(Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie. I. Theil. Wien 1811.)

Wir Franz der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich; König zu Ungarn und Böhmen; Erzherzog zu Oesterreich, etc. etc.

Aus der Betrachtung, daß die bürgerlichen Gesetze, um den Bürgern volle Beruhigung über den gesicherten Genuß ihrer Privat-Rechte zu verschaffen, nicht nur nach den allgemeinen Grundsätzen der Gerechtigkeit; sondern auch nach den besonderen Verhältnissen der Einwohner bestimmt, in einer ihnen verständlichen Sprache bekannt gemacht, und durch eine ordentliche Sammlung in stätem Andenken erhalten werden sollen, haben Wir seit dem Antritte Unserer Regierung unausgesetzt Sorge getragen, daß die schon von Unseren Vorfahren beschlossene und unternommene Abfassung eines vollständigen, einheimischen bürgerlichen Gesetzbuches ihrer Vollendung zugeführt werde.

Der während Unserer Regierung von Unserer Hofcommission in Gesetzsachen zu Stande gebrachte Entwurf ward, so wie ehedem der Entwurf des Gesetzbuches über Verbrechen und schwere Polizey-Uebertretungen, den in den verschiedenen Provinzen eigens aufgestellten Commissionen zur Beurtheilung mitgetheilt, in Galizien aber inzwischen schon in Anwendung gesetzt.

Nachdem auf solche Art die Meinungen der Sachverständigen, und die aus der Anwendung eingehohlten Erfahrungen zur Berichtigung dieses so wichtigen Zweiges der Gesetzgebung benützt worden sind; haben Wir nun beschlossen, dieses allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für Unsere gesammten Deutschen Erbländer kund zu machen, und zu verordnen, daß dasselbe mit dem ersten Januar 1812 zur Anwendung kommen solle.

Dadurch wird das bis jetzt angenommene gemeine Recht, der am 1. November 1786 kund gemachte erste Theil des bürgerlichen Gesetzbuches, das für Galizien gegebene bürgerliche Gesetzbuch, sammt allen auf die Gegenstände dieses allgemeinen bürgerlichen Rechtes sich beziehenden Gesetzen und Gewohnheiten, außer Wirksamkeit gesetzt.

Wie Wir aber in dem Gesetzbuche selbst zur allgemeinen Vorschrift aufgestellt haben, daß die Gesetze nicht zurück wirken sollen; so soll auch dieses Gesetzbuch auf Handlungen, die dem Tage, an welchem es verbindliche Kraft erhält, vorhergegangen, und auf die nach den früheren Gesetzen bereits erworbenen Rechte keinen Einfluß haben; diese Handlungen mögen in zweyseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, oder in solchen Willenserklärungen bestehen, die von dem Erklärenden noch eigenmächtig abgeändert, und nach den in dem gegenwärtigen Gesetzbuche enthaltenen Vorschriften eingerichtet werden könnten.

Daher ist auch eine schon vor der Wirksamkeit dieses Gesetzbuches angefangene Ersitzung oder Verjährung nach den älteren Gesetzen zu beurtheilen. Wollte sich jemand auf eine Ersitzung oder Verjährung berufen, die in dem neueren Gesetze auf eine kürzere Zeit als in den früheren Gesetzen bestimmt ist; so kann er auch diese kürzere Frist erst von dem Zeitpuncte, an welchem das gegenwärtige Gesetz verbindliche Kraft erhält, zu berechnen anfangen.

Die Vorschriften dieses Gesetzbuches sind zwar allgemein verbindlich; doch bestehen für den Militär-Stand und für die zum Militär-Körper gehörigen Personen besondere, auf das Privat-Recht sich beziehende Vorschriften, welche bey den von, oder mit ihnen vorzunehmenden Rechtsgeschäften, obschon in dem Gesetzbuche nicht ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, zu beobachten sind. Handels- und Wechselgeschäfte werden nach den besonderen Handels- und Wechselgesetzen, in so fern sie von den Vorschriften dieses Gesetzbuches abweichen, beurtheilt.

Auch bleiben die über politische, Cameral- oder Finanz-Gegenstände kund gemachten, die Privat-Rechte beschränkenden, oder näher bestimmenden Verordnungen, obschon in diesem Gesetzbuche sich darauf nicht ausdrücklich bezogen wurde, in ihrer Kraft.

Ins besondere sind die auf Geldzahlungen sich beziehenden Rechte und Verbindlichkeiten nach dem, über das zum Umlauf und zur gemeinen Landes- (Wiener) Währung bestimmte Geld, bereits erlassenen Patente vom 20. Hornung 1811, oder nach den noch zu erlassenden besonderen Gesetzen, und nur bey deren Ermanglung, nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzbuches zu beurtheilen.

Wir erklären zugleich den gegenwärtigen Deutschen Text des Gesetzbuches als den Urtext, wonach die veranstalteten Uebersetzungen in die verschiedenen Landessprachen Unserer Provinzen zu beurtheilen sind.

Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien, den ersten Monathstag Junius, im eintausend achthundert und eilften, Unserer Reiche im neunzehnten Jahre.

Franz (L. S.)

Aloys Graf von und zu Ugarte,

königlich-Böhmischer oberster und erzherzoglich-Oesterreichischer erster Kanzler.

Franz Graf von Woyna.

Nach Sr. k. k. Majestät

höchst eigenem Befehle:

Johann Nepomuk Freyh. v. Geißlern.

 

Inhalt.

Einleitung. Von den bürgerlichen Gesetzen überhaupt. §. 1-14.

Erster Theil.

Von dem Personenrechte.

Erstes Hauptstück. Von den Rechten, welche sich auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse beziehen. §. 15-43.

Zweytes Hauptstück. Von dem Eherechte. §. 44-136.

Drittes Hauptstück. Von den Rechten zwischen Aeltern und Kindern. §. 137-186.

Viertes Hauptstück. Von den Vormundschaften und Curatellen. §. 187-284.

Zweyter Theil.

Von dem Sachenrechte.

Von Sachen und ihrer rechtlichen Eintheilung. §. 285-308.

Erste Abtheilung

des Sachenrechtes.

Von den dinglichen Rechten.

Erstes Hauptstück. Von dem Besitze. §. 309-352.

Zweytes Hauptstück. Von dem Eigenthumsrechte. §. 353-379.

Drittes Hauptstück. Von der Erwerbung des Eigenthums durch Zueignung. §. 380-403.

Viertes Hauptstück. Von Erwerbung des Eigenthumes durch Zuwachs. §. 404-422.

Fünftes Hauptstück. Von Erwerbung des Eigenthumes durch Uebergabe. §. 423-446.

Sechstes Hauptstück. Von dem Pfandrechte. §. 447-471.

Siebentes Hauptstück. Von Dienstbarkeiten. (Servituten.) §. 472-530.

Achtes Hauptstück. Von dem Erbrechte. §. 531-551.

Neuntes Hauptstück. Von der Erklärung des letztes Willens überhaupt und den Testamenten ins besondere. §. 552-603.

Zehntes Hauptstück. Von Nacherben und Fideicomissen. §. 604-646.

Eilftes Hauptstück. Von Vermächtnissen. §. 647-694.

Zwölftes Hauptstück. Von Einschränkung und Aufhebung des letzten Willens. §. 695-726.

Dreyzehntes Hauptstück. Von der gesetzlichen Erbfolge. §. 727-761.

Vierzehntes Hauptstück. Von dem Pflichttheile und der Anrechnung in den Pflicht- oder Erbtheil. §. 762-796.

Fünfzehntes Hauptstück. Von Besitznehmung der Erbschaft. §. 797-824.

Sechzehntes Hauptstück. Von der Gemeinschaft des Eigenthums und anderer dinglichen Rechte. §. 825-858.

Zweyte Abtheilung.

Von den persönlichen Sachenrechten.

Siebzehntes Hauptstück. Von Verträgen und Rechtsgeschäften überhaupt. §. 859-937.

Achtzehntes Hauptstück. Von Schenkungen. §. 938-956.

Neunzehntes Hauptstück. Von dem Verwahrungsvertrage. §. 957-970.

Zwanzigstes Hauptstück. Von dem Leihvertrage. §. 971-982.

Ein und zwanzigstes Hauptstück. Von dem Darleihensvertrage. §. 983-1001.

Zwey und zwanzigstes Hauptstück. Von der Bevollmächtigung und andern Arten der Geschäftsführung. §. 1002-1044.

Drey und zwanzigstes Hauptstück. Von dem Tauschvertrage. §. 1045-1052.

Vier und zwanzigstes Hauptstück. Von dem Kaufvertrage. §. 1053-1089.

Fünf und zwanzigstes Hauptstück. Von Bestand- Erbpacht- und Erbzins-Verträgen. §. 1090-1150.

Sechs und zwanzigstes Hauptstück. Von Verträgen über Dienstleistungen §. 1151-1174.

Sieben und zwanzigstes Hauptstück. Von dem Vertrage über eine Gemeinschaft der Güter. §. 1175-1216.

Acht und zwanzigstes Hauptstück. Von den Ehepacten. §. 1217-1266.

Neun und zwanzigstes Hauptstück. Von den Glücksverträgen. §. 1267-1292.

Dreyßigstes Hauptstück. Von dem Rechte des Schadenersatzes und der Genugthuung. §. 1293-1341.

Dritter Theil.

Von den gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte.

Erstes Hauptstück. Von Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten. §. 1342-1374.

Zweytes Hauptstück. Von Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten. §. 1375-1410.

Drittes Hauptstück. Von Aufhebung der Rechte und Verbindlichkeiten. §. 1411-1450.

Viertes Hauptstück. Von der Verjährung und Ersitzung. §. 1451-1502.

 

Einleitung.

Von den bürgerlichen Gesetzen überhaupt.

Begriff des bürgerlichen Rechtes.

§. 1. Der Inbegriff der Gesetze, wodurch die Privat-Rechte und Pflichten der Einwohner des Staates unter sich bestimmt werden, macht das bürgerliche Recht in demselben aus.

§. 2. So bald ein Gesetz gehörig kund gemacht worden ist, kann sich niemand damit entschuldigen, daß ihm dasselbe nicht bekannt geworden sey.

Anfang der Wirksamkeit der Gesetze.

§. 3. Die Wirksamkeit eines Gesetzes und die daraus entspringenden rechtlichen Folgen nehmen gleich nach der Kundmachung ihren Anfang; es wäre denn, daß in dem kund gemachten Gesetze selbst der Zeitpunct seiner Wirksamkeit weiter hinaus bestimmt würde.

Umfang des Gesetzes.

§. 4. Die bürgerlichen Gesetze verbinden alle Staatsbürger der Länder, für welche sie kund gemacht sind. Die Staatsbürger bleiben auch in Handlungen und Geschäften, die sie außer dem Staatsgebiethe vornehmen, an diese Gesetze gebunden, in so weit als ihre persönliche Fähigkeit, sie zu unternehmen, dadurch eingeschränket wird, und als diese Handlungen und Geschäfte zugleich in diesen Ländern rechtliche Folgen hervorbringen sollen. In wie fern die Fremden an diese Gesetze gebunden sind, wird in dem folgenden Hauptstücke bestimmt.

§. 5. Gesetze wirken nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluß.

Auslegung.

§. 6. Einem Gesetze darf in der Anwendung kein anderer Verstand beygelegt werden, als welcher aus der eigenthümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet.

§. 7. Läßt sich ein Rechtsfall weder aus den Worten, noch aus dem natürlichen Sinne eines Gesetzes entscheiden, so muß auf ähnliche, in den Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle, und auf die Gründe anderer damit verwandten Gesetze Rücksicht genommen werden. Bleibt der Rechtsfall noch zweifelhaft; so muß solcher mit Hinsicht auf die sorgfältig gesammelten und reiflich erwogenen Umstände nach den natürlichen Rechtsgrundsätzen entschieden werden.

§. 8. Nur dem Gesetzgeber steht die Macht zu, ein Gesetz auf eine allgemein verbindliche Art zu erklären. Eine solche Erklärung muß auf alle noch zu entscheidende Rechtsfälle angewendet werden, dafern der Gesetzgeber nicht hinzufügt, daß seine Erklärung bey Entscheidung solcher Rechtsfälle, welche die vor der Erklärung unternommenen Handlungen und angesprochenen Rechte zum Gegenstande haben, nicht bezogen werden solle.

Dauer des Gesetzes.

§. 9. Gesetze behalten so lange ihre Kraft, bis sie von dem Gesetzgeber abgeändert oder ausdrücklich aufgehoben werden.

Andere Arten der Vorschriften, als: a) Gewohnheiten.

§. 10. Auf Gewohnheiten kann nur in den Fällen, in welchen sich ein Gesetz darauf beruft, Rücksicht genommen werden.

b) Provinzial-Statuten.

§. 11. Nur jene Statuten einzelner Provinzen und Landesbezirke haben Gesetzeskraft, welche nach der Kundmachung dieses Gesetzbuches von dem Landesfürsten ausdrücklich bestätiget werden.

c) Richterliche Aussprüche.

§. 12. Die in einzelnen Fällen ergangenen Verfügungen und die von Richterstühlen in besonderen Rechtsstreitigkeiten gefällten Urtheile haben nie die Kraft eines Gesetzes, sie können auf andere Fälle oder auf andere Personen nicht ausgedehnet werden.

d) Privilegien.

§. 13. Die einzelnen Personen oder auch ganzen Körpern verliehenen Privilegien und Befreyungen sind, so fern hierüber die politischen Verordnungen keine besondere Bestimmung enthalten, gleich den übrigen Rechten zu beurtheilen.

Haupteintheilung des bürgerlichen Rechtes.

§. 14. Die in dem bürgerlichen Gesetzbuche enthaltenen Vorschriften haben das Personen-Recht, das Sachenrecht und die denselben gemeinschaftlich zukommenden Bestimmungen zum Gegenstande.

 

Erster Theil.

Von dem Personen-Rechte.

Erstes Hauptstück.

Von den Rechten, welche sich auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse beziehen.

Personen-Rechte.

§. 15. Die Personen-Rechte beziehen sich theils auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse; theils gründen sie sich in dem Familien-Verhältnisse.

I. Aus dem Charakter der Persönlichkeit.

Angeborne Rechte.

§. 16. Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sclaverey oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht wird in diesen Ländern nicht gestattet.

Rechtliche Vermuthung derselben.

§. 17. Was den angebornen natürlichen Rechten angemessen ist, dieses wird so lange als bestehend angenommen, als die gesetzmäßige Beschränkung dieser Rechte nicht bewiesen wird.

Erwerbliche Rechte.

§. 18. Jedermann ist unter den von den Gesetzen vorgeschriebenen Bedingungen fähig, Rechte zu erwerben.

Verfolgung der Rechte.

§. 19. Jedem, der sich in seinem Rechte gekränkt zu seyn erachtet, steht es frey, seine Beschwerde vor der durch die Gesetze bestimmten Behörde anzubringen. Wer sich aber mit Hintansetzung derselben der eigenmächtigen Hülfe bedienet, oder, wer die Gränzen der Nothwehre überschreitet, ist dafür verantwortlich.

§. 20. Auch solche Rechtsgeschäfte, die das Oberhaupt des Staates betreffen, aber auf dessen Privat-Eigenthum, oder auf die in dem bürgerlichen Rechte gegründeten Erwerbungsarten sich beziehen, sind von den Gerichtsbehörden nach den Gesetzen zu beurtheilen.

II. Personen-Rechte aus der Eigenschaft des Alters oder mangelnden Verstandesgebrauches.

§. 21. Diejenigen, welche wegen Mangels an Jahren, Gebrechen des Geistes, oder anderer Verhältnisse wegen, ihre Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen unfähig sind, stehen unter dem besonderen Schutze der Gesetze. Dahin gehören: Kinder, die das siebente; Unmündige, die das vierzehnte; Minderjährige, die das vier und zwanzigste Jahr ihres Lebens noch nicht zurückgelegt haben; dann: Rasende, Wahnsinnige und Blödsinnige, welche des Gebrauches ihrer Vernunft entweder gänzlich beraubt oder wenigstens unvermögend sind, die Folgen ihrer Handlungen einzusehen; ferner: diejenigen, welchen der Richter als erklärten Verschwendern die fernere Verwaltung ihres Vermögens untersagt hat; endlich: Abwesende und Gemeinden.

§. 22. Selbst ungeborne Kinder haben von dem Zeitpuncte ihrer Empfängniß an einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze. In so weit es um ihre und nicht um die Rechte eines Dritten zu thun ist, werden sie als Geborne angesehen; ein todtgebornes Kind aber wird in Rücksicht auf die ihm für den Lebensfall vorbehaltenen Rechte so betrachtet, als wäre es nie empfangen worden.

§. 23. In zweifelhaftem Falle, ob ein Kind lebendig oder todt geboren worden sey, wird das Erstere vermuthet. Wer das Gegentheil behauptet, muß es beweisen.

III. Aus dem Verhältnisse der Abwesenheit.

§. 24. Der Tod eines Abwesenden wird vermutet:

1. wenn siebzig Jahre seit seiner Geburt und fünf Jahre seit der letzten Nachricht von seinem Leben, oder wenn dreißig Jahre seit seiner Geburt und seit der letzten Nachricht zehn Jahre verstrichen sind – die Fristen von fünf und zehn Jahren vom Schlusse des letzten Jahres gerechnet, in dem er den vorhandenen Nachrichten zufolge noch gelebt hat;

2. wenn er im Kriege schwer verwundet oder als Teilnehmer im Kriege vermißt worden ist und seit Schluß des Jahres der Beendigung des Krieges drei Jahre verstrichen sind, ohne daß bis dahin eine Nachricht von seinem Leben eingegangen ist;

3. wenn er auf einem untergegangenen Schiffe oder in einer andern nahen Todesgefahr gewesen ist und seit Schluß des Jahres, in das dieses Ereignis fällt, durch drei Jahre vermißt wird. Der Untergang des Schiffes wird vermutet, wenn es am Orte seiner Bestimmung nicht eingetroffen oder in Ermanglung eines festen Reisezieles nicht zurückgekehrt ist und seit der letzten Nachricht drei Jahre verstrichen sind. Als Tag des Unterganges gilt der letzte Tag dieser Frist.

In allen diesen Fällen kann die Todeserklärung angesucht werden.

§. 25. Im Zweifel, welche von zwey oder mehreren verstorbenen Personen zuerst mit Tode abgegangen sey, muß derjenige, welcher den früheren Todesfall des Einen oder des Anderen behauptet, seine Behauptung beweisen; kann er dieses nicht, so werden Alle als zu gleicher Zeit verstorben vermuthet, und es kann von Uebertragung der Rechte des Einen auf den Anderen keine Rede seyn.

IV. Aus dem Verhältnisse einer moralischen Person.

§. 26. Die Rechte der Mitglieder einer erlaubten Gesellschaft unter sich werden durch den Vertrag oder Zweck und die besonderen für dieselben bestehenden Vorschriften bestimmt. Im Verhältnisse gegen Andere genießen erlaubte Gesellschaften in der Regel gleiche Rechte mit den einzelnen Personen. Unerlaubte Gesellschaften haben als solche keine Rechte, weder gegen die Mitglieder, noch gegen Andere, und sie sind unfähig, Rechte zu erwerben. Unerlaubte Gesellschaften sind aber diejenigen, welche durch die politischen Gesetze insbesondere verbothen werden, oder offenbar der Sicherheit, öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten widerstreiten.

§. 27. In wie fern Gemeinden in Rücksicht ihrer Rechte unter einer besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehen, ist in den politischen Gesetzen enthalten.

V. Aus dem Verhältnisse eines Staatsbürgers.

§. 28. Den vollen Genuß der bürgerlichen Rechte erwirbt man durch die Staatsbürgerschaft. Die Staatsbürgerschaft in diesen Erbstaaten ist Kindern eines Oesterreichischen Staatsbürgers durch die Geburt eigen.

Wie die Staatsbürgerschaft erworben;

§. 29. Fremde erwerben die Oesterreichische Staatsbürgerschaft durch Eintretung in einen öffentlichen Dienst; durch einen in diesen Staaten vollendeten zehnjährigen ununterbrochenen Wohnsitz, jedoch unter der Bedingung, daß der Fremde diese Zeit hindurch sich wegen eines Verbrechens keine Strafe zugezogen habe.

§. 30. Auch ohne Antretung eines Gewerbes oder Handwerkes, und vor verlaufenen zehn Jahren, kann die Einbürgerung bey den politischen Behörden angesucht, und von denselben, nachdem das Vermögen, die Erwerbfähigkeit und das sittliche Betragen des Ansuchenden beschaffen sind, verliehen werden.

§. 31. Durch die bloße Inhabung oder zeitliche Benützung eines Landgutes, Hauses oder Grundstückes; durch die Anlegung eines Handels, einer Fabrik, oder die Theilnahme an einem von beyden, ohne persönliche Ansässigkeit in einem Lande dieser Staaten, wird die Oesterreichische Staatsbürgerschaft nicht erworben.

wie sie verloren werde

§. 32. Der Verlust der Staatsbürgerschaft durch Auswanderung oder durch Verehelichung einer Staatsbürgerinn an einen Ausländer, wird durch die Auswanderungsgesetze bestimmt.

Rechte der Fremden.

§. 33. Den Fremden kommen überhaupt gleiche bürgerliche Rechte und Verbindlichkeiten mit den Eingebornen zu, wenn nicht zu dem Genusse dieser Rechte ausdrücklich die Eigenschaft eines Staatsbürgers erfordert wird. Auch müssen die Fremden, um gleiches Recht mit den Eingebornen zu genießen, in zweifelhaften Fällen beweisen, daß der Staat, dem sie angehören, die hierländigen Staatsbürger in Rücksicht des Rechtes, wovon die Frage ist, ebenfalls wie die seinigen behandle.

§. 34. Die persönliche Fähigkeit der Fremden zu Rechtsgeschäften ist insgemein nach den Gesetzen des Orts, denen der Fremde vermöge seines Wohnsitzes, oder, wenn er keinen eigentlichen Wohnsitz hat, vermöge seiner Geburt als Unterthan unterliegt, zu beurtheilen; in so fern nicht für einzelne Fälle in dem Gesetze etwas Anderes verordnet ist.

§. 35. Ein von einem Ausländer in diesem Staate unternommenes Geschäft, wodurch er anderen Rechte gewähret, ohne dieselben gegenseitig zu verpflichten, ist entweder nach diesem Gesetzbuche, oder aber nach dem Gesetze, dem der Fremde als Unterthan unterliegt, zu beurtheilen; je nachdem das eine oder andere Gesetz die Gültigkeit des Geschäftes am meisten begünstiget.

§. 36. Wenn ein Ausländer hier Landes ein wechselseitig verbindendes Geschäft mit einem Staatsbürger eingeht, so wird es ohne Ausnahme nach diesem Gesetzbuche; dafern er es aber mit einem Ausländer schließt, nur dann nach demselben beurtheilet, wenn nicht bewiesen wird, daß bey der Abschließung auf ein anderes Recht Bedacht genommen worden sey.

§. 37. Wenn Ausländer mit Ausländern, oder mit Unterthanen dieses Staates im Auslande Rechtsgeschäfte vornehmen, so sind sie nach den Gesetzen des Ortes, wo das Geschäft abgeschlossen worden ist, zu beurtheilen; dafern bey der Abschließung nicht offenbar ein anderes Recht zum Grunde gelegt worden ist, und die oben im §. 4. enthaltene Vorschrift nicht entgegensteht.

§. 38. Die Gesandten, die öffentlichen Geschäftsträger und die in ihren Diensten stehenden Personen genießen die in dem Völkerrechte und in den öffentlichen Verträgen gegründeten Befreyungen.

VI. Personen-Rechte aus dem Religions-Verhältnisse.

§. 39. Die Verschiedenheit der Religion hat auf die Privat-Rechte keinen Einfluß, außer in so fern dieses bey einigen Gegenständen durch die Gesetze insbesondere angeordnet wird.

VII. Aus dem Familien-Verhältnisse.

Familie, Verwandtschaft und Schwägerschaft.

§. 40. Unter Familie werden die Stammältern mit allen ihren Nachkommen verstanden. Die Verbindung zwischen diesen Personen wird Verwandtschaft; die Verbindung aber, welche zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des anderen Ehegatten entsteht, Schwägerschaft genannt.

§. 41. Die Grade der Verwandtschaft zwischen zwey Personen sind nach der Zahl der Zeugungen, mittelst welcher in der geraden Linie eine derselben von der anderen, und in der Seitenlinie beyde von ihrem nächsten gemeinschaftlichen Stamme abhängen, zu bestimmen. In welcher Linie und in welchem Grade jemand mit dem einen Ehegatten verwandt ist, in eben der Linie und in eben dem Grade ist er mit dem anderen Ehegatten verschwägert.

§. 42. Unter den Nahmen Aeltern werden in der Regel ohne Unterschied des Grades alle Verwandte in der aufsteigenden; und unter dem Nahmen Kinder, alle Verwandte in der absteigenden Linie begriffen.

VIII. Schutz des Namens

§. 43. Wird jemandem das Recht zur Führung seines Namens bestritten oder wird er durch unbefugten Gebrauch seines Namens (Decknamens) beeinträchtigt, so kann er auf Unterlassung und bei Verschulden auf Schadenersatz klagen.

Zweytes Hauptstück.

Von dem Eherechte.

Begriff der Ehe,

§. 44. Die Familien-Verhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwey Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitig Beystand zu leisten.

und des Eheverlöbnisses.

§. 45. Ein Eheverlöbniß oder ein vorläufiges Versprechen, sich zu ehelichen, unter was für Umständen oder Bedingungen es gegeben oder erhalten worden, zieht keine rechtliche Verbindlichkeit nach sich, weder zur Schließung der Ehe selbst, noch zur Leistung desjenigen, was auf den Fall des Rücktrittes bedungen worden ist.

Rechtliche Wirkung des Rücktrittes vom Eheverlöbnisse.

§. 46. Nur bleibt dem Theile, von dessen Seite keine gegründete Ursache zu dem Rücktritte entstanden ist, der Anspruch auf den Ersatz des wirklichen Schadens vorbehalten, welchen er aus diesem Rücktritte zu leiden beweisen kann.

Regel über die Fähigkeit zur Schließung einer Ehe.

§. 47. Einen Ehevertrag kann jedermann schließen, in so fern ihm kein gesetzliches Hinderniß im Wege steht.

Hindernisse der Ehe:

I) Abgang der Einwilligung,

a) aus Mangel des Vermögens zur Einwilligung.

§. 48. Rasende, Wahnsinnige, Blödsinnige und Unmündige sind außer Stande, einen gültigen Ehevertrag zu errichten.

§. 49. Minderjährige oder auch Volljährige, welche aus was immer für Gründen für sich allein keine gültige Verbindlichkeit eingehen können, sind auch unfähig, ohne Einwilligung ihres ehelichen Vaters sich gültig zu verehelichen. Ist der Vater nicht mehr am Leben oder zur Vertretung unfähig; so wird, nebst der Erklärung des ordentlichen Vertreters, auch die Einwilligung der Gerichtsbehörde zur Gültigkeit der Ehe erfordert.

§. 50. Minderjährige von unehelicher Geburt bedürfen zur Gültigkeit ihrer Ehe, nebst der Erklärung ihres Vormundes, die Einwilligung der Gerichtsbehörde.

§. 51. Einem fremden Minderjährigen, der sich in diesen Staaten verehelichen will, und die erforderliche Einwilligung beyzubringen nicht vermag, ist von dem hierländigen Gerichte, unter welches er nach seinem Stande und Aufenthalte gehören würde, ein Vertreter zu bestellen, der seine Einwilligung zur Ehe oder seine Mißbilligung diesem Gerichte zu erklären hat.

§. 52. Wird einem Minderjährigen oder Pflegebefohlenen die Einwilligung zur Ehe versagt, und halten sich die Ehewerber dadurch beschwert; so haben sie das Recht, die Hülfe des ordentlichen Richters anzusuchen.

§. 53. Mangel an dem nöthigen Einkommen; erwiesene oder gemein bekannte schlechte Sitten; ansteckende Krankheiten oder dem Zwecke der Ehe hinderliche Gebrechen desjenigen, mit dem die Ehe eingegangen werden will; sind rechtmäßige Gründe, die Einwilligung zur Ehe zu versagen.

§. 54. Mit welchen Militär-Personen oder zum Militär-Körper gehörigen Personen ohne schriftliche Erlaubniß ihres Regiments, Corps oder überhaupt ihrer Vorgesetzten kein gültiger Ehevertrag eingegangen werden könne, bestimmen die Militär-Gesetze.

b) aus Mangel der wirklichen Einwilligung.

§. 55. Die Einwilligung zur Ehe ist ohne Rechtskraft, wenn sie durch eine gegründete Furcht erzwungen worden ist. Ob die Furcht gegründet war, muß aus der Größe und Wahrscheinlichkeit der Gefahr, und aus der Leibes- und Gemüthsbeschaffenheit der bedrohten Person beurtheilet werden.

§. 56. Die Einwilligung ist auch dann ungültig, wenn sie von einer entführten und noch nicht in ihre Freyheit versetzten Person gegeben worden ist.

§. 57. Ein Irrthum macht die Einwilligung in die Ehe nur dann ungültig, wenn er in der Person des künftigen Ehegatten vorgegangen ist.

§. 58. Wenn ein Ehemann seine Gattinn nach der Ehelichung bereits von einem Anderen geschwängert findet; so kann er, außer dem im §. 121. bestimmten Falle, fordern, daß die Ehe als ungültig erkläret werde.

§. 59. Alle übrigen Irrthümer der Ehegatten, so wie auch ihre getäuschten Erwartungen der vorausgesetzten oder auch verabredeten Bedingungen, stehen der Gültigkeit des Ehevertrages nicht entgegen.

II. Abgang des Vermögens zum Zwecke:

a) des physischen Vermögens;

§. 60. Das immerwährende Unvermögen, die eheliche Pflicht zu leisten, ist ein Ehehinderniß, wenn es schon zur Zeit des geschlossenen Ehevertrages vorhanden war. Ein bloß zeitliches, oder ein erst während der Ehe zugestoßenes, selbst unheilbares, Unvermögen kann das Band der Ehe nicht auflösen.

b) des sittlichen Vermögens; wegen Verurtheilung zu einer schweren Criminalstrafe;

§. 61. (Anm.: Aufgehoben durch § 5, RGBl 1867/Nr. 131.)

wegen Ehebandes;

§. 62. Ein Mann darf nur mit einem Weibe, und ein Weib nur mit einem Manne zu gleicher Zeit vermählet seyn. Wer schon verehelichet war und sich wieder verehelichen will, muß die erfolgte Trennung, das ist, die gänzliche Auflösung des Ehebandes, rechtmäßig beweisen.

wegen Weihe oder Gelübdes;

§. 63. Geistliche, welche schon höhere Weihen empfangen; wie auch Ordenspersonen von beyden Geschlechtern, welche feyerliche Gelübde der Ehelosigkeit abgelegt haben, können keine gültigen Eheverträge schließen.

Religionsverschiedenheit;

§. 64. Eheverträge zwischen Christen und Personen, welche sich nicht zur christlichen Religion bekennen, können nicht gültig eingegangen werden.

Verwandtschaft;

§. 65. Zwischen Verwandten in auf- und absteigender Linie; zwischen voll- und halbbürtigen Geschwistern; zwischen Geschwisterkindern; wie auch mit den Geschwistern der Aeltern, nähmlich mit dem Oheim und der Muhme väterlicher und mütterlicher Seite, kann keine gültige Ehe geschlossen werden; es mag die Verwandtschaft aus ehelicher oder unehelicher Geburt entstehen.

oder Schwägerschaft;

§. 66. Aus der Schwägerschaft entsteht das Ehehinderniß, daß der Mann die im §. 65 erwähnten Verwandten seiner Ehegattinn, und die Gattinn die daselbst erwähnten Verwandten ihres Mannes nicht ehelichen kann.

wegen Ehebruchs;

§. 67. Eine Ehe zwischen zwey Personen, die mit einander einen Ehebruch begangen haben, ist ungültig. Der Ehebruch muß aber vor der geschlossenen Ehe bewiesen seyn.

oder Gattenmordes.

§. 68. Wenn zwey Personen, auch ohne vorhergegangenen Ehebruch, sich zu ehelichen versprochen haben, und wenn, um die Absicht zu erreichen, auch nur eine von ihnen dem Gatten, der ihrer Ehe im Wege stand, nach dem Leben gestellet hat; so kann zwischen denselben auch dann, wenn der Mord nicht wirklich vollbracht worden ist, eine gültige Ehe nicht geschlossen werden.

III. Abgang der wesentlichen Feyerlichkeiten.

Solche sind:

§. 69. Zur Gültigkeit der Ehe wird auch das Aufgeboth und die feyerliche Erklärung der Einwilligung gefordert.

a) das Aufgeboth;

§. 70. Das Aufgeboth besteht in der Verkündigung der bevorstehenden Ehe mit Anführung des Vornahmens, Familien-Nahmens, Geburtsortes, Standes und Wohnortes beyder Verlobten, mit der Erinnerung: daß jedermann, dem ein Hinderniß der Ehe bekannt ist, selbes anzeigen solle. Die Anzeige ist unmittelbar oder mittelst des Seelsorgers, der die Ehe verkündiget hat, bey demjenigen Seelsorger zu machen, dem die Trauung zusteht.

§. 71. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 3, RGBl 1869/Nr. 4.)

§. 72. Wenn die Verlobten oder eines von ihnen in dem Pfarrbezirke, in welchem die Ehe geschlossen werden soll, noch nicht durch sechs Wochen wohnhaft sind; so ist das Aufgeboth auch an ihrem letzten Aufenthaltsorte, wo sie länger als die eben bestimmte Zeit gewohnt haben, vorzunehmen, oder die Verlobten müssen ihren Wohnsitz an dem Orte, wo sie sich befinden, durch sechs Wochen fortsetzen, damit die Verkündigung ihrer Ehe dort hinreichend sey.

§. 73. Wird binnen sechs Monathen nach dem Aufgebothe die Ehe nicht geschlossen, so müssen die drey Verkündigungen wiederhohlt werden.

§. 74. Zur Gültigkeit des Aufgebothes und der davon abhängenden Gültigkeit der Ehe ist es zwar genug, daß die Nahmen der Brautleute und ihre bevorstehende Ehe wenigstens Einmahl sowohl in dem Pfarrbezirke des Bräutigams als der Braut verkündiget worden, und ein in der Form oder Zahl der Verkündigungen unterlaufener Mangel macht die Ehe nicht ungültig; es sind aber theils die Brautleute oder ihre Vertreter, theils die Seelsorger unter angemessener Strafe verpflichtet, dafür zu sorgen, daß alle hier vorgeschriebene Verkündigungen in der gehörigen Form vorgenommen werden.

b) die feyerliche Erklärung der Einwilligung.

§. 75. Die feyerliche Erklärung der Einwilligung muß vor dem ordentlichen Seelsorger eines der Brautleute, er mag nun, nach Verschiedenheit der Religion, Pfarrer, Pastor oder wie sonst immer heißen, oder vor dessen Stellvertreter in Gegenwart zweyer Zeugen geschehen.

§. 76. Die feyerliche Erklärung der Einwilligung zur Ehe kann mittelst eines Bevollmächtigten geschehen; doch muß hierzu die Bewilligung der Landesstelle erwirkt und in der Vollmacht die Person, mit welcher die Ehe einzugehen ist, bestimmt werden. Die ohne eine solche besondere Vollmacht geschlossene Ehe ist ungültig. Ist die Vollmacht vor der abgeschlossenen Ehe widerrufen worden, so ist zwar die Ehe ungültig, aber der Machtgeber für den durch seinen Widerruf verursachten Schaden verantwortlich.

§. 77. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 3, RGBl 1869/Nr. 4.)

§. 78. Wenn Verlobte das schriftliche Zeugniß von der vollzogenen ordentlichen Verkündigung; oder, wenn die in den §§. 49, 50, 51, 52 und 54 erwähnten Personen die zu ihrer Verehelichung erforderliche Erlaubniß; wenn ferner diejenigen, deren Volljährigkeit nicht offenbar am Tage liegt, den Taufschein oder das schriftliche Zeugniß ihrer Volljährigkeit nicht vorweisen können; oder, wenn ein anderes Ehehinderniß rege gemacht wird; so ist es dem Seelsorger bey schwerer Strafe verbothen, die Trauung vorzunehmen, bis die Verlobten die nothwendigen Zeugnisse beygebracht und alle Anstände gehoben haben.

§. 79. Finden die Verlobten sich durch die Verweigerung der Trauung gekränkt, so können sie ihre Beschwerde der Landesstelle, und in den Orten, wo keine Landesstelle ist, dem Kreisamte vorlegen.

§. 80. Zu einem dauerhaften Beweise des geschlossenen Ehevertrages sind die Pfarrvorsteher verbunden, denselben in das besonders dazu bestimmte Trauungsbuch eigenhändig einzutragen. Es muß der Vor- und Familien-Nahme, das Alter, die Wohnung, so wie auch der Stand der Ehegatten, mit der Bemerkung, ob sie schon verehelichet waren oder nicht; der Vor- und Familien-Nahme, dann der Stand ihrer Aeltern und der Zeugen; ferner, der Tag, an welchem die Ehe geschlossen worden; endlich auch der Nahme des Seelsorgers, vor welchem die Einwilligung feyerlich erklärt worden ist, deutlich angeführet, und die Urkunden, wodurch die vorgekommenen Anstände gehoben worden, angedeutet werden.

§. 81. Soll die Ehe an einem dritten Orte, dem keine der verlobten Personen eingepfarret ist, geschlossen werden, so muß der ordentliche Seelsorger gleich bey der Ausfertigung der Urkunde, wodurch er einen Anderen zu seinem Stellvertreter benennet, diesen Umstand mit Benennung des Ortes, wo und vor welchem Seelsorger die Ehe geschlossen werden soll, in das Trauungsbuch seiner Pfarre eintragen.

§. 82. Der Seelsorger des Ortes, wo die Ehe eingegangen wird, muß die geschehende Abschließung der Ehe in das Trauungsbuch seiner Pfarre mit dem Beysatze, von welchem Pfarrer er zum Stellvertreter ernannt worden, ebenfalls eintragen, und die Abschließung der Ehe dem Pfarrer, von welchem er berechtiget worden ist, binnen acht Tagen anzeigen.

Dispensation von Ehehindernissen.

§. 83. Aus wichtigen Gründen kann die Nachsicht von Ehehindernissen bey der Landesstelle angesuchet werden, welche nach Beschaffenheit der Umstände sich in das weitere Vernehmen zu setzen hat.

§. 84. Vor Abschließung der Ehe ist die Nachsicht über Ehehindernisse von den Parteyen selbst und unter eigenem Nahmen anzusuchen. Wenn sich aber nach schon geschlossener Ehe ein vorher unbekanntes auflösliches Hinderniß äußern sollte, können sich die Parteyen auch durch ihre Seelsorger, und mit Verschweigung ihres Nahmens, an die Landesstelle um Nachsicht wenden.

§. 85. In den Orten, wo keine Landesstelle ist, wird den Kreisämtern die Macht ertheilet, aus wichtigen Ursachen die zweyte und dritte Verkündigung nachzusehen.

§. 86. Unter dringenden Umständen kann von der Landesstelle oder dem Kreisamte, und wenn eine bestätigte nahe Todesgefahr keinen Verzug gestattet, auch von der Ortsobrigkeit das Aufgeboth gänzlich nachgesehen werden; doch müssen die Verlobten eidlich betheuern, daß ihnen kein ihrer Ehe entgegen stehendes Hinderniß bekannt sey.

§. 87. Die Nachsicht von allen drey Verkündigungen ist gegen Ablegung des erwähnten Eides auch dann zu ertheilen, wenn zwey Personen getrauet werden wollen, von denen schon vorhin allgemein vermuthet ward, daß sie mit einander verehelichet seyn. In diesem Falle kann bey der Landesstelle die Nachsicht von dem Seelsorger mit Verschweigung der Nahmen der Parteyen angesuchet werden.

§. 88. Wenn von einem bey Schließung der Ehe bestandenen Hindernisse die Nachsicht ertheilet wird, muß, ohne Wiederhohlung des Aufgebothes, abermahl die Einwilligung vor dem Seelsorger und zwey vertrauten Zeugen erkläret und die feyerliche Handlung in dem Trauungsbuche angemerkt werden. Ist diese Vorschrift beobachtet worden, so ist eine solche Ehe so zu betrachten, als wäre sie ursprünglich gültig geschlossen worden.

Wirkung der gültigen Ehe:

Rechte und Verbindlichkeiten der Ehegatten;

§. 89. Die Rechte und Verbindlichkeiten der Ehegatten entstehen aus dem Zwecke ihrer Vereinigung, aus dem Gesetze und den geschlossenen Verabredungen. Hier werden nur die Personen-Rechte der Ehegatten; hingegen die aus den Ehe-Pacten entspringenden Sachenrechte in dem zweyten Theile bestimmt.

gemeinschaftliche;

§. 90. Vor Allem haben beyde Theile eine gleiche Verbindlichkeit zur ehelichen Pflicht, Treue und anständigen Begegnung.

besondere des Ehemannes;

§. 91. Der Mann ist das Haupt der Familie. In dieser Eigenschaft steht ihm vorzüglich das Recht zu, das Hauswesen zu leiten; es liegt ihm aber auch die Verbindlichkeit ob, der Ehegattinn nach seinem Vermögen den anständigen Unterhalt zu verschaffen, und sie in allen Vorfällen zu vertreten.

der Ehegattinn.

§. 92. Die Gattinn erhält den Nahmen des Mannes und genießt die Rechte seines Standes. Sie ist verbunden, dem Manne in seinem Wohnsitz zu folgen, in der Haushaltung und Erwerbung nach Kräften beyzustehen, und so weit es die häusliche Ordnung erfordert, die von ihm getroffenen Maßregeln sowohl selbst zu befolgen als befolgen zu machen.

Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft.

§. 93. Den Ehegatten ist keineswegs gestattet, die eheliche Verbindung, ob sie gleich unter sich darüber einig wären, eigenmächtig aufzuheben; sie mögen nun die Ungültigkeit der Ehe behaupten, oder die Trennung der Ehe, oder auch nur eine Scheidung von Tisch und Bett vornehmen wollen.

I. Scheinbare durch Erklärung der ursprünglichen Ungültigkeit. Art der Einleitung,

§. 94. Die Ungültigkeit einer Ehe, welcher eines der in den §§. 56, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 75, und 119 angeführten Hindernisse im Wege steht, ist von Amts wegen zu untersuchen. In allen übrigen Fällen muß das Ansuchen derjenigen, welche durch die mit dem Hindernisse geschlossene Ehe in ihren Rechten gekränkt worden sind, abgewartet werden.

§. 95. Der Ehegatte, welcher den unterlaufenen Irrthum in der Person, oder die Furcht, in welche der andere Theil gesetzt worden ist, gewußt; ferner, der Gatte, welcher den Umstand, daß er nach den §§. 49, 50, 51, 52 und 54 für sich allein keine gültige Ehe schließen kann, verschwiegen, oder die ihm erforderliche Einwilligung fälschlich vorgewendet hat, kann aus seiner eigenen widerrechtlichen Handlung, die Gültigkeit der Ehe nicht bestreiten.

§. 96. Ueberhaupt hat nur der schuldlose Theil das Recht, zu verlangen, daß der Ehevertrag ungültig erklärt werde; er verliert aber dieses Recht, wenn er nach erlangter Kenntniß des Hindernisses, die Ehe fortgesetzt hat. Eine von einem Minderjährigen oder Pflegebefohlenen eigenmächtig geschlossene Ehe kann von dem Vater oder der Vormundschaft nur in so lange, als die väterliche Gewalt oder Vormundschaft dauert, bestritten werden.

und der Verhandlung;

§. 97. Die Verhandlung über die Ungültigkeit einer Ehe steht nur dem Landrechte des Bezirkes zu, worin die Ehegatten ihren ordentlichen Wohnsitz haben. Von dem Landrechte ist das Fiscal-Amt, oder ein anderer verständiger und rechtschaffener Mann zur Erforschung der Umstände und zur Vertheidigung der Ehe zu bestellen, um die wahre Beschaffenheit der Sache selbst dann, wenn auf Begehren einer Partey die Verhandlung vorgenommen wird, von Amts wegen zu erheben.

§. 98. Wenn das Hinderniß gehoben werden kann, soll das Landrecht trachten, durch die hierzu nothwendige Einleitung und das Einverständniß der Parteyen es zu bewirken; wenn aber dieses nicht möglich ist, so soll das Landrecht über die Gültigkeit der Ehe erkennen.

§. 99. Die Vermuthung ist immer für die Gültigkeit der Ehe. Das angeführte Ehehinderniß muß also vollständig bewiesen werden, und weder das übereinstimmende Geständniß beyder Ehegatten hat hier die Kraft eines Beweises, noch kann darüber einem Eide der Ehegatten Statt gegeben werden.

insbesondere wegen Unvermögens.

§. 100. Insbesondere ist in dem Falle, daß ein vorhergegangenes und immerwährendes Unvermögen, die eheliche Pflicht zu leisten, behauptet wird, der Beweis durch Sachverständige, nähmlich, durch erfahrene Aerzte und Wundärzte, und nach Umständen auch durch Hebammen zu führen.

§. 101. Läßt sich mit Zuverlässigkeit nicht bestimmen, ob das Unvermögen ein immerwährendes oder bloß zeitliches sey, so sind die Ehegatten noch durch Ein Jahr zusammen zu wohnen verbunden, und hat das Unvermögen diese Zeit hindurch angehalten, so ist die Ehe für ungültig zu erklären.

§. 102. Zeigt sich aus der Verhandlung des Streites über die Gültigkeit der Ehe, daß einem Theile, oder daß beyden Theilen das Ehehinderniß vorher bekannt war, und daß sie es vorsetzlich verschwiegen haben; so sind die Schuldigen mit der in dem Strafgesetze über schwere Polizey-Uebertretungen bestimmten Strafe zu belegen. Ist ein Theil schuldlos, so bleibt es ihm heimgestellt, Entschädigung zu fordern. Sind endlich in einer solchen Ehe Kinder erzeugt worden, so muß für dieselben nach jenen Grundsätzen gesorgt werden, welche in dem Hauptstücke von den Pflichten der Aeltern festgesetzt sind.

II. Wirkliche Aufhebung; a) zeitliche Scheidung; mit Einverständniß;

§. 103. Die Scheidung von Tisch und Bett muß den Ehegatten, wenn sich beyde dazu verstehen, und über die Bedingungen einig sind, von dem Gerichte unter der nachfolgenden Vorsicht gestattet werden.

§. 104. Den Ehegatten liegt zuerst ob, ihren Entschluß zur Scheidung sammt den Bewegungsgründen ihrem Pfarrer zu eröffnen. Des Pfarrers Pflicht ist, die Ehegatten an das wechselseitig bey der Trauung gemachte feyerliche Versprechen zu erinnern, und ihnen die nachtheiligen Folgen der Scheidung mit Nachdruck an das Herz zu legen. Diese Vorstellungen müssen zu drey verschiedenen Mahlen wiederhohlet werden. Sind sie ohne Wirkung, so muß der Pfarrer den Parteyen ein schriftliches Zeugniß ausstellen, daß sie der drey Mahl geschehenen Vorstellungen ungeachtet, bey dem Verlangen, sich zu scheiden verharren.

§. 105. Beyde Ehegatten haben mit Beylegung dieses Zeugnisses das Scheidungsgesuch bey ihrem ordentlichen Gerichte anzubringen. Das Gericht soll sie persönlich vorrufen, und wenn sie vor demselben bestätigen, daß sie über ihre Scheidung sowohl als über die Bedingungen in Absicht auf Vermögen und Unterhalt mit einander verstanden sind, ohne weitere Erforschung, die verlangte Scheidung bewilligen und selbe bey den Gerichts-Acten vermerken. Sind Kinder vorhanden, so ist das Gericht verbunden, für dieselben nach den in dem folgenden Hauptstücke enthaltenen Vorschriften zu sorgen.

§. 106. Ein minderjähriger oder pflegebefohlener Ehegatte kann zwar für sich selbst in die Scheidung einwilligen; aber zu dem Uebereinkommen in Absicht auf das Vermögen der Ehegatten und den Unterhalt, so wie auch in Rücksicht auf die Versorgung der Kinder, ist die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters und des vormundschaftlichen Gerichtes nothwendig.

Ohne Einverständniß;

§. 107. Will ein Theil in die Scheidung nicht einwilligen, und hat der andere Theil rechtmäßige Gründe, auf dieselbe zu dringen; so müssen auch in diesem Falle die gütlichen Vorstellungen des Pfarrers vorausgehen. Sind sie fruchtlos, oder weigert sich der beschuldigte Theil bey dem Pfarrer zu erscheinen, dann ist das Begehren mit des Pfarrers Zeugniß und den nöthigen Beweisen bey dem ordentlichen Gerichte einzureichen, welches die Sache von Amts wegen zu untersuchen und darüber zu erkennen hat. Der Richter kann dem gefährdeten Theile auch noch vor der Entscheidung einen abgesonderten anständigen Wohnort bewilligen.

§. 108. Streitigkeiten, welche bey einer ohne Einwilligung des anderen Ehegatten angesuchten Scheidung über die Absonderung des Vermögens oder die Versorgung der Kinder entstehen, sind nach der nähmlichen Vorschrift zu behandeln, welche unten im §. 117 in Rücksicht auf die Trennung der Ehe, ertheilet wird.

§. 109. Wichtige Gründe, aus denen auf die Scheidung erkannt werden kann, sind: Wenn der Geklagte eines Ehebruches oder eines Verbrechens schuldig erkläret worden ist; wenn er den klagenden Ehegatten boßhaft verlassen oder einen unordentlichen Lebenswandel geführt hat, wodurch ein beträchtlicher Theil des Vermögens des klagenden Ehegatten oder die guten Sitten der Familie in Gefahr gesetzt werden; ferner dem Leben oder der Gesundheit gefährliche Nachstellungen; schwere Mißhandlungen, oder nach dem Verhältnisse der Personen, sehr empfindliche, wiederhohlte Kränkungen; anhaltende, mit Gefahr der Ansteckung verbundene Leibesgebrechen.

Art der Wiedervereinigung.

§. 110. Geschiedenen Ehegatten steht es frey, sich wieder zu vereinigen; doch muß die Vereinigung bey dem ordentlichen Gerichte angezeigt werden. Wollen die Ehegatten nach einer solchen Vereinigung wieder geschieden werden; so haben sie eben das zu beobachten, was in Rücksicht der ersten Scheidung vorgeschrieben ist.

b) gänzliche Trennung; bey Katholiken durch den Tod,

§. 111. Das Band einer gültigen Ehe kann zwischen katholischen Personen nur durch den Tod des einen Ehegatten getrennt werden. Eben so unauflöslich ist das Band der Ehe, wenn auch nur Ein Theil schon zur Zeit der geschlossenen Ehe der katholischen Religion zugethan war.

und die Todeserklärung;

§. 112. Der bloße Verlauf der in dem §. 24 zur Todeserklärung bestimmten Zeit, binnen welcher ein Ehegatte abwesend ist, gibt zwar dem anderen Theile noch kein Recht, die Ehe für aufgelöset zu halten und zu einer anderen Ehe zu schreiten; wann aber diese Abwesenheit mit solchen Umständen begleitet sey, welche keinen Grund zu zweifeln übrig lassen, daß der Abwesende verstorben ist, so kann bey dem Landrechte des Bezirkes, wo der zurückgelassene Ehegatte seinen Wohnsitz hat, die gerichtliche Erklärung, daß der Abwesende für todt zu halten und die Ehe getrennt sey, angesuchet werden.

§. 113. Nach diesem Gesuche wird ein Curator, zur Erforschung des Abwesenden aufgestellt, und der Abwesende durch ein auf ein ganzes Jahr gestelltes, und drey Mahl den öffentlichen, nach Umständen auch den ausländischen Zeitungsblättern einzurückendes Edict mit dem Beysatze vorgeladen, daß das Gericht, wenn er während dieser Zeit nicht erscheint, oder selbes auf andere Art in die Kenntniß seines Lebens setzt, zur Todeserklärung schreiten werde.

§. 114. Ist dieser Zeitraum fruchtlos verstrichen, so ist auf wiederhohltes Ansuchen des verlassenen Ehegatten das Fiscal-Amt oder ein anderer rechtschaffener und sachverständiger Mann zur Vertheidigung des Ehebandes zu bestellen und nach gepflogener Verhandlung zu erkennen, ob das Gesuch zu verwilligen sey oder nicht. Die Bewilligung ist der Partey nicht sogleich kund zu machen, sondern durch das Obergericht zur höchsten Schlußfassung vorzulegen.

bey andern christlichen Religions-Verwandten.

§. 115. Nicht katholischen christlichen Religions-Verwandten gestattet das Gesetz nach ihren Religions-Begriffen aus erheblichen Gründen, die Trennung der Ehe zu fordern. Solche Gründe sind: Wenn der Ehegatte sich eines Ehebruches oder eines Verbrechens, welches die Verurtheilung zu einer wenigstens fünfjährigen Kerkerstrafe nach sich gezogen, schuldig gemacht; wenn ein Ehegatte den anderen boßhaft verlassen hat, und falls sein Aufenthaltsort unbekannt ist, auf öffentliche gerichtliche Vorladung innerhalb eines Jahres nicht erschienen ist; dem Leben oder der Gesundheit gefährliche Nachstellungen; wiederhohlte schwere Mißhandlungen; eine unüberwindliche Abneigung, welcher wegen beyde Ehegatten die Auflösung der Ehe verlangen; doch muß in dem letzten Falle die Trennung der Ehe nicht sogleich verwilliget, sondern erst eine Scheidung von Tisch und Bett, und zwar nach Beschaffenheit der Umstände, auch zu wiederhohlten Mahlen versuchet werden. Uebrigens ist in allen diesen Fällen nach eben den Vorschriften zu handeln, welche für die Untersuchung und Beurtheilung einer ungültigen Ehe gegeben sind.

§. 116. Das Gesetz gestattet dem nicht katholischen Ehegatten aus den angeführten Gründen die Trennung zu verlangen, obschon der andere Theil zur katholischen Religion übergetreten ist.

Auseinandersetzung des Vermögens.

§. 117. Wenn sich bey einer Trennung der Ehe Streitigkeiten äußern, welche sich auf einen weiter geschlossenen Vertrag, auf die Absonderung des Vermögens, auf den Unterhalt der Kinder, oder auf andere Forderungen und Gegenforderungen beziehen; soll der ordentliche Richter allezeit vorläufig einen Versuch machen, diese Streitigkeiten durch Vergleich beyzulegen. Sind aber die Parteyen zu einem Vergleiche nicht zu bewegen, so hat er sie auf ein ordentliches Verfahren anzuweisen, worüber nach den in dem Hauptstücke von den Ehe-Pacten enthaltenen Vorschriften zu entscheiden, inzwischen aber der Ehegattinn und den Kindern der anständige Unterhalt auszumessen ist.

Art der Wiedervereinigung.

§. 118. Wenn die getrennten Ehegatten sich wieder vereinigen wollen, so muß die Vereinigung als eine neue Ehe betrachtet und mit allen zur Schließung eines Ehevertrages nach dem Gesetze erforderlichen Feyerlichkeiten eingegangen werden.

Beschränkung und Vorsichten in Rücksicht der Wiederverehelichung.

§. 119. Den Getrennten wird zwar überhaupt gestattet, sich wieder zu verehelichen; doch kann mit denjenigen, welche vermöge der bey der Trennung vorgelegenen Beweise durch Ehebruch, durch Verhetzungen, oder auf eine andere sträfliche Art die vorgegangene Trennung veranlasset haben, keine gültige Ehe geschlossen werden.

§. 120. Wenn eine Ehe für ungültig erklärt, getrennt, oder durch des Mannes Tod aufgelöset wird; so kann die Frau, wenn sie schwanger ist, nicht vor ihrer Entbindung, und, wenn über ihre Schwangerschaft ein Zweifel entsteht, nicht vor Ablauf des 180. Tages, zu einer neuen Ehe schreiten; wenn aber nach den Umständen oder nach dem Zeugnisse der Sachverständigen eine Schwangerschaft nicht wahrscheinlich ist; so kann nach Ablauf dreyer Monathe in der Hauptstadt von der Landesstelle, und auf dem Lande von dem Kreisamte die Dispensation ertheilet werden.

§. 121. Die Uebertretung dieses Gesetzes (§. 120) zieht zwar nicht die Ungültigkeit der Ehe nach sich; allein die Frau verliert die ihr von dem vorigen Manne durch Ehe-Pacten, Erbvertrag, letzten Willen, oder durch das Uebereinkommen bey der Trennung zugewendeten Vortheile; der Mann aber, mit dem sie die zweyte Ehe schließt, verliert das ihm außer diesem Falle durch den §. 58 zukommende Recht, die Ehe für ungültig erklären zu lassen, und beyde Ehegatten sind mit einer den Umständen angemessenen Strafe zu belegen. Wird in einer solchen Ehe ein Kind geboren, und es ist wenigstens zweifelhaft, ob es nicht von dem vorigen Manne gezeugt worden sey; so ist demselben ein Curator zur Vertretung seiner Rechte zu bestellen.

§. 122. Wenn eine Ehe für ungültig erkannt, oder für getrennt erklärt wird; so soll dieser Erfolg in dem Trauungsbuche an der Stelle, wo die Trauung eingetragen ist, angemerkt, und zu dem Ende von dem Gerichte, wo die Verhandlung über die Ungültigkeit oder Trennung vor sich gegangen ist, die Erinnerung an die Behörde, welche für die Richtigkeit des Trauungsbuches zu sorgen hat, erlassen werden.

Ausnahmen der Judenschaft;

§. 123. Bey der Judenschaft haben mit Rücksicht auf ihr Religions-Verhältniß nachstehende Abweichungen von dem in diesem Hauptstück allgemein bestehenden Eherechte Statt.

a) in Rücksicht der Ehehindernisse;

§. 124. (Anm.: Aufgehoben durch § 1, RGBl 1859/Nr. 217.)

§. 125. Das Ehehinderniß der Verwandtschaft erstrecket sich unter Seitenverwandten bey der Judenschaft nicht weiter, als auf die Ehe zwischen Bruder und Schwester, dann zwischen der Schwester und einem Sohne oder Enkel ihres Bruders oder ihrer Schwester; das Ehehinderniß der Schwägerschaft aber wird auf nachstehende Personen beschränket: Nach aufgelöster Ehe ist der Mann nicht befugt, eine Verwandte seines Weibes in auf- und absteigender Linie, noch auch seines Weibes Schwester; und das Weib ist nicht befugt, einen Verwandten ihres Mannes in auf- und absteigender Linie, noch auch ihres Mannes Bruder, noch einen Sohn oder Enkel von ihres Mannes Bruder oder Schwester zu ehelichen.

b) der Verkündigung.

§. 126. Die Verkündigung der Judenehen muß in der Synagoge oder in dem gemeinschaftlichen Bethhause; wo aber kein solches besteht, von der Ortsobrigkeit an die Haupt- und besondere Gemeinde, welcher ein und der andere verlobte Theil einverleibt ist, nach drey nach einander folgenden Sabbath- oder Feyer-Tagen mit Beobachtung der in den §§. 70-73 ertheilten Vorschriften geschehen. Die Nachsicht von den Verkündigungen ist nach den Vorschriften der §§. 83-88 zu erlangen.

c) der Trauung;

§. 127. Die Trauung muß von dem Rabbiner oder Religions-Lehrer (Religions-Weiser) der Hauptgemeinde des einen oder anderen verlobten Theiles, nachdem sie sich mit den erforderlichen Zeugnissen ausgewiesen haben, in Gegenwart zweyer Zeugen vollzogen werden. Der Rabbiner oder Religions-Lehrer kann auch den Rabbiner oder Religions-Lehrer einer anderen Gemeinde zur Trauung bestellen.

§. 128. Die vollzogene Trauungshandlung hat der ordentliche Rabbiner oder Religions-Lehrer in der Landessprache in das Trauungsbuch auf die in den §§. 80-82 vorgeschriebene Weise einzutragen, die von den Verlobten beygebrachten nothwendigen Zeugnisse mit der Reihenzahl, unter welcher die Getrauten dem Trauungsbuche einverleibt worden sind, zu bezeichnen, und dem Trauungsbuche anzuheften.

§. 129. Eine Judenehe, welche ohne Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften geschlossen wird, ist ungültig.

§. 130. Verlobte, oder Rabbiner und Religions-Lehrer, welche den erwähnten Vorschriften zuwider handeln, dann diejenigen, welche ohne die ordentliche Bestellung eine Trauung vornehmen, werden nach dem §. 252 des zweyten Theiles des Strafgesetzes bestraft.

§. 131. Die Rabbiner oder Religions-Lehrer, welche die Trauungsbücher nicht nach der Vorschrift des Gesetzes führen, sind mit einer angemessenen Geld- oder Leibesstrafe zu belegen, von ihrem Amte zu entfernen, und für immer als unfähig zu demselben zu erklären.

d) der Scheidung.

§. 132. Bey der Scheidung von Tisch und Bett gelten auch in Rücksicht der jüdischen Ehegatten die allgemeinen Vorschriften; sie haben sich daher gleichfalls an den Rabbiner oder Religions-Lehrer zu wenden, und dieser die oben ertheilte Anordnung zu beobachten (§. 104-110).

e) der Trennung;

§. 133. Eine gültig geschlossene Ehe der Juden kann mit ihrer wechselseitigen freyen Einwilligung vermittelst eines von dem Manne der Frau gegebenen Scheidebriefs getrennet werden; jedoch müssen sich die Ehegatten zuerst ihrer Trennung wegen bey ihrem Rabbiner oder Religions-Lehrer melden, welcher die nachdrücklichsten Vorstellungen zur Wiedervereinigung zu versuchen, und nur dann, wenn der Versuch fruchtlos ist, ihnen ein schriftliches Zeugniß auszustellen hat, daß er die ihm auferlegte Pflicht erfüllet, ungeachtet aller seiner Bemühungen aber die Parteyen von dem Entschlusse abzubringen, nicht vermocht habe.

§. 134. Mit diesem Zeugnisse müssen beyde Ehegatten vor dem Landrechte des Bezirkes, in welchem sie ihren Wohnsitz haben, erscheinen. Findet diese Behörde aus den Umständen, daß zu der Wiedervereinigung noch einige Hoffnung vorhanden ist, so soll sie die Ehescheidung nicht sogleich bewilligen, sondern die Ehegatten auf ein oder zwey Monathe zurückweisen. Nur wenn auch dieses fruchtlos oder gleich Anfangs keine Hoffnung zur Wiedervereinigung wäre, soll das Landrecht gestatten, daß der Mann den Scheidebrief der Frau übergebe, und wenn sich beyde Theile nochmahls vor Gericht erkläret haben, daß sie den Scheidebrief mit freyer Einwilligung zu geben und zu nehmen entschlossen sind; soll der Scheidebrief für rechtsgültig gehalten und dadurch die Ehe aufgelöset werden.

§. 135. Wenn die Ehegattinn einen Ehebruch begangen hat, und die That erwiesen wird, so steht dem Manne das Recht zu, sie auch wider ihren Willen durch einen Scheidebrief von sich zu entlassen. Die auf die Trennung der Ehe gegen die Frau gestellte Klage aber muß bey dem Landrechte des Bezirkes, in welchem die Ehegatten ihren ordentlichen Wohnsitz haben, angebracht, und gleich einer anderen Streitsache behandelt werden.

§. 136. Durch den Uebertritt eines jüdischen Ehegatten zur christlichen Religion wird die Ehe nicht aufgelöset, sie kann aber aus den eben (§. 133-135) angeführten Ursachen aufgelöset werden.

 

Drittes Hauptstück.

Von den Rechten zwischen Aeltern und Kindern.

Ursprung des Rechtsverhältnisses zwischen ehelichen Aeltern und Kindern.

§. 137. Wenn aus einer Ehe Kinder geboren werden, so entsteht ein neues Rechtsverhältniß; es werden dadurch Rechte und Verbindlichkeiten zwischen den ehelichen Aeltern und Kindern gegründet.

Gesetzliche Bestimmung der ehelichen Geburt.

§. 138. Für diejenigen Kinder, welche nach Ablauf von 180 Tagen nach geschlossener Ehe und vor Ablauf des 300. Tages, entweder nach dem Tode des Mannes, oder nach gänzlicher Auflösung des ehelichen Bandes von der Gattinn geboren werden, streitet die Vermuthung der ehelichen Geburt.

Gemeinschaftliche Rechte und Pflichten der Aeltern.

§. 139. Die Aeltern haben überhaupt die Verbindlichkeit, ihre ehelichen Kinder zu erziehen, das ist, für ihr Leben und ihre Gesundheit zu sorgen, ihnen den anständigen Unterhalt zu verschaffen, ihre körperlichen und Geisteskräfte zu entwickeln, und durch Unterricht in der Religion und in nützlichen Kenntnissen den Grund zu ihrer künftigen Wohlfahrt zu legen.

§. 140. In was für einer Religion ein Kind, dessen Aeltern in dem Religions-Bekenntnisse nicht übereinstimmen, zu erziehen, und in welchem Alter ein Kind zu einer anderen Religion, als in der es erzogen worden ist, sich zu bekennen berechtiget sey, bestimmen die politischen Vorschriften.

§. 141. Es ist vorzüglich die Pflicht des Vaters, so lange für den Unterhalt der Kinder zu sorgen, bis sie sich selbst ernähren können. Die Pflege ihres Körpers und ihrer Gesundheit ist hauptsächlich die Mutter auf sich zu nehmen verbunden.

§. 142. Wenn bei Scheidung oder Trennung der Ehe die Ehegatten nicht mit Zustimmung des Gerichtes eine Vereinbarung über die Pflege und Erziehung der Kinder getroffen haben, so hat das Gericht unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Falles mit Bedacht auf die Interessen der Kinder, auf Beruf, Persönlichkeit und Eigenschaften der Ehegatten und auf die Ursachen der Scheidung oder Trennung zu entscheiden, ob alle oder welche Kinder dem Vater oder der Mutter zu überlassen sind. Der andere Ehegatte behält dessenungeachtet die Befugnis, mit dem Kinde persönlich zu verkehren. Das Gericht kann den Verkehr näher regeln. Die Kosten der Erziehung sind vom Vater zu tragen.

Bei geänderten Verhältnissen kann das Gericht ohne Rücksicht auf seine früheren Anordnungen oder die Vereinbarungen der Ehegatten die im Interesse der Kinder notwendigen neuen Anordnungen treffen.

§. 143. Wenn der Vater mittellos ist, muß vor Allem die Mutter für den Unterhalt, und wenn der Vater stirbt, überhaupt für die Erziehung der Kinder sorgen. Ist die Mutter auch nicht mehr vorhanden, oder ist sie mittellos, so fällt diese Sorge auf die väterlichen Großältern, und nach diesen auf die Großältern von der mütterlichen Seite.

§. 144. Die Aeltern haben das Recht, einverständlich die Handlungen ihrer Kinder zu leiten; die Kinder sind ihnen Ehrfurcht und Gehorsam schuldig.

§. 145. Die Aeltern sind berechtiget, vermißte Kinder aufzusuchen, entwichene zurück zu fordern, und flüchtige mit obrigkeitlichem Beystande zurück zu bringen; sie sind auch befugt, unsittliche, ungehorsame, oder die häusliche Ordnung und Ruhe störende Kinder auf eine nicht übertriebene und ihrer Gesundheit unschädliche Art zu züchtigen.

§. 146. Die Kinder erlangen den Nahmen ihres Vaters, sein Wapen und alle übrige nicht bloß persönliche Rechte seiner Familie und seines Standes.

Besondere Rechte des Vaters: Väterliche Gewalt.

§. 147. Die Rechte, welche vorzüglich dem Vater als Haupt der Familie zustehen, machen die väterliche Gewalt aus.

Folgen derselben, a) in Rücksicht der Standeswahl der Kinder;

§. 148. Der Vater kann sein noch unmündiges Kind zu dem Stande, welchen er für dasselbe angemessen findet, erziehen; aber nach erreichter Mündigkeit kann das Kind, wenn es sein Verlangen nach einer anderen, seiner Neigung und seinen Fähigkeiten mehr angemessenen Berufsart dem Vater fruchtlos vorgetragen hat, sein Gesuch vor das ordentliche Gericht bringen, welches mit Rücksicht auf den Stand, auf das Vermögen und die Einwendungen des Vaters von Amts wegen darüber zu erkennen hat.

b) des Vermögens;

§. 149. Alles, was die Kinder auf was immer für eine gesetzmäßige Art erwerben, ist ihr Eigenthum; so lange sie aber unter der väterlichen Gewalt stehen, kommt dem Vater die Verwaltung zu. Nur wenn der Vater zur Verwaltung unfähig, oder von denjenigen, die seinen Kindern das Vermögen zugewendet haben, von derselben ausgeschlossen worden ist, ernennt das Gericht einen anderen Verwalter.

§. 150. Von den Einkünften des Vermögens sind, so weit sie reichen, die Erziehungskosten zu bestreiten. Ergibt sich dabey ein Ueberschuß, so muß er angelegt, und darüber jährlich Rechnung gelegt werden. Nur dann, wenn dieser Ueberschuß gering wäre, kann der Vater von Legung einer Rechnung freygesprochen, und ihm derselbe zur freywilligen Verwendung überlassen werden. Wird dem Vater von demjenigen, dem das Kind das Vermögen zu verdanken hat, die Fruchtnießung verwilliget; so haften die Einkünfte doch immer für den standesmäßigen Unterhalt des Kindes, und sie können zum Abbruche desselben von den Gläubigern des Vaters nicht in Beschlag genommen werden.

§. 151. Ueber das, was ein obgleich minderjähriges, jedoch außer der Verpflegung der Aeltern stehendes Kind durch seinen Fleiß erwirbt, so wie auch über Sachen, die einem Kinde nach erreichter Mündigkeit zum Gebrauche übergeben worden sind, kann es frey verfügen.

c) der Verpflichtung der Kinder.

§. 152. Die unter väterlicher Gewalt stehenden Kinder können ohne ausdrückliche oder doch stillschweigende Einwilligung des Vaters keine gültige Verpflichtung eingehen. Ein außer der Verpflegung der Eltern stehendes Kind kann sich jedoch selbständig durch Vertrag zu Dienstleistungen verpflichten. Auf solche Verpflichtungen, sowie auf die Verpflichtung Minderjähriger überhaupt ist dasjenige anzuwenden, was in dem nächsten Hauptstücke (§§ 246 bis 248) über die verbindlichen Handlungen der unter Vormundschaft Stehenden bestimmt wird. Dem Vater kommt auch die Pflicht zu, seine minderjährigen Kinder zu vertreten.

§. 153. Die Vorschriften, welche zur gültigen Ehe einer minderjährigen Person beobachtet werden müssen, sind in dem vorhergehenden Hauptstücke enthalten (§. 49 u. f.).

§. 154. Der auf die Erziehung der Kinder gemachte Aufwand gibt den Aeltern keinen Anspruch auf das von den Kindern nachher erworbene Vermögen. Verfallen aber die Aeltern in Dürftigkeit, so sind ihre Kinder sie anständig zu erhalten verbunden.

Rechtsverhältniß zwischen unehelichen Aeltern und Kindern. Nähere Bestimmung des Begriffs von unehelichen Kindern.

§. 155. Die unehelichen Kinder genießen nicht gleiche Rechte mit den ehelichen. Die rechtliche Vermuthung der unehelichen Geburt hat bey denjenigen Kindern Statt, welche zwar von einer Ehegattinn, jedoch vor oder nach dem oben (§. 138) mit Rücksicht auf die eingegangene oder aufgelöste Ehe bestimmten gesetzlichen Zeitraume geboren worden sind.

§. 156. Diese rechtliche Vermuthung tritt aber bey einer früheren Geburt erst dann ein, wenn der Mann, dem vor der Verehelichung die Schwangerschaft nicht bekannt war, längstens binnen drey Monathen nach erhaltener Nachricht von der Geburt des Kindes die Vaterschaft gerichtlich widerspricht.

§. 157. Die von dem Manne innerhalb dieses Zeitraumes rechtlich widersprochene Rechtmäßigkeit einer früheren oder späteren Geburt kann nur durch Kunstverständige, welche nach genauer Untersuchung der Beschaffenheit des Kindes und der Mutter die Ursache des außerordentlichen Falles deutlich angeben, bewiesen werden.

§. 158. Die Ehelichkeit eines innerhalb des gesetzlichen Zeitraumes geborenen Kindes kann der Mann längstens binnen drei Monaten nach erhaltener Nachricht bestreiten, indem er gegen einen zur Verteidigung der ehelichen Geburt aufzustellenden Kurator die Unmöglichkeit der durch ihn erfolgten Zeugung beweist. Weder ein Ehebruch der Mutter noch ihre Behauptung, daß ihr Kind unehelich sei, können für sich allein demselben die Rechte der ehelichen Geburt entziehen. Ist der Mann vor Ablauf der Bestreitungsfrist geisteskrank geworden, so kann sein gesetzlicher Vertreter innerhalb dreier Monate nach erhaltener Nachricht oder, wenn er von der Geburt des Kindes schon vorher Kenntnis hatte, innerhalb dreier Monate nach seiner Bestellung das Bestreitungsrecht ausüben.

§. 159. Ist der Mann vor Ablauf der Bestreitungsfrist gestorben oder seit der Geburt des Kindes dauernd unbekannten Aufenthaltes, so kann auch das Kind, unter Zustimmung der Mutter, wenn diese noch lebt, seine Ehelichkeit bestreiten. Zu diesem Behufe muß es die Klage gegen einen zur Verteidigung der ehelichen Geburt aufzustellenden Kurator anbringen. Das Klagerecht erlischt mit Ablauf eines Jahres nach erreichter Großjährigkeit. Ebenso können, wenn der Mann vor Ablauf der Bestreitungsfrist gestorben ist, auch die Erben, denen ein Abbruch an ihren Rechten geschähe, innerhalb dreier Monate nach dem Tode des Mannes aus dem angeführten Grunde die eheliche Geburt des Kindes bestreiten.

§. 159a. Das Bestreitungsrecht des gesetzlichen Vertreters des Mannes oder des Kindes selbst hört auf, wenn der handlungsfähige Ehemann die Ehelichkeit der Geburt des Kindes vor Eintritt der Rechtskraft des Urteils gerichtlich anerkennt.

Legitimation der unehelichen Kinder: a) durch Hebung des Ehehindernisses oder schuldlose Unwissenheit der Ehegatten;

§. 160. Kinder, die zwar aus einer ungültigen, aber aus keiner solchen Ehe erzeugt worden sind, der die in den §§. 62-64 angeführten Hindernisse entgegen stehen, sind als eheliche anzusehen, wenn das Ehehinderniß in der Folge gehoben worden ist, oder, wenn wenigstens Einem ihrer Aeltern die schuldlose Unwissenheit des Ehehindernisses zu Statten kommt; doch bleiben in dem letzteren Falle solche Kinder von Erlangung desjenigen Vermögens ausgeschlossen, welches durch Familien-Anordnungen der ehelichen Abstammung besonders vorbehalten ist.

b) durch die nachfolgende Ehe;

§. 161. Kinder, welche außer der Ehe geboren und durch die nachher erfolgte Verehelichung ihrer Aeltern in die Familie eingetreten sind, werden, so wie ihre Nachkommenschaft, unter die ehelich erzeugten gerechnet; nur können sie den in einer inzwischen bestandenen Ehe erzeugten ehelichen Kindern die Eigenschaft der Erstgeburt und andere bereits erworbene Recht nicht streitig machen.

c) durch Begünstigung des Landesfürsten.

§. 162. Die uneheliche Geburt kann einem Kinde an seiner bürgerlichen Achtung und an seinem Fortkommen keinen Abbruch thun. Zu diesem Ende bedarf es keiner besonderen Begünstigung des Landesfürsten, wodurch das Kind als ein eheliches erklärt wird. Nur die Aeltern können um solche ansuchen, wenn sie das Kind gleich einem ehelichen der Standesvorzüge oder des Rechtes an dem frey vererblichen Vermögen theilhaft machen wollen. In Rücksicht auf die übrigen Familien-Glieder hat diese Begünstigung keine Wirkung.

Beweis der Vaterschaft zu einem unehelichen Kinde.

§. 163. Wer auf eine in der Gerichtsordnung vorgeschriebene Art überwiesen wird, daß er der Mutter eines Kindes innerhalb des Zeitraumes beygewohnt habe, von welchem bis zu ihrer Entbindung nicht weniger als 180 und nicht mehr als 300 Tage verstrichen sind; oder wer dieses auch nur außer Gericht gesteht, von dem wird vermuthet, daß er das Kind erzeugt habe.

