(I) Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten.

Zweiter Theil.

Verfahren in nicht streitigen Angelegenheiten.

Dritter Theil

Pflichten der Justizbedienten.

Neue Ausgabe

Berlin

Bei G. Reimer.

1822.


(II) (leer)


(III) Inhaltsverzeichniß von dem Zweiten und Dritten Theile der Allgemeinen Gerichtsordnung.

Zweiter Theil.

Von den gerichtlichen Verfahren in nicht streitigen Angelegenheiten.

Erster Titel. Von Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt, und was dazu gehöre.

Seite 4-12.

Zweiter Titel. Von den Verfahren bei den Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt.

S. 12-38.

Dritter Titel. Von dem Verfahren bei Aufnehmung und Bestätigung der Verträge und anderer Verhandlungen unter Lebendigen.

S. 38-64.

Vierter Titel. Von dem Verfahren bei Aufnehmung der Testamente und anderer letztwilliger Verordnungen.

S. 64-73.

Fünfter Titel. Von dem Verfahren bei Siegelungen und Inventuren in Sterbefällen.

S. 73-105.

Sechster Titel. Von dem Verfahren bei Aufnehmung gerichtlicher Taxen.

S. 105-121.


(IV) Inhaltsverzeichniß.

Dritter Theil.

Von den Pflichten der bei der Justiz angesetzten Personen.

Erster Titel. Von den Landesjustizkollegien überhaupt, deren Verrichtungen und Pflichten.

Seite 121-141.

Zweiter Titel. Von dem Amte der Präsidenten und Direktoren.

S. 141-156.

Dritter Titel. Von dem Amte der Räthe bei den Justizkollegien.

S. 156-182.

Vierter Titel. Von dem Amte der Referendarien und Auskultatoren.

S. 182-197

Fünfter Titel. Von den Subalternen bei den Justizkollegien.

S. 197- 228.

Sechster Titel. Von dem Amte der fiskalisch Bedienten.

S. 228-234.

Siebenter Titel. Von dem Amte der Justizkommissarien und Notarien.

S. 234-293.

Achter Titel. Von den Justizbedienten, und Kanzelleireglement.

S. 293-364.


(1) Allgemeine Gerichtsordnung

für die Preußischen Staaten.

Zweiter Theil.

Von dem gerichtlichen Verfahren in nicht streitigen Angelegenheiten.


(2) (leer)


(3) Außer der Instruktion und Entscheidung der eigentlichen Prozesse, ist den Gerichten auch die Besorgung anderer rechtlicher Angelegenheiten der Einwohner des Staats aufgetragen. Dahin gehört besonders

I. die Sorge für diejenigen Personen, welche nach den Gesetzen unter Vormundschaft genommen werden müssen;

II. die Direktion des Hypothekenwesens, und Führung der Hypothekenbücher in denjenigen Provinzen, wo dieses Geschäft nicht etwa, vermöge besonderer Landesverfassungen, Ständischen Kollegien anvertraut ist;

III. die Verwaltung des gerichtlichen und vormundschaftlichen Depositorii;

IV. Die Besorgung der sogenannten Actuum voluntariae jurisdictionis.

Ueber die Angelegenheiten der drei ersten Klassen sind die Gerichte in den ergangenen Vormundschafts-, Hypotheken- und Deposital-Ordnungen mit der nöthigen Anweisung versehen. Ueber das Verfahren aber bei den Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit sollen gegenwärtig nähere Vorschriften ertheilt werden.


(4) Gerichtsordn. II Theil. Erster Titel.

Erster Titel.

Von Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt und was dazu gehöre.

Was Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind.

§. 1.

Zu den Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit werden hier sowohl diejenigen gerechnet, welche, ob sie gleich keine Prozesse sind, dennoch nach vorhandenen gesetzlichen Vorschriften vor Gerichten vollzogen werden müssen; als diejenigen, zu deren gerichtlicher Vollziehung die Partheien sich, mehrerer Gewißheit und Beglaubigung wegen, aus freiem Willen entschließen.

§. 2.

Einige derjenigen Handlungen, deren gerichtliche Vollziehung die Gesetze verordnen, müssen nothwendig bei dem gehörigen Richter vorgenommen werden; bei anderen steht es den Partheien frei, dieselben bei einem jeden gehörig besetzten Gerichte vorzunehmen. Endlich giebt es auch einige solche Handlungen, bei welchen die Gesetze den Partheien die Wahl lassen: ob sie dieselben gerichtlich, oder vor einem Justizkommissario und Notario vollziehen wollen.

Welche Handlungen

A. nothwendig gerichtlich, und zwar 1. vor dem Richter der Sache,

§. 3.

 Zu den Handlungen, welche nothwendig vor dem gehörigen Gerichte vollzogen werden müssen, gehören:

I . Diejenigen, welche die Veräußerung, Verpfändung oder Belastung eines Grundstücks, oder einer andern zur Eintragung in das Hypothekenbuch qualificirten unbeweglichen Sache betreffen,.

In so fern

l) durch Verträge oder andere dergleichen Verhandlungen über das Eigenthum eines solchen


(5) Handlungen d. freiw. Gerichtsbarkeit.

unbeweglichen Guts verfügt werden soll, muß der Vertrag selbst, nach der Wahl der Partheien, entweder vor irgend einem besetzten Gerichte (wenn es auch nicht das ordentliche Gericht der Sache wäre), oder vor einem Justizkommissario und Notario aufgenommen und vollzogen werden. In allen Fällen aber müssen die Partheien dergleichen Verträge und Verhandlungen demjenigen Richter, unter dessen Jurisdiktion die Sache liegt, vorzeigen, und sich dazu nochmals bekennen, auch in Provinzen, wo es hergebracht ist, die förmliche Bestätigung darüber nachsuchen (A. L. R. Th. I. Tit. X. §. 6-17.). Wo über gewisse Güter und Grundstücke das Hypothekenbuch nicht von demjenigen Gerichte, unter dessen Real-Jurisdiktion sie stehen, sondern von einer andern Behörde geführt wird, geschieht die Vorlegung solcher Kontrakte oder sonstiger Verhandlungen bei dieser letztgedachten Behörde, welche dabei alles das, was in der Folge dem Richter in Ansehung solcher Geschäfte wird vorgeschrieben werden, ebenfalls beobachten muß. Diese Behörde muß dem eigentlichen Richter der Sache von der vorgefallenen Besitzveränderung, sobald dieselbe im Hypothekenbuche wirklich eingetragen ist, von Amts wegen Nachricht geben; und versteht es sich übrigens von selbst, daß auch solche Hypothekenbuchführende Kollegien, wenn sie auch keine eigentliche Gerichte sind, dennoch mit Subjekten, welche die erforderlichen Rechtskenntnisse besitzen, und zur Justiz gehörig verpflichtet worden, besetzt seyn müssen.

Anh. §. 412. Kontrakte über Domainenpertinenzen, welche von den Finanzbehörden aufgenommen und bestätigt sind, bedürfen der gerichtlichen Verlautbarung nur in so fern, als der Richter gegründete Veranlassung findet, von Amts wegen dagegen Erinnerungen zu machen, und die Kontrahenten deshalb näher zu vernehmen, um künftigen Streitigkeiten und anderen nachtheiligen Folgen pflichtmäßig vorzubeugen.

­
(6) Gerichtsordn. II. Theil. Erster Titel.

Anh. §. 413. Wenn Verträge wegen Veräußerung, Verpfändung, oder Belastung liegender Gründe, bei dem Gericht aufgenommen worden, in dessen Gerichtsbezirke solche belegen sind, und Alles enthalten, was bei der nach den Provinzialgesetzen zum völligen Abschluß nothwendigen Verlautbarung erfordert wird; so ist eine nochmalige gerichtliche Anerkennung und Verlautbarung des Vertrages nicht erforderlich, vielmehr genügt es, wenn am Schlusse des Protokolls bei dem Vermerk der erfolgten Vorlesung und Genehmigung desselben hinzugefügt wird, daß dadurch zugleich die Verlautbarung bewirkt werde.

Anh. §. 414. Auch die von Kommissarien des Realrichters mit der obigen Maaßgabe aufgenommenen Kontrakte sind für verlautbart zu achten.

2) Von anderen Verträgen über Immobilien bedürfen nothwendig einer Vollziehung und Verlautbarung vor dem Richter der Sache:

a. Verträge über Verjährung (A. L. R. Th. I. Tit. IX. §. 566.);

b. die Austhuung eines Grundstücks in Erbzins oder Erbpacht (Th. I. Tit. XVIII. §. 691.u.f.);

c. die Bestellung eines nutzbaren Pfandrechts auf ein Grundstück (Th. I. Tit. XX. §. 227. u. f.).

Was hingegen

3) alle anderen Verträge und Verhandlungen über Immobilien betrifft, wodurch eine unbewegliche Sache mit einer Hypothek, einer Dienstbarkeit oder einer andern bleibenden Reallast belegt werden soll; so können dieselben zwar auch außergerichtlich vorgenommen, sie müssen aber, wenn sie die Eigenschaft eines dinglichen Rechts wirklich begründen sollen, der das Hypothekenbuch führenden Behörde angezeigt und in das Hypothekenbuch wirklich eingetragen werben. (A. L. R. Th. I. Tit. XX. §. 8-10. §. 411. u. f. Tit. XXI. F. 1824. Allgemeine Hypothekenordnung.)

Uebrigens versteht es sich von selbst, daß, wenn dergleichen eine unbewegliche Sache betreffende


(7) Handlungen d. freiw. Gerichtsbarkeit.

Handlungen, bei Gelegenheit eines anderen Hauptgeschäfts, und als ein Theil desselben vorkommen, z. B. wenn bei Gelegenheit einer Erbsonderung über die zum Nachlasse gehörigen Grundstücke und deren Vertheilung unter die Erben, Verfügungen getroffen werden, die Natur und Eigenschaft des Hauptnegotii zwar darüber entscheide: ob dasselbe nothwendig bei dem Richter der Sache vorgenommen werden müsse.

Wenn aber auch dieses nicht wäre, so muß dennoch derjenige Theil des Geschäfts, welcher das Grundstück betrifft, bei dem Richter der Sache zur Bestätigung verlautbart oder resp. zur Eintragung in das Hypothekenbuch angezeigt werden.

Anh. §. 415. Sind Urkunden von Behörden, deren Beamten zwar keine gerichtliche, aber doch öffentliche Glaubwürdigkeit gebührt, ausgestellt und besiegelt worden; so bedarf es der gerichtlichen Beglaubigung der Unterschrift einer solchen öffentlichen Behörde zum Behuf der Eintragung ihrer Erklärungen in das Hypothekenbuch nicht.

§. 4.

Wenn zwischen Gutsherrschaften und Unterthanen neue Dienstregister und Urbarien errichtet worden sind, so müssen dieselben demjenigen Gerichte, unter dessen Jurisdiktion das adliche Gut gehört, zur Prüfung und Bestätigung eingereicht werden (A. L. R. Th. II. Tit. VII. §. 141. u. f.).

II. vor Seegerichten,

§. 5.

II. Handlungen, wodurch über das Eigenthum eines Seeschiffes verfügt oder dasselbe verpfändet werden soll, gehören, wenn sie an Orten vorkommen, wo Seegerichte sind, vor diese; an anderen Orten aber können sie vor einem jeden Gerichte oder auch vor einem Justizkommissario und Notario vollzogen werden. Vor die Seegerichte gehört auch die Ausfertigung der Beylbriefe, der Certificate,


(8) Gerichtsordn. II. Theil. Erster Titel.

Seeproteste und anderer Schiffsurkunden (A. L. R. Th. I. Tit. XX. §. 300. n. f. Th. II. Tit. VIII. §. 1392. u. f. §. 2408.).

III vor dem ordentlichen persönlichen Richter,

§. 6.

III. Vor dem ordentlichen persönlichen Richter müssen vollzogen werden

1) die Verträge, wodurch die Gütergemeinschaft unter Eheleuten an Orten, wo sie nach den Gesetzen nicht Statt findet, eingeführt, oder da, wo sie Statt findet, ausgeschlossen werde soll (A. L. R. Th. II. Tit. I. §. 356-359. §. 422-426.).

Anh. §. 416. Die Bestätigung der Verträge, wodurch die Gütergemeinschaft unter Eheleuten eingeführt oder ausgeschlossen werden soll, gehört vor den Richter des Orts, wo die Verlobten nach geschlossener Ehe ihren Wohnsitz nehmen, und im Zweifel vor den persönlichen Richter des Bräutigams.

2) Die Errichtung von Familienstiftnngen und beständigen Fideikommissen; jedoch mit Vorbehalt der Verlautbarung dieser letzteren, in so fern sie Grundstücke betreffen, vor dem Richter der Sache, in so fern derselbe von dem persönlichen Richter verschieden ist. Liegen die zum Fideikommisse gewidmeten Sachen unter verschiedenen Gerichtsbarkeiten, so muß die Verlautbarung bei einer jeden derselben erfolgen (Ebend. Tit. IV. §. 29-33. §. 62-71.).

3) Die Aussetzung eines Altentheils oder Auszugs (Th. I. Tit. IX. §. 602-605.).

4) Die Erklärung eines Vaters, wodurch sein noch minderjähriger Sohn der väterlichen Gewalt entlassen werden soll (Th. II. Tit. II. §. 216-217.).

5) Die Ertheilung der Certificate über die Wechselfähigkeit eines Menschen, der sonst nach seinem Stande und Gewerbe keine gültige Wechselverpflichtung übernehmen kann (Th. II. Tit. VIII. §. 731-747.).


(9) Handlungen d. freiw. Gerichtsbarkeit.

6) Die Vergleiche über künftige Verpflegungsgelder (Th. I. Tit. XVI. §. 413.).

IV. vor dem Obergerichte der Provinz vollzogen werden müssen.

§. 7.

IV. Es giebt ferner einige Handlungen, welche nur von dem Obergerichte der Provinz gültig vollzogen werden können. Dahin gehört

1) die Bestätigung des Ehekontraktes bei einer unter landesherrlicher Erlaubniß zu schließenden Ehe zur linken Hand (Th. II. Tit. I. §. 838.);

2) die Bestätigung einer Annahme an Kindesstatt (Th. II. Th. II. §. 667.).

§. 8.

Die Legitimationen unehelicher Kinder, und die Majorennitätserklärungen noch nicht volljähriger Pflegebefohlenen, müssen zwar, der Regel nach, und wenn nicht durch besondere Provinzialverfassungen dergleichen Aktus einer andern Behörde ausdrücklich übertragen sind, bei Hofe ausgefertigt werden. Die Untersuchungen aber, welche zur nähern Prüfung eines solchen Gesuchs erforderlich sind, gehören vor den ordentlichen persönlichen Richter, welcher dieselben, wenn es einen Pflegebefohlenen betrifft, dem Obervormundschaftlichen Gerichte überlassen muß (A. L. R. Th. II. Tit. II. §. 601-611. Tit. XVIII. §. 713-727.). Wegen der bloßen Legitimationen, zum Behufe des bessern Fortkommens, hat es bei der gesetzlichen Vorschrift Th. II. Tit. II. §. 664. sein Bewenden.

B. Handlungen, die überhaupt nur eine gerichtliche Vollziehung erfordern.

§. 9.

Eine zweite Klasse von Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit machen diejenigen aus, wo die Gesetze zwar die Vollziehung vor Gericht erfordern, den Partheien aber die Wahl lassen, an welches gehörig besetzte Gericht sie sich deshalb wenden wollen. Dahin gehören besonders


(10) Gerichtsordn. II. Theil. Erster Titel.

1) die Verträge der Blinden und Taubstummen (Th. I. Tit. V. §. 171.).

2) Erbschaftskäufe (Ebend. Tit. XI. §. 473.).

3) Verkäufe künftiger Sachen, sobald der Kaufpreis die Summe von 100 Thaler übersteigt, und nicht beide Kontrahenten Kauf- und Handelsleute sind (Ebend. §. 582. 583.).

4) Schenkungen, wenn sie die Kraft und Wirksamkeit der gerichtlichen haben sollen (Ebend. §. 1063-1069. §. 1094-1096.).

5) Testamente (Ebend. Tit. XII. §. 66-207.).

6) Erbverträge (Ebend. §. 621-623.).

7) Bürgschaften der Frauenspersonen (Ebend. Tit. XIV. §. 221-244.).

8) Verträge zwischen Eheleuten in stehender Ehe, wodurch die Frau zu etwas, wozu sie nach den Gesetzen nicht verpflichtet ist, dem Manne, oder, zu dessen Vortheile, einem Dritten verbindlich gemacht werden soll; z. B. Bürgschaften, Expromissionen, Abtretung der Vorrechte des Eingebrachten (Th. II. Tit. I. §. 198-201. §. 272. 273.).

9) Die Bestellung eines Erbschatzes in Grundstücken oder Kapitalien (Ebend. §. 282.).

10) Die Errichtung einer Einkindschaft (Th. II. Tit. II. §. 721.).

C. Handlungen die entweder gerichtlich oder vor einem Justizkommissario vollzogen werden müssen.

§. 10.

Endlich giebt es Handlungen, bei welchen die Gesetze zwar eine bloße außergerichtliche Vollziehung nicht für hinreichend achten; wo sie aber dennoch den Partheien die Wahl lassen: ob sie dieselbe gerichtlich oder nur vor einem Justizkommissario und Notario vornehmen wollen. Dahin gehören besonders

1) die Verträge derjenigen, welche des Schreibens unkundig, oder daran verhindert, oder der Sprache, in welcher der Kontrakt abgefaßt


(11) Handlungen d. freiw. Gerichtsbarkeit.

werden soll, nicht mächtig sind (A. L. R.Th. I. Tit. V. §. 172-184.).

2) Die Ausstellung von Schuldinstrumenten, aus welchen der exekutivische Prozeß Statt finden soll (Gerichtsordn. Th. I. Tit. XXVIII. §. 2.).

3) Verpachtung von Landgütern, sobald der jährliche Pachtzins die Summe von 200 Thalern übersteigt (A. L. R. Th. I. Tit. XXI. §. 403. u. f.).

4) Ehegelöbnisse, in so fern das Aufgebot mit beider Theile Bewilligung noch nicht erfolgt ist (Th. II. §. 82-94.).

5) Eheberedungen und Verträge, welche vor vollzogener Ehe über das Vermögen der künftigen Eheleute, insonderheit der Frau, dessen Einbringung, Verwaltung und Nießbrauch geschlossen werden (A. L. R. Th. II. Tit. I. §. 82 u. f. §. 440. 441.). Auch wenn in solchen Verträgen über die künftige Erbfolge unter den Eheleuten etwas verabredet wird, werden sie dennoch, in Rücksicht auf die Form, nicht als Erb-, sondern als Eheverträge beurtheilt.

6) Alle Urkunden, welche, auch ohne vorhergegangene Rekognition, Glaubwürdigkeit und Beweiskraft in Gerichten haben sollen (Gerichtsordn. Th. I. Tit. X. §. 127-130.).

§. 11.

In wie fern in allen diesen Fällen (§. 3-10.) die Unterlassung der gerichtlichen oder von einem Notario beglaubigten Vollziehung die Handlung selbst nichtig und unkräftig mache, oder nur eine Verbindlichkeit der Partheien, das Verabsäumte nachzuholen, entstehe, ist in Ansehung eines jeden Geschäfts in den Gesetzen besonders bestimmt. Im zweifelhaften Falle ist keineswegs die gänzliche und absolute Richtigkeit des Geschäfts, sondern nur eine


(12) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.

Verbindlichkeit der Partheien, das Verabsäumte nachzuholen, sobald diese Nachholung noch Statt finden kann, anzunehmen (A. L. R. Th. I. Tit. III. §. 40. 41.).

D. Handlungen, die aus freiem Willen der Partheien gerichtlich vollzogen werden.

§. 12.

In Ansehung der übrigen Handlungen, bei welchen weder das allgemeine Landrecht, noch die Provinzialgesetze oder Statuten, eine gerichtliche oder andere öffentliche Vollziehung oder Beglaubigung ausdrücklich erfordern, hängt es bloß von dem Gutfinden der Partheien ab, in wie fern sie dieselben bloß außergerichtlich vornehmen, oder sich dabei, mehrerer Gewißheit und Feierlichkeit halber, des richterlichen oder des Amtes eines Justizkommissarii und Notarii bedienen wollen.

Zweiter Titel.

Von dem Verfahren bei den Handlungen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt.

Actus voluntariae jurisdictionis müssen

§. 1.

Wenn eine Handlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit vor Gerichten gültig vorgenommen werden soll, so wird dazu erfordert

I. daß die Handlung vor versammeltem Gerichte, oder vor einzelnen, dazu ausdrücklich deputirten Gerichtspersonen vollzogen werde;

II. daß das Gericht zur Vornehmung einer solchen Handlung an sich qualificirt, und daß es gehörig besetzt sey.

1) vor versammeltem Gerichte oder gehörig bestellten Deputirten vorgenommen werden.

§. 2.

Vermöge des erstern Erfordernisses sind einzelne Gerichtspersonen eigenmächtig, ohne ausdrücklichen Auftrag des Gerichts oder seines Vorgesetzten, eine


(13) Verfahren dabei überhaupt.

solche Handlung vorzunehmen, nicht berechtigt; vielmehr hat ein solcher Aktus gar keine gerichtliche Kraft; und derjenige, welcher durch eigenmächtige Uebernehmung desselben, die Partheien zu dem irrigen Wahne: als ob die Handlung gerichtlich vorgenommen sey, verleitet hat, muß ihnen für den dadurch verursachten Schaden gerecht werden.

§. 3.

Die Deputation einzelner Gerichtspersonen geschieht in der Regel nur für einen gewissen bestimmten Fall. Es können aber auch, besonders an größeren Orten, und bei zahlreicher besetzten Gerichten, zu gewissen Arten von Handlungen beständige Deputationen ein für allemal ernannt werden.

Ausnahmen, wo einzelne Gerichtspersonen auch ohne Auftrag, solche Handlungen gültig vornehmen können.

§. 4.

Von der Regel, daß einzelne Gerichtspersonen, ohne dergleichen allgemeinen oder besondern Auftrag, keine Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gültig vornehmen können, findet hier nur eine Ausnahme in Ansehung solcher Handlungen Statt, die entweder der bloßen Beglaubigung wegen, aus freiem Willen der Partheien, gerichtlich vollzogen werden sollen (Tit. I. §. 12.); oder bei welchen die Gesetze den Partheien die Wahl lassen, dieselben auch vor einem Justizkommissario und Notario zu vollziehen. Wenn zur Vollziehung eines solchen Aktus die Partheien sich bei einzelnen Gerichtspersonen, zu einer Zeit, da das Gericht nicht versammelt ist, und unter Umständen melden, wo die im Verzuge obwaltende Gefahr die Abwartung der nächsten Gerichtssession, oder die Ausbringung eines förmlichen Auftrags an ein Mitglied des Gerichts nicht verstattet; so soll die Handlung selbst bloß von daher, weil die Gerichtsperson, vor welcher sie vollzogen worden, dazu nicht ausdrücklich deputirt gewesen, an ihrer Rechtsgültigkeit nichts verlieren.


(14) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.

§. 5.

Damit jedoch hiervon kein Mißbrauch gemacht, und, unter dem bloßen Vorwande einer im Verzuge obwaltenden Gefahr, von der gesetzlichen Ordnung ohne Noth abgewichen werde; so muß

1) die Gerichtsperson, welche dergleichen Aktum ohne besondern Auftrag besorgt hat, davon dem Gerichte, unter Vorlegung des Protokolls, unverzüglich Anzeige machen.

2) Wenn die Umstände so beschaffen sind, daß eine Wiederholung des Aktus Statt finden kann, und die Partheien, welche denselben vorgenommen haben, sich noch am Orte, oder doch in der Nähe befinden; so muß entweder der Aktus selbst vor versammeltem Gerichte, oder einem dazu ausdrücklich bestellten Deputirten, jedoch ohne Verursachung neuer Kosten für die Partheien, wiederholt, oder wenigstens diesen letzteren das aufgenommene Protokoll solchergestalt zum Anerkenntnisse vorgelegt, und dies Anerkenntniß sodann unter das vorige Protokoll verzeichnet werden.

3) Wenn dergleichen Wiederholung oder Anerkenntniß nach der Natur der Sache, oder wegen Abwesenheit und Entfernung der Partheien, nicht Statt finden kann; so muß das Gericht die angegebenen Gründe und Umstände, welche die vorzügliche Beschleunigung des Aktus nothwendig gemacht, und die Abwartung einer Session oder förmlichen Deputation, verhindert haben, von Amtswegen prüfen, und die Richtigkeit derselben unter das Protokoll, und unter die Ausfertigung des etwa aufgenommenen Dokuments, verzeichnen und attestiren.

4) So oft sich findet, daß eine Gerichtsperson ohne Noth und unter dem bloßen Vorwande einer obwaltenden Gefahr im Verzuge, dergleichen ihr, vermöge ihres Amts, nicht zukommendes Geschäft, ohne den Auftrag des Gerichts abzuwarten, eigenmächtig


(15) Verfahren dabei überhaupt.

vorgenommen habe, soll dieselbe, außer dem §. 2. verordneten Schadenersatze, nach Bewandtniß der Umstände und des sich etwa zugezogenen Verdachts des Eigennutzes, oder gar einer Unrichtigkeit in der Sache selbst, willkührlich, jedoch nachdrücklich, bestraft werden.

§. 6.

Uebrigens folgt aus der Bestimmung des §. 4. von selbst, daß solche Handlungen, welche nach den Vorschriften der Gesetze nothwendig vor Gerichten zu vollziehen sind (Tit. I. §. 3-9.), wohin besonders die Auf- oder Annahme der Testamente gehört, in keinem Falle, selbst nicht bei obwaltender Gefahr im Verzuge, vor einer einzelnen dazu nicht deputirten Gerichtsperson gültiger Weise vorgenommen werden können.

2) Das Gericht muß zu solchen Handlungen befugt seyn.

§. 7.

 Zur Gültigkeit einer Handlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird ferner erfordert, daß das Gericht, vor welchem sie vollzogen werden soll, zu dergleichen Handlungen befugt seyn müsse. In wie fern gewisse Handlungen nur vor dem kompetenten Gerichte der Person, der Sache oder des Geschäfts vollzogen werden können, ist bereits im vorigen Titel bestimmt. Außerdem aber ist jedes gehörig besetzte Gericht auch zu Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit für berechtigt anzusehen; und findet dabei nur in Ansehung derjenigen Gerichte, welche bloß für gewisse Arten der Geschäfte bestellt worden (Fora specialia causae), eine Ausnahme Statt, da vor diesen nur solche Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die ein Geschäft derselben Art unmittelbar zum Gegenstande haben, gültiger Weise vollzogen werden können (A. L. R. Th. II. Tit. XVII. §. 49.).

Anh. §. 417. Vormundschaftskollegia können Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, welche solche Personen und Sachen, die den Gegenstand ihres


(16) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.

Wirkungskreises ausmachen, betreffen z. B. Erb- und Schenkungsverträge, Verträge über künftige Verpflegungsgelder, Entlassung eines minderjährigen Sohnes aus der väterlichen Gewalt, rechtsgültig vornehmen.

