jaͤhrlich

aufbringen koͤnnen. Daher hat man oft ei-

nen groſſen Theil der Verwilligungen auf Jnter-

eſſe nehmen muͤſſen, und noch neulich 6. Millio-

nen in einem Jahr geborget, wodurch die Schul-

den der Krone faſt auf 80. Millionen Pfund

Sterl. gewachſen, und die Nation nunmehr

bloß an Jntereſſen weit mehr bezahlen muß; als

ſonſt ihre ganze Subſidien ſelbſt im Kriege be-

trugen.

a) Siehe den Merc. hiſt. et pol. an verſchiedenen

Orten.

§. 52.

Als Eliſabeth ihr Volk zaͤhlte, und die buͤr-

gerliche Kriege Groß-Britannien wider ſich ſelbſt

wafneten; zeigte ſich die Macht dieſes Reichs

in ihrer wahren Groͤſſe. Der Engellaͤnder dient

gleich gut zu Pferde und zu Fuß, doch will er

wohl bezahlt, wohl genaͤhrt und nicht lange auf-

gehalten ſeyn. Jm Frieden werden, auſſer den

Kriegsvoͤlkern der Engliſchen Colonien, uͤber 40.

000. Mann regulaͤrer Truppen auf den Beinen

gehalten. Jm Kriege pflegt die Vermehrung

auf 20. biß 40. 000. Mann National-Voͤlker

zu

[193/0207]

Groß-Britannien.

zu geſchehen. Hergegen werden an auslaͤndi-

ſchen Truppen oͤfters 50. 60. und mehr tauſend

Mann in Sold genommen, ja die Macht gan-

zer Nationen mit Subſidiengeldern wider den

Feind ausgeruͤſtet. Die Engliſche Grafſchaf-

ten halten uͤberdem auf 200.000. Mann Land-

militz (Traine-Bands) zu Roß und zu Fuß,

welche von den Lords-Lieutenants commandi-

ret werden.

a) Von den koͤniglichen Garden, 1) den Gentle-

men Penſioners, 2) den Yeomen, 3) Gardes à che-

val, 4) Gardes à Pié. Etat de la Gr. Bret. II. 117.

b) Das vornehmſte Zeughaus iſt im Towr zu

London.

c) Von den Traine-bands und uͤberhaupt von

dem Kriegsweſen in Engelland Miege, I. 992.

d) Von dem Kriegs-Hoſpital zu Chelſey.

§. 53.

Engelland hat ſchon in den mittlern Zeiten

Schiffsflotten unterhalten. Eliſabeth vergroͤſ-

ſerte die Seemacht zu ihrer Sicherheit, Crom-

well zum Schrecken ſeiner Nachbaren. Seit

ihm uͤberwiegt Groß-Britannien auf der See

alle Reiche der Welt, und kann im Fall der

Noth mit mehr als 200. Kriegsſchiffen und

60. biß 70. 000. Matroſen ſeinen Feinden

Trotz bieten. Die Flotte iſt in 3 Eſcadern

von

N

[194/0208]

Groß-Britannien.

von der rothen, weiſſen und blauen Flagge ein-

getheilt. Eine jede Eſcadre hat ihre drey Flag-

gen-Officiers, den Admiral, Vice-Admiral

und Rear- oder Contre-Admiral, welchen der

Lord-Groß-Admiral oder an ſeiner Statt die

Lords Commiſſarien der Admiralitaͤt vorgeſetzet

ſind, von denen auch the Court of the Ad-

mirality oder das Admiralitaͤts-Gericht und

the Navy-Office oder das Schiffamt nebſt ei-

ner groſſen Anzahl Seebedienten dependiret.

Nirgends werden die Matroſen ſo gut und in

ſolcher Menge gezogen, ſo reichlich beſoldet, und

die Ausgediente ſo mildthaͤtig verſorget; nir-

gends die Schiffe ſo kunſtmaͤßig gebauet, noch

die Schiffsmaterialien in ſolchem Ueberfluſſe

herbeygeſchaffet, als in dieſem Neptuniſchen

Reiche.

a) Erweiß, daß Groß-Britannien niemals ſo

fuͤrchterlich zur See geweſen, als unter dem glorwuͤr-

digſten Chur-Braunſchweig-Luͤneburgiſchem Stam-

me. Jm Jahr 1748. rechnete man, daß die koͤnigli-

che Flotte 322. Seegel ſtarck ſey, 12. 270. Canonen

fuͤhre, und, wenn alle Schiffe in Commißion ſoll-

ten gegeben werden, 83. 400. Seeleute erfordere The

Preceptor, Vol. II. p. 457.

b) Bau- und Unterhaltungs-Koſten eines Kriegs-

ſchiffes vom erſten Range.

c) Hohe Rechte eines Lord Groß-Admirals.

d) Ge-

[195/0209]

Groß-Britannien.

d) Geſetze des Admiralitaͤts-Gerichts.

e) Das Seehoſpital zu Greenwich iſt das praͤchtig-

ſte Gebaͤude in Engelland.

f) Schiffswerfte und Magazine der Kriegsflotte

zu Chattam, Depford, Woolwich, Scherneß, Ports-

mouth, Plymouth und Harwich.

6. Staatsintereſſe.

§. 54.

Seitdem die Kirchenſtreitigkeiten zwiſchen

den Epiſcopalen und Presbyterianern geſtillet,

die Partheylichkeit der Whigs und Torys ge-

daͤmpfet, und die Jacobiten entwaffnet worden,

und ſeitdem die großmuͤthige Staatsklugheit des

Hofes theils durch Maͤßigung ſich die Herzen der

Nation erworben, theils durch unermuͤdete Sorg-

falt die Manufacturen, die Commercien und

die Macht des Reichs in die Hoͤhe gebracht: ſo

kann es nicht fehlen, daß, da Groß-Britannien

von Natur vor auswaͤrtigen Anfaͤllen geſichert,

und ſeine Regierungsform unter allen Europaͤi-

ſchen die vollkommenſte iſt; dieſes Reich bey

fortdauernder Beobachtung der bißher befolgten

Maximen nicht der ſpaͤteſten Nachwelt eben ſo-

wohl, als unſern Zeiten ein Muſter eines gluͤck-

ſeeligen Staats ſeyn ſollte.

a)

N 2

[196/0210]

Groß-Britannien.

a) Von dem Praͤtendenten.

b) Anmerkungen aus den Interets de la Grande

Bretagne des ROUSSET und den Lettres des

LE BLANC.

c) Projecte wegen Verbeſſerung des Juſtitzweſens,

und wegen Tilgung der National Schulden.

d) Anſtalten wegen der Catholicken in Jrrland, der

Jacobiten in Schottland, und der Sicherheit der

Schottiſchen Kuͤſten.

Das

[197/0211]

(o)

Das V. Hauptſtuͤck.

Staat

der

Vereinigten Nieder-

lande.

Schriftſteller:

1. JOANNIS de LAET Reſpublica Belgii foe-

derati, Lugd. Batav. 1630. 24.

2. Relationi del Cardinale BENTIVOGLIO, in

Venetia 1636. 4.

3. Commentariolus de ſtatu Confoederatarum Pro-

vinciarum Belgii, (MARCI ZUERII BOXHOR-

NII) ed. V. Hag. Comit. 1659. 12.

4. MARTINI SCHOOCKII Belgium foedera-

tum, ed. II. Amſtelaed. 1665. 12.

5. Auguſt Friedrich Bonens der vereinigten

Niederlande Staat, Jena 1671. 12.

6. Remarques ſur l’ état des Provinces unies des

Pais-bas par Mr. le Chevalier TEMPLE, à la Haye

1697. 12.

7. De-

N 3

[198/0212]

Vereinigte Niederlande.

7. Deſcription hiſtorique du gouvernement des

Provinces Unies par M. BASNAGE, ſteht vor ſei-

nem I. tom. des annales des Provinces Unies, à la

Haye 1719. f.

8. Etat preſent des Provinces Unies par FRAN-

ÇOIS MICHEL JANIÇON, II. Tomes,

3. edition, à la Haye 1741. 12. mai.

9. Le Hollandois, ou Lettres ſur la Hollande

par Mr. A. de la BARRE DE BEAUMARCHAIS,

à Francfort 1738. 8. mai.

10. The preſent ſtate of Holland, or a deſcri-

ption of the United Provinces, London 1745. 8.

1. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Die Herzoge von Burgund juͤngerer Linie

bringen durch Erbrecht und Vertraͤge ei-

ne Niederlaͤndiſche Provinz nach der andern

ſeit 1369. an ſich. Carl der Kuͤhne beſitzt ſchon

14. Provinzen, und ſein Urenkel, Kayſer Carl

V. alle 17. zuſammen.

§. 2.

Das weltliche und geiſtliche Joch der

Spanier noͤthiget die Niederlaͤnder zu einem

Aufſtande 1568, und zur Utrechtiſchen Union,

1579. Die 7. vereinigte Provinzen machen ſich

durch die Klugheit und Tapferkeit ihrer Statt-

halter aus dem Hauſe Oranien und durch ih-

ren

[199/0213]

Vereinigte Niederlande.

ren Seehandel unuͤberwindlich. Sie vertheidi-

gen ſich gegen Philipps II. Gewalt, zwingen

Philipp III. einen zwoͤlfjaͤhrigen Waffenſtill-

ſtand, und endlich Philipp IV. 1648. die Sou-

verainetaͤt ab, nachdem ſie den Oſt-Jndiſchen

Handel an ſich gezogen, und maͤchtige Laͤnder

auſſer Europa erworben.

§. 3.

Sie vermehren die Eroberungen in Oſt-

Jndien, und ihre Macht und ihr Anſehen wird

groß. Allein die uͤbertriebene Eiferſucht gegen

Oranien ſchwaͤchet, und der Franzoͤſiſche Ueber-

fall 1672. erſchuͤttert die Republick. Doch ſie

hilft ſich durch Erneuerung der Statthalterſchaft,

wehret ſich in drey ſchweren Kriege gegen Frank-

reichs Uebermacht, und da Ludwig XV. ſie end-

lich im Frieden zu verſchlingen ſucht; ſo rettet

ſie ſich 1747. zum andern mal durch die ihr abge-

drungene Ernennung eines neuen Erbſtatthal-

ters.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 4.

Die Republic der vereinigten Niederlan-

de hat Teutſchland, die Oeſterreichiſche Nieder-

lande und die Nordſee zu ihren Grenzen. Jh-

re Groͤſſe erſtreckt ſich kaum auf 30. Meilen in

die

N 4

[200/0214]

Vereinigte Niederlande.

die Laͤnge und 20. in die Breite. Das Clima iſt

feucht und kalt, und die Lage zum Theil ſo nie-

drig, daß ſie ſich durch koſtbare Daͤmme gegen

Ueberſchwemmungen verwahren muß.

a) Von dieſen Daͤmmen ſiehe Preſent ſtate of

Holland, p. 284. und 347. und JANIÇON, I. 8.

b) Was die Seewuͤrmer 1732. in Anſehung der

Daͤmme vor Schrecken verurſachet.

§. 5.

Die Hauptſtroͤme ſind der Rhein und die

Maaß, der erſtere zertheilet ſich in 5. theils na-

tuͤrliche, theils durch Kunſt bereitete Arme.

Das Land hat wenig Qvellen, hergegen iſt ſon-

derlich der Hollaͤndiſche Boden uͤberfluͤßig feucht,

oder deutlicher zu ſagen, moraſtig, und hat deß-

wegen mit vielen Canaͤlen und unzaͤhligen Graͤ-

ben durchſchnitten werden muͤſſen.

a) Mit was fuͤr Muͤhe man die viele ſtehende Seen

und Suͤmpfe ausgetrocknet.

b) Vortheile der Canaͤle, deren man ſich ſtatt der

Landſtraſſen bedienet.

§. 6.

Wieſewachs, Fiſchereyen und Torf ſind

der einzige Ueberfluß des Landes. Das weni-

ge Getreyde ernaͤhret kaum den hunderſten Theil

der Einwohner. Es muͤſſen alſo faſt alle Noth-

duͤrftigkeiten des menſchlichen Lebens auswaͤrts

hergehohlet werden.

a) Hol-

[201/0215]

Vereinigte Niederlande.

a) Holland hat kaum 400. 000. Morgen Acker-

land. Von den natuͤrlichen Vortheilen und Maͤngeln

dieſer Provinz handelt beſonders De WITT in der

Anweiſung der politiſchen Gruͤnde und Maxi-

men der Republicken Holland und Weſtfries-

land, Cap. III. und IV.

§. 7.

Die 7. Provinzen, woraus dieſe verei-

nigte Republick beſtehet, ſind Geldern, Holland,

Seeland, Utrecht, Frießland, Ober-Yſſel

und Groͤningen. Diejenige Stuͤcke von dem

Oeſterreichiſchen Flandern, Brabant und Lim-

burg, welche ehedem von den Spaniern erobert

worden, und das Theil des Ober-Qvartiers

von Geldern, welches Kayſer Carl VI. 1715.

abgetreten, muͤſſen als ein der ganzen Republick

unterworfenes Land angeſehen werden, und heiſ-

ſen deßwegen les Pays de la Generalité.

a) Von der Eintheilung der Republic Holland

in Holland und Weſt-Friesland.

b) Von der Grafſchaft Zuͤtphen.

c) Von dem ſouverainen Laͤndchen Drenthe.

§. 8.

Kein Land in der Welt iſt mit ſo wunders-

wuͤrdigem Fleiſſe angebauet, und mit einer ſol-

chen Menge praͤchtiger Staͤdte, anſehnlicher

Flecken, Doͤrfer, Landhaͤuſer und Gaͤrten in

einem ſo engen Bezirk geſchmuͤcket, als Holland:

doch

N 5

[202/0216]

Vereinigte Niederlande.

doch ſind Amſterdam, als die Hauptſtadt, und

Haag, als die Reſidenz der Republick, unſtrei-

tig die beyde groſſe Lichter an dieſem Staats-

himmel.

a) Tulipomanie in Holland im vorigen Jahrhun-

dert von 1634-1637.

b) Von Haag Preſent ſtate of Holland chap. I.

von Amſterdam, eb. daſ. ch. VIII. p. 359.

1. Beſchryving van’s Graven-,hage door JA-

COB de RIEMER III. Deele, Delft 1730. fol.

§. 9.

Seehaͤfen hat die Republick zur Gnuͤge.

Es gehoͤren dahin Amſterdam, Rotterdam,

Dortrecht, Briel, Helvoetſchluys, Horn, Enck-

huyſen, Medenblick, Rameckens, Vließingen,

Ter-Veere, Blockzyl, Delfzyl, Dockum,

Harlingen und andere mehr: aber ſie haben faſt

den allgemeinen Fehler, daß ſie unbequem und

gefaͤhrlich ſind.

§. 10.

Die vereinigte Niederlande haben den klei-

nen Umfang ihrer Grenzen durch eine groſſe An-

zahl Feſtungen verwahrt. Man trifft ſolche

nicht nur in den 7. Provinzen haͤufig an, wo-

hin Middelburg, Utrecht, Nimwegen, Schen-

ckenſchanz, Arnheim, Zytphen, Groll, De-

venter, Zwoll, Coevorden, Groͤningen und

Leu-

[203/0217]

Vereinigte Niederlande.

Leuwarden zu rechnen ſind; ſondern faſt alle Ge-

neralitaͤtsplaͤtze ſind zugleich Fortereſſen, als

Sluys, Sas von Gent, Hulſt, Venlo, St.

Stevenswerd, Bergen op Zoom, Breda, Her-

zogenbuſch, Grave und Maſtricht: ja die Re-

public hat ſich auch zu mehrerer Sicherheit in

den Oeſterreichiſchen Feſtungen: Namur, Dor-

nick, Menin, Furnes, Warneton, Ypern,

Knocke, Dendermonde und Ruͤremonde das

Beſatzungsrecht verſchaffet.

a) Die Bedingungen dieſes Beſatzungsrechtes ſie-

he in dem Barriere-Tractat von 1715. in Hrn.

H Schmauſſens Corp. J. G. Acad. tom. II. p. 1593.

b) Ein gleiches Recht ſtand der Republick ehemals

in einigen Cleviſchen Plaͤtzen und in Emden zu. Wie

ſie darum gebracht worden.

§. 11.

Die vereinigte Niederlaͤnder wurden von

ihrem Urſprunge an genoͤthiget, ihre Erhaltung

auf dem Waſſer zu ſuchen: daher bemuͤheten

ſie ſich, ihre Herrſchaft auſſerhalb Europa aus-

zubreiten. Weil aber die Portugieſen und

Spanier die vortheilhafteſte Gegenden ſchon vor

laͤngſt beſetzt hielten: ſo muſten ſie alles mit

Blut erfechten. Doch haben ſie von ihren ſchoͤ-

nen Eroberungen in America anjetzt nichts wei-

ter als Suriname und ein Paar Jnſuln, Curaſ-

ſoa und St. Euſtachii uͤbrig.

a) Jhr

[204/0218]

Vereinigte Niederlande.

a) Jhr vergebliches Unternehmen, einen Weg durch

Norden nach Oſt-Jndien zu finden.

b) Wer ihnen die Straſſe uͤber Africa gewieſen.

c) Wie ſie Braſilien eingenommen und wieder ein-

gebuͤſſet

d) Sie ziehen aus ihren Americaniſchen Colonien

ſonderlich Zucker, Caffee, Taback, Jndigo.

e) Die Surinamiſche Plantagen gehen nicht uͤ-

ber 30. Meilen tief ins Land. Die Caffee-Planta-

gen daſelbſt ſind ſeit kurzem um den dritten Theil ge-

fallen. Der Zucker wird um 10. Pro-Cent beſſer

gehalten, als der aus Barbados. Siehe JANIÇON,

I. ch. XIV.

§. 12.

Jn Africa gehoͤren ihnen auf der Kuͤſte von

Guinea die Feſtungen St. George Della

Mina und Naſſau, nebſt verſchiedenen Forts

und dem Schluͤſſel von Oſt-Jndien, dem Vor-

gebuͤrge der guten Hofnung.

1. Peter Kolbens Beſchreibung des Vorgebuͤr-

ges der guten Hofnung, Nuͤrnberg 1719. fol.

Ein Auszug davon iſt Deſcription du Cap de

Bonne-Eſperance par PIERRE KOLBE, III. To-

mes, à Amſterdam 1741. 8.

§. 13.

Aber in Oſt-Jndien haben ſie allein mehr

Land inne, als alle andre Europaͤiſche Seemaͤch-

te zuſammen genommen. Sie beherrſchen die

unvergleichliche Jnſul Java, ſie haben uͤber 9.

Koͤni-

[205/0219]

Vereinigte Niederlande.

Koͤnige auf der Malabariſchen Kuͤſte, und uͤber

die Koͤnige auf der Jnſul Ceylon und Suma-

tra zu gebieten. Sie ſitzen in der Halbinſul

Malacca, in Borneo, Celebes und in den Mo-

lucciſchen Jnſuln, beſonders in Ternate Amboi-

na und Banda feſte.

a) Batavia in Java iſt der Sammelplatz der Hol-

laͤndiſchen Macht und Reichthuͤmer.

b) Malabar liefert den Pfeffer.

c) Ceylon giebt ihnen das Monopolium mit Zim-

met.

d) Durch Malacca ſind ſie Herren von der vor-

nehmſten Meerenge in ganz Oſt-Jndien.

e) Von den Feſtungen Colombo, Gallo, Macaſſar

und dem Cap Comorin.

f) Die gluͤckſeelige Molucciſche Jnſuln machen den

Hollaͤnder zum Eigenthumsherren von den Muſcaten-

nuͤſſen und Negelein. Siehe uͤberhaupt JANIÇON,

tom. I. ch. XII.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 14.

Das Land wimmelt von Einwohnern, man

rechnet allein in Holland auf 2 Millionen und

400. 000. Seelen. Die Liebe zur Freyheit,

und die bequeme Art, ihr Brod zu erwerben

hat eine erſtaunende Anzahl von Fremden her-

eingezogen. Die Landesſprache erinnert die

vereinigte

[206/0220]

Vereinigte Niederlande.

vereinigte Niederlaͤnder, daß ſie Teutſcher Ab-

kunft ſind. Doch hat die Franzoͤſiſche ſchon ganz

Holland uͤberſchwemmet, und koͤnnen ſich kaum

die Gerichte genug dagegen verdaͤmmen.

a) Die Anzahl der Einwohner beſtimmet De WITT

in der Anweiſung der politiſchen Gruͤnde, Capit.

IX. Siehe auch the preſent ſtate of Holland, p. 362.

§. 15.

Das melancholiſche Temperament des

Hollaͤnders wird durch ein ſtarkes Phlegma tem-

perirt. Er denkt gruͤndlich und nichts deſto we-

niger witzig. Er iſt von ſtillem Weſen, gutthaͤ-

tig, ohne Falſch, ohne Uebereilung, ohne hitzi-

ge Affecten. Die Hoflebensart iſt ihm unbe-

kannt und mißfaͤllig. Das Frauenzimmer iſt

das reinlichſte in der Welt, der Poͤbel iſt geneigt,

ſeine Freyheit zu mißbrauchen, und ſolche biß zur

Unbaͤndigkeit zu treiben.

a) DE LA BARRE in ſeinem Hollandois, II.

Part. Lett. 24, 25, von dem Character des Hollaͤnders.

b) Von ihrer Reinlichkeit, eb. daſ. lett. 26.

c) Von ihrer Lebensart, lett. 27.

d) Von ihren Schauſpielen und andern Luſtbarkei-

ten, lett. 32. 33. 34.

§. 16.

Die Wiſſenſchaften und freye Kuͤnſte

haben an der Republick der vereinigten Nieder-

lande

[207/0221]

Vereinigte Niederlande.

lande jederzeit eine liebreiche Pflegemutter gefun-

den, wovon 5. Academien, Leiden, Franecker,

Groͤningen, Utrecht und Harderwick und ver-

ſchiedene reiche Schulen zeugen koͤnnen. Da-

her es auch dieſem Freyſtaate niemals an groſ-

ſen ſowohl einheimiſchen; als auslaͤndiſchen Ge-

lehrten gefehlet hat. Viele ſeiner Buͤrger, die

von Profeßion keine Gelehrte ſind, beſchaͤftigen

ſich mit den Wiſſenſchaften. Unter den freyen

Kuͤnſten bluͤht hier ſonderlich die Malerey und

das Kupferſtechen.

1. Heinrich Ludolph Benthems Hollaͤndiſcher

Kirchen- und Schulenſtaat, 2. Theile, Frankfurt

und Leipzig 1698 8. ſonderlich Theil 2. Cap. 1. und 4.

a) Es handelt hievon kurz DE LA BARRE part.

II. lett. 28-31. weitlaͤuftiger aber der Verfaſſer das

Preſent ſtate of Holland an verſchiedenen Orten.

§. 17.

Die Hollaͤnder weichen keiner Nation in

der Arbeitſamkeit, uͤbertreffen aber alle andere

in der Sparſamkeit, und dieſes Kunſtſtuͤck ver-

doppelt ihren Gewinn. Die Fiſchereyen ſind nebſt

der Viehzucht das aͤlteſte Nahrungsmittel der ver-

einigten Niederlaͤnder geweſen. Noch jetzt iſt ihr

Wallfiſchfang eintraͤglich, ihr Heringsfang a-

ber unſchaͤtzbar. Nach und nach vermehrten ſie

auch ihre Manufacturen, welche biß auf den

heutigen Tag vortrefflich bluͤhen, und hat Hol-

land den ihm eigenen Ruhm, daß nirgends ſo

wenig

[208/0222]

Vereinigte Niederlande.

wenig Materialien gezeuget, und doch zugleich

ſo viele Manufacturen verfertiget worden, als

daſelbſt.

1. Memoires ſur le Commerce des Hollandois,

(par M. de HUET) à Amſterdam, 1717. gr. 12.

Siehe auch DE LA BARRE, part II. lett. 12.

a) Von der kleinen und groſſen Fiſcherey, oder

dem Wallfiſch- und Heringsfange. Anweiſung

der Polit. Gruͤnde, Cap. VI. Bl 22. und gedachte

Memoires, ch. III. p. 25. wie auch JANIÇON,

tom. I. ch. XV. und XVI.

b) Wollfabricken, ſonderlich zu Leyden.

c) Seydenfabricken, ſonderlich zu Harlem.

d) Leinwebereyen in Groͤningen, Frießland und O-

ber-Yſſel auch zu Dordrecht, und Bleichen zu Harlem.

e) Delffter Geſchirr.

f) Sardamer Schiffbau.

g) Jhre Papiermuͤhlen hauptſaͤchlich in Geldern,

und Buchhandel. DE LA BARRE part. II. lett. 16.

§. 18.

Der Handel der vereinigten Niederlaͤnder

gehet durch die ganze Welt. Jn Europa be-

ſuchen ſie 1) alle Kuͤſten der Oſtſee und des gan-

zen Nordens von Archangel an die Norwegiſche,

Daͤniſche, Schwediſche, Rußiſche, Curlaͤndi-

ſche, Preußiſche und Teutſche Kuͤſten biß Luͤbeck,

und zwar haͤufiger als keine andere Seenation.

2) Handeln ſie vermittelſt der Elbe, Weſer,

und

[209/0223]

Vereinigte Niederlande.

und des Rheins uͤber Hamburg, Bremen, Frank-

furt und Leipzig durch das ganze uͤbrige Teutſch-

land biß in Oeſterreich und in die Schweitz, 3)

nach den Catholiſchen Niederlanden, 4) nach

den Groß-Britanniſchen Jnſuln, 5) nach Frank-

reich, Spanien und Portugal, 6) nach allen

Jtalieniſchen Hoͤfen.

a) Man rechnet, daß jaͤhrlich 1000 biß 1200. Hol-

laͤndiſche Schiffe bloß in die Oſtſee ſeegeln.

b) Von den beſonderen Theilen des Hollaͤndiſchen

Handels in Europa handelt ausfuͤhrlich HUET,

chap. V-XII. und JANIÇON, tom. I. ch. 18-24.

§. 19.

Auſſer Europa ſchiffen ſie 1) nach der gan-

zen Levante, ſonderlich nach Smyrna, 2) nach

den Africaniſchen Kuͤſten von der Côte d’or an

biß in das Caffernland, 3) nach America, 4)

hauptſaͤchlich aber durch ganz Oſt-Jndien, wo

ſie auſſer ihrem maͤchtigen Eigenthum verſchiede-

ne herrliche Comptoirs in Mocca, Gameron,

Jspahan, Suratta, in Bengala, Pegu, Si-

am, Japan, China, Tonqvin, Sumatra und

Borneo haben.

a) Was ſie nach der Levante, oder nach dem Tuͤr-

ckiſchen Reiche (Griechenland mit begriffen) hinfuͤh-

ren, und daraus zuruͤck bringen.

b) Warum ſie in der Levante mehr als andere Na-

tionen gewinnen, POULLET, Relations nouvelles du

Levant, tom. II. p. 27. & 29.

c)

O

[210/0224]

Vereinigte Niederlande.

c) Die Hollaͤnder bringen die Oſt-Jndiſche Gewuͤr-

ze biß in Egypten: ein wunderbarer Wechſel des Han-

dels, HUET, p. 134.

d) Jn America machen ſie unter den fuͤnf groſſen

Seenationen die kleineſte Figur.

e) Der Oſt Jndiſche Handel der Hollaͤnder brei-

tet ſich in 2. maͤchtige Aeſte aus, der erſte iſt der Han-

del aus einer Oſt-Jndiſchen Provinz in die andere,

der zweyte iſt der Handel zwiſchen Oſt-Jndien und

Europa.

f) Vier Hauptelaſſen der Oſt-Jndiſchen Waaren,

ſo nach Europa geſchiffet werden, JANIÇON, I. 383.

g) Einen glaubwuͤrdigen Bericht des General Buch-

halters in Batavia Daniel Braems an die General

Staaten von dem Zuſtande des Hollaͤndiſchen Handels

in Oſt-Jndien im J, 1686. giebt HUET als einen

Anhang zu ſeinen Memoires ſur le Commerce des

Hollandois.