§. 164. Die auf Angeben der Mutter erfolgte Einschreibung des väterlichen Nahmens in das Tauf- oder Geburtsbuch macht nur dann einen vollständigen Beweis, wenn die Einschreibung nach der gesetzlichen Vorschrift mit Einwilligung des Vaters geschehen, und diese Einwilligung durch das Zeugniß des Seelsorgers und des Pathen mit dem Beysatze, daß er ihnen von Person bekannt sey, bestätiget worden ist.

Beschaffenheit des Rechtsverhältnisses zwischen unehelichen Aeltern und Kindern.

§. 165. Uneheliche Kinder haben weder auf den Familiennamen des Vaters noch auf den Adel, das Wappen und andere Vorzüge der Eltern Anspruch; sie führen den Geschlechtsnamen der Mutter.

Der Ehemann der Mutter kann durch Erklärung bei der politischen Landesbehörde dem Kinde mit Einwilligung der Mutter und des Kindes oder, wenn dieses minderjährig ist, des gesetzlichen Vertreters und des Gerichtes seinen Namen geben. Zur Wirksamkeit dieser Erklärungen ist erforderlich, daß sie in öffentlicher oder gerichtlich oder notariell beglaubigter Urkunde vorgelegt werden.

§. 166. Auch ein uneheliches Kind hat das Recht, von seinen Eltern eine ihrem Vermögen angemessene Verpflegung, Erziehung und Versorgung zu fordern, und die Rechte der Eltern über dasselbe erstrecken sich soweit, als es der Zweck der Erziehung erfordert. Übrigens steht das uneheliche Kind nicht unter der väterlichen Gewalt seines Erzeugers, sondern wird von einem Vormunde vertreten.

Zur Verpflegung ist vorzüglich der Vater verbunden; wenn aber dieser dazu nicht imstande ist, so fällt die Verbindlichkeit auf die Mutter und nach dieser auf die mütterlichen Großeltern.

§. 167. Der Vater ist verpflichtet, der Mutter die Kosten der Entbindung sowie die Kosten ihres Unterhaltes für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung und, falls infolge der Entbindung weitere Auslagen notwendig werden, auch diese zu ersetzen.

Die Forderung ist mit Ablauf von drei Jahren nach der Entbindung verjährt.

§. 168. Schon vor der Geburt des Kindes kann das Gericht auf Antrag der Mutter, wenn sie dessen bedürftig ist und nicht einen unzüchtigen Lebenswandel führt, denjenigen, dessen Vaterschaft gemäß § 163 glaubhaft gemacht wird, dazu verhalten, daß er den Betrag des dem Kinde zu gewährenden Unterhaltes für die ersten drei Monate sowie den gewöhnlichen Betrag der der Mutter nach § 167 zu ersetzenden Kosten bei Gericht erlege.

§. 169. Solange die Mutter ihr uneheliches Kind, der künftigen Bestimmung gemäß, selbst erziehen will und kann, darf ihr dasselbe von dem Vater nicht entzogen werden; dessenungeachtet muß er die Verpflegungskosten bestreiten. Läuft aber das Wohl des Kindes durch die mütterliche Erziehung Gefahr, so ist der Vater verbunden, das Kind von der Mutter zu trennen und solches zu sich zu nehmen oder anderswo sicher und anständig unterzubringen.

§. 170. Es steht den Aeltern frey, sich über den Unterhalt, die Erziehung und Versorgung des unehelichen Kindes mit einander zu vergleichen; ein solcher Vergleich kann aber dem Rechte des Kindes keinen Abbruch thun.

§. 171. Die Verbindlichkeit, uneheliche Kinder zu verpflegen und zu versorgen, geht gleich einer anderen Schuld auf die Erben des Vaters über.

Wenn die Vaterschaft vom Vater anerkannt oder gerichtlich festgestellt worden ist, können uneheliche Kinder, die zur Zeit des Ablebens des Vaters in dessen Hause verpflegt und erzogen werden, die Verpflegung und Erziehung bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit auch weiterhin in demselben Maße wie bisher fordern, jedoch nicht in größerem Umfange, als sie nach dem hinterlassenen Vermögen den ehelichen Kindern zuteil werden kann.

§. 172. Die väterliche Gewalt hört mit der Großjährigkeit des Kindes sogleich auf, wofern nicht aus gerechter Ursache die Fortdauer derselben auf Ansuchen des Vaters von dem Gerichte verwilliget und öffentlich bekannt gemacht worden ist.

§. 173. Gerechte Ursachen, die Fortdauer der väterlichen Gewalt bey Gericht anzusuchen, sind: Wenn das Kind, ungeachtet der Volljährigkeit, wegen Leibes- oder Gemüthsgebrechen sich selbst zu verpflegen, oder seine Angelegenheiten selbst zu besorgen, nicht vermag; oder, wenn es sich während der Minderjährigkeit in beträchtliche Schulden verwickelt oder solcher Vergehung schuldig gemacht hat, wegen welcher es noch ferner unter genauer Aufsicht des Vaters gehalten werden muß.

§. 174. Kinder können auch vor Zurücklegung des vier und zwanzigsten Jahres aus der väterlichen Gewalt treten, wenn der Vater mit Genehmhaltung des Gerichtes sie ausdrücklich entläßt, oder, wenn er einem zwanzigjährigen Sohne die Führung einer eigenen Haushaltung gestattet.

§. 175. Wenn eine minderjährige Tochter sich verehelichet, so kommt sie zwar, in Rücksicht ihrer Person unter die Gewalt des Mannes (§. 91 und 92), in Hinsicht auf das Vermögen aber hat der Vater bis zu ihrer Großjährigkeit die Rechte und Pflichten eines Curators. Stirbt der Mann während ihrer Minderjährigkeit, so kommt sie wieder unter die väterliche Gewalt.

§. 176. Wenn ein Vater den Gebrauch der Vernunft verliert; wenn er als Verschwender erklärt; oder, wegen eines Verbrechens auf längere Zeit als ein Jahr zur Gefängnißstrafe verurtheilt wird; wenn er eigenmächtig auswandert; oder, wenn er über ein Jahr abwesend ist, ohne von seinem Aufenthalte Nachricht zu geben; kommt die väterliche Gewalt außer Wirksamkeit, und es wird ein Vormund bestellet; hören aber diese Hindernisse auf, so tritt der Vater wieder in seine Rechte ein.

§. 177. Väter, welche die Verpflegung und Erziehung ihrer Kinder gänzlich vernachlässigen, verlieren die väterliche Gewalt auf immer.

§. 178. Wenn der Vater seine Gewalt mißbraucht oder die damit verbundenen Pflichten nicht erfüllt oder sich eines ehrlosen oder unsittlichen Verhaltens schuldig macht, kann nicht nur das Kind selbst, sondern jedermann, der davon Kenntnis hat, besonders die nächsten Verwandten, den Beistand des Gerichtes anrufen. Das Gericht hat den Gegenstand der Beschwerde zu untersuchen und die den Umständen angemessenen Verfügungen zu treffen; es kann insbesondere anordnen, daß der Vater hinsichtlich der Vermögensverwaltung oder hinsichtlich der Fürsorge für die Person des Kindes unter die Aufsicht des Gerichtes gestellt und einem Vormunde gleichgehalten werde.

§. 178a. Wenn eine Anstalt oder ein Verein für Kinderschutz oder Kinderpflege die Pflege und Erziehung eines mißhandelten, verlassenen oder verwahrlosten Kindes oder eines Kindes übernommen hat, dem die Eltern die notwendige Aufsicht und Erziehung nicht gewähren, kann das Vormundschaftsgericht auf Antrag der Anstalt oder des Vereines nach Untersuchung des Falles und Anhörung der Eltern aussprechen, daß das Kind vor Beendigung seiner Erziehung nur mit Zustimmung des Gerichtes der Anstalt oder dem Vereine gegen ihren Willen abgenommen werden kann.

Dem Rechtsverhältnisse zwischen Aeltern und Kindern ähnliche Verbindungen:

1) Annehmung an Kindes Statt.

§. 179. Personen, welche den ehelosen Stand nicht feyerlich angelobet, und keine eigenen ehelichen Kinder haben, können an Kindes Statt annehmen; die annehmende Person heißt Wahlvater oder Wahlmutter; die angenommene heißt Wahlkind.

Erfordernisse.

§. 180. Wahlväter oder Wahlmütter müssen das vierzigste Jahr zurückgelegt haben, und ein Wahlkind muß wenigstens achtzehn Jahre jünger sein als seine Wahleltern. Eine verheiratete Person kann nur mit Zustimmung ihres Ehegatten ein Kind annehmen oder an Kindesstatt angenommen werden. Dieser Zustimmung bedarf es nicht, wenn der Ehegatte für geisteskrank erklärt, sein Aufenthalt unbekannt oder die Ehe geschieden ist.

§. 181. Die Annahme an Kindes Statt kann, wenn das Kind minderjährig ist, nur mit Einwilligung des ehelichen Vaters, oder in dessen Ermangelung, nur mit Einwilligung der Mutter, des Vormundes und des Gerichtes zu Stande kommen. Auch wenn das Kind großjährig, aber sein ehelicher Vater noch am Leben ist, wird desselben Einwilligung erfordert. Gegen die ohne hinreichenden Grund versagte Einwilligung kann bey dem ordentlichen Richter Beschwerde geführet werden. Die mit der erforderlichen Einwilligung versehene Annahme an Kindes Statt ist der Landesstelle zur Bestätigung und dem Gerichtsstande der Wahlältern und des Wahlkindes zur Eintragung in die Gerichts-Acten vorzulegen.

Daraus entspringende Rechte.

§. 182. Eine wesentliche rechtliche Wirkung der Annahme an Kindesstatt ist, daß die angenommene Person den Namen des Wahlvaters oder den Geschlechtsnamen der Wahlmutter erhält. Es kann aber vereinbart werden, daß sie mit diesem ihren vorigen Familiennamen zu verbinden hat und den ihr etwa eigenen Familienadel beibehält. In letzterem Falle muß sie ihren Familiennamen beibehalten und der angenommene Name unmittelbar mit diesem verbunden werden. Wünschen die Wahleltern, daß ihr Adel und Wappen auf das Wahlkind übergehe, so muß die Bewilligung des Landesfürsten angesucht werden.

§. 183. Zwischen den Wahlältern und dem Wahlkinde und dessen Nachkommen finden, in so weit das Gesetz keine Ausnahme macht, gleiche Rechte, wie zwischen den ehelichen Aeltern und Kindern Statt. Der Wahlvater übernimmt die väterliche Gewalt. Auf die übrigen Mitglieder der Familie der Wahlältern hat das Verhältniß zwischen den Wahlältern und dem Wahlkinde keinen Einfluß; dagegen verliert das Wahlkind auch die Rechte seiner eigenen Familie nicht.

§. 184. Die Rechte zwischen Wahlältern und Wahlkindern können durch Vertrag anders bestimmet werden, in so fern dadurch die im §. 182 angeführte wesentliche Wirkung der Annahme an Kindes Statt nicht abgeändert, noch dem Rechte eines Dritten zu nahe getreten wird.

Erlöschung derselben.

§. 185. Das rechtliche Verhältniß zwischen den Wahlältern und dem Wahlkinde kann, in so lange das Wahlkind minderjährig ist, nur mit Einwilligung der Vertreter des Minderjährigen und des Gerichtes aufgehoben werden. Nach Erlöschung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Wahlvater und dem Wahlkinde kommt das minderjährige Kind wieder unter die Gewalt des ehelichen Vaters.

2) Uebernahme in die Pflege.

§. 186. Die Rechte und Verbindlichkeiten der Wahlältern und Wahlkinder lassen sich auf Kinder, die nur in Pflege genommen werden, nicht anwenden. Diese Pflege steht jedermann frey, wollen aber die Parteyen hierüber einen Vertrag schließen; so muß er, in so fern die Rechte des Pflegekindes geschmälert, oder demselben besondere Verbindlichkeiten auferlegt werden sollen, gerichtlich bestätiget werden. Auf den Ersatz der Pflegekosten haben die Pflegeältern keinen Anspruch.

 

Viertes Hauptstück.

Von den Vormundschaften und Curatelen.

Bestimmung der Vormundschaft und Curatel.

§. 187. Personen, denen die Sorge eines Vaters nicht zu Statten kommt, und die noch minderjährig oder aus einem anderen Grunde ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen unfähig sind, gewähren die Gesetze durch einen Vormund oder durch einen Curator besonderen Schutz.

Unterschied zwischen der Vormundschaft und Curatel.

§. 188. Ein Vormund hat vorzüglich für die Person des Minderjährigen zu sorgen, zugleich aber dessen Vermögen zu verwalten. Ein Curator wird zur Besorgung der Angelegenheiten derjenigen gebraucht, welche dieselben aus einem anderen Grunde, als jenem der Minderjährigkeit, selbst zu besorgen unfähig sind.

I. Von der Vormundschaft.

Veranlassung zur Bestellung.

§. 189. Wenn der Fall eintritt, daß einem Minderjährigen, er sey von ehelicher oder unehelicher Geburt, ein Vormund bestellet werden muß; sind die Verwandten des Minderjährigen oder andere mit ihm in nahem Verhältnisse stehende Personen unter angemessener Ahndung verbunden, dem Gerichte, unter dessen Gerichtsbarkeit der Minderjährige steht, die Anzeige zu machen. Auch die politischen Obrigkeiten, die weltlichen und geistlichen Vorsteher der Gemeinden müssen sorgen, daß das Gericht hiervon benachrichtiget werde.

Wer den Vormund zunächst bestelle.

§. 190. Das Gericht muß, sobald es zur Kenntniß gelanget ist, von Amts wegen die Bestellung eines tauglichen Vormundes vornehmen.

Nothwendige Entschuldigung von einer Vormundschaft überhaupt;

§. 191. Untauglich zur Vormundschaft überhaupt sind diejenigen, welche wegen ihres minderjährigen Alters, wegen Leibes- oder Geistesgebrechen, oder aus anderen Gründen ihren eigenen Geschäften nicht vorstehen können; die eines Verbrechens schuldig erkannt worden sind, oder von denen eine anständige Erziehung des Waisen oder nützliche Verwaltung des Vermögens nicht zu erwarten ist. 2

§. 192. Auch Ordensgeistlichen und Ausländern soll in der Regel keine Vormundschaft aufgetragen werden.

§. 193. Ehefrauen bedürfen zur Übernahme einer Vormundschaft der Zustimmung ihres Gatten, außer wenn es sich um ihr eigenes Kind handelt oder wenn der Gatte für geisteskrank erklärt, sein Aufenthalt unbekannt oder die Ehe geschieden ist.

oder von einer bestimmten Vormundschaft

§. 194. Zu einer bestimmten Vormundschaft sind diejenigen nicht zuzulassen, welche der Vater oder die zur Berufung eines Vormunds berechtigte Mutter (§ 196) ausdrücklich von der Vormundschaft ausgeschlossen hat, die mit den Eltern des Minderjährigen oder mit ihm selbst bekanntlich in Feindschaft gelebt haben oder die mit dem Minderjährigen in einen Prozeß verwickelt sind. Ob eine Person infolge des Bestandes unberichtigter Forderungen zwischen ihr und dem Minderjährigen zur Übernahme der Vormundschaft ungeeignet erscheint, hat das Gericht zu beurteilen.

Freywillige Entschuldigungsgründe.

§. 195. Wider ihren Willen können zur Übernahme einer Vormundschaft nicht angehalten werden: Frauen, mit Ausnahme der Mutter und Großmutter, fernen Geistliche, in dauernder aktiver Dienstleistung stehende Militärpersonen und öffentliche Beamte, ebenso derjenige, der sechzig Jahre alt ist, dem die Obsorge über fünf Kinder oder Enkel obliegt oder der schon eine mühsame Vormundschaft oder drei kleinere zu besorgen hat, endlich wer dieses Amt wegen der Entfernung seines Wohnsitzes von dem Vormundschaftsgerichte nur schwer oder mit erheblichen Kosten ausüben könnte.

Arten der Berufung zur Vormundschaft.

1) testamentarische;

§. 196. Vor allen gebührt die Vormundschaft demjenigen, welchen der Vater oder, falls dieser darüber nicht verfügt hat, die Mutter dazu berufen hat, wenn ihm keines der in den §§ 191 bis 194 angeführten Hindernisse im Wege steht.

§. 197. Hat die Mutter außer dem im § 196 erwähnten Falle oder hat eine andere Person einem Minderjährigen ein Erbteil zugedacht und zugleich einen Vormund ernannt, so muß dieser nur in der Eigenschaft eines Kurators für das hinterlassene Vermögen angenommen werden.

2) gesetzliche;

§. 198. Wenn letztwillig kein oder kein fähiger Vormund berufen wurde, so ist die Vormundschaft vor allen der ehelichen Mutter, dann dem väterlichen Großvater, sodann der väterlichen Großmutter, endlich dem nächsten Verwandten anzuvertrauen, aus mehreren gleich nahen aber in der Regel dem älteren.

3) gerichtliche.

§. 199. Kann eine Vormundschaft auf die angeführte Art nicht bestellt werden, so hängt es von dem Gerichte ab, wen es mit Rücksicht auf Fähigkeit, Stand, Vermögen und Ansässigkeit zum Vormunde ernennen will.

Form der wirklichen Bestellung des Vormundes.

§. 200. Jeden ernannten Vormund, ohne Unterschied, hat das vormundschaftliche Gericht sogleich anzuweisen, daß er die Vormundschaft übernehme. Der Vormund, ob er gleich für seine Person unter einer anderen Gerichtsbarkeit steht, ist schuldig, die Vormundschaft zu übernehmen, und wird in Rücksicht auf alle zu diesem Amte gehörige Angelegenheiten der vormundschaftlichen Behörde unterworfen. 3

Form, die Bestellung abzulehnen.

§. 201. Glaubt derjenige, welchen das Gericht zur Vormundschaft berufen hat, daß er zu diesem Amte nicht geschickt sey; oder, daß ihn das Gesetz davon frey spreche, so muß er sich innerhalb vierzehn Tagen, von der Zeit des ihm bekannt gemachten gerichtlichen Auftrags, an das vormundschaftliche Gericht, oder, wenn er demselben für seine Person nicht unterworfen ist, an seine persönliche Gerichtsstelle wenden, welche seine Gründe mit ihrem Gutachten begleiten und dem vormundschaftlichen Gerichte zur Entscheidung vorlegen soll.

Verantwortlichkeit des Vormundes und des Gerichtes in Rücksicht dieses Gegenstandes.

§. 202. Wer seine Untauglichkeit zur Vormundschaft verhehlet, hat, so wie das Gericht, das wissentlich einen nach dem Gesetze untauglichen Vormund ernennet, allen dem Minderjährigen dadurch entstandenen Schaden und entgangenen Nutzen zu verantworten.

§. 203. Dieser Verantwortung setzt sich auch derjenige aus, welcher ohne gegründete Ursache sich weigert, eine Vormundschaft zu übernehmen, und er soll überdieß durch angemessene Zwangsmittel dazu angehalten werden.

Antritt der Vormundschaft.

§. 204. Man kann das vormundschaftliche Amt nur nach einem von dem gehörigen Gerichtsstande dazu erhaltenen Auftrage übernehmen. Wer sich eigenmächtig in eine Vormundschaft eindringt, ist verbunden, allen dem Minderjährigen dadurch erwachsenen Schaden zu ersetzen.

Angelobung.

§. 205. Jeder Vormund, mit Ausnahme des Großvaters, der Mutter und der Großmutter, muß vermittelst Handschlages angeloben: daß er den Minderjährigen zur Rechtschaffenheit, Gottesfurcht und Tugend anführen, daß er ihn dem Stande gemäß als einen brauchbaren Bürger erziehen, vor Gericht und außer demselben vertreten, das Vermögen getreulich und emsig verwalten, und sich in Allem nach Vorschrift der Gesetze verhalten wolle.

Urkunde hierüber.

§. 206. Einem auf diese Weise verpflichteten Vormunde hat das Gericht eine förmliche Urkunde darüber auszufertigen, damit er in Ansehung seines Amtes beglaubiget sey, und sich in vorkommenden Fällen rechtfertigen könne. Uebernimmt ein Großvater, eine Mutter oder Großmutter eine Vormundschaft; so muß ihnen eine ähnliche Urkunde zugestellet, und derselben dasjenige, was andere Vormünder angeloben, eingeschaltet werden.

Anstaltsvormundschaft

§. 207. Die Bestellung eines Vormunds kann unterbleiben, solange ein Minderjähriger, der weder unbewegliches noch bedeutendes bewegliches Vermögen besitzt, sich in einer Zwangsarbeits- oder Besserungsanstalt oder in einer der Fürsorgeerziehung gewidmeten öffentlichen oder privaten Anstalt befindet, deren Statut staatlich genehmigt ist. Das gleiche gilt für Zöglinge, die unter der Aufsicht des Vorstandes der Anstalt in einer Familie erzogen werden. In diesem Falle kommen Befugnisse und Obliegenheiten eines Vormunds dem Vorsteher der Anstalt zu. Liegen Gründe vor, die ihn für seine Person nach dem Gesetze von der Bestellung zum Vormund ausschließen würden, so hat das Gericht nach seinem Ermessen zu entscheiden, ob er als Anstaltsvorsteher zur Übernahme dieser Befugnisse und Obliegenheiten ungeeignet erscheint.

Das Gericht kann ungeachtet der Aufnahme des Minderjährigen in eine Anstalt in dessen Interesse einen Vormund bestellen oder einen schon bestellten Vormund in seinem Amte belassen. Auf die Erziehung des Minderjährigen in der Anstalt darf dieser Vormund keinen Einfluß nehmen.

Generalvormundschaft

§. 208. Insoweit geeignete Vormünder, die zur Übernahme des Amtes bereit sind, nicht zur Verfügung stehen oder dies zur wirksamen Wahrung der Rechte und Interessen unbemittelter Pflegebefohlener erforderlich ist, kann die Vormundschaft einem geeigneten Organe der öffentlichen Verwaltung oder einer Vereinigung für Jugendschutz übertragen werden. Diese Übertragung kann sich auch auf einzelne Rechte und Pflichten des Vormunds beschränken. Die näheren Bestimmungen darüber werden durch Verordnung erlassen.

Das Gericht kann die Übertragung widerrufen, wenn es im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen ist.

Vereinigung der vormundschaftlichen Hauptpflichten, der Erziehung und Vermögensverwaltung in Einer Person.

§. 209. So wie ein von dem Vater ernannter Vormund nicht nur über die Person des Minderjährigen, sondern auch über dessen Vermögen zu sorgen hat; eben so wird vermuthet, daß der Vater jemanden, den er zum Curator über das Vermögen ernannt hat, zugleich die Aufsicht über die Person habe anvertrauen wollen. Hat aber der Vater einen Vormund nicht für alle Kinder, oder einen Curator nicht für das ganze Vermögen ernannt; so liegt dem Gerichte ob, für die anderen Kinder einen Vormund oder für den übrigen Theil des Vermögens einen Curator zu bestellen.

§. 210. Sind mehrere Vormünder ernannt worden, so können sie zwar das Vermögen des Minderjährigen gemeinschaftlich oder theilweise verwalten. Verwalten sie es aber gemeinschaftlich, oder theilen sie die Verwaltung ohne Genehmhaltung des Gerichtes unter sich; so haftet jeder Einzelne für den ganzen dem Minderjährigen erwachsenden Schaden. Immer muß auch das Gericht veranstalten, daß die Person des Minderjährigen und die Hauptführung der Geschäfte immer nur von Einem besorget werde.

Unterstützung einer Vormünderinn durch einen Mitvormund.

§. 211. Das Gericht hat einer zum Vormund bestellten Frau einen Mann als Mitvormund beizugeben:

1. wenn die eheliche Mutter zum Vormund bestellt wird und der Vater die Bestellung eines Mitvormundes letztwillig angeordnet hat, vorausgesetzt, daß ihm zur Zeit seines Todes die väterliche Gewalt über den Minderjährigen zustand;

2. wenn es die Vormünderin verlangt;

3. wenn das Gericht es aus besonderen Gründen, insbesondere wegen des Umfanges oder der Schwierigkeit der Vermögensverwaltung durch das Interesse des Mündels geboten erachtet;

4. wenn die uneheliche Mutter zum Vormund bestellt wird und die Mitwirkung eines Mitvormundes zur Wahrung der Interessen des unehelichen Kindes notwendig ist.

Bei der Wahl des Mitvormunds ist vor allem auf den erklärten Willen des Vaters, dann auf den Vorschlag der Vormünderin, endlich auf die Verwandten des Minderjährigen Rücksicht zu nehmen.

§. 212. Auch der Mitvormund muß eine Beglaubigungsurkunde vom Gerichte erhalten, und angeloben, daß er das Beste des Minderjährigen befördern wolle, und er muß zu diesem Ende der Vormünderinn mit seinem Rathe beystehen. Sollte er wichtige Gebrechen wahrnehmen, so muß er sich bestreben, denselben abzuhelfen, und nöthigen Falls dem vormundschaftlichen Gerichte Anzeige davon machen.

§. 213. Eine andere wesentliche Pflicht des Mitvormundes ist, daß er bey vorfallenden Geschäften, zu deren Gültigkeit die Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichtes nothwendig ist, das Gesuch der Vormünderinn mit unterzeichne, oder seine besondere Meinung beylege, so wie er auch auf Verlangen des Gerichtes über ein solches Geschäft unmittelbar sein Gutachten zu erstatten hat.

§. 214. Ein Mitvormund, welcher diese Pflichten erfüllet hat, bleibt von aller ferneren Verantwortung frey; ist einem Mitvormunde aber zugleich die Verwaltung des Vermögens aufgetragen worden, so hat er mit dieser Verwaltung alle Pflichten eines Curators übernommen.

§. 215. Wenn eine Vormünderinn von der Vormundschaft austritt; so ist die Vormundschaft in der Regel dem gewesenen Mitvormunde aufzutragen.

Besondere Pflichten. Rechte des Vormundes: a) in Rücksicht der Erziehung der Person;

§. 216. Ein Vormund hat gleich dem Vater die Verbindlichkeit und das Recht, für die Erziehung des Minderjährigen Sorge zu tragen; doch muß er in wichtigen und bedenklichen Angelegenheiten erst die Genehmigung und die Vorschriften des vormundschaftlichen Gerichtes einhohlen.

Entsprechende Verbindlichkeit des Pflegebefohlenen.

§. 217. Der Minderjährige ist seinem Vormunde Ehrerbiethung und Folgsamkeit schuldig; er ist aber auch berechtigt, sich bey seinen nächsten Verwandten, oder bey der gerichtlichen Behörde zu beschweren, wenn der Vormund seine Macht auf was immer für eine Art mißbrauchen, oder die Pflichten der nöthigen Obsorge und Pflege hintansetzen würde. Auch den Verwandten des Minderjährigen und jedem, der hiervon Kenntniß erhält, steht die Anzeige bevor. An diese Behörde hat sich auch der Vormund zu wenden, wenn er den Vergehungen des Minderjährigen durch die zur Erziehung ihm eingeräumte Gewalt Einhalt zu thun nicht vermag.

Wer zunächst die Erziehung besorge.

§. 218. Die Person des Waisen soll vorzüglich der Mutter selbst dann, wenn sie die Vormundschaft nicht übernommen oder sich wieder verheirathet hat, anvertrauet werden; es wäre denn, daß das Beste des Kindes eine andere Verfügung erheischte.

Bestimmung der Quantität und der Quellen der Erziehungskosten.

§. 219. Die Unterhaltungskosten bestimmt das vormundschaftliche Gericht, und nimmt bey der Bestimmung auf die Anordnung des Vaters, auf das Gutachten des Vormundes, auf das Vermögen, auf den Stand und auf andere Verhältnisse des Minderjährigen Rücksicht.

§. 220. Wenn die Einkünfte zur Bestreitung dieser Kosten oder zur Bestreitung eines Aufwandes, wodurch der Minderjährige in einen fortdauernden Nahrungsstand versetzt werden soll, nicht zureichen; so darf mit Genehmhaltung des Gerichtes auch das Hauptvermögen angegriffen werden.

§. 221. In dem Falle, daß die Waisen ganz mittellos sind, soll das vormundschaftliche Gericht die bemittelten nächsten Verwandten zu deren Verpflegung, dafern sie nach dem §. 143 hierzu nicht ohnehin rechtlich verbunden sind, zu bewegen suchen. Außerdem hat der Vormund auf öffentliche milde Stiftungen und bestehende Armenanstalten so lange einen gerechten Anspruch, bis der Minderjährige im Stande ist, sich durch eigene Arbeit und Verwendung selbst zu ernähren.

Besondere Pflichten der Vormundschaft;

b) in Rücksicht der Vermögensverwaltung. Erforschung und Sicherstellung des Vermögens,

§. 222. Die dem vormundschaftlichen Gerichte über das Vermögen des Waisen anvertraute Obsorge fordert, daß es zuerst desselben Vermögen zu erforschen und es durch Sperre, durch Inventur und Schätzung sicher zu stellen suche.

durch die Sperre und Inventur;

§. 223. Durch die gerichtliche Sperre werden nur dann, wenn es zur Sicherstellung nothwendig ist, die Geräthschaften in Verwahrung genommen; die Inventur aber, das ist, ein genaues Verzeichniß des sämmtlichen, dem Waisen gehörigen Vermögens, muß stets, selbst ohne Rücksicht auf das Verboth des Vaters, oder eines anderen Erblassers, errichtet werden.

dann durch die Schätzung des Vermögens entweder unmittelbar von dem vormundschaftlichen Gerichte,

§. 224. Das Verzeichniß des Vermögens und die Schätzung der beweglichen Sachen müssen ohne Zeitverlust, allenfalls auch vor Bestellung eines Vormundes, vorgenommen werden. Das Inventarium wird bey den Verlassenschafts-Acten aufbewahrt und dem Vormunde eine beglaubigte Abschrift davon mitgetheilet. Die Schätzung des unbeweglichen Vermögens muß, sobald es thunlich ist, vorgenommen werden; sie kann aber auch, wenn der Werth sich aus anderen zuverlässigen Quellen darstellet, ganz unterbleiben.

oder vermittelst der Real-Behörde.

§. 225. Liegt ein unbewegliches Gut des Minderjährigen in einer anderen Provinz, oder gar in einem fremden Staate; so muß die vormundschaftliche Behörde den ordentlichen Gerichtsstand der anderen Provinz oder des fremden Staates um die Inventur und Schätzung und um die Mittheilung derselben angehen, diesem Gerichtsstande aber die Bestellung eines Curators über dieses Gut überlassen.

§. 226. Liegt das unbewegliche Gut in der nähmlichen Provinz, aber unter einer anderen Behörde, so gebühren zwar dieser alle auf das Gut sich beziehende Rechte, folglich auch die Inventur und Schätzung: allein sie muß der vormundschaftlichen Behörde auf Verlangen nicht nur eine Abschrift davon mittheilen; sondern auch dem Vormunde die freye Verwaltung des Gutes überlassen, ohne sich über seine vormundschaftlichen Handlungen einer Art von Gerichtsbarkeit anzumaßen.

Wohin das bewegliche Vermögen gehöre.

§. 227. Diejenigen Mobilien, welche sich auf einem unbeweglichen Gute befinden, um beständig auf demselben zu bleiben, sind als ein Theil dieses Gutes anzusehen; alle übrigen Mobilien, auch Schuldbriefe und selbst die auf einem unbeweglichen Gute haftenden Capitalien, gehören unter die vormundschaftliche Gerichtsbarkeit.

Allgemeine Vorschrift in Rücksicht auf die Vermögensverwaltung.

§. 228. Sobald ein Vormund oder Curator das Vermögen übernimmt, hat er es mit aller Aufmerksamkeit eines redlichen und fleißigen Hausvaters zu verwalten, und für sein Verschulden zu haften.

Besondere Vorschriften in Absicht der unmittelbaren Vermögensverwaltung, insonderheit in Rücksicht der Kostbarkeiten;

§. 229. Juwelen, andere Kostbarkeiten und die Schuldbriefe kommen, so wie alle wichtige Urkunden in gerichtliche Verwahrung; von den ersteren erhält der Vormund ein Verzeichniß, von den letzteren die zu seinem Gebrauche nöthigen Abschriften.

des baren Geldes;

§. 230. Vom baren Gelde soll nur so viel in den Händen des Vormundes verbleiben, als zur Erziehung des Waisen und zum ordentlichen Betriebe der Wirthschaft nöthig ist; das Uebrige muß vorzüglich zur Tilgung der etwa vorhandenen Schulden oder zu einem anderen vortheilhaften Gebrauche verwendet, und, wenn kein vortheilhafterer Gebrauch zu machen ist, auf Zinsen in öffentlichen Cassen oder gegen gesetzmäßige Sicherheit auch bey Privat-Personen angelegt werden; die Sicherheit ist aber nur dann gesetzmäßig, wenn durch die Sicherstellung mit Einrechnung der etwa vorgehenden Lasten, ein Haus nicht über die Hälfte, ein Landgut oder Grundstück aber nicht über zwey Drittheile seines wahren Werthes beschweret wird.

des übrigen beweglichen Vermögens;

§. 231. Das übrige bewegliche Vermögen, welches weder zum Gebrauche des Minderjährigen, noch zum Andenken der Familie, oder nach Anordnung des Vaters aufzubewahren ist, noch auf eine andere Art vortheilhaft verwendet werden kann, muß im Allgemeinen öffentlich feilgebothen werden. Das Hausgeräthe kann man den Aeltern und den Miterben in dem gerichtlichen Schätzungspreise aus freyer Hand überlassen. Stücke, die bey der öffentlichen Versteigerung nicht veräußert worden sind, kann der Vormund mit Bewilligung des vormundschaftlichen Gerichtes auch unter dem Schätzungspreise verkaufen.

in Rücksicht des unbeweglichen;

§. 232. Ein unbewegliches Gut kann nur im Nothfalle oder zum offenbaren Vortheile des Minderjährigen mit Genehmhaltung des vormundschaftlichen Gerichtes, und in der Regel nur vermittelst öffentlicher Versteigerung veräußert, aus wichtigen Gründen aber kann auch eine Veräußerung aus freyer Hand von dem Gerichte bewilliget werden.

bey vorzukehrenden wichtigen Veränderungen:

§. 233. Ueberhaupt kann ein Vormund in allen Geschäften, welche nicht zu dem ordentlichen Wirthschaftsbetriebe gehören, und welche von größerer Wichtigkeit sind, nichts ohne gerichtliche Einwilligung vornehmen. Er kann also eigenmächtig keine Erbschaft ausschlagen oder unbedingt annehmen; keine Veräußerung der seiner Verwahrung anvertrauten Güter vornehmen; keinen Pachtvertrag abschließen; kein mit gesetzmäßiger Sicherheit anliegendes Capital aufkündigen; keine Forderung abtreten; keinen Rechtsstreit vergleichen; keine Fabrik, Handlung und Gewerbe ohne gerichtliche Genehmigung anfangen, fortsetzen oder aufheben.

bey Einhebung der Capitalien;

§. 234. Ein Vormund kann für sich allein kein Capital des Minderjährigen, wenn es zurückbezahlt wird, in Empfang nehmen. Der Schuldner, dem ein solches Capital aufgekündiget wird, muß sich zu seiner Sicherheit von dem Vormunde die gerichtliche Bewilligung zur Erhebung des Capitals vorzeigen lassen, und sich nicht mit der Quittung des Vormundes allein begnügen; auch steht es ihm frey, die Zahlung unmittelbar an das Gericht selbst zu leisten.

bey weiterer Verwendung derselben;

§. 235. So oft der Fall eintritt, daß ein ausstehendes Capital eingehen solle, hat der Vormund für dessen vortheilhafte Verwendung die Anstalt zu treffen, und zu der wirklichen Verwendung die Genehmigung des Gerichtes einzuhohlen.

zur Sicherstellung unbedeckter Forderungen.

§. 236. Ueber Schuldforderungen, zu deren Beweise keine Urkunden vorhanden sind, muß der Vormund sich Urkunden verschaffen, und diejenigen, welche nicht sicher gestellt sind, so viel möglich sicher zu stellen suchen, oder zur Verfallszeit eintreiben. Doch soll den Aeltern das Capital des Minderjährigen, wenn es auch nicht gesetzmäßig versichert, der Minderjährige jedoch wahrscheinlicher Weise keiner Gefahr eines Verlustes ausgesetzt ist, nicht aufgekündet werden, wofern ihnen die Zurückbezahlung ohne Veräußerung ihres unbeweglichen Gutes oder Abtretung von ihrem Gewerbe schwer fallen würde.

Caution.

§. 237. Der Vormund ist bey Antretung der Vormundschaft nicht schuldig, Caution zu leisten. Er bleibt auch in der Folge von der Caution befreyt, so lange er die durch das Gesetz zur Sicherheit des Vermögens bestehenden Vorschriften genau beobachtet und zur gehörigen Zeit ordentlich Rechnung legt.

Verbindlichkeit zur Rechnungslegung.

§. 238. In der Regel ist jeder Vormund und jeder Curator verbunden, über die ihm anvertraute Verwaltung Rechnung zu legen. Von der Rechnungslegung kann zwar der Erblasser in Ansehung des von ihm freywillig vermachten Vertrages den Vormund lossprechen; auch das vormundschaftliche Gericht kann dieses, wenn das Einkommen die Auslagen für den Unterhalt und die Erziehung des Minderjährigen wahrscheinlich nicht übersteigt; allein das in der Inventur aufgenommene Hauptvermögen und Capital muß ein Vormund in allen Fällen ausweisen; auch von dem Zustande seines Pflegebefohlenen, wenn darin eine wichtige Veränderung vorgeht, Bericht erstatten.

Zeit der Rechnungslegung.

§. 239. Die Rechnungen müssen mit jedem Jahre oder längstens innerhalb zwey Monathen nach dessen Verlauf mit allen erforderlichen Belegen dem vormundschaftlichen Gerichte übergeben werden. In diesen Rechnungen muß die Einnahme und Ausgabe, der Ueberschuß oder die Verminderung des Capitals genau bestimmt werden. Ist unter dem Vermögen des Minderjährigen eine Handlung begriffen, so hat sich das Gericht mit dem vorgelegten beglaubigten Rechnungsabschlusse, oder mit der so genannten Bilanz, zu begnügen und solche geheim zu halten. Gegen einen Vormund, welcher in der bestimmten Zeit die Rechnung zu legen unterläßt, müssen die den Umständen angemessenen rechtlichen Zwangsmittel angewendet werden.

Ort, wo die Rechnung zu legen.

§. 240. Wenn der Minderjährige in verschiedenen Provinzen unbewegliche Güter besitzt, deren Verwaltung einem Vormunde allein anvertraut ist; so muß der Vormund für jede Provinz eine besondere Rechnung führen und der dortigen Behörde vorlegen: allein es bleibt ihm freygestellt, zum Besten des Minderjährigen den Ueberschuß des in einer Provinz gelegenen Vermögens in einer anderen zu verwenden.

Art der Rechnungserledigung.

§. 241. Das vormundschaftliche Gericht ist verbunden, die Rechnungen des Vormundes nach den besonderen Vorschriften durch Rechnungs- und Sachverständige prüfen und berichtigen zu lassen, und die Erledigung darüber dem Vormunde mitzutheilen.

§. 242. Ist in den Rechnungen etwas vergessen worden, oder sonst was immer für ein Verstoß untergelaufen, so kann dieses weder dem Vormunde, noch dem Minderjährigen zum Nachtheile gereichen.

Besondere Vorschriften für den Vormund bey der mittelbaren Vermögensverwaltung. Inbesonderheit bey Vertretungen.

§. 243. Ein Minderjähriger kann weder als Kläger, noch als Geklagter vor Gericht erscheinen; es muß ihn der Vormund entweder selbst vertreten, oder durch einen Anderen vertreten lassen.

Bey Verträgen des Pflegebefohlenen.

§. 244. Ein Minderjähriger ist zwar berechtiget, durch erlaubte Handlungen ohne Mitwirkung seines Vormundes etwas für sich zu erwerben: allein er kann ohne Genehmhaltung der Vormundschaft weder etwas von dem Seinigen veräußern, noch eine Verpflichtung auf sich nehmen.

§. 245. Insbesondere können Minderjährige ohne Einwilligung der Vormundschaft keine gültige Ehe eingehen (§§. 49-51).

In welchen Fällen der Minderjährige ohne Einwilligung des Vormundes verbunden werde.

§. 246. Auch ohne Einwilligung seines Vormundes kann der Minderjährige sich selbständig durch Vertrag zu Dienstleistungen verpflichten, und nur aus wichtigen Gründen kann der Vormund den vom Minderjährigen geschlossenen Vertrag vorzeitig lösen. Was der Minderjährige auf diese oder auf eine andere Art durch seinen Fleiß erwirbt, darüber kann er, sowie mit den Sachen, die ihm nach erreichter Mündigkeit zu seinem Gebrauche eingehändigt worden sind, frei verfügen und sich verpflichten.

§. 247. Einem Minderjährigen, der das zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat, kann die Obervormundschaft den reinen Ueberschuß seiner Einkünfte zur eigenen freyen Verwaltung überlassen; über diesen seiner Verwaltung anvertrauten Betrag ist er berechtiget, eigenmächtig sich zu verbinden.

§. 248. Ein Minderjähriger, welcher sich nach zurückgelegtem zwanzigsten Jahre bei einem Geschäfte für großjährig ausgibt, ist für allen Schaden verantwortlich, wenn der andere Teil vor Abschließung des Geschäftes nicht wohl erst Erkundigung über die Wahrheit des Vorgebens einholen konnte.

Ein mündiger Minderjähriger ist auch in Hinsicht auf andere verbotene Handlungen und den durch sein Verschulden verursachten Schaden mit seinem ganzen Vermögen verantwortlich.

Endigung der Vormundschaft; a) durch den Tod;

§. 249. Eine Vormundschaft endiget sich gänzlich durch den Tod des Minderjährigen. Stirbt aber der Vormund oder wird er entlassen, so muß nach der Vorschrift des Gesetzes (§. 198 und 199) ein anderer bestellet werden.

b) nach gehobenem Hinderniß der Ausübung der väterlichen Gewalt;

§. 250. Die Vormundschaft endiget sich auch, wenn der Vater die durch einige Zeit gehemmte Ausübung seiner Gewalt wieder übernimmt (§. 176).

c) durch die wirkliche Volljährigkeit;

§. 251. Die Vormundschaft erlischt auch sogleich, als der Pflegebefohlene die Großjährigkeit erreicht hat; doch kann das vormundschaftliche Gericht auf Ansuchen oder nach Vernehmung des Vormundes, und der Verwandten wegen Leibes- oder Gemüthsgebrechen des Pflegebefohlenen, wegen Verschwendung oder aus anderen wichtigen Gründen die Fortdauer der Vormundschaft auf eine längere oder unbestimmte Zeit anordnen. Diese Verordnung muß aber in einem angemessenen Zeitraume vor dem Eintritte der Volljährigkeit öffentlich bekannt gemacht werden.

d) durch die vermittelst ertheilter Nachsicht rechtlich angenommene Volljährigkeit;

§. 252. Einem Minderjährigen, welcher das zwanzigste Jahr zurückgelegt hat, kann das vormundschaftliche Gericht nach eingehohltem Gutachten des Vormundes und allenfalls auch der nächsten Verwandten, die Nachsicht des Alters verwilligen und ihn volljährig erklären. Wird einem Minderjährigen der Betrieb einer Handlung oder eines Gewerbes von der Behörde verstattet, so wird er dadurch zugleich für volljährig erkläret. Die Erklärung der Volljährigkeit hat ganz gleiche rechtliche Wirkung mit der wirklich erreichten Volljährigkeit.

e) durch die amtliche oder angesuchte Entlassung des Vormundes

§. 253. Die Entlassung des Vormundes verordnet das Gericht in einigen Fällen von Amts wegen, in anderen, wenn darum angesucht wird.

Fälle der amtlichen Entlassung.

§. 254. Von Amts wegen muß ein Vormund entlassen werden, wenn er die Vormundschaft pflichtwidrig verwaltet; wenn er als unfähig erkannt wird; oder, wenn sich in Ansehung seiner solche Bedenklichkeiten äußern, welche ihn Kraft des Gesetzes von Uebernehmung der Vormundschaft ausgeschlossen haben würden. 2

§. 255. Das Vormundschaftsgericht kann die Entlassung einer zum Vormund bestellten Frau verordnen, wenn sie sich verheiratet. Zum Vormund bestellte verheiratete Frauen sind zu entlassen, wenn die Zustimmung des Ehegatten zur Führung der Vormundschaft widerrufen wird.

§. 256. Hat der Erblasser oder das Gericht einen Vormund nur auf eine Zeit bestellet, oder ihn auf einen bestimmten Ereignungsfall ausgeschlossen; so muß er entlassen werden, sobald diese Zeit verflossen, oder der bestimmte Fall eingetreten ist.

Fälle der vom Vormunde,

§. 257. Wenn während der Vormundschaft solche Gründe eintreten, die den Vormund kraft der Gesetze von Uebernehmung derselben befreyt, oder ausgeschlossen hätten; so ist er in dem ersteren Falle berechtiget, in dem letzteren aber verpflichtet, die Entlassung anzusuchen.

§. 258. Einem Vormunde, dem man als vermeintlichen nächsten Verwandten des Minderjährigen die Vormundschaft aufgetragen hat, steht es frey, einen später entdeckten, näheren und tauglichen Verwandten an seine Stelle vorzuschlagen: allein der nähere Verwandte hat kein Recht, zu fordern, daß ihm ein minder naher Verwandter eine bereits angetretene Vormundschaft abtrete; er wäre denn früher sich zu melden gehindert worden.

oder der von Anderen rechtlich angesuchten Entlassung.

§. 259. Die Mutter oder der Bruder können, wenn sie zur Zeit der bestellten Vormundschaft selbst noch minderjährig waren, nach erreichter Volljährigkeit auf die Vormundschaft Anspruch machen. Auch steht jedem Verwandten frey, wenn das Gericht einen Nichtverwandten zur Vormundschaft berufen hat, sich binnen Jahresfrist um die Uebernehmung der Vormundschaft zu melden.

§. 260. Wenn eine Minderjährige sich verehelichet, so hängt es von der Beurtheilung des Gerichtes ab, ob die Curatel dem Ehegatten abgetreten werden soll (§. 175).

Bedingungen zur Entlassung des Vormundes:

a) gewöhnlicher Zeitpunct;

§. 261. Ein Vormund kann in der Regel nur am Ende des vormundschaftlichen Jahres, nachdem sein Nachfolger die Verwaltung des Vermögens ordentlich übernommen hat, die Vormundschaft niederlegen. Findet aber das Gericht es zur Sicherheit der Person oder des Vermögens nothwendig, so kann es ihm dieselbe auch sogleich abnehmen.

b) Schlußrechnung;

§. 262. Ein Vormund ist verbunden, längstens innerhalb zwey Monathen nach geendigter Vormundschaft dem Gerichte seine Schlußrechnung zu übergeben, und erhält von demselben nach gepflogener Richtigkeit eine Urkunde über die redlich und ordentlich geführte Verwaltung seines Amtes. Diese Urkunde spricht ihn aber von der Verbindlichkeit aus einer später entdeckten arglistigen Handlung nicht frey.

c) Uebergabe des Vermögens.

§. 263. Am Ende einer Vormundschaft ist es die Pflicht des Vormundes das Vermögen dem volljährig gewordenen, oder dem neu bestellten Vormunde gegen Empfangsschein zu übergeben, und sich darüber bey Gericht auszuweisen. Das aufgenommene Verzeichniß des Vermögens, und die jährlich begnehmigten Rechnungen dienen bey solchen Uebergaben zur Richtschnur.

Haftung des Vormundes aus fremdem Verschulden.

§. 264. Insgemein hat ein Vormund nur für sein Verschulden und nicht auch für das Verschulden der ihm Untergeordneten zu haften. Hat er aber wissentlich unfähige Personen angestellet, hat er solche beybehalten, oder nicht auf den Ersatz des von ihnen verursachten Schadens gedrungen; so ist er auch dieser Nachlässigkeit wegen verantwortlich.

Subsidiarische Haftung des vormundschaftlichen Gerichtes.

§. 265. Selbst das vormundschaftliche Gericht, welches sein Amt zum Nachtheile eines Minderjährigen vernachlässiget hat, ist dafür verantwortlich, und, wenn andere Mittel zum Ersatze mangeln, den Schaden zu ersetzen verbunden.

Belohnung des Vormundes:

a) jährliche;

§. 266. Emsigen Vormündern kann das Gericht aus den in Ersparung kommenden Einkünften eine verhältnißmäßige jährliche Belohnung zuerkennen; doch darf diese Belohnung nie mehr als fünf von Hundert der reinen Einkünfte betragen, und sich höchstens auf vier tausend Gulden jährlich belaufen.

b) oder bey dem Austritte.

§. 267. Wenn das Vermögen des Minderjährigen so geringe ist, daß sich wenig oder nichts in jährliche Ersparung bringen läßt; so kann einem Vormund, welcher das Vermögen unvermindert erhalten, oder dem Minderjährigen eine anständige Versorgung verschafft hat, wenigstens am Ende der Vormundschaft eine den Umständen angemessene Belohnung ertheilet werden.

Rechtsmittel des Vormundes bey Beschwerden.

§. 268. Ein Vormund, welcher sich durch eine Verordnung des vormundschaftlichen Gerichtes beschwert zu seyn erachtet, soll die Beschwerde zuerst bey dem nähmlichen Gerichte, und nur, wenn diese fruchtlos war, den Recurs bey dem höheren Gerichte anbringen.

II. Von der Curatel.

Begriff der Curatel.

§. 269. Für Personen, welche ihre Angelegenheiten nicht selbst besorgen, und ihre Rechte nicht selbst verwahren können, hat das Gericht, wenn die väterliche oder vormundschaftliche Gewalt nicht Platz findet, einen Curator oder Sachwalter zu bestellen.

Fälle der Curatel.

§. 270. Dieser Fall tritt ein: bey Minderjährigen, die in einer anderen Provinz ein unbewegliches Vermögen besitzen (§. 225); oder, die in einem besonderen Falle von dem Vater oder Vormunde nicht vertreten werden können; bey Volljährigen, die in Wahn- oder Blödsinn verfallen; bey erklärten Verschwendern; bey Ungebornen; zuweilen auch bey Taubstummen; bey Abwesenden und bey Sträflingen.

a) für Minderjährige;

§. 271. In Geschäften, welche zwischen Aeltern und einem minderjährigen Kinde, oder zwischen einem Vormunde und dem Minderjährigen vorfallen, muß das Gericht angegangen werden, für den Minderjährigen einen besonderen Curator zu ernennen.

§. 272. Fallen zwischen zwey oder mehreren Minderjährigen, welche einen und denselben Vormund haben, Rechtsstreitigkeiten vor, so darf dieser Vormund keinen der Minderjährigen vertreten; sondern er muß das Gericht angehen, daß es für jeden insbesondere einen anderen Curator ernenne.

b) für Wahn- oder Blödsinnige;

§. 273. Für wahn- oder blödsinnig kann nur derjenige gehalten werden, welcher nach genauer Erforschung seines Betragens und nach Einvernehmung der von dem Gerichte ebenfalls dazu verordneten Aerzte gerichtlich dafür erkläret wird.

c) für Verschwender:

Als Verschwender aber muß das Gericht denjenigen erklären, von welchem nach der vorgekommenen Anzeige und der hierüber gepflogenen Untersuchung offenbar wird, daß er sein Vermögen auf eine unbesonnene Art durchbringt, und sich oder seine Familie durch muthwillige oder unter verderblichen Bedingungen geschlossene Borgverträge künftigem Nothstande Preis gibt. In beyden Fällen muß die gerichtliche Erklärung öffentlich bekannt gemacht werden.

d) für Ungeborne;

§. 274. In Rücksicht auf Ungeborne wird ein Sachwalter entweder für die Nachkommenschaft überhaupt, oder für eine bereits vorhandene Leibesfrucht (§. 22) aufgestellet. Im ersten Falle hat der Sachwalter dafür zu sorgen, daß die Nachkommenschaft bey einem ihr bestimmten Nachlasse nicht verkürzet werde; im zweyten Falle aber, daß die Rechte des noch ungebornen Kindes erhalten werden.

e) für Taubstumme;

§. 275. Taubstumme, wenn sie zugleich blödsinnig sind, bleiben beständig unter Vormundschaft; sind sie aber nach Antritt des fünf und zwanzigsten Jahres ihre Geschäfte zu verwalten fähig, so darf ihnen wider ihren Willen kein Curator gesetzt werden; nur sollen sie vor Gericht nie ohne einen Sachwalter erscheinen.

f) für Abwesende und für unbekannte Theilnehmer an einem Geschäfte;

§. 276. Die Bestellung eines Curators für Abwesende, oder für die dem Gerichte zur Zeit noch unbekannten Theilnehmer an einem Geschäfte findet dann Statt, wenn sie keinen ordentlichen Sachwalter zurückgelassen haben, ohne solchen aber ihre Rechte durch Verzug gefährdet, oder die Rechte eines Anderen in ihrem Gange gehemmet würden. Ist der Aufenthaltsort eines Abwesenden bekannt, so muß ihn sein Curator von der Lage seiner Angelegenheiten unterrichten, und diese Angelegenheiten, wenn keine andere Verfügung getroffen wird, wie jene eines Minderjährigen besorgen.

§. 277. Sucht jemand bey Eintretung der durch das Gesetz in dem §. 24. bestimmten Erforderungen die gerichtliche Todeserklärung eines Abwesenden an, so hat das Gericht für diesen Abwesenden vor Allem einen Curator zu ernennen; dann wird er durch ein auf ein ganzes Jahr gestelltes Edict mit dem Beysatze vorgeladen, daß das Gericht, wenn er während der Zeit nicht erscheint, oder das Gericht auf eine andere Art in die Kenntniß seines Lebens setzt, zur Todeserklärung schreiten werde.

§. 278. Der Tag, an welchem eine Todeserklärung ihre Rechtskraft erlangt hat, wird für den rechtlichen Sterbetag eines Abwesenden gehalten; doch schließt eine Todeserklärung den Beweis nicht aus, daß der Abwesende früher oder später gestorben; oder, daß er noch am Leben sey. Kommt ein solcher Beweis zu Stande, so ist derjenige, welcher auf den Grund der gerichtlichen Todeserklärung ein Vermögen in Besitz genommen hat, wie ein anderer redlicher Besitzer zu behandeln.

g) für Sträflinge.

§. 279. Einem zur schwersten oder schweren Kerkerstrafe verurtheilten Verbrecher ist ein Curator zu bestellen, wenn er ein Vermögen besitzt, welches durch die länger fortdauernde Strafe einer Gefahr ausgesetzt seyn würde.

Bestellung der Curatel.

§. 280. Das Gericht, welchem die Ernennung eines Vormundes zusteht, hat in der Regel unter der nähmlichen Vorsicht und nach den nähmlichen Grundsätzen auch den Curator zu bestellen. Ist es aber um die Verwaltung einer Sache oder eines Geschäftes zu thun, welche zu einem anderen Gerichtsstande gehören; so hat dieser Gerichtsstand auch den Curator zu ernennen.

Entschuldigungsursachen.

§. 281. Wer die gehörigen Eigenschaften zum vormundschaftlichen Amte besitzt, kann auch eine Curatel übernehmen. Auch finden bey der Curatel die nähmlichen Entschuldigungsgründe und Vorzugsrechte wie bey der Vormundschaft Statt. 2

Rechte und Verbindlichkeiten.

§. 282. Die Rechte und Verbindlichkeiten der Curatoren, welche entweder nur für die Verwaltung des Vermögens, oder zugleich für die Person ihres Pflegebefohlenen zu sorgen haben, sind aus den den Vormündern hierüber ertheilten Vorschriften zu beurtheilen. 3

Erlöschung derselben.

§. 283. Die Curatel hört auf, wenn die dem Curator anvertrauten Geschäfte geendiget sind, oder, wenn die Gründe aufhören, die den Pflegebefohlenen an der Verwaltung seiner Angelegenheiten verhindert haben. Ob ein Wahn- oder Blödsinniger den Gebrauch der Vernunft erhalten habe; oder, ob der Wille eines Verschwenders gründlich und dauerhaft gebessert sey; muß nach einer genauen Erforschung der Umstände, aus einer anhaltenden Erfahrung, und im ersten Falle zugleich aus den Zeugnissen der zur Untersuchung von dem Gerichte bestellten Aerzte entschieden werden.

Vormundschaftsrat

§. 284. Zur Unterstützung der Gerichte bei Ausübung der Vormundschafts- und Kuratelsgerichtsbarkeit sind die Vormundschaftsräte berufen. Über deren Zusammensetzung und Aufgaben wird durch besonderes Gesetz bestimmt.

 

Zweyter Theil des bürgerlichen Gesetzbuches.

Von dem Sachenrechte.

Von Sachen und ihrer rechtlichen Eintheilung.

Begriff von Sachen im rechtlichen Sinne.

§. 285. Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt.

Eintheilung der Sachen nach Verschiedenheit des Subjectes, dem sie gehören.

§. 286. Die Sachen in dem Staatsgebiethe sind entweder ein Staats- oder ein Privat-Gut. Das Letztere gehört einzelnen oder moralischen Personen, kleineren Gesellschaften, oder ganzen Gemeinden.

Freystehende Sachen; öffentliches Gut und Staatsvermögen.

§. 287. Sachen, welche allen Mitgliedern des Staates zur Zueignung überlassen sind, heißen freystehende Sachen. Jene, die ihnen nur zum Gebrauche verstattet werden, als: Landstraßen, Ströme, Flüsse, Seehäfen und Meeresufer, heißen ein allgemeines oder öffentliches Gut. Was zur Bedeckung der Staatsbedürfnisse bestimmt ist, als: das Münz- oder Post- und andere Regalien, Kammergüter, Berg- und Salzwerke, Steuern und Zölle, wird das Staatsvermögen genannt.

Gemeindegut; Gemeindevermögen.

§. 288. Auf gleiche Weise machen die Sachen, welche nach der Landesverfassung zum Gebrauche eines jeden Mitgliedes einer Gemeinde dienen, das Gemeindegut; diejenigen aber, deren Einkünfte zur Bestreitung der Gemeindeauslagen bestimmt sind, das Gemeindevermögen aus.

Privat-Gut des Landesfürsten.

§. 289. Auch dasjenige Vermögen des Landesfürsten, welches er nicht als Oberhaupt des Staates besitzt, wird als ein Privat-Gut betrachtet.

Allgemeine Vorschrift in Rücksicht dieser verschiedenen Arten der Güter.

§. 290. Die in diesem Privat-Rechte enthaltenen Vorschriften über die Art, wie Sachen rechtmäßig erworben, erhalten und auf Andere übertragen werden können, sind in der Regel auch von den Verwaltern der Staats- und Gemeindegüter, oder des Staats- und Gemeindevermögens zu beobachten. Die in Hinsicht auf die Verwaltung und den Gebrauch dieser Güter sich beziehenden Abweichungen und besonderen Vorschriften sind in dem Staatsrechte und in den politischen Verordnungen enthalten.

Eintheilung der Sachen nach dem Unterschiede ihrer Beschaffenheit.

§. 291. Die Sachen werden nach dem Unterschiede ihrer Beschaffenheit eingetheilt: in körperliche und unkörperliche; in bewegliche und unbewegliche; in verbrauchbare und unverbrauchbare; in schätzbare und unschätzbare.

Körperliche und unkörperliche Sachen;

§. 292. Körperliche Sachen sind diejenigen, welche in die Sinne fallen; sonst heißen sie unkörperliche; z. B. das Recht zu jagen, zu fischen und alle andere Rechte.

bewegliche und unbewegliche.

§. 293. Sachen, welche ohne Verletzung ihrer Substanz von einer Stelle zur anderen versetzt werden können, sind beweglich; im entgegengesetzten Falle sind sie unbeweglich. Sachen, die an sich beweglich sind, werden im rechtlichen Sinne für unbeweglich gehalten, wenn sie vermöge des Gesetzes oder der Bestimmung des Eigenthümers das Zugehör einer unbeweglichen Sache ausmachen.

Zugehör überhaupt;

§. 294. Unter Zugehör versteht man dasjenige, was mit einer Sache in fortdauernde Verbindung gesetzt wird. Dahin gehören nicht nur der Zuwachs einer Sache, so lange er von derselben nicht abgesondert ist; sondern auch die Nebensachen, ohne welche die Hauptsache nicht gebraucht werden kann, oder die das Gesetz oder der Eigenthümer zum fortdauernden Gebrauche der Hauptsache bestimmt hat.

insbesondere bey Grundstücken und Teichen;

§. 295. Gras, Bäume, Früchte und alle brauchbare Dinge, welche die Erde auf ihrer Oberfläche hervorbringt, bleiben so lange ein unbewegliches Vermögen, als sie nicht von Grund und Boden abgesondert worden sind. Selbst die Fische in einem Teiche, und das Wild in einem Walde werden erst dann ein bewegliches Gut, wenn der Teich gefischet, und das Wild gefangen oder erlegt worden ist.

§. 296. Auch das Getreide, das Holz, das Viehfutter und alle übrige, obgleich schon eingebrachte Erzeugnisse, so wie alles Vieh und alle zu einem liegenden Gute gehörige Werkzeuge und Geräthschaften werden in so fern für unbewegliche Sachen gehalten, als sie zur Fortsetzung des ordentlichen Wirthschaftsbetriebes erforderlich sind.

und bey Gebäuden.

§. 297. Eben so gehören zu den unbeweglichen Sachen diejenigen, welche auf Grund und Boden in der Absicht aufgeführt werden, daß sie stets darauf bleiben sollen, als: Häuser und andere Gebäude mit dem in senkrechter Linie darüber befindlichen Luftraume; ferner: nicht nur Alles, was erd- mauer- niet- und nagelfest ist, als: Braupfannen, Branntweinkessel und eingezimmerte Schränke, sondern auch diejenigen Dinge, die zum anhaltenden Gebrauche eines Ganzen bestimmt sind: z. B. Brunneneimer, Seile, Ketten, Löschgeräthe und dergleichen.

Maschinen.

§. 297a. Werden mit einer unbeweglichen Sache Maschinen in Verbindung gebracht, so gelten sie nicht als Zugehör, wenn mit Zustimmung des Eigentümers der Liegenschaft im öffentlichen Buch angemerkt wird, daß die Maschinen Eigentum eines anderen sind. Werden sie als Ersatz an Stelle solcher Maschinen angebracht, die als Zugehör anzusehen waren, so ist zu dieser Anmerkung auch die Zustimmung der früher eingetragenen bücherlich Berechtigten erforderlich. Die Anmerkung verliert mit Ablauf von fünf Jahren nach der Eintragung ihre Wirkung; durch das Konkurs- oder Zwangsversteigerungsverfahren wird der Ablauf der Frist gehemmt.

Rechte sind insgemein als bewegliche Sachen anzusehen;

§. 298. Rechte werden den beweglichen Sachen beygezählt, wenn sie nicht mit dem Besitze einer unbeweglichen Sache verbunden, oder durch die Landesverfassung für eine unbewegliche Sache erkläret sind.

auch die vorgemerkten Forderungen.

§. 299. Schuldforderungen werden durch die Sicherstellung auf ein unbewegliches Gut nicht in ein unbewegliches Vermögen verwandelt.

Nach welchen Gesetzen die unbeweglichen; und nach welchen die beweglichen Sachen zu beurtheilen sind.

§. 300. Unbewegliche Sachen sind den Gesetzen des Bezirkes unterworfen, in welchem sie liegen; alle übrige Sachen hingegen stehen mit der Person ihres Eigenthümers unter gleichen Gesetzen.

Verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen.

§. 301. Sachen, welche ohne ihre Zerstörung oder Verzehrung den gewöhnlichen Nutzen nicht gewähren, heißen verbrauchbare; die von entgegengesetzter Beschaffenheit aber, unverbrauchbare Sachen.

Gesammtsache (universitas rerum).

§. 302. Ein Inbegriff von mehreren besonderen Sachen, die als Eine Sache angesehen, und mit einem gemeinschaftlichen Nahmen bezeichnet zu werden pflegen, macht eine Gesammtsache aus, und wird als ein Ganzes betrachtet.

Schätzbare und unschätzbare;

§. 303. Schätzbare Sachen sind diejenigen, deren Werth durch Vergleichung mit anderen zum Verkehre bestimmt werden kann; darunter gehören auch Dienstleistungen, Hand- und Kopfarbeiten. Sachen hingegen, deren Werth durch keine Vergleichung mit anderen im Verkehre befindlichen Sachen bestimmt werden kann, heißen unschätzbare.

Maßstab der gerichtlichen Schätzung.

§. 304. Der bestimmte Werth einer Sache heißt ihr Preis. Wenn eine Sache vom Gerichte zu schätzen ist, so muß die Schätzung nach einer bestimmten Summe Geldes geschehen.

Ordentlicher und außerordentlicher Preis.

§. 305. Wird eine Sache nach dem Nutzen geschätzt, den sie mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet, so fällt der ordentliche und gemeine Preis aus; nimmt man aber auf die besonderen Verhältnisse und auf die in zufälligen Eigenschaften der Sache gegründete besondere Vorliebe desjenigen, dem der Werth ersetzt werden muß, Rücksicht, so entsteht ein außerordentlicher Preis.

Welcher bey gerichtlichen Schätzungen zur Richtschnur zu nehmen.

§. 306. In allen Fällen, wo nichts Anderes entweder bedungen, oder von dem Gesetze verordnet wird, muß bey der Schätzung einer Sache der gemeine Preis zur Richtschnur genommen werden.

Begriffe vom dinglichen und persönlichen Sachenrechte.

§. 307. Rechte, welche einer Person über eine Sache ohne Rücksicht auf gewisse Personen zustehen, werden dingliche Rechte genannt. Rechte, welche zu einer Sache nur gegen gewisse Personen unmittelbar aus einem Gesetze, oder aus einer verbindlichen Handlung entstehen, heißen persönliche Sachenrechte.

§. 308. Dingliche Sachenrechte sind das Recht des Besitzes, des Eigenthumes, des Pfandes, der Dienstbarkeit und des Erbrechtes.

 

Erste Abtheilung des Sachenrechtes.

Von den dinglichen Rechten.

Erstes Hauptstück.

Von dem Besitze.

Inhaber. Besitzer.

§. 309. Wer eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat, heißt ihr Inhaber. Hat der Inhaber einer Sache den Willen, sie als die seinige zu behalten, so ist er ihr Besitzer.

Erwerbung des Besitzes. Fähigkeit der Person zur Besitzerwerbung.

§. 310. Personen, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, sind an sich unfähig, einen Besitz zu erlangen. Sie werden durch einen Vormund oder Curator vertreten. Unmündige, welche die Jahre der Kindheit zurückgelegt haben, können für sich allein eine Sache in Besitz nehmen.

Gegenstände des Besitzes.

§. 311. Alle körperliche und unkörperliche Sachen, welche ein Gegenstand des rechtlichen Verkehres sind, können in Besitz genommen werden.

Arten der Besitzerwerbung;

§. 312. Körperliche, bewegliche Sachen werden durch physische Ergreifung, Wegführung oder Verwahrung; unbewegliche aber durch Betretung, Verrainung, Einzäunung, Bezeichnung oder Bearbeitung in Besitz genommen. In den Besitz unkörperlicher Sachen oder Rechte kommt man durch den Gebrauch derselben im eigenen Nahmen.

insbesondere von einem bejahenden, verneinenden oder einem Verbothsrechte.

§. 313. Der Gebrauch eines Rechtes wird gemacht, wenn jemand von einem Anderen etwas als eine Schuldigkeit fordert, und dieser es ihm leistet; ferner, wenn jemand die einem Anderen gehörige Sache mit dessen Gestattung zu seinem Nutzen anwendet; endlich, wenn auf fremdes Verboth ein Anderer das, was er sonst zu thun befugt wäre, unterläßt.

Unmittelbare und mittelbare Erwerbungsart des Besitzes.

§. 314. Den Besitz sowohl von Rechten, als von körperlichen Sachen erlangt man entweder unmittelbar, wenn man freystehender Rechte und Sachen; oder mittelbar, wenn man eines Rechtes, oder einer Sache, die einem Anderen gehört, habhaft wird.

Umfang der Erwerbung.

§. 315. Durch die unmittelbare und durch die mittelbare eigenmächtige Besitzergreifung erhält man nur so viel in Besitz, als wirklich ergriffen, betreten, gebraucht, bezeichnet, oder in Verwahrung gebracht worden ist; bey der mittelbaren, wenn uns der Inhaber in seinem oder eines Anderen Nahmen ein Recht oder eine Sache überläßt, erhält man Alles, was der vorige Inhaber gehabt und durch deutliche Zeichen übergeben hat, ohne daß es nöthig ist, jeden Theil des Ganzen besonders zu übernehmen.

Rechtmäßiger, unrechtmäßiger Besitz.

§. 316. Der Besitz einer Sache heißt rechtmäßig, wenn er auf einem gültigen Titel, das ist, auf einem zur Erwerbung tauglichen Rechtsgrunde beruhet. Im entgegengesetzten Falle heißt er unrechtmäßig.

Haupttitel des rechtmäßigen Besitzes.

§. 317. Der Titel liegt bey freystehenden Sachen in der angebornen Freyheit zu Handlungen, wodurch die Rechte Anderer nicht verletzet werden; bey Anderen in dem Willen des vorigen Besitzers, oder in dem Ausspruche des Richters, oder endlich in dem Gesetze, wodurch jemanden das Recht zum Besitze ertheilet wird.

Der Inhaber hat noch keinen Titel;

§. 318. Dem Inhaber, der eine Sache nicht in seinem, sondern im Nahmen eines Anderen inne hat, kommt noch kein Rechtsgrund zur Besitznahme dieser Sache zu.

und kann ihn nicht eigenmächtig erlangen.

§. 319. Der Inhaber einer Sache ist nicht berechtiget, den Grund seiner Gewahrsame eigenmächtig zu verwechseln, und sich dadurch eines Titels anzumaßen; wohl aber kann derjenige, welcher bisher eine Sache in eigenem Nahmen rechtmäßig besaß, das Besitzrecht einem Anderen überlassen, und sie künftig in dessen Nahmen inne haben.

Wirkung des bloßen Titels.

§. 320. Durch einen gültigen Titel erhält man nur das Recht zum Besitze einer Sache, nicht den Besitz selbst. Wer nur das Recht zum Besitze hat, darf sich im Verweigerungsfalle nicht eigenmächtig in den Besitz setzen; er muß ihn von dem ordentlichen Richter mit Anführung seines Titels im Wege Rechtens fordern.

Erforderung zum wirklichen Besitzrechte.

§. 321. Wo so genannte Landtafeln, Stadt- oder Grundbücher, oder andere dergleichen öffentliche Register eingeführt sind, wird der rechtmäßige Besitz eines dinglichen Rechtes auf unbewegliche Sachen nur durch die ordentliche Eintragung in diese öffentlichen Bücher erlangt.

§. 322. Ist eine bewegliche Sache nach und nach mehreren Personen übergeben worden; so gebühret das Besitzrecht derjenigen, welche sie in ihrer Macht hat. Ist aber die Sache unbeweglich, und sind öffentliche Bücher eingeführt; so steht das Besitzrecht ausschließlich demjenigen zu, welcher als Besitzer derselben eingeschrieben ist.

Der Besitzer kann zur Angabe des Rechtsgrundes nicht aufgefordert werden.

§. 323. Der Besitzer einer Sache hat die rechtliche Vermuthung eines gültigen Titels für sich; er kann also zur Angabe desselben nicht aufgefordert werden.

§. 324. Diese Aufforderung findet auch dann noch nicht Statt, wenn jemand behauptet, daß der Besitz seines Gegners mit anderen rechtlichen Vermuthungen, z. B. mit der Freyheit des Eigenthumes, sich nicht vereinbaren lasse. In solchen Fällen muß der behauptende Gegner vor dem ordentlichen Richter klagen, und sein vermeintliches stärkeres Recht darthun. Im Zweifel gebührt dem Besitzer der Vorzug.

Ausnahme.

§. 325. In wie fern der Besitzer einer Sache, deren Verkehr verbothen; oder die entwendet zu seyn scheint, den Titel seines Besitzes anzuzeigen verbunden sey, darüber entscheiden die Straf- und politischen Gesetze.

Redlicher und unredlicher Besitzer.

§. 326. Wer aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die seinige hält, ist ein redlicher Besitzer. Ein unredlicher Besitzer, ist derjenige, welcher weiß oder aus den Umständen vermuthen muß, daß die in seinem Besitze befindliche Sache einem Anderen zugehöre. Aus Irrthum in Thatsachen oder aus Unwissenheit der gesetzlichen Vorschriften kann man ein unrechtmäßiger (§. 316) und doch ein redlicher Besitzer seyn.

Wie ein Mitbesitzer zum unredlichen oder unrechtmäßigen Besitzer werde.

§. 327. Besitzt eine Person die Sache selbst, eine andere aber das Recht auf alle oder auf einige Nutzungen dieser Sache; so kann eine und dieselbe Person, wenn sie die Gränzen ihres Rechtes überschreitet, in verschiedenen Rücksichten ein redlicher und unredlicher, ein rechtmäßiger und unrechtmäßiger Besitzer seyn.

Entscheidung über die Redlichkeit des Besitzes.

§. 328. Die Redlichkeit oder Unredlichkeit des Besitzes muß im Falle eines Rechtsstreites durch richterlichen Ausspruch entschieden werden. Im Zweifel ist die Vermuthung für die Redlichkeit des Besitzes.

Fortdauer des Besitzes. Rechte des redlichen Besitzes; a) in Rücksicht der Substanz der Sache;

§. 329. Ein redlicher Besitzer kann schon allein aus dem Grunde des redlichen Besitzes die Sache, die er besitzt, ohne Verantwortung nach Belieben brauchen, verbrauchen, auch wohl vertilgen.

b) der Nutzungen;

§. 330. Dem redlichen Besitzer gehören alle aus der Sache entspringende Früchte, so bald sie von der Sache abgesondert worden sind; ihm gehören auch alle andere schon eingehobene Nutzungen, in so fern sie während des ruhigen Besitzes bereits fällig gewesen sind.

c) des Aufwandes.

§. 331. Hat der redliche Besitzer an die Sache entweder zur fortwährenden Erhaltung der Substanz einen nothwendigen, oder, zur Vermehrung noch fortdauernder Nutzungen einen nützlichen Aufwand gemacht; so gebührt ihm der Ersatz nach dem gegenwärtigen Werthe, in so fern er den wirklich gemachten Aufwand nicht übersteigt.

§. 332. Von dem Aufwande, welcher nur zum Vergnügen und zur Verschönerung gemacht worden ist, wird nur so viel ersetzt, als die Sache dem gemeinen Werthe nach wirklich dadurch gewonnen hat; doch hat der vorige Besitzer die Wahl, Alles für sich wegzunehmen, was davon ohne Schaden der Substanz weggenommen werden kann.

Anspruch auf den Ersatz des Preises.

§. 333. Selbst der redliche Besitzer kann den Preis, welchen er seinem Vormanne für die ihm überlassene Sache gegeben hat, nicht fordern. Wer aber eine fremde Sache, die der Eigenthümer sonst schwerlich wieder erlangt haben würde, redlicher Weise an sich gelöset, und dadurch dem Eigenthümer einen erweislichen Nutzen verschaffet hat, kann eine angemessene Vergütung fordern.

§. 334. Ob einem redlichen Inhaber das Recht zustehe, seiner Forderung wegen die Sache zurück zu behalten, wird in dem Hauptstücke vom Pfandrechte bestimmt.

Verbindlichkeit des unredlichen Besitzers.

§. 335. Der unredliche Besitzer ist verbunden, nicht nur alle durch den Besitz einer fremden Sache erlangte Vortheile zurück zu stellen; sondern auch diejenigen, welche der Verkürzte erlangt haben würde, und allen durch seinen Besitz entstandenen Schaden zu ersetzen. In dem Falle, daß der unredliche Besitzer durch eine in den Strafgesetzen verbothene Handlung zum Besitze gelanget ist, erstrecket sich der Ersatz bis zum Werthe der besonderen Vorliebe.

§. 336. Hat der unredliche Besitzer einen Aufwand auf die Sache gemacht, so ist dasjenige anzuwenden, was in Rücksicht des von einem Geschäftsführer ohne Auftrag gemachten Aufwandes in dem Hauptstücke von der Bevollmächtigung verordnet ist.

Beurtheilung der Redlichkeit des Besitzes einer Gemeinde.

§. 337. Der Besitz einer Gemeinde wird nach der Redlichkeit oder Unredlichkeit der im Nahmen der Mitglieder handelnden Machthaber beurtheilet. Immer müssen jedoch die unredlichen sowohl den redlichen Mitgliedern, als dem Eigenthümer den Schaden ersetzen.