Anh. §. 418. Bei den mobil gemachten Truppen können von der Zeit ihrer Mobilmachung bis zur Zeit ihrer Demobilisirung förmliche Testamente der Militärpersonen von einem kommandirten Kriegsgerichte aufgenommen werden; wobei es übrigens bei den gesetzlichen Vorschriften von den privilegirten militairischen Testamenten sein Bewenden behält.

Auch sind die Brigade- und übrigen Auditeurs der mobil gemachten Truppen befugt, einseitige Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit solcher Militairpersonen, welche zu den gedachten Truppen gehören, ohne Zuziehung eines zu kommandirenden Offiziers aufzunehmen und zu beglaubigen.

Von Dorfgerichten und

§. 8.

Dorfgerichte können Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit für sich allein und ohne den Gerichtshalter, in der Regel gültiger Weise nicht vornehmen. Doch findet eine Ausnahme in Ansehung solcher Handlungen Statt, die keine Rechtskenntniß, sondern bloße Beglaubigung erfordern; in so fern nämlich

1) die Dorfgerichte mit einem gehörig vereideten Gerichtsschreiber versehen sind, und

2) bei der Handlung selbst Gefahr im Verzuge dergestalt obwaltet, daß weder die Herbeiholung des Gerichtshalters, noch die Verwendung an ein anderes ordentliches Gericht, abgewartet werden kann.

Doch müssen auch in einem solchen Falle die Dorfgerichte die von ihnen aufgenommene Verhandlung dem Justitiario ohne Zeitverlust vorlegen; welcher wegen der Wiederholung oder Anerkennung des Aktus, oder wenn diese nicht Statt finden, wegen Prüfung und Attestirung der die Gefahr im


(17) Verfahren dabei überhaupt.

Verzuge begründenden Umstände, die Vorschriften §. 4. No. 2. 3. beobachten muß (A. L. R. Th. II. Tit. VII. §. 82-84.).

Ist die Stelle des Justitiarii vakant, so muß die obgedachte Anzeige, von Seiten der Gerichte, dem Gerichtsherrn selbst, oder dem, der dessen Stelle vertritt, geschehen; und dieser muß, bei eigener Vertretung, unverzüglich dafür sorgen, daß allenfalls eine andere vereidete Gerichtsperson zur Besorgung des Vorgeschriebenen requirirt werde.

In wie fern übrigens Verträge gemeiner Landleute, die des Schreibens und Lesens unkundig sind, ingleichen Ehegelöbnisse derselben, und überhaupt Testamente, von Dorfgerichten gültig aufgenommen werden können, ist in den Gesetzen besonders vorgeschrieben (A. L. R. Th. I. Tit. V. §. 173. Tit. XII. §. 93-99. Th. II. Tit. I. §. 83.).

Polizeimagisträten.

§. 9.

Was von Dorfgerichten verordnet ist, gilt auch von den Polizeimagisträten in kleinen Städten, wenn dieselben mit keiner zur Justiz verpflichteten Gerichtsperson versehen sind; oder wenn bei ihnen nur Eine zur Verwaltung des Richteramts bestellte Person vorhanden ist, und in deren Abwesenheit eine Handlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit bloßer Zuziehung des Stadtsekretärs vollzogen werden soll.

3) Die Handlung muß am gehörigen Orte, und

§. 10.

Der Ort, wo die Handlung vorgenommen wird, und ob es an gewöhnlicher Gerichtsstätte oder in einem Privathause geschieht, macht in Ansehung der Gültigkeit keinen Unterschied. Auch schadet es der Kraft der Handlung an sich nicht, wenn der sie vornehmende Richter aus seinem Gerichtssprengel heraus und in einen fremden übergegangen ist. Doch


(18) Gerichtso(r)dn.. II. Theil. Zweiter Titel.

wird derjenige Richter, welcher ohne Noth und erhebliche Ursachen einen Aktus in einem fremden Gerichtssprengel vorzunehmen sich angemaaßt hat, nach näherer Bestimmung der Gesetze, nicht nur seiner Gebühren verlustig, sondern er hat auch willkührliche fiskalische Strafe verwirkt (A. L. R. Th. I. Tit. XII. §. 73-81. Th. II. Tit. XVII. §. 60.)

Anh. §. 419. Ein Gerichtsherr kann Geschäfte der willkührlichen Gerichtsbarkeit vor seinem Justitiario an jedem Orte vollziehen.

4) zur gehörigen Zeit vorgenommen werden.

§. 11.

Auch die Zeit, wann eine Handlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgenommen worden ist, hat auf die Gültigkeit derselben keinen Einfluß. Doch sollen die Gerichte dergleichen Aktus an Sonn- und Festtagen, besonders während des Gottesdienstes, nicht ohne Noth vornehmen, und wenn es die Umstände gleichwohl erfordern, allen öffentlichen Anstoß oder Störungen mit möglichster Vorsicht vermeiden.

Anh. §. 420. In keinem Falle soll an einem Sonn- oder Festtage eine gerichtliche Auktion gestattet werden.

5) Das Gericht muß gehörig besetzt seyn.

§. 12.

Das Gericht, vor welchem eine Handlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgenommen werden soll, muß gehörig besetzt seyn.

§. 13.

Wenn bei größeren, aus mehreren Personen bestehenden Gerichten, eine Handlung an gewöhnlicher Gerichtsstelle, während einer der ordentlichen Versammlungen des Gerichts, vollzogen wird; so kommt es nicht darauf an: ob alle oder nur etliche Mitglieder anwesend sind, und ob der gewöhnliche Dirigent des Gerichts gegenwärtig ist, oder seine Funktion einem Andern übertragen hat. Doch wird auch in


(19) Verfahren dabei überhaupt.

diesem Falle die Anwesenheit von wenigstens zwei Gerichtspersonen erfordert.

§. 14.

Kleinere Gerichte, ingleichen Deputationen, vor welchen Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gültig sollen vollzogen werden können, müssen wenigstens aus Einer richterlichen Person, und einem Aktuario oder vereideten Protokollführer bestehen.

§. 15.

Der Aktuarius kann, auch bei solchen Handlungen, die Stelle des Richters nicht vertreten, noch von dem Richter eigenmächtig substituirt werden.

Doch kann bei kleineren Gerichten, die nur aus Einem Richter und dem Aktuario bestehen, das Landesjustizkollegium der Provinz einem solchen Aktuario, der zur Justiz vollständig qualificirt und gehörig verpflichtet ist, den allgemeinen Auftrag ertheilen, in dringenden Fällen, wenn der Richter durch Krankheit, Abwesenheit und sonst verhindert wird, die Funktion desselben zu übernehmen, und den Aktus auf die unten (§. 18.) näher zu bestimmende Art, mit Zuziehung von Schöppen oder Beisitzern, zu besorgen. Ein solcher Aktuarius muß jedoch in dem aufzunehmenden Protokolle sowohl der Verhinderung des Richters, als des ihn legitimirenden Auftrags, unter Allegirung des Dati, ausdrücklich gedenken und dem Richter von dem Vorgange, sobald es nach gehobenem Hindernisse geschehen kann, Anzeige machen: damit, wenn ja bei den Legalitäten der Handlung noch etwas zu erinnern seyn sollte, der Richter das Erforderliche zu deren Ergänzung in Zeiten verfügen könne.

§. 16.

Die Regel, daß ein Gericht oder eine Deputation, zur gültigen Vollziehung eines Aktus der


(20) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.

freiwilligen Gerichtsbarkeit, wenigstens aus Einem Richter und Aktuario oder Protokollführer bestehen müsse, findet auch in denjenigen Fällen Statt, wo nach §. 4. einzelne Gerichtspersonen einen solchen Aktus, ohne vorhergegangenen Auftrag, übernehmen können.

§. 17.

Dagegen giebt es einige Fälle der Ausnahme, wo entweder eine einzelne Gerichtsperson ohne Zuziehung eines Aktuarii oder Protokollführers die Handlung gültig vornehmen kann, oder wo andere Personen die Stelle des fehlenden Protokollführers vertreten können.

Anh. §. 421. Der Zuziehung eines Protokollführers bedarf es nur dann, wenn Testamente, freiwillige Dispositionen, Erbverträge oder solche Ehestiftungen errichtet werden, worin die künftige Erbfolge bestimmt wird. Bei allen anderen gerichtlichen Verhandlungen haben die von einer Gerichtsperson allein aufgenommenen, von den Interessenten oder ihren Stellvertretern unterschriebenen Protokolle volle Glaubwürdigkeit, und können unter dem Vorwande der unterlassenen Zuziehung eines Protokollführers nicht angefochten werden.

Was der Richter in den Fällen, wo es der Zuziehung eines Protokollführers nicht bedarf, zu beobachten hat, ist §. 68. u. f. des Anhangs zu §. 19. Tit. X. Th. I. umständlich vorgeschrieben.

Fälle, wp andere Personen die Stelle des Aktuariii vertreten.

§. 18.

Zu den Ausnahmen der letztern Art, wo nämlich auch andere Personen die Stelle des Protokollführers vertreten können, gehört zuvörderst: wenn die Gerichtsperson, bei Vornehmung des Aktus, zwei vereidete Gerichtsschöppen zugezogen hat, und von diesen das Protokoll mit unterschrieben ist. Wie dergleichen Gerichtsschöppen beschaffen und vereidet seyn müssen, und in wie fern bei dringenden Fällen die Stelle des zweiten Gerichtsschöppen auch durch einen bloßen Zeugen ersetzt werden könne, ist im ersten Theile, Tit. XXV. §. 51-56. verordnet.


(21) Verfahren dabei überhaupt.

§. 19.

Wenn bei Handlungen, die nur einseitig sind, die Parthei, welche sie vornimmt, oder auch der Richter, welcher den Aktus vollzieht, einen gehörig aufgenommenen und verpflichteten Justizkommissarius und Notarius zugezogen hat; so ersetzt die Anwesenheit und Mitunterschrift desselben die Stelle des ermangelnden Protokollführers.

Ein Gleiches findet Statt, wenn die Handlung von zwei oder mehreren Partheien zu vollziehen, und dabei von jeder Seite ein Justizkommissarius und Notarius gegenwärtig ist.

Ist aber nur von der einen Seite ein Justizkommissarius zugegen, so muß entweder ein Protokollführer, oder wenigstens ein vereideter Gerichtsschöppe zugezogen werden.

Bei Testamenten und eigentlichen Erbverträgen können Justizkommissarien und Notarien, als solche, die Stelle des Gerichtsaktuarii oder Protokollführers nicht vertreten.

Fälle, wo es keines Aktuarii oder Protokollführers bedarf.

§. 20.

Zu den Fällen, wo es weder der Zuziehung eines Protokollführers, noch anderer Personen an seiner Stelle bedarf, sondern auch eine einzelne Gerichtsperson den Aktus gültig vornehmen kann, gehört:

1) wenn der Gegenstand desselben nur Funfzig Thaler oder weniger beträgt;

2) wenn die Partheien, welche den Aktus vornehmen, ausdrücklich erklären, daß sie die Zuziehung eines Protokollführers nicht verlangen.

§. 21.

So wie aber in diesem letztern Falle die Vorschriften des ersten Theils Tit. XXV. §. 57. auch bei Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit beobachtet werden müssen, so findet übrigens diese Ausnahme bei Testamenten, Erbverträgen und anderen


(22) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.

anderen letztwilligen Verordnungen, gar keine Anwendung.

Was der Richter bei einem solchen Aktus zu beobachten hat:

§. 22.

Bei einer jeden Handlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit müssen von den Gerichten folgende allgemeine Vorschriften beobachtet werden. Zuvörderst muß das Gericht sich überzeugen, daß die Handlung vor ihm gültiger Weise vorgenommen werden könne, und nicht etwa nach ihrer Natur und nach Vorschrift des Ersten Titels, vor ein anderes in Ansehung der Person, der Sache oder des Geschäfts kompetentes Gericht gehöre; in welchem letzteren Falle die Partheien an dieses Gericht sofort verwiesen werden müssen.

1) in Ansehung der Personen, ihrer Identität,

§. 23.

Hiernächst muß das Gericht sich vergewissern, daß die Partheien, welche die Handlung vornehmen wollen, diejenigen wirklich sind, für die sie sich ausgeben. Wenn daher fremde und im Gerichte von Person nicht hinlänglich bekannte Partheien sich zur Vollziehung eines Aktus melden, so muß der Richter darauf bestehen, daß ihm andere bekannte und unverdächtige Leute gestellt werden, welche die Identität der sich angebenden Partheien aus eigener Kenntniß bezeugen; oder er muß sich auf andere glaubwürdige Art von dieser Identität versichern.

Legitimation,

§. 24.

Wenn die Partheien die Handlung nicht in Person, sondern durch Bevollmächtigte vollziehen wollen, so, so muß der Richter sich die Vollmachten derselben zu den Akten einreichen lassen, und dieselben mit gehöriger Sorgfalt prüfen; auch auf die Vorschriften der Gesetze, in Ansehung der Fälle, wo gerichtliche oder doch besondere Specialvollmachten erfordert werden, gehörige Rücksicht nehmen.


(23) Verfahren dabei überhaupt.

Fähigkeit zu solchen Handlungen.

§. 25.

Ferner muß der Richter sich genau und sorgfältig erkundigen: ob die Partheien, welche die Handlung vornehmen wollen, die dazu in den Gesetzen vorgeschriebenen Fähigkeiten und Erfordernisse besitzen. Er muß sich daher diese gesetzlichen Vorschriften, sowohl wegen der Willenserklärungen überhaupt, als wegen der Verträge und ihrer verschiedenen Arten, so wie in Ansehung der Testamente und anderer letztwilligen Dispositionen, beständig gegenwärtig erhalten.

§. 26.

Wenn die Parthei, welche die Handlung vornehmen will, dazu nach den Gesetzen des Beitritts, der Autorisation oder der Einwilligung irgend eines Dritten bedarf, so muß der Richter dafür sorgen, daß auch diesem gesetzlichen Erfordernisse ein Genüge geleistet werde.

Wie zu verfahren, wenn bei diesen persönlichen Erfordernissen ein Anstand sich findet.

§. 27.

Wenn bei dieser Prüfung der persönlichen Fähigkeit und Qualifikation der Partheien zu der von ihnen vorzunehmenden Handlung (§. 23-26) irgend ein Zweifel oder Anstand sich findet, so muß der Richter den Fortgang des Geschäfts so lange aussetzen, bis demselben hinlänglich abgeholfen worden ist. Wenn jedoch die Parthei auf der Fortsetzung der Verhandlungen, wegen einer im Verzuge obwaltenden Gefahr ausdrücklich besteht und sich bestimmt erklärt: wie und binnen welcher Frist sie das Bedenken heben wolle; auch bei Handlungen, zu welchen mehr als eine Person gehört, der andere Theil damit zufrieden zu seyn ausdrücklich äußert; so kann der Richter in der Sache weiter fortfahren, er muß aber den obgewalteten Anstand, so wie die von der Parthei zu dessen Erledigung übernommene Verpflichtung, in dem Protokolle deutlich


(24) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.

und bestimmt bemerken. Die auf dieses Protokoll zu veranlassende Ausfertigung muß in der Regel so lange, bis dem Bedenken wirklich abgeholfen ist, ausgesetzt bleiben. Wenn aber auch hierunter, wegen der besonderen Umstände des Falles, kein Verzug ohne erheblichen Nachtheil der Partheien stattfinden könne; so muß dennoch der obgewaltete Anstand, und was zur Hebung desselben etwa noch geschehen oder beigebracht werden müsse, in der Ausfertigung selbst ausdrücklich angeführt werden.

2) Wegen Prüfung der Legalität und Zuständigkeit der Handlung selbst.

§. 28.

Außer diesen Prüfungen der persönlichen Fähigkeit der Partheien muß der Richter auch die vorzunehmende Handlung selbst in so weit untersuchen, ob sie nach den Gesetzen erlaubt sey, und an sich rechtsbeständiger Weise vorgenommen werden könne. Denn obgleich den Gerichten nicht zugemutet werden kann, für die Gültigkeit und Rechtsbeständigkeit der von den Partheien geschlossenen Verträge oder sonstigen Willenserklärungen zu haften, sondern sie eigentlich nur für die gehörige Beobachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Form verantwortlich sind; so liegt ihnen dennoch ob, mit möglichster Sorgfalt zu verhüten, daß vor ihnen keine gesetzwidrige oder ungültige Aktus vorgenommen, und das Vertrauen des Publici auf die Legalität und Sicherheit gerichtlicher Handlungen nicht gemißbraucht werde.

§. 29.

Wenn daher der Richter bei der Vollziehung eines solchen Aktus wahrnimmt, daß dadurch über Gegenstände, die einer solchen Verfügung der Partheien nicht unterworfen sind, disponirt; oder daß Verabredungen oder Maaßregeln, die nach den Vorschriften der Gesetze nicht bestehen können, festgesetzt werden wollen: so muß er den Partheien diese ihnen entgegenstehenden Vorschriften bekannt machen, und


(25) Verfahren dabei überhaupt.

sie darnach gehörig bedeuten: übrigens aber mit einem solchen ungültigen Geschäfte sich nicht weiter befassen.

§. 30.

Finden sich Spuren von Unrichtigkeit oder Unlauterkeit in dem Betragen eines oder beider Theile, daß z. B. einer den andern durch falsche Vorspiegelungen, Simulationen, wucherliche Kunstgriffe oder andere unredliche Mittel, zu einem Vertrage oder zu gewissen Bedingungen dabei verleitet habe; oder daß das ganze Geschäft zur Hintergehung oder widerrechtlichen Verkürzung eines Dritten abziele: so müssen die Gerichte die Verwendung ihres Amts zu einem dergleichen gesetzwidrigen Geschäfte schlechterdings versagen; vielmehr den Partheien das Unerlaubte und Strafbare ihres Vorhabens nachdrücklich vorhalten; ihnen die in den Gesetzen gegen solche Betrügereien bestimmten Strafen bekannt oder erinnerlich machen; auch in Fällen, wo die Gesetze schon die Unternehmung eines solchen Unfugs mit Strafen belegen, die erforderliche Untersuchung gegen diejenigen, welche sich eines dergleichen Attentati schuldig gemacht haben, entweder selbst verhängen, oder, wenn dieselbe nicht vor sie gehört, dem kompetenten Richter davon Nachricht geben.

3) Wegen Belehrung und Certioration der Partheien.

§. 31.

In welchen Fällen eine besondere Belehrung der Partheien über die Natur und rechtlichen Folgen eines Geschäfts schlechterdings nothwendig sey, z. B. bei den Bürgschaften der Frauenspersonen, bei Ertheilung der Certifikate über die Wechselfähigkeit (et)c., ist in den Gesetzen verordnet. Aber auch außer diesen Fällen ist der Richter schuldig, wenn er es besonders mit Partheien zu thun hat, welche der Rechte nicht kundig, oder in Geschäften unerfahren sind, oder bei denen er, während der Verhandlungen selbst,


(26) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.

inne wird, daß sie von dem vorzunehmenden Geschäfte keinen ganz richtigen Begriff, oder von den rechtlichen Folgen desselben keine vollständige Kenntniß haben, solche Partheien auf die Vorschriften der Gesetze, auf die Verpflichtungen, welche sie durch den Aktus übernehmen, und auf die Nachtheile, welche ihnen daraus erwachsen können, aufmerksam zu machen; und auch auf diese Art allen Uebereilungen und allen Uebervortheilungen, zu welchen listige und verschmitzte Partheien ihre minder unterrichteten oder erfahrenen Mitkontrahenten nur allzu oft verleiten, nach Möglichkeit vorzubeugen.

§. 32.

Wenn bei einer solchen Handlung gewissen Einwendungen oder Rechtswohlthaten entsagt werden soll, so muß der Richter von Amtswegen dafür sorgen, daß dem Entsagenden dasjenige, worauf er Verzicht thun will, nach seinem wahren Inhalte und ganzen Umfange bekannt, und er auch davon unterrichtet seyn möge, daß er eine solche gerichtliche Entsagung unter keinerlei Vorwande zurücknehmen könne. Es müssen aber auch, in so fern nicht beide Theile Rechtverständige sind, die Einwendungen und Rechtswohlthaten, denen entsagt wird, nicht bloß mit den juristischen Kunstworten, sondern so ausgedrückt werden, daß man aus der Fassung selbst sieht, es sey den Partheien möglich gewesen, das zu verstehen und richtig zu begreifen, worauf von ihnen Verzicht geleistet worden ist.

§. 33

Inzwischen muß doch auch der Richter, bei Befolgung dieser Vorschriften (§. 31. 32.), den Abweg vermeiden, daß er den Partheien seine Meinungen und Bedenklichkeiten, gegen ihre eigenen, freien und überlegten Entschließungen, nicht aufdringe, noch sie in einem solchen Vorhaben durch theilnehmendes


(27) Verfahren dabei überhaupt.

Zuraten oder Abmahnen irre mache. Sobald er wahrnimmt, daß eine Parthei von dem Geschäfte das sie vornehmen will, dessen Natur und rechtlichen Folgen, einen hinlänglich klaren Begriff habe, und es ihr an der nöthigen Fähigkeit, ihr Vorhaben zu überlegen, nicht gebreche; so muß er dieselbe ihren freien Entschließungen lediglich überlassen, und sich darauf einschränken, die Handlung so vorzunehmen und zu verzeichnen, wie es der Intention der Partheien wirklich gemäß ist.

4) Wegen Ausforschung des wahren Sinns und der Meinung der Partheien,

§. 34.

Die Hauptpflicht des Richters ist daher, daß er den eigentlichen Sinn und die wahre Meinung der Partheien deutlich und umständlich zu vernehmen suche, und allem Irrthume, Mißverständnissen oder Zweideutigkeiten, mit möglicher Sorgfalt vorbeuge.

§. 35.

Findet es sich, daß die Partheien einander nicht recht verstanden haben, oder über gewisse Haupt- oder Nebenpunkte noch nicht einig sind; so muß der Richter auf eine nähere gegenseitige Herauslassung darüber dringen, und die Partheien über die noch streitigen Umstände zu vereinbaren suchen.

§. 36.

Der Richter muß sich daher, wenn ihm von den Partheien eine Punktation oder ein anderer vorläufiger Aufsatz, nach welchem sie die vorzunehmende Handlung eingerichtet wissen wollen, vorgelegt wird, niemals damit begnügen, das Protokoll und die Ausfertigung nach diesem Aufsatze zu fassen; sondern er muß denselben mit den Partheien Punkt für Punkt durchgehen, sich überzeugen, daß jeder Punkt ihrer wahren Absicht und Meinung wirklich gemäß sey; und wo er irgend Undeutlichkeit, Unbestimmtheit oder Unvollständigkeit wahrnimmt, diesen Mängeln


(28) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.

durch nähere Vernehmung und Vereinbarung der Partheien abzuhelfen bedacht seyn.

besonders solcher, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind.

§. 37.

Wenn einer oder beide Theile, welche die Handlung vornehmen wollen, der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so kommt es darauf an: ob die beiden Gerichtspersonen, von welchen die Handlung aufgenommen wird, die fremde Sprache der Partheien hinlänglich verstehen, und sich darin verständlich ausdrücken können; oder ob es diesen oder auch nur Einem von ihnen, an einer solchen Kenntniß und Fertigkeit ebenfalls ermangele. Erstern Falls kann der Aktus von diesen Gerichtspersonen allein gültig vorgenommen werden. Letztern Falls hingegen, wie auch überhaupt, wenn eine der deutschen Sprache nicht mächtige Parthei es verlangt, muß, außer dem Richter und Protokollführer, auch noch ein vereideter Dollmetscher zugezogen werden. Dieser muß die Anträge der Partheien in der Sprache, deren sie mächtig sind, von ihnen aufnehmen; sie dem Richter in der deutschen Sprache erklären, nach seiner Anweisung die Partheien weiter vernehmen; und solchergestalt die zur gehörigen Vollziehung des Aktus nöthigen Nachrichten und Willenserklärungen herbeischaffen. Wenn alsdann der Richter zur Aufnehmung des Protokolls schreitet, so muß zu gleicher Zeit, da er dasselbe dem Protokollführer deutlich in die Feder diktirt, der Dollmetscher eben dasselbe in der Sprache der Partheien niederschreiben; diese Uebersetzung muß demnächst den Partheien vorgelesen, und von ihnen, mit dem deutschen Protokolle zugleich, unterzeichnet werden. Eben so muß, wenn beide der fremden Sprache hinlänglich mächtige Gerichtspersonen den Aktus ohne Dollmetscher vornehmen, die Verhandlung von dem einen in der deutschen, und zugleich von dem andern in der fremden


(29) Verfahren dabei überhaupt.

Sprache niedergeschrieben; mit der Vorlesung und Unterzeichnung aber es ebenso, wie in dem vorgedachten Falle, gehalten werden.

Anh. §. 422. Siehe §. 75. des Anhangs zu §. 19. u. s. Tit. X. Th. I.

Testamente und Kodicille der Wenden dürfen nicht in wendischer, sondern nur in deutscher Sprache niedergeschrieben werden. Bei der Aufnahme derselben muß jedes Mal, außer dem wendischen Prediger, ein dieser Sprache mächtiger Schulze oder Gerichtsmann zugezogen werden, welche beide auf ihren Amtseid zu verweisen sind. Durch diese wird der Wille des Testators vernommen, dem Richter bloß mündlich übersetzt, und von Letzterem deutsch niedergeschrieben; die Vorlesung oder Vorhaltung aber erfolgt durch den Prediger in wendischer Sprache, und es muß, wie alles dies geschehen, im Protokolle registrirt, auch dieses Protokoll von dem Prediger und dem zweiten zugezogenen Sprachkundigen mitunterschrieben werden.

§. 38.

Daß bei Aufnehmung der Testamente von Personen, welche der deutschen Sprache nicht kundig sind, zwei Dollmetscher, oder wenigstens ein Dollmetscher und ein Zeuge, zugezogen, und wie überhaupt dabei verfahren werden müsse, ist im Landrechte vorgeschrieben (Theil I. Tit. XII. §. 124-132).

§. 39.

Bei Handlungen unter Lebendigen ist die Zuziehung eines Dollmetschers hinreichend, wenn eine der kontrahirenden Partheien der deutschen Sprache mächtig, oder wenn eine der Gerichtspersonen der fremden Sprache kundig ist; oder wenn der Gegenstand nur hundert Thaler oder weniger beträgt; oder wenn beide der deutschen Sprache unkundige Partheien sich über einen gemeinschaftlichen Dollmetscher vereinigen. Außer diesen Fällen müssen, wenn zwei oder mehrere Partheien nicht Deutsch verstehen, ebenso,


(30) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.

wie bei Testamenten, zwei Dollmetscher, oder doch ein Dollmetscher und ein Zeuge, zugezogen werden.

§. 40.