§. 20.

Amſterdam iſt der Hauptſitz, und die un-

vergleichliche Banco daſelbſt eine Grundſaͤule

des Hollaͤndiſchen Commercienweſens. Es wird

ſolches auch durch die ruͤhmliche Sorgſalt der

Republick, und durch die verſchiedene Handels-

geſellſchaften, als die Weſt-Jndiſche, die von

Suriname, die Nordiſche; ſonderlich aber durch

die Oſt-Jndiſche Compagnie befeſtiget, welche

ſowohl wegen ihrer Vorrechte, als wegen ihrer

Macht noch zur Zeit die Koͤniginn aller Hand-

lungsgeſellſchafften in der Welt zu nennen iſt.

a)

[211/0225]

Vereinigte Niederlande.

a) Daß kein Ort zur Handlung ſo wohl gelegen

als Amſterdam, will DE WITT beweiſen, Cap.

XIII. und der Ve faſſer des Preſent State of Holland

geſteht hierinnen Amſter am den Vorzug vor London

zu, Chap. VIII.

b) Von der Banco, Preſent State of Holland, p.

365. Eſſai ſur le commerce, p. 237. RICAUT, ne-

goce d’ Amſterdam, p. 571.

c) La Chambre de Direction pour le Commerce

du Levant als ein Exempel der Aufmerckſamkeit der

General Staaten in Beſeſtigung des Handels, JA-

NIÇON, I. ch. XVII.

d) Von den Handlungs-Geſellſchaften JANIÇON,

I. ch. 13. 14. 15.

e) Von der Oſt Jndiſchen Compagnie Urſprun-

ge und Fond 1602, ihrer Octroy, ihren 6. Kammern,

61. Bewindhebbern, dey Verſammlung der Siebenzeh-

ner und Zehner, dem General Statthalter in Oſt-Jn-

dien, und den 7. Unterſtatthaltern, den hohen und faſt

ſouverginen Rechten der Compagnie in Oſt-Jndien,

ihrer Land- und Seemacht, BASNAGE in ſeiner

Deſcription du Gouvernement des P. U. chap. 37.

JANIÇON, I. ch. XII.

f) Den jaͤhrlichen Gewinn der Oſt Jndiſchen Com-

pagnie nach Abzug aller Koſten rechnet HUET auf

3. 000. 000 Ducaten, p. 222.

g) Vergleich der Engliſchen Oſt-Jndiſchen Com-

pagnie mit der Hollaͤndiſchen Preſent State of Holland,

p. 373. wie auch der Hollaͤndiſchen mit der Franzoͤ-

ſiſchen.

§. 21.

Man rechnet in den vereinigten Niederlan-

den

O 2

[212/0226]

Vereinigte Niederlande.

den nach Gulden und Stuͤber. 20. Stuͤber ma-

chen 1. Gulden. 1. Stuͤber hat 2 Groot, 1.

Groot 4. Deut oder 8. Pf. Jhre Goldmuͤnze

ſind die Ducaten, deren 1. betraͤgt 5. Hollaͤndi-

ſche Gulden. Kein Reich in Europa ſchlaͤgt ſo viel

Goldmuͤnzen, als die Hollaͤnder.

4. Staatsrecht.

§. 22.

Die Utrechtiſche Union, geſchloſſen 1579.

den 29. Jenner iſt das Haupt-Grundgeſetz, wor-

auf die ganze Verbindung der 7. vereinigten

Provinzen beruhet, ungeachtet einige Artickel

durch neue Vortraͤge abgeaͤndert worden.

a) Dieſe Verein iſt in Hrn. H. Schmauſſens Corp.

J. Gent. p. 391. befindlich.

§. 23.

Die Deputirte der 7. vereinigten Provin-

zen, in ſo fern ſie zuſammen genommen die gan-

ze Republick vorſtellen, werden titulirt: die

Hochmoͤgende Herren General Staaten; in ſo

fern ſie aber eine einzelne Provinz beſonders vor-

ſtellen, haben ſie verſchiedene Titulaturen. Auf

eben die Art ſind auch die Wappen der einzel-

nen Provinzen von dem gemeinſamen Wappen

der ganzen Republick wohl zu unterſcheiden.

Letzteres beſteht in einem guͤldenen gekroͤnten Loͤ-

wen,

[213/0227]

Vereinigte Niederlande.

wen, welcher in der rechten Vorder-Pranke ein

Schwerdt, in der linken aber 7. zuſammen ge-

bundene Pfeile haͤlt.

a) Von der Titulatur JANIÇON, I. 76.

b) Von der Titulatur der einzelnen Provinzen BAS-

NAGE, chap. XVI, §. 9. p. 37.

c) Von dem Wappen eb. daſ. 74.

d) Warum der Loͤwe jetzt eine Krone, ſonſt aber

einen Huth gefuͤhret.

§. 24.

Die Republick der vereinigten Niederlan-

de iſt ein Jnbegriff von ungefehr 50. kleinen

Staaten, welche in 7. beſonderen Republicken

zuſammen haͤngen, deren allgemeine Verbin-

dung ſich faſt nicht weiter, als auf ihre gemein-

ſchaftliche Vertheidigung erſtrecket.

a) Auszug aus der Utrechtiſchen Union.

b) Dieſe Anzahl von 50. Staaten ſetzet JANIÇON

in der Vorrede.

c) Die beſondere Regierungsform der einzelnen

Provinzen giebt weitlaͤuftig BASNAGE, Ch. 16-34.

§. 25.

Zu Beſorgung der gemeinſamen Staats-

ſachen, iſt eine beſtaͤndige Verſammlung der

Deputirten aller 7. Provinzen unter dem Na-

men der General Staaten (Vergaderingh

der Staaten Generael der Vereenighde Nee-

der-

O 3

[214/0228]

Vereinigte Niederlande.

derlanden) in dem Haag errichtet, worinnen

1) jede Provinz eine einzige Stimme hat, od-

gleich oͤfters mehr als 50. Deputirte anweſend

ſind; 2) jede Provinz wechſelsweiſe von Woche

zu Woche praͤſidiret, ungeachtet die Rangord-

nung der Provinzen feſtgeſtellet iſt; 3) jeder De-

putirter ein bloſſer Unterthan ſeiner Provinzen

iſt, obgleich die General-Staaten verſchiedene

Majeſtaͤtsrechte unumſchraͤnkt ausuͤben.

a) Dieſe beſtaͤndige Verſammlung iſt der Ausſchuß

des Reichstages, oder der groſſen Verſammlung

aller Staͤnde aus allen 7. Provinzen, (De groote Ver-

gadering) welche aber nur in ganz auſſerordentlichen

Faͤllen gehalten wird.

b) Anmerkungen von den Deputirten, dem Raths-

Penſionaire von Holland, dem Greffier der G. St.

oder dem Staatsſeeretaͤr, den Staats-Buchdrucker

und Correetor, der Chambre de Tréve fuͤr die Com-

mißionen und Conſerenzen mit fremden Miniſtern.

c) Warum Geldern den Vorzug hat, und wie der

Raugſtreit zwiſchen Utrecht und Frießland geſchlichtet

worden.

d) Jn 6. Puncten ſind die General-Staaten haupt-

ſaͤchlich eingeſchraͤnkt. Siehe uͤberhaupt BASNAGE,

ch. VIII. X. und JANIÇON, I. ch. 2. p. 76.

e) Vergleich der Verſammlung der General Staa-

ten mit dem Groß-Britanniſchen Parlament, Pre-

ſent State of Holland, p. 68.

§. 26.

Von dieſem Collegio dependiret der Staats-

rath (De Raedt van Staaten,) welcher aus 12.

Depu-

[215/0229]

Vereinigte Niederlande.

Deputirten der Provinzen beſteht, uͤber das Fi-

nanz- und Kriegsweſen die Oderaufſicht ſuͤhret,

und die Schluͤſſe der General Staaten zur Voll-

ſtreckung bringet.

a) Dieſes Collegium iſt das aͤlteſte in der Repu-

blick, und war ſonſt auch das hoͤchſte. Aber die Eifer-

ſucht gegen Engelland ſubordinirte es der Verſamm-

lung der G. St.

b) Der General Schatzmeiſter, der Secretaͤr des

Staatsraths und der General Einnehmer ſind beſtaͤndige

Beyfitzer dieſes Collegii.

c) Der Staatsrath uͤberreicht jaͤhrlich den General

Staaten den Etât de Guerre mit beygefuͤgter Petition

generale. JANIÇON, I. ch. 3. p. 113.

§. 27.

Seit 1747. iſt auch die Statthalterſchaft

durch eine gluͤckliche Revolution in verſchiedenen

bißher widerſpaͤnſtigen Provinzen erneuert, und

der ganzen Republick allgemein und erblich wor-

den. Sie iſt eine Grundſaͤule des Staats, wor-

auf die Freyheit der Republick erbauet, und wo-

durch ihr Umſturz zweymal gehemmet worden.

Anjetzt iſt der Prinz von Oranien, Wilhelm Carl

Heinrich Friſo, Erbſtatthalter der Union in maͤnn-

licher und werblicher Linie, womit die Wuͤrde eines

Erb-General-Capitains zu Waſſer und zu Lan-

de aller vereinigten Provinzen und der Generali-

taͤts-Laͤnder verknuͤpfet iſt, welcher noch neulich

das General Directorium der Oſt-Jndiſchen

Com-

O 4

[216/0230]

Vereinigte Niederlande.

Compagnie beygefuͤget worden, ſo daß dieſer wuͤr-

dige Prinz vor allen ſeinen Durchlauchten Vor-

fahren an der Statthalterſchaft auſſerordentliche

Vorzuͤge genieſſet.

a) Urſprung dieſer ſonderbaren Benennung, und

kurze Hiſtorie der Statthalterſchaft.

b) Allgemeine Vorrechte des jetzigen Statthal-

ters nebſt ſeinen Revenuͤen.

c) Seine beſondern Vorrechte in den einzelnen

Provinzen muß man aus den Commißionen kennen

lernen.

d) Er hat poteſtatem vicariam, nicht ſupremam,

und ſchwoͤrt einer jeden Provinz.

e) Bedingungen der Erbſtatthalterſchaft.

f) Vergleich zwiſchen der Gewalt eines Statthal-

ters und eines Koͤnigs von Groß-Britannien. Preſent

State of Holl. p. 84.

1. Relation de la grande Revolution arrivée dans

la Rep. des Provinces Unies 1747. par M. ROUSSET,

1747. 4.

2. Franz Dominicus Haͤberlins Gedanken von

Frankreichs politiſchen Fehlern in jetzigem Feld-

zuge und der Erhebung des Prinzen von Ora-

nien zum Statthalter. Hannover 1747. 4.

3. Hiſtoire du Stadhouderat par M. l’ Abbé RAY-

NAL, corrigée par M. ROUSSET, Amſterdam

1749. 8.

4. Siehe auch BASNAGE, chap. XV. und JA-

NIÇON, tom. I. ch. 10.

5.

[217/0231]

Vereinigte Niederlande.

5. Reichsgeſchaͤfte.

§. 28.

Der Hollaͤnder verſteht was er glaubt, er

iſt eifrig in der Religion, und ehrerbietig gegen

die Geiſtlichkeit. Die Reformirte Religion

herrſchet allein in allen 7. Provinzen, und iſt durch

die Kirchenverſammlung zu Dordrecht 1618. be-

feſtiget worden. Doch goͤnnen ſie allen Religio-

nen die Gewiſſensfreyheit, um deren Willen ſie

ſelbſt ehedem ſo tapfer gefochten, und man findet

auſſer der groſſen Menge Catholicken, auch Ar-

minianer, Lutheraner, Wiedertaͤufer, Qvaͤcker,

Labadiſten, Rheinburger, Griechen und Juden

darinnen.

1. Heinrich Ludolff Bentheims obangefuͤhrter

Hollaͤndiſcher Kirch- und Schulenſtaat.

2. La Religion des Hollandois (par M. STOUPP)

à Cologne 1673. 12. welche Schmaͤhſchrift BASNAGE

in ſeiner Deſcription du Gouvernement des P. U. ch.

39. p. 135. widerlegt.

a) Jhre Symboliſche Buͤcher ſind die Confeſſio-

Belgica und der Heidelbergiſche Cathechismus.

b) JANIÇON, I. p. 17. will behaupten daß faſt der

dritte Theil der Einwohner in Holland aus Catholicken

beſtuͤnde.

c) Anmerkung des Ritters TEMPLE von dieſen

verſchiedenen Religionen, aus ſeinen Remarques ſur

l’ Etat des Prov. Unies, ch. V.

§. 29.

O 5

[218/0232]

Vereinigte Niederlande.

§. 29.

Jede Kirche hat ihren einen oder mehrere

Geiſtliche, ihre Aelteſten und Diaconos. Dieſe

machen das Conſiſtorium aus. Die Conſiſto-

ria ſtehen unter der Claſſe, die ſich alle 3. Mo-

nathe verſammlet, (Claſſicale Vergadering)

und die Claſſen unter einem Synodo Provin-

ciali, der ein- oder zweymal im Jahr ſeine Zu-

ſammenkuͤnfte haͤlt. Man zaͤhlet 9. dergleichen

Synodos in den vereinigten Niederlanden. Sie

formiren alle 3. Jahr einen Coetum, aber nur

zu einer ganz beſondern Handlung. Denn ei-

ne allgemeine Kirchenverſammlung oder Synodus

Nationalis iſt ſeit der einzigen Dordrechtiſchen

mit reifem Vorbedacht nicht wieder gehalten

worden.

§. 30.

Es hat nicht nur jede Provinz ihre eigene

Geſetze; ſondern auch faſt jede Stadt ihr be-

ſonderes Recht. Nach dieſen nimt man das

Roͤmiſche Geſetzbuch zu Huͤlfe, welches ſeit dem

Ende des 15ten Jahrhunderts in einigen Provin-

zen oͤffentlich eingefuͤhret, in andern aber nach

und nach angenommen worden.

a) Ill. OTTON. notit. rerump. Eur. cap. VI. §. 34.

§. 31.

Jede Provinz hat ihre eigene, und unab-

haͤngige

[219/0233]

Vereinigte Niederlande.

haͤngige Gerichtsbarkeit. Dieſe wird meiſtens

von einem beſondern Provinzial Gericht ausge-

uͤbet, an welches die niedere Dorf- und Stadt-

Gerichte appelliren, doch ſo, daß der unterlie-

gende Theil bey den Staaten der Provinz um

Reviſion ſuppliciren kann.

a) JANIÇON, I. p. 39. Ill. OTTO, I. cit. §.

35. und DE LA BARRE de BEAUMARCHAIS, II.

p. 59.

b) Das Hollaͤndiſche Brabant hat ſein Ober-Ap-

pellations Gericht in dem Haag, wie das Hollaͤndiſche

Flandern in Middelburg.

§. 32.

Nirgends in der Welt iſt bißher das Volk

mit ſo viel Auflagen beladen geweſen, als in

den vereinigten Niederlanden. Zu den ordent-

lichen gehoͤren 1) die Land- und Haͤuſerſteuer,

(Verponding) 2) der vierzigſte Pfennig vom

Verkauf der Gruͤnde und von Collateral-Erb-

ſchaften, 3) die Taxe auf Hausbediente, Pfer-

de und Wagen und dergl. 4) Die Aceiſe nebſt

dem Stempelpapier, 6) die Zoͤlle. Die auſ-

ſerordentliche beſtehen in Erhoͤhung der Ver-

ponding, in Hebung des 100ten oder 200ten

Pfennigs von allem Vermoͤgen, in der freywil-

ligen Vermoͤgen-Steuer, in der Kopfſteuer und

andern Abgaben.

a) The Preſ. State of Holland ſchaͤtzt die ordentl

che Einkuͤnfte auf 21. Millionen Gulden, und ſetzt die

Ver-

[220/0234]

Vereinigte Niederlande.

Verhaͤltniß mit den Engliſchen und Franzoͤſiſchen, wie

5. zu 7. und zu 14.

§. 33.

Dieſe Abgaben werden von den Magi-

ſtratsperſonen und andern dazu beſtellten Beam-

ten in jeder Provinz gehoben und berechnet. Nur

die ohnedem ſehr harte Acciſe iſt ſeit vielen Jah-

ren verpachtet geweſen, biß endlich die Preſſu-

ren der Pachter das Volk 1748. zu der verzwei-

felten Revolution gebracht, wodurch ſie in 6.

ganzen Provinzen zu Grunde gerichtet worden.

1. Nouveaux ſyſtemes de Finances comparés avec

l’ ancien, à Groeningue 1748. 8. ſtellet die Bedruͤckun-

gen der Pachter und die Seufzer des gemeinen Mannes

ſehr lebhaft vor, und zeiget, daß in Holland allein uͤber

80. 000. Menſchen zur Acciſe gebrauchet worden, und

die Pachter dabey jaͤhrlich 20-24. Millionen profitiret.

§. 34.

Die Abgaben der Generalitaͤts-Laͤnder

werden von den General Staaten beſtimmet,

und nach ihrem Gutachten angeordnet. Herge-

gen die Abgaben der 7. vereinigten Provinzen

werden von den Staaten einer jeden Provinz

nach Belieben eingerichtet und gehoben; der

ganzen Republick aber davon nur ſo viel gelie-

fert, als auf den Vorſchlag des Staatsraths

mit Einwilligung der General Staaten das An-

theil jeder Provinz betraͤgt, und hat deßwegen

jegliche

[221/0235]

Vereinigte Niederlande.

jegliche Provinz ihren Anſchlag, wornach ſie zur

Nothdurft des Staats das ihrige beytraͤgt. Der

Staatsrath und die Generalitaͤts-Rechenkammer

(Generaliteyts-Reekenkamer) dirigiren das

Finanzweſen.

a) Jn der Hebung der Zoͤlle iſt eine Ausnahme, da-

von unten.

b) Zu den allgemeinen Abgaben contribuirt die ein-

zige Provinz Holland mehr, als alle uͤbrige Provinzen

zuſammen, und Amſterdam faſt die Helfte von den

Abgaben der ganzen Provinz Holland.

c) Siehe hievon mit mehrerm JANIÇON, tom. I.

ch. 3. und 4.

§. 35.

Da die Republick ſich ihres fuͤrchterlichen

Nachbarn zu erwehren, ihre Kraͤfte uͤber Ver-

moͤgen angreifen muͤſſen, auch durch uͤble

Verwaltung ihres Finanzweſens und Adnahme

ihres Handels entkraͤftet worden: ſo iſt kein

Wunder, daß ihre Schulden von Jahr zu Jahr

mehr anwachſen, und man ſolche anjetzt auf fuͤnf-

tehalb hundert Millionen Gulden rechnet.

§. 36.

Weil in den vereinigten Niederlanden ſich

alles mit Manufacturen und Handel beſchaͤftiget,

ſo fehlet es in Kriegeszeiten der Republick oft an

Menſchen, und noch oͤfterer an Soldaten. Doch

bezahlt ſie in Friedenszeiten 54.000. Mann, und

in

[222/0236]

Vereinigte Niederlande.

in Kriegeszeiten macht ſie gewoͤhnliche Vermeh-

rungen von 20.000. Mann, welche Vermehrun-

gen ſie bißweilen zwey- auch wohl dreymal wie-

derhohlet. Dieſe Truppen werden alsdenn mei-

ſtens vor Subſidiengelder von fremden, beſon-

ders von Teutſchen Fuͤrſten erkauft.

a) Vergleich der Niederlaͤnder mit den Roͤmern in

der Tapferkeit, aus der Hiſtoire abregé des Provinces

Unies des P. B. Amſterdam 1701. fol.

b) Von ihrer Landmacht ſiehe auch the preſent Sta-

te of Holl. p. 108.

§. 37.

Die vereinigte Niederlaͤnder, welche die

Natur zu Seeleuten beſtimmt, und deren Frey-

ſtaat dem Meer ſein Weſen zu danken hat, koͤn-

nen nach den Engellaͤndern die groͤßte und beſte

Flotte in See ſtellen, obgleich ihr Seeweſen in

dem jetzigen Jahrhundert durch allerhand Un-

faͤlle gewaltig herunter gekommen iſt. Sie ha-

ben 5. Admiralitaͤten 1) von Rotterdam, 2) von

Amſterdam, 3) von Hoorn und Enkhuyſen, 4)

von Middelburg, 5) von Harlingen, und nach

dieſen theilen ſie ihre Flotte in 5. Escadern ein,

uͤber welche der Prinz Statthalter General Ad-

miral iſt.

a) Zu Beſtreitung der Koſten bey der Marine ſind

die Zoͤlle beſtimmt, welche deßwegen von den Admira-

litaͤten gehoben und dazu verwandt werden.

b)

[223/0237]

Vereinigte Niederlande.

b) Jm J. 1665. fochten unter dem Admiral Lieute-

nant Opdam 103. Hollaͤndiſche Kriegsſchiffe gegen den

Herzog von York. BASNAGE in ſeinen Annales des

P. U. tom. I. p. 74.

c) Von der jetzigen Seemacht ſiehe JANIÇON, I.

p. 44. und p. 218.

6. Staatsintereſſe.

§. 38.

Die Republick der vereinigten Niederlan-

de iſt nicht ohne merkliche Staatsgebrechen, wel-

che eine vieljaͤhrige Unempfindlichkeit noch gefaͤhr-

licher gemacht hat. Durch die Erhebung des

Prinzen von Oranien zur Statthalterſchaft iſt

der Staat gleichſam neu belebet worden, und

nunmehr laͤßt ſich hoffen, daß, wenn die Re-

publick unter dieſem neuem Oberhaupte ihre ſonſt

ſo geruͤhmte Staatsklugheit anwenden will, um

die Manufacturen und den Handel zu befoͤrdern,

das Finanzweſen zu beſſern, die Land- und See-

macht auf den alten Fuß zu ſetzen, und den un-

gezogenen Poͤbel folgſamer zu machen; ihre

Dauer ſich noch auf viel laͤngere Zeit erſtrecken

wird, als ihr viele Staatskundige aus wichtigen

Urſachen prophezeyen wollen.

1. Anweiſung der heilſamen politiſchen Gruͤn-

de und Maximen der Republicken Holland und

Weſt-Frießland, Rotterdam 1671. 8 Dieſes Buch ent-

haͤlt des Johannis de Witt Staatsregeln, wenn gleich

Van den Hoven das iſt LA COURT Verfaſſer davon

ſeyn

[224/0238]

Vereinigte Niederlande.

ſeyn mag. Siehe FAVORITI NORICI obſeruatio-

nes ad GUNDLINGII diſcurſus de republica Hol-

landica, p. 107.

a) Deſſen Vorſchlaͤge, den Staat zu verbeſſern durch

Toleranz der Religionen, I. Cap. 14. und 19.

b) Durch Verſtattung einer vollkommenen Freyheit

ſich zu naͤhren, und Aufhebung der geſchloſſenen Hand-

werker und Handelsgeſellſchaften, eb. daſ. Cap. 15. 16.

17. 19. 20. 21.

c) Durch Verbeſſerung der Juſtitz, Cap. 25.

d) Durch Anlegung mehreter Pflanzſtaͤdte auſſer-

halb Europa, Cap. 26.

e) Wunderliches Project, daß ſich Holland von den

andern Provinzen losreiſſen, und bloß mit Utrecht ver-

einigt bleiben ſolle, und dadurch unuͤberwindlich wer-

den koͤnne, eb. daſ. Theil II. Cap. 14.

f) Eben ſo ungegruͤndet ſind auch deſſen Gedanken

von der Statthalterſchaft. eb. daſ. Theil III. Bl. 314.

Beſiehe hiebey DE LA BARRE, II. 22.

g) Fehler der Regierungsform aus the Preſent Sta-

te of Holl. p. 72.

h) Noch einige Anmerkungen von dem Jntereſſe

und den Maximen dieſes Staats, eben daſ. pag. 93.

i) Die Einwuͤrfe des Cardinals BENTIVOGLIO

in ſeinen Relationi pag. 98. gegen die Dauer der Re-

publick beantwortet BASNAGE, ch. 5. JANIÇON,

I. 67. DE LA BARRE II. 38. und Preſ. State of Holl.

p. 72.

Das

[225/0239]

(o)

Das VI. Hauptſtuͤck.

Staat

von

Rußland.

Schriftſteller:

1. Relation curieuſe et nouvelle de Moſcovie, con-

tenant l’ Etat préſent de cet Empire par M. BAL TH.

HEZENEIL de NEUVILLE, (de BAILLET) à

la Haye 1699. 12.

2. Chriſtian Stiefens Relation von dem gegen-

waͤrtigen Zuſtande des Moscowitiſchen Reichs, Frank-

furt, 1706. 8.

3. Etat préſent de la grande Ruſſie par le Capi-

taine JEAN PERRY, traduit de l’ Anglois, à la

Haye 1717. 12.

4. Der jetzige Staat von Rußland, 2. Theile,

Leipzig 1717. 8. Der erſte Theil iſt eine Ueberſetzung

des Perry, der andere eine Ueberſetzung folgenden

Jtaliaͤniſchen Werkes: Relazione Geografica, Sto-

rico-Politica del Imperio di Moscovia, in Milano

1713. 12.

5.

P

[226/0240]

Rußland.

5. (Webers) Veraͤndertes Rußland, Hanno-

ver, 1ſter Theil 1729, 2ter 1739. 3ter 1740. 4.

6. Philipp Johannis von Strahlenberg Nord-

und Oeſtliches Theil von Europa und Aſia,

Stockholm, (Leipzig) 1730. 4.

7. Moscowitiſche Briefe, aus dem Franzoͤſi-

ſchen uͤberſetzt, und mit dienlichen Erinnerungen wie-

her heimgeſchickt von einem Teutſchen, Frankfurt und

Leipzig 1738. 8.

8. Peter von Havens Reiſe in Rußland, aus

dem Daͤniſchen uͤberſetzt von H. A. R. Coppenhagen

1744. 8.

1. Staatsveraͤndernugen.

§. 1.

Die Rußiſche Voͤlker werden zuerſt im IXten

Jahrhundert durch Errichtung ihres

Monarchiſchen Staats, hernach durch ihre

Kriege mit den Griechen, und noch mehr durch

ihre Bekehrung zum Chriſtenthum bekannt.

Da aber ihre Großfuͤrſten die Reichstheilun-

gen mode machen; ſo muͤſſen ſie uͤber 200. Jahr

unter dem Joche der Tatarn ſeufzen.

§. 2.

Jvan Baſilowitz entſchuͤttet ſich deſſelben

ſeit der Mitte des XVten Jahrhunderts, und

gewinnet Groß-Nowogrod und Severien. Sein

Enkel Jvan Baſilowitz II. ein harter, aber

ſtaats-

[227/0241]

Rußland.