In wie fern durch die Klage der Besitz unredlich werde.

§. 338. Auch der redliche Besitzer, wenn er durch richterlichen Ausspruch zur Zurückstellung der Sache verurtheilet wird, ist in Rücksicht des Ersatzes der Nutzungen und des Schadens, wie auch in Rücksicht des Aufwandes, von dem Zeitpuncte der ihm zugestellten Klage, gleich einem unredlichen Besitzer zu behandeln; doch haftet er für den Zufall, der die Sache bey dem Eigenthümer nicht getroffen hätte, nur in dem Falle, daß er die Zurückgabe durch einen muthwilligen Rechtsstreit verzögert hat.

Rechtsmittel des Besitzers bey einer Störung seines Besitzes;

§. 339. Der Besitz mag von was immer für einer Beschaffenheit seyn, so ist niemand befugt, denselben eigenmächtig zu stören. Der Gestörte hat das Recht, die Untersagung des Eingriffes, und den Ersatz des erweislichen Schadens gerichtlich zu fordern.

besonders durch eine Bauführung;

§. 340. Wird der Besitzer einer unbeweglichen Sache oder eines dinglichen Rechtes durch Führung eines neuen Gebäudes, Wasserwerkes, oder anderen Werkes in seinen Rechten gefährdet, ohne daß sich der Bauführer nach Vorschrift der allgemeinen Gerichtsordnung gegen ihn geschützt hat; so ist der Gefährdete berechtiget, das Verboth einer solchen Neuerung vor Gericht zu fordern, und das Gericht ist verbunden, die Sache auf das schleunigste zu entscheiden.

§. 341. Bis zur Entscheidung der Sache ist die Fortsetzung des Baues von dem Gerichte in der Regel nicht zu gestatten. Nur bey einer nahen, offenbaren Gefahr, oder, wenn der Bauführer eine angemessene Sicherheit leistet, daß er die Sache in den vorigen Stand setzen, und den Schaden vergüten wolle, der Verbothsleger dagegen in dem letzteren Falle keine ähnliche Sicherstellung für die Folgen seines Verboths leistet, ist die einstweilige Fortsetzung des Baues zu bewilligen.

§. 342. Was in den vorhergehenden §§. in Rücksicht einer neuen Bauführung verordnet wird, ist auch auf die Niederreißung eines alten Gebäudes, oder anderen Werkes anzuwenden.

und bey der Gefahr eines vorhandenen Baues.

§. 343. Kann der Besitzer eines dinglichen Rechtes beweisen, daß ein bereits vorhandener fremder Bau oder eine andere fremde Sache dem Einsturze nahe sey, und ihm offenbarer Schaden drohe; so ist er befugt, gerichtlich auf Sicherstellung zu dringen, wenn anders die politische Behörde nicht bereits hinlänglich für die öffentliche Sicherheit gesorgt hat.

Rechtsmittel zur Erhaltung des Besitzstandes: a) bey dringender Gefahr;

§. 344. Zu den Rechten des Besitzes gehört auch das Recht, sich in seinem Besitze zu schützen, und in dem Falle, daß die richterliche Hülfe zu spät kommen würde, Gewalt mit angemessener Gewalt abzutreiben (§. 19). Uebrigens hat die politische Behörde für die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, so wie das Strafgericht für die Bestrafung öffentlicher Gewaltthätigkeiten, zu sorgen.

b) gegen den unechten Besitzer;

§. 345. Wenn sich jemand in den Besitz eindringt, oder durch List oder Bitte heimlich einschleicht, und das, was man ihm aus Gefälligkeit, ohne sich einer fortdauernden Verbindlichkeit zu unterziehen gestattet, in ein fortwährendes Recht zu verwandeln sucht; so wird der an sich unrechtmäßige und unredliche Besitz noch überdieß unecht; in entgegengesetzten Fällen wird der Besitz für echt angesehen.

§. 346. Gegen jeden unechten Besitzer kann so wohl die Zurücksetzung in die vorige Lage, als auch die Schadloshaltung eingeklagt werden. Beydes muß das Gericht nach rechtlicher Verhandlung, selbst ohne Rücksicht auf ein stärkeres Recht, welches der Geklagte auf die Sache haben könnte, verordnen.

c) beym Zweifel über die Echtheit des Besitzes.

§. 347. Zeigt es sich nicht gleich auf der Stelle, wer sich in einem echten Besitze befinde, und in wie fern der eine oder der andere Theil auf gerichtliche Unterstützung Anspruch habe; so wird die im Streite verfangene Sache so lange der Gewahrsame des Gerichtes oder eines Dritten anvertraut, bis der Streit über den Besitz verhandelt und entschieden worden ist. Der Sachfällige kann auch nach dieser Entscheidung die Klage aus einem vermeintlich stärkeren Rechte auf die Sache noch anhängig machen.

Verwahrungsmittel des Inhabers gegen mehrere zusammentreffende Besitzwerber.

§. 348. Wenn der bloße Inhaber von mehreren Besitzwerbern zugleich um die Uebergabe der Sache angegangen wird, und sich Einer darunter befindet, in dessen Nahmen die Sache aufbewahrt wurde; so wird sie vorzüglich diesem übergeben, und die Uebergabe den Uebrigen bekannt gemacht. Kommt dieser Umstand Keinem zu Statten, so wird die Sache der Gewahrsame des Richters oder eines Dritten anvertraut. Der Richter hat die Rechtsgründe der Besitzwerber zu prüfen, und darüber zu entscheiden.

Erlöschung des Besitzes: a) körperlicher Sachen;

§. 349. Der Besitz einer körperlichen Sache geht insgemein verloren, wenn dieselbe ohne Hoffnung, wieder gefunden zu werden, in Verlust geräth; wenn sie freywillig verlassen wird; oder in fremden Besitz kommt.

b) der in die öffentlichen Bücher eingetragenen Rechte;

§. 350. Der Besitz derjenigen Rechte und unbeweglichen Sachen, welche einen Gegenstand der öffentlichen Bücher ausmachen, erlischt, wenn sie aus den landtäflichen, Stadt- oder Grundbüchern gelöscht; oder, wenn sie auf den Nahmen eines Anderen eingetragen werden.

c) anderer Rechte.

§. 351. Bey anderen Rechten hört der Besitz auf, wenn der Gegentheil das, was er sonst geleistet hat, nicht mehr leisten zu wollen erkläret; wenn er die Ausübung des Rechtes eines Anderen nicht mehr duldet; oder, wenn er das Verboth, etwas zu unterlassen, nicht mehr achtet, der Besitzer aber in allen diesen Fällen es dabey bewenden läßt, und die Erhaltung des Besitzes nicht einklagt. Durch den bloßen Nichtgebrauch eines Rechtes geht der Besitz, außer den im Gesetze bestimmten Verjährungsfällen, nicht verloren.

§. 352. So lange noch Hoffnung vorhanden ist, eine verlorne Sache zu erhalten, kann man sich durch den bloßen Willen in ihrem Besitze erhalten. Die Abwesenheit des Besitzers oder die eintretende Unfähigkeit, einen Besitz zu erwerben, heben den bereits erworbenen Besitz nicht auf.

 

Zweytes Hauptstück.

Von dem Eigenthumsrechte.

Begriff des Eigenthumes; Eigenthum im objectiven Sinne;

§. 353. Alles, was jemanden zugehöret, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigenthum.

im subjectiven.

§. 354. Als ein Recht betrachtet, ist Eigenthum das Befugniß, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkühr zu schalten, und jeden Anderen davon auszuschließen.

objective und subjective Möglichkeit der Erwerbung des Eigenthumes.

§. 355. Alle Sachen sind insgemein Gegenstände des Eigenthumsrechtes, und jedermann, den die Gesetze nicht ausdrücklich ausschließen, ist befugt, dasselbe durch sich selbst oder durch einen Anderen in seinem Nahmen zu erwerben.

§. 356. Wer also behauptet, daß der Person, die etwas erwerben will, in Rücksicht ihrer persönlichen Fähigkeit, oder in Rücksicht auf die Sache, die erworben werden soll, ein gesetzliches Hinderniß entgegen stehe, dem liegt der Beweis ob.

Eintheilung des Eigenthumes in vollständiges und unvollständiges.

§. 357. Wenn das Recht auf die Substanz einer Sache mit dem Rechte auf die Nutzungen in Einer und derselben Person vereinigt ist, so ist das Eigenthumsrecht vollständig und ungetheilt. Kommt aber Einem nur ein Recht auf die Substanz der Sache; dem Anderen dagegen nebst einem Rechte auf die Substanz, das ausschließende Recht auf derselben Nutzungen zu, dann ist das Eigenthumsrecht getheilt und für beyde unvollständig. Jener wird Obereigenthümer; dieser Nutzungseigenthümer genannt.

§. 358. Alle andere Arten der Beschränkungen durch das Gesetz oder durch den Willen des Eigenthümers heben die Vollständigkeit des Eigenthumes nicht auf.

§. 359. Die Absonderung des Rechtes auf die Substanz von dem Rechte auf die Nutzungen entsteht theils durch Verfügung des Eigenthümers; theils durch gesetzliche Verordnung. Nach Verschiedenheit der zwischen dem Ober- und Nutzungseigenthümer obwaltenden Verhältnisse werden die Güter, worin das Eigenthum getheilt ist, Lehen- Erbpacht- und Erbzinsgüter genannt. Von dem Lehen wird in dem besonders bestehenden Lehenrechte; von den Erbpacht- und Erbzinsgütern aber in dem Hauptstücke von Bestandverträgen gehandelt.

§. 360. Aus der bloßen Abführung eines fortdauernden Zinses, oder jährlicher Renten von einem Grundstücke kann man noch nicht auf die Theilung des Eigenthumes folgern. In allen Fällen, in welchen die Trennung des Rechtes auf die Substanz von dem Rechte auf die Nutzungen nicht ausdrücklich erhellet, ist jeder redliche Besitzer als vollständiger Eigenthümer anzusehen.

Miteigenthum.

§. 361. Wenn eine noch ungetheilte Sache mehreren Personen zugleich zugehört; so entsteht ein gemeinschaftliches Eigenthum. In Beziehung auf das Ganze werden die Miteigenthümer für eine einzige Person angesehen; in so weit ihnen aber gewisse, obgleich unabgesonderte Theile angewiesen sind, hat jeder Miteigenthümer das vollständige Eigenthum des ihm gehörigen Theiles.

Rechte des Eigenthümers.

§. 362. Kraft des Rechtes, frey über sein Eigenthum zu verfügen, kann der vollständige Eigenthümer in der Regel seine Sache nach Willkühr benützen oder unbenützt lassen; er kann sie vertilgen, ganz oder zum Theile auf Andere übertragen, oder unbedingt sich derselben begeben, das ist, sie verlassen.

Beschränkungen derselben.

§. 363. Eben diese Rechte genießen auch unvollständige, sowohl Ober- als Nutzungseigenthümer; nur darf der Eine nichts vornehmen, was mit dem Rechte des Anderen im Widerspruche steht.

§. 364. Ueberhaupt findet die Ausübung des Eigenthumsrechtes nur in so fern Statt, als dadurch weder in die Rechte eines Dritten ein Eingriff geschieht, noch die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden.

Der Eigentümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.

§. 364a. Wird jedoch die Beeinträchtigung durch eine Bergwerksanlage oder eine behördlich genehmigte Anlage auf dem nachbarlichen Grund in einer dieses Maß überschreitenden Weise verursacht, so ist der Grundbesitzer nur berechtigt, den Ersatz des zugefügten Schadens gerichtlich zu verlangen, auch wenn der Schaden durch Umstände verursacht wird, auf die bei der behördlichen Verhandlung keine Rücksicht genommen wurde.

§. 364b. Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, daß der Boden oder das Gebäude des Nachbars die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, daß der Besitzer des Grundstückes für eine genügende anderweitige Befestigung Vorsorge trifft.

§. 364c. Ein vertragsmäßiges oder letztwilliges Veräußerungs- oder Belastungsverbot hinsichtlich einer Sache oder eines dingliches Rechtes verpflichtet nur den ersten Eigentümer, nicht aber seine Erben oder sonstige Rechtsnachfolger. Gegen Dritte wirkt es dann, wenn es zwischen Ehegatten, Eltern und Kindern, Wahl- oder Pflegekindern oder deren Ehegatten begründet und im öffentlichen Buche eingetragen wurde.

§. 365. Wenn es das allgemeine Beste erheischt, muß ein Mitglied des Staates gegen eine angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige Eigenthum einer Sache abtreten.

Klagen aus dem Eigenthumsrechte:

a) Eigentliche Eigenthumsklage: wem und gegen wen sie gebühre?

§. 366. Mit dem Rechte des Eigenthümers jeden Anderen von dem Besitze seiner Sache auszuschließen, ist auch das Recht verbunden, seine ihm vorenthaltene Sache von jedem Inhaber durch die Eigenthumsklage gerichtlich zu fordern. Doch steht dieses Recht demjenigen nicht zu, welcher eine Sache zur Zeit, da er noch nicht Eigenthümer war, in seinem eigenen Nahmen veräußert, in der Folge aber das Eigenthum derselben erlangt hat.

§. 367. Die Eigenthumsklage findet gegen den redlichen Besitzer einer beweglichen Sache nicht Statt, wenn er beweiset, daß er diese Sache entweder in einer öffentlichen Versteigerung, oder von einem zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmanne, oder gegen Entgeld von jemanden an sich gebracht hat, dem sie der Kläger selbst zum Gebrauche, zur Verwahrung, oder in was immer für einer anderen Absicht anvertrauet hatte. In diesen Fällen wird von den redlichen Besitzern das Eigenthum erworben, und dem vorigen Eigenthümer steht nur gegen jene, die ihm dafür verantwortlich sind, das Recht der Schadloshaltung zu.

§. 368. Wird aber bewiesen, daß der Besitzer entweder schon aus der Natur der an sich gebrachten Sache, oder aus dem auffallend zu geringen Preise derselben, oder aus den bekannten persönlichen Eigenschaften seines Vormannes, aus dessen Gewerbe oder anderen Verhältnissen einen gegründeten Verdacht gegen die Redlichkeit seines Besitzers hätte schöpfen können; so muß er als ein unredlicher Besitzer die Sache dem Eigenthümer abtreten.

Was dem Kläger zu beweisen obliege?

§. 369. Wer die Eigenthumsklage übernimmt, muß den Beweis führen, daß der Geklagte die eingeklagte Sache in seiner Macht habe, und daß diese Sache sein Eigenthum sey.

§. 370. Wer eine bewegliche Sache gerichtlich zurückfordert, muß sie durch Merkmahle beschreiben, wodurch sie von allen ähnlichen Sachen gleicher Gattung ausgezeichnet wird.

§. 371. Sachen, die sich auf diese Art nicht unterscheiden lassen, wie bares Geld mit anderem baren Gelde vermenget, oder auf den Ueberbringer lautende Schuldbriefe, sind also in der Regel kein Gegenstand der Eigenthumsklage; wenn nicht solche Umstände eintreten, aus denen der Kläger sein Eigenthumsrecht beweisen kann, und aus denen der Geklagte wissen mußte, daß er die Sache sich zuzuwenden nicht berechtiget sey.

b) Eigenthumsklage aus dem rechtlich vermutheten Eigenthume des Klägers.

Gegen welche Besitzer diese Vermuthung eintrete?

§. 372. Wenn der Kläger mit dem Beweise des erworbenen Eigenthumes einer ihm vorenthaltenen Sache zwar nicht ausreicht, aber den gültigen Titel, und die echte Art, wodurch er zu ihrem Besitze gelangt ist, dargethan hat; so wird er doch in Rücksicht eines jeden Besitzers, der keinen, oder nur einen schwächeren Titel seines Besitzes anzugeben vermag, für den wahren Eigenthümer gehalten.

§. 373. Wenn also der Geklagte die Sache auf eine unredliche oder unrechtmäßige Weise besitzt; wenn er keinen oder nur einen verdächtigen Vormann anzugeben vermag; oder, wenn er die Sache ohne Entgeld, der Kläger aber gegen Entgeld erhalten hat; so muß er dem Kläger weichen.

§. 374. Haben der Geklagte und der Kläger einen gleichen Titel ihres echten Besitzes, so gebühret dem Geklagten kraft des Besitzes der Vorzug.

§. 375. Wer eine Sache in fremdem Nahmen besitzt, kann sich gegen die Eigenthumsklage dadurch schützen, daß er seinen Vormann nahmhaft macht, und sich darüber ausweiset.

Gesetzliche Folge: a) der Abläugnung des Besitzes;

§. 376. Wer den Besitz einer Sache vor Gericht läugnet, und dessen überwiesen wird, muß dem Kläger deßwegen allein schon den Besitz abtreten; doch behält er das Recht, in der Folge seine Eigenthumsklage anzustellen.

b) des vorgegebenen Besitzes;

§. 377. Wer eine Sache, die er nicht besitzt, zu besitzen vorgibt, und den Kläger dadurch irre führt, haftet für allen daraus entstehenden Schaden.

c) des aufgegebenen Besitzes der streitigen Sache.

§. 378. Wer eine Sache im Besitze hatte, und nach zugestellter Klage fahren ließ, muß sie dem Kläger, wenn dieser sich nicht an den wirklichen Inhaber halten will, auf seine Kosten zurück verschaffen, oder den außerordentlichen Werth derselben ersetzen.

Was der Besitzer dem Eigenthümer erstatte.

§. 379. Was sowohl der redliche als unredliche Besitzer dem Eigenthümer in Ansehung des entgangenen Nutzens, oder des erlittenen Schadens zu ersetzen habe, ist in dem vorigen Hauptstücke bestimmt worden.

 

Drittes Hauptstück.

Von der Erwerbung des Eigenthumes durch Zueignung.

Rechtliche Erfordernisse der Erwerbung.

§. 380. Ohne Titel und ohne rechtliche Erwerbungsart kann kein Eigenthum erlangt werden.

Titel und Art der unmittelbaren Erwerbung:

Die Zueignung.

§. 381. Bey freystehenden Sachen besteht der Titel in der angebornen Freyheit, sie in Besitz zu nehmen. Die Erwerbungsart ist die Zueignung, wodurch man sich einer freystehenden Sache bemächtiget, in der Absicht, sie als die seinige zu behandeln.

§. 382. Freystehende Sachen können von allen Mitgliedern des Staates durch die Zueignung erworben werden, in so fern dieses Befugniß nicht durch politische Gesetze eigeschränkt ist, oder einigen Mitgliedern das Vorrecht der Zueignung zusteht.

1) durch den Thierfang.

§. 383. Dieses gilt insbesondere von dem Thierfange. Wem das Recht zu jagen oder zu fischen gebühre; wie der übermäßige Anwachs des Wildes gehemmet, und der vom Wilde verursachte Schade ersetzet werde; wie der Honigraub, der durch fremde Bienen geschieht, zu verhindern sey; ist in den politischen Gesetzen festgesetzt. Wie Wilddiebe zu bestrafen seyn, wird in den Strafgesetzen bestimmt.

§. 384. Häusliche Bienenschwärme und andere zahme oder zahm gemachte Thiere sind kein Gegenstand des freyen Thierfanges, vielmehr hat der Eigenthümer das Recht, sie auf fremdem Grunde zu verfolgen; doch soll er dem Grundbesitzer den ihm etwa verursachten Schaden ersetzen. Im Falle, daß der Eigenthümer des Mutterstockes den Schwarm durch zwey Tage nicht verfolgt hat; oder, daß ein zahm gemachtes Thier durch zwey und vierzig Tage von selbst ausgeblieben ist, kann sie auf gemeinem Grunde jedermann; auf dem seinigen der Grundeigenthümer für sich nehmen, und behalten.

2) durch das Finden freystehender Sachen.

§. 385. Keine Privat-Person ist berechtiget, die dem Staate durch die politischen Verordnungen vorbehaltenen Erzeugnisse sich zuzueignen.

§. 386. Bewegliche Sachen, welche der Eigenthümer nicht mehr als die seinigen behalten will, und daher verläßt, kann sich jedes Mitglied des Staates eigen machen

§. 387. In wie fern Grundstücke wegen gänzlicher Unterlassung ihres Anbaues, oder Gebäude wegen der unterlassenen Herstellung für verlassen anzusehen, oder einzuziehen seyn, bestimmen die politischen Gesetze.

Vorschriften über das Finden:

a) verlorener Sachen;

§. 388. Es ist im Zweifel nicht zu vermuthen, daß jemand sein Eigenthum wolle fahren lassen; daher darf kein Finder eine gefundene Sache für verlassen ansehen und sich dieselbe zueignen. Noch weniger darf sich jemand des Strandrechtes anmaßen.

§. 389. Der Finder ist also verbunden, dem vorigen Besitzer, wenn er aus den Merkmahlen der Sache, oder aus anderen Umständen deutlich erkannt wird, die Sache zurück zu geben. Ist ihm der vorige Besitzer nicht bekannt, so muß er, wenn das Gefundene einen Gulden am Werthe übersteigt, den Fund innerhalb acht Tagen auf die an jedem Orte gewöhnliche Art bekannt machen lassen, und wenn die gefundene Sache mehr als zwölf Gulden werth ist, den Vorfall der Ortsobrigkeit anzeigen.

§. 390. Die Obrigkeit hat die gemachte Anzeige, ohne die besonderen Merkmahle der gefundenen Sache zu berühren, ungesäumt auf die an jedem Orte gewöhnliche Art; wenn aber der Eigenthümer in einer den Umständen angemessenen Zeitfrist sich nicht entdecket, und der Werth der gefundenen Sache fünf und zwanzig Gulden übersteigt, drey Mahl durch die öffentlichen Zeitungsblätter bekannt zu machen. Kann die gefundene Sache nicht ohne Gefahr in den Händen des Finders gelassen werden, so muß die Sache, oder, wenn diese nicht ohne merklichen Schaden aufbewahrt werden könnte, der durch die öffentliche Feilbiethung daraus gelöste Werth gerichtlich hinterlegt, oder einem Dritten zur Verwahrung übergeben werden.

§. 391. Wenn sich der vorige Inhaber oder Eigenthümer der gefundenen Sache in einer Jahresfrist, von der Zeit der vollendeten Kundmachung, meldet, und sein Recht gehörig darthut, wird ihm die Sache oder das daraus gelöste Geld verabfolget. Er ist jedoch verbunden, die Auslagen zu vergüten, und dem Finder auf Verlangen Zehen vom Hundert des gemeinen Werthes als Finderlohn zu entrichten. Wenn aber nach dieser Berechnung die Belohnung eine Summe von tausend Gulden erreicht hat; so soll sie in Rücksicht des Uebermaßes nur zu Fünf vom Hundert ausgemessen werden.

§. 392. Wird die gefundene Sache innerhalb der Jahresfrist von niemanden mit Recht angesprochen, so erhält der Finder das Recht, die Sache oder den daraus gelösten Werth zu benützen. Meldet sich der vorige Inhaber in der Folge, so muß ihm nach Abzug der Kosten und des Finderlohnes die Sache, oder der gelöste Werth sammt den etwa daraus gezogenen Zinsen zurückgestellt werden. Erst nach der Verjährungszeit erlangt der Finder gleich einem redlichen Besitzer das Eigenthumsrecht.

§. 393. Wer immer die in den §§. 388-392 angeführten Vorschriften außer Acht läßt, haftet für alle schädlichen Folgen. Läßt sie der Finder außer Acht, so verwirkt er auch den Finderlohn, und macht sich zu Folge des Strafgesetzbuches noch überdieß nach Umständen des Betruges schuldig.

§. 394. Mehreren Personen, welche eine Sache zugleich gefunden haben, kommen in Rücksicht derselben gleiche Verbindlichkeiten und Rechte zu. Unter die Mitfinder wird auch derjenige gezählt, welcher zuerst die Sache entdecket, und nach derselben gestrebt hat, obgleich ein Anderer sie früher an sich gezogen hätte.

b) verborgener Gegenstände;

§. 395. Werden vergrabene, eingemauerte oder sonst verborgene Sachen eines unbekannten Eigenthümers entdeckt; muß die Anzeige so, wie bey dem Funde überhaupt, gemacht werden.

§. 396. Wird der Eigenthümer aus den äußerlichen Merkmahlen oder anderen Umständen entdeckt, so ist ihm die Sache zuzustellen; er muß aber, wenn er nicht beweisen kann, schon ehe Kenntniß davon gehabt zu haben, dem Finder den §. 391. ausgemessenen Finderlohn entrichten.

§. 397. In dem Falle, daß sich der Eigenthümer nicht sogleich erkennen läßt, muß die Obrigkeit nach den Vorschriften der §§. 390-392. verfahren.

e) eines Schatzes;

§. 398. Bestehen die entdeckten Sachen in Geld, Schmuck oder anderen Kostbarkeiten, die so lange im Verborgenen gelegen haben, daß man ihren vorigen Eigenthümer nicht mehr erfahren kann, dann heißen sie ein Schatz. Die Entdeckung eines Schatzes ist von der Obrigkeit der Landesstelle anzuzeigen.

§. 399. Von einem Schatze wird der dritte Theil zum Staatsvermögen gezogen. Von den zwey übrigen Drittheilen erhält Eines der Finder, das andere der Eigenthümer des Grundes. Ist das Eigenthum des Grundes getheilt, so fällt das Drittheil dem Ober- und Nutzungseigenthümer zu gleichen Theilen zu. 1

§. 400. Wer sich dabey einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht; wer ohne Wissen und Willen des Nutzungseigenthümers den Schatz aufgesucht; oder den Fund verheimlichet hat; dessen Antheil soll dem Angeber; oder, wenn kein Angeber vorhanden ist, dem Staate zufallen.

§. 401. Finden Arbeitsleute zufälliger Weise einen Schatz, so gebührt ihnen als Findern ein Drittheil davon. Sind sie aber von dem Eigenthümer ausdrücklich zur Aufsuchung eines Schatzes gedungen worden, so müssen sie sich mit ihrem ordentlichen Lohne begnügen.

3) Von der Beute.

§. 402. Ueber das Recht der Beute und der von dem Feinde zurück erbeuteten Sachen sind die Vorschriften in den Kriegsgesetzen enthalten.

Von dem Rechte aus der Rettung einer fremden beweglichen Sache.

§. 403. Wer eine fremde bewegliche Sache von dem unvermeidlichen Verluste oder Untergange rettet, ist berechtiget, von dem rückfordernden Eigenthümer den Ersatz seines Aufwandes und eine verhältnißmäßige Belohnung von höchstens Zehen von Hundert zu fordern.

 

Viertes Hauptstück.

Von Erwerbung des Eigenthumes durch Zuwachs.

Zuwachs.

§. 404. Zuwachs heißt Alles, was aus einer Sache entsteht, oder neu zu derselben kommt, ohne daß es dem Eigenthümer von jemand Anderen übergeben worden ist. Der Zuwachs wird durch Natur, durch Kunst, oder durch beyde zugleich bewirkt.

I. Natürlicher Zuwachs:

a) an Natur-Producten;

b) Werfen der Thiere;

§. 405. Die natürlichen Früchte eines Grundes, nähmlich solche Nutzungen, die er, ohne bearbeitet zu werden, hervor bringt, als: Kräuter, Schwämme und dergleichen, wachsen dem Eigenthümer des Grundes, so wie alle Nutzungen, welche aus einem Thiere entstehen, dem Eigenthümer des Thieres zu.

§. 406. Der Eigenthümer eines Thieres, welches durch das Thier eines andern befruchtet wird, ist diesem keinen Lohn schuldig, wenn er nicht bedungen worden ist.

c) Inseln;

§. 407. Wenn in der Mitte eines Gewässers eine Insel entsteht, so sind die Eigenthümer der nach der Länge derselben an beyden Ufern liegenden Grundstücke ausschließend befugt, die entstandene Insel in zwey gleichen Theilen sich zuzueignen, und nach Maß der Länge ihrer Grundstücke unter sich zu theilen. Entsteht die Insel auf der einen Hälfte des Gewässers, so hat der Eigenthümer des näheren Uferlandes allein darauf Anspruch. Inseln auf schiffbaren Flüssen bleiben dem Staate vorbehalten.

§. 408. Werden bloß durch die Austrocknung des Gewässers, oder durch desselben Theilung in mehrere Arme, Inseln gebildet, oder Grundstücke überschwemmt; so bleiben die Rechte des vorigen Eigenthumes unverletzt.

d) vom verlassenen Wasserbeete;

§. 409. Wenn ein Gewässer sein Beet verläßt, so haben vor Allem die Grundbesitzer, welche durch den neuen Lauf des Gewässers Schaden leiden, das Recht, aus dem verlassenen Beete oder dessen Werthe entschädigt zu werden.

§. 410. Außer dem Falle einer solchen Entschädigung gehört das verlassene Beet, so wie von einer entstandenen Insel verordnet wird, den angränzenden Uferbesitzern.

e) vom Anspühlen;

§. 411. Das Erdreich, welches ein Gewässer unmerklich an ein Ufer anspühlt, gehört dem Eigenthümer des Ufers.

f) vom abgerissenen Lande.

§. 412. Wird aber ein merklicher Erdtheil durch die Gewalt des Flusses an ein fremdes Ufer gelegt; so verliert der vorige Besitzer sein Eigenthumsrecht darauf nur in dem Falle, wenn er es in einer Jahresfrist nicht ausübt.

§. 413. Jeder Grundbesitzer ist befugt, sein Ufer gegen das Ausreißen des Flusses zu befestigen. Allein niemand darf solche Werke oder Pflanzungen anlegen, die den ordentlichen Lauf des Flusses verändern, oder die der Schiffahrt, den Mühlen, der Fischerey oder andern fremden Rechten nachtheilig werden könnten. Ueberhaupt können ähnliche Anlagen nur mit Erlaubniß der politischen Behörde gemacht werden.

II. Künstlicher Zuwachs durch Verarbeitung oder Vereinigung überhaupt;

§. 414. Wer fremde Sachen verarbeitet; wer sie mit den seinigen vereinigt, vermengt, oder vermischt, erhält dadurch noch keinen Anspruch auf das fremde Eigenthum.

§. 415. Können dergleichen verarbeitete Sachen in ihren vorigen Stand zurückgebracht; vereinigte, vermengte oder vermischte Sachen wieder abgesondert werden; so wird einem jeden Eigenthümer das Seinige zurückgestellet, und demjenigen Schadloshaltung geleistet, dem sie gebührt. Ist die Zurücksetzung in den vorigen Stand, oder die Absonderung nicht möglich, so wird die Sache den Theilnehmern gemein; doch steht demjenigen, mit dessen Sache der Andere durch Verschulden die Vereinigung vorgenommen hat, die Wahl frey, ob er den ganzen Gegenstand gegen Ersatz der Verbesserung behalten, oder ihn dem Andern ebenfalls gegen Vergütung überlassen wolle. Der Schuld tragende Theilnehmer wird nach Beschaffenheit seiner redlichen oder unredlichen Absicht behandelt. Kann aber keinem Theile ein Verschulden beygemessen werden, so bleibt dem, dessen Antheil mehr werth ist, die Auswahl vorbehalten.

§. 416. Werden fremde Materialien nur zur Ausbesserung einer Sache verwendet, so fällt die fremde Materie dem Eigenthümer der Hauptsache zu, und dieser ist verbunden, nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen Verfahrens, dem vorigen Eigenthümer der verbrauchten Materialien den Werth derselben zu bezahlen.

insbesondere bey einem Baue.

§. 417. Wenn jemand auf eigenem Boden ein Gebäude aufführet, und fremde Materialien dazu verwendet hat, so bleibt das Gebäude zwar sein Eigenthum; doch muß selbst ein redlicher Bauführer dem Beschädigten die Materialien, wenn er sie außer den im §. 367. angeführten Verhältnissen an sich gebracht hat, nach dem gemeinen; ein unredlicher aber muß sie nach dem höchsten Preise, und überdieß noch allen anderweitigen Schaden ersetzen.

§. 418. Hat im entgegen gesetzten Falle jemand mit eigenen Materialien, ohne Wissen und Willen des Eigenthümers auf fremdem Grunde gebaut, so fällt das Gebäude dem Grundeigenthümer zu. Der redliche Bauführer kann den Ersatz der nothwendigen und nützlichen Kosten fordern; der unredliche wird gleich einem Geschäftsführer ohne Auftrag behandelt. Hat der Eigenthümer des Grundes die Bauführung gewußt, und sie nicht sogleich dem redlichen Bauführer untersagt, so kann er nur den gemeinen Werth für den Grund fordern.

§. 419. Ist das Gebäude auf fremden Grunde, und aus fremden Materialien entstanden, so wächst auch in diesem Falle das Eigenthum desselben dem Grundeigenthümer zu. Zwischen dem Grundeigenthümer und dem Bauführer treten die nähmlichen Rechte und Verbindlichkeiten, wie in dem vorstehenden Paragraphe, ein, und der Bauführer muß dem vorigen Eigenthümer der Materialien, nach Beschaffenheit seiner redlichen oder unredlichen Absicht, den gemeinen oder den höchsten Werth ersetzen.

III. Vermischter Zuwachs.

§. 420. Was bisher wegen der mit fremden Materialien aufgeführten Gebäude bestimmt worden ist, gilt auch für die Fälle, wenn ein Feld mit fremden Samen besäet, oder mit fremde Pflanzen besetzt worden ist. Ein solcher Zuwachs gehört dem Eigenthümer des Grundes, wenn anders die Pflanzen schon Wurzel geschlagen haben.

§. 421. Das Eigenthum eines Baumes wird nicht nach den Wurzeln, die sich in einem angränzenden Grunde verbreiten, sondern nach dem Stamme bestimmt, der aus dem Grunde hervorragt. Steht der Baum auf den Gränzen mehrerer Eigenthümer, so ist ihnen der Baum gemein.

§. 422. Jeder Grundeigenthümer kann die Wurzeln eines fremden Baumes aus seinem Boden reißen, und die über seinem Luftraume hängenden Aeste abschneiden oder sonst benützen.

 

Fünftes Hauptstück.

Von Erwerbung des Eigenthumes durch Uebergabe.

Mittelbare Erwerbung.

§. 423. Sachen, die schon einen Eigenthümer haben, werden mittelbar erworben, indem sie auf eine rechtliche Art von dem Eigenthümer auf einen Andern übergehen.

Titel derselben.

§. 424. Der Titel der mittelbaren Erwerbung liegt in einem Vertrage; in einer Verfügung auf den Todesfall; in dem richterlichen Ausspruche; oder, in der Anordnung des Gesetzes.

Mittelbare Erwerbungsart.

§. 425. Der bloße Titel gibt noch kein Eigenthum. Das Eigenthum und alle dingliche Rechte überhaupt können, außer den in dem Gesetze bestimmten Fällen, nur durch die rechtliche Uebergabe und Uebernahme erworben werden.

Arten der Uebergabe:

1) bey beweglichen Sachen:

a) körperliche Uebergabe;

§. 426. Bewegliche Sachen können in der Regel nur durch körperliche Uebergabe von Hand zu Hand an einen Andern übertragen werden.

b) Uebergabe durch Zeichen;

§. 427. Bey solchen beweglichen Sachen aber, welche ihrer Beschaffenheit nach keine körperliche Uebergabe zulassen, wie bey Schuldforderungen, Frachtgütern, bey einem Waarenlager oder einer andern Gesammtsache, gestattet das Gesetz die Uebergabe durch Zeichen; indem der Eigenthümer dem Uebernehmer die Urkunden, wodurch das Eigenthum dargethan wird, oder die Werkzeuge übergibt, durch die der Uebernehmer in den Stand gesetzt wird, ausschließend den Besitz der Sache zu ergreifen; oder, indem man mit der Sache ein Merkmahl verbindet, woraus jedermann deutlich erkennen kann, daß die Sache einem Andern überlassen worden ist.

c) durch Erklärung.

§. 428. Durch Erklärung wird die Sache übergeben, wenn der Veräußerer auf eine erweisliche Art seinen Willen an den Tag legt, daß er die Sache künftig im Nahmen des Uebernehmers inne habe; oder, daß der Uebernehmer die Sache, welche er bisher ohne ein dingliches Recht inne hatte, künftig aus einem dinglichen Recht besitzen solle.

Folge in Rücksicht der übersendeten;

§. 429. In der Regel werden überschickte Sachen erst dann für übergeben gehalten, wenn sie der Uebernehmer erhält; es wäre denn, daß dieser die Ueberschickungsart selbst bestimmt oder genehmiget hätte.

oder, an Mehrere veräußerten Sachen.

§. 430. Hat ein Eigenthümer eben dieselbe bewegliche Sache an zwey verschiedene Personen, an Eine mit, an die Andere ohne Uebergabe veräußert; so gebührt sie derjenigen, welcher sie zuerst übergeben worden ist; doch hat der Eigenthümer dem verletzten Theile zu haften.

2. Bei unbeweglichen Sachen und Bauwerken.

§. 431. Zur Uebertragung des Eigenthumes unbeweglicher Sachen muß das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden. Diese Eintragung nennt man Einverleibung (Intabulation).

Insbesondere bei Erwerbung

a) durch Vertrag

§. 432. Zu diesem Zwecke muß über das Erwerbungsgeschäft eine beglaubigte Urkunde in der zur Gültigkeit des Geschäftes vorgeschriebenen Form oder eine öffentliche Urkunde ausgefertigt werden.

§. 433. Die Urkunde muß die genaue Angabe der Personen, die das Eigentum übergeben und übernehmen; die Liegenschaft, die übergeben werden soll, mit ihren Bestandteilen; des Rechtsgrundes der Übergabe; ferner des Ortes und der Zeit des Vertragsschlusses enthalten; und es muß von dem Übergeber in dieser oder in einer besonderen Urkunde die ausdrückliche Erklärung abgegeben werden, daß er in die Einverleibung einwillige.

§. 434. Zur Übertragung des Eigentums an Liegenschaften, die in keinem Grundbuche eingetragen sind, muß eine mit den Erfordernissen der §§ 432 und 433 versehene Urkunde bei Gericht hinterlegt werden. An die Stelle der Bewilligung der Einverleibung tritt die Erklärung der Einwilligung zur Hinterlegung der Urkunde.

§. 435. Dasselbe gilt auch für die Übertragung des Eigentums an Bauwerken, die auf fremdem Grund in der Absicht aufgeführt sind, daß sie nicht stets darauf bleiben sollen, soferne sie nicht Zugehör eines Baurechtes sind.

b) durch Urtheil und andere gerichtliche Urkunden;

§. 436. Wenn das Eigentum unbeweglicher Sachen oder eines Bauwerkes zufolge rechtskräftigen Urteils, gerichtlicher Teilung oder Einantwortung einer Erbschaft übertragen werden soll, ist ebenfalls die Einverleibung (§§ 431 bis 433) oder die Hinterlegung der Urkunde (§§ 434, 435) erforderlich.

oder c) durch Vermächtniß.

§. 437. Ebenso ist es, um das Eigentum eines vermachten unbeweglichen Gutes oder eines Bauwerkes zu erwerben, notwendig, daß die Sache dem Vermächtnisnehmer gemäß §§ 431 bis 435 übergeben werde.

Bedingte Aufzeichnung in das öffentliche Buch; oder Vormerkung.

§. 438. Wenn derjenige, welcher das Eigenthum einer unbeweglichen Sache anspricht, darüber zwar eine glaubwürdige, aber nicht mit allen in den §§. 434 und 435 zur Einverleibung vorgeschriebenen Erfordernissen versehene Urkunde besitzt; so kann er doch, damit ihm niemand ein Vorrecht abgewinne, die bedingte Eintragung in das öffentliche Buch bewirken, welche Vormerkung (Pränotation) genannt wird. Dadurch erhält er ein bedingtes Eigenthumsrecht, und er wird, sobald er zu Folge richterlichen Anspruches die Vormerkung gerechtfertiget hat, von der Zeit des nach gesetzlicher Ordnung eingereichten Vormerkungsgesuches, für den wahren Eigenthümer gehalten.

§. 439. Die geschehene Vormerkung muß sowohl demjenigen, der sie bewirkt hat, als auch seinem Gegner durch Zustellung zu eigenen Handen bekannt gemacht werden. Der Vormerkungswerber muß binnen vierzehn Tagen, vom Tage der erhaltenen Zustellung, die ordentliche Klage zum Erweise des Eigenthumsrechtes einreichen; widrigen Falls soll die bewirkte Vormerkung auf Ansuchen des Gegners gelöschet werden.

Vorschrift über die Collision der Einverleibungen.

§. 440. Hat der Eigenthümer eben dieselbe unbewegliche Sache zwey verschiedenen Personen überlassen; so fällt sie derjenigen zu, welche früher die Einverleibung angesucht hat.

Folge der Erwerbung:

a) in Rücksicht des Besitzes;

§. 441. So bald die Urkunde über das Eigenthumsrecht in das öffentliche Buch eingetragen ist, tritt der neue Eigenthümer in den rechtmäßigen Besitz.

b) der damit verbundenen Rechte;

§. 442. Wer das Eigenthum einer Sache erwirbt, erlangt auch die damit verbundenen Rechte. Rechte, die auf die Person des Uebergebers eingeschränkt sind, kann er nicht übergeben. Ueberhaupt kann niemand einem Andern mehr Recht abtreten, als er selbst hat.

c) Lasten.

§. 443. Mit dem Eigenthume unbeweglicher Sachen werden auch die darauf haftenden, in den öffentlichen Büchern angemerkten Lasten übernommen. Wer diese Bücher nicht einsieht, leidet in allen Fällen für seine Nachlässigkeit. Andere Forderungen und Ansprüche, die jemand an den vorigen Eigenthümer hat, gehen nicht auf den neuen Erwerbe über.

Erlöschung des Eigenthumsrechtes.

§. 444. Das Eigenthum überhaupt kann durch den Willen des Eigenthümers; durch das Gesetz; und durch richterlichen Ausspruch verloren gehen. Das Eigenthum der unbeweglichen Sachen aber wird nur durch die Löschung aus den öffentlichen Büchern aufgehoben.

Ausdehnung dieser Vorschriften auf andere dingliche Rechte.

§. 445. Nach den in diesem Hauptstücke über die Erwerbungs- und Erlöschungsart des Eigenthumsrechtes unbeweglicher Sachen gegebenen Vorschriften hat man sich auch bey den übrigen, auf unbewegliche Sachen sich beziehenden, dinglichen Rechten zu verhalten.

Form und Vorsichten der Einverleibungen.

§. 446. Auf was Art und mit welchen Vorsichten überhaupt bey Einverleibung dinglicher Rechte vorzugehen sey, ist in den über die Einrichtung der Landtafeln und Grundbücher bestehenden besondern Anordnungen enthalten.

 

Sechstes Hauptstück.

Von dem Pfandrechte.

Begriff von dem Pfandrechte und Pfande.

§. 447. Das Pfandrecht ist das dingliche Recht, welches vom Gläubiger eingeräumt wird, aus einer Sache, wenn die Verbindlichkeit zur bestimmten Zeit nicht erfüllt wird, die Befriedigung zu erlangen. Die Sache, worauf dem Gläubiger dieses Recht zusteht, heißt überhaupt ein Pfand.

Arten des Pfandes.

§. 448. Als Pfand kann jede Sache dienen, die im Verkehre steht. Ist sie beweglich, so wird sie Handpfand, oder ein Pfand in enger Bedeutung genannt; ist sie unbeweglich, so heißt sie eine Hypothek oder ein Grundpfand.

Titel des Pfandrechtes:

§. 449. Das Pfandrecht bezieht sich zwar immer auf eine gültige Forderung, aber nicht jede Forderung gibt einen Titel zur Erwerbung des Pfandrechtes. Dieser gründet sich auf das Gesetz; auf einen richterlichen Ausspruch; auf einen Vertrag; oder den letzten Willen des Eigenthümers.

§. 450. Die Fälle, in welchen das Gesetz jemanden das Pfandrecht einräumt, sind am gehörigen Orte dieses Gesetzbuches und bey dem Verfahren in Concurs-Fällen angegeben. In wie fern das Gericht ein Pfandrecht einräumen könne, bestimmt die Gerichtsordnung. Soll durch die Einwilligung des Schuldners oder eines Dritten, der seine Sache für ihn verhaftet, das Pfandrecht erworben werden; so dienen die Vorschriften von Verträgen und Vermächtnissen zur Richtschnur.

Erwerbungsart des Pfandrechtes:

a) durch körperliche Übergabe;

b) durch Einverleibung oder gerichtliche Urkundenhinterlegung;

§. 451. Um das Pfandrecht wirklich zu erwerben, muß der mit einem Titel versehene Gläubiger, die verpfändete Sache, wenn sie beweglich ist, in Verwahrung nehmen; und, wenn sie unbeweglich ist, seine Forderung auf die zur Erwerbung des Eigenthumes liegender Güter vorgeschriebene Art einverleiben lassen. Der Titel allein gibt nur ein persönliches Recht zu der Sache, aber kein dingliches Recht auf die Sache.

Das Pfandrecht an bücherlich nicht eingetragenen Liegenschaften (§ 434) oder an Bauwerken (§ 435) wird durch die gerichtliche Hinterlegung einer beglaubigten Pfandbestellungsurkunde erworben. Die Urkunde muß die genaue Angabe des Pfandgegenstandes und der Forderung mit einer ziffermäßig bestimmten Geldsumme, bei einer verzinslichen Forderung auch die Höhe der Zinsen; ferner die ausdrückliche Zustimmung des Verpfänders zu der gerichtlichen Hinterlegung enthalten.

c) durch symbolische Uebergabe;

§. 452. Bey Verpfändung derjenigen beweglichen Sachen, welche keine körperliche Uebergabe von Hand zu Hand zulassen, muß man sich, wie bey der Uebertragung des Eigenthumes (§. 427.), solcher Zeichen bedienen, woraus jedermann die Verpfändung leicht erfahren kann. Wer diese Vorsicht unterläßt, haftet für die nachtheiligen Folgen.

d) durch die Vormerkung.

§. 453. Findet die Einverleibung einer Forderung in die öffentlichen Bücher wegen Mangels gesetzmäßiger Förmlichkeit in der Urkunde nicht Statt; so kann sich der Gläubiger vormerken (pränotiren) lassen. Durch die Vormerkung erhält er ein bedingtes Pfandrecht, welches, wenn die Forderung auf die oben §§. 438 und 439. angeführte Art gerechtfertiget worden ist, von dem Zeitpuncte des nach gesetzlicher Ordnung eingereichten Vormerkungsgesuches in ein unbedingtes übergeht.

Erwerbung eines Afterpfandes.

§. 454. Der Pfandinhaber kann sein Pfand, in so weit er ein Recht darauf hat, einem Dritten wieder verpfänden, und in so fern wird es zum Afterpfande, wenn zugleich Letzterer sie dasselbe übergeben, oder die Afterverpfändung auf das Pfandrecht in die öffentlichen Bücher eintragen läßt.

§. 455. Wird der Eigenthümer von der weiteren Verpfändung benachrichtiget; so kann er seine Schuld nur mit Willen dessen, der das Afterpfand hat, dem Gläubiger abführen, oder er muß sie gerichtlich hinterlegen, sonst bleibt das Pfand dem Inhaber des Afterpfandes verhaftet.

Verpfändung einer fremden Sache.

§. 456. Wird eine fremde bewegliche Sache ohne Einwilligung des Eigenthümers verpfändet, so hat dieser in der Regel zwar das Recht, sie zurück zu fordern; aber in solchen Fällen, in welchen die Eigenthumsklage gegen einen redlichen Besitzer nicht Statt hat (§. 367.) ist er verbunden, entweder den redlichen Pfandinhaber schadlos zu halten, oder das Pfand fahren zu lassen, und sich mit dem Ersatzrechte gegen den Verpfänder zu begnügen.

Objectiver Umfang des Pfandrechtes.

§. 457. Das Pfandrecht erstreckt sich auf alle zu dem freyen Eigenthume des Verpfänders gehörige Theile, auf Zuwachs und Zugehör des Pfandes, folglich auch auf die Früchte, in so lange sie noch nicht abgesondert oder bezogen sind. Wenn also ein Schuldner einem Gläubiger sein Gut, und einem andern später die Früchte desselben verpfändet; so ist die spätere Verpfändung nur in Rücksicht auf die schon abgesonderten und bezogenen Früchte wirksam.

Rechte und Verbindlichkeiten des Pfandgläubigers:

a) bey Entdeckung eines unzureichenden Pfandes;

§. 458. Wenn der Werth eines Pfandes durch Verschulden des Pfandgebers, oder wegen eines erst offenbar gewordenen Mangels der Sache zur Bedeckung der Schuld nicht mehr zureichend gefunden wird; so ist der Gläubiger berechtigt, von dem Pfandgeber ein anderes angemessenes Pfand zu fordern.

b) vor dem Verfalle;

§. 459. Ohne Bewilligung des Pfandgebers darf der Gläubiger das Pfandstück nicht benützen; er muß es vielmehr genau bewahren, und, wenn es durch sein Verschulden in Verlust geräth, dafür haften. Geht es ohne sein Verschulden verloren, so verliert er deswegen seine Forderung nicht.

§. 460. Hat der Gläubiger das Pfand weiter verpfändet; so haftet er selbst für einen solchen Zufall, wodurch das Pfand bey ihm nicht zu Grunde gegangen oder verschlimmert worden wäre.

c) nach dem Verfalle der Forderung.

§. 461. Wird der Pfandgläubiger nach Verlauf der bestimmten Zeit nicht befriediget; so ist er befugt, Feilbiethung des Pfandes gerichtlich zu verlangen. Das Gericht hat dabey nach Vorschrift der Gerichtsordnung zu verfahren.

§. 462. Vor der Feilbiethung des Gutes ist jedem darauf eingetragenen Pfandgläubiger die Einlösung der Forderung, wegen welcher die Feilbiethung angesucht worden, zu gestatten.

§. 463. Schuldner haben kein Recht bey Versteigerung einer von ihnen verpfändeten Sache mitzubiethen.

§. 464. Wird der Schuldbetrag aus dem Pfande nicht gelöset, so ersetzt der Schuldner das Fehlende; ihm fällt aber auch das zu, was über den Schuldbetrag gelöset wird.

§. 465. In wie fern ein Pfandgläubiger sich an sein Pfand zu halten schuldig; oder, auf ein anderes Vermögen seines Schuldners zu greifen berechtiget sey, bestimmt die Gerichtsordnung.

§. 466. Hat der Schuldner während der Verpfändungszeit das Eigenthum der verpfändeten Sache auf einen Andern übertragen, so steht dem Gläubiger frey, erst sein persönliches Recht gegen den Schuldner, und dann seine volle Befriedigung an der verpfändeten Sache zu suchen.

Erlöschung des Pfandrechtes.

§. 467. Wenn die verpfändete Sache zerstört wird; wenn sich der Gläubiger seines Rechtes darauf gesetzmäßig begibt; oder, wenn er sie dem Schuldner ohne Vorbehalt zurückstellt; so erlischt zwar das Pfandrecht, aber die Schuldforderung besteht noch.

§. 468. Das Pfandrecht erlischt ferner mit der Zeit, auf welche es eingeschränkt war, folglich auch mit dem zeitlichen Rechte des Pfandgebers auf die verpfändete Sache; wenn anders dieser Umstand dem Gläubiger bekannt war, oder aus den öffentlichen Büchern bekannt seyn konnte.

§. 469. (Durch Tilgung der Schuld hört das Pfandrecht auf. Der Pfandgeber ist aber die Schuld nur gegen dem zu tilgen verbunden, daß ihm das Pfand zugleich zurückgestellt werde. Zur Aufhebung einer Hypothek ist die Tilgung der Schuld allein nicht hinreichend. Ein Hypothekargut bleibt so lange verhaftet, bis die Schuld aus den öffentlichen Büchern gelöscht ist.) Bis dahin kann der Eigentümer des Gutes auf Grund einer Quittung oder einer anderen, das Erlöschen der Pfandschuld dartuenden Urkunde das Pfandrecht auf eine neue Forderung übertragen, die den Betrag der eingetragenen Pfandforderung nicht übersteigt.

§. 469a. Bei Bestellung des Pfandrechtes kann auf dieses Verfügungsrecht nicht verzichtet werden. Verpflichtet sich der Eigentümer einem andern gegenüber, eine bestimmte Hypothek löschen zu lassen, so kann er über die Hypothek nicht verfügen, wenn diese Verpflichtung im öffentlichen Buch bei der Hypothek angemerkt ist.

§. 470. Wird nach Tilgung der Schuld (§ 469) oder eingetretener Vereinigung (§ 1446), bevor das Pfandrecht bücherlich gelöscht oder die Liegenschaft oder das Pfandrecht übertragen worden ist, das Hypothekargut zwangsweise versteigert oder dessen Zwangsverwaltung bewilligt, so ist bei Verteilung des Erlöses auf dieses Pfandrecht keine Rücksicht zu nehmen. Nur insoweit die durch das Pfandrecht gesicherte Forderung gegen einen Dritten noch fortbesteht oder dem Eigentümer der Ersatz für deren Tilgung gebührt (§ 1358), wird der darauf entfallende Teil dem Eigentümer zugewiesen.

Von dem Retentions-Rechte.

§. 471. Wer zur Herausgabe einer Sache verpflichtet ist, kann sie zur Sicherung seiner fälligen Forderungen wegen des für die Sache gemachten Aufwandes oder des durch die Sache ihm verursachten Schadens mit der Wirkung zurückbehalten, daß er zur Herausgabe nur gegen die Zug um Zug zu bewirkende Gegenleistung verurteilt werden kann.

Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes kann durch Sicherheitsleistung abgewendet werden; Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.

 

Siebentes Hauptstück.

Von Dienstbarkeiten.

(Servituten.)

Begriff des Rechtes der Dienstbarkeit.

§. 472. Durch das Recht der Dienstbarkeit wird ein Eigenthümer verbunden, zum Vortheile eines Andern in Rücksicht seiner Sache etwas zu dulden oder zu unterlassen. Es ist ein dingliches, gegen jeden Besitzer der dienstbaren Sache wirksames Recht.

Eintheilung der Dienstbarkeiten in Grunddienstbarkeiten und persönliche;

§. 473. Wird das Recht der Dienstbarkeit mit dem Besitze eines Grundstückes zu dessen vortheilhafteren oder bequemeren Benützung verknüpft; so entsteht eine Grunddienstbarkeit; außer dem ist die Dienstbarkeit persönlich.

in Feld- und Haus-Servituten.

§. 474. Grunddienstbarkeiten setzen zwey Grundbesitzer voraus, deren Einem als Verpflichteten das dienstbare; dem Andern als Berechtigten das herrschende Gut gehört. Das herrschende Grundstück ist entweder zur Landwirthschaft oder zu einem andern Gebrauche bestimmt; daher unterscheidet man auch die Feld- und Haus-Servituten.

Gewöhnlichere Arten: a) der Haus-Servituten;

§. 475. Die Haus-Servituten sind gewöhnlich:

1) Das Recht, eine Last seines Gebäudes auf ein fremdes Gebäude zu setzen;

2) Einen Balken oder Sparren in eine fremde Wand einfügen;

3) Ein Fenster in der fremden Wand zu öffnen; es sey des Lichtes oder der Aussicht wegen;

4) Ein Dach oder einen Erker über des Nachbars Luftraum zu bauen;

5) Den Rauch durch des Nachbars Schorstein zu führen;

6) Die Dachtraufe auf fremden Grund zu leiten;

7) Flüssigkeiten auf des Nachbars Grund zu gießen oder durchzuführen.

Durch diese und ähnliche Haus-Servituten wird ein Hausbesitzer befugt, etwas auf dem Grunde seines Nachbars vorzunehmen, was dieser dulden muß.

§. 476. Durch andere Haus-Servituten wird der Besitzer des dienstbaren Grundes verpflichtet, etwas zu unterlassen, was ihm sonst zu thun frey stand. Dergleichen sind:

8) sein Haus nicht zu erhöhen;

9) es nicht niedriger zu machen;

10) dem herrschenden Gebäude Licht und Luft;

11) oder Aussicht nicht zu benehmen;

12) die Dachtraufe seines Hauses von dem Grunde des Nachbars, dem sie zur Bewässerung seines Gartens oder zur Füllung seiner Zisterne, oder auf eine andere Art nützlich seyn kann, nicht abzuleiten.

b) der Feld-Servituten;

§. 477. Die vorzüglichen Feld-Servituten sind:

1) das Recht, einen Fußsteig, Viehtrieb oder Fahrweg auf fremden Grund und Boden zu halten.

2) das Wasser zu schöpfen, das Vieh zu tränken, das Wasser ab- und herzuleiten;

3) Das Vieh zu hüthen und zu weiden;

4) Holz zu fällen, verdorrte Aeste und Reiser zu sammeln, Eicheln zu lösen, Laub zu rechen;

5) zu jagen, zu fischen, Vögel zu fangen;

6) Steine zu brechen, Sand zu graben, Kalk zu brennen.

Arten der persönlichen Dienstbarkeiten.

§. 478. Die persönlichen Servituten sind: der nöthige Gebrauch einer Sache; die Fruchtnießung; und die Wohnung.

Unregelmäßige und Schein-Servituten.

§. 479. Es können aber auch Dienstbarkeiten, welche an sich Grunddienstbarkeiten sind, der Person allein; oder, es können Begünstigungen, die ordentlicher Weise Servituten sind, nur bloß auf Widerrufen zugestanden werden. Die Abweichungen von der Natur einer Servitut werden jedoch nicht vermuthet; wer sie behauptet, dem liegt der Beweis ob.

Erwerbung des Rechtes der Dienstbarkeit. Titel zur Erwerbung.

§. 480. Der Titel zu einer Servitut ist auf einem Vertrage; auf einer letzten Willenserklärung; auf einem bey der Theilung gemeinschaftlicher Grundstücke erfolgten Rechtsspruche; oder endlich, auf Verjährung gegründet.

Erwerbungsart.

§. 481. Das dingliche Recht der Dienstbarkeit kann an Gegenständen, die in den öffentlichen Büchern eingetragen sind, nur durch die Eintragung in diese erworben werden.

An bücherlich nicht eingetragenen Liegenschaften (§ 434) oder an Bauwerken (§ 435) wird das dingliche Recht durch die gerichtliche Hinterlegung einer über die Einräumung der Dienstbarkeit errichteten beglaubigten Urkunde; auf andere Sachen aber durch die oben (§§ 426 bis 428) angegebenen Arten der Übergabe erworben.

Rechtsverhältniß bey den Dienstbarkeiten.

Allgemeine Vorschriften über das Recht der Dienstbarkeit.

§. 482. Alle Servituten kommen darin überein, daß der Besitzer der dienstbaren Sache in der Regel nicht verbunden ist, etwas zu thun; sondern nur einem Andern die Ausübung eines Rechtes zu gestatten, oder das zu unterlassen, was er als Eigenthümer sonst zu thun berechtiget wäre.

§. 483. Daher muß auch der Aufwand zur Erhaltung und Herstellung der Sache, welche zur Dienstbarkeit bestimmt ist, in der Regel von dem Berechtigten getragen werden. Wenn aber diese Sache auch von dem Verpflichteten benützet wird; so muß er verhältnißmäßig zu dem Aufwande beytragen, und nur durch die Abtretung derselben an dem Berechtigten kann er sich, auch ohne dessen Beystimmung, von dem Beytrage befreyen.

§. 484. Der Besitzer des herrschenden Gutes kann zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben; doch dürfen Servituten nicht erweitert, sie müssen vielmehr, in so weit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden.

§. 485. Keine Servitut läßt sich eigenmächtig von der dienstbaren Sache absondern, noch auf eine andere Sache oder Person übertragen. Auch wird jede Servitut insofern für unteilbar gehalten, als das auf dem Grundstücke haftende Recht durch Vergrößerung, Verkleinerung oder Zerstücklung desselben, abgesehen von dem im § 847 bezeichneten Falle, weder verändert noch geteilt werden kann.

§. 486. Ein Grundstück kann mehrern Personen zugleich dienstbar seyn, wenn anders die ältern Rechte eines Dritten nicht darunter leiden.

Anwendung auf die Grunddienstbarkeiten; insbesondere auf das Recht, eine Last, einen Balken auf fremdem Gebäude zu haben, oder, den Rauch durchzuführen.

§. 487. Nach den hier aufgestellten Grundsätzen sind die Rechtsverhältnisse bey den besondern Arten der Servituten zu bestimmen. Wer also die Last des benachbarten Gebäudes zu tragen; die Einfügung des fremden Balkens an seiner Wand; oder, den Durchzug des fremden Rauches in seinem Schorsteine zu dulden hat; der muß verhältnißmäßig zur Erhaltung der dazu bestimmten Mauer, Säule, Wand oder des Schorsteines beytragen. Es kann ihm aber nicht zugemuthet werden, daß er das herrschende Gut unterstützen oder den Schorstein des Nachbars ausbessern lasse.

Fensterrecht.

§. 488. Das Fensterrecht gibt nur auf Licht und Luft Anspruch; die Aussicht muß besonders bewilliget werden. Wer kein Recht zur Aussicht hat, kann angehalten werden, das Fenster zu vergittern. Mit dem Fensterrechte ist die Schuldigkeit verbunden, die Oeffnung zu verwahren; wer diese Verwahrung vernachlässiget, haftet für den daraus entstehenden Schaden.

Recht der Dachtraufe.

§. 489. Wer das Recht der Dachtraufe besitzt, kann das Regenwasser auf das fremde Dach frey oder durch Rinnen abfließen lassen; er kann auch sein Dach erhöhen; doch muß er solche Vorkehrungen treffen, daß dadurch die Dienstbarkeit nicht lästiger werde. Eben so muß er häufig gefallenen Schnee zeitig hinwegräumen, wie auch die zum Abflusse bestimmten Rinnen unterhalten.

Recht der Ableitung des Regenwassers.

§. 490. Wer das Recht hat, das Regenwasser von dem benachbarten Dache auf seinen Grund zu leiten, hat die Obliegenheit, für Rinnen, Wasserkästen und andere dazu gehörige Anstalten die Auslagen allein zu bestreiten.

§. 491. Erfordern die abzuführenden Flüssigkeiten Gräben und Canäle; so muß sie der Eigenthümer des herrschenden Grundes errichten; er muß sie auch ordentlich decken und reinigen, und dadurch die Last des dienstbaren Grundes erleichtern.

Recht des Fußsteiges, Viehtriebes und Fahrweges.

§. 492. Das Recht des Fußsteiges begreift das Recht in sich, auf diesem Steige zu gehen, sich von Menschen tragen, oder andere Menschen zu sich kommen zu lassen. Mit dem Viehtriebe ist das Recht, einen Schiebkarren zu gebrauchen; und, mit dem Fahrwege das Recht, mit Einem oder mehrern Zügen zu fahren, verbunden.

§. 493. Hingegen kann, ohne besondere Bewilligung das Recht zu gehen, nicht auf das Recht, zu reiten oder sich durch Thiere tragen zu lassen; weder das Recht des Viehtriebes auf das Recht, schwere Lasten über den dienstbaren Grund zu schleifen; noch das Recht zu fahren, auf das Recht, frey gelassenes Vieh darüber zu treiben, ausgedehnet werden.

§. 494. Zur Erhaltung des Weges, der Brücken und Stege tragen verhältnißmäßig alle Personen oder Grundbesitzer, denen der Gebrauch derselben zusteht, folglich auch der Besitzer des dienstbaren Grundes, so weit bey, als er davon Nutzen zieht.

Raum hierzu.

§. 495. Der Raum für diese drey Servituten muß dem nöthigen Gebrauche und den Umständen des Ortes angemessen seyn. Werden Wege und Steige durch Überschwemmung oder durch einen andern Zufall unbrauchbar; so muß, bis zu der Herstellung in den vorigen Stand, wenn nicht schon die politische Behörde eine Vorkehrung getroffen hat, ein neuer Raum angewiesen werden.

Recht, Wasser zu schöpfen.

§. 496. Mit dem Rechte, fremdes Wasser zu schöpfen, wird auch der Zugang zu demselben gestattet.

Recht der Wasserleitung

§. 497. Wer das Recht hat, Wasser von fremdem Grunde auf den seinigen; oder, von seinem Grunde auf fremden zu leiten, ist auch berechtigt, die dazu nöthigen Röhren, Rinnen und Schleußen auf eigene Kosten anzulegen. Das nicht zu überschreitende Maß dieser Anlagen wird durch das Bedürfniß des herrschenden Grundes festgesetzt.

Weiderecht.

§. 498. Ist bey Erwerbung des Weiderechtes die Gattung und die Anzahl des Triebviehes; ferner, die Zeit und das Maß des Genusses nicht bestimmt worden; so ist der ruhige dreyßigjährige Besitz zu schützen. In zweifelhaften Fällen dienen folgende Vorschriften zur Richtschnur.

Gesetzliche Bestimmung:

a) über die Gattung des Triebviehes;

§. 499. Das Weiderecht erstrecket sich, in so weit die politischen und im Forstwesen gegebenen Verordnungen nicht entgegenstehen, auf jede Gattung von Zug-, Rind- und Schafvieh, aber nicht auf Schweine und Federvieh; eben so wenig in waldigen Gegenden auf Ziegen. Unreines, ungesundes und fremdes Vieh ist stets von der Weide ausgeschlossen.

b) dessen Anzahl;

§. 500. Hat die Anzahl des Triebviehes während der letzten dreyßig Jahre abgewechselt; so muß aus dem Triebe der drey ersten Jahre die Mittelzahl angenommen werden. Erhellet auch diese nicht; so ist theils auf den Umfang, theils auf die Beschaffenheit der Weide billige Rücksicht zu nehmen, und dem Berechtigten wenigstens nicht gestattet, daß er mehr Vieh auf der fremden Weide halte, als er mit dem auf dem herrschenden Grunde erzeugten Futter durchwintern kann. Säugevieh wird nicht zur bestimmten Anzahl gerechnet.

c) Triftzeit;

§. 501. Die Triftzeit wird zwar überhaupt durch den in jeder Feldmarke eingeführten unangefochtenen Gebrauch bestimmt: allein in keinem Falle darf der vermöge politischer Bestimmungen geordnete Wirtschaftsbetrieb durch die Behütung verhindert, oder erschweret werden.

d) Maß des Genusses.

§. 502. Der Genuß des Weiderechtes erstreckt sich auf keine andere Benutzung. Der Berechtigte darf weder Gras mähen, noch in der Regel den Eigenthümer des Grundstückes von der Mitweide ausschließen, am wenigsten aber die Substanz der Weide verletzen.

Wenn ein Schade zu befürchten ist, muß er sein Vieh von einem Hirten hüthen lassen.

Anwendung dieser Bestimmungen auf andere Servituten.

§. 503. Was bisher in Rücksicht auf das Weiderecht vorgeschrieben worden, ist verhältnißmäßig auch auf die Rechte des Thierfanges, des Holzschlages, des Steinbrechens und die übrigen Servituten anzuwenden. Glaubt jemand diese Rechte auf das Miteigenthum gründen zu können; so sind die darüber entstehenden Streitigkeiten nach den, in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigenthumes, enthaltenen Grundsätzen zu entscheiden.

Persönliche Dienstbarkeiten; insbesondere:

1) das Recht des Gebrauches;

§. 504. Die Ausübung persönlicher Servituten wird, wenn nichts anderes verabredet worden ist, nach folgenden Grundsätzen bestimmt: Die Servitut des Gebrauches besteht darin, daß jemand befugt ist, eine fremde Sache, ohne Verletzung der Substanz, bloß zu seinem Bedürfnisse zu benützen.

Bestimmung in Rücksicht der Nutzungen;

§. 505. Wer also das Gebrauchsrecht einer Sache hat, der darf, ohne Rücksicht auf sein übriges Vermögen, den seinem Stande, seinem Gewerbe, und seinem Hauswesen angemessenen Nutzen davon ziehen.

§. 506. Das Bedürfniß ist nach dem Zeitpuncte der Bewilligung des Gebrauches zu bestimmen. Nachfolgende Veränderungen in dem Stande oder Gewerbe des Berechtigten geben keinen Anspruch auf einen ausgedehnteren Gebrauch.

der Substanz;

§. 507. Der Berechtigte darf die Substanz der ihm zum Gebrauche bewilligten Sache nicht verändern; er darf auch das Recht an keinen Andern übertragen.

und der Lasten;

§. 508. Alle Benützungen, die sich ohne Störung des Gebrauchsberechtigten aus der Sache schöpfen lassen, kommen dem Eigenthümer zu Statten. Dieser ist aber verbunden, alle ordentliche und außerordentliche, auf der Sache haftende Lasten zu tragen, und sie auf seine Kosten in gutem Stande zu erhalten. Nur wenn die Kosten denjenigen Nutzen übersteigen, der dem Eigenthümer übrig bleibt, muß der Berechtigte den Ueberschuß tragen, aber vom Gebrauche abstehen.

2) der Fruchtnießung.

§. 509. Die Fruchtnießung ist das Recht, eine fremde Sache, mit Schonung der Substanz, ohne alle Einschränkung zu genießen.

In wie fern sie sich auf verbrauchbare Sachen erstrecken könne.

§. 510. Verbrauchbare Sachen sind an sich selbst kein Gegenstand des Gebrauches oder der Fruchtnießung, sondern nur ihr Werth. Mit dem baren Gelde kann der Berechtigte nach Belieben verfügen. Wird aber ein bereits anliegendes Capital zum Fruchtgenusse oder Gebrauche bewilliget; so kann der Berechtigte nur die Zinsen fordern.

Rechte und Verbindlichkeiten des Fruchtnießers.

§. 511. Der Fruchtnießer hat ein Recht auf den vollen, sowohl gewöhnlichen als ungewöhnlichen, Ertrag; ihm gehört daher auch die mit Beobachtung der bestehenden Bergwerksordnung erhaltene reine Ausbeute von Bergwerksantheilen, und das forstmäßig geschlagene Holz. Auf einen Schatz, welcher in dem zur Fruchtnießung bestimmten Grunde gefunden wird, hat er keinen Anspruch.

Insbesondere:

a) in Rücksicht der auf der Sache haftenden Lasten;

§. 512. Als ein reiner Ertrag kann aber nur das angesehen werden, was nach Abzug aller nöthigen Auslagen übrig bleibt. Der Fruchtnießer übernimmt also alle Lasten, welche zur Zeit der bewilligten Fruchtnießung mit der dienstbaren Sache verbunden waren, mithin auch die Zinsen der darauf eingetragenen Capitalien. Auf ihn fallen alle ordentliche und außerordentliche, von der Sache zu leistende Schuldigkeiten, in so fern sie aus den während der Dauer der Fruchtnießung gezogenen Nutzungen bestritten werden können; er trägt auch die Kosten, ohne welche die Früchte nicht erzielet werden.

b) der Erhaltung der Sache;

§. 513. Der Fruchtnießer ist verbunden, die dienstbare Sache als ein guter Haushälter in dem Stande, in welchem er sie übernommen hat, zu erhalten, und aus dem Ertrage die Ausbesserungen, Ergänzungen und Herstellungen zu besorgen. Wird dessen ungeachtet der Werth der dienstbaren Sache bloß durch den rechtmäßigen Genuß ohne Verschulden des Fruchtnießers verringert; so ist er dafür nicht verantwortlich.

c) der Bauführungen;

§. 514. Wenn der Eigenthümer Bauführungen, die durch das Alter des Gebäudes, oder durch einen Zufall nothwendig gemacht werden, auf Anzeige des Fruchtnießers auf seine Kosten besorgt; ist ihm der Fruchtnießer, nach Maß der dadurch verbesserten Fruchtnießung, die Zinsen des verwendeten Capitals zu vergüten schuldig.

§. 515. Kann oder will der Eigenthümer dazu sich nicht verstehen; so ist der Fruchtnießer berechtigt, entweder den Bau zu führen, und nach geendigter Fruchtnießung, gleich einem redlichen Besitzer, den Ersatz zu fordern; oder, für die durch Unterbleibung des Baues vermißte Fruchtnießung, eine angemessene Vergütung zu verlangen.

§. 516. Bauführungen, welche nicht nothwendig, obgleich sonst zur Vermehrung des Ertrages gedeihlich sind, ist der Fruchtnießer nicht verbunden, ohne vollständige Entschädigung zu gestatten.

d) der Meliorationskosten.

§. 517. Was der Fruchtnießer ohne Einwilligung des Eigenthümers zur Vermehrung fortdauernder Nutzungen verwendet hat, kann er zurücknehmen; eine Vergütung der aus der Verbesserung noch bestehenden Nutzungen aber kann er nur fordern, in so fern sie ein Geschäftsführer ohne Auftrag zu fordern berechtigt ist.

Beweismittel darüber.

§. 518. Zur Erleichterung des Beweises der gegenseitigen Forderungen, sollen der Eigenthümer und der Fruchtnießer eine beglaubte Beschreibung aller dienstbaren Sachen aufnehmen lassen. Ist sie unterlassen worden; so wird vermuthet, daß der Fruchtnießer die Sache sammt allen zur ordentlichen Benützung derselben erforderlichen Stücken in brauchbarem Zustande von mittlerer Beschaffenheit erhalten habe.

Zutheilung der Nutzungen bey Erlöschung der Fruchtnießung.

§. 519. Nach geendigter Fruchtnießung gehören die noch stehenden Früchte dem Eigenthümer; doch muß er die auf deren Erzielung verwendeten Kosten dem Fruchtnießer oder dessen Erben, gleich einem redlichen Besitzer, ersetzen. Auf andere Nutzungen haben der Fruchtnießer oder dessen Erben den Anspruch nach Maß der Dauer der Fruchtnießung.

In wie fern der Gebrauchsberechtigte oder der Fruchtnießer zur Sicherstellung verbunden sey.

§. 520. In der Regel kann der Eigenthümer von dem Gebrauchsberechtigten oder Fruchtnießer nur bey einer sich äußernden Gefahr die Sicherstellung der Substanz verlangen. Wird sie nicht geleistet; so soll die Sache entweder dem Eigenthümer gegen eine billige Abfindung überlassen, oder nach Umständen in gerichtliche Verwaltung gegeben werden.

Dienstbarkeit der Wohnung.

§. 521. Die Servitut der Wohnung ist das Recht, die bewohnbaren Theile eines Hauses zu seinem Bedürfnisse zu benützen. Sie ist also ein Servitut des Gebrauches von dem Wohngebäude. Werden aber jemanden alle bewohnbare Theile des Hauses, mit Schonung der Substanz, ohne Einschränkung zu genießen überlassen; so ist es eine Fruchtnießung des Wohngebäudes. Hiernach sind die oben gegebenen Vorschriften auf das rechtliche Verhältniß zwischen dem Berechtigten und dem Eigenthümer anzuwenden.

§. 522. In jedem Falle behält der Eigenthümer das Recht, über alle Theile des Hauses, die nicht zur eigentlichen Wohnung gehören, zu verfügen; auch darf ihm die nöthige Aufsicht über sein Haus nicht erschweret werden.

Klagerecht in Rücksicht der Servituten.

§. 523. In Ansehung der Servituten findet ein doppeltes Klagerecht Statt. Man kann gegen den Eigenthümer das Recht der Servitut behaupten; oder der Eigenthümer kann sich über die Anmaßung einer Servitut beschweren. Im ersten Falle muß der Kläger die Erwerbung der Servitut, oder wenigstens den Besitz derselben als eines dinglichen Rechtes, im zweyten Falle muß er die Anmaßung der Servitut in seiner Sache beweisen.

Erlöschung der Dienstbarkeiten.

Im Allgemeinen.

§. 524. Die Servituten erlöschen im Allgemeinen auf diejenigen Arten, wodurch, nach dem dritten und vierten Hauptstücke des dritten Theiles, Rechte und Verbindlichkeiten überhaupt aufgehoben werden.

Besondere Anordnung bey deren Erlöschung:

a) durch den Untergang des dienstbaren oder herrschenden Grundes.

§. 525. Der Untergang des dienstbaren oder des herrschenden Grundes stellt zwar die Dienstbarkeit ein; sobald aber der Grund, oder das Gebäude wieder in den vorigen Stand gesetzt ist, erhält die Servitut wieder ihre vorige Kraft.

b) durch Vereinigung;

§. 526. Wenn das Eigenthum des dienstbaren und des herrschenden Grundes in Einer Person vereiniget wird, hört die Dienstbarkeit von selbst auf. Wird aber in der Folge Einer dieser vereinigten Gründe wieder veräußert, ohne daß inzwischen in den öffentlichen Büchern die Dienstbarkeit gelöschet worden; so ist der neue Besitzer des herrschenden Grundes befugt, die Servitut auszuüben.

c) durch Zeitverlauf.

§. 527. Hat das bloß zeitliche Recht desjenigen, der die Servitut bestellt hat, oder die Zeit, auf welche sie beschränkt worden ist, dem Servituts-Inhaber aus öffentlichen Büchern, oder auf eine andere Art bekannt seyn können; so hört nach Verlauf dieser Zeit die Servitut von selbst auf.