Bei größeren Gerichten, wo die Fälle, daß Handlungen in einer fremden Sprache aufzunehmen, und Uebersetzungen aus einer solchen Sprache zu veranstalten sind, öfters vorkommen, müssen dazu ordentliche Dollmetscher förmlich bestellt, und ein für allemal vereidet werden. Die Gerichte müssen dazu Subjekte aussuchen, die wegen ihrer Kenntniß der fremden Sprache, so wie in Ansehung ihrer Rechtschaffenheit und untadelhafter Aufführung, in allgemein gutem Rufe, oder mit glaubwürdigen Attesten versehen sind. Diese Subjekte müssen von Männern, deren Sprachkenntniß unbezweifelt ist, ordentlich geprüft; diese Prüfung aber nicht bloß darauf: ob der Kandidat die fremde Sprache nur nothdürftig verstehe und sprechen könne, sondern darauf gerichtet werden: ob seine Kenntniß beider Sprachen dergestalt vollständig und gründlich sey, daß er nicht bloß in alltäglichen Geschäften des gemeinen Lebens, sondern auch in wichtigeren und minder gewöhnlichen Fällen den Sinn der Partheien, oder den Verstand der Dokumente, richtig fassen, und dem Richter ebenso, zuverlässig und bestimmt, erklären und darlegen könne. Dergleichen Dollmetscher müssen von Obergerichten dem Chef der Justiz, von Untergerichten aber dem Landesjustizkollegium der Provinz, mit Beifügung der beigebrachten Atteste und des Examinationsprotokolls, vorgeschlagen, und nach erfolgter Approbation dahin vereidet werden: daß sie die in der fremden Sprache vorgetragenen Angaben, Erklärungen und Antworten der Partheien, ingleichen den Inhalt der in dieser


(31) Verfahren dabei überhaupt.

Sprache abgefaßten Schriften und Urkunden, in die deutsche Sprache; ebenso aber auch die den Partheien vorzulegenden Fragen, Bekanntmachungen und Andeutungen, oder den solchen Partheien zu eröffnenden Inhalt deutscher Schriften und Dokumente, aus der einen in die andere Sprache treu, richtig, vollständig, ohne etwas dazu oder davon zu thun, übersetzen, und mit gewissenhafter Sorgfalt dahin sehen wollen, daß in jedem Falle der wahre Sinn und die eigentliche Meinung der Partheien, oder der wahre Inhalt der zu übersetzenden Schriften dem Richter, so wie die Aeußerungen und Erklärungen des Richters den Partheien, bekannt werden.

§. 41.

Bei Gerichten, wo keine beständige vereidete Dollmetscher angestellt sind, muß der in jedem besonderen Falle zuzuziehende Sprachkundige von dem Richter, mit Beihilfe eines Sachverständigen, geprüft, und mit vorstehendem Eide, nach Beschaffenheit des Falles selbst, belegt werden.

Aufnehmung des Protokolls.

§. 42.

Wenn auf vorstehende Art sowohl in Ansehung der persönlichen Qualität und Fähigkeit der Partheien zur Vollziehung eines solchen Aktus das Erforderliche besorgt und berichtigt, als auch der Wille und die eigentliche Intention derselben mit hinlänglicher Zuverlässigkeit und Vollständigkeit erforscht worden ist, so muß alsdann über die ganze Verhandlung ein richtiges Protokoll aufgenommen werden.

Erfordernisse desselben.

§. 43

Dieses Protokoll muß enthalten: 1) Ort und Zeit, wo und wann der Aktus vorgenommen worden ist.

2) Wer die Partheien, die ihn vorgenommen haben, ihrem Namen, Stande und Charakter nach,


(32) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.

sind; ob das Gericht sie persönlich kenne, oder durch welche Mittel es sich nach Vorschrift §. 23. von der Identität der Personen versichert habe.

3) Wenn die Partheien die Handlung durch einen Bevollmächtigten vornehmen, so muß der Name und die Qualität dieses Bevollmächtigten ebenfalls im Protokolle bemerkt; die von demselben übergebene Vollmacht muß allegirt und dem Protokolle beigefügt; und insofern dabei noch etwas zu erinnern gefunden worden, dieses bemerkt; wenn er aber in zulässigen Fällen die Vollmacht nachzubringen versprochen hat, so muß dieses Angelöbniß im Protokolle ebenfalls gedacht werden.

4) Wenn in Ansehung der Fähigkeit der Partheien, einen solchen Aktus vorzunehmen, ein Bedenken obgewaltet hat; so ist dessen, und wie es gehoben worden, im Protokolle ebenfalls Erwähnung zu thun. Hat das Bedenken nicht sogleich gehoben, und doch auch der Aktus selbst nicht ausgesetzt werden können; so ist die Vorschrift des §. 27. genau zu befolgen.

5) Wenn der Richter nach Anleitung §. 28-31. nöthig gefunden hat, den Partheien über die Natur und Folgen der Handlung, welche sie vornehmen wollen, oder über gewisse dahin einschlagende Dispositionen und Verabredungen, Bedeutung oder Vorhaltung zu thun; so muß dessen, und was etwa dabei vorgekommen ist, im Protokoll ebenfalls Erwähnung geschehen. 6) Vornehmlich aber muß die Verhandlung selbst, mit allen dahin gehörenden Erklärungen, Haupt- und Nebenbestimmungen, Abreden und Bedingungen, umständlich, in klaren und bestimmten Ausdrücken niedergeschrieben; alle Dunkelheit und Zweideutigkeiten müssen sorgfältig vermieden; und


(33) Verfahren dabei überhaupt.

Alles muß, nach der wahren Willensmeinung der Partheien, so deutlich und genau, als es nur immer möglich und nöthig ist, gefaßt werden.

7) Wenn gegen den Kontrakt oder die Disposition gewisse Einwendungen oder Rechtswohlthaten statt finden würden, und denselben von der Parthei entsagt wird; so muß nach Anleitung des §. 32. die geschehene Erklärung und Entsagung, nebst den dabei beobachteten Solennitäten, in so fern dergleichen nach den Gesetzen erforderlich gewesen, ausdrücklich und umständlich zum Protokolle niedergeschrieben werden.

Vorlesung.

§. 44.

Dieß Protokoll muß in gewöhnlichen Fällen, wenn wenigstens eine Gerichtsperson, und außer ihr noch ein Aktuarius oder Protokollführer bei der Verhandlung zugegen sind, der Richter dem Aktuario oder Protokollführer laut in die Feder diktiren; oder wenn nur Gerichtsschöppen oder Beisitzer zugezogen worden sind, es selbst niederschreiben. In beiden Fällen aber muß der Richter das Protokoll den Partheien langsam und deutlich vorlesen und sie befragen: ob sie den Inhalt desselben der eigentlichen Verhandlung und ihrer Willensmeinung gemäß finden. Wird bei dieser Gelegenheit von den Partheien noch etwas erinnert oder nachgetragen; so muß der Richter dergleichen Erinnerung und Zusatz, am Schlusse des Protokolls, mit der Bemerkung, daß diese Erklärung von der Parthei bei Gelegenheit der Vorlesung abgegeben worden sey, beifügen lassen. Durchstreichungen oder Zusätze am Rande des Protokolls müssen in der Regel nicht gemacht werden. Wenn es aber ja die Umstände erfordern, und es nicht eine ganz unbedeutende Kleinigkeit betrifft; so muß die am Rande beizusetzende Registratur eben so,


(34) Grichtsordn. II. Titel. Zweiter Titel.

wie wegen des Protokolls selbst sogleich verordnet werden wird, unterzeichnet werden.

Anh. §. 423. Wenn die Vorlesung des Protokolls unterlassen, oder, daß solche geschehen, nicht bemerkt worden ist; so folgt daraus die Ungültigkeit der Verhandlung nicht.

Unterschrift.

§. 45.

Wenn nämlich die Partheien bei dem Inhalte des Protokolls nichts mehr zu erinnern finden, so muß der Richter dasselbe schließen; es den Partheien zur Unterschrift vorlegen, und es sodann mit dem Aktuario oder dem Protokollführer, oder den Beisitzern, ebenfalls unterzeichnen.

§. 46.

Ist die eine oder andere Parthei des Schreibens nicht mächtig, so muß sie an Stelle, wo ihr Name hingehört, Kreuze oder ihr sonstiges gewöhnliches Handzeichen setzen. Der Protokollführer, oder ein Schöppe, muß ihren Namen dabei schreiben, und der Richter muß bei seiner Unterschrift attestiren, daß diese Zeichen von der Parthei, weil sie des Schreibens unkundig sey, statt ihrer Unterschrift beigefügt worden.

§. 47.

Daß in den nach §. 21. zulässigen Fällen, wenn die Handlung, auf ausdrückliches Verlangen der des Schreibens vollkommen kundigen Partheien, nur von einer Gerichtsperson, ohne Zuziehung von Protokollführern oder Gerichtsschöffen, vorgenommen worden ist, dergleichen Partheien das Protokoll selbst lesen, und daß dieses geschehen, bei ihrer Unterschrift eigenhändig attestiren müssen, ist in der am angeführten Orte allegirten Vorschrift enthalten.

§. 48.

Bei Landesjustizkollegien und Obergerichten, ingleichen bei größeren Untergerichten, die ein formirtes


(35) Verfahren dabei überhaupt.

Kollegium ausmachen, und bei welchen Justizkommisarien angesetzt sind, kommen, besonders in Beziehung auf das Hypothekenwesen, mancherlei Aktus vor, die nicht den Abschluss irgend eines neuen Geschäfts betreffen, sondern nur gewisse feierliche Erklärungen, Anerkenntnisse oder Verlautbarungen über einen vorhin schon gehörig errichteten Kontrakt, oder andere dergleichen Handlung enthalten. Wenn solche Vorträge, welche bloß der Form und Feierlichkeit wegen erfolgen, von den Justizkommissarien, in Gegenwart des versammelten Gerichts, dem protokollirenden Referendario laut in die Feder diktirt worden sind; so bedarf es keiner Vorlesung des Protokolls, und auch keiner Unterzeichnung von Seiten der Gerichtsperson oder der Justizkommissarien, sondern es ist genug, wenn dasselbe nur von dem Protokollanten unterschrieben wird.

Ausfertigung.

§. 49.

Auf den Grund des gehörig aufgenommenen Protokolls erfolgt sodann die gerichtliche Ausfertigung. Außer dem Falle, wo Testamente oder andere letztwillige Dispositionen, zum Protokoll aufgenommen werden, und wo, nach den unten folgenden näheren Vorschriften, das Protokoll selbst versiegelt in gerichtliche Verwahrung niedergelegt werden muß, wird die Ausfertigung von dem Richter, sogleich nach geschlossenem und unterzeichnetem Protokolle, verfügt. Doch muß bei Gerichten, die ein Kollegium ausmachen, das aufgenommene Protokoll zuvörderst einem anderen Mitgliede, als dem, der den Aktus vollzogen hat, zum Vortrage im versammelten Kollegio zugestellt werden. Dieser Dezernent muß gehörig prüfen: ob dabei noch irgendetwas zu


(36) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.

erinnern oder nachzuholen sey, und solchenfalls das Erforderliche nach dem Beschlusse des Kollegii verfügen. Findet sich aber weiter nichts zu erinnern, so muß die Ausfertigung von ihm veranlaßt werden.

§. 50.

In wie fern diese Ausfertigung mit Inserirung des Protokolls selbst geschehe, oder in wie fern nur der Inhalt desselben der zu expedirenden Urkunde, mit Beziehung auf das Protokoll, einverleibt werde, desfalls hat es, nach Verschiedenheit der Fälle, bei dem Gerichtsbrauche eines jeden Kollegii oder anderen Gerichts, auch noch ferner sein Bewenden.

Wenn aber auch nicht das ganze Protokoll in extenso eingerückt, sondern nur der Inhalt desselben in eine besondere Ausfertigung gefaßt wird; so muß dennoch bei dieser das Protokoll lediglich zum Grunde gelegt, von den darin enthaltenen Erklärungen, Abreden und Bedingungen in keinem Stücke abgewichen, nichts denselben hinzugetan oder davon weggelassen, wie es die Natur des Geschäfts und die vorhandenen gesetzlichen Vorschriften mit sich bringen.

§. 51.

Bei Abfassung solcher Urkunden und Ausfertigungen müssen die Gerichte und Expedienten sich einer guten deutschen und allgemein verständlichen Schreibart befleißigen; alle, nur Sachverständigen nach ihrem eigentlichen Sinne bekannte Kunstwörter möglichst vermeiden, und sich, statt deren, lieber einer deutlichen und richtigen Umschreibung bedienen, den Terminum technicum aber in einer Parenthese beifügen; sich des verworrenen, dunkeln und weitschweifigen sogenannten Kanzleistils, so wie aller Affektationen, und der Würde einer gerichtlichen Handlung nicht geziemenden Künstelei und Neuerungssucht in der Sprache, gänzlich enthalten;


(37) Verfahren dabei überhaupt.

die Perioden nicht in einander schieben, noch den Zusammenhang durch lange und häufige Parenthesen unterbrechen; keine Pleonasmen und unnütze Wiederholungen, welche nur zu Mißdeutungen und Verdrehungen Anlaß geben können, einfließen lassen; und mit Einem Worte dafür sorgen, daß sowohl die Partheien, als jeder andere, dem daran gelegen ist, das, was eigentlich verhandelt worden, aus der Ausfertigung deutlich, bestimmt und zuverlässig entnehmen können.

§. 52.

Außerdem müssen dergleichen Ausfertigungen mit unnützen, zur Sache nicht gehörenden, oder unverständlichen, in der Folge wohl gar zu Zweifeln und Bedenklichkeiten Anlass gebenden Klauseln, oder mit Renunciationen, die von keiner rechtlichen Wirkung seyn können, z. B. mit Entsagung der Exceptionis doli, vis, metus, usurariae pravitatis, restitutionis in integrum ex capite aetatis etc. etc., nicht überladen werden; sondern es ist bloß die Begebung solcher Einwendungen und Rechtswohlthaten beizufügen, die sonst dem Geschäfte wirklich entgegen gesetzt werden können, deren Entsagung den Rechten nach zulässig, und denen in dem Protokolle wirklich entsagt worden ist.

§. 53.

Dergleichen Ausfertigung muß allemal erst koncipirt, und das Koncept in dem Falle des §. 49 von dem Dezernenten revidirt, auch nach erfolgter Ausreichung des Mundi, darauf: daß, wenn, und an wen diese geschehen sey, bemerkt; sodann aber das Koncept bei den Akten, in der Registratur des Gerichts, nach näherer Vorschrift des Kanzlei- und Registraturreglements, aufbewahrt werden.

§. 54

Das Mundum selbst wird von dem Gerichte


(38) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.

unterschrieben und besiegelt. Ob die Unterschrift von dem Vorgesetzten allein, oder auch von allen, oder von einigen Mitgliedern des Gerichts geschehe; und ob dabei ein besonderes größeres, oder nur das ordinaire Gerichtssiegel gebraucht werde, desfalls hat es bei der Verfassung eines jeden Kollegii und Gerichts lediglich sein Bewenden.

Dritter Titel.

Von dem Verfahren bei Aufnehmung und Bestätigung der Verträge und anderer Verhandlungen unter Lebendigen.

Anh. §. 424. Bei der Veräußerung der den Stadtgemeinen zugehörigen Grundstücke ist die Vorschrift der Städteordnung vom 19ten November 1808. §. 189. zu befolgen.

Anh. §. 425. Wenn Verträge über Grundstücke geschlossen werden, wobei sich Bergwerke befinden; so muß die Verhandlung jedes mal auf die Bergwerke ausdrücklich mit gerichtet und die Kontrahenten müssen wegen der erforderlichen Verlautbarung bei dem Bergamte gehörig belehrt werden.

Anh. §. 426. Justizkommissarien oder andere Justizbediente, welche bei Schließung von Kaufkontrakten oder auch nur Punktationen über Grundstücke und bei der darauf erfolgenden Naturalübergabe zugezogen werden, müssen bei 10 bis 50 Rtlr. dafür haften, daß von den Kontrahenten das abgeschlossene Geschäft binnen 14 Tagen nach erfolgter Naturalübergabe bei der Hypothekenbehörde angezeigt werde.

§. 1.

Verträge werden entweder vor Gerichten geschlossen und aufgenommen, oder sie werden denselben nur zur Bestätigung eingereicht.

1. Aufnehmung der Verträge.Was dabei zu beobachten ist.

§. 2.

Bei der gerichtlichen Aufnehmung eines Vertrages müssen zuvörderst die allgemeinen Anweisungen


(39) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.

des vorhergehenden Titels genau beobachtet werden.

A. In Ansehung der Person der Kontrahenten, besonders

§. 3.

Wenn besonders der eine oder der andere kontrahirende Theil mit einem Naturfehler behaftet ist, wodurch derselbe zwar zum kontrahiren noch nicht ganz unfähig wird, dennoch aber die Deutlichkeit und Gewißheit in seinen Willenserklärungen zweifelhaft werden könnte; so muß der Richter vorzügliche Mühe anwenden, um nicht nur sich selbst von der wahren Intention einer solchen Parthei vollkommen zu überzeugen, sondern auch zu verhüten, daß die Gültigkeit oder der Sinn des Vertrages nicht etwa in der Folge, unter dem Vorwande dieses Mangels einer deutlichen oder gewissen Willensäußerung, angefochten werden möge.

a) bei Tauben;

§. 4.

Wenn ein Tauber einen Kontrakt schließen will, so muß der Richter die Vorschläge und Erklärungen des andern Kontrahenten, so wie die Fragen, die Er selbst an ihn ergehen zu lassen, und die Bedeutungen, die er ihm zu thun nöthig findet, von Wort zu Wort niederschreiben, und ihm zum Lesen vorlegen; und eben so seine Antworten und Gegenerklärungen wörtlich niederschreiben: also, daß die mündlichen Unterhandlungen und Traktaten, von denen in gewöhnlichen Fällen nur die Resultate zum Protokolle genommen zu werden pflegen, demselben in einem solchen Falle in extenso einverleibt werden müssen. Das Protokoll selbst muß allemal, statt des gewöhnlichen Vorlesens, dem Tauben zum eigenen Durchlesen gegeben, und, daß solches geschehen, von ihm bei seiner Unterschrift ausdrücklich attestirt werden.

b) bei Stummen;

§. 5.

Wenn ein Kontrahent stumm ist, so muß derselbe


(40) Gerichtsordn. II. Theil. Dritter Titel.

seine Vorschläge und Erklärungen, seine Aeußerungen auf die Anträge des andern Theils, und seine Antworten auf die Fragen und Bedeutungen des Richters, eigenhändig in das Protokoll niederschreiben.

§. 6.

Bei Personen, die taub und stumm zugleich sind, muß der Richter die Vorschriften beider vorhergehenden Paragraphen beobachten.

c) bei Taubstummen;

§. 7

Taubstumme ( A. L. R. Th. II. Tit. XVIII. §. 15. 16.), die nicht schreiben und Geschriebenes lesen können, sind in der Regel nicht fähig, Verträge zu schließen, sondern müssen unter Vormundschaft genommen, und ihre Angelegenheiten durch ihre Vormünder besorgt werden. Wenn jedoch in besonderen Fällen behauptet wird, daß ein solcher Mensch, bei übrigens gehörig entwickelten Verstandeskräften, durch die Zeichensprache von dem, was man ihm zu wissen thun will, hinlänglich unterrichtet werden, und ebenso seinen Willen, durch Zeichen, deutlich und verständlich genug äußern könne; der Fall aber so beschaffen ist, daß entweder die vorzunehmende gerichtliche Handlung durch den Vormund allein nicht vollzogen werden kann, sondern die eigene Mitwirkung der Parthei selbst nothwendig erfordert wird; oder wenn bei der Sache dergestalt Gefahr im Verzuge ist, daß auf die förmliche Bevormundung damit nicht gewartet werden kann: so muß der Richter vor allen Dingen, im erstern Falle, den bestellten Vormund dennoch zuziehen; im letztern aber der Parthei, welche noch nicht förmlich bevormundet ist, einen besondern Kurator zu der gegenwärtigen Handlung zuordnen. Sodann muß er wenigstens zwei von denjenigen Personen, die mit einem solchen Menschen täglich oder


(41) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.

doch oft zusammen kommen und Umgang pflegen, bei der vorzunehmenden Handlung aber kein solches eigenes Interesse haben, welches ihre Glaubwürdigkeit zweifelhaft machen könnte, darüber:

ob und woher sie wissen, daß derselbe durch Zeichen hinlänglich verständigt werden, und seinen Willen auf eben die Art mit Deutlichkeit und Gewißheit äußern könne, an Eides Statt, und mit dem Bedeuten, daß sie sich zur eidlichen Bestärkung ihrer Angaben, auf Erfordern, bereit halten müssten, vernehmen; hiernächst den Gemüthszustand einer solchen Parthei überhaupt, und die Richtigkeit der Angaben von ihrer Fähigkeit, Zeichen zu verstehen, und sich durch Zeichen zu erklären, insonderheit, sorgfältig prüfen; sich davon, durch wiederholte Proben, so vollständig als möglich, überzeugen, und die dießfälligen Verhandlungen umständlich zum Protokolle niederschreiben lassen. Sodann muß zur Sache selbst geschritten, und es müssen dabei wenigstens zwei Personen, welche der mit der Parthei zu redenden Zeichensprache mächtig und seiner Zeichen kundig sind, zugezogen werden. Unter diesen Dollmetschern kann auch der Vormund oder Kurator, wenn sonst die übrigen Erfordernisse bei ihm zutreffen, mit begriffen seyn; doch muß überhaupt der Richter die Vorsicht brauchen, daß er sich bald des einen, bald des andern bediene, um der Parthei die Fragen vorzulegen, oder ihre Erklärungen einzuziehen. Am Schlusse des Protokolls muß der Inhalt desselben, so weit er die vorzunehmen gewesene Handlung selbst betrifft, der Parthei durch den Weg der Zeichensprache nochmals vorgehalten, und ihre Genehmigung darüber auf eben die Art eingeholt werden. Das Protokoll aber müssen, außer den gewöhnlichen Unterschriften, auch diejenigen, durch deren Zeugniß der Richter sich von der hinlänglichen Fähigkeit der Parthei versichert, und deren er sich bei dem Aktus als Dollmetscher


(42) Gerichtsordn. II. Theil. Dritter Titel.

bedient hat, mit unterzeichnen. Der Vormund oder Kurator muß, wenn er auch nicht als Dollmetscher mit gebraucht worden, dennoch bei der ganzen Verhandlung zugegen seyn, und statt der Parthei das Protokoll unterschreiben.

d) bei Blinden;

§. 8.

Wenn ein Blinder kontrahiren will, so muß der Richter sich besonders davon, daß derselbe die Person, mit welcher der Kontrakt geschlossen werden soll, wirklich kenne, und daß dabei kein Irrthum vorwalte, hinlänglich überzeugen; und wie er zu dieser Ueberzeugung gelangt sey, in dem Protokolle bemerken. Auf eben die Art muß der Richter, wenn Gegenstände vorkommen, die gewöhnlich nur durch den Sinn des Gesichts erkannt werden, sich versichern, daß, und auf welchem andern Wege, der Blinde davon die zu einer gewissen Willenserklärung nöthige Kenntniß erlangt habe; und wie dieß geschehen, ebenfalls niederschreiben lassen. Uebrigens muß dem Blinden zu der ganzen Verhandlung ein Beistand zugeordnet werden, durch welchen ihm am Ende das Protokoll vorgelesen wird, und der dasselbe an seiner Statt unterzeichnet.

e) bei Leuten, die zuweilen ihres Verstandes nicht mächtig sind.

§. 9.

Personen, die auch nur zuweilen und mit gewissen Abwechselungen an einer Abwesenheit des Verstandes leiden, müssen in der Regel zu Schließung lästiger Verträge nicht zugelassen, sondern unter Vormundschaft gesetzt werden. Wenn aber besondere Fälle vorkommen, wo eine solche Person in einem lichten Zwischenraume einen Vertrag schließen soll, und die Sache dergestalt dringend ist, daß die förmliche Bevormundung, ohne ihren eigenen Nachtheil, nicht abgewartet werden kann; so muß der Richter sich auf das vollständigste, allenfalls unter Zuziehung eines Arztes, überzeugen, daß der


(43) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.

Kontrahent jetzt wirklich in einem solchen lichten Zwischenraume stehe, und daß seine Verstandeskräfte in sich noch ungeschwächt genug sind, um seine Handlungen und deren Folgen gehörig überlegen zu können. Sodann muß er diesem Kontrahenten zu dem Aktus selbst einen Beistand zuordnen, und bei der Vollziehung der Handlung die Vorschriften des zweiten Titels §. 27. 28., wegen der einer solchen Parthei zu ertheilenden Belehrungen und Bedeutungen, mit vorzüglicher Sorgfalt beobachten; das Protokoll aber so umständlich fassen, daß aus selbigem die Ueberzeugung, wasmaaßen der Aktus wirklich in einem lichten Zwischenraume vorgenommen und vollzogen worden ist, zu allen Zeiten entnommen werden könne.

Sollte übrigens das Geschäft, vor gänzlicher Abschließung und Vollziehung des Protokolls, durch einen wiederholten Anfall der Gemüthskrankheit eines solchen Kontrahenten unterbrochen werden; so sind nicht nur alle bis dahin vorgefallene Verhandlungen, wie sich schon von selbst versteht, unverbindlich, sondern sie werden auch als gar nicht vorgefallen angesehen; und muß daher der Aktus, wenn er nach erfolgter Wiederherstellung des Kontrahenten dennoch vor sich gehen soll, nicht bloß da, wo er das erste Mal unterbrochen worden, wieder aufgenommen, sondern ganz von vorn angefangen werden.

B) In Ansehung des Inhalts; besonders

§. 10,

Bei den verschiedenen Arten der Kontrakte muß der Richter, vor welchem sie geschlossen werden sollen, darauf sehen, daß dasjenige, was die Gesetze, nach der Natur eines jeden Kontrakts, zur Gültigkeit und Vollständigkeit desselben erfordern, genau beobachtet; und daß besonders den Streitigkeiten und Prozessen, die bei der Erfüllung desselben entstehen könnten, durch deutliche und bestimmte


(44) Gerichtsordn. II. Theil. Dritter Titel.

Verabredungen der Kontrahenten nach Möglichkeit vorgebeugt werde. Der Richter muß sich daher die gesetzlichen Vorschriften über die Natur, Erfordernisse und Wirkungen eines jeden Kontrakts, und über die Ausflüchte, welche wider die Erfüllung desselben gemacht zu werden pflegen, stets gegenwärtig erhalten, und durch richtige zweckmäßige Anwendung einer gründlichen Rechtstheorie, dem Haupttheile seiner Obliegenheit, welcher in Verhütung künftiger Prozesse besteht, ein Genüge zu leisten, sich angelegen seyn lassen.

I) bei Kaufkontrakten,

§. 11.