ſtaatskluger Regent erobert die beyde Tatariſche

Koͤnigreiche, Caſan und Aſtracan, und ſchnap-

pet nach Liefland; kann aber gegen Polen und

Schweden nichts ausrichten. Sein Sohn Feo-

dor verknuͤpfet zwar 1587 Siberien mit der Kro-

ne; aber nach deſſen gewaltſamen Tode geht

Rußland unter den Tyrannen und falſchen

Demetriis zu Truͤmmern.

§. 3.

Michael Feodorowiz brinat das Geſchlecht

der Romanow 1612. auf den Thron. Sein

Sohn Alexius Michaelowiz entreiſſet den Po-

len Smolensko nebſt dem groͤßten Theil der U-

kraine. Deſſen juͤngſter Sohn Petrus der Groſ-

ſe behauptet nach verſchiedenen Unruhen die

Krone. Dieſer iſt es, der den Rußiſchen Staats-

koͤrper nicht nur durch ſeine herrliche Eroberun-

gen ſtark macht; ſondern auch durch ſeine un-

vergleichliche Anſtalten beſeelet. Auf die kurze

Regierungen ſeiner Gemahlinn Catharina, und

ſeines Enkels Peters II. folgt ſeines Bruders

Tochter, die gluͤckliche Anna Jvanowna.

Nach ihr regiert der unmuͤndige Jvan III., wel-

cher aber mit ſeiner Mutter der Regentinn An-

na zugleich geſtuͤrzet wird, indem ſich Eliſabeth

Peters I. juͤngſte Tochter 1741. auf den Thron

ſchwinget.

a) Petrus vergroͤſſerte ſein Reich mit Lie fland, Jn-

germannland und einem Stuͤck von Carelien und Kex-

holm 1721. Anna Jvanowna mit der Perſiſchen

Pro-

P 2

[228/0242]

Rußland.

Provinz Schirvan 1732. Eliſabeth mit der Pro-

vinz Kymenegard und der Feſtung Nyslot 1743.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 4.

Rußland hat ſeine Herrſchaft in Europa

und Aſien ſo entſetzlich weit ausgebreitet, daß

ſich ſolche auf 480. Teutſche Meilen in die Brei-

te, und weit uͤber 1000. Meilen in die Laͤnge

erſtrecket, ſo daß kein Reich in der Welt zu fin-

den, deſſen zuſammenhangende Provinzen der

Groͤſſe von Rußland gleich kaͤmen. Seine

Grenzen gegen Weſten ſind Lappland, Schwe-

den, die Oſtſee und Polen; gegen Norden das

weiſſe und das Eißmeer; gegen Oſten das Ti-

choiſche Meer, als die Grenzſcheidung von Ja-

pan; gegen Suͤden die groſſe Tatarey, der

Caspiſche See, der Berg Caucaſus, das ſchwar-

ze Meer und die Crimm, durch welche Grenzen

Rußland von China, Perſien und der Tuͤrkey

geſchieden wird. Die Grenzen gegen Norden

und Suͤden ſind erſt in den neueſten Zeiten be-

ſtimmt worden, da man dieſe Gegenden bißher

zu den unbekannten Laͤndern und Gewaͤſſern ge-

rechnet hat.

a) Von Neu Zembla und der Meerenge Wei-

gaz oder Weigat.

b) Von dem Eißmeer, und der Muthmaaſſung,

wie America von dieſer Seite her bevoͤlkert worden.

c) Gren-

[229/0243]

Rußland.

c) Grenzſcheidung zwiſchen Aſien und Europa

aus neuen Gruͤnden auf eine neue Art beſtimmt von

Hrn. von Strahlenberg, in der Einleitung, Bl. 91.

d) Zank zwiſchen Rußland und China wegen der

Feſtung am Amurfluſſe, und neue Grenze, der Fluß

Argun nebſt der Feſtung Argunskoi. Perry, Bl.

129.

e) Der Caspiſche See iſt der groͤßte in der Welt.

Anmerkungen davon aus Perry, Bl. 161. und We-

ber, Th II. Bl. 71.

f) Von den Crimmiſchen Tatarn, Perry, Bl.

213.

§. 5.

Wenn man das ſo ſehr verſchiedene Clima

dieſes Reichs etwas genauer erkennen will, ſo

muß man es in 4. Haupttheile von Norden ge-

gen Suͤden abſondern. Unter der anſehnlichen

Menge ſeiner groſſen und ſchiffreichen Stroͤme

ſind die Wolga, der Dnieper, der Don und

der Oby die vornehmſte.

a) Dieſe Eintheilungen des Rußiſchen Climatis

giebt von Strahlenberg, Cap. II, Bl. 171.

§. 6.

Die mittlere Provinzen von Rußland ſind

am meiſten angebauet und vortrefflich fruchtbar.

Sie geben im Ueberfluß Getreyde, Hanf,

Flachs, Gartenfruͤchte, Bau- und Brennholz,

Hornvieh, Pferde, Schaafe, Fluͤgelwerk,

Wild-

P 3

[230/0244]

Rußland.

Wildpret, Salz, Honig, Salpeter und Fi-

ſche. Siberien iſt wegen der Zobel-Marder-

Hermelinfelle und anderer reichen Pelzwercken,

wegen der Silber-Kupfer- und Eiſenbergwerke,

wegen des Schwefels und der Rhabarbar ſchaͤtz-

bar. Die Suͤdliche Aſiatiſche Provinzen brin-

gen Baumwolle, Seyde und Wein hervor.

Diejenige Laͤnder aber, welche zu aͤuſſerſt gegen

Norden und Oſten liegen, ſind wenig angebauet.

a) Jn Rußland aiebt es dreyerley Salz. Bey

Solkamskol am Kamafluß in dem Fuͤrſtenthum Groß-

Permia ſind 32. Salzbrunnen, Weber, I. Bl. 54.

und 73. Bey Aſtracan ſind verſchiedene Salzteiche,

an anbern Orten wird Steinſalz gegraben. Moſco-

witiſche Briefe, Bl. 450. in den Noten.

b) Von den Zobeln, Weber, I. Bl. 146.

c) Bey Aſtracan findet man Salpeter in groſſer

Menge. Moscow Briefe, 450.

d) Bey Argun iſt ein ergiebiges Silberbergwerk

Man zaͤhlet in Rußland 5. Eiſenbergwerke, ſo der

Krone, und 27 ſo einzelnen Unterthanen zuſtehen,

und alle im Gange ſind. Das Jeneſeiſche iſt das fein-

ſte, das bey Petrowski und Oloniz das dauerhafteſte.

eb. daſ. 449.

e) Daß man eine ganze Schiffsladung von Sibe-

riſcher Rhabarbar ausgefuͤhret, eb. daſ. 449.

§. 7.

Rußland an ſich ſelbſt beſteht aus 30. Pro-

vinzen, einem Stuͤck von Lappland, uud den

5. Pro-

[231/0245]

Rußland.

5. Provinzen der groſſen Tatarey, nehmlich

Samojeda, Siberien, Caſan, Aſtracan und

Bulgaria, oder der Tatariſchen Bucharey.

a) Von den Samojeden, Perry, Bl. 100.

b) Von Siberien, Weber, I. 175.

c) Von den Coſacken, Weber, II. 68.

d) Von den Calmucken, Weber, I. 157. Perry,

Bl. 131. und von Haven, 174-208.

e) Von der Tatariſchen Bucharey, Weber, II.

228.

1. Allerneueſter Staat von Siberien nebſt

Bericht, von den Begebenheiten der gefange-

nen Schweden, Nuͤrnberg 1720. 8 Doch giebt von

Strahlenberg noch vollſtaͤndigere Nachrichten da-

von.

2. Neueſter Staat von Caſan, Aſtracan, Ge-

orgien und vielen andern dem Czaaren, Sultan

und Schach zinsbaren und unterthanen Tatarn,

Landſchaften und Provinzen, Nuͤrnberg 1723. 8.

§. 8.

Seit der groſſen Veraͤnderung in jetzigem

Jahrhundert, da Rußland ſeine Kraͤfte er-

kennen und brauchen gelernet, hat es ſowohl

in Europa als in Aſia ſeinen Scepter auszuſtre-

cken gewußt, an der Oſtſee nnd dem Caſpiſchen

Meere feſten Fuß geſetzt, und den Schweden

nebſt andern Provinzen ſonderlich das reiche

Kornmagazin Liefland; den Perſern aber das

nicht weniger nutzbare Schirvan entriſſen.

a) Ueber-

P 4

[232/0246]

Rußland.

a) Ueberhaupt von Lieflands Vortheilen, Weber,

III. 119.

b) Warum das Lieflaͤndiſche Korn dem Korne an-

derer Nationen vorgezogen, und theurer bezahlt wird.

Weber I. 68.

c) Geheime Abſicht des Czaar Peters bey Erobe-

rung der Provinz Schirvan, eb. daſ. II. 197.

d) Der Fluß Daria fuͤhrt Goldſand, und bey der

Stadt Backu wird das Naphta oder Petroleum

gefunden.

1. Neueſte Hiſtoriſche und Geographiſche

Beſchreibung des Caspiſchen Meeres, Daria-

Stromes, und der uͤbrigen daherum liegenden

Laͤnder, Staͤdte und Voͤlker, Danzig 1723. 8.

§. 9.

Alle dieſe alte und neuerworbene Laͤnder

ſind nunmehr in folgende 10. Gouvernements

eingetheilet worden 1) das Moseowitiſche, 2)

Petersburg- und Reveliſche, 3) Kiowiſche, 4)

Archangeliſche, 5) Smolenzko- und Rigaiſche,

6) Siberiſche, 7) Azowiſche oder Woronitziſche,

9) Aſtracaniſche, 10) Nyſchegorodiſche.

a) Von dieſer Eintheilung ſiehe von Strahlen-

berg, Cap. III. Bl. 179.

§. 10.

Sonſt war das weitlaͤuftige Moscau und

das darinnen befindliche Schloß Cremelin die

Reſidenz der Czaaren. Petrus I. aber errichtete

ſich

[233/0247]

Rußland.

ſich an der Oſtſee einen praͤchtigen Sitz, St. Pe-

tersburg, welches Werk allein den Namen

ſeines Schoͤpfers bey der Nachwelt verehrungs-

wuͤrdig macht.

a) Von Moscau, Weber I. 132. und II. 140.

b) Was es vor ſchreckliche Feuersbruͤnſte und Ver-

wuͤſtungen ausgeſtanden.

c) Wie St. Petersburg erbauet und bevoͤlkert

worden. Weber, I. 445.

d) 2. Hauptabſichten dieſes Wercks, von Strahlen-

berg, 244.

e) Der dem Reich daraus erwachſene Schaden,

welcher eben daſelbſt, aber aus Partheylichkeit, angege-

ben wird.

f) 3. Hauptfehler an St. Petersburg: die niedrige

Lage, das ſuͤſſe Waſſer im Hafen und der unfrucht-

bare Boden. Weber, I. 469. II. 19. III. 68. von

Haven, 36.

§. 11.

Rußland muß ſeine weitausgedehnte Gren-

zen durch eine Menge Feſtungen und zum Theil

durch ganze Linien bedecken. Sonderlich iſt

Wyborg die Vormauer von St. Petersburg,

Kiow und Smolenzko dienen gegen Polen, Der-

bent und Aſtracan gegen die Aſiatiſche Nachba-

ren. Die uͤbrige Fortereſſen ſind zugleich See-

haͤfen, unter welchen naͤchſt St. Petersburg

und deſſen Seeſchluͤſſel Kronſtadt, Riga und

Reval in Liefland, am weiſſen Meer aber Ar-

changel fuͤr andern betraͤchtlich ſind.

a)

P 5

[234/0248]

Rußland.

a) Von Derbent, Weber, II. 65.

b) Von Aſtracan, eb. daſ. 70.

c) Jn dem Gouvernement von Woronitz hat man

einen langen mit Palliſaden verſehenen Wall gegen

die Cubaniſche Tatarn aufgefuͤhret Von Strah-

lenberg, Cap. III. Bl. 186. Jn der Ukraine wur-

den auch dergleichen Linien, 1733. aufgeworfen, auch

ſollte die Communications-Linie zwiſchen dem Don

und der Wolga dazu dienen.

d) Von dem neuen Seehafen Kronſchloß, und

der daraus erwachſenen Stadt Kronſtadt auf der

Jnſul Retuſati, Weber, I. 484. und Von Haven,

2. Dieſe Stadt hat einen dreyfachen Hafen.

e) Von Archangel, Weber I. 400. und III. 45.

f) Was Rußland an Azoff verlohren.

§. 12.

Petrus I. ſparte weder Koſten noch Men-

ſchen, um durch Canaͤle eine beſſere Commu-

nication zwiſchen den Rußiſchen Provinzen

zu erhalten. Es ſind auch 3. dergleichen Ca-

naͤle zu Stande gekommen, 1) der von Ladoga,

welcher unter die Wunder unſerer Zeit gehoͤret,

2) der von Tweer, welcher den Strom Miſta

mit der Twerza, und folglich den Caspiſchen See

mit Petersburg verbindet, 3) der von Rzewa,

wodurch die Wolga mit der Moscua zuſammen

haͤnget, und alſo zwiſchen klein Rußland und

der Stadt Moscau und Petersburg eine Waſ-

ſerfahrt offen iſt. Drey andere waren noch

projectirt, auch ſonderlich an dem wichtigen Ca-

nal

[235/0249]

Rußland.

nal zur Vereinigung der Wolga und des Dons

ſchon mit Macht gegraben worden; aber es iſt

noch zur Zeit dabey geblieben.

a) Der Canal von Ladoga machte des Grafen

von Muͤnnich Gluͤck, er iſt erſt 1730. den 22. Octo-

ber eroͤffnet worden, Weber I. 393. II. 13. 80. und

134. III. 145.

b) Die Zuſammenleitung des Dons und der Wol-

ga dirigirte Perry eine Zeitlang, welcher weitlaͤuftig

davon handelt. Man wuͤrde dadurch von Petersburg

zu Waſſer biß nach Conſtantinopel haben kommen, und

folglich ganz Europa haben umſchiffen koͤnnen.

c) Von allen 6. Canaͤlen ſiehe von Strahlenberg,

176.

1. Atlas Ruſſicus, mappa vna generali et vnde-

viginti ſpecialibus Imperium Ruſſicum ſecundum le-

ges Geographicas et recentiſſimas obſeruationes de-

lineatum exhibens cura et opera Academiae Impe-

rialis ſcientiarum Petropolitanae. Petropoli, 1745.

gr. f.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 13.

Ungeachtet nicht der dritte Theil der Ruſ-

ſiſchen Laͤnder gehoͤriger Maaſſen bewohnet und

angebauet iſt, ſo weicht dennoch an Menge der

Einwohner Rußland nicht dem groͤßten Reiche

in Europa. Die Hauptſprache der Ruſſen iſt

eine Tochter der Sclavoniſchen. Der Czaar

Peter I. hat ſie regelmaͤßiger eingerichtet, und

auch

[236/0250]

Rußland.

auch durch dieſe Verbeſſerung ſich um ſein Volk

verdient gemacht.

a) Durch die lange Kriege und durch den Auf-

both zu allerhand Frohnarbeiten ſind die Bauern in

Rußland duͤnner geworden Weber, I. 37.

b) Die Ruſſen haben in Kriegeszeiten oͤfters gleich

den Tuͤrken und Tatarn die Menſchen weggeſchlep-

pet. Ex an der groſſen Finnlaͤndiſchen Colonie ſeit

1617. Weber, III. 29.

c) Petrus I. beſtimmte die Figur der Rußiſchen

Buchſtaben, und verminderte ihre Anzahl biß auf 42.

und doch fehlt dieſer Sprache noch der Buchſtabe H.

§. 14.

Den Ruſſen macht ſeine Lebensart dauer-

haft, und zu den ſchweereſten Strapatzen ge-

ſchickt. Vor Petro I. war er den Auslaͤndern

faſt bloß auf der ſchlimmen Seite bekannt. Man

ſchilderte ihn als einen unreinlichen, faulen, ver-

ſoffenen, betruͤgeriſchen, heimtuͤckiſchen und hals-

ſtarrigen Menſchen, mit einem Worte: als ei-

nen Barbaren ab. Sein Kopf war wuͤſte, ſein

ganzes Weſen roh, und eine undenklich alte

Gewohnheit ſchiene ihn darinnen verhaͤrtet zu

haben. Allein der kluge und unermuͤdete Pe-

trus erfand das Geheimniß, ihn umzuſchmel-

zen. Durch Liebe und Schaͤrfe lehrte er ihn

denken und geſittet leben. Nunmehr ſind die

Ruſſen den andern Europaͤern aͤhnlicher gewor-

den; doch haͤngt der Poͤbel noch den alten La-

ſtern nach.

a) Von

[237/0251]

Rußland.

a) Von ihrem Baden, und deſſen viererley Arten,

Weber, I. 22.

b) Wer den Unterſchied zwiſchen den ehemaligen

und jetzigen Ruſſen einſehen will, muß Olearii Rei-

ſebeſchreibung nach Rußland mit Webers und von

Havens Schriften zuſammen halten.

c) Wie Petrus die alte Gewohnheiten abgeſchaft,

z. E. die groſſe Baͤrte, Perry, 308. die lange Klei-

der, eb. daſ. 312. Die alte Weibertracht, eb daſ.

d) Was vor Schaͤrfe bey Einfuͤhrung dieſen Neue-

rungen noͤthig geweſen, Weber, I. 228. Perry 346.

e) Wie daruͤber verſchiedene Empoͤrungen entſtan-

den, und ſonderlich das Edict wegen der Baͤrte und

Kleider die Urſache der groſſen Revolte in Aſtracan

1704. geweſen. Von Strahlenberg, 248.

f) Petrus verwieſe ihnen die hiebey bezeigte Hals-

ſtarrigkeit auf eine ſinnreiche Art, Perry, 385.

§. 15.

Nunmehr haben die Ruſſen auch Gelegen-

heit, ſich in allen nuͤtzlichen Theilen der Ge-

lehrſamkeit unterrichten zu laſſen. Vor Petro

war alles mit der Finſterniß der Unwiſſenheit

bedeckt. Er ſteckte das Licht der Wiſſenſchaf-

ten auf, und gewoͤhnte das Rußiſche Auge an,

ſolches zu vertragen; ſonderlich ſeit dem er die

Academie der Wiſſenſchaften in Petersburg an-

geleget, welche vor kurzem von der Kayſerinn Eli-

ſabeth noch beſſer eingerichtet, und mit mehr als

doppelten Einkuͤnften dotiret worden. Die U-

niverſitaͤtt Doͤrpt in Liefland ſteht auch unter

Rußi-

[238/0252]

Rußland.

Rußifcher Hoheit, und in Kiow iſt eine alte

Academie vor die Griechiſche Gottesgelehrten.

a) Alter Zuſtand in Rußland aus von Strahlen-

berg und Perry.

b) Wie ſich Petrus des Probſtes Gluͤcks, des

Pflegevaters der nachherigen Kayſerinn Catharina, zu

dieſem Endzwecke nuͤtzlich bedienet. Weber, I. 223.

c) Anſtalten durch Anlegung vieler Schulen, durch

ſcharfe Gebothe, durch Ueberſetzungen, Reiſen, u. ſ. w.

d) Weiſe Rede Petri von der Wanderung der

Wiſſenſchaften. Weber, I. 10.

e) Wie er mit dem Eigenſinn zu kaͤmpfen gehabt,

Ex. an dem Rußiſchen Geſandten Wolkof, Weber,

II. 25.

f) Die Academie der Wiſſenſchaften ward nach

dem Muſter der Berliniſchen und Franzoͤſiſchen Koͤnigli-

chen Academien und der Jtaliaͤniſchen del Cimento ein-

gerichtet. Weber, III. 52, 60.

g) Der Univerſitaͤt Kiow gedenkt von Haven

mit Ruhm, Bl. 110.

1. Gebaͤude der Kaͤyſerlichen Academie der

Wiſſenſchaften. St. Petersburg 1741. gr. f. Jm

Vorbericht. Damals ſtanden 321. Perſonen dabey in

Beſoldung.

2. Die neue Einrichtungen und die Vermehrung

des Fonds der Academie von 1748. ſteht extrahirt im

Mercure Hiſtorique et Politique, tom. CXXIV. mois

de Mai, p. 507.

§. 16.

Sonſt beſtand alle Arbeit der Ruſſen faſt

allein

[239/0253]

Rußland.

allein in Ackerbau, Viehzucht, Jagd und Fi-

ſchereyen, und auſſer ihren vortrefflichen Juch-

ten waren ſie nicht nur in den kuͤnſtlichen Manu-

facturen; ſondern auch in verſchiedenen nothduͤrf-

tigen Handarbeiten unerfahren. Petrus vermiſch-

te ſein Volk mit fremden Kuͤnſtlern. Seit dem

findet man Seyden- und Wollfabricken in Ruß-

land. Die Leinwebereyen, Seiler- und See-

gelmacher-Arbeiten, der Schiffbau, die Ku-

pfer-Meßing-Eiſen-Stahl- insbeſondere auch

die Drat-Blech-Gewehr- und Geſchuͤtz-Fabri-

cken floriren. Sie machen Papier, Perga-

ment, Glaß, Pulver, und bringen es in al-

lerhand Kuͤnſten je laͤnger je weiter.

a) Jn Zubereitung der Juchten beſitzen die Ruſſen

ein altes Geheimniß. Die Jaroslawiſche, Caſtromi-

ſche und Pleskauiſche ſind die beſte. Weber, II. 168.

b) Petrus zog Leute von allen moͤglichen Hand-

werken biß auf Bierbrauer und Schaͤfer ins Land,

und war ſo gar Butter, Heckerling und Spinnen

unbekannt. Weber, I. 222.

c) Die Seyden-Woll und Leinen-Fabricken und

uͤberhaupt die beſte Manufacturen ſind in und um

Petersburg anzutreffen.

d) Gewehr- und Geſchuͤtzfabricken zu Syſter-

beck in Carelien und Olonitz.

e) Zu Catharinenburg in Siberien ſind trefliche Eiſen-

und Blech Manufacturen, Von Strahlenberg un-

ter dem Worte Catharinenburg. Man, hat derglei-

chen auch zu Olonitz.

f)

[240/0254]

Rußland.

f) Schwuͤrigkeiten, ſo ſich hiebey geaͤuſſert. Per-

ry, 415. und konnte Petrus mit aller Muͤhe und

Koſten ſeinen Endzweck nicht uͤberall erreichen. Ex. an

der mißlungenen Wollfabricke bey Moscau. eb. daſ.

430.

§. 17.

Rußlands Lage und andere natuͤrliche Vor-

theile machen es zum Handel vorzuͤglich vor vie-

len andern Nationen geſchickt. Es wird auch

ſelbiger ſeit der angefangenen Verwandelung je

laͤnger je anſehnlicher, und iſt gar nicht un-

moͤglich, daß dieſes Reich in kuͤnftigen Zeiten

der Mittelpunct des Commercii zwiſchen Euro-

pa und den benachbarten Provinzen von Aſien

werden kann. Der Handel mit Aſien theilet

ſich hauptſaͤchlich in drey Zweige. Der 1) nach

der Tuͤrkey und Tatarey iſt maͤßig, der 2)

nach Perſien geht uͤber Aſtracan und den Cas-

piſchen See, und iſt von mehrerer Wichtigkeit,

der 3) nach China geſchicht zu Lande vermittelſt

groſſer Caravanen, die jaͤhrlich nach Pecking

ziehen, und iſt der wichtigſte. Die Aſiatiſche

Waaren hohlet der Ruſſe ſelbſt ab; hinge-

gen, was er aus den Europaͤiſchen Reichen be-

noͤthiget iſt, laͤßt er ſich noch groͤßten Theils von

denen an der Nord- und Oſtſee wohnenden See-

voͤlkern zufuͤhren. Dieſer Seehandel geht uͤ-

ber Petersburg und Archangel, und iſt ſehr

viel betraͤchtlicher als der zu Lande.

a)

[241/0255]

Rußland.

a) Daß vor Alters 2. groſſe Waarenſtapel in

Rußland geweſen, Groß Permia und Ladoga,

und nachgehens an Statt der letzteren Groß-Neu-

garten oder Nowogorod. Von Strahlenberg, in

der Einleitung, Bl 94.

b) Daß nachher der Handel zwiſchen Rußland und

den andern Europaͤiſchen Reichen durch Liefland ge-

gangen, biß auf die Entdeckung von Archangel,

welche eine vor dieſes Reich vortheilhafte Veraͤnde-

rung machte.

c) Beurtheilung des Rußiſchen Handels, Weber,

II. 168. von Haven, 471.

d) Handel nach Aſien, ſonderlich nach China,

Weber, I. 164. und III. 133. Perry, 126. von Ha-

ven, 475.

1. P. J. Marpergers Moſcowitiſcher Kauf-

mann, Luͤbeck, 1705. 8.

§. 18.

Die Ruſſen rechnen nach Rubel und Co-

picken. 100. Copicken machen 1. Rubel oder 30.

ggr. beydes ſind Silbermuͤnzen. Die uͤbrige

gangbare Muͤnzen ſind Ducaten, ferner Polti-

nen von 50. Cop. oder ein halber Rubel, und Grie-

ven von 10. Cop. Dieſe ſind von Silber. Die

Stuͤcke von 5. Copicken, Denuska (ein halber

Cop.) und Petuska (ein viertel Cop.) ſind von

Kupfer. Ein Altin haͤlt 3. Copicken, iſt aber

nur eine eingebildete Muͤnzſorte.

a) 5. Muͤnzſtaͤdte: Moscau, Petersburg, Groß-

Neugarten, Tweer und Plescau. Weber, II. 177.

b)

Q

[242/0256]

Rußland.

b) Schaͤdliche Muͤnzaͤnderung 1700. Perry,

398.

c) Warum Petrus I. die Aufſchrift in Rußiſcher

Sprache nicht veraͤndert. Weber, eb. daſ.

d) Er hat zuerſt Rußiſche Medaillen ſchlagen

laſſen.

4. Staatsrecht.

§. 19.

Petrus der Groſſe publicirte 1722. den 5.

Februar. eine Verordnung, wodurch die Erb-

folge der Blutsverwandſchaft aufgehoben, und

ſolche lediglich dem Willen des regierenden Mo-

narchen unterworfen wurde. Hiezu gab die

Abſolonitiſche Boßheit ſeines Erbprinzen Alexii

Gelegenheit, und die Folgen dieſer Verordnung

ſind vor das Rußiſche Reich ſehr merkwuͤrdig

geweſen. Es iſt dieſes das einzige geſchriebene

Reichsgrundgeſetz in Rußland.

a) Dieſe Verordnung ſteht in Hrn. H. Schmauſ-

ſens Corp. J. Gent. tom. II. p. 2148.

b) Wunderliche Widerſpaͤnſtigkeit vieler Ruſſen, die

dem neuernannten Thronfolger nicht ſchwoͤren wollen.

von Strahlenberg, 258.

§. 20.

Die jetzt regierende Kayſerinn Eliſabeth

Petrowna, die juͤngſte Tochter des Kayſers Pe-

tri

[243/0257]

Rußland.

tri I. und der Kayſerinn Catharina Alexiewna

iſt gebohren 1710. und beſtieg den Thron 1741.