§. 528. Eine Servitut, welche jemanden bis zur Zeit, da ein Dritter ein bestimmtes Alter erreicht, verliehen wird, erlischt erst zu der bestimmten Zeit, obschon der Dritte vor diesem Alter verstorben ist.

Erlöschung der persönlichen Servituten insbesondere.

§. 529. Persönliche Servituten hören mit dem Tode auf. Werden sie ausdrücklich auf die Erben ausgedehnt; so sind im Zweifel nur die ersten gesetzlichen Erben darunter verstanden. Das einer Familie verliehene Recht aber geht auf alle Mitglieder derselben über. Die von einer Gemeinde oder einer andern moralischen Person erworbene persönliche Servitut dauert so lange, als die moralische Person besteht.

Unanwendbarkeit auf beständige Renten.

§. 530. Beständige jährliche Renten sind keine persönliche Servitut, und können also ihrer Natur nach auf alle Nachfolger übertragen werden.

 

Achtes Hauptstück.

Von dem Erbrechte.

Verlassenschaft.

§. 531. Der Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen, in so fern sie nicht in bloß persönlichen Verhältnissen gegründet sind, heißt desselben Verlassenschaft oder Nachlaß.

Erbrecht und Erbschaft.

§. 532. Das ausschließende Recht, die ganze Verlassenschaft, oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Theil derselben (z. B. die Hälfte, ein Drittheil) in Besitz zu nehmen, heißt Erbrecht. Es ist ein dingliches Recht, welches gegen einen jeden, der sich der Verlassenschaft anmaßen will, wirksam ist. Derjenige, dem das Erbrecht gebührt, wird Erbe, und die Verlassenschaft, in Beziehung auf den Erben, Erbschaft genannt.

Titel zu dem Erbrechte.

§. 533. Das Erbrecht gründet sich auf den nach gesetzlicher Vorschrift erklärten Willen des Erblassers; auf einen nach dem Gesetze zulässigen Erbvertrag (§. 602), oder auf das Gesetz.

§. 534. Die erwähnten drey Arten des Erbrechtes können auch neben einander bestehen, so daß einem Erben ein in Beziehung auf das Ganze bestimmter Theil aus dem letzten Willen, dem andern aus dem Vertrage, und einem Dritten aus dem Gesetze gebührt.

Unterschied zwischen Erbschaft und Vermächtniß.

§. 535. Wird jemanden kein solcher Erbtheil, der sich auf den ganzen Nachlaß bezieht; sondern nur eine einzelne Sache, Eine oder mehrere Sachen von gewisser Gattung; eine Summe; oder ein Recht zugedacht; so heißt das Zugedachte, obschon dessen Werth den größten Theil der Verlassenschaft ausmacht, ein Vermächtniß (Legat), und derjenige, dem es hinterlassen worden, ist nicht als ein Erbe, sondern nur als ein Vermächtnißnehmer (Legatar) zu betrachten.

Zeitpunct des Erbanfalles.

§. 536. Das Erbrecht tritt erst nach dem Tode des Erbassers ein. Stirbt ein vermeintlicher Erbe vor dem Erblasser; so hat er das noch nicht erlangte Erbrecht auch nicht auf seinen Erben übertragen können.

§. 537. Hat der Erbe den Erblasser überlebt; so geht das Erbrecht auch vor Uebernahme der Erbschaft, wie andere frey vererbliche Rechte, auf seine Erben über; wenn es anders durch Entsagung, oder auf eine andere Art noch nicht erloschen war.

Fähigkeit zu erben.

§. 538. Wer ein Vermögen zu erwerben berechtigt ist, kann in der Regel auch erben. Hat jemand dem Rechte etwas zu erwerben überhaupt entsagt, oder auf eine bestimmte Erbschaft gültig Verzicht gethan; so ist er dadurch des Erbrechtes überhaupt, oder des Rechtes auf eine bestimmte Erbschaft verlustig geworden.

§. 539. In wie fern geistliche Gemeinden, oder deren Glieder erbfähig sind, bestimmen die politischen Vorschriften.

Ursachen der Unfähigkeit.

§. 540. Wer gegen den Erblasser ein Verbrechen begangen hat, ist so lange des Erbrechtes unwürdig, als sich nicht aus den Umständen entnehmen läßt, daß ihm der Erblasser vergeben habe.

§. 541. Bei gesetzlicher Erbfolge sind die Nachkommen desjenigen, welcher sich des Erbrechtes unwürdig gemacht hat, an dessen Stelle zur Erbfolge berufen, wenngleich er den Erblasser überlebt hat.

§. 542. Wer den Erblasser zur Erklärung des letzten Willens gezwungen; oder betrüglicher Weise verleitet, an der Erklärung, oder Abänderung des letzten Willens gehindert, oder einen von ihm bereits errichteten letzten Willen unterdrückt hat, ist von dem Erbrechte ausgeschlossen, und bleibt für allen einem Dritten dadurch zugefügten Schaden verantwortlich.

§. 543. Personen, welche des Ehebruches, oder der Blutschande gerichtlich geständig, oder überwiesen sind, werden unter sich von dem Erbrechte aus einer Erklärung des letzten Willens ausgeschlossen.

§. 544. In wie fern Landeseingeborne, die ihr Vaterland, oder die Kriegsdienste ohne ordentliche Erlaubniß verlassen haben, des Erbrechtes verlustig werden, bestimmen die politischen Verordnungen.

Nach welchem Zeitpuncte die Fähigkeit zu beurtheilen.

§. 545. Die Erbfähigkeit kann nur nach dem Zeitpuncte des wirklichen Erbanfalles bestimmet werden. Dieser Zeitpunct ist in der Regel der Tod des Erblassers. (§. 703.)

§. 546. Eine später erlangte Erbfähigkeit gibt kein Recht, Andern das zu entziehen, was ihnen bereits rechtmäßig angefallen ist.

Wirkung der Annahme der Erbschaft.

§. 547. Der Erbe stellt, sobald er die Erbschaft angenommen hat, in Rücksicht auf dieselbe den Erblasser vor. Beyde werden in Beziehung auf einen Dritten für Eine Person gehalten. Vor der Annahme des Erben wird die Verlassenschaft so betrachtet, als wenn sie noch von dem Verstorbenen besessen würde.

§. 548. Verbindlichkeiten, die der Erblasser aus seinem Vermögen zu leisten gehabt hätte, übernimmt sein Erbe. Die von dem Gesetze verhängten Geldstrafen, wozu der Verstorbene noch nicht verurtheilet war, gehen nicht auf den Erben über.

§. 549. Zu den auf einer Erbschaft haftenden Lasten gehören auch die Kosten für das dem Gebrauche des Ortes, dem Stande und dem Vermögen des Verstorbenen angemessene Begräbniß.

§. 550. Mehrere Erben werden in Ansehung ihres gemeinschaftlichen Erbrechtes für Eine Person angesehen. Sie stehen in dieser Eigenschaft vor der gerichtlichen Uebergabe (Einantwortung) der Erbschaft alle für Einen und Einer für alle. In wie fern sie nach der erfolgten Uebergabe zu haften haben, wird in dem Hauptstücke von der Besitznehmung der Erbschaft bestimmt.

Verzicht auf das Erbrecht.

§. 551. Wer über sein Erbrecht gültig verfügen kann, ist auch befugt, durch Vertrag mit dem Erblasser im voraus darauf Verzicht zu tun. Der Vertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Aufnahme eines Notariatsaktes oder der Beurkundung durch gerichtliches Protokoll. Eine solche Verzichtleistung wirkt, wenn nichts anderes vereinbart ist, auch auf die Nachkommen.

 

Neuntes Hauptstück.

Von der Erklärung des letzten Willens überhaupt und den Testamenten ins besondere.

Erklärung des letzten Willens.

§. 552. Die Anordnung, wodurch ein Erblasser sein Vermögen, oder einen Theil desselben Einer oder mehrern Personen widerruflich auf den Todesfall überläßt, heißt eine Erklärung des letzten Willens.

Erfordernisse:

I. Innere Form.

§. 553. Wird in einer letzten Anordnung ein Erbe eingesetzt, so heißt sie Testament; enthält sie aber nur andere Verfügungen, so heißt sie Codicill.

Zutheilung der Erbschaft:

a) wenn nur Ein Erbe;

§. 554. Hat der Erblasser einen einzigen Erben, ohne ihn auf einen Theil der Verlassenschaft zu beschränken, unbestimmt eingesetzt; so erhält er den ganzen Nachlaß. Ist aber dem einzigen Erben nur ein in Beziehung auf das Ganze bestimmter Erbtheil ausgemessen worden; so fallen die übrigen Theile den gesetzlichen Erben zu.

b) wenn mehrere ohne Theilung;

§. 555. Sind ohne Vorschrift einer Theilung mehrere Erben eingesetzt worden, so theilen sie zu gleichen Theilen.

c) wenn alle in bestimmten Theilen;

§. 556. Sind mehrere Erben und zwar alle in bestimmten Erbtheilen, die aber das Ganze nicht erschöpfen, eingesetzt worden, so fallen die übrigen Theile den gesetzlichen Erben zu. Hat aber der Erblasser die Erben zum ganzen Nachlasse berufen; so haben die gesetzlichen Erben keinen Anspruch, obschon er in der Berechnung der Beträge, oder in der Aufzählung der Erbstücke etwas übergangen hätte.

d) wenn einige mit Theilen, andere ohne Theile eingesetzt sind.

§. 557. Wird unter mehrern eingesetzten Erben einigen ein bestimmter Theil (z. B. ein Drittheil, ein Sechstheil), andern aber nichts Bestimmtes ausgemessen; so erhalten diese den übrigen Nachlaß zu gleichen Theilen.

§. 558. Bleibt nichts übrig, so muß von sämmtlichen bestimmten Theilen für den unbestimmt eingesetzten Erben verhältnißmäßig so viel abgezogen werden, daß er einen gleichen Antheil mit demjenigen erhalte, der am geringsten bedacht worden ist. Sind die Theile der Erben gleich groß, so haben sie an dem unbestimmt eingesetzten Erben so viel abzugeben, daß er einen gleichen Antheil mit ihnen empfange. In allen andern Fällen, wo ein Erblasser sich verrechnet hat, ist die Theilung auf eine Art vorzunehmen, wodurch der Wille des Erblassers nach den über das Ganze erklärten Verhältnissen auf das möglichste erfüllt wird.

Welche Erben als Eine Person betrachtet werden.

§. 559. Treffen unter den eingesetzten Erben solche Personen zusammen, wovon einige bey der gesetzlichen Erbfolge gegen die übrigen als Eine Person angesehen werden müssen, (z. B. die Bruderskinder gegen des Bruder des Erblassers); so werden sie auch bey der Theilung aus dem Testamente nur als Eine Person betrachtet. Ein Körper, eine Gemeinde, eine Versammlung (z. B. die Armen) werden immer nur für Eine Person gerechnet.

Recht des Zuwachses.

§. 560. Wenn alle Erben ohne Bestimmung der Theile, oder in dem allgemeinen Ausdrucke einer gleichen Theilung zur Erbschaft berufen werden, und es kann, oder will einer der Erben von seinem Erbrecht keinen Gebrauch machen; so wächst der erledigte Theil den übrigen eingesetzten Erben zu.

§. 561. Sind Ein oder mehrere Erben mit, ein anderer oder mehrere ohne Bestimmung des Erbtheiles eingesetzt; so wächst der erledigte Theil nur dem einzelnen, oder den mehrern noch übrigen, unbestimmt eingesetzten Erben zu.

§. 562. Einem bestimmt eingesetzten Erben gebührt in keinem Falle das Zuwachsrecht. Wenn also kein unbestimmt eingesetzter Erbe übrig ist; so fällt ein erledigter Erbtheil nicht einem noch übrigen, für einen bestimmten Theil eingesetzten, sondern dem gesetzlichen Erben zu.

§. 563. Wer den erledigten Erbtheil erhält, übernimmt auch die damit verknüpften Lasten, in so fern sie nicht auf persönliche Handlungen des eingesetzten Erben eingeschränkt sind.

§. 564. Der Erblasser muß den Erben selbst einsetzen; er kann dessen Ernennung nicht dem Ausspruche eines Dritten überlassen.

Die Erklärung muß überlegt, bestimmt und frey seyn.

§. 565 Der Wille des Erblassers muß bestimmt, nicht durch bloße Bejahung eines ihm gemachten Vorschlages; er muß im Zustande der vollen Besonnenheit; mit Ueberlegung und Ernst, frey von Zwang, Betrug, und wesentlichem Irrthume erkläret werden.

Ursachen der Unfähigkeit zu testiren;

1) Mangel der Besonnenheit;

§. 566. Wird bewiesen, daß die Erklärung im Zustande der Raserey, des Wahnsinnes, Blödsinnes, oder der Trunkenheit geschehen sey, so ist sie ungültig.

§. 567. Wenn behauptet wird, daß der Erblasser, welcher den Gebrauch des Verstandes verloren hatte, zur Zeit der letzten Anordnung bey voller Besonnenheit gewesen sei; so muß die Behauptung durch Kunstverständige, oder durch obrigkeitliche Personen, die den Gemüthszustand des Erblassers genau erforschten, oder durch andere zuverlässige Beweise außer Zweifel gesetzt werden.

2) Prodigalitäts-Erklärung; in wie fern;

§. 568. Ein gerichtlich erklärter Verschwender kann nur über die Hälfte seines Vermögens durch letzten Willen verfügen; die andere Hälfte fällt den gesetzlichen Erben zu.

3) unreifes Alter;

§. 569. Unmündige sind zu testiren unfähig. Minderjährige, die das achtzehnte Jahr noch nicht zurückgelegt haben, können nur mündlich vor Gericht testiren. Das Gericht muß durch eine angemessene Erforschung sich zu überzeugen suchen, daß die Erklärung des letzten Willens frey und mit Ueberlegung geschehe. Die Erklärung muß in ein Protokoll aufgenommen, und dasjenige, was sich aus der Erforschung ergeben hat, beygerückt werden. Nach zurückgelegtem achtzehnten Jahre kann ohne weitere Einschränkung ein letzter Wille erkläret werden.

4) wesentlicher Irrthum;

§. 570. Ein wesentlicher Irrthum des Erblassers macht die Anordnung ungültig. Der Irrthum ist wesentlich, wenn der Erblasser die Person, welche er bedenken, oder den Gegenstand, welchen er vermachen wollte, verfehlet hat.

§. 571. Zeigt sich, daß die bedachte Person, oder die vermachte Sache nur unrichtig benannt, oder beschrieben worden; so ist die Verfügung gültig.

§. 572. Auch wenn der von dem Erblasser angegebene Beweggrund falsch befunden wird, bleibt die Verfügung gültig; es wäre denn erweislich, daß der Wille des Erblassers einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrunde beruht habe.

5) Ordensgelübde;

§. 573. Ordenspersonen sind in der Regel nicht befugt, zu testiren: allein, wenn der Orden eine besondere Begünstigung, daß seine Glieder testiren können, erlangt hat; wenn Ordenspersonen die Auflösung von den Gelübden erhalten haben; wenn sie durch Aufhebung ihres Ordens, Stiftes oder Klosters aus ihrem Stande getreten sind; oder wenn sie in einem solchen Verhältnisse angestellt sind, daß sie vermöge der politischen Verordnungen nicht mehr als Angehörige des Ordens, Stiftes oder Klosters angesehen werden, sondern vollständiges Eigenthum erwerben können; so ist es ihnen erlaubt, durch Erklärung des letzten Willens darüber zu verfügen.

6) schwere Criminal-Strafe;

§. 574. (Anm.: Aufgehoben durch § 5, RGBl 1867/Nr. 131.)

Zeitpunct der Gültigkeit der Anordnung.

§. 575. Ein rechtsgültig erklärter letzter Wille kann durch später eintretende Hindernisse seine Gültigkeit nicht verlieren.

§. 576. Einen anfänglich ungültigen letzten Willen macht die später erfolgte Aufhebung des Hindernisses nicht gültig. Wird in diesem Falle keine neue Verfügung getroffen; so tritt das gesetzliche Erbrecht ein.

II.) Aeußere Form der Erklärungen des letzten Willens;

§. 577. Man kann außergerichtlich oder gerichtlich, schriftlich oder mündlich; schriftlich aber mit, oder ohne Zeugen testiren.

1) der außergerichtlichen schriftlichen;

§. 578. Wer schriftlich, und ohne Zeugen testiren will, der muß das Testament oder Codicill eigenhändig schreiben, und eigenhändig mit seinem Nahmen unterfertigen. Die Beysetzung des Tages, des Jahres, und des Ortes, wo der letzte Wille errichtet wird, ist zwar nicht nothwendig, aber zur Vermeidung der Streitigkeiten räthlich.

§. 579. Einen letzten Willen, welchen der Erblasser von einer anderen Person niederschreiben ließ, muß er eigenhändig unterfertigen. Er muß ferner vor drei fähigen Zeugen, wovon wenigstens zwei zugleich gegenwärtig sein müssen, ausdrücklich erklären, daß der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte. Endlich müssen sich auch die Zeugen, entweder inwendig oder von außen, immer aber auf der Urkunde selbst, und nicht etwa auf einem Umschlag, mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden Zusatz unterschreiben. Den Inhalt des Testaments hat der Zeuge zu wissen nicht nötig.

§. 580. Ein Erblasser, welcher nicht schreiben kann, muß nebst Beobachtung der in dem vorigen §. vorgeschriebenen Förmlichkeiten, anstatt der Unterschrift sein Handzeichen, und zwar in Gegenwart aller drey Zeugen, eigenhändig beysetzen. Zur Erleichterung eines bleibenden Beweises, wer der Erblasser sey, ist es auch vorsichtig, daß Einer der Zeugen den Nahmen des Erblassers als Nahmensunterfertiger beysetze.

§. 581. Wenn der Erblasser nicht lesen kann, so muß er den Aufsatz von einem Zeugen in Gegenwart der anderen zwei Zeugen, die den Inhalt eingesehen haben, sich vorlesen lassen, und bekräftigen, daß derselbe seinem Willen gemäß sei. Der Schreiber des letzten Willens kann in allen Fällen zugleich Zeuge sein, ist aber, wenn der Erblasser nicht lesen kann, von der Vorlesung des Aufsatzes ausgeschlossen.

§. 582. Eine Verfügung des Erblassers durch Beziehung auf einen Zettel oder auf einen Aufsatz, ist nur dann von Wirkung, wenn ein solcher Aufsatz mit allen zur Gültigkeit einer letzten Willenserklärung nöthigen Erfordernissen versehen ist. Außer dem können dergleichen von dem Erblasser angezeigte schriftliche Bemerkungen nur zur Erläuterung seines Willens angewendet werden.

§. 583. In der Regel gilt ein und derselbe Aufsatz nur für Einen Erblasser. Die Ausnahme in Rücksicht der Ehegatten ist in dem Hauptstücke von den Ehe-Pacten enthalten.

§. 584. Einem Erblasser, welcher die zu einem schriftlichen Testamente erforderlichen Förmlichkeiten nicht beobachten kann, oder will, steht frey, ein mündliches Testament zu errichten.

2) der außergerichtlichen mündlichen;

§. 585. Wer mündlich testiret, muß vor drey fähigen Zeugen, welche zugleich gegenwärtig, und zu bestätigen fähig sind, daß in der Person des Erblassers kein Betrug oder Irrthum unterlaufen sey, ernstlich seinen letzten Willen erklären. Es ist zwar nicht nothwendig, aber vorsichtig, daß die Zeugen entweder alle gemeinschaftlich, oder ein jeder für sich zur Erleichterung des Gedächtnisses, die Erklärung des Erblassers entweder selbst aufzeichnen, oder, so bald als möglich, aufzeichnen lassen.

§. 586. Eine mündliche letzte Anordnung muß auf Verlangen eines jeden, dem daran gelegen ist, durch die übereinstimmende eidliche Aussage der drei Zeugen oder, wofern einer aus ihnen nicht eidlich vernommen werden kann, wenigstens der zwei übrigen bestätigt werden, widrigens diese Erklärung des letzten Willens unwirksam ist. (§ 601).

3) der gerichtlichen.

§. 587. Der Erblasser kann auch vor einem Gerichte schriftlich oder mündlich testiren. Die schriftliche Anordnung muß von dem Erblasser wenigstens eigenhändig unterschrieben seyn, und dem Gerichte persönlich übergeben werden. Das Gericht hat den Erblasser auf den Umstand, daß seine eigenhändige Unterschrift beygerückt seyn müsse, aufmerksam zu machen, dann den Aufsatz gerichtlich zu versiegeln und auf dem Umschlage anzumerken, wessen letzter Wille darin enthalten sey. Ueber das Geschäft ist ein Protokoll aufzunehmen, und der Aufsatz gegen Ausstellung eines Empfangscheines gerichtlich zu hinterlegen.

§. 588. Will der Erblasser seinen Willen mündlich erklären; so ist die Erklärung in ein Protokoll aufzunehmen, und dasselbe eben so, wie in dem vorhergehenden §. von dem schriftlichen Aufsatze gemeldet worden ist, versiegelt zu hinterlegen.

§. 589. Das Gericht, welches die schriftliche oder mündliche Erklärung des letzten Willens aufnimmt, muß wenigstens aus zwey eidlich verpflichteten Gerichtspersonen bestehen, deren Einer in dem Orte, wo die Erklärung aufgenommen wird, das Richteramt zusteht. Die Zeugenschaft der zweyten Gerichtsperson, außer dem Richter, können auch zwey andere Zeugen vertreten.

§. 590. Im Nothfalle können die erst bestimmten Personen sich in die Wohnung des Erblassers begeben, seinen letzten Willen schriftlich oder mündlich aufnehmen, und dann das Geschäft mit Beysetzung des Tages, Jahres und Ortes zu Protokoll bringen.

Unfähige Zeugen bey letzten Anordnungen.

§. 591. Personen unter achtzehn Jahren, Sinnlose, Blinde, Taube oder Stumme, dann diejenigen, welche die Sprache des Erblassers nicht verstehen, können bei letzten Anordnungen nicht Zeugen sein.

§. 592. (Anm.: Aufgehoben durch § 57, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste Teilnovelle.)

§. 593. (Anm.: Aufgehoben durch § 1, RGBl 1860/Nr. 9.)

§. 594. Ein Erbe oder Legatar ist in Rücksicht des ihm zugedachten Nachlasses kein fähiger Zeuge, und eben so wenig dessen Gatte, Aeltern, Kinder, Geschwister, oder in eben dem Grade verschwägerte Personen und die besoldeten Hausgenossen. Die Verfügung muß, um gültig zu seyn, von dem Erblasser eigenhändig geschrieben; oder, durch drey von den gedachten Personen verschiedene Zeugen bestätiget werden.

§. 595. Wenn der Erblasser demjenigen, welcher den letzten Willen schreibt, oder dessen Ehegatten, Kindern, Aeltern, Geschwistern oder in eben dem Grade verschwägerten Personen einen Nachlaß bestimmt; so muß die Anordnung auf die im vorgehenden §. erwähnte Art außer Zweifel gesetzt seyn.

§. 596. Was von der Unbefangenheit und Fähigkeit des Zeugen, die Person des Erblassers außer Zweifel zu setzen, verordnet wird, ist auch auf die gerichtlichen Personen, die einen letzten Willen aufnehmen, anzuwenden.

Von den begünstigten letzten Anordnungen.

§. 597. Bei letzten Anordnungen, welche auf Schiffahrten und in Orten, wo die Pest oder ähnliche ansteckende Seuchen herrschen, errichtet werden, sind auch Personen, die das vierzehnte Jahr zurückgelegt haben, gültige Zeugen.

§. 598. Zu diesen begünstigten letzten Anordnungen werden nur zwey Zeugen erfordert, wovon Einer das Testament schreiben kann. Bey Gefahr einer Ansteckung ist auch nicht nöthig, daß beyde zugleich gegenwärtig seyn.

§. 599. Sechs Monathe nach geendigter Schifffahrt oder Seuche verlieren die begünstigten letzten Willenserklärungen ihre Kraft.

§. 600. Die Begünstigungen der Militär-Testamente sind in den Militär-Gesetzen enthalten.

Ungültigkeit der unförmlichen letzten Anordnungen.

§. 601. Wenn der Erblasser Eines der hier vorgeschriebenen, und nicht ausdrücklich der bloßen Vorsicht überlassenen Erfordernisse nicht beobachtet hat; so ist die letzte Willenserklärung ungültig.

Erbverträge sind nur unter Ehegatten gültig.

§. 602. Erbverträge über die ganze Verlassenschaft, oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Theil derselben, können nur unter Ehegatten gültig geschlossen werden. Die Vorschriften hierüber sind in dem Hauptstücke von den Ehe-Pacten enthalten.

Von Schenkungen auf den Todesfall. Beziehung.

§. 603. In wie fern eine Schenkung auf den Todesfall als ein Vertrag, oder als ein letzter Wille zu betrachten sey, wird in dem Hauptstücke von den Schenkungen bestimmt.

 

Zehntes Hauptstück.

Von Nacherben und Fideicommissen.

Gemeine Substitution.

§. 604. Jeder Erblasser kann für den Fall, daß der eingesetzte Erbe die Erbschaft nicht erlangt, Einen; und, wenn auch dieser sie nicht erlangt, einen zweyten, und im gleichen Falle einen dritten, oder auch noch mehrere Nacherben berufen. Diese Anordnung heißt eine gemeine Substitution. Der in der Reihe zunächst Berufene wird Erbe.

§. 605. Hat der Erblasser aus den bestimmten Fällen, daß der ernannte Erbe nicht Erbe seyn kann, oder, daß er nicht Erbe seyn will, nur Einen ausgedrückt; so ist der andere Fall ausgeschlossen.

Rechte aus derselben.

§. 606. Die dem Erben aufgelegten Lasten werden auch auf den an seine Stelle tretenden Nacherben ausgedehnt, wofern sie nicht durch den ausdrücklichen Willen, oder die Beschaffenheit der Umstände, auf die Person des Erben eingeschränkt sind.

§. 607. Sind die Miterben allein wechselseitig zu Nacherben berufen worden; so wird angenommen, daß der Erblasser die in der Einsetzung ausgemessenen Theile auch auf die Substitution ausdehnen wollte. Wird aber in der Substitution, außer den Miterben, noch sonst jemand berufen, so fällt der erledigte Erbtheil Allen zu gleichen Theilen zu.

Fideicommissarische.

§. 608. Der Erblasser kann seinen Erben verpflichten, daß er die angetretene Erbschaft nach seinem Tode, oder in andern bestimmten Fällen, einem zweyten ernannten Erben überlasse. Diese Anordnung wird eine fideicommissarische Substitution genannt. Die fideicommissarische Substitution begreift stillschweigend die gemeine in sich.

In wie fern die Aeltern ihren Kindern substituiren dürfen.

§. 609. Auch die Aeltern können ihren Kindern, selbst in dem Falle, daß diese zu testiren unfähig sind, nur in Rücksicht des Vermögens, das sie ihnen hinterlassen, einen Erben oder Nacherben ernennen.

Stillschweigende fideicommissarische Substitution.

§. 610. Hat der Erblasser dem Erben verbothen, über den Nachlaß zu testiren; so ist es eine fideicommissarische Substitution, und der Erbe muß den Nachlaß für seine gesetzlichen Erben aufbewahren. Das Verboth, die Sache zu veräußern, schließt das Recht, darüber zu testiren, nicht aus.

Einschränkung der fideicommissarischen Substitution.

§. 611. Die Reihe, in welcher die fideicommissarischen Erben auf einander folgen sollen, wird, wenn sie Alle Zeitgenossen des Erblassers sind, gar nicht beschränkt, sie kann sich auf den Dritten, Vierten und noch weiter ausdehnen.

§. 612. Sind es nicht Zeitgenossen, sondern solche Nacherben, die zur Zeit des errichteten Testamentes noch nicht geboren sind; so kann sich die fideicommissarische Substitution in Rücksicht auf Geldsummen, und andere bewegliche Sachen bis auf den zweyten Grad erstrecken. In Ansehung unbeweglicher Güter gilt sie nur auf den ersten Grad; doch wird bey Bestimmung der Grade nur derjenige Nacherbe gezählt, welcher zum Besitze der Erbschaft gelangt ist.

Rechte des Erben bey einer fideicommisarischen Substitution.

§. 613. Bis der Fall der fideicommissarischen Substitution eintritt, kommt den eingesetzten Erben das eingeschränkte Eigenthumsrecht, mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers zu.

Auslegung der Substitutionen.

§. 614. Ist eine Substitution zweifelhaft ausgedrückt; so ist sie auf eine solche Art auszulegen, wodurch die Freyheit des Erben, über das Eigenthum zu verfügen, am mindesten eingeschränkt wird.

Erlöschungsarten der gemeinen und fideicommissarischen Substitution.

§. 615. Die gemeine Substitution erlischt, sobald der eingesetzte Erbe die Erbschaft angetreten hat; die fideikommissarische, wenn keiner von den berufenen Nacherben mehr übrig ist; oder wenn der Fall, für den sie errichtet worden, aufhört.

Sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist, geht das Recht des fideikommissarischen Erben auch dann auf dessen Erben über (§ 537), wenn er den Eintritt des Substitutionsfalles nicht erlebt.

§. 616. Ins besondere verliert die einem Sinnlosen gemachte fideicommissarische Substitution (§§. 608-609.) ihre Kraft, wenn bewiesen wird, daß er zur Zeit seiner letzten Anordnung bey voller Besonnenheit war; oder, wenn ihm das Gericht wegen erlangten Verstandgebrauches die freye Verwaltung des Vermögens eingeräumt hat; und die Substitution lebt nicht wieder auf, ob er gleich wegen Rückfalls wieder unter einen Curator gesetzt worden ist, und in der Zwischenzeit keine letzte Anordnung errichtet hat.

§. 617. Die von einem Erblasser seinem Kinde zur Zeit, da es noch keine Nachkommenschaft hatte, gemachte Substitution erlischt, wenn dasselbe erbfähige Nachkommen hinterlassen hat.

Fideicommiß.

§. 618. Ein Fideicommiß (Familien-Fideicommiß) ist eine Anordnung, kraft welcher ein Vermögen für alle künftige, ober doch für mehrere Geschlechtsfolger, als ein unveräußerliches Gut der Familie erklärt wird.

Hauptarten der Fideicommisse:

§. 619. Das Fideicommiß ist insgemein entweder eine Primogenitur, oder ein Majorat, oder ein Seniorat; je nachdem der Stifter desselben die Nachfolge entweder dem Erstgebornen aus der ältern Linie; oder, dem Nächsten aus der Familie dem Grade nach; unter mehrern gleich Nahen aber dem Aelteren an Jahren; oder endlich, ohne Rücksicht auf die Linie, dem Aelteren aus der Familie zugedacht hat.

§. 620. Im Zweifel wird die Primogenitur eher, als ein Majorat oder Seniorat; und das Majorat wieder eher, als ein Seniorat vermuthet.

Erbfolge in denselben.

§. 621. Bey der Primogenitur gelangt eine jüngere Linie erst nach Erlöschung der ältern zum Fideicommisse, so, daß der Bruder des letzten Besitzers dessen Söhnen, Enkeln, Urenkeln und weitern Nachkömmlingen weichen muß.

§. 622. Der Stifter kann auch die Ordnung der Erbfolge ganz umkehren, und den Letztnachgebornen aus der ältern Linie; oder, den Jüngsten aus allen Linien; oder, überhaupt denjenigen berufen, welcher im Grade entweder dem Fideicommiß-Stifter, dem ersten Erwerber, oder dem letzten Besitzer am nächsten kommt.

§. 623. Hat der Stifter hierüber seinen Willen nicht bestimmt ausgedrückt, so wird mehr Rücksicht auf den letzten Besitzer, als auf den Fideicommiß-Stifter, und den ersten Erwerber genommen. Sind mehrere Personen in gleichem Grade vorhanden, so gibt das höhere Alter den Ausschlag.

§. 624. Wenn der Stifter anordnet, daß das Fideicommiß immer dem Nächsten aus der Familie zufallen solle; so wird darunter derjenige verstanden, welcher nach der gemeinen gesetzlichen Erbfolge aus der männlichen Nachkommenschaft der nächste ist. Zwischen mehreren gleich Nahen wird, dafern aus der Anordnung nicht das Gegentheil erhellet, der Genuß des Fideicommisses getheilt.

§. 625. Hat Jemand nebst dem Fideicommisse für die erstgeborne Linie ein zweytes, oder mehrere Fideicommisse für die nachgebornen Linien errichtet; so gelangt der Besitzer des ersten Fideicommisses und dessen Nachkommenschaft erst dann zum Besitze eines andern Fideicommisses, wenn in den übrigen Linien keine zu dem Fideicommisse berufenen Nachkömmlinge vorhanden sind, und die Fideicommisse bleiben nur so lange in einer Person vereinigt, bis wieder zwey oder mehrere Linien entstehen.

§. 626. Die weibliche Nachkommenschaft hat in der Regel keinen Anspruch auf Fideicommisse. Hat aber der Stifter ausdrücklich verordnet, daß nach Erlöschung des Mannsstammes das Fideicommiß auf die weiblichen Linien übergehen soll; so geschieht dieses nach der für die männliche Geschlechtsfolge vorgeschriebenen Ordnung; doch gehen die männlichen Erben derjenigen Linie, welche zum Besitz des Fideicommisses gelanget ist, den weiblichen Erben vor.

Bedingungen zur Errichtung eines Fideicommisses.

§. 627. Ohne besondere Einwilligung der gesetzgebenden Gewalt kann kein Fideicommiß errichtet werden. Bey der Errichtung ist ein ordentliches, beglaubtes Verzeichniß aller zu dem Fideicommisse gehörigen Stücke zu verfassen, und gerichtlich aufzubewahren. Dieses Inventarium dient bey jeder Besitzveränderung und bey Absonderung des Fideicommisses von dem freyen Vermögen zur Richtschnur. Für die Sicherheit des Fideicommisses hat das Gericht nach den besondern Vorschriften zu sorgen.

Widerruf der Errichtung.

§. 628. Der Fideicommiß-Stifter hat das Recht, die Errichtung des Fideicommisses zu widerrufen, so lange noch niemand durch die Uebergabe oder durch Vertrag ein Recht erworben hat. Und der Wille wird das widerrufen angesehen, wenn dem Erblasser ein männlicher ehelicher Erbe, der in dem Fideicommisse nicht begriffen ist, geboren wird.

Grundsatz über die Rechte der Anwärter u. des Inhabers des Fideicommisses.

§. 629. Das Eigenthum des Fideicommiß-Vermögens ist zwischen allen Anwärtern, und dem jedesmahligen Fideicommiß-Inhaber getheilt. Jenen kommt das Obereigenthum allein; diesem aber auch das Nutzungseigenthum zu.

Besondere Rechte der Anwärter.

§. 630. Das Obereigenthum berechtiget die Fideicommiß-Anwärter, die Hinterlegung der Fideicommiß-Schuldscheine zu Gerichtshanden zu verlangen; eine üble Verwaltung der Fideicommiß-Güter gerichtlich anzuzeigen; zur Vertretung des Fideicommisses und der Nachkommenschaft einen gemeinschaftlichen Fideicommiß-Curator in Vorschlag zu bringen; überhaupt alle zur Sicherheit der Substanz nöthige Maßregeln zu treffen.

Uneingeschränkte Rechte des Inhabers u. Verbindlichkeiten desselben.

§. 631. Der Fideicommiß-Inhaber hat alle Rechte und Verbindlichkeiten eines Nutzungseigenthümers. Ihm gehören alle Nutzungen von dem Fideicommiß-Gute, und dem Zuwachse, aber nicht die Substanz desselben. Er trägt dagegen auch alle Lasten. Für die ohne sein Verschulden erfolgte Verminderung der Substanz hat er nicht zu haften.

Eingeschränkte Rechte:

a) zur Verzichtung und Verpfändung.

§. 632. Ein Fideicommiß-Besitzer kann zwar für sich, jedoch keineswegs für die, wenn gleich noch nicht vorhandene, Nachkommenschaft auf sein Recht Verzicht thun. Verpfändet er die Früchte des Fideicommisses oder selbst das Fideicommiß-Gut; so gilt die Verpfändung nur für denjenigen Theil der Früchte, welchen er einzusammeln berechtiget ist, nicht aber für das Fideicommiß-Gut, oder den Theil der Früchte, welcher dem Nachfolger gebührt.

b) zur Verwandlung, Vertauschung oder Erbverpachtung des Fideicommiß-Gutes.

§. 633. Unter der gleich nachfolgenden Beschränkung kann der Fideicommiß-Inhaber das unbewegliche Fideicommiß-Gut in ein Capital verwandeln; er kann Grundstücke gegen Grundstücke vertauschen; oder, gegen angemessene Zinsen vertheilen; oder auch in Erbpacht überlassen.

§. 634. Zu diesen Veränderungen bedarf er der Genehmhaltung der ordentlichen Gerichtsbehörde. Diese muß alle bekannte Anwärter; oder, wenn sie minderjährig oder abwesend sind, ihre Curatoren; dann den Kurator des Fideicommisses und der Nachkommenschaft vernehmen; die Wichtigkeit der Gründe beurtheilen; und ins besondere bey Bewilligung der Zerstückung der Grundstücke dafür sorgen, daß das in den politischen Verordnungen vorgeschriebene Maß beobachtet werde. Das dabey bedungene Entgeld wird als ein Fideicommiß-Capital angelegt.

c) Verschuldung.

§. 635. Der Fideicommiß-Inhaber kann ein Drittheil des Fideicommiß-Gutes verschulden; oder, wenn es in Capitalien besteht, ein Drittheil davon erheben. Hierzu bedarf er keiner Einwilligung der Anwärter oder Curatoren; sondern nur der Genehmigung der ordentlichen Gerichtsbehörde.

Bestimmung des zu verschuldenden Drittheils,

§. 636. In dieses Drittheil sind alle, unter was immer für einem Nahmen, auf dem Fideicommiß-Gute haftende Lasten dergestalt einzurechnen, daß zwey Drittheile ganz frey bleiben.

und des Werthes des Fideicommiß-Gutes.

§. 637. Der Werth eines Fideicommiß-Gutes, wenn es vertauscht oder verschuldet werden soll, wird durch die gerichtliche Schätzung; wenn es aber zu Geld gemacht werden soll, durch öffentliche Versteigerung bestimmt.

Art der Rückzahlung.

§. 638. Die Rückzahlungen einer Fideicommiß-Schuld sind so zu bestimmen, daß jährlich fünf vom Hundert an der Schuld getilgt werden. Nur aus erheblichen Ursachen ist eine Verlängerung der Frist zu gestatten.

§. 639. Will der Fideicommiß-Besitzer von den bereits geleisteten Rückzahlungen wieder einen Betrag zu seinem Gebrauche erheben; so muß er zur Tilgung desselben noch insbesondere jährlich fünf vom Hundert bezahlen.

Haftung des Nachfolgers für die Schulden.

§. 640. Der Nachfolger im Fideicommisse ist nur die mit gerichtlicher Genehmigung gemachten Schulden seines Vorfahrers zu bezahlen schuldig. Für die zur Tilgung derselben schon verfallenen Rückzahlungen haftet er nur in so weit, als sie nicht aus dem frey vererblichen Vermögen des Vorfahrers geleistet werden können.

§. 641. Hat der Vorfahrer zur Erhaltung oder wichtigen Verbesserung des Fideicommisses einen beträchtlichen Aufwand gemacht, wozu er das Fideicommiß-Gut zu verschulden berechtiget gewesen wäre, so muß der Aufwand ersetzt werden. Hierzu sind aber die Nachfolger befugt, ein Drittheil des Fideicommiß-Gutes zu belasten. Die Rückzahlungen werden auf die in dem §. 638, vorgeschriebene Art geleistet.

§. 642. Ein Fideicommiß-Gläubiger kann die Bezahlung einer, selbst mit gerichtlicher Bewilligung, auf dem Fideicommisse haftenden Schuld nicht aus dem Stammgute; sondern nur aus den Einkünften desselben verlangen.

Theilung der Früchte des letzten Jahres.

§. 643. Die Früchte des letzten Jahres werden zwischen den Erben des Vorfahrers und dem Nachfolger im Fideicommisse eben so, wie zwischen dem Fruchtnießer und Eigenthümer (§. 519) getheilet.

Auflösung,

§. 644. Ein Fideicommiß kann aufgelöset werden, wenn keine zum Fideicommisse berufene Nachkommenschaft zu vermuthen ist. Zur Auflösung des Fideicommiß-Bandes aber wird nebst der Einwilligung des Nutzungseigenthümers und aller Anwärter, die durch ein Edict vorzuladen sind, auch die Einvernehmung des Curators der Nachkommenschaft, und die gerichtliche Bewilligung erfordert.

oder Erlöschung eines Fideicommisses.

§. 645. Das Fideicommiß erlischt, wenn es zu Grunde geht; oder, wenn alle in dem Stiftbriefe berufene Linien, ohne Hoffnung einer Nachkommenschaft, ausgestorben sind. In dem letztern Falle vereiniget sich das Obereigenthum mit dem Nutzungseigenthume, und der Besitzer kann nach Willkühr über das Fideicommiß verfügen.

Unterschied eines Fideicommisses von Stiftungen.

§. 646. Von den Substitutionen und Fideicommissen unterscheiden sich die Stiftungen, wodurch die Einkünfte von Capitalien, Grundstücken oder Rechten zu gemeinnützigen Anstalten, als: für geistliche Pfründen, Schulen, Kranken- oder Armenhäuser; oder zum Unterhalte gewisser Personen auf alle folgende Zeiten bestimmt werden. Die Vorschriften über Stiftungen sind in den politischen Verordnungen enthalten.

 

Eilftes Hauptstück.

Von Vermächtnissen.

Von wem, wie und wem legiret;

§. 647. Zur Gültigkeit eines Vermächtnisses (§. 535.) ist nothwendig, daß es von einem fähigen Erblasser, einer Person, die zu erben fähig ist, durch eine gültige letzte Willenserklärung hinterlassen werde.

§. 648. Der Erblasser kann auch Einem oder mehrern Miterben ein Vermächtniß vorausbestimmen, in Rücksicht desselben sind sie nur als Legatare zu betrachten.

und wer mit der Entrichtung des Vermächtnisses beschweret werden könne.

§. 649. Die Vermächtnisse fallen in der Regel allen Erben, selbst in dem Falle, daß die einem Miterben gehörige Sache vermacht worden ist, nach Maß ihres Erbtheiles zur Last. Es hängt jedoch von dem Erblasser ab, ob er die Abführung des Legats einem Miterben, oder auch einem Legatar besonders auftragen wolle.

§. 650. Ein Legatar kann sich von der vollständigen Erfüllung des ihm aufgetragenen weitern Vermächtnisses aus dem Grunde, daß es den Werth des ihm zugedachten Legats übersteige, nicht entschlagen. Nimmt er aber das Legat nicht an; so muß derjenige, dem es zufällt, den Auftrag übernehmen, oder das ihm zugefallene Vermächtniß dem darauf gewiesenen Vermächtnißnehmer überlassen.

§. 651. Ein Erblasser, welcher ein Legat einer gewissen Classe von Personen, als: Verwandten, Dienstpersonen oder Armen zugedacht hat, kann die Vertheilung, welchen aus diesen Personen, und, was jeder zukommen soll, dem Erben oder einem Dritten überlassen. Hat der Erblasser hierüber nichts bestimmt; so bleibt die Wahl dem Erben vorbehalten.

Substitutionen bey Vermächtnissen.

§. 652. Der Erblasser kann bey einem Vermächtnisse eine gemeine, oder fideicommissarische Substitution anordnen; dabey sind die in dem vorigen Hauptstücke gegebenen Vorschriften anzuwenden.

Gegenstände eines Vermächtnisses.

§. 653. Alles, was im gemeinen Verkehre steht: Sachen, Rechte, Arbeiten und andere Handlungen, die einen Werth haben, können vermacht werden.

§. 654. Werden Sachen vermacht, die zwar im gemeinen Verkehre stehen, die aber der Legatar zu besitzen für seine Person unfähig ist, so wird ihm der ordentliche Werth vergütet.

Allgemeine Auslegungsregel bey Vermächtnissen.

§. 655. Worte werden auch bey Vermächtnissen in ihrer gewöhnlichen Bedeutung genommen; es müßte denn bewiesen werden, daß der Erblasser mit gewissen Ausdrücken einen ihm eigenen besondern Sinn zu verbinden gewohnt gewesen ist; oder, daß das Vermächtniß sonst ohne Wirkung wäre.

Besondere Vorschriften über das Vermächtniß:

a) von Sachen einer gewissen Gattung;

§. 656. Hat der Erblasser Eine oder mehrere Sachen von gewisser Gattung, aber ohne eine nähere Bestimmung, vermacht, und sind mehrere solche Sachen in der Verlassenschaft vorhanden; so steht dem Erben die Wahl zu. Er muß aber ein Stück wählen, wovon der Legatar Gebrauch machen kann. Wird dem Legatar überlassen, Eine von den mehrern Sachen zu nehmen oder zu wählen; so kann er auch die beste wählen.

§. 657. Wenn der Erblasser Eine oder mehrere Sachen von gewisser Gattung ausdrücklich nur aus seinem Eigenthume vermacht hat, und es finden sich dergleichen gar nicht in der Verlassenschaft; so verliert das Vermächtniß seine Wirkung. Finden sie sich nicht in der verordneten Menge; so muß sich der Legatar mit den vorhandenen begnügen.

§. 658. Vermacht der Erblasser Eine oder mehrere Sachen von gewisser Gattung nicht ausdrücklich aus seinem Eigenthume, und es finden sich dergleichen nicht in der Verlassenschaft; so muß der Erbe sie dem Legatar in einer, dessen Stande und Bedürfnissen angemessenen, Eigenschaft verschaffen. Das Legat einer Summe Geldes verbindet den Erben zur Zahlung derselben, ohne Rücksicht, ob bares Geld in der Verlassenschaft vorhanden sey oder nicht.

§. 659. Der Erblasser kann die Auswahl, welche Sache aus mehrern der Legatar haben soll, auch einem Dritten überlassen. Schlägt sie dieser aus oder ist er vor getroffener Auswahl gestorben; so bestimmt die Gerichtsbehörde das Legat mit Rücksicht auf den Stand und das Bedürfniß des Legatars. Diese gerichtliche Bestimmung tritt auch in dem Falle ein, daß der Legatar vor der ihm überlassenen Auswahl verstorben ist.

b) das Vermächtniß einer bestimmten Sache;

§. 660. Das Vermächtniß einer bestimmten Sache kann von dem Legatar, wenn es in Einer oder in verschiedenen Anordnungen wiederhohlt wird, nicht zugleich in Natur, und dem Werthe nach verlangt werden. Andere Vermächtnisse, ob sie gleich eine Sache der nähmlichen Art oder den nähmlichen Betrag enthalten, gebühren dem Legatar so oft, als sie wiederhohlt worden sind.

§. 661. Das Vermächtniß ist ohne Wirkung, wenn das vermachte Stück zur Zeit der letzten Anordnung schon ein Eigenthum des Legatars war. Hat er es später an sich gebracht; so wird ihm der ordentliche Werth bezahlt. Wenn er es aber von dem Erblasser selbst und zwar unentgeldlich erhalten hat, ist das Vermächtniß für aufgehoben zu halten.

c) einer fremden Sache;

§. 662. Das Vermächtniß einer fremden Sache, die weder dem Erblasser, noch dem Erben oder Legatar, welcher sie einem Dritten leisten soll, gehört, ist wirkungslos. Gebührt den erwähnten Personen ein Antheil oder Anspruch an der Sache; so ist das Vermächtniß nur von diesem Anspruche oder Antheile zu verstehen. Ist die vermachte Sache verpfändet oder belastet; so übernimmt der Empfänger auch die darauf haftenden Lasten. Wenn aber der Erblasser ausdrücklich verordnet, daß eine bestimmte fremde Sache gekauft, und dem Legatar geleistet werden solle, der Eigenthümer hingegen sie um den Schätzungspreis nicht veräußern will; so ist dem Legatar dieser Werth zu entrichten.

d) einer Forderung;

§. 663. Das Vermächtniß einer Forderung, die der Erblasser an den Legatar zu machen hat, verpflichtet den Erben, den Schuldschein zurückzustellen; oder, dem Legatar die Befreyung von der Schuld und den rückständigen Zinsen auszufertigen.

§. 664. Vermacht der Erblasser jemanden eine Forderung, die er an einen Dritten zu stellen hat; so muß der Erbe die Forderung sammt den rückständigen und weiter laufenden Zinsen dem Legatar überlassen.

§. 665. Das Vermächtniß der Schuld, die der Erblasser dem Legatar zu entrichten hat, hat die Wirkung, daß der Erbe die von dem Erblasser bestimmt ausgedrückte, oder von dem Legatar ausgewiesene Schuld anerkennen, und sie, ohne Rücksicht auf die in der Schuldverschreibung enthaltenen Bedingungen oder Fristen, längstens in der zur Abführung der übrigen Legate bestimmten Zeitfrist berichtigen muß. Den gefährdeten Gläubigern des Erblassers aber kann dessen Anerkennung nicht zum Nachtheile gereichen.

§. 666. Die Erlassung der Schuld ist nur von den gegenwärtigen, nicht auch von den erst nach dem errichteten Vermächtnisse entstandenen Schulden zu verstehen. Wird durch ein Vermächtniß das Pfandrecht, oder die Bürgschaft erlassen; so folgt daraus nicht, daß auch die Schuld erlassen worden sey. Werden die Zahlungsfristen verlängert; so müssen doch die Zinsen fort bezahlt werden.

§. 667. Wenn der Erblasser einer Person eine Summe schuldig ist, und ihr eine gleiche Summe vermacht; so wird nicht vermuthet, daß er die Schuld mit dem Vermächtnisse habe tilgen wollen. Der Erbe bezahlt in diesem Falle die Summe doppelt; ein Mahl als Schuld, und dann als Vermächtniß.

§. 668. Unter dem Vermächtnisse aller ausstehenden Forderungen sind doch weder die Forderungen aus öffentlichen Credits-Papieren, noch auch die auf einem unbeweglichen Gute haftenden Capitalien, oder die aus einem dinglichen Rechte entstehenden Forderungen begriffen.

e) des Heirathsgutes;

§. 669. Das Heirathsgut kann vermacht werden, entweder um den Gatten von der Zurückzahlung desselben zu befreyen; oder, um den Erben zu verpflichten, daß er der Gattinn die als Heirathsgut eingebrachte Summe oder Sache ohne Beweis, und ohne Abzug der darauf verwendeten Kosten abführe. Hier gelten die für andere vermachte Forderungen gegebenen Vorschriften.

§. 670. Vermacht der Erblasser einer dritten Person ein unbestimmtes Heirathsgut; so versteht man darunter, ohne Rücksicht auf ihr eigenes Vermögen, ein solches Heirathsgut, als der Vater dieser Person bey mittelmäßigem Vermögen nach seinem Stande abzureichen schuldig wäre.

§. 671. Vermachen Aeltern den Töchtern ein Heirathsgut; so wird dasselbe, wofern es nicht ausdrücklich als ein Vorausvermächtniß erkläret worden, in den gesetzlichen oder letztwilligen Erbtheil eingerechnet.

f) des Unterhaltes; der Erziehung; oder Kost;

§. 672. Das Vermächtniß des Unterhaltes begreift Nahrung, Kleidung, Wohnung und die übrigen Bedürfnisse, und zwar auf lebenslang, wie auch den nöthigen Unterricht in sich. Alles dieses wird auch unter Erziehung verstanden. Die Erziehung endigt sich mit der Volljährigkeit. Unter Kost wird Speise und Trank auf lebenslang begriffen.

§. 673. Das Maß der im vorstehenden §. angeführten Vemächtnisse, wenn es weder aus dem ausdrücklichen, noch aus dem stillschweigenden, durch die bisherige Unterstützung erklärten Willen des Erblassers erhellet, muß nach dem Stande bestimmt werden, welcher dem Legatar eigen ist, oder, wozu er durch die genossene Verpflegung vorbereitet worden ist.

g) der Mobilien; des Hausrathes;

§. 674. Unter Mobilien (Meublen) werden nur die zum anständigen Gebrauche der Wohnung; unter Hausrath oder Einrichtung zugleich die zur Führung der Haushaltung erforderlichen Geräthschaften verstanden. Die Werkzeuge zum Betriebe der Gewerbes sind, ohne eine deutlichere Erklärung, darunter nicht begriffen.

h) eines Behältnisses;

§. 675. Ist jemanden ein Behältniß vermacht worden, welches nicht für sich selbst bestehet, sondern nur ein Theil eines Ganzen ist; so wird in der Regel vermuthet, daß nur diejenigen Stücke zugedacht worden sind, welche sich bey dem Ableben des Erblassers darin vorfinden, und zu deren Aufbewahrung das Behältniß seiner Natur nach bestimmt, oder von dem Erblasser gewöhnlich verwendet worden ist.

§. 676. Ist hingegen das Behältniß beweglich, oder doch eine für sich bestehende Sache; so hat der Legatar nur auf das Behältniß, nicht auch auf die darin befindlichen Sachen Anspruch.

§. 677. Wird ein Schrank, ein Kasten oder eine Lade mit allen darin befindlichen Sachen vermacht; so rechnet man dazu auch Gold und Silber, Schmuck und bares Geld, selbst die vom Legatar dem Erblasser ausgestellten Schuldscheine. Andere Schuldscheine oder Urkunden, worauf sich Forderungen und Rechte des Erblassers gründen, werden nur dann dazu gerechnet, wenn sich außer denselben nichts in dem Behältnisse befindet. Zu einem Vermächtnisse flüssiger Sachen gehören auch die zu ihrer Verführung bestimmten Gefäße.

i) der Juwelen, des Schmuckes und Putzes;

§. 678. Unter Juwelen werden in der Regel nur Edelsteine und gute Perlen; unter Schmuck auch die unechten Steine, und das aus Gold oder Silber verfertigte oder damit überzogene Geschmeide, welches zur Zierde der Person dient; und unter Putz dasjenige verstanden, was außer Schmuck, Geschmeide und Kleidungsstücken zur Verzierung der Person gebraucht wird.

k) des Goldes oder Silbers; der Wäsche; Equipage;

§. 679. Das Vermächtniß des Goldes oder Silbers begreift das verarbeitete und unverarbeitete, doch nicht das gemünzte noch auch dasjenige in sich, was nur ein Theil oder eine Verzierung eines andern Verlassenschaftsstückes, z. B. einer Uhr oder Dose, ausmacht. Die Wäsche wird nicht zur Kleidung, und Spitzen werden nicht zur Wäsche, sondern zum Putze gerechnet. Unter Equipage werden die zur Bequemlichkeit des Erblassers bestimmten Zugpferde und Wagen sammt dem dazu gehörigen Geschirre; nicht auch Reitpferde und Reitzeug verstanden.

l) der Barschaft;

§. 680. Zur Barschaft gehören auch jene öffentlichen Credits-Papiere, welche im ordentlichen Umlaufe die Stelle des baren Geldes vertreten.

m) Ueber die Benennung: Kinder;

§. 681. Unter dem Worte: Kinder, werden, wenn der Erblasser die Kinder eines Andern bedenkt, nur die Söhne und Töchter: wenn er aber seine eigenen Kinder bedenkt, auch die an deren Stelle tretenden Nachkömmlinge begriffen, welche bey dem Ableben des Erblassers schon erzeugt waren.

n) Verwandte;

§. 682. Ein ohne nähere Bestimmung für die Verwandten ausgesetztes Vermächtniß wird denjenigen, welche nach der gesetzlichen Erbfolge die nächsten sind, zugewendet, und die oben in dem §. 559. über die Vertheilung einer Erbschaft unter solchen Personen, welche für eine Person angesehen werden, aufgestellte Regel ist auch auf Vermächtnisse anzuwenden.

o) Dienstpersonen.

§. 683. Hat der Erblasser seinen Dienstpersonen ein Vermächtniß hinterlassen, und sie bloß durch das Dienstverhältniß bezeichnet; so wird vermuthet, daß es diejenigen erhalten sollen, welche zur Zeit seines Ablebens in dem Dienstverhältnisse stehen. Doch kann in diesem, so wie in den übrigen Fällen, die Vermuthung durch entgegengesetzte stärkere Vermuthungsgründe aufgehoben werden.

Anfallstag bey den Vermächtnissen.

§. 684. Der Legatar erwirbt in der Regel (§. 699.) gleich nach dem Tode des Erblassers für sich und seine Nachfolger ein Recht auf das Vermächtniß. Das Eigenthumsrecht auf die vermachte Sache aber kann nur nach den für die Erwerbung des Eigenthumes in dem fünften Hauptstücke aufgestellten Vorschriften erlanget werden.

Zahlungstag.

§. 685. Das Vermächtniß einzelner Verlassenschaftsstücke und darauf sich beziehender Rechte, kleine Belohnungen des Dienstgesindes, und fromme Vermächtnisse können sogleich; andere aber erst nach einem Jahre, von dem Tode des Erblassers, gefordert werden.

§. 686. Bey dem Vermächtnisse eines einzelnen Verlassenschaftsstückes kommen dem Legatar auch die seit dem Tode des Erblassers laufenden Zinsen, entstandenen Nutzungen, und jeder andere Zuwachs zu Statten. Er trägt hingegen auch alle auf dem Legate haftende Lasten und selbst den Verlust, wenn es ohne Verschulden eines Andern vermindert wird, oder gänzlich zu Grunde geht.

§. 687. Wird jemanden ein in wiederkehrenden Fristen, als: alle Jahre, Monathe und dergleichen zu leistender Betrag vermacht; so erhält der Legatar ein Recht auf den ganzen Betrag dieser Frist, wenn er auch nur den Anfang der Frist erlebt hat. Doch kann der Betrag erst mit Ablauf der Frist gefordert werden. Die erste Frist fängt mit dem Sterbetage des Erblassers zu laufen an.

Recht des Legatars zur Sicherstellung.

§. 688. In allen Fällen, in welchen ein Gläubiger von einem Schuldner Sicherstellung zu fordern berechtigt ist; kann auch ein Legatar die Sicherstellung seines Legates verlangen. Wie die Einverleibung eines Vermächtnisses, zur Begründung eines dinglichen Rechtes, geschehen müsse, ist oben §. 437. vorgeschrieben worden.

Wem ein erledigtes Vermächtniß zufalle?

§. 689. Ein Vermächtniß, welches der Legatar nicht annehmen kann oder will, fällt auf den Nachberufenen. (§. 652). Ist kein Nachberufener vorhanden, und ist das ganze Vermächtniß mehrern Personen ungetheilt oder ausdrücklich zu gleichen Theilen zugedacht; so wächst der Antheil, den einer von ihnen nicht erhält, den übrigen eben so, wie den Miterben die Erbschaft zu. Außer den gedachten zwey Fällen bleibt das erledigte Vermächtniß in der Erbschafts-Masse.

Recht des Erben, wenn die Lasten die Masse erschöpfen;

§. 690. Wenn die ganze Erbschaft durch Vermächtnisse erschöpft ist; so hat der Erbe nichts weiter, als die Vergütung seiner zum Besten der Masse gemachten Auslagen und eine seinen Bemühungen angemessene Belohnung zu fordern. Will er den Nachlaß nicht selbst verwalten; so muß er um die Aufstellung eines Curators anlangen.

§. 691. Können nicht alle Legatare aus der Verlassenschafts-Masse befriediget werden; so wird das Legat des Unterhaltes vor allen andern entrichtet, und dem Legatar gebührt der Unterhalt von dem Tage des Erbanfalles.

oder gar übersteigen.

§. 692. Reicht die Verlassenschaft zur Bezahlung der Schulden, anderer pflichtmäßigen Auslagen, und zur Berichtigung aller Vermächtnisse nicht zu; so leiden die Legatare einen verhältnißmäßigen Abzug. Daher ist der Erbe, so lange eine solche Gefahr obwaltet, die Vermächtnisse ohne Sicherstellung zu berichtigen nicht schuldig.

§. 693. Im Falle aber, daß die Legatare die Vermächtnisse bereits empfangen haben, wird der Abzug nach dem Werthe, den das Vermächtniß zur Zeit des Empfanges hatte, und den daraus gezogenen Nutzungen bestimmt. Doch steht dem Legatar auch nach empfangenem Vermächtnisse noch immer frey, zur Vermeidung des Beytrages, das Vermächtniß, oder den oben erwähnten Werth und die bezogenen Nutzungen in die Masse zurückzustellen; in Rücksicht der Verbesserungen und Verschlimmerungen wird er als ein redlicher Besitzer behandelt.

Von den gesetzlichen Beyträgen zu öffentlichen Anstalten.

§. 694. Die Beyträge, welche ein Erblasser nach den politischen Vorschriften zur Unterstützung der Armen-, Invaliden- und Krankenhäuser und des öffentlichen Unterrichtes in dem Testamente ausgesetzt hat, sind nicht als Vermächtnisse anzusehen; sie sind eine Staatsauflage, müssen selbst von den gesetzlichen Erben entrichtet, und können nicht nach den Grundsätzen des Privat-Rechtes, sondern nur nach den politischen Verordnungen beurtheilt werden.

 

Zwölftes Hauptstück.

Von Einschränkung und Aufhebung des letzten Willens.

Recht des Erblassers zur Einschränkung oder Aenderung seines letzten Willens.

§. 695. Der Erblasser kann seine Anordnung auf eine Bedingung; auf einen Zeitpunct; durch einen Auftrag; oder, eine erklärte Absicht einschränken. Er kann auch sein Testament oder Codicill abändern, oder es ganz aufheben.

Arten der Einschränkung des letzten Willens:

1) Bedingung.

§. 696. Eine Bedingung heißt eine Ereignung, wovon ein Recht abhängig gemacht wird. Die Bedingung ist bejahend oder verneinend, je nachdem sie sich auf den Erfolg, oder Nichterfolg der Ereignung bezieht. Sie ist aufschiebend, wenn das zugedachte Recht erst nach ihrer Erfüllung zu seiner Kraft gelangt; sie ist auflösend, wenn das zugedachte Recht bey ihrem Eintritte verloren geht.

Vorschriften:

a) über unverständliche;

§. 697. Ganz unverständliche Bedingungen sind für nicht beygesetzt zu achten.

b) unmögliche oder unerlaubte;

§. 698. Die Anordnung, wodurch jemanden unter einer aufschiebenden unmöglichen Bedingung ein Recht ertheilt wird, ist ungültig, obschon die Erfüllung der Bedingung erst in der Folge unmöglich, und die Unmöglichkeit den Erblasser bekannt geworden wäre. Eine auflösende unmögliche Bedingung wird als nicht beygesetzt angesehen. Alles dieses gilt auch von den unerlaubten Bedingungen.

c) mögliche und erlaubte Bedingungen;

§. 699. Sind die Bedingungen möglich und erlaubt; so kann das davon abhängende Recht nur durch ihre genaue Erfüllung erworben werden, sie mögen vom Zufalle, von dem Willen des bedachten Erben, Legatars, oder eines Dritten abhängen.

d) Bedingung der Nichtverehelichung;

§. 700. Die Bedingung, daß der Erbe oder der Legatar sich, selbst nach erreichter Großjährigkeit, nicht verehelichen solle, ist als nicht beygesetzt anzusehen. Nur eine verwitwete Person muß, wenn sie Ein oder mehrere Kinder hat, die Bedingung erfüllen. Die Bedingung, daß der Erbe oder Legatar eine bestimmte Person nicht heirathe, kann gültig auferlegt werden.

e) wenn die Bedingung bey dem Leben des Erblassers erfüllet worden.

§. 701. Ist die in der letzten Willenserklärung vorgeschriebene Bedingung schon bey dem Leben des Erblassers eingetroffen; so muß die Erfüllung derselben nach dem Tode des Erblassers nur dann wiederhohlt werden, wenn die Bedingung in einer Handlung des Erben oder Legatars besteht, welche von ihm wiederhohlt werden kann.

Ob die Bedingung auch auf die Nachberufenen auszudehnen sey.

§. 702. Eine dem Erben oder Legatar beygerückte Bedingung ist, ohne ausdrückliche Erklärung des Erblassers, auf den von dem Erblasser nachberufenen Erben oder Legatar nicht auszudehnen.

Wirkung einer möglichen aufschiebenden Bedingung.

§. 703. Zur Erwerbung eines unter einer aufschiebenden Bedingung zugedachten Nachlasses ist nothwendig, daß die bedachte Person die Erfüllung der Bedingung überlebe, und bey dem Eintritte derselben erbfähig sey.

2) Zeitpunct.

§. 704. Ist es ungewiß, ob der Zeitpunct, auf welchen der Erblasser das zugedachte Recht eingeschränkt, kommen oder nicht kommen werde; so wird diese Einschränkung als eine Bedingung angesehen.

§. 705. Ist der Zeitpunct von der Art, daß er kommen muß; so wird das zugedachte Recht, wie andere unbedingte Rechte, auch auf die Erben der bedachten Person übertragen, und nur die Uebergabe bis zum gesetzten Termine verschoben.

§. 706. Wäre es offenbar, daß die in der letzten Anordnung ausgemessene Zeit nie kommen könne; so wird die Bestimmung dieser Zeit wie die Beysetzung einer unmöglichen Bedingung angesehen. Nur in dem Falle, daß der Erblasser wahrscheinlich bloß in der Berechnung der Zeit sich geirret hat, wird der Zeitpunct nach dem wahrscheinlichen Willen des Erblasser zu bestimmen seyn.

Rechtsverhältniß bey einer Bedingung oder einem Zeitpuncte zwischen der bedachten und ihr nachfolgenden Person.

§. 707. So lange das Recht des Erben oder des Legatars wegen einer noch nicht erfüllten Bedingung, oder wegen des noch nicht gekommenen Zeitpunctes verschoben bleibt; so lange finden im ersten Falle zwischen dem gesetzlichen und eingesetzten Erben; und im zweyten Falle zwischen dem Erben und Legatar, in Hinsicht auf den einstweiligen Besitz und Genuß des Nachlasses oder Legates, die nähmlichen Rechte und Verbindlichkeiten, wie bey einer fideicommissarischen Substitution, Statt.

§. 708. Wer eine Erbschaft oder ein Vermächtniß unter einer verneinenden oder auflösenden Bedingung; oder, nur auf eine gewisse Zeit erhält, hat gegen den, welchem die Erbschaft, oder das Vermächtniß, beym Eintritte der Bedingung, oder des bestimmten Zeitpunctes zufällt, die nähmlichen Rechte und Verbindlichkeiten, welche einem Erben oder Legatar gegen den fideicommissarischen Substituten zukommen (§. 613).

3) Auftrag.

§. 709. Hat der Erblasser jemanden einen Nachlaß unter einem Auftrage zugewendet; so ist dieser Auftrag als eine auflösende Bedingung anzusehen, daß durch die Nichterfüllung des Auftrages der Nachlaß verwirkt werden solle (§. 696).

§. 710. In dem Falle, daß der Auftrag nicht genau erfüllet werden kann, muß man demselben wenigstens nach Möglichkeit nahe zu kommen suchen. Kann auch dieses nicht geschehen; so behält doch der Belastete, wofern aus dem Willen des Erblassers nicht das Gegentheil erhellet, den zugedachten Nachlaß. Wer sich zur Erfüllung des Auftrages selbst unfähig gemacht hat, wird des ihm zugedachten Nachlasses verlustig.

§. 711. Wenn der Erblasser die Absicht, wozu er den Nachlaß bestimmt, zwar ausgedrückt, aber nicht zur Pflicht gemacht hat, so kann die bedachte Person nicht angehalten werden, den Nachlaß zu dieser Absicht zu verwenden.

§. 712. Die Anordnung, wodurch der Erblasser seinem Erben eine unmögliche oder unerlaubte Handlung mit dem Beysatze aufträgt, daß er, wofern er den Auftrag nicht befolgte, einem Dritten ein Legat entrichten soll, ist ungültig.

Von Aufhebung der Anordnungen, und zwar: 1) durch Errichtung einer neuen Anordnung; eines Testamentes;

§. 713. Ein früheres Testament wird durch ein späteres gültiges Testament nicht nur in Rücksicht der Erbseinsetzung, sondern auch in Rücksicht der übrigen Anordnungen aufgehoben; dafern der Erblasser in dem letztern nicht deutlich zu erkennen gibt, daß das frühere ganz oder zum Theil bestehen solle. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn in dem spätern Testamente der Erbe nur zu einem Theile der Erbschaft berufen wird. Der übrig bleibende Theil fällt nicht den in dem frühern Testamente eingesetzten, sondern den gesetzlichen Erben zu.

oder Codicills;

§. 714. Durch ein späteres Codicill, deren mehrere neben einander bestehen können, werden frühere Vermächtnisse oder Codicille nur in so fern aufgehoben, als sie mit demselben im Widerspruche stehen.

§. 715. Kann man nicht entscheiden, welches Testament oder Codicill das spätere sey; so gelten, in so fern sie neben einander bestehen können, beyde, und es kommen die im Hauptstück von der Gemeinschaft des Eigenthums aufgestellten Vorschriften zur Anwendung.

ungeachtet der früher erklärten Unabänderlichkeit.

§. 716. Der in einem Testament oder Kodizill angehängte Beisatz: daß jede spätere Anordnung überhaupt, oder, wenn sie nicht mit einem bestimmten Merkmale bezeichnet ist, null und nichtig sein solle, ist als nicht beigesetzt anzusehen.

2) durch Widerruf;

§. 717. Will der Erblasser seine Anordnung aufheben, ohne eine neue zu errichten; so muß er sie ausdrücklich entweder mündlich, oder schriftlich widerrufen, oder die Urkunde vertilgen.

§. 718. Der Widerruf kann nur in einem solchen Zustande gültig geschehen, worin man einen letzten Willen zu erklären fähig ist. Ein gerichtlich erklärter Verschwender kann seinen letzten Willen gültig widerrufen.

a) einen ausdrücklichen;

§. 719. Ein mündlicher Widerruf einer gerichtlichen oder außergerichtlichen letzten Anordnung erfordert so viele und solche Zeugen, als zur Gültigkeit eines mündlichen Testamentes nöthig sind; ein schriftlicher aber, eine von dem Erblasser eigenhändig geschriebene und unterschriebene, oder wenigstens von ihm und den zu einem schriftlichen Testamente erforderlichen Zeugen unterfertigte Erklärung.

§. 720. Eine Anordnung des Erblassers, wodurch er dem Erben oder Legatar unter angedrohter Entziehung eines Vortheiles verbiethet, den letzten Willen zu bestreiten, soll für den Fall, daß nur die Echtheit oder der Sinn der Erklärung angefochten wird, nie von einer Wirkung seyn.

b) stillschweigenden;

§. 721. Wer in seinem Testamente oder Codicille die Unterschrift durchschneidet; sie durchstreicht; oder, den ganzen Inhalt auslöscht, vertilgt es. Wenn von mehreren gleichlautenden Urkunden nur Eine vertilgt worden; so kann man daraus auf keinen Widerruf schließen.

§. 722. Sind die gedachten Verletzungen der Urkunde nur zufällig geschehen; oder, ist die Urkunde in Verlust geraten; so verliert der letzte Wille seine Wirkung nicht; wenn anders der Zufall und der Inhalt der Urkunde erwiesen wird.

§. 723. Hat ein Erblasser eine spätere Anordnung vernichtet, die frühere schriftliche Anordnung aber unversehrt gelassen; so kommt die frühere schriftliche wieder zur Kraft. Eine mündliche frühere Anordnung lebt dadurch nicht wieder auf.

oder c) vermutheten.

§. 724. Ein Legat wird für widerrufen angesehen, wenn der Erblasser die vermachte Forderung eingetrieben und erhoben; wenn er die jemanden zugedachte Sache veräußert, und nicht wieder zurück erhalten; oder wenn er sie auf eine solche Art in eine andere verwandelt hat, daß die Sache ihre vorige Gestalt und ihren vorigen Rahmen verliert.

§. 725. Wenn aber der Schuldner die Forderung aus eigenem Antriebe berichtiget hat; wenn die Veräußerung des Legats auf gerichtliche Anordnung geschehen; wenn die Sache ohne Einwilligung des Erblassers verwandelt worden ist; so besteht das Legat.

3) durch Entsagung der Erben.

§. 726. Will oder kann weder ein Erbe, noch ein Nacherbe die Verlassenschaft annehmen; so fällt das Erbrecht auf die gesetzlichen Erben. Diese sind aber verpflichtet, die übrigen Verfügungen des Erblassers zu befolgen. Entsagen auch sie der Erbschaft; so werden die Legatare verhältnißmäßig als Erben betrachtet.

 

Dreyzehntes Hauptstück.

Von der gesetzlichen Erbfolge.

Fälle der gesetzlichen Erbfolge.

§. 727. Wenn der Verstorbene keine gültige Erklärung des letzten Willens hinterlassen; wenn er in derselben nicht über sein ganzen Vermögen verfüget; wenn er die Personen, denen er kraft des Gesetzes einen Erbtheil zu hinterlassen schuldig war, nicht gehörig bedacht hat; oder, wenn die eingesetzten Erben die Erbschaft nicht annehmen können oder wollen; so findet die gesetzliche Erbfolge ganz oder zum Theile Statt.

§. 728. In Ermangelung einer gültigen Erklärung des letzten Willens fällt die ganze Verlassenschaft des Verstorbenen den gesetzlichen Erben zu. Ist aber eine gültige Erklärung des letzten Willens vorhanden; so kommt ihnen derjenige Erbtheil zu, welcher in derselben Niemanden zugedacht ist.

Vorschrift für den Fall des verkürzten Pflichttheiles.

§. 729. Ist eine Person, welcher der Erblasser kraft der Gesetze einen Erbtheil zu hinterlassen schuldig war, durch eine letzte Willenserklärung verkürzt worden; so kann sie sich auf die Vorschrift des Gesetzes berufen, und den nach Maßgabe des folgenden Hauptstückes ihr gebührenden Erbtheil gerichtlich fordern.

Gesetzliche Erben;

I.) Die Verwandten aus einer ehelichen Abstammung.

§. 730. Gesetzliche Erben sind zuvörderst diejenigen, welche mit dem Erblasser vermittelst ehelicher Abstammung durch die nächste Linie verwandt sind. Die Verwandtschafts-Linien werden auf folgende Art bestimmt.

Erbfähige Linien derselben.

§. 731. Zur ersten Linie gehören diejenigen, welche sich unter dem Erblasser, als ihrem Stamme, vereinigen, nämlich: seine Kinder und ihre Nachkömmlinge.

Zur zweiten Linie gehören des Erblassers Vater und Mutter samt denjenigen, die sich mit ihm unter Vater und Mutter vereinigen, nämlich: seine Geschwister und ihre Nachkömmlinge.

Zur dritten Linie gehören die Großeltern samt den Geschwistern der Eltern und ihren Nachkömmlingen.

Von der vierten Linie sind nur des Erblassers erste Urgroßeltern zur Erbfolge berufen.

1. Linie: Die Kinder;

§. 732. Wenn der Erblasser eheliche Kinder des ersten Grades hat, so fällt ihnen die ganze Erbschaft zu; sie mögen männlichen oder weiblichen Geschlechtes; sie mögen bey Lebzeiten des Erblassers oder nach seinem Tode geboren seyn. Mehrere Kinder theilen die Erbschaft nach ihrer Zahl in gleiche Theile. Enkel von noch lebenden Kindern, und Urenkel von noch lebenden Enkeln haben kein Recht zur Erbfolge.

§. 733. Ist ein Kind des Erblassers vor ihm gestorben, und sind von demselben Ein oder mehrere Enkel vorhanden; so fällt der Antheil, welcher dem verstorbenen Kinde gebührt hätte, diesem nachgelassenen Enkel ganz, oder den mehrern Enkeln zu gleichen Theilen zu. Ist von diesen Enkeln ebenfalls Einer gestorben und hat Urenkel nachgelassen; so wird auf die nähmliche Art der Antheil des verstorbenen Enkels unter die Urenkel gleich getheilt. Sind von einem Erblasser noch entferntere Nachkömmlinge vorhanden; so wird die Theilung verhältnißmäßig nach der eben gegebenen Vorschrift vorgenommen.

§. 734. Auf diese Art wird eine Erbschaft nicht nur dann getheilet, wenn Enkel von verstorbenen Kindern mit noch lebenden Kindern, oder entferntere Nachkömmlinge mit nähern Nachkömmlingen des Erblassers zusammentreffen; sondern auch dann, wenn die Erbschaft bloß zwischen Enkeln von verschiedenen Kindern; oder zwischen Urenkeln von verschiedenen Enkeln zu theilen ist. Es können also die von jedem Kinde nachgelassenen Enkel, und die von jedem Enkel nachgelassenen Urenkel, ihrer seyn viele oder wenige, nie mehr und nie weniger erhalten, als das verstorbene Kind oder der verstorbene Enkel erhalten hätten, wenn sie am Leben geblieben wären.