Besonders muß bei Kauf- und anderen Veräußerungskontrakten, über Grundstücke und Gerechtigkeiten, der Richter sich von dem zu verkaufenden Immobili einen Hypothekenschein vorlegen lassen, um daraus zu entnehmen: ob der Verkäufer seinen Besitztitel gehörig berichtigt habe; und ob aus der im Hypothekenbuche bemerkten Qualität des Grundstücks, oder aus den in der ersten und zweiten Rubrik des Hypothekenbuches eingetragenen Vermerken, irgend etwas hervorgehe, wodurch die Befugniß des Verkäufers, über die Substanz der Sache solchergestalt zu disponiren, eingeschränkt werde. Kommt nach Provinzialgesetzen, oder bei dem Gerichte bekannten Verträgen, oder anderen Dispositionen, irgend jemandem ein Vorkaufs- oder Näherrecht zu; so muß der Richter sich erkundigen und nachweisen lassen: ob diesen Berechtigten das Anbieten gehörig geschehen sey, ob und wohin sich dieselben erklärt haben, und in wie fern, nach dieser Erklärung, das Geschäft mit dem Käufer gültig und zuverlässig abgeschlossen werde könne. Soll das Anbieten und die Aufforderung zur Ausübung des Vorkaufs- oder Näherrechts erst nach geschlossenem Kontrakte erfolgen, so muß der Richter die Vorschrift Tit. II. §. 23. genau beobachten, und darauf sehen, daß die


(45) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.

dießfälligen Obliegenheiten des Verkäufers, die Frist, in welcher dieselben von ihm erfüllt werden müssen, die rechtlichen Folgen der unterbliebenen Erfüllung, und was Statt finden solle, wenn nach der Erklärung des Vorkaufsberechtigten der gegenwärtige Kontrakt außer Wirkung gesetzt würde, in dem Vertrage selbst, so genau und bestimmt als möglich, verabredet werden.

wegen Festsetzung des Kaufgeldes,

Bei Festsetzung des Kaufgeldes muß der Richter den Partheien die gesetzlichen Vorschriften, nach welchen der Käufer unter gewissen Umständen eine Verletzung über die Hälfte vorschützen kann, bekannt machen; und wenn der Käufer sich dieser Einwendung begeben will, demselben die rechtlichen Folgen einer solchen Verzicht ausdrücklich vorhalten.

wegen des Beilasses,

Besonders muß der Richter genau darauf sehen, daß bestimmt werde: ob der Käufer die Sache mit oder ohne Beilaß erhalten solle. Wenn Ersteres ist, und der Beilaß nach einem Inventario übergeben werden soll; so muß der Richter die Kontrahenten auffordern, dieses Inventarium dem Kontrakte beizufügen; und nur dann, wenn sie erklären, daß sie dieses nicht wollen, sich dabei beruhigen; die Weigerung aber, und was die Partheien etwa sonst wegen dieses Punktes verabredet haben, in dem Protokolle ausdrücklich bemerken. Soll der Käufer die Sache in Ansehung des Beilasses, wie sie steht und liegt, übernehmen; so muß der Sinn und die gesetzliche Wirkung dieses Ausdrucks den Partheien gehörig erklärt werden

wegen der Pertinenzstücke,

Gehören unbewegliche Pertinenzstücke zu der verkauften Sache, so muß der Richter darauf sehen: ob dieselben auf Ein Folium im Hypothekenbuche mit der Hauptsache eingetragen sind; oder ob sie ein besonderes Folium haben. Ist Ersteres, so muß er dafür sorgen, daß derselben in dem Kontrakte ausdrücklich, wenigstens relative auf den Hypothekenschein,


(46) Gerichtsordn. II. Theil. Dritter Titel.

gedacht werde. Ist Letzteres, so muß darüber entweder ein besonderer Kontrakt errichtet, oder doch in dem Hauptkontrakte bestimmt werden: wie viel von dem bewilligten Kaufgelde auf dieses Pertinenzstück zu rechnen sey.

wegen der Gewichtsleistung,

Eben so muß, in Ansehung der zu leistenden Gewähr, auf genaue und bestimmte Festsetzungen gedrungen werden: da die Erfahrung lehrt, daß besonders wegen der Gewährsmängel die weitläufigsten und kostbarsten Prozesse entstehen. Wenn also das Immobile nach einem Anschlage verkauft wird, so muß der Richter dafür sorgen, daß der zum Grunde gelegte Anschlag dem Kontrakte beigefügt werde; und daß dieser Anschlag so beschaffen sey, damit, bei entstehendem Streite, hinlänglich feste Grundsätze sowohl darüber: was zu gewähren, als darüber: wie bei eintretendem Eviktionsfalle die Entschädigung zu bestimmen sey, entnommen werden können. Nur dann, wenn die Partheien, von dieser richterlichen Anweisung und Belehrung keinen Gebrauch machen zu wollen, sich ausdrücklich erklären, muß der Richter zwar weiter fortfahren, zugleich aber jene Weigerung, zu seiner eigenen künftigen Deckung, in dem Protokolle gehörig bemerken.

Soll das Gut in Pausch und Bogen verkauft seyn, so ist den Partheien der Sinn und Umfang dieser Klausel gehörig zu erklären und ihnen bekannt zu machen: in wie fern dieselbe eine Verzicht auf die Gewährsleistung enthalte, und was, derselben ungeachtet, dennoch von dem Verkäufer zu vertreten seyn würde. Soll entweder auf alle und jede, oder auf gewisse Arten der Gewährsleistung Verzicht gethan werden; so muß der Richter den Käufer von der Wichtigkeit und den Folgen einer solchen Renunciation sattsam belehren, und ihm sowohl, als dem Verkäufer, bekannt machen: was für Gewährsmängeln nach den Gesetzen entweder gar nicht entsagt


(47) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.

werden könne, oder bei welchen eine ausdrückliche und bestimmte Entsagung nöthig sey.

wegen der eingetragenen Schulden,

Sind auf dem Grundstücke Schulden eingetragen, so muß der Richter den Käufer bedeuten, daß dieselben mit der Sache zugleich auf ihn übergehen. Werden dergleichen Schulden auf Rechnung des Kaufgeldes übernommen, so muß der Verkäufer erinnert werden, daß dadurch seine bisherige persönliche Verbindlichkeit gegen den Gläubiger nicht wegfalle, und es daher seine Sache sey, dafür zu sorgen, daß; entweder der Käufer die übernommenen Schulden berichtige, oder die Erklärung der Gläubiger, ihn seiner persönlichen Verpflichtung entlassen zu wollen, herbeischaffe. Auch muß der Richter darauf sehen, daß die Partheien unter sich verabreden: ob ein Aufgebot des Grundstücks in Ansehung der unbekannten Realprätendenten veranlaßt werden; auf wessen Kosten es geschehen; ingleichen, ob und wie viel von den Kaufgeldern, zur Sicherheit des Käufers, bis nach ergangener Präklusion stehen bleiben solle.

wegen der Nebenverträge.

Sollen dem Kaufkontrakte Nebenverträge beigefügt werden, so muß der Richter dabei vorzüglich auf genaue bestimmte Fassung derselben Rücksicht nehmen. Insonderheit muß er, wenn ein Wiederkaufsrecht vorbehalten werden soll, bei Prüfung und Fassung der diesfälligen Verabredungen, mit genauer Sorgfalt und beständiger Rücksicht auf die Vorschriften des Landrechts Th. I. Tit. XI. §.. 296-330. zu Werke gehen: damit eines Theils nicht Wucher und Uebervortheilungen hinter einem solchen Geschäfte versteckt, und andern Theils die Gelegenheiten und Veranlassungen zu Prozessen, welche bei künftiger Ausübung des Wiederkaufsrechts um so leichter entstehen können, ein je längerer Zeitraum etwa seit dem ersten Kaufe verstrichen ist, nach Möglichkeit verhütet werden.


(48) Gerichtsordn. II. Theil. Dritter Titel.

2) Bei Pachtkontrakten,

§.. 12.

Bei Aufnehmung von Pachtkontrakten über Landgüter muß der Richter sein Augenmerk vornehmlich darauf richten: ttalien,'

wegen des Beilasses;

1) daß, wenn das gepachtete Grundstück mit einem Beilasse übergeben werden soll, darüber eben so, wie bei Käufen, ein ordentliches und richtiges Inventarium aufgenommen, die Beilaßstücke taxirt, und das Inventarium dem Pachtkontrakte beigefügt werde, um dasselbe bei der künftigen Rückgewähr mit Zuverlässigleit zum Grunde legen zu können.

wegen der Gewährsleistung;

2) Wird die Pacht nach einem Anschlage geschlossen, so muß wegen dieser Anschlag dem Kontrakte ebenfalls beigefügt werden; und der Richter muß, so wie bei Käufen, darauf sehen, daß der Anschlag zweckmäßig und bestimmt genug sey, um bei entstehendem Streite über Gewährsmängel hinlängliche Data darin zur Beurtheilung und Entscheidung anzutreffen. Wird in Pausch und Bogen gepachtet, so ist die Natur und der Umfang dieser Klausel, besonders dem Pächter, gehörig zu erklären; und da auch alsdann der Verpächter dennoch das gewöhnliche Zubehör des Guts gewähren muß, so ist dafür zu sorgen, daß wenigstens ein Verzeichniß der unbeweglichen mitverpachteten Pertinenzstücke, welche nicht etwa mit dem Hauptinbegriffe der Ländereien in einem Strich und Umkreise zusammen, sondern von demselben abgesondert liegen, dem Kontrakte beigefügt werde.

wegen der Remissionen;

3) Besonders muß, bei größeren und auf mehrere Jahre zu schließenden Verpachtungen, der Punkt wegen der Remissionen, wegen der Kriegsschäden, und wegen der sonst dem Pächter von dem Verpächter zu leistenden Vergütungen, mit möglichster Sorgfalt bestimmt werden. Zu dem Ende muß der Richter den Kontrahenten die darüber vorhandenen


(49) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.

Vorschriften der Gesetze bekannt machen; er muß von ihnen vernehmen: in wie fern sie dabei stehen bleiben oder davon abgehen wollen; er muß die dießfälligen Verabredungen so genau und bestimmt als möglich zu fassen suchen, und dabei besonders darauf sehen, daß, wenn es in dem einen Stücke bei den Vorschriften der Gesetze gelassen, in dem andern aber davon abgegangen wird, daraus nicht Widersprüche, Dunkelheiten und Verwirrungen, welche zu den größten Weiterungen Anlaß geben können, entstehen mögen. Wenn die Parteien sich bei diesen Punkten auf gewisse andere Festsetzungen, z. B. auf die bei den Königlichen Aemtern angenommenen Remissionsprincipia, beziehen wollen; so muß der Richter dieselben aufmerksam darauf machen: ob auch bei der Pachtung ein solcher Anschlag, wie bei den Königlichen Aemtern gewöhnlich ist, zum Grunde gelegt worden; damit nicht, wenn demnächst jene Principia auf einen bei dieser Pachtung vorkommenden Remissionsfall angewendet werden sollen, es an den zu einer solchen Anwendung nöthigen Datis und Voraussetzungen fehlen möge.

wegen der Pachtanticipationen;

4) Wenn der Pächter, wie oft zu geschehen pflegt, sich zu einer Vorausbezahlung der Pacht versteht, also, daß er z. B. in dem letzten Jahre, und bei seinem Abzuge, keine Pacht mehr zu entrichten habe; oder wenn er dem Verpächter eine baare Kaution bestellt, deren Betrag er sich successive, oder auch von der letzten Pacht, wieder inne behalten soll: so muß der Richter den Pächter bedeuten, daß durch ein solches Abkommen den zur Zeit des Kontrakts auf dem Gute schon eingetragenen Gläubigern ihr vorzügliches Recht, sich wegen ihrer Zinsen an die Früchte und Nutzungen des Guts zu halten, nicht entzogen werden könne; und was er wegen Vermerkung seines Kompensations- oder Innebehaltungsrechts


(50) Gerichtsordn. II. Theil. Dritter Titel.

im Hypothekenbuche zu veranstalten habe, wenn er sich gegen die Ansprüche später einzutragender Gläubiger decken wolle.

wegen der Onerum;

5) Auch wegen der Lasten, Abgaben und sonstigen Zahlungen, die nach allgemeinen oder Provinzialgesetzen ein Pächter auf Rechnung des Pachtzinses, oder noch außer und über denselben zu entrichten hat, muß den Partheien die nöthige Bedeutung geschehen, und alle Verabredungen, wodurch sie von diesen gesetzlichen Bestimmungen abweichen wollen, müssen deutlich und genau verzeichnet werden.

wegen des Abstandes;

6) Wenn das Recht des Verpächters nur an seine Person oder Lebenszeit, oder an gewisse Umstände und Begebenheiten, von denen man: ob und wann sie eintreten werden, nicht voraus sehen kann, gebunden ist, z. B. wenn er das Gut nur als Nießbraucher auf Lebenszeit besitzt, und also der Fall sich ereignen kann, daß der Pächter noch vor dem Ablaufe der kontraktmäßigen Zeit räumen muß; so sind auf diesen Fall besondere möglichst bestimmte Verabredungen über die Entschädigung zu treffen, welche der Pächter von dem Verpächter oder aus dessen Nachlasse erhalten soll.

wegen der Meliorationen;

7) Besonders sind dergleichen bestimmte Verabredungen nöthig, wenn der Pächter gewisse Verbesserungen in dem Gute zu machen übernommen hat. Dabei muß nicht nur der Umfang seiner Verbindlichkeit gehörig festgesetzt, sondern auch verabredet werden: was Statt finden solle, wenn der Pächter seiner übernommenen Obliegenheit nicht nachkäme, oder wenn er, mit oder ohne seine Schuld, unter der kontraktmäßigen Zeit von dem Gute abziehen müßte.

3) bei Darlehensverträgen;

§. 13.

Bei gerichtlich aufzunehmenden Darlehnskontrakten muß der Richter sich die möglichste Verhütung alles Wuchers und aller  Uebervortheilungen des


(51) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.

Schuldners besonders zum Augenmerk nehmen. Er muß sich daher genau erkundigen: ob und wie die Valuta berichtigt worden, oder noch berichtigt werden solle. Wird angezeigt, daß die Berichtigung der Valuta schon erfolgt sey, so muß er sich von dem Schuldner die Art, wie es geschehen, die Zeit und den Ort bestimmt angeben lassen; ihn gehörig bedeuten, welche nachtheilige Folgen ein dergleichen wiederholtes gerichtliches Empfangsbekenntniß, wenn es der Wahrheit nicht gemäß seyn sollte, für ihn haben würde, und dieses alles in dem Protokolle gehörig niederschreiben lassen. Erfolgt die Zahlung der Valuta in seiner Gegenwart, so muß er auch dieses, mit Bemerkung der Münz- und Geldsorten, in das Protokoll eintragen, und dahin sehen, daß der Schuldner das hingelegte oder hingezählte Geld wirklich in seine Gewahrsam erhalte. Soll aber, wie bei Hypothekendarlehnen gewöhnlich ist, die Valuta erst nach geschehener Eintragung berichtigt werden; so muß der Richter dem Schuldner, auf den Grund der Hypothekenordnung, eröffnen, was er zu thun, und was er zu seiner Sicherheit bei dem Hypothekenbuche zu beobachten habe, wenn der Gläubiger mit der Berichtigung der Valuta, wider Verhoffen, zurückbleiben sollte.

4) bei antichretischenPfandkontrakten;

§.. 14.

Soll dem Gläubiger, zur Sicherheit eines Darlehns oder einer anderen Forderung, ein nutzbares Pfandrecht auf ein Grundstück eingeräumt werden, so muß der Richter die Vorschriften der Gesetze, wegen Verhütung des bei solchen Geschäften sehr oft versteckt liegenden Wuchers, sorgfältig beobachten (A. L. R. Th. I. Tit. XX. §.. 228. u. f.) Er muß sich also von dem Ertrage des zu verpfändenden Gutes und dessen Zu- oder Unzuverlässigkeit, glaubwürdige


(52) Gerichtsordn. II. Theil. Dritter Titel.

Nachrichten so weit zu verschaffen suchen, als es nöthig ist, um die Gesetzmäßigkeit des Verhältnisses zwischen dem Ertrage, und den verabredeten zulässigen Zinsen zu beurtheilen. Auch müssen in einem solchen Kontrakte die Verhältnisse des Pfandinhabers, wegen der mit oder ohne sein Zuthun an der Substanz sich ereignenden Verbesserungen oder Verschlimmerungen, ingleichen seine Obliegenheiten wegen Konservatiion der Substanz und der darauf zu verwendenden Kosten, mit Sorgfalt bestimmt werden.

5) bei Vollmachten;

§. 15.

Wenn eine Vollmacht gerichtlich aufgenommen werden soll, so muß der Richter, wenn besonders von einer Generalvollmacht die Rede ist, sich darnach erkundigen: ob und zu welcher von denjenigen Handlungen, wobei die Gesetze eine Specialvollmacht erfordern, der bestellte Mandatarius berechtigt seyn solle; damit dergleichen Handlungen in der Vollmacht selbst gehörig ausgedrückt werden können. Auch muß er nachfragen: ob und in wie fern der Bevollmächtigte einen Substituten zu bestellen das Recht haben solle. Wie bei Aufnehmung der Vollmachten von Korporationen und Gemeinen zu verfahren sey, ist im Ersten Theile Tit. III. §. 39. u. f. vorgeschrieben.

6) bei Bürgschaften;

§. 16 a.

Die Aufnehmung von Bürgschaften erfordert von Seiten des Richters vorzügliche Sorgfalt und Vorsicht. Er muß daher besonders nach der persönlichen Fähigkeit des sich angebenden Bürgen, einen solchen Kontrakt zu schließen, genaue Nachfrage halten, und wenn es eine Frauensperson ober gar eine verheirathete Frau ist, die Vorschriften der Gesetze wegen Vorhaltung und Verwarnung, die ihr geschehen muß, pünktlich befolgen (A. L. R. Th. I. Tit. XIV. §. 221. u. f. Th. II. Tit. I. §.. 341. u. f.).


(53) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.

Außerdem muß er sowohl dem Bürgen, als demjenigen, welchem durch die Bürgschaft Sicherheit geleistet werden soll, die verschiedenen Einwendungen und Rechtswohlthaten, welche die Gesetze einem Bürgen gestatten, bekannt machen; und wenn denselben entsagt werden soll, den Entsagenden über die rechtlichen Folgen davon deutlich belehren.

§. 16 b.

Wenn eine Frau sich für ihren Ehemann verbürgen will, und also ein rechtskundiger Beistand zugezogen werden soll; an dem Orte aber, wo das Gericht seinen Sitz hat, kein Rechtsverständiger, der dieß Geschäft übernehmen könnte, vorhanden ist; so kann auch ein anderer verständiger, erfahrener, und in den Geschäften des bürgerlichen Lebens nicht ungeübter Mann, als Beistand der Frau zugelassen werden. Der Richter muß aber, so wie überhaupt, also besonders in diesem Falle, dahin sehen, daß die Zuziehung eines solchen Assistenten nicht in eine bloße Formalität ausarte; vielmehr derselbe, dem Zwecke der Zuordnung gemäß, sich überzeuge, daß die Frau eine solche Bürgschaft, ohne Zwang und Ueberlistung, freiwillig, und mit hinlänglicher Kenntniß der Sache und ihrer Folgen, übernehme.

7) bei Schenkungen;

§. 17

Da der Grund, warum nach gesetzlichen Vorschriften alle Schenkungen, wenn sie verbindliche und unwiderrufliche Kraft haben sollen, gerichtlich geschehen müssen, darin besteht, damit Leichtsinn und unbesonnene Uebereilungen möglichst verhütet werden; so muß der Richter bei Aufnehmung eines Schenkungsvertrages diesen Gesichtspunkt besonders vor Augen haben. Wenn er nach den ihm bekannten persönlichen Familien- und Vermögensumständen des Geschenkgebers, in Vergleichung mit den Verhältnissen, in welchen sich derselbe gegen den


(54) Gerichtsordn. II. Theil. Dritter Titel.

Geschenknehmer befindet, oder mit den Bewegungsgründen, welche der Erstere zu seiner vorhabenden Freigebigkeit anführt, in seinem Gewissen Grund findet, zu besorgen, daß diese Freigebigkeit eine bloße Verschwendung sey; daß sie dem Geschenkgeber durch listige Kunstgriffe und Schmeicheleien abgelockt worden; daß derselbe sich dadurch außer Stand setzen dürfte, seinen Pflichten gegen die Seinigen ein Genüge zu leisten; oder daß die Schenkung gar zur Verkürzung der Rechte eines Dritten, z. B. der Gläubiger des Geschenkgebers, abzielen möchte: so muß er dergleichen Bedenklichkeiten dem Geschenkgeber ohne Rückhalt eröffnen, und die allgemeine Vorschrift Tit. II. §.. 30. gewissenhaft befolgen; jedoch auch hier mit Vorsicht und Behutsamkeit zu Werke gehen, damit er seinen Rath und seine Meinung der Parthei, gegen ihre eigene Einsicht und Ueberzeugung, nicht aufbringe, und sich dadurch einer Uebertretung der Vorschrift Tit. II. §.. 33. schuldig mache.

Wenn dem Einwande, daß das Geschenk übermäßig sey, entsagt, oder das Geschäft als eine belohnende Schenkung aufgenommen werden soll; so sind die Vorschriften des Landrechts Th. I. Tit. XI. §.. 1094. 1095. und §.. 1173. gehörig zu beobachten.

8) bei Ehepakten;

§.. 18.

Sollen Ehepakten errichtet und dadurch Veränderungen in den gesetzlichen Bestimmungen, wegen des eingebrachten und vorbehaltenen Vermögens der Frau, vorgenommen werden; so muß der Richter dafür sorgen, daß diese Verabredungen, in so fern sie Grundstücke oder Kapitalien betreffen, in Ansehung der ersteren im Hypothekenbuche bemerkt, in Ansehung der letzteren aber durch Umschreibung des Schuldinstruments, oder Vermerkung auf demselben, und Bekanntmachung an den Schuldner, zur


(55) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.

Wissenschaft eines jeden, dem daran gelegen ist, gebracht; solchergestalt aber allen Irrungen oder Verleitungen des Publici möglichst vorgebeugt werde. Wird in den Ehepakten zugleich die künftige Succession der Eheleute bestimmt, so muß der Richter darauf sehen, daß diese Bestimmung auf beide Fälle, wenn bei dem Absterben des einen Ehegatten Nachkommen aus dieser Ehe vorhanden seyn sollten, oder nicht, mit der nöthigen Deutlichkeit gerichtet werde. Soll die überlebende Frau nach einem solchen Vertrage weniger erhalten, als ihr nach den Gesetzen gebühren würde; so muß der Richter vorzüglich aufmerksam seyn, daß nicht etwa die Frau, aus bloßem Leichtsinn, Schwäche und Mangel an Ueberlegung, zu einem solchen ihr nachtheiligen Uebereinkommen verleitet seyn möge. Eben diese Vorschrift muß auch alsdann beobachtet werden, wenn Ehepakten, die zum Vortheile der Frau gereichen, mit gegenseitiger Einwilligung beider Eheleute wieder aufgehoben werden sollen. (A. L. R. Th. II. Tit. I. §.. 215, 216, 441, 442.).

9) bei Verträgen über die Gütergemeinschaft;

§. 19.

Wenn die Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten durch Vertrag eingeführt werden soll, so muß der Richter nicht nur, in Ansehung der Form, die Vorschriften des Gesetzbuchs Th. II. Tit. I. §.. 357. 358. gehörig befolgen, sondern auch dafür sorgen, daß in Ansehung der Grundstücke die nach den Gesetzen erforderliche Eintragung in das Hypothekenbuch erfolge. (Ebend. §.. 365-369.)

Wird die Kommunion durch einen Vertrag ausgeschlossen oder aufgehoben; so ist der Richter für die vorschriftsmäßige Bekanntmachung zu sorgen verbunden. (Ebenb. §. 422-426.)

Wird eine Gemeinschaft des Erwerbs errichtet, so muß der Richter die Eheleute, zur Aufnehmung


(56) Gerichtsordn. II. Theil. Dritter Titel.

des vorgeschriebenen Verzeichnisses über das von jeder Seite in die Kommunion gebrachte Vermögen, ausdrücklich anweisen. (Ebend. §.. 397-411.).

10) bei anderen Arten von Verträgen.

§. 20.

Da übrigens hier nicht alle Arten der Kontrakte aufgezählt werden können, so werden die Gerichte nochmals erinnert, so oft Partheien zur Errichtung von Verträgen einer gewissen Art bei ihnen sich melden, sich die gesetzlichen Vorschriften darüber stets gegenwärtig zu erhalten, und mit möglichster Sorgfalt darauf zu sehen, daß durch deutliche, bestimmte und vollständige Fassung, künftigen Ungewißheiten und Irrungen möglichst vorgebeugt werde.

II. Konfirmation von Verträgen.

§. 21.

Obige Vorschriften, §.. 2-20., betreffen hauptsächlich den Fall, wenn ein Kontrakt gerichtlich aufgenommen und geschlossen  werden soll.

Wenn aber ein schon errichteter Kontrakt bloß zur gerichtlichen Konfirmation übergeben wird, so ist wiederum ein Unterschied zu machen: ob derselbe bloß außergerichtlich, ober ob er vor einem anderen Gerichte, oder doch vor einem Justizkommissario und Notario geschlossen worden sey.

a) Wenn der Vertrag nur außergerichtlich, oder

§. 22.

Ist der zur Bestätigung eingereichte Kontrakt bloß außergerichtlich geschlossen, so muß der Richter den Inhalt desselben, nach den Vorschriften Tit. II. und Tit. III. §.. 2-20., gehörig prüfen und beurtheilen: ob sowohl in Ansehung der persönlichen Fähigkeit der Kontrahenten, als in Ansehung des Gegenstandes, oder der Deutlichkeit, Bestimmtheit und Vollständigkeit der Verabredungen, ein Bedenken obwalte. Findet sich kein dergleichen Bedenken, und ist der Kontrakt nicht etwa von der Art, daß die gerichtliche Abschließung zu seiner Gültigkeit nothwendig ist; so wird bloß ein Termin auf einen


(57) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.

der gewöhnlichen Gerichtstage anberaumt, und die Parteien werden dazu vorgeladen, um in diesem Termine persönlich oder durch gehörig legitimirte Bevollmächtigte, ihre Unterschrift zu rekognosciren; sich zu dem Inhalte desselben zu bekennen, und dessen Festhaltung wiederholt anzugeloben. Ist dies geschehen, so kann alsdann die Konfirmation ohne weitern Anstand ausgefertigt werden. Ist aber der Kontrakt von der Art, daß er nothwendig gerichtlich abgeschlossen werden muß, und findet der Richter bei Prüfung des eingereichten Privatkontrakts noch Bedenklichkeiten; so muß mit vorläufiger und specieller Eröffnung derselben ein Termin vor einem Deputirten des Gerichts anberaumt werden, welchen die Partheien in der Regel persönlich abwarten müssen, und wo mit vollständiger Aufnehmung des Kontrakts verfahren, oder die Hebung der obgewalteten Bedenklichkeiten gehörig bewirkt werden muß. Ob wegen der Zusätze oder Abänderungen, welche hieraus bei dem ursprünglichen Privatkontrakte entstehen, mit gänzlicher Beiseitesetzung dieses letztern, ein neuer Kontrakt abzufassen, oder ob es hinreichend sey, diese Zusätze oder Abänderungen dem ursprünglichen Privatkontrakte, auf dem oder den Originalien desselben, durch einen Nachtrag beizufügen, bleibt der richterlichen Beurtheilung nach Bewandtniß der Umstände vorbehalten.

Wenn der Kontrakt auf die eine oder die andere Art berichtigt ist, so muß darüber von den Partheien eben so, wie in dem vorhergehenden Falle, das feierliche Anerkenntnis; durch den Deputirten abgenommen, und sodann die Konfirmation von dem Gerichte ertheilt werden.

b) wenn er gerichtlich geschaffen worden ist.

§.. 23.