Sie hat ihrer Schweſter Anna Sohn, Petern

Feodorowitz, vorher Carl Peter Ulrich genannt,

regierenden Herzog von Holſtein Gottorp, zum

Großfuͤrſten von Rußland erklaͤrt 1742., wel-

cher ſich mit der Prinzeßinn von Anhalt Zerbſt

Catharina Alexiewna, zuvor Sophia Augu-

ſta Friederica, 1744. vermaͤhlt, und noch zur

Zeit unbeerbet iſt.

§. 21.

Die ehemalige Beherrſcher des Rußiſchen

Thrones nennten ſich Czaare und Großfuͤrſten.

Petrus I. nahm den ihm von ſeinen Untertha-

nen angetragenen Kayſerlichen Titul an, wel-

chen nunmehr ganz Europa erkannt hat. Es

titulirt ſich alſo die jetzige Monarchinn Eliſabeth:

Kayſerinn und Selbſtherſcherinn von ganz Ruß-

land.

a) Der Titul Czaar und Großfuͤrſt ſind ſehr von

einander unterſchieden. Erſterer Titul iſt weit juͤnger.

von Strahlenberg, Cap. VI. 267.

b) Kayſer Maximilian gab dem Czaar Baſileo

den Titul Imperator in einem Schreiben vom 4. Au-

guſt 1514. Weber, I. 357.

c) Alter Titul Powelitel und Samoderſchetz, oder

Autocrator, Herrſcher und Selbſthalter. Der Erzbi-

ſchof von Novogorod fiel zuerſt darauf, daß Poweli-

tel nichts anders als Imperator hieſſe. Von Strah-

lenberg, eb. daſ.

d)

Q 2

[244/0258]

Rußland.

d) Von Uebertragung des Kayſerlichen Tituls, und

daß Preuſſen ihn zuerſt erkannt. Weber, II. 3.

e) Schwuͤrigkeiten, ſo andre Staaten und ſon-

derlich der Kayſer und das Teutſche Reich hiebey ge-

macht.

f) Von Berger, Struve, Schmeizel, Paul

von Gundling und Hr Otto haben theils wider, theils

vor die Rechtmaͤßigkeit dieſes Tituls geſchrieben.

§. 22.

Die Rußiſche Großfuͤrſten ſollen anfangs

als Heyden einen Bogen und Pfeil im Wap-

pen gefuͤhret haben, als Chriſten nahmen ſie

drey Zirkel in einem Triangel, hernach den Rit-

ter St. George, Jvan Baſilowiz II. aber we-

gen des Anſpruchs auf das Griechiſche Reich

den doppelten Kayſerlichen Adler an. Petrus I.

gab dem Rußiſchen Wappen die heutige Figur.

Es beſteht in einem ſchwarzen, zweykoͤpfiaten

und dreyfach gekroͤnten Adler im guͤldenen Fel-

de, welcher das Wappen von Moscau auf der

Bruſt, und 6. andere Wappen, nehmlich von

Aſtracan, Siberien, Nowogorod, Caſan,

Kiow und Wilodimir in den Fluͤgeln fuͤhret.

Das groſſe Reichsinſiegel hat noch 26. Wap-

pen der andern Rußiſchen Provinzen, welche

in Form einer Oval-Linie rings um den Adler

zuſammen hangen.

a) Petrus bauet ein Kloſter in der Figur eines dop-

pelten Adlers, von Strahlenberg, 269.

b) Sie-

[245/0259]

Rußland.

b) Siehe Weber, II. 180. und Acta Eruditorum,

ad a. 1708. p. 218.

§. 23.

Der Hofſtaat iſt von Peter I. zuerſt auf

einen regelmaͤßigen Fuß geſetzet, von der Kay-

ſerinn Anna Jwanowna aber ſo anſehnlich und

prachtig gemacht worden, daß er in ganz Euro-

pa nicht anſehnlicher und praͤchtiger zu finden

iſt. Dieſen Glanz des Hofes vermehren auch

ſeit dem 2. Ritterorden, welche beyde Petrum

I. als ihren Stifter erkennen. Der erſte und

vornehmſte iſt der Andreas-Orden, errichtet 1698.

welchen die Kayſerinn Catharina mit den Or-

dens-Statuten und Kleidungen verſehen. Der

andere iſt der Alexander-Orden, welchen Pe-

trus zwar angeordnet; aber Catharina 1725.

zuerſt ausgetheilet hat. Jener iſt dem heiligen

Andreas, als Schutzpatron von Rußland; die-

ſer ader dem heiligen Alexander Newski, einem

ehemaligen Großfuͤrſten zu Ehren errichtet. Bey-

de haben ihr Ordenszeichen, Ordensband und

Deviſe. Der Andreas-Orden hat uͤberdies ei-

ne Ordenskette, und alle Andreas-Ritter ſind

zugleich Ritter vom Alexander Orden. Auſſer

dieſen beyden floriret auch noch ein weiblicher

Orden, welchen Petrus I. aus Hochachtung

gegen ſeine kluge Gemahlinn Catharina 1714.

ſtiftete, und ihn nach ihrem Namen den Ca-

tharinen-Orden nennete.

a)

Q 3

[246/0260]

Rußland.

a) Vom Andreas-Orden, Weber, III. 161.

b) Vom Alexander-Orden, eb. daſ. 38.

c) Vom Catharinen-Orden, eb. daſ. I. 57.

§. 24.

Das Rußiſche Reich iſt ſeit den Zeiten J-

wans Baſilowiz I. reichshergebrachter Maaſſen

untheilbar. Das weibliche Geſchlecht iſt

von der Regierung nicht ausgeſchloſſen. Ueber

die Thronfolge diſponirte zwar der regierende

Monarch bißweilen, doch ſo, daß er ſeine Fami-

lie nicht vorbeyging, auſſer wenn Niemand da-

von uͤbrig war. Petrus I. aber verordnete:

Daß es jederzeit in des regierenden Lan-

desherren Willkuͤhr ſtehen ſolle, nicht

allein die Succeßion, wem er will, zu

zuwenden; ſondern auch den bereits

ernennten Nachfolger, wenn er einige

Untauglichkeit an ihm bemerket, wie-

der zu vetaͤndern.

a) Vor Jwan Baſilowiz oder Waſilowicz hatten

die Kinder Wladimiri durch ihre Theilungen das Reich

zergliedert.

b) Ex. Teſtamentariſcher Diſpoſitionen wegen der

Rußiſchen Monarchie.

c) Was fuͤr eine ſpecies ſucceſſionis in regna die je-

tzige Thronfolge in Rußland ſey, davon ſiehe diſſ. meam

de iure in Aemulum Regni, vulgo Praetendentem,

cap. I. §. 17.

d) Ob

[247/0261]

Rußland.

d) Ob dieſe in andern chriſtlicheu Reichen uner-

hoͤrte Verordnung Petri der Rußiſchen Krone zutraͤg-

lich oder nachtheilig ſey.

1. Das Recht der Monarchen in willkuͤhrli-

cher Beſtellung eines Reichsfolgers. Berlin

1724. 4.

§. 25.

Aus dieſem von Petro feſtgeſtellten Reichs-

Grundgeſetz laͤßt ſich folgern, daß, wenn ein min-

derjaͤhriger Thronfolger ernennet wird, der erb-

laſſende Monarch nach ſeinem Gefallen die Zeit

der Majorennitaͤt beſtimmen kann. Die Kroͤ-

nung und Salbung iſt nach dem Reichsher-

kommen eingefuͤhrt, und wird jederzeit zu Mos-

cau mit vielen Feyerlichkeiten vollzogen. Das

Ceremoniel dabey iſt noch beſtaͤndig einigen Ver-

aͤnderungen unterworfen; doch ſieht man dar-

aus, daß kein anderer, als der ſich zur Grie-

chiſchen Religion bekennt, der Krone faͤhig iſt.

a) Catharina ſetzte in ihrem Teſtament Art. III.

die Majorennitaͤt Peters II. auf den Anfang ſeines

16ten Jahres. Memoires du Regne de Catherine, p.

600. Anna Jwanowna die Volljaͤhrigkeit des unmuͤn-

digen Jwans III. auf den Anfang ſeines 17ten Jah-

res. Genea ogiſch-Hiſtoriſche Nachrichten, Theil

XXI. Bl 792.

b) Der Archirei von Nowogrod dirigirt die Kroͤ-

nungshandlung. Der Monarch darf dabey weder et-

was verſprechen, noch vielweniger beſchwoͤren.

c) Unterſchied zwiſchen der Kroͤnung der Kayſerinn

Anna Jwanowna und der Kayſerinn Eliſabeth.

1. Be-

Q 4

[248/0262]

Rußland.

1. Beſchreibung der hohen Salbung und Kroͤ-

nung Anna Joannowna, wie ſolche den 28. April

1730. in Moseau vollzogen worden. St. Pe-

tersburg 1731. gr. f. womit zu vereleichen Geneal.

Hiſtoriſche Nachrichten, Th XXXVIII. Bl. 106.

§. 26.

Der Rußiſche Selbſtherrſcher iſt an das

natuͤrliche Recht und die Griechiſche Religion

gebunden. Sonſt aber iſt keine Verbindlich-

keit vorhanden, welche ſeiner unumſchraͤnkten

Gewalt Grenzen ſetzen ſollte. Die Nation iſt

auch ſo wenig gewohnt, ihrem Landesherren

im geringſten die Haͤnde binden zn koͤnnen, daß

die Capitulation, ſo man der Kayſerinn Anna

Jwanowna vorgelegt, kaum von monathlicher

Dauer geweſen.

a) 7. Puncte, ſo Anna Jwanowna unterſchrei-

ben muſte, Weber, III. 184.

b) Wie dieſes Werck der Dolgorukoi von den Fuͤr-

ſten Trubezkoi und Tſcherkuskoi vernichtet worden.

§. 27.

Der Senat oder dirigirende Rath, der

Synodus oder geiſtliche Rath und der Kriegs-

rath ſtellen die Reichsſtaͤnde vor; ſind

aber nur ein Schatten davon, und koͤnnen fuͤg-

licher nebſt dem Cabinetsrath als die vornehm-

ſte Collegia des regierenden Monarchen, in deſ-

ſen bloſſen Willkuͤhr ihre Ernennung beruhet,

betrachtet werden. Jnzwiſchen iſt doch ihr An-

ſehen

[249/0263]

Rußland.

ſehen bey der Thronfolge und bey Revolutionen

von groſſem Gewichte.

§. 28.

Der Rußiſche Adel beſtand ehedem bloß

aus Fuͤrſten (Kneeſen) und den uͤbrigen Edel-

leuten, (Doworianen) unter welchen die Boja-

ren und Synbojarskoi oder Bojaren Soͤhne,

als angeſeſſene Adeliche, die uͤber Leibeigene zu

befehlen haben, einige Vorzuͤge genieſſen. Pe-

trus creirte Grafen und Baronen, und fuͤhrte

1714. bey den adelichen Guͤtern die Untheilbar-

keit ein, und gab deren Beſitzern das Recht, ſol-

che nach Gefallen dem Wuͤrdigſten unter ihren

Kindern zuwenden zu koͤnnen. Uebrigens iſt der

Adel mit allen anderen Unterthanen der hoͤchſten

Majeſtaͤt auf gleiche Art unterworfen.

a) Von Strahlenberg Cap. XII. Bl. 300. macht

verſchiedene Eintheilnngen des Rußiſchen Adels, und

fuͤhret die vornehmſte davon an.

b) Petri Politick bey der neuen Erbfolge-Ordnung

der Adelichen, Von Strahlenberg, 243.

c) Wie der Czaar Feoder Petri I. aͤlteſter Bruder

die ſchriftliche Urkunden und Privilegia des ganzen

Rußiſchen Adels zu Staub und Aſchen verbrandt.

Weber, I. 252.

1. Jus Publicum Imperii Ruſlorum auctore M.

MORGENSTERN, Halis Salicis, 1737. 8.

5.

Q 5

[250/0264]

Rußland.

5. Reichsgeſchaͤfte.

§. 29.

Alle in- und auslaͤndiſche Staatsſachen

werden in dem Cabinetsrath als dem hoͤchſten

Reichscollegio ausgemacht. Die Anzahl und

Wahl der Beyſitzer beruhet in des regierenden

Monarchen hoͤchſten Gutachten, welcher in Per-

ſon darinnen praͤſidiret.

§. 30.

Die Griechiſche Religion iſt die herr-

ſchende. Die von den Schweden eroberte Pro-

vinzen bekennen ſich zur Lutheriſchen Religion,

die zinsbare Tatarn ſind noch groͤßtentheils in

dem Mahometaniſchen Aderglauben, wie die

zerſtreute Voͤlker gegen Norden und Oſten im

Heydenthum erſoffen. Man hat in jetztlaufen-

den Jahrhundert angefangen, das Chriſtenthum

unter ihnen auszubreiten. Dieſes lobenswuͤr-

dige Werk wird von einem beſondern Collegio

de propaganda fide in Petersburg dirigiret,

und hat einen erwuͤnſchten Fortgang. Es wer-

den auch andere Religionen im Reiche geduldet,

und ſind bloß die Jeſuiten und die Juden dar-

aus verbannet, doch iſt von den letztern noch

hie und da eine heimliche Brut uͤbrig.

a) Von der Religion in Rußland, Perry 239.

Von Strahlenberg, Cap. VIII.

b) 7.

[251/0265]

Rußland.

b) 7. beſondere Glaubenspuncte der Griechiſchen

Kirche Siehe des Jeſuiten ANTONII POSSEVI-

NI Moſcouiam, p. 159. edit. Antwerp und Dn.

IO. GUILIELMI FEUERLINI diſſ. de Religione

Ruthenorum hodierna, Gott. 1745.

c) Petrus ſuchte auch die Religion von den Schla-

cken zu reinigen.

d) Project, ſo die Sorbonne dem Czaar Peter zu

Vereinigung der Griechiſchen mit der Lateiniſchen

Kirche vorgelegt. Weber, I. 445.

e) Man ſchaͤtzet ein dreißig Theil der Unterthanen

Mahometanet, und 3 mal ſo viel Heyden, Von Strah-

lenberg eb. daſ.

f) Die Lutheraner, Reformirte, Catholicken und

Armenianer haben hie und da Kirchen. Die Catholi-

cken allein auch Glocken. Von Haven, 10.

g) Den Jeſuiten wurde 1719 anbefohlen, inner-

halb 4 Tagen das Reich zu quittiren, indem derſel-

ben gefaͤhrliche Machinationes, und wie gerne ſie ſich

in politiſche Haͤndel miſchen, ſattſam bekannt waͤren.

Weber, I. 363.

h) Daß unter den Ruſſen viel heimliche Juden ſte-

cken, Weber, III. 59. und von Haven, 72.

§. 31.

Die Rußiſche Geiſtlichkeit beſteht aus 4.

Metropolitanen, denen zwar die Erzbiſchoͤfe und

Biſchoͤfe, (welche nur dem Titul nach unter-

ſchieden ſind) als Suffraganii, die haͤufige

Moͤnchs- und Nonnenkloͤſter aber nicht unterge-

ben ſind. Denn dieſe ſtehen unter ihren eigenen

Archimandriten, Kilari und Igumeni. (Aebten,

Proͤb-

[252/0266]

Rußland.

Proͤbſten und Aebtißinnen) Sie folgen der Re-

gel des heiligen Baſilii; einige wenige aber der

Regel des heiligen Antonii. Die Stadt- und

Landpfarrer nennen ſie Protopopen, Popen

(Erzprieſter, Prieſter) und Diaconos, dieſe ſind

in unzaͤhliger Menge. Petrus erhob ſich zum

Beherrſcher der Geiſtlichkeit, da er ihre Guͤter

einige Jahre einzog, das ſtoltze Patriarchat un-

terdruͤckte, und an deſſen Statt einen ihm un-

terthaͤnigen geiſtlichen Rath (Synodum) von

12. Perſonen 1719. in Petersburg anordnete.

a) Weber, II. 96. und von Strahlenberg, 291.

widerſprechen ſich in der Anzahl der Erz- und Bi-

ſchoͤfe.

b) Petri kluges Verboth, keine Mannsperſon un-

ter 50. und keine Weibsperſon unter 40. Jahren in

ein Kloſter aufzunehmen, Weber, II. 135.

c) 1704. reducirte Petrus auf Anrathen des ge-

heimen Raths Mußin Paſchkin alle Landguͤter der

Geiſtlichkeit, 1711. gab er das meiſte wieder zuruͤck,

hatte aber indeſſen ihre Reichthuͤmer kennen lernen,

und behielte ſich alle 3 Jahr ein Don Gratuit vor.

Weber, I. 46.

d) Macht und Trotz der ehemaligen Patriarchen,

von Strahlenberg, Cap. IX. 281. und Weber, II.

54.

e) Die Einrichtung des Synodi iſt in der von Pe-

ter 1721. publicirten Kirchenordnung oder dem geiſt-

lichen Reglement, Danzig 1725. 4. nachzuſehen.

§. 32.

[253/0267]

Rußland.

§. 32.

Sonſt ward in den Rußiſchen Gerichtshoͤ-

fen nach den alten hergebrachten Gewohnheiten

geſprochen. Jwan Baſilowiz ließ zuerſt einige

ſchriftliche Geſetze ſammlen 1598. Alexius publi-

cirte endlich 1647. das jetzt geltende Geſetzbuch

Sobornie Vloſienie, (einhelliges und geſamm-

tes Recht) welches durch die Verordnungen der

nachfolgenden Czaare vermehret werden. Die

Gerichte heiſſen durchgaͤngig Pricaſen. Die

10. Gouverneurs haben die letzte Jnſtanz, und

ſprechen abſolut. Der Proceß iſt ſehr ſumma-

riſch, und die Strafen hart, waren aber vor-

dem noch haͤrter.

1. Iter in Moſchouiam Auguſtini L. B. de Mayer-

berg et Horatii Guilielmi Caluuccii ab Imperatore

Leopoldo ad Tzarem et Magnum Ducem Alexi-

um Mihalowicz 1661. ablegatorum, deſcriptum ab

ipſo AUGUSTINO L. B. de MAYERBERG, cum

Statutis Moſchouitis ex Ruſſico in Latinum transla-

tis. fol.

a) Siehe Staat von Rußland, Theil II. Bl.

386. Webern, an verſchiedenen Orten, und Olea-

rii Moſcowitiſche und Perſianiſche Reiſebeſchrei-

bung, Buch III. Cap. 20.

§. 33.

Die Einkuͤnfte werden aus den Cammer-

guͤtern, den Zoͤllen, der Acciſe, den Monipoliis

mit inlaͤndiſchem Taback und Getraͤnke, (das

Schenk-

[254/0268]

Rußland.

Schenkrecht von Bier, Meht und Kornbran-

tewein) auch mit allen Siberiſchen Waaren,

(Pelzwerken, Rhabarbar u. ſ. w.) mit Salz,

Caviar, Potaſche, Weidaſche, Hausdlaſen,

Pech und Theer, aus dem Kayſerlichen Handel

nach China, aus den Bergwerken, dem Muͤnz-

Poſt- und andern Regalien gehoben.

Die uͤbrige Revenuͤen beſtehn in den Auf-

lagen auf die Unterthanen. Dahin gehoͤren ih-

re Frohndienſte, Proviantlieferungen und Geld-

abgaben. Die letztere ſind entweder ordentlich,

als die Landſteuern, die Abgaben von Bade-

ſtuben, Muͤhlen, Teichen und andern Fiſche-

reyen, Bienenſtoͤcken, Wieſen, Gaͤrten, der

Grundzins von den ſchwarzen Plaͤtzen in den

Staͤdten und Marcktflecken, die Vermoͤgen-

ſteuer der Kauf- und Handwerksleute. Die

Edelleute ſind vom Grundzinſe und der Vermoͤ-

genſteuer frey, bezahlen aber die Badeſtuben deſto

theurer. Die Stadt- und Dorf-Geiſtlichkeit be-

zahlt ohngefehr wie Buͤrger und Bauer, die vor-

nehmere Praelaten wie die Edelleute. Die auſſer-

ordentliche Auflagen beſtehen in einem Kopf-

gelde, (Tſchaprosniedengi) welches nach den

verſchiedenen Beduͤrfniſſen des Staats von dem

Buͤrger uud Bauer bald geringer bald ſtaͤrker

abgetragen werden muß.

Die neue Conqueten in Europa, und die

Coſacken in der Ukraine zahlen auf einen leidli-

cheren Fuß. Der Zins der Tatarn und der

Nord-

[255/0269]

Rußland.

Nord- und Oſtlichen Heyden beſteht mehren-

theils in Pelzwerk.

a) Vom Finanzſtaat. Weber, I. 34. und von

Strahlenberg Cap. X. Bl. 292.

b) Dit Domainen werden durch Schenkungen und

Confiſcattonen ſehr veraͤndert.

c) 5. groſſe Zollhaͤuſer zu 1) Petersburg, 2) Ar-

changel, 3) Moscau, 4) Kiow, 5) Aſtracan.

d) Zu der Schweden Zeiten rechnete man den Zoll

bloß in Riga 400.000. Rthlr. Jn Anſehung der Ver-

moͤgenſteuer ſind die Buͤrger claßificirt, und zahlen

von einem halben Copicken bis auf 1. Rubel.

e) Unter Petro I. war der Caviar vor 100. 000.

Rubel, die Rhabarbar vor 80. 000. Rubel und der

Taback vor 12.000 Pf. Sterling verpachter Weber, II.

176. Das Schenkrecht traͤgt uͤber 1. Million Rubel

ein.

f) Schaden aus den haͤufigen Monopoliis, von

Strahlenberg, 242.

g) Kayſerlicher Handel nach China, Weber, II.

95.

§. 34.

Dieſe Einkuͤnfte werden theils durch Ad-

miniſtration theils durch Verpachtung geho-

ben. Die 10. Gouverneurs dirigiren in ihrem

Provinzen auch das Finanzweſen. Man rech-

net die geſammte ordentliche Einkuͤnfte auf 20.

Millio-

[256/0270]

Rußland.

Millionen Rubel; doch wuͤrden ſie weit hoͤher

ſteigen, wenn allem Unterſchleif vorgebeuget

werden koͤnnte.

a) Von Strahlenberg giebt dieſe Summe an,

293. Uebrigens ſiehe Webern, I. 51.

§. 35.

Der Ruſſe hat vorzuͤgliche Eigenſchaften,

um einen tuͤchtigen Soldaten abgeben zu koͤnnen,

ſonderlich wenn er wohl commandiret wird. Pe-

trus I. goß das ganze Militaͤrweſen in die Eu-

ropaͤiſche Form: ſeit dem hat dieſe Nation ih-

ren Kriegsruhm in den beyden maͤchtigſten Thei-

len der Welt gerechtfertiget: doch wird die Ca-

vallerie von der Jnfanterie weit uͤbertroffen.

Man rechnet ihre regulaͤre Truppen auf 180.

000. Mann, worunter die 4. Garde-Regimen-

ter 10. 000. das Artillerie Corps 7000. Mann

betragen. Die ſchwarze Regimenter oder die

ordentliche Landmilitz ſchaͤtzet man auf 96. 000.

Mann ſtark. Auf Erfordern muͤſſen auch die

zinsbare Tatarn, Coſacken und Calmucken

mit 50. und mehr 1000. Mann aufſitzen, und

dieſe leichte Reuterey thut vortrefliche Dien-

ſte.

a) Petrus war unermuͤdet in Verbeſſerung ſeiner

Kriegsmacht. Weber, I. 27. Perry, 435.

b) Be-

[257/0271]

Rußland.

b) Beſondere Anmerkungen von den Aſiatiſchen

Feldzuͤgen des groſſen Capitains, Grafens von Muͤn-

nich.

c) Von ihrer trefflichen Jnfanterie, Perry, 442.

und von Haven, 342.

d) Fehler, ſo ſich bißher bey der Cavallerie geaͤuſ-

ſert, Perry, eb. daſ. Weber, I. 28. und III. 2.

e) Seit Ausrottung der Strelitzen ſind 2. Regi-

menter Leibgarde, Preobrazinskoi und Simanowskoi,

und 2. Regimenter Seconde Garde, Jngermanlands-

koi und Aſtracanskoi errichtet worden.

f) Die Artillerie Regimenter ſind mit dazu ge-

hoͤrigen Feldzeughaͤuſern in Moscau, Groß-Nowo-

grod und Schewskoi vertheilt.

g) Von ihrer Loͤhnung und uͤbrigen Beſchaffen-

heit ſiehe von Strahlenberg, 294. und von Haven,

288. und 306.

h) Pflanzſchule von Soldaten in der Ukraine, von

Haven, 313. und von Officiers in Petersburg.

§. 36.

Wenn Peter I. in ſeiner ganzen Regie-

rung groſſe Dinge ausgefuͤhret; ſo hat er in

der Errichtung der Rußiſchen Seemacht Wun-

der gethan. Vor ihm war auſſer Archangel

kaum der Name der See bekannt, und ein

Rußiſches Schiff oder Rußiſcher Seemann et-

was unerhoͤrtes. Er ward der Lehrmeiſter ſei-

nes Volks mit ſolchem Fortgange, daß er mit

ſeiner

R

[258/0272]

Rußland.

ſeiner eigenen Flotte uͤber eine maͤchtige Seena-

tion triumphiren konnte. Sie beſteht auſſer

den Fregatten aus ungefehr 40. Kriegsſchiffen

und 250. Galeeren. Die Flotte von Kriegs-

ſchiffen wird in die weiſſe, blaue und rothe Eſcadre

getheilt. Die Galeeren koͤnnen 20. biß 30.000.

Mann Fußvolk und Reuterey transportiren.

Rußland hat alle Schiffsmaterialien in hoͤch-

ſtem Ueberfluſſe, es hat Schiffsbaumeiſter und

Matroſen gezogen, und laͤßt in der See-Academie

zu Petersburg etliche 100. Edelleute zu Seeoffi-

ciers beſtaͤndig nachziehen. Die Kriegsflotte

wird in Kronſtadt und Reval, die Galeeren in

Petersburg verwahrt. An dieſen 3. Orten ſind

auch Seemagazine und Schiffswerfte angelegt,

doch iſt der Schiffswerft zu Archangel der vor-

nehmſte.

a) Der eigentliche Urheber der Rußiſchen Marine

iſt der Vice-Admiral Cruys ein Hollaͤnder. Weber,

III. 98.

b) Man rechnet auf der Rußiſchen Flotte 14.000.

Matroſen. Weber, III. 88.

c) See-Academie, eb. daſ. I. 221.

d) Rußland hat noch keinen vollkommenen See-

hafen an der Oſtſee.

e) Warum die Rußiſche Flotte nicht anſehnlicher

wird, da doch jaͤhrlich 2. und mehr neue Kriegsſchiffe

in Archangel gebauet werden. Siehe uͤberhaupt von

Strahlenberg, 297. und von Haven, 6.

f) Herrliches Schiffsmagazin zu Petersburg.

6.

[259/0273]

Rußland.

6. Staatsintereſſe.

§. 37.