2. Linie: Die Aeltern und ihre Nachkömmlinge:

§. 735. Ist Niemand vorhanden, der von dem Erblasser selbst abstammt; so fällt die Erbschaft auf diejenigen, die mit ihm durch die zweyte Linie verwandt sind, nähmlich: auf seine Aeltern und ihre Nachkömmlinge. Leben noch beyde Aeltern; so gebührt ihnen die ganze Erbschaft zu gleichen Theilen. Ist Eines dieser Aeltern verstorben; so treten dessen nachgelassene Kinder oder Nachkömmlinge in sein Recht ein, und es wird die Hälfte, die dem Verstorbenen gebührt hätte, unter sie nach jenen Grundsätzen getheilt, welche in den §§. 732-734 wegen Theilung der Erbschaft zwischen Kindern und entferntern Nachkömmlingen des Erblassers festgesetzt worden sind.

§. 736. Wenn beyde Aeltern des Erblassers verstorben sind, so wird jene Hälfte der Erbschaft, welche dem Vater zugefallen wäre, unter seine hinterlassenen Kinder und derselben Nachkömmlinge; die andere Hälfte aber, welche der Mutter gebührt hätte, unter ihre Kinder und derselben Nachkömmlinge nach den §§. 732-734. getheilet. Sind von diesen Aeltern keine andere als von ihnen gemeinschaftlich erzeugte Kinder, oder derselben Nachkömmlinge vorhanden; so theilen sie die beyden Hälften unter sich gleich. Sind aber außer diesen noch Kinder vorhanden, die von dem Vater oder von der Mutter, oder von einem und der andern in einer andern Ehe erzeugt worden sind; so erhalten die von dem Vater und der Mutter gemeinschaftlich erzeugten Kinder oder ihre Nachkömmlinge sowohl an der väterlichen, als an der mütterlichen Hälfte ihren gebührenden, mit den einseitigen Geschwistern gleichen Antheil.

§. 737. Wenn Eines der verstorbenen Aeltern des Erblassers weder Kinder, noch Nachkömmlinge hinterlassen hat; so fällt die ganze Erbschaft dem andern noch lebenden Aelterntheile zu. Ist dieser Theil auch nicht mehr am Leben; so wird die ganze Erbschaft unter seinen Kindern und Nachkömmlingen nach den bereits angeführten Grundsätzen vertheilet.

3. Linie: Die Großältern und ihre Nachkommenschaft.

§. 738. Sind die Aeltern des Erblassers ohne Nachkömmlinge verstorben; so kommt die Erbschaft auf die dritte Linie, nähmlich: auf des Erblassers Großältern und ihre Nachkommenschaft. Die Erbschaft wird dann in zwey gleiche Theile getheilet. Eine Hälfte gehört den Aeltern des Vaters und ihren Nachkömmlingen; die andere den Aeltern der Mutter und ihren Nachkömmlingen.

§. 739. Jede dieser Hälften wird unter den Großältern der einen und der anderen Seite, wenn sie beyde noch leben, gleich getheilt. Ist eines der Großältern, oder sind beyde von der einen oder anderen Seite gestorben; so wird die dieser Seite zugefallene Hälfte zwischen den Kindern und Nachkömmlingen dieser Großältern nach jenen Grundsätzen getheilt, nach welchen in der zweyten Linie die ganze Erbschaft zwischen den Kindern und Nachkömmlingen der Aeltern des Erblassers getheilt werden muß. (§§. 735-737.)

§. 740. Sind von der väterlichen oder von der mütterlichen Seite beyde Großältern verstorben, und weder von dem Großvater, noch von der Großmutter dieser Seite Nachkömmlinge vorhanden; dann fällt den von der anderen Seite noch lebenden Großältern, oder, nach derselben Tode, ihren hinterlassenen Kindern und Nachkömmlingen die ganze Erbschaft zu.

Vierte Linie: Die Urgroßeltern.

§. 741. Nach gänzlicher Erlöschung der dritten Linie sind die Urgroßeltern des Erblassers zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Auf die Großeltern des Vaters des Erblassers entfällt die eine Hälfte der Erbschaft, auf die Großeltern der Mutter die andere Hälfte. In jede Hälfte der Erbschaft teilen sich die beiden Großelternpaare zu gleichen Teilen. Ist ein Teil eines Großelternpaares nicht vorhanden, so fällt das auf diesen Teil entfallende Achtel der Erbschaft an den überlebenden Teil dieses Großelternpaares. Fehlt ein Großelternpaar, so ist zu seinem Viertel das andere Großelternpaar desselben Elternteiles des Erblassers berufen.

Fehlen die Großelternpaare des einen Elternteiles des Erblassers, so sind zu der auf sie entfallenden Nachlaßhälfte die Großelternpaare des anderen Elternteiles in demselben Ausmaß wie zu der ihnen unmittelbar zufallenden Nachlaßhälfte berufen.

§. 742. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste Teilnovelle.)

§. 743. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste Teilnovelle.)

5. Linie: Die zweyten Urgroßältern und ihre Nachkömmlinge.

§. 744. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste Teilnovelle.)

§. 745. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste Teilnovelle.)

§. 746. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste Teilnovelle.)

§. 747. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste Teilnovelle.)

6. Linie: Die dritten Urgroßältern u. ihre Nachkommenschaft.

§. 748. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste Teilnovelle.)

§. 749. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste Teilnovelle.)

§. 750. Wenn jemand mit dem Erblasser von mehr als einer Seite verwandt ist; so genießt er von jeder Seite dasjenige Erbrecht, welches ihm, als einem Verwandten von dieser Seite ins besondere betrachtet, gebührt. (§. 736.)

Ausschließung der entferntern Verwandten.

§. 751. Auf diese vier Linien der ehelichen Verwandtschaft wird das Recht der Erbfolge in Ansehung eines frei vererblichen Vermögens eingeschränkt.

II.) Gesetzliches Erbrecht legitimirter Kinder.

§. 752. Außer der Ehe geborne und durch nachher erfolgte Vermählung ihrer Aeltern legitimirte Kinder; wie auch diejenigen, welchen, ungeachtet eines bey der Verehelichung ihrer Aeltern bestandenen Hindernisses, die besondere Begünstigung des §. 160 zukommt, genießen unter den in diesem §. 160, und dem §. 161, enthaltenen Beschränkungen auch in Rücksicht der gesetzlichen Erbfolge die Rechte ehelicher Kinder.

§. 753. Einem unehelichen, durch die Begünstigung des Gesetzgebers legitimirten, Kinde kommt auf die väterliche Verlassenschaft nur dann ein gesetzliches Erbrecht zu, wenn es auf Ansuchen des Vaters, um gleiche Rechte mit den ehelichen Kindern in dem frey vererblichen Vermögen zu genießen, legitimirt worden ist.

III.) Der unehelichen Kinder.

§. 754. In Rücksicht auf die Mutter und die Verwandten der Mutter haben uneheliche Kinder bei der gesetzlichen Erbfolge in das freivererbliche Vermögen gleiche Rechte mit den ehelichen. Zu dem Nachlasse des Vaters und der väterlichen Verwandten gebührt den unehelichen Kindern keine gesetzliche Erbfolge.

IV.) Der Wahlkinder.

§. 755. Wahlkinder haben bey der gesetzlichen Erbfolge in das frey vererbliche Vermögen desjenigen, welcher sie an Kindes Statt angenommen hat, ein gleiches Recht, wie die ehelichen Kinder. In Rücksicht der Verwandten desselben oder des Ehegatten, ohne dessen Einwilligung die Annahme geschehen ist, steht ihnen kein Erbrecht zu. Sie behalten aber das gesetzliche Erbrecht in dem Vermögen ihrer natürlichen Aeltern und Verwandten. (§. 183.)

V.) Erbrecht der Aeltern in Rücksicht der in den §§. 752-754 erwähnten Kinder.

§. 756. Den Eltern kommt auf den Nachlaß ihrer legitimierten oder von dem Gesetze besonders begünstigten unehelichen Kinder eben das wechselseitige Recht zu, welches den Kindern auf den Nachlaß ihrer Eltern eingeräumt worden ist (§§ 752 bis 754). In das Vermögen eines unehelich gebliebenen Kindes gebührt nur der Mutter und ihren Verwandten die Erbfolge; der Vater und seine Verwandten sind davon ausgeschlossen. Auch die Wahleltern haben kein gesetzliches Erbrecht auf die Verlassenschaft des Wahlkindes; sie fällt nach der gesetzlichen Erbfolge dessen Verwandten zu.

VI.) Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten.

§. 757. Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Kindern des Erblassers und deren Nachkommen zu einem Viertel des Nachlasses, neben den Eltern des Erblassers und deren Nachkommen oder neben Großeltern zur Hälfte des Nachlasses gesetzlicher Erbe. Sind neben Großeltern Nachkommen verstorbener Großeltern vorhanden, so erhält überdies der Ehegatte von der anderen Hälfte der Erbschaft den Teil, der nach §§ 739 und 740 den Nachkommen der verstorbenen Großeltern zufallen würde. In allen Fällen wird in den Erbteil des Ehegatten dasjenige eingerechnet, was ihm gemäß der Ehepakten oder eines Erbvertrages aus dem Vermögen des Erblassers zukommt.

Sind weder gesetzliche Erben der ersten oder zweiten Linie noch Großeltern vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft.

§. 758. Außer dem Erbteile gebühren dem überlebenden Ehegatten als Vorausvermächtnis die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, neben Kindern des Erblassers jedoch nur das für seinen eigenen Bedarf Nötige.

§. 759. Ein aus seinem Verschulden geschiedener Ehegatte hat kein gesetzliches Erbrecht und keinen Anspruch auf das gesetzliche Vorausvermächtnis.

Beides ist dem überlebenden Ehegatten auch dann versagt, wenn der Erblasser die Klage wegen Trennung oder Scheidung der Ehe aus Verschulden des anderen schon angebracht hatte und der Klage stattgegeben wird.

Erblose Verlassenschaft.

§. 760. Wenn kein zur Erbfolge Berechtigter vorhanden ist oder wenn niemand die Erbschaft erwirbt, fällt die Verlassenschaft als ein erbloses Gut dem Staate anheim.

Abweichungen von der allgemeinen Erbfolgeordnung.

§. 761. Die Abweichungen von der in diesem Hauptstücke bestimmten gesetzlichen Erbfolge in Rücksicht auf Bauerngüter, und die Verlassenschaft geistlicher Personen sind in den politischen Gesetzen enthalten.

 

Vierzehntes Hauptstück.

Von dem Pflichttheile und der Anrechnung in den Pflicht- oder Erbtheil.

Welchen Personen als Notherben ein Pflichttheil gebühre.

§. 762. Die Personen, welche der Erblasser in den letzten Anordnung mit einem Erbtheile bedenken muß, sind seine Kinder, und, in deren Ermangelung, seine Aeltern.

§. 763. Unter dem Nahmen Kinder werden nach der allgemeinen Regeln (§. 42.) auch Enkel und Urenkel; und unter dem Nahmen Aeltern alle Großältern begriffen. Es findet hier zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlechte; zwischen ehelicher und unehelicher Geburt kein Unterschied Statt, sobald für diese Person das Recht und die Ordnung der gesetzlichen Erbfolge eintreten würde.

§. 764. Der Erbtheil, welchen diese Personen zu fordern berechtigt sind, heißt: Pflichttheil; sie selbst werden in dieser Rücksicht Notherben genannt.

In welchem Betrage,

§. 765. Als Pflichttheil bestimmt das Gesetz jedem Kinde die Hälfte dessen, was ihm nach der gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre.

§. 766. In der aufsteigenden Linie gebührt jedem Notherben als Pflichttheil ein Drittheil dessen, was er nach der gesetzlichen Erbfolge erhalten haben würde.

und unter was für Beschränkungen.

§. 767. Wer auf das Erbrecht Verzicht geleistet hat; wer nach den in dem achten Hauptstücke enthaltenen Vorschriften von dem Erbrechte ausgeschlossen wird; oder von dem Erblasser rechtmäßig enterbet worden ist; hat auf einen Pflichttheil einen Anspruch, und wird bey der Ausmessung desselben so betrachtet, als wenn er gar nicht vorhanden wäre.

Erfordernisse einer rechtmäßigen Enterbung.

§. 768. Ein Kind kann enterbt werden:

1) (Anm.: Aufgehoben durch Art. 7, RGBl 1868/Nr. 49.)

2) wenn es den Erblasser im Nothstande hülflos gelassen hat;

3) wenn es eines Verbrechens wegen zur lebenslangen oder zwanzigjährigen Kerkerstrafe verurtheilt worden ist;

4) wenn es eine gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößige Lebensart beharrlich führet.

§. 769. Aus den nähmlichen Ursachen können auch die Aeltern von dem Pflichttheile ausgeschlossen werden, und ins besondere noch dann, wenn sie das Kind in der Erziehung ganz verwahrloset haben.

§. 770. Ueberhaupt kann einem Notherben auch solcher Handlungen wegen, die einen Erben nach den §§. 540-542. des Erbrechtes unwürdig machen, durch die letzte Willenserklärung der Pflichttheil entzogen werden.

§. 771. Die Enterbungsursache muß immer, sie mag von dem Erblasser ausgedrückt seyn oder nicht, von dem Erben erwiesen werden, und in den Worten, und dem Sinne des Gesetzes gegründet seyn.

§. 772. Die Enterbung wird nur durch einen ausdrücklichen in der gesetzlichen Form erklärten Widerruf aufgehoben.

§. 773. Wenn bey einem sehr verschuldeten oder verschwenderischen Notherben das wahrscheinliche Besorgniß obwaltet, daß der ihm gebührende Pflichttheil ganz oder größten Theils seinen Kindern entgehen würde; so kann ihm der Pflichttheil von dem Erblasser, jedoch nur dergestalt entzogen werden, daß solcher den Kindern des Notherben zugewendet werde.

Wie der Pflichttheil zu hinterlassen.

§. 774. Der Pflichttheil kann in Gestalt eines Erbtheiles oder Vermächtnisses, auch ohne ausdrückliche Benennung des Pflichttheiles hinterlassen werden. Er muß aber dem Notherben ganz frey bleiben. Jede denselben einschränkende Bedingung oder Belastung ist ungültig. Wird dem Notherben ein größerer Erbtheil zugedacht; so kann sie nur auf den Theil, welcher den Pflichttheil übersteigt, bezogen werden.

Rechtsmittel des Notherben:

a) bey einer widerrechtlichen Enterbung oder Verkürzung in dem Pflichttheile;

§. 775. Ein Notherbe, welcher ohne die in den §§. 768-773 vorgeschriebenen Bedingungen enterbt worden, kann den ihm gebührenden vollen Pflichttheil; und, wenn er in dem reinen Betrage des Pflichttheils verkürzt worden ist, die Ergänzung desselben fordern.

b) bey einer gänzlichen Uebergehung.

§. 776. Wenn aus mehrern Kindern, deren Daseyn dem Erblasser bekannt war, Eines ganz mit Stillschweigen übergangen wird; so kann es ebenfalls nur den Pflichttheil fordern.

§. 777. Wenn aber aus den Umständen erwiesen werden kann, daß die Uebergehung Eines aus mehrern Kindern nur daher rühre, weil dem Erblasser das Daseyn desselben unbekannt war, so ist der Uebergangene nicht schuldig, sich mit dem Pflichttheile zu begnügen; sondern er kann den Erbtheil, welcher für den am mindesten begünstigten Notherben ausfällt; wofern aber der einzige noch übrige Notherbe eingesetzt wird, oder alle übrige zu gleichen Theilen berufen sind, einen gleichen Erbtheil verlangen.

§. 778. Hat der Erblasser einen einzigen Notherben, und er übergeht ihn aus oben gedachtem Irrthume mit Stillschweigen; oder erhält ein kinderloser Erblasser erst nach Erklärung seines letzten Willens einen Notherben, für den keine Vorsehung getroffen ist; so werden nur die zu öffentlichen Anstalten, zur Belohnung geleisteter Dienste, oder zu frommen Absichten bestimmten Vermächtnisse in einem, den vierten Theil der reinen Verlassenschaft nicht übersteigenden, Betrage verhältnißmäßig entrichtet, alle übrige Anordnungen den letzten Willens aber gänzlich entkräftet. Sie erlangen jedoch, wenn der Notherbe vor dem Erblasser verstorben ist, wieder ihre Kraft.

§. 779. Wenn ein Kind vor dem Erblasser stirbt und Abstämmlinge hinterläßt; so treten diese mit Stillschweigen übergangenen Abstämmlinge in Ansehung des Erbrechtes an die Stelle des Kindes.

§. 780. Die Abstämmlinge eines enterbten Kindes sind bloß befugt, den Pflichtteil zu verlangen, dies aber auch, wenn der Enterbte den Erblasser überlebt hat.

§. 781. Wird ein Notherbe der aufsteigenden Linie mit Stillschweigen übergangen; so kann er immer nur den Pflichtteil aus der Masse fordern.

§. 782. Wenn der Erbe beweisen kann, daß ein mit Stillschweigen übergangener Notherbe sich einer der in den §§. 768-770. angeführten Enterbungsursachen schuldig gemacht hat; so wird die Uebergehung als eine stillschweigende rechtliche Enterbung angesehen.

Wer zur Entrichtung des Erb- oder Pflichttheils beyzutragen habe.

§. 783. In allen Fällen, wo einem Notherben der gebührende Erb- oder Pflichttheil gar nicht, oder nicht vollständig ausgemessen worden ist, müssen sowohl die eingesetzten Erben, als auch die Legatare verhältnißmäßig zur vollständigen Entrichtung beytragen.

Art der Ausmessung und Berechnung des Pflichttheiles.

§. 784. Um den Pflichtteil richtig ausmessen zu können, werden alle zur Verlassenschaft gehörigen beweglichen und unbeweglichen Sachen, alle Rechte und Forderungen, welche der Erblasser auf seine Nachfolger frei zu vererben befugt war, selbst alles, was ein Erbe oder Legatar in die Masse schuldig ist, genau beschrieben und geschätzt. Den Noterben steht frei, der Schätzung beizuwohnen und ihre Erinnerungen dabei zu machen. Auf eine Feilbietung der Verlassenschaftsstücke zur Erhebung des wahren Wertes kann von ihnen nicht gedrungen werden. Schulden und andere Lasten, welche schon bei Lebzeiten des Erblassers auf dem Vermögen hafteten, werden von der Masse abgerechnet.

§. 785. Auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes sind bei Berechnung des Nachlasses die Schenkungen in Anschlag zu bringen, die der Erblasser unter Lebenden gemacht hat. Der Gegenstand der Schenkung ist dem Nachlasse mit dem Werte hinzuzurechnen, der für die Anrechnung nach § 794 maßgebend ist.

Unberücksichtigt bleiben Schenkungen, die der Erblasser zu einer Zeit machte, da er keine pflichtteilsberechtigten Kinder hatte, ferner Schenkungen, die aus den Einkünften des Geschenkgebers ohne Schmälerung des Grundstockes seines Vermögens gemacht wurden, sowie Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder Rücksichten des Anstandes entsprochen wurde, oder Schenkungen zu gemeinnützigen Zwecken, endlich Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen, die mehr als zwei Jahre vor dem Tode des Erblassers gemacht wurden. Bei Schenkungen an den Ehegatten beginnt die Frist nicht vor Auflösung oder Scheidung der Ehe.

§. 786. Der Pflichttheil wird ohne Rücksicht auf Vermächtnisse, und andere aus dem letzten Willen entspringenden Lasten berechnet. Bis zur wirklichen Zutheilung ist die Verlassenschaft, in Ansehung des Gewinnes und der Nachtheile, als ein zwischen den Haupt- und Notherben verhältnißmäßig gemeinschaftliches Gut zu betrachten.

Anrechnung zum Pflichttheile.

§. 787. Alles, was die Notherben durch Legate oder andere Verfügungen des Erblassers wirklich aus der Verlassenschaft erhalten, wird bey Bestimmung ihres Pflichttheiles in Rechnung gebracht.

Wenn bei Bestimmung des Pflichtteiles Schenkungen in Anschlag zu bringen sind, muß sich jeder Noterbe auf die dadurch bewirkte Erhöhung seines Pflichtteiles die nach § 785 zum Nachlasse hinzuzurechnenden Geschenke anrechnen lassen, die er selbst vom Erblasser erhalten hat.

§. 788. Was der Erblasser bey Lebzeiten seiner Tochter oder Enkelinn zum Heirathsgute; seinem Sohne oder Enkel zur Ausstattung, oder unmittelbar zum Antritte eines Amtes, oder was immer für eines Gewerbes gegeben; oder zur Bezahlung der Schulden eines großjährigen Kinder verwendet hat, wird in den Pflichttheil eingerechnet.

§. 789. Bei dem Pflichtteile der Eltern findet die Anrechnung eines Vorschusses insofern statt, als er nicht zur gesetzlichen Unterstützung (§ 154) geleistet worden ist.

oder zum Erbtheile bey der gesetzlichen Erbfolge.

§. 790. Die Anrechnung bey der Erbfolge der Kinder aus einem letzten Willen geschieht nur dann, wenn sie von dem Erblasser ausdrücklich verordnet wird. Dagegen muß auch bey der gesetzlichen Erbfolge ein Kind sich dasjenige, was es von dem Erblasser bey dessen Lebenszeit zu den oben (§. 788.) erwähnten Zwecken empfangen hat, anrechnen lassen. Einem Enkel wird nicht nur das, was er unmittelbar selbst; sondern auch, was seine Aeltern, in deren Stelle er tritt, auf solche Arte empfangen haben, in den Erbtheil eingerechnet.

§. 791. Was Aeltern außer den erwähnten Fällen einem Kinde zugewendet haben, wird, wenn die Aeltern nicht ausdrücklich die Erstattung sich ausbedungen haben, für eine Schenkung gehalten, und nicht angerechnet.

§. 792. Die Aeltern können einem Kinde die Anrechnung auch bey der gesetzlichen Erbfolge ausdrücklich erlassen. Wenn aber die nöthige Erziehung und Versorgung der übrigen Kinder weder aus ihrem eigenen, noch aus dem Vermögen der Aeltern bestritten werden könnte; so muß das Kind dasjenige, was es zu den im §. 788. erwähnten Zwecken in voraus empfangen hat, sich in dem Maße anrechnen lassen, als es zur Erziehung und Versorgung für die Geschwister nothwendig ist.

§. 793. Die Anrechnung des Empfangenen zum Erbtheile geschieht dadurch, daß jedes Kind den nähmlichen Betrag noch vor der Theilung erhält. Ist die Verlassenschaft dazu nicht hinreichend; so kann zwar das früher begünstigte Kind keinen Erbtheil ansprechen, aber auch zu keiner Erstattung angehalten werden.

§. 794. Bey jeder Anrechnung wird, wenn das Empfangene nicht in barem Gelde; sondern in andern beweglichen oder unbeweglichen Sachen bestand, der Werth der letztern nach dem Zeitpuncte des Empfanges; der erstern dagegen nach dem Zeitpuncte des Erbanlasses bestimmt.

Anspruch des Notherben auf den nothwendigen,

§. 795. Einem Notherben, der von seinem Pflichttheile selbst gesetzmäßig ausgeschlossen wird, muß doch immer der nothwendige Unterhalt ausgemessen werden.

und des Ehegatten auf den anständigen Unterhalt.

§. 796. Ein Ehegatte hat zwar kein Recht auf einen Pflichtteil, es gebührt ihm aber, solange er nicht zur zweiten Ehe schreitet, der mangelnde anständige Unterhalt, soweit dieser nicht durch seinen gesetzlichen Erbteil oder eine für den Fall des Überlebens bedungene oder letztwillig zugewendete Versorgung gedeckt ist. In den im § 759 bezeichneten Fällen hat er auch auf Unterhalt aus dem Nachlaß keinen Anspruch.

 

Fünfzehntes Hauptstück.

Von Besitznehmung der Erbschaft.

Bedingungen zur rechtlichen Besitznehmung einer Erbschaft.

§. 797. Niemand darf eine Erbschaft eigenmächtig in Besitz nehmen. Das Erbrecht muß vor Gericht verhandelt und von demselben die Einantwortung des Nachlasses, das ist, die Uebergabe in den rechtlichen Besitz, bewirket werden.

§. 798. Wie weit das Gericht nach einem Todesfalle von Amts wegen vorzugehen habe, und welche Fristen und Vorsichtsmittel bey diesem Abhandlungsgeschäfte zu beobachten seyn, bestimmen die besondern, über das gerichtliche Verfahren bestehenden, Vorschriften. Hier wird festgesetzt, was dem Erben oder demjenigen, der sonst einen Anspruch an die Verlassenschaft hat, zu thun obliege, um zu dem Besitze dessen, was ihm gebühret, zu gelangen.

Ausweisung des Rechtstitels: Erbserklärung.

§. 799. Wer eine Erbschaft in Besitz nehmen will, muß den Rechtstitel, ob sie ihm aus einer letzten Anordnung; aus einem gültigen Erbvertrage; oder aus dem Gesetze zufalle, dem Gerichte ausweisen, und sich ausdrücklich erklären, daß er die Erbschaft annehme.

§. 800. Die Antretung der Erbschaft oder die Erbserklärung muß zugleich enthalten, ob sie unbedingt, oder mit Vorbehalt der Rechtswohlthat des Inventariums geschehe.

Wirkung der unbedingten,

§. 801. Die unbedingte Erbserklärung hat zur Folge, daß der Erbe allen Gläubigern des Erblassers für ihre Forderungen, und allen Legataren für ihre Vermächtnisse haften muß, wenn gleich die Verlassenschaft nicht hinreichet.

und der bedingten Erklärung.

§. 802. Wird die Erbschaft mit Vorbehalt der rechtlichen Wohlthat des Inventariums angetreten; so ist sogleich vom Gerichte das Inventarium auf Kosten der Masse aufzunehmen. Ein solcher Erbe wird den Gläubigern und Legataren nur so weit verbunden, als die Verlassenschaft für ihre, und auch seine eigenen, außer dem Erbrechte ihm zustehenden, Forderungen hinreicht.

Berechtigung zur bedingten oder unbedingten Antretung oder Ausschlagung der Erbschaft.

§. 803. Der Erblasser kann dem Erben den Vorbehalt dieser rechtlichen Wohltat nicht benehmen, noch die Errichtung eines Inventariums verbiethen. Selbst die in einem Erbvertrage zwischen Ehegatten darauf geschehene Verzicht ist von keiner Wirkung.

§. 804. Die Errichtung des Inventariums kann auch von demjenigen verlangt werden, dem ein Pflichttheil gebühret.

§. 805. Wer seine Rechte selbst verwalten kann, dem steht frey, die Erbschaft unbedingt, oder mit Vorbehalt der obigen Rechtswohlthat anzutreten oder auch auszuschlagen. Vormünder und Curatoren haben die am gehörigen Orte ertheilten Vorschriften zu befolgen. (§. 233.)

§. 806. Der Erbe kann seine gerichtliche Erbserklärung nicht mehr widerrufen, noch auch die unbedingte abändern, und sich die Rechtswohlthat des Inventariums vorbehalten.

§. 807. Wenn aus mehrern Miterben einige unbedingt; andere aber, oder auch nur Einer aus ihnen mit Vorbehalt der erwähnten Rechtswohlthat sich zu Erben erklären; so ist ein Inventarium zu errichten und die auf diesen Vorbehalt beschränkte Erbserklärung der Verlassenschaftsabhandlung zum Grunde zu legen. In diesem, so wie in allen Fällen, in welchen ein Inventarium errichtet werden muß, genießt auch derjenige, welcher einer unbedingte Erbserklärung abgegeben hat, so lange ihm die Erbschaft noch nicht übergeben worden, die rechtliche Wohlthat des Inventariums.

§. 808. Wird jemand zum Erben eingesetzt, dem auch ohne letzte Willenserklärung das Erbrecht ganz oder zum Theile gebührt hätte; so ist er nicht befugt, sich auf die gesetzliche Erbfolge zu berufen und dadurch die Erklärung des letzten Willens zu vereiteln. Er muß die Erbschaft entweder aus dem letzten Willen antreten, oder ihr ganz entsagen. Personen aber, denen ein Pflichttheil gebühret, können die Erbschaft mit Vorbehalt ihres Pflichttheiles ausschlagen.

Uebertragung des Erbrechtes.

§. 809. Stirbt der Erbe ehe, als er die angefallene Erbschaft angetreten oder ausgeschlagen hat; so treten seine Erben, wenn der Erblasser diese nicht ausgeschlossen, oder nicht andere Nacherben bestimmt hat, in das Recht, die Erbschaft anzunehmen, oder auszuschlagen. (§. 537.)

Vorkehrungen vor Einantwortung der Erbschaft:

a) Verwaltung;

§. 810. Wenn der Erbe bey Antretung der Erbschaft sein Erbrecht hinreichend ausweiset, ist ihm die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft zu überlassen.

b) Sicherstellung oder Befriedigung der Gläubiger;

§. 811. Für die Sicherstellung oder Befriedigung der Gläubiger des Erblassers wird vom Gerichte nicht weiter gesorgt, als sie selbst verlangen. Die Gläubiger sind aber nicht schuldig, eine Erbserklärung abzuwarten. Sie können ihre Ansprüche wider die Masse anbringen, und begehren: daß zur Vertretung derselben ein Curator bestellt werde, gegen welchen sie ihre Forderungen ausführen können.

c) Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen des Erben;

§. 812. Besorget ein Erbschaftsgläubiger, ein Legatar, oder ein Notherbe, daß er durch Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben für seine Forderung Gefahr laufen könne; so kann er vor der Einantwortung verlangen, daß die Erbschaft von dem Vermögen des Erben abgesondert, vom Gerichte verwahrt, oder von einem Curator verwaltet, sein Anspruch darauf vorgemerkt und berichtiget werde. In einem solchen Falle hat ihm aber der Erbe, obschon dieser sich unbedingt als Erbe erkläret hätte, aus eigenem Vermögen nicht

mehr zu haften.

d) Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger.

§. 813. Dem Erben oder dem aufgestellten Verlassenschafts-Curator steht es frey, zur Erforschung des Schuldenstandes die Ausfertigung eines Edictes, wodurch alle Gläubiger zur Anmeldung und Darthuung ihrer Forderungen auf eine den Umständen angemessene Zeit einberufen werden, nachzusuchen, und bis nach verstrichener Frist mit der Befriedigung der Gläubiger inne zu halten.

Wirkung der Einberufung;

§. 814. Die Wirkung dieser gerichtlichen Einberufung ist, daß den Gläubigern, welche sich binnen der bestimmten Zeitfrist nicht gemeldet haben, an die Verlassenschaft, wenn sie durch die Bezahlung der angemeldeten Forderungen erschöpft worden ist, kein weiterer Anspruch zusteht, als in so fern ihnen ein Pfandrecht gebühret.

oder, der Unterlassung derselben.

§. 815. Unterläßt der Erbe die ihm bewilligte Vorsicht der gerichtlichen Einberufung; oder befriediget er sogleich einige der sich anmeldenden Gläubiger, ohne auf die Rechte der übrigen Rücksicht zu nehmen, und bleiben einige Gläubiger aus Unzulänglichkeit der Verlassenschaft unbezahlt; so haftet er ihnen, ungeachtet der bedingten Erbserklärung, mit seinem ganzen Vermögen in dem Maße, als sie die Zahlung erhalten haben würden, wenn die Verlassenschaft nach der gesetzlichen Ordnung zur Befriedigung der Gläubiger verwendet worden wäre.

e) Ausweisung über die Erfüllung des letzten Willens, entweder von dem Testaments-Executor;

§. 816. Hat der Erblasser einen Vollzieher (Executor) seines letzten Willens ernannt; so hängt es von dessen Willkühr ab, dieses Geschäft auf sich zu nehmen. Hat er es übernommen, so ist er schuldig, entweder als ein Machthaber die Anordnungen des Erblassers selbst zu vollziehen, oder den saumseligen Erben zur Vollziehung derselben zu betreiben.

oder dem Erben.

§. 817. Ist kein Vollzieher der letzten Willens ernannt, oder unterzieht sich der ernannte dem Geschäfte nicht; so liegt dem Erben unmittelbar ob, den Willen des Erblassers so viel möglich zu erfüllen, oder die Erfüllung sicher zu stellen, und sich gegen das Gericht darüber auszuweisen. In Ansehung bestimmter Legatare hat er bloß darzuthun, daß er denselben von dem ihnen zugefallenen Vermächtnisse Nachricht gegeben habe (§. 688.)

§. 818. Was der Erbe, ehe er zum Besitze der Erbschaft gelangen kann, an Abgaben zu entrichten, und im Falle, daß sein Erblasser gegen das Staats-Aerarium in Verrechnung gestanden ist, hierwegen auszuweisen habe, darüber enthalten die politischen Verordnungen die besondere Vorschrift.

Wann die Erbschaft einzuantworten.

§. 819. Sobald über die eingebrachte Erbserklärung der rechtmäßige Erbe vom Gerichte erkannt, und von demselben die Erfüllung der Verbindlichkeiten geleistet ist, wird ihm die Erbschaft eingeantwortet und die Abhandlung geschlossen. Uebrigens hat der Erbe um die Uebertragung des Eigenthumes unbeweglicher Sachen zu erwirken, die Vorschrift des §. 436. zu befolgen.

Haftung der gemeinschaftlichen Erben.

§. 820. Mehrere Erben, welche eine gemeinschaftliche Erbschaft ohne die rechtliche Wohlthat des Inventariums angetreten haben, haften allen Erbschaftsgläubigern und Legataren, selbst nach der Einantwortung, Alle für Einen und Einer für Alle. Unter sich aber sind sie nach Verhältniß ihrer Erbtheile beyzutragen schuldig.

§. 821. Haben die gemeinschaftlichen Erben von der rechtlichen Wohlthat des Inventariums Gebrauch gemacht; so sind sie vor der Einantwortung den Erbschaftsgläubigern und Legataren nach dem §. 550. zu haften verbunden. Nach der erfolgten Einantwortung haftet jeder einzelne selbst für die, die Erbschafts-Masse nicht übersteigenden, Lasten nur nach Verhältniß seines Erbtheiles.

Sicherheitsmittel der Gläubiger des Erben.

§. 822. Vor der Einantwortung können Gläubiger des Erben nur auf die einzelnen Bestandteile des Nachlasses Exekution führen, über welche dem Erben vom Nachlaßgerichte die freie Verfügung überlassen worden ist.

Erbschaftsklagen.

§. 823. Auch nach erhaltener Einantwortung kann der Besitznehmer von jenem, der ein besseres oder gleiches Erbrecht zu haben behauptet, auf Abtretung oder Theilung der Erbschaft belangt werden. Das Eigenthum einzelner Erbschaftstücke wird nicht mit der Erbschafts-, sondern der Eigenthumsklage verfolgt.

Wirkung derselben.

§. 824. Wenn der Beklagte zur Abtretung der Verlassenschaft ganz oder zum Theile verhalten wird; so sind die Ansprüche auf die Zurückstellung der von dem Besitzer bezogenen Früchte; oder auf die Vergütung der von demselben in dem Nachlasse verwendeten Kosten nach jenen Grundsätzen zu beurtheilen, welche in Rücksicht auf den redlichen oder unredlichen Besitzer in dem Hauptstücke vom Besitze überhaupt festgesetzt sind. Ein dritter redlicher Besitzer ist für die in der Zwischenzeit erworbenen Erbstücke niemanden verantwortlich.

 

Sechzehntes Hauptstück.

Von der Gemeinschaft des Eigenthums und anderer dinglichen Rechte.

Ursprung einer Gemeinschaft.

§. 825. So oft das Eigenthum der nähmlichen Sache, oder ein und dasselbe Recht mehreren Personen ungetheilt zukommt; besteht eine Gemeinschaft. Sie gründet sich auf eine zufällige Ereignung; auf ein Gesetz; auf eine letzte Willenserklärung; oder auf einen Vertrag.

§. 826. Nach Verschiedenheit der Quellen, aus denen eine Gemeinschaft entspringt, erhalten auch die Rechte und Pflichten der Theilhaber ihre nähere Bestimmung. Die besondern Vorschriften über eine durch Vertrag entstehende Gemeinschaft der Güter sind in dem sieben und zwanzigsten Hauptstücke enthalten.

§. 827. Wer einen Antheil an einer gemeinschaftlichen Sache anspricht, der muß sein Recht, wenn es von den übrigen Theilnehmern widersprochen wird, beweisen.

Gemeinschaftliche Rechte der Theilhaber.

§. 828. So lange alle Theilhaber einverstanden sind, stellen sie nur Eine Person vor, und haben das Recht, mit der gemeinschaftlichen Sache nach Belieben zu schalten. Sobald sie uneinig sind, kann kein Theilhaber in der gemeinschaftlichen Sache eine Veränderung vornehmen, wodurch über den Antheil des Andern verfügt würde.

Rechte des Theilhabers auf seinen Antheil.

§. 829. Jeder Theilhaber ist vollständiger Eigenthümer seines Antheiles. In so fern er die Rechte seiner Mitgenossen nicht verletzt, kann er denselben, oder die Nutzungen davon willkührlich und unabhängig verpfänden, vermachen, oder sonst veräußern. (§. 361.)

§. 830. Jeder Theilhaber ist befugt, auf Ablegung der Rechnung und auf Vertheilung des Ertrages zu dringen. Er kann in der Regel auch die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen; doch nicht zur Unzeit, oder zum Nachtheile der Uebrigen. Er muß sich daher einen, den Umständen angemessenen, nicht wohl vermeidlichen Aufschub gefallen lassen.

§. 831. Hat sich ein Theilhaber zur Fortsetzung der Gemeinschaft verbunden, so kann er zwar vor Verlauf der Zeit nicht austreten; allein diese Verbindlichkeit wird, wie andere Verbindlichkeiten, aufgehoben, und erstreckt sich nicht auf die Erben, wenn diese nicht selbst dazu eingewilliget haben.

§. 832. Auch die Anordnung eines Dritten, wodurch eine Sache zur Gemeinschaft bestimmt wird, muß zwar von den ersten Theilhabern, nicht auch von ihren Erben befolgt werden. Eine Verbindlichkeit zu einer immerwährenden Gemeinschaft kann nicht bestehen.

Rechte der Theilhaber in der gemeinschaftlichen Sache:

a) In Rücksicht des Hauptstammes.

§. 833. Der Besitz und die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache kommt allen Theilhabern insgesammt zu. In Angelegenheiten, welche nur die ordentliche Verwaltung und Benützung des Hauptstammes betreffen, entscheidet die Mehrheit der Stimmen, welche nicht nach den Personen, sondern nach Verhältniß der Antheile der Theilnehmer gezählet werden.

§. 834. Bey wichtigen Veränderungen aber, welche zur Erhaltung oder bessern Benützung des Hauptstammes vorgeschlagen werden, können die Ueberstimmten Sicherstellung für künftigen Schaden; oder, wenn diese verweigert wird, den Austritt aus der Gemeinschaft verlangen.

§. 835. Wollen sie nicht austreten; oder geschähe der Austritt zur Unzeit; so soll das Los, ein Schiedsmann, oder, wofern sie sich darüber nicht einhellig vereinigen, der Richter entscheiden, ob die Veränderung unbedingt oder gegen Sicherstellung Statt finden soll oder nicht. Diese Arten der Entscheidung treten auch bey gleichen Stimmen der Mitglieder ein.

§. 836. Ist ein Verwalter der gemeinschaftlichen Sachen zu bestellen; so entscheidet über dessen Auswahl die Mehrheit der Stimmen, und in deren Abgang der Richter.

§. 837. Der Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes wird als ein Machthaber angesehen. Er ist einerseits verbunden, ordentliche Rechnung abzulegen; andererseits aber befugt, alle nützlich gemachte Auslagen in Abrechnung zu bringen. Dieses gilt auch in dem Falle, daß ein Theilgenosse ein gemeinschaftliches Gut ohne Auftrag der übrigen Theilnehmer verwaltet.

§. 838. Wird die Verwaltung Mehrern überlassen; so entscheidet auch unter ihnen die Mehrheit der Stimmen.

b) der Nutzungen und Lasten.

§. 839. Die gemeinschaftlichen Nutzungen und Lasten werden nach Verhältniß der Antheile ausgemessen. Im Zweifel wird jeder Antheil gleich groß angesehen; wer das Gegentheil behauptet, muß es beweisen.

§. 840. Ordentlicher Weise sind die erzielten Nutzungen in Natur zu theilen. Ist aber diese Vertheilung nicht thunlich; so ist jeder berechtigt, auf die öffentliche Feilbiethung zu dringen. Der gelöste Werth wird den Theilhabern verhältnißmäßig entrichtet.

c) der Theilung.

§. 841. Bey der nach aufgehobener Gemeinschaft vorzunehmenden Theilung der gemeinschaftlichen Sache gilt keine Mehrheit der Stimmen. Die Theilung muß zur Zufriedenheit eines jeden Sachgenossen vorgenommen werden. Können sie nicht einig werden; so entscheidet das Los, oder ein Schiedsmann, oder, wenn sie sich über die Bestimmung der einen oder andern dieser Entscheidungsarten nicht einhellig vereinigen, der Richter.

§. 842. Ein Schiedsmann oder der Richter entscheidet auch, ob bey der Theilung liegender Gründe oder Gebäude ein Theilgenosse, zur Benützung seines Antheiles, einer Servitut bedürfe, und unter welcher Bedingung sie ihm zu verwilligen sey.

§. 843. Kann eine gemeinschaftliche Sache entweder gar nicht, oder nicht ohne beträchtliche Verminderung des Werthes getheilt werden, so ist sie, und zwar wenn auch nur Ein Theilgenosse es verlangt, vermittelst gerichtlicher Feilbiethung zu verkaufen, und der Kaufschilling unter die Theilhaber zu vertheilen.

§. 844. Servituten, Grenzzeichen und die zum gemeinschaftlichen Gebrauche nötigen Urkunden sind keiner Teilung fähig. Die Urkunden werden, wenn sonst nichts im Wege steht, bei dem ältesten Teilhaber niedergelegt. Die übrigen erhalten auf ihre Kosten beglaubigte Abschriften. Die Grunddienstbarkeiten bestehen mangels Vereinbarung zugunsten aller Teile fort; jedoch darf die Dienstbarkeit dadurch nicht erweitert oder für das dienstbare Gut beschwerlicher werden. Kommt die Ausübung der Dienstbarkeit nur einzelnen Teilen zugute, so erlischt das Recht hinsichtlich der übrigen Teile.

§. 845. Bey Theilungen der Grundstücke müssen die gegenseitigen Gränzen nach Verschiedenheit der Lage durch Säulen, Gränzsteine oder Pfähle auf eine deutliche und unwandelbare Art bezeichnet werden. Flüsse, Berge und Straßen sind natürliche Gränzen. Um den Betrug und Irrthum zu entfernen, sollen in die Steine, Säulen oder Pfähle, die wirklich zur Markung dienen, Kreuze, Wapen, Zahlen oder andere Zeichen gehauen oder darunter eingegraben werden.

§. 846. Ueber die gemachte Theilung sind Urkunden zu errichten. Ein Theilhaber einer unbeweglichen Sache erhält auch erst dadurch ein dingliches Recht auf seinen Antheil, daß die darüber errichtete Urkunde den öffentlichen Büchern einverleibt wird. (§. 436.)

§. 847. Die bloße Teilung was immer für eines gemeinschaftlichen Gutes kann einem Dritten nicht zum Nachteile gereichen; alle ihm zustehenden Pfand-, Servituts- und anderen dinglichen Rechte werden nach wie vor der Teilung ausgeübt. Trifft jedoch die Ausübung einer Grunddienstbarkeit nur ein Teilstück, so erlischt das Recht hinsichtlich der übrigen Teile.

§. 848. Auch persönliche Rechte, die einem Dritten gegen eine Gemeinschaft zustehen, haben ungeachtet des erfolgten Austrittes ihre vorige Kraft. Ebenso kann derjenige, welcher an eine Gemeinschaft schuldig ist, die Zahlung nicht an einzelne Teilnehmer entrichten. Solche Schulden müssen an die ganze Gemeinschaft oder an jenen, der sie ordentlich vorstellt, abgetragen werden.

§. 848a. Gewährt eine Dienstbarkeit oder eine andere dingliche Last einen Anspruch auf Nutzungen, so kann bei Teilung des herrschenden Grundstückes jeder Berechtigte und bei Teilung des belasteten Grundstückes jeder Belastete eine gerichtliche Regelung der Ausübung begehren. Die Ausübung ist mit Rücksicht auf die Natur und Zweckbestimmung des Rechtes sowie auf das Größenverhältnis und die wirtschaftliche Besonderheit der einzelnen Liegenschaftsteile ohne Erschwerung der Last so zu regeln, wie es allen Interessen billigerweise entspricht.

§. 849. Was bisher von der Gemeinschaft überhaupt bestimmt worden ist, läßt sich auch auf die einer Familie, als einer Gemeinschaft, zustehenden Rechte und Sachen, z. B. Stiftungen, Fideicommisse u. dgl. anwenden.

Erneuerung und Berichtigung der Grenzen

§. 850. Wenn die Grenzzeichen zwischen zwei Grundstücken durch was immer für Umstände so verletzt worden sind, daß sie ganz unkenntlich werden könnten, oder wenn die Grenzen wirklich unkennbar oder streitig sind, so hat jeder der Nachbarn das Recht, die gerichtliche Erneuerung oder Berichtigung der Grenze zu verlangen. Zu diesem Behufe sind die Nachbarn zu einer Verhandlung im Verfahren außer Streitsachen mit dem Bedeuten zu laden, daß trotz Ausbleibens des Geladenen die Grenze festgesetzt und vermarkt werden wird.

§. 851. Sind die Grenzen wirklich unkennbar geworden oder streitig, so werden sie nach dem letzten ruhigen Besitzstande festgesetzt. Läßt sich dieser nicht feststellen, so hat das Gericht die streitige Fläche nach billigem Ermessen zu verteilen.

Inwiefern jeder Partei vorbehalten bleibt, ihr besseres Recht im Prozeßwege geltend zu machen, wird besonders bestimmt.

§. 852. Die wichtigsten Behelfe bey einer Gränzberichtigung sind: die Ausmessung und Beschreibung, oder auch die Abzeichnung des streitigen Grundes; dann, die sich darauf beziehenden öffentlichen Bücher und andere Urkunden; endlich, die Aussagen sachkündiger Zeugen, und das von Sachverständigen nach vorgenommenem Augenscheine gegebene Gutachten.

§. 853. Die Kosten des Verfahrens sind von den Nachbarn nach Maß ihrer Grenzlinien zu bestreiten. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn sich aus der Verhandlung ergibt, daß die Grenzerneuerung oder Grenzberichtigung nicht notwendig war, weil die Grenze nicht bestritten oder hinlänglich kenntlich gewesen ist, oder weil die anderen Beteiligten zur außergerichtlichen Vermarkung bereit waren. Die Kosten einer Vertretung hat der Vertretene selbst zu tragen.

Wenn das Verfahren durch Störung des ruhigen Besitzes veranlaßt wurde, kann das Gericht die Kosten ganz oder teilweise der Partei auferlegen, die den Streit veranlaßt hat.

Vermuthete Gemeinschaft.

§. 854. Erdfurchen, Zäune, Hecken, Planken, Mauern, Privat-Bäche, Canäle, Plätze und andere dergleichen Scheidewände, die sich zwischen benachbarten Grundstücken befinden, werden für ein gemeinschaftliches Eigenthum angesehen; wenn nicht Wapen, Auf- oder Inschriften, oder andere Kennzeichen und Behelfe das Gegentheil beweisen.

§. 855. Jeder Mitgenosse kann eine gemeinschaftliche Mauer auf seiner Seite bis zur Hälfte in der Dicke benützen, auch Blindthüren und Wandschränke dort anbringen, wo auf der entgegengesetzten Seite noch keine angebracht sind. Doch darf das Gebäude durch einen Schorstein, Feuerherd oder andere Anlagen nicht in Gefahr gesetzt, und der Nachbar auf keine Art in dem Gebrauche seines Antheiles gehindert werden.

§. 856. Alle Miteigenthümer tragen zur Erhaltung solcher gemeinschaftlichen Scheidewände verhältnißmäßig bey. Wo sie doppelt vorhanden sind; oder das Eigenthum getheilt ist, bestreitet jeder die Unterhaltungskosten für das, was ihm allein gehört.

§. 857. Ist die Stellung einer Scheidewand von der Art, daß die Ziegel, Latten oder Steine nur auf einer Seite vorlaufen oder abhängen; oder sind die Pfeiler, Säulen, Ständer, Bachställe auf einer Seite eingegraben; so ist im Zweifel auf dieser Seite das ungetheilte Eigenthum der Scheidewand, wenn nicht aus einer beyderseitigen Belastung, Einfügung, aus andern Kennzeichen, oder sonstigen Beweisen das Gegentheil erhellet. Auch derjenige wird für den ausschließenden Besitzer einer Mauer gehalten, welcher eine in der Richtung gleich fortlaufende Mauer von gleicher Höhe und Dicke unstreitig besitzt.

§. 858. In der Regel ist der ausschließende Besitzer nicht schuldig, seine verfallene Mauer oder Planke neu aufzuführen; nur dann muß er sie in gutem Stande erhalten, wenn durch die Oeffung für den Gränznachbar Schaden zu befürchten stünde. Es ist aber jeder Eigenthümer verbunden, auf der rechten Seite seines Haupteinganges für die nöthige Einschließung seines Raumes, und für die Abtheilung von dem fremden Raume zu sorgen.

 

Zweyter Theil.

Zweyte Abtheilung.

Von den persönlichen Sachenrechten.

Siebzehntes Hauptstück.

Von Verträgen und Rechtsgeschäften überhaupt.

Grund der persönlichen Sachenrechte.

§. 859. Die persönlichen Sachenrechte, vermöge welcher eine Person einer andern zu einer Leistung verbunden ist, gründen sich unmittelbar auf ein Gesetz; oder auf ein Rechtsgeschäft; oder auf eine erlittene Beschädigung.

Auslobung

§. 860. Die nicht an bestimmte Personen gerichtete Zusage einer Belohnung für eine Leistung oder einen Erfolg (Auslobung) wird durch die öffentliche Bekanntmachung verbindlich. Eine Auslobung, die eine Preisbewerbung zum Gegenstande hat, ist nur gültig, wenn in der Bekanntmachung eine Frist für die Bewerbung bestimmt ist.

§. 860a. Bis zur Vollendung der Leistung kann die Auslobung in derselben Form, in welcher sie bekannt gemacht war, oder einer gleich wirksamen Form, oder durch besondere Mitteilung widerrufen werden, wenn anders darauf in der Bekanntmachung nicht ausdrücklich oder durch Bestimmung einer Frist verzichtet ist. Der Widerruf ist aber unwirksam gegenüber demjenigen, der die Leistung im Hinblick auf die Auslobung vollbracht hat, wenn er dartut, daß der Widerruf ihm zu dieser Zeit ohne sein Verschulden nicht bekannt geworden war.

§. 860b. Ist die Leistung von mehreren Personen vollbracht worden, so gebührt, falls nicht aus der Auslobung ein anderer Wille hervorgeht, die Belohnung demjenigen, der die Leistung zuerst vollbracht hat, und bei gleichzeitiger Vollendung allen zu gleichen Teilen.

Abschließung des Vertrages.

§. 861. Wer sich erkläret, daß er jemanden sein Recht übertragen, daß heißt, daß er ihm etwas gestatten, etwas geben, daß er für ihn etwas thun, oder seinetwegen etwas unterlassen wolle, macht ein Versprechen; nimmt aber der Andere das Versprechen gültig an, so kommt durch den übereinstimmenden Willen beyder Theile ein Vertrag zu Stande. So lange die Unterhandlungen dauern, und das Versprechen noch nicht gemacht, oder weder zum voraus, noch nachher angenommen ist, entsteht kein Vertrag.

§. 862. Das Versprechen (Antrag) muß innerhalb der vom Antragsteller bestimmten Frist angenommen werden. In Ermanglung einer solchen muß der einem Anwesenden oder mittels Fernsprechers von Person zu Person gemachte Antrag sogleich, der sonst einem Abwesenden gemachte Antrag längstens bis zu dem Zeitpunkte angenommen werden, in welchem der Antragsteller unter der Voraussetzung, daß sein Antrag rechtzeitig angekommen sei, bei rechtzeitiger und ordnungsmäßiger Absendung der Antwort deren Eintreffen erwarten darf; widrigenfalls ist der Antrag erloschen. Vor Ablauf der Annahmefrist kann der Antrag nicht zurückgenommen werden. Er erlischt auch nicht, wenn ein Teil während der Annahmefrist stirbt oder handlungsunfähig wird, sofern nicht ein anderer Wille des Antragstellers aus den Umständen hervorgeht.

§. 862a. Als rechtzeitig gilt die Annahme, wenn die Erklärung innerhalb der Annahmefrist dem Antragsteller zugekommen ist. Trotz ihrer Verspätung kommt jedoch der Vertrag zustande, wenn der Antragsteller erkennen mußte, daß die Annahmeerklärung rechtzeitig abgesendet wurde, und gleichwohl seinen Rücktritt dem andern nicht unverzüglich anzeigt.

§. 863. Man kann seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und allgemein angenommene Zeichen; sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen.

In bezug auf die Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen ist auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen.

§. 864. Ist eine ausdrückliche Erklärung der Annahme nach der Natur des Geschäftes oder der Verkehrssitte nicht zu erwarten, so kommt der Vertrag zustande, wenn dem Antrag innerhalb der hierfür bestimmten oder den Umständen angemessenen Frist tatsächlich entsprochen worden ist.

Erfordernisse eines gültigen Vertrages:

1) Fähigkeiten der Personen;

§. 865. Wer den Gebrauch der Vernunft nicht hat, wie auch ein Kind unter sieben Jahren, ist unfähig, ein Versprechen zu machen, oder es anzunehmen. Andere Personen hingegen, welche von einem Vater, Vormunde oder Curator abhängen, können zwar ein bloß zu ihrem Vortheile gemachtes Versprechen annehmen; wenn sie aber eine damit verknüpfte Last übernehmen, oder selbst etwas versprechen, hängt die Gültigkeit des Vertrages nach den, in dem dritten und vierten Hauptstücke des ersten Theiles, gegebenen Vorschriften in der Regel von der Einwilligung des Vertreters oder zugleich des Gerichtes ab. Bis diese Einwilligung erfolgt, kann der andere Theil nicht zurücktreten, aber eine angemessene Frist zur Erklärung verlangen.

§. 866. Wer listiger Weise vorgibt, daß er Verträge zu schließen fähig sey, und dadurch einen Andern, der darüber nicht leicht Erkundigung einhohlen konnte, hintergeht, ist zur Genugthuung verpflichtet.

§. 867. Was zur Gültigkeit eines Vertrages mit einer unter der besondern Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden Gemeinde, (§. 27.) oder ihren einzelnen Gliedern und Stellvertretern erfordert werde, ist aus der Verfassung derselben und den politischen Gesetzen zu entnehmen. (§. 290.)

§. 868. (Anm.: Aufgehoben durch § 5, RGBl 1867/Nr. 131.)

2) wahre Einwilligung.

§. 869. Die Einwilligung in einen Vertrag muß frey, ernstlich, bestimmt und verständlich erkläret werden. Ist die Erklärung unverständlich; ganz unbestimmt; oder erfolgt die Annahme unter andern Bestimmungen, als unter welchen das Versprechen geschehen ist; so entsteht kein Vertrag. Wer sich, um einen Andern zu bevortheilen, undeutlicher Ausdrücke bedient, oder ein Scheinhandlung unternimmt, leistet Genugthuung.

§. 870. Wer von dem anderen Teile durch List oder durch ungerechte und gegründete Furcht (§ 55) zu einem Vertrage veranlaßt worden, ist ihn zu halten nicht verbunden.

§. 871. War ein Teil über den Inhalt der von ihm abgegebenen oder dem anderen zugegangenen Erklärung in einem Irrtum befangen, der die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betrifft, worauf die Absicht vorzüglich gerichtet und erklärt wurde, so entsteht für ihn keine Verbindlichkeit, falls der Irrtum durch den anderen veranlaßt war, oder diesem aus den Umständen offenbar auffallen mußte oder noch rechtzeitig aufgeklärt wurde.

§. 872. Betrifft aber der Irrthum weder die Hauptsache, noch eine wesentliche Beschaffenheit derselben, sondern einen Nebenumstand; so bleibt der Vertrag, in so fern beyde Theile in den Hauptgegenstand gewilliget, und den Nebenumstand nicht als vorzügliche Absicht erkläret haben, noch immer gültig: allein dem Irregeführten ist von dem Urheber des Irrthumes die angemessene Vergütung zu leisten.

§. 873. Eben diese Grundsätze sind auch auf den Irrthum in der Person desjenigen, welchem ein Versprechen gemacht worden ist, anzuwenden; in so fern ohne den Irrthum der Vertrag entweder gar nicht, oder doch nicht auf solche Art errichtet worden wäre.

§. 874. In jedem Falle muß derjenige, welcher einen Vertrag durch List oder ungerechte Furcht bewirket hat, für die nachtheiligen Folgen Genugthuung leisten.

§. 875. Ist einer der Vertragschließenden von einem Dritten durch List oder durch ungerechte und gegründete Furcht zu einem Vertrage bewogen; oder zu einer irrtümlichen Erklärung veranlaßt worden; so ist der Vertrag gültig. Nur in dem Falle, daß der andere Teil an der Handlung des Dritten teilnahm oder von derselben offenbar wissen mußte, kommen die §§ 870 bis 874 zur Anwendung.

§. 876. Die vorstehenden Bestimmungen (§§ 869 bis 875) finden entsprechende Anwendung auf sonstige Willenserklärungen, welche einer anderen Person gegenüber abzugeben sind.

§. 877. Wer die Aufhebung eines Vertrages aus Mangel der Einwilligung verlangt, muß dagegen auch Alles zurückstellen, was es aus einem solchen Vertrage zu seinem Vortheile erhalten hat.

3) Möglichkeit der Leistung.

§. 878. Was geradezu unmöglich ist, kann nicht Gegenstand eines gültigen Vertrages werden. Ist Mögliches und Unmögliches zugleich bedungen, so bleibt der Vertrag in ersterem Teile gültig, wenn anders aus dem Vertrage nicht hervorgeht, daß kein Punkt von dem anderen abgesondert werden könne. Wer bei Abschließung des Vertrages die Unmöglichkeit kannte oder kennen mußte, hat dem anderen Teile, falls von diesem nicht dasselbe gilt, den Schaden zu ersetzen, den er durch das Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages erlitten hat.

§. 879. Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

Insbesondere sind folgende Verträge nichtig:

1. wenn etwas für die Unterhandlung eines Ehevertrages bedungen wird;

2. wenn ein Rechtsfreund eine ihm anvertraute Streitsache ganz oder teilweise an sich löst oder sich einen bestimmten Teil des Betrages versprechen läßt, der der Partei zuerkannt wird;

3. wenn eine Erbschaft oder ein Vermächtnis, die man von einer dritten Person erhofft, noch bei Lebzeiten derselben veräußert wird;

4. wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren läßt, deren Vermögenswert zu dem Werte der Leistung in auffallendem Mißverhältnisse steht.

§. 880. Wird der Gegenstand, worüber ein Vertrag geschlossen worden, vor dessen Uebergabe dem Verkehre entzogen; so ist es eben so viel, als wenn man den Vertrag nicht geschlossen hätte.

§. 880a. Hat jemand einem andern eine Leistung eines Dritten versprochen, so gilt dies als Zusage seiner Verwendung bei dem Dritten; ist er aber für den Erfolg eingestanden, so haftet er für volle Genugtuung, wenn die Leistung des Dritten ausbleibt.

Verträge zugunsten Dritter

§. 881. Hat sich jemand eine Leistung an einen Dritten versprechen lassen, so kann er fordern, daß an den Dritten geleistet werde.

Ob und in welchem Zeitpunkt auch der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, vom Versprechenden Erfüllung zu fordern, ist aus der Vereinbarung und der Natur und dem Zwecke des Vertrages zu beurteilen. Im Zweifel erwirbt der Dritte dieses Recht, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteile gereichen soll.

Das Recht auf die bei einer Gutsabtretung vom Übernehmer zugunsten eines Dritten versprochenen Leistungen gilt mangels anderer Vereinbarungen dem Dritten als mit der Übergabe des Gutes erworben.

§. 882. Weist der Dritte das aus dem Vertrag erworbene Recht zurück, so gilt das Recht als nicht erworben.

Einwendungen aus dem Vertrage stehen dem Versprechenden auch gegen den Dritten zu.

Form der Verträge.

§. 883. Ein Vertrag kann mündlich oder schriftlich; vor Gericht oder außerhalb desselben; mit oder ohne Zeugen errichtet werden. Diese Verschiedenheit der Form macht, außer den im Gesetze bestimmten Fällen, in Ansehung der Verbindlichkeit keinen Unterschied.

§. 884. Haben die Parteien für einen Vertrag die Anwendung einer bestimmten Form vorbehalten, so wird vermutet, daß sie vor Erfüllung dieser Form nicht gebunden sein wollen.

§. 885. Ist zwar noch nicht die förmliche Urkunde, aber doch ein Aufsatz über die Hauptpunkte errichtet und von den Parteien unterfertigt worden (Punktation), so gründet auch schon ein solcher Aufsatz diejenigen Rechte und Verbindlichkeiten, welche darin ausgedrückt sind.

§. 886. Ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, kommt durch die Unterschrift der Parteien oder, falls sie des Schreibens unkundig oder wegen Gebrechens unfähig sind, durch Beisetzung ihres gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens oder Beisetzung des Handzeichens vor zwei Zeugen, deren einer den Namen der Partei unterfertigt, zustande. Der schriftliche Abschluß des Vertrages wird durch gerichtliche oder notarielle Beurkundung ersetzt. Eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift auf mechanischem Wege ist nur da genügend, wo sie im Geschäftsverkehr üblich ist.

§. 887. (Anm.: Aufgehoben durch § 95, RGBl 1916/Nr. 69 - Dritte Teilnovelle.)

Gemeinschaftliche Verbindlichkeit oder Berechtigung.

§. 888. Wenn zwey oder mehrere Personen jemanden eben dasselbe Recht zu einer Sache versprechen, oder es von ihm annehmen; so wird sowohl die Forderung, als die Schuld nach den Grundsätzen der Gemeinschaft des Eigenthumes getheilt.

§. 889. Außer den in dem Gesetze bestimmten Fällen haftet also aus mehrern Mitschuldnern einer theilbaren Sache jeder nur für seinen Antheil, und eben so muß von mehrern Mitgenossen einer theilbaren Sache, jeder sich mit dem ihm gebührenden Theile begnügen.

§. 890. Betrifft es hingegen untheilbare Sachen; so kann ein Gläubiger, wenn er der einzige ist, solche von einem jeden Mitschuldner fordern. Wenn aber mehrere Gläubiger und nur Ein Schuldner da sind; so ist dieser die Sache einem einzelnen Mitgläubiger, ohne Sicherstellung heraus zu geben, nicht verpflichtet; er kann auf die Uebereinkunft aller Mitgläubiger dringen, oder die gerichtliche Verwahrung der Sache verlangen.

Correalität.

§. 891. Versprechen mehrere Personen ein und dasselbe Ganze zur ungetheilten Hand dergestalt, daß sich Einer für Alle, und Alle für Einen ausdrücklich verbinden; so haftet jede einzelne Person für das Ganze. Es hängt dann von dem Gläubiger ab, ob er von allen, oder von einigen Mitschuldnern das Ganze, oder nach von ihm gewählten Antheilen, oder ob er es von einem Einzigen fordern wolle. Selbst nach erhobener Klage bleibt ihm, wenn er von derselben absteht, diese Wahl vorbehalten; und, wenn er von einem oder dem andern Mitschuldner nur zum Theile befriediget wird; so kann er das Rückständige von den übrigen fordern.

§. 892. Hat hingegen einer mehrern Personen eben dasselbe Ganze zugesagt, und sind diese ausdrücklich berechtiget worden, es zur ungetheilten Hand fordern zu können; so muß der Schuldner das Ganze demjenigen dieser Gläubiger entrichten, der ihn zuerst darum angeht.

§. 893. Sobald ein Mitschuldner dem Gläubiger das Ganze entrichtet hat, darf dieser von den übrigen Mitschuldnern nichts mehr fordern; und sobald ein Mitgläubiger von dem Schuldner ganz befriediget worden ist, haben die übrigen Mitgläubiger keinen Anspruch mehr.

§. 894. Ein Mitschuldner kann dadurch, daß er mit dem Gläubiger lästigere Bedingungen eingeht, den übrigen keinen Nachtheil zuziehen, und die Nachsicht oder Befreyung, welche ein Mitschuldner für seine Person erhält, kommt den übrigen nicht zu Statten.

§. 895. Wie weit aus mehrern Mitgläubigern, welchen eben dasselbe Ganze zur ungetheilten Hand zugesagt worden ist, derjenige, welcher die ganze Forderung für sich erhalten hat, den übrigen Gläubigern hafte, muß aus den besondern, zwischen den Mitgläubigern bestehenden, rechtlichen Verhältnissen bestimmt werden. Besteht kein solches Verhältniß; so ist einer dem andern keine Rechenschaft schuldig.

§. 896. Ein Mitschuldner zur ungetheilten Hand, welcher die ganze Schuld aus dem Seinigen abgetragen hat, ist berechtiget, auch ohne geschehene Rechtsabtretung, von den übrigen den Ersatz, und zwar, wenn kein anderes besonderes Verhältniß unter ihnen besteht, zu gleichen Theilen zu fordern. War einer aus ihnen unfähig, sich zu verpflichten, oder ist er unvermögend, seiner Verpflichtung Genüge zu leisten; so muß ein solcher ausfallender Antheil ebenfalls von allen Mitverpflichteten übernommen werden. Die erhaltene Befreyung eines Mitverpflichteten kann den übrigen bey der Forderung des Ersatzes nicht nachtheilig seyn. (§. 894.)

Nebenbestimmungen bey Verträgen:

1) Bedingungen;

§. 897. In Ansehung der Bedingungen bey Verträgen gelten überhaupt die nähmlichen Vorschriften, welche über die den Erklärungen des letzten Willens beygesetzten Bedingungen aufgestellt worden sind.

§. 898. Verabredungen unter solchen Bedingungen, welche bey einem letzten Willen für nicht beigesetzt angesehen werden, sind ungültig.

§. 899. Ist die in einem Vertrage vorgeschriebene Bedingung schon vor dem Vertrage eingetroffen; so muß sie nach dem Vertrage nur dann wiederhohlet werden, wenn sie in einer Handlung dessen, der das Recht erwerben soll, besteht und von ihm wiederhohlet werden kann.

2) Bewegungsgrund;

§. 900. Ein unter einer aufschiebenden Bedingung zugesagtes Recht geht auch auf die Erben über.

§. 901. Haben die Parteyen den Bewegungsgrund, oder den Endzweck ihrer Einwilligung ausdrücklich zur Bedingung gemacht; so wird der Bewegungsgrund oder Endzweck wie eine andere Bedingung angesehen. Außer dem haben dergleichen Aeußerungen auf die Gültigkeit entgeldlicher Verträge keinen Einfluß. Bey den unentgeldlichen aber sind die bey den letzten Anordnungen gegebenen Vorschriften anzuwenden.

3) Zeit, Ort und Art der Erfüllung;

§. 902. Eine durch Vertrag oder Gesetz bestimmte Frist ist vorbehaltlich anderer Festsetzung so zu berechnen, daß bei einer nach Tagen bestimmten Frist der Tag nicht mitgezählt wird, in welchen das Ereignis fällt, von dem der Fristenlauf beginnt.

Das Ende einer nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmten Frist fällt auf denjenigen Tag der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach seiner Benennung oder Zahl dem Tage des Ereignisses entspricht, mit dem der Lauf der Frist beginnt, wenn aber dieser Tag in dem letzten Monat fehlt, auf den letzten Tag dieses Monats.

Unter einem halben Monate sind fünfzehn Tage zu verstehen, unter der Mitte eines Monats der fünfzehnte dieses Monats.

§. 903. Ein Recht, dessen Erwerbung an einen bestimmten Tag gebunden ist, wird mit dem Anfang dieses Tages erworben. Die Rechtsfolgen der Nichterfüllung einer Verbindlichkeit oder eines Versäumnisses treten erst mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist ein. Fällt der für die Abgabe einer Erklärung oder für eine Leistung bestimmte letzte Tag auf einen Sonntag oder anerkannten Feiertag, so tritt an dessen Stelle, vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung, der nächstfolgende Werktag.

§. 904. Ist keine gewisse Zeit für die Erfüllung des Vertrages bestimmt worden; so kann sie sogleich, nähmlich ohne unnöthigen Aufschub, gefordert werden. Hat der Verpflichtete die Erfüllungszeit seiner Willkühr vorbehalten; so muß man entweder seinen Tod abwarten, und sich an die Erben halten; oder, wenn es um eine bloß persönliche, nicht vererbliche, Pflicht zu thun ist, die Erfüllungszeit von dem Richter nach Billigkeit festsetzen lassen. Letzteres findet auch dann Statt, wenn der Verpflichtete die Erfüllung, nach Möglichkeit, oder Thunlichkeit versprochen hat. Uebrigens müssen die Vorschriften, welche oben (§§. 704-706) in Rücksicht der den letzten Anordnungen beygerückten Zeitbestimmung gegeben werden, auch hier angewendet werden.

§. 905. Kann der Erfüllungsort weder aus der Verabredung noch aus der Natur oder dem Zwecke des Geschäftes bestimmt werden, so ist an dem Orte zu leisten, wo der Schuldner zur Zeit des Vertragsabschlusses seinen Wohnsitz hatte, oder, wenn die Verbindlichkeit im Betriebe des gewerblichen oder geschäftlichen Unternehmens des Schuldners entstand, am Orte der Niederlassung. In Ansehung des Maßes, des Gewichtes und der Geldsorten ist auf den Ort der Erfüllung zu sehen.

Geldzahlungen hat der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu übermachen. Hat sich dieser nach der Entstehung der Forderung geändert, so trägt der Gläubiger die dadurch bewirkte Erhöhung der Gefahr und der Kosten.

§. 906. Kann das Versprechen auf mehrere Arten erfüllet werden; so hat der Verpflichtete die Wahl; er kann aber von der einmahl getroffenen Wahl für sich allein nicht abgehen.

§. 907. Wird ein Vertrag ausdrücklich mit Vorbehalt der Wahl geschlossen, und dieselbe durch zufälligen Untergang eines oder mehrerer Wahlstücke vereitelt; so ist der Theil, dem die Wahl zusteht, an den Vertrag nicht gebunden. Unterläuft aber ein Verschulden des Verpflichteten; so muß er dem Berechtigten für die Vereitlung der Wahl haften.

4) Angeld;

§. 908. Was bey Abschließung eines Vertrages voraus gegeben wird, ist, außer dem Falle einer besondern Verabredung, nur als ein Zeichen der Abschließung, oder als eine Sicherstellung für die Erfüllung des Vertrages zu betrachten, und heißt Angeld. Wird der Vertrag durch Schuld einer Partey nicht erfüllet; so kann die schuldlose Partey das von ihr empfangene Angeld behalten, oder den doppelten Betrag des von ihr gegebenen Angeldes zurückfordern. Will sie sich aber damit nicht begnügen, so kann sie auf die Erfüllung; oder, wenn diese nicht mehr möglich ist, auf den Ersatz dringen.

5) Reugeld;

§. 909. Wird bey Schließung eines Vertrages ein Betrag bestimmt, welchen ein oder der andere Theil in dem Falle, daß er von dem Vertrage vor der Erfüllung zurücktreten will, entrichten muß; so wird der Vertrag gegen Reugeld geschlossen. In diesem Falle muß entweder der Vertrag erfüllt, oder das Reugeld bezahlet werden. Wer den Vertrag auch nur zum Theile erfüllet; oder das, was von dem Andern auch nur zum Theile zur Erfüllung geleistet worden ist, angenommen hat, kann selbst gegen Entrichtung des Reugeldes nicht mehr zurücktreten.

§. 910. Wenn ein Angeld gegeben, und zugleich das Befugniß des Rücktrittes ohne Bestimmung eines besondern Reugeldes bedungen wird; so vertritt das Angeld die Stelle des Reugeldes. Im Falle des Rücktrittes verliert also der Geber das Angeld; oder der Empfänger stellt das Doppelte zurück.

§. 911. Wer nicht durch bloßen Zufall, sondern durch sein Verschulden an der Erfüllung des Vertrages verhindert wird, muß ebenfalls das Reugeld entrichten.

6) Nebengebühren.

§. 912. Der Gläubiger ist von seinem Schuldner außer der Hauptschuld zuweilen auch Nebengebühren zu fordern berechtiget. Sie bestehen in dem Zuwachse, und in den Früchten der Hauptsache; in den bestimmten oder in den Zögerungs-Zinsen; oder in dem Ersatze des verursachten Schadens; oder dessen, was dem Andern daran liegt, daß die Verbindlichkeit nicht gehörig erfüllet worden; endlich in dem Betrage, welchen ein Theil sich auf diesen Fall bedungen hat.

§. 913. In wie weit mit einem dinglichen Rechte das Recht auf den Zuwachs, oder auf die Früchte verbunden sey, ist in dem ersten und vierten Hauptstücke des zweyten Theiles bestimmet worden. Wegen eines bloß persönlichen Rechtes hat der Berechtigte noch keinen Anspruch auf Nebengebühren. In wie weit dem Gläubiger ein Recht auf diese zukomme, ist theils aus den besondern Arten und Bestimmungen der Verträge; theils aus dem Hauptstücke, von dem Rechte des Schadenersatzes und der Genugthuung, zu entnehmen.

Auslegungsregeln bey Verträgen.

§. 914. Bei Auslegung von Verträgen ist nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht.

§. 915. Bey einseitig verbindlichen Verträgen wird im Zweifel angenommen, daß sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auflegen wollte; bey zweyseitig verbindlichen wird eine undeutliche Aeußerung zum Nachtheile desjenigen erkläret, der sich derselben bedienet hat. (§. 869.)

§. 916. Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber mit dessen Einverständnis zum Schein abgegeben wird, ist nichtig. Soll dadurch ein anderes Geschäft verborgen werden, so ist dieses nach seiner wahren Beschaffenheit zu beurteilen.

Einem Dritten, der im Vertrauen auf die Erklärung Rechte erworben hat, kann die Einrede des Scheingeschäftes nicht entgegengesetzt werden.

Allgemeine Bestimmungen über entgeltliche Verträge und Geschäfte

§. 917. Bei einem entgeltlichen Vertrage werden entweder Sachen mit Sachen, oder Handlungen, worunter auch die Unterlassungen gehören, mit Handlungen, oder endlich Sachen mit Handlungen und Handlungen mit Sachen vergolten.

§. 918. Wenn ein entgeltlicher Vertrag von einem Teil entweder nicht zur gehörigen Zeit, am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erfüllt wird, kann der andere entweder Erfüllung und Schadenersatz wegen der Verspätung begehren oder unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären.

Ist die Erfüllung für beide Seiten teilbar, so kann wegen Verzögerung einer Teilleistung der Rücktritt nur hinsichtlich der einzelnen oder auch aller noch ausstehenden Teilleistungen erklärt werden.

§. 919. Ist die Erfüllung zu einer festbestimmten Zeit oder binnen einer festbestimmten Frist bei sonstigem Rücktritt bedungen, so muß der Rücktrittsberechtigte, wenn er auf der Erfüllung bestehen will, das nach Ablauf der Zeit dem andern ohne Verzug anzeigen; unterläßt er dies, so kann er später nicht mehr auf der Erfüllung bestehen. Dasselbe gilt, wenn die Natur des Geschäftes oder der dem Verpflichteten bekannte Zweck der Leistung entnehmen läßt, daß die verspätete Leistung oder, im Falle der Verspätung einer Teilleistung, die noch übrigen Leistungen für den Empfänger kein Interesse haben.

§. 920. Wird die Erfüllung durch Verschulden des Verpflichteten oder einen von ihm zu vertretenden Zufall vereitelt, so kann der andere Teil entweder Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern oder vom Vertrage zurücktreten. Bei teilweiser Vereitlung steht ihm der Rücktritt zu, falls die Natur des Geschäftes oder der dem Verpflichteten bekannte Zweck der Leistung entnehmen läßt, daß die teilweise Erfüllung für ihn kein Interesse hat.

§. 921. Der Rücktritt vom Vertrage läßt den Anspruch auf Ersatz des durch verschuldete Nichterfüllung verursachten Schadens unberührt. Das bereits empfangene Entgelt ist auf solche Art zurückzustellen oder zu vergüten, daß kein Teil aus dem Schaden des anderen Gewinn zieht.