Wenn hingegen der zur Konfirmation eingereichte Kontrakt selbst, entweder gerichtlich, oder doch vor einem Justizkommissario und Notario geschlossen


(58) Gerichtsordn. II. Theil. Dritter Titel.

ist; so darf es, da das Gericht oder der Justizkommissarius, welche den Kontrakt aufgenommen haben, für die Beobachtung der Vorschriften sorgen müssen, keiner so genauen Prüfung desselben; sondern es ist genug, wenn nur keine in die Augen fallende Nullität oder Gesetzwidrigkeit darin bemerkt wird. Bei einem solchen Kontrakte würde es auch an sich einer Rekognition der Unterschriften eigentlich nicht bedürfen. Da inzwischen dem Geschäfte selbst, durch den Hinzutritt der gerichtlichen Bestätigung, ein höherer Grad von Festigkeit und Unverletzbarkeit nach der Absicht der Partheien ertheilt werden soll; so müssen, der mehreren Feierlichkeit wegen, die Partheien entweder in Person, oder durch gehörig legitimirte Bevollmächtigte, sich vor versammeltem Gerichte zu dem Kontrakte und dessen Inhalte nochmals ausdrücklich bekennen, und die Festhaltung angeloben; worauf sodann die Konfirmation ausgefertigt wird.

§. 24.

Wie viel Exemplare von einem Kontrakte und dessen Konfirmation zu expediren sind, hängt von der Bestimmung der Partheien ab. Der Richter aber muß dafür sorgen, daß sämmtliche Exemplare genau miteinander übereinstimmen; und daß aus den Akten zu entnehmen sey, wie vielfach der Kontrakt ausgefertigt, und wem jedes Exemplar zugestellt worden.

III. einseitige actus inter vivos.

§. 25.

Bei Aufnehmung einseitiger gerichtlicher Handlungen unter Lebendigen, z. B. von Quittungen, Entsagungen, Verzichten u. s. w., finden eben die Vorschriften, wie bei Aufnehmung der Kontrakte, Statt; mit dem aus der Sache selbst fließenden Unterschiede, daß, da der Richter es bei solchen Handlungen nur mit Einer Person zu thun hat, von jenen Vorschriften, die, welche das Verhältniß


(59) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.

zwischen zwei oder mehreren Kontrahenten voraussetzen, von selbst hinweg fallen.

IV. Gerichtliche Recognitionen.

§. 26.

Von der gerichtlichen Aufnehmung der Kontrakte und anderer Instrumente, ingleichen von der Konfirmation derselben, ist die vor Gericht erfolgende bloße Rekognition der Unterschriften unter einem bereits ausgestellten Instrumente verschieden. In einem solchen Falle ist der Richter nicht schuldig, um den Inhalt des Instruments, oder um die Legalität des dadurch vollzogenen Geschäfts, sich zu bekümmern; er muß vielmehr, wenn die Partheien es ausdrücklich verlangen, sich aller Einsicht des Instruments selbst gänzlich enthalten, und nur mit Vorzeigung der Unterschrift sich begnügen.

In allen dergleichen Fällen einer bloßen gerichtlichen Rekognition nimmt daher der Richter nur über die Erklärung der Partheien, daß sie die unter dem Instrumente befindliche Unterschrift als die ihrige anerkennen, ein Protokoll auf, und vermerkt, mit Beziehung auf den Inhalt desselben, die geschehene Rekognition unter dem Instrumente selbst, durch eine Registratur, welche von ihm und dem Protokollführer, oder den Gerichtsschöppen, unterschrieben, und mit Beidrückung des Gerichtssiegels bekräftigt wird. Ist das Attest der geschehenen Rekognition selbst in der Form eines Protokolls abgefaßt, und mit den legalen Erfordernissen desselben versehen, so bedarf es außerdem keines besondern Protokolls.

Ein solcher Aktus hat aber auch nur die rechtliche Wirkung, daß das Instrument nachher nicht mehr eidlich diffitirt werden kann. In allen übrigen Stücken erlangt dasselbe keineswegs die Eigenschaft und Wirksamkeit eines gerichtlichen Instruments.

Anh. §.. 427. Wenn in dem über die gerichtliche Rekognition ausgefertigten Atteste keine Erwähnung von


(60) Gerichtsordn. II. Theil. Dritter Titel.

dem darüber besonders aufgenommenen Protokolle geschehen ist, so zieht dieß gleichwohl die Nichtigkeit des Rekognitionsakts nicht nach sich.

V. Vidimitationen.

§. 27.

Wenn die Ausfertigung beglaubter Abschriften von schon vorhandenen Urkunden bei Gerichten nachgesucht wird, so muß die Gerichtsperson, welcher der Auftrag dazu geschieht, sowohl das Original, als die Abschrift aufmerksam durchlesen, dieselben von Zeile zu Zeile sorgfältig mit einander vergleichen, und, bei richtigem Befunde, die Uebereinstimmung der Abschrift mit dem Originale unter der erstern attestiren; auch wenn im Originale sichtbare Mängel, als Rasuren, Korrekturen, Interlineationen und dergleichen befindlich sind, dieselben am Rande der Abschrift, oder unter ihr, durch eine umständliche Registratur genau bemerken.

Zu einer dergleichen bloßen Vidimation ist die Zuziehung eines Aktuarii oder Protokollführers, oder besonderer Gerichtsschöppen, nicht erforderlich, sondern die bloße Unterschrift derjenigen Gerichtsperson, welche die Vergleichung angestellt hat, und die Beidrückung des Gerichtssiegels, ist hinreichend.

§. 28.

Soll jedoch eine dergleichen vidimirte Abschrift die Stelle des Originals vertreten, und mit demselben gleiche Kraft haben, so ist es an einer bloßen Vidimation nicht in allen Fällen genug; sondern es kommt alsdann darauf an: ob das Instrument selbst bei eben dem Gerichte, wo die Vidimation geschehen soll, aufgenommen oder bestätigt worden; oder ob die Ausfertigung bei einem andern Gerichte geschehen; oder gar nur von einem bloßen außergerichtlichen Privatinstrumente die Rede sey. Ersteren Falls hat eine gerichtlich ausgefertigte vidimirte Abschrift mit dem Originale allerdings gleiche Kraft. Letztern


(61) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.

Falls aber muß eine von den Partheien zu leistende und nach §.. 26. aufzunehmende Rekognition ihrer Unterschriften vorher gehen. Wenn diese erfolgt, und in der unter die Abschrift zu setzenden Registratur sowohl die geschehene Rekognition des Originals, als die Uebereinstimmung der Abschrift mit selbigem attestirt, und diese Registratur von der Gerichtsperson, welche den Aktus vorgenommen hat, mit Zuziehung eines Aktuarii oder Protokollführers, oder der Gerichtsschöppen, unterschrieben und mit dem Gerichtssiegel bestärkt worden ist; so kann alsdann erst eine solche Abschrift die Stelle des Originals bei allen Gelegenheiten vertreten.

VI. Renovationen.

§. 29.

Wenn Urkunden, welche wegen Alters, oder durch andern Zufall schadhaft geworden sind, oder sonst unleserlich zu werden Gefahr laufen, mit der Wirkung erneuert werden sollen, daß die neue Ausfertigung in allen Stücken die Stelle des bisherigen Originals vertrete; so muß dieses mit Zuziehung aller derjenigen, die bei der Sache zu und dem Gegenstand der Urkunde, ein bekanntes Interesse haben, z. B. bei Grenzrezessen mit Zuziehung sämmtlicher Grenznachbarn, bei Lehnsurkunden mit Zuziehung des Lehnsherrn und aller Mitglieder der belehnten Familie geschehen. Diese müssen daher zu einer solchen Handlung ordentlich vorgeladen, und, ihnen muß angedeutet werden, daß bei ihrem Ausbleiben mit der Renovation dennoch verfahren, und in der Folge auf den Einwand, daß dieselbe ohne ihre Zuziehung geschehen sey, nicht mehr geachtet werden solle. Dabei versteht sich jedoch von selbst, daß, wenn es in dem einen oder dem andern Falle nicht möglich wäre, sämmtliche Interessenten auszuforschen, oder ihnen die Vorladung insinuiren zu lassen, der Aktus dennoch seinen Fortgang behalte;


(62) Gerichtsordn. II.Theil. Dritter Titel.

nur mit dem Unterschiede, daß gegen die nicht zugezogenen, oder nicht gehörig vorgeladenen Interessenten, der renovirten Urkunde die Kraft und Wirksamkeit des Originals nicht in gleichem Grade, wie gegen die übrigen, beigelegt werden könne; vielmehr Ersteren ihre etwanigen Einwendungen gegen die Richtigkeit und Authentizität des Renovati vorbehalten bleiben. Bei der Renovation selbst wird nach der Vorschrift §. 27. wie bei Anfertigung einer vidimirten Abschrift, welche die Kraft des Originals haben soll, verfahren. Kommen Stellen vor, die, weil die Schriftzüge nicht mehr ganz deutlich sind, von den Interessenten verschieden gelesen werden; so ist diejenige Lesart, welche dem renovirenden Richter mit den noch vorhandenen Schriftzügen am besten übereinzustimmen scheint, in den Kontext aufzunehmen; alle übrige aber müssen, wenn die Partheien sich darüber nicht vereinigen können, in besonderen, am Rande beizufügenden Registraturen ebenfalls angeführt, und dabei bemerkt werden: von welchem der Interessenten eine jede derselben als die richtige behauptet worden sey. Doch müssen dabei weder die Partheien noch das Gericht, auf Erörterungen oder Streitigkeiten über die Erklärung oder Ausdeutung solcher Stellen sich einlassen; da dergleichen nicht zu der Handlung der Renovation, sondern allenfalls zur prozeßmäßigen Instruktion und besonderen Entscheidung im ordentlichen Wege Rechtens gehören. Uebrigens versteht es sich von selbst, daß über den ganzen Aktus ein vollständiges Protokoll aufgenommen werden müsse, welches der Ausfertigung der erneuerten Urkunde in beglaubter Abschrift beigeheftet, oder doch daraus in den Eingang der Ausfertigung das Erforderliche, wegen der Interessenten, mit deren Zuziehung die Renovation geschehen, wegen des dabei beobachteten Verfahrens, und wegen


(63) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.

der von dem einen oder dem andern Interessenten etwa gemachten Bemerkungen, Vorbehalte oder Protestationen, übernommen wird. Die alte Urkunde selbst muss nicht kassirt werden, sondern zum etwanigen künftigen Gebrauche in gerichtlicher Verwahrung bleiben.

VII. Wechselcertifikate

§. 30.

Wegen der Ausfertigung der Certifikate über die Wechselfähigkeit solcher Personen, die an sich zur Ausstellung von Wechseln nach den Gesetzen nicht qualificirt sind, sind die umständlichen Vorschriften des Landrechts Th. II. Tit. VIII. §. 731.-738., ingleichen §. 746. 747., genau zu beobachten. Zur Erläuterung derselben wird hier noch Folgendes beigefügt:

a) Wenn derjenige, welcher die Wechselfähigkeit sucht, sich darum in einer eigenhändig geschriebenen, oder doch unterschriebenen Vorstellung meldet, und seine Hand im Gerichte hinlänglich bekannt ist; so kann eine solche Anmeldung für hinreichend angenommen werden (§. 732.).

b) Die §. 733-735. vorgeschriebene Untersuchung ist nur dann erforderlich, wenn die auszumittelnden Umstände nicht schon bei dem Gesuche selbst hinlänglich bescheinigt, oder dergestalt notorisch sind, daß über deren Richtigkeit kein vernünftiger Zweifel Statt findet.

c) Da den §. 737. bemerkten Personen eine Certioration geschehen soll, so folgt daraus, daß ihnen das Certifikat niemals auf ein bloß schriftlich, oder durch einen Bevollmächtigten angebrachtes Gesuch ertheilt werden könne. Vielmehr müssen dergleichen Personen allemal vor dem Gerichte oder einem Deputirten desselben, persönlich erscheinen; auch muß die geschehene Certioration in dem Protokolle gehörig bemerkt werden.


(64) Gerichtsordn. II.Theil. Dritter Titel.

d) Da jedoch Fälle vorkommen können, daß eine solche Person, welche das Certifikat verlangt, sich zu der Zeit, wo sie desselben bedürftig ist, eben nicht an ihrem gewöhnlichen Wohnorte aufhält; so kann sie sich in einem solchen Falle auch bei einem andern Gerichte melden und certioriren lassen. Wenn alsdann das darüber aufgenommene Protokoll dem schriftlichen Gesuche um die Ausfertigung des Certifikats in beglaubter Form beigefügt wird, so kann das Erforderniß des §. 737. für erfüllt angenommen werden.

e) Das §. 746. 747. vorgeschriebene Verzeichniß ist nach alphabetischer Ordnung unter folgenden Kolonnen zu führen:

1) Stand, Namen und Charakter des Extrahenten;

2) Datum der Ausfertigung des Certifikats;

3) ob und wenn dasselbe zurückgenommen oder mortificirt worden;

4) Signatur der Akten, worin die zur Sache gehörigen Verhandlungen sich befinden.

Dieß Verzeichniß muß der Richter zwar in genauer und sorgfältiger Verwahrung halten; er kann aber die Inspektion desselben, und Atteste daraus, niemanden, der ein scheinbares Interesse dabei anzuführen hat, versagen.

Vierter Titel.

Von dem Verfahren bei Aufnehmung der Testamente und anderer letztwilliger Verordnungen.

Von Testamenten.

§. 1.

Außer den allgemeinen, bei den Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt zu beobachtenden


(65) Verfahren bei Aufnehm. d. Testamente.

Vorschriften des zweiten Titels, enthält das Landrecht selbst Th. I. Tit. XII. §. 66-241. die umständlichsten Anweisungen: wie bei der Auf- und Abnehmung der Testamente und bei deren Publikation zu verfahren sey; also, daß es wiederholter Verordnungen darüber allhier nicht bedarf.

§. 2.

Nur wegen des Verfahrens bei der Niederlegung und Aufbewahrung der Testamente, welche nach der gesetzlichen Vorschrift, bis zur erfolgenden Publikation, im gerichtlichen Deposito verbleiben müssen, sind folgende nähere Bestimmungen erforderlich.

Von solchen, die mündlich vor versammeltem Gerichte, oder

§. 3.

1) Wenn ein Testator seinen letzten Willen vor versammeltem Gerichte mündlich zum Protokolle erklärt, so wird das gehörig aufgenommene und unterschriebene Protokoll in seiner Gegenwart sogleich versiegelt und überschrieben. Ersteres geschieht mit dem Gerichtssiegel, welchem der Testator sein eigenes oder ein anderes selbst gewähltes Petschaft beidrücken kann. Die Ueberschreibung geschieht mittelst einer kurzen Registratur, in welcher bloß bemerkt wird:

daß hierin die letztwillige Disposition des N. N. enthalten sey, welche derselbe, unter dem Dato der Registratur, vor versammeltem Gerichte zum Protokolle erklärt habe.

Diese Registratur wird, bei Kollegien, von dem Vorgesetzten, bei kleineren Gerichten aber von dem Richter, und in beiden Fällen von dem Aktuario oder sonstigen Protokollführer, welcher das Protokoll aufgenommen hat, unterschrieben.

Außerdem wird eine ebenfalls nur kurze, bei den Akten bleibende Registratur aufgenommen, in welcher bloß bemerkt wird:


(66) Gerichtsordn. II. Theil. Vierter Titel.

daß unter dem Dato derselben der N. N. vor versammeltem Gerichte erschienen sey, und seinen letzten Willen zum Protokolle erklärt habe; daß das hierüber aufgenommene Protokoll in seiner Gegenwart versiegelt und überschrieben, und zur gerichtlichen Verwahrung angenommen worden sey. Dieser Registratur wird die Ueberschrift des eingesiegelten Protokolls wörtlich eingerückt, und zugleich bemerkt: mit welchen, und mit wie viel Siegeln dasselbe versehen worden. Alsdann ergeht eine Verordnung an die Depositarien, das versiegelte Testament in das gerichtliche Depositum anzunehmen und daselbst zu verwahren. Ueber die wirklich geschehene Niederlegung in den Testamentsdepositalkasten wird von den Depositarien ein Protokoll, so wie bei anderen Ablieferungen in das Depositum, aufgenommen, und der Niederleger erhält eine unter dem Gerichtssiegel ertheilte Abschrift dieses Protokolls, als Rekognition über die erfolgte Niederlegung.

vor einer Deputation errichtet werden.

§. 4.

2) Will der Testator seinen letzten Willen vor einer dazu erbetenen gerichtlichen Deputation in einer Privatwohnung zum Protokoll erklären, so muß er die Ernennung einer solchen Deputation, nach Vorschrift des Landrechts a. a. O. §. 68., durch eigenhändig unterschriebene Vorstellung, oder durch zwei Abgeordnete nachsuchen. Die Originalvorstellung, oder das über das Anbringen der Abgeordneten aufgenommene Protokoll, wird mit der darauf von dem Vorgesetzten des Gerichts, wegen Ernennung der Deputation getroffenen Verfügung, dieser Deputation zugestellt.

Die Deputation muß, nach berichtigtem Punkte, die Identität der Person betreffend, es ihr erstes Geschäft seyn lassen, den angegebenen Testator zu


(67) Verfahren bei Aufnehm. d. Testamente.

vernehmen: ob es wirklich seine Absicht sey, ein Testament zu machen, und ob es mit seinem deshalb angebrachten Gesuche seine Richtigkeit habe.

Sodann verfährt die Deputation mit vorschriftsmäßiger Aufnehmung des Protokolls über die letzte Willenserklärung des Testators. Wenn das Protokoll gehörig abgeschlossen und unterschrieben ist, so besorgt sie die Einsiegelung und Ueberschreibung auf die §. 3. angegebene Art, und wird die auf den versiegelten Umschlag zu setzende Registratur von sämmtlichen Mitgliedern der Deputation unterschrieben. Sodann überreicht dieselbe das versiegelte Protokoll dem Gerichte, mittelst einer schriftlichen Anzeige, die eben das enthalten muß, wie die am angeführten Orte beschriebene besondere Registratur. Auf diese Anzeige wird die Verordnung zur Annahme in das gerichtliche Depositum erlassen, und nach deren Erfolg dem Testator der Extrakt des Depositalprotokolls, statt der Rekognition, zugestellt.

Von schriftlichen Testamenten, die dem Gerichte, oder

§. 5.

3) Wenn ein Testator sein selbst angefertigtes Testament dem versammelten Gerichte verschlossen übergeben will, so muß er sich entweder an einem der ordentlichen Sessionstage persönlich melden, oder, wenn die Anmeldung in der Zwischenzeit schriftlich oder mündlich geschieht, zu einem solchen Sessionstage persönlich beschieden werden.

Wenn er sich nun solchergestalt bei versammeltem Gerichte gestellt, so wird mit der Abnehmung des Testaments von ihm, und mit der Aufnahme eines vollständigen Protokolls darüber, in welchem die Beschaffenheit des Testaments, die ihm von dem Testator etwa gegebene Ueberschrift, und die Zahl der Siegel bemerkt seyn muß, nach Vorschrift des Landrechts a. a. O. §. 100-103. verfahren.


(68) Gerichtsordn. II. Theil. Vierter Titel.

Das übergebene Testament wird demnächst von dem Vorgesetzten des Gerichts präsentirt, und nach Vorschrift §. 3. überschrieben. Auf das Protokoll wird die Verordnung wegen der Annahme des Testaments in das gerichtliche Depositum erlassen, und wenn dieses geschehen ist, dem Testator die gewöhnliche Rekognition nach §. 3. zugestellt.

einer Deputation desselben übergeben werden.

§. 6.

4) Wenn der Testator eine gerichtliche Deputation zur Abnahme des von ihm verfertigten und verschlossen zu übergebenden Testaments verlangt, so finden die Vorschriften des §. 4. überall Anwendung, mit der sich von selbst verstehenden Maaßgabe, daß wegen der Vernehmung des Testators nur die Vorschriften des Landrechts a. a. O. §. 100-103. zu beobachten sind; übrigens aber in dem Protokolle selbst eine genaue Beschreibung des übergebenen Testaments, nach Anweisung des vorstehenden §. 5. enthalten seyn muß. Dagegen ist in der schriftlichen Anzeige, womit das aufgenommene Protokoll, nebst dem übergebenen Testamente, dem Gerichte überreicht wird, eine Wiederholung desjenigen, was in dem Protokolle schon stehen muß, nicht erforderlich.

Vom Verbote der Siegelung und Infentur .(!)

§. 7.

Wenn der Testator bei der Aufnahme oder Uebergabe seines Testaments die gerichtliche Siegelung und Inventur seines Nachlasses verbittet, so muß dessen nicht nur, wie sich von selbst versteht, in dem Protokolle gedacht, sondern auch dieser Erklärung in der auf den Umschlag des Testaments zu setzenden Registratur, und in der dem Testator zu ertheilenden Rekognition, ausdrücklich erwähnt werden.

Aufbewahrung der Testamente.

§. 8.

Die gerichtlich aufgenommenen und übergebenen Testamente bleiben, nach Vorschrift der Gesetze, in


(69) Verfahren bei Aufnehm. d. Testamente.

so fern sie nicht von dem Testator selbst zurückgefordert werden, der Regel nach bis zur erfolgenden Publikation, in gerichtlicher Verwahrung.

Dergleichen Testamente müssen also entweder in einem besonders dazu gewidmeten Behältnisse, oder in einer besondern Abtheilung des Depositalkastens aufbewahrt werden; und wegen der äußern Sicherheit sowohl des Behältnisses selbst, als des Orts und Gelasses, in welchem dasselbe steht, sind alle Vorschriften der Depositalordnung, in Ansehung anderer zum gerichtlichen Deposito gehöriger Urkunden, zu beobachten.

Eben so finden, wegen der Annahme, Aufbewahrung und Zurückgabe solcher Testamente, alle Vorschriften der Depositalordnung, bloß mit den aus der Natur der Sache sich von selbst ergebenden Maaßgaben, Anwendung.

Doch müssen die Gerichte über die Testamente ein besonderes Mandatenbuch, und eben so die Depositarien ein besonderes Protokollbuch halten; dergestalt, daß die Testamente mit den andern Depositis nicht vermischt werden.

Anh. §. 428. Wenn dem Testator aus besonderen Gründen daran liegt, die Existenz seines Testaments geheim zu halten; so kann von dem gewöhnlichen Verfahren, wonach der Vortrag wegen des Testaments durch den Siegelzettel, das Expeditionsbuch und Depositalprotokoll gehen muß, in einzelnen Fällen eine Ausnahme gemacht werden. Auch muß der Vorgesetzte des Gerichts die Sache dergestalt einleiten, daß die Handlung nur den Mitgliedern des Kollegii und dem Sekretär, welche zur Aufnahme des Testaments deputirt worden, und sonst keinem Andern, bekannt werden.

Zurückgabe.

§. 9.

Da einem jeden Testator frei steht, seine letztwillige Disposition zu ändern und zurückzunehmen; so soll es damit folgendergestalt gehalten werden.


(70) Gerichtsordn. II. Theil. Vierter Titel.

Das Gesuch um die Zurücknahme kann der Testator persönlich zum Protokolle, oder durch einen mit gewöhnlicher Vollmacht versehenen Mandatarius, oder auch schriftlich anbringen.

Auf das solchergestalt angebrachte Gesuch muß aber ein Termin zur Zurückgabe schriftlich anberaumt, und der Testator vorgeladen werden, in diesem Termine entweder in Person, oder durch einen mit gerichtlicher Specialvollmacht versehenen Mandatarius zu erscheinen; das Testament aus den Händen des Gerichts zurück zu empfangen; und die wegen geschehener Niederlegung erhaltene Rekognition zurück zu geben, oder dieselbe zu amortisiren. Zugleich mit dieser Vorladung muß auch eine Verordnung an die Depositarien erlassen werden, in dem anberaumten Termine das Testament aus der gerichtlichen Verwahrung heraus zu nehmen, und an das Gericht abzuliefern.

Befindet sich der Testator an dem Orte selbst, wo das Gericht seinen Sitz hat; so muß er den Termin in Person abwarten, oder die Rückgabe in seiner Behausung, zu eigenen Händen, durch eine Deputation, nachsuchen. Nur für abwesende Testatoren können Specialbevollmächtigte zugelassen werden.

Wenn nun in dem Termine der Testator gehörig erscheint, so muß ihm das versiegelte Testament zur Erklärung: ob es wirklich dasjenige sey, welches von ihm ehemals niedergelegt worden, vorgezeigt; ihm sodann zurückgegeben, über die ganze Verhandlung ein Protokoll aufgenommen, und selbiges von dem Testator, oder seinem gerichtlichen Specialbevollmächtigten, mit unterschrieben werden.

Da nach diesen Vorschriften zwischen der Rückforderung eines Testaments, und dessen wirklicher Zurückgabe, doch immer einige Zeit verlaufen kann, und nach der Vorschrift des Landrechts Th. I. Tit. XII. §. 569. ein Testament durch die bloße Zurückforderung


(71) Verfahren bei Aufnehm. d. Testamente.

allein noch nicht entkräftet wird; so müssen die Gerichte sich die vorzüglichste Beschleunigung aller dergleichen, die Retradition eines Testaments betreffenden Verfügungen ganz besonders angelegen seyn lassen.

Anh. §. 429. Soll die Zurückgabe eines Testaments durch eine Kreis-Justizkommission erfolgen, so kann derselben das Testament mit der Post übersendet werden.

Publikation.

§. 10.

Die Fälle, in welchen die Publikation eines Testaments, nach notorisch erfolgtem oder gehörig nachgewiesenem Absterben des Testators, auf das Ansuchen eines Interessenten, oder auch von Amtswegen zu verfügen; was für Personen dabei zuzuziehen, und wie bei der Publikation selbst zu verfahren sey, sind in den Gesetzen umständlich vorgeschrieben (A. L. R. a. a. O. §. 209-225.). Es muß also, wenn der Termin zur Publikation eines Testaments anberaumt wird, zugleich den Depositarien die Herausgabe desselben an das Gericht nach der Verordnung §. 9. anbefohlen werden.

Anh. §. 430. Verlangt ein überlebender Ehegatte aus besonderen Gründen, daß ein von ihm und dem Verstorbenen errichtetes wechselseitiges Testament nach geschehener Publikation anderweit wieder bis zu seinem Ableben versiegelt deponirt werde; so kann demselben nach vorher gegangener vorschriftsmäßiger Bekanntmachung an sämmtliche darin benannte Erben und Legatarien gewillfahrt werden.

§. 11.

Auch wegen der, nach erfolgter Publikation, durch den Richter von Amtswegen zu verfügenden Bekanntmachungen, hat es bei den Vorschriften des Landrechts a. a. O. §. 230-239. sein Bewenden.

§. 12.

In Ansehung der bei dem Kammergerichte bisher Statt gefundenen, auf die Lokalität gegründeten


(72) Gerichtsordn. II. Theil. Vierter Titel.

Verfassung, wegen Annahme der Testamente in die gerichtliche Verwahrung, deren Asservation und Herausgabe, wird es bei dem Reskripte vom 12. Sept. 1791 vor der Hand noch ferner belassen.

Publikation anderer letztwilliger Verordnungen.

§. 13.