Da Petri I. Regierung, aller gegenthei-

ligen Vorwuͤrfe ungeachtet, ein Jnbegriff einer

faſt vollſtaͤndigen Staatsklugheit iſt; ſo ſcheint

dieſes der vornehmſte Grundſatz des Rußiſchen

Staatsintereſſes zu ſeyn, ſeinen Fußſtappen

nachzugehn, um dasjenige zu erhalten, was er

ausgefuͤhrt, das fortzuſetzen, was er angefan-

gen, und das ins Werk zu richten, was er ent-

worfen.

1. Martin Haſſens wahre Staatsklugheit

mit dem Exempel des Rußiſchen Kayſers Pe-

ters des Groſſen beſtaͤtiget, Leipzig 1739. 4.

a) Von Strahlenberg, Cap. VI. Bl. 224. bringt

eine Menge Einwendungen gegen Petri Staats-

klugheit vor, und diſputiret daruͤber pro und con-

tra.

b) Petri Politick, den haͤufigen Revolten vorzu-

beugen, Weber, I. 252.

c) Er hat weniger in Anſehung der Manufactu-

ren und des Handels, als in Abſicht auf das Kriegs-

weſen vollfuͤhrt. Ex an der Verlegung des Archan-

geliſchen Handels nach Petersburg.

d) Project, Archangel zum Mittelpunct des Chi-

neſiſchen Handels zu machen. Perry, 97.

e) Pro-

R 2

[260/0274]

Rußland.

e) Project, das Oſt-Jndiſche Commercium nach

Rußland zu ziehen.

f) Groſſes Project, vermittelſt einer Flotte Herr

vom ſchwarzen Meer zu ſeyn, und dadurch den Han-

del nach dem Mittellaͤndiſchen Meer offen zu haben,

iſt ſchon zweymal geſcheitert. Hiezu ward Perry

gebrauchet, der auch bey Woronitz einen trockenen Ha-

fen zu Stande brachte. Jn ſeinem Staat von Ruß-

land, 13.

g) Der neue Seehafen Rogerwick in Liefland iſt

auch ins Stecken gerathen. Von Strahlenberg,

299.

Das

[261/0275]

Das VII. Hauptſtuͤck.

Staat

von

Daͤnemark.

Schriftſteller:

1. Etat préſent de Danemarc traduit de l’ Anglois,

à Londres 1694. 12. Jſt auch unter dem Titul her-

ausgekommen: Memoires de M. MOLESWORTH,

à Nancy 1694. 12.

2. Defenſe du Danemarc, traduit de l’ Anglois,

à Cologne 1696. widerleget Molesworths Unwahr-

heiten.

3. Relation du voyage fait en Danemarc en 1702.

à la ſuite de l’ Envoyé d’ Angleterre (M. de VER-

NON) II. tomes, à Amſterdam 1710. 12.

4. ERICI PONTOPPIDANI Theatrum Daniae

veteris et modernae, oder Schaubuͤhne des alten

und jetzigen Daͤnemarks, II. Theile, Bremen

1730. 4.

5. Ludwig Holbergs Daͤnemarkiſche-Norwe-

giſche Staats- und Reichs-Hiſtorie aus dem Daͤ-

niſchen uͤberſetzt von Friedrich Gerhard Voß, Co-

penhagen 1731. 4.

1.

R 3

[262/0276]

Daͤnemark.

1. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Nach der groſſen Wanderung der Cimbrer,

das iſt, der Juͤtlaͤnder und Daͤnen, wel-

che den Roͤmern ſo viel Schrecken eingejaget,

ſetzet ſich die Familie der Skioldunger noch vor

Chriſti Geburt auf den Thron, welche ſeit dem

achten Jahrhundert durch verſchiedene auswaͤr-

tige Kriege beruͤhmt wird, und Svenotto er-

obert gar Norwegen und Engelland.

§. 2.

Mit Canut dem Groſſen welcher auch

die Mark Schleßwig erhaͤlt, faſſet das Chri-

ſtenthum endlich Wurzel in Daͤnemark. Sei-

ne Nachkommen bringen ſich durch ihre Thei-

lungen um Norwegen und Engelland. Sie

machen zwar darauf einige Conqveten, ſonderlich

gegen die Wenden; verliehren ſie aber auch wie-

der, biß Margaretha, eine Tochter des letzten

Skioldungers Woldemars III. zu Ende des

XIVten Jahrhunderts durch ihre Vermaͤhlung

Norwegen, und durch ihre Tapferkeit Schwe-

den an ſich bringet, auch die 3. Nordiſche Kro-

nen durch die Calmariſche Union 1397. auf ewig

vereiniget. Aber ihre Anverwandten genieſſen

dieſer Gluͤckſeeligkeit nicht lange: Erich aus

Pommern wird verſtoſſen, und Chriſtoph von

Bayern ſtirbt 1448. ohne Erben.

§. 3.

[263/0277]

Daͤnemark.

§. 3.

Die Oldenburger werden auf den Thron

geruffen. Chriſtian I. erbet Holſtein. Johan-

nes theilet Schleswig und Holſtein zum erſten

Mal. Unter Chriſtian II. reiſſet ſich Schweden

los. Friedrich I. des entflohenen Chriſtians

Vaters Bruder, faͤngt die Reformation an,

Chriſtian III. vollendet ſie, und theilet Schles-

wig und Holſtein zum andern Mal. Chriſtian

IV. iſt ein trefflicher Regent; aber die anwach-

ſende Gewalt des Adels macht unter Friedrich

III. das Reich den Schweden zur Beute.

§. 4.

Ueber alles Vermuthen wird eben dieſer

Friedrich 1660. ein unumſchraͤnkter Erbmo-

narch. Chriſtian V. erbet ſeines Hauſes

Stammguͤter, und er ſowohl als ſein Sohn

Friedrich IV. haben viel Haͤndel mit Holſtein

und Kriege mit Schweden, wodurch endlich

Schleswig der Krone wieder einverleibet wird.

Seit dem genieſſet das Reich unter Chriſtian

VI. und Friedrich V. einer gluͤckſeeligen Ruhe.

1. Ludwig Holbergs Daͤniſche Reichs-Hiſto-

rie ins Teutſche uͤberſetzt, III. Theile, Flensburg und

Altona 1743-1744. 4.

2. Be-

R 4

[264/0278]

Daͤnemark.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 5.

Daͤnemark liegt gleich uͤber Teutſchland

gegen Norden. Es wird durch den Eyderſtrohm

und die Lewensaue davon unterſchieden. Sei-

ne andere drey Seiten ſind mit lauter Waſſer

umſchloſſen. Gegen Abend wird es von der

Nordſee, und insbeſondere von dem Cattegat

oder Schager-Rack, gegen Morgen von der

Oſtſee angeſpuͤlt; doch ſo, daß die Daͤniſche Jn-

ſuln eine dreyfache Straſſe zwiſchen beyden Mee-

ren offen laſſen. Dieſe ſind der kleine Belt, der

groſſe Belt und der Sund oder Oreſund. Der

letztere iſt die gewoͤhnlichſte und beruͤhmteſte

Durchfahrt, und trennet Daͤnemark von Schwe-

den. Der Daͤniſche Koͤnig hat unſtreitig von

allen dreyen Paſſagen die Oberherrſchaft.

a) Die alte Grenze zwiſchen Teutſchland und Daͤ-

nemark war das Danewerk. Pontoppidan, I. 15.

und 274 Nachher iſt die Eudora Romani terminus

Imperii geworden.

b) 3. beſondere Eigenſchaften der Oſtſee. eb. daſ. 19.

c) Von der Natur dieſer 3. Straſſen aus der Nord-

in die Oſtſee, insbeſondere, ob der Sund geſchloſſen

werden koͤnne.

d) Von den Streitigkeiten wegen der freyen Paſſa-

ge und der Entrichtung des Zolles mit Kayſer Carl V.

mit den Hollaͤndern und den Schweden. Siehe Vo-

yage en Danemarc, p. 186. und Defenſe de Dane-

marc

[265/0279]

Daͤnemark.

marc p. 29. wo die Gruͤnde wider und vor die Recht-

maͤßigkeit des Sundzolls angefuͤhret werden.

e) Wie die kluge Koͤniginn von Engelland Eliſabeth

durch Ankauf der kleinen Jnſul Huen ſich der freyen

Straſſe in die Oſtſee verſichern wollen.

§. 6.

Daͤnemark beſteht aus etlichen Jnſuln und

der Halbinſul Juͤtland. Die Jnſuln theilt

man in die 2. groſſe, Seeland und Fuͤhnen, und

in die uͤbrige kleinere. Juͤtland wird in Nord-

und Suͤd-Juͤtland, oder in Juͤtland an ſich

ſelbſt und in das Herzogthum Schleswig ein-

getheilt, zu beyden ſind noch verſchiedene umher-

liegende kleine Jnſuln und Eylaͤnder gehoͤrig.

Daͤnemark iſt in die 6. folgende groſſe Gouver-

nements, die zugleich Bißthuͤmer ſind, als das

Seelaͤndiſche, Fuͤhniſche, Ripiſche, Aarhuſiſche,

Wiburgiſche und Aalburgiſche abgetheilt, und

iſt davon nur Schleswig ausgenommen, wel-

ches bloß aus 13. Aemtern beſtehet.

a) Man rechnet in ganz Daͤnemark 56. Aemter, 137.

Harden (Gerichtsbezirke von 10-20. Kirchſpielen)

11. Lehngraſſchaften, 2000. Klrchen, 83. Staͤdte und

Flecken, 21. Koͤnigliche, und ohngefehr 1000. adeliche

Schloͤſſer, Pontoppidan, I. 23.

§. 7.

Der Daͤniſche Boden iſt groͤßtentheils nie-

drig und eben. Seeland und der mittlere Strich

von

R 5

[266/0280]

Daͤnemark.

von Juͤtland iſt weniger fruchtbar, als die uͤbri-

ge Laͤnder, welche ihre Einwohner zwar hinlaͤng-

lich ernaͤhren; aber auſſer einigem Getreyde,

als Korn, Haber, Gerſten, Erbſen und Buch-

weitzen an Auslaͤnder wenig abgeben koͤnnen.

Juͤtland liefert uͤberdies viel Hornvieh und Pfer-

de, und die Jnſul Bornholm eine Menge Kalks.

Die Seeufer ſind fiſchreich genug. Uebrigens

fehlen Metalle, Salz und zum Theil auch Holz,

Flachs, Hanf und Wolle.

a) Langer Strich Heidelandes von dem Lymfurt

in Nord-Juͤtland biß an den Harz. Pontoppidan,

I. 313.

b) Laland wegen der Erbſen beruͤhmt, Pontop-

pidan, I. 184.

c) Juͤtland hat einen unverg leichlichen Kornboden.

Das Stift Aarhus iſt der Kern der Provinz, und

fuͤhrt allein jaͤhrlich 100.000. Tonnen Getreyde aus.

Pontoppidan, I. 362. und Defenſe de Danemarc,

p. 38. Von dem eintraͤglichen Ochſen- und Pferde-

Handel in Juͤtland, eb. daſ. 443.

d) Neue Tabacksplantagen in Juͤtland, eb. daſ.

345.

e) Salz wird etwas weniges aus dem Seewaſſer

in Juͤtland gemacht. eb. daſ. 302. und 449.

§. 8.

Coppenhagen iſt die Koͤnigliche Reſidenz,

die Hauptſtadt des ganzen Reichs, und ein Jn-

begriff alles deſſen, was eine Stadt merkwuͤr-

dig

[267/0281]

Daͤnemark.

dig, volkreich und nahrhaft machen kann. Das

von Chriſtian VI. darinnen erbauete Schloß iſt

unter allen Koͤniglichen Reſidenz-Schloͤſſern in

Europa das beqvemſte. Jn der Gegend um

Coppenhagen ſind verſchiedene Luſtſchloͤſſer:

Friedrichsberg, Jaͤgersburg, Friedensburg

und ſonderlich Friedrichsburg erbauet.

a) Von Coppenhagen, Pontoppidan. I. Cap. 2.

b) Von dem Brande daſelbſt 1728. eb. daſ. Bl. 72.

c) Von der der Stadt Coppenhagen ſo nuͤtzlichen Jn-

ſul Amack, wodurch auch der Chriſtianshaven for-

mirt wird Defenſe de Dan. 19. und Pontoppidan,

I. 59.

d) Das neue Schloß Chriſtiansburg iſt von Pir-

naiſchem Steine aufgefuͤhret, und 1740. feyerlich bezo-

gen worden.

c) Von den Koͤniglichen Luſtſchloͤſſern, eb. daſ.

Cap. III. und von Friedrichsburg, dem Daͤniſchen

Verſailles, beſonders, Voyage en Danemarc, 140.

§. 9.

Die beſte Feſtung und der vornehmſte

Seehafen in Daͤnemark iſt eben gedachtes Cop-

penhagen. Sonſt ſind Croneburg am Sunde,

Nyborg in Fuͤhnen, Friedrichsodde in Juͤtland

und Friedrichsort oder Chriſtianpreis am Kieler-

hafen befeſtigt: Corſoer, Callumborg, Hol-

beck, Wordingborg in Seeland; Nyborg, Aſ-

ſens, Knefemuͤnde in Fuͤhnen; Aalburg, Aar-

hus, Horſens, Rinkiobing in Juͤtland; die

Appen-

[268/0282]

Daͤnemark.

Appenrader-Foͤrde, Flensburger-Wick, Eckern-

foͤrder-Wick nebſt andern Meerbuſen in Schles-

wig koͤnnen vor Seehaͤfen paßiren, ſind aber

meiſtentheils offen.

a) Von den Daͤniſchen Seehaͤfen, Defenſe de

Dan. 11.

b) Juͤtland hat an der Weſtſeite keinen guten See-

hafen, Pontoppidan, I. 316. und 445.

§. 10.

Die Krone Daͤnemark beſitzet auch das

Koͤnigreich Norwegen mit dem angrenzenden

Stuͤcke von Lappland, welches ſie Nordland

nennen. Der Boden iſt zwar ſehr kalt, ge-

buͤrgig und moraͤſtig, auch zum Ackerbau und

Viehzucht faſt ganz untuͤchtig; aber an Eiſen-

Kupfer- und Silberbergwerken geſegnet, und

an vortrefflichem Bauholz unerſchoͤpflich. Die

Seeufer ſind uͤberfluͤßig fiſchreich. Die Haupt-

ſtadt Bergen nebſt Drontheim ſind zugleich gu-

te Feſtungen und Seehaͤfen: Chriſtiania, Frie-

drichſtadt, Chriſtianſtein, Friedrichshall, Win-

ger ſind die uͤbrige Fortereſſen, und ſcheint Nor-

wegen uͤberhaupt ſowohl von der Land- als See-

ſeite unuͤberwindlich.

a) Von Norwegens Ueberfluß nnd Mangel, Hol-

berg, Bl. 42.

b) Von dem Norwegiſchen Fladbroͤd. eb. daſ.

c) Man zaͤhlet 18. Eiſenbergwerke, ſo aber nicht al-

le

[269/0283]

Daͤnemark.

le im Gange ſind, 5. Kupferminen, und das reiche

Koͤnigsberger Siberbergwerk, worinnen allein uͤber

12.00. Mann arbeiten, und werden in derſelben Ge-

gend je laͤnger, je mehr Silberadern entdecket. Man

hat auch unter Koͤnig Chriſtian IV. Golderz gefunden,

Holberg, 46.

d) Gefaͤhrliche Seekuͤſte von Norwegen.

§. 11.

Ferner gehoͤret den Daͤnen das halbe Her-

zogthum Holſtein nebſt den Grafſchaften Olden-

burg und Delmenhorſt in Teutſchland. Sie

haben auch ihre Colonien auf den beyden Jn-

ſuln St. Thomas und St. Croix in Ame-

rica, eine kleine Feſtung Chriſtiansburg auf

der Kuͤſte von Gvinea in Africa, und die

Stadt Tranqvebar nebſt dem Schloß Dans-

burg und einem Diſtrict Landes auf der Co-

romandeliſchen, oder insbeſondere auf der

Malabariſchen Kuͤſte in Aſien. Endlich beſi-

tzen ſie auch gegen den Nordpol die Jnſul Js-

land und ein Stuͤck von der Kuͤſte von Groͤn-

land.

a) Von den Colonien auſſer Europa ſiehe Holberg,

Cap. VIII, von den Jnſuln in America LABAT in

ſeinen Voyages aux Isles de l’ Amerique, tom. VII.

ch. XIV.

b) Jsland giebt Wolle, Viehhaͤute, Butter, Un-

ſchlitt, Fiſche, Salz, Schwefel, Salpeter; Groͤn-

land allerhand Thierhaͤute und Fiſchthran.

1. Jo-

[270/0284]

Daͤnemark.

1. Johann Anderſons Nachrichten von Jsland,

Groͤnland und der Straſſe Davids, Hamburg

1746. gr. 8.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 12.

Da Daͤnemark an ſich ſelbſt nicht gar

volkreich iſt, nnd die nordliche groſſe Nebenlaͤn-

der wenig angebauet ſind; ſo kann die Anzahl

der Einwohner nicht anders als ſehr maͤßig

ſeyn. Die Daͤniſche und Norwegiſche Spra-

chen ſind nur dem Dialect nach unterſchieden,

und haben aus der Vermiſchung der alten Go-

thiſchen und Teutſchen Sprache ihren Urſprung

genommen.

a) Daß Daͤnemark ehedem volkreicher geweſen,

leugnet Holberg Bl. 42. nicht.

b) Pontoppidan, Th. II. Cap. VIII. Bl. 144 behau-

ptet, daß die Helfte der Daͤniſchen Woͤrter vom Teut-

ſchen ſo unterſchieden, als Nacht und Tag, und fuͤhrt

die Einmiſchung der Teutſchen Woͤrter von den Wan-

derungen dieſer Voͤlker und der Bekehrung zum Chri-

ſtenthum her.

§. 13.

Der Daͤne iſt gemeiniglich groß und ſtark.

Man haͤlt ihn kalter und feuchter Complexion.

Er liebt die Ruhe und Gemaͤchlichkeit und die

aͤuſſerliche

[271/0285]

Daͤnemark.

aͤuſſerliche Pracht, iſt von ſtillem Weſen, auf-

richtig, gaſtfrey und gutthaͤtig, folgſam, treu

und von ſich ſelbſt weniger eingenommen, als

andere Nationen. Man beſchuldiget viele un-

ter ihnen der Freßigkeit und Faulheit. Uebri-

gens haͤlt er in ſeinem ganzen Thun und Laſſen

die Mittelſtraſſe. Der Norweger iſt faſt ein

umgekehrter Daͤne, und ſeine Neigungen kom-

men mehr mit dem Genie der Schwediſchen Na-

tion uͤberein.

a) Der Daͤnen Tugenden und Laſter handelt ſo

wohl Holberg, Cap. I. als Pontoppidan, Theil

II. Cap. VI. weitlaͤuftig ab.

b) Der beiſſende Molesworth legt ihnen die Mit-

telmaͤßigkeit zur groſſen Laſt, Holberg geſtehet ſol-

che ein, und macht eine Tugend daraus, Bl. 20.

§. 14.

Man kann nicht leugnen, daß Daͤnemark

nicht in den meiſten Wiſſenſchaften einige groſſe

Gelehrte hervorgebracht; es legt auch die Uni-

verſitaͤt Coppenhagen mit ihren 4. Collegiis

und andern weiſen Veranſtaltungen von der

Mildthaͤtigkeit des Oldenburgiſchen Stammes

gegen die Wiſſenſchaften ein unverwerfliches

Zeugniß ab: Doch iſt die Zeit, da die Daͤnen

es andern weiſen Europaͤiſchen Nationen in der

Gelehrſamkeit gleich thun ſollen, noch zukuͤnftig.

a) Von dem Statu rei litterariae Danicae, Pon-

toppidan, Th. II. Cap. IX. Bl. 150.

b)

[272/0286]

Daͤnemark.

b) Von der Univerſitaͤt Coppenhagen, Holberg,

Cap. V. Bl. 175. und Voyage en Dan. 211.

c) Die 4. Collegia ſind 1) die Regenz, ſo mit dem

Kloſterhauſe oder der Communitaͤt vereiniget worden,

ſie heißt auch Collegium Regium, 2) Collegium Wal-

kendorfianum, 3) Mediceum, 4) Elerſianum. Pontop-

pidan, I. 44. nnd Holberg, 215.

d) Was die Academie durch den groſſen Brand 1728.

gelitten.

e) Daß die Theologie am meiſten, das Studium

Juris am wenigſtens darauf florire.

f) Schickſale der 2. Ritter-Academien zu Soroe

und zu Coppenhagen, und der Aſtronomiichen Jnſul

Huen.

§. 15.

Noch im ganzen vorigen Jahrhundert war

Daͤnemark faſt ohne alle Manufacturen. Frie-

drich IV. ſeit Endigung des Schwediſchen Krie-

ges, und Chriſtian VI. haben groſſe Bemuͤhun-

gen angewandt, ſolche in Flor zu bringen. Man

findet nunmehr in Coppenhagen eine Koͤnigliche

Lacken-Fabricke mit andern Wollmanufacturen,

einige Leinwebereyen, Cottondruckereyen, Faͤr-

bereyen, Seifen-Zucker- nnd Salzſiedereyen:

Es werden auch Spitzen, Treſſen, Sammet,

Flor, Papier und Porcellain gemacht. Jn Juͤt-

land und Schleswig findet man Woll- Lei-

nen- und Gewehr-Fabricken, die Tonderiſche

Spitzen, die Randeriſche nnd Odenſeiſche Hand-

ſchuhe. Doch wird von allen dieſen Manufa-

cturen

[273/0287]

Daͤnemark.

eturen ſehr wenig auswaͤrts verfuͤhrt, die mei-

ſte reichen lange noch nicht zur eigenen Noth-

durft des Reiches zu, und erwarten noch meh-

rere Vollkommenheit und Ausbreitung.

a) Dieſer Manufacturen gedenkt Holberg im

Cap. vom Handel und Gewerbe, und Pontoppidan

ſowohl Theil II. Bl. 161. als an verſchiedenen andern

Orten.

§. 16.

Der ganze Handel nach Daͤnemark wur-

de ſonſt von den Hanſeſtaͤdten getrieben. Die-

ſe ſind von den Hollaͤndern groͤßtentheils, und ei-

niger Maaſſen auch von den Engellaͤndern aus-

geſtochen worden. Chriſtian IV. befoͤrderte das

ganze Daͤniſche Seeweſen, und Chriſtian V.

machte ernſtliche Anſtalten, ſein Volk zum See-

handel aufzumuntern. Seit dem befahren die

Daͤnen mit eigenen Schiffen die meiſte Nord-

liche Kuͤſten von Europa. Coppenhagen hat das

Monopolium mit auslaͤndiſchem Taback, Salz,

Wein und Brandtewein. Der Handel nach

Jsland wird von denenjenigen Kaufleuten getrie-

ben, welche die einzelne Seehaͤfen pachten. Der

Handel auſſer Europa wird durch die Oſt-Jn-

diſche und die vereinigte Gvineiſche nnd Weſt-

Jndiſche Compagnien gefuͤhret. Daͤnemark

fuͤhrt weit mehr ein als aus, und leidet alſo im

Handel; da im Gegentheil Norwegens Ueber-

fluß die eingefuͤhrte Waaren uͤberwiegt: wie-

wohl

S

[274/0288]

Daͤnemark.

wohl anch der Norwegiſche Handel in jetzigem

Jahrhundert ſehr abgenommen.

a) Von den Hanſeſtaͤdten, und ihren 4 groſſen Nie-

derlagen.

b) Streit mit den Hamburgern wegen ihres iuris

reſtringendi auf der Elbe.

c) Errichtung der Defenſions-Schiffe 1671. und

deren Privilegia. Schwuͤrigkeiten hlebey, dadurch

endlich dieſe Anſtalten ins Stecken gerathen.

d) Bedingungen des Coppenhagiſchen Monopolii.

e) Jslaͤndiſche Compagnie octroyirt 1619. er-

neuert 1680. Jn jetzigem Jahrhundert iſt ſie aufge-

hoben, und dafuͤr die Verpachtung der Jslaͤndiſchen

ſo wohl Fiſcher- als Schlaͤchterhaͤfen vermittelſt eines

oͤffentlichen Anſchlags auf 6. Jahr eingefuͤhret wor-

den. Man zaͤhlet 25. dergleichen verpachtete Haͤfen

oder Ladungsplaͤtze. Von den Lurendreyers.

f) Erſte Verordnung zu Formirung der Oſt-Jn-

diſchen Compagnie von 1616. Neue Octroy von

1698. Revenuen des Kaͤnigs davon. Vermehrung des

Capitals durch eine Aſſociation von 1728.

g) Der Gvineiſchen Compagnie Urſprung un-

ter Friedrich III. 1658, der Weſt-Jndiſchen unter Chri-

ſtian V. 1671, ihre Vereinigung 1680.

h) Pontoppidan rechnet die Ausfuhr aus Daͤne-

mark jaͤhrlich auf 3. 100.000. Rthl., was nach Nor-

wegen und Jsland geht mit begriffen.

i) Seit Endigung des Schwediſchen Krieges ſoll

die Anzahl der Daͤniſchen Schiffe und Seeleute, und

das quantum der ausgefuͤhrten Waaren noch einmal

ſo hoch geſtiegen ſeyn, als es ſonſt geweſen.

k) Der

[275/0289]

Daͤnemark.

k) Der Verfall des Norwegiſchen Handels iſt

America zuzuſchreiben. Siehe uͤberhaupt Holberg,

Cap. VIII. und Pontoppidan, Th. II. Cap. X.

§. 17.

Man rechnet in Daͤnemark nach Mark

und Schillingen. 16. Schillinge machen 1. Mark

das iſt 4. ggr. 6. Pf. und 6. Siebentheil. Die

uͤbrige gangbare Muͤnzen ſind Ducaten, Kro-

nen zu 4. M. halbe Kronen, 12. Schillingſtuͤcke,

8. Schillingſtuͤcke, Duͤtchen zu 6. Sch. und Fyrke,

deren 4. 1. Sch. betragen.

a) 1. Mark Daͤniſch verhaͤlt ſich zu 1. Mark Luͤ-

biſch wie 1. zu 2., 1. Mark Luͤbiſch zu 8. ggr. wie 8.

zu 7., 1. Mark Banco oder Species zu 1. Mark

courrent wie 8. zu 7. folglich 1. M. Banco zu 8. ggr.

wie 4. zu 3.

b) Streit wegen der neuen 12. Schillingſtuͤcken mit

Hamburg.

c) Vom Daͤniſchen Muͤnzweſen ſiehe Pontoppi-

dan, II. 167. und noch weitlaͤuftiger Holberg, Cap.

IX. Bl. 681.

4. Staatsrecht.

§. 18.