Gewährleistung.

§. 922. Wenn jemand eine Sache auf eine entgeldliche Art einem Andern überläßt, so leistet er Gewähr, daß sie die ausdrücklich bedungenen, oder gewöhnlich dabey vorausgesetzten Eigenschaften habe, und daß sie der Natur des Geschäftes, oder der getroffenen Verabredung gemäß benützt, und verwendet werden könne.

Fälle der Gewährleistung.

§. 923. Wer also der Sache Eigenschaften beylegt, die sie nicht hat, und die ausdrücklich oder vermöge der Natur des Geschäftes stillschweigend bedungen worden sind; wer ungewöhnliche Mängel, oder Lasten derselben verschweigt; wer eine nicht mehr vorhandene, oder eine fremde Sache als die seinige veräußert; wer fälschlich vorgibt, daß die Sache zu einem bestimmten Gebrauche tauglich; oder daß sie auch von den gewöhnlichen Mängeln und Lasten frey sey; der hat, wenn das Widerspiel hervorkommt, dafür zu haften.

§. 924. (Anm.: Aufgehoben durch § 117, RGBl 1916/Nr. 69 - Dritte Teilnovelle.)

§. 925. Durch Verordnung wird bestimmt, inwiefern die Vermutung eintritt, daß ein Tier schon vor der Übergabe krank gewesen ist, wenn innerhalb bestimmter Fristen gewisse Krankheiten und Mängel hervorkommen.

§. 926. Von der rechtlichen Vermutung, daß der Mangel schon vor der Übergabe des Tieres vorhanden war, kann aber der Übernehmer nur dann Gebrauch machen, wenn er dem Übergeber oder in dessen Abwesenheit dem Gemeindevorsteher sogleich von dem bemerkten Fehler Nachricht gibt oder das Tier durch einen Sachverständigen untersuchen läßt oder die gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises beantragt.

§. 927. Vernachlässigt der Übernehmer diese Vorsicht, so liegt ihm der Beweis ob, daß das Tier schon vor der Übergabe mangelhaft war. Immer steht aber auch dem Übergeber der Beweis offen, daß der gerügte Mangel erst nach der Übergabe eingetreten sei.

§. 928. Fallen die Mängel einer Sache in die Augen oder sind die auf der Sache haftenden Lasten aus den öffentlichen Büchern zu ersehen, so findet außer dem Falle arglistigen Verschweigens des Mangels oder einer ausdrücklichen Zusage, daß die Sache von allen Fehlern und Lasten frei sei, keine Gewährleistung statt (§ 443). Schulden und Rückstände, welche auf der Sache haften, müssen stets vertreten werden.

§. 929. Wer eine fremde Sache wissentlich an sich bringt, hat eben so wenig Anspruch auf eine Gewährleistung, als derjenige, welcher ausdrücklich darauf Verzicht gethan hat.

§. 930. Werden Sachen in Pausch und Bogen, nähmlich so, wie sie stehen und liegen, ohne Zahl, Maß und Gewicht übergeben; so ist der Uebergeber, außer dem Falle, daß eine von ihm fälschlich vorgegebene, oder von dem Empfänger bedungene Beschaffenheit mangelt, für die daran entdeckten Fehler nicht verantwortlich.

Bedingung der Gewährleistung.

§. 931. Wenn der Übernehmer wegen eines von einem Dritten auf die Sache erhobenen Anspruches von der Gewährleistung Gebrauch machen will, so muß er seinem Vormann den Streit verkündigen. Unterläßt er dies, so verliert er zwar noch nicht das Recht der Schadloshaltung, aber sein Vormann kann ihm alle wider den Dritten unausgeführt gebliebenen Einwendungen entgegensetzen und sich dadurch von der Entschädigung in dem Maße befreien, als erkannt wird, daß diese Einwendungen, wenn von ihnen der gehörige Gebrauch gemacht worden wäre, eine andere Entscheidung gegen den Dritten veranlaßt haben würden.

Wirkung.

§. 932. Ist der die Gewährleistung begründende Mangel von der Art, daß er nicht mehr behoben werden kann und daß er den ordentlichen Gebrauch der Sache verhindert, so kann der Übernehmer die gänzliche Aufhebung des Vertrages, wenn hingegen der Mangel den ordentlichen Gebrauch nicht verhindert oder wenn er behoben werden kann, entweder eine angemessene Minderung des Entgelts oder die Verbesserung oder den Nachtrag des Fehlenden fordern. In allen Fällen haftet der Übergeber für den verschuldeten Schaden. Eine unerhebliche Minderung des Wertes kommt nicht in Betracht.

§. 932a. Während des Rechtsstreites über die Aufhebung des Vertrages wegen eines Viehmangels hat das Gericht auf Antrag einer der Parteien, sobald die Besichtigung nicht mehr erforderlich ist, durch einstweilige Verfügung den gerichtlichen Verkauf des Tieres und die gerichtliche Hinterlegung des Erlöses anzuordnen.

Erlöschung des Rechtes der Gewährleistung.

§. 933. Wer die Gewährleistung fordern will, muß sein Recht, wenn es unbewegliche Sachen betrifft, binnen drei Jahren, wenn es bewegliche Sachen betrifft, binnen sechs Monaten und, wenn es sich um Viehmängel handelt, binnen sechs Wochen gerichtlich geltend machen, sonst ist die Klage erloschen. Die Frist beginnt von dem Tage der Ablieferung der Sache; für die Gewährleistung wegen solcher Viehmängel bezüglich deren eine Vermutungsfrist besteht, von dem Tage, an dem diese endet; für die Gewährleistung wegen eines von einem Dritten auf die Sache erhobenen Anspruches aber von dem Tage, an welchem dieser dem Erwerber bekannt wurde.

Die Geltendmachung durch Einrede bleibt dem Erwerber vorbehalten, wenn er innerhalb der Frist dem Übergeber den Mangel angezeigt hat.

Schadloshaltung wegen Verkürzung über die Hälfte.

§. 934. Hat bey zweyseitig verbindlichen Geschäften ein Theil nicht einmahl die Hälfte dessen, was er dem andern gegeben hat, von diesem an dem gemeinen Werthe erhalten; so räumt das Gesetz dem verletzten Theile das Recht ein, die Aufhebung und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern. Dem andern Theile steht aber bevor, das Geschäft dadurch aufrecht zu erhalten, daß er den Abgang bis zum gemeinen Werthe zu ersetzen bereit ist. Das Mißverhältniß des Werthes wird nach dem Zeitpuncte des geschlossenen Geschäftes bestimmt.

§. 935. Dieses Rechtsmittel findet nicht Statt, wenn jemand ausdrücklich darauf Verzicht gethan, oder sich erkläret hat, die Sache aus besonderer Vorliebe um einen außerordentlichen Werth zu übernehmen; wenn er, obgleich ihm der wahre Werth bekannt war, sich dennoch zu dem unverhältnißmäßigen Werthe verstanden hat; ferner, wenn aus dem Verhältnisse der Personen zu vermuthen ist, daß sie einen, aus einem entgeldlichen und unentgeldlichen vermischten, Vertrag schließen wollten; wenn sich der eigentliche Werth nicht mehr erheben läßt; endlich wenn die Sache von dem Gerichte versteigert worden ist.

Von der Verabredung eine künftigen Vertrages.

§. 936. Die Verabredung, künftig erst einen Vertrag schließen zu wollen, ist nur dann verbindlich, wenn sowohl die Zeit der Abschließung, als die wesentlichen Stücke des Vertrages bestimmt, und die Umstände inzwischen nicht dergestalt verändert worden sind, daß dadurch der ausdrücklich bestimmte, oder aus den Umständen hervorleuchtende Zweck vereitelt, oder das Zutrauen des einen oder andern Theiles verloren wird. Ueberhaupt muß auf die Vollziehung solcher Zusagen längstens in einem Jahre nach dem bedungenen Zeitpuncte gedrungen werden; widrigen Falls ist das Recht erloschen.

Von dem Verzicht auf Einwendungen.

§. 937. Allgemeine, unbestimmte Verzichtleistungen auf Einwendungen gegen die Gültigkeit eines Vertrages sind ohne Wirkung.

 

Achtzehntes Hauptstück.

Von Schenkungen.

Schenkung.

§. 938. Ein Vertrag, wodurch eine Sache jemanden unentgeldlich überlassen wird, heißt eine Schenkung.

In wie fern eine Verzichtleistung eine Schenkung sey.

§. 939. Wer auf ein gehofftes, oder wirklich angefallenes, oder zweifelhaftes Recht Verzicht thut, ohne es einem Andern ordentlich abzutreten, oder dasselbe dem Verpflichteten mit dessen Einwilligung zu erlassen, ist für keinen Geschenkgeber anzusehen.

Belohnende Schenkung.

§. 940. Es verändert die Wesenheit der Schenkung nicht, wenn sie aus Erkenntlichkeit; oder in Rücksicht auf die Verdienste des Beschenkten; oder als eine besondere Belohnung desselben gemacht worden ist; nur darf er vorher kein Klagerecht darauf gehabt haben.

§. 941. Hat der Beschenkte ein Klagerecht auf die Belohnung gehabt, entweder, weil sie unter den Parteyen schon bedungen, oder durch das Gesetz vorgeschrieben war; so hört das Geschäft auf, eine Schenkung zu seyn, und ist als ein entgeldlicher Vertrag anzusehen.

Wechselseitige Schenkungen.

§. 942. Sind Schenkungen vorher dergestalt bedungen, das der Schenkende wieder beschenkt werden muß; so entsteht keine wahre Schenkung im Ganzen; sondern nur in Ansehung des übersteigenden Werthes.

Form des Schenkungsvertrages,

§. 943. Aus einem bloß mündlichen, ohne wirkliche Uebergabe geschlossenen Schenkungsvertrage erwächst dem Geschenknehmer kein Klagerecht. Dieses Recht muß durch eine schriftliche Urkunde begründet werden.

und Maß einer Schenkung.

§. 944. Ein unbeschränkter Eigenthümer kann mit Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften auch sein ganzes gegenwärtiges Vermögen verschenken. Ein Vertrag aber, wodurch das künftige Vermögen verschenket wird, besteht nur in so weit, als er die Hälfte diese Vermögens nicht übersteigt.

In wie fern der Geber für das Geschenkte hafte.

§. 945. Wer wissentlich eine fremde Sache verschenkt, und dem Geschenknehmer diesen Umstand verschweigt, haftet für die nachtheiligen Folgen.

Unwiderruflichkeit der Schenkungen.

§. 946. Schenkungsverträge dürfen in der Regel nicht widerrufen werden.

Ausnahmen:

1) wegen Dürftigkeit;

§. 947. Geräth der Geschenkgeber in der Folge in solche Dürftigkeit, daß es ihm an dem nöthigen Unterhalte gebricht; so ist er befugt, jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, in so weit die geschenkte Sache, oder derselben Werth noch vorhanden ist, und ihm der nöthige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich anders dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befindet. Aus mehrern Geschenknehmern ist der frühere nur in so weit verbunden, als die Beyträge der spätern zum Unterhalte nicht zureichen.

2) Undanks;

§. 948. Wenn der Beschenkte sich gegen seinen Wohlthäter eines groben Undankes schuldig macht, kann die Schenkung widerrufen werden. Unter groben Undanke wird eine Verletzung am Leibe, an Ehre, an Freyheit, oder am Vermögen verstanden, welche von der Art ist, daß gegen den Verletzer von Amts wegen, oder auf Verlangen des Verletzten nach dem Strafgesetze verfahren werden kann.

§. 949. Der Undank macht den Undankbaren für seine Person zum unredlichen Besitzer, und gibt selbst dem Erben, des Verletzten, in so fern der letztere den Undank nicht verziehen hat, und noch etwas von dem Geschenke in Natur oder Werthe vorhanden ist, ein Recht zur Widerrufungsklage auch gegen den Erben des Verletzers.

3) Verkürzung des schuldigen Unterhalts;

§. 950. Wer jemanden den Unterhalt zu reichen schuldig ist, kann dessen Recht durch Beschenkung eines Dritten nicht verletzen. Der auf solche Art Verkürzte ist befugt, den Beschenkten um die Ergänzung desjenigen zu belangen, was ihm der Schenkende nun nicht mehr zu leisten vermag. Bey mehrern Geschenknehmern ist die obige (§. 947.) Vorschrift anzuwenden.

4) des Pflichttheils;

§. 951. Wenn bei Bestimmung des Pflichtteiles Schenkungen in Anschlag gebracht werden (§ 785), der Nachlaß aber zu dessen Deckung nicht ausreicht, kann der verkürzte Noterbe vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes zur Deckung des Fehlbetrages verlangen. Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des Fehlbetrages abwenden.

Ist der Beschenkte selbst pflichtteilsberechtigt, so haftet er dem andern nur so weit, als er infolge der Schenkung mehr als den ihm bei Einrechnung der Schenkungen gebührenden Pflichtteil erhalten würde.

Unter mehreren Beschenkten haftet der früher Beschenkte nur in dem Maße, als der später Beschenkte zur Herausgabe nicht verpflichtet oder nicht imstande ist. Gleichzeitig Beschenkte haften verhältnismäßig.

§. 952. Besitzt der Beschenkte die geschenkte Sache oder ihren Werth nicht mehr; so haftet er nur in so fern, als er sie unredlicher Weise aus dem Besitze gelassen hat.

5) der Gläubiger;

§. 953. Unter eben dieser (§. 952.) Beschränkung können auch diejenigen Geschenke zurückgefordert werden, wodurch die zur Zeit der Schenkung schon vorhandenen Gläubiger verkürzt worden sind. Auf Gläubiger, deren Forderungen jünger sind, als die Schenkung, erstreckt sich dieses Recht nur dann, wenn der Beschenkte eines hinterlistigen Einverständnisses überwiesen werden kann.

6) wegen nachgeborner Kinder.

§. 954. Dadurch, daß einem kinderlosen Geschenkgeber nach geschlossenem Schenkungsvertrage Kinder geboren werden, erwächst weder ihm, noch den nachgebornen Kindern das Recht, die Schenkung zu widerrufen. Doch kann er, oder das nachgeborne Kind, im Nothfalle sowohl gegen den Beschenkten, als gegen dessen Erben das oben angeführte Recht auf die gesetzlichen Zinsen des geschenkten Betrages geltend machen. (§. 947.)

Welche Schenkungen auf die Erben nicht übergehen.

§. 955. Hat der Geschenkgeber dem Beschenkten eine Unterstützung in gewissen Fristen zugesichert, so erwächst für die Erben derselben weder ein Recht, noch eine Verbindlichkeit; es müßte denn in dem Schenkungsvertrage ausdrücklich anders bedungen worden seyn.

Schenkung auf den Todesfall.

§. 956. Eine Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tode des Schenkenden erfolgen soll, ist mit Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten als ein Vermächtniß gültig. Nur dann ist sie als ein Vertrag anzusehen, wenn der Beschenkte sie angenommen, der Schenkende sich des Befugnisses, sie zu widerrufen, ausdrücklich begeben hat, und eine schriftliche Urkunde darüber dem Beschenkten eingehändiget worden ist.

 

Neunzehntes Hauptstück.

Von dem Verwahrungsvertrage.

Verwahrungsvertrag.

§. 957. Wenn jemand eine fremde Sache in seine Obsorge übernimmt; so entsteht ein Verwahrungsvertrag. Das angenommene Versprechen, eine fremde, noch nicht übergebene Sache in die Obsorge zu übernehmen, macht zwar den versprechenden Theil verbindlich; es ist aber noch kein Verwahrungsvertrag.

§. 958. Durch den Verwahrungsvertrag erwirbt der Uebernehmer weder Eigenthum, noch Besitz, noch Gebrauchsrecht; er ist bloßer Inhaber mit der Pflicht, die ihm anvertraute Sache vor Schaden zu sichern.

Wann er in einen Darleihens- oder Leihvertrag;

§. 959. Wird dem Verwahrer auf sein Verlangen, oder durch freywilliges Anerbiethen des Hinterlegers der Gebrauch gestattet; so hört im ersten Falle der Vertrag gleich nach der Verwilligung; im zweyten aber von dem Augenblicke, da das Anerbiethen angenommen, oder von der hinterlegten Sache wirklich Gebrauch gemacht worden ist, auf, ein Verwahrungsvertrag zu seyn; er wird bey verbrauchbaren Sachen in einen Darleihens-, bey unverbrauchbaren in einen Leihvertrag umgeändert, und es treten die damit verbundenen Rechte und Pflichten ein.

oder in eine Bevollmächtigung übergehe.

§. 960. Es können bewegliche und unbewegliche Sachen in Obsorge gegeben werden. Wird aber dem Uebernehmer zugleich ein anderes, auf die anvertraute Sache sich beziehendes, Geschäft aufgetragen; so wird er als ein Gewalthaber angesehen.

Pflichten und Rechte des Verwahrers;

§. 961. Die Hauptpflicht des Verwahrers ist: die ihm anvertraute Sache durch die bestimmte Zeit sorgfältig zu bewahren, und nach Verlauf derselben dem Hinterleger in eben dem Zustande, in welchem er sie übernommen hat, und mit allem Zuwachse zurückzustellen.

§. 962. Der Verwahrer muß dem Hinterleger auf Verlangen die Sache auch noch vor Verlauf der Zeit zurückstellen, und kann nur den Ersatz des ihm etwa verursachten Schadens begehren. Er kann hingegen die ihm anvertraute Sache nicht früher zurückgeben; es wäre denn, daß ein unvorhergesehener Umstand ihn außer Stand setzte, die Sache mit Sicherheit oder ohne seinen eigenen Nachtheil zu verwahren.

§. 963. Ist die Verwahrungszeit weder ausdrücklich bestimmt worden, noch sonst aus Nebenumständen abzunehmen; so kann die Verwahrung nach Belieben aufgekündet werden.

§. 964. Der Verwahrer haftet dem Hinterleger für den aus der Unterlassung der pflichtmäßigen Obsorge verursachten Schaden, aber nicht für den Zufall; selbst dann nicht, wenn er die anvertraute, obschon kostbarere Sache, mit Aufopferung seiner eigenen hätte retten können.

§. 965. Hat aber der Verwahrer von der hinterlegten Sache Gebrauch gemacht; hat er sie ohne Noth und ohne Erlaubniß des Hinterlegers einem Dritten in Verwahrung gegeben; oder die Zurückstellung verzögert, und die Sache leidet einen Schaden, welchem sie bey dem Hinterleger nicht ausgesetzt gewesen wäre; so kann er keinen Zufall vorschützen, und die Beschädigung wird ihm zugerechnet.

§. 966. Wenn Sachen verschlossen oder versiegelt hinterlegt, und in der Folge das Schloß oder Siegel verletzt worden; so ist der Hinterleger, wenn er eine Abgang behauptet, zur Beschwörung seiner Schadens, in so fern derselbe nach seinem Stande, Gewerbe, Vermögen und den übrigen Umständen wahrscheinlich ist, nach Vorschrift der Gerichtsordnung zuzulassen; es wäre denn, daß der Verwahrer beweisen könnte, daß die Verletzung des Schlosses oder Siegels ohne sein Verschulden geschehen sey. Das Nähmliche hat auch dann zu gelten, wenn sämmtliche auf solche Art hinterlegte Sachen in Verlust gerathen sind.

und des Hinterlegers.

§. 967. Der Hinterleger ist verpflichtet, dem Verwahrer den schuldbarer Weise zugefügten Schaden, und die zur Erhaltung der verwahrten Sache, oder zur Vermehrung der fortdauernden Nutzungen verwendeten Kosten zu ersetzen. Hat der Verwahrer im Nothfalle, um das hinterlegte Gut zu retten, seine eigenen Sachen aufgeopfert; so kann er einen angemessenen Ersatz fordern. Die wechselseitigen Forderungen des Verwahrers und Hinterlegers einer beweglichen Sache können aber nur binnen dreyßig Tagen von Zeit der Zurückstellung angebracht werden.

Sequester.

§. 968. Wird eine in Anspruch genommene Sache von den streitenden Parteyen oder vom Gerichte jemanden in Verwahrung gegeben; so heißt der Verwahrer, Sequester. Die Rechte und Verbindlichkeiten des Sequesters werden nach den hier festgesetzten Grundsätzen beurtheilt.

Ob dem Verwahrer ein Lohn gebühre.

§. 969. Ein Lohn kann für die Aufbewahrung nur dann gefordert werden, wenn er ausdrücklich, oder nach dem Stande des Aufbewahrers stillschweigend bedungen worden ist.

Gastaufnahme

§. 970. Gastwirte, die Fremde beherbergen, haften als Verwahrer für die von den aufgenommenen Gästen eingebrachten Sache, sofern sie nicht beweisen, daß der Schaden weder durch sie oder einen ihrer Leute verschuldet noch durch fremde, in dem Hause aus- und eingehende Personen verursacht ist. Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hat der Richter nach den Umständen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt.

Als eingebracht gelten die Sachen, die dem Wirte oder einem seiner Leute übergeben oder an einen von diesen angewiesenen oder hierzu bestimmten Ort gebracht sind. Ebenso haften Unternehmer, die Stallungen und Aufbewahrungsräume halten, für die bei ihnen eingestellten Tiere und Fahrzeuge und die auf diesen befindlichen Sachen.

Den Wirten werden gleichgehalten die Besitzer von Badeanstalten in Rücksicht auf die üblicherweise eingebrachten Sachen der Badegäste.

§. 970a. Ablehnung der Haftung durch Anschlag ist ohne rechtliche Wirkung. Für Kostbarkeiten, Geld und Wertpapiere haftet der Gastwirt nur bis zum Betrage von 1000 Kronen, es sei denn, daß er diese Sachen in Kenntnis ihrer Beschaffenheit zur Aufbewahrung übernommen hat oder daß der Schaden von ihm selbst oder seinen Leuten verschuldet ist.

§. 970b. Der Ersatzanspruch aus der Gastaufnahme erlischt, wenn der Beschädigte nach erlangter Kenntnis von dem Schaden nicht ohne Verzug dem Wirte die Anzeige macht. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Sachen vom Wirte zur Aufbewahrung übernommen waren.

§. 970c. Den im § 970 bezeichneten Personen steht das Recht zu, zur Sicherung ihrer Forderungen aus der Beherbergung und Verpflegung sowie ihrer Auslagen für die Gäste die eingebrachten Sachen zurückzuhalten.

 

Zwanzigstes Hauptstück.

Von dem Leihvertrage.

Leihvertrag.

§. 971. Wenn jemanden eine unverbrauchbare Sache bloß zum unentgeldlichen Gebrauch auf eine bestimmte Zeit übergeben wird; so entsteht ein Leihvertrag. Der Vertrag, wodurch man jemanden eine Sache zu leihen verspricht, ohne sie zu übergeben, ist zwar verbindlich, aber noch kein Leihvertrag.

Rechte und Pflichten des Entlehners:

1) in Rücksicht des Verbrauches;

§. 972. Der Entlehner erwirbt das Recht, den ordentlichen oder näher bestimmten Gebrauch von der Sache zu machen. Nach Verlauf der Zeit ist er verpflichtet, eben dieselbe Sache zurückzustellen.

2) der Zurückstellung;

§. 973. Wenn keine Zeit zur Zurückgabe festgesetzt, wohl aber die Absicht des Gebrauches bestimmt worden ist; so ist der Entlehner verbunden, mit dem Gebrauche nicht zu zögern, und die Sache so bald als möglich zurück zu geben.

§. 974. Hat man weder die Dauer, noch die Absicht des Gebrauches bestimmt; so entsteht kein wahrer Vertrag, sondern ein unverbindliches Bittleihen (Precarium), und der Verleiher kann die entlehnte Sache nach Willkühr zurückfordern.

§. 975. Bey einem Streite über die Dauer des Gebrauches muß der Entlehner das Recht auf den längern Gebrauch beweisen.

§. 976. Wenn gleich die verlehnte Sache vor Verlauf der Zeit und vor geendigtem Gebrauche dem Verleiher selbst unentbehrlich wird; so hat er ohne ausdrückliche Verabredung doch kein Recht, die Sache früher zurück zu nehmen.

§. 977. Der Entlehner ist zwar in der Regel berechtiget, die entlehnte Sache auch vor der bestimmten Zeit zurück zu geben: fällt aber die frühere Zurückgabe dem Verleiher beschwerlich, so kann sie wider seinen Willen nicht Statt finden.

3) der Beschädigung;

§. 978. Wenn der Entlehner die geliehene Sache anders gebraucht, als es bedungen war, oder den Gebrauch derselben eigenmächtig einem Dritten gestattet; so ist er dem Verleiher verantwortlich, und dieser auch berechtiget, die Sache sogleich zurück zu fordern.

§. 979. Wird die geliehene Sache beschädiget, oder zu Grunde gerichtet; so muß der Entlehner nicht nur den zunächst durch sein Verschulden verursachten, sondern auch den zufälligen Schaden, den er durch eine widerrechtliche Handlung veranlaßt hat, so wie der Verwahrer einer Sache ersetzen. (§. 965.)

§. 980. Dadurch, daß der Entlehner für ein verlornes Lehnstück den Werth erlegt, hat er noch kein Recht, dasselbe, wenn es wieder gefunden wird, gegen den Willen des Eigenthümers für sich zu behalten, wenn dieser bereit ist, den empfangenen Werth zurück zu geben.

4) der Erhaltungskosten.

§. 981. Die mit dem Gebrauche ordentlicher Weise verbunden Kosten muß der Entlehner selbst bestreiten. Die außerordentlichen Erhaltungskosten hat er zwar, dafern er die Sache dem Verleiher nicht zur eigenen Besorgung überlassen kann oder will, inzwischen vorzuschießen; doch werden sie ihm gleich einem redlichen Besitzer vergütet.

Beschädigung der wechselseitigen Klagen.

§. 982. Wenn der Verleiher nach der Zurücknahme des Lehnstückes dessen Mißbrauch, oder übertriebene Abnutzung innerhalb dreyßig Tagen nicht gerüget; oder, wenn der Entlehner nach der Zurückgabe von den auf die Sache verwendeten außerordentlichen Kosten binnen eben diesem Zeitraume keine Meldung gemacht hat; so ist die Klage erloschen.

 

Ein u. zwanzigstes Hauptstück.

Von dem Darleihensvertrage.

Darleihen.

§. 983. Wenn jemanden verbrauchbare Sachen unter der Bedingung übergeben werden, daß er zwar willkührlich darüber verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit eben so viel von derselben Gattung und Güte zurück geben soll; so entsteht ein Darleihensvertrag. Er ist mit dem, obgleich ebenfalls verbindlichen Vertrage (§. 936), ein Darleihen künftig zu geben, nicht zu verwechseln.

Arten desselben.

§. 984. Ein Darleihen wird entweder in Geld oder in anderen verbrauchbaren Sachen, und zwar ohne, oder gegen Zinsen gegeben. Im letzteren Falle nennet man es auch einen Zinsenvertrag.

Gelddarleihen.

§. 985. Ein Gelddarleihen kann klingende Münze, oder Papiergeld, oder öffentliche Schuldscheine (Obligationen) zum Gegenstande haben.

a) in klingender Münze, oder Papiergeld;

§. 986. In wie fern ein Darleihen in klingender Münze überhaupt geschlossen werden könne, und in welcher Währung (Valuta) ein solches Darleihen, oder ein Darleihen in Papiergeld zurück zu zahlen sey, bestimmen die darüber bestehenden besonderen Vorschriften.

§. 987. Wenn ein Darleiher sich die Zahlungen in der besonderen, von ihm gegebenen, Münz-Sorte bedungen hat; so muß die Zahlung in eben dieser Münz-Sorte geleistet werden.

§. 988. Gesetzliche Münzveränderungen ohne Veränderung des inneren Gehaltes gehen auf Rechnung des Darleihers. Er empfängt die Zahlung in der bestimmten, gegebenen Münz-Sorte, z. B. von 1000 Stücken kaiserlicher Ducaten, oder 3000 Zwanzig-Kreuzer Stücken ohne Rücksicht, ob deren äußerer Werth in der Zwischenzeit erhöht oder vermindert worden ist. Wird aber der innere Werth geändert; so ist die Zahlung im Verhältniß zu dem inneren Werthe, den die gegebenen Münz-Sorte zur Zeit des Darleihens hatte, zu leisten.

§. 989. Sind zur Zeit der Rückzahlung dergleichen Münz-Sorten im Staate nicht im Umlaufe; so muß der Schuldner den Gläubiger mit zunächst ähnlichen Geldstücken in solcher Zahl und Art befriedigen, daß derselbe den zur Zeit des Darleihens bestandenen innern Werth dessen, was er gegeben hat, erhalte.

b) in Schuldscheinen.

§. 990. In öffentlichen Schuldscheinen können Darleihen in der Art gültig geschlossen werden, daß die Tilgung der Schuld entweder mit einem durchaus gleichen öffentlichen Schuldscheine, wie der dargeliehene war, geleistet, oder der Betrag nach dem Werthe, welchen der Schuldschein zur Zeit des Darleihens hatte, zurückgezahlt werde.

§. 991. Wenn statt Geldes ein Privat-Schuldschein oder Waaren gegeben worden sind; so ist der Schuldner nur verbunden, entweder den Schuldschein oder die empfangenen Waaren unbeschädigt zurück zu stellen, oder dem Gläubiger den von diesem zu erweisenden Schaden zu ersetzen.

c) Darleihen in anderen verbrauchbaren Gegenständen.

§. 992. Bey Darleihen, die nicht über Geld, sondern über andere verbrauchbare Gegenstände geschlossen werden, macht es, dafern nur die Zurückstellung in der nähmlichen Gattung, Güte und Menge bedungen worden, keinen Unterschied, wenn sie in der Zwischenzeit am Werthe gestiegen oder gefallen sind.

Zinsen.

§. 993. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)

§. 994. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)

§. 995. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)

§. 996. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)

§. 997. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)

§. 998. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)

§. 999. Zinsen von Gelddarleihen sind in der nähmlichen Währung (Valuta), wie das Capital selbst zu entrichten.

§. 1000. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)

§. 1001. Damit ein Schuldschein über einen Darleihensvertrag einen vollständigen Beweis mache, müssen darin der eigentliche Darleiher oder Gläubiger sowohl, als der eigentliche Anleiher oder Schuldner; der Gegenstand und Betrag des Darleihens; und, wenn es in Geld gegeben wird, die Gattung desselben, wie auch alle auf die Zahlung der Hauptschuld sowohl, als auf die etwa zu entrichtenden Zinsen sich beziehende Bedingungen redlich und deutlich bestimmt werden. Die äußere, zur Beweiskraft nöthige Form einer Schuldurkunde setzt die Gerichtsordnung fest.

 

Zwey u. zwanzigstes Hauptstück.

Von der Bevollmächtigung und andern Arten der Geschäftsführung.

Bevollmächtigungsvertrag.

§. 1002. Der Vertrag, wodurch jemand ein ihm aufgetragenes Geschäft im Nahmen des Andern zur Besorgung übernimmt, heißt Bevollmächtigungsvertrag.

§. 1003. Personen, welche zur Besorgung bestimmter Geschäfte öffentlich bestellt worden, sind schuldig, über einen darauf sich beziehenden Auftrag ohne Zögerung gegen den Auftragenden sich ausdrücklich zu erklären, ob sie denselben annehmen oder nicht; widrigen Falls bleiben sie dem Auftragenden für den dadurch veranlaßten Nachtheil verantwortlich.

Eintheilung der Bevollmächtigung in eine unentgeldliche oder entgeldliche;

§. 1004. Wird für die Besorgung eines fremden Geschäftes entweder ausdrücklich, oder nach dem Stande des Geschäftsträgers auch nur stillschweigend eine Belohnung bedungen; so gehört der Vertrag zu den entgeldlichen, außer dem aber zu den unentgeldlichen.

mündliche oder schriftliche;

§. 1005. Bevollmächtigungsverträge können mündlich oder schriftlich geschlossen werden. Die von dem Gewaltgeber dem Gewalthaber hierüber ausgestellte Urkunde wird Vollmacht genannt.

allgemeine oder besondere;

§. 1006. Es gibt allgemeine und besondere Vollmachten, je nachdem jemanden die Besorgung aller, oder nur einiger Geschäfte anvertraut wird. Die besonderen Vollmachten können bloß gerichtliche oder bloß außergerichtliche Geschäfte überhaupt; oder sie können einzelne Angelegenheiten der einen oder andern Gattung zum Gegenstande haben.

Unumschränkte, oder beschränkte;

§. 1007. Vollmachten werden entweder mit unumschränkter oder mit beschränkter Freyheit zu handeln ertheilet. Durch die erstere wird der Gewalthaber berechtiget, das Geschäft nach seinem besten Wissen und Gewissen zu leiten; durch die letztere aber werden ihm die Gränzen, wie weit, und die Art, wie er dasselbe betreiben soll, vorgeschrieben.

§. 1008. Folgende Geschäfte: Wenn im Nahmen eines Andern Sachen veräußert, oder entgeldlich übernommen; Anleihen oder Darleihen geschlossen; Geld oder Geldeswerth erhoben; Processe anhängig gemacht; Eide aufgetragen, angenommen oder zurückgeschoben, oder Vergleiche getroffen werden sollen, erfordern eine besondere, auf diese Gattungen der Geschäfte lautende Vollmacht. Wenn aber eine Erbschaft unbedingt angenommen oder ausgeschlagen; Gesellschaftsverträge errichtet; Schenkungen gemacht; das Befugniß, einen Schiedsrichter zu wählen, eingeräumt, oder Rechte unentgeldlich aufgegeben werden sollen; ist eine besondere, auf das einzelne Geschäft ausgestellte Vollmacht nothwendig. Allgemeine, selbst unbeschränkte Vollmachten sind in diesen Fällen nur hinreichend, wenn die Gattung des Geschäftes in der Vollmacht ausgedrückt worden ist.

Rechte und Verbindlichkeiten des Gewalthabers;

§. 1009. Der Gewalthaber ist verpflichtet, das Geschäft seinem Versprechen und der erhaltenen Vollmacht gemäß, emsig und redlich zu besorgen, und allen aus dem Geschäfte entspringenden Nutzen dem Machtgeber zu überlassen. Er ist, ob er gleich eine beschränkte Vollmacht hat, berechtiget, alle Mittel anzuwenden, die mit der Natur des Geschäftes nothwendig verbunden, oder der erklärten Absicht des Machtgebers gemäß sind. Ueberschreitet er aber die Gränzen der Vollmacht; so haftet er für die Folgen.

§. 1010. Trägt der Gewalthaber das Geschäft ohne Noth einem Dritten auf; so haftet er ganz allein für den Erfolg. Wird ihm aber die Bestellung eines Stellvertreters in der Vollmacht ausdrücklich gestattet, oder durch die Umstände unvermeidlich; so verantwortet er nur ein bey der Auswahl der Person begangenes Verschulden.

§. 1011. Wird mehrern Bevollmächtigten zugleich ein Geschäft aufgetragen; so ist die Mitwirkung Aller zur Gültigkeit des Geschäftes, und Verpflichtung des Machtgebers nothwendig; wenn nicht ausdrücklich Einem oder Mehreren aus ihnen die volle Befugniß in der Vollmacht ertheilt worden ist.

§. 1012. Der Gewalthaber ist schuldig, dem Machtgeber den durch sein Verschulden verursachten Schaden zu ersetzen, und die bey dem Geschäfte vorkommenden Rechnungen, so oft dieser es verlangt, vorzulegen.

§. 1013. Gewalthaber sind, außer dem im §. 1004. enthaltenen Falle, nicht befugt, ihrer Bemühung wegen eine Belohnung zu fordern. Es ist ihnen nicht erlaubt, ohne Willen des Machtgebers in Rücksicht auf die Geschäftsverwaltung von einem Dritten Geschenke anzunehmen. Die erhaltenen werden zur Armen-Casse eingezogen.

des Gewaltgebers;

§. 1014. Der Gewaltgeber ist verbunden, dem Gewalthaber allen zur Besorgung des Geschäftes nothwendig oder nützlich gemachten Aufwand, selbst bey fehlgeschlagenem Erfolge, zu ersetzen, und ihm auf Verlangen zur Bestreitung der baren Auslagen auch einen angemessenen Vorschuß zu leisten; er muß ferner allen durch sein Verschulden entstandenen, oder mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen Schaden vergüten.

§. 1015. Leidet der Gewalthaber bey der Geschäftsführung nur zufälliger Weise Schaden; so kann er in dem Falle, daß er das Geschäft unentgeldlich zu besorgen übernahm, einen solchen Betrag fordern, welcher ihm bey einem entgeldlichen Vertrage zur Vergütung der Bemühung nach dem höchsten Schätzungswerthe gebührt haben würde.

§. 1016. Ueberschreitet der Gewalthaber die Gränzen seiner Vollmacht; so ist der Gewaltgeber nur in so fern verbunden, als er das Geschäft genehmiget, oder den aus dem Geschäfte entstandenen Vortheil sich zuwendet.

in Rücksicht eines Dritten.

§. 1017. In so fern der Gewalthaber nach dem Inhalte der Vollmacht den Gewaltgeber vorstellt, kann er ihm Rechte erwerben und Verbindlichkeiten auflegen. Hat er also innerhalb der Gränzen der offenen Vollmacht mit einem Dritten einen Vertrag geschlossen; so kommen die dadurch gegründeten Rechte und Verbindlichkeiten dem Gewaltgeber und dem Dritten; nicht aber dem Gewalthaber zu. Die dem Gewalthaber ertheilte geheime Vollmacht hat auf die Rechte des Dritten keinen Einfluß.

§. 1018. Auch in dem Falle, daß der Gewaltgeber einen solchen Gewalthaber, der sich selbst zu verbinden unfähig ist, aufgestellt hat, sind die innerhalb der Gränzen der Vollmacht geschlossenen Geschäfte sowohl für den Gewaltgeber, als für den Dritten verbindlich.

§. 1019. (Anm.: Aufgehoben durch § 108, RGBl 1916/Nr. 69 - Dritte Teilnovelle.)

Auflösung des Vertrages durch den Widerruf.

§. 1020. Es steht dem Machtgeber frey, die Vollmacht nach Belieben zu widerrufen; doch muß er dem Gewalthaber nicht nur die in der Zwischenzeit gehabten Kosten und den sonst erlittenen Schaden ersetzen; sondern auch einen der Bemühung angemessenen Theil der Belohnung entrichten. Dieses findet auch dann Statt, wenn die Vollendung des Geschäftes durch einen Zufall verhindert worden ist.

die Aufkündung;

§. 1021. Auch der Machthaber kann die angenommene Vollmacht aufkünden. Wenn er sie aber vor Vollendung des ihm insbesondere aufgetragenen, oder vermöge der allgemeinen Vollmacht angefangenen Geschäftes aufkündet; so muß er, dafern nicht ein unvorgesehenes und unvermeidliches Hinderniß eingetreten ist, allen daraus entstandenen Schaden ersetzen.

den Tod.

§. 1022. In der Regel wird die Vollmacht sowohl durch den Tod des Gewaltgebers, als des Gewalthabers aufgehoben. Läßt sich aber das angefangene Geschäft ohne offenbaren Nachtheil der Erben nicht unterbrechen, oder erstreckt sich die Vollmacht selbst auf den Sterbefall des Gewaltgebers; so hat der Gewalthaber das Recht und die Pflicht, das Geschäft zu vollenden.

§. 1023. Die von einem Körper (Gemeinschaft) ausgestellten und übernommenen Vollmachten werden durch die Erlöschung der Gemeinschaft aufgehoben.

oder Concurs.

§. 1024. Verfällt der Machtgeber in Concurs; so sind alle Handlungen, die der Gewalthaber nach Kundmachung des Concurses im Nahmen des Concurs-Schuldners unternommen hat, ohne Rechtskraft. Eben so erklärt die Verhängung des Concurses über das Vermögen des Machthabers schon an und für sich die ertheilte Vollmacht für aufgehoben.

In wie fern die Verbindlichkeit fortdauere.

§. 1025. Wird die Vollmacht durch Widerruf, Aufkündung, oder durch den Tod des Gewaltgebers oder Gewalthabers aufgehoben; so müssen doch die Geschäfte, welche keinen Aufschub leiden, so lange fortgesetzt werden, bis von dem Machtgeber oder dessen Erben eine andere Verfügung getroffen worden ist, oder füglich getroffen werden konnte.

§. 1026. Auch bleiben die mit einem Dritten, dem die Aufhebung der Vollmacht ohne sein Verschulden unbekannt war, geschlossenen Verträge verbindlich, und der Gewaltgeber kann sich nur bey dem Gewalthaber, der die Aufhebung verschwiegen hat, wegen seines Schadens erhohlen.

Stillschweigende Bevollmächtigung der Dienstpersonen.

§. 1027. Die in diesem Hauptstücke enthaltenen Vorschriften haben auch ihre Anwendung auf die Eigenthümer einer Handlung, eines Schiffes, Kaufladens oder andern Gewerbes, welche die Verwaltung einem Factor, Schiffer, Ladendiener oder andern Geschäftsträgern anvertrauen.

§. 1028. Die Rechte solcher Geschäftsführer sind vorzüglich aus der Urkunde ihrer Bestellung, dergleichen unter Handelsleuten das ordentlich kundgemachte Befugniß der Unterzeichnung (Firma) ist, zu beurtheilen.

§. 1029. Ist die Vollmacht nicht schriftlich gegeben worden; so wird ihr Umfang aus dem Gegenstande, und aus der Natur des Geschäftes beurtheilet. Wer einem Andern eine Verwaltung anvertraut hat, von dem wird vermuthet, daß er ihm auch die Macht eingeräumt habe, alles dasjenige zu thun, was die Verwaltung selbst erfordert und was gewöhnlich damit verbunden ist. (§. 1009.)

§. 1030. Gestattet der Eigenthümer einer Handlung, oder eines Gewerbes seinem Diener oder Lehrlinge, Waaren im Laden oder außer demselben zu verkaufen; so wird vermuthet, daß sie bevollmächtigt seyn, die Bezahlung zu empfangen, und Quittungen dagegen auszustellen.

§. 1031. Die Vollmacht, Waaren im Nahmen des Eigenthümers zu verkaufen, erstreckt sich aber nicht auf das Recht, in seinem Nahmen Waaren einzukaufen; auch dürfen Fuhrleute weder den Werth der ihnen anvertrauten Güter beziehen, noch Geld darauf anleihen, wenn es nicht ausdrücklich in Frachtbriefen bestimmt worden ist.

§. 1032. Dienstgeber und Familienhäupter sind nicht verbunden, das, was von ihren Dienstpersonen oder andern Hausgenossen in ihrem Nahmen auf Borg genommen wird, zu bezahlen. Der Borger muß in solchen Fällen den gemachten Auftrag erweisen.

§. 1033. Besteht aber zwischen dem Borgnehmer und dem Borggeber ein ordentliches Einschreibebuch, worin die ausgeborgten Sachen aufgezeichnet werden; so gilt die Vermuthung, daß der Ueberbringer dieses Buches bevollmächtiget sey, die Waare auf Borg zu nehmen.

Gerichtliche und gesetzliche Bevollmächtigung.

§. 1034. Das Recht der Vormünder und Curatoren, die Geschäfte ihrer Pflegebefohlenen zu verwalten, gründet sich auf die Anordnung des Gerichtes, von welchem sie bestellet sind. Dem Vater und dem Ehemanne wird das Befugniß zur Vertretung des Kindes und der Gattinn von dem Gesetze eingeräumt. Hierüber sind die Vorschriften an den gehörigen Orten enthalten.

Geschäftsführung ohne Auftrag;

§. 1035. Wer weder durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag, noch vom Gerichte, noch aus dem Gesetze das Befugniß erhalten hat, darf der Regel nach sich in das Geschäft eines Andern nicht mengen. Hätte er sich dessen angemaßt; so ist er für alle Folgen verantwortlich.

im Nothfalle;

§. 1036. Wer, obgleich unberufen, ein fremdes Geschäft zur Abwendung eines bevorstehenden Schadens besorgt, dem ist derjenige, dessen Geschäft er besorgt hat, den nothwendigen und zweckmäßig gemachten Aufwand zu ersetzen schuldig; wenn gleich die Bemühung ohne Verschulden fruchtlos geblieben ist. (§. 403.)

oder zum Nutzen des Andern;

§. 1037. Wer fremde Geschäfte bloß, um den Nutzen des Andern zu befördern, übernehmen will, soll sich um dessen Einwilligung bewerben. Hat der Geschäftsführer zwar diese Vorschrift unterlassen, aber das Geschäft auf seine Kosten zu des Andern klarem, überwiegenden Vortheile geführet; so müssen ihm von diesem die darauf verwendeten Kosten ersetzt werden.

§. 1038. Ist aber der überwiegende Vortheil nicht klar; oder hat der Geschäftsführer eigenmächtig so wichtige Veränderungen in einer fremden Sache vorgenommen, daß die Sache dem Andern zu dem Zwecke, wozu er sie bisher benützte, unbrauchbar wird, so ist dieser zu keinem Ersatze verbunden; er kann vielmehr verlangen, daß der Geschäftsführer auf eigene Kosten die Sache in den vorigen Stand zurücksetze, oder, wenn das nicht möglich ist, ihm volle Genugthuung leiste.

§. 1039. Wer ein fremdes Geschäft ohne Auftrag auf sich genommen hat, muß es bis zur Vollendung fortsetzen, und gleich einem Bevollmächtigten genaue Rechnung darüber ablegen.

gegen den Willen des Andern.

§. 1040. Wenn jemand gegen den gültig erklärten Willen des Eigenthümers sich eines fremden Geschäftes anmasset, oder den rechtmäßigen Bevollmächtigten durch eine solche Einmengung an der Besorgung des Geschäftes verhindert; so verantwortet er nicht nur den hieraus erwachsenen Schaden und entgangenen Gewinn, sondern er verliert auch den gemachten Aufwand, in so fern er nicht in Natur zurück genommen werden kann.

Verwendung einer Sache zum Nutzen des Andern.

§. 1041. Wenn ohne Geschäftsführung eine Sache zum Nutzen eines Anderen verwendet worden ist; kann der Eigenthümer sie in Natur, oder, wenn dieß nicht mehr geschehen kann, den Werth verlangen, den sie zur Zeit der Verwendung gehabt hat, obgleich der Nutzen in der Folge vereitelt worden ist.

§. 1042. Wer für einen Andern einen Aufwand macht, den dieser nach dem Gesetze selbst hätte machen müssen, hat das Recht, den Ersatz zu fordern.

§. 1043. Hat jemand in einem Nothfalle, um einen größern Schaden von sich und Andern abzuwenden, sein Eigenthum aufgeopfert; so müssen ihn Alle, welche daraus Vortheil zogen, verhältnißmäßig entschädigen. Die ausführlichere Anwendung dieser Vorschrift auf Seegefahren ist ein Gegenstand der Seegesetze.

§. 1044. Die Vertheilung der Kriegsschäden wird nach besondern Vorschriften von den politischen Behörden bestimmt.

 

Drey u. zwanzigstes Hauptstück.

Von dem Tauschvertrage.

Tausch.

§. 1045. Der Tausch ist ein Vertrag, wodurch eine Sache gegen eine andere Sache überlassen wird. Die wirkliche Uebergabe ist nicht zur Errichtung; sondern nur zur Erfüllung des Tauschvertrages, und zur Erwerbung des Eigenthumes nothwendig.

§. 1046. Das Geld ist kein Gegenstand des Tauschvertrages; doch lassen sich Gold und Silber als eine Waare und selbst als Münz-Sorten in so weit vertauschen, als sie nur gegen andere Münz-Sorten, goldene nähmlich gegen silberne, kleinere gegen größere Stücke verwechselt werden sollen.

Rechte und Pflichten der Tauschenden

§. 1047. Tauschende sind vermöge des Vertrages verpflichtet, die vertauschten Sachen der Verabredung gemäß mit ihren Bestandteilen und mit allem Zugehör zu rechter Zeit, am gehörigen Ort und in eben dem Zustand, in welchem sie sich bei Schließung des Vertrages befunden haben, zum freien Besitze zu übergeben und zu übernehmen.

insbesondere in Rücksicht der Gefahr

§. 1048. Ist keine Zeit bedungen, zu welcher die Uebergabe geschehen soll, und wird in der Zwischenzeit entweder die vertauschte bestimmte Sache durch Verboth außer Verkehr gesetzt, oder zufälliger Weise ganz, oder doch über die Hälfte am Werthe zu Grunde gerichtet, so ist der Tausch für nicht geschlossen anzusehen.

§. 1049. Andere in dieser Zwischenzeit durch Zufall erfolgte Verschlimmerungen der Sache und Lasten gehen auf die Rechnung des Besitzers. Sind jedoch Sachen in Pausch und Bogen behandelt worden; so trägt der Uebernehmer den zufälligen Untergang einzelner Stücke, wenn anders hierdurch das Ganze nicht über die Hälfte am Werthe verändert worden ist.

und der Nutzungen vor der Uebergabe.

§. 1050. Dem Besitzer gebühren die Nutzungen der vertauschten Sache bis zur bedungenen Zeit der Uebergabe. Von dieser Zeit an gebühren sie, sammt dem Zuwachse, dem Uebernehmer, obgleich die Sache noch nicht übergeben worden ist.

§. 1051. Ist keine Zeit zur Uebergabe der bestimmten Sache bedungen, und fällt keinem Theile ein Versehen zur Last; so sind die obigen Vorschriften wegen Gefahr und Nutzungen (§§. 1048-1050) auf den Zeitpunct der Uebergabe selbst anzuwenden; in so fern die Parteyen nicht etwas Anderes festgesetzt haben.

§. 1052. Wer auf die Übergabe dringen will, muß seine Verbindlichkeit erfüllt haben oder sie zu erfüllen bereit sein. Auch der zur Vorausleistung Verpflichtete kann seine Leistung bis zur Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung verweigern, wenn diese durch schlechte Vermögensverhältnisse des anderen Teiles gefährdet ist, die ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht bekannt sein mußten.

 

Vier u. zwanzigstes Hauptstück.

Von dem Kaufvertrage.

Kaufvertrag.

§. 1053. Durch den Kaufvertrag wird eine Sache um eine bestimmte Summe Geldes einem Andern überlassen. Er gehört, wie der Tausch zu den Titeln ein Eigenthum zu erwerben. Die Erwerbung erfolgt erst durch die Uebergabe des Kaufgegenstandes. Bis zur Uebergabe behält der Verkäufer das Eigenthumsrecht.

Erfordernisse des Kaufvertrages.

§. 1054. Wie die Einwilligung des Käufers und Verkäufers beschaffen seyn müssen, und welche Sache gekauft und verkauft werden dürfen, dieses wird nach den Regeln des Verträge überhaupt bestimmt. Der Kaufpreis muß im baren Gelde bestehen, und darf weder unbestimmt, noch gesetzwidrig seyn.

Der Kaufpreis muß

a) im baren Gelde bestehen;

§. 1055. Wird eine Sache theils gegen Geld; theils gegen eine andere Sache veräußert; so wird der Vertrag, je nachdem der Werth am Gelde mehr oder weniger, als der gemeine Werth der gegebenen Sache beträgt, zum Kaufe oder Tausche, und bey gleichem Werthe der Sache, zum Kaufe gerechnet.

b) bestimmt;

§. 1056. Käufer und Verkäufer können die Festsetzung des Preises auch einer dritten bestimmten Person überlassen. Wird von dieser in dem bedungenen Zeitraume nichts festgesetzt; oder will im Falle, daß kein Zeitraum bedungen worden ist, ein Theil vor der Bestimmung des Preises zurücktreten; so wird der Kaufvertrag als nicht geschlossen angesehen.

§. 1057. Wird die Bestimmung des Preises mehreren Personen überlassen, so entscheidet die Mehrheit der Stimmen. Fallen die Stimmen so verschieden aus, daß der Preis nicht einmahl durch wirkliche Mehrheit der Stimmen festgesetzt wird; so ist der Kauf für nicht eingegangen zu achten.

§. 1058. Auch der Werth, welcher bey einer frühern Veräußerung bedungen worden ist, kann zur Bestimmung des Preises dienen. Hat man den ordentlichen Marktpreis zum Grunde gelegt, so wird der mittlere Marktpreis des Ortes und der Zeit, wo und in welcher der Vertrag erfüllet werden muß, angenommen.

c) nicht gesetzwidrig seyn.

§. 1059. Wenn für Waaren eine Taxe besteht, so ist der höhere Preis gesetzwidrig, und der Käufer kann für jede noch so geringe Verletzung die Schadloshaltung bey der politischen Behörde fordern.

§. 1060. Außer diesem Falle kann der Kauf sowohl von dem Käufer als Verkäufer nur wegen Verletzung über die Hälfte bestritten werden (§§. 934-935). Diese Beschwerde findet auch dann Statt, wenn der Ausspruch des Kaufpreises einem Dritten überlassen worden ist.

Pflichten des Verkäufers,

§. 1061. Der Verkäufer ist schuldig, die Sache bis zur Zeit der Uebergabe sorgfältig zu verwahren und sie dem Käufer nach eben den Vorschriften zu übergeben, welche oben bey dem Tausche (§. 1047) aufgestellt worden sind.

und des Käufers.

§. 1062. Der Käufer hingegen ist verbunden, die Sache sogleich, oder zur bedungenen Zeit zu übernehmen, zugleich aber auch das Kaufgeld bar abzuführen; widrigen Falls ist der Verkäufer ihm die Uebergabe der Sache zu verweigern berechtiget.

§. 1063. Wird die Sache dem Käufer von dem Verkäufer ohne das Kaufgeld zu erhalten, übergeben; so ist die Sache auf Borg verkauft, und das Eigenthum derselben geht gleich auf den Käufer über.

Gefahr und Nutzen des Kaufgegenstandes.

§. 1064. In Rücksicht der Gefahr und Nutzungen einer zwar gekauften, aber noch nicht übergebenen Sache gelten die nähmlichen Vorschriften, die bey dem Tauschvertrage gegeben worden sind. (§§. 1048-1051.)

Kauf einer gehofften Sache.

§. 1065. Wenn Sachen, die noch zu erwarten stehen, gekauft werden; so sind die in dem Hauptstücke von gewagten Geschäften gegebenen Anordnungen anzuwenden.

Allgemeine Vorschrift.

§. 1066. In allen bey einem Kaufvertrag vorkommenden Fällen, welche in dem Gesetze nicht ausdrücklich entschieden werden, sind die in den Hauptstücken von Verträgen überhaupt, und von dem Tauschvertrage insbesondere aufgestellten Vorschriften anzuwenden.

Besondere Arten oder Nebenverträge eines Kaufvertrages.

§. 1067. Besondere Arten oder Nebenverträge eines Kaufvertrages sind: der Vorbehalt des Wiederkaufes, des Rückverkaufes, des Vorkaufes; der Verkauf auf die Probe; der Verkauf mit Vorbehalt eines bessern Käufers; und der Verkaufsauftrag.

Verkauf mit Vorbehalt des Wiederkaufes.

§. 1068. Das Recht eine verkaufte Sache wieder einzulösen, heißt das Recht des Wiederkaufes. Ist dieses Recht dem Verkäufer überhaupt und ohne nähere Bestimmung eingeräumt, so wird von einer Seite das Kaufstück in einem nicht verschlimmerten Zustande; von der andern Seite aber das erlegte Kaufgeld zurück gegeben, und die inzwischen beyderseits aus dem Gelde und der Sache gezogenen Nutzungen bleiben gegen einander aufgehoben.

§. 1069. Hat der Käufer das Kaufstück aus dem Seinigen verbessert; oder zu dessen Erhaltung außerordentliche Kosten verwendet, so gebührt ihm gleich einem redlichen Besitzer der Ersatz; er haftet aber auch dafür, wenn durch sein Verschulden der Werth verändert, oder die Zurückgabe vereitelt worden ist.

§. 1070. Der Vorbehalt des Wiederkaufes findet nur bei unbeweglichen Sachen statt und gebührt dem Verkäufer nur für seine Lebenszeit. Er kann sein Recht weder auf die Erben noch auf einen anderen übertragen. Ist das Recht in die öffentlichen Bücher einverleibt, so kann die Sache auch einem Dritten abgefordert werden und dieser wird nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen Besitzes behandelt.

Kauf mit Vorbehalt des Rückverkaufes.

§. 1071. Den nähmlichen Beschränkungen unterliegt das von dem Käufer ausbedungene Recht, die Sache dem Verkäufer wieder zurück zu verkaufen; und es sind auf dasselbe die für den Wiederkauf ertheilten Vorschriften anzuwenden. Ist aber die Bedingung des Wiederverkaufs oder Wiederkaufs verstellt, und eigentlich, um ein Pfandrecht oder ein Borggeschäft zu verbergen, gebraucht worden, so tritt die Vorschrift des §. 916 ein.

Vorbehalt des Vorkaufsrechtes.

§. 1072. Wer eine Sache mit der Bedingung verkauft, daß der Käufer, wenn er solche wieder verkaufen will, ihm die Einlösung anbiethen soll, der hat das Vorkaufsrecht.

§. 1073. Das Vorkaufsrecht ist in der Regel ein persönliches Recht. In Rücksicht auf unbewegliche Güter kann es durch Eintragung in die öffentlichen Bücher in ein dingliches verwandelt werden.

§. 1074. Auch kann das Vorkaufsrecht weder einem Dritten abgetreten, noch auf die Erben des Berechtigten übertragen werden.

§. 1075. Der Berechtigte muß bewegliche Sachen binnen vier und zwanzig Stunden; unbewegliche aber binnen dreyßig Tagen, nach der geschehenen Anbiethung, wirklich einlösen. Nach Verlauf dieser Zeit ist das Vorkaufsrecht erloschen.

§. 1076. Das Vorkaufsrecht hat im Falle einer gerichtlichen Feilbiethung der mit diesem Rechte belasteten Sache keine andere Wirkung, als daß der den öffentlichen Büchern einverleibte Berechtigte zur Feilbiethung insbesondere vorgeladen werden muß.

§. 1077. Der zur Einlösung Berechtigte muß außer dem Falle einer andern Verabredung, den vollständigen Preis, welcher von einem Dritten angebothen worden ist, entrichten. Kann er die außer dem gewöhnlichen Kaufpreise angebothenen Nebenbedingungen nicht erfüllen, und lassen sie sich auch durch einen Schätzungswerth nicht ausgleichen; so kann das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden.

§. 1078. Das Vorkaufsrecht läßt sich auf andere Veräußerungsarten ohne eine besondere Verabredung nicht ausdehnen.

§. 1079. Hat der Besitzer dem Berechtigten die Einlösung nicht angebothen, so muß er ihm für allen Schaden haften. Im Falle eines dinglichen Vorkaufsrechtes kann die veräußerte Sache dem Dritten abgefordert werden, und dieser wird nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen Besitzes behandelt.

Kauf auf die Probe.

§. 1080. Der Kauf auf Probe ist unter der im Belieben des Käufers stehenden Bedingung geschlossen, daß er die Ware genehmige. Die Bedingung ist im Zweifel eine aufschiebende; der Käufer ist vor der Genehmigung an den Kauf nicht gebunden, der Verkäufer hört auf, gebunden zu sein, wenn der Käufer bis zum Ablaufe der Probezeit nicht genehmigt.

§. 1081. Ist die Sache zum Zwecke der Besichtigung oder Probe bereits übergeben, so gilt Stillschweigen des Käufers bis nach Ablauf der Probezeit als Genehmigung.

§. 1082. Ist die Probezeit durch Verabredung nicht bestimmt worden, so wird sie bey beweglichen Sachen auf drey Tage; bey unbeweglichen aber auf Ein Jahr angenommen.

Verkauf mit Vorbehalt eines bessern Käufers.

§. 1083. Wird das Kaufgeschäft mit dem Vorbehalte verabredet, daß der Verkäufer, wenn sich binnen einer bestimmten Zeit ein besserer Käufer meldet, denselben vorzuziehen befugt sey; so bleibt in dem Falle, daß das Kaufstück nicht übergeben worden, die Wirklichkeit des Vertrages bis zum Eintritte der Bedingung aufgeschoben.

§. 1084. Ist das Kaufstück übergeben worden, so ist der Kaufvertrag abgeschlossen; er wird aber durch den Eintritt der Bedingung wieder aufgelöset. Bey dem Mangel einer ausdrücklichen Zeitbestimmung wird der bey dem Kaufe auf die Probe angenommene Zeitraum vermuthet.

§. 1085. Ob der neue Käufer besser sey, beurtheilet der Verkäufer. Er kann den zweyten Käufer, wenn der erste auch noch mehr zahlen wollte, vorziehen. Bey der Auflösung des Vertrages heben sich die Nutzungen der Sache und des Geldes gegen einander auf. In Rücksicht der Verbesserungen oder Verschlimmerungen wird der Käufer gleich einem redlichen Besitzer behandelt.

Verkaufsauftrag.

§. 1086. Wenn jemand seine bewegliche Sache einem Andern für einen gewissen Preis zum Verkaufe übergibt, mit der Bedingung, daß ihm der Uebernehmer binnen einer festgesetzten Zeit entweder das bestimmte Kaufgeld liefern oder die Sache zurückstellen soll; so ist der Uebergeber vor Verlauf der Zeit die Sache zurück zu fordern nicht berechtiget; der Uebernehmer aber muß nach deren Ablauf das bestimmte Kaufgeld entrichten.

§. 1087. Während der festgesetzten Zeit bleibt der Uebergeber Eigenthümer. Der Uebernehmer haftet ihm für den durch sein Verschulden verursachten Schaden, und es werden ihm bey Zurückstellung der Sache nur solche Kosten vergütet, die dem Uebergeber zum Nutzen gereichen.

§. 1088. Ist die Sache unbeweglich; oder ist der Preis, oder die Zahlungsfrist nicht bestimmt; so wird der Uebernehmer wie ein Gewalthaber angesehen. In keinem Falle kann die zum Verkaufe anvertraute Sache dem Dritten, welcher sie von dem Uebernehmer redlicher Weise an sich gebracht hat, abgefordert werden. (§. 367.)

§. 1089. Auch bey gerichtlichen Verkäufen finden die über Verträge, und den Tausch- und Kaufvertrag insbesondere aufgestellten Vorschriften in der Regel Statt; in so fern nicht in diesem Gesetze, oder in der Gerichtsordnung eigene Anordnungen enthalten sind.

 

Fünf u. zwanzigstes Hauptstück.

Von Bestand- Erbpacht- und Erbzins-Verträgen.

Bestandvertrag.

§. 1090. Der Vertrag, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, heißt überhaupt Bestandvertrag.

I.) Mieth- und Pachtvertrag.

§. 1091. Der Bestandvertrag wird, wenn sich die in Bestand gegebene Sache ohne weitere Bearbeitung gebrauchen läßt, ein Miethvertrag; wenn sie aber nur durch Fleiß und Mühe benützt werden kann, ein Pachtvertrag genannt. Werden durch einen Vertrag Sachen von der ersten und zweyten Art zugleich in Bestand gegeben; so ist der Vertrag nach der Beschaffenheit der Hauptsache zu beurtheilen.

Erfordernisse.

§. 1092. Mieth- und Pachtverträge können über die nähmlichen Gegenstände und auf die nähmliche Art, als der Kaufvertrag geschlossen werden. Der Mieth- und Pachtzins wird, wenn keine andere Uebereinkunft getroffen worden ist, wie das Kaufgeld entrichtet.

§. 1093. Der Eigenthümer kann sowohl seine beweglichen und unbeweglichen Sachen, als seine Rechte in Bestand geben; er kann aber auch in den Fall kommen, den Gebrauch seiner eigenen Sache, wenn er einem Dritten gebührt, in Bestand zu nehmen.

Wirkung.

§. 1094. Sind die vertragschließenden Theile über das Wesentliche des Bestandes, nähmlich über die Sache und den Preis, übereingekommen; so ist der Vertrag vollkommen abgeschlossen, und der Gebrauch der Sache für gekauft anzusehen.

§. 1095. Wenn ein Bestandvertrag in die öffentlichen Bücher eingetragen ist; so ist das Recht des Bestandnehmers als ein dingliches Recht zu betrachten, welches sich auch der nachfolgende Besitzer auf die noch übrige Zeit gefallen lassen muß.

Wechselseitige Rechte:

1) In Hinsicht auf Ueberlassung, Erhaltung, Benützung.

§. 1096. Vermieter und Verpächter sind verpflichtet, das Bestandstück auf eigene Kosten in brauchbarem Stande zu übergeben und zu erhalten und die Bestandinhaber in dem bedungenen Gebrauche oder Genusse nicht zu stören. Ist das Bestandstück bei der Übergabe derart mangelhaft oder wird es während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft, daß es zu dem bedungenen Gebrauche nicht taugt, so ist der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit. Auf diese Befreiung kann bei der Miete unbeweglicher Sachen im voraus nicht verzichtet werden.

Der Pächter hat die gewöhnlichen Ausbesserungen der Wirtschaftsgebäude nur insoweit selbst zu tragen, als sie mit den Materialien des Gutes und den Diensten, die er nach der Beschaffenheit des Gutes zu fordern berechtigt ist, bestritten werden können.

§. 1097. Werden Ausbesserungen nötig, welche dem Bestandgeber obliegen, so ist der Bestandnehmer bei sonstigem Schadenersatz verpflichtet, dem Bestandgeber ohne Verzug Anzeige zu machen. Der Bestandnehmer wird als ein Geschäftsführer ohne Auftrag betrachtet, wenn er auf das Bestandstück einen dem Bestandgeber obliegenden Aufwand (§ 1036) oder einen nützlichen Aufwand (§ 1037) gemacht hat; er muß aber den Ersatz längstens binnen sechs Monaten nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern, sonst ist die Klage erloschen.

§. 1098. Mieter und Pächter sind berechtiget, die Miet- und Pachtstücke dem Vertrage gemäß durch die bestimmte Zeit zu gebrauchen und zu benützen, oder auch in Afterbestand zu geben, wenn es ohne Nachteil des Eigentümers geschehen kann und im Vertrage nicht ausdrücklich untersagt worden ist.

2) Lasten;

§. 1099. Bey Vermiethungen trägt alle Lasten und Abgaben der Vermiether. Bey eigentlichen Pachtungen, wenn sie in Pausch und Bogen geschehen, übernimmt der Pächter, mit Ausschluß der eingetragenen Hypothecar-Lasten, alle übrige; wird aber die Pachtung nach einem Anschlage geschlossen, so trägt er jene Lasten, welche von dem Ertrage abgezogen worden sind, oder bloß von den Früchten, und nicht von dem Grunde selbst entrichtet werden müssen.

3) Zins.

§. 1100. Ist nichts anderes vereinbart oder ortsüblich, so ist der Zins, wenn eine Sache auf ein oder mehrere Jahre in Bestand genommen wird, halbjährlich, bei einer kürzeren Bestandzeit hingegen nach Verlauf derselben zu entrichten.

§. 1101. Zur Sicherstellung des Bestandzinses hat der Vermieter einer unbeweglichen Sache das Pfandrecht an den eingebrachten, dem Mieter oder seinen mit ihm in gemeinschaftlichem Haushalte lebenden Familienmitgliedern gehörigen Einrichtungsstücken und Fahrnissen, soweit sie nicht der Pfändung entzogen sind. Das Pfandrecht erlischt, wenn die Gegenstände vor ihrer pfandweisen Beschreibung entfernt werden, es sei denn, daß dies infolge einer gerichtlichen Verfügung geschieht und der Vermieter binnen drei Tagen nach dem Vollzuge sein Recht bei Gericht anmeldet.

Zieht der Mieter aus oder werden Sachen verschleppt, ohne daß der Zins entrichtet oder sichergestellt ist, so kann der Vermieter die Sachen auf eigene Gefahr zurückbehalten, doch muß er binnen drei Tagen um die pfandweise Beschreibung ansuchen oder die Sachen herausgeben.

Dem Verpächter eines Grundstückes steht in gleichem Umfange und mit gleicher Wirkung das Pfandrecht an dem auf dem Pachtgute vorhandenen Vieh und den Wirtschaftsgerätschaften und den darauf noch befindlichen Früchten zu.

§. 1102. Der Bestandgeber kann sich zwar die Vorausbezahlung des Bestandzinses bedingen. Hat aber der Bestandnehmer mehr als eine Fristzahlung voraus geleistet, so kann er dieselbe einem später eingetragenen Gläubiger oder neuen Eigentümer nur dann entgegensetzen, wenn sie in dem öffentlichen Buch ersichtlich gemacht ist.

Zins in Früchten.

§. 1103. Wenn der Eigenthümer sein Gut mit der Bedingung überläßt, daß der Uebernehmer die Wirthschaft betreiben, und dem Uebergeber einen auf die ganze Nutzung sich beziehenden Theil, z. B. ein Drittheil oder die Hälfte der Früchte geben solle; so entsteht kein Pacht-, sondern ein Gesellschaftsvertrag, welcher nach den darüber aufgestellten Regeln beurtheilet wird.

Fälle und Bedingungen einer Erlassung des Zinses.

§. 1104. Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Mißwachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten.

§. 1105. Behält der Mieter trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Mietstückes, so wird ihm auch ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen. Dem Pächter gebührt ein Erlaß an dem Pachtzinse, wenn durch außerordentliche Zufälle die Nutzungen des nur auf ein Jahr gepachteten Gutes um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen sind. Der Verpächter ist so viel zu erlassen schuldig, als durch diesen Abfall an dem Pachtzinse mangelt.

§. 1106. Hat der Bestandnehmer unbestimmt alle Gefahren auf sich genommen; so werden darunter nur die Feuer-, Wasserschäden und Wetterschläge verstanden. Andere außerordentliche Unglücksfälle kommen nicht auf seine Gefahr. Verbindet er sich aber ausdrücklich, auch alle andere außerordentliche Unglücksfälle zu tragen; so wird deßwegen noch nicht vermuthet, daß er auch für den zufälligen Untergang des ganzen Pachtstückes haften wolle.

§. 1107. Wird der Gebrauch oder Genuß des Bestandstückes nicht wegen dessen Beschädigung oder sonst entstandener Unbrauchbarkeit, sondern aus einem dem Bestandnehmer zugestoßenen Hindernisse oder Unglücksfalle vereitelt, oder waren zur Zeit der Beschädigung die Früchte von dem Grunde schon abgesondert, so fällt die widrige Ereignung dem Bestandnehmer allein zur Last. Er muß den Zins doch entrichten. Der Bestandgeber muß sich aber den ersparten Aufwand und die Vorteile, die er durch anderweitige Verwertung des Bestandstückes erlangt, anrechnen.

§. 1108. Behauptet der Pächter den Erlaß des ganzen Pachtzinses oder eines Theiles davon entweder aus dem Vertrage oder aus dem Gesetze; so muß er dem Verpächter ohne Zeitverlust den geschehenen Unglücksfall anzeigen, und die Begebenheit, wenn sie nicht landkundig ist, gerichtlich, oder wenigstens durch zwey sachkundige Männer erheben lassen; ohne diese Vorsicht wird er nicht angehört.

4) Zurückstellung;

§. 1109. Nach geendigtem Bestandvertrage muß der Bestandnehmer die Sache dem etwa errichteten Inventarium gemäß oder doch in dem Zustand, in welchem er sie übernommen hat, gepachtete Grundstücke aber mit Rücksicht auf die Jahreszeit, in welcher der Pacht geendigt worden ist, in gewöhnlicher wirtschaftlicher Kultur zurückstellen. Weder ein Zurückbehaltungsrecht oder die Einwendung der Kompensation noch selbst des früheren Eigentumsrechtes kann ihn vor der Zurückstellung schützen.

§. 1110. Wenn bey dem Bestandvertrage kein Inventarium errichtet worden ist; so tritt die nähmliche Vermuthung, wie bey der Fruchtnießung (§. 518) ein.

§. 1111. Wird das Mieth- oder Pachtstück beschädiget, oder durch Mißbrauch abgenützt; so haften Miether und Pächter sowohl für ihr eigenes, als des Afterbestandnehmers Verschulden, nicht aber für den Zufall. Doch muß der Bestandgeber den Ersatz aus dieser Haftung längstens binnen Einem Jahre nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern; sonst ist das Recht erloschen.

5) Auflösung des Bestandvertrages:

a) durch Untergang der Sache;

§. 1112. Der Bestandvertrag löset sich von selbst auf, wenn die bestandene Sache zu Grunde geht. Geschieht dieß aus Verschulden des einen Theiles, so gebührt dem andern Ersatz; geschieht es durch einen Unglücksfall, so ist kein Theil dem andern dafür verantwortlich.

b) Verlauf der Zeit;

§. 1113. Der Bestandvertrag erlischt auch durch den Verlauf der Zeit, welcher ausdrücklich oder stillschweigend, entweder durch den nach einem gewissen Zeitraume ausgemessenen Zins, wie bey so genannten Tag- Wochen- und Monathzimmern, oder durch die erklärte, oder aus dem Umständen hervorleuchtende Absicht des Bestandnehmers bedungen worden ist.

wenn keine Erneuerung geschieht;

§. 1114. Der Bestandvertrag kann aber nicht nur ausdrücklich; sondern auch stillschweigend erneuert werden. Ist in dem Vertrage eine vorläufige Aufkündigung bedungen worden; so wird der Vertrag durch die Unterlassung der gehörigen Aufkündigung stillschweigend erneuert. Ist keine Aufkündigung bedungen worden; so geschieht eine stillschweigende Erneuerung, wenn der Bestandnehmer nach Verlauf der Bestandzeit fortfährt, die Sache zu gebrauchen oder zu benützen, und der Bestandgeber es dabey bewenden läßt.

§. 1115. Die stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrages geschieht unter den nähmlichen Bedingungen, unter welchen er vorher geschlossen war. Doch erstreckt sie sich bey Pachtung nur auf Ein Jahr; wenn aber der ordentliche Genuß erst in einem spätern Zeitraume erfolgen kann, auf eine so lange Zeit als nothwendig ist, um die Nutzungen einmahl beziehen zu können. Miethungen, wofür man den Zins erst nach einem ganzen oder halben Jahre zu bezahlen pflegt, werden auf ein halbes Jahr; alle kürzere Miethungen aber auf diejenige Zeit stillschweigend erneuert, welche vorher durch den Bestandvertrag bestimmt war. Von wiederhohlten Erneuerungen gilt das Nähmliche, was hier in Rücksicht der ersten Erneuerung vorgeschrieben ist.

c) Aufkündigung;

§. 1116. In so fern die Dauer eines Bestandvertrages weder ausdrücklich, noch stillschweigend, noch durch besondere Vorschriften bestimmt ist, muß derjenige, welcher den Vertrag aufheben will, dem Andern die Pachtung sechs Monathe; die Miethung einer unbeweglichen Sache vierzehn Tage; und einer beweglichen vier und zwanzig Stunden vorher aufkündigen, als die Abtretung erfolgen soll.

§. 1116a. Durch den Tod eines der vertragschließenden Teile wird der Bestandvertrag nicht aufgeschoben. Wohnungsmieten können jedoch, wenn der Mieter stirbt, ohne Rücksicht auf die vereinbarte Dauer sowohl von den Erben des Mieters wie von dem Vermieter unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gelöst werden.

§. 1117. Der Bestandnehmer ist berechtigt, auch vor Verlauf der bedungenen Zeit von dem Vertrag ohne Kündigung abzustehen, wenn das Bestandstück in einem Zustand übergeben oder ohne seine Schuld in einen Zustand geraten ist, der es zu dem bedungenen Gebrauch untauglich macht, oder wenn ein beträchtlicher Teil durch Zufall auf eine längere Zeit entzogen oder unbrauchbar wird. Aus dem Grunde der Gesundheitsschädlichkeit gemieteter Wohnräume steht dieses Recht dem Mieter auch dann zu, wenn er im Vertrage darauf verzichtet oder die Beschaffenheit der Räume beim Vertragsabschluß gekannt hat.

§. 1118. Der Bestandgeber kann seinerseits die frühere Aufhebung des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer der Sache einen erheblichen nachtheiligen Gebrauch davon macht; wenn er nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termines den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat; oder, wenn ein vermiethetes Gebäude neu aufgeführt werden muß. Eine nützlichere Bauführung ist der Miether zu seinem Nachtheile zuzulassen nicht schuldig, wohl aber nothwendige Ausbesserungen.

§. 1119. Wenn dem Vermiether die Nothwendigkeit der neuen Bauführung schon zur Zeit des geschlossenen Vertrages bekannt seyn mußte; oder, wenn die Nothwendigkeit der durch längere Zeit fortzusetzenden Ausbesserungen aus Vernachlässigung der kleinern Ausbesserungen entstanden ist; so muß dem Miether für den vermißten Gebrauch eine angemessene Entschädigung geleistet werden.

d) Veräußerung der Sache.