Wenn nach der gesetzlichen Vorschrift des Allgemeinen Landrechts Th. I. Tit. XII. §. 241. eine außergerichtliche Disposition den Gerichten zur Publikation eingereicht wird, so muß derjenige, der dieselbe bisher in Händen gehabt hat, sofort umständlich vernommen werden: wie er zu dieser Gewahrsam gekommen, und was ihm von dem Hergange und den Umständen, welche bei Errichtung der Disposition vorgefallen sind, etwa bekannt sey. Das hierüber aufgenommene Protokoll muß, nach erfolgter Publikation der Verordnung selbst, denjenigen, welche bei der Sache ein Interesse haben, von Amtswegen vorgelegt oder abschriftlich mitgetheilt werden.

Testamentsakten.

§. 14.

Ueber die Verhandlungen wegen eines bei den Gerichten niedergelegten Testaments, müssen für ein jedes besondere Testamentsakten gehalten, und diesen alle Vorstellungen, Protokolle und Verfügungen, welche dieß Testament betreffen, vollständig beigeheftet werden. Zu diesen Akten gehört auch das Originaltestament, nach erfolgter Publikation desselben; und sind daher diese Akten mit vorzüglicher Sorgfalt in dem Archive des Gerichts aufzubewahren.

Von Erbverträgen.

§. 15.

Wegen Aufnehmung, gerichtlicher Niederlegung und Aufbewahrung der Erbverträge finden die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts a. a. O. §. 621-623., übrigens aber die obigen Anweisungen, unter den, aus der Natur eines Vertrags, und der dabei


(73) Verfahren bei Aufnehm. d. Testamente.

Statt findenden Mitwirkung zweier Kontrahenten, von selbst fließenden Maaßgaben, Anwendung. Die bei Verträgen überhaupt den Gerichten im Zweiten und Dritten Titel zur Pflicht gemachten Prüfungen, müssen bei Erbverträgen, wenn zu deren Aufnehmung eine Deputation erbeten worden, nur von dieser angestellt werden; also, daß ein Vortrag darüber im versammelten Gerichte, dergleichen sonst bei anderen Kontrakten in der Regel geschehen muß, bei Erbverträgen nur alsdann Statt findet, wenn es die Kontrahenten ausdrücklich verlangen. Daß übrigens bei Erbverträgen unter Eheleuten, die in einem und eben demselben Instrumente mit dem eigentlichen Ehevertrage errichtet werden, überall nur die Form der letztern zu beobachten sey, ist bereits im Ersten Titel vorgeschrieben.

Anh. §. 431. Wenn die den Vertrag schließenden Eheleute die Geheimhaltung desselben nicht verlangen, sondern solchen zur richterlichen Prüfung und Bestätigung vorlegen; so kann damit wie bei einem andern Vertrage verfahren, und den Paciscenten auf ihr Verlangen eine Ausfertigung ertheilt werden.

Jedoch wird dadurch, daß der Erbvertrag unversiegelt den Gerichten übergeben worden, die Versiegelung und überhaupt die bei den Testamenten vorgeschriebene Form nicht ausgeschlossen.

Fünfter Titel.

Von dem Verfahren bei Siegelungen nnd Inventuren in Sterbefällen.

Pflichten des Richters bei Sterbefällen überhaupt;

§. 1.

Von Erbschaften überhaupt; von dem Anfalle derselben; von Antretung der Erbschaft mit oder ohne den Vorbehalt der Rechtswohlthat des Inventarii; von deren Entsagung; von der dem Erben zur Erklärung hierüber zu Statten kommenden


(74) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

Ueberlegungsfrist; von den rechtlichen Folgen der Erbschaftsantretung mit oder ohne Vorbehalt; von den Rechten und Verbindlichkeiten eines Beneficialerben insonderheit; von seiner Befugniß, auf Eröffnung eines erbschaftlichen Liquidationsprozesses anzutragen; von dem Rechte der Gläubiger, den Erben dazu anzuhalten, wenn derselbe, unter dem Vorwande der besorglichen Unzulänglichkeit des Nachlasses, ihnen die Zahlung ihrer Forderungen vorenthält; so wie von dem gerichtlichen Verfahren bei Erbtheilungen und erbschaftlichen Liquidationsprozessen, sind die nöthigen Vorschriften theils im Allgemeinen Landrechte, theils in der Prozeßordnung enthalten (A. L. R. Th. I. Tit. IX. §. 350. u. f. Prozeßordn. Tit. XLVI. LI. Abschn. II.).

besonders wegen Belehrung der Erben.

§. 2.

Damit nun niemand, aus Unwissenheit der Gesetze, gegen diese Verordnungen in vorkommenden Fällen handeln, und dadurch sich selbst in Schaden und Nachtheil setzen, oder auch zu Verdunkelungen und Verwirrungen der Erbschaftsangelegenheiten Anlaß gegeben werden möge; so müssen die Gerichte, besonders an Orten, wo keine Justizkommissarien bestellt sind, und wenn die Erben unter die Klasse der gemeinen in Geschäften unerfahrenen Leute gehören, denselben diese Vorschriften, besonders die rechtlichen Folgen der mit oder ohne Vorbehalt geschehenen Antretung der Erbschaft, die im letztern Falle nothwendige baldige Anfertigung und Niederlegung des Inventarii, und die Nachtheile, die aus dessen Unterlassung für sie entstehen könnten, bekannt machen und deutlich erklären; auch, wie dieses geschehen, zum Protokolle vermerken.

§. 3.

Was der Richter zu thun habe, wenn die Erben eines Nachlasses unbekannt, ungewiß, oder abwesend


(75) Verfahren bei Sterbefällen.

und weit entfernt sind; ingleichen, wenn sich zu einem solchen Nachlasse gar keine Erben finden, mithin derselbe als erbloses Gut zu betrachten ist, wird ebenfalls in den Gesetzen umständlich vorgeschrieben (A. L. R. Th. I. Tit. IX. §. 465. u. f.).

Es ist also im gegenwärtigen Titel nur noch von dem gerichtlichen Verfahren bei Siegelungen und Inventuren zu handeln.

A. Von Siegelungen. Wenn dieselben von Amtswegen zu verfügen.

§. 4.

Siegelungen werden von dem Richter entweder von Amtswegen, oder auf das Ansuchen eines Interessenten verhängt.Von Amtswegen muß der Richter die Siegelung veranlassen:

1) wenn die vermuthlichen nächsten Intestaterben unbekannt, ungewiß, oder sämmtlich von dem Orte, wo der Erblasser verstorben, abwesend sind;

2) wenn die vermuthlichen nächsten Erben sämmtlich fremde, und nicht Königliche Unterthanen sind;

3) wenn unter den vermuthlichen nächsten Erben Minderjährige, Wahn- oder Blödsinnige, oder gerichtlich erklärte Verschwender sich befinden, und der Verstorbene keinen Ehegatten hinterlassen hat.

§. 5.

Auch in anderen Fällen ist der Richter befugt, die Siegelung von Amtswegen zu veranlassen, wenn besondere Zeit- oder andere Umstände es nothwendig machen, mit vorzüglicher Sorgfalt zu verhindern, daß nichts aus dem Nachlasse weggebracht, vielmehr Alles in dem Stande, worin es sich zur Zeit des Todes befunden hat, erhalten werde.

Anh. §. 432. Baare Gelder, geldwerthe Papiere und Pretiosen sind in der Regel zum gerichtlichen Deposito zu nehmen.

§. 6.

Wenn der Verstorbene ein solcher Königlicher


(76) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

oder anderer öffentlicher Bedienter gewesen, welcher entweder Briefschaften oder Gelder, die zu seinem Amte gehören, in Händen gehabt; so kann, ohne Unterschied: ob der übrige Nachlaß gerichtlich gesiegelt wird oder nicht, dasjenige Kollegium, bei welchem, oder unter welchem der Verstorbene wegen seines Amts gestanden hat, die Versiegelung der Briefschaften und Gelder vornehmen.

§. 7.

In wie fern auch in Fällen, wo die Siegelung von Amtswegen zu verfügen wäre, dieselbe wegen eines von dem Erblasser geschehenen Verbots unterbleiben müsse, ist in den Gesetzen bestimmt (A. L. R. Th. II. Tit. XVIII. §. 372-375.); wobei sich jedoch von selbst versteht, daß auch ein solches Verbot den Richter nicht hindern könne, mit der Siegelung zu verfahren, wenn es die Sicherheit des Staats, oder die Erhaltung der zu dem Amte des Verstorbenen gehörenden Gelder und Briefschaften erfordern.

Auf wessen Instanz sie zu veranlassen.

§. 8.

In Fällen, wo eine Versiegelung von Amtswegen nicht erforderlich ist, kann selbige nur auf den Antrag eines Interessenten, er sey einer der Erben, ein Verwandter, ein Hausgenosse oder auch ein Fremder, verhängt werden. Derjenige, welcher sich darum meldet, muß sein Interesse bei der Sache anzeigen. Wenn inzwischen dieses Interesse nicht ganz offenbar ungegründet und nicht klar ist, daß die Siegelung bloß aus Chikane verlangt werde; so muß der Richter das Gesuch, wenn es kurz nach dem Todesfalle angebracht wird, nicht leicht ablehnen, sondern demselben gemäß verfügen; da in dergleichen Fällen, wo gemeiniglich Gefahr im Verzuge vorwaltet, die Zeit nicht hinreicht, sich auf weitläufige Erörterungen über das Recht und Interesse des Extrahenten,


(77) Verfahren bei Sterbefällen.

oder auf Nachforschungen, ob schon ein Besitzer der Erbschaft vorhanden sey, einzulassen; vielmehr es allemal unbedenklicher ist, mit der Siegelung zu verfahren, als den Nachlaß dem Anlaufe, dem Abbringen und unbefugten Besitzesergreifungen auszusetzen.

§. 9.

Wenn hingegen die Siegelung erst nachgesucht wird, nachdem schon einige Zeit nach dem Ableben des Verstorbenen verstrichen ist, und sich schon jemand als Erbe im Besitze des Nachlasses notorisch befindet; so kann dieselbe nur verhängt werben, wenn der Erbe sich des Durchbringens der Erbschaft verdächtig macht, oder überhaupt für einen solchen zu achten ist, gegen den, oder dessen Vermögen, den Rechten nach, Arrest oder Sicherheitsbestellung gesucht werden kann.

§. 10.

In einem solchen Falle muß derjenige, welcher auf die Siegelung anträgt, sein Interesse, und die bei dem Besitzer der Erbschaft obwaltende Unsicherheit bescheinigen; und es muß sowohl bei der vorläufigen Prüfung eines solchen Gesuchs, als wegen Verhängung der Sperre selbst, des über die Rechtmäßigkeit derselben zu veranlassenden Verfahrens, der Wiederaufhebung der Sperre gegen Kaution, und sonst überall, die Vorschrift des XXIXsten Titels der Prozeßordnung, von Arresten, beobachtet werden.

Besonders auf Instanz der Gläubiger.

§. 11.

Wenn die Forderung eines Erbschaftsgläubigers so beschaffen ist, daß deswegen auf das Vermögen des Erblassers selbst ein Arrest Statt gefunden haben würde; so kann ein solcher Gläubiger auch gegen den Erben auf die Siegelung des Nachlasses, oder eines solchen Theils desselben, als zur


(78) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

Deckung seines Anspruchs erforderlich und hinreichend ist, antragen.

§. 12.

Eben so kann ein Gläubiger des Erben, dessen Forderung zum Arreste qualificirt ist, die Verhänguug desselben in den seinem Schuldner zugefallenen Nachlaß suchen; doch bleibt den Gläubigern des Erblassers die Befugniß, auf die Absonderung des Nachlasses von dem eigenen Vermögen des Erben anzutragen, vorbehalten.

Wenn mehrere Erben sind.

§. 13.

Sind mehrere Erben vorhanden, und die §. 10., 11., 12. angeführten Gründe, die Siegelung nachzusuchen, treten nur gegen einen oder etliche unter ihnen ein; so kommt es darauf an: ob die sämmtlichen Erben sich im gemeinschaftlichen Besitze des noch ungetheilten Nachlasses befinden; oder ob gewisse Theile des Nachlasses von diesem, andere aber von jenem Erben besessen werden.

Im ersten Falle kann die Versiegelung der ganzen Erbschaft gesucht werden; es wäre denn, daß die Miterben dem Extrahenten tüchtige Kaution, wegen alles Weg- oder Durchbringens von Seiten ihres in Anspruch genommenen Mitgenossen, und für alle Folgen davon, bestellten.

Im zweiten Falle ist nur derjenige Theil des Nachlasses unter die Sperre zu nehmen, welcher von demjenigen Erben, gegen den der Antrag gerichtet ist, besessen wird.

Verlangen die andern Miterben die Wiederaufsiegelung, und daß ihnen der Besitz, mit Ausschluß des in Anspruch genommenen Konsorten, überlassen werde; so ist ihnen darunter zwar zu willfahren; sie müssen aber, bei Vermeidung doppelter Erstattung, diesem Erben, ohne Vorwissen


(79) Verfahren bei Sterbefällen.

und Genehmigung des Extrahenten, oder des Gerichts, nichts aus dem Nachlasse verabfolgen.

Welchem Gerichte die Siegelung zukomme.

§. 14.

Die Versiegelung kann in der Regel nur bei demjenigen Gerichte, unter welchem der Erblasser seinen persönlichen Gerichtstand gehabt hat, nachgesucht, und nur von diesem verfügt werden.

§. 15.

Wird also die Siegelung bei einem andern Gerichte nachgesucht, und das kompetente Gericht befindet sich an eben dem Orte; so muß ersteres sich aller Verfügung enthalten, und den Supplikanten an den kompetenten Richter lediglich verweisen.

Wird aber an einem Orte, wo das kompetente Gericht sich nicht aufhält, die Versiegelung des daselbst befindlichen Nachlasses, oder eines Theils davon, bei dem ordentlichen Richter desselben Orts nachgesucht; so muß dieser zwar damit einstweilen verfahren, zugleich aber dem eigentlich kompetenten Richter davon unverzüglich Anzeige machen.

Hat der Verstorbene außer seinem Wohnorte, und außer dem Jurisdiktionsbezirke seines persönlichen Gerichts, Häuser oder Landgüter besessen; so ist das Gericht, unter welchem diese Grundstücke liegen, die Siegelung auf denselben vorzunehmen befugt und schuldig; doch muß auch von ihm dem persönlichen kompetenten Gerichte Anzeige darüber geschehen.

Besonders bei Sterbefällen der Eximirten.

§. 16.

In Provinzen, wo, wegen des beträchtlichen Umfangs der bei Landesjustizkollegien angewiesenen

Jurisdiktionsbezirke, Justizräthe oder andere Commissarii perpetui des Landesjustizkollegii angesetzt sind, muß die Siegelung in denjenigen Fällen, wo sie von Amtswegen Statt findet (§. 4., 5.), von diesen Kommissarien veranlaßt werden; und hat es


(80) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

desfalls bei den für dergleichen Kommissarien besonders ergangenen Reglements und Instruktionen sein Bewenden.

Auch sind in diesen sowohl, als in den übrigen Provinzen, die Magisträte und Gerichte derjenigen Orte, wo das Landesjustizkollegium, oder ein Kommissarius desselben, sich nicht aufhält, bei Sterbefällen eximirter Personen schuldig, zur Abwendung der möglichen Gefahr, die aus dem Verzuge entspringen möchte, zur interimistischen Siegelung der an ihrem Orte befindlichen Verlassenschaft, sobald dieselbe von Amtswegen geschehen muß (§. 4., 5.), auch unersucht zu schreiten; davon aber auch dem Landesjustizkollegio sofort Anzeige zu machen.

Anh. §. 433. Bei Versiegelungen des Vermögens oder Nachlasses eines Regierungsofficianten muß die betreffende Regierung davon benachrichtigt werden, welcher frei steht, an diejenigen Zimmer und Behältnisse, worin Amtsakten zu vermuthen sind, ihre Siegel ebenfalls anlegen zu lassen.

Der Militärpersonen.

§. 17.

Bei dem Absterben solcher Personen, die unter Militärgerichtsbarkeit bis an ihren Tod gestanden haben, muß derjenige Nachlaß, welchen sie bei und um sich gehabt haben, von den Kriegsgerichten versiegelt werden. Wegen des übrigen Nachlasses hingegen kommt die Siegelung demjenigen Civilgerichte zu, unter dessen Jurisdiktion, vermöge des Standes und Ranges der verstorbenen Militärpersonen, ihr Nachlaß aus der durch den Tod aufgehobenen Militärgerichtsbarkeit zurück fällt.

Anh. §. 434. Die Versiegelung des Nachlasses der Militärpersonen gebührt den Civilgerichten, unter welchen der Verstorbene bei seinem Tode gestanden hat.

Anh. §. 435. Die in dem Nachlasse eines Offiziers sich vorfindenden Montirungs- und Equipagestücke sind jedesmal so schleunig als möglich dem Regiments-


(81) Verfahren bei Sterbefällen.

oder Bataillonschef zu überliefern, damit sie der in die Stelle des Verstorbenen eintretende Offizier für die gerichtliche Taxe annehmen könne.

§. 18.

War der Verstorbene im Felde oder auf Kommando, an einem Orte, wo kein Kriegsgericht sich befindet; so liegt dem kommandirenden Offizier ob, für den Nachlaß, welchen er bei und um sich hat, zu sorgen. Ist auch kein kommandirender Offizier vorhanden, so sind die Civilgerichte des Orts zu dieser Obsorge verpflichtet.

Von Siegelungen der Dorfgerichte.

§. 19.

Auch Dorfgerichte müssen, in Abwesenheit des Gerichtshalters, den am Orte befindlichen Nachlaß versiegeln; sie müssen aber davon dem Gerichtshalter, zur weitern Besorgung und Verfügung, schleunigst Anzeige machen.

Der Notarien.

§. 20.

Notarien sind Siegelungen vorzunehmen nicht berechtigt; es wäre denn, daß sie entweder von dem Verstorbenen darum ersucht worden, oder das Gesuch zwar nur von Erben, Gläubigern oder anderen Interessenten angebracht würde, zugleich aber kein Richter sich am Orte oder in der Nähe befände. Alsdann können sie zwar, mit Beobachtung der zu einem Notariatsinstrumente gehörigen Förmlichkeiten, zur Versiegelung schreiten; sie müssen aber auch den Vorfall, mit Einsendung des aufgenommenen Protokolls, dem kompetenten Gerichte sofort anzeigen.

Von Versiegelungen durch inkompetente Behörden.

§. 21.

Wenn von einem nicht kompetenten Gerichte gesiegelt worden ist, ohne daß selbiges eine in den obigen Vorschriften (§. 15. 16.) gegründete Veranlassung gehabt hätte; so kann dasselbe dafür keine Gebühren fordern, und der kompetente Richter ist


(82) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

berechtigt, sobald er den Vorfall in Erfahrung bringt, sein Siegel dem bereits vorhandenen beizudrücken; auch kann er, wenn es demnächst zur Wiederaufsiegelung kommt, das Siegel des inkompetenten Gerichts, ohne dessen Zuziehung, mit dem seinigen zugleich abnehmen.

Ist aber die Siegelung von dem inkompetenten Richter auf den Grund der Vorschriften des §. 15. 16. erfolgt, so hängt es von dem Befinden des kompetenten Gerichts, nach Beschaffenheit der Umstände, ab, es dabei entweder zu belassen, oder sein Siegel beizudrücken. Doch muß in diesem Falle die Abnehmung der Siegel allemal mit Zuziehung desjenigen, der die erste Siegelung verrichtet hat, geschehen.

Eben das findet Statt, wenn der Verstorbene selbst vor seinem Tode auch nur einen Notarius oder einen Freund, auf welchen er Vertrauen setzt, ersucht hat, seinen Nachlaß zu versiegeln.

Wenn gesiegelt werden müsse.

§. 22.

In Fällen, da die Siegelung von Amtswegen zu verfügen ist, muß der Richter dieselbe sogleich, als er den Sterbefall in Erfahrung bringt, ohne den geringsten Verzug veranlassen. Erfolgt der Tod des Erblassers an eben dem Orte, wo das Gericht sich befindet; so muß die Siegelung noch an demselben Tage, außerdem aber, sobald es nach der Entfernung möglich ist, ins Werk gerichtet werden.

§. 23.

Da aber in weitläufigen Juristiktionsbezirken, und besonders in den Departements der Landesjustizkollegien, die sich ereignenden Sterbefälle, und die dabei eintretenden Umstände, welche eine Versiegelung von Amtswegen nothwendig machen, dem Richter nicht immer sogleich bekannt werden können; so liegt den im Sterbehause gegenwärtigen Verwandten oder Hausgenossen des Verstorbenen, ingleichen


(83) Verfahren bei Sterbefällen.

seinem Hauswirthe, ob, dieserhalb mündliche oder schriftliche Anzeige bei den Gerichten zu thun, wenn sie sich gegen die Erben, oder die Gläubiger des Verstorbenen, außer Verantwortung setzen wollen.

Durch wen?

§. 24.

Zur Versiegelung selbst kann auch nur Eine gehörig vereidete Gerichtsperson, z. B. ein Sekretarius oder Aktuarius, abgeordnet werben; doch muß derselbe bei dem Aktus die im Sterbehause befindlichen Verwandten oder Hausgenossen des Verstorbenen, oder allenfalls den Hauswirth, zuziehen.

Verfahren bei der Siegelung.

§. 25..

Bei der Siegelung muß in der Verlassenschaft nichts gerührt, noch ein Inventarium darüber aufgenommen werden. Der Siegelnde muß sich vielmehr darauf einschränken, daß er die Gewölbe, Stuben, Kammern, Schreibtische, Schränke, Spinden, Kasten, wie nicht weniger die Boden, Scheuren und Keller, und überhaupt alle Behältnisse, in welchen etwas, so zum Nachlasse gehört, befindlich ist oder vermuthet werden kann, mit dem Gerichtssiegel versiegele.

Nur diejenigen Stuben und Kammern, welche zur Leiche und zum Gebrauche der etwa im Hause bleibenden Verwandten, Freunde und Bedienten nöthig sind, werden offen gelassen; die in selbigen befindlichen Meublen aber, die nicht niet- und nagelfest, oder zum Gebrauche unentbehrlich sind, besonders die in den offen bleibenden Gelassen sich befindenden Schränke, Schreibtische, Kasten, Kommoden und andere dergleichen Behältnisse, werden in ein Zimmer, dessen Thüren verschlossen und versiegelt werden können, gebracht. Ueber die in den offen bleibenden zurückgelassenen Sachen wird ein richtiges Verzeichniß aufgenommen; die Aufsicht


(84) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

darüber jemanden von den gegenwärtigen Personen übertragen, und diesem das Verzeichniß zur Mitunterschrift vorgelegt.

§. 26.

Sachen, die außer der Sperre zu lassen sind.

Von den vorgefundenen Geldern und Vorräthen, an Eßwaaren, Getränken, Viehfutter, Leinenzeug, Betten und was sonst zur täglichen Nothdurft gehört, wird nur so viel, als zum Begräbniß, oder auf eine kurze Zeit zur Unterhaltung des Gesindes und vorräthigen Viehes oder auch zu den nöthigsten Bedürfnissen des etwa gegenwärtigen Erben erforderlich ist, herausgelassen, und jemandem unter den Gegenwärtigen zur Aufsicht und künftigen Berechnung, nach einem darüber aufzunehmenden und von ihm mit zu unterschreibenden Verzeichnisse anvertraut. Auch Sachen, die nicht unter die Sperre genommen werden können, z. B. lebendige Thiere, müssen in ein Verzeichnis gebracht, und die Aufsicht darüber muß irgend einer sichern Person anvertraut werden.

§. 27.

Sachen, die dem Verderben unterworfen sind.

Finden sich in dem Nachlasse Sachen, welche, bei längerer Aufbewahrung, dem Verderben unterworfen sind; so muß der Siegelungskommissarius dieselben zwar ebenfalls vor der Hand unter die Sperre nehmen, zugleich aber dem Gerichte, von welchem er seinen Auftrag hat, ohne den geringsten Zeitverlust, zur schleunigen Verfügung davon Anzeige machen. Ist die Gefahr des Verderbens so dringend, daß wegen der Entfernung von dem auftragenden Gerichte die Verfügung desselben nicht abgewartet werben kann; so muß der Siegelungskommissarius selbst dafür sorgen, daß dergleichen Sachen unverzüglich so vortheilhaft, als es nach den Umständen möglich ist, veräußert, oder auf andere Art untergebracht werden.


(85) Verfahren bei Sterbefällen.

Von der Siegelung auf einem Landgute,

§. 28.

Ist die Siegelung auf einem Landgute zu verrichten, so muß der Kommissarius, wegen der im Wohnhause befindlichen Sachen, nach obigen Vorschriften verfahren; sich von dem Wirthschaftsbeamten den letzten Monatsschluß vorlegen lassen; den vorhandenen Kassenbestand revidiren; davon nicht mehr, als zur Fortsetzung der Wirthschaft erforderlich ist, zurück lassen; und das Uebrige in einem möglichst sichern Behältnisse, im Wohnhause, unter dem Siegel niederlegen; die Getreidebestände und andere Wirthschaftsvorräthe revidiren, und davon so viel, als zur Wirthschaftsnothdurft auf eine kurze Zeit erforderlich ist, absondern, und dem Beamten zur Verwaltung und Berechnung übergeben; das Uebrige aber in den Behältnissen, worin es sich befindet, gleichergestalt versiegeln; sich das Inventarium über das vorhandene Vieh und Wirthschaftsgeräthe aller Arten vorzeigen lassen, und Abschrift davon nehmen; wenn dergleichen Inventarium nicht vorhanden ist, ein vollständiges Verzeichnis darüber anfertigen; übrigens aber den Beamten, zur Fortsetzung der Wirthschaft, auf den bisherigen Fuß, bis auf weitere Verordnung anweisen.

Hat der Verstorbene die Wirthschaft durch sich selbst, und ohne Zuziehung von Wirthschaftsbedienten, geführt; so muß deren vorläufige Fortsetzung dem zurückgebliebenen Ehegatten, oder einem etwa gegenwärtigen majorennen Kinde, oder in deren Ermangelung einem benachbarten sichern Manne und Einwohner des Orts, allenfalls gegen Zusicherung einer verhältnißmäßigen Belohnung, aufgetragen werden.

Ist das Gut verpachtet, so bedarf es nur der Siegelung der etwa daselbst befindlichen, dem Verstorbenen zugehörigen Sachen; da für Alles, was zur Wirtschaft gehört, der Pächter haften muß.


(86) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

bei Kaufmannshandlungen,

§. 29.

Eine zum Nachlasse gehörende Handlung darf der Richter nicht versiegeln, sondern er muß deren Fortsetzung dem von dem Erblasser angenommenen Disponenten übertragen, und nur diesen, wenn es etwa nicht schon geschehen wäre, zur treuen und ordentlichen Verwaltung verpflichten. Ist kein besonderer Disponent vorhanden, so muß sofort ein Aufseher bestellt und gehörig verpflichtet werden. Einem von dem Erblasser schon bestellten Disponenten wird die Fortsetzung der Handlung völlig auf den bisherigen Fuß überlassen; einem Aufseher hingegen, welchen der Richter von Amts wegen bestellt, wird nur eine gewisse Quantität der vorräthigen Waaren, nach einem darüber aufzunehmenden Verzeichnisse, verabfolgt; das übrige Waarenlager aber mit unter die Sperre genommen.

bei Professionen und Handwerken,

§. 30.