Seit dem die Arve-Enevolds-Rege-

rings-Acte als die letzte Handfeſtninge Koͤnig

Friedrichen III. im Jahr 1660. zuruͤckgegeben

worden; ſind alle ehemalige Reichsgrundgeſetze

erloſchen

S 2

[276/0290]

Daͤnemark.

erloſchen, und iſt an deren Stelle das von Frie-

drich III. d. 14. November 1665. unterſchriebene,

und von Friedrich IV. d. 4. September 1709.

publicirte Koͤnigliche Geſetz (Lex Regia) ge-

treten, welches als ein vollkommenes, unbeweg-

liches und unwiderſprechliches Geſetz und Ver-

ordnung zu ewigen Zeiten gehalten und geachtet

werden ſoll.

a) Dieſe Lex Regia iſt auf Koͤnigliche Koſten von

Michael Auguſt Roͤg aus dem Original auf das ſau-

berſte abgeſchrieben, von C. von Moͤinichen mit aller-

hand Vignetten und andern Zierrathen auf allen Raͤn-

den ausgeſchmuͤckt, und von A. Reinhard in Kupfer

geſtochen worden. Der Schatz der hieſigen Univerſi-

taͤts-Bibliotheck pranget auch mit dieſem Kleinode,

und iſt deſſen vollſtaͤndiger Titul folgender:

LEX REGIA Det er: Den Souveraine KONGE-

LOV, ſat og given af den Stoormegtigſte Höjbaar-

ne Fyrſte og Herre Herr FRIDERICH den TREDIE

af Guds Naade Konge til Danmark og Norge, de

Wenders og Gothers, Hertug udi Schlesvig, Hol-

ſten, Stormarn, og Dithmarſchen, Greve udi Ol-

denburg og Delmenhorſt; og af Hans Maj. under-

skreven d. 14. Novemb. 1665. ſom den Stoormeg-

tigſte Höjbaarne Fyrſte og Herre Herr FRIDERICH

den FIERDE af Guds Naade, Konge til Dan-

mark og Norge, de Wenders og Gothers, Hertug

udi Schlesvig, Holſten, Stormarn, og Dithmarſchen,

Greve udi Oldenborg og Delmenhorſt allernaadigſt

haver befalet ved offentlig Tryk at vorde publice-

ret. d. 4. Septemb. Aar. 1709. in Landkarten Format.

§. 19.

[277/0291]

Daͤnemark.

§. 19.

Der jetztregierende Koͤnig von Daͤnemark

Friedrich V. ein Sohn Koͤnig Chriſtians VI.

und der Prinzeßinn Louiſe Sophie Magdale-

ne von Brandenburg-Culmbach iſt gebohren

1723. und kam zur Regierung 1746. Er hat ſich

mit der Koͤniglichen Prinzeßinn von Groß-Bri-

tannien Louiſe 1743. vermaͤhlet, aus welcher

Ehe der Kronprinz Chriſtian 1749. und zwo Prin-

zeßinnen Sophia Magdalena und Wilhelmi-

na Carolina erzielet worden.

§. 20.

Der vollſtaͤndige Titul des Koͤniges iſt:

Friedrich V. von Gottes Gnaden Koͤnig in Daͤ-

nemark und Norwegen, der Wenden und Go-

then, Herzog zu Schleswig, Holſtein, Stor-

marn und Ditmarſen, Graf zu Oldenburg

und Delmenhorſt.

1. D. CHRISTIANI LUDOVICI SCHEIDII

diſſ. de Regii Vandalorum tituli Auguſtiſſimis Da-

niae Regibus iam pridem familiaris origine et cauſ-

ſa, Hauniae 1743.

a) Chriſtoph von Bayern ließ ſich Archirex Regni

Daniae nennen, Hrn. H. Schmauſſens Einl in die

Staats-Wiſſenſchaft, Theil II, Bl. 4. aus CY-

PRAEI Annal. Epiſc. Slesvic. p. 371.

b) Ob Wenden mit Recht Vandalorum uͤberſetzt

werde.

c) Man findet Muͤnzen und Diplomata, worauf

Rex

S 3

[278/0292]

Daͤnemark.

Rex Daciae und Slauorum ſtatt Daniae et Vandalo-

rum ſtehet.

d) Zanck mit Schweden uͤber Gothorum und Got-

torum Rex. Siehe uͤberhaupt Pontoppidan, II. 6.

§. 21.

Das Koͤnigliche Wappen wird durch das

Danebrogiſche Creutz qvadrirt, und iſt mit ei-

nem Mittel- und Herzſchilde verſehen. Jm letz-

tern zeigen ſich die Oldenburgiſche 2. Qverbal-

ken und das Delmenhorſtiſche Creutz; im Mit-

telſchilde erblickt man das Holſteiniſche Neſſel-

blat, den Stormariſchen Schwan und den

Ditmarſiſchen Reuter. Das Hauptſchild praͤ-

ſentiret die 3. Daͤniſche Leoparden, den Nor-

wegiſchen Loͤwen mit der Helleparte, die 3.

Schleswigiſchen Loͤwen und den Wendiſchen

Lindwurm.

a) Die Daͤniſche Leoparden ſind unter Wolde-

mar II. wo nicht erſt aufgekommen; doch wenigſtens

erſt recht mode geworden.

b) Die 3. Kronen wurden das Wappen der Cal-

mariſchen Union Seit deren Aufhebung fuͤhrte es

Schweden eine Zeitlang allein, biß Chriſtian III. 1548.

es dem Daͤniſchen ei verleibte. Die blutige Strei-

tigkeiten daruͤber ſind bekannt Die Schweden erwei-

ſen, daß ihre Koͤnige vor der Union es ſchon gefuͤhret,

die Daͤnen aber wollen von ihren Koͤnigen ein gleiches

behaupten.

c) Warum Friedrich IV. das Schleswigiſche Wap-

pen aus dem Mittel-in den Hauptſchild verſetzet. Sie-

he

[279/0293]

Daͤnemark.

he Holberg, Cap. X. Bl. 711. und Pontoppidan,

II. 200.

§. 22.

Seit der Erbmonarchie iſt ſowohl die An-

zahl der Hofbedienten, als die Pracht des Hof-

ſtaats anſehnlich vergroͤſſert worden. Chriſtian

V. hat auch die 2. alte Ritterorden erneuert,

und ihre Statuten vermehret. Der vornehm-

ſte davon heißt der Elephanten-Orden, und

ruͤhrt wahrſcheinlich aus dem 12. Jahrhundert

von Canut VI. her, der andre iſt der Danebrog-

Orden, und iſt von Waldemar II. oder dem

Sieger geſtiftet. Der erſte wird das blaue Band

genennt, hat nach den Statuten 30. Ritter, und

wird nur an Perſonen vom hohen Adel oder den

hoͤchſten Aemtern, und der Evangeliſchen Reli-

gion zugethan, verliehen. Den andern nennt

man das weiſſe Band, er beſteht ordentlich aus

50. Rittern. Alle Ritter vom Elephanten-Or-

den muͤſſen vorher Ritter des Danebrog-Ordens

geweſen ſeyn Beyde haben auch ihre praͤchti-

ge Ordensketten.

a) Holberg, Cap. XIV. Bl. 790. Pontoppi-

dan, II. Cap. 4. Voyage en Danemarc, p. 440-452.

§. 23.

Jn den aͤltern Zeiten iſt Daͤnemark erblich

geweſen, in dem 16ten und 17ten Jahrhundert

wurde die Einwilligung der Staͤnde zur Thron-

folge

S 4

[280/0294]

Daͤnemark.

folge je laͤnger, je nothwendiger. Durch das

unveraͤnderliche Koͤnigsgeſetz iſt feſtgeſtellt: 1)

Der Regent ſoll der unverfaͤlſchten Augsburgi-

ſchen Confeßion zugethan ſeyn, 2) von Friedrich

III. in abſteigender Linie abſtammen, 3) recht-

maͤßig und ehelich gebohren ſeyn. 4) Das Reich

iſt untheilbar. 5) Die aͤltere Linie hat allezeit

vor der juͤngern, 6) die naͤhere Linie vor der

mehr entfernten, 7) das maͤnnliche Geſchlecht

vor dem weiblichen, 8) und eine Prinzeßinn aus

maͤnnlichen Stamme vor einem Prinzen aus

weiblichen Stamme den Vorzug.

a) Der hiſtoriſche Streit zwiſchen Johan Buno

und dem Baron Olaus von Roſenkranz uͤber die

Erblichkeit der Daͤniſchen Krone verwandelt ſich in Anſe-

hung des letztern in einen fatalen Criminal Proceß.

b) Wem aus dem Koͤniglichen Geſchlecht das

Erbrecht offen bleiben ſoll, deſſen Namen und

Geburtstag muß dem regierenden Koͤnige ſtracks

kund gethan, und daruͤber ein Inſtrumentum in-

ſinuationis begehret werden, Lex Reg. art. 39.

c) Wenn der Reichserbe bey Erlangung der

Krone ſich auſſerhalb des Reichs befindet, ſo

ſoll er innerhalb 3. Monathen ſich darinnen ein-

finden, oder es ſoll die Krone auf den naͤchſten

in der Linie fallen Lex Reg. art. 23.

d) Daß ſchon ein Aſt der Nachkommenſchaft Frie-

drichs III von der Thronfolge ausgeſchloſſen worden.

e) Daß das Daͤniſche Koͤnigliche Geſetz die voll-

kommenſte Reichs-Erbfolge-Ordnung in der ganzen

Welt ſey.

§. 24.

[281/0295]

Daͤnemark.

§. 24.

Das muͤndige Alter des Koͤnigs ſoll

das 14te Jahr ſeyn, wenn er nehmlich

nach zuruͤckgelegtem 13ten Jahre das 14te

angefangen. Die Vormundſchaft ſoll nach

der ſchriftlichen Verordnung des letztabge-

lebten Koͤnigs beſtellet werden. Jn deren Er-

mangelung ſoll die verwittwete Koͤniginn, wel-

che des unmuͤndigen Koͤnigs leibliche Mutter iſt,

ſo ferne ſie ſich nicht wieder verehelichet; ſonſt

aber der nechſte Prinz von Gebluͤte, welcher

im Reiche perſoͤnlich gegenwaͤrtig iſt, und alle-

zeit anweſend ſeyn kann, das Reich adminiſtri-

ren. Doch ſollen in beyden Faͤllen die 7. vor-

nehmſte Koͤnigliche Miniſtri zu Huͤlfe und Bey-

ſtand genommen, und alles durch die mehreſte

Stimmen ausgemachet werden, wobey die Re-

gentinn oder der Regent 2. Stimmen haben ſoll:

Jſt keine Koͤniginn oder kein Prinz vom Gebluͤ-

te vorhanden, ſo ſollen die 7. Miniſtri mit glei-

cher Macht und Auctoritaͤt das Reich admini-

ſtriren.

a) Lex Regia, art. 8. biß 15.

§. 25.

So bald ein Koͤnig mit Tode abgehet, faͤllt

dem nechſten Anverwandten in der Erblinie Kro-

ne und Scepter nebſt dem Titul und der Ge-

walt eines erblichen Monarchen gleich denſelben

Augen-

S 5

[282/0296]

Daͤnemark.

Augenblick zu, ſo daß keine weitere Uebergebung

auf einige Weiſe noͤthig iſt; nichts deſtoweniger

ſoll ein Koͤnig mit chriſtlichen und anſtaͤndigen

Ceremonien geſalbet werden, und kann er ſich

auch waͤhrender Minderjaͤhrigkeit ſalben laſſen.

a) Die Urſache fuͤgt Art. 16. des Koͤniglichen Ge-

ſetzes hinzu: damit die Welt erkenne, wie die

Koͤnige von Daͤnemark und Norwegen es fuͤr

den groͤßten Ruhm ſchaͤtzen, ſich Gott zu unter-

werfen, und vor die allerhoͤchſte und groͤſſeſte

Macht halten, von dem allerhoͤchſten Gott durch

die Diener ſeines Wortes zu gluͤcklichem Antrit

ihrer Regierung durch einen heiligen Seegen

geweyhet zu werden.

b) Die Reichs-Jnſignien werden in Roſenburg

verwahrt. Man ſchaͤtzet die Krone allein auf 700.000.

Rthlr. Pontoppidan, I. 38.

b) Die Catholiſche Ceremonien bey der Kroͤnung

ſchaffte Chriſtian III. ab, und ließ ſolche durch Johann

Bugenhagen oder Pomeranum nach Evangeliſcher Weiſe

einrichten. Siehe Progr. Lipſienſe ad orationem Pa-

negyricam, qua Friderico V. inaugurationis et coro-

nationis ſollemnia gratulatus eſt FRIDERICUS

CHRISTIANUS A KRAGH, Lipſ. 1747. fol.

§. 26.

Die Regierungsform war ſonſt einge-

ſchraͤnkt, und die wichtigſte Reichsgeſchaͤfte wur-

den auf den Reichstagen (Herrendage, oder

Danenhoeve) mit Bewilligung der 4. Reichs-

ſtaͤnde, des Adels, der Geiſtlichkeit, der Buͤr-

gerſchaft und des Baurenſtandes beſchloſſen.

Nach

[283/0297]

Daͤnemark.

Nach und nach wuchs der Adel den uͤbrigen

Staͤnden und ſelbſt den Koͤnigen zu Kopf, end-

lich 1660. ward der Koͤnig unumſchraͤnkt, da alle

4. Staͤnde des Reichs Friedrichen III. und allen

ſeinen maͤnnlichen und weiblichen Nachkommen

alle Rechte der Majeſtaͤt, unumſchraͤnkte Ge-

walt, Souverainetaͤt und alle koͤnigliche

Herrlichkeiten und Regalien ungezwungen,

und ohne einiges des Koͤnigs Anreitzen, Zu-

muthen und Begehren aus eigenem freyen

Willen und wohlbedachtem Rath aufgetra-

gen und uͤbergeben.

Nunmehr iſt der Koͤnig von Daͤnemark

an kein menſchliches Geſetz gebunden, er er-

kennet keinen Obern und Richter weder in geiſt-

lichen noch weltlichen Sachen als allein den eini-

gen Gott, hat die hoͤchſte Gewalt Geſetze zu

geben und abzuſchaffen, iſt die Qvelle

aller Titul, Wuͤrden, Ehrenaͤmter und

Dienſten; hat das hoͤchſte Recht des

Krieges, Friedens, der Buͤndniſſe und der

Auflagen, die hoͤchſte Gewalt in geiſtlichen

Sachen, und ſtehet bey ihm allein, alle Rech-

te und Regalien der Majeſtaͤt zu ſeinem Nu-

tzen und Beſten anzuwenden. Er kann, als

ein ſouverainer und abſoluter Monarch, von

den Unterthanen mit keinem Eyde oder vor-

geſchriebener Obligation verbunden werden.

Kurz: er iſt ein freyer, ſouverainer, allerhoͤch-

ſter und in allem vollkommene Macht haben-

der Monarch und Erbkoͤnig.

Nor-

[284/0298]

Daͤnemark.

Norwegen iſt ſeit 1537. der Krone Daͤne-

mark incorporirt, und ſeit dem als eine unterwor-

fene Provinz angeſehen worden.

a) Lex Regia ab init. et art. 1-7.

b) Voyage en Danemarc, p. 85: Danemarc eſt

le païs où regne le Gouvernement le plus abſolu de

l’ Europe et en même tems le plus legitime: les peu-

ples ayant renoncé à toute ombre de liberté d’ une

maniere ſi authentique qu’ils ne doivent s’en pren-

dre qu’à eux mêmes, s’ils ſe trouvent trop chargés.

c) Wie ſehr den Koͤnigen vor 1660. ſo gar in An-

ſehung ihrer eigenen Domainen die Haͤnde gebunden

geweſen, ſiehe Holberg in ſeiner Daͤniſchen Reichs-

Hiſtorie bey Beſchreibung der Revolution, Th. III.

Bl. 445.

d) Von der Norwegiſchen Jncorporation, eb. daſ.

Th. II. Bl. 367.

§. 27.

Es giebt in Daͤnemark keine Herzogliche

oder Fuͤrſtliche Familien. Der Grafen- und

Freyherrntitul iſt erſt von Chriſtian V. 1671.

eingefuͤhret. Der niedere Adel hergegen iſt zahl-

reich, und zum Theil auslaͤndiſcher Herkunft.

Sonſt war das Anſehen und die Privilegia des

alten Adels auſſerordentlich groß. Durch die

Einfuͤhrung der Erbmonarchie fiel alles biß auf

einige Vorrechte, die ihnen aus Koͤniglicher

Gnade verſtattet worden.

a) Warum keine Herzogliche Familien, Defenſe de

Dan. 90.

b) Von

[285/0299]

Daͤnemark.

b) Von den Grafſchaften und Baronien, Pon-

toppidan, II. 45.

c) Pontoppidan zaͤhlt 113. einheimiſche alte und

neue, nebſt 44. auslaͤndiſchen Adelichen Familien.

d) Von ihrer ehemaligen Macht, Holberg 589.

e) Von ihren jetzigen Privilegien ſiehe die Koͤnig-

liche Verordnungen von 1688. eb. daſ.

f) Wie die Leibeigenſchaft oder Vornede in See-

land durch ein Edict von Friedrich IV. vom 21. Febr.

1702. eingeſchraͤnkt worden.

5. Reichsgeſchaͤfte.

§. 28.

Jn vorigen Zeiten war das hoͤchſte Colle-

gium der Reichsrath, welcher aus 23. adelichen

Reichsraͤthen beſtand, und waren die wich-

tigſte Staatsangelegenheiten zwiſchen den 4. ho-

hen Kronbedienten, dem Reichshofmeiſter, Reichs-

canzler, Reichsmarſchall und Reichsadmiral ge-

theilet. Seit 1660. ward der Staatsrath geſtiftet,

an deſſen Statt 1676. der noch jetzt gebraͤuchliche

geheime Rath errichtet worden. Es dirigiret ſol-

chen gemeiniglich ein Großcanzler, und der Koͤnig

praͤſidiret ſelbſt darinnen. Dieſem Collegio ſind

3. Canzeleyen ſubordinirt, 1) die Daͤniſche, wor-

innen die inlaͤndiſche ſowohl Daͤniſche als Nor-

wegiſche Affairen, 2) die Teutſche, worinnen

die Schleswigiſche, Holſteiniſche, Oldenburgi-

ſche, zugleich aber auch alle auslaͤndiſche Staats-

angele-

[286/0300]

Daͤnemark.

angelegenheiten, 3) die Kriegscanzeley, worin-

nen alles, was die Land- und Seemacht, Feſtun-

gen, Zeughaͤuſer und Seehaͤfen anbetrifft, beſor-

get werden.

a) Holberg, Cap. XV. von den hohen Collegien,

Bl. 803. Pontoppidan, Th. II. Cap. II. Bl. 18.

§ 29

Nirgends iſt die Reformation ſo ruhig voll-

fuͤhret worden, als in Daͤnemark. Das Jahr

1636. iſt der Zeitpunct des abgeſchafften Pabſt-

thums, und 1537. der Zeitpunct der allein herr-

ſchenden Evangeliſchen Lutheriſchen Lehre. Die

Symboliſche Buͤcher ſind nach der heiligen

Schrift die 3. aͤlteſte Symbola, die unveraͤnder-

te Augsburgiſche Confeßion und der kleine Ca-

thechismus Lutheri. Andere chriſtliche Religio-

nen nebſt den Juden werden in gewiſſen Staͤd-

ten und unter beſonderen Einſchraͤnkungen gedul-

det. Der Eifer der Daͤniſchen Koͤnige hat auch

in Jsland und unter den Malabaren das Licht

des Evangelii mit gutem Fortgange angezuͤndet.

a) Friedrich II. warf die Formulum Concordiae

ins Feuer, und ließ ſolche im gantzen Reich verbieten

1580.

b) Man duldet die Reformirten, Catholicken, Ar-

minianer, Mennoniſten, Qvaͤcker und ſeit 1684. auch

die Juden.

c) Den Jeſuiten iſt unter Lebensſtrafe verboten,

ſich im Reiche betreten zu laſſen.

d) Jn

[287/0301]

Daͤnemark.

d) Jn Coppenhagen iſt von Friedrich IV. ein be-

ſonderes Mißions-Collegium zu Bekehrung der Hey-

den errichtet.

e) Siehe uͤberhaupt Pontoppidan, Th. II. Cap.

VII. Bl. 104. Holberg, Cap. IV. Bl. 99.

§. 30.

Die Daͤniſche Geiſtlichkeit beſteht aus

12. Biſchoͤfen, unter welchen zween den Titul

Metropolitanen fuͤhren. Dieſen ſind die 160.

Proͤbſte, und den Proͤbſten die Hardesbruͤder o-

der Stadt- und Dorfpfarrer ſubordinirt. Sie

haben uͤberhaupt reichliche und groͤſſere Einkuͤnf-

te, als in andern Proteſtantiſchen Laͤndern. Die

Proͤbſte viſitiren jaͤhrlich ihre untergebene Geiſt-

liche und Schulbediente, haben die erſte Jnſtanz

uͤber ſie, und halten jaͤhrlich 2mal Conuen-

tum. Die Biſchoͤfe viſitiren ihre Stiftskirchen,

ordiniren die Stiftsgeiſtlichkeit, und halten mit

ihren Proͤbſten zu beſtimmter Zeit Synodum

prouincialem, (Landemode) worinnen ſowohl

Juſtitzſachen uͤber geiſtliche Proceſſe und geiſtli-

che Perſonen als auch ſacra und Miniſterialia

abgehandelt werden. Die Hardesprieſter waͤh-

len, und der Biſchof beſtaͤtiget den Probſt. Die

Biſchoͤfe ſetzt der Koͤnig, deſſen Stifftsfallnings-

mann auch in den Synodis Prouincialibus mit

dem Biſchofe zugleich praͤſidiret.

a) Jn Schleswig allein iſt noch zur Zeit kein Bi-

ſchof; ſondern bloß ein General-Superintendent.

b) Die

[288/0302]

Daͤnemark.

b) Die Einkuͤnfte der Geiſtlichkeit beſtehen in Land-

guͤtern und Zehenden.

c) Die Biſchoͤfe genieſſen uͤberdies ein beſonderes

Cathedraticum, und die Ordinations-Gebuͤhren.

d) Beichtgeld in Daͤnemark abgeſchafft.

e) Jedes Stift hat ſein Collegium von 4. oder 5.

Canonicis, die jaͤhrlich 2mal Tampertag halten, und

darinnen in Cheſcheidungs- und andern Materiis Ju-

ris Canonici ſprechen.

f) Verſorgung der Prieſterwittwen.

g) Siehe uͤberhaupt Pontoppidan, Th. II. Cap.

V. Bl, 76. und Voyage en Danemarc, p. 497.

§. 31.

Jn Daͤnemark gelten keine auslaͤndiſche

Geſetze; ſondern alles wird nach dem Codice

Chriſtianeo, oder dem Daͤniſchen Lowbuch,

(Danske-Low) geſchlichtet, welches herrliche

Werk 1683. publiciret worden. Doch iſt den

Norwegern ihr beſonderes (Norske-Low) 1687.

gegeben, und den Schleswigern das Juͤtiſche

Lowbuch gelaſſen worden.

a) Friedrich III. ließ durch den Staatsrath, Eras-

mum Winding, das Daͤniſche Lowbuch von 1661.

biß 1669. ſammlen, Chriſtian V. ließ es durch die ge-

lehrteſte Leute 5. biß 6. Mal revidiren.

b) Lobſpruch des Daͤniſchen Rechtes aus der Feder

des Daͤniſchen Erzfeindes Molesworths.

c) Beſonderheiten dieſes Geſetzbuches aus Voyage

en Danemarc, p. 292. und 523. und Pontoppidan,

II. 29.

d) Das

[289/0303]

Daͤnemark.

d) Das Nerwegiſche Lowbuch hat ſeinen Stoff

aus dem Daͤniſchen, doch mit ſolchen Veraͤnderungen

die nach dem Unterſchiede der Laͤnder noͤthig geweſen.

e) Das Juͤtiſche Lowbuch iſt von Waldemar II.

1240. publiciret, und hat viel aus dem Roͤmiſchen und

dem Saͤchſiſchen Rechte.

§. 32.

Die Gerichte ſind dreyerley, 1) die Har-

de- und Birktinge ſind ordentlich die erſte Jn-

ſtanz ſo wohl in den Staͤdten, als auf dem Lan-

de. Sie beſtehen aus einem einzigen Richter,

(Herritz-Voigt) der ſeinen Tingſchreiber hat,

und werden woͤchentlich gehalten. Von hier ap-

pellirt man an den Stadtrath oder an die Land-

gerichte, (Landtinge) welche gemeiniglich aus

4. Richtern (Land-Dommers) beſtehen, und

monathlich Seßion halten. Endlich iſt die letz-

te Jnſtanz das hoͤchſte Gericht in Coppenha-

gen, welches faſt das ganze Jahr durch gehal-

ten, und jaͤhrlich im Maͤrz vom Koͤnige ſelbſt er-

oͤffnet wird. Die Proceſſe ſind kurz und wohl-

feil, und in den Tinggerichten pflegt der Bauer

ſein eigener Sachwalter zu ſeyn.

a) Den Tingen ſind in Criminalſachen und Grenz-

irrungen 8. Sandmaͤnner (Veridici) nach Art des

Engliſchen Jury zugeotdnet.

b) Landgerichte ſind zu Ringſtaͤdt in Seeland, zu

Odenſee in Fuͤhnen, zu Wiborg in Juͤtland Jn Nor-

wegen iſt das Ober-Hofgericht.

c)

T

[290/0304]

Daͤnemark.

c) Vor die Hofbediente iſt das Hof- und das Burg-

gericht in Coppenhagen angeordnet.

d) Weiſe Abkuͤrzungen des Proceſſes. Siehe uͤber-

haupt Holberg, Cap. XV. und Pontoppidan, Th.

II. Cap. II.

§. 33.

Die Einkuͤnfte des Koͤnigs beſtehen 1) in

den Domainen, die man unter die anſehnlichſte

in ganz Europa zaͤhlt, und anderen Regalien, 2)

in den Zoͤllen, ſonderlich dem Sund-Coldinger-

und den Norwegiſchen Zoͤllen, 3) in der Acciſe oder

ſo genannten Conſumtion, 4) im Stempelpa-

pier, 5) in der Landſteuer, die entweder nach

den Tonnen hart Korn oder nach dem Pfluge

bezahlt wird, und 6) in dem Antheil an den

geiſtlichen Zehenden. Die Adeliche und die Geiſt-

lichkeit haben einige Befreyungen. Die auſſer-

ordentliche Auflagen ſetzt der Koͤnig nach eigenem

Belieben, dahin gehoͤren Fortifications-Gelder,

Viehſchatzung, Kopf- und Vermoͤgenſteuer.

a) Der Zoll bey der Durchfahrt aus der Nord- in

die Oſtſee wird in allen 3. Meerengen bezahlt, 1) bey

Helſingoͤr, 2) bey Nyborg, 3) bey Fridericia. Helſin-

goͤr hat aber den Hauptzoll, und heißt daher der Daͤ-

niſche Goldberg.

a) Cautel, der Defraudation des Sundzolls vor-

zubeugen.

c) Eine Tonne hart Korn iſt der achte Theil eines

Teutſchen Pfluges. Proportion zwiſchen dem, was

der Amts- und was der adeliche Bauer zahlt.

d) Von

[291/0305]

Daͤnemark.

d) Von den Einkuͤnften ſiehe Pontoppidan,

II. 39.

§. 34.

Noch in dem jetzigen Jahrhundert fanden

ſich bey dem Cammerweſen viele Unbeqvemlich-

keiten, und es gelung erſt Friedrichen IV, die

Rentkammer 1719. in eine ſolche gute Ordnung

zu bringen, daß ſie andern Reichen zum Muſter

dienen kann. Das Cammer-Collegium beſteht

aus 3. Deputirten fuͤr die Finanzen und 6. zu-

geordneten Beyſitzern. Durch dieſe 9. Perſonen

zuſammen wird die ganze Einnahme, durch die 3.

erſteren aber werden allein die Ausgaben beſorget.