§. 1120. Hat der Eigenthümer das Bestandstück an einen Andern veräußert, und ihm bereits übergeben; so muß der Bestandinhaber, wenn sein Recht nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist (§. 1095), nach der gehörigen Aufkündigung dem neuen Besitzer weichen. Er ist aber berechtiget, von dem Bestandgeber in Rücksicht auf den erlittenen Schaden, und entgangenen Nutzen eine vollkommene Genugthuung zu fordern.

§. 1121. Bei einer zwangsweisen gerichtlichen Veräußerung ist das Bestandrecht, wenn es in die öffentlichen Bücher eingetragen ist, gleich einer Dienstbarkeit zu behandeln. Hat der Ersteher das Bestandrecht nicht zu übernehmen, so muß ihm der Bestandnehmer nach gehöriger Aufkündigung weichen.

II. Erbpacht.

§. 1122. Der Vertrag, wodurch jemanden das Nutzeigenthum eines Gutes erblich unter der Bedingung überlassen wird, daß er die jährlichen Nutzungen mit einer jährlichen, im Verhältnisse zu dem Ertrage bestimmten Abgabe im Gelde, in Früchten, oder auch in verhältnißmäßigen Diensten vergelten solle, heißt ein Erbpachtvertrag.

III. Erbzinsvertrag.

§. 1123. Wird eine geringe Abgabe von dem Besitzer nur zur Anerkennung des Grundeigenthumes geleistet, so heißt der Grund ein Erbzinsgut und der darüber errichtete Vertrag ein Erbzinsvertrag.

§. 1124 Im Zweifel, ob ein Nutzeigenthum ein Erbpachtgut aber ein Erbzinsgut sey, ist auf den Betrag des jährlichen Zinses, und andere Schuldigkeiten Rücksicht zu nehmen. Steht dieser Betrag mit den jährlichen reinen Nutzungen außer allem Verhältnisse; so ist das Nutzeigenthum ein Erbzinsgut; läßt sich aber wenigstens von alten Zeiten her und bey ganz öde übernommenen Gründen ein Verhältniß denken; so ist es ein Erbpachtgut. (§. 359.)

IV. Bodenzins.

§. 1125. Ist ein Eigenthum dergestalt getheilt, daß einem Theile die Substanz des Grundes sammt der Benützung der Unterfläche, dem andern Theile aber nur die Benützung der Oberfläche erblich gehört; so heißt die jährliche von diesem letztern Besitzer zu entrichtende Abgabe, Bodenzins.

Erwerbung des nutzbaren Eigenthumes.

§. 1126. Das getheilte Eigenthum einer unbeweglichen Sache kann eben so wenig, als das vollständige ohne Einverleibung in die öffentlichen Bücher oder Register erworben werden. Ein gültiger Titel gründet nur ein persönliches Recht gegen die verbundene Person, aber kein dingliches Recht gegen einen Dritten. (§. 431.)

Gemeinschaftliche Rechte des Ober- und Nutzungseigenthümers.

§. 1127. Die Rechte des Ober- und Nutzungseigenthümers kommen überhaupt darin überein, daß ein Jeder mit seinem Theile in so weit verfügen kann, als die Rechte des Andern dadurch nicht verletzet werden. (§. 363.)

§. 1128. Einer wie der andere ist berechtiget, seinen Antheil gerichtlich zu verfolgen, ihn zu verpfänden, und unter Lebenden oder durch eine letzte Willenserklärung zu veräußern. Wer eine Einschränkung behauptet, muß solche durch die gehörigen Urkunden, durch so genannte Gewährbriefe oder Handfesten beweisen.

Besondere Rechte und Pflichten des Obereigenthümers.

§. 1129. Der Obereigenthümer ist insbesondere berechtigt, dem Nutzungseigenthümer nicht nur die Verringerung der Nutzungssache; sondern auch alle Veränderungen zu untersagen, wodurch die Ausübung seiner Rechte vereitelt oder erschwert werden kann.

1) in Rücksicht der Erhaltung, Bearbeitung und Veränderungen des Gutes.

§. 1130. Er kann also verlangen, daß der Nutzungseigenthümer für die Erhaltung und Bestellung der Grundstücke Sorge trage. Vernachlässiget er, ungeachtet der geschehenen Warnung, die Erfüllung dieser Pflichten, oder ist er die auf dem Grunde haftenden Lasten zu tragen unfähig; so kann der Obereigenthümer auf die Ueberlassung des Gutes an andere Erbpacht- oder Erbzins-Männer dringen.

2) des Erbzinses.

§. 1131. Das vorzüglichste Recht des Erbpacht- und Erbzinsherrn besteht in der Beziehung des jährlichen Zinses und anderer bedungenen Gebühren. Diese können unter keinem Vorwande erhöhet, von den zum Grunde nicht gehörigen Fahrnissen aber, so wie von andern beweglichen Sachen, gar nicht bezogen werden.

Wann der Zins zu entrichten.

§. 1132. Der jährliche Zins muß, wenn nichts verabredet oder durch Provincial-Gesetze bestimmt ist, in der ersten Hälfte des Monaths November abgeführt werden.

Wann eine Erlassung Statt finde?

§. 1133. In der Regel haftet ein unvollständiger Eigenthümer dem andern nicht für den Zufall: Allein, wenn ein Erbpächter durch Ueberschwemmungen, Krieg oder Seuchen sein Pachtgut zu benützen verhindert worden ist; so muß demselben für die Zeit der vermißten Benützung ein angemessener Erlaß vom Zinse gestattet werden.

§. 1134 Ein Erbzinsmann hat auf einen ähnlichen Erlaß keinen Anspruch; er muß, so lange ein Theil des Erbzinsgutes vorhanden ist, den festgesetzten Erbzins voll entrichten.

Recht bey verzögerter Entrichtung des Zinses.

§. 1135. Hat der Erbzinsmann den Zins in der bedungenen Zeit nicht abgeführt; so kann der Erbzinsherr verlangen, daß die Nutzung in Beschlag genommen, und er aus derselben schadlos gehalten werde.

§. 1136. Ein Erbpachtherr hat in Ansehung des über Ein Jahr ausständigen Zinses die Wahl, entweder die Pfändung der Nutzungen, oder die gerichtliche Versteigerung des Erbpachtgutes zur Berichtigung der Rückstände zu verlangen.

3) In Rücksicht der Lasten und Verbesserungen.

§. 1137. Der Obereigenthümer ist verpflichtet, den Nutzungseigenthümer in Rücksicht des unmittelbar von ihm erhaltenen Nutzungseigenthumes zu vertreten, und wenn das Nutzungsrecht mit der Substanz wieder vereiniget wird, ihm oder seinem Nachfolger die getroffenen Verbesserungen wie einem andern redlichen Besitzer zu vergüten, und für die Richtigkeit der öffentlichen Bücher und Register, die er über seine Zinsgüter führet, zu haften.

§. 1138. Für andere von dem Nutzungseigenthümer aufgebürdete und den öffentlichen Büchern nicht einverleibte Lasten haftet der Obereigenthümer nicht. Der Nutzungseigenthümer kann überhaupt einem Andern nicht mehr Recht übertragen, als er selbst hat. Das Recht des Einen erlischt also mit dem Rechte des Andern.

Rechte und Verbindlichkeiten des Nutzungseigenthümers überhaupt.

§. 1139. Die Rechte und Verbindlichkeiten des Nutzungseigenthümers stehen überhaupt mit den festgesetzten Verbindlichkeiten und Rechten des Obereigenthümers im Verhältnisse.

Insbesondere 1) in Rücksicht der Veräußerung.

§. 1140. Der Nutzungseigenthümer bedarf zur Veräußerung die Einwilligung des Obereigenthümers nicht; doch muß er ihn dem Nachfolger zur Beurtheilung, ob derselbe dem Gute vorzustehen, und die darauf haftenden Lasten zu entrichten fähig sey, nahmhaft machen. Auf ein Vorkaufs- oder Einstandsrecht hat der Obereigenthümer keinen Anspruch.

§. 1141. Hat sich aber der Obereigenthümer diese Einwilligung und Rechte ausdrücklich vorbehalten; so muß er sich binnen dreyßig Tagen nach der ihm gemachten ordentlichen Anzeige erklären. Nach dieser Frist wird seine Einwilligung für ertheilt gehalten. Ohne Ausübung des Vorkaufs- oder Einstandsrechtes kann er die Einwilligung nur wegen offenbarer Gefahr der Substanz und der damit verknüpften Rechte verweigern.

§. 1142. Die Abgabe, welche der Obereigenthümer zuweilen von einem neuen Nutzungseigenthümer zu fordern hat, heißt, wenn die Veränderung bey Lebzeiten geschieht, Lehenwaare (Laudemium); geschieht sie aber von Todes wegen, Sterbelehen. Beyde werden auch Veränderungsgebühren genannt. Ob und wie diese Rechte gegründet seyn, entscheidet die Landesverfassung, die öffentlichen Bücher und Urkunden, oder ein dreyßigjähriger ruhiger Besitz.

2) In Rücksicht eines Schatzes und der Verminderung der Substanz.

§. 1143. Dem Nutzungseigenthümer gebührt auch ein verhältnißmäßiger Theil von einem gefundenem Schatze (§. 399). Er ist sogar befugt, die Substanz zu verringern, wenn er dem Obereigenthümer beweisen kann, daß die Benutzung des Grundes sonst nicht Statt finde. (§. 1129.)

3) der Lasten;

§. 1144. Der Nutzungseigenthümer trägt alle ordentliche und außerordentliche dem Gute anklebende Lasten; er entrichtet die Steuern, Zehenden und andere besonders vorgemerkten Abgaben. Für Lasten, die den Zins betreffen, haftet der Obereigenthümer.

4) des Gewährbriefes.

§. 1145. Jeder neue Nutzungseigenthümer ist in der Regel verbunden, sich von dem Obereigenthümer einen Beglaubigungsschein oder eine Urkunde des erneuerten Nutzungseigenthumes zu verschaffen.

Besondere Verhältnisse zwischen Gutsbesitzern und Unterthanen.

§. 1146. In wie fern die Nutzungseigenthümer gegen die Obereigenthümer noch in andern Verhältnissen stehen, und welche Rechte und Verbindlichkeiten insbesondere zwischen den Gutsbesitzern und den Gutsunterthanen bestehen, ist aus der Verfassung jeder Provinz, und den politischen Vorschriften zu entnehmen.

Rechte aus dem Bodenzinse.

§. 1147. Wer nichts als einen Bodenzins entrichtet, hat nur auf die Benutzung der Oberfläche, als: Bäume, Pflanzen und Gebäude, und auf einen Theil des auf derselben gefundenen Schatzes Anspruch. Vergrabene Schätze und andere unterirdische Nutzungen gehören dem Obereigenthümer allein zu.

Erlöschung des Nutzungseigenthumes.

§. 1148. Was von der Aufhebung des vollständigen Eigenthumes bestimmt worden ist, (§. 444) gilt überhaupt auch von dem getheilten.

§. 1149. Erbpacht- und Erbzinsgüter gehen auf alle Erben über, die nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden sind. Hat der Nutzungseigenthümer keinen rechtmäßigen Nachfolger; so wird das Nutzungseigenthum mit dem Obereigenthume vereiniget. Doch muß der Obereigenthümer, wenn er von diesem Rechte Gebrauch machen will, alle Schulden des Nutzungseigenthümers, die aus einem andern Vermögen nicht getilgt werden können, berichtigen. In wie fern ein Obereigenthümer das heimgefallene Gut an Andere zu überlassen verbunden sey, bestimmen die politischen Verordnungen.

§. 1150. Durch Zerstörung der Pflanzen, Bäume und Gebäude geht das Nutzungseigenthum der Oberfläche nicht verloren. So lange noch ein Theil des Grundes bleibt, kann ihn der Besitzer, wenn er anders seinen Zins abführt, mit neuen Pflanzen, Bäumen und Gebäuden besetzen.

 

Sechs u. zwanzigstes Hauptstück.

Von Verträgen über Dienstleistungen

Dienst- und Werkvertrag.

§. 1151. Wenn jemand sich auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet, so entsteht ein Dienstvertrag; wenn jemand die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt, ein Werkvertrag.

Insoweit damit eine Geschäftsbesorgung (§ 1002) verbunden ist, müssen auch die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag beobachtet werden.

§. 1152. Ist im Vertrage kein Entgelt bestimmt und auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart, so gilt ein angemessenes Entgelt als bedungen.

1. Dienstvertrag.

§. 1153. Wenn sich aus dem Dienstvertrage oder aus den Umständen nichts anderes ergibt, hat der Dienstnehmer die Dienste in eigener Person zu leisten und ist der Anspruch auf die Dienste nicht übertragbar. Soweit über Art und Umfang der Dienste nichts vereinbart ist, sind die den Umständen nach angemessenen Dienste zu leisten.

Anspruch auf das Entgelt.

§. 1154. Wenn nichts anderes vereinbart oder bei Diensten der betreffenden Art üblich ist, ist das Entgelt nach Leistung der Dienste zu entrichten.

Ist das Entgelt nach Monaten oder kürzeren Zeiträumen bemessen, so ist es am Schlusse des einzelnen Zeitraumes; ist es nach längeren Zeiträumen bemessen, am Schlusse eines jeden Kalendermonats zu entrichten. Ein nach Stunden, nach Stück oder Einzelleistungen bemessenes Entgelt ist für die schon vollendeten Leistungen am Schlusse einer jeden Kalenderwoche, wenn es sich jedoch um Dienste höherer Art handelt, am Schlusse eines jeden Kalendermonats zu entrichten.

In jedem Falle wird das bereits verdiente Entgelt mit der Beendigung des Dienstverhältnisses fällig.

§. 1154a. Der nach Stück oder Einzelleistungen entlohnte Dienstnehmer kann einen den geleisteten Diensten und seinen Auslagen entsprechenden Vorschuß vor Fälligkeit des Entgelts verlangen.

§. 1154b. Der Dienstnehmer behält seinen Anspruch auf das Entgelt, wenn er nach mindestens vierzehntägiger Dienstleistung durch Krankheit oder Unglücksfall für eine verhältnismäßig kurze, jedoch eine Woche nicht übersteigende Zeit an der Dienstleistung verhindert wird, ohne dies vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet zu haben. Dasselbe gilt, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.

Beträge, die der Dienstnehmer für die Zeit der Verhinderung auf Grund einer öffentlichrechtlichen Versicherung bezieht, kann der Dienstgeber mit jenem Teile in Abzug bringen, der dem Verhältnisse seiner tatsächlichen Beitragsleistung zu dem Gesamtversicherungsbeitrag entspricht.

§. 1155. Auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, gebührt dem Dienstnehmer das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Dienstgebers liegen, daran gehindert worden ist; er muß sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat.

Wurde er infolge solcher Umstände durch Zeitverlust bei der Dienstleistung verkürzt, so gebührt ihm angemessene Entschädigung.

Pflichten des Dienstgebers im Falle der Erkrankung.

§. 1156. Ist der Dienstnehmer bei einem Dienstverhältnisse, das seine Erwerbstätigkeit hauptsächlich in Anspruch nimmt, in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers aufgenommen, so hat ihm dieser im Falle einer weder vorsätzlich noch durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführten Erkrankung nebst den Geldbezügen die erforderliche Verpflegung und ärztliche Behandlung und die notwendigen Heilmittel bis zu vierzehn Tagen zu gewähren, wenn das Dienstverhältnis schon vierzehn Tage, und bis zu vier Wochen, wenn es schon ein halbes Jahr gedauert hat.

Die Verpflegung und Behandlung kann auch durch Aufnahme in eine Krankenanstalt oder mit Zustimmung des Dienstnehmers bei dritten Personen gewährt werden. Sofern die Natur der Krankheit dies notwendig macht, kann der Dienstnehmer Pflege in einer Krankenanstalt fordern.

Die nach diesen Bestimmungen dem Dienstgeber obliegenden Verpflichtungen treten nicht ein, wenn das Dienstverhältnis nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes eingegangen wurde und noch nicht einen Monat gedauert hat.

§. 1156a. Barauslagen für die ärztliche Behandlung und die Beschaffung der notwendigen Heilmittel sowie die Kosten der Pflege in einer Krankenanstalt oder bei dritten Personen können auf die für die Zeit der Erkrankung entfallenden Geldbezüge des Dienstnehmers angerechnet werden.

Auf die Geldbezüge dürfen Beträge, die der Dienstnehmer für die Zeit der Erkrankung auf Grund einer öffentlichrechtlichen Versicherung bezieht, mit jenem Teile angerechnet werden, der dem Verhältnisse der tatsächlichen Beitragsleistung des Dienstgebers zu dem Gesamtversicherungsbeitrage entspricht. Die übrigen im § 1156 bezeichneten Verpflichtungen des Dienstgebers entfallen insoweit, als dem Dienstnehmer auf Grund einer Versicherung die gleichen Leistungen gewährt werden.

Erlöschen der Ansprüche.

§. 1156b. Die dem Dienstgeber nach den §§ 1154b und 1156 obliegenden Verpflichtungen erlöschen, wenn das Dienstverhältnis infolge Ablaufes der Zeit, für die es eingegangen wurde, oder infolge einer früheren Kündigung oder einer Entlassung endet, die nicht durch die Erkrankung oder sonstige die Person des Dienstnehmers betreffende wichtige Gründe im Sinne des § 1154b verursacht ist. Wird der Dienstnehmer wegen der Verhinderung entlassen oder wird ihm während der Verhinderung gekündigt, so bleibt die dadurch herbeigeführte Beendigung des Dienstverhältnisses in Ansehung der bezeichneten Ansprüche außer Betracht.

Fürsorgepflicht des Dienstgebers.

§. 1157. Der Dienstgeber hat die Dienstleistungen so zu regeln und bezüglich der von ihm beizustellenden oder beigestellten Räume und Gerätschaften auf seine Kosten dafür zu sorgen, daß Leben und Gesundheit des Dienstnehmers, soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist, geschützt werden.

Ist der Dienstnehmer in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers aufgenommen, so hat dieser in Ansehung des Wohn- und Schlafraumes, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit die mit Rücksicht auf Gesundheit, Sittlichkeit und Religion des Dienstnehmers erforderlichen Anordnungen zu treffen.

Endigung des Dienstverhältnisses.

§. 1158. Das Dienstverhältnis endet mit dem Ablaufe der Zeit, für die es eingegangen wurde.

Ein auf Probe oder nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.

Ein für die Lebenszeit einer Person oder für länger als fünf Jahre vereinbartes Dienstverhältnis kann von dem Dienstnehmer nach Ablauf von fünf Jahren unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gelöst werden.

Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden, so kann es durch Kündigung nach folgenden Bestimmungen gelöst werden.

Kündigungsfristen.

§. 1159. Eine Kündigung ist zulässig:

wenn bei einem Dienstverhältnisse, das keine Dienste höherer Art zum Gegenstande hat, das Entgelt nach Stunden oder Tagen, nach Stück oder Einzelleistungen bemessen ist, jederzeit für den folgenden Tag; wenn ein solches Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des Dienstnehmers hauptsächlich in Anspruch nimmt und schon drei Monate gedauert hat oder wenn das Entgelt nach Wochen bemessen ist, spätestens am ersten Werktage für den Schluß der Kalenderwoche. Die Wirkung der Kündigung tritt im Falle der Entlohnung nach Stück oder Einzelleistungen keinesfalls vor Vollendung der zur Zeit der Kündigung in Ausführung begriffenen Leistungen ein.

§. 1159a. Wenn ein Dienstverhältnis, das Dienste höherer Art zum Gegenstande hat, die Erwerbstätigkeit des Dienstnehmers hauptsächlich in Anspruch nimmt und schon drei Monate gedauert hat, so ist ohne Rücksicht auf die Art der Bemessung des Entgelts eine mindestens vierwöchentliche Kündigungsfrist einzuhalten.

Dasselbe gilt überhaupt, wenn das Entgelt nach Jahren bemessen ist.

§. 1159b. In allen anderen Fällen kann das Dienstverhältnis unter Einhaltung einer mindestens vierzehntägigen Kündigungsfrist gelöst werden.

§. 1159c. Die Kündigungsfrist muß immer für beide Teile gleich sein. Wurden ungleiche Fristen vereinbart, so gilt für beide Teile die längere Frist.

Aufsuchen einer neuen Stellung.

§. 1160. Ist der Dienstnehmer in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers aufgenommen oder durch das Dienstverhältnis gehindert, eine andere Stellung aufzusuchen, so ist ihm nach der Kündigung zu diesem Behufe ohne Schmälerung des Entgelts auf Verlangen die angemessene Zeit freizugeben.

Konkurs.

§. 1161. Welche Wirkungen die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Dienstgebers auf das Dienstverhältnis hat, bestimmt die Konkursordnung.

Vorzeitige Auflösung.

§. 1162. Das Dienstverhältnis kann, wenn es für bestimmte Zeit eingegangen wurde, vor Ablauf dieser Zeit, sonst aber ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von jedem Teile aus wichtigen Gründen gelöst werden.

§. 1162a. Wenn der Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt, kann der Dienstgeber entweder dessen Wiedereintritt zur Dienstleistung nebst Schadenersatz oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages verlangen. Wird der Dienstnehmer wegen eines Verschuldens vorzeitig entlassen, so hat er Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages zu leisten. Für die schon bewirkten Leistungen, deren Entgelt noch nicht fällig ist, steht dem Dienstnehmer ein Anspruch auf den entsprechenden Teil des Entgelts nur insoweit zu, als sie nicht durch die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses für den Dienstgeber ihren Wert ganz oder zum größten Teil eingebüßt haben.

§. 1162b. Wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig entläßt oder wenn ihn ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritte des Dienstnehmers trifft, behält dieser, unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes, seine vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der Vertragszeit oder durch ordnungsmäßige Kündigung hätte verstreichen müssen, unter Anrechnung dessen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Soweit jedoch der oben genannte Zeitraum drei Monate nicht übersteigt, kann der Dienstnehmer das ganze für diese Zeit gebührende Entgelt ohne Abzug sofort fordern.

§. 1162c. Trifft beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses, so hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt.

§. 1162d. Ansprüche wegen vorzeitigen Austrittes oder vorzeitiger Entlassung im Sinne der §§ 1162a und 1162b müssen bei sonstigem Ausschlusse binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem sie erhoben werden konnten, gerichtlich geltend gemacht werden.

Zeugnis.

§. 1163. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses ist dem Dienstnehmer auf sein Verlangen ein schriftliches Zeugnis über die Dauer und Art der Dienstleistung auszustellen. Verlangt der Dienstnehmer während der Dauer des Dienstverhältnisses ein Zeugnis, so ist ihm ein solches auf seine Kosten auszustellen. Eintragungen und Anmerkungen im Zeugnisse, durch die dem Dienstnehmer die Erlangung einer neuen Stellung erschwert wird, sind unzulässig.

Zeugnisse des Dienstnehmers, die sich in Verwahrung des Dienstgebers befinden, sind dem Dienstnehmer auf Verlangen jederzeit auszufolgen.

Zwingende Vorschriften.

§. 1164. Die Berechtigungen des Dienstnehmers, die sich aus den Bestimmungen der §§ 1154, Absatz 3, 1156 bis 1159b, 1160 und 1162a bis 1163 ergeben, können durch den Dienstvertrag nicht aufgehoben oder beschränkt werden.

2. Werkvertrag.

§. 1165. Der Unternehmer ist verpflichtet, das Werk persönlich auszuführen oder unter seiner persönlichen Verantwortung ausführen zu lassen.

§. 1166. Hat derjenige, der die Verfertigung einer Sache übernommen hat, den Stoff dazu zu liefern, so ist der Vertrag im Zweifel als Kaufvertrag; liefert aber der Besteller den Stoff, im Zweifel als Werkvertrag zu betrachten.

Gewährleistung für Mängel.

§. 1167. Bei wesentlichen Mängeln, welche das Werk unbrauchbar machen oder der ausdrücklichen Bedingung zuwiderlaufen, kann der Besteller vom Vertrage abgehen. Will er das nicht oder sind die Mängel weder wesentlich noch gegen die ausdrückliche Bedingung, so kann er die Verbesserung, falls diese nicht einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, oder eine angemessene Minderung des Entgelts fordern. Zur Verbesserung muß er dem Unternehmer eine angemessene Frist setzen, mit der Erklärung, daß er nach deren Ablauf die Verbesserung ablehne. Im übrigen kommen die für die Gewährleistung bei entgeltlichen Verträgen überhaupt gegebenen Vorschriften zur Anwendung.

Vereitlung der Ausführung.

§. 1168. Unterbleibt die Ausführung des Werkes, so gebührt dem Unternehmer gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Besteller liegen daran verhindert worden ist; er muß sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Wurde er infolge solcher Umstände durch Zeitverlust bei der Ausführung des Werkes verkürzt, so gebührt ihm angemessene Entschädigung.

Unterbleibt eine zur Ausführung des Werkes erforderliche Mitwirkung des Bestellers, so ist der Unternehmer auch berechtigt, ihm zur Nachholung eine angemessene Frist zu setzen mit der Erklärung, daß nach fruchtlosem Verstreichen der Frist der Vertrag als aufgehoben gelte.

§. 1168a. Geht das Werk vor seiner Übernahme durch einen bloßen Zufall zugrunde, so kann der Unternehmer kein Entgelt verlangen. Der Verlust des Stoffes trifft denjenigen Teil, der ihn beigestellt hat. Mißlingt aber das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers, so ist der Unternehmer für den Schaden verantwortlich, wenn er den Besteller nicht gewarnt hat.

Fürsorgepflicht.

§. 1169. Die Bestimmungen des § 1157, mit Ausnahme der die Regelung der Dienstleistungen und die Arbeits- und Erholungszeit betreffenden, finden auf den Werkvertrag sinngemäße Anwendung.

Entrichtung des Entgelts.

§. 1170. In der Regel ist das Entgelt nach vollendetem Werk zu entrichten. Wird aber das Werk in gewissen Abteilungen verrichtet oder sind Auslagen damit verbunden, die der Unternehmer nicht auf sich genommen hat, so ist dieser befugt, einen verhältnismäßigen Teil des Entgelts und den Ersatz der gemachten Auslagen schon vorher zu fordern.

§. 1170a. Ist dem Vertrage ein Kostenvoranschlag unter ausdrücklicher Gewährleistung für seine Richtigkeit zugrunde gelegt, so kann der Unternehmer auch bei unvorhergesehener Größe oder Kostspieligkeit der voranschlagten Arbeiten keine Erhöhung des Entgelts fordern.

Ist ein Voranschlag ohne Gewährleistung zugrunde gelegt und erweist sich eine beträchtliche Überschreitung als unvermeidlich, so kann der Besteller unter angemessener Vergütung der vom Unternehmer geleisteten Arbeit vom Vertrage zurücktreten. Sobald sich eine solche Überschreitung als unvermeidlich herausstellt, hat der Unternehmer dies dem Besteller unverzüglich anzuzeigen, widrigenfalls er jeden Anspruch wegen der Mehrarbeiten verliert.

Erlöschen durch Tod.

§. 1171. Ein Werkvertrag über Arbeiten, bei denen es auf die besonderen persönlichen Eigenschaften des Unternehmers ankommt, erlischt durch dessen Tod und seine Erben können nur den Preis für den zubereiteten brauchbaren Stoff und einen dem Werte der geleisteten Arbeit angemessenen Teil des Entgelts fordern. Stirbt der Besteller, so bleiben die Erben an den Vertrag gebunden.

3. Verlagsvertrag.

§. 1172. Durch den Verlagsvertrag verpflichtet sich der Urheber eines Werkes der Literatur, Kunst oder Photographie, oder sein Rechtsnachfolger, einem anderen das Werk zur Herausgabe zu überlassen, dieser (der Verleger) dagegen, das Werk zu vervielfältigen und zu vertreiben.

§. 1173. Wurde über die Anzahl der Auflagen nichts bestimmt, so ist der Verleger nur zu einer Auflage berechtigt. Vor dem Absatze der Auflage darf der Urheber über das Werk nur dann anderweitig verfügen, wenn er dem Verleger eine angemessene Schadloshaltung leistet.

4. Leistung zu unerlaubtem Zweck.

§. 1174. Was jemand wissentlich zur Bewirkung einer unmöglichen oder unerlaubten Handlung gegeben hat, kann er nicht wieder zurückfordern. Inwiefern es der Fiskus einzuziehen berechtigt sei, bestimmen die politischen Verordnungen. Ist aber etwas zur Verhinderung einer unerlaubten Handlung demjenigen der diese Handlung begehen wollte, gegeben worden, so findet die Zurückforderung statt.

Ein zum Zweck eines verbotenen Spieles gegebenes Darlehen kann nicht zurückgefordert werden.

 

Sieben u. zwanzigst. Hauptstück.

Von dem Vertrage über eine Gemeinschaft der Güter.

Entstehung einer Erwerbsgesellschaft.

Begriff.

§. 1175. Durch einen Vertrag, vermöge dessen zwey oder mehrere Personen einwilligen, ihre Mühe allein, oder auch ihre Sachen zum gemeinschaftlichen Nutzen zu vereinigen, wird eine Gesellschaft zu einem gemeinschaftlichen Erwerbe errichtet.

Eintheilung.

§. 1176. Je nachdem die Mitglieder einer Gesellschaft nur einzelne Sachen, oder Summen; oder eine ganze Gattung von Sachen, z. B. alle Waaren, alle Früchte, alle liegende Gründe, oder endlich ihr ganzes Vermögen ohne Ausnahme der Gemeinschaft widmen, sind auch die Arten der Gesellschaft verschieden, und die Gesellschaftsrechte mehr oder weniger ausgedehnt.

§. 1177. Wenn ein Gesellschaftsvertrag auf das ganze Vermögen lautet; so wird doch nur das gegenwärtige darunter verstanden. Wird aber auch das künftige Vermögen mit begriffen; so versteht man darunter nur das erworbene, nicht das ererbte; außer es wäre beydes ausdrücklich bedungen worden.

Form der Errichtung.

§. 1178. Gesellschaftsverträge, welche sich nur auf das gegenwärtige, oder nur auf das zukünftige Vermögen beziehen, sind ungültig, wenn das von dem einen und dem andern Theile eingebrachte Gut nicht ordentlich beschrieben, und verzeichnet worden ist.

§. 1179. Wie der gesellschaftliche Vertrag unter Handelsleuten zu errichten, in die gehörigen Register einzutragen und öffentlich bekannt zu machen sey, bestimmen die besondern Handels- und politischen Gesetze. Werden nur einzelne Geschäfte gemeinschaftlich betrieben; so ist genug, wenn der darüber errichtete Vertrag in den Handlungsbüchern erscheint.

§. 1180. Der Vertrag über eine Gemeinschaft des ganzen sowohl gegenwärtigen als künftigen Vermögens, welcher gewöhnlich nur zwischen Ehegatten errichtet zu werden pflegt, ist nach den in dem Hauptstücke von den Ehe-Pacten hierüber ertheilten Vorschriften zu beurtheilen. Die gegenwärtigen Vorschriften beziehen sich auf die übrigen Arten der durch Vertrag errichteten Gütergemeinschaft.

Wirkung des Vertrages und des wirklichen Beytrages.

§. 1181. Der Gesellschaftsvertrag gehört zwar unter die Titel, ein Eigenthum zu erwerben; die Erwerbung selbst aber, und die Gemeinschaft der Güter oder Sachen kommt nur durch die Uebergabe derselben zu Stande.

Hauptstamm.

§. 1182. Alles, was ausdrücklich zum Betriebe des gemeinschaftlichen Geschäftes bestimmt worden ist, macht das Capital, oder den Hauptstamm der Gesellschaft aus. Das Uebrige, was jedes Mitglied besitzt, wird als ein abgesondertes Gut betrachtet.

§. 1183. Wenn Geld, verbrauchbare, oder zwar unverbrauchbare, jedoch in Geldwerth angeschlagene Sachen eingelegt werden; so ist nicht nur der daraus verschaffte Nutzen, sondern auch der Hauptstamm in Rücksicht der Mitglieder, welche hierzu beygetragen haben, als ein gemeinschaftlichen Eigenthum anzusehen. Wer nur seine Mühe zum gemeinschaftlichen Nutzen zu verwenden verspricht, hat zwar auf den Gewinn, nicht aber auf den Hauptstamm einen Anspruch. (§. 1192.)

Rechte und Pflichten der Mitglieder:

Beytrag zum Hauptstamme; (Fond)

§. 1184. Jedes Mitglied ist, außer dem Falle einer besonderen Verabredung, verbunden, einen gleichen Antheil zum gemeinschaftlichen Hauptstamme beyzutragen.

Mitwirkung;

§. 1185. In der Regel sind alle Mitglieder verbunden, ohne Rücksicht auf ihren größern oder geringern Antheil, zu dem gemeinschaftlichen Nutzen gleich mitzuwirken.

§. 1186. Kein Mitglied ist befugt, die Mitwirkung einem Dritten anzuvertrauen; oder jemanden in die Gesellschaft aufzunehmen; oder ein der Gesellschaft schädliches Nebengeschäft zu unternehmen.

§. 1187. Die Pflichten der Mitglieder werden durch den Vertrag genauer bestimmt. Wer sich bloß zur Arbeit verbunden hat, der ist keinen Beytrag schuldig. Wer lediglich einen Geld- oder andern Beytrag verheißen hat, der hat weder die Verbindlichkeit, noch das Recht, auf eine andere Art zu dem gemeinschaftlichen Erwerbe mitzuwirken.

§. 1188. Bey der Berathschlagung und Entscheidung über die gesellschaftlichen Angelegenheiten sind, wenn keine andere Verabredung besteht, die in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigenthumes gegebenen Vorschriften anzuwenden. (§§. 833-842.)

Nachschuß zum Hauptstamme;

§. 1189. Die Mitglieder können zu einem mehreren Beytrage, als wozu sie sich verpflichtet haben, nicht gezwungen werden. Fände jedoch bey veränderten Umständen ohne Vermehrung des Beytrages die Erreichung des gesellschaftlichen Zweckes gar nicht Statt; so kann das sich weigernde Mitglied austreten, oder zum Austritte verhalten werden.

Betrieb der anvertrauten Geschäfte;

§. 1190. Wird Einem oder einigen Mitgliedern der Betrieb der Geschäfte anvertraut; so sind sie als Bevollmächtigte zu betrachten. Auf ihre Berathschlagungen und Entscheidungen über gesellschaftliche Angelegenheiten sind ebenfalls, die oben (§§. 833-842) erwähnten Vorschriften anzuwenden.

Haftung für den Schaden;

§. 1191. Jedes Mitglied haftet für den Schaden, den es der Gesellschaft durch sein Verschulden zugefügt hat. Dieser Schaden läßt sich mit dem Nutzen, den es der Gesellschaft sonst verschaffte, nicht ausgleichen. Hat aber ein Mitglied durch ein eigenmächtig unternommenes neues Geschäft der Gesellschaft von einer Seite Schaden, und von der andern Nutzen verursacht; so soll eine verhältnißmäßige Ausgleichung Statt finden.

Vertheilung des Gewinnes;

§. 1192. Das Vermögen, welches nach Abzug aller Kosten und erlittenen Nachtheile über den Hauptstamm zurück bleibt, ist der Gewinn. Der Hauptstamm selbst bleibt ein Eigenthum derjenigen, welche dazu beygetragen haben; außer es wäre der Werth der Arbeiten zum Capitale geschlagen und alles als ein gemeinschaftliches Gut erklärt worden.

§. 1193. Der Gewinn wird nach Verhältniß der Capitals-Beyträge vertheilt, und die von allen Mitgliedern geleisteten Arbeiten heben sich gegen einander auf. Wenn ein oder einige Mitglieder bloß arbeiten, oder nebst dem Capitals–Beytrage zugleich Arbeiten leisten; so wird für die Bemühungen, wenn keine Verabredung besteht, und die Gesellschafter sich nicht vereinigen können, der Betrag mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Geschäftes, die angewendete Mühe und den verschafften Nutzen vom Gerichte bestimmt.

§. 1194. Besteht der Gewinn nicht in barem Gelde, sondern in andern Arten der Nutzungen; so geschieht die Theilung nach der in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigenthumes enthaltenen Vorschrift. (§§. 840–843.)

§. 1195. Die Gesellschaft kann einem Mitgliede, seiner vorzüglichen Eigenschaften oder Bemühungen wegen, einen größern Gewinn bewilligen, als ihm nach seinem Antheile zukäme; nur dürfen dergleichen Ausnahmen nicht in gesetzwidrige Verabredungen oder Verkürzungen ausarten.

§. 1196. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)

Vertheilung des Verlustes;

§. 1197. Hat die Gesellschaft ihre Einlage ganz oder zum Theile verloren; so wird der Verlust in dem Verhältnisse vertheilet, wie im entgegengesetzten Falle der Gewinn vertheilt worden wäre. Wer kein Capital gegeben hat, büßt seine Bemühungen ein.

Rechnungslegung;

§. 1198. Die Mitglieder, denen die Verwaltung anvertraut ist, sind verbunden, über den gemeinschaftlichen Hauptstamm und über die dahin gehörigen Einnahmen und Ausgaben ordentlich Rechnung zu führen und abzulegen.

§. 1199. Die Schlußrechnung und Theilung des Gewinnes oder Verlustes kann vor Vollendung des Geschäftes nicht gefordert werden. Wenn aber Geschäfte betrieben werden, die durch mehrere Jahre fortdauern und einen jährlichen Nutzen abwerfen sollen; so können die Mitglieder, wenn anders das Hauptgeschäft nicht darunter leidet, jährlich sowohl die Rechnung, als die Vertheilung des Gewinnes verlangen. Uebrigens kann jedes Mitglied zu jeder Zeit auf seine Kosten die Rechnungen einsehen.

§. 1200. Wer sich mit der bloßen Vorlegung des Abschlusses (Bilanz) begnügt, oder auch seinem Rechte, Rechnung zu fordern, entsagt hat, kann, wenn er einen Betrug auch nur in Einem Theile der Verwaltung beweiset, sowohl für den vergangenen Fall, als für alle künftige Fälle auf eine vollständige Rechnung dringen.

Verhältniß gegen Nichtmitglieder.

§. 1201. Ohne die ausdrückliche oder stillschweigende, rechtliche Einwilligung der Mitglieder oder ihrer Bevollmächtigten kann die Gesellschaft einem Dritten nicht verbindlich gemacht werden. Bey Handelsleuten begreift das kund gemachte, Einem oder mehreren Mitgliedern ertheilte Recht, die Firma zu führen, nähmlich alle Urkunden und Schriften im Nahmen der Gesellschaft zu unterschreiben, schon eine allseitige Vollmacht in sich. (§. 1028.)

§. 1202. Ein Mitglied, welches nur mit einem Theile seines Vermögens in der Gesellschaft steht, kann ein von dem gemeinschaftlichen abgesondertes Vermögen besitzen, worüber es nach Belieben zu verfügen berechtiget ist. Rechte und Verbindlichkeiten, die ein Dritter gegen die Gesellschaft hat, müssen also von den Rechten und Verbindlichkeiten gegen einzelne Mitglieder unterschieden werden.

§. 1203. Was also jemand an ein einzelnes Mitglied, und nicht an die Gesellschaft zu fordern oder zu zahlen hat, kann er auch nur an das einzelne Mitglied, und nicht an die Gesellschaft fordern oder bezahlen. Eben so hat aber bey gesellschaftlichen Forderungen oder Schulden jedes Mitglied nur für seinen Antheil ein Recht oder eine Verbindlichkeit zur Zahlung, außer in dem Falle, welcher bey Handelsleuten vermuthet wird, daß Alle für Einen und Einer für Alle etwas zugesagt oder angenommen haben.

§. 1204. Die geheimen Mitglieder einer Handlungsgesellschaft; solche nähmlich, welche ihr einen Theil des Fonds auf Gewinn und Verlust dargeliehen haben, aber nicht als Mitglieder angekündiget worden sind, haften in keinem Falle mit mehr als mit dem dargeliehenen Capitale. Die kund gemachten Mitglieder haften mit ihrem ganzen Vermögen.

Auflösung der Gesellschaft, und Austritt aus derselben.

§. 1205. Die Gesellschaft löset sich von selbst auf, wenn das unternommene Geschäft vollendet; oder nicht mehr fortzuführen; wenn der ganze gemeinschaftliche Hauptstamm zu Grunde gegangen; oder wenn die zur Dauer der Gesellschaft festgesetzte Zeit verflossen ist.

§. 1206. Die gesellschaftlichen Rechte und Verbindlichkeiten gehen in der Regel nicht auf die Erben eines Mitgliedes über. Doch sind diese, wenn mit ihnen die Gesellschaft nicht fortgesetzt wird, berechtiget, die Rechnungen bis auf den Tod des Erblassers zu fordern und berichtigen zu lassen. Sie sind aber im entgegengesetzten Falle auch verbunden, Rechnungen zu legen, und zu berichtigen.

§. 1207. Besteht die Gesellschaft nur aus zwey Personen; so erlischt sie durch das Absterben der Einen. Besteht sie aus mehreren; so wird von den übrigen Mitgliedern vermuthet, daß sie die Gesellschaft noch unter sich fortsetzen wollen. Diese Vermuthung gilt auch überhaupt von den Erben der Handelsleute.

§. 1208. Lautet der von Personen, die keine Handelsleute sind, errichtete Gesellschaftsvertrag ausdrücklich auch auf ihrer Erben; so sind diese, wenn sie die Erbschaft antreten, verpflichtet, sich nach dem Willen des Erblassers zu fügen; allein auf die Erbeserben erstreckt sich dieser Wille nicht; noch weniger vermag er eine immerwährende Gesellschaft zu begründen. (§. 832.)

§. 1209. Wenn der Erbe die von dem Verstorbenen für die Gesellschaft übernommenen Dienste zu erfüllen nicht im Stande ist; so muß er sich einem verhältnißmäßigen Abzuge an dem ausgemessenen Antheile unterziehen.

§. 1210. Wenn ein Mitglied die wesentlichen Bedingungen der Vertrages nicht erfüllet; wenn es in Concurs verfällt; als Verschwender gerichtlich erkläret, oder überhaupt unter die Curatel gesetzt wird; wenn es durch ein Verbrechen das Vertrauen verliert; so kann es vor Verlauf der Zeit von der Gesellschaft ausgeschlossen werden.

§. 1211. Man kann den Gesellschaftsvertrag vor Verlauf der Zeit aufkündigen, wenn dasjenige Mitglied, von welchem der Betrieb des Geschäftes vorzüglich abhing, gestorben oder ausgetreten ist.

§. 1212. Wenn die Zeit zur Dauer der Gesellschaft weder ausdrücklich bestimmt worden ist, noch aus der Natur des Geschäftes bestimmt werden kann; so mag jedes Mitglied den Vertrag nach Willkühr aufkündigen; nur darf es nicht mit Arglist oder zur Unzeit geschehen. (§. 830.)

§. 1213. Die Wirkungen einer zwar bestrittenen, aber in der Folge für rechtmäßig erklärten Ausschließung oder Aufkündung werden auf den Tag, wo sie geschehen sind, zurück gezogen.

§. 1214. Die Aufhebung einer Handlungsgesellschaft; die Aufnahme und der Austritt ihrer öffentlichen Mitglieder, muß eben so, wie die Errichtung, öffentlich bekannt gemacht werden. Aus dieser Bekanntmachung wird auch die Kraft und die Dauer der Vollmachten beurtheilt.

Theilung des gesellschaftlichen Vermögens.

§. 1215. Bey der nach Auflösung einer Gesellschaft vorzunehmenden Theilung des gesellschaftlichen Vermögens sind nebst den obigen Bestimmungen die nähmlichen Vorschriften zu beobachten, welche in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigenthumes über die Theilung einer gemeinschaftlichen Sache überhaupt aufgestellet worden sind.

§. 1216. Die in diesem Hauptstücke enthaltenen Anordnungen sind auch auf die Handlungsgesellschaften anzuwenden; in so fern hierüber nicht besondere Vorschriften bestehen.

 

Acht u. zwanzigstes Hauptstück.

Von den Ehe-Pacten.

Ehe-Pacte.

§. 1217. Ehe-Pacte heißen diejenigen Verträge, welche in Absicht auf die eheliche Verbindung über das Vermögen geschlossen werden, und haben vorzüglich das Heirathsgut; die Widerlage; Morgengabe; die Gütergemeinschaft; Verwaltung und Fruchtnießung des eigenen Vermögens; die Erbfolge, oder die auf den Todesfall bestimmte lebenslange Fruchtnießung des Vermögens, und den Witwengehalt zum Gegenstande.

1) Heirathsgut.

§. 1218. Unter Heirathsgut versteht man dasjenige Vermögen, welches von der Ehegattinn, oder für sie von einem Dritten dem Manne zur Erleichterung des mit der ehelichen Gesellschaft verbundenen Aufwandes übergeben oder zugesichert wird.

Dessen Bestellung;

§. 1219. Wenn die Braut eigenes Vermögen besitzt, und volljährig ist; so hängt es von ihr und dem Bräutigame ab, wie sie sich wegen des Heirathsgutes, und wegen anderer wechselseitigen Gaben mit einander verstehen wollen. Ist aber die Braut noch minderjährig; so muß der Vertrag von dem Vater oder Vormunde, mit Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichtes, geschlossen werden.

§. 1220. Besitzt die Braut kein eigenes, zu einem angemessenen Heirathsgute hinlängliches Vermögen; so sind Aeltern oder Großältern nach der Ordnung, als sie die Kinder zu ernähren und zu versorgen verpflichtet sind, verbunden, den Töchtern oder Enkelinnen bey deren Verehelichung ein ihrem Stande und Vermögen angemessenes Heirathsgut zu geben, oder dazu verhältnißmäßig beyzutragen (§§. 141 u. 143). Eine uneheliche Tochter kann nur von ihrer Mutter Heirathsgut verlangen.

§. 1221. Berufen sich Aeltern oder Großältern auf ihr Unvermögen zur Bestellung eines anständigen Heirathsgutes; so soll auf Ansuchen der Brautperson das Gericht die Umstände, jedoch ohne strenge Erforschung des Vermögensstandes, untersuchen, und hiernach ein angemessenes Heirathsgut bestimmen, oder die Aeltern und Großältern davon freysprechen.

§. 1222. Wenn eine Tochter ohne Wissen, oder gegen den Willen ihrer Aeltern sich verehelichet hat, und das Gericht die Ursache der Mißbilligung gegründet findet; so sind die Aeltern selbst in dem Falle, daß sie in der Folge die Ehe genehmigen, nicht schuldig, ihr ein Heirathsgut zu geben.

§. 1223. Hat eine Tochter ihr Heirathsgut schon erhalten, und es, obschon ohne ihr Verschulden, verloren; so ist sie nicht mehr, selbst nicht im Falle einer zweyten Ehe, berechtiget, ein neues zu fordern.

§. 1224. Im Zweifel, ob das Heirathsgut von dem Vermögen der Aeltern oder der Braut ausgesetzt worden sey, wird das Letztere angenommen. Haben aber Aeltern das Heirathsgut ihrer minderjährigen Tochter ohne obervormundschaftliche Genehmigung bereits ausgezahlt; so wird vermuthet, daß es die Aeltern aus eigenem Vermögen gethan haben.

Uebergabe,

§. 1225. Hat sich der Ehemann vor geschlossener Ehe kein Heirathsgut bedungen; so ist er auch keines zu fordern berechtiget. Die Uebergabe des bedungenen Heirathsgutes kann, wenn keine andere Zeit festgesetzt worden ist, gleich nach geschlossener Ehe begehret werden.

und Beweis derselben.

§. 1226. Wenn über das Vermögen des Ehemannes ein Concurs verhängt wird; so macht seine vor Ausbruch des Concurses geschehene schriftliche oder mündliche Bestätigung, daß er das Heirathsgut empfangen habe, gegen jedermann einen Beweis. Erfolgt aber die Bestätigung erst nach ausgebrochenem Concurse; so hat sie gegen die Gläubiger keine Beweiseskraft.

Gegenstand des Heirathsgutes und Rechte des Ehemannes und der Ehefrau in Rücksicht desselben.

§. 1227. Alles, was sich veräußern und nutzen läßt, ist zum Heirathsgute geeignet. So lange die eheliche Gesellschaft fortgesetzt wird, gehört die Fruchtnießung des Heirathsgutes, und dessen, was demselben zuwächst, dem Manne. Besteht das Heirathsgut in barem Gelde, in abgetretenen Schuldforderungen oder verbrauchbaren Sachen; so gebührt ihm das vollständige Eigenthum.

§. 1228. Besteht das Heirathsgut in unbeweglichen Gütern, in Rechten oder Fahrnissen, welche mit Schonung der Substanz benutzt werden können; so wird die Ehegattinn so lange als Eigenthümerinn und der Mann als Fruchtnießer desselben angesehen, bis bewiesen wird, daß der Ehemann das Heirathsgut für einen bestimmten Preis übernommen, und sich nur zur Zurückgabe dieses Geldbetrages verbunden hat.

§. 1229. Nach dem Gesetze fällt das Heirathsgut nach dem Tode des Mannes seiner Ehegattinn, und wenn sie vor ihm stirbt, ihren Erben heim. Soll sie oder ihre Erben davon ausgeschlossen seyn; so muß dieses ausdrücklich bestimmt werden. Wer das Heirathsgut freywillig bestellet, kann sich ausbedingen, daß es nach dem Tode des Mannes auf ihn zurückfalle.

2) Widerlage.

§. 1230. Was der Bräutigam oder ein Dritter der Braut zur Vermehrung des Heirathsgutes aussetzt, heißt Widerlage. Hiervon gebührt zwar der Ehegattinn während der Ehe kein Genuß; allein wenn sie den Mann überlebt, gebührt ihr ohne besondere Uebereinkunft auch das freye Eigenthum, obgleich dem Manne auf den Fall seines Ueberlebens das Heirathsgut nicht verschrieben worden ist.

§. 1231. Weder der Bräutigam, noch seine Aeltern sind verbunden, eine Widerlage zu bestimmen. Doch in eben der Art, in welcher die Aeltern der Braut schuldig sind, ihr ein Heirathsgut auszusetzen, liegt auch den Aeltern des Bräutigams ob, ihm eine ihrem Vermögen angemessene Ausstattung zu geben. (§§. 1220-1223).

3) Morgengabe.

§. 1232. Das Geschenk, welches der Mann seiner Gattinn am ersten Morgen zu geben verspricht, heißt Morgengabe. Ist dieselbe versprochen worden; so wird im Zweifel vermuthet, daß sie binnen den ersten drey Jahren der Ehe schon überreicht worden sey.

4) Gütergemeinschaft.

§. 1233. Die eheliche Verbindung allein begründet noch keine Gemeinschaft der Güter zwischen den Eheleuten. Dazu wird ein besonderer Vertrag erfordert, dessen Umfang und rechtliche Form nach den §§. 1177. u. 1178 des vorigen Hauptstückes beurtheilt wird.

§. 1234. Die Gütergemeinschaft unter Ehegatten wird in der Regel nur auf den Todesfall verstanden. Sie gibt dem Ehegatten das Recht auf die Hälfte dessen, was von den der Gemeinschaft wechselseitig unterzogenen Gütern nach Ableben des andern Ehegatten noch vorhanden seyn wird.

§. 1235. Bey einer Gemeinschaft, die sich auf das ganze Vermögen bezieht, sind vor der Theilung alle Schulden ohne Ausnahme; bey einer Gemeinschaft aber, die bloß das gegenwärtige, oder bloß das künftige Vermögen zum Gegenstande hat, nur diejenigen Schulden abzuziehen, die zum Nutzen des gemeinschaftlichen Gutes verwendet worden sind.

§. 1236. Besitzt ein Ehegatte ein unbewegliches Gut, und wird das Recht des andern Ehegatten zur Gemeinschaft in die öffentlichen Bücher eingetragen; so erhält dieser durch die Eintragung auf die Hälfte der Substanz des Gutes ein dingliches Recht, vermöge dessen der eine Ehegatte über diese Hälfte keine Anordnung machen kann; auf die Nutzungen aber während der Ehe erhält er durch die Einverleibung keinen Anspruch. Nach dem Tode des Ehegatten gebührt dem überlebenden Theile sogleich das freye Eigenthum seines Antheiles. Doch kann eine solche Einverleibung den auf das Gut früher eingetragenen Gläubigern nicht zum Nachtheile gereichen.

5) Verwaltung und Nutznießung des ursprünglichen oder erworbenen Vermögens.

§. 1237. Haben Eheleute über die Verwendung ihres Vermögens keine besondere Uebereinkunft getroffen; so behält jeder Ehegatte sein voriges Eigenthumsrecht, und auf das, was ein jeder Theil während der Ehe erwirbt, und auf was immer für eine Art überkommt, hat der andere keinen Anspruch. Im Zweifel wird vermuthet, daß der Erwerb von dem Manne herrühre.

§. 1238. So lange die Ehegattinn nicht widersprochen hat, gilt die rechtliche Vermuthung, daß sie dem Manne als ihrem gesetzmäßigen Vertreter die Verwaltung ihres freyen Vermögens anvertrauet habe.

§. 1239. Der Ehegatte wird in Rücksicht einer solchen Verwaltung zwar überhaupt wie ein anderer bevollmächtigter Sachwalter angesehen; doch haftet er nur für das Stammgut oder Capital. Ueber die während der Verwaltung bezogenen Nutzungen ist er, wenn es nicht ausdrücklich bedungen worden, keine Rechnung schuldig; diese wird vielmehr bis auf den Tag der aufgehobenen Verwaltung für berichtigt angesehen.

§. 1240. Auch die Ehegattinn ist nicht schuldig, den Fruchtgenuß, den sie ihrem Manne abgetreten, aber während der Ehe selbst bezogen hat, zu verrechnen; es steht aber den Ehegatten frey, dergleichen stillschweigend eingestandene Verwaltungen einzustellen.

§. 1241. In dringenden Fällen oder bey Gefahr eines Nachtheiles, kann dem Ehemanne die Verwaltung des Vermögens, selbst wenn sie ihm ausdrücklich und auf immer verwilliget worden wäre, abgenommen werden. Hingegen ist auch er befugt, der unordentlichen Wirtschaft seiner Gattinn Einhalt zu thun, und sie unter den gesetzlichen Vorschriften sogar als Verschwenderinn erklären zu lassen.

6) Witwengehalt;

§. 1242. Das, was einer Gattinn auf den Fall des Witwenstandes zum Unterhalte bestimmt wird, heißt Witwengehalt. Dieser gebührt der Witwe gleich nach dem Tode des Mannes, und soll immer auf drey Monathe vorhinein entrichtet werden.

§. 1243. Der Witwe gebührt noch durch sechs Wochen nach dem Todes des Mannes, und wenn sie schwanger ist, bis nach Verlauf von sechs Wochen nach ihrer Entbindung die gewöhnliche Verpflegung aus der Verlassenschaft. So lange sie aber diese Verpflegung genießt, kann sie keinen Witwengehalt beziehen.

§. 1244. Wenn die Witwe sich verehelichet; so verliert sie das Recht auf den Witwengehalt.

Sicherstellung des Heirathsgutes, der Widerlage und des Witwengehaltes;

§. 1245. Wer das Heirathsgut übergibt, ist berechtiget, bey der Uebergabe; oder wenn in der Folge Gefahr eintritt, von demjenigen, der es empfängt, eine angemessene Sicherstellung zu fordern. Vormünder und Curatoren einer pflegebefohlenen Braut können die Sicherstellung des Heirathsgutes, und eben so der bedungenen Widerlage und des Witwengehaltes ohne Genehmigung des obervormundschaftlichen Gerichtes nicht erlassen.

Schenkungen unter Ehegatten und Verlobten;

§. 1246. Die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Schenkungen zwischen Ehegatten wird nach den für die Schenkungen überhaupt bestehenden Gesetzen beurtheilt.

§. 1247. Was ein Mann seiner Ehegattinn an Schmuck, Edelsteinen und andern Kostbarkeiten zum Putze gegeben hat, wird im Zweifel nicht für gelehnt; sondern für geschenkt angesehen. Wenn aber ein verlobter Theil dem andern; oder auch ein Dritter dem einen oder andern Theile in Rücksicht auf die künftige Ehe etwas zusichert oder schenket; so kann, wenn die Ehe ohne Verschulden des Geschenkgebers nicht erfolgt, die Schenkung widerrufen werden.

Wechselseitige Testamente;

§. 1248. Den Ehegatten ist gestattet, in einem und dem nähmlichen Testamente sich gegenseitig, oder auch andere Personen als Erben einzusetzen. Auch ein solches Testament ist widerruflich; es kann aber aus der Widerrufung des einen Theiles auf die Widerrufung des andern Theiles nicht geschlossen werden. (§. 583.)

Erbverträge.

Erfordernisse zur Gültigkeit des Erbvertrages.

§. 1249. Zwischen Ehegatten kann auch ein Erbvertrag, wodurch der künftige Nachlaß, oder ein Theil desselben versprochen, und das Versprechen angenommen wird, geschlossen werden. (§. 602.) Zur Gültigkeit eines solchen Vertrages ist jedoch nothwendig, daß er schriftlich mit allen Erfordernissen eines schriftlichen Testamentes errichtet werde.

§. 1250. Ein pflegebefohlener Ehegatte kann zwar die ihm versprochene, unnachtheilige Verlassenschaft annehmen; aber die Verfügung über seine eigene Verlassenschaft kann, ohne Genehmhaltung des Gerichtes, nur in so fern bestehen, als sie ein gültiges Testament ist.

Vorschrift über die eingerückten Bedingungen.

§. 1251. Was von Bedingungen bey Verträgen überhaupt gesagt worden ist, muß auch auf Erbverträge zwischen Ehegatten angewendet werden.

Wirkung des Erbvertrages.

§. 1252. Ein selbst den öffentlichen Büchern einverleibter Erbvertrag hindert den Ehegatten nicht, mit seinem Vermögen, so lange er lebt, nach Belieben zu schalten. Das Recht, welches daraus entsteht, setzt den Tod des Erblassers voraus; es kann von dem Vertragserben, wenn er den Erblasser nicht überlebt, weder auf Andere übertragen, noch der künftigen Erbschaft willen eine Sicherstellung gefordert werden.

§. 1253. Durch den Erbvertrag kann ein Ehegatte auf das Recht, zu testiren, nicht gänzlich Verzicht thun. Ein reiner Viertheil, worauf weder der jemanden gebührende Pflichttheil, noch eine andere Schuld haften darf, bleibt kraft des Gesetzes zur freyen letzten Anordnung immer vorbehalten. Hat der Erblasser darüber nicht verfüget; so fällt er doch nicht dem Vertragserben, obschon die ganze Verlassenschaft versprochen worden wäre, sondern den gesetzlichen Erben zu.

Erlöschung desselben.

§. 1254. Der Erbvertrag kann zum Nachtheile des andern Gatten, mit dem er geschlossen worden ist, nicht widerrufen; sondern nur nach Vorschrift der Gesetze entkräftet werden. Den Notherben bleiben ihre Rechte, wie gegen eine andere letzte Anordnung vorbehalten.

Fruchtnießung auf den Todesfall. (Advitalitäts-Recht.)

§. 1255. Wenn ein Ehegatte dem andern die Fruchtnießung seines Vermögens auf den Fall des Ueberlebens ertheilet; so wird er dadurch in der freyen Verfügung durch Handlungen unter Lebenden nicht beschränkt; das Recht der Fruchtnießung (§§. 509-520.) bezieht sich nur auf den Nachlaß des frey vererblichen Vermögens.

§. 1256. Wird aber die Fruchtnießung eines unbeweglichen Gutes mit Einwilligung des Verleihers den öffentlichen Büchern einverleibt; so kann dieselbe in Hinsicht dieses Gutes nicht mehr verkürzt werden.

§. 1257. In dem Falle, daß der überlebende Theil sich wieder verehelichet, oder die Fruchtnießung einem Andern abtreten will, haben die Kinder des verstorbenen Ehegatten das Recht zu verlangen, daß ihnen dieselbe gegen einen angemessenen jährlichen Betrag überlassen werde.

§. 1258. Ein Ehegatte, welcher auf die Fruchtnießung der ganzen Verlassenschaft des andern Ehegatten, oder eines Theiles derselben Anspruch macht, hat kein Recht, den ihm in dem Falle der gesetzlichen Erbfolge von dem Gesetze ausgemessenen Antheil zu fordern. (§§. 757–759.)

Einkindschaft.

§. 1259. Die Einkindschaft, das ist, ein Vertrag, wodurch Kinder aus verschiedenen Ehen in der Erbfolge einander gleich gehalten werden sollen, hat keine rechtliche Wirkung.

Absonderung des Vermögens in dem Falle:

1) eines Concurses;

§. 1260. Wenn über das Vermögen des Mannes bey seinen Lebzeiten ein Concurs eröffnet wird; so kann die Ehegattinn zwar noch nicht die Zurückstellung des Heirathsgutes, und die Herausgabe der Widerlage, sondern nur die Sicherstellung für den Fall der Auflösung der Ehe gegen die Gläubiger verlangen. Sie ist überdieß berechtiget, von Zeit der Concurs-Eröffnung den Genuß des witiblichen Unterhaltes, und wenn keiner bedungen ist, den Genuß des Heirathsgutes anzusprechen. Dieser Anspruch auf den einen, oder den andern Genuß hat aber nicht Statt, wenn bewiesen wird, daß die Ehegattinn an dem Verfalle der Vermögensumstände des Mannes Ursache sey.

§. 1261. Verfällt die Gattinn mit ihrem Vermögen in den Concurs; so bleiben die Ehe-Pacte unverändert.

§. 1262. Ist zwischen den Ehegatten eine Gemeinschaft der Güter bedungen; so hört dieselbe durch den Concurs des ein oder des andern Ehegatten auf, und das zwischen ihnen gemeinschaftliche Vermögen wird, wie bey dem Tode, getheilt.

2) einer freywilligen;

§. 1263. Wenn Ehegatten übereinkommen, geschieden zu leben, so hängt es auch von ihrem Einverständnisse ab, welches immer zugleich zu treffen ist, (§§. 103-105) ob sie ihre Ehe-Pacte fortdauern lassen, oder auf welche Art sie dieselben abändern wollen.

oder 3) einer gerichtlichen Scheidung;

§. 1264. Ist aber auf die Scheidung durch richterliches Urtheil erkannt worden, und trägt kein Theil, oder jeder Theil Schuld an der Scheidung, so kann ein oder der andere Ehegatte verlangen, daß die Ehe-Pacte für aufgehoben erklärt werden; worüber von dem Gerichte stets ein Vergleich zu versuchen ist (§. 108.). Ist ein Theil schuldlos, so steht demselben frey, die Fortsetzung oder Aufhebung der Ehe-Pacte, oder nach Umständen, den angemessenen Unterhalt zu verlangen.

4) Nichtigerklärung;

§. 1265. Wird eine Ehe für ungültig erklärt; so zerfallen auch die Ehe-Pacte, das Vermögen kommt, in so fern es vorhanden ist, in den vorigen Stand zurück. Der Schuldtragende Theil hat aber dem schuldlosen Theile Entschädigung zu leisten. (§. 102.)

5) Trennung der Ehe.

§. 1266. Wird die Trennung der Ehe (§§. 115 u. 133) auf Verlangen beyder Ehegatten, ihrer unüberwindlichen Abneigung wegen, verwilliget; so sind die Ehe-Pacte, so weit darüber kein Vergleich getroffen wird (§. 117), für beyde Theile erloschen. Wird auf die Trennung der Ehe durch Urtheil erkannt, so gebührt dem schuldlosen Ehegatten nicht nur volle Genugthuung, sondern von dem Zeitpuncte der erkannten Trennung alles dasjenige, was ihm in den Ehe-Pacten auf den Fall des Ueberlebens bedungen worden ist. Das Vermögen, worüber eine Gütergemeinschaft bestanden hat, wird wie bey dem Tode getheilt, und das Recht aus einem Erbvertrage bleibt dem Schuldlosen auf den Todesfall vorbehalten. Die gesetzliche Erbfolge (§§. 757-759) kann ein getrennter, obgleich schuldloser Ehegatte nicht ansprechen.

 

Neun u. zwanzigstes Hauptstück.

Von den Glücksverträgen.

Glücksverträge.

§. 1267. Ein Vertrag, wodurch die Hoffnung eines noch ungewissen Vortheiles versprochen und angenommen wird, ist ein Glücksvertrag. Er gehört, je nachdem etwas dagegen versprochen wird oder nicht, zu den entgeldlichen oder unentgeldlichen Verträgen.

§. 1268. Bey Glücksverträgen findet das Rechtsmittel wegen Verkürzung über die Hälfte des Werthes nicht Statt.

Arten der Glücksverträge.

§. 1269. Glücksverträge sind: die Wette; das Spiel und das Los; alle über gehoffte Rechte, oder über künftige noch unbestimmte Sachen errichtete Kauf- und andere Verträge; ferner, die Leibrenten; die gesellschaftlichen Versorgungsanstalten; endlich, die Versicherungs- und Bodmereyverträge.

1) die Wette;

§. 1270. Wenn über ein beyden Theilen noch unbekanntes Ereigniß ein bestimmter Preis zwischen ihnen für denjenigen, dessen Behauptung der Erfolg entspricht, verabredet wird; so entsteht eine Wette. Hatte der gewinnende Theil von dem Ausgange Gewißheit, und verheimlichte er sie dem andern Theile; so macht er sich einer Arglist schuldig, und die Wette ist ungültig. Der verlierende Theil aber, dem der Ausgang vorher bekannt war, ist als Geschenkgeber anzusehen.

§. 1271. Redliche und sonst erlaubte Wetten sind in so weit verbindlich, als der bedungene Preis nicht bloß versprochen; sondern wirklich entrichtet, oder hinterlegt worden ist. Gerichtlich kann der Preis nicht gefordert werden.

2) das Spiel;

§. 1272. Jedes Spiel ist eine Art von Wette. Die für Wetten festgesetzten Rechte gelten auch für Spiele. Welche Spiele überhaupt, oder für besondere Classen verbothen; wie Personen, die verbothene Spiele treiben, und diejenigen, die ihnen dazu Unterschleif geben, zu bestrafen sind, bestimmen die politischen Gesetze.

3) Los;

§. 1273. Ein zwischen Privat-Personen auf eine Wette oder auf ein Spiel abzielendes Los wird nach den für Wetten und Spiele festgesetzten Vorschriften beurtheilet. Soll aber eine Theilung, eine Wahl, oder eine Streitigkeit durch das Los entschieden werden; so treten dabey die Rechte der übrigen Verträge ein.

§. 1274. Staats-Lotterien sind nicht nach der Eigenschaft der Wette und des Spieles; sondern nach den jedes Mahl darüber kund gemachten Planen, zu beurtheilen.

4) Hoffnungskauf.

§. 1275. Wer für ein bestimmtes Maß von einem künftigen Erträgnisse einen verhältnißmäßigen Preis verspricht, schließt einen ordentlichen Kaufvertrag.

§. 1276. Wer die künftigen Nutzungen einer Sache in Pausch und Bogen; oder wer die Hoffnung derselben in einem bestimmten Preise kauft, errichtet einen Glücksvertrag; er trägt die Gefahr der ganz vereitelten Erwartung; es gebühren ihm aber auch alle ordentliche erzielte Nutzungen.

insbesondere eines Kuxes;

§. 1277. Der Antheil an einem Bergwerke heißt Kux. Der Kauf eines Kuxes gehört zu den gewagten Verträgen. Der Verkäufer haftet nur für die Richtigkeit des Kuxes, und der Käufer hat sich nach den Gesetzen über den Bergbau zu benehmen.

oder einer Erbschaft.

§. 1278. Der Käufer einer von dem Verkäufer angetretenen, oder ihm wenigstens angefallenen Erbschaft tritt nicht allein in die Rechte; sondern auch in die Verbindlichkeiten des Verkäufers als Erben ein, in so weit diese nicht bloß persönlich sind. Wenn also bey dem Kaufe kein Inventarium zum Grunde gelegt wird, ist auch der Erbschaftskauf ein gewagtes Geschäft.

Der Erbschaftskauf bedarf zu seiner Gültigkeit der Aufnahme eines Notariatsaktes oder der Beurkundung durch gerichtliches Protokoll.

§. 1279. Auf Sachen, die dem Verkäufer nicht als Erben; sondern aus einem andern Grunde, z. B. als Vorausvermächtniß, als Fideicommiß, als Substitution, als Schuldforderung aus der Verlassenschaft gebühren, und ihm auch ohne Erbrecht gebührt hätten, hat der Erbschaftskäufer keinen Anspruch. Dagegen erhält er alles, was der Erbschaft selbst zuwächst, es sey durch den Abgang eines Legatars, oder eines Miterben, oder auf was immer für eine andere Art, in so weit der Verkäufer darauf Anspruch gehabt hätte.

§. 1280. Alles, was der Erbe aus dem Erbrechte erhält, wie z. B. die bezogenen Früchte und Forderungen, wird mit zur Masse gerechnet; alles hingegen, was er aus dem Seinigen auf die Antretung der Erbschaft, oder auf die Verlassenschaft verwendet hat, wird von der Masse abgezogen. Dahin gehören die bezahlten Schulden; die schon abgeführten Vermächtnisse, Abgaben und Gerichtsgebühren; und wenn es nicht ausdrücklich anders verabredet worden ist, auch die Begräbnißkosten.

§. 1281. In so weit der Verkäufer die Verlassenschaft vor der Uebergabe verwaltet hat, haftet er dem Käufer dafür, wie ein anderer Geschäftsträger.

§. 1282. Die Erbschaftsgläubiger und Vermächtnißnehmer aber können sich ihrer Befriedigung wegen sowohl an den Käufer der Erbschaft, als an den Erben selbst halten. Ihre Rechte, so wie jene der Erbschaftsschuldner werden durch den Verkauf der Erbschaft nicht geändert, und die Erbschaftsantretung des Einen gilt auch für den Andern.

§. 1283. Hat man bey dem Verkaufe der Erbschaft ein Inventarium zum Grunde gelegt; so haftet der Verkäufer für dasselbe. Ist der Kauf ohne ein solches Verzeichniß geschehen; so haftet er für die Richtigkeit seines Erbrechtes, wie er es angegeben hat, und für allen dem Käufer durch sein Verschulden zugefügten Schaden.

5) Leibrente;

§. 1284. Wird jemanden für Geld, oder gegen eine für Geld geschätzte Sache auf die Lebensdauer einer gewissen Person eine bestimmte jährliche Entrichtung versprochen; so ist es ein Leibrentenvertrag.

§. 1285. Die Dauer der Leibrente kann von dem Leben des einen oder andern Theiles, oder auch eines Dritten abhängen. Sie wird im Zweifel vierteljährig vorhinein entrichtet; und nimmt in allen Fällen mit dem Leben desjenigen, auf dessen Kopf sie beruhet, ihr Ende.

§. 1286. Weder die Gläubiger, noch die Kinder desjenigen, welcher sich eine Leibrente bedingt, sind berechtiget, den Vertrag umzustoßen. Doch steht den Erstern frey, ihre Befriedigung aus den Leibrenten zu suchen; den Letztern aber, die Hinterlegung eines entbehrlichen Theiles der Rente zu fordern, um sich den ihnen nach dem Gesetze gebührenden Unterhalt darauf versichern zu lassen.

6) gesellschaftliche Versorgungsanstalten;

§. 1287. Der Vertrag, wodurch vermittelst einer Einlage ein gemeinschaftlicher Versorgungsfond für die Mitglieder, ihre Gattinnen oder Waisen errichtet wird, ist aus der Natur und dem Zwecke einer solchen Anstalt, und den darüber festgesetzten Bedingungen, zu beurtheilen.

7) Versicherungsvertrag;

§. 1288. Wenn jemand die Gefahr des Schadens, welcher einen Andern ohne dessen Verschulden treffen könnte, auf sich nimmt, und ihm gegen einen gewissen Preis den bedungenen Ersatz zu leisten verspricht; so entsteht der Versicherungsvertrag. Der Versicherer haftet dabey für den zufälligen Schaden, und der Versicherte für den versprochenen Preis.

§. 1289. Der gewöhnliche Gegenstand dieses Vertrages sind Waaren, die zu Wasser oder zu Lande verführt werden. Es können aber auch andere Sachen, z. B. Häuser und Grundstücke gegen Feuer- Wasser- und andere Gefahren versichert werden.

§. 1290. Ereignet sich der zufällige Schade, wofür die Entschädigung versichert worden ist; so muß der Versicherte, wenn kein unüberwindliches Hinderniß dazwischen kommt, oder nichts anderes verabredet worden ist, dem Versicherer, wenn sie sich im nähmlichen Orte befinden, binnen drey Tagen, sonst aber in derjenigen Zeitfrist davon Nachricht geben, welche zur Bekanntmachung der Annahme eines von einem Abwesenden gemachten Versprechens bestimmt worden ist. (§. 862). Unterläßt er die Anzeige; kann er den Unfall nicht erweisen; oder kann der Versicherer beweisen, daß der Schade aus Verschulden des Versicherten entstanden ist; so hat dieser auch keinen Anspruch auf die versicherte Summe.

§. 1291. Wenn der Untergang der Sache dem Versicherten; oder der gefahrlose Zustand derselben dem Versicherer zur Zeit des geschlossenen Vertrages schon bekannt war; so ist der Vertrag ungültig.

8) Bodmerey- und See-Assecurancen.

§. 1292. Die Bestimmungen in Rücksicht der Versicherungen zur See; so wie die Vorschriften über den Bodmerey-Vertrag sind ein Gegenstand der Seegesetze.

 

Dreyßigstes Hauptstück.

Von dem Rechte des Schadensersatzes und der Genugthuung.

Schade.

§. 1293. Schade heißt jeder Nachtheil, welcher jemanden an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Davon unterscheidet sich der Entgang des Gewinnes, den jemand nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge zu erwarten hat.

Quellen der Beschädigung.

§. 1294. Der Schade entspringt entweder aus einer widerrechtlichen Handlung, oder Unterlassung eines Andern; oder aus einem Zufalle. Die widerrechtliche Beschädigung wird entweder willkührlich, oder unwillkührlich zugefügt. Die willkührliche Beschädigung aber gründet sich theils in einer bösen Absicht, wenn der Schade mit Wissen und Willen; theils in einem Versehen, wenn er aus schuldbarer Unwissenheit, oder aus Mangel der gehörigen Aufmerksamkeit oder des gehörigen Fleißes verursacht worden ist. Beydes wird ein Verschulden genannt.

Von der Verbindlichkeit zum Schadensersatze:

1) von dem Schaden aus Verschulden;

§. 1295. Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; der Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein.

Auch wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zufügt, ist dafür verantwortlich, jedoch falls dies in Ausübung eines Rechtes geschah, nur dann, wenn die Ausübung des Rechtes offenbar den Zweck hatte, den anderen zu schädigen.

§. 1296. Im Zweifel gilt die Vermuthung, daß ein Schade ohne Verschulden eines Andern entstanden sey.

§. 1297. Es wird aber auch vermuthet, daß jeder, welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sey, welcher bey gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann. Wer bey Handlungen, woraus eine Verkürzung der Rechte eines Andern entsteht, diesen Grad des Fleißes oder der Aufmerksamkeit unterläßt, macht sich eines Versehen schuldig.

§. 1298. Wer vorgibt, daß er an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen oder gesetzlichen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden sey, dem liegt der Beweis ob.

insbesondere a) der Sachverständigen,

§. 1299. Wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerke öffentlich bekennet; oder wer ohne Noth freywillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse, oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu erkennen, daß er sich den nothwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen, Kenntnisse zutraue; er muß daher den Mangel derselben vertreten. Hat aber derjenige, welcher ihm das Geschäft überließ, die Unerfahrenheit desselben gewußt; oder, bey gewöhnlicher Aufmerksamkeit wissen können, so fällt zugleich dem Letzteren Versehen zur Last.

§. 1300. Ein Sachverständiger ist auch dann verantwortlich, wenn er gegen Belohnung in Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft aus Versehen einen nachtheiligen Rath ertheilet. Außer diesem Falle haftet ein Rathgeber nur für den Schaden, welchen er wissentlich durch Ertheilung des Rathes dem Andern verursachet hat.

oder b) mehrerer Theilnehmer.

§. 1301. Für einen widerrechtlich zugefügten Schaden können mehrere Personen verantwortlich werden, indem sie gemeinschaftlich, unmittelbarer oder mittelbarer Weise, durch Verleiten, Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen und dgl.; oder auch nur durch Unterlassung der besonderen Verbindlichkeit das Uebel zu verhindert, dazu beygetragen haben.

§. 1302. In einem solchen Falle verantwortet, wenn die Beschädigung in einem Versehen gegründet ist, und die Antheile sich bestimmen lassen, jeder nur den durch sein Versehen verursachten Schaden. Wenn aber der Schade vorsätzlich zugefügt worden ist; oder, wenn die Antheile der Einzelnen an der Beschädigung sich nicht bestimmen lassen; so haften Alle für Einen und Einer für Alle; doch bleibt demjenigen, welcher den Schaden ersetzt hat, der Rückersatz gegen die Uebrigen vorbehalten.