Hat der Erblasser eine Profession, ein Handwerk, oder sonst ein Gewerbe getrieben; so muß die Fortsetzung desselben durch die Siegelung in der Regel nicht gänzlich gehemmt, vielmehr nur ein Aufseher darüber bestellt; von den vorhandenen Materialien und Geräthschaften so viel, als auf einige Zeit zum fortgesetzten Betriebe erforderlich ist, außer der Sperre gelassen, und auch darüber, nach Vorschrift §. 26., ein Verzeichniß aufgenommen werden.

bei öffentlichen Geldern, Papieren und Briefschaften.

§. 31.

Geschieht die Versiegelung nur deswegen, weil der Verstorbene, als ein Königlicher oder anderer öffentlicher Bedienter, Gelder oder Briefschaften vermöge seines Amts in seiner Gewahrsam gehabt hat; so darf nur die Kasse, die Schreibstube,  der Schrank, oder das sonstige Behältniß, in welchem dergleichen Sachen sich befinden oder zu vermuthen sind, unter die Sperre genommen werden.


(87) Verfahren bei Sterbefällen.

Aufsuchung einer vorhandenen willigen Disposition.

§. 32.

Thut sich bei der Versiegelung eine Anzeige oder Muthmaaßung hervor, daß etwa an einem Orte ein Testament, oder andere letztwillige Verordnung des Erblassers, oder eine Rekognition über ein gerichtlich niedergelegtes Testament vorhanden sey; so muß derjenige, welcher die Siegelung verrichtet, mit Zuziehung der gegenwärtigen Verwandten, Freunde, oder Bedienten des Verstorbenen, an dem Orte, wo es zu seyn vermuthet wird, darnach suchen; und wenn er etwa dergleichen findet, es dem Gerichte zur weitern Verfügung einliefern.

Aufnehmung des Protokolls über die Siegelung.

§. 33.

Ueber die richtig geschehene Versiegelung muß ein genaues Protokoll, mit Specificirung der Anzahl der Siegel, welche nöthig gewesen, so wie mit Benennung der gegenwärtig gewesenen Personen, gehalten, und mit den nach obigen Vorschriften etwa aufgenommenen Verzeichnissen der außer der Sperre gebliebenen Sachen, zu den Akten gebracht werden. Dieß Protokoll muß der Kommissarius in der Regel sogleich im Sterbehause aufnehmen. Wenn jedoch die Kürze der Zeit, oder die Umstände des Falles dieß nicht gestatten; so muß er sich wenigstens die Data zu diesem Prototolle, z. B. die Namen der gegenwärtig gewesenen Personen, die Zimmer und Behältnisse, welche versiegelt worden, die Zahl der angelegten Siegel, die Arten und Quantitäten der aus der Sperre gelassenen Sachen (et)c., auf der Stelle vorläufig notiren, und daraus das Protokoll selbst noch an eben demselben, oder spätestens am folgenden Tage, zu Hause abfassen. Bei dem Protokolle, welches eigentlich nur eine Anzeige über den vorgenommenen Aktus der Siegelung enthält, ist die Mitunterschrift der dabei zugezogenen Personen nicht nothwendig. Hingegen müssen die Verzeichnisse


(88) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

der außer der Sperre gebliebenen Sachen, von demjenigen, dessen Verwahrung oder Berechnung sie anvertraut worden, unterzeichnet seyn.

Vorsichtsregeln bei der Anlegung und Bewahrung der Siegel.

§. 34.

Der Kommissarius muß die Siegel dergestalt befestigen, dass sie nicht von selbst abfallen, noch ohne Gewalt abgerissen und wieder aufgeklebt werden können. Auch die Fenster und andere Zugänge, die, außer den Thüren, in die versiegelten Behältnisse, führen könnten, müssen hinlänglich verwahrt; die Schlüssellöcher mit anzusiegelnden Streifen bedeckt, und die Schlüssel besonders eingesiegelt werden. Auch muß der Kommissarius die nöthige Vorsicht brauchen, um nicht Thüren und andere Meublen von Werth durch das Lack zu verderben, und sich statt dessen, bei solchen Behältnissen, dünnen grünen Wachses bedienen.

Bleiben Erben, Verwandte oder Freunde im Sterbehause, oder doch am Orte gegenwärtig; so muß der Kommissarius diesen, sonst aber einer andern dazu tauglichen und schicklichen Person, z. B. dem Hauswirthe, die besondere Aufsicht über die Siegel, und daß sie nicht abgerissen werden, auftragen; auch, wie dieses geschehen, im Protokolle bemerken.

Verfahren in der Zwischenzeit, bis zur Wiederaufsiegelung.

§. 35.

Die einmal angelegte Siegelung muß in der Regel so lange liegen bleiben, bis nach den unten folgenden Vorschriften die Wiederaufsiegelung und Ausantwortung des Nachlasses, mit oder ohne Inventur, erfolgen kann. In der Zwischenzeit darf sich der Richter keiner Verfügungen über den Nachlaß von Amts wegen anmaaßen; außer was etwa auf die Anzeige des Kommissarii, wegen vorhandener, dem Verderben unterworfener Sachen, nach §. 27., oder wegen anderer unvermeidlicher und dringender


(89) Verfahren bei Sterbefällen.

Umstände, zur Konservation des Nachlasses nothwendig geschehen muß. Dergleichen nothwendige Verfügungen kann auch ein nicht kompetentes Gericht in Fällen, wo dasselbe nach §. 15, 16. die Siegelung verrichtet hat, treffen. Was aber bei Siegelungen, die bloß zur Sicherheit minorenner, oder sonst unter Vormundschaft stehender Erben verhängt worden, in dieser Zwischenzeit von dem vormundschaftlichen Gerichte zu besorgen sey, ist in den Gesetzen bestimmt. (A. L. R. Th. II. Tit. XVIII. §. 363 bis 367).

Von der Wiederaufsiegelung; wenn und

§. 36.

Die Wiederaufsiegelung findet überhaupt alsdann Statt, wenn die Ursache der angelegten Sperre aus dem Wege geräumt ist. Sie ist also in der Regel sogleich zu verfügen, als die Erben, oder der in den gesetzlich bestimmten Fällen (A. L. R. Th. I. Tit. IX. §. 461. u. f. §. 475. u. f.) bestellte Verlassenschaftskurator, dieselbe nachsuchten.

von wem sie geschehen müsse.

§. 37.

Die Wiederaufsiegelung kann nur von dem Gerichte, welchem der Verstorbene in Ansehung seiner Person unterworfen gewesen, verfügt werden. Jedes andere Gericht, auch wenn es nach Vorschrift §. 15. 16. zur Anlegung der Siegel an sich berechtigt gewesen, muß dennoch, wegen der Wiederaufsiegelung, die Verfügung des kompetenten persönlichen Gerichts abwarten. In wie fern dabei das andere Gericht, welches etwa zuerst gesiegelt hat, zugezogen werden müsse, ist §. 21. verordnet.

Anh. §., 436.

Bei der Entsiegelung des Nachlasses eines Regierungsoffizianten müssen die Akten und Papiere, so sich darunter befinden, dem zuzuziehenden Abgeordneten der Regierung ausgehändigt werden. Auch ist in einem solchen Falle die Entsiegelung vorzüglich zu beschleunigen.

Diese Vorschrift ist gleichfalls zu beobachten, wenn der Verstorbene zwar an sich ein Justizbedientcr, aber


(90) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

in anderer Rücksicht einer Regierung zugleich untergeordnet war, und Geschäfte in Händen hatte, welche zu ihrem Ressort gehören.

Strafe unbefugter oder zu frühzeitiger Aufsiegelung.

§. 38.

Wer sich unterfängt, ohne Verfügung des kompetenten Gerichts die aufgedrückten Siegel abzureißen, soll, wenn auch die Verlassenschaft unberührt geblieben wäre, nach Bewandtniß der Umstände, mit 10 bis 50 Rthlr. fiskalischer Geld- oder verhältnismäßiger Gefängnißstrafe belegt werben. Ist die Verlassenschaft sogar berührt und eröffnet worden, so muß er, außer der Strafe, den Erben allen Verlust, den sie durch das Juramentum in litem erhärten können, vergüten. Hat er aus dem Nachlasse etwas entwendet, so finden die Vorschriften der Kriminalgesetze wider ihn Anwendung.

Selbst wenn sämmtliche Erben sich unter einander vereinigen, den gerichtlich versiegelten Nachlaß unter sich ohne gerichtliche Uebergabe oder Aufsiegelung theilen zu wollen; oder wenn ein Erbe gegen den andern die Verlassenschaft erstritten hätte: so sollen nichts desto weniger der- oder diejenigen, die sich unterfangen, die gerichtlichen Siegel eigenmächtig abzunehmen oder abnehmen zu lassen, mit vorgedachter fiskalischer Geld- oder Gefängnißstrafe belegt werden.

Verfahren bei der Wiederaufsiegelung.

§. 39.

Die Wiederaufsiegelung besteht in Abnehmung der aufgedrückten Siegel. Diese müssen daher zuvor: ob sie noch alle unverletzt sind, nach Anleitung des Siegelungsprotokolls, untersucht, und der Befund in dem über die gegenwärtige Handlung aufzunehmenden Protokolle bemerkt werden. Ist von dem Kollegio, welchem der Erblasser in Ansehung seines Amtes unterworfen war, besonders gesiegelt worden; und will dieses, ohne die allgemeine Aufsiegelung abzuwarten, die unter die Sperre genommenen Amtssachen


(91) Verfahren bei Sterbefällen.

heraus nehmen: so muß es der Behörde, von welcher die allgemeine Siegelung veranlaßt worden, davon Nachricht geben; damit dieses seine Siegel, so weit es nöthig, abnehmen, und dieselben, nach erfolgter Separation und Herausgabe der Amtssachen, wiederum aufdrücken könne.

Ausantwortung des Nachlasses, mit oder ohne Inventur.

§. 40.

An wen der aufgesiegelte Nachlaß verabfolgt werden, und oder ob die Ausantwortung desselben mit oder ohne Inventur erfolgen solle, ist nach Unterschied der Fälle, und nach den darauf gerichteten gesetzlichen Vorschriften zu bestimmen. Allgemein wird hier nur festgesetzt:

a) Daß, wenn der Erbe selbst, oder auch nur Einer unter mehreren Miterben, die gerichtliche Inventur verlangt, dieselbe ohne den geringsten Anstand verfügt werden müsse.

b) Daß, wenn zur Zeit der Wiederaufsiegelung ein Streit über die Erbschaft, es sey zwischen mehreren Erbschaftsprätendenten, oder auch zwischen den Erben und Gläubigern vorwaltet, der Richter die Inventur von Amts wegen veranlassen könne, sobald er pflichtmäßig findet, daß sie nöthig sey, um der Verdunkelung oder Schmälerung des Nachlasses, bis zum Ausgange des Prozesses, vorzubeugen.

§. 41.

Soll kein Inventarium aufgenommen werden, so geschieht die Abnehmung der Siegel auf einmal und zu gleicher Zeit. Das darüber angefertigte Protokoll muß aber von dem, welchem der Nachlaß ausgeantwortet wird, mit unterschrieben werden.

§. 42.

Soll die Inventur zugleich geschehen, so muß die Aufsiegelung dergestalt vorgenommen werden, daß die in den aufzusiegelnden Behältnissen befindlichen Sachen nach und nach aufgeschrieben, und,


(92) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

bis dieses vollständig geschehen, die Behältnisse oder Zimmer, worin sie befindlich sind, wieder versiegelt werden. In diesem Falle kann also die Entsiegelung nicht auf einmal geschehen.

Infentur (!). Durch wen sie vorzunehmen;

§. 43.

Die Aufnehmung eines gerichtlichen Inventarii muß durch eine dazu abgeordnete vereidete Gerichtsperson, mit Zuziehung eines gehörig verpflichteten Protokollführers, geschehen. Doch können die Gerichte dergleichen Handlung auch einem Justizkommissario und Notario auftragen, welcher dabei die gewöhnlichen Instrumentszeugen zuziehen muß.

Ueber den Nachlaß gemeiner Leute auf dem Lande, so wie in Städten, wo keine eigene Gerichte sind, können die Verzeichnisse durch die Dorfgerichte, oder durch ein Mitglied des Polizeimagistrats, unter Direktion und nach der Anweisung des Gerichtshalters, aufgenommen werden.

Besonders bei Militärpersonen.

§. 44.

Wenn der Nachlaß, welchen eine Militärperson bei ihrem Absterben um und bei sich gehabt hat, von den Kriegsgerichten nach Vorschrift §. 17. versiegelt worden ist; so gebührt denselben auch die Absonderung der zum Dienste des Verstorbenen gehörenden Stücke; sie müssen aber von diesen ein Verzeichniß dem kompetenten Civilgerichte zustellen, und demselben die Inventur der außerdem vorhandenen Sachen überlassen.

Wer dabei zuzuziehen.

§.45.

Von der vorzunehmenden Inventur muß den bekannten, und in der Nähe des Orts befindlichen Erben oder Miterben Nachricht gegeben werden. Ist es noch nicht bekannt, wer Erbe sey, so geschieht die Benachrichtigung an die nächsten bekannten anwesenden Verwandten. Sind auch diese


(93) Verfahren bei Sterbefällen.

nicht bekannt, so muß ein Verlassenschaftskurator bestellt seyn, welcher also der bevorstehenden Inventur beiwohnen muß. Sind die Erben zu weit entfernt, als daß sie bei der nicht füglich länger auszusetzenden Inventur persönlich erscheinen, oder einen Bevollmächtigten dazu ernennen könnten; so muß ihnen zu dieser Handlung ein Mandatarius ex officio bestellt werden.

§. 46.

Wenn von den vorstehend bezeichneten Interessenten jemand auch schon nach angefangener Inventur sich meldet, so muß derselbe unbedenklich zugelassen werden. Außer diesen aber, und außer den vereideten Taxatoren, muß der Kommissarius keinen fremden Personen die Gegenwart bei der Inventur gestatten.

§. 47.

Verfahren bei der Inventur überhaupt;

Alle an dem Orte, wo der Erblasser gewohnt hat, gestorben ist, oder ein unbewegliches Gut besessen hat, befindliche Mobilien und Effekten, sie mögen Namen haben wie sie wollen, müssen genau, mit Bemerkung des Maaßes, des Gewichts, der Anzahl und Beschaffenheit, auch der von den Taxatoren geschehenen Würdigung, aufgezeichnet werden; ohne daß der Kommissarius sich einer Entscheidung: ob etwa dieses oder jenes zur Erbschaft nicht gehöre, anmaaßen, und es aus diesem Grunde aus dem Inventario weglassen darf; doch muß er die desfalls etwa geschehenen Anzeigen in dem Inventario mit bemerken.

Die Aufzeichnung geschieht übrigens, nach Anweisung §. 42., von Zimmer zu Zimmer, so wie die Mobilien und Effekten in einem jeden derselben sich befinden, und mit Bemerkung ihrer Lage. Aus diesen Lokalverzeichnissen werden hiernächst, in dem Inventario selbst, die Sachen von einerlei Art unter


(94) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

gewisse Titel zusammen geschrieben; die Taxe eines jeden Stücks wird ausgeworfen; und die Summe des Werths nach der Taxe, von jedem Titel, bei dem Abschlusse desselben, zusammen gezogen.

insonderheit bei Zubehörungen.

§. 48.

Bewegliche Sachen, die als Zubehör zu einer unbeweglichen Sache, oder zu einer Gerechtigkeit gehören, z. B. das Wirthschaftsinventarium eines Grundstücks, die Geräthschaften von Fabriken, Kramladen, Apotheken (et)c., werden besonders verzeichnet, und diese Verzeichnisse dem Hauptinventario beigelegt.

bei Büchern.

§. 49.

Bücher brauchen nicht taxirt zu werden, sondern es ist genug, wenn nur die Titel derselben, mit der Angabe des Formats, der Edition und des Bandes verzeichnet sind. Auch ist es, wenn weitläufige Bibliotheken vorhanden sind, nicht nöthig, den Abschluß des Inventarii so lange, bis der Katalogus geendigt worden, auszusetzen.

bei Häusern, Landgütern und anderen unbeweglichen Sachen.

§. 50.

Häuser, Landgüter und andere unbewegliche Sachen, werden nur nach ihrem Namen, ihrer Qualität, ihrer Lage und Beschaffenheit, in das Inventarium eingetragen. Erhellet aus den Erwerbungsurkunden ein gewisser Werth, oder ist sonst dergleichen Werth im Hypothekenbuche eingetragen, so wird selbiger ausgeworfen. Konstirt kein solcher Werth, das Gut ist aber verpachtet, so wird nach dem Ertrage des Pachtgeldes der auszuwerfende Werth bestimmt. Ist auch auf diese Art kein Werth auszumitteln, so kann der Kommissarius keinen im Inventario auswerfen; denn die Aufnehmung einer Taxe findet bei Gelegenheit der Inventur niemals Statt, sondern es ist die Sache der Interessenten,


(95) Verfahren bei Sterbefällen.

wenn sie dergleichen in der Folge nöthig finden, das Erforderliche deshalb bei dem Richter nachzusuchen.

Bei Briefschaften und Skripturen;

§.51.

Die vorhandenen Urkunden und Briefschaften muß der Kommissarius mit möglichster Aufmerksamkeit durchgehen, und diejenigen, welche auf den statum activum et passivum des Nachlasses irgend eine Beziehung haben, von den übrigen Papieren absondern.

Letztere müssen, so weit es nöthig ist, sortirt, und ihrer in dem Inventario nur unter gewissen allgemeinen Titeln, z. B. Wirthschafts- oder Hausrechnungen, Familienkorrespondenz, gelehrte Korrespondenz (et)c., gedacht werden.

Dabei muß jedoch der Kommissarius sich hüten, daß er nicht aus übertriebener Aengstlichkeit zu weit gehe, oder gar aus unbescheidener Neugier, unter dem Vorwande der Inventur, von vertrauten Familien- und anderen das Vermögen des Erblassers gar nichts angehenden Korrespondenzen Kenntniß nehmen zu wollen, sich anmaaße. Hat daher der Erblasser in seinen Papieren eine gewisse Ordnung beobachtet, und seine Korrespondenzen in gewisse Pakete oder Fächer, nach Unterschied der Gegenstände oder Subjekte, zusammengelegt; so müssen dergleichen Pakete bei der Inventur undurchsucht bleiben, und im Inventario, obgedachtermaaßen, nur unter allgemeinen Rubriken aufgeführt werden.

Hingegen sind diejenigen Dokumente, welche entweder das Eigenthum, die Gerechtsame, Lasten oder Pflichten der zum Nachlasse gehörigen oder anderer Grundstücke, auf welche dem Verstorbenen ein Anspruch zustand, betreffen; oder woraus Aktivforderungen desselben an Andere, sie seyen von welcher Art sie wollen, hervor gehen, umständlich, mit Bemerkung der Person des Ausstellers, der Zeit und


(96) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

des Orts, auch einer kurzen Angabe ihres wesentlichen Inhalts, im Inventario zu verzeichnen.

Betreffen dergleichen Dokumente Geldforderungen, so muß die verschriebene Summe im Inventario ausgeworfen werben.

Finden sich Umstände, aus welchen zu erhellen scheint, daß eine solche Forderung zweifelhaft oder inexigibel sey; so sind auch diese dabei zu bemerken.

wegen der Schulden.

§. 52.

Die auf dem Nachlasse haftenden Schulden muß der Kommissarius ebenfalls, so viel es sich thun läßt, vollständig verzeichnen. Er muß daher, wenn Immobilien vorhanden sind, sich Hypothekenscheine darüber ertheilen lassen; die darin vermerkten Schulden in das Inventarium eintragen, und die Scheine selbst beilegen. Er muß die eingegebenen Rechnungen, Mahnbriefe, die von dem Verstorbenen selbst geführten Rechnungsbücher und andere schriftliche Nachrichten und Anzeichnungen über die Passivschulden, genau nachsehen; auch von den Erben, Verwandten, Hausgenossen und Domestiken sich dasjenige anzeigen lassen, was ihnen von Schulden und Ansprüchen an die Verlassenschaft bekannt sey. Aus allen diesen Nachrichten muß er ein Verzeichnis der angezeigten, oder sonst sich hervor gethanen Schulden anfertigen; dasselbe in einem besondern Titel dem Inventario anhängen; und mit Absonderung der liquiden Posten von den noch illiquiden oder ungewissen, bei jeder der letzteren die Ursachen anzeigen, warum sie vor der Hand noch als ungewiß zu betrachten sey.

Form des Inventarii.

§. 53.

Alle gerichtliche Inventaria sollen nach dem hier beigedruckten Formulare angefertigt und abgeschlossen werden.
(97) Verfahren bei Sterbefällen.

Protokoll über die Inventur.

§. 54.

Der Kommissarius muß über den ganzen Aktus der Inventur ein genaues Protokoll halten, und darin die Personen, die sowohl als Interessenten, als in der Eigenschaft von Taxatoren und Sachverständigen, der Inventur beigewohnt haben; die Verpflichtung der Letzteren, in so fern sie nicht etwa (welches ebenfalls zu bemerken) ein- für allemal vereidet sind; die Ordnung, wie bei der Aufzeichnung verfahren worden; was, wenn die Inventur mehrere Tage gedauert hat, an jedem Tage geschehen sey; die Aussagen und Angaben der Erben, der Hausgenossen und Domestiken, der sich gemeldeten Kreditoren und Anderer, welche über den oder jenen den Aktiv- und Passivzustand des Nachlasses betreffenden Punkt vernommen worden sind, und andere dergleichen zur Sache gehörige Nachrichten, treulich verzeichnen.

Aus diesem Protokolle wird hiernächst das Inventarium selbst formirt, und nebst dem Protokolle dem Gerichte übergeben.

Von mehreren Specialinventariis.

§. 55.

Wenn der Verstorbene an mehr als Einem Orte Vermögen zurück gelassen hat, z. B. wenn er einen doppelten Wohnsitz hatte, oder wenn er, außer seinem gewöhnlichen Wohnorte, Landgüter besaß, auf welchen ein Theil seiner Mobilien und Effekten, seiner Briefschaften u. s. w. sich befand; so wird dennoch, wenn die ganze Inventur einem und eben demselben Kommissario aufgetragen ist, nur Ein Inventarium errichtet, in welchem die an den verschiedenen Orten aufgenommenen Verzeichnisse, unter den gehörigen Titeln, mit der Bemerkung: an welchem Orte diese Stücke sich befinden, zusammen geschrieben werden. Haben hingegen mehrere Kommissarien


(98) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

ernannt, und also auch mehrere Inventaria aufgenommen werden müssen; so hängt es, nach Beschaffenheit der Umstände, von dem Gutbefinden des Erben, und dem Ermessen des Richters ab: in wie fern es nöthig sey, alle diese besonderen Inventaria in Ein einziges allgemeines Inventarium zusammen zu fassen. Wenn aber auch dies nicht geschehen soll, so muß dennoch, um einen Abschluß des ganzen Nachlasses zu erhalten, in demjenigen Specialinventario, welches die meisten und hauptsächlichsten Vermögensstücke enthält, ein Extrakt aus den übrigen Inventariis, sowohl in Ansehung der das Aktivvermögen betreffenden Titel, als in Ansehung des Titels der Schulden, hinzugefügt; darnach der Abschluß gemacht, und die übrigen Specialinventaria diesem Hauptinventario beigeheftet werden.

Genaue Beobachtung obiger Vorschriften.

§. 56.

Wenn die Verfertiger des Inventarii obigen Vorschriften nicht völlig nachgekommen sind, so ist zwar das Inventarium nicht für ganz ungültig zu achten; ist aber die Unterlassung aus Vorsatz, grobem oder mäßigem Verschulden geschehen, so müssen sie für den Schaden haften, welcher daraus den Interessenten entstehen kann. Auch sind diese sowohl, als die Gerichte selbst, befugt, dergleichen verdächtigen oder sorglosen Kommissarien den Manifestationseid abzufordern..
(99)

 

Inventarium

des

Nachlasses

des, den      in     verstorbenen

N. N.

verfertigt, den

von N. N.


(100) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

Inventarium

Tit. I. In unbeweglichen Gütern und liegenden Gründen.

Unter diesen Titel gehören Landgüter, Haus, Hof, Aecker, Mühlen, Gärten, Wiesen, Teiche, Weingärten, Kothe, Pfannen- oder Soolengüter und dergl.

Wobei so viel möglich aus den Briefschaften der Besitztitel mit Anführung der Urkunden anzumerken.

Summa    .

Tit. II. An Aktivis und ausstehenden Forderungen.

Summa    .

Tit. III. An baarem Gelde.

Hierbei müssen die Münzsorten genau angemerkt, und von jeder Art besondere Noten verzeichnet werden.

Summa    .

Tit. IV. An goldenen, silbernen und anderen Medaillen und seltenen Münzen.

Summa .

Tit. V. An Juwelen und Kleinodien.

Summa    .


(101) Verfahren bei Sterbefällen.

Tit. VI. An Uhren, Tabatieren und anderen kleinen kostbaren oder künstlichen Stücken.

Summa     .

Tit. VII: An Gold- und Silbergeschirr.

Summa     .

Tit. VIII. An Porzellan.

Summa

Tit. X. An Gläsern.

Summa     .

Tit. XI. An Leinenzeug und Betten.

Summa     .

Tit. XII. An Meubles und Hausgeräthe.

Summa     .


(102) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.

Tit. XIII. An Kleidungsstücken.

1

2

3

Summa

Tit. XIV. An Wagen und Geschirr.

1

2

3

Summa

Tit. XV. An Pferden.

1

2

3

Summa

Tit. XVI. An allerhand Vorrath zum Gebrauch.

1

2

3

Summa

Tit. XVII. An Vorrath und Waaren, zum Verkauf und Handel.

Wenn deren viel vorhanden, z. B. bei einem Kaufmann, Handelsmann, Krämer (et)c.; so ist es bequemer, davon ein ganz besonderes Inventarium aufzunehmen, und nur die Summe davon in dem Generalinventario anzumerken.

Summa

Tit. XVIII. An Gemälden, Zeichnungen, Kupferstichen und mathematischen Instrumenten und Gewehren.

1

2

3

Summa

 


(103) Verfahren bei Sterbefällen.

Tit. XIX. An Büchern und Manuskripten.

1

3

Ist der Büchervorrath ansehnlich, so ist es bequemer, einen besonderen Katalogus davon zu machen, und dem Generalinventario nur den Betrag davon einzurücken.

Summa.

Tit. XX. An Briefschaften und Dokumenten.

1

2

3

Summa.

Tit. XXI. An Passivis und Schulden.

1

2

3

Diese sind entweder, wenn sie aus den Briefschaften und Rechnungen offenbar sogleich erhellen, oder wie sie angeben werden, zu verzeichnen.

Summa.

Sollten sich bei einer ansehnlichen Erbschaft Sachen finden, so unter keinem dieser Titel zu bringen; so sind besondere Titel dieserwegen einzurücken. Es sind auch die Titel in besondere Abtheilungen sodann abzusondern, wenn z. B. bei dem Titel X, XI, XII, XVI, XVII, XVIII. von jeder Art der darunter gerechneten Sachen sehr viele vorhanden sind.