Unter dieſem Collegio ſtehet die Cammer-Can-

zeley, das ſind 3. Secretarien, 1. der Daͤniſch-

und Norwegiſchen, 1. der Teutſchen Cammer-

Canzeley, und, 1. der Cameral-Juſtitzſachen.

Die Revenuͤen werden von 17. Rentſchreibern

gehoben, unter welchen alle zu Daͤnemark ge-

hoͤrige Provinzen nach gewiſſe Comptoirs abge-

theilet ſind.

a) Holberg, Cap. XV. Bl. 819.

§. 35.

Von der Daͤnen Tapferkeit hat man zu

verſchiedenen Zeiten ſehr verſchiedentlich geurthei-

let. Ehemals war das Waffenrecht in den

Haͤnden des Adels uud der Staͤdte. Seit der

Erb-

T 2

[292/0306]

Daͤnemark.

Erbmonarchie haben die Koͤnige einen anſehnli-

chen Kriegsſtaat gehalten, und man rechnet die

regulaͤre Truppen auf 30.000. Mann, unter

welchen die Cavallerie ihres gleichen ſuchet. Frie-

drich IV. formirte uͤberdies 1701. eine Landmi-

litz von 15.000. biß 18.000. Mann, welche ſehr

wohl eingerichtet iſt. Er ſtiftete 1714. in Cop-

penhagen eine Cadetten Compagnie von 100.

Mann, er theilte 1717. das Reich in 12. Reu-

ter-Cantons, und erbauete zum Unterricht der

Soldatenkinder 240. Schulen. Das ganze

Kriegsweſen wird durch das General-Land Com-

miſſariat beſorget.

a) Beurtheilung der Daͤniſchen Streitbarkeit, Hol-

berg, Bl 16.

b) Ueberhaupt Holberg, Cap. XI. Bl. 738. und

Pontoppidan, Th. II. Cap. III. Bl. 32.

c) Von der Landmilitz, Voyage en Danemarc, p. 353.

§. 36.

Der Daͤnen Seeruhm iſt ohne Anfech-

tung. Schon in alten Zeiten waren ſie zur See

fuͤrchterlich. Chriſtian IV, der Koͤnig unter den

Seecapitains ſeiner Zeit, brachte die Daͤniſche

Flotte wieder in Anſehen, Chriſtian V. und

Friedrich IV. haben damit groſſe Thaten gethan.

Jn Friedenszeiten werden ungefehr 15. ſeegelfer-

tige Kriegsſchiffe und 5000. Matroſen unterhal-

ten. Jm Kriege kann Daͤnemark biß auf 30.

Kriegs-

[293/0307]

Daͤnemark.

Kriegsſchiffe von der Linie und 20. Fregatten

ausruͤſten, und ſolche mit 12.000. Matroſen be-

mannen. Sie bedienen ſich auch der Pramen

mit gutem Vortheil. Die Schiffsmaterialien

haben ſie im Ueberfluß. Jn Coppenhagen wird

die Flotte verwahrt, woſelbſt auch das treffliche

Land- und See-Arſenal, der Schiffsholm, eine

Seeacademie von 50. Edelleuten, und ein beſtaͤn-

diges Corps von 3000. Matroſen angetroffen

wird. Das See-Commiſſariat beſorget die

Oeconomie, und das Admiralitaͤts-Collegium

die Gerichtsbarkeit und das Commando bey der

Flotte.

a) Die Pramen ſind ſchwimmende Blockhaͤuſer.

Die Daͤnen haben ſolche erfunden, aber auſſer der

Oſtſee ſind ſie nicht zu gebrauchen.

b) Von dem Arſenal, Voyage en Danemarc, 456.

c) Von dem Schiffsholm, eb. daſ. p. 463.

d) Das Matroſen-Corps beſteht in 60. Compagnien,

die in 6. Diviſionen oder Claſſen eingetheilet ſind.

Der Verfaſſer des Voyage en Dan. zieht ihre Einrich-

tung den Franzoͤſiſchen Claſſen vor, p 117. und 122.

6. Staatsintereſſe.

§. 37.

Daͤnemark iſt durch die Errichtung der

Erbmonarchie aus einem maͤßigen Staat ein an-

ſehnliches Reich geworden. Dieſe unumſchraͤnk-

te

T 3

[294/0308]

Daͤnemark.

te Gewalt aufrecht zu erhalten, zugleich aber

auch durch Verbeſſerung der Manufacturen und

Befoͤrderung des Handels das Volk aus der

Armuth und Schlaͤfrigkeit zu ziehen, und durch

eine beſtaͤndige Flotte ſowohl ſeine Grenzen zu be-

decken, als beſonders die Herrſchaft im Sunde

zu behaupten, muß kein Mittel verabſaͤumet

werden.

a) Ob die Klagen gegruͤndet ſeyn, daß durch die

Einfuͤhrung der willkuͤhrlichen Herrſchaft die Wiſſen-

ſchaften, der Preiß der Guͤter und der Handel gefal-

len, Voyage en Danemarc, p. 144.

b) Schwuͤrigkeiten im Manufactur- und Commer-

cienweſen.

c) Vorſchlag, zu Sperrung des Sundes eine Ris-

banc bey Kronenburg anzulegen. Voyage en Dan.

p. 181.

Das

[295/0309]

Das VIII. Hauptſtuͤck.

Staat

von

Schweden.

Schriftſteller:

1. (M. HENRICI SO TERI) Suecia, ſiue de Sue-

corum Regis Dominiis et opibus commentarius po-

liticus, Lugd. Batau. 1633. 16.

2. MICHAEL O WEXIONII epitome deſcri-

ptionis Sueciae, Gothiae, Fenningiae et ſubiecta-

rum prouinciarum, Aboae 1650. Jſt wieder aufge-

legt in SIMONIS FRIDERICI HAHNII collectio-

ne monumentorum veterum et recentium, tom. II.

p. 124.

3. Hiſtoriſch-Politiſch- und Geographiſche

Beſchreibung des Koͤnigreich Schweden, II.

Theile, Frankfurt und Leipzig 1708. 8.

4. L’Etat préſent de la Suede traduit de l’ An-

glois de M. ROBINSON, nouvelle Edition augmen-

tée de pluſieurs remarques, à Amſterdam 1720. 8.

Die erſte Franzoͤſiſche Ausgabe iſt ohne Namen

des Verfaſſers ſchon 1695. 12. gedruckt worden.

1.

T 4

[296/0310]

Schweden.

1. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Die alte Voͤlker in Schweden werden un-

ter dem Namen der Gothen durch ihre

groſſe Wanderungen, und das Land ſelbſt durch

die Annehmung des Chriſtenthums, und durch

die Vereinigung des Schwediſchen und Gothi-

ſchen Reichs im XI. Jahrhundert den Auslaͤn-

dern bekannt. Doch laſſen die innerliche Unru-

hen das Reich zu keinen Kraͤften kommen.

Magnus Smeeck bringt zwar durch Vermaͤh-

lung Norwegen, und durch den Krieg mit Daͤ-

nemark Schonen aus Reich, aber auch durch

ſeine uͤble Regierung ſich und ſeine Familie um

Krone und Seepter. Albrecht von Mecklen-

burg wird zum Koͤnige erwaͤhlt; allein Mar-

garetha, Erbinn von Daͤnemark und Norwe-

gen, zwingt ihn, Verzicht auf Schweden zu

thun, und vereiniget darauf 1397. alle 3. Nor-

diſche Reiche.

§. 2.

Dieſe Zeit der Vereinigung faͤllt den Schwe-

den zu einer unertraͤglichen Laſt. Carl Cnut-

ſon, der zuletzt noch Koͤnig wird, und die Stu-

ren machen den Daͤnen die Krone verſchiedene

Mal ſtreitig, endlich nach dem Stockholmer

Blutbade 1520. gelingt es den Schweden, ſich

der Daͤniſchen Dienſtbarkeit zu entreiſſen.

§. 3.

[297/0311]

Schweden.

§. 3.

Guſtav Waſa bringt die Krone 1521. auf

ſein Haupt, und nach gluͤcklich vollendeter Kir-

chen-Reformation auch auf ſeine maͤnnliche

Nachkommenſchaft 1544. Allein ſeine Theilung

des Reichs, die wunderliche Regierung Erichs

XIV. und die Papiſtiſche Maximen Johannis

und ſeines Sohnes Sigismunds, des Koͤ-

nigs von Polen, verwickeln das Reich in ſchreck-

liche Unruhen, welche endlich Carl IX. und ſein

Sohn Guſtav Adolph daͤmpfen. Dieſer groſ-

ſe Held macht die Schwediſche Waffen den

Ruſſen, welche auf Jngermannland und Liefland

renuntiiren, den Polen und dem Kayſer furcht-

bar, und ſeine Tochter Chriſtina erwirbt 1645.

Jempteland, Herrendalen, die Jnſuln Goth-

land und Oeſel von Daͤnemark; und 1648.

Vor-Pommern, Bremen, Vehrden und Wiß-

mar vom Teutſchen Reiche, dankt aber halb

aus Furcht und halb freywillig ab, und huͤlft

ihrem Vetter Carl Guſtaven dem Zweybruͤ-

cker zur Krone 1654.

§. 4.

Carl Guſtav kriegt mit groſſem Gluͤck ge-

gen Polen und Daͤnemark. Jenes renunciiret

auf Liefland, und dieſes muß Schonen, Hal-

land, Bleckingen und Bahuslehn abtreten, und

die Schweden vom Sundzolle frey erklaͤren.

Carl XI. nimt eine grauſame Reduction der ver-

aͤuſſer-

T 5

[298/0312]

Schweden.

aͤuſſerten Cammerguͤter vor, und macht ſich ab-

ſolut, Carl XII. ſtirbt nach vielen 9. Jahr gluͤck-

lich, und 9 Jahr ungluͤcklich gefuͤhrten Krie-

gen, und laͤßt das Reich in letzten Zuͤgen, und

den Waſiſchen Stamm ohne maͤnnliche Erben

1718.

§. 5.

Die Reichsſtaͤnde waͤhlen Ulricam Eleo-

noram, Carls XII. juͤngere Schweſter zur Koͤ-

niginn, und werfen die unumſchraͤnkte Gewalt

durch eine vorgelegte Capitulation uͤber den Hau-

fen 1719, laſſen aber doch zu, daß die Koͤniginn

ihrem Gemahl Friedrichen, Erbprinzen von

Heſſen-Caſſel, die Regierung uͤbertraͤget 1720. Un-

ter ihm erhohlt ſich das Reich in einer 20jaͤhri-

gen Ruhe, welche zwar durch den ungluͤcklichen

Krieg mit Rußland 1741. unterbrochen; aber

1743. durch Abtretung eines Diſtriets von Finn-

land, und durch die bedungene Wahl des Thron-

folgers Adolph Friedrichs aus dem Hauſe Hol-

ſtein wieder befeſtiget wird.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 6.

Schweden iſt nach Rußland das weitlaͤuf-

tigſte Reich in Europa. Die Ruſſen und Daͤ-

nen ſind ſeine Nachbaren. Eigentlich aber

ſtoͤßt es an Norwegen, an das Daͤniſche und

Rußi-

[299/0313]

Schweden.

Rußiſche Lappland und an das Rußiſche Finn-

land. Die andere Grenzen macht die Nordſee,

der Sund und die beyde groſſe Meerbuſen der

Oſtſee, der Bothniſche und der Finniſche.

a) Zu Lande iſt es gegen Norwegen durch eine Ket-

te von ungeheuren Gebuͤrgen verwahrt.

b) Von der Seeſeite hielte man eine feindliche

Landung wegen der viel Meilen langen Scheeren

gar unmoͤglich; aber die Ruſſen haben das Gegen-

theil bewieſen.

§. 7.

Das Clima iſt ſo kalt, daß das Land o-

ben gegen Norden faſt unwohnbar wird. Schwe-

den hat viele und groſſe Seen, Moraͤſte, Ge-

buͤrge und Waldungen, ſo daß wohl der halbe

Theil des Landes zum Anbau unbeqvem iſt.

§. 8.

Schweden beſteht eigentlich aus dem Koͤ-

nigreiche Schweden an ſich ſelbſt und aus dem

Großfuͤrſtenthum Finnland. Jenes wird wie-

der in drey Provinzen, als Schweden, Goth-

land und Nordland eingetheilt. Zu Schweden

gehoͤren die 5. Landſchaften 1) Upland, 2) Suͤ-

dermannland, 3) Weſtermannland, 4) Neri-

cien und Dalecarlien; zu Gothland 1) Oſt-Goth-

land, 2) Weſt-Gothland 3) Suͤder-Gothland;

zu Nordland 1) Geſtricien, 2) Helſingen, 3)

Angermannland 4) Meddelpad, 5) Jempter-

land

[300/0314]

Schweden.

land, 6) Bothnien, 7) Lappland. Von Finn-

land haben zwar die Ruſſen ein Stuͤck abgeriſ-

ſen; doch iſt der groͤſſere und fruchtbarere Theil

noch in Schwediſchen Haͤnden.

§. 9.

Die ſuͤdliche Schwediſche Provinzen ſind

zum Theil an allerhand Getreyde, und Schaͤ-

fereyen geſegnet. Allein das Getreyde iſt doch

lange nicht zureichend, und die wenige Wolle

zum Verarbeiten ſehr grob. Schweden leydet

uͤberdies Mangel an Salz, die Gartenfruͤchte

verliehren je hoͤher herauf, je mehr Geſchmack

und Guͤte. Hingegen zeigt ſich ein Ueberfluß

an Fiſch- und Fluͤgelwerk, Wildpret und wil-

den Thieren. Die Pferde haben ſie zwar nicht

groß, aber doch dauerhaft, und ſowohl als das

Hornvieh zureichend. Man hat nunmehr auch

Flachs, Hanf und Taback zu bauen angefan-

gen. An Bauholz und an den Bergwerken

hat das Land einen groſſen Schatz. Die Ei-

ſenbergwerke ſind unerſchoͤpflich, an den Kupfer-

minen aber befuͤrchtet man einen Abgang Man

findet auch Silber, Bley, Alaun, Vitriol,

Schwefel und Kreyde darinnen.

a) Der Sommer iſt kurz, aber ſo heiß, daß das

Getreyde in weit wenigerer Zeit als bey uns reifet.

b) Brod von Birk- und Fichtenrinden, Stroh und

Wurtzeln.

c) Finnland das Ruͤbenland.

d) Ueberfluß an Lachſen, Hechten und Stroͤmlin-

gen

[301/0315]

Schweden.

gen. Der Sinus Bothnicus iſt reich an Seehun-

den.

e) Alles Vieh faͤllt wegen der Kaͤlte kleiner.

f) Allerhand rare Pelzwerke, doch nicht in

groſſer Menge. Nutzen aus den Nordlaͤndiſchen

Rennthieren.

g) Flachs ſonderlich in der Provinz Helſingen.

h) Von den Metallen und Mineralien und uͤber-

haupt von Schwedens Mangel und Ueberfluß ſiehe

Beſchreibung von Schweden, Th. I. Cap. I, und

ROBINSON, ch. I.

§. 10.

Stockholm iſt der Sitz des Reichs, eine

groſſe und praͤchtige Stadt, die auf 6. Jnſuln

erbauet iſt. Die vornehmſte Koͤnigliche Luſt-

und Jagdſchloͤſſer ſind Carlsberg, Ulrichsthal,

Drontingsholm, Swartioe, Grypsholm,

Stroͤmholm, Kungsoͤhr, Kungslena und Wen-

dersborg, die alle an angenehmen Stroͤmen o-

der Seen liegen, ſo daß man mehrentheils ſo-

wohl zu Waſſer als zu Lande hinkommen kann.

§. 11.

Die Schwediſche Feſtungen ſind faſt

durchgaͤngig zugleich Seehaͤfen, unter dieſen

ſind nach Stockholm die merkwuͤrdigſte Gothen-

burg, Warberg, Halmſtadt, Landskron, Mal-

moe, Chriſtianſtadt, Carlskron, Calmar.

a) Stock-

[302/0316]

Schweden.

a) Stockholm iſt ein vortrefflich geraͤumiger und

ſicherer Hafen, hat aber 3. groſſe Fehler.

b) Daher iſt von Carl XI. der neue Hafen Carls-

kron ſeit 1679 mit ſchweeren Koſten angeleget wor-

den, welcher dennoch auch ſeine Unbeqvemlichkeiten

hat.

1. (ERICI Comitis à DAHLBERG) Suecia an-

tiqua et hodierna. III. tomi, fol. Dieſes koſtbare

Werk iſt vor 1708. nicht herausgekommen, es beſteht

aus 353. Kupferſtichen. P. Lagerlof und nach ihm

der Koͤnigliche Hiſtoriographus Hermelin haben eine

vollſtaͤndige Geographiſche Beſchreibung dazu zuverfer-

tigen angefangen, aber ſeit ihrem Abſterben iſt das

Werk ins Stecken gerathen.

§. 12.

Seit dem in jetzigem Jahrhundert verſchie-

dene herrliche Nebenlaͤnder von der Krone ab-

gekommen, iſt Schweden faſt gaͤnzlich in ſeine

alte und natuͤrliche Grenzen wieder eingeſchraͤnkt

worden. Doch iſt ihm von ſeinen Conqveten

das Bahuslehn in Norwegen, ein Stuͤck von

Vor-Pommern und die Stadt Wismar uͤbrig

geblieben.

1. Erich Tunelds Geographie von Schweden,

Finnland und den Schwediſchen Provinzen in

Teutſchland iſt zu Stockholm 1747. 8. in Schwedi-

ſcher Sprache herausgekommen; aber noch nicht in

eine allgemeinere Sprache uͤberſetzt.

3. Be-

[303/0317]

Schweden.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 13.

Schweden iſt nach Proportion ſeiner Groͤſ-

ſe lange nicht zureichend bevoͤlkert, und der

Mangel an Menſchen iſt durch den 22jaͤhrigen

Krieg in jetzigem Jahrhundert gewaltig vermeh-

ret worden. Die Schwediſche Sprache iſt

aus der alten Gothiſchen und der Nieder-Teut-

ſchen vermiſcht. Finnland hat ſeine eigene

urſpruͤngliche Sprache, welche eine Mutter der

Eſthiſchen, Lettiſchen und Curlaͤndiſchen Spra-

che iſt.

a) Exempel, daß in einer Provinz, die noch nicht

die aͤuſſerſte gegen Norden iſt, kaum 4700 Seelen in-

nerhalb 225. Teutſchen Qvadrat-Meilen anzutreffen.

Goͤtting. Gelehrte Zeit. 1748. Bl. 315 aus Hr. Ber-

chens Diſputation.

b) Von der alten Gothiſchen Sprache, den Ru-

nenſtemen und Runenſtaͤben, den Litteris Runis und

Ulphilanis Siehe uͤber haupt Beſchreib. von Schwe-

den, Th I. Cap. 2.

c) Von der Finnlaͤndiſchen Sprache beſonders,

Webers veraͤndertes Rußland, III. 64.

§. 14.

Ein Schwede iſt wohl gewachſen, und ge-

gen alle Fatiguen gehaͤrtet. Sein Weſen iſt

ernſthaft, und ſeine Auffuͤhrung bedachtſam. Er

lebt vor ſich maͤßig, aber in Geſellſchaft praͤch-

tig

[304/0318]

Schweden.

tig. Er iſt redlich, im Arbeiten unermuͤdet, ſei-

nem Herren gehorſam, und gegen Fremde

gaſtfrey. Man ſoll in Schweden alle Laſter

ſeltener, als das Mißtrauen antreffen.

a) ROBINSON, ch. IV. p. 47. und Beſchreibung

von Schweden, Th. I. Cap. II. Bl. 34.

§. 15.

Die Gelehrſamkeit wird hier ſehr hoch

geachtet. Unter ihren 3. Univerſitaͤten Upſal, Abo

und Lunden iſt die erſte die aͤlteſte und beruͤhm-

teſte. Jn Teutſchland ſteht auch die alte Aca-

demie zu Greifswalde unter Schwediſcher Ho-

heit. Unter Carl XI. iſt 1668. das beruͤhmte

Antiqvitaͤten Collegium, und unter dem jetzigen

Koͤnige Friedrich 1728. eine Societas Regia Lit-

teraria et Scientiarum beyde zu Upſal errichtet

worden. Die Schweden legen ſich ſeit einiger

Zeit hauptſaͤchlich auf die Oeconomiſche Wiſſen-

ſchaften, uud in Unterſuchung der Landes-Al-

terthuͤmer thut es ihnen keine Nation in Euro-

pa zuvor.

a) Wie ſich die Schweden gegen die Beſchuldigung,

daß ſie ferrei ingenii waͤren, verantwortet.

b) Beſondere Einrichtung der weltberuͤhmten Aca-

demie zu Upſal, welche ſonderlich durch Guſtav A-

dolphs und Chriſtinaͤ Freygebigkeit in Aufnehmen ge-

bracht werden.

c) Das

[305/0319]

Schweden.

c) Das Antiqvitaͤten-Collegium iſt auf Koſten des

Koͤnigs errichtet worden. Fortheile der Nation dar-

aus.

d) Privilegia und Bemuͤhungen ber Schwediſchen

Koͤniglichen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften. Schwe-

diſche Bibliotheck, St. IV. Bl. 359.

§. 16.

Vor Guſtav Waſa waren die Schweden nur

mit Ackerbau, Viehzucht, Jagd und Fiſcherey oc-

cupirt. Seit ihm fing man an, die Landes-Ma-

terialien, ſonderlich Metalle und Holz zu verarbei-

ten. Carl XI. war beſorgt, die Kuͤnſte und Handwer-

ker zu vermehren und zu verbeſſern. Jn den neue-

ſten Zeiten hat man auſſerordentliche Muͤhe ange-

wandt, durch Manufacturen, wo nicht Geld

zu verdienen, doch wenigſtens zu erſparen. Al-

les was von Kupfer, Meßing, Eiſen und Stahl

gemacht werden kann, wird in Schweden fa-

bricirt, und haben ſie Stuͤck- und Glocken-Gieſ-

ſereyen, Piſtolen-Carabiner-Muſqveten-

ſchußfreye Bruſtſtuͤcke- und Ankerſchmiedereyen,

und viele Kupfer- und Meßingfabricken. Man

findet auch allerhand Woll-Leinen- und Sey-

den-Manufacturen, Zucker-Salz-Schwe-

fel- und Salpeterſiedereyen, Vitriol- und Alaun-

werke, Glashuͤtten und Porcellanfabricken dar-

innen.

a) Wie Danzig und Luͤbeck ehemals von der Schwe-

den Unwiſſenheit profitirt.

b)

U

[306/0320]

Schweden.

b) Des Herzogs von Alba Grauſamkeit gerieth

Schweden zum Vortheil.

c) Carls XI. Bemuͤhung, aus der Perſiſchen Sey-

de Schwediſche Manufacturen zu machen.

§. 17.

Sonſt trieben die Hanſeſtaͤdte den Handel

auf Schweden, und die Luͤbecker erhielten gar

unter Guſtav Waſa auf eine Zeitlang ein Pri-

vilegium excluſiuum daruͤber. Hernach wur-

den die Hollaͤnder Meiſter vom Schwediſchen

Handel; mußten aber ſolchen bald mit den Engel-

laͤndern theilen. Chriſtina munterte ihr Volk

zuerſt zum eigenen Seehandel auf, unter Carl

XI. ſtieg und fiel der Handel. Seit noch nicht

30. Jahren haben ſich die Schweden mit Macht

darauf gelegt, ſolchen in die Hoͤhe zu bringen.

Sie fuͤhren ihre verarbeitete Metalle, al-

lerhand Holz, Pech, Ther, Potaſche, Sal-

peter, Pulver, Fiſche, Pelzwerk aus. Sie

brauchen Getreyde, Salz, Wein, Brandte-

wein, Gewuͤrze, Wolle, Seyde und verſchie-

dene Manufacturen davon. Man hat auch

durch hohe Zoͤlle und Verboth einiger auslaͤn-

diſchen Manufacturen der Geldverſchwendung

vorgebeuget. Stockholm genieſſet groſſe Vor-

rechte im Handel, und hat eine Banco, wor-

uͤber die Reichsſtaͤnde Eviction leiſten. Ferner

iſt zu Befoͤrderung der Commercien eine Han-

dels-Compagnie nach Oſt-Jndien und der Le-

vante zu Gothenburg 1732. aufgerichtet, welche

ſich

[307/0321]

Schweden.

ſich ſeit 1740. ziemlich aufgenommen. Das

ganze Manufactur- und Handelsweſen ſteht un-

ter der Direction des Commercien-Collegii.

a) Guſtavs Commercientractat mit Franz I. von

Frankreich.

b) Chriſtinaͤ dreyfacher Zolltarif auf die Aus- und

Einfuhr der fremden und einheimiſchen Kaufleute.

c) Carls XI. harte Geſetze gegen auslaͤndiſche Kauf-

leute, die ſich in Schweden geſetzet.

d) Siehe uͤber haupt ROBINSON, XII. 84. und

Beſchreib. von Schweden. Th I. Cap 26.

1. P. J. Marpergers Schwediſcher Kauf-

mann. Wismar, 1706. 8.

§. 18.

Man rechnet ordentlich nach Thaler Silber-

muͤnz und Silberoͤr. 32. Silberoͤr betragen 1. Thlr.

Silbermuͤnz. Es werden Ducaten, ferner von

Silber Carolinen zu 20. Silberoͤr in ganzen,

halben und doppelten Stuͤcken; von Kupfer a-

ber die Kupferthaler und Kupferoͤr in ganzen,

halben, vierthel und ſechsthel Stuͤcken ge-

ſchlagen.

a) Die eingebildete Muͤnzſorten ſind Mark Silber

und Mark Kupfer, welche ſich wie 3. zu 1 verhalten.

6. M. Silber, oder 18. M. Kupfer machen 1. Spec.

Thaler. Jn eben der Pcoportion verhalten ſich auch

die Silberthaler zu den Kupferthalern, und die Sil-

beroͤr zu den Kupferoͤr. Beſchreibung von Schwe-

den, Th. I. Cap. XXV.

b)

U 2

[308/0322]

Schweden.

b) Von den ehemals geſchlagenen Kupferplatten,

und warum deren Ausfuhr verbothen worden.

c) Wie Schweden unter Carls XII. Regierung

durch die elende Muͤnzſorten ruiniret worden.

4. Staatsrecht.

§. 19.

Durch die von Carl XI. dem Reiche auf-

gedrungene unumſchraͤnkte Gewalt wurden die

alte Reichsgeſetze vertilgt. 1718. ſuchten die

Reichsſtaͤnde ſolche wieder hervor, und errich-

teten daraus die von der Koͤniginn Ulrica Eleo-

nora 1719, und von Koͤnig Friedrichen mit eini-

gen Veraͤnderungen 1720. beſtaͤtigte Regie-

rungsform, welche nebſt den aͤltern und neu-

ern Reichstagsſchluͤſſen die Schwediſche Reichs-

grundgeſetze formiret.

a) Die von der Koͤniginn Ulrica Eleonora beſtaͤ-

tigte Regierungsform findet man in Hrn. Hofr.

Schmauſſens Corp. Iur. Gent. Acad. tom. II. p.

1762.