§. 1303. In wie weit mehrere Mitschuldner bloß aus der unterlassenen Erfüllung ihrer Verbindlichkeit zu haften haben, ist aus der Beschaffenheit des Vertrages zu beurtheilen.

§. 1304. Wenn bey einer Beschädigung zugleich ein Verschulden von Seite des Beschädigten eintritt; so trägt er mit dem Beschädiger den Schaden verhältnißmäßig; und, wenn sich das Verhältniß nicht bestimmen läßt, zu gleichen Theilen.

2) aus dem Gebrauche des Rechtes;

§. 1305. Wer von seinem Rechte innerhalb der rechtlichen Schranken (§ 1295, Absatz 2) Gebrauch macht, hat den für einen anderen daraus entspringenden Nachteil nicht zu verantworten.

3) aus einer schuldlosen oder unwillkührlichen Handlung;

§. 1306. Den Schaden, welchen jemand ohne Verschulden oder durch eine unwillkührliche Handlung verursacht hat, ist er in der Regel zu ersetzen nicht schuldig.

§. 1306a. Wenn jemand im Notstand einen Schaden verursacht, um eine unmittelbar drohende Gefahr von sich oder anderen abzuwenden, hat der Richter unter Erwägung, ob der Beschädigte die Abwehr aus Rücksicht auf die dem anderen drohende Gefahr unterlassen hat, sowie des Verhältnisses der Größe der Beschädigung zu dieser Gefahr oder endlich des Vermögens des Beschädigers und des Beschädigten zu erkennen, ob und in welchem Umfange der Schaden zu ersetzen ist.

§. 1307. Wenn sich jemand aus eigenem Verschulden in einen Zustand der Sinnesverwirrung oder in einen Notstand versetzt hat, so ist auch der in demselben verursachte Schade seinem Verschulden zuzuschreiben. Eben dieses gilt auch von einem Dritten, der durch sein Verschulden diese Lage bei dem Beschädiger veranlaßt hat.

§. 1308. Wenn Wahn- oder Blödsinnige oder Unmündige jemanden beschädigen, der durch irgendein Verschulden hierzu selbst Veranlassung gegeben hat, so kann er keinen Ersatz ansprechen.

§. 1309. Außer diesem Falle gebührt ihm der Ersatz von denjenigen Personen, denen der Schade wegen Vernachlässigung der ihnen über solche Personen anvertrauten Obsorge beygemessen werden kann.

§. 1310. Kann der Beschädigte auf solche Art den Ersatz nicht erhalten; so soll der Richter mit Erwägung des Umstandes, ob dem Beschädiger, ungeachtet er gewöhnlich seines Verstandes nicht mächtig ist, in dem bestimmten Falle nicht dennoch ein Verschulden zur Last liege; oder, ob der Beschädigte aus Schonung des Beschädigers die Vertheidigung unterlassen habe; oder endlich, mit Rücksicht auf das Vermögen des Beschädigers und des Beschädigten; auf den ganzen Ersatz oder doch einen billigen Theil desselben erkennen.

4) durch Zufall.

§. 1311. Der bloße Zufall trifft denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet. Hat aber jemand den Zufall durch ein Verschulden veranlaßt; hat er ein Gesetz, das den zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, übertreten; oder sich ohne Noth in fremde Geschäfte gemengt; so haftet er für allen Nachtheil, welcher außer dem nicht erfolgt wäre.

§. 1312. Wer in einem Nothfalle jemanden einen Dienst geleistet hat, dem wird der Schade, welchen er nicht verhütet hat, nicht zugerechnet; es wäre denn, daß er einen Andern, der noch mehr geleistet haben würde, durch seine Schuld daran verhindert hätte. Aber auch in diesem Falle kann er den sicher verschaften Nutzen gegen den verursachten Schaden in Rechnung bringen.

5) durch fremde Handlungen.

§. 1313. Für fremde, widerrechtliche Handlungen, woran jemand keinen Theil genommen hat, ist er in der Regel auch nicht verantwortlich. Selbst in den Fällen, wo die Gesetze das Gegentheil anordnen, bleibt ihm der Rückersatz gegen den Schuldtragenden vorbehalten.

§. 1313a. Wer einem andern zu einer Leistung verpflichtet ist, haftet ihm für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes.

§. 1314. Wer eine Dienstperson ohne Zeugnis aufnimmt oder wissentlich eine durch ihre Leibes- oder Gemütsbeschaffenheit gefährliche Person im Dienste behält oder ihr Aufenthalt gibt, haftet dem Hausherrn und den Hausgenossen für den Ersatz des durch die gefährliche Beschaffenheit dieser Personen verursachten Schadens.

§. 1315. Überhaupt haftet derjenige, welcher sich einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person zur Besorgung seiner Angelegenheiten bedient, für den Schaden, den sie in dieser Eigenschaft einem Dritten zufügt.

§. 1316. Gastwirte, die Fremde beherbergen, sowie die anderen in § 970 bezeichneten Personen, ferner Schiffer und Fuhrleute haften für den Schaden, welchen ihre eigenen oder die von ihnen zugewiesenen Dienstpersonen an den eingebrachten oder übernommenen Sachen einem Gast oder Reisenden in ihrem Hause, ihrer Anstalt oder ihrem Fahrzeuge verursachen.

§. 1317. In wie fern bey öffentlichen Versendungsanstalten für den Schaden eine Haftung übernommen werden, bestimmen die besondern Vorschriften.

§. 1318. Wird jemand durch das Herabfallen einer gefährlich aufgehängten oder gestellten Sache; oder, durch Herauswerfen oder Herausgießen aus einer Wohnung beschädiget; so haftet derjenige, aus dessen Wohnung geworfen oder gegossen worden, oder die Sache herabgefallen ist, für den Schaden.

6. Durch ein Bauwerk

§. 1319. Wird durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes jemand verletzt oder sonst ein Schaden verursacht, so ist der Besitzer des Gebäudes oder Werkes zum Ersatze verpflichtet, wenn die Ereignung die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, daß er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe.

7. Durch ein Tier

§. 1320. Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat. Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte.

§. 1321. Wer auf seinem Grund und Boden fremdes Vieh antrifft, ist deßwegen noch nicht berechtigt, es zu tödten. Er kann es durch anpassende Gewalt verjagen; oder, wenn er dadurch Schaden gelitten hat, das Recht der Privat-Pfändung über so viele Stücke Viehes ausüben, als zu seiner Entschädigung hinreicht. Doch muß er binnen acht Tagen sich mit dem Eigenthümer abfinden, oder seine Klage vor den Richter bringen; widrigenfalls aber das gepfändete Vieh zurückstellen.

§. 1322. Das gepfändete Vieh muß auch zurückgestellt werden, wenn der Eigenthümer eine andere angemessene Sicherheit leistet.

Arten des Schadensersatzes.

§. 1323. Um den Ersatz eines verursachten Schadens zu leisten, muß alles in den vorigen Stand zurück versetzet, oder, wenn dieses nicht thunlich ist, der Schätzungswerth vergütet werden. Betrifft der Ersatz nur den erlittenen Schaden, so wird er eigentlich eine Schadloshaltung; wofern er sich aber auch auf den entgangenen Gewinn, und die Tilgung der verursachten Beleidigung erstreckt, volle Genugthuung genannt.

§. 1324. In dem Falle eines aus böser Absicht, oder aus einer auffallenden Sorglosigkeit verursachten Schadens ist der Beschädigte volle Genugthuung; in den übrigen Fällen aber nur die eigentliche Schadloshaltung zu fordern berechtiget. Hiernach ist in den Fällen, wo im Gesetze der allgemeine Ausdruck: Ersatz, vorkommt, zu beurtheilen, welche Art des Ersatzes zu leisten sey.

Insbesondere 1) bey Verletzungen an dem Körper;

§. 1325. Wer jemanden an seinem Körper verletzt, bestreitet die Heilungskosten des Verletzten; ersetzt ihm den entgangenen, oder, wenn der Beschädigte zum Erwerb unfähig wird, auch den künftig entgehenden Verdienst; und bezahlt ihm auf Verlangen überdieß ein den erhobenen Umständen angemessenes Schmerzensgeld.

§. 1326. Ist die verletzte Person durch die Mißhandlung verunstaltet worden; so muß zumahl, wenn sie weiblichen Geschlechtes ist, in so fern auf diesen Umstand Rücksicht genommen werden, als ihr besseres Fortkommen dadurch verhindert werden kann.

§. 1327. Erfolgt aus einer körperlichen Verletzung der Tod, so müssen nicht nur alle Kosten, sondern auch den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetze zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist, ersetzt werden.

§. 1328. Wer eine Frauensperson durch eine strafbare Handlung oder sonst durch Hinterlist, Drohungen oder Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt, hat ihr den erlittenen Schaden und entgangenen Gewinn zu ersetzen.

2) an der persönlichen Freyheit;

§. 1329. Wer jemanden durch gewaltsame Entführung, durch Privatgefangennehmung oder vorsätzlich durch einen widerrechtlichen Arrest seiner Freiheit beraubt, ist verpflichtet, dem Verletzten die vorige Freiheit zu verschaffen und volle Genugtuung zu leisten. Kann er ihm die Freiheit nicht mehr verschaffen, so muß er den Hinterbliebenen, wie bei der Tötung, Ersatz leisten.

3) an der Ehre;

§. 1330. Wenn jemandem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schade oder Entgang des Gewinnes verursacht worden ist, so ist er berechtigt, den Ersatz zu fordern.

Dies gilt auch, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte. In diesem Falle kann auch der Widerruf und die Veröffentlichung desselben verlangt werden. Für eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit der Mitteilende nicht kennt, haftet er nicht, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte.

4) an dem Vermögen.

§. 1331. Wird jemand an seinem Vermögen vorsätzlich oder durch auffallende Sorglosigkeit eines andern beschädiget; so ist er auch den entgangenen Gewinn, und wenn der Schade vermittelst einer durch ein Strafgesetz verbothenen Handlung, oder aus Muthwillen und Schadenfreude verursachet worden ist, den Werth der besondern Vorliebe zu fordern berechtiget.

§. 1332. Der Schade, welcher aus einem mindern Grade des Versehens oder der Nachlässigkeit verursacht worden ist, wird nach dem gemeinen Werthe, den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte, ersetzt.

Insonderheit durch Verzögerung der Zahlung.

Verzögerungszinse.

§. 1333. Der Schade, welchen der Schuldner seinem Gläubiger durch Verzögerung der bedungenen Zahlung des schuldigen Capitals zugefügt hat, wird durch die von dem Gesetze bestimmten Zinsen vergütet. (§. 995.)

§. 1334. Eine Verzögerung fällt einem Schuldner überhaupt zur Last, wenn er den durch Gesetz oder Vertrag bestimmten Zahlungstag nicht zuhält; oder wenn er in dem Falle, daß die Zahlungszeit nicht bestimmt ist, nach dem Tage der geschehenen gerichtlichen oder außergerichtlichen Einmahnung sich nicht mit dem Gläubiger abgefunden hat.

§. 1335. Hat der Gläubiger ohne gerichtliche Einmahnung die Zinsen bis auf den Betrag der Hauptschuld steigen lassen; so erlischt das Recht, von dem Capitale weitere Zinsen zu fordern. Von dem Tage der erhobenen Klage können jedoch neuerdings Zinsen verlangt werden.

Bedingung des Vergütungsvertrages (Conventional-Strafe).

§. 1336. Die vertragschließenden Teile können eine besondere Übereinkunft treffen, daß auf den Fall des entweder gar nicht oder nicht auf gehörige Art oder zu spät erfüllten Versprechens anstatt des zu vergütenden Nachteiles ein bestimmter Geld- oder anderer Betrag entrichtet werden solle (§ 912). Der Schuldner erlangt mangels besonderer Vereinbarung nicht das Recht, sich durch Bezahlung des Vergütungsbetrages von der Erfüllung zu befreien. Wurde die Konventionalstrafe für die Nichteinhaltung der Erfüllungszeit oder des Erfüllungsortes versprochen, so kann sie neben der Erfüllung gefordert werden.

In allen Fällen ist der Vergütungsbetrag, wenn er vom Schuldner als übermäßig erwiesen wird, von dem Richter, allenfalls nach Einvernehmung von Sachverständigen, zu mäßigen.

Verbindlichkeit der Erben des Beschädigers.

§. 1337. Die Verbindlichkeit zum Ersatze des Schadens, und des entgangenen Gewinnes, oder zur Entrichtung des bedungenen Vergütungsbetrages haftet auf dem Vermögen, und geht auf die Erben über.

Rechtsmittel der Entschädigung.

§. 1338. Das Recht zum Schadensersatze muß in der Regel, wie jedes andere Privat-Recht, bey dem ordentlichen Richter angebracht werden. Hat der Beschädiger zugleich ein Strafgesetz übertreten; so trifft ihn auch die verhängte Strafe. Die Verhandlung über den Schadensersatz aber gehört auch in diesem Falle, in so fern sie nicht durch die Strafgesetze dem Strafgerichte oder der politischen Behörde aufgetragen ist, zu dem Civil-Gerichte.

§. 1339. Die körperlichen Verletzungen, die widerrechtlichen Kränkungen der Freyheit, und die Ehrenbeleidigungen, werden nach Beschaffenheit der Umstände, entweder als Verbrechen von dem Criminal-Gerichte, oder als schwere Polizey-Uebertretungen, und wenn sie zu keiner dieser Classen gehören, als Vergehungen von der politischen Obrigkeit untersucht und bestraft.

§. 1340. Diese Behörden haben in dem Falle, daß sich die Entschädigung unmittelbar bestimmen läßt, sogleich darüber nach den in diesem Hauptstücke ertheilten Vorschriften zu erkennen. Wenn aber der Ersatz des Schadens nicht unmittelbar bestimmt werden kann, ist in dem Erkenntnisse überhaupt auszudrücken, daß dem Beschädigten die Entschädigung im Wege Rechtens zu suchen vorbehalten bleibe. Dieser Weg ist auch in Criminal-Fällen dem Beschädigten, und in andern Fällen beyden Theilen dann vorbehalten, wenn sie mit der von der Strafbehörde erfolgten Bestimmung des Ersatzes sich nicht befriedigen wollten.

§. 1341. Gegen das Verschulden eines Richters beschwert man sich bey der höhern Behörde. Diese untersucht und beurtheilt die Beschwerde von Amts wegen.

 

Dritter Theil des bürgerlichen Gesetzbuches.

Von den gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte.

Erstes Hauptstück.

Von Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten.

Gemeinschaftliche Bestimmungen der Rechte.

§. 1342. Sowohl Personenrechte als Sachenrechte, und daraus entspringende Verbindlichkeiten können gleichförmig befestiget, umgeändert und aufgehoben werden.

Arten der Befestigung eines Rechtes;

§. 1343. Die rechtlichen Arten der Sicherstellung einer Verbindlichkeit und der Befestigung eines Rechtes, durch welche den Berechtigten ein neues Recht eingeräumet wird, sind: die Verpflichtung eines Dritten für den Schuldner, und die Verpfändung.

I.) durch Verpflichtung eines Dritten.

§. 1344. Ein Dritter kann sich den Gläubiger für den Schuldner auf dreyerley Art verpflichten: Ein Mahl, wenn er mit Einwilligung des Gläubigers die Schuld als Alleinzahler übernimmt; dann, wenn er der Verbindlichkeit als Mitschuldner beytritt; endlich, wenn er sich für die Befriedigung des Gläubigers auf den Fall verbindet, daß der erste Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle.

§. 1345. Wenn jemand mit Einwilligung des Gläubigers die ganze Schuld eines Andern übernimmt; so geschieht keine Befestigung, sondern eine Umänderung der Verbindlichkeit, wovon in dem folgenden Hauptstücke gehandelt wird.

a) Als Bürge;

§. 1346. Wer sich zur Befriedigung des Gläubigers auf den Fall verpflichtet, daß der erste Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle, wird ein Bürge, und das zwischen ihm und dem Gläubiger getroffene Uebereinkommen ein Bürgschaftsvertrag genannt. Hier bleibt der erste Schuldner noch immer der Hauptschuldner, und der Bürge kommt nur als Nachschuldner hinzu.

Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages ist erforderlich, daß die Verpflichtungserklärung des Bürgen schriftlich abgegeben wird.

b) Als Mitschuldner;

§. 1347. Wenn jemand, ohne die den Bürgen zu Statten kommende Bedingung, einer Verbindlichkeit als Mitschuldner beytritt; so entsteht eine Gemeinschaft mehrerer Mitschuldner, deren rechtliche Folgen nach den in dem Hauptstücke von Verträgen überhaupt gegebenen Vorschriften zu beurtheilen sind. (§§. 888-896.)

Entschädigungsbürge.

§. 1348. Wer dem Bürgen auf den Fall, daß derselbe durch seine Bürgschaft zu Schaden kommen sollte, Entschädigung zusagt, heißt Entschädigungsbürge.

Wer sich verbürgen könne.

§. 1349. Fremde Verbindlichkeiten kann ohne Unterschied des Geschlechtes jedermann auf sich nehmen, dem die freye Verwaltung seines Vermögens zusteht.

Für welche Verbindlichkeiten.

§. 1350. Eine Bürgschaft kann nicht nur über Summen und Sachen, sondern auch über erlaubte Handlungen und Unterlassungen in Beziehung auf den Vortheil oder Nachtheil, welcher aus denselben für den Sichergestellten entstehen kann, geleistet werden.

§. 1351. Verbindlichkeiten, welche nie zu Recht bestanden haben, oder schon aufgehoben sind, können weder übernommen, noch bekräftiget werden.

§. 1352. Wer sich für eine Person verbürgt, die sich vermöge ihrer persönlichen Eigenschaft nicht verbinden kann, ist, obschon ihm diese Eigenschaft unbekannt war, gleich einem ungetheilten Mitschuldner verpflichtet. (§. 896.)

Umfang der Bürgschaft.

§. 1353. Die Bürgschaft kann nicht weiter ausgedehnt werden, als sich der Bürge ausdrücklich erkläret hat. Wer sich für ein zinsbares Capital verbürget, haftet nur für jene rückständigen Zinsen, welche der Gläubiger noch nicht einzutreiben berechtiget war.

§. 1354. Von der Einwendung, wodurch ein Schuldner nach Vorschrift der Gesetze die Beybehaltung eines Theiles seines Vermögens zu seinem Unterhalte zu fordern berechtiget ist, kann der Bürge nicht Gebrauch machen.

Wirkung.

§. 1355. Der Bürge kann in der Regel erst dann belanget werden, wenn der Hauptschuldner auf des Gläubigers gerichtliche oder außergerichtliche Einmahnung seine Verbindlichkeit nicht erfüllet hat.

§. 1356. Der Bürge kann aber, selbst wenn er sich ausdrücklich nur für den Fall verbürget hat, daß der Hauptschuldner zu zahlen unvermögend sey, zuerst belanget werden, wenn der Hauptschuldner in Concurs verfallen, oder wenn er zur Zeit, als die Zahlung geleistet werden sollte, unbekannten Aufenthaltes, und der Gläubiger keiner Nachlässigkeit zu beschuldigen ist.

§. 1357. Wer sich als Bürge und Zahler verpflichtet hat, haftet als ungetheilter Mitschuldner für die ganze Schuld; es hängt von der Willkühr des Gläubigers ab, ob er zuerst den Hauptschuldner, oder den Bürgen, oder beyde zugleich belangen wolle. (§. 891.)

§. 1358. Wer eine fremde Schuld bezahlt, für die er persönlich oder mit bestimmten Vermögensstücken haftet, tritt in die Rechte des Gläubigers und ist befugt, von dem Schuldner den Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern. Zu diesem Ende ist der befriedigte Gläubiger verbunden, dem Zahler alle vorhandenen Rechtsbehelfe und Sicherungsmittel auszuliefern.

§. 1359. Haben für den nähmlichen ganzen Betrag mehrere Personen Bürgschaft geleistet; so haftet jede für den ganzen Betrag. Hat aber Eine von ihnen die ganze Schuld abgetragen; so gebührt ihr gleich dem Mitschuldner (§. 896.) das Recht des Rückersatzes gegen die übrigen.

§. 1360. Wenn dem Gläubiger vor, oder bey Leistung der Bürgschaft noch außer derselben von dem Hauptschuldner, oder einem Dritten ein Pfand gegeben wird; so steht ihm zwar noch immer frey, den Bürgen der Ordnung nach (§. 1355.) zu belangen; aber er ist nicht befugt, zu dessen Nachtheil sich des Pfandes zu begeben.

§. 1361. Hat der Bürge oder Zahler den Gläubiger befriediget, ohne sich mit dem Hauptschuldner einzuverstehen; so kann dieser Alles gegen jene einwenden, was er gegen den Gläubiger hätte einwenden können.

§. 1362. Der Bürge kann von dem Entschädigungsbürgen nur dann Entschädigung verlangen, wenn er sich den Schaden nicht durch sein eigenes Verschulden zugezogen hat.

Arten der Erlöschung der Bürgschaft.

§. 1363. Die Verbindlichkeit des Bürgen hört verhältnißmäßig mit der Verbindlichkeit des Schuldners auf. Hat sich der Bürge nur auf eine gewisse Zeit verpflichtet; so haftet er nur für diesen Zeitraum. Die Entlassung eines Mitbürgen kommt diesem zwar gegen den Gläubiger; aber nicht gegen die übrigen Mitbürgen zu Statten. (§. 896).

§. 1364. Durch den Verlauf der Zeit, binnen welcher der Schuldner hätte zahlen sollen, wird der Bürge, wenn auch der Gläubiger auf die Befriedigung nicht gedrungen hat, noch nicht von seiner Bürgschaft befreyt; allein er ist befugt, von dem Schuldner, wenn er mit dessen Einwilligung Bürgschaft geleistet hat, zu verlangen, daß er ihm Sicherheit verschaffe. Auch der Gläubiger ist dem Bürgen in so weit verantwortlich, als dieser wegen dessen Saumseligkeit in Eintreibung der Schuld an Erhohlung des Ersatzes zu Schaden kommt.

§. 1365. Wenn gegen den Schuldner ein gegründetes Besorgniß der Zahlungsunfähigkeit oder der Entfernung aus den Erbländern, für welche dieses Gesetzbuch vorgeschrieben ist, eintritt; so steht dem Bürgen das Recht zu, von dem Schuldner die Sicherstellung der verbürgten Schuld zu verlangen.

§. 1366. Wenn das verbürgte Geschäft beendiget ist; so kann die Abrechnung, und die Aufhebung der Bürgschaft gefordert werden.

§. 1367. Ist der Bürgschaftsvertrag weder durch eine Hypothek, noch durch ein Faustpfand befestiget; so erlischt er binnen drey Jahren nach dem Tode des Bürgen, wenn der Gläubiger in der Zwischenzeit unterlassen hat, von dem Erben die verfallene Schuld gerichtlich oder außergerichtlich einzumahnen.

II.) Durch Pfandvertrag.

§. 1368. Pfandvertrag heißt derjenige Vertrag, wodurch der Schuldner, oder ein Anderer anstatt seiner auf eine Sache dem Gläubiger das Pfandrecht wirklich einräumet, folglich ihm das bewegliche Pfandstück übergibt, oder das unbewegliche durch die Pfandbücher verschreibt. Der Vertrag, ein Pfand übergeben zu wollen, ist noch kein Pfandvertrag.

Wirkung des Pfandvertrages.

§. 1369. Was bey Verträgen überhaupt Rechtens ist, gilt auch bey dem Pfandvertrage; er ist zweyseitig verbindlich. Der Pfandnehmer muß das Handpfand wohl verwahren und es dem Verpfänder, so bald dieser die Befriedigung leistet, zurück geben. Betrifft es eine Hypothek; so muß der befriedigte Gläubiger den Verpfänder in den Stand setzen, die Löschung der Verbindlichkeit aus den Hypotheken-Büchern bewirken zu können. Die mit dem Pfandbesitze verknüpften Rechte und Verbindlichkeiten des Pfandgebers und Pfandnehmers sind im sechsten Hauptstücke des zweyten Theiles bestimmt worden.

§. 1370. Der Handpfandnehmer ist verbunden, dem Pfandgeber einen Pfandschein auszustellen, und darin die unterscheidenden Kennzeichen des Pfandes zu beschreiben. Auch können die wesentlichen Bedingungen des Pfandvertrages in dem Pfandscheine angeführet werden.

Unerlaubte Bedingungen.

§. 1371. Alle der Natur des Pfand- und Darleihensvertrages entgegen stehende Bedingungen und Nebenverträge sind ungültig. Dahin gehören die Verabredungen: daß nach der Verfallzeit der Schuldforderung das Pfandstück dem Gläubiger zufalle; daß er es nach Willkühr, oder in einem schon im voraus bestimmten Preise veräußern, oder für sich behalten könne; daß der Schuldner das Pfand niemahls einlösen, oder ein liegendes Gut keinem Andern verschreiben, oder daß der Gläubiger nach der Verfallzeit die Veräußerung des Pfandes nicht verlangen dürfe.

§. 1372. Der Nebenvertrag, daß dem Gläubiger die Fruchtnießung der verpfändeten Sache zustehen solle, ist ohne rechtliche Wirkung. Ist dem Gläubiger der bloße Gebrauch eines beweglichen Pfandstückes eingeräumt worden (§. 459.), so muß diese Benützung auf eine dem Schuldner unschädliche Art geschehen.

Auf welche Art in der Regel Sicherstellung zu leisten ist.

§. 1373. Wer verbunden ist, eine Sicherstellung zu leisten, muß diese Verbindlichkeit durch ein Handpfand, oder durch eine Hypothek erfüllen. Nur in dem Falle, daß er ein Pfand zu geben außer Stande ist, werden taugliche Bürgen angenommen.

§. 1374. Niemand ist schuldig eine Sache, die zur Sicherstellung dienen soll, in einem höheren, als dem, bey Häusern auf die Hälfte, bey Grundstücken aber, und bey beweglichen Gütern auf zwey Drittheile der Schätzung bestimmten, Werthe zum Pfande anzunehmen. Wer ein angemessenes Vermögen besitzt, und in der Provinz belangt werden kann, ist ein tauglicher Bürge.

 

Zweytes Hauptstück.

Von Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten.

Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten;

§. 1375. Es hängt von dem Willen des Gläubigers und des Schuldners ab, ihre gegenseitigen willkührlichen Rechte und Verbindlichkeiten umzuändern. Die Umänderung kann ohne, oder mit Hinzukunft einer dritten Person, und zwar entweder eines neuen Gläubigers, oder eines neuen Schuldners geschehen.

1) durch Novation;

§. 1376. Die Umänderung ohne Hinzukunft einer dritten Person findet Statt, wenn der Rechtsgrund, oder wenn der Hauptgegenstand einer Forderung verwechselt wird, folglich die alte Verbindlichkeit in eine neue übergeht.

§. 1377. Eine solche Umänderung heißt Neuerungsvertrag (Novation). Vermöge dieses Vertrages hört die vorige Hauptverbindlichkeit auf, und die neue nimmt zugleich ihren Anfang.

§. 1378. Die mit der vorigen Hauptverbindlichkeit verknüpften Bürgschafts- Pfand- und anderen Rechte erlöschen durch den Neuerungsvertrag, wenn die Theilnehmer nicht durch ein besonderes Einverständniß hierüber etwas Anderes festgesetzt haben.

§. 1379. Die näheren Bestimmungen, wo, wann und wie eine schon vorhandene Verbindlichkeit erfüllet werden soll, und andere Nebenbestimmungen, wodurch in Rücksicht auf den Hauptgegenstand oder Rechtsgrund keine Umänderung geschieht, sind eben so wenig als ein Neuerungsvertrag anzusehen, als die bloße Ausstellung eines neuen Schuldscheines, oder einer andern dahin gehörigen Urkunde. Auch kann eine solche Abänderung in den Nebenbestimmungen einem Dritten, welcher derselben nicht beygezogen worden ist, keine neue Last auflegen. Im Zweifel wird die alte Verbindlichkeit nicht für aufgelöst gehalten, so lange sie mit der neuen noch wohl bestehen kann.

2) Vergleich.

§. 1380. Ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige, oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, daß jede Partey sich wechselseitig etwas zu geben, zu thun, oder zu unterlassen verbindet, heißt Vergleich. Der Vergleich gehört zu den zweyseitigen verbindlichen Verträgen, und wird nach eben denselben Grundsätzen beurtheilet.

§. 1381. Wer dem Verpflichteten mit dessen Einwilligung ein unstreitiges oder zweifelhaftes Recht unentgeldlich erläßt, macht eine Schenkung (§. 939).

Ungültigkeit eines Vergleiches in Rücksicht des Gegenstandes;

§. 1382. Es gibt zweifelhafte Fälle, welche durch einen Vergleich nicht beygelegt werden dürfen. Dahin gehört der zwischen Eheleuten über die Gültigkeit ihrer Ehe entstandene Streit. Diesen kann nur der durch das Gesetz bestimmte Gerichtsstand entscheiden.

§. 1383. Ueber den Inhalt einer letzten Anordnung kann vor deren Bekanntmachung kein Vergleich errichtet werden. Die hierüber entstandene Wette wird nach den Grundsätzen von Glücksverträgen beurtheilt.

§. 1384. Vergleiche über Gesetzübertretungen sind nur in Hinsicht auf die Privat-Genugthuung gültig; die gesetzmäßige Untersuchung und Bestrafung kann dadurch bloß dann abgewendet werden, wenn die Uebertretungen von der Art sind, daß die Behörde nur auf Verlangen der Parteyen ihr Amt zu handeln angewiesen ist.

oder anderer Mängel.

§. 1385. Ein Irrthum kann den Vergleich nur in so weit ungültig machen, als er die Wesenheit der Person, oder des Gegenstandes betrifft.

§. 1386. Aus dem Grunde einer Verletzung über die Hälfte kann ein redlich errichteter Vergleich nicht angefochten werden.

§. 1387. Eben so wenig können neu gefundene Urkunden, wenn sie auch den gänzlichen Mangel eines Rechtes auf Seite einer Partey entdeckten, einen redlich eingegangenen Vergleich entkräften.

§. 1388. Ein offenbarer Rechnungsverstoß, oder ein Fehler, welcher bey dem Abschlusse eines Vergleiches in dem Summiren oder Abziehen begangen wird, schadet keinem der vertragmachenden Theile.

Umfang des Vergleiches.

§. 1389. Ein Vergleich, welcher über eine besondere Streitigkeit geschlossen worden ist, erstreckt sich nicht auf andere Fälle. Selbst allgemeine, auf alle Streitigkeiten überhaupt lautende Vergleiche sind auf solche Rechte nicht anwendbar, die geflissentlich verheimlichet worden sind, oder auf welche die sich vergleichenden Parteyen nicht denken konnten.

Wirkung in Rücksicht der Nebenverbindlichkeiten.

§. 1390. Bürgen und Pfänder, welche zur Sicherheit des ganzen noch streitigen Rechtes gegeben worden sind, haften auch für den Theil, der durch den Vergleich bestimmt worden ist. Doch bleiben dem Bürgen und einem dritten Verpfänder, welche dem Vergleiche nicht beygestimmt haben, alle Einwendungen gegen den Gläubiger vorbehalten, welche ohne geschlossenen Vergleich der Forderung hätten entgegengesetzt werden können.

§. 1391. Der Vertrag, wodurch Parteyen zur Entscheidung streitiger Rechte einen Schiedsrichter bestellen, erhält seine Bestimmung in der Gerichtsordnung.

3) Cession.

§. 1392. Wenn eine Forderung von einer Person an die andere übertragen, und von dieser angenommen wird; so entsteht die Umänderung des Rechtes mit Hinzukunft eines neuen Gläubigers. Eine solche Handlung heißt Abtretung (Cession), und kann mit, oder ohne Entgeld geschlossen werden.

Gegenstände der Cession.

§. 1393. Alle veräußerliche Rechte sind ein Gegenstand der Abtretung. Rechte, die der Person ankleben, folglich mit ihr erlöschen, können nicht abgetreten werden. Schuldscheine, die auf den Ueberbringer lauten, werden schon durch Uebergabe abgetreten, und bedürfen nebst dem Besitze keines andern Beweises der Abtretung.

Wirkung.

§. 1394. Die Rechte des Uebernehmers sind mit den Rechten des Ueberträgers in Rücksicht auf die überlassene Forderung eben dieselben.

§. 1395. Durch den Abtretungsvertrag entsteht nur zwischen dem Ueberträger (Cedent) und dem Uebernehmer der Forderung (Cessionar); nicht aber zwischen dem Letzten und dem übernommenen Schuldner (Cessus) eine neue Verbindlichkeit. Daher ist der Schuldner, so lange ihm der Uebernehmer nicht bekannt wird, berechtiget, den ersten Gläubiger zu bezahlen, oder sich sonst mit ihm abzufinden.

§. 1396. Dieses kann der Schuldner nicht mehr, so bald ihm der Uebernehmer bekannt gemacht worden ist; allein es bleibt ihm das Recht, seine Einwendungen gegen die Forderung anzubringen. Hat er die Forderung gegen den redlichen Uebernehmer für richtig erkannt; so ist er verbunden, denselben als seinen Gläubiger zu befriedigen.

Haftung des Cedenten.

§. 1397. Wer eine Forderung ohne Entgeld abtritt, also verschenkt, haftet nicht weiter für dieselbe. Kommt aber die Abtretung auf eine entgeldliche Art zu Stande; so haftet der Ueberträger dem Uebernehmer sowohl für die Richtigkeit, als für die Einbringlichkeit der Forderung, jedoch nie für mehr, als er von dem Uebernehmer erhalten hat.

§. 1398. In so fern der Uebernehmer über die Einbringlichkeit der Forderung aus den öffentlichen Pfandbüchern sich belehren konnte, gebührt ihm in Rücksicht der Uneinbringlichkeit keine Entschädigung. Auch für eine zur Zeit der Abtretung einbringliche, und durch einen bloßen Zufall oder durch Versehen des Uebernehmers uneinbringlich gewordene Forderung haftet der Ueberträger nicht.

§. 1399. Ein Versehen dieser Art begeht der Uebernehmer, wenn er die Forderung zur Zeit, als sie aufgekündiget werden kann, nicht aufkündiget, oder nach verfallener Zahlungsfrist nicht eintreibt; wenn er dem Schuldner nachsieht; wenn er die noch mögliche Sicherheit zu rechter Zeit sich zu verschaffen versäumt, oder die gerichtliche Execution zu betreiben unterläßt.

4) Anweisung (Assignation).

§. 1400. Durch die Anweisung auf eine Leistung eines Dritten wird der Empfänger der Anweisung (Assignatar) zur Einhebung der Leistung bei dem Angewiesenen (Assignat) und der letztere zur Leistung an ersteren für Rechnung des Anweisenden (Assignant) ermächtigt. Einen unmittelbaren Anspruch erlangt der Anweisungsempfänger gegen den Angewiesenen erst, wenn die Erklärung des Angewiesenen über die Annahme der Anweisung ihm zugekommen ist.

§. 1401. Insoweit der Angewiesene das zu Leistende dem Anweisenden bereits schuldet, ist er diesem gegenüber verpflichtet, der Anweisung Folge zu leisten. Wenn durch die Anweisung eine Schuld des Anweisenden bei dem Empfänger, der die Anweisung angenommen hat, getilgt werden soll, ist der Empfänger verpflichtet, den Angewiesenen zur Leistung aufzufordern.

Will der Empfänger von der Anweisung keinen Gebrauch machen oder verweigert der Angewiesene die Annahme oder die Leistung, so hat der Empfänger dies dem Anweisenden ohne Verzug anzuzeigen.

Die Tilgung der Schuld erfolgt, wenn nichts anderes vereinbart ist, erst durch die Leistung.

§. 1402. Hat der Angewiesene die Anweisung dem Empfänger gegenüber angenommen, so kann er diesem nur solche Einwendungen entgegensetzen, welche die Gültigkeit der Annahme betreffen oder sich aus dem Inhalte der Anweisung oder aus seinen persönlichen Beziehungen zum Empfänger ergeben.

§. 1403. Solange der Angewiesene die Anweisung noch nicht dem Empfänger gegenüber angenommen hat, kann sie der Anweisende widerrufen. Besteht zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen kein anderer Rechtsgrund, so gelten für das Rechtsverhältnis zwischen beiden die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag; die Anweisung erlischt jedoch nicht durch den Tod des Anweisenden oder Angewiesenen. Inwiefern die Aufhebung der Anweisung auch gegenüber dem Empfänger rechtswirksam ist, bestimmt sich nach dem zwischen diesem und dem Anweisenden obwaltenden Rechtsverhältnis.

Der Anspruch des Empfängers gegen den Angewiesenen verjährt in drei Jahren.

5. Schuldübernahme

§. 1404. Wer einem Schuldner verspricht, die Leistung an dessen Gläubiger zu bewirken (Erfüllungsübernahme), haftet dem Schuldner dafür, daß der Gläubiger ihn nicht in Anspruch nehme. Dem Gläubiger erwächst daraus unmittelbar kein Recht.

§. 1405. Wer einem Schuldner erklärt, seine Schuld zu übernehmen (Schuldübernahme), tritt als Schuldner an dessen Stelle, wenn der Gläubiger einwilligt. Bis diese Einwilligung erfolgt oder falls sie verweigert wird, haftet er wie bei Erfüllungsübernahme (§ 1404). Die Einwilligung des Gläubigers kann entweder dem Schuldner oder dem Übernehmer erklärt werden.

§. 1406. Auch ohne Vereinbarung mit dem Schuldner kann ein Dritter durch Vertrag mit dem Gläubiger die Schuld übernehmen.

Im Zweifel ist aber die dem Gläubiger erklärte Übernahme als Haftung neben dem bisherigen Schuldner, nicht an dessen Stelle zu verstehen.

§. 1407. Die Verbindlichkeiten des Übernehmers sind mit den Verbindlichkeiten des bisherigen Schuldners in Rücksicht auf die übernommene Schuld ebendieselben. Der Übernehmer kann dem Gläubiger die aus dem Rechtsverhältnis zwischen diesem und dem bisherigen Schuldner entspringenden Einwendungen entgegensetzen.

Die Nebenrechte der Forderung werden durch den Schuldnerwechsel nicht berührt. Bürgen und von dritten Personen bestellte Pfänder haften jedoch nur dann fort, wenn der Bürge oder Verpfänder dem Schuldnerwechsel zugestimmt hat.

§. 1408. Übernimmt bei Veräußerung einer Liegenschaft der Erwerber ein auf ihr haftendes Pfandrecht, so ist dies im Zweifel als Schuldübernahme zu verstehen. Der Veräußerer kann, nach vollzogener Übertragung des Eigentums, den Gläubiger zur Annahme des neuen Schuldners an seiner Stelle schriftlich mit der Wirkung auffordern, daß die Einwilligung als erteilt gilt, wenn sie nicht binnen sechs Monaten versagt wird. Auf diese Wirkung muß in der Aufforderung ausdrücklich hingewiesen sein.

§. 1409. Übernimmt jemand ein Vermögen oder ein Unternehmen, so ist er unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußerers den Gläubigern aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen mußte, unmittelbar verpflichtet. Er wird aber von der Haftung insoweit frei, als er an solchen Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt.

Entgegenstehende Vereinbarungen zwischen Veräußerer und Übernehmer zum Nachteile der Gläubiger sind diesen gegenüber unwirksam.

§. 1410. Wird der Eintritt des neuen Schuldners an Stelle des bisherigen Schuldners in der Weise verabredet, daß an die Stelle des aufgehobenen Schuldverhältnisses eine Verpflichtung des neuen Schuldners aus selbständigem Rechtsgrunde oder unter Änderung des Hauptgegenstandes der Forderung gesetzt wird, so treten nicht die Wirkungen der Schuldübernahme, sondern eines Neuerungsvertrages (§§ 1377, 1378) ein.

 

Drittes Hauptstück.

Von Aufhebung der Rechte und Verbindlichkeiten.

Aufhebung der Rechte u. Verbindlichkeiten.

§. 1411. Rechte und Verbindlichkeiten stehen in einem solchen Zusammenhange, daß mit Erlöschung des Rechtes die Verbindlichkeit, und mit Erlöschen der letzteren das Recht aufgehoben wird.

1.) Durch die Zahlung.

§. 1412. Die Verbindlichkeit wird vorzüglich durch die Zahlung, das ist, durch die Leistung dessen, was man zu leisten schuldig ist, aufgelöset (§. 469).

Wie die Zahlung zu leisten.

§. 1413. Gegen seinen Willen kann weder der Gläubiger gezwungen werden, etwas anderes anzunehmen, als er zu fordern hat, noch der Schuldner, etwas anderes zu leisten, als er zu leisten verbunden ist. Dieses gilt auch von der Zeit, dem Orte und der Art, die Verbindlichkeit zu erfüllen.

§. 1414. Wird, weil der Gläubiger und der Schuldner einverstanden sind, oder weil die Zahlung selbst unmöglich ist, etwas Anderes an Zahlungs-Statt gegeben; so ist die Handlung als ein entgeldliches Geschäft zu betrachten.

§. 1415. Der Gläubiger ist nicht schuldig, die Zahlung einer Schuldpost theilweise, oder auf Abschlag anzunehmen. Sind aber verschiedene Posten zu zahlen; so wird diejenige für abgetragen gehalten, welche der Schuldner, mit Einwilligung des Gläubigers tilgen zu wollen, sich ausdrücklich erkläret hat.

§. 1416. Wird die Willensmeinung des Schuldners bezweifelt, oder von dem Gläubiger widersprochen; so sollen zuerst die Zinsen, dann das Capital, von mehreren Capitalien aber dasjenige, welches schon eingefordert, oder wenigstens fällig ist, und nach diesem dasjenige, welches schuldig zu bleiben dem Schuldner am meisten beschwerlich fällt, abgerechnet werden.

wann;

§. 1417. Wenn die Zahlungsfrist auf keine Art bestimmt ist; so tritt die Verbindlichkeit, die Schuld zu zahlen, erst mit dem Tage ein, an welchem die Einmahnung geschehen ist. (§. 904.)

§. 1418. In gewissen Fällen wird die Zahlungsfrist durch die Natur der Sache bestimmt. Alimente werden wenigstens auf einen Monath voraus bezahlt. Stirbt der Verpflegte während dieser Zeit; so sind dessen Erben nicht schuldig, etwas von der Vorausbezahlung zurück zu geben.

§. 1419. Hat der Gläubiger gezögert, die Zahlung anzunehmen; so fallen die widrigen Folgen auf ihn.

§. 1420. Wenn der Ort und die Art der Leistung nicht bestimmt sind, so müssen die oben (§ 905) aufgestellten Vorschriften angewendet werden.

von wem;

§. 1421. Auch eine Person, die sonst unfähig ist, ihr Vermögen zu verwalten, kann eine richtige und verfallene Schuld rechtmäßig abtragen, und sich ihrer Verbindlichkeit entledigen. Hätte sie aber eine noch ungewisse, oder nicht verfallene Schuld abgetragen; so ist ihr Vormund oder Curator berechtiget, das Bezahlte zurück zu fordern.

§. 1422. Wer die Schuld eines anderen, für die er nicht haftet (§ 1358), bezahlt, kann vor oder bei der Zahlung vom Gläubiger die Abtretung seiner Rechte verlangen; hat er dies getan, so wirkt die Zahlung als Einlösung der Forderung.

§. 1423. Wird die Einlösung mit Einverständnis des Schuldners angeboten, so muß der Gläubiger die Zahlung annehmen; doch hat er außer dem Falle des Betruges für die Einbringlichkeit und die Richtigkeit der Forderung nicht zu haften. Ohne Einwilligung des Schuldners kann dem Gläubiger von einem Dritten in der Regel (§ 462) die Zahlung nicht aufgedrängt werden.

an wen;

§. 1424. Der Schuldbetrag muß dem Gläubiger oder dessen zum Empfange geeigneten Machthaber, oder demjenigen geleistet werden, den das Gericht als Eigenthümer der Forderung anerkannt hat. Was jemand an eine Person bezahlt hat, die ihr Vermögen nicht selbst verwalten darf, ist er in so weit wieder zu zahlen verbunden, als das Bezahlte nicht wirklich vorhanden, oder zum Nutzen des Empfängers verwendet worden ist.

Gerichtliche Hinterlegung der Schuld.

§. 1425. Kann eine Schuld aus dem Grunde, weil der Gläubiger unbekannt, abwesend, oder mit dem Angebothenen unzufrieden ist, oder aus andern wichtigen Gründen nicht bezahlt werden; so steht dem Schuldner bevor, die abzutragende Sache bey dem Gerichte zu hinterlegen; oder, wenn sie dazu nicht geeignet ist, die gerichtliche Einleitung zu deren Verwahrung anzusuchen. Jede dieser Handlungen, wenn sie rechtmäßig geschehen und dem Gläubiger bekannt gemacht worden ist, befreyt den Schuldner von seiner Verbindlichkeit, und wälzt die Gefahr der geleisteten Sache auf den Gläubiger.

Quittungen;

§. 1426. (Der Zahler ist in allen Fällen berechtiget, von dem Befriedigten eine Quittung, nähmlich ein schriftliches Zeugniß der erfüllten Verbindlichkeit, zu verlangen. In der Quittung muß der Nahme des Schuldners und des Gläubigers, so wie der Ort, die Zeit und der Gegenstand der getilgten Schuld ausgedrückt, und sie muß von dem Gläubiger, oder dessen Machthaber unterschrieben werden.) Die Kosten der Quittung hat, wenn nichts anderes vereinbart ist, der Gläubiger zu tragen.

§. 1427. Eine Quittung über das bezahlte Capital gründet die Vermuthung, daß auch die Zinsen davon bezahlt worden seyn.

§. 1428. Besitzt der Gläubiger von dem Schuldner einen Schuldschein; so ist er nebst Ausstellung einer Quittung verbunden, denselben zurück zu geben, oder die allenfalls geleistete Abschlagszahlung auf dem Schuldschein selbst abschreiben zu lassen. Der zurück erhaltene Schuldschein ohne Quittung gründet für den Schuldner die rechtliche Vermuthung der geleisteten Zahlung; er schließt aber den Gegenbeweis nicht aus. Ist der Schuldschein, welcher zurück gegeben werden soll, in Verlust gerathen; so ist der Zahlende berechtiget, Sicherstellung zu fordern, oder den Betrag gerichtlich zu hinterlegen, und zu verlangen, daß der Gläubiger die Tödtung des Schuldscheines der Gerichtsordnung gemäß bewirke.

§. 1429. Eine Quittung, die der Gläubiger dem Schuldner für eine abgetragene neuere Schuldpost ausgestellt hat, beweiset zwar nicht, daß auch andere ältere Posten abgetragen worden seyn: wenn es aber gewisse Gefälle, Renten, oder solche Zahlungen betrifft, welche, wie Geld- Grund- Haus- oder Capitals-Zinsen, aus eben demselben Titel und zu einer gewissen Zeit geleistet werden sollen; so wird vermuthet, daß derjenige, welcher sich mit der Quittung des letzt verfallenen Termines ausweiset, auch die früher verfallenen berichtiget habe.

§. 1430. Eben so wird von Handels- und Gewerbsleuten, welche mit ihren Abnehmern (Kunden) zu gewissen Fristen die Rechnung abzuschließen pflegen, vermuthet; daß ihnen, wenn sie über die Rechnung aus einer späteren Frist quittirt haben, auch die früheren Rechnungen bezahlt seyn.

Zahlung einer Nichtschuld.

§. 1431. Wenn jemand aus einem Irrthume, wäre es auch ein Rechtsirrthum, eine Sache oder eine Handlung geleistet worden, wozu er gegen den Leistenden kein Recht hat; so kann in der Regel im ersten Falle die Sache zurückgefordert, im zweyten aber ein dem verschafften Nutzen angemessener Lohn verlangt werden.

§. 1432. Doch können Zahlungen einer verjährten, oder einer solchen Schuld, welche nur aus Mangel der Förmlichkeiten ungültig ist, oder zu deren Eintreibung das Gesetz bloß das Klagerecht versagt, eben so wenig zurückgefordert werden, als wenn jemand eine Zahlung leistet, von der er weiß, daß er sie nicht schuldig ist.

§. 1433. Diese Vorschrift (§. 1432) kann aber auf den Fall, in welchem ein Pflegebefohlener, oder eine andere Person bezahlt hat, welche nicht frey über ihr Eigenthum verfügen kann, nicht angewendet werden.

§. 1434. Die Zurückstellung des Bezahlten kann auch dann begehret werden, wenn die Schuldforderung auf was immer für eine Art noch ungewiß ist; oder wenn sie noch von der Erfüllung einer beygesetzten Bedingung abhängt. Die Bezahlung einer richtigen und unbedingten Schuld kann aber deßwegen nicht zurückgefordert werden, weil die Zahlungsfrist noch nicht verfallen ist.

§. 1435. Auch Sachen, die als eine wahre Schuldigkeit gegeben worden sind, kann der Geber von dem Empfänger zurück fordern, wenn der rechtliche Grund, sie zu behalten, aufgehört hat.

§. 1436. War jemand verbunden, aus zwey Sachen nur Eine nach seiner Willkühr zu geben, und hat er aus Irrthum beyde gegeben; so hängt es von ihm ab, die eine, oder die andere zurück zu fordern.

§. 1437. Der Empfänger einer bezahlten Nichtschuld wird als ein redlicher oder unredlicher Besitzer angesehen, je nachdem er den Irrthum des Gebers gewußt hat, oder aus den Umständen vermuthen mußte, oder nicht.

2) Compensation.

§. 1438. Wenn Forderungen gegenseitig zusammentreffen, die richtig, gleichartig, und so beschaffen sind, daß eine Sache, die dem Einen als Gläubiger gebührt, von diesem auch als Schuldner dem Andern entrichtet werden kann; so entsteht, in so weit die Forderungen sich gegen einander ausgleichen, eine gegenseitige Aufhebung der Verbindlichkeit (Compensation), welche schon für sich die gegenseitige Zahlung bewirket.

§. 1439. Zwischen einer richtigen und nicht richtigen, so wie zwischen einer fälligen und noch nicht fälligen Forderung findet die Compensation nicht Statt. In wie fern gegen eine Concurs-Masse die Compensation Statt finde, wird in der Gerichtsordnung bestimmt.

§. 1440. Ebenso lassen sich Forderungen, welche ungleichartige oder bestimmte und unbestimmte Sachen zum Gegenstande haben, gegeneinander nicht aufheben. Eigenmächtig oder listig entzogene, entlehnte, in Verwahrung oder in Bestand genommene Stücke sind überhaupt kein Gegenstand der Zurückbehaltung oder der Kompensation.

§. 1441. Ein Schuldner kann seinem Gläubiger dasjenige nicht in Aufrechnung bringen, was dieser einem Dritten und der Dritte dem Schuldner zu zahlen hat. Selbst eine Summe, die jemand an eine Staats-Casse zu fordern hat, kann gegen eine Zahlung, die er an eine andere Staats-Casse leisten muß, nicht abgerechnet werden.

§. 1442. Wenn eine Forderung allmählich auf mehrere übertragen wird; so kann der Schuldner zwar die Forderung, welche er zur Zeit der Abtretung an den ersten Inhaber derselben hatte, so wie auch jene, die ihm gegen den letzten Inhaber zusteht, in Abrechnung bringen; nicht aber auch diejenige, welche ihm an einen der Zwischeninhaber zustand.

§. 1443. Gegen eine den öffentlichen Büchern einverleibte Forderung kann die Einwendung der Compensation einem Cessionar nur dann entgegengesetzt werden, wenn die Gegenforderung ebenfalls und zwar bey der Forderung selbst eingetragen, oder dem Cessionar bey Uebernehmung der letztern bekannt gemacht worden ist.

3.) Entsagung.

§. 1444. In allen Fällen, in welchen der Gläubiger berechtiget ist, sich seines Rechtes zu begeben, kann er demselben auch zum Vortheile seines Schuldners entsagen, und hierdurch die Verbindlichkeit des Schuldners aufheben.

4) Vereinigung.

§. 1445. So oft auf was immer für eine Art das Recht mit der Verbindlichkeit in Einer Person vereinigt wird, erlöschen beyde; außer, wenn es dem Gläubiger noch frey steht, eine Absonderung seiner Rechte zu verlangen (§§. 802 und 812), oder wenn Verhältnisse von ganz verschiedener Art eintreten. Daher wird durch die Nachfolge des Schuldners in die Verlassenschaft seines Gläubigers in den Rechten der Erbschaftsgläubiger, der Miterben oder Legatare, und durch die Beerbung des Schuldners und Bürgen in den Rechten des Gläubigers nichts geändert.

§. 1446. Rechte und Verbindlichkeiten, welche den öffentlichen Büchern einverleibt sind, werden durch die Vereinigung nicht aufgehoben, bis die Löschung aus den öffentlichen Büchern erfolgt ist (§ 526). Bis dahin kann das eingetragene Pfandrecht vom Eigentümer oder im Wege der Zwangsvollstreckung auf einen Dritten übertragen werden (§§ 469 bis 470).

5.) Untergang der Sache.

§1447. Der zufällige gänzliche Untergang einer bestimmten Sache hebt alle Verbindlichkeit, selbst die, den Werth derselben zu vergüten, auf. Dieser Grundsatz gilt auch für diejenigen Fälle, in welchen die Erfüllung der Verbindlichkeit, oder die Zahlung einer Schuld durch einen andern Zufall unmöglich wird. In jedem Falle muß aber der Schuldner das, was er um die Verbindlichkeit in Erfüllung zu bringen erhalten hat, zwar gleich einem redlichen Besitzer, jedoch auf solche Art zurückstellen oder vergüten, daß er aus dem Schaden des Andern keinen Gewinn zieht.

6.) Tod.

§. 1448. Durch den Tod erlöschen nur solche Rechte und Verbindlichkeiten, welche auf die Person eingeschränkt sind, oder die bloß persönliche Handlungen des Verstorbenen betreffen.

7) Verlauf der Zeit.

§. 1449. Rechte und Verbindlichkeiten erlöschen auch durch den Verlauf der Zeit, worauf sie durch einen letzten Willen, Vertrag, richterlichen Ausspruch, oder durch das Gesetz beschränkt sind. Auf welche Art sie durch die vom Gesetze bestimmte Verjährung aufgehoben werden, wird in dem folgenden Hauptstücke festgesetzt.

Von der Einsetzung in den vorigen Stand.

§. 1450. Die bürgerlichen Gesetze, nach welchen widerrechtliche Handlungen und Geschäfte, wenn die Verjährung nicht im Wege steht, unmittelbar bestritten werden können, gestatten keine Einsetzung in den vorigen Stand. Die zum gerichtlichen Verfahren gehörigen Fälle der Einsetzung in den vorigen Stand sind in der Gerichtsordnung bestimmt.

 

Viertes Hauptstück.

Von der Verjährung und Ersitzung.

Verjährung.

§. 1451. Die Verjährung ist der Verlust eines Rechtes, welches während der von dem Gesetze bestimmten Zeit nicht ausgeübt worden ist.

Ersitzung.

§. 1452. Wird das verjährte Recht vermöge des gesetzlichen Besitzes zugleich auf jemand Andern übertragen; so heißt es ein ersessenes Recht, und die Erwerbungsart, Ersitzung.

Wer verjähren und ersitzen kann.

§. 1453. Jeder, der sonst zu erwerben fähig ist, kann auch ein Eigenthum oder andere Rechte durch Ersitzung erwerben.

Gegen wen?

§. 1454. Die Verjährung und Ersitzung kann gegen alle Privat-Personen, welche ihre Rechte selbst auszuüben fähig sind, Statt finden. Gegen Mündel und Pflegebefohlene; gegen Kirchen, Gemeinden und andere moralische Körper; gegen Verwalter des öffentlichen Vermögens und gegen diejenigen, welche ohne ihr Verschulden abwesend sind, wird sie nur unter den unten (§§. 1494, 1472 und 1475) folgenden Beschränkungen gestattet.

Welche Gegenstände.

§. 1455. Was sich erwerben läßt, kann auch ersessen werden. Sachen hingegen, welche man vermöge ihrer wesentlichen Beschaffenheit, oder vermöge der Gesetze nicht besitzen kann; ferner, Sachen und Rechte, welche schlechterdings unveräußerlich sind, sind kein Gegenstand der Ersitzung.

§. 1456. Aus diesem Grunde können weder die dem Staatsoberhaupte als solchen allein zukommenden Rechte, z. B. das Recht, Zölle anzulegen, Münzen zu prägen, Steuern auszuschreiben, und andere Hoheitsrechte (Regalien) durch Ersitzung erworben, noch die diesen Rechten entsprechenden Schuldigkeiten verjährt werden.

§. 1457. Andere dem Staatsoberhaupte zukommende, doch nicht ausschließend vorbehaltene Rechte, z. B. auf Waldungen, Jagden, Fischereyen u. d. gl., können zwar überhaupt von andern Staatsbürgern, doch nur binnen einem längern als dem gewöhnlichen Zeitraume (§. 1472.) ersessen werden.

§. 1458. Die Rechte eines Ehegatten, eines Vaters, eines Kindes und andere Personen-Rechte sind kein Gegenstand der Ersitzung. Doch kommt denjenigen, welche dergleichen Rechte redlicher Weise ausüben, die schuldlose Unwissenheit zur einstweiligen Behauptung und Ausübung ihrer vermeinten Rechte zu Statten.

§. 1459. Die Rechte eines Menschen über seine Handlungen und über sein Eigenthum, z. B. eine Ware da oder dort zu kaufen, seine Wiesen oder sein Wasser zu benutzen, unterliegen, außer dem Falle, daß das Gesetz mit der binnen einem Zeitraume unterlassenen Ausübung ausdrücklich den Verlust derselben verknüpfet, keiner Verjährung. Hat aber eine Person der andern die Ausübung eines solchen Rechtes untersagt, oder sie daran verhindert; so fängt der Besitz des Untersagungsrechtes von Seite der Einen gegen die Freyheit der Andern von dem Augenblicke an, als sich diese dem Verbothe, oder der Verhinderung gefüget hat, und es wird dadurch, wenn alle übrige Erfordernisse eintreffen, die Verjährung oder die Ersitzung bewirket. (§. 313 u. 351.)

Erfordernisse zur Ersitzung:

1) Besitz.

§. 1460. Zur Ersitzung wird nebst der Fähigkeit der Person und des Gegenstandes erfordert: daß jemand die Sache oder das Recht, die auf diese Art erworben werden sollen, wirklich besitze; daß sein Besitz rechtmäßig, redlich und echt sey, und durch die ganze von dem Gesetze bestimmte Zeit fortgesetzt werde. (§. 309, 316, 326 und 345.)

Und zwar a) ein rechtmäßiger;

§. 1461. Jeder Besitz, der sich auf einen solchen Titel gründet, welche zur Uebernahme des Eigenthumes, wenn solches dem Uebergeber gebührt hätte, hinlänglich gewesen wäre, ist rechtmäßig und zur Ersitzung hinreichend. Dergleichen sind, z. B. das Vermächtniß, die Schenkung, das Darleihen, der Kauf und Verkauf, der Tausch, die Zahlung u. s. w.

§. 1462. Verpfändete, geliehene, in Verwahrung, oder zur Fruchtnießung gegebene Sachen können von Gläubigern, Entlehnern und Verwahrern oder Fruchtnießern, aus Mangel eines rechtmäßigen Titels, niemahls ersessen werden. Ihre Erben stellen die Erblasser vor, und haben nicht mehr Titel als dieselben. Nur dem dritten rechtmäßigen Besitzer kann die Ersitzungszeit zu Statten kommen.

b) redlicher;

§. 1463. Der Besitz muß redlich seyn. Die Unredlichkeit des vorigen Besitzers hindert aber einen redlichen Nachfolger oder Erben nicht, die Ersitzung von dem Tage seines Besitzes anzufangen. (§. 1493.)

c) echter.

§. 1464. Der Besitz muß auch echt seyn. Wenn jemand sich einer Sache mit Gewalt oder List bemächtiget, oder in den Besitz heimlich einschleicht, oder eine Sache nur bittweise besitzt; so kann weder er selbst, noch können seine Erben dieselbe verjähren.

2) Verlauf der Zeit.

§. 1465. Zur Ersitzung und Verjährung ist auch der in dem Gesetze vorgeschriebene Verlauf der Zeit nothwendig. Außer dem, durch die Gesetze für einige besondere Fälle festgesetzten Zeitraume, wird hier das in allen übrigen Fällen zur Ersitzung oder Verjährung nöthige Zeitmaß überhaupt bestimmt. Es kommt dabey sowohl auf die Verschiedenheit der Rechte und der Sachen, als der Personen an.

Ersitzungszeit. Ordentliche;

§. 1466. Das Eigenthumsrecht, dessen Gegenstand eine bewegliche Sache ist, wird durch einen dreyjährigen rechtlichen Besitz ersessen.

§. 1467. (Anm.: Aufgehoben durch § 201, RGBl 1916/Nr. 69 - Dritte Teilnovelle.)

§. 1468. Wo noch keine ordentlichen öffentlichen Bücher eingeführt sind, und die Erwerbung unbeweglicher Sachen aus den Gerichts-Acten und andern Urkunden zu erweisen ist, oder wenn die Sache auf den Nahmen desjenigen, der die Besitzrechte darüber ausübet, nicht eingetragen ist; wird die Ersitzung erst nach dreyßig Jahren vollendet.

§. 1469. (Anm.: Aufgehoben durch § 201, RGBl 1916/Nr. 69 - Dritte Teilnovelle.)

§. 1470. Wo noch keine ordentlichen öffentlichen Bücher bestehen, oder ein solches Recht denselben nicht einverleibt ist, kann es der redliche Inhaber erst nach dreyßig Jahren ersitzen.

§. 1471. Bey Rechten, die selten ausgeübt werden können, z. B. bey dem Rechte, eine Pfründe zu vergeben, oder jemanden bey Herstellung einer Brücke zum Beytrage anzuhalten, muß derjenige, welcher die Ersitzung behauptet, nebst einem Verlaufe von dreyßig Jahren, zugleich erweisen, daß der Fall zur Ausübung binnen dieser Zeit wenigstens drey Mahl sich ergeben, und er jedes Mahl dieses Recht ausgeübt habe.

Außerordentliche.

§. 1472. Gegen den Fiscus, das ist, gegen die Verwalter der Staatsgüter und des Staatsvermögens, in so weit die Verjährung Platz greift (§§. 287, 289 u. 1456-1457), ferner gegen die Verwalter der Güter der Kirchen, Gemeinden und anderer erlaubten Körper, reicht die gemeine ordentliche Ersitzungszeit nicht zu. Der Besitz beweglicher Sachen, so wie auch der Besitz der unbeweglichen, oder der darauf ausgeübten Dienstbarkeiten und anderer Rechte, wenn sie auf den Nahmen des Besitzers den öffentlichen Büchern einverleibt sind, muß durch sechs Jahre fortgesetzt werden. Rechte solcher Art, die auf den Nahmen des Besitzers in die öffentlichen Bücher nicht einverleibt sind, und alle übrige Rechte lassen sich gegen den Fiscus und die hier angeführten begünstigten Personen nur durch den Besitz von vierzig Jahren erwerben.

§. 1473. Wer mit einer von dem Gesetze in Ansehung der Verjährungszeit begünstigten Person in Gemeinschaft steht, dem kommt die nähmliche Begünstigung zu Statten. Begünstigungen der längeren Verjährungsfrist haben auch gegen andere, darin ebenfalls begünstigte, Personen ihre Wirkung.

§. 1474. Die Eigenschaft eines Familien-Fideicommisses, eines Erbpacht- und Erbzinsgutes geht nur durch einen frey eigenthümlichen Besitz von vierzig Jahren verloren.

§. 1475. Der Aufenthalt des Eigenthümers außer der Provinz, in welcher sich die Sache befindet, steht der ordentlichen Ersitzung und Verjährung in so weit entgegen, daß die Zeit einer willkührlichen und schuldlosen Abwesenheit nur zur Hälfte, folglich Ein Jahr nur für sechs Monathe, gerechnet wird. Doch soll auf kurze Zeiträume der Abwesenheit, welche durch kein volles Jahr ununterbrochen gedauert haben, nicht Bedacht genommen, und überhaupt die Zeit nie weiter als bis auf dreyßig Jahre zusammen ausgedehnet werden. Schuldbare Abwesenheit genießt keine Ausnahme von der ordentlichen Verjährungszeit.

§. 1476. Auch derjenige, welcher eine bewegliche Sache unmittelbar von einem unechten, oder von einem unredlichen Besitzer an sich gebracht hat, oder seinen Vormann anzugeben nicht vermag; muß den Verlauf der sonst ordentlichen Ersitzungszeit doppelt abwarten.

§. 1477. Wer die Ersitzung auf einen Zeitraum von dreyßig oder vierzig Jahren stützt, bedarf keiner Angabe des rechtmäßigen Titels. Die gegen ihn erwiesene Unredlichkeit des Besitzes schließt aber auch in diesem längeren Zeitraume die Ersitzung aus.

Verjährungszeit. Allgemeine.

§. 1478. In so fern jede Ersitzung eine Verjährung in sich begreift, werden beyde mit den vorgeschriebenen Erfordernissen in Einem Zeitraume vollendet. Zur eigentlichen Verjährung aber ist der bloße Nichtgebrauch eines Rechtes, das an sich schon hätte ausgeübt werden können, durch dreyßig Jahre hinlänglich.

§. 1479. Alle Rechte gegen einen Dritten, sie mögen den öffentlichen Büchern einverleibt seyn oder nicht, erlöschen also in der Regel längstens durch den dreyßigjährigen Nichtgebrauch, oder durch ein so lange Zeit beobachtetes Stillschweigen.

§. 1480. Forderungen von rückständigen jährlichen Leistungen, insbesondere Zinsen, Renten, Unterhaltsbeiträgen, Ausgedingsleistungen, sowie zur Kapitalstilgung vereinbarten Annuitäten erlöschen in drei Jahren; das Recht selbst wird durch einen Nichtgebrauch von dreißig Jahren verjährt.

Ausnahmen.

§. 1481. Die in dem Familien- und überhaupt in dem Personen-Rechte gegründeten Verbindlichkeiten, z. B. den Kindern den unentbehrlichen Unterhalt zu verschaffen, so wie diejenigen, welche dem oben (§. 1459.) angeführten Rechte, mit seinem Eigenthume frey zu schalten, zusagen, z. B. die Verbindlichkeit, die Theilung einer gemeinschaftlichen Sache oder die Gränzbestimmung vornehmen zu lassen, können nicht verjährt werden.

§. 1482. Auf gleiche Weise wird derjenige, welcher ein Recht auf einem fremden Grunde in Ansehung des Ganzen oder auf verschiedene beliebige Arten ausüben konnte, bloß dadurch, daß er es durch noch so lange Zeit nur auf einem Theile des Grundes oder nur auf eine bestimmte Weise ausübte, in seinem Rechte nicht eingeschränkt; sondern die Beschränkung muß durch Erwerbung oder Ersitzung des Untersagungs- oder Hinderungsrechtes bewirkt werden. (§. 351.) Eben dieses ist auch auf den Fall anzuwenden, wenn jemand ein gegen alle Mitglieder einer Gemeinde zustehendes Recht bisher nur gegen gewisse Mitglieder derselben ausgeübt hat.

§. 1483. So lange der Gläubiger das Pfand in Händen hat, kann ihm die unterlassene Ausübung des Pfandrechtes nicht eingewendet und das Pfandrecht nicht verjährt werden. Auch das Recht des Schuldners, sein Pfand einzulösen, bleibt unverjährt. In so fern aber die Forderung den Werth des Pfandes übersteigt, kann sie inzwischen durch Verjährung erlöschen.

§. 1484. Zur Verjährung solcher Rechte, die nur selten ausgeübt werden können, wird erfordert, daß während der Verjährungszeit von dreyßig Jahren von drey Gelegenheiten, ein solches Recht auszuüben, kein Gebrauch gemacht worden sey. (§. 1471.)

§. 1485. In Rücksicht der in dem § 1472 begünstigten Personen werden, wie zur Ersitzung, also auch zur Verjährung, vierzig Jahre erfordert.

Die allgemeine Regel, daß ein Recht wegen des Nichtgebrauches erst nach Verlauf von dreißig oder vierzig Jahren verloren gehe, ist nur auf diejenigen Fälle anwendbar, für welche das Gesetz nicht einen kürzeren Zeitraum ausgemessen hat (§ 1465).

Besondere Verjährungszeit

§. 1486. In drei Jahren sind verjährt: die Forderungen

1. für Lieferung von Sachen oder Ausführung von Arbeiten oder sonstige Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betriebe;

2. für Lieferung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse in einem Betriebe der Land- und Forstwirtschaft;

3. für die Übernahme zur Beköstigung, Pflege, Heilung, zur Erziehung oder zum Unterricht durch Personen, die sich damit befassen, oder in Anstalten, die diesem Zwecke dienen;

4. von Miet- und Pachtzinsen;

5. der Dienstnehmer wegen des Entgelts und des Auslagenersatzes aus den Dienstverträgen von Hilfsarbeitern, Taglöhnern, Dienstboten und allen Privatbediensteten, sowie der Dienstgeber wegen der auf solche Forderungen gewährten Vorschüsse;

6. der Ärzte, Tierärzte, Hebammen, der Privatlehrer, der Advokaten, Notare, Patentanwälte und aller anderen zur Besorgung gewisser Angelegenheiten öffentlich bestellten Personen wegen Entlohnung ihrer Leistungen und Ersatzes ihrer Auslagen, sowie der Parteien wegen der Vorschüsse an diese Personen.

§. 1487. Die Rechte, eine Erklärung des letzten Willens umzustoßen; den Pflichtteil oder dessen Ergänzung zu fordern; eine Schenkung wegen Undankbarkeit des Beschenkten zu widerrufen oder den Beschenkten wegen Verkürzung des Pflichtteils in Anspruch zu nehmen; einen entgeltlichen Vertrag wegen Verletzung über die Hälfte aufzuheben, oder die vorgenommene Teilung eines gemeinschaftlichen Gutes zu bestreiten; und die Forderung wegen einer bei dem Vertrage unterlaufenen Furcht oder eines Irrtums, wobei sich der andere vertragmachende Teil keiner List schuldig gemacht hat, müssen binnen drei Jahren geltend gemacht werden. Nach Verlauf dieser Zeit sind sie verjährt.

§. 1488. Das Recht der Dienstbarkeit wird durch den Nichtgebrauch verjährt, wenn sich der verpflichtete Theil der Ausübung der Servitut widersetzt, und der Berechtigte durch drey auf einander folgende Jahre sein Recht nicht geltend gemacht hat.

§. 1489. Jede Entschädigungsklage ist in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde, der Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein. Ist dem Beschädigten der Schade oder die Person des Beschädigers nicht bekannt geworden oder ist der Schade aus einem Verbrechen entstanden, so erlischt das Klagerecht nur nach dreißig Jahren.

§. 1490. Klagen über Ehrenbeleidigungen, die lediglich in Beschimpfungen durch Worte, Schriften oder Geberden bestehen, können nach Verlauf eines Jahres nicht mehr erhoben werden. Besteht aber die Beleidigung in Tätlichkeiten, so dauert das Klagerecht auf Genugtuung durch drei Jahre.

Auf Schadenersatzklagen wegen Gefährdung des Kredits, des Erwerbes oder des Fortkommens eines andern durch Verbreitung unwahrer Tatsachen sind die Vorschriften des § 1489 anzuwenden.

§. 1491. Einige Rechte sind von den Gesetzen auf eine noch kürzere Zeit eingeschränkt. Hierüber kommen die Vorschriften an den Orten, wo diese Rechte abgehandelt werden, vor.

§. 1492. Wie lange das Wechselrecht einem Wechselbriefe zu Statten komme, ist in der Wechselordnung bestimmt.

Einrechnung der Verjährungszeit des Vorfahrers.

§. 1493. Wer eine Sache von einem rechtmäßigen und redlichen Besitzer redlich übernimmt, der ist als Nachfolger berechtiget, die Ersitzungszeit seines Vorfahrers mit einzurechnen (§. 1463). Eben dieses gilt auch von der Verjährungszeit. Bey einer Ersitzung von dreyßig oder vierzig Jahren findet diese Einrechnung auch ohne einen rechtmäßigen Titel, und bey der eigentlichen Verjährung selbst ohne guten Glauben, oder schuldlose Unwissenheit Statt.

Hemmung der Verjährung.

§. 1494. Gegen solche Personen, welche aus Mangel ihrer Geisteskräfte ihre Rechte selbst zu verwalten unfähig sind, wie gegen Pupillen, Wahn- oder Blödsinnige, kann die Ersitzungs- oder Verjährungszeit, dafern diesen Personen keine gesetzlichen Vertreter bestellt sind, nicht anfangen. Die ein Mahl angefangene Ersitzungs- oder Verjährungszeit läuft zwar fort; sie kann aber nie früher als binnen zwey Jahren nach den gehobenen Hindernissen vollendet werden.

§. 1495. Auch zwischen Ehegatten, dann zwischen Kindern oder Pflegebefohlenen, und ihren Aeltern oder Vormündern kann, so lang erstere in ehelicher Verbindung, letztere unter älterlicher oder vormundschaftlicher Gewalt stehen, die Ersitzung oder Verjährung weder angefangen, noch fortgesetzt werden.

§. 1496. Durch Abwesenheit in Civil- oder Kriegsdiensten, oder durch gänzlichen Stillstand der Rechtspflege, z. B. in Pest- oder Kriegszeiten, wird nicht nur der Anfang, sondern so lange dieses Hinderniß dauert, auch die Fortsetzung der Ersitzung oder Verjährung gehemmet.

Unterbrechung der Verjährung.

§. 1497. Die Ersitzung sowohl, als die Verjährung wird unterbrochen, wenn derjenige, welcher sich auf dieselbe berufen will, vor dem Verlaufe der Verjährungszeit entweder ausdrücklich oder stillschweigend das Recht des Andern anerkannt hat, oder wenn er von dem Berechtigten belangt, und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Wird aber die Klage durch einen rechtskräftigen Spruch für unstatthaft erklärt; so ist die Verjährung für ununterbrochen zu halten.

Wirkung der Ersitzung oder Verjährung.

§. 1498. Wer eine Sache oder ein Recht ersessen hat, kann gegen den bisherigen Eigenthümer bey dem Gerichte die Zuerkennung des Eigenthumes ansuchen, und das zuerkannte Recht, wofern es einen Gegenstand der öffentlichen Bücher ausmacht, den letzteren einverleiben lassen.

§. 1499. Auf gleiche Art kann nach Verlauf der Verjährung der Verpflichtete die Löschung seiner in den öffentlichen Büchern eingetragenen Verbindlichkeit, oder die Nichtigerklärung des dem Berechtigten bisher zugestandenen Rechtes und der darüber ausgestellten Urkunden erwirken.

§. 1500. Das aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht kann aber demjenigen, welcher im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, zu keinem Nachtheile gereichen.

§. 1501. Auf die Verjährung ist, ohne Einwendung der Parteyen, von Amts wegen kein Bedacht zu nehmen.

Entsagung oder Verlängerung der Verjährung.

§. 1502. Der Verjährung kann weder im voraus entsagt, noch kann eine längere Verjährungsfrist, als durch die Gesetze bestimmt ist, bedungen werden.

 

1 Siehe JGS 1846/Nr. 970: „Hinsichtlich des Schatzes überhaupt, somit auch hinsichtlich archäologischer Funde, wird das Drittheil, welches nach §. 399 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für das Staatsvermögen vorbehalten ist, von nun an aufgegeben; der Schatz ist daher ohne Abzug dieses Drittheiles zwischen dem Finder und dem Eigenthümer des Grundes zu gleichen Theilen, und bei getheiltem Eigenthume des Grundes ist der auf den Eigenthümer des Grundes fallende Theil zwischen den Ober- und Nutzungs-Eigenthümer zu theilen.“

 

2 Beachte RGBl 1867/Nr. 131, §. 5.: „Die §§. 191, 254, 281 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches werden dahin abgeändert, daß über die Frage, ob eine strafrechtliche Verurtheilung für den Verurtheilten den Verlust von Vormundschaften und gerichtlichen Curatelen und dessen Untauglichkeit zur Uebernahme eines dieser Aemter nach sich zu ziehen habe, das Vormundschafts- oder Curatels-Gericht in jedem einzelnen Falle nach seinem Ermessen zu entscheiden haben soll.“

 

3 Beachte RGBl 1895/Nr. 110, Art. 2.:

„Insbesondere verlieren ihre Wirksamkeit:

1. Die Vorschriften der §§. 200 und 282 a.b.G.B., soweit es sich um den Gerichtsstand für Rechtsstreitigkeiten aus einer gerichtlich angeordneten Verwaltung handelt;“