Bei einer geringeren Verlassenschaft können diejenigen Titel ganz ausgelassen werden, wovon nichts vorhanden ist. In Ansehung des Tit. I, II, III,


(104) Gerichtsordn. II.Theil. Fünfter Titel.

XX, XXI. aber ist jederzeit nothwendig, daß ausdrücklich im Inventario angeführt werde, ob etwas oder nichts davon vorhanden sey.

Recapitulatio.

Tit. I.               pag.

Tit. II.              pag.

Tit. III.             pag.

Tit. IV. pag.

Tit. V.              pag.

Tit. VI. pag.

Tit.VII. pag.

Tit. VIII.          pag.

Tit. IX. pag.

Tit. X.              pag.

Tit. XI. pag.

Tit. XII.           pag.

Tit. XIII.          pag.

Tit. XIV.          pag.

Tit. XV.           pag.

Tit. XVI.          pag.

Tit. XVII.         pag.

Tit. XVIII.       pag.

Tit. XIX.          pag.

Tit. XX.           pag.

Summa Summarum

Hiervon geht ab

Tit. XXI.

Verbleibt Summa des Nachlasses


(105) Sechster Titel.

Von dem Verfahren bei Aufnehmung gerichtlicher Taxen.

Veranlassungen zur Aufnehmung von Taxen.

§. 1.

Gerichtliche Taxen werden hauptsächlich zum Behufe eines zu veranlassenden gerichtlichen Verkaufs, außerdem aber auch bei Auseinandersetzungen zwischen Miterben und anderen Eigenthümern oder Gesellschaften; ingleichen zur Bestimmung der an einer Sache entstandenen Beschädigungen, oder der dabei sich findenden Meliorationen oder Deteriorationen, aufgenommen.

Gegenstände.

§. 2.

Sowohl Landgüter als Häuser und andere Grundstücke, einzelne für sich bestehende Gerechtigkeiten, Schiffe und andere bewegliche Sachen, können der Gegenstand solcher Taxen seyn.

Von wem gerichtliche Taxen aufzunehmen.

§. 3.

Die Aufnehmung einer jeden gerichtlichen Taxe muß unter Direktionen einer vereideten Gerichtsperson geschehen; die Zuziehung eines besonderen Protokollführers ist dabei nicht nothwendig.

Wer dabei zuzuziehen. Taxatoren.

§. 4.

Dagegen müssen allemal fachverständige Taxatoren zugezogen werden.

Dergleichen Taxatoren müssen

1) in Ansehung ihrer Tüchtigkeit und Sachkenntniß durch eine bei der Behörde angestellte Prüfung, oder durch glaubwürdige Zeugnisse, oder notorische davon abgelegte Proben legitimirt; sie müssen

2) in Ansehung ihrer bei der Taxe zu beobachteten Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Unpartheilichkeit


(106) Gerichtsordn. II. Theil. Sechster Titel.

gehörig vereidet seyn. Diese Vereidung geschieht ein- für allemal, wenn gewissen Personen die Aufnehmung aller bei einem Gerichte, oder an einem Orte, und in einer Gegend, vorkommenden Taxen gewisser Objekte, als ein wirkliches Amt übertragen wird. Wenn es aber irgendwo an dergleichen förmlich bestellten Taxatoren ermangelt, so muß der gerichtliche Kommissarius die von ihm auszuwählenden Sachverständigen zu der gegenwärtigen Handlungen besonders verpflichten.

Der Eid, mit welchem die gerichtlichen Taxatoren zu belegen sind, ist in der Prozeßordnung vorgeschrieben (Th. I. Tit. X. §. 202.).

§. 5.

Die bei Aufnehmung einer Taxe zuzuziehenden Sachverständigen müssen mit keinem der Partheien oder Interessenten, in Ansehung der Verwandtschaft, und sonst, in einem solchen Verhältnisse stehen, daß sie im Prozesse, als Zeugen für oder wider denselben, verwerflich seyn würden.

Zahl derselben.

§. 6.

Die Zahl der zuzuziehenden Taxatoren ist nach den Umständen und Erfordernissen der verschiedenen vorkommenden Fälle zu bestimmen. Bei Inbegriffen mehrerer ungleichartiger Sachen müssen zu jeder Art derselben besondere mit der nöthigen Sachkenntniß versehene Taxatoren gebraucht werden. In Fällen, wo die Bestimmungen des Werths nicht sowohl auf festen und sicheren, aus Vermessungen, Rechnungen, Zeugenaussagen (et)c., Maaß, Gewicht u. s. w. zu entnehmenden Datis, als vielmehr auf einem nach dem Augenscheine, besonderer Kunstkenntniß, Kunstgefühl (et)c. sich bestimmenden Arbitrio beruhet, sind wenigstens drei Taxatoren erforderlich; die entweder über den anzunehmenden Werth sich vereinigen müssen, oder aus deren verschiedenen zusammen


(107) Verfahren bei gerichtlichen Taxen.

zu rechnenden Angaben der Werth, nach einem Durchschnitte, festgesetzt wird.

Wo es bisher üblich gewesen, daß zu gewissen Abschätzungen mehrere Klassen, oder sogenannte Schütten von Taxatoren, deren jede aus drei Personen besteht, gebraucht worden, hat es auch ferner dabei sein Bewenden.

In allen Fällen ist die Zuziehung auch nur Eines vereideten Taxators hinreichend, wenn die Kosten der Zuziehung mehrerer, mit dem wahrscheinlichen Werthe des Objekts in keinem Verhältnisse stehen möchten.

Bekanntmachung des Termins zur Taxe an die Interessenten.

§. 7.

Der zur Abschätzung anberaumte Termin muß den Interessenten bekannt gemacht, und dieselben müssen dazu vorgeladen werden. Diese Vorladung hat jedoch bloß zur Absicht, die Interessenten von der bevorstehenden Abschätzung zu benachrichtigen. Wenn also dieselben in dem anberaumten Termine weder persönlich, noch durch zulässige Bevollmächtigte erscheinen; so muß das Geschäft, ohne weiter auf sie zu warten, dennoch seinen Fortgang erhalten. Daß dieses geschehen werde, ist den Interessenten in der Vorladung ausdrücklich anzudeuten.

Obliegenheiten des gerichtlichen Kommissarii.

§. 8.

Der gerichtliche Kommissarius muß die ganze Handlung der Taxation dirigiren. Er muß darauf sehen, daß den Sachverständigen die abzuschätzenden Objekte gehörig und vollständig vorgelegt oder angewiesen werden; und daß dieselben die gehörige Sorgfalt und Genauigkeit anwenden, um sich von der Beschaffenheit des Objekts und denjenigen Eigenschaften, Vorzügen oder Mängeln desselben, welche auf die Bestimmung seines Werths Einfluß haben können, vollständig zu unterrichten. Wenn Data und Nachrichten, woraus bei einem Gegenstande,


(108) Gerichtsordn. II. Theil. Sechster Titel.

oder bei einer Rubrik, die Gründe der näheren Bestimmung zu entnehmen sind, durch Zeugen ausgemittelt werden sollen; so muß der gerichtliche Kommissarius selbst diese Zeugen ordnungsmäßig abhören; dabei aber entweder die Taxatoren mit zuziehen, oder sich doch von ihnen die Thatsachen, worauf es ankommt, und die den Zeugen etwa besonders vorzulegenden Fragen, an die Hand geben lassen. Wenn diese Data aus Rechnungen, Wirtschaftsregistern oder anderen Schriften zu entnehmen sind; so muß er für deren Aufsuchung und Herbeischaffung sorgen, überhaupt aber dahin sehen, daß die vorgeschriebene Taxordnung von den Taxatoren genau gewissenhaft befolgt, und keins der vorhandenen Hilfsmittel, die zu einer wahren und richtigen Bestimmung des Werths beförderlich seyn können, übersehen und vernachlässigt werde.

Dagegen muß der Kommissarius sich nicht anmaaßen, die Taxatoren in einer gewissenhaften, nach ihrer eigenen freien Einsicht und Ueberzeugung zu machenden Anwendung ihrer Sach- und Kunstkenntniß im geringsten einschränken, oder ihnen dabei etwas vorschreiben zu wollen. Er muß ihnen aus vermeintlicher eigener Kenntniß keine Suggestionen machen; ihnen bei Niederschreibung ihrer Angaben nicht in die Rede fallen oder sie sonst irren; vielmehr sich damit begnügen, diese ihre Angaben treulich zu verzeichnen, und ihnen, wo es nöthig ist, besonders aber, wenn etwas Ungewöhnliches dabei vorkommt, oder, wenn die Angaben mehrerer zu einerlei Objekt bestellter Taxatoren beträchtlich von einander abweichen, die Gründe davon abzufordern und niederzuschreiben.

Taxationsprotokoll.

§. 9.

Der Kommissarius muß über den ganzen Aktus der Abschätzung ein vollständiges Protokoll halten, und darein verzeichnen:


(109) Verfahren bei gerichtlichen Taxen.

1) Was für Personen, sowohl an Taxatoren als Interessenten, der Verhandlung beigewohnt haben.

2) Ob die Taxatoren schon überhaupt, und wo sie solchergestalt vereidet sind, oder wie sie zu der gegenwärtigen Handlung verpflichtet worden.

3) In dem Protokolle muß ferner eine genaue Beschreibung des abzuschätzenden Gegenstandes, nach solchen Eigenschaften und Merkmalen, woran derselbe von anderen gleicher Art unterschieden werden kann; ingleichen die Veranlassung der aufzunehmenden Taxe, ob die z. B. des Verkaufs oder der Auseinandersetzung wegen, aufgenommen werde, enthalten seyn.

4) Es muß historisch angeführt seyn: in welcher Ordnung, und nach welcher Methode bei der Aufnehmung der Taxe überhaupt verfahren, und wenn die Handlung mehrere Tage gedauert hat, was an jedem derselben gethan worden.

5) Es muß ferner angezeigt seyn, wie in Ansehung eines jeden besonderen Objekts, oder einer jeden einzelnen Rubrik, bei der Ausmittelung des Werths oder Ertrags, ingleichen der von letzterm zu machenden Abzüge, verfahren; woher die Data zu deren Bestimmung entnommen; was z. B. für Zeugen vorgeschlagen, wie sie abgehört, und was von ihnen ausgefragt; welche Rechnungen, und aus was für Jahren sie zugezogen worden, was aus diesen Rechnungen sich ergeben habe, was etwa in Beziehung auf die Vollständigkeit, Glaubwürdigkeit oder Zufälligkeit dieser Rechnungen besonders zu bemerken vorgenommen; wohin bei jedem Objekt oder bei jeder Rubrik, die Angaben der Taxatoren ausgefallen; wenn besonders diese Angaben verschieden sind, was ein jeder zu Begründung der seinigen angeführt habe, und was etwa noch sonst für Umstände,


(110) Gerichtsordn. II. Theil. Sechster Titel.

die auf das vorliegende Geschäft und dessen Beurtheilungen Einfluß haben, vorgekommen sind.

6) Rechnungsextrakte, Saattabellen, Erndte-, Dresch- und Hebungsregister, Charten und Vermessungsregister, sind Beilagen dieses Protokolls, welche in dem Protokolle selbst, da, wo Nachrichten und Data, so aus ihnen entnommen sind, vorkommen, bestimmt allegirt werden müssen.

7) Das Protokoll muß von dem Kommisario und den zugezogenen Taxatoren, ingleichen von den etwanigen Zeugen, unterschrieben werden. Auch die gegenwärtigen Interessenten sind zur Mitunterschrift aufzufordern; doch ist dieselbe nicht nothwendig.

Taxationsinstrument.

§. 10.

Aus diesem Protokolle muß der Kommissarius das Taxationsinstrument selbst entwerfen, und dasselbe mittelst Berichts dem Gerichte übergeben. Finden sich bei dieser Ausarbeitung Anstände und Zweifel, so muß er mit den Taxatoren darüber Rücksprache nehmen, und die nöthigen Erläuterungen von ihnen fordern. Bei weitläufigen Taxen, wo es auf Berechnung mehrerer Positionen, in Ansehung des Ertrags, der Abzüge u. s. w. ankommt, muß er sich zur Anfertigung des Taxationsinstruments der Hülfe eines vereideten Rechnungsverständigen bedienen.

Aufnehmung desselben.

§. 11.

Das eingereichte Taxationsinstrument wird von dem Gerichte unter seinem größeren Insiegel ausgefertigt. Ob und an welche Interssenten Kommunikation davon gesehen müsse; in wie fern den Interessenten frei stehe, Erinnerungen gegen die Taxe zu machen; und wie darauf weiter zu verfahren sey, ist nach Verschiedenheit der Fälle und Veranlassungen, wozu die Taxe aufgenommen worden, in den Gesetzen und in der Prozessordnung bestimmt.


(111) Verfahren bei gerichtlichen Taxen.

1) Von Abschätzung adlicher Güter.

§. 12.

So viel insonderheit I. die Taxen adlicher Güter betrifft, so sollen dieselben allemal nach dem wahren und wirklichen Ertrage aufgenommen werden.

Der Kommissarius muß dabei eine vollständige Beschreibung des abzuschätzenden Gutes, nach seiner Qualität, seiner Lage, seinen Grenzen, seiner Entfernung von großen, mittleren und kleineren Städten, von schiffbaren Kanälen und Flüssen, und nach anderen Umständen, welche etwa die Kultur oder den Absatz der Produkte besonders erleichtern und begünstigen, oder hindern und erschweren, vorausschicken. Die Beschaffenheit der Gebäude und ihr Baustand muß im Allgemeinen beschrieben, und eben so der Zustand der Gutseinwohner, und ihr Verhältniß gegen den Gutsbesitzer, ob sie z. B. dienstpflichtig sind oder nicht, ob ihre Stellen, Gebäude und Inventarium ihnen eigenthümlich, oder in wie fern sie der Herrschaft gehören; ob die Unterhaltung der Gebäude und des Inventarii ihnen selbst, oder der Herrschaft obliege, im Allgemeinen angegeben werden. Auch ist nachzufragen und im Protokolle zu merken: ob die Aecker Wiesen, Hütungen und Holzungen der Gutsherrschaft von denjenigen, welche den Unterthanen gehören, separirt sind, oder mit ihnen noch im Gemenge liegen. Besonders ist anzumerken: ob die Grenzen richtig sind; oder ob und mit welchen Nachbarn Grenzstreitigkeiten obwalten; ob dem Gute Hutungs-, Holzungs-, Mastungs-, Jagd- oder andere dergleichen Gerechtigkeiten auf benachbarte Güter zustehen; oder ob dergleichen an das Gut im Wege Rechtens prätendirt werden. Auch solche Regalien und besondere Gerechtsame des Guts, welche keinen nach Gelde zu berechnenden Ertrag gewähren, sind in dem Protokolle mit aufzuführen und umständlich zu beschreiben. Eben so muß der Kommissarius die ihm zukommenden


(112) Gerichtsordn. II. Theil.Sechster Titel.

Nachrichten von dem ehemaligen Werthe, wofür das Gut in den letzten Jahren gekauft, oder in der Erbtheilung übernommen worden, von den vorgeworfenen Verpachtungen und von anderen Ereignissen, wodurch der Zustand des Guts neuerlich eine wesentliche Veränderung erlitten hat, in dem Protokolle historisch bermerken.

Anh. § 437. Wenn aus dem Hypothetenbuche oder aus anderen unverdächtigen Angaben hervorgeht, daß das zu subhastirende adliche Gut einen Werth von 500 Thaler nicht übersteigt; so können der Schulze oder die Gerichtsleute des Orts, wo das zu veräußernde Grundstück belegen ist, oder in Ermangelung der Gerichtsleute zwei dazu ausersehene Wirthe dieses oder eines benachbarten Ortes, über die Beschaffenheit, den Ertrag und den Werth des von ihnen zu diesem Behuf genau zu besichtigenden Grundstücks eidlich vernommen werden, welche Vernehmung alsdann die Stelle der Taxe vertritt.

§. 13.

Was die Grundsätze betrifft, nach welchen die verschiedenen Wirthschaftsrubriken in der Einnahme, und die bei einer jeden zu machenden Abzüge; die von dem ganzen Ertrage abgehenden Onera und Ausgaben; der dem Kapital hinzutretende Werth der Wohngebäude und anderer keinen eigentlichen Ertrag gewährenden, aber doch den Kaufswerth erhöhenden Regalien und Zubehörungen; ingleichen die von dem Kapital der Taxe abzuziehenden Bau-, Reparatur- und Retablissementskosten, ausgemittelt und angeschlagen werden sollen: so können darüber hier keine allgemeine Vorschriften ertheilt werden. Da schon in den meisten Provinzen Kreditsysteme errichtet, und die Justizkollegia angewiesen sind, die Taxen adlicher Güter entweder durch die Kreditdirektionen aufnehmen, oder doch die Abschätzungsprincipia derselben dabei zum Grunde legen zu lassen;


(113) Verfahren bei gerichtlichen Taxen.

so hat es dabei auch ferner sein Bewenden. In den übrigen Provinzen aber sollen die Stände aufgefordert werden, sich mit den Landesjustizkollegien zusammen zu thun, und vollständige, den Umständen und der Landesverfassung angemessene Taxordnungen zu entwerfen. Bis dahin hat es bei der bisherigen Observanz einer jeden Provinz ebenfalls sein Bewenden.

2) Anderer Landgüter.

§. 14.

Anlangend II. die Taxen anderer Landgüter, die zwar nicht adlicher Qualität, aber doch ein freies Eigenthum ihrer Besitzer, und keiner Gutsherrschaft unterthänig sind, so sind dabei im Wesentlichen eben die Grundsätze anzuwenden, welche bei der Abschätzung adlicher Güter in der Provinz zur Richtschnur dienen, wobei die Verschiedenheiten und Abweichungen, aus der verschiedenen Qualität der Güter, sich von selbst ergeben.

Unterhänige Bauergüter, die ihren Besitzern eigenthümlich gehören, und nach der Landesart mit beträchtlichen Realitäten an Ackerwerk, Viehzucht (et)c. versehen sind, werden eben so nach dem Ertrage taxirt.

Bei solchen Bauerstellen aber, die entweder Laßgüter sind, oder sonst ihren Besitzern nicht eigenthümlich gehören; ingleichen bei allen kleinen Rustikalbesitzungen, auf welchen kein Gespann gehalten wird, findet keine eigentliche Ertragstaxe Statt. Dagegen muß eine richtige und vollständige Beschreibung des Guts, nach den dazu gehörenden Realitäten, Gebäuden, Inventarienstücken u. s. w., ingleichen den davon zu entrichtenden Abgaben, Diensten und Pflichten, aufgenommen, und aus diesen Datis, mit gehöriger Rücksicht auf den am Orte, oder in der Gegend gewöhnlichen Kaufpreis der


(114) Gerichtsordn. II. Theil. Sechster Titel.

Grundstücke von dieser Art und Beschaffenheit, ein ungefährer Werth nach dem pflichtmäßigen Ermessen der Taxatoren bestimmt werden.

In Provinzen, wo in Ansehung der Rustikalgüter gewisse Grundtaxen eingeführt sind, nach welchen dieselben von einem der Söhne des bisherigen Besitzers übernommen, und die übrigen Kinder abgefunden werden, hat es dabei auch ferner sein Bewenden.

Anh. §. 438. Wenn bei der Taxe eines Guts, welches dem Besitzer nur auf gewisse Jahre zur Kultur und Benutzung gegeben war, die Frage entsteht: wie der durch eine gewöhnliche Taxe ausgemittelte reine Ertrag nach der Dauer des Nutzungsrechtes zu Kapital zu schlagen sey; so muß der Kapitalwerth durch die Revenüensumme mit Abrechnung des Interusurii bestimmt werden.

3) Der Häuser in den Städten.

§. 15.

So viel III. die Häuser in den Städten anlangt, so können dieselben nicht nach dem bloßen Ertrage gewürdigt werden.

Ist die Taxe eines Hauses aufzunehmen, so muß

1) der Kommisarius dasselbe nach seiner Lage, Beschaffenheit, Länge, Breite und Höhe, nach seinem Baustande, nach der Anzahl und Einrichtung der darin befindlichen Wohnungen und anderer Behältnisse, umständlich beschreiben.

2) Die zum Hause gehörenden Pertinenzstücke, an Gärten, Wiesen, Aeckern, (et)c. ingleichen die damit verbundenen Gerechtigkeiten, z. B. das Reihebrauen, die Befugniß, eine gewisse Anzahl Vieh auf die gemeine Stadtweide mit vorzutreiben, den ganzen Holzbedarf, oder eine gewisse Quantität desselben, aus der gemeinen Stadthaide zu nehmen, (et)c. müssen bestimmt angegeben werden.

3) Eben so muß der Kommisarius nach den auf dem Hause haftenden oder daran prätendirten


(115) Verfahren bei gerichtlichen Taxen

Dienstbarkeitsrechten und Servituten sich sorgfältig erkundigen.

4) Die von dem Hause zu entrichtenden Abgaben, öffentliche und gemeine Lasten, müssen ebenfalls möglichst genau verzeichnet werden.

5) Sodann sind die in dem Hause befindlichen Materialien, Kunst- und Handwerksarbeiten aller Art, nach dem gegenwärtigen Zustande derselben, durch vereidete Werkmeister zu revidiren und abzuschätzen. Eben so ist,

6) besonders in großen Städten, der bisherige Ertrag der Miethen nach einem mehrjährigen Durchschnitte auszumitteln. Aus diesen Datis muß

7) durch die Taxatoren eine Taxe des Hauses, in seinem gegenwärtigen Zustande, nach einem vernünftigen und billigen Ermessen derselben bestimmt, übrigens aber

8) die zu dem Hause gehörigen, und nach Nr. 2 ausgemittelten unbeweglichen Pertinenzstücke oder Gerechtigkeiten besonders angeschlagen, und der Taxe des Hauses selbst zugesetzt werden.

4) Anderer Grundstücke.

§. 16.

IV. Bei den Taxen anderer Grundstücke kommt es darauf an: ob der gemeine Werth derselben in dem Nutzen bestehe, den sie ihrem Besitzer gewähre; oder ob sich der davon zu erwartende Vortheil hauptsächlich nur auf Vergnügen und Annehmlichkeiten einschränke.

Bei Grundstücken der ersten Art, z. B. bei Mühlen, nutzbaren Obst-, Küchen- und Gemüsegärten, muß der reine Ertrag ausgemittelt, und darnach der Anschlag bestimmt werden.

Bei Grundstücken der zweiten Art, z. B. bloßen Lust: und Ziergärten, findet keine gerichtliche Taxe Statt; sondern es tritt an deren Stelle eine


(116) Gerichtsord. II. Theil. Sechster Titel.

umständliche Beschreibung nach der Länge, Größe und innern Einrichtung. Nach diesen Datis, und zugleich mit Rücksicht auf die am Orte vorhandene Bevölkerung, auf den Grad der Wohlhabenheit und des Luxus unter den Einwohnern, und auf den gewöhnlichen Preis, welchen solche Grundstücke an diesem Orte zu gelten pflegen, muß ein ungefährer Werth von den Taxatoren, nach vernünftigem Ermessen, bestimmt werden.

Die bei einem solchen Grundstücke befindlichen Gebäude müssen ebenfalls beschrieben, und, wenn dazu Orangerie oder seltene Gewächse gehören, muß ein Verzeichniß derselben, mit einer ungefähren Angabe des Werths der einzelnen Stücke, der Taxe beigefügt werden.

5) Von Gerechtigkeiten.

§. 17.

V. Bei einzelnen, für sich bestehenden Gerechtigkeiten ist darauf Rücksicht zu nehmen: ob dieselben an und für sich einen gewissen Ertrag gewähren, oder ob sie dem Besitzer bloß eine Gelegenheit darbieten, sich durch Anwendung seiner Wissenschaft, Kunst und Industrie Vortheile zu verschaffen; oder endlich, ob es bloße Ehrenrechte sind, mit welchen kein nach Gelde zu bestimmender Vortheil verbunden ist.

Bei Gerechtigkeiten der ersten Art, z. B. Zollgerechtigkeiten; Fischereigerechtigkeiten, (et)c wird der Ertrag ausgemittelt, und die Taxe darnach bestimmt. Bei Gerechtigkeiten der zweiten Art, z. B. Barbier- und Badstuben, Krug-: und Schankgerechtigkeiten, Kramgerechtigkeiten, Apotheken, (et)c findet keine eigentliche Ertragstaxe Statt; sondern es müssen in einer aufzunehmenden Beschreibung die näheren Bestimmungen und der Umfang eines solchen Rechts angegeben, und mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Werth, den


(117) Verfahren bei gerichtlichen Taxen.

dergleichen Gerechtigkeiten an einem Orte, nach dem Verhältniß der Bevölkerung und des Wohlstandes, so wie auch der mehr oder weniger eingeschränkten Zahl der Berechtigten, zu haben pflegen, ein ungefähres Taxquantum von den Sachverständigen angegeben werden. Gehören zu einer solchen Gerechtigkeit gewisse bewegliche Zubehörungen, Utensilien und Geräthschaften, so ist ein Verzeichniß derselben der Taxe beizufügen; Vorräthe von Waaren, Materialien (et)c. werden besonders taxirt.

Auf eben die Art wird bei der Abschätzung von Gerechtigkeiten, die keinen nach Gelde zu berechnenden Vortheil gewähren, sondern in bloßen Ehrenrechten bestehen, verfahren.

6) Von Schiffen.

§. 18.

VI. Schiffe können niemals nach ihrem Ertrage, sondern die müssen lediglich nach dem Werthe der darin befindlichen Materialien, an Holz, Eisen, Kupfer, :(et)c. ingleichen des Zubehörs an Tauen, Segeln, Ankern, (et)c. durch Sachverständige abgeschätzt werden. Dabei sind jedes Mal die Bauart des Schiffes, der Ort, wo, und die Zeit, wann es erbaut worden, zu bemerken. Von den obgedachten Zubehörungen ist der Taxe ein Bezeichniß beizufügen.

7) Von beweglichen Sachen.

§. 19.

VII. Bei beweglichen Sachen kann nur die Substanz der Stücke selbst abgeschätzt werden. Gold und Silber wird nach dem Gewichte taxirt, und dabei die Probe bemerkt. Bei Juwelen und Kostbarkeiten, ingleichen bei Kunstwerken, bei welchen es weniger auf die Materie, als auf die Form und künstliche Bearbeitung ankommt, müssen, wenn der wahrscheinliche Werth nicht unbeträchtlich ist, zur Abschätzung wenigstens drei Sachverständige


(118) Gerichtsordn. II Th. Sechster Titel u.

gebraucht werden, und die Taxe muß nach dem Durchschnitte ihrer Angaben bestimmt werden.

Bei anderen beweglichen Sachen ist die Zuziehung auch nur Eines Taxators, welcher von Gegenständen dieser Art die nöthige Sachkenntniß besitzt, hinreichend.

Wenn mehrere Stücke von gleicher Art vorhanden sind, z. B. mehrere brillantene Ringe, (et)c so müssen denselben, mittelst eines an jedem Stücke mit dem Gerichtssiegel zu befestigenden Fadens, Nummern dergestalt angehängt werden, dass keine Verwechselung erfolgen könne.