1. Andreas Anton Stiernmann hat aller

Schwediſchen Reichstaͤge und Reichs-Convente

Abſchiede, wie auch Erbvereinigungen, Re-

gimentsformen, Verſicherungen und Bewilli-

gungen ſo von 1521. biß 1727 beſchloſſen worden, in

Schwediſcher Sprache herausgegeben, 4. Baͤnde,

Stockholm, 1728. u. f. in Fol.

§. 20.

[309/0323]

Schweden.

§. 20.

Der jetzt regierende Koͤnig Friedrich, ein

Sohn Carls Landgrafen von Heſſen-Caſſel und

Mariaͤ Amaliaͤ Prinzeßinn von Curland, iſt

gebohren 1676. Seine andere Gemahlinn, Ul-

rica Eleonora, Carls XI. von Schweden juͤn-

gere Tochter, und nach Carls XII. Tode er-

waͤhlte Koͤniginn von Schweden uͤbertrug ihm

nach einer jaͤhrigen Regierung die Krone 1720.

Weil er ohne Erben lebt, ſo haben ſich die

Schweden in der Perſon des Herzogs von Hol-

ſtein und bißherigen Biſchofs von Eutin, A-

dolph Friedrichs, 1743. einen Thronfolger er-

waͤhlt, welcher ſich 1744. mit der Preußiſchen

Prinzeßinn Louiſe Ulrica vermaͤhlet, und durch

Erzielung der beyden Prinzen Guſtavs und

Carls ſeinem Hauſe den Schwediſchen Thron

geſichert hat.

§. 21.

Der Koͤnig titulirt ſich: Friedrich von

Gottes Gnaden Koͤnig in Schweden, der Go-

then und Wenden, Großfuͤrſt von Finnland.

a) Jn den aͤlteſten Zeiten nennten ſich die Schwe-

diſche Regenten Koͤnige von Upſal.

b) Auch eine Zeitlang Herren von Lappland, wor-

uͤber ſo wohl als uͤber den Titul: der Gothen und Wen-

den Koͤnig, mit Daͤnemark Streit entſtanden.

c) Die Schwediſche Titulatur iſt wegen der ver-

ſchiedenen Conqveten und koͤniglichen Familien beſtaͤn-

digen

U 3

[310/0324]

Schweden.

diger Veraͤnderung unterworfen geweſen Siehe

uͤberhaupt JOANNIS LOCCENII antiqu. Sueo.

Goth. cap. IX. f. 59. und J. C. BECMANNI ſyntagma

dignitatum, diſſ. III. cap. II. p. 174.

§. 22.

Das Wappen des jetztregierenden Koͤnigs

iſt qvadrirt, und fuͤhret 3. guͤldene Kronen we-

gen des Koͤnigreichs Schweden, und einen roth-

gekroͤnten Loͤwen wegen des Gothiſchen Reichs

nebſt dem Heſſen-Caſſeliſchen Wappen im Mit-

telſchilde.

a) ELIAS BENNER in theſauro nummorum

Sueo-Gothicorum, tab. I. II. III. und aus ihm

DAHLBERG in Suecia antiqua et hodierna, tom.

I. tab. VIII. erweiſen den Gebrauch der 3. Kronen in

den Schwediſchen Muͤnzen nicht nur aus dem XI.

Jahrhundert; ſondern wollen ſolche gar noch vor dem

9ten Jahrh gefunden haben.

§ 23.

Der Schwediſche Hofſtaat iſt ſeit der

Wahl des Thronfolgers noch anſehnlicher ge-

worden. Man fand ehedem am Schwediſchen

Hofe verſchiedene Ritterorden, ſie waren aber

gaͤnzlich in Abgang gekommen, biß 1748. Koͤ-

nig Friedrich den Seraphinen-Orden, wel-

chen Magnus Smeeck 1334. geſtiftet, den

Schwerdt-Orden, den Guſtav Waſa 1523.

errichtet, und den Nordſtern-Orden wieder er-

neuert hat. Man nennt ſolche das blaue, gel-

be

[311/0325]

Schweden.

be und ſchwarze Band. Alle 3. haben ihre Or-

denszeichen und Deviſen. Der Seraphinen-

Orden iſt der vornehmſte, und die Ritter da-

von ſind zugleich Commandeurs der uͤbrigen

Orden.

a) Alte Orden 1) Brigittinen Orden, 2) Heylands-

Orden von Erich XIV. 1561. geſtifftet, 3) Lamm. Got-

tes Orden von Johann III. 1569. errichtet, 4)

Amaranthen-Orden, von Chriſtina 1651. ausgetheilt,

deren ſaͤmtliche Ordenszeichen, in Suecia antiqua et

hodierna, tom. I. tab. IX. anzutreffen.

b) Siehe uͤberhaupt Mercure hiſt. et pol. 1748.

mois Juin, p. 679.

§ 24.

Schweden war in alten Zeiten ein Wahlreich;

Guſtav erlangte die Erblichkeit vor ſeinen maͤnn-

lichen Stamm 1540. und 1544. Dieſe Erblich-

keit hat ſeit dem viele wichtige Veraͤnderungen

erlitten. Doch iſt allezeit vor dem wuͤrklichen

Antrit der Regierung des Koͤnigs eine Decla-

ration der Staͤnde vorhergegangen. Nun-

mehr hat man feſtgeſetzt:

Daß die maͤnnliche Leibeserben zur Reichs-

folge berechtiget ſeyn ſollen, auf eben

dieſelbe Art, wie es der Reichstags-

ſchluß von 1650. vermag, und darin-

nen enthalten iſt. Art. 3. der Schwe-

diſchen Regierungsform.

a)

U 4

[312/0326]

Schweden.

a) Die alte Wahl geſchahe bey dem Moraſteen,

unweit Upſal.

b) Reichstagsſchluß zu Oerebroe 1540, Erbverein

zu Weſteraas 1544 erweitert zu Noͤrcoͤping 1604, und

zu Stockholm 1627. und 1634, eingeſchraͤnkt 1650.

und 1660, wieder erweitert zu Stockholm 1683. und

durch Carls des XI. Teſtament 1693. und eben deſſen

Succeßions-Ordnung. WEXIONIUS, lib. V. cap.

4. et 5.

1. Sammlung aller wegen der Schwediſchen

Regierungsfolge pro und contra herausgekom-

menen Schriften, Stockholm 1719. 4.

§. 25.

Sonſt war der Antritt des 18ten Jahres

zur Majorennitaͤt des Koͤniges beſtimmt, und

die Kroͤnung wurde zwar ordentlich, aber oft

erſt nach vieljaͤhriger Regierung celebrirt. An-

jetzt iſt der Termin der Volljaͤhrigkeit weiter er-

ſtreckt, der ungewiſſe Kroͤnungstermin aber feſt-

geſtellt, und mit der Uebernehmung des Regi-

ments vereiniget worden:

Es mag keiner den Thron betreten, ehe er

ſeine 21. Jahre voͤllig zuruͤck gelegt, bey

der Staͤnde Zuſammenkunft ſeine Ver-

ſicherung von ſich geſtellet, ſich kroͤ-

nen laſſen, und ſeinen Koͤniglichen Eyd

abgeleget, wie das Schwediſche Geſetz

vermag. Art. III. der Regier. Form.

§. 26.

Die Schwediſche Regierungsform war in

alten

[313/0327]

Schweden.

alten Zeiten eingeſchraͤnkt. Carl XI. machte ſich

abſolut, aber nach Carls XII. Tode ſind die

Majeſtaͤtsrechte in ſehr genau beſtimmte Gren-

zen eingeſchloſſen worden. Der Koͤnig genieſſet

in ihrer vollkommenen Macht und Gewalt

allerdings ungekraͤnkt alle Koͤnigliche Rech-

te, ſo im Schwediſchen Geſetze beſchrieben,

und in der neuen Regierungsform nicht einge-

ſchraͤnket ſind. Art. 8.

a) Carl XI. warf die alte Regierungsform in der

That um, ließ ihr aber noch den Schein. Und den-

noch unterſteht ſich JACOB WILDE in hiſtoria

pragmatica Sueciae, p. 678. zu behaupten: venimus

ad epocham abſolutioris monarchiae (regnante Ca-

rolo XI.) qua abolitum fuiſſe ius publicum, adeo-

que oppreſſa libertate, foedum ſeruitutis iugum

ſubiiſſe Suecos perperam ſeu crediderunt, ſeu pro-

diderunt exteri.

b) WEXIONIUS lib. V. cap. 10. p. 277. ſpecifi-

cirt die vornehmſte Majeſtaͤtsrechte, wie ſie zu Chriſti-

naͤ Zeiten geweſen, aber auch dieſe gelten nicht alle mehr.

c) Ueberhaupt laͤßt ſich von den Einſchraͤnkungen

der Majeſtaͤtsrechte mehr ſagen. Siehe faſt alle Ar-

tickel der Schwediſchen Regierungsform.

§. 27.

Dem Koͤnige iſt ein Reichsrath von 24.

Perſonen zugeordnet, und lieget ihm ob, ſein

Reich mit, und alſo nicht ohne, vielweni-

ger wider der Reichsraͤthe Rath zu regieren,

welche den Koͤnig auch unbefragt und unbe-

ruffen,

U 5

[314/0328]

Schweden.

ruffen, was des Reichs Recht ſey, erinnern,

auch hindern muͤſſen, daß keine Rathſchlaͤge

vor die Hand genommen werden, wodurch

die Staͤnde koͤnnten unterdruͤckt, deren Frey-

heit gekraͤnkt, und das Regiment der unum-

ſchraͤnkten Eigengewalt wieder eingefuͤhret

werden. Art. 13. und 14.

a) Zu den Reichsraͤthen ſchlagen entweder die

Reichsſtaͤnde auf dem Reichstage oder ein Ausſchuß

derſelben 3 Perſonen vor, woraus der Koͤnig einen

ernennet. Art 12.

b) Die Zahl der Reichsraͤthe ward 1731. auf 16.

herunter geſetzt, iſt aber 1734. auf 20. wieder ange-

wachſen.

c) Kein wichtiges und allgemeines Reichsgeſchaͤft

kann ohne Gegenwart von wenigſtens 10. Reichsraͤ-

then beſchloſſen werden. Art. 15.

d) Des Koͤnig Meinung gilt ſo viel als 3. Stimmen

im Reichsrath eb daſ

e) Wenn der Koͤnig verhindert wird, ſo decidiren

die Reichsraͤthe alles, was keinen Aufſchub leidet.

Art. 16.

f) Jn allen hohen Collegiis praͤſidiret ein Reichs-

rath. Art. 18. biß 31.

§. 28.

Es giebt in Schweden 4. Staͤnde des

Reichs, 1) den Adel, wozu auch die Stabs-

officiers biß auf 1. Capitaine von jedem Regi-

ment gerechnet werden, 2) die Geiſtlichkeit, 3)

den Buͤrger- und 4) den Bauernſtand Der

Schwe-

[315/0329]

Schweden.

Schwediſche Adel wird ſeit Erichs XIV. Zeiten

in die Grafen, Freyherren und den niedern Adel

eingetheilt. Die Teutſche Provinzen haben an

der Reichsſtandſchaft keinen Antheil, ſondern

werden als unterworfene Laͤnder, doch ihren

wohlhergebrachten Rechten und Freyheiten un-

beſchadet, regieret

a) Sonſt ging die Geiſtlichkeit dem Adel vor biß

auf die Zeiten Guſtavs Waſa.

b) Jn Schweden iſt kein Bauer leibeigen. Zu

dem Bauernſtande ſind ſonderlich die wohlhabende

Bergleute zu rechnen.

c) Erich XIV creirte zuerſt Grafen und Barons

1561.

d) Chriſtina that den Schwediſchen alten Fami-

lien durch ihre verſchwenderiſche Adels-Ertheilungen

empfindlichen Tort.

e) Jus Nobilitandi eingeſchraͤnkt durch Art 25.

der Schwed Reg. Form.

f) Siehe uͤberhaupt WEXIONIUM, lib. VIII. de

familiis Sueciae illuſtribus, p. 354.

§. 29.

Alle 3. Jahr muß ein Reichstag ausge-

ſchrieben werden. Jeder Reichsſtand hat ſeinen

Anfuͤhrer oder Worthalter. Der Adel waͤhlt

den Reichstags-Marſchall, der Bauernſtand

ſeinen Dalmann. Von Seiten der Geiſtli-

chen iſt es der Erzbiſchof von Upſal, von Sei-

ten

[316/0330]

Schweden.

ten der Buͤrgerſchaft der Juſtitz-Buͤrgermeiſter

zu Stockholm, beyde auf Lebenslang. Jede

adeliche Familie und jeder Stabsofficier, je-

der Biſchof und Superintendent, jede Acade-

mie, alle 10. geiſtliche Kirchſpiele zuſammen und

jeder Bauerndiſtrict hat eine Stimme, die meh-

reſte Staͤdte haben ebenfalls 1, einige 2, Stock-

holm allein 4. Stimmen. Alles was ſeit dem

letzten Reichstage im Reiche vorgefallen, und

vom Reichsrath abgehandelt worden, oder ſonſt

zum Wohl des Reichs dient, wird hier in Be-

rathſchlagung gezogen. Dieſe Reichstagsſa-

chen pflegen ordentlich durch verſchiedene Com-

mißionen, als dem Ausſchuß der Reichsſtaͤnde,

(doch gemeiniglich mit Ausſchluß der Bauern) un-

terſucht zu werden, ehe man ſolche auf dem

Reichstage in pleno beſchlieſſet. Wenn 2.

Reichsſtaͤnde gegen 2. ſind, decidirt der Koͤnig.

Ein Reichstag pflegt ungefehr ein Jahr zu

dauern.

a) Den Reichstag ſchreibt der Koͤnig aus, bey deſ-

ſen Abweſenheit, Verhinderung oder Tode aber der

Reichsrath; bey Abgang der maͤnnlichen Kronerben

kommen die Staͤnde von ſelbſt zuſammen. Art. 26. der

Schwed. Reg. Form.

b) Die auſſerordentliche Reichstage ſetzt der Koͤnig

mit Einwilligung des Reichsraths an.

c) Anzahl der Stimmen in jedem Reichsſtaͤndiſchen

Cdllegio.

d) Die Reichsraͤthe haben keine Stimme.

e) Die

[317/0331]

Schweden.

e) Die verſchiedene Staͤnde, auch ſo gar die Kriegs-

bediente haben ihre beſondere Verſammlungs- und Be-

rathſchlagungs-Oerter. Der vollſtaͤndige Reichstag

aber wird auf dem Reichs-Saal im Koͤniglichen Schloß

gehalten.

f) Siehe hievon mit mehrern WEXIONIUM,

lib. V. cap. 12. p. 290. und Beſchreibung von

Schweden, Th. I. Cap. 15. Bl. 428.

1. JOANNIS LOCCENII ſynopſis iuris publici

Suecani, Gothoburgi 1673. 8.

2. CHRISTIANI NETTELBLADT diſſ. qua

formula regiminis Sueciae de a 1634. cum nouiſſi-

mis de a. 1719. et 20. confertur, et notis illuſtratur,

Gryphisw. 1729.

3. (JACOBI WILDE) Sueciae hiſtoria pragma-

tica, quae vulgo Jus Publicum dicitur, Holmiae

1731. 4.

5. Reichsgeſchaͤfte.

§. 30.

Vermoͤge der alten Regimentsform wur-

den alle in- und auslaͤndiſche Staatsangelegen-

heiten durch den obgedachten dem Koͤnige von

den Reichsſtaͤnden zugegebenen Reichsrath be-

ſorgt. Carl XI. machte nach erlangter abſolu-

ten Gewalt aus dem Reichsraͤthen Koͤnigliche

Staatsraͤthe. Nunmehr iſt alles wieder auf

den alten Fuß geſetzt, und der Reichsrath, wor-

innen der Koͤnig in eigner Perſon praͤſidiret, iſt

das unveraͤnderliche Koͤnigliche Miniſterium.

§. 31.

[318/0332]

Schweden.

§. 31.

Die Schweden ſind ſehr eifrig in der Re-

ligion. Guſtav Waſa ſetzte nach Ueberwindung

unzaͤhliger Schwuͤrigkeiten die Reformation

gluͤcklich durch, welche auch, ungeachtet ſie un-

ter Johanne und Sigismund gefaͤhrliche An-

fechtungen erlitte, dennoch endlich auf dem Con-

eilio zu Upſal 1593. obſiegte, dergeſtalt, daß ſeit

der Religions-Verein 1613. die Evangeliſch-Lu-

theriſche Lehre als die einzige herrſchende und al-

lein erlaubte Religion vom Koͤnige und den

Unterthanen angeſehen werden muß. Bloß

die Reformirte genieſſen in neuern Zeiten, doch

nur in wenigen Staͤdten, den privat Gottesdienſt.

Die Schwediſche Koͤnige haben die Religion

mit der Staatsklugheit zu vereinigen, und durch

ihren vor die wahre Lehre bezeigten Eifer wich-

tige Staatsvortheile zu erlangen gewußt.

§. 32.

Man zaͤhlet 1. Erzbiſchof, 10. Biſchoͤfe und

9. Superintendenten im Reiche, die uͤbrige

Geiſtlichkeit beſtehet in Proͤbſten, Decanis, Ca-

pellanen und Dorfpfarrern. Bey der Vacanz

eines Bißthums und einer Superintendentur

ſchlaͤgt das Capitel 3. Perſonen vor, woraus

der Koͤnig einen ernennet.

a) Von dem Zuſtande der Religion in Schweden,

Beſchreibung von Schweden, Th. I. Cap. XXIII.

und ROBINSON, ch. V. p. 44.

§. 33.

[319/0333]

Schweden.

§. 33

Schweden hat ſich allezeit nach ſeinen ei-

genen und einheimiſchen Geſetzen gerichtet. Koͤ-

nig Chriſtoph von Bayern ließ ſolche ſam-

meln und publiciren 1442. Carl IX. verbeſſerte

ſie 1608. und Guſtav Adolph 1618. Carl XI. ließ

ſelbige ſeit 1686. revidiren, aber die nachfolgen-

de Kriege hinderten den Fortgang dieſes heilſa-

men Werks, biß es unter Koͤnig Friedrichen

aufs neue vorgenommen, und gluͤcklich zu Stan-

de gebracht wurde. Dieſes neue Schwediſche

Geſetzbuch (Sweriges Rikes Lag) iſt auf den

Reichstaͤgen zu Stockholm 1731 und 1734. un-

terſucht, darauf von allen Staͤnden bewilliget

und angenommen, von dem Koͤnige beſtaͤtiget

und 1736. publiciret worden.

a) Von den alten Schwediſchen Geſetzen ſiehe

WEXIONIUM, lib. V. cap. 8. p. 266. und Hr.

Hofr. BUDERI bibliothecam iuris, cap. VI. §. 7.

p. 101.

b) Das neue Geſetzbuch iſt unter folgendem Titul

ins La einiſche uͤberſetzt: Codex legum Suecicarum

ex Suetico ſermone in Latinum verſus a CHRI-

STIANO KOENIG, Holmiae 1736. 4.

§. 34.

Die Staͤdte und Bauerndiſtricte haben

ihre Untergerichte, von welchen an die 12. Land-

oder Provincial-Gerichte, von dieſen aber an

die 3. hoͤchſte ſo genannte Hofgerichte, als das

Schwe-

[320/0334]

Schweden.

Schwediſche zu Stockholm, das Gothiſche zu

Jencoping und das Finniſche zu Abo appelliret

wird. Jn den Dorfgerichten ſind allezeit 12.

Bauern Beyſitzer. Jn den Hofgerichten muͤſ-

ſen die Praͤſidenten aus dem Reichsrath genom-

men werden. Das neue Geſetzbuch enthaͤlt

zugleich die neue Proceßordnung, und ſind die

Proceſſe kurz und ungekuͤnſtelt.

a) Vom Schwediſchen Juſtitzweſen handelt die Be-

ſchreibung von Schweden, Th. I. Cap XXIV.

und ROBINSON, ch. III. p. 27.

b) Von den Gerichten, WEXIONIUS, Lib. V.

cap. 10, p. 278. insbeſondere von den Hofgerichten

Art. 18. der Schwed. Reg. Form.

1. Selecta iuris Suecici praecipue proceſſualia col-

lecta et iunctim edita a CHRISTIANO NETTEL-

BLADT, Jenae 1736. 4.

§. 35.

Vor Guſtav Waſa Zeiten waren die

Reichseinkuͤnfre ſehr geringe. Unter ihm wuch-

ſen ſie durch Einziehung der geiſtlichen Guͤter,

unter Carl XI. ſtiegen ſie durch die Reduction

der veraͤuſſerten Kronguͤter am hoͤchſten. Carl

XII. machte das Reich durch ſeine unerſchwing-

liche Auflagen blutarm. Durch die neue Re-

gierungsform Art. 25. iſt der Staat der ordent-

lichen Reichseinnahme und Ausgaben auf den

Fuß geſetzt, wie er 1696. geweſen. Die Reichs-

einkuͤnfte beſtehen 1) in den eintraͤglichen Do-

mainen

[321/0335]

Schweden.

mainen, 2) in verſchiedenen nutzbaren Regalien,

beſonders 3) in den Bergwerkszehenden und

4) den Zoͤllen, 5) in der Acciſe, 6) in der Kopf-

ſteuer, die vom Buͤrger und Bauer bezahlet

wird, 7) in dem Antheil an den geiſtlichen Ze-

henden. Jn auſſerordentlichen Faͤllen wird ei-

ne Vermoͤgenſteuer ausgeſchrieben, die bald

groͤſſer bald geringer iſt, und davon Niemand

ausgenommen wird.

a) Anmerkung von der jetzigen Einrichtung der Zoͤlle.

b) Die Kopfſteuer wird von Perſonen unter 15.

und uͤber 60. Jahren nicht bezahlt.

c) Die Vermoͤgenſteuer iſt bißweilen biß auf den

5ten Pf. der Revenuͤen gegangen.

§. 36.

Alle Kroneinkuͤnfte flieſſen im Cammer-

Collegio und Staatscomptoir zuſammen, wor-

innen einer von den Reichsraͤthen den Vorſitz

hat, die Gegenrechnung aber wird durch die

Cammer-Reviſion gefuͤhret. Die Diſpoſition der

eingekommenen Gelder dependiret vom Reichs-

rathe. Dem Koͤnige iſt eine maͤßige Summe an-

geſchlagen, welche zu ſeinem alleinigen Gutbe-

finden anheim gelaſſen wird. Die Erhoͤhungen

der Abgaben muͤſſen auf dem Reichstage be-

williget werden.

a) Beſchreibung von’ Schweden, Th. I. Cap.

XII. und ROBINSON, ch. X. p. 66. handeln von dem

Finanzſtaate, geben aber ſehr magere Nachrichten.

§. 37.

X

[322/0336]

Schweden.

§. 37.

Der Schweden Kriegsruhm hat ſich in

den aͤlteſten Zeiten ausgebreitet, und iſt in dem

vorigen Jahrhundert wieder aufgelebet. Carl

XI. errichtete eine Armee von 80.000. Mann.

Durch die langwuͤrige Kriege und verlohrne Ne-

benlaͤnder iſt der Kriegsſtaat zwar ſehr geſchwaͤ-

chet worden; jedennoch ſind anjetzt wuͤrklich 64.

000. Mañ auf den Beinen. Carln XI. ſind auch

die vortreffliche Anſtalten zu danken, daß nirgends

in der Welt mit ſo wenig Beſchweerde des Lan-

des und mit ſo geringen Koſten eine ſo groſſe

Macht beſtaͤndig unterhalten werden kann. Das

Kunſtſtuͤck beſtehet darinnen, daß man eine Na-

tional-Armee als regulaͤre Feldtruppen formiret

hat, die man als eine Landmilitz beſoldet. Doch

ſind die Koͤnigliche Garden, das Artillerie Corps

und die geworbene Regimenter hievon ausge-

nommen. Die groſſe Zeughaͤuſer ſind zu Stock-

holm und Jencoping, wegen der Jnvaliden ſind

auch gute Anſtalten gemacht. Das ganze

Kriegsweſen wird durch den Kriegsrath dirigiret.

a) Die Schotten haben die Schweden das Kriegs-

hanowerk gelehrt.

b) PUFENDORF de rebus geſtis Caroli Guſtaui,

lib. I. §. 50. wo Erich Oxenſtirn ſpricht: equidem Sue-

ciam manibus Guſtaui Adolphi victricibus a com-

temtu vindicatam fatemur.

c) Carl XII. hatte 1701. an wuͤrklichen Combattan-

ten 18. 782. M. Cavallerie, 6. 904. M. Dragoner

und

[323/0337]

Schweden.

und 55. 206. M. Jnfanterie. Siehe uͤberhaupt Be-

ſchreibung von Schweden, Th. I. Cap. XIV. und

ROBINSON, ch. XI. p. 71.

d) Von der Einrichtung des Kriegsraths, Art.

XIX. der Schwed. Reg. Form.

§. 38.

Guſtav Waſa legte den Grund zur Schwe-

diſchen Seemacht, unter Guſtav Adolphen

wurde ſolche anſehnlich, unter Carl XI. noch

weit anſehnlicher. Dennoch haben die Schwe-

den zur See mehrentheils ungluͤcklich gefochten.

24. Kriegsſchiffe von der Linie, 20. Fregatten

und 22.000. Matroſen ſind der jetzige Beſtand

der Schwediſchen Flotte. Dieſe Schiffe wer-

den groͤßtentheils zu Carlskron verwahrt. Alles,

was zu Ausruͤſtung einer Flotte erforderlich iſt,

hat Schweden im Ueberfluß.

a) Von der Schwediſchen Seemacht, WEXIONI-

US, lib. VI. cap. 4. und Beſchreibung von Schwe-

den, eb daſ. Bl. 425.

6. Staatsintereſſe.

§. 39.

Da die abſolute Gewalt der letzteren Koͤ-

nige das Reich ſo ungluͤcklich gemacht, als von

einer eingeſchraͤnkten Regierung nimmermehr

zu befuͤrchten iſt; ſo hat man die jetzige Einrich-

tung

X 2

[324/0338]

Schweden.

tung geſchickter befunden, um dem Reiche wie-

der nach und nach aufzuhelfen. Auf dieſe Art

ſcheint das Jntereſſe der Krone zu erfordern,

und das Jntereſſe des Adels erfordert es noth-

wendig, fuͤr die Erhaltung der heutigen Ver-

faſſung deſto wachſamer zu ſeyn, je leichter ſel-

bige durch innerliche Factionen Anſtoß leiden

koͤnnte. Uebrigens iſt es dem wahren Wohl

des Reichs gemaͤſſer, durch Ruhe, gute Oeco-

nomie und Befoͤrderung des Handels und der

Manufacturen den ruinirten Unterthan wieder

zu Kraͤften zu bringen; als durch Gewalt der

Waffen ſein altes Anſehen und ſeine verlohrne

Laͤnder wieder ſuchen zu wollen.

a) Alte Eiferſucht zwiſchen dem hohen und niedri-

gen, alten und neuen Adel.

b) Gefaͤhrliche Macht des Bauernſtandes.

c) Von den Huͤthen und Nachtmuͤtzen.

d) Wie auswaͤrtige Puiſſancen davon nuͤtzlichen

Gebrauch gemacht.

Die Druckfehler ſollen wegen Mangel des Raums

kuͤnftig im Anhange beſonders angezeiget werden.